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German Pages 1597 [1592] Year 2023
DEUTSCHLAND UND DIE SOWJETUNION Bd. 3: April 1937–August 1939
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Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941 Dokumente aus russischen und deutschen Archiven
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Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941 Dokumente aus russischen und deutschen Archiven Bd. 3: April 1937–August 1939 Hrsg. von Sergej Slutsch und Carola Tischler unter Mitarbeit von Lothar Kölm Projektbetreuung: Andreas Wirsching Teilband 1 April 1937–September 1938
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ISBN 978-3-11-099773-6 e-ISBN [PDF] 978-3-11-098653-2 e-ISBN [EPUB] 978-3-11-098658-7 Library of Congress Control Number: 2023938210 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: jürgen ullrich typosatz, Nördlingen Druck und Bindung: Beltz Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza www.degruyter.com
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Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I.
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II.
Vorbemerkungen zur Edition
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87
III.
Dokumentenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
IV.
Dokumente
V.
Abkürzungsverzeichnis
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1479
VI.
Archive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1487
VII. Veröffentlichte Dokumente und Nachschlagewerke . . . . . . . . . . . .
1491
VIII. Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1497
IX.
1575
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort
Vorwort
Vorwort Vorwort https://doi.org.10.1515/9783110986532-202
Die Geschichte des europäischen Kontinents in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde entscheidend von den Beziehungen zwischen Deutschland und der Sowjetunion geprägt. Deren Entwicklung stand in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Ersten Weltkrieg und seinen Folgen. Dieser Krieg bereitete dem jahrhundertealten Staatensystem des alten Europa, das nun einen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenbruch erlitten hatte, ein Ende. Die auf den Trümmern dieses Systems durch die Siegermächte errichtete neue Friedensordnung erwies sich allerdings als brüchig und kurzlebig und legte die Basis für künftige Konflikte. Die Härte des Versailler Vertrags begünstigte die Verwandlung Deutschlands in den Herd eines neuen internationalen Konflikts, indem sie völlig unterschiedliche Kräfte zu einem Zusammenschluss unter nationalistischen Parolen bewog. Eine weitere Ursache der Instabilität der Nachkriegsordnung war die Errichtung des bolschewistischen Systems in Russland. Die beiden Staaten, die sich als Parias der Weltgemeinschaft betrachteten, wurden durch diese Entwicklungen zur Herstellung besonderer Beziehungen veranlasst, die sich nach dem Abschluss des Rapallo-Vertrags von 1922 praktisch auf allen nur denkbaren Gebieten entwickelten. Die Machtübernahme durch Hitler markiert einen Wendepunkt in diesem Prozess. Den Kern seines außenpolitischen Programms, das in erster Linie auf die Errichtung einer Vormachtstellung in Europa zielte und zur entscheidenden Triebkraft der Außenpolitik des Dritten Reiches wurde, bildete die Eroberung von neuem „Lebensraum“ im Osten auf Kosten der Sowjetunion. Der Weg zur Umsetzung dieses Vorhabens war lang und widersprüchlich, obwohl die antisowjetische Ausrichtung der Außenpolitik des neuen Reichskanzlers stets offen zu erkennen war. Sehr bald lief Hitlers Interesse an der UdSSR nur noch auf die Aufrechterhaltung der Beziehungen auf einem in der diplomatischen Praxis gerade noch zulässigen Mindestniveau hinaus. Dieser Kurs gegenüber der Sowjetunion wurde bis Mai 1939 verfolgt, begleitet von einer nur leicht verschleierten oder auch – wie in der Zeit des Bürgerkrieges in Spanien – völlig offenen politischen und ideologischen Konfrontation. Die Außenpolitik des Deutschen Reiches zwang die Sowjetunion zu unterschiedlichen Reaktionen auf dem internationalen Schauplatz. Dabei blieb die außenpolitische Strategie der UdSSR auch nach 1933 im Grundsatz unverändert und zielte darauf ab, die anderen Staaten gegeneinander auszuspielen und aufkommende Widersprüche und Konflikte zu vertiefen, um die eigene Position in der Staatenwelt abzusichern bzw. zu festigen. Trotz aller äußeren Konfrontation blieben bei dieser Taktik jedoch stets Möglichkeiten zu einer eventuellen Einigung, selbst zur Zusammenarbeit mit dem nationalsozialistischen Deutschland offen. Und eben hierzu gingen von Stalin persönlich von Zeit zu Zeit wichtige Initiativen aus. Die Entwicklung der deutsch-sowjetischen Beziehungen nach Hitlers Machtantritt stellte einen Prozess mit unterschiedlichen Zielsetzungen und Ausrichtungen dar, die entscheidend von beiden Diktatoren bestimmt wurden. Von 1933 bis 1941 war es vor allem Stalin, der Interesse an einer Verbesserung der politischen Beziehungen zwischen beiden Staaten bekundete, sah er darin doch nicht nur er-
VII https://doi.org.10.1515/9783110986532-202
Vorwort forderliche Sicherheitsgarantien für die UdSSR, so wie er sie verstand, sondern auch die Möglichkeit, die militärische Stärke und den internationalen politischen Einfluss seines Landes auszubauen. Jedoch stießen seine Anstrengungen bestenfalls auf eine völlig gleichgültige Haltung der obersten Führung des Dritten Reiches. Lediglich ein einziges Mal, im Jahr 1939, als es Hitler darauf ankam, potentielle Verbündete – die Westmächte und die UdSSR – voneinander zu trennen und damit im Vorfeld eines sich immer deutlicher abzeichnenden Krieges gegen England und Frankreich die Gefahr eines Zweifrontenkrieges zu bannen, reagierte er positiv auf erneute Versuche Moskaus, die Beziehungen zu Berlin zu verbessern. Dabei verzichtete Hitler keineswegs auf sein Hauptziel: die Zerschlagung der Sowjetunion als wichtigste Voraussetzung für die Errichtung seiner Herrschaft auf dem europäischen Kontinent. Er schob dieses Ziel lediglich auf. So stellt sich für die Herausgeber dieser Edition die Entwicklung der deutschsowjetischen Beziehungen dar. Zugleich müssen wir feststellen, dass die deutschsowjetischen Beziehungen 1933–1941 trotz ihrer Relevanz für die Bewertung der Außenpolitik beider Staaten und für die Entwicklung der weltpolitischen Lage insgesamt bis heute nur unzureichend erforscht sind. Denn ungeachtet der Überzeugung, dass Hitler und Stalin die Außenpolitik letztendlich prägten, reicht es nicht, die beiderseitigen Beziehungen nur unter dem Blickwinkel der Großen Politik und Diplomatie zu untersuchen. Das Neuartige an der vorliegenden Edition ist daher die Betrachtung der Beziehungen in ihrer Gesamtheit, d.h. die Berücksichtigung auch der wirtschaftlichen, militärischen und kulturellen Ebene. Innovativ ist auch der Aufbau der Edition, bei dem sowjetische und deutsche Dokumente einander ergänzen. Gerade die sehr dichte Verschränkung von Quellen unterschiedlicher Provenienz eröffnet schrittweise den Nachvollzug der Politik in einem Maße, wie es bisher in der Beziehungsgeschichte so nicht geleistet werden konnte. Das lag zum einen daran, dass die sowjetische Seite in einem viel stärkeren Ausmaß als die deutsche Quellenlücken aufweist. Zum anderen ermöglicht aber auch die Zusammenführung von Quellen aus unterschiedlichen Bereichen der gemeinsamen Geschichte einen neuen Blick auf die Interdependenz der Beziehungen. Und schließlich werden solche Quellen wie Briefe, Entwürfe von Dokumenten oder vertrauliche Notizen stärker als bisher berücksichtigt. Auf diese Weise können Historiker nicht nur nachvollziehen, wie sich die tatsächlichen Vorgänge auf der politischen Ebene entwickelten, sondern auch, wie die gegenseitige Wahrnehmung und die politischen Mentalitäten sich auswirkten, wie die Art der Kommunikation und die institutionelle Einbindung in die unterschiedlichen Apparate funktionierten und nicht zuletzt, welche Personen wie stark auf den Gang des Geschehens Einfluss nahmen. Die Auswahl der Dokumente erfolgte unter dem Gesichtspunkt, dass sie in ihrer Gesamtheit sowohl den Fortgang der Ereignisse und die Hintergründe beleuchten als auch in der erreichbaren Vollständigkeit und Dichte die Spannbreite der Beziehungen darlegen. Deshalb hielten es die Herausgeber für unerlässlich, bereits veröffentlichte Quellen in die Edition einzubeziehen, die für das Gesamtbild konstitutiv sind. Auch die Art der Präsentation der Quellen – die Wiedergabe erfolgt so originalgetreu wie möglich – ist der Überzeugung geschuldet, den Blick des Wissenschaftlers nicht nur auf die Inhalte, sondern auch auf Perzeption, nichtoffizielle Gedankengänge und Einbindung oder Ausschluss der unterschiedlichen Beteiligten zu lenken.
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Vorwort Die Ausgestaltung der Politik in beiden Diktaturen erwuchs aus einem Geflecht unterschiedlicher Interessen und Ziele. Während der nationalsozialistischen und der stalinistischen Diktatur wurden die Beziehungen vor allem über die Außenministerien geregelt. Alle anderen Beziehungen waren mit der Entwicklung der politisch-diplomatischen sehr eng verbunden und von diesen in zunehmendem Maße abhängig. Deshalb bilden Dokumente aus den beiden außenpolitischen Archiven den Hauptteil der edierten Quellen. Sie eröffnen einen Blick in die Gedankenwelt der Diplomaten, die in dieser Form bisher der Forschung verschlossen blieb. Darüber hinaus enthält die Edition Dokumente zu den Militär-, Wirtschafts- sowie Kultur- und Wissenschaftsbeziehungen aus einer Reihe weiterer Archive, die die Perspektive beträchtlich über die reine Diplomatiegeschichte hinaus erweitern. Die Eckdaten dieser auf vier Bände angelegten Edition liegen auf der Hand: Sie setzt ein mit dem 30. Januar 1933 und endet mit dem 22. Juni 1941. Die Gliederung der Einzelbände wird von den Zäsuren in der Entwicklung der deutschsowjetischen Beziehungen bestimmt, die in den Einleitungen zu jedem Band erläutert und begründet werden. Die Einleitung und die Dokumente des 1. Bandes führten ein in die deutsch-sowjetischen Beziehungen in den Jahren 1933 und 1934, die durch den Machtantritt Hitlers auf eine neue Grundlage gestellt wurden. Der 2. Band behandelte die folgenden knapp zweieinhalb Jahre von Januar 1935 bis Mitte April 1937. Diese Zeit war noch stärker als in den ersten beiden Jahren von einer Doppelnatur der Beziehungen, und zwar in vielerlei Hinsicht, gekennzeichnet. Die Periodisierung des Bandes ist von den Bemühungen Stalins bestimmt, nicht nur die wirtschaftlichen Beziehungen mit Deutschland zu erweitern, sondern auch die politischen Beziehungen zu verbessern bzw. sie auf ein qualitativ anderes Niveau zu bringen. Als wichtiges Werkzeug dieser Stalinschen Politik wurde David Kandelaki bestimmt. Der 3. Band setzt ein nach dem Scheitern der Kandelaki-Mission im Frühjahr 1937. Von nun an waren die Beziehungen geprägt von einem deutlichen Anwachsen der Gegnerschaft beider Staaten und einer Minimierung der diplomatischen Kontakte. Die Gesprächsthemen der beteiligten Diplomaten wurden dominiert von den Folgen des ‚Großen Terrors‘ in der Sowjetunion für die in der UdSSR lebenden deutschen Staatsbürger, aber auch von dessen Auswirkungen auf die Existenz des diplomatisch-konsularischen Netzes Deutschlands wie auch anderer Staaten. Die deutschen Konsulate in der UdSSR und die sowjetischen in Deutschland mussten schließen und die Handels-, Wissenschafts- und Kulturbeziehungen gingen stark zurück oder wurden ganz eingestellt. Mit dem ‚Anschluss‘ Österreichs, dem Münchener Abkommen und der schrittweisen Zerstückelung der Tschechoslowakei unterlag die europäische Außenpolitik einer ganz neuen und dramatischen Dynamik. Seit Mitte Herbst 1938 standen sowohl Hitler als auch Stalin in den außenpolitischen und wirtschaftlichen Bereichen vor neuen Aufgaben. Bei dem Versuch, sie zu lösen, haben ihre Diplomaten und sonstigen Bevollmächtigten – geleitet von entgegengesetzten Absichten – verschiedene Initiativen gegeneinander entwickelt. Dabei hat die deutsche Seite ihre wichtigsten Aktivitäten auf wirtschaftlichem Gebiet entfaltet. Die entscheidenden Signale zur Annäherung in der politischen Sphäre wurden vom Kreml inspiriert bzw. sind persönlich von Stalin ausgegangen. Am Ende dieses hinter den Kulissen verlaufenden turbulenten Prozesses stand der Abschluss des
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Vorwort Molotov-Ribbentrop-Paktes vom 23. August 1939 mit seinen schwerwiegenden Folgen für den Verlauf des Zweiten Weltkrieges. * * * Wir sind dankbar, dass dieser im Jahr 2018 begonnene Band trotz der großen Belastungen der deutsch-russischen Beziehungen zu Ende geführt werden konnte, und möchten an dieser Stelle betonen, dass ein solches Unterfangen nur mit vielfältiger Hilfe gelingen konnte. Wir waren dabei mit allerlei Schwierigkeiten konfrontiert, hatten aber auch ungeahnte und ungenannte Unterstützung. Für die Bereitstellung der Dokumente sind wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern folgender Archive sehr dankbar – in Russland: des Archivs für Außenpolitik der Russischen Föderation, des Russischen Staatlichen Archivs für Sozialund Politikgeschichte, des Russischen Staatlichen Militärarchivs sowie des Russischen Staatlichen Wirtschaftsarchivs; in Deutschland: des Politischen Archivs des Auswärtigen Amtes in Berlin, des Bundesarchivs mit seinen Abteilungen in Berlin/ Lichterfelde, Koblenz und Freiburg, des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs in Köln und des Archivs des Instituts für Zeitgeschichte in München; in der Ukraine: des Archivs des Ukrainischen Sicherheitsdienstes in Kiev. Auf die eine oder andere Weise waren an dem Gelingen der Arbeit beteiligt oder haben dank ihrer Fachkompetenz wertvolle Ratschläge und Hinweise gegeben: Dr. Günter Agde, Ol’ga Aleksandri, Dr. Piotr Dlugolecki, PD Dr. Mariana Hausleitner, Dr. Peter Hoffmann, Ljudmila Košeleva, Ljubov’ Kudrjavceva, Hildegard Maisinger, Prof. Dr. Christian Oberländer, Dr. Nikita Petrov, Gemma Pörzgen, Claudia Riehl, Svetlana Rozental’ (†), Irina Sazonkina, Dr. Alexander R. Schejngeit, Sandro Serafin, Dr. Ulrich Soénius, Prof. Dr. Andreas Wirsching sowie Larissa Zueva. Dr. Mechthild Lindemann hat dank ihrer langjährigen Editionserfahrung besondere Verdienste bei der Lösung vieler schwieriger Fragen erworben. Die Übersetzung erfolgte zum allergrößten Teil durch unseren langjährigen Vertrauten und Freund Dr. Lothar Kölm, ohne dessen zusätzliche uneigennützige Zuarbeit bei vielen Detailfragen manches ungelöst geblieben wäre. Seine krankheitsbedingte Unterbrechung hat zu unserer Erleichterung kurzfristig Verena Brunel ausgleichen können, die sich mit großer Sprachkenntnis und Umsicht auf die schon vorliegende Übersetzungsarbeit einstellen konnte. Bettina Neuhoff sowie Andreas Brandmair vom Verlag De Gruyter/Oldenbourg haben die nicht einfache Aufgabe der Manuskriptherstellung mit großer Sympathie für das Projekt übernommen. Ganz besonders möchten wir an dieser Stelle an unseren 2019 zu früh verstorbenen Kollegen und Freund Dr. Jürgen Zarusky erinnern, der das Projekt von Anbeginn an bis zuletzt mit Rat und Tat begleitet hat. Die Herausgeber fühlen sich den Genannten und allen weiteren Beteiligten verpflichtet und wissen um ihre eigene Verantwortung bei allen getroffenen Entscheidungen. Moskau/Berlin, 2022
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Sergej Slutsch und Carola Tischler
1. Grundlegende Faktoren der Außenpolitik Berlins und Moskaus
I. Einleitung I. Einleitung https://doi.org.10.1515/9783110986532-001
„Nur die Sowjetunion, das Land des Sozialismus, stand und steht unerschütterlich auf der Position des Kampfes gegen die faschistische Aggression, auf der Position der Verteidigung des Friedens, der Freiheit und der Unabhängigkeit der Völker gegen einen faschistischen Überfall.“ Vjačeslav Molotov1 „Zwischen Nationalsozialismus und Bolschewismus konnte und kann es niemals einen Kompromiss geben. … für Deutschland [konnte es] immer nur eine Politik, nämlich die gegen Russland geben ….“ Joachim von Ribbentrop2
In keiner anderen von den Herausgebern dieser Dokumentenedition3 ausgewählten Phase der deutsch-sowjetischen Beziehungen von 1933 bis 1941 war deren Entwicklung so unberechenbar wie im Zeitraum zwischen dem Frühjahr 1937 und dem Sommer 1939. Die beiden Regime legten damals den Weg von unverhohlener Feindschaft bis hin zu einem Abkommen zurück, das die gesamte nachfolgende Geschichte des Zweiten Weltkriegs prägen sollte. Ein kurzer Überblick über die ereignisreiche Geschichte der beiden Staaten in dieser Zeit soll sich der Frage widmen, ob dieser Prozess vorprogrammiert oder das Produkt einer Verkettung von Umständen war, die von den Intentionen seiner Hauptbeteiligten weitgehend unabhängig waren. 1. Grundlegende Faktoren der Außenpolitik Berlins und Moskaus
1. Grundlegende Faktoren der Außenpolitik Berlins und Moskaus Eine neuartige Entwicklungsphase in der Außenpolitik Hitlers begann mit der Verabschiedung des Vierjahresplans zur Vorbereitung der deutschen Wirtschaft auf den Krieg (Oktober 1936). Dies zeugte vom Entschluss des Reichskanzlers, nicht nur die Streitkräfte, sondern auch das gesamte Wirtschaftsleben des Landes forciert auf den gewaltsamen Neuzuschnitt der Landkarte Europas vorzubereiten.4 Die dominierenden Elemente dieses Plans waren die Wiederaufrüstung der Wehrmacht zur Führung eines Angriffskriegs und die Erreichung einer größtmöglichen Unabhängigkeit der deutschen Wirtschaft von Importen.5 Es war offensichtlich, dass die Realisierung dieser Ziele Zeit und günstige äußere Bedingungen erforderte. Vor diesem Hintergrund führte Hitler auf der einen Seite weiterhin einen politischdiplomatischen Kampf gegen die Westmächte, indem er in regelmäßigen Abständen die Frage der Rückgabe der ehemaligen deutschen Kolonien aufbauschte und 1 „Iz doklada predsedatelja Soveta narodnych komissarov SSSR V.M. Molotova na toržestvennom zasedanii Mossoveta 6.11.1938“ (Aus dem Vortrag des Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare der UdSSR V. M. Molotov auf der Festsitzung des Mossovet am 6.11. 1938). In: Izvestija vom 10. November 1938. 2 Aus einem Vortrag des Reichsaußenministers von Ribbentrop vor Generälen und Admirälen der Wehrmacht am 24.1.1939; vgl. Dok. 399 in diesem Band. 3 Vgl. Sergej Slutsch/Carola Tischler (Hrsg.): Deutschland und die Sowjetunion 1933−1941. Dokumente aus russischen und deutschen Archiven, Bde. 1–2, München 2014/2019; im Folgenden: Deutschland und die Sowjetunion 1933−1941. 4 Vgl. Wilhelm Treue: Hitlers Denkschrift zum Vierjahresplan 1936. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 1955, Heft 2, S. 204–210. 5 Vgl. Dieter Petzina: Autarkiepolitik im Dritten Reich. Der nationalsozialistische Vierjahresplan, Stuttgart 1968.
1 https://doi.org.10.1515/9783110986532-001
I. Einleitung diese als Druckmittel einsetzte, um eine Abschwächung der Reaktion dieser Staaten auf das Vorgehen Berlins in Europa zu erreichen.6 Auf der anderen Seite versuchte er, vor allem gegenüber London und Paris, seine ‚Friedfertigkeit‘ zu demonstrieren, indem er die außenpolitischen Aktivitäten Deutschlands (Einmischung in den Bürgerkrieg in Spanien, Annäherung an Italien und Schaffung der Achse Rom – Berlin, Antikomintern-Pakt) als ausschließlich auf die Errichtung eines ‚Bollwerks‘ gegen die Ausbreitung des Bolschewismus in Europa und Asien ausgerichtet interpretierte.7 Im Laufe des Jahres 1937 veränderte sich die internationale Lage zugunsten Hitlers, wozu sowohl außenpolitische (der Konflikt Italiens mit Großbritannien und Frankreich, der Konflikt Japans mit der UdSSR, die Isolationspolitik der USA usw.) als auch innenpolitische Faktoren in anderen Staaten (die Instabilität in Frankreich, der Antritt von Neville Chamberlain als britischer Premierminister, der Massenterror in der UdSSR) nicht wenig beitrugen. Dieses Jahr „ohne Überraschungen“8 war durch ein hohes Maß an diplomatischen Aktivitäten Berlins gekennzeichnet, wodurch dessen militärisches und politisches Gewicht auf der internationalen Bühne gesteigert wurde.9 Obwohl die nicht abgeschlossene Wiederaufrüstung der Wehrmacht und die begrenzten Rohstoffressourcen den Übergang der NS-Führung zu einer offen aggressiven Politik auf dem Kontinent objektiv hemmten, wurde die militärische Planung intensiv fortgesetzt. Dies spiegelte die Ansichten der obersten Militärführung über die tatsächlichen Kapazitäten der Wehrmacht in einem dynamischen internationalen Umfeld wider. So heißt es in einer Weisung des Oberbefehlshabers der Wehrmacht Werner von Blomberg vom 24. Juni 1937, dass von Seiten Deutschlands zwar keine Absicht bestehe, „einen europäischen Krieg zu entfesseln“, jedoch müssten seine Streitkräfte in der Lage sein, „etwa sich ergebende politisch günstige Gelegenheiten militärisch ausnutzen zu können“10. Mit Ausnutzung „günstiger Gelegenheiten“ wurden in der Weisung die Zerschlagung der Tschechoslowakei und die Intervention in Österreich angedeutet. Nach einigen Monaten kam Hitler zu dem Schluss, dass es erforderlich sei, seine Vorstellungen vom Vorgehen Deutschlands in absehbarer Zukunft bereits aus einer etwas anderen Perspektive darzulegen. Seine Ausführungen bei einer Besprechung mit den Oberbefehlshabern der Streitkräfte und dem Außenminister am 5. November 1937, bekannt als „Hoßbach-Protokoll“11, waren der wichtigste Mei6 Max Domarus: Hitler. Reden und Proklamationen 1932−1945, Bd. I/2, Wiesbaden 1973, S. 637, 673. 7 Vgl. Die Tagebücher von Joseph Goebbels, hrsg. von Elke Fröhlich, Teil I, Bd. 3/II, München 2001, S. 265. 8 In einer Rede vor dem Reichstag am 30.1.1937 erklärte Hitler, dass „die Zeit der sogenannten Überraschungen abgeschlossen ist. Als gleichberechtigter Staat wird Deutschland seiner europäischen Aufgabe bewusst nunmehr in Zukunft in loyaler Weise mitarbeiten an der Behebung der Probleme, die uns und die anderen Nationen bewegen.“ Vgl. Domarus, Hitler. Reden und Proklamationen, Bd. I/2, S. 664–676, hier S. 668. 9 Vgl. Gottfried Niedhart: Deutsche Außenpolitik im Entscheidungsjahr 1937. In: Deutschland und Frankreich 1936−1939, hrsg. von Klaus Hildebrand u. a., München 1981, S. 487–488. 10 Weisung des Oberbefehlshabers der Wehrmacht für die einheitliche Kriegsvorbereitung der Wehrmacht vom 24. Juni 1937. In: Trial of the Major War Criminals before the International Military Tribunal Nuremberg 14 November 1945–1 October 1946 (IMT), Bd. XXXIV, Dok. 175-C, S. 734–735. 11 Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. I, Dok. 19, S. 25–32.
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1. Grundlegende Faktoren der Außenpolitik Berlins und Moskaus lenstein bei der Dynamisierung der deutschen Außenpolitik. Darin wurden Aufgaben skizziert, deren Lösung nicht unbedingt von der vollständigen Kriegsbereitschaft der Wehrmacht abhing. Dabei ging Hitler zunächst nicht von der Einsatzbereitschaft des Militärapparats, sondern von der internationalen Konstellation aus, die sich seiner Meinung nach günstig für eine Politik der gewaltsamen Veränderung der europäischen Grenzen darstellte. Hitlers Vorstellung einer möglichen Entwicklung der internationalen Lage enthielt zuweilen widersprüchliche Annahmen, was vor allem darauf zurückzuführen war, dass er die Anwesenden von der Unumgänglichkeit einer baldigen Involvierung der Streitkräfte in einen Krieg überzeugen wollte.12 Aber bereits dies musste bei einigen Sitzungsteilnehmern, bei Kriegsminister Werner von Blomberg, bei Oberbefehlshaber des Heeres Werner von Fritsch und bei Außenminister Konstantin von Neurath, im Gegenzug Zweifel und Besorgnis hervorrufen. Dabei handelte es sich nicht um grundsätzliche Einwände gegen die Pläne des ‚Führers‘ an sich, sondern um Bedenken hinsichtlich der Risiken, die bei ihrer vorzeitiger Umsetzung auftreten könnten. Dennoch war Hitler erstmals mit hochrangigen, wenn auch „loyalen Kritikern“13 seiner konkreten Pläne konfrontiert, und das in einem für ihn so maßgeblichen Bereich wie der Außenpolitik.14 Nur drei Monate später entfernte er alle drei Kritiker bei sich bietender Gelegenheit, oder auch ohne eine solche15, aus ihren Funktionen. Die anschließende Reorganisation der Führung der Streitkräfte führte zu einer weiteren Stärkung des NS-Regimes und der persönlichen Macht Hitlers. Seine Selbsteinsetzung als Oberbefehlshaber der Streitkräfte, zusammen mit der Neubesetzung der Wehrmachtsführung sowie personellen Veränderungen bei Schlüsselpositionen im Auswärtigen Amt und den deutschen Botschaften in mehreren Ländern – all das waren Symptome für den Übergang zu einer neuen, dynamischeren und radikaleren Phase der deutschen Außenpolitik, die die Welt in den Zweiten Weltkrieg stürzte. Die Politik Deutschlands spielte sich jedoch nicht in einem politischen Vakuum ab: Erfolg oder Misserfolg der außenpolitischen Pläne und Aktionen seiner Führung hingen nicht nur von den in Berlin getroffenen Entscheidungen, der Verfügbarkeit ausreichender Kräfte und der Effektivität ihres Einsatzes ab, sondern auch von der Kombination einer Reihe weiterer Faktoren. Dabei spielte die Reaktion anderer politisch und militärisch relevanter Akteure auf der internationalen Bühne auf das Vorgehen Berlins eine wichtige Rolle. Von überragender Bedeutung auf dem 12 Vgl. Bemerkungen General Becks zur Niederschrift des Oberst d. G. Hoßbach über die Besprechung in der Reichskanzlei am 5. November 1937, vom 12. November 1937. In: KlausJürgen Müller: General Ludwig Beck. Studien und Dokumente zur politisch-militärischen Vorstellungswelt und Tätigkeit des Generalstabschefs des deutschen Heeres 1933−1938, Boppard a. Rhein 1980, Dok. 43, S. 498–501. 13 Vgl. Michael Burleigh: Die Zeit des Nationalsozialismus: eine Gesamtdarstellung, Frankfurt a.M. 2000, S. 791. 14 Vgl. Hermann Graml: Wer bestimmte die Außenpolitik des Dritten Reiches? Ein Beitrag zur Kontroverse um Polykratie und Monokratie im NS-Herrschaftssystem. In: Demokratie und Diktatur. Geist und Gestalt politischer Herrschaft in Deutschland und Europa, hrsg. von Manfred Funke u. a., Düsseldorf 1987, S. 232–234. 15 Vgl. Klaus-Jürgen Müller: Das Heer und Hitler: Armee und nationalsozialistisches Regime, 1933–1940, Stuttgart 1969, S. 255–299; Harold C. Deutsch: Hitler and his Generals. The Hidden Crisis, January – June 1938. Minneapolis 1974; Karl-Heinz Jansen/Fritz Tobias: Der Sturz der Generäle. Hitler und die Blomberg-Fritsch-Krise 1938, München 1994.
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I. Einleitung Weg zur Verwirklichung der Expansionspläne Hitlers in Europa in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre waren die Positionen von England und Frankreich, insbesondere von ersterem als Führungsmacht in diesem Tandem. Tatsächlich trug ihre Politik in vielerlei Hinsicht zur Ausweitung der nationalsozialistischen Aggression auf dem Kontinent bei. Bereits im November 1937 wurde Hitler aus London insgeheim zu verstehen gegeben, dass „keine Änderungsmöglichkeit des bestehenden Zustandes ausgeschlossen sein solle, dass aber Änderungen nur auf Grund einer vernünftigen Regelung erfolgen dürften“16. Auf eben diesem Weg – dem Weg einer „vernünftigen Regelung“ – setzte Hitler den Anschluss Österreichs, die Abtrennung des Sudetenlandes sowie die Besetzung Tschechiens und Memels in die Tat um, ohne dass Deutschland von irgendeiner Seite nennenswerte Hindernisse in den Weg gelegt wurden. Den Höhepunkt dieser Politik des Appeasement zur Erhaltung eines Friedens, der unter ihrem Einfluss noch instabiler geworden war, stellte die Münchener Konferenz vom September 1938 dar. Die dort gefassten Beschlüsse überzeugten Hitler davon, dass es keine weitere Notwendigkeit für Verhandlungen – worüber auch immer – mit den westlichen Führern gab, die seinen Handlungsspielraum einschränkten.17 In der Zeit nach München neigte Hitler mehr und mehr zum Krieg gegen die Westmächte, für dessen Vorbereitung nicht nur eine ganze Reihe von logistischen Maßnahmen, sondern auch ernsthafte außenpolitische Schritte erforderlich waren. Es war daher keineswegs ein Zufall, dass das ‚polnische Problem‘ in den Vordergrund rückte, dem eine Schlüsselrolle bei der außenpolitischen Absicherung des deutschen Hinterlandes im Osten zukam. Genau in diese Richtung der internationalen Politik konzentrierten sich von der zweiten Hälfte des Herbstes 1938 bis zum Frühjahr 1939 erhebliche Anstrengungen der deutschen Diplomatie. Trotz aller ergriffenen Maßnahmen, die sowohl von diplomatischen Ermahnungen als auch von offenem Druck begleitet wurden, weigerten sich die polnischen Entscheidungsträger, die Bedingungen einer ‚Gesamtlösung‘ mit dem Reich zu akzeptieren.18 Die polnische Führung wurde damit zu einem Hindernis auf dem Weg zur Realisierung der antiwestlichen Strategie Hitlers und ließ ihm aus seiner Sicht keine andere Wahl, als „bei erster passender Gelegenheit Polen anzugreifen“19. Dadurch zwang die polnische Führung Hitler, seine Pläne zu ändern und die Richtung des Erstschlags von Westen nach Osten zu verlegen, wodurch er den Krieg in Europa früher begann als geplant. Bei seiner Entscheidung, Polen zu zerschlagen, schloss Hitler das Unvermögen, den deutsch-polnischen Krieg einzudämmen, nicht aus.20 Die vorhandenen Kräfteverhältnisse in Europa und der allgemeine Zustand der Kriegswirtschaft, die die Vorbereitungen auf einen Krieg von unbestimmter Dauer noch nicht abge16 17
Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. I, Dok. 31, Anlage, S. 49. Vgl. Klaus Hildebrand: Deutsche Außenpolitik 1933−1945. Kalkül oder Dogma? Stuttgart u. a. 1990, S. 77. 18 Vgl. dazu ausführlich: Sergej Sluč: Pol’ša v politike Tret’ego rejcha nakanune Vtoroj mirovoj vojny (1938−1939 gg.) (Polen in der Politik des Dritten Reiches am Vorabend des Zweiten Weltkrieges). In: B. V. Nosov/Ju. E. Ivonin (Hrsg.): Rossija – Pol’ša – Germanija v evropejskoj i mirovoj politike XVI – XX vv. (Russland – Polen – Deutschland in der europäischen und Weltpolitik des 16. – 20. Jhs.), Moskva 2002, S. 316–327. 19 Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 433, S. 479. 20 Ebd.
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1. Grundlegende Faktoren der Außenpolitik Berlins und Moskaus schlossen hatte, ließen einen Erfolg nur bei einem kurzen Feldzug mit der größtmöglichen Kraftanstrengung an einer einzigen Front wahrscheinlich werden. Die Hoffnungen auf die ineinandergreifende militärische Zusammenarbeit mit den Teilnehmern des Antikomintern-Paktes haben die deutsche Führung – darüber später mehr – ausdrücklich enttäuscht. Nachdem im Rahmen der herrschenden internationalen Konstellation im Hochsommer 1939 die unternommenen Anstrengungen für die Lokalisierung des kommenden Feldzuges gegen Polen ausgeschöpft worden waren, versuchte Hitler, die vorhandenen Bedingungen seinen Plänen anzupassen, nämlich die ungünstigen Kräfteverhältnisse auf dem Kontinent zu seinen Gunsten zu verändern. In der zweiten Julihälfte 1939 beschloss Hitler nolens volens, ein politisches Abkommen mit der UdSSR abzuschließen, das ihm deren wohlwollende Neutralität und wirtschaftliche Unterstützung für den kommenden Krieg sichern würde. Dies war in aller Kürze der Weg, der Hitler dazu führte, sich mit dem politisch und ideologisch erbittertsten Feind zu verständigen. Im Gegensatz zu Deutschland, das von 1937 bis 1939 seine strategische Position auf dem Kontinent, seine militärische Stärke und sein kriegswirtschaftliches Potenzial erheblich ausbauen konnte, war die internationale Position der Sowjetunion drastisch geschwächt, insbesondere unter dem Einfluss einer innenpolitischen Katastrophe von bisher nicht gekanntem Ausmaß, die als 'Großer Terror' bezeichnet wird. Während der Jahre 1937 und 1938 wurden im Land über 1.700.000 Personen verhaftet, von denen fast 800.000 erschossen wurden. Die Rote Armee wurde praktisch enthauptet und verlor innerhalb von zwei Jahren mehr als 35.000 Angehörige ihres Führungspersonals, darunter nahezu die gesamte Spitze von Heer, Luftstreitkräften und Marine. Sie wurden in der Regel der Spionage zugunsten ausländischer Staaten – vorwiegend Deutschlands, Japans und Polens – beschuldigt, was sich unweigerlich auf die Haltung der Westmächte gegenüber der UdSSR als deren potenzielle oder vielmehr hypothetische Verbündete auswirkte. Die Massenrepressionen führten in vielen Wirtschaftsbereichen, vor allem in der Industrie und im Transportwesen, zu schwerwiegenden Personalproblemen. Dadurch wurde die Kampfkraft der Streitkräfte – das wichtigste Instrument der Außenpolitik – massiv untergraben, und die Bündnisfähigkeit der UdSSR lag 1938 nahe null. All dies schränkte nicht nur ihre internationalen Aktivitäten erheblich ein, sondern schloss auch die Möglichkeit aus, angesichts der wachsenden Aggressivität der Achsenmächte eine wirksame Außenpolitik zu betreiben, was sich in der tschechoslowakischen Krise von 1938 in vollem Umfang zeigte.21 Darüber hinaus war die internationale Lage für die UdSSR in diesen Jahren äußerst ungünstig. Ihre äußeren Konturen wurden vor allem durch eine Kombination aus dem aggressivem Vorgehen Deutschlands und der Beschwichtigungspolitik der Westmächte mit dem ihnen eigenen Antikommunismus bestimmt. Dabei war der offiziell verkündete Kurs der Schaffung eines Systems der kollektiven Sicherheit in Europa und des Widerstands gegen die faschistische Aggression nur eine Komponente der generellen Strategie Stalins, die nach seinem Verständnis die Sicherheit 21 Vgl. Sergej Slutsch: Die Sowjetunion und die Sudetenkrise: Aspekte einer Appeasement-Politik. In: Das Münchener Abkommen von 1938 in europäischer Perspektive, hrsg. von Jürgen Zarusky/ Martin Zückert, München 2013, S. 179–209.
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I. Einleitung der UdSSR gewährleisten sollte. Ein weiterer, nicht minder wichtiger Aspekt bestand darin, zur Verschärfung und Ausweitung von Konflikten zwischen Staaten beizutragen, die von der UdSSR als Klassenfeinde betrachtet wurden.22 Somit spiegelte die vom Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Maksim Litvinov vollmundig nach außen propagierte Losung „Der Friede ist unteilbar“ keineswegs das Kernstück der Politik des Kremls wider. Die UdSSR konzentrierte sich weniger auf die Suche nach politischer Zusammenarbeit mit verschiedenen Staaten, sondern vor allem auf die Gewährleistung der Sicherheit vor diesen Staaten. Davon zeugte auch die von Stalin initiierte Kandelaki-Mission der Jahre 1935 bis 1937, die auf die Schaffung einer politischen Brücke zwischen Moskau und Berlin abzielte.23 Das Scheitern dieses Versuchs des Kremls war einer der Hauptgründe für die anhaltende Stagnation in den sowjetisch-deutschen Beziehungen, was die internationale Lage der UdSSR weiter verschlechterte. Denn Stalin wurde dadurch neben allem anderen eines wichtigen Druckmittels auf Großbritannien und Frankreich beraubt. Ein sich positiv entwickelndes deutsch-sowjetisches Verhältnis hätte zumindest hypothetisch die Möglichkeit geboten, sich mit den Westmächten auf der Grundlage eines gemeinsamen Widerstands gegen die wachsende Bedrohung durch Deutschland zu verständigen. Die Übereinkunft der vier Mächte in München machte die langjährigen Bemühungen des Kremls, ihre Annäherung zu verhindern, weitgehend zunichte, sodass sich die UdSSR in einer sehr schwierigen Lage befand und ihre Isolation in der internationalen Arena einen Höhepunkt erreichte. Stalin versuchte, einen Ausweg aus dieser Situation zu finden und kam darauf zurück, sein im Verlauf der Kandelaki-Mission gescheitertes Vorhaben umzusetzen, allerdings bereits in einem grundlegend veränderten internationalen Umfeld und zu anderen Bedingungen. Somit hatte der Weg zur Annäherung zwischen der UdSSR und Deutschland unterschiedliche Voraussetzungen und Ausgangspunkte. Dies betraf sowohl die ein oder anderen Signale und Initiativen aus Moskau und Berlin sowie die damit verbundenen Interessen, als auch die mit den Initiativen beauftragten Personen, von deren Status im jeweiligen Machtgefüge sehr viel vom Gelingen oder Scheitern der Verhandlungen abhing. Die Einzelheiten dieses vielschichtigen Prozesses, der schon seit vielen Jahrzehnten das Interesse von Historikern auf sich zieht, werden in diesem Band auf der Grundlage der den Herausgebern zur Verfügung stehenden Dokumente in bisher präzedenzloser Vollständigkeit präsentiert. 2. Überblick über die Dokumentenveröffentlichungen und ihre Schwerpunkte
2. Überblick über die Dokumentenveröffentlichungen und ihre Schwerpunkte Wie bereits in der Einleitung zum ersten Band der Dokumentenedition „Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941“ dargelegt, konzentrierte sich die Aufmerksamkeit der Herausgeber von Dokumenten (und mit ihnen diejenige der westlichen Historiker) seit den ersten Nachkriegsjahren hauptsächlich auf die deutsch-sowjetischen Beziehungen vom Frühjahr 1939 bis Juni 194124, d. h. auf die Zeit der allmählichen Annäherung und dann der aktiven Zusammenarbeit zwischen den 22 23 24
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Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933−1941, Bd. 2, Dok. 223, S. 690–691. Vgl. ebd., Bd. 2, passim, aber besonders Dok. 620, S. 1534. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 1, S. 12 (Einleitung).
2. Überblick über die Dokumentenveröffentlichungen und ihre Schwerpunkte beiden Regimen, deren Form und Umfang gänzlich von Hitlers Plänen abhing. Im Wesentlichen hat sich diese Tendenz bis in die jüngste Zeit fortgesetzt, sodass die wenigen Arbeiten westlicher Historiker, die sich mit den bilateralen Beziehungen zwischen 1933 und 1941 befassen, beträchtliche Lücken aufweisen, insbesondere was die Perioden betrifft, die dem genannten Zeitabschnitt vorausgingen, vom Verständnis seiner Genese ganz zu schweigen. Hinzu kommt, dass – von wenigen Ausnahmen abgesehen – vor allem Dokumente veröffentlicht wurden, die den politisch-diplomatischen Aspekt der Beziehungen zwischen Berlin und Moskau betrafen. Mit Hilfe der Statistik kann erläutert werden, wie repräsentativ diese Beziehungen in den offiziellen Editionen der diplomatischen Dokumente beider Länder hinsichtlich des hier behandelten Zeitraums von Mitte April 1937 bis 23. August 1939 dargestellt wurden. Von der vergleichsweise geringen Anzahl an Dokumenten (ca. 30) zu den sowjetisch-deutschen Beziehungen vom 19. April 1937 bis Ende 1937, die in die „Akten zur deutschen auswärtigen Politik" (ADAP)25 aufgenommen wurden, bezieht sich der Großteil auf politische, darunter internationale, sowie politischdiplomatische Angelegenheiten. Ein wesentlich kleinerer Teil der Dokumente (in absteigender Reihenfolge) ist mit den Problemen der in der UdSSR verhafteten deutschen Staatsangehörigen, den innenpolitischen Vorgängen in der Sowjetunion, den Handels- und Wirtschaftsbeziehungen und der propagandistischen Auseinandersetzung verbunden. Dieses Verhältnis (quantitativ und thematisch) wird bei den in den ADAP veröffentlichten Dokumenten von 193826 weitgehend beibehalten. Die vorhandenen Unterschiede sind dadurch bedingt, dass 1938 den Handels- und Wirtschaftsbeziehungen deutlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird und Dokumente zu den Verhaftungen deutscher Staatsangehöriger in der UdSSR und zur ideologischen Auseinandersetzung fehlen. Bei den Dokumenten aus dem Jahr 1939 (vor dem 23. August) verhält es sich ganz anders: Ihre Gesamtzahl hat sich nahezu vervierfacht, wobei etwa ein Drittel von ihnen die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen betrifft.27 Somit verfügten die Historiker (vornehmlich der westlichen Länder28) bereits Mitte der 1950er Jahre über einen gewissen Grundbestand von mehr als 150 deutschen Dokumenten, die die sowjetisch-deutschen politisch-diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen 1937 und 1939 mit einem unterschiedlichen Grad der Repräsentativität und Adäquatheit widerspiegeln. 29 Und das ist zweifellos das große Verdienst der großen Gruppe von Historikern aus den USA, Großbritannien und Frankreich, die die ersten sieben Bände der Serie D in so kurzer Zeit für den Druck vorbereitet haben.30 25 26 27
ADAP, Ser. C, Bd. VI/2; Ser. D, Bd. I. ADAP, Ser. D, Bd. I, II, IV, V. ADAP, Ser. D, Bd. IV, VI, VII. Alle genannten Bände der Serie D wurden zwischen 1950 und 1956 veröffentlicht. 28 Die – ohnehin häufig nicht vollständig vorhandenen – Bände dieser Dokumentenedition waren nur in einer Handvoll Bibliotheken der UdSSR zu finden. Sie wurden von der Hauptverwaltung für den Schutz von Staatsgeheimnissen in der Presse beim Ministerrat der UdSSR (Glavlit) in die Kategorie „Nutzung eingeschränkt“ eingestuft und in Abteilungen zur speziellen Aufbewahrung (Specchran) gelagert. 29 Der abschließende 6. Band der Serie C der Akten zur deutschen auswärtigen Politik, der den Zeitraum von Mitte März bis Mitte November 1937 abdeckt, wurde 1981 veröffentlicht. 30 Zu den schwierigen Umständen, unter denen diese Arbeit durchgeführt wurde und dem Einfluss verschiedener Faktoren auf ihre Effektivität vgl. ausführlich Paul R. Sweet: Der
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I. Einleitung Vom Beginn der offiziellen Veröffentlichung diplomatischer Dokumente aus den Jahren 1937 bis 1939 in der UdSSR als Gegenaktion zum Erscheinen der Dokumentensammlung „Das nationalsozialistische Deutschland und die Sowjetunion 1939– 1941“31 im Westen war bereits früher die Rede.32 Hier soll lediglich auf den inhaltlichen Aspekt dieser Sammlung „Dokumenty i materialy kanuna Vtoroj mirovoj vojny“ eingegangen werden, die, wie auch die amerikanische Publikation, im Jahr 1948 erschienen ist. Sie bestand aus zwei Teilen33 und umfasste etwa 80 Dokumente, wobei der bemerkenswerteste Aspekt war, dass sie nur Übersetzungen deutscher Dokumente enthielt, die keinen direkten Bezug zu den sowjetisch-deutschen Beziehungen hatten. Die Begründung, warum ausgerechnet diese Dokumente ausgewählt wurden, fand sich im Vorfeld in der berüchtigten Broschüre „Fal’sifikatory istorii“, in der unter anderem konstatiert wurde: „Nur die Beutedokumente, über die die Sowjetregierung verfügt, können den tatsächlichen Verlauf der Vorbereitung und Entwicklung der Hitleraggression und des Zweiten Weltkrieges ins richtige Licht setzen.“34 Die in den USA zusammengestellte Auswahl sei hingegen „voll von Dokumenten, die von den diplomatischen Nazi-Beamten zurechtgeschustert wurden“, die sich durch „Einseitigkeit und Voreingenommenheit“ auszeichneten, „die Ereignisse aus der Sicht der Nazi-Regierung“ darstellten und bestrebt seien, „diese Ereignisse in einem für die Nazis günstigen Licht erscheinen zu lassen“35. Ein weiterer umfangreicher Korpus von Dokumenten zur Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges, der vom Außenministerium der UdSSR zusammengestellt wurde, erschien 1971 unter dem Titel „SSSR v bor’be za mir nakanune Vtoroj mirovoj vojny“.36 Der Sammelband enthielt 449 Dokumente, hauptsächlich aus sowjetischen Archiven, sowie Nachdrucke von Dokumenten aus sowohl ausländischen als auch inländischen Veröffentlichungen. Wie selektiv diese Auswahl war, zeigt sich vor allem anhand der geringen Aufmerksamkeit, die den sowjetisch-deutschen Beziehungen der Vorkriegszeit seitens der Herausgeber zuteilwurde. Es gibt in dem Sammelband keine Aufzeichnungen von Gesprächen sowjetischer und deutscher Diplomaten, keinen einzigen Bericht oder auch nur einen kurzen Hinweis auf diese Versuch amtlicher Einflussnahme auf die Edition der „Documents on German Foreign Policy, 1933−1941“. Ein Fall aus den fünfziger Jahren. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 1991, Heft 2, S. 265−303; Sacha Zala: Geschichte unter der Schere politischer Zensur. Amtliche Aktensammlungen im internationalen Vergleich, München 2001, S. 143–249; Astrid M. Eckert: Kampf um die Akten. Die Westalliierten und die Rückgabe von deutschem Archivgut nach dem Zweiten Weltkrieg, Stuttgart 2004, S. 284–315. 31 Vgl. Nazi-Soviet Relations, 1939–1941. Documents from the Archives of the German Foreign Office, hrsg. von R. J. Sonntag/J. S. Beddie, Washington 1948; Das nationalsozialistische Deutschland und die Sowjetunion 1939–1941. Akten aus dem Archiv des Deutschen Auswärtigen Amts, hrsg. von E. M. Caroll/ F. T. Epstein, Washington 1948. 32 Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 1, S. 5–6 (Einleitung). 33 Dokumenty i materialy kanuna Vtoroj mirovoj vojny: iz Archiva Ministerstva inostrannych del Germanii, T. 1: Nojabr’ 1937–1938 gg. (Dokumente und Materialien zum Vorabend des Zweiten Weltkrieges: aus dem Archiv des Außenministeriums Deutschlands), Moskva 1948; Dokumenty i materialy kanuna Vtoroj mirovoj vojny, T. II: Archiv Dirksena (1938–1939 gg.) (ebd., Das Archiv Dirksens), Moskva 1948. 34 Fal’sifikatory istorii: Istoričeskaja spravka (Geschichtsfälscher: Eine historische Feststellung), Moskva 1948, S. 7. 35 Ebd., S. 6. 36 SSSR v bor’be za mir nakanune Vtoroj mirovoj vojny (sentjabr’ 1938 g. – avgust 1939 g.). Dokumenty i materialy (Die UdSSR im Kampf um den Frieden am Vorabend des Zweiten Weltkrieges), Moskva 1971.
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2. Überblick über die Dokumentenveröffentlichungen und ihre Schwerpunkte Gespräche, auch nicht mit den Leitern der außenpolitischen Behörden beider Länder. Selbst der offizielle Text des deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrages 37 fand keinen Platz in der Publikation, geschweige denn sein geheimer Anhang.38 Anscheinend passten all diese Dokumente eindeutig nicht zum Titel des Sammelbandes – Die UdSSR im Kampf um den Frieden – und sollten daher auch nicht öffentlich gemacht werden. In den Jahren 1976 und 1977 wurden weitere Bände im Rahmen der Reihe „Dokumenty vnešnej politiki SSSR“ veröffentlicht.39 Die Tendenz, die Berichterstattung über die sowjetisch-deutschen Beziehungen auf ein Mindestmaß zu beschränken, setzte sich auch hier fort40, wenn auch nicht in demselben Ausmaß wie in dem zuletzt erwähnten thematischen Sammelband. Dabei lag der Schwerpunkt in den veröffentlichten Dokumenten hauptsächlich auf der deutschen Außenpolitik im internationalen Kontext und auf der diplomatischen Seite der sowjetischdeutschen Beziehungen, während der Handels- und Wirtschaftsaspekt, der viele Jahre lang eine Art Motor und zugleich ein Indikator für deren allgemeinen Zustand gewesen war, kaum Beachtung fand. Das Erscheinen des 22. Bandes der „Dokumenty vnešnej politiki SSSR“ zu den Ereignissen des Jahres 1939 wurde von der Historikerzunft mit Spannung erwartet. Auf Beschluss der obersten Führung des Landes wurde die Publikation dieser Dokumentenreihe jedoch für viele Jahre ausgesetzt und bis zum Ende des Bestehens der Sowjetunion erschienen keine weiteren Bände mehr. Im Einklang mit dieser offiziellen Linie, die keinerlei Abweichungen zuließ, war es nicht verwunderlich, dass Andrej Gromyko Ende der 1970er Jahre (bereits ohne jegliche Konsultationen) der Zusammenstellung einer erweiterten Fassung des Sammelbandes „SSSR v bor’be za mir nakanune Vtoroj mirovoj vojny“, der die Geheimabkommen zwischen der UdSSR und Deutschland im Jahr 1939 enthalten hätte, erneut nicht zustimmte.41 Stattdessen wurde Anfang der 1980er Jahre die Berufung auf die bereits erwähnte Auswahl deutscher Beutedokumente wiederbelebt, die dem Erscheinen der Broschüre „Fal’sifikatory istorii“ vorausging. Ohne die Kontinuität mit der Veröffentlichung von 1948 zu verbergen, stellte das Redaktionskollegium die „neue, erweiterte Auflage“42 so dar, als berücksichtige sie „das zunehmende Interesse von Wissenschaftlern und weiten Teilen der Öffentlichkeit in vielen Ländern an den internationalen Beziehungen am Vorabend des Zweiten Welt37 Vgl. „Dogovor o nenapadenii mеždu Germaniej i Sovetskim Sojuzom“ (Nichtangriffsvertrag zwischen Deutschland und der Sowjetunion). In: Pravda vom 24. August 1939, S. 1. 38 Laut den Erinnerungen von Valentin Falin waren er und der Leiter des HistorischDiplomatischen Departements des Außenministeriums Igor’ Zemskov 1968 an Außenminister Andrej Gromyko mit dem Vorschlag herangetreten, die Geheimprotokolle zu den sowjetischdeutschen Vereinbarungen von 1939 in diesem Sammelband zu veröffentlichen. Nach Konsultationen im Politbüro des ZK der KPdSU teilte Gromyko mit, dass dieser Vorschlag für „nicht zeitgemäß“ erklärt worden sei. Vgl. Valentin Falin: Politische Erinnerungen, München 1993, S. 442. 39 Dokumenty vnešnej politiki SSSR (DVP), T. XX: janvar’ – dekabr’ 1937 (Dokumente zur Außenpolitik der UdSSR) Moskva 1976; T. XXI: janvar’ – dekabr' 1938 Moskva 1977. 40 Auf die Beziehungen zwischen Moskau und Berlin entfielen weniger als 4% der 959 Dokumente. 41 Vgl. Falin, Erinnerungen, S. 442–443. 42 Dokumenty i materialy kanuna Vtoroj mirovoj vojny, 1937–1939, T. I: nojabr’ 1937 g. – dekabr’1938 g., T. II: janvar’ – avgust 1939 g. (Dokumente und Materialien zum Vorabend des Zweiten Weltkrieges), hrsg. vom Außenministerium der UdSSR, Moskva 1981.
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I. Einleitung krieges“43. Inwieweit die veröffentlichte Sammlung dem zweifellos bestehenden Interesse entsprach, belegen folgende ganz allgemeine Angaben zu ihrem Inhalt: Die Auswahl umfasste 266 Dokumente, von denen kein einziges bisher unveröffentlicht war; drei Viertel der Dokumente waren Übersetzungen aus ausländischen Publikationen. Besonders unterrepräsentiert war die Problematik der sowjetisch-deutschen Beziehungen – auf sie entfielen lediglich zwei sowjetische und kein einziges deutsches Dokument.44 Die gezielte staatliche Politik beschränkte und behinderte nicht nur die Veröffentlichung von Dokumenten zu den sowjetisch-deutschen Beziehungen der Vorkriegsjahre, sondern behielt auch die restriktiven Maßnahmen hinsichtlich des Zugangs zu den Archiven bei, vor allem zu denjenigen der Behördenarchive. Dies geschah, damit „einzelne Historiker anstelle einer objektiven, wahrhaft wissenschaftlichen Analyse der Ereignisse“ sich nicht „mit der Suche nach allen möglichen, oft zweifelhaften Fakten über die Fehler und Unzulänglichkeiten“ der sowjetischen Führung beschäftigen würden.45 Jegliche Versuche46, „Probleme, die von der Partei längst gelöst wurden und in offiziellen Dokumenten eine umfassende Beleuchtung erfahren haben, von Neuem zu untersuchen und künstlich zu verschärfen“, wurden für unzulässig erklärt. 47 Erst vor dem Hintergrund der Gorbatschow’schen Perestroika gegen Ende der 1980er Jahre und unter dem Einfluss der sich stark verändernden gesellschaftspolitischen Situation wurde allmählich damit begonnen, bisher unbekannte Dokumente zur sowjetischen Außenpolitik am Vorabend und in der Anfangszeit des Zweiten Weltkrieges zu veröffentlichen. Dieser Prozess gestaltete sich sehr schwierig, wovon sowohl der Publikationsort (Baltikum) als auch der Umstand zeugten, dass darin in der Regel keine neuen Dokumente zur Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges zu finden waren. Es bedurfte eines speziellen Beschlusses des höchsten gesetzgebenden Organs der UdSSR, um die Tatsache der Geheimabkommen zwischen der sowjetischen und der NSFührung im Jahr 1939 offiziell anzuerkennen.48 Dies war zweifellos der wichtigste Impuls für die Enttabuisierung eines der wunden Punkte der sowjetischen Historiographie und später, bereits nach dem Zerfall der UdSSR, für die „Archivrevolu-
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Ebd., Bd. 1, S. 5. Der einzige in die Edition aufgenommene Bericht des deutschen Botschafters in Moskau, Friedrich Werner Graf von der Schulenburg vom 10.8.1939, betraf nicht die sowjetisch-deutschen Kontakte, sondern gab die Ansichten des polnischen Botschafters in Moskau zu den beginnenden englisch-französisch-sowjetischen militärischen Verhandlungen wieder (ebd., Bd. II, Dok. 106, S. 204–205). 45 V. Golikov u. a.: Za leninskuju partijnost’ v osveščenii istorii KPSS (Für die leninistische Parteilichkeit bei der Erläuterung der Geschichte der KPdSU). In: Kommunist, Nr. 3/1969, S. 72. 46 Gemeint ist vor allem das sogenannte Parteiverfahren gegen den Historiker Aleksandr Nekrič, der „wegen vorsätzlicher Verzerrung der Politik der Kommunistischen Partei und der sowjetischen Regierung am Vorabend und in der Anfangszeit des Großen Vaterländischen Krieges, was von der ausländischen reaktionären Propaganda für antisowjetische Zwecke benutzt wurde,“ aus der KPdSU ausgeschlossen wurde. In: A. M. Nekrič: 1941, 22 ijunja, Moskva 1995, S. 278. 47 V. Golikov u. a., Za leninskuju partijnost’, S. 73. 48 Vgl. „O političeskoj i pravovoj ocenke sovetsko-germanskogo dogovora o nenapadenii ot 1939 goda (Über die politische und rechtliche Bewertung des sowjetisch-deutschen Nichtangriffsvertrages von 1939). [Beschluss des Kongresses der Volksdeputierten der UdSSR vom 24. Dezember 1989]. In: Izvestija vom 28. Dezember 1989, S. 1–2.
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2. Überblick über die Dokumentenveröffentlichungen und ihre Schwerpunkte tion“, die mit der massiven, wenn auch nicht vollständigen Deklassifizierung von Dokumenten in Russland verbunden war.49 Der erste Vorbote in diesem Prozess war die Veröffentlichung von Dokumenten aus dem außenpolitischen Archiv in der im Außenministerium der UdSSR zusammengestellten zweibändigen Publikation „God krizisa“.50 Obwohl ihr die bereits genannte Sammlung von Dokumenten und Materialien zugrunde gelegt wurde, die nahezu zwei Jahrzehnte zuvor erschienen war51, waren die Unterschiede zwischen ihnen erheblich; nicht nur, weil darin endlich das geheime Zusatzprotokoll zum Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und der Sowjetunion veröffentlicht wurde, dessen bloße Existenz man ein halbes Jahrhundert lang auf offizieller Ebene kategorisch geleugnet hatte und dessen Erwähnung in wissenschaftlichen Arbeiten strengstens verboten war. Obwohl die erstmals veröffentlichten Dokumente (148)52 weniger als ein Viertel der im Sammelband enthaltenen Dokumente (631) ausmachten, haben sie den Blick der Forscher sowohl auf die sowjetische Außenpolitik als auch auf die Aktivitäten eines ihrer wichtigsten Instrumente – der sowjetischen Diplomatie – während fast des gesamten Jahres, das dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges vorausging, mit Sicherheit erweitert. Mehr als ein Drittel der neuen Dokumente (56) bezog sich auf die sowjetisch-deutschen Beziehungen, und zwar nicht nur auf deren politisch-diplomatische Aspekte, sondern auch auf Fragen der Wirtschaft und Propaganda sowie auf die Tätigkeit des sowjetischen Nachrichtendienstes. Es handelte sich um eine fragmentarische Darstellung einzelner Episoden der Beziehungen zwischen der UdSSR und Deutschland, die den Forschern nur aus ausländischen Quellen bekannt waren. Bei allen zweifellos positiven Fortschritten trug diese Edition immer noch die Kennzeichen einer vergehenden, aber noch nicht vergangenen Epoche.53 Ein wichtiges Ereignis auf dem Weg, das Verständnis der Historiker von den Aktivitäten der UdSSR auf der internationalen Bühne im Jahr 1939 zu erweitern, war das Erscheinen des XXII. Bandes der „Dokumenty vnešnej politiki SSSR“ 54, einer Edition, die in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre aus ideologischen Gründen unterbrochen worden war. Er umfasste 905 Dokumente, von denen 518 den Zeitraum von Anfang Januar bis Ende August 1939 betrafen. Von den letzteren befassten sich ca. 50 Dokumente direkt mit den sowjetisch-deutschen Beziehungen, darunter 35, die zum ersten Mal veröffentlicht wurden und eine Ergänzung zu den Dokumenten, die in die Sammlung „God krizisa“ Eingang gefunden hatten, dar49 Vgl. dazu ausführlich bei V. Kozlov/O. Lokteva: „Archivnaja revoljucija“ v Rossii (1991–1996). In: Svobodnaja mysl’, 1997, Nr. 1, S. 113–121/Nr. 2, S. 115–124/Nr. 4, S. 116– 128. 50 God krizisa 1938–1939 (Das Krisenjahr 1938/39). Dokumenty i materialy, v 2 t., Moskva 1990. 51 Vgl. SSSR v bor’be za mir, 1971. 52 Zu den erstmals veröffentlichten Dokumenten gehörten auch die im Sammelband „SSSR v bor’be za mir“ enthaltenen gekürzten Dokumente. 53 Abgesehen von stilistischen und redaktionellen Korrekturen, die über die Beseitigung von Rechtschreibfehlern und Änderungen der Wortfolge am Anfang und am Ende chiffrierter Telegramme hinausgingen, zeichnete die Auswahl der Dokumente insgesamt ein offensichtlich unzureichendes Bild der Entwicklung der internationalen Lage kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, wobei die Verantwortung für dessen Entfesselung vom nationalsozialistischen Deutschland auf die Westmächte verlagert wird. 54 Vgl. Dokumenty vnešnej politiki SSSR, 1939, T. XXII: V 2-x kn., Kn. 1: Janvar’ – avgust, Kn. 2: Sentjabr’ – dekabr’, Moskva 1992.
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I. Einleitung stellten. Diese Proportionen spiegelten zumeist sowohl die äußere Seite der Aktivitäten der sowjetischen Diplomatie wider – wobei der Mechanismus der Entscheidungsfindung in der Regel lediglich sporadisch und indirekt beleuchtet wurde – als auch die Vorstellungen der Herausgeber des Bandes von der Zweckmäßigkeit der Veröffentlichung (Deklassifizierung) der einen oder anderen Dokumente aus dem Archiv der Außenpolitik des Außenministeriums der Russischen Föderation. Dabei dürfen einige neue, für die Veröffentlichung der Dokumente in diesem Band kennzeichnende Elemente nicht unerwähnt bleiben.55 Die erneut publizierten Dokumente zum Verhältnis zwischen Moskau und Berlin im Jahr 1939 betrafen die Bewertung der allgemeinen internationalen Lage auf dem Kontinent und die konkrete Situation in den bilateralen Beziehungen, Informationen über diplomatische Kontakte und die Wirtschaftsbeziehungen, Weisungen an Diplomaten sowie zur deutschen Propaganda. Es dauerte mehr als anderthalb Jahrzehnte, bis Historiker die Möglichkeit erhielten56, eine Reihe neuer Dokumente zu den sowjetisch-deutschen Beziehungen zwischen 1933 und 1941 in dem Band „SSSR–Germanija: 1933–1941. Vestnik Archiva Prezidenta Rossijskoj Federacii“ einzusehen, noch dazu aus einem kaum zugänglichen Archiv – dem Archiv des Präsidenten der Russischen Föderation.57 Etwa 30% der in den Band aufgenommenen 219 Dokumente stammen aus der Zeit von April 1937 bis Ende August 1939, acht davon sind mit Bemerkungen, Vermerken oder Korrekturen Stalins versehen. Das interessanteste dabei ist ein Dokument, das Stalins umfangreiche redaktionelle Arbeit am Text des Nichtangriffsvertrages zwischen Deutschland und der Sowjetunion vom 23. August 1939 enthält.58 Thematisch und chronologisch spiegeln die präsentierten Dokumente offensichtlich ungleichmäßig die Informationen wider, die Stalin ständig von den auf die eine oder andere Weise in die sowjetisch-deutschen Beziehungen einbezogenen Dienststellen 55 Am Anfang des Dokuments wird nun der Geheimhaltungsvermerk angegeben; in den an Stalin gerichteten Schreiben werden die Adressaten der versandten Kopien angeführt; die auf der Seite unten stehenden Kommentare werden inhaltsreicher und haben nicht mehr nur Verweischarakter; bei der Veröffentlichung von chiffrierten Telegrammen wird keine Inversion mehr verwendet (Umstellung und Ersetzung von Wörtern bei Anfangs- und Endsätzen); mit wenigen Ausnahmen wird auf redaktionelle und stilistische Korrekturen verzichtet, ebenso wie auf die Veröffentlichung von Dokumenten mit Kürzungen, die nicht von den Herausgebern in den Anmerkungen erläutert werden. 56 Dies bedeutete freilich nicht, dass in diesem Zeitraum keine thematischen Sammelbände, die unter anderem Dokumente zu den sowjetisch-deutschen Beziehungen enthielten, herausgegeben wurden. Vgl. z. B. Politbjuro CK RKP (b) – VKP (b) i Evropa. Rešenija „osoboj papki“, 1923–1939 (Das Politbüro und Europa. Die Entscheidungen der „Sondermappe“), hrsg. von G. M. Adibekov u. a., Moskva 2001; Lubjanka. Stalin i Glavnoe upravlenie gosbezopasnosti NKVD. Dokumenty vysšich organov partijnoj i gosudarstvennoj vlasti 1937–1938 (Lubjanka. Stalin und die Hauptverwaltung für Staatssicherheit des NKVD. Dokumente der höheren Organe der Partei- und Staatsmacht), hrsg. von V. N. Chaustov u.a, Moskva 2004; Lubjanka. Stalin i NKVD-NKGB-GUKR „Smerš“. 1939 – mart 1946. Dokumenty vysšich organov partijnoj i gosudarstvennoj vlasti (Lubjanka. Stalin und NKVD-NKGB-GUKR „Smerš“), hrsg. von V. N. Chaustov u.a, Moskva 2006; Voennaja razvedka informiruet. Dokumenty Razvedupravlenija Krasnoj Armii, janvar’ 1939 – ijun’ 1941 g (Die Militäraufklärung informiert. Dokumente der Aufklärungsverwaltung der Roten Armee), hrsg. von V. Gavrilov, Moskva 2008. 57 Vgl. SSSR–Germanija: 1933–1941. Vestnik Archiva Prezidenta Rossijskoj Federacii, Moskva 2009. 58 Leider ist der Text des geheimen Zusatzprotokolls zum Vertrag weder in der Entwurfsnoch in der Endfassung im Sammelband enthalten.
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2. Überblick über die Dokumentenveröffentlichungen und ihre Schwerpunkte erhielt, sowie die laufenden Entscheidungen, die auf der Grundlage dieser Informationen getroffen wurden, was angesichts der äußerst rigiden Zentralisierung dieses Prozesses selbst unvermeidlich war. Jedoch wurde die überwiegende Mehrzahl der Dokumente in diesem Dokumentenband zum ersten Mal veröffentlicht, wodurch Vorstellungen der Historiker davon, inwieweit Stalin über die wichtigsten Probleme der bilateralen Beziehungen informiert war, erheblich erweitert wurden.59 Das Jahr 1939 bis zum Kriegsausbruch und insbesondere die politisch–diplomatischen Aktivitäten der NS-Führung durch das Prisma ihrer Wahrnehmung und Bewertung seitens der sowjetischen Vertreter in Berlin (Georgij Astachov) und in Moskau (Vjačeslav Molotov/Iosif Stalin) werden in diesem Teil des Dokumentenbandes am ausführlichsten dargestellt. Dabei bezieht sich die überwiegende Mehrheit der Dokumente auf die Zeit von Mai bis August 1939. Im Hinblick auf diesen Zeitraum kann man von einer gewissen Vollständigkeit des von den Dokumenten entworfenen Bildes sprechen, und auch nur in Bezug auf die sehr uneindeutige Perzeption im Kreml bezüglich der Handlungen und Absichten der anderen Seite, die sich überraschenderweise mit den langfristigen Bestrebungen des sowjetischen Diktators deckten. Obwohl über die Pläne und Absichten Stalins in Bezug auf Deutschland, basierend auf einzelnen öffentlichen Erklärungen sowie Aufzeichnungen offizieller Gespräche zwischen der Führung des Narkomindel und deutschen Diplomaten, lediglich spekuliert werden kann, entsteht (bis Anfang August 1939) der Eindruck, dass die im Kreml hinsichtlich der Beziehungen zu Berlin getroffenen Entscheidungen nahezu Improvisationscharakter trugen und nichts mit der Realität zu tun hatten.60 59 Dies gilt jedoch nicht für alle Fragen. So gibt es im Zeitraum von April 1937 bis Ende 1938 (bei insgesamt 18 Dokumenten) Lücken und erhebliche Zeitabstände von bis zu vier Monaten zwischen einzelnen Dokumenten, was viele inhaltliche Fragen offenlässt. Der Schwerpunkt dabei (sieben Dokumente) liegt auf den Handels- und Wirtschaftsbeziehungen, was zweifellos wichtig ist. Aber da gerade diese Beziehungen in diesem Zeitraum den Hauptinhalt der bilateralen Kontakte ausmachten, zumindest in Deutschland, erscheinen auch diese sieben Dokumente nicht ausreichend. Gleichzeitig gibt es über die eigentliche Arbeit der sowjetischen Diplomaten in Berlin, die unterschiedliche Aspekte umfasste und unter sehr schwierigen Bedingungen stattfand, nur ein Dokument (zur Erläuterung: In dieser Zeit wurde die Bevollmächtigte Vertretung abwechselnd von drei Diplomaten – zwei Bevollmächtigten Vertretern und einem Geschäftsträger – geleitet). 60 Die zehn Jahre später erschienene zweite, erweiterte Auflage dieser Dokumente: SSSRGermanija: 1932–1941. Vestnik Archiva Prezidenta Rossijskoj Federacii, Moskva 2019, hat die Vorstellungen vom Inhalt der bilateralen Beziehungen in der Zeit von April 1937 bis August 1939 nur geringfügig erweitert, da sie hauptsächlich Dokumente aus der vorherigen Edition sowie solche, die bereits aus anderen in Russland erschienenen Sammelbänden bekannt waren, enthielt. Natürlich ist die Wiederveröffentlichung selbst bereits bekannter Dokumente aus dem Archiv Stalins allein durch die Tatsache von Interesse, dass der Diktator Kenntnis von ihnen hatte. Jedoch ergibt sich zwangsläufig eine Reihe von Fragen hinsichtlich der Auswahl für den Wiederabdruck. Dies betrifft vor allem Dokumente, die als Schlüsseldokumente für das Verständnis der bilateralen Beziehungen bezeichnet werden können, insbesondere in der entscheidenden Phase ihrer Entwicklung. So findet sich die Aufzeichnung einer Unterredung zwischen dem neu ernannten Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR Vjačeslav Molotov und dem deutschen Botschafter von der Schulenburg am 20.5.1939 (vgl. DVP, Bd. XXII, Dok. 326, S. 386–387) weder in der ersten noch in der zweiten Auflage des Sammelbandes, obwohl, wie aus der im Archiv der Außenpolitik der Russischen Föderation (AVP RF) abgelegten Gesprächsaufzeichnung hervorgeht, eine Kopie dieses Dokuments an Stalin geschickt wurde. Offen bleibt auch die Frage, warum der Entwurf des Geheimprotokolls zum sowjetisch-deutschen Nichtangriffspakt vom 23.8.1939 nicht im Sammelband vorhanden ist. Es ließen sich noch andere solcher Beispiele anführen.
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I. Einleitung Von der Dokumentensammlung „Moskva–Berlin: politika i diplomatija Kremlja, 1920–1941“61, ebenfalls aus dem Archiv des Präsidenten, war bereits die Rede.62 Hier soll ihr Inhalt knapp beschrieben werden, soweit er sich auf die Zeit vom Frühjahr 1937 bis zum Ende des Sommers 1939 bezieht. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Publikationen überwiegen in dieser Edition Dokumente zu den sowjetisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen, und der genannte Zeitraum bildet hier keine Ausnahme (22 von 35). Dies ermöglicht nicht nur einen Einblick in den Verhandlungsprozess zwischen den sowjetischen und deutschen Vertretern in Handels- und Finanzfragen, sondern auch in die Reaktion des Kremls auf die Berliner Vorschläge, was wiederum das Bild der bilateralen Beziehungen um neue Inhalte bereichert (Dok. 165, 169, 171, 172, 173, 175, 178, 186).63 Die Herausgeber des dritten Bandes von „Moskva–Berlin“ hielten sich an den Grundsatz der Erstveröffentlichung64 und konnten auch nur die Dokumente auswählen, die ihnen im Präsidentenarchiv zur Verfügung gestellt wurden. Dadurch konnte jedoch das Vorhaben, nämlich die Politik und Diplomatie des Kremls in Bezug auf Deutschland widerzuspiegeln, eindeutig nicht in die Tat umgesetzt werden. In den letzten Jahren hat die Föderale Archivagentur Russlands (Rosarchiv) auf ihrer Internetseite zwei große thematische Dokumentensammlungen aus den Moskauer Archiven – vor allem aus den Beständen des Russischen Staatlichen Militärarchivs (RGVA), des Archivs der Außenpolitik der Russischen Föderation (AVP RF), aber auch des Staatsarchivs der Russischen Föderation (GA RF), des Russischen Staatsarchivs für Neuere Geschichte (RGANI), des Russischen Staatsarchivs für sozialpolitische Geschichte (RGASPI), des Russischen Staatsarchivs für Wirtschaft (RGAĖ), des Zentralarchivs des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation (CAMO), des Archivs des Auslandsnachrichtendienstes und des Russischen Staatsarchivs für Film- und Fotodokumente – zur Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs zugänglich gemacht.65 Eine der beiden Sammlungen „Nakanune i posle Mjunchena. Archivnye dokumenty rasskazyvajut“ ist der Zeit vor und nach dem Münchener Abkommen gewidmet (fragmentarisch von Juli 1935 bis Ende März 1939) und enthält 486 Dokumente.66 Die zweite Sammlung mit dem Titel „1939 god. Ot „umirotvorenija“ k vojne“ beinhaltet 569 Dokumente.67 Und schließlich umfasst eine dritte Dokumentensammlung auf der Internetseite der Präsidentenbibliothek Boris Jelzin mit der Bezeichnung „Vtoraja mirovaja vojna v archivnych dokumentach (kompleks ocifrovannych archivnych dokumentov, kino- i fotomaterialov“ die Periode von 1933 bis 1941, wobei sich 1.159 Dokumente auf den Zeitraum
61 Moskva–Berlin: politika i diplomatija Kremlja, 1920–1941, Sbornik dokumentov: V 3 t., T. 3: 1933–1941, hrsg. von G. N. Sevost’janov, Moskva 2011. 62 Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 1, S. 14 (Einleitung). 63 Vgl. die Dokumentennummern in der Edition Moskva–Berlin, Bd. 3. 64 Vgl. G. N. Sevost’janov: Predislovie (Vorwort). In: Moskva–Berlin, S. 16. 65 Eine Auswahl aus diesen beiden Internetdokumentationen erschien kurz vor Manuskriptabgabe in einer deutschen Publikation: Bis in den Krieg: Die Außenpolitik der UdSSR 1938/39. Dokumente aus russischen Archiven, hrsg. von Thomas Kunze u. a., Paderborn 2023. 66 http:/munich.rusarchives.ru (Am Vorabend von München und danach. Archivdokumente erzählen) (letzter Zugriff: 30.1.2023). 67 http:/1939.rusarchives.ru (Das Jahr 1939. Von der „Beschwichtigung“ zum Krieg) (letzter Zugriff: 30.1.2023).
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3. Die Strukturen und ihre Repräsentanten von Mitte April 1937 bis 23. August 1939 beziehen.68 Die ins Internet gestellten Dokumente, obwohl teils bereits veröffentlicht und teils auch in den genannten thematischen Sammlungen vorhanden, erweitern die Möglichkeiten für Forscher, die sich ein allseitiges und annähernd vollständiges Bild von der Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs machen wollen. Von besonderem Wert ist dabei eine große Anzahl bisher nicht zugänglicher Chiffretelegramme aus dem Bestand 059 des Archivs der Außenpolitik sowie die Präsentation der Quellen als Faksimiles, die alle zusätzlichen Informationen des Dokuments (Unterstreichungen, Bemerkungen, Vermerke usw.) enthalten. Auch wenn die im Internet veröffentlichten Quellen für die Wissenschaft zweifellos von Nutzen sind, so tendiert die Auswahl doch zu einer bestimmten Ausrichtung. Sie liegt darin, sowohl die Vorstellung von einer geradlinigen Politik der Westmächte und ihrer Beziehungen zur Sowjetunion als auch von einer ebensolchen geradlinigen Politik der UdSSR in ihren Beziehungen zum Westen zu vermitteln. Das ermöglicht es nicht immer, die keineswegs eindeutigen oder offen zutage liegenden Absichten der obersten sowjetischen Führung zu verstehen. So sieht in groben Zügen die publizierte Dokumentenbasis der deutschen und sowjetischen Quellen des in den Blick genommenen Zeitraums aus, auf die sich die Herausgeber des dritten Bandes dieser Edition neben der umfangreichen Archivarbeit bei der Auswahl und Kommentierung stützen konnten. 3. Die Strukturen und ihre Repräsentanten
3. Die Strukturen und ihre Repräsentanten Im Laufe der letzten Vorkriegsjahre veränderten sich die Funktionen der an der Aufrechterhaltung der bilateralen Beziehungen beteiligten Dienststellen, und zwar sowohl in Deutschland als auch in der UdSSR. Dies war auf einen Rollenwandel der verschiedenen Behörden und ihrer nachgeordneten Abteilungen bei Vorbereitung und Umsetzung der außenpolitischen Entscheidungen zurückzuführen.
Die deutschen Diplomaten in Berlin und Moskau Besonders bemerkbar machten sich diese Veränderungen in Deutschland im Zuge der Herabstufung des Auswärtigen Amtes zu einem – wenn auch zumindest bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges zum wichtigsten – Instrument zur Umsetzung der außenpolitischen Pläne Hitlers. Nach Erscheinen des Buches „Das Amt und die Vergangenheit“69 wird von Historikern nicht ohne Grund betont, dass eine Gesamtbewertung der Tätigkeit des Auswärtigen Amtes während des NS-Regimes ohne eine umfassende Einbeziehung seiner Außenpolitik nicht möglich sei.70 Mittler und Instrument dieser Politik waren nicht ein gesichtsloses Ministerium und seine nachgeordneten Einrichtungen. Deren Tätigkeit war nicht nur an die Person des 68 https://www.prlib.ru/collections/1298142 ( Der Zweite Weltkrieg in Archivdokumenten (Komplex von digitalisierten Archivalien, Film- und Fotomaterialien)) (letzter Zugriff: 30.1.2023). 69 Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik, München 2010. 70 Vgl. Johannes Hürter: Das Auswärtige Amt, die NS-Diktatur und der Holocaust. Kritische Bemerkungen zu einem Kommissionsbericht. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 2011, Heft 2, S. 187; Vorwort, in: Johannes Hürter/Michael Mayer (Hrsg.): Das Auswärtige Amt in der NS-Diktatur, Berlin u. a. 2014, S. IX, X.
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I. Einleitung Reichsministers oder die der Botschafter gebunden, sondern auch an andere führende Mitarbeiter ihrer Apparate, deren Beitrag zur Ausarbeitung der Vorschläge der Behörde und zur Umsetzung der von Hitler getroffenen Entscheidungen spürbar war. Die in diesem Band veröffentlichten Dokumente erweitern unsere Vorstellung von der Rolle einer Reihe von Diplomaten, die in den etwas mehr als zwei Jahren, die dem Beginn des Zweiten Weltkrieges vorausgingen, auf verschiedenen Ebenen an der Umsetzung der Außenpolitik Berlins gegenüber der Sowjetunion beteiligt waren. Angemerkt sei, dass die personellen Veränderungen im Auswärtigen Amt später einsetzten als der sich deutlich abzeichnende Wandel in den Beziehungen Deutschlands zur UdSSR. Wie die Position von Neuraths in dieser Hinsicht auszusehen habe, wurde von Hitler im Laufe eines Vortrags des Reichsministers am 10. Februar 1937 festgelegt. Der Reichskanzler lehnte auch nur die Möglichkeit irgendwelcher Verhandlungen über die politischen Beziehungen mit der sowjetischen Regierung kategorisch ab71 und bekräftigte lediglich seine schärferen Formulierungen, die anderthalb Wochen zuvor im Reichstag zu hören gewesen waren.72 Es ist daher nicht verwunderlich, dass von Neurath bei einem Austausch kurzer protokollarischer Besuche mit dem neuen Bevollmächtigten Vertreter der UdSSR, Konstantin Jurenev, sich zum Zustand der bilateralen Beziehungen nur die wenig verhüllte Bemerkung erlaubte, nämlich, „dass sich die Beziehungen zwischen unseren Ländern unerwartet verbessern könnten, jedoch gebe es dafür selbstverständlich keine begründete Zuversicht“. (Dok. 62) Inwieweit war von Neurath im Jahr 1937 in die mit den Beziehungen zur Sowjetunion verbundenen Probleme überhaupt involviert? Für den Reichsminister, wie übrigens für das Auswärtige Amt insgesamt, waren diese Beziehungen 1937 ein Randbereich der deutschen Außenpolitik. Sie erregten nur dann Aufmerksamkeit, wenn die Schaffung einer antideutschen Koalition unter Beteiligung der UdSSR drohte, was selbst vor dem Hintergrund der aktiven Einmischung Berlins in den Spanischen Bürgerkrieg und der zunehmenden Spannungen in den deutschtschechoslowakischen Beziehungen schwer zu erkennen war. Freilich gab es gelegentlich Situationen – wenn es um die Lösung oder Entschärfung bestimmter Konfliktsituationen ging –, die eine persönliche Reaktion der Leitung des Auswärtigen Amtes erforderten.73 Die Haltung von Neuraths und damit der Mitarbeiter seiner Behörde gegenüber der UdSSR, die sich in den Dokumenten widerspiegelt, war den außenpolitischen Zielen Hitlers untergeordnet und brachte diese Vorgaben lediglich in eine für Berufsdiplomaten akzeptable Form, ohne von ihrem Inhalt abzuweichen. Die Sowjetunion wurde weder in außenpolitischer, geschweige denn in militärischer Hinsicht als eine Macht angesehen, die die Lösung der nächsten, von Hitler gestellten Aufgaben erschweren könnte. Die im Auswärtigen Amt sowohl auf 71 72
Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 643, S. 1584. Hitler hatte am 30.1.1937 erklärt, er wolle „keinen Zweifel darüber lassen, dass wir […] im Bolschewismus eine unerträgliche Weltgefahr erblicken, und […] dass wir jede engere Beziehung mit den Trägern dieser Giftbazillen vermeiden […]. Im Übrigen würde jede weitere deutsche vertragliche Verbindung mit dem derzeitigen bolschewistischen Russland für uns gänzlich wertlos sein.“ Vgl. Domarus, Hitler. Reden und Proklamationen, Bd. I/2, S. 671–672. 73 Dies war beispielsweise der Fall, als die deutschen Behörden die Ausfuhr von bestellten und bezahlten Rüstungsgütern in die UdSSR untersagten und im Gegenzug mit der Einstellung der Lieferung einiger Arten von strategischen Rohstoffen gedroht wurde (Dok. 7, 11).
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3. Die Strukturen und ihre Repräsentanten diplomatischem als auch auf militärischem Weg eingehenden Informationen über die Gründe, warum die UdSSR in den kommenden Jahren nicht als nennenswerter Machtfaktor zu berücksichtigen sei, setzten zwar verschiedene Schwerpunkte, liefen dabei jedoch auf eines hinaus – das Bestreben der sowjetischen Führung, um jeden Preis eine Verwicklung des Landes in einen großangelegten militärischen Konflikt zu vermeiden.74 Eine Kombination von Faktoren (Rückgang des Handelsumsatzes, Propagandakampagnen, eine wachsende Verhaftungswelle deutscher Staatsbürger in der UdSSR, Ausweisung von Mitarbeitern sowjetischer Einrichtungen aus Deutschland usw.), die eine Folge der allgemeinen Verschlechterung der bilateralen Beziehungen waren, führte zwangsläufig nicht nur zu einer Veränderung der Gesprächsthemen zwischen Bevollmächtigtem Vertreter und Minister bzw. Botschafter und Außenkommissar, sondern beeinflusste auch deren Häufigkeit erheblich. Besonders deutlich wurde dies in Berlin, wo die Beziehungen fast ein Jahr lang (vom September 1937 bis Juli 1938) auf der Ebene des Geschäftsträgers aufrechterhalten wurden. Angesichts der ohnehin angespannten zwischenstaatlichen Beziehungen war die Abwesenheit eines sowjetischen Bevollmächtigten Vertreters in Berlin für das Auswärtige Amt mit Sicherheit von Vorteil. Einerseits ermöglichte dies, die Erörterung relevanter Fragen nach Moskau zu verlagern, wofür die Deutsche Botschaft mit entsprechenden Vollmachten ausgestattet wurde, was wiederum die Kontakte zwischen dem Geschäftsträger Georgij Astachov und der Leitung des Auswärtigen Amtes auf ein Minimum reduzierte (Dok. 176). Andererseits gestattete es der fast ein Jahr lang vakante Posten des Bevollmächtigten Vertreters den deutschen Diplomaten, dem Narkomindel die Missachtung der normalen diplomatischen Praxis vorzuwerfen, sobald diese Frage angesprochen wurde (Dok. 216, 217). Auf welcher Ebene wurden nun die sowjetischen Diplomaten im Auswärtigen Amt empfangen? Zu den Gesprächspartnern von Georgij Astachov gehörten in dieser Zeit der Leiter des Referats Osteuropa in der Politischen Abteilung im Auswärtigen Amt Martin Schliep, Wolfgang Freiherr von Welck, Referent in diesem Referat, sowie der Leiter der Presseabteilung, Gottfried Aschmann. Wie aus den Dokumenten hervorgeht, wurde Astachov während seiner zehnmonatigen Amtszeit als Geschäftsträger weder durch von Neurath noch von Ribbentrop oder dem Staatssekretär im Auswärtigen Amt von Mackensen empfangen. Erst als es notwendig war, das Agrément für den neuen Bevollmächtigten Vertreter Aleksej Merekalov zu erhalten, suchte der Geschäftsträger den auf Mackensen nachfolgenden Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Ernst Freiherr von Weizsäcker, auf (Dok. 267). Während seines relativ kurzen Aufenthalts in Berlin (von Juli bis Oktober 1938 und von Januar bis April 1939) war die Ebene der Gesprächspartner des Bevollmächtigten Vertreters Merekalov im Auswärtigen Amt nicht wesentlich höher, obwohl diese Treffen in den ersten Monaten des Jahres 1939 bereits in einer Periode der verstärkten Aktivitäten der deutschen Diplomatie im Handels- und Wirtschaftsbereich stattfanden. Während dieser Zeit traf sich der Bevollmächtigte Ver74 Vgl. den Vortrag von Botschafter Graf von der Schulenburg vom 25.11.1937 in der Wehrmachtakademie in Berlin (Dok. 167), der auf großes Interesse stieß. Der Text des Vortrags wurde an Kriegsminister Werner von Blomberg (ADAP, Ser. D, Bd. I, Dok. 609, S. 719) sowie an die Leiter der deutschen Botschaften und Missionen in einigen Ländern versandt (PA AA, R 101377, Bl. 237556, 233755).
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I. Einleitung treter wiederholt mit dem Leiter der Handels-, später Wirtschaftspolitischen Abteilung im Auswärtigen Amt, Emil Wiehl. Kurz vor seiner Abreise nach Moskau in der zweiten Aprilhälfte 1939 wurde Merekalov von Weizsäcker empfangen, eine Unterredung, auf die weiter unten noch ausführlich eingegangen wird. Wesentlich intensiver waren die Kontakte zwischen den deutschen Vertretern (hauptsächlich aus dem Reichswirtschaftsministerium) und den Leitern der sowjetischen Handelsvertretung (Nepomnjaščij, Davydov und seinem Stellvertreter Smolenskij). Dies spiegelte ungeachtet des Zustands der politisch-diplomatischen Beziehungen das ständige, besonderes von den Militärbehörden forcierte Interesse am sowjetischen Markt, vor allem an Rohstoffen, wider. Darüber hinaus war die Aufrechterhaltung nicht nur von Kontakten, sondern von Verhandlungen durch die Notwendigkeit des Abschlusses neuer oder zumindest der Verlängerung bestehender Handels- und Wirtschaftsabkommen bedingt. Weder die Ebene der auf deutscher Seite Beteiligten noch der Umfang des Handelsumsatzes waren jedoch mit der Situation zur Zeit der Kandelaki-Mission vergleichbar.75 Von deutscher Seite wurden die Verhandlungen mit den Repräsentanten der Handelsvertretung von Dr. Hans Spitta, Ministerialdirigent im Reichswirtschaftsministerium, geführt. Außerdem war der Leiter des Referats Osteuropa der Handelspolitischen Abteilung im Auswärtigen Amt, Dr. Karl Schnurre, beteiligt, der seit Dezember 1938 die deutsche Delegation bei den Verhandlungen leitete. Bei den gemeinsamen Besprechungen, in deren Verlauf der Generalreferent und spätere Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium, Rudolf Brinkmann, mehrmals mit der Leitung der Handelsvertretung zusammentraf, wurde die Gewährung eines neuen Kredits in Höhe von 200 Mio. Reichsmark an die UdSSR erörtert (Dok. 132, 247). Anhand der zugänglichen Dokumente lässt sich nicht feststellen, ob es im behandelten Zeitabschnitt Kontakte militärischer Art zwischen deutschen und sowjetischen Vertretern gab, mit Ausnahme der Abnahme der in Deutschland bestellten Rüstungsgüter (Dok. 41). Jedoch war die Aufmerksamkeit der zuständigen militärischen und kriegswirtschaftlichen Dienststellen für das militärische und kriegswirtschaftliche Potenzial der UdSSR im Gegensatz zu anderen Aspekten der bilateralen Beziehungen, deren Wahrnehmung je nach dem Stand der politischen Beziehungen schwankte, durchweg groß (Dok. 177). Dies belegen die Korrespondenz zwischen dem deutschen Militärattaché in Moskau, General Ernst Köstring, und dem Leiter der Aufklärungsabteilung/Oberquartiermeister IV im Generalstab des Heeres, Kurt von Tippelskirch, aber auch die Berichte des Marineattachés in Moskau, Fregattenkapitän Norbert von Baumbach. Anfang 1938 wechselte Hitler die Führung der Wehrmacht und des Auswärtigen Amtes aus. Im Reichswirtschaftsministerium war dies bereits im November 1937 erfolgt. Diese Veränderungen in der obersten Führungsebene hatten im Grunde genommen keinen spürbaren Einfluss auf die deutsche Politik gegenüber der UdSSR, da der persönliche Faktor im Zuge dieser Veränderungen weitgehend ausgeschaltet wurde. In den Vordergrund trat die Fähigkeit, die Direktiven und Anweisungen des Reichskanzlers zu übermitteln. Joachim von Ribbentrop, der den Berufsdiplomaten von Neurath als Reichsminister ablöste, war ein enger Vertrauter 75 Weder Hjalmar Schacht noch sein Nachfolger im Amt des Reichswirtschaftsministers, Walter Funk, trafen in diesem Zeitraum mit sowjetischen Vertretern zusammen.
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3. Die Strukturen und ihre Repräsentanten Hitlers, der einige Zeit seine persönliche Diplomatie unter Umgehung des Auswärtigen Amtes betrieben hatte (deutsch-britisches Flottenabkommen 1935, Antikomintern-Abkommen 1936). Anderthalb Jahre lang hatte er einen der wichtigsten Posten in der deutschen Diplomatie bekleidet, den des Botschafters in Großbritannien, auf diesem Tätigkeitsfeld jedoch offensichtlich keine Lorbeeren geerntet.76 Als Leiter des Auswärtigen Amtes ersetzte von Ribbentrop den Staatssekretär und Schwiegersohn von Neuraths, Hans von Mackensen, der sich nicht besonders empfohlen hatte, durch den erfahrenen Diplomaten Ernst von Weizsäcker, der bis dahin anderthalb Jahre lang Leiter der Politischen Abteilung im Auswärtigen Amt gewesen war. Die frei gewordene Stelle wurde mit Ernst Woermann besetzt, der unter von Ribbentrop Botschaftsrat in Großbritannien gewesen war. Emil Wiehl behielt seinen Posten als Leiter der Handelspolitischen/Wirtschaftspolitischen Abteilung, ebenso wie der langjährige Leiter der Presseabteilung, Gottfried Aschmann. Nach von Ribbentrops Ankunft in der Wilhelmstraße wurde somit die personelle Kontinuität auf der Exekutivebene im zentralen Apparat zur Umsetzung der außenpolitischen, wie übrigens auch aller anderen Vorgaben in Bezug auf die UdSSR, gewährleistet. Deren Kernpunkt war von Hitler bereits im September 1933 formuliert worden und blieb bis Mitte Mai 1939 im Wesentlichen unverändert: Er sei nicht dafür, „die deutsch-russischen Beziehungen unsererseits abzubrechen oder den Russen Vorwände für diesen Abbruch zu geben“77. Entsprechend niedrig aber war die Ebene der von deutschen Instanzen mit Moskau unterhaltenen Kontakte. Wenden wir uns nun der Situation an der Deutschen Botschaft in Moskau im behandelten Zeitabschnitt zu. Hervorzuheben ist, dass es keinerlei Veränderungen im zentralen Mitarbeiterstab gab: der Botschafter Graf Friedrich Werner von der Schulenburg, der Botschaftsrat Werner von Tippelskirch, der Militärattaché General Ernst Köstring, der Marineattaché Norbert von Baumbach, der Leiter der Wirtschaftsabteilung Gustav Hilger sowie der Leiter der Konsulatsabteilung und seit 1938 persönlicher Sekretär des Botschafters Gebhardt von Walther blieben trotz der Veränderungen sowohl im Auswärtigen Amt und in der Wehrmachtsführung als auch in den Beziehungen Deutschlands zur UdSSR auf ihren Posten. Kontakte des Botschafters und seiner Mitarbeiter fanden im Narkomindel mehr oder weniger regelmäßig statt, unter anderem auf der Ebene der Leitung des Volkskommissariats. Den Dokumenten zufolge traf sich von der Schulenburg in der letzten Phase von Litvinovs Amtszeit als Leiter des NKID, das heißt von Mitte April 1937 bis Ende April 193978, mehr als vierzigmal mit dem Volkskommissar und dessen Stellvertreter Vladimir Potemkin, der Botschaftsrat/Geschäftsträger in Moskau von Tippelskirch mehr als fünfzehnmal. Die genannten Zahlen, insbesondere im Vergleich 76 Über seine diplomatischen Erfolge in London berichtete insbesondere der Bevollmächtigte Vertreter der UdSSR in Großbritannien Ivan Majskij am 24.3.1937 äußerst eloquent an Litvinov: „Ich muss zugeben, als Ribbentrop vor einem halben Jahr zum Botschafter in London ernannt wurde, habe ich befürchtet, meine Arbeit in England würde sehr viel schwieriger werden. Jetzt sehe ich, dass ich mich gründlich geirrt habe. Wenn es Ribbentrop nicht gäbe, müsste man ihn erfinden.“ In: AVP RF, f. 05, op. 17, p. 129, d. 25, l. 78–79. 77 Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 1, Dok. 220, S. 683. 78 Ich hebe diesen Zeitraum hervor, um ihn von den folgenden Monaten abzugrenzen, da die Veränderungen in der sowjetischen Außenpolitik und damit auch in der Leitung des Narkomindel vor dem Hintergrund eines immer deutlicher heraufziehenden Krieges die Arbeit sowohl der Deutschen Botschaft in Moskau als auch der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin in ihrer Qualität beeinflussten.
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I. Einleitung mit den Angaben zu den Kontakten zwischen den sowjetischen Diplomaten und der Leitung des Auswärtigen Amtes, machen erst deutlich, auf welcher Ebene jede der Seiten die ihr gestellten Aufgaben löste. Dies bedeutet freilich nicht, dass sich die Kontakte mit dem Narkomindel auf die genannten Treffen beschränkten. Die Mitarbeiter der Botschaft hatten mehr oder weniger regelmäßigen Kontakt auch auf der Ebene der Leiter der 2. Westabteilung und deren Stellvertretern sowie mit den Leitern anderer Abteilungen des Volkskommissariats (Presseabteilung, Protokollabteilung und Wirtschaftsabteilung). Dessen ungeachtet war die Liste der erörterten Fragen, sowohl auf der Ebene des Volkskommissars und seiner Stellvertreter als auch der 2. Westabteilung, äußerst eintönig und beschränkte sich auf einen sehr kleinen Kreis von Themen, die sie gemeinsam hatten. Zurückzuführen ist dies auf die Wechselwirkung zwischen dem niedrigen Niveau der bilateralen Beziehungen und der repressiven Innenpolitik Stalins, die durch die zunehmende Isolierung der UdSSR auf der internationalen Bühne noch verstärkt wurde. Folgende Themen wurden von den deutschen und sowjetischen Diplomaten in Moskau während ihrer recht zahlreichen Treffen im Narkomindel in den Jahren 1937 und 1938 besprochen: − die Verhaftungen deutscher Staatsangehöriger und ihr Verschwinden auf dem Territorium der UdSSR; die Verhaftungen von Konsulatsmitarbeitern ohne diplomatische Immunität in Kiev und Novosibirsk und in Einzelfällen ihr Austausch gegen verhaftete sowjetische Mitarbeiter in Deutschland; − die Ausweisung verhafteter und verurteilter deutscher Staatsangehöriger sowie der Kinder von weiterhin ihre Strafe verbüßenden Verhafteten; die gegenseitigen Ausweisungen von Mitarbeitern der Konsulate, darunter auch des deutschen Konsuls in Leningrad; − die Verringerung der Anzahl der deutschen Konsulate auf dem Territorium der UdSSR, zunächst bis zum Gleichstand mit den sowjetischen Konsulaten in Deutschland und danach bis zu ihrer vollständigen gegenseitigen Auflösung; die strenge Isolierung des deutschen Konsulats in Kiev einige Monate vor seiner Auflösung und die Vergeltungsmaßnahmen der deutschen Seite; − die Beschlagnahme von in Deutschland bestellten Rüstungsgütern; die Vermittlung der deutschen Seite bei der Freilassung von Franco internierter Seeleute zweier sowjetischer Schiffe im Austausch für die Freilassung verhafteter deutscher Staatsangehöriger und deren Ausweisung aus der UdSSR. Die für die Kommunikation zwischen hochrangigen Diplomaten typischen Fragen wie zum Zustand der bilateralen Beziehungen wurden indes so gut wie gar nicht erörtert. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: die Beziehungen waren auf ein derartiges Niveau reduziert worden, dass keine Aussicht auf eine Verbesserung zu erkennen war. Selbst Handels- und Wirtschaftsfragen wurden nur sehr eingeschränkt thematisiert. So führte die Erörterung eines neuen Kredits, bald wieder aufgenommen, bald auf unbestimmte Zeit unterbrochen, zu keinerlei Ergebnis. Das Einzige, was erreicht wurde, waren Vereinbarungen über eine weitere Verlängerung des jährlichen Abkommens über den Warenumsatz. Gleichzeitig waren die Diskussionen über die genannten aktuellen Probleme und ihre Auswirkungen schwierig und führten häufig nicht zu dem von den deutschen Diplomaten angestrebten Ergebnis. Das lag freilich nicht an der fehlenden Bereitschaft der Leitung des NKID, auf staatlicher Ebene etwas zu unternehmen, um
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3. Die Strukturen und ihre Repräsentanten bestimmte Probleme zu lösen, die in der Regel humanitäre und rechtliche Normen betrafen; diese fielen aber nicht in den Zuständigkeitsbereich des Volkskommissariats.79 Was die Verhaftungen betrifft, so machte Volkskommissar Litvinov keinen Hehl daraus, dass „ihm jegliche Handhabe fehle, um innere Behörden von Maßnahmen gegen Reichsdeutsche abzuhalten“ (Dok. 87). Das Problem war systemischer Natur, und das innenpolitische Gewicht des NKID bei der Lösung dieser Fragen war nicht mit dem Einfluss einer repressiven Struktur wie dem NKVD vergleichbar, sodass die Leitung des Narkomindel gezwungen war, sich in den Fällen, in denen Eigenmächtigkeit die Interessen des Staates ernsthaft tangieren und Vergeltungsmaßnahmen auslösen konnte, direkt an Stalin zu wenden (Dok. 245, Anm. 1). All dies wie auch die allgemeine Atmosphäre im Gastland in jenen Jahren, die von Angst und Unsicherheit geprägt war, bewirkten bei den deutschen Diplomaten einen Pessimismus, der zuweilen eine Form annahm, die nicht ganz der diplomatischen Etikette entsprach. So äußerte beispielsweise von Walther, nachdem er einen weiteren Rückschlag bei dem Versuch erlitten hatte, beim NKID einen Besuch bei zwei zu zehn Jahren Haft verurteilten deutschen Staatsangehörigen vor ihrer Verschickung an den Haftort zu erreichen, „Zweifel an der Zweckmäßigkeit des Bestehens einer Deutschen Botschaft in Moskau und dass sie, die Botschaft, im Grunde genommen hier nichts zu tun habe, insbesondere angesichts der Entscheidung der deutschen Regierung über die Auflösung der deutschen Konsulate in der UdSSR“80. Die Entscheidung, die deutschen Konsulate in der UdSSR und folglich auch die sowjetischen Konsulate in Deutschland aufzulösen, geht nicht auf eine Initiative Berlins zurück. Sie erfolgte unter dem starken Druck Stalins. Die Folge war eine Verringerung der Informationen aus verschiedenen Regionen – von Leningrad und Odessa bis Vladivostok – über die Infrastruktur, die Wirtschaft, das militärische Potenzial, den Lebensstandard sowie den moralischen und psychologischen Zustand der Bevölkerung, das heißt all jener Informationen, deren Sammlung und Auswertung zu den Routineaufgaben der Diplomaten und Militärvertreter im Gastland gehörten. Trotz aller Klagen über die Schwierigkeiten bei der Beschaffung der erforderlichen Informationen, die durch die ständige und strenge Kontrolle aller Bewegungen von Ausländern durch das Narkomindel verschärft wurden (Dok. 342), sandten der Militär- und der Marineattaché regelmäßig ausführliche Berichte und Mitteilungen nach Berlin, in denen die internationalen, militärpolitischen, kriegswirtschaftlichen und rein militärischen Aspekte der Entwicklung der UdSSR analysiert wurden (Dok. 47, 158, 182, 196, 299, 313, 322, 342, 369, 426, 429, 440). Für deren Zusammenstellung nutzten sie nicht nur die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen der Botschaft (Dok. 177), sondern auch die Informationen von Kollegen anderer Botschaften. 79 Das Narkomindel wurde vom NKVD nicht rechtzeitig über die Verhaftungen deutscher Staatsangehöriger informiert, was es ihm unmöglich machte, die deutschen Konsulate auf dem Territorium der UdSSR innerhalb der im Vertrag vom 12.10.1925 festgelegten Fristen (von 3 bis 7 Tagen) über Festnahmen oder Verhaftungen zu unterrichten (DVP, Bd. VIII, Dok. 342, S. 612). Diese Praxis veranlasste das Politbüro des ZK der VKP (B) – nach wiederholten Appellen des NKID – einen Beschluss zu verabschieden, der das NKVD zur Einhaltung bestehender Vereinbarungen verpflichtete (Dok. 270). 80 Vgl. Aufzeichnung der Unterredung des Gehilfen des Leiters der 2. Westabteilung im NKID der UdSSR Michel’s mit von Walther am 4.3.1938. In: AVP RF, f. 082, op. 21, p. 88, d. 2, l. 37–36, hier l. 37.
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I. Einleitung
Die sowjetischen Diplomaten in Moskau und Berlin Über das Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre und seine bedeutenden Vertreter ist bereits viel geschrieben worden, vorwiegend im biographischen Genre.81 Weit weniger Aufmerksamkeit jedoch wird im Vergleich dazu dem Platz und der Rolle des diplomatischen Apparats in der außenpolitischen Entscheidungsfindung geschenkt.82 Dabei gewinnt diese Frage dann enorme Bedeutung, wenn sie einen Zeitraum betrifft, in dem für das Leben des Landes bestimmende Entscheidungen getroffen werden. Genau um eine solche Zeit, den Vorabend des Krieges, handelt es sich aber hier. Der Platz des Narkomindel im außenpolitischen Prozess war durch zwei eng miteinander verbundene, wenn auch nicht gleichwertige Faktoren bedingt. Einerseits gingen die Verschärfung des totalitären Regimes und die Massenrepressionen, die einen Großteil des Partei- und Staatsapparats betrafen, mit einer gravierenden Veränderung der Rolle der Politbüromitglieder des ZK der VKP (B) innerhalb dieses höchsten Machtorgans wie auch der Bedeutung des Politbüros selbst einher, das im Rahmen des Systems insgesamt zu einem Instrument der persönlichen Diktatur 81 Vgl. E. A. Gnedin: V Narkomindele 1922–1939. Zapis’ A. Meeroviča (Im Narkomindel. Aufzeichnungen von A. Meerovič), in: Pamjat’. Istoričeskij sbornik, Moskva 1981/Pariž 1982, S. 357–393; Heinrich Bartel: Aleksej Fedorovič Merekalov – Fragmente zur historischen Biographie eines Sowjetdiplomaten in Berlin 1938/39. In: Jahrbücher für Geschichte Osteuropas, 1985, Heft 4, S. 518–545; A.A. Roščin: V Narkomindele nakanune vojny (Im Narkomindel am Vorabend des Krieges). In: Meždunarodnaja žizn’, 1988, Nr. 4, S. 120–126; Ders.: NKID v 30-e gody (Das NKID in den 30er Jahren). In: Diplomatičeskij ežegodnik, 1995, S. 195–212; V. V. Sokolov: Na postu zamestitelja narkoma inostrannych del SSSR. O žizni i dejatel’nosti B.S. Stomonjakova (Auf dem Posten des Stellvertretenden Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten. Über Leben und Wirken von B. S. Stomonjakov). In: Novaja i novejšaja istorija, 1988, Nr. 5, S. 111–126/Nr. 6, S. 127–150; Ders.: N.N. Krestinskij – revoljucioner, diplomat (1883−1938) (N. N. Krestinskij – Revolutionär und Diplomat). In: Novaja i novejšaja istorija, 1989, Nr. 5, S. 120–142; Ders.: Narkomindel Maksim Litvinov (Der Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Maksim Litvinov). In: Meždunarodnaja žizn’, 1991, Nr. 4, S. 107– 122; Ders.: Tragičeskaja sud’ba diplomata G.A. Astachova (Das tragische Schicksal des Diplomaten G. A. Astachov). In: Novaja i novejšaja istorija, 1997, Nr. 1, S. 167–183; Ders.: Dejatel’nost’ sovetskogo posol’stva v Berline. 1918−1941 gody (Die Tätigkeit der sowjetischen Botschaft in Berlin). In: Novaja i novejšaja istorija, 2006, Nr. 2, S. 102–121; Ders.: V.P. Potemkin (1874–1946): diplomat i učenyj (V. P. Potemkin: Diplomat und Wissenschaftler). In: Novaja i novejšaja istorija, 2007, Nr. 5, S. 89–126; Z. S. Šejnis: Maksim Maksimovič Litvinov: revoljucioner, diplomat, čelovek (Maksim Maksimovič Litvinov: Revolutionär, Diplomat und Mensch), Moskva 1989; A. I. Sizonenko: Polpred SSSR Ja.Z. Suric (Der Bevollmächtigte Vertreter der UdSSR Ja. Z. Suric). In: Novaja i novejšaja istorija, 1991, Nr. 3, S. 100–117; Očerki istorii Ministerstva inostrannych del Rossii, 1802–2002, v 3 t., T. 2: 1917–2002, Moskva 2002, S. 177–272; T. 3: Biografii ministrov inostrannych del, 1802–2002, Moskva 2002, S. 340–365; V. I. Tabolin/E. A. Tabolin: Missija polpreda Alekseja Merekalova (Die Mission des Bevollmächtigten Vertreters Aleksej Merekalov). In: Voenno-istoričeskij archiv, 2002, Nr. 12, S. 47– 69; A. V. Mal’gin: Sovetskaja vnešnaja politika i NKID SSSR v mae 1939 g. – ijune 1941 g.: novaja taktika ili strategičeskij prosčet? (Die sowjetische Außenpolitik und das NKID der UdSSR vom Mai 1939 bis Juni 1941: neue Taktik oder strategische Fehlkalkulation? In: „Zavtra možet byt’ uže pozdno…“. Vestnik MGIMO-Universiteta. Special’nyj vypusk k 70-letiju načala Vtoroj mirovoj vojny, Moskva 2009, S. 143–165; u. a. 82 Eine Ausnahme bildet das Buch der französischen Historikerin Sabine Dullin (S. Dullin: Stalin i ego diplomaty: Sovetskij Sojuz i Evropa, 1930–1939 (Stalin und seine Diplomaten: Die Sowjetunion und Europa), aus dem Franz., Moskva 2009), in dem vor allem auf der Grundlage von Dokumenten aus russischen Archiven die Entwicklung der Haltung Stalins gegenüber der Leitung des Narkomindel und dessen Initiativen während der 1930er Jahre dargestellt und die stetig abnehmende Rolle der diplomatischen Dienste im außenpolitischen Prozess hervorgehoben wird.
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3. Die Strukturen und ihre Repräsentanten Stalins wurde.83 Diese Veränderungen und die allgemeine Atmosphäre wirkten sich unmittelbar auf die Situation des NKID und dessen Arbeit aus. Als Lieferant exklusiver Informationen, von deren Qualität und Bewertung das Handeln der UdSSR auf der internationalen Bühne abhängen konnte, wurden das NKID und seine Mitarbeiter in einem Klima des totalen Misstrauens, des Spionagewahns und der Suche nach ‚Volksfeinden‘ zum Ziel erhöhter Aufmerksamkeit und des Argwohns seitens des NKVD, der Kommission für Parteikontrolle des ZK der VKP (B) und der Abteilung der führenden Parteiorgane des ZK der VKP (B). Zweifellos schränkte all dies die Möglichkeiten der Leitung des NKID bei der Initiierung und Vorbereitung bestimmter Entscheidungen ein und verwandelte es von einem Initiativ- und Exekutivorgan des außenpolitischen Prozesses in ein vorwiegend exekutives Instrument. Andererseits erhöhten die drastische Verschlechterung der internationalen Lage infolge der Eskalation von Hitlers Aggressionspolitik auf dem Kontinent und die zunehmende Isolierung der Sowjetunion im internationalen Geschehen objektiv den Anspruch auf Effizienz des Volkskommissariats für Auswärtige Angelegenheiten, sowohl seiner Zentrale als auch seiner ausländischen Vertretungen. Allerdings stieß die Lösung dieses Problems auf ein unüberwindliches Hindernis in Form der repressiven Politik des Stalin-Regimes, die das NKID, das NKVT sowie die Bevollmächtigten Vertretungen und Handelsvertretungen der UdSSR im Ausland buchstäblich ausbluten ließ. Die veröffentlichten Dokumente enthalten viele unterschiedliche Materialien, die die Tätigkeit der diplomatischen Dienste auf dem Gebiet der sowjetisch-deutschen Beziehungen beleuchten. Aber nur selten und in der Regel nur indirekt und in verschleierter Form (wenn es sich um sowjetische Dokumente handelt) vermitteln sie eine Vorstellung davon, in welchem Umfeld das Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten und die Bevollmächtigte Vertretung in Berlin in den Jahren 1937 bis 1939 tätig waren. Die Veränderungen, die in den letzten beiden Jahren der Amtszeit Litvinovs als Volkskommissar im NKID stattfanden, sind kaum zu überschätzen und betrafen den gesamten Zentralapparat. Hier seien nur diejenigen genannt, die in einem gewissen Grad die deutsche Thematik betrafen. Am 28. März 1937 wurde Nikolaj Krestinskij, 1. Stellvertreter des Volkskommissars, von seinem Posten abberufen, zum Stellvertretenden Volkskommissar für Justiz der UdSSR ernannt84 und zwei Monate später, am 29. Mai, verhaftet. Den frei gewordenen Posten erhielt der Bevollmächtigte Vertreter der UdSSR in Frankreich, Vladimir Potemkin.85 Am 13. Mai 1937 wurde der Leiter der 2. Westabteilung David Štern verhaftet und im Juni 1937 durch Fedor Vejnberg ersetzt (Dok. 46), allerdings nur für kurze Zeit, da dieser bereits im August zum kommissarischen Leiter der 3. Westabteilung ernannt wurde. Kommissarischer Leiter der 2. Westabteilung wurde im August 1937 Konstantin Antonov, der sich jedoch nicht auf diesem Posten halten konnte und im Januar 1938 in die Reserve des NKID versetzt wurde. Im Januar 1938 löste ihn in dieser Funktion Grigorij Vajnštejn ab, der sie bis zu den strukturellen Veränderungen im zentralen Apparat des NKID bis Mitte Juni 1939 innehatte. Nach einer Parteiver83 Vgl. O. V. Chlevnjuk: Chozjain. Stalin i utverždenie stalinskoj diktatury (Der Hausherr. Stalin und die Festigung der stalinistischen Diktatur), Moskva 2010, S. 398. 84 Izvestija vom 29. März 1937, S. 1. 85 Izvestija vom 4. Mai 1937, S. 1.
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I. Einleitung sammlung im Volkskommissariat im Juni 1937, auf der eine Lawine von Anschuldigungen über mehrere, zu diesem Zeitpunkt bereits verhaftete leitende Mitarbeiter hereinbrach, waren auch die Angehörigen der 2. Westabteilung, die Štern sechs Jahre lang geleitet hatte, von Versetzungen, Säuberungen und Repressionen betroffen. Nachdem die Oberreferentin für Deutschland Sof’ja Kanter, die man beschuldigt hatte, ihre Wachsamkeit verloren und den ‚Volksfeind‘ Štern nicht entlarvt zu haben, Anfang Juli aus dem NKID entlassen worden war, blieb für den Bereich Deutschland nur noch der Stellvertretende Leiter der 2. Westabteilung, Vladimir Levin, übrig. Am 29. Dezember 1937 wurde dieser jedoch unter der Anschuldigung der „Beteiligung an einer konterrevolutionären terroristischen Organisation“ verhaftet. In einer allgemeinen Einschätzung der Situation sowohl im Volkskommissariat als auch in dessen ausländischen Vertretungen schrieb Volkskommissar Litvinov an das ZK: „Infolge der Ereignisse der letzten Zeit hat das NKID enorme Schwierigkeiten, den Mitarbeiterschwund zu kompensieren und freie Stellen an allen notwendigen Positionen zu besetzen.“86 In der Regel wurden von der Abteilung für führende Parteiorgane des ZK der VKP (B) Personen zur Arbeit in das Volkskommissariat entsandt, die weder das erforderliche Bildungsniveau, noch Fremdsprachenkenntnisse besaßen, wovon sich der Volkskommissar, der persönlich die Bewerbungsgespräche mit ihnen führte, mehrfach überzeugen konnte. Gleichzeitig verfügten sie jedoch über Erfahrung in der Partei- oder Komsomolarbeit, eine tadellose Beurteilung und selbstverständlich einen proletarischen Hintergrund. Durchaus nicht alle von ihnen wurden eingestellt oder zu Kurzlehrgängen beim Narkomindel geschickt, um anschließend ins Ausland abgeordnet zu werden, aber auch diejenigen, die ihre Tätigkeit begannen, brauchten Zeit, um sich einzuarbeiten. All dies hatte Auswirkungen auf die Qualität der Arbeit des Volkskommissariats, das sich natürlich den innenpolitischen Entwicklungen anpassen musste, einschließlich denen, die mit der Umsetzung der vorgegebenen Abschottung der UdSSR von der Außenwelt verbunden waren. So erging Mitte Oktober 1937 ein Rundschreiben Potemkins an die Leiter aller Abteilungen, mit dem sie angewiesen wurden, Anfragen der diplomatischen Vertretungen in Moskau zu bestimmten, sie interessierenden Informationen, die als „vertraulich“ eingestuft werden konnten, besondere Wachsamkeit zu widmen. Dazu gehörten Informationen „zu ausgesuchten Fragen des Staatsaufbaus“ sowie solche, „die sich auf den Aufenthalt von ausländischen Bürgern in der UdSSR beziehen (Auskünfte über den Wohnort, über Verhaftungen usw.)“ (Dok. 125). Im Referat Stalins auf dem Februar/März-Plenum des ZK der VKP (B) 1938 wurde eine erheblich erweiterte Interpretation seiner These über die Gründe für die Verschärfung des Klassenkampfs in der UdSSR im Zuge des sozialistischen Aufbaus präsentiert, ergänzt durch die Position, dieser Kampf werde durch die feindliche kapitalistische Einkreisung weiter angeheizt. Auf der Grundlage dieser These zog Stalin die Schlussfolgerung, die das Signal für einen in ihrem Ausmaß beispiellosen Spionagewahn im ganzen Land darstellte, nämlich dass, „solange die kapitalistische Umkreisung besteht, […] es Schädlinge, Spione, Diversanten und Mörder geben [wird], die von Agenten ausländischer Staaten in unser Hinterland 86 Schreiben Litvinovs an den Sekretär des ZK der VKP (B) Andreev vom 11.7.1937. In: AVP RF, f. 05, op. 17, p. 126, d. 1, l. 268.
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3. Die Strukturen und ihre Repräsentanten geschickt werden“87. Die Absicht hinter dem entfachten Spionagewahn war jedoch nicht auf innenpolitische Ziele beschränkt. Es sollte alles, was nicht sowjetisch war, im Massenbewusstsein als ausgesprochen feindlich und auf die Untergrabung der Grundpfeiler des Staates ausgerichtet wahrgenommen werden. Die inneren ‚Volksfeinde‘ und ‚Schädlinge‘ und die äußeren ‚Spione‘ und ‚Diversanten‘ wurden praktisch auf die gleiche Stufe gestellt. Es sei erforderlich, den Staat von diesen feindlichen Elementen zu säubern und gleichzeitig das Land so weit wie möglich von äußeren Einflüssen zu isolieren. Hier ist eine klare Koordinierung der Aktivitäten der verschiedenen Behörden bei der Umsetzung dieser Aufgabe erkennbar. So wird in einem der Artikel über die Aufklärungstätigkeit auf dem Territorium der UdSSR konstatiert, dass „die primären Zentren, die die Spionage in den ausländischen Staaten organisieren und leiten, gewisse diplomatische Einrichtungen im Allgemeinen und Militär- und Marineattachés im Besonderen“ 88 seien. Und diese Behauptung war nicht nur so dahingeschrieben. Wenn man bedenkt, auf wessen Anweisung diese Artikel verfasst wurden89, ist es nicht schwer zu erraten, wie sorgfältig jeder einzelne Satz darin abgestimmt wurde, besonders diejenigen verallgemeinernder Natur. Gleichzeitig wurden bereits ganz gezielte Maßnahmen auch im Rahmen das Narkomindel ergriffen. Ende April 1937 schrieb Litvinov an Stalin, dass die Entscheidung über den Beginn der Auflösung der Konsulate einiger Staaten unter dem Vorwand geführt werden müsse, einen Gleichstand mit denjenigen der UdSSR herzustellen, und schlug vor, mit Deutschland anzufangen, was genehmigt wurde.90 Es war eine von Stalin persönlich inszenierte Kampagne, die in verschiedene Richtungen geführt wurde und die oben erwähnte Doppelaufgabe lösen sollte. Wie diese Herausforderung in Bezug auf Deutschland bis zum 15. Mai 1938 bewältigt wurde, als die Konsulate beider Staaten ihre Tätigkeit einstellten, kann den in diesem Band veröffentlichten, überwiegend sowjetischen Dokumenten entnommen werden. Die immer wieder neuen Maßnahmen des sich ständig verschärfenden totalitären Regimes betrafen nicht nur das NKID, sondern auch andere zentrale Institutionen, die sich mit Deutschland beschäftigten, allen voran das Volkskommissariat für Außenhandel. Die Personalsituation im NKVT, dem wichtigsten Organ, das vor dem Hintergrund eines praktisch eingefrorenen bilateralen Verhältnisses für die Aufrechterhaltung der in ihrem Umfang stark rückläufigen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland zuständig war, war der Lage nach einem Tornado vergleichbar. Infolge der Repressionen der Jahre 1937 bis 1939 wurden zwei 87 I. V. Stalin: O nedostatkach partijnoj raboty i merach likvidacii trockistskich i inych dvurušnikov: Doklad i zaključitel’noe slovo na Plenume CK VKP(b), 3–5 marta 1937 g. (Über die Mängel der Parteiarbeit und die Maßnahmen zur Liquidierung der trotzkistischen und sonstigen Doppelzüngler: Referat und Schlusswort auf dem Plenum des ZK der VKP (B)), Moskva 1937, S. 11. 88 K. Kirrilovič: Špiony za rabotoj (Spione bei der Arbeit). In: Izvestija vom 26. April 1937, S. 3. 89 So berichtete der Chef der Aufklärungsverwaltung der RKKA Semen Urickij am 26.4.1937 an Stalin: „Auf Ihre Anweisung hat ein Mitarbeiterkollektiv der Aufklärungsabteilung eine Reihe von Artikeln verfasst, in denen die Organisation und einige Arbeitsmethoden der ausländischen Spionage beschrieben werden.“ In: Lubjanka. Stalin i Glavnoe upravlenie gosbezopasnosti, Dok. 57, S. 134–135. 90 Vgl. Schreiben Litvinovs an Stalin vom 28.4.1937. In: RGASPI, f. 17, op. 166, d. 572, l. 43–44.
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I. Einleitung Volkskommissare91, ein kommissarischer Volkskommissar92, zwei stellvertretende Volkskommissare93, die Leiter der Export- und der Importverwaltung94, die Leiter des Valuta- und Finanzsektors95 sowie des Sektors für Handelsvertretungen96 und auch deren Stellvertreter aus ihren Funktionen entfernt und anschließend verhaftet. Ein äußerst unerfreuliches Fazit der Personalsituation zog Anfang Februar 1939 der neue Volkskommissar für Außenhandel, Anastas Mikojan, in seinem Referat auf einer Aktivistenversammlung des Volkskommissariats. Er nannte eine Reihe von Beispielen für die Personalpolitik der früheren Leitung, wobei er freilich weder auf die tieferliegenden Ursachen einging, die dazu geführt hatten, noch darauf, warum die Leitung des Volkskommissariats oftmals nicht in der Lage gewesen war, die Personalfrage adäquat zu lösen. Dies verdeutlicht eindrucksvoll folgendes Zitat: „[B]ei uns gibt es den Valuta- und Finanzsektor mit 10 bis 12 Personen“, sagte Mikojan. „An der Spitze sitzt Gen. Ivanov, der noch im letzten Jahr Student war. An der Spitze des Valuta- und Finanzsektors des NKVT der Sowjetunion, einem Sechstel der Erde, ist jemand, der im letzten Jahr Student war. Der Leiter des gesamten Devisenbereichs kann das Pfund nicht vom Dollar unterscheiden. Ihn trifft keine Schuld.“97 Es ist nicht verwunderlich, dass sich bei einem derartigen Personalmangel und einem nicht immer ausreichenden Niveau an Fachkompetenz die Entscheidung operativer Fragen mitunter verzögerte, worüber sich insbesondere die deutschen Diplomaten beklagten (Dok. 375). Dies galt nicht nur für das Volkskommissariat, sondern auch für die Handelsvertretung in Berlin, insbesondere, als es um die Neubesetzung der Stelle des Handelsvertreters ging.98 Auch die Situation der Bevollmächtigten Vertretung der UdSSR in Deutschland war, gelinde gesagt, überaus schwierig, was nicht nur auf die Verschlechterung der bilateralen Beziehungen, sondern auch auf den Mangel an qualifiziertem Personal zurückzuführen war. Die ersten Anzeichen dieses Problems waren bereits im Februar 1937 aufgetreten, als der Rat der Bevollmächtigten Vertretung, Sergej Bessonov, nach Moskau einbestellt und verhaftet worden war, ohne dass jemand entsandt wurde, um seine Stelle einzunehmen. Die Lage verschärfte sich, nachdem Stalin beschlossen hatte, gegenüber Berlin seinen Unmut über das Scheitern der Kandelaki-Mission zum Ausdruck zu bringen. Dieser äußerte sich durch die AusArkadij Pavlovič Rozengol’c, Evgenij Denisovič Čvjalev. Sergej Kornil’evič Sud’in. David Vladimirovič Kandelaki, Lev Christianovič Fridrichson. Šmavon Grigor’evič Garibov, Abram Grigor’evič Volin. Nikolaj Vasil’evič Stefanov. Michail Il’ič Levin. Stenogramm der Versammlung im NKVT vom 2.2.1939. In: RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 3072, l. 177. 98 Der neue Handelsvertreter in Deutschland, Lazar’ Nepomnjaščij traf Ende Mai 1937 in Berlin ein, wurde aber bereits im November abberufen. Die Aufgaben des Handelsvertreters nahm vier Monate lang sein Stellvertreter Semen Smolenskij wahr. Der neue Handelsvertreter, Vasilij Davydov, kam in der zweiten Februarhälfte 1938 nach Berlin, wurde jedoch im Oktober zur Arbeit in das NKVT versetzt, woraufhin der Posten des Handelsvertreters fast ein Jahr unbesetzt blieb. Von Dezember 1938 bis Mai 1939 übte Leonid Skosyrev, ein Mitarbeiter des NKVD, der fließend Deutsch sprach und offenbar aus anderen Gründen nach Deutschland geschickt worden war, das Amt des Handelsvertreters aus. Erst im Juni 1939 kam der Doktorand des Moskauer Textilinstituts Evgenij Babarin als stellvertretender Handelsvertreter nach Berlin und wurde kurz nach Abschluss des neuen Kreditabkommens mit Deutschland vom 19.8.1939 zum Handelsvertreter ernannt. 91 92 93 94 95 96 97
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3. Die Strukturen und ihre Repräsentanten wechslung des Bevollmächtigten Vertreters und des Handelsvertreters gegen neue Personen sowie die zeitgleiche Versetzung des 1. Sekretärs der Bevollmächtigten Vertretung und Leiters der Presseabteilung, Evgenij Gnedin, zur Arbeit in das NKID (die Gründe dafür sind nicht ganz klar). In seiner Beschreibung der Situation wies Litvinov Stalin auf die Unabdingbarkeit hin, „unverzüglich jemanden […] nach Berlin zu schicken, damit er sich bis zur Ankunft des neuen Bevollmächtigten Vertreters in die Materie einarbeiten kann. Andernfalls kommt Gen. Jurenev in Berlin an und trifft keinen einzigen Menschen an, der die dortigen Angelegenheiten einigermaßen kennt.“ (Dok. 13) Stalin billigte den Vorschlag des Volkskommissars, einen erfahrenen Diplomaten nach Berlin zu entsenden. Die Wahl fiel auf Georgij Astachov, der seit Anfang der 1920er Jahre in verschiedenen Ländern, darunter auch in Deutschland, gearbeitet hatte. Das wirkte sich zweifellos positiv auf die Arbeit der Bevollmächtigten Vertretung aus, insbesondere in den Zeiten, als Astachov die Funktion des Geschäftsträgers ausübte. Konstantin Jurenev, der Anfang Juli 1937 in Deutschland eintraf, war ein sehr versierter Diplomat, der seit 1921 als Bevollmächtigter Vertreter oder diplomatischer Repräsentant in einigen europäischen und asiatischen Ländern tätig war. Seine zahlreichen Bekanntschaften mit Diplomaten vieler Länder hatten seine Arbeit begünstigt, selbst als die Beziehungen zwischen der Sowjetunion und dem einen oder anderen Gastland angespannt waren. Dies zeigte sich beispielsweise bereits bei seinem protokollarischen Besuch bei von Neurath kurz nach seiner Ankunft in Berlin (Dok. 62). All dies war jedoch für die Entscheidung im Kreml über das Schicksal Jurenevs völlig bedeutungslos. Nachdem er am 7. August 1937 auf Urlaub in die Sowjetunion gefahren war, kehrte Jurenev schon nicht mehr wie geplant am 3. September nach Berlin zurück (Dok. 101), sondern hielt sich weiterhin in Moskau auf, wo er am 23. September unter der Anschuldigung der Spionage verhaftet wurde. Dies wurde zur Blaupause für die meisten Diplomaten, die in den Moloch des repressiven Regimes gerieten.99 Die Abwesenheit eines Bevollmächtigten Vertreters in Deutschland, die sich vor dem Hintergrund wachsender Spannungen in den bilateralen Beziehungen über viele Monate hinzog, reduzierte die Möglichkeiten der Bevollmächtigten Vertretung noch weiter und begrenzte, wie bereits erwähnt, die Kontakte zum Auswärtigen Amt. Die Personalprobleme der Bevollmächtigten Vertretung beschränkten sich jedoch nicht nur darauf und wurden von Astachov buchstäblich seit den ersten Wochen seines Aufenthalts in Deutschland gegenüber der Leitung des NKID immer wieder thematisiert (Dok. 39, 44, 139, 271, 372). Besonders dramatisch sah die Situation Mitte 1937 aus, die von ihm in einem Schreiben an Potemkin folgendermaßen beschrieben wurde: „Ich muss selbst alle Zeitungen durchsehen, Telefonate führen, mich mit allerlei Kleinarbeit befassen, einschließlich der Funktion des Hausverwaltungsleiters bis hin zu Bagatellen usw. Für die politische Arbeit bleibt überhaupt keine Zeit übrig. Von den etatmäßigen 4 bis 5 diplomatischen Mitarbeitern bin allein ich übrig geblieben, wobei das sonstige Personal ebenfalls nach und nach versetzt wurde“ (Dok. 44). Nicht weniger akut war auch der Mangel an Mitarbeitern, die die deutsche Sprache beherrschten, da, wie Astachov im Mai 1938 be99 Jurenev wurde laut einer Anweisung Stalins auf einer weiteren sogenannten Stalinschen Liste, die von Ežov am 26.7.1938 zur Genehmigung übermittelt worden war, erschossen. Vgl. Lubjanka. Stalin i Glavnoe upravlenie gosbezopasnosti, Dok. 331, S. 540–544, hier S. 544.
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I. Einleitung richtete, „im vergangenen Jahr nach der Abberufung des bisherigen Personals nicht eine einzige Person hierher geschickt worden ist, die die Sprache anständig beherrscht (wenn man Gen. Smirnov nicht mitrechnet, der bei TASS beschäftigt ist und die Sprache keineswegs fließend beherrscht).“ (Dok. 271) Diese Frage erlangte besondere Dringlichkeit, da auch der neue, von Moskau ernannte Bevollmächtigte Vertreter, Aleksej Merekalov, kein Deutsch sprach (Dok. 272). Die Leitung des NKID versuchte, auf diese Bitten zu reagieren, war aber nicht in der Lage, die aufgeworfenen Fragen umgehend, geschweige denn auf optimale Weise zu lösen. Die Bereitstellung des notwendigen Personals für die Bevollmächtigte Vertretung in Deutschland wie übrigens auch für andere diplomatische Vertretungen verlief daher äußerst schleppend und keineswegs immer konstruktiv. Dies war auf die innenpolitische Situation der UdSSR im Allgemeinen und den Mechanismus der Entscheidungsfindung im Besonderen zurückzuführen. Darüber schrieb Litvinov sehr besorgt an Stalin: „Die vom Narkomindel unter den neuen Mitarbeitern nominierten Kandidaten, die entweder Absolventen der Diplomatenlehrgänge beim Narkomindel sind oder vom ZK abkommandiert wurden, werden monatelang durch die Erledigung von Formalitäten aufgehalten oder nicht ins Ausland gelassen, manche mit ganz fadenscheinigen Begründungen. [...] Die an die Kandidaten für die Auslandsarbeit gestellten Anforderungen, die nicht auf persönlicher Vorstellung, sondern fast ausschließlich auf Fragebogenangaben basieren, sind so streng, dass man jede Hoffnung verliert, geeignetes Personal zu finden. Wenn der Zustand nicht geändert wird, laufen wir Gefahr, im Angesicht der heraufziehenden bedrohlichen internationalen Ereignisse ohne einen Auslandsapparat dazustehen."100 Im Kreml hatte man es jedoch offensichtlich nicht eilig, die diplomatischen Vertretungen mit Personal auszustatten, wovon ein neues, nicht weniger alarmierendes Schreiben Litvinovs an Stalin Anfang Januar 1939 zeugte.101 Die Bevollmächtigte Vertretung in Deutschland wurde in dem Schreiben nicht erwähnt. Das lässt darauf schließen, dass die Personalsituation nicht allzu kritisch war. Aber die Probleme aufgrund der Qualifikation des Personals blieben auch dort bestehen. Dies galt in vollem Umfang auch für Merekalov, den vormaligen Stellvertretenden Volkskommissar für Außenhandel der UdSSR, der acht Monate, nachdem dieser Posten im September 1937 frei geworden war, zum Bevollmächtigten Vertreter in Deutschland ernannt wurde. Seine Berufung erfolgte auf Initiative Molotovs102 mit Unterstützung Stalins103 und entgegen der von Litvinov vorgeschlagenen Kandidatur Astachovs (Dok. 258). Dass mit diesem wichtigen Posten ein hochrangiger Beamter, der an einen befehls- und kontrollorientierten Arbeitsstil gewöhnt war, betraut wurde, konnte kaum dazu beitragen, in einem so schwierigen diplomatischen Bereich104 selbst konkrete wirtschaftliche Probleme zu lösen. Noch 100
Schreiben Litvinovs an Stalin vom 29.5.1938. In: AVP RF, f. 05, op. 18, p. 137, d. 1,
l. 301. 101 102 103
Vgl. DVP, Bd. XXII, Dok. 2, S. 10–12. Vgl. Tabolin/Tabolin, Missija polpreda Alekseja Merekalova, S. 51–52. Kurz, nachdem Merekalov am 13.4.1938 zu Stalin bestellt worden war (vgl. Na prieme u Stalina (Bei Stalin zum Empfang). Tetradi (žurnaly) zapisej lic, prinjatych I. V. Stalinym (1924–1953). Spravočnik, Moskva 2008, S. 235) erfolgte das Gesuch bei der deutschen Regierung um das Agrément für ihn (Dok. 267). 104 Besonders negativ wirkte sich dieser Führungsstil auf die Arbeit der Bevollmächtigten Vertretung während der monatelangen Abwesenheit Merekalovs von Berlin aus, wie ihm der
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3. Die Strukturen und ihre Repräsentanten dazu war er bei Kontakten auf einen Dolmetscher angewiesen (Dok. 271) und verfügte über keinerlei Verhandlungserfahrung. Stalin war jedoch offenbar anderer Meinung und fuhr fort, aus dem Narkomindel und den ausländischen Vertretungen Diplomaten auszusondern, die von Čičerin oder Litvinov rekrutiert worden waren. Er ersetzte sie durch loyale, sorgfältig mittels Fragebogen ausgesiebte, eindeutig ideologisch ausgerichtete und karriereorientierte Mitarbeiter der neuen Generation.105 Ein solcher war auch Merekalov; er war ohne eigene Initiative und zeigte seine Unbeholfenheit nicht nur auf dem diplomatischen Parkett (Dok. 417), sondern demonstrierte erstaunlicherweise seine Unwissenheit auch auf dem Gebiet der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen (Dok. 368)106, für die er doch vor noch nicht allzu langer Zeit im NKVT zuständig gewesen war. Die internen Probleme der Bevollmächtigten Vertretung ließen sich freilich nicht nur auf das Verhältnis zwischen Merekalov und Astachov reduzieren, obwohl sie zwangsläufig Auswirkungen auf die Arbeit hatten, zu der auch die Beziehungen innerhalb des kleinen Kollektivs gehörten. Astachov, der die Tätigkeit der Bevollmächtigten Vertretung in einem breiteren Kontext bewertete, schrieb Ende 1938, als er erneut als Geschäftsträger fungierte, an Litvinov: „Wir haben in Berlin einen großen Apparat, doch er ist vorrangig mit sich selbst befasst (Finanz-, Verwaltungsund Schulangelegenheiten, gesellschaftliche Arbeit usw.) Darin liegt vielleicht auch die Wurzel der uns aufreibenden Streitereien. Für die Außentätigkeit, für Kontakte zu Ausländern, zur Auswertung von Literatur und Presse, um das Land kennenzulernen usw. gibt es in diesem Apparat, von wenigen Ausnahmen abgesehen, keine geeigneten Leute, diejenigen aber, die es gibt, arbeiten unter Bedingungen, die es ihnen nur in einem minimalen Grade erlauben, Aufgaben dieser Art zu erledigen. […] Zum Höhepunkt der Saison und in einem überaus wichtigen politischen Zeitabschnitt haben wir hier weder einen Bevollmächtigten Vertreter noch einen Handelsvertreter; wir haben hier bereits seit über einem Jahr keinen Vertreter unserer Presse, obgleich er bedeutend bessere Möglichkeiten für Außenkontakte hätte als ein beliebiger Diplomat. Hier gibt es bereits seit 1 ½ Jahren keinen Militärattaché […] Eine derartige Situation lässt keinerlei Möglichkeit, die Arbeit normal zu verrichten und sie wenigstens in ein annäherndes Verhältnis zu den Aufgaben zu bringen, die zu bewältigen sind und erfüllt werden müssten.“ (Dok. 372) Bei der Lektüre dieses Schreibens könnte man den Eindruck gewinnen, dass Astachov absichtlich dick auftrug, um seiner Bitte um Abberufung aus Berlin Nachdruck zu verleihen, da seine Arbeit angeblich „äußerst wenig produktiv“ sei. Geschäftsträger Astachov am 12.7.1939 ganz offen schrieb: „Sie setzen sich mit den Mitarbeitern der Bevollmächtigten Vertretung direkt in Verbindung, geben ihnen Aufgaben und erhalten von ihnen Briefe, die entgegen allen Regeln hinter meinem Rücken verschickt werden, und mit Ihrer Haltung gegenüber ihren Mitteilungen, denen Sie lieber glauben als den meinen, erwecken Sie den Eindruck, dass jede Anweisung I[hres] Stellvertreters ignoriert und einfach übergangen werden kann.“ In: AVP RF, f. 082, op. 22, p. 93, d. 8, l. 96. 105 Vgl. Dullin, Stalin i ego diplomaty, S. 213. 106 Der Publizist und Historiker Lev Bezymenskij, der die unvollständigen Aufzeichnungen Merekalovs einsehen konnte, ergänzt diese Beurteilung: „Zugleich war er der ‚Sache Lenins und Stalins‘ treu ergeben. Damit war Merekalow Stalin und Molotow aufgefallen, Abgeordneter und zuletzt Botschafter geworden. Nach den Akten zu urteilen, beobachtete Merekalow den nazistischen Gegner, wie es seine Pflicht war, und ließ sich durch äußere Liebenswürdigkeiten nicht täuschen.“ Vgl. L. Besymenski: Stalin und Hitler: Das Pokerspiel der Diktatoren, Berlin 2002, S. 153–154.
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I. Einleitung In Wirklichkeit wurde die Situation von ihm keineswegs dramatisiert, wie aus der Antwort Litvinovs hervorgeht: „Alle die traurigen Erscheinungen, über die Sie schreiben, sind uns sehr wohl bekannt. Wir unternahmen und unternehmen Maßnahmen zu deren Beseitigung, doch ich kann Ihnen hinsichtlich der Ergebnisse keine Hoffnungen machen.“ (Dok. 372, Anm. 17) Was die Bewertung der Effizienz seiner Arbeit anbelangt, so war Astachov eindeutig befangen. Wie treffend seine Einschätzungen konkreter innenpolitischer und internationaler Vorgänge waren, wird noch mehrfach Erwähnung finden (Dok. 44, 122, 170, 209, 222, 254, 268, 310, 363, 398, 444). An dieser Stelle möchte ich zwei Dinge anmerken: Erstens fiel der überwiegende Teil von Astachovs Aufenthalt in Berlin in die am längsten anhaltende Periode starker Abkühlung der bilateralen Beziehungen, was schon für sich allein genommen Auswirkungen auf die ohnehin in mancherlei Hinsicht von Moskau reglementierte Tätigkeit der Bevollmächtigten Vertretung haben musste; zweitens erregte die Analyse der allgemeinen internationalen Lage durch Astachov nicht nur die Aufmerksamkeit der Leitung des NKID, sondern wurde auf Anweisung des Volkskommissars von Zeit zu Zeit an Stalin und einige Mitglieder des Politbüros des ZK des VKP (B) geschickt.107 Ungeachtet dessen hatte Litvinov Anfang April 1939 vermutlich die Entscheidung getroffen, der Bitte Astachovs nachzukommen und die Frage seiner Abberufung aus Deutschland aufzuwerfen.108 Stalin und Molotov, die darauf spekulierten, ein Abkommen mit Hitler zu erreichen, waren diesbezüglich anderer Ansicht und übertrugen dem Fachmann Astachov eine höchst verantwortungsvolle Mission, deren Ziel er nicht einmal erahnen sollte. Ihr Kernelement war die Arbeit in Berlin in der immer komplizierter werdenden Situation des herannahenden Krieges, überdies ohne jegliche Instruktionen bis zu dem Zeitpunkt, an dem die deutsche Seite beschloss, den Abschluss eines politischen Abkommens mit der UdSSR voranzutreiben. Bevor zu den inhaltlichen Beziehungsfeldern übergegangen wird, seien noch einige andere wichtige Institutionen des außenpolitischen Prozesses erwähnt, die häufig außerhalb des Blickfelds der Forschung zu den sowjetisch-deutschen Beziehungen bleiben. Die staatlichen Strukturen beider Länder, die in den verschiedenen Phasen ihrer Entwicklung in der einen oder anderen Weise mit den sowjetisch-deutschen Beziehungen zu tun hatten, beschränkten sich nicht nur auf die diplomatischen Dienste. Hier sind vor allem das Volkskommissariat für Außenhandel und die Handelsvertretung in Berlin auf sowjetischer Seite sowie das Reichswirtschaftsministerium und die Behörde des Beauftragten für den Vierjahresplan auf deutscher Seite zu nennen. Es war ihr großes Engagement, das in einer Zeit massiver Spannungen zwischen Moskau und Berlin zumindest die Aufrechterhaltung der stark rückläufigen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen sicherte. Zu den Akteuren auf dem Ge107 Gemeint ist hier die Periode, die der Entscheidung des Kremls vorausging, den außenpolitischen Kurs der UdSSR vor allem gegenüber Deutschland zu ändern, woraufhin die Schreiben und Telegramme Astachovs von der Führungsspitze verstärkt zur Kenntnis genommen wurden. 108 Am 4.4.1939 teilte Potemkin Merekalov unter anderem mit: „Was Gen. Astachov betrifft, so wird er, nachdem er vermutlich in Urlaub fährt, nicht mehr nach Berlin zurückkehren“. In: AVP RF, f. 06, op. 1, p. 7. d. 63, l. 12.
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4. Innen- und außenpolitische Faktoren biet der bilateralen Beziehungen gehörten darüber hinaus Strukturen wie das Reichskriegsministerium, das Oberkommando der Wehrmacht (OKW), der Generalstab des Heeres (OKH) und das Volkskommissariat für Verteidigung, sowie der Generalstab der RKKA; das Reichspropagandaministerium, das Deutsche Nachrichtenbüro (DNB), das Außenpolitische Amt der NSDAP und die Abteilung für Parteipropaganda und Agitation beim ZK der VKP (B), sowie TASS; das GestapoHauptamt und das Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten; die Abwehr und die Aufklärungsverwaltung der RKKA, sowie die Auslandsabteilung des NKVD. Informationen über die Involvierung aller genannten Institutionen in die sowjetischdeutschen Beziehungen finden sich in der einen oder anderen Form in den Dokumenten dieses Bandes wieder, so fragmentarisch diese auch sein mögen.109 4. Innen- und außenpolitische Faktoren
4. Innen- und außenpolitische Faktoren und ihr Einfluss auf die bilateralen Beziehungen Nach dem Scheitern der Kandelaki-Mission im Frühjahr 1937 begann eine neue Phase in den sowjetisch-deutschen Beziehungen, die durch eine Reduzierung auf ein Minimum in buchstäblich allen Bereichen gekennzeichnet war. Das kam Hitler durchaus gelegen, da er unter Hinweis auf die Bedrohung des gesamten Westens durch das „Barbarenland mit den Methoden Iwans des Schrecklichen“110 die Aufrüstung vorantreiben konnte. Auch die Wirtschaftsbeziehungen bildeten da keine Ausnahme111; ihr drastischer Rückgang fand vor dem Hintergrund scharfer politischer und ideologischer Auseinandersetzungen in ausnahmslos allen Fragen der Innen- und der Außenpolitik statt. Bei einem derart hohen Spannungsniveau in den sowjetisch-deutschen Beziehungen schien es schwer vorstellbar, dass sich noch Weiteres negativ auf sie auswirken könnte.
Verhaftungen deutscher Staatsangehöriger in der UdSSR Als ein solcher Faktor erwiesen sich jedoch die wachsende Zahl von Verhaftungen deutscher Staatsangehöriger in der UdSSR (Dok. 77, 211), die Art der gegen sie erhobenen Anschuldigungen sowie die Bedingungen, unter denen sie inhaftiert waren. Sowohl das Auswärtige Amt als auch die Botschaft in Moskau reagierten auf all dies reichlich nervös (Dok. 49). Die deutschen Diplomaten sprachen alle Fälle von Verhaftungen, von denen sie erfuhren, beim Narkomindel an und versuchten, die Ausweisung der Verhafteten nach Deutschland zu erwirken, was in Artikel 6 des geltenden bilateralen Niederlassungsabkommens von 1925112 geregelt war.
109 Die wissenschaftliche Untersuchung der Tätigkeit der genannten Strukturen mit sowjetisch-deutschem Bezug steht erst am Anfang. Vgl. z. B. Alexander Schejngeit: Moskaus Fenster zur Welt. Die Nachrichtenagentur TASS und die Auslandsberichterstattung in der Sowjetunion, 1918–1941, Wien/Köln/Weimar 2021. 110 Die Tagebücher von Joseph Goebbels, Teil I, Bd. 3/II, S. 345. 111 1938 sanken die deutschen Ausfuhren in die UdSSR gegenüber 1937 von 117 Mio. auf 34 Mio. Reichsmark, die Einfuhren aus der UdSSR von 65 Mio. auf 53 Mio. Reichsmark. Vgl. Heinrich Schwendemann: Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion von 1939 bis 1941. Alternative zu Hitlers Ostprogramm?, Berlin 1993, S. 367, Anhang Tabelle I. 112 Vgl. DVP, Bd. VIII, Dok. 342, S. 585; Reichsgesetzblatt 1926, Teil II, S. 8.
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I. Einleitung Ungeachtet aller Bemühungen der Deutschen Botschaft nahm die Zahl der verhafteten deutschen Staatsangehörigen stetig zu und lag Ende 1937 bei etwa 500 (Dokument 176), während die Zahl der ausgewiesenen Deutschen demgegenüber sogar zurückging. Beides war vor dem Hintergrund des Massenterrors und der ständigen Verschlechterung der zwischenstaatlichen Beziehungen durchaus erklärbar. Ein Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes bemerkte gegenüber einem sowjetischen Diplomaten, dass „das Limit an Verhaftungen offenbar von dem Limit der deutschen Staatsbürger, die sich in der UdSSR aufhielten, bestimmt werde“ (Dok. 176). Trotz allem Sarkasmus erinnerte diese Aussage weitgehend an die Reaktion Potemkins auf von Tippelskirchs Beschwerden über die regelmäßigen Verhaftungen, dass nämlich „das NKID […] der Deutschen Botschaft niemals zugesichert hätte, eine endgültige Einstellung der Inhaftierung deutscher Staatsangehöriger durchzusetzen, die von den zuständigen Organen wegen Handlungen beschuldigt würden, die gegen die in der UdSSR bestehende staatliche Ordnung gerichtet seien“. (Dok. 49) Während die deutschen Diplomaten in den vorangegangenen Jahren bezeichnenderweise noch versucht hatten, die Gründe für die Verhaftung der jeweiligen Deutschen zu erfahren113, so wurde diese Frage im Jahr 1937 von ihnen beim NKID offenbar nicht einmal mehr aufgeworfen. Eine Ausnahme bildeten die Fälle, in denen Mitarbeiter deutscher Konsulate, die keine konsularische Immunität genossen, verhaftet worden waren (Dok. 66, 113). Dies bedeutete freilich nicht, dass die Botschaft es nicht für möglich hielt, auf sowjetische Behörden Druck auszuüben. Damit sollte die Anzahl der verhafteten deutschen Staatsangehörigen, deren Schuld stark angezweifelt wurde, zumindest reduziert werden. So riet beispielsweise von der Schulenburg dem Auswärtigen Amt, angesichts des großen Interesses der sowjetischen Seite am Abschluss von Verträgen mit bekannten deutschen Wissenschaftlern und Künstlern, diesen nahezulegen, derartige Einladungen nicht anzunehmen (Dok. 34). Die Leitung des NKID war selbst unter den Bedingungen ihrer begrenzten Möglichkeiten bemüht, irgendetwas zur Erleichterung des Loses der verhafteten Deutschen zu unternehmen, insbesondere um keine Gegenreaktion der deutschen Seite zu provozieren. Diese Bemühungen mündeten in regelmäßige Schreiben an die Leitung des NKVD mit Bitten, die die Lage der verhafteten und auszuweisenden deutschen Staatsangehörigen oder ihrer Verwandten betrafen (Dok. 126, 141, 185, 210, 356, 386, 446). Die Verletzung grundlegender Normen des Völkerrechts durch die sowjetischen Behörden wird durch die Situation illustriert, die sich um die Generalkonsulate in Novosibirsk und insbesondere in Kiev entwickelte. Die deutschen Diplomaten wiesen das NKVD wiederholt auf die unnormalen Arbeits- und Lebensbedingungen der Mitarbeiter dieser Konsulate hin. Als Reaktion auf ihre Beschwerden und Demarchen wandte sich Potemkin seinerseits mit der nachdrücklichen Bitte an die Leitung des NKVD, die Schikanen gegenüber den genannten Konsulaten dringend einzustellen (Dok. 180).114 Irgendwelche Änderungen erfolgten danach jedoch nicht, da nach Einschätzung des diplomatischen Agenten des NKID in Kiev, Pavel Brovcinov, „unsere Organe nicht beabsichtigen, irgendwelche Änderungen an dem gegen113 114
Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933−1941, Bd. 2, Dok. 575, 581, 599. Vgl. auch das Schreiben Potemkins an den Stellvertretenden Volkskommissar des NKVD der UdSSR Frinovskij vom 10.3.1938. In: AVP RF, f. 082, op. 21, p. 88, d. 1, l. 29.
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4. Innen- und außenpolitische Faktoren über dem deutschen Konsulat festgelegten Verhalten vorzunehmen“.115 Die Situation, die angesichts der sich verschärfenden internationalen Lage schwerwiegende Folgen für die sowjetischen Konsulate in Hamburg und Königsberg haben konnte, veranlasste Litvinov, sich an Stalin zu wenden. Der Volkskommissar schrieb: „Alle im Konsulat diensttuenden sowjetischen Staatsbürger wurden verhaftet, das Konsulatsgebäude wird mangels eines Heizers nicht beheizt, in den Wohnungen der Konsulatsmitarbeiter wurden Licht und Telefone abgestellt, und eine dieser Wohnungen steht wegen einer defekten Wasserleitung, die niemand zu reparieren bereit ist, unter Wasser.“116 Auf der Grundlage des Schreibens von Litvinov wurde noch am gleichen Tag vom Politbüro des ZK der VKP (B) ein Beschluss gefasst, der das NKVD verpflichtete, Maßnahmen für das normale Funktionieren des deutschen Konsulats in Kiev zu ergreifen, worüber Litvinov umgehend Nikolaj Ežov informierte (Dok. 245). Dennoch gab es danach keinen Automatismus bei der Umsetzung dieses Beschlusses, was Litvinov veranlasste, sich in dieser Angelegenheit mindestens noch zweimal, am 23. und 25. März, an den Chef des NKVD zu wenden (Dok. 245, Anm. 4) und darauf zu bestehen, „Kiev unverzüglich anzuweisen, Maßnahmen zur Beseitigung der beanstandeten, absolut unhaltbaren Situation zu ergreifen“. (Dok. 252) Ungeachtet derart eingeschränkter Möglichkeiten, die negativen Folgen der innenpolitischen Exzesse des stalinistischen Regimes auf die internationale Lage der UdSSR im Allgemeinen und auf die sowjetisch-deutschen Beziehungen im Besonderen abzumildern, trat der Leiter des NKID von Zeit zu Zeit mit Initiativen hervor, obwohl der außenpolitische Spielraum für deren Realisierung immer enger wurde. So wandte sich Litvinov, der sich vollkommen der Notwendigkeit bewusst war, Auseinandersetzungen mit Berlin dort, wo dies machbar war, auf ein Minimum zu reduzieren, mit dem Vorschlag an Stalin, das Problem der verhafteten deutschen Staatsangehörigen pragmatisch auszunutzen. Der Volkskommissar versuchte die Deutschen für einen Gefangenenaustausch zu gewinnen, nämlich durch Ausweisung eines Teils der verhafteten Deutschen aus der UdSSR gegen die Freilassung einiger sowjetischer Bürger.117 Das Wichtigste war jedoch die Einflussnahme auf die Regierung von General Francisco Franco, um die Freilassung der von Franquisten gefangengenommenen sowjetischen Seeleute zu erreichen (Dok. 5). Stalin stand dieser Initiative positiv gegenüber, und bereits am 3. Mai 1937 brachte Litvinov sie von der Schulenburg zur Kenntnis (Dok. 17). Der Botschafter nahm diesen Vorschlag nicht nur mit Interesse auf, sondern sandte noch am gleichen Tag ein Telegramm an das Auswärtige Amt mit der eindringlichen Bitte, „im Interesse vieler verhafteter Reichsdeutscher und ihrer Angehörigen“ bedachtsam auf den un115 Vgl. den Bericht Vajnštejns an Litvinov vom 11.3.1938. In: AVP RF, f. 082, op. 21, p. 88, d. 2, l. 54. 116 Vgl. das Schreiben Litvinovs an Stalin vom 13.3.1938. In: RGASPI, f. 17, op. 166, d. 587, l. 115. 117 Die Frage der Freilassung der vier in Deutschland in Haft verbliebenen sowjetischen Staatsbürger (Dok. 28) war bei dieser Idee wohl von drittrangiger Bedeutung und sollte dem Vorschlag selbst offensichtlich einen gewissen Gegenwert verleihen. Davon zeugen insbesondere die Worte Litvinovs bei einer Unterredung mit von der Schulenburg am 3.5.1937, dass „wir am Schicksal der in Deutschland inhaftierten sowjetischen Staatsbürger nicht besonders interessiert seien, ich aber dennoch deren Angehörigen, die sich an uns wenden, eine zufriedenstellende Antwort geben wolle“. (Dok. 17)
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I. Einleitung terbreiteten Vorschlag einzugehen. 118 Dies bildete den Auftakt zu einem monatelangen diplomatischen Marathon im Rahmen der (deutsch-sowjetischen und deutsch-spanischen) diplomatischen Kontakte einerseits sowie der Kontakte innerhalb des Systems (NKID – NKVD) andererseits. In der Folge kam es zur Freilassung und Ausweisung mehrerer Dutzend weiterer deutscher Staatsangehöriger aus der Sowjetunion, zur Erleichterung des Austritts der Ehefrauen einiger deutscher Staatsangehöriger aus der sowjetischen Staatsbürgerschaft und somit zur Familienzusammenführung, zur Ermittlung des Aufenthaltsortes der sowjetischen Seeleute und ihrer Freilassung aus franquistischer Gefangenschaft sowie mehrerer sowjetischer Staatsbürger in Deutschland. Informationen zum Auf und Ab dieses Prozesses, der Ende Juli/Anfang August 1939 beendet war (Dok. 538), sind in etlichen Dokumenten dieses Bandes enthalten. Der Spanische Bürgerkrieg, an dem sowohl Deutschland als auch die UdSSR, wenn auch in unterschiedlichem Maße, beteiligt waren, beeinflusste ihre Beziehungen nur indirekt im Zuge von Propagandakampagnen, die auf beiden Seiten und in den verschiedensten Formen (Periodika, öffentliche Auftritte offizieller Persönlichkeiten, Polemik im Nichteinmischungskomitee, Erklärungen im Völkerbund) geführt wurden. Abgesehen von den Bemühungen um die Freilassung der sowjetischen Seeleute nahm dieses Problem in den Unterredungen der Diplomaten beider Länder keinen nennenswerten Platz ein. Das bedeutete aber nicht, dass dem Krieg keine Beachtung geschenkt wurde. Die sowjetischen Diplomaten und der Geheimdienst betrachteten die Ereignisse auf der Iberischen Halbinsel vorwiegend unter dem internationalen und innerdeutschen Blickwinkel (Dok. 32, 33, 56, 98, 209, 217, 424, 504), während sich die deutschen Diplomaten und Industriellen für das Ausmaß und die verschiedenen Formen der Beteiligung der UdSSR am Spanischen Bürgerkrieg interessierten (Dok. 29, 151, 158, 167, 335, 365). Die relativ geringe Anzahl von Dokumenten in diesem Band, in denen dieses Thema – bis auf wenige Ausnahmen – zudem nur am Rande berührt wird, besagt keineswegs, dass der Krieg in der Außenpolitik Deutschlands und der UdSSR eine unbedeutende Rolle spielte. Dies wird durch die veröffentlichten thematischen Dokumentensammlungen bestätigt119, die zeigen, wie viel Aufmerksamkeit in der Politik dem Krieg insgesamt gewidmet wurde.
Der ‚Anschluss‘ Österreichs Auf den ersten Blick hätte der ‚Anschluss‘ Österreichs mit Blick auf dessen geografische Lage die Spannungen in den sowjetisch-deutschen Beziehungen erhöhen müssen. Dies geschah jedoch nicht. Auch die Artikel in der sowjetischen Presse waren nicht durch eine nennenswerte Polemik gekennzeichnet.120 Dies ist nicht verwunderlich, denn die gesamte Aufmerksamkeit der Propagandamaschine118 Auch im Auswärtigen Amt begegnete man der Initiative Moskaus mit Interesse und setzte Hitler darüber in Kenntnis. Vgl ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 351, S. 762. 119 Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. III: Deutschland und der spanische Bürgerkrieg 1936–1939; SSSR i graždanskaja vojna v Ispanii: 1936–1939 gody (Die UdSSR und der Spanische Bürgerkrieg), hrsg. von S.V. Kudrjašov, Moskva 2013. 120 Vgl. I. Ermašev: Zachvat Avstrii (Die Einverleibung Österreichs). In: Pravda vom 14. März 1938, S. 5, E. Aleksandrov: Anneksija Avstrii (Die Annexion Österreichs). In: Izvestija vom 14. März 1938, S. 2.
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4. Innen- und außenpolitische Faktoren rie war in dieser Zeit auf die Entlarvung und Verunglimpfung der ‚Volksfeinde‘ bei dem zeitgleich zuende gehenden dritten Moskauer Schauprozess gegen den „Antisowjetischen Block der Rechten und Trotzkisten“ 121 gerichtet. Die nationalsozialistische Propaganda nahm diesen Umstand zum Anlass, den Prozess als Ablenkungsmanöver von den Spannungen in den deutsch-österreichischen Beziehungen zu nutzen (Dok. 220) und auch dazu, die Aufmerksamkeit der Deutschen am Vorabend des Anschlusses darauf zu richten, „was in Russland vorgeht, damit sie das wahre Gesicht der bolschewistischen Machthaber und Prinzipien erkennen“. (Dok. 233) Ob der ‚sowjetische Faktor‘ in Berlin bei der Vorbereitung und Durchführung des ‚Anschlusses‘ in irgendeinem anderen Kontext berücksichtigt wurde, konnte nicht nachgewiesen werden. Das Auswärtige Amt zog offensichtlich eine Reaktion der UdSSR nicht in Betracht und auch der Generalstab des Heeres ging in seiner Planung nicht von einem Eingreifen der Sowjetunion aus. (Dok. 50). In der Berliner Bevollmächtigten Vertretung beobachtete man die dynamische Entwicklung der Ereignisse infolge des zunehmenden Drucks auf die österreichische Regierung sehr genau (Dok. 221) und glaubte, insbesondere nach der Reichstagsrede Hitlers am 20. Februar122, dass er „nicht beabsichtigt, die Erfüllung seines heißersehnten Traums von der Einverleibung Österreichs, garniert mit einer beliebigen Soße, zu verzögern“ (Dok. 229). Das Narkomindel war in erster Linie daran interessiert, die Reaktion Englands und Frankreichs auf mögliche Handlungen Deutschlands zu ergründen (Dok. 239). Weit schwieriger ist es, die offizielle Position der UdSSR zum ‚Anschluss‘ zu bestimmen, die sich auf einen Auftritt Litvinovs vor Vertretern der ausländischen und sowjetischen Presse mit einer für die Möglichkeiten der damaligen Außenpolitik der UdSSR symptomatischen Erklärung beschränkte. Sie enthielt eine eher moralische Verurteilung des ‚Anschlusses‘ in eigentümlicher Form, ohne den Aggressorstaat zu nennen, sowie die traditionelle Zusicherung der Bereitschaft, sich sowohl an einem kollektiven Vorgehen als auch an der Erörterung praktischer Maßnahmen zu beteiligen, um „die weitere Entwicklung der Aggression zu stoppen“123. Der wahre Sinn dieses erneuten Appells an die Westmächte fand sich jedoch in dem Begleitschreiben, das Litvinov zusammen mit dem Entwurf der sowjetischen Erklärung zur Besetzung Österreichs an Stalin schickte. Die entscheidende Passage in dem Schreiben waren die Worte des Volkskommissars, dass „sich für uns aus dieser Erklärung keinerlei neue Verpflichtungen [ergeben]“ und die „Verantwortung für den weiteren Gang der Ereignisse England aufzuerlegen“ sei (Dok. 246). In seiner Bewertung des Inhalts der Erklärung des Volkskommissars vor den Journalisten beschrieb Werner von Tippelskirch deren Grundintention recht genau, indem er konstatierte, „dass die Sowjet-Regierung zwar vermeidet, sich selbst konkret festzulegen und es den anderen Mächten überlässt, praktische Maßnahmen zu beschließen, jedoch im Grunde nur darauf ausgeht, die Front gegen die Aggressoren, d. h. die Gegner der Sowjet-Union zu verstärken“124. Von den deutschen Dip121 Vgl. Process Bucharina. 1938 r.: Sbornik dokumentov (Der Bucharin-Prozess), hrsg. von Ž. V. Artamonova/N. V. Petrov, Moskva 2013. 122 Vgl. Domarus, Hitler. Reden und Proklamationen, Bd. I/2, S. 801–803. 123 Vgl. V Narkomindele (Im Narkomindel). In: Izvestija vom 18. März 1938, S. 1. 124 Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. II, Dok. 96, S. 144–145, hier S. 145.
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I. Einleitung lomaten wurde auch die Tatsache weder unbeachtet gelassen noch vergessen, dass das Narkomindel und die Bevollmächtigte Vertretung im Gegensatz zu den diplomatischen Vertretungen Großbritanniens und Frankreichs angesichts der gewaltsamen Einverleibung eines souveränen Staates in Europa keine Protestnoten an die deutsche Regierung geschickt hatten (Dok. 432). Bedeutete all dies, dass das Narkomindel und insbesondere Stalin, obwohl er durch verschiedene Institutionen über Informationen in erheblichem Umfang verfügte, die Bedeutung der Folgen des ‚Anschlusses‘ für die internationale Lage in Europa unterschätzt hatte? Eine solche Schlussfolgerung erscheint nicht gerechtfertigt. Es war durchaus kein Zufall, dass die Präambel von Litvinovs Schreiben an Stalin mit folgenden Worten begann: „Die Einverleibung Österreichs ist das bedeutendste Ereignis nach dem Weltkrieg und geht mit den größten Gefahren einher, nicht zuletzt für unsere Union“ (Dok. 246). Etwas von dem Pathos dieser Worte kann natürlich der Gewohnheit des Volkskommissars zugeschrieben werden, von der Tribüne des Völkerbundes aus zu sprechen. Aber darum ging es nicht allein. Litvinov war insbesondere vor dem Hintergrund einer Reihe von Exzessen gegen deutsche Konsulate in der UdSSR eindeutig über jede weitere Komplikation in den Beziehungen zu Berlin beunruhigt. So wies er Stalin darauf hin, dass „die Besetzung Österreichs durch Deutschland uns besondere Vorsicht in unseren Beziehungen zu Deutschland diktieren sollte“125. Dabei war Stalin in dieser Situation vor allem an den nächsten Schritten Berlins interessiert. Keineswegs zufällig fügte er in Litvinovs Entwurf der an die Pressevertreter gerichteten Erklärung einen Absatz über die entstandene unmittelbare Bedrohung für die Tschechoslowakei ein (Dok. 246, Anm. 6), die durch einen Beistandsvertrag formell mit der UdSSR verbunden war. Und eben dieser Staat zog für das nächste halbe Jahr die Aufmerksamkeit sowohl Berlins als auch Moskaus auf sich.
Der Prozess der Liquidierung der Tschechoslowakei Zweifellos ermutigt durch die Reaktion der Westmächte auf den ‚Anschluss‘ Österreichs schob Hitler die Lösung auch der anderen, schwierigeren Aufgabe nicht auf – die Liquidierung der Tschechoslowakei. Am 21. April 1938 schilderte Hitler bei einer Besprechung mit dem Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, General Wilhelm Keitel, die militärpolitische Lage und erteilte die Anweisung zur Vorbereitung einer militärischen Operation. Dabei wurde Folgendes besonders hervorgehoben: „Politisch sind die ersten 4 Tage militärischen Handelns die entscheidenden. Bleiben durchschlagende, militärische Erfolge aus, so tritt mit Sicherheit eine europäische Krise ein.“126 Die Durchführung einer militärischen Operation gegen einen souveränen Staat im Zentrum Europas wurde also von Hitler offen auf die Tagesordnung gesetzt. Die Involvierung anderer Staaten, insbesondere derjenigen, die mit der Tschechoslowakei durch vertragliche Verpflichtungen verbunden waren, konnte von Berlin nicht ausgeschlossen werden. Dazu gehörte auch die Sowjetunion, deren Position und mögliches Vorgehen in dieser Situation von den deutschen militärischen und außenpolitischen Ressorts bis zu einem gewissen Grad berücksichtigt werden musste. 125 126
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RGASPI, f. 17, op. 166, d. 587, l. 115. ADAP, Ser. D, Bd. II, Dok. 133, S. 190–191, hier S. 191.
4. Innen- und außenpolitische Faktoren Anfangs wurde die UdSSR in einer Weisung an das OKW nur am Rande erwähnt, und zwar im Zusammenhang mit gewissen hypothetischen Entwicklungen der militärischen und internationalen Lage.127 Der Generalstabschef des Heeres, General Ludwig Beck, schenkte einer potentiellen Rolle der UdSSR durchaus Beachtung und war der Ansicht, Russland müsse „immer ausgesprochener als sicherer Feind Deutschlands angesehen werden. Daß es sich an einem Krieg gegen Deutschland sofort mit seiner Luftwaffe und seiner Flotte beteiligen wird, ist anzunehmen.“ Die „Frage der Teilnahme seiner Landstreitkräfte“ sei offen und „im Falle eines längeren Krieges […] in Rechnung zu stellen.“128 Mit der Verschärfung des Konflikts um die Tschechoslowakei wurde die Möglichkeit eines Eingreifens der UdSSR in einen Krieg auf der Seite der Gegner Deutschlands in den operativen Plänen der Generalstäbe der Streitkräfte nach und nach konkreter. Dabei wurde es als notwendig erachtet, ein Paket von Maßnahmen für den Fall vorzusehen, wenn „Rußland es zu einem eigenen See- und Luftkrieg gegen uns kommen läßt oder sogar über die Randstaaten in Ostpreußen eindringen will“129. Die Unterstützung Englands und Frankreichs durch die UdSSR von Beginn eines bewaffneten Konflikts an wurde immer weniger angezweifelt, doch werde sich ihre aktive Beteiligung nach Ansicht der Generalstäbler „vorwiegend auf die Kriegführung in der Ostsee beschränken“. Außerdem seien „Luftangriffe gegen Ostpreußen und die Ostseeküste zu erwarten sowie gelegentlich Angriffe gegen Berlin wahrscheinlich“.130 Hier stellt sich eine durchaus berechtigte Frage, die sich anhand der Dokumente dieses Bandes beantworten lässt: Inwieweit hat die Deutsche Botschaft, zu deren Obliegenheiten es gehörte, der militärpolitischen Führung des Reiches ein adäquates Bild von der Außenpolitik der UdSSR, ihrem kriegswirtschaftlichen Potenzial und dem Zustand ihrer Streitkräfte zu vermitteln, dafür gesorgt, dass diese Aufgabe erfüllt wurde? Militärattaché General Köstring war bestrebt, sich in seinen Berichten nicht von den Informationen über die Massenrepressionen beeinflussen zu lassen und warnte davor, „die Auswirkungen der Ereignisse in der Sowjetunion auf die Armee, aber auch auf andere Bereiche zu überschätzen“. Er konstatierte: „Es lässt sich durch nichts erkennen und belegen, dass die Schlagkraft der Masse soweit gesunken ist, dass die Armee nicht einen sehr beachtenswerten Faktor bei einer kriegerischen Auseinandersetzung darstellt.“ Im zusammenfassenden Teil seiner Überlegungen zu möglichen Handlungen der UdSSR in der gegenwärtigen europäischen Krise schrieb er nicht ohne Sorge: „Die Bereitstellung dieser Masse an der Grenze allein werden auf benachbarte und andere Länder ihren Eindruck nicht verfehlen, Gegenmaßnahmen jedes Gegners, also auch bei uns, auslösen müssen.“ (Dok. 313) Ohne die Schlussfolgerung des Militärattachés in Zweifel zu zie127 Vgl. Weisung des Oberbefehlshabers der Wehrmacht vom 21. Dezember 1937. In: ADAP, Ser. D, Bd. VII, Anhang III-K (I), Anl. I, S. 547–550, hier S. 548; Weisung des Obersten Befehlshabers der Wehrmacht für Plan „Grün“ vom 30. Mai 1938, ebd., Bd. II, Dok. 221, S. 281–285, hier S. 283. 128 Betrachtungen General Becks zur militärpolitischen Lage vom 5. Mai 1938; in: KlausJürgen Müller: General Ludwig Beck, Dok. 44, S. 505. 129 Vgl. Der 2. Entwurf einer strategischen Weisung [für Hitlers Unterschrift] angefertigt vom Wehrmachtsführungsstab des OKW am 7. Juli 1938. In: ADAP, Ser. D, Bd. II, Dok. 282, S. 379. 130 Vgl. z. B. Erweiterter Fall Grün vom 25. August 1938. In: IMT, Vol. XXV, Dok. 375-PS, S. 381–391, hier S. 384.
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I. Einleitung hen, dass die UdSSR nach wie vor über ein beträchtliches militärisches Potenzial verfüge, stellte der Chef der Abteilung „Fremde Heere“ im Generalstab des Heeres, Kurt von Tippelskirch, mit Recht die Frage, ob „die Russen zu Beginn eines Konflikts willens und fähig [sind], uns unter gewaltsamer Bahnung eines Weges durch Zwischenlieger zur Erde anzugreifen?“131 Marineattaché von Baumbach teilte die Schlussfolgerungen Köstrings und ergänzte sie durch Einschätzungen aus seinem Zuständigkeitsbereich. Er fasste aber auch die Ansichten der Militärattachés anderer Staaten zusammen, unter denen ein mögliches Eingreifen der UdSSR in eine militärische Auseinandersetzung zwischen Deutschland und der von den Westmächten unterstützten Tschechoslowakei in der Zeit der Sudetenkrise lebhaft diskutiert wurde. Sein Bericht an das Oberkommando der Kriegsmarine vom 10. September 1938 enthielt etliche Annahmen nicht nur über mögliche Handlungen der sowjetischen Streitkräfte, sondern auch darüber, was die UdSSR nicht tun würde. Obgleich dem Land angesichts der gesamten inneren Situation an einer Einbeziehung in einen Krieg auf dem Kontinent nicht gelegen sei, bedeute dies keineswegs, wie von Baumbach glaubte, dass „die Sowjetunion nicht einen Krieg in Europa als wünschenswert ansieht, bei dem ihr Hauptgegner Deutschland geschwächt wird“ (Dok. 322). In seiner Analyse wurde der militärpolitischen Komponente eines möglichen Vorgehens der UdSSR im internationalen Kontext viel Aufmerksamkeit gewidmet. Insbesondere wies er auf Folgendes hin: „Das Fehlen gemeinsamer Grenzen mit Deutschland und der Tschechoslowakei gibt der Sowjetunion die Möglichkeit, ihre – vertraglich nicht näher festgelegte – Hilfeleistung auf ein Mindestmaß zu beschränken und es z. B. bei einer Mobilmachung der westlichen Wehrkreise zu belassen, ohne Truppen in Marsch zu setzen.“ (Dok. 322) Eine weitere, in dieser Zeit sogar noch wichtigere Informationsquelle bei der Einschätzung des sowjetischen Faktors waren die Mitteilungen und Berichte der deutschen Diplomaten aus Moskau. Diese verfügten über umfangreicheres empirisches Material für Analysen, Einschätzungen und Schlussfolgerungen hinsichtlich der außenpolitischen Absichten der sowjetischen Führung als die Militärattachés, deren Möglichkeiten der Informationsbeschaffung stark eingeschränkt und in den Jahren zuvor auf ein Minimum reduziert worden waren (Dok. 342). Nach Einschätzung von der Schulenburgs aus dem Spätherbst 1937 habe die Politik der UdSSR „ein starkes außenpolitisches Ruhebedürfnis“, wobei er dies mit der innenpolitischen Situation und der Gefahr eines Zweifrontenkrieges erklärte. Das Leitmotiv sowjetischer Außenpolitik sei nunmehr die Angst vor Deutschland, dessen Gefährlichkeit ursprünglich von der sowjetischen Propaganda erfunden und aufgebauscht worden sei. „Heute besteht kein Zweifel“, so Schulenburg, „dass die sowjetischen Machthaber selbst ein Opfer dieser Propaganda geworden sind und von den aggressiven Tendenzen des nationalsozialistischen Deutschland fest überzeugt sind.“ (Dok. 167) Unter genau diesem Blickwinkel betrachtete von der Schulenburg das tatsächliche Vorgehen der UdSSR im internationalen Umfeld und vor allem ihr Streben nach einer Zusammenarbeit mit Frankreich, unter anderem bei 131 Schreiben des Chefs der 3. Abteilung im Generalstab des Heeres von Tippelskirch an Militärattaché in Moskau Köstring vom 29.8.1938, in: General Ernst Köstring. Der militärische Mittler zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion 1921–1941, bearbeitet von Hermann Teske, Frankfurt a.M. 1965, S. 204.
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4. Innen- und außenpolitische Faktoren der Hilfeleistung für die Tschechoslowakei im Falle eines deutschen Angriffs. Dabei basierte seine Analyse auf der allgemeinen Konstellation und dem Kräfteverhältnis auf dem Kontinent in einer Zeit, als es eher um eine hypothetische Bedrohung der Tschechoslowakei und das entsprechende Vorgehen der sowjetischen Führung in diesem Fall ging. Nur wenige Monate später begann sich die Situation zu ändern. Im Verlauf der ‚Maikrise‘ 1938 um die Tschechoslowakei132 verfolgte der Botschafter die sowjetische Position genau und kam zu dem Schluss, dass „die Sowjetregierung im Falle eines kriegerischen Konfliktes zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei sich zunächst nicht zu binden und nicht zu exponieren wünscht“ und daher „die für Zwecke der eigenen Verteidigung und der Weltrevolution geschaffene Rote Armee kaum zur Verteidigung eines bürgerlichen Staates marschieren lassen wird“. In diesem Zusammenhang ignorierte von der Schulenburg keineswegs die von der sowjetischen Diplomatie bei der Erörterung der Frage der Hilfeleistung für die Tschechoslowakei mit Vertretern Frankreichs und Englands verwendete Begründung, dass „die an den Bündnisverpflichtungen der Sowjetunion interessierten Mächte die Voraussetzungen für ihre Verwirklichung schaffen müssten“ (Dok. 292). Damit gab er dem Auswärtigen Amt zu verstehen, dass die Antwort auf die Frage nach Art und Umfang der Beteiligung der UdSSR an einer eventuellen militärischen Auseinandersetzung zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei zu einem großen Teil nicht in Moskau entschieden werde. Obgleich Probleme, die den Zustand der Beziehungen zwischen Berlin und Moskau betrafen, in den Unterredungen der Diplomaten beider Länder kaum zur Sprache kamen, bedeutete dies nicht, dass von der Schulenburg bei seinen Begegnungen mit sowjetischen Diplomaten die deutsche Position in der tschechoslowakischen Frage nicht thematisierte. Er tat dies jedoch unter Berücksichtigung der sich dynamisch entwickelnden Krisensituation, wobei er seine Einschätzungen ständig korrigierte (Dok. 308, 311). Einen besonderen Platz nahm dabei die Unterredung von der Schulenburgs mit Litvinov vom 22. August 1938 ein, bei dem der Botschafter etliche – wie er selbst eingestand – erfolglose Anstrengungen unternahm, um herauszufinden, auf welche Weise die UdSSR der Tschechoslowakei beistehen würde (Dok. 314). Gleichzeitig veranlasste die entschiedene Stellungnahme des Volkskommissars zu dem der tschechoslowakischen Regierung zugesagten Beistand die drei deutschen Vertreter in Moskau von der Schulenburg, General Köstring und von Baumbach, das mögliche Vorgehen der Sowjetunion im Falle eines Krieges zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei zu analysieren. Es ist bemerkenswert, dass ihre Schlussfolgerungen auf zwei Annahmen beruhten, für die sowohl in der damaligen internationalen Lage als auch in der Haltung der sowjetischen Führung zur Sudetenkrise kaum Anzeichen festzustellen waren, wie die Berichte des Botschafters recht überzeugend belegen: erstens die Existenz einer Vereinbarung zwischen Frankreich, der UdSSR und der Tschechoslowakei über Formen der Hilfeleistung für letztere; und zweitens die Möglichkeit, dass Moskau seine Luftwaffe und Marine gegen Deutschland einsetzten, d. h. im 132 Vgl. Andreas Kramer: Hitlers Kriegskurs, Appeasement und die „Maikrise“ 1938. Entscheidungsstunde im Vorfeld von „Münchener Abkommen“ und Zweitem Weltkrieg, Berlin/ Boston 2014, S. 154–374.
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I. Einleitung Grunde in einen Krieg mit Deutschland eintreten könnte. In Anbetracht ihres spekulativen Charakters stellt sich unweigerlich die Frage, mit welchem Ziel derartige Überlegungen – über eine angeblich von der UdSSR ausgehende eventuelle Bedrohung – dreier großer Experten, deren Kompetenz außer Zweifel steht, nach Berlin geschickt wurden. Zu vermuten ist, dass dies absichtlich mit dem Ziel geschah, Druck auf das Auswärtige Amt und über dieses auf Hitler auszuüben, um die Entfesselung eines Krieges durch Deutschland zu verhindern. So erstaunlich es erscheinen mag, aber der letzte Absatz des vorgestellten Dokuments bestätigt gewissermaßen diese Vermutung und stellt zugleich die vom Botschafter herangezogenen Schlussfolgerungen der beiden Militärattachés in Frage. Dabei bezog sich von der Schulenburg auf die vom überwiegenden Teil des Moskauer Diplomatischen Corps geteilte Auffassung britischer und französischer Diplomaten, dass die Sowjetunion im Falle eines deutsch-tschechischen bewaffneten Konflikts „so wenig wie möglich tun wird, damit sie am Schluss des Krieges über eine intakte Armee verfügt“. Infolgedessen würde die Sowjetunion schließlich „der einzige Nutznießer sein“ (Dok. 314). Die von der Botschaft vorgelegten Informationen und Schlussfolgerungen konnten allerdings kaum auf irgendeine Weise die Entscheidungen beeinflussen, die in Berlin im Laufe der Sudetenkrise getroffen wurden.133 Es können mindestens zwei Gründe genannt werden, die zu einem derartigen Rückschluss berechtigen. Erstens waren die außenpolitischen Entscheidungen im nationalsozialistischen Deutschland in den Händen eines Mannes konzentriert, der, wie sein außenpolitisches Sprachrohr von Ribbentrop erklärte, „fest entschlossen“ sei, „die tschechische Angelegenheit mit Waffengewalt zu regeln. [...] Die anderen Mächte würden sich bestimmt nicht rühren und wenn doch, so würden wir es auch mit ihnen siegreich aufnehmen.“134 Zweitens spielte bei der Entscheidungsfindung Hitlers – und zwar bis hin zum 22. Juni 1941 – die drastische Schwächung der UdSSR in der Zeit von 1937 bis 1938 durch die Massenrepressionen eine wesentliche Rolle bei deren Wahrnehmung und Einschätzung als Machtfaktor auf dem europäischen Kontinent. Wie gestaltete sich dieser Prozess nun aus sowjetischer Perspektive? Da sich die sowjetisch-deutschen Beziehungen im Verlauf der Krise um die Tschechoslowakei (Mai bis September 1938) nahezu auf dem Nullpunkt befanden, war es umso wichtiger, in welchem Umfang die Führung des NKID und auch Stalin über die Absichten und Möglichkeiten Berlins informiert waren. Dabei war der Kremlchef, wie mit einiger Sicherheit angenommen werden kann, in erster Linie gar nicht am Schicksal der Tschechoslowakei interessiert, sondern an den Gefahren, die sich für die UdSSR im Zuge der Lösung der Krisensituation ergeben könnten. Es ist bezeichnend, dass bereits am 26. März 1938 anlässlich einer Beratung bei Stalin die weitere Entwicklung sehr pessimistisch eingeschätzt wurde. Dies ging aus einem Schreiben Litvinovs an den Bevollmächtigten Vertreter in Prag, Sergej Aleksandrovskij, hervor, das noch am gleichen Tag verfasst wurde: „Die Hitlerisierung Österreichs 133 Hier und im Folgenden bedeutet die Verwendung der Formulierung „Entscheidungen Berlins“ angesichts der Tatsache, dass außenpolitische Entscheidungen ausschließlich ein Prärogativ Hitlers waren, nicht, dass dieser zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Hauptstadt anwesend war. 134 Die Weizsäcker-Papiere 1933−1950, hrsg. von Leonidas E. Hill, Frankfurt a.M. u. a. 1974, S. 136 (Aufzeichnung vom 19.8.1938).
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4. Innen- und außenpolitische Faktoren hat das Schicksal der Tschechoslowakei vorbestimmt“, deren Führung offensichtlich nicht geneigt sei, die Souveränität und territoriale Integrität des Landes zu verteidigen. „Jedenfalls kann die Tschechoslowakei im derzeitigen Umfeld nicht lange existieren.“ Im Hinblick auf diese Schlussfolgerung stellt sich die Frage, was Moskau in dieser Situation zu unternehmen gedachte. Litvinov gab in demselben Schreiben eine ganz eindeutige Antwort: „Meine Erklärung [auf der Pressekonferenz vom 17. März, Verf.] ist wahrscheinlich der letzte Appell an Europa zur Zusammenarbeit. Danach werden wir voraussichtlich eine an der weiteren Entwicklung der Dinge in Europa wenig interessierte Haltung einnehmen.“135 Wie konnte angesichts solch einer äußerst wahrscheinlichen Positionierung der sowjetischen Außenpolitik die militärpolitische Einschätzung Deutschlands und seines Vorgehens im Verlauf der Sudetenkrise aussehen? Leider stehen den Historikern nicht allzu viele Dokumente zur Verfügung, die diese Frage beleuchten. Hier ist vor allem das Schreiben des Chefs des Generalstabes der RKKA, Boris Šapošnikov, vom 24. März 1938 zu nennen, das einen Aufmarschplan der Streitkräfte und Möglichkeiten seiner Umsetzung an den westlichen und östlichen Grenzen der Sowjetunion sowie militärpolitische Analysen der Absichten wahrscheinlicher Gegner enthielt. Im Rahmen der vom Generalstab darlegten Kräftekonstellation lagen die Hauptgegner der UdSSR im Westen, und unter ihnen wurde Deutschland, das sich zu diesem Zeitpunkt noch „keine freie Hand gegenüber der UdSSR“ verschafft habe, die entscheidende Rolle auf dem Landkriegsschauplatz zugewiesen. Wie auch andere Staaten des faschistischen Blockes – Italien, Japan und Polen – setze es sich „das Ziel, die politischen Beziehungen zur UdSSR bis zu einem bewaffneten Zusammenstoß voranzutreiben“ (Dok. 251). Obwohl die Arbeiten an dem Plan bereits nach dem ‚Anschluss‘ Österreichs beendet worden waren, als die Existenzbedrohung der Tschechoslowakei immer realere Konturen annahm, hatte dies keinerlei Auswirkungen auf die Vorstellungen im Generalstab bezüglich der nächsten Schritte Hitlers auf dem Kontinent. Das Vorgehen der Wehrmacht gegen die tschechoslowakische Armee wurde nur im Rahmen eines zukünftigen Krieges mit der Sowjetunion betrachtet. Von irgendeiner Zusammenarbeit mit der Tschechoslowakei oder einer Hilfeleistung für sie im Falle eines deutschen Angriffs war dabei keine Rede.136 Die Einschätzung des militärischen und kriegswirtschaftlichen Potenzials Deutschlands und dessen mögliche Nutzung lag im Aufgabenbereich des sowjetischen Militärattachés. Die Forschung verfügt über mehrere an die Aufklärungsabteilung der RKKA gesandte Berichte von Oberst Anton Gerasimov, dem Gehilfen des Militärattachés in Deutschland. Einer dieser Berichte, der auf dem Höhepunkt der Krise um die Tschechoslowakei angefertigt wurde, betraf konkrete Mobilmachungsmaßnahmen Deutschlands. Seine Analyse vor dem Hintergrund der dynamischen internationalen Situation führte Gerasimov zu einer Einschätzung, die sich von der unter den Militärattachés in Berlin vorherrschenden Meinung über ei135 Schreiben Litvinovs an Aleksandrovskij vom 26.3.1938. In: AVP RF, f. 0138, op. 19, p. 128, d. 1, l. 19–18. 136 Wie der Militärhistoriker Jurij Gor’kov dokumentiert, wurde im Generalstab ein Plan zur militärischen Hilfeleistung für die Tschechoslowakei nicht einmal ‚auf Vorrat‘ ausgearbeitet, obwohl Derartiges zu den Routinetätigkeiten von Generalstäblern zählt (Mitteilung von Generaloberst a. D. Ju. A. Gor’kov an den Verfasser, 20.7.1998).
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I. Einleitung nen groß angelegten Bluff Berlins abhob. Laut Gerasimov „bereiten die Faschisten das nächste, große Abenteuer vor, zu dessen baldiger Entfesselung sie auch durch die innenpolitische Lage getrieben werden. Sie versuchten und versuchen, sich das Sudetengebiet ,ohne Blutvergießen‘ anzueignen, wie dies mit Österreich der Fall war, durch Zersetzungsarbeiten in der ČSR, durch Erpressung und Androhung eines Waffenganges. Dabei nutzen sie die ‚Nachgiebigkeit‘ seitens Englands und Frankreichs aus“ (Dok. 321). Die aus der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin im NKID eintreffenden Informationen mit Einschätzungen des Vorgehens Deutschlands gegenüber der Tschechoslowakei und der voraussichtlichen Schritte seiner Führung in der Außenpolitik, waren umfangreich und vielfältig. Der ‚Anschluss‘ verlagerte die Aufmerksamkeit des Geschäftsträgers Astachov auf den Vergleich und die Analyse der in der Presse und im Diplomatischen Corps kursierenden widersprüchlichen Informationen über die weiteren Pläne Deutschlands, wobei er ihre bedrohlichste Richtung betonte – die Tschechoslowakei. Bereits Ende März 1938 gelangte Astachov zu der Schlussfolgerung, dass Berlin nicht auf eine militärische Lösung setzte, sondern darauf, die Sudetendeutsche Partei von Konrad Henlein als eine Art trojanisches Pferd zu benutzen, um das Land von innen zu zersetzen (Dok. 254). Einige Zeit später präzisierte er seine Schlussfolgerung: „Die Deutschen gedenken, unter dem Vorwand des Schutzes für die Sudeten-Deutschen die gesamte Tschechoslowakei anzugliedern, unter Abzug der Territorien, auf die die Polen und Ungarn Ansprüche erheben.“ (Dok. 277) In einem für das Narkomindel verfassten Schreiben analysierte Astachov die deutschen Pläne in Bezug auf die Tschechoslowakei und wies auf Maßnahmen hin, die deren Zerstückelung abwenden könnten. Seiner Ansicht nach könne sie „nur dann [verhindert werden], wenn man den Deutschen mit unmissverständlicher Klarheit zu verstehen gibt, dass jedwede Veränderungen ihrer Grenzen mit Tschechien, mit welcher Soße dies auch immer garniert werden mag, ohne einen Weltkrieg nicht möglich sind“. (Dok. 268) Im Zuge der Verschärfung der Krise rückten militärpolitische Informationen in den Berichten Astachovs mehr und mehr in den Vordergrund. So informierte er Litvinov Mitte August über die in Wochen zuvor in den verschiedensten Bereichen erfolgte drastische Ausweitung der Mobilmachungsmaßnahmen in Deutschland, was nicht nur nicht verheimlicht, sondern im Gegenteil auf offizieller Ebene sogar unterstützt werde, indem man beispielsweise die Verbreitung von Gerüchten über die Erfindung neuer Waffentypen fördere. Astachov war der Ansicht, dass „die Deutschen, weil sie auf die psychologische Wirkung dieser Einschüchterungstaktik sowohl in Paris als auch in Prag setzen, nicht nur die Verbreitung von höchst alarmierenden Informationen über ihre Maßnahmen nicht behindern, sondern diese Gerüchte aller Wahrscheinlichkeit nach selbst breittreten“. (Dok. 310) Dass die Informationen und Einschätzungen des sowjetischen Diplomaten sowohl hinsichtlich eines möglichen deutschen Vorgehens als auch der Reaktionen anderer Staaten auf die verschärfte Krise um die Tschechoslowakei Mitte August von erheblicher Ungewissheit geprägt waren, ist durchaus verständlich, da nicht klar war, wie weit England und Frankreich in ihren Zugeständnissen an Hitler zu gehen bereit waren, um einen Krieg mit Deutschland zu vermeiden. Freilich gab es auch andere Gründe, die den Blickwinkel Astachovs einschränkten: die unvollständigen Informationen aus Moskau; die lange Abwesenheit eines sowjetischen Militärattachés in
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4. Innen- und außenpolitische Faktoren Deutschland; die von den Deutschen geschaffene, die Kontakte begrenzende Situation rund um die Bevollmächtigte Vertretung und schließlich die repressive Politik innerhalb der UdSSR, die gravierende Auswirkungen auf den vertraulichen Charakter der Kommunikation mit ausländischen Diplomaten hatte.137 In der Zeit, in der das Narkomindel personell stark ausgedünnt und die Leitung des Volkskommissariats mit dem Tagesgeschäft überlastet war (Dok. 361), erfolgten Rückmeldungen zwischen der Zentrale und der Bevollmächtigten Vertretung (gemeint ist in diesem Fall eine Reaktion auf das aus Berlin eintreffende zusammenfassende Material) weniger regelmäßig. Darüber hinaus waren die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nach wie vor eingefroren (Dok. 272), und die Aufmerksamkeit des Volkskommissariats richtete sich der Lage entsprechend in einem viel größeren Umfang auf die Mitteilungen aus den anderen Hauptstädten. Wie die Informationen der Bevollmächtigten Vertretung über das deutsche Vorgehen im Frühjahr/Sommer 1938 von der Leitung des NKID aufgenommen wurden, lässt sich daher nur indirekt beurteilen, vorwiegend auf der Grundlage der vom Volkskommissar im Rahmen der Korrespondenz geäußerten Einschätzungen. So schrieb Litvinov bereits nach der ‚Maikrise‘ an Astachov, er nehme an, „dass Hitler in nächster Zeit keine Abenteuer in der Tschechoslowakei unternehmen wird“. Hitler habe in der englischen Diplomatie eine höchst nützliche Vermittlerin gefunden, „die aus Beneš ein Maximum an Zugeständnissen zugunsten der SudetenDeutschen herauspressen wird“. Beneš werde im Sinne „einer Neutralisierung der Tschechoslowakei nach dem Muster der Schweiz“ bearbeitet. Was die Haltung von Paris angehe, so werde „London dem französischen Widerstand Grenzen setzen“ (Dok. 284). Von besonderem Interesse für das Verständnis der sowjetischen Position sind einige Äußerungen Litvinovs während der schon erwähnten Unterredung mit von der Schulenburg am 22. August, als die Krise um die Tschechoslowakei in ihre Endphase trat. So betonte Litvinov, dass die sudetendeutsche Frage eine interne tschechoslowakische Angelegenheit sei, in die sich die UdSSR in keiner Form eingemischt habe, auch nicht mit irgendwelchen Ratschlägen an die Regierung. Was die Politik Deutschlands betreffe, so gehe es nach Meinung des Volkskommissars überhaupt nicht um die Sudetendeutschen; Berlin strebe die Einverleibung der gesamten Tschechoslowakei an und ziehe es vor, dies mit friedlichen Mitteln zu erreichen. „Solle es aber zum Kampfe kommen, so sei es klar, dass Deutschland der unprovozierte Angreifer sei“ – mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen für Staaten, die durch Beistandsverträge mit der Tschechoslowakei verbunden seien. Bemerkenswert an diesen Worten des Volkskommissars ist Folgendes: Es handelte sich nicht um eine Warnung dahingehend, dass ein beabsichtigter Schlag der nationalsozialistischen Führung auf die Souveränität und territoriale Integrität der Tschechoslowakei unvereinbar mit dem Völkerrecht sei, sondern es wurde lediglich vor den Folgen gewarnt, die eintreten könnten, wenn die Intention militärisch umgesetzt würde. Auf die Frage von der Schulenburgs, ob Litvinov wirklich denke, dass die Mächte wegen der Tschechen einen großen Krieg in Europa beginnen würden, entgegnete der Volkskommissar, „es handele sich weniger um die Tsche137 Litvinov war sich der Schwierigkeiten, mit denen die Berliner Bevollmächtigte Vertretung konfrontiert war, sehr wohl bewusst (Dok. 239).
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I. Einleitung chen als um Machtfragen. Die Sowjetunion trage keinerlei Verantwortung für die Schaffung und Zusammensetzung des tschechoslowakischen Staates; sie habe nicht in Versailles gesessen; dagegen müsse sie jeden Machtzuwachs des gewalttätigen angriffslustigen nationalsozialistischen Deutschlands bekämpfen.“ 138 (Dok. 314) Es ist anzunehmen, dass der Zweck der Äußerungen des Volkskommissars in Gesprächen auch mit anderen Diplomaten sowie in seinen Reden im Völkerbund in dieser Zeit darin bestand, die Bereitschaft der UdSSR zu betonen, der Tschechoslowakei im Rahmen der vertraglichen Verpflichtungen von 1935 zu Hilfe zu kommen – aber nur, wenn sie Beistand durch Frankreich erhalte –, und angesichts der Haltung der Westmächte die Lösung dieser für die Welt schicksalhaften Frage in die Hände von London und Paris zu legen.139 Dennoch übermittelte Litvinov am 23. September einige Vorschläge an Stalin, die darauf hinausliefen, dass Hitler gestoppt werden müsse und deshalb „schlagkräftigere Beweise“ für die „Möglichkeit eines sowjetisch-französisch-englischen Vorgehens gegen ihn“ erforderlich seien. Zum Zwecke der Verhinderung eines europäischen Krieges stellte er daher die Frage, „ob wir nicht wenigstens eine Teilmobilmachung verkünden müssen und in der Presse eine diesbezügliche Kampagne führen sollten, was Hitler und Beck dazu veranlassen könnte, an die Möglichkeit eines großen Krieges mit unserer Beteiligung zu glauben“. Stalin, der sich offenbar der völligen Aussichtslosigkeit dieser Art Demonstrationen bewusst war, die keine Unterstützung und keine Wirkung haben würden und die sowjetisch-deutschen Beziehungen nur verschlechtern konnten, lehnte den Vorstoß Litvinovs kategorisch ab (Dok. 328). Das Viermächteabkommen von München bestimmte nicht nur das Schicksal der Tschechoslowakei im Voraus, sondern schuf auch unvergleichlich günstigere Bedingungen für die Entfesselung eines nun bereits globalen Konflikts durch Hitler. Für Stalin stellte dieses Abkommen die schlimmste Entwicklung der Krise dar. Damit wurden die jahrelangen Bemühungen des Kremls, einer Annährung dieser Mächte entgegenzuwirken, weitgehend zunichte gemacht, sodass sich die UdSSR in einer sehr schwierigen Situation befand und ihre internationale Isolation einen Höhepunkt erreichte. Hat die Verschärfung der internationalen Lage während der Krise rund um die Tschechoslowakei die sowjetisch-deutschen Beziehungen in irgendeiner Weise beeinflusst? Eine Antwort darauf zu geben ist schwierig, denn nach wie vor befanden sich die bilateralen Beziehungen in ausnahmslos allen Bereichen in einem Zustand der Erstarrung. Allerdings, so paradox es auch erscheinen mag, verlieh das Münchener Abkommen ihnen einen beträchtlichen, wenn auch in verschiedene Richtung gehenden Impuls.
138 Allem Anschein nach war diese Offenheit der Äußerungen Litvinovs der Grund dafür, dass die sowjetische Aufzeichnung dieser Unterredung nicht veröffentlicht wurde. Sie wird lediglich in Form einer kurzen Information in einem Telegramm an Merekalov und Aleksandrovskij beleuchtet. Vgl. DVP, Bd. XXI, Dok. 305, S. 447; Die sowjetische Aufzeichnung dieser Unterredung konnte vom Verfasser im AVP RF nicht aufgefunden werden. 139 Vgl. I. M. Majskij: Dnevnik diplomata. London 1934–1943 v 2 kn. (Tagebuch eines Diplomaten. London 1934–1943 in 2 Bd.), hrsg. von A.O. Čubar’jan, Bd. 1, Moskva 2006, S. 250. [In gekürzter Fassung auf Deutsch erschienen: Die Maiski-Tagebücher. Ein Diplomat im Kampf gegen Hitler 1932–1943, hrsg. von Gabriel Gorodetsky, München 2016.]
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5. Das Post-München-Syndrom 5. Das Post-München-Syndrom: die unterschiedlichen Bewegungen von Berlin und Moskau aufeinander zu 5. Das Post-München-Syndrom
Die seltenen Gespräche zwischen den deutschen Diplomaten und der Leitung des Narkomindel während der sudetendeutschen Krise zeugten keineswegs von einem Mangel an Aufmerksamkeit und Interesse gegenüber der Sowjetunion und den Äußerungen Litvinovs zu Fragen der internationalen Politik. Kaum hatten sich die Diplomaten von der Anspannung erholt, die mit dem erwarteten Ausbruch eines umfassenden militärischen Konflikts in Verbindung gestanden hatte (Dok. 333), und waren in „Jubel über den gewaltigen, unvorstellbaren Erfolg, den der Führer für Deutschland errungen hat“, übergegangen (Dok. 336), übermittelten sie nach Berlin ihre Bewertungen der Lage und Prognosen hinsichtlich der in der nächsten Zeit zu erwartenden Aktionen Stalins. Von der Schulenburg richtete den Fokus auf die Reaktion der „Izvestija“ auf das Ergebnis der Münchener Konferenz und nahm eine Einordnung der im offiziösen Organ dargelegten Einschätzungen ihrer wahrscheinlichen Folgen für die internationale Lage vor (Dok. 335). In einem Schreiben an den Leiter des Referats Osteuropa in der Politischen Abteilung im Auswärtigen Amt, Martin Schliep, legte von Tippelskirch die Situation der UdSSR und mögliche Veränderungen in ihrer Außen- und Verteidigungspolitik dar. Seiner Meinung nach „wäre gegebenenfalls eine positivere Einstellung der Sowjetunion zu Deutschland möglich, und zwar aus der Erwägung heraus, dass Frankreich als Bundesgenosse entwertet ist und eine aggressivere Haltung Japans zu gewärtigen steht“. Unter den gegebenen Umständen schloss er auch die Möglichkeit „für ein neues größeres deutsches Wirtschaftsabkommen mit der Sowjetunion“ nicht aus (Dok. 336). Und genau diese Ansicht war in Berlin bald sehr gefragt. Von der Schulenburg teilte nicht nur die Meinung von Tippelskirchs über einen möglichen Ausbau der deutsch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen (Dok. 341), sondern hatte auch die Absicht, diese Frage mit Molotov zu erörtern140, da er glaubte, dass die Umstände nunmehr ein Abkommen über einen Warenkredit von bis zu 300 Mio. Reichsmark zuließen (Dok. 352). Es ist somit offensichtlich, dass die Initiative zur Wiederaufnahme der im März 1938 unterbrochenen Verhandlungen über einen Großkredit an die UdSSR (Dok. 261) von der deutschen Seite ausging. Der diesbezügliche Meinungsaustausch zwischen der Botschaft und dem Auswärtigen Amt begann noch im Oktober 1938 (Dok. 336, 341, 352 und 357). Dieser ging allmählich auf ressortübergreifende Beratungen141 über, in denen unter anderem darauf hingewiesen wurde, dass die Wiederaufnahme der Kreditverhandlungen mit der UdSSR die Möglichkeit eröffne, „zusätzlich bestimmte devisenwerte Rohstoffe“ zu erhalten (Dok. 373). Und hier stellt sich eine berechtigte Frage: Was veranlasste Berlin in der Atmosphäre nach München, die durch weitverbreitete Gerüchte über Pläne Deutschlands nicht nur für die Karpato-, sondern auch für die Sowjetukraine (Dok. 345, 378) noch verschärft wurde, an den Verhandlungstisch mit Moskau zurückzukeh140 Weder in deutschen noch in sowjetischen Dokumenten konnten irgendwelche Informationen zur Erörterung eines Empfangs bei Molotov im Narkomindel durch den Botschafter gefunden werden. Es ist denkbar, dass ein solches Gespräch im Auswärtigen Amt als nicht opportun angesehen wurde. 141 Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 481, S. 538–539.
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I. Einleitung ren? Und wohlgemerkt: nicht nur zurückzukehren, sondern Zugeständnisse in einer Reihe von Fragen zu machen, derentwegen die Verhandlungen im Frühjahr 1938 eigentlich unterbrochen worden waren (Dok. 261). Hinter dieser Absicht ist ein unmittelbarer Zusammenhang mit den von Hitler im Herbst 1938 getroffenen Entscheidungen zu erkennen, mit umfangreichen logistischen Vorbereitungen für einen Krieg gegen die Westmächte zu beginnen, die laut „Z-Plan“ die Verstärkung der Luftwaffe um ein Vielfaches und den „gigantischen Aufbau“ der Kriegsmarine vorsahen.142 In einer Aufzeichnung des Leiters der Wirtschaftspolitischen Abteilung im Auswärtigen Amt, Emil Wiehl, vom 4. November 1938 heißt es: „Die deutsche Rohstofflage ist jedoch so, dass von Seiten der Dienststellen des Generalfeldmarschalls Göring und der übrigen beteiligten Ressorts mit Nachdruck die Forderung erhoben wird, wenigstens noch einmal den Versuch zu machen, das Russlandgeschäft, insbesondere soweit die Einfuhr russischer Rohstoffe in Frage steht, wieder zu beleben.“ (Dok. 357) Einmal mehr standen dabei die kriegswirtschaftlichen Erfordernisse Deutschlands im Widerspruch zu den dominanten politisch-ideologischen Richtlinien der NS-Führung. So erklärte von Ribbentrop in einer Rede vor Generälen und Admirälen der Wehrmacht am 24. Januar 1939: „Zwischen Nationalsozialismus und Bolschewismus konnte und kann es niemals einen Kompromiss geben. […] für Deutschland [konnte es] immer nur eine Politik, nämlich die gegen Russland geben“ (Dok. 399). Im gleichen Sinne äußerte sich Reichsleiter Alfred Rosenberg auf einem Empfang für ausländische Diplomaten und Korrespondenten und erklärte unter anderem: „Wenn die nationalsozialistische Bewegung den Weltbolschewismus und das Weltjudentum als zersetzende Kraft aus dem europäischen Leben ausgeschaltet sehen will, so tut sie damit die größte Vorarbeit für die Herbeiführung friedlicher Zustände in Europa.“143 Es ist daher nicht verwunderlich, dass ein Abbau der Spannungen in den Beziehungen, der zu einer deutlichen Ausweitung der Wirtschaftsverbindungen hätte beitragen können, nicht einmal erwähnt wurde. Die Lösung des Rohstoffproblems sollte schrittweise erfolgen, vor allem durch eine Verlängerung des Handels- und Wirtschaftsabkommens von 1938 auf das Jahr 1939 (Dok. 357, 373, 374). Zwar bemühte sich der Kreml nach der Münchener Konferenz – zumindest nach außen hin – die Kontinuität des außenpolitischen Kurses der UdSSR zu demonstrieren, deren wichtigster Grundsatz nach Einschätzung von der Schulenburgs „die Bekämpfung des Faschismus“ war (Dok. 362), doch dieser Kampf wurde mehr oder weniger saft- und kraftlos geführt. Selbst eine Aktion des NS-Regimes wie die Reichspogromnacht, die weltweit Empörung ausgelöst hatte144, blieb von den offi142 Vgl. Konzentriertes Flugzeugmuster-Programm des Generalstabs der Luftwaffe vom 7. November 1938. In: Karl-Heinz Völker: Dokumente und Dokumentarfotos zur Geschichte der deutschen Luftwaffe. Aus den Geheimakten des Reichswehrministeriums 1919–1933 und des Reichsluftfahrtministeriums 1933–1939, Stuttgart 1968, Dok. 89, S. 211–212; Seekriegsführung gegen England und die sich daraus ergebenden Forderungen für die strategische Zielsetzung und den Aufbau der Kriegsmarine vom 25. Oktober 1938. In: Michael Salewski: Die deutsche Seekriegsleitung 1935–1945, Bd. 3, Dok. 1, Frankfurt a.M. 1973, S. 27–63; Gedanken für Wehrmachtsbesprechungen mit Italien vom 26.11.1938. In: ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 411, Anl., S. 464–465. 143 Rede von Rosenberg am 7.2.1939. In: BArch, NS 43/46, Bl. 222–238, hier Bl. 235. 144 Vgl. Novemberpogrom 1938. Reaktionen und Wirkungen, Themenheft der Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 46 (1998), H. 11, S. 963–1045.
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5. Das Post-München-Syndrom ziellen Kreisen quasi unbeachtet.145 Astachov sah sich in seinen Gesprächen mit ausländischen Kollegen gezwungen, dieses für ihn offensichtlich unbequeme Thema zu umgehen: „Ich werde gefragt, ob die UdSSR jüdische Kinder aufnimmt. Ich antworte mit dem Hinweis auf die Hilfe, die wir spanischen Kindern angedeihen lassen.“146 Die Haltung der sowjetischen Führung in dieser Frage wurde von Litvinov in einem Brief an Majskij ganz offen formuliert: „Wir erhalten eine Menge Vorschläge und Anfragen im Zusammenhang mit jüdischen Flüchtlingen aus Deutschland. [...] Es sollte Ihnen klar sein, dass wir nicht gewillt sind, unsere Türen für Flüchtlinge weit zu öffnen.“147 Die Frage ist, was zu dieser Passivität der sowjetischen Seite geführt hatte und ob sie für ihre Politik nur in Bezug auf Deutschland kennzeichnend war. Für das Verständnis vieler nachfolgender Ereignisse müssen die wichtigsten Leitlinien der sowjetischen Außenpolitik dargestellt werden, die von Stalin zu einem Zeitpunkt festgelegt wurden, als der erklärte Kurs zur Schaffung einer kollektiven Sicherheit und zur Abwehr der faschistischen Aggression, dessen Repräsentant auf der internationalen Bühne Litvinov war, in München ein spektakuläres Fiasko erlitten hatte. Meiner Meinung nach hatte es sich Stalin als prioritäres außenpolitisches Ziel gesetzt, ein Abkommen mit Deutschland zu erreichen, wobei er vor dem Hintergrund einer erheblich veränderten internationalen Situation in den bilateralen Beziehungen die Politik des Dualismus wiederbelebte, wenn auch in modifizierter Form.148 Man kann davon ausgehen, dass dieser Entschluss auf die von London und Paris weiterhin verfolgte Beschwichtigungspolitik gegenüber aggressiven Mächten und ihre zunehmende Distanz zum totalitären Regime in der UdSSR zurückzuführen war. Vor allem aber war diese Entscheidung durch die immer deutlicher werdende Gemeinsamkeit der außenpolitischen Interessen Moskaus und Berlins vorgezeichnet, die Stalin mit seinem begrenzten Handlungsspielraum in den internationalen Beziehungen wesentlich früher erkannt hatte als Hitler. Es war vor allem die Kombination dieser Faktoren, die angesichts der sich drastisch verschär145 Mehr als zwei Wochen nach der Reichspogromnacht fanden in mehreren Großstädten der UdSSR einige Tage lang organisierte Versammlungen der Intelligenzschicht statt, die die Judenpogrome verurteilten, und die auf einen eindeutig verspäteten Befehl des Kremls hin organisiert und inszeniert wurden. Vgl. Miting moskovskoj intelligencii v svjazi s izuverstvami fašistskich pogromščikov v Germanii (Kundgebung der Moskauer Intelligenz angesichts der Gräueltaten der faschistischen Pogromverbrecher in Deutschland). In: Izvestija vom 28. November 1933, S. 3; Sovetskaja intelligencija vozmuščena dikim razgulom ozverelych fašistskich pogromščikov v Germanii (Sowjetische Intelligenz empört über das barbarische Wüten der entmenschten faschistischen Pogromverbrecher in Deutschland). In: ebd. vom 29. November 1938, S. 3. 146 Vgl. Astachovs Diensttagebuch. In: AVP RF, f. 082, op. 21, p. 89, d. 4, l. 333 (Eintrag vom 14.12.1938). 147 Schreiben Litvinovs an Majskij vom 4.12.1938. In: AVP RF, f. 05, op. 18, p. 140, d. 26, l. 52. 148 Die Politik des Dualismus bestand in einer Kombination aus Konfrontation in der internationalen Arena, in regelmäßigen Abständen inszeniert durch eine scharfe Polemik in der Presse, aber ohne eine gewisse Grenze in den Beziehungen zu überschreiten, und der Bewahrung der Möglichkeit, mittels inoffizieller Diplomatie Brücken zu bauen (vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 527, S. 1339). Da die von 1937 bis 1938 zu Deutschland bestehenden Beziehungen inoffizielle Sondierungen praktisch ausschlossen, was freilich die Flexibilität der Politik des Dualismus einschränkte, wurden beide Linien über offizielle Kanäle unter Einbeziehung der Presse und öffentlicher Auftritte umgesetzt.
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I. Einleitung fenden internationalen Lage einen großen, wenn nicht gar entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung des außenpolitischen Kurses der UdSSR hatte. Dabei nahm das Narkomindel in der Person Litvinovs in einer Atmosphäre der „grundsätzlich latenten Verschlechterung der Beziehungen“ zwischen der UdSSR und den Westmächten149 nach außen hin eine abwartende Haltung ein und schloss auf verbaler Ebene nicht aus, dass „England und Frankreich die Gefahr erkennen und nach Wegen zu suchen beginnen, der weiteren Hitler-Dynamik entgegenzuwirken“, und sich dann „unweigerlich an uns wenden und beginnen werden, eine andere Sprache mit uns zu sprechen“150. In der Zwischenzeit hatte das Narkomindel auf Anweisung des Kremls eine neue Linie gegenüber Polen eingeschlagen.151 Ihr Ziel war es, das Tandem Warschau – Berlin, das sich während der sudetendeutschen Krise gebildet hatte, zu sprengen oder, wie man in Moskau dachte, zumindest entscheidend zu schwächen. Dies geschah keineswegs, um sich Polen anzunähern, zu dem sich das Verhältnis im September 1938 besonders stark verschlechtert hatte, sondern einzig und allein, um die polnisch-deutschen Beziehungen so weit wie möglich zu erschweren und damit die Grundlage für eine Annäherung an das ‚Dritte Reich‘ zu schaffen. Als eine Art Kulminationspunkt dieses Ausspielens der ‚polnischen Karte‘ kann die Veröffentlichung eines Kommuniqués über Gespräche zwischen dem Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Maksim Litvinov und dem polnischen Botschafter Wacław Grzybowski in der sowjetischen und polnischen Presse am 27. November 1938 gelten. In sehr allgemeiner Form wurde darin das Bekenntnis der UdSSR und Polens zum Nichtangriffspakt (1932) bekräftigt, der „die Unverbrüchlichkeit der friedlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern“ garantiere.152 Diese Bemühungen führten jedoch zu keinem wirklich greifbaren Ergebnis. Von der Schulenburg schätzte diese diplomatische Aktion und das darum gemachte Getöse zutreffend ein und interpretierte den Vorgang unmissverständlich als das Bestreben Moskaus, durch Avancen in Richtung Warschau Zwietracht in die deutsch-polnischen Beziehungen zu tragen.153 Der Anschein einer kurzfristigen Verbesserung der sowjetisch-polnischen Beziehungen hatte keine Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Berlin und Moskau. In der Zeit nach München verliefen die diplomatischen Aktivitäten der UdSSR in Richtung Deutschland sehr schleppend. Der Bevollmächtigte Vertreter war lange Zeit von Berlin abwesend, vor allem aber gab es keinerlei Anweisungen aus Moskau, irgendwie aktiv zu werden. Selbst auf dem Gebiet der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen, denen die sowjetische Führung stets große Bedeutung beigemessen hatte, herrschte Stillstand. Darüber hinaus stießen die beiden Versuche von der Schulenburgs, in Unterredungen mit Merekalov, der sich in Moskau aufhielt, im November/Dezember 1938 die Notwendigkeit einer Verlängerung des gültigen Zahlungsabkommens für 1939 anzusprechen, auf eine ausweichende Re149 150 151
God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 71, S. 127. Dokumenty i materialy kanuna Vtoroj mirovoj vojny, Bd. 1, Dok. 109, S. 248. Vgl. Vostočnaja Evropa meždu Gitlerom i Stalinym. 1939–1941 (Osteuropa zwischen Hitler und Stalin), hrsg. von V. K. Volkov/L. Ja. Gibianskij, Moskva 1999, S. 129–136. 152 Vgl. DVP, Bd. XXI, Dok. 468, S. 650−651; Polskie Dokumenty Dyplomatyczne 1938, Warszawa 2007, Dok. 432, S. 793−794. 153 Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. V, Dok. 108, S. 116−117.
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5. Das Post-München-Syndrom aktion: Es sei noch Zeit, das Volkskommissariat für Außenhandel befasse sich mit dieser Frage, es gebe daher keinen Grund zur Sorge (Dok. 368). Äußerst bemerkenswert ist in dieser Hinsicht die Aufzeichnung der Unterredung von der Schulenburgs mit Potemkin vom 13. Dezember, bei der gleich die erste Frage des deutschen Botschafters die Verlängerung des genannten Abkommens betraf. Eine Reaktion des Gesprächspartners auf diese, wie übrigens auch auf andere Fragen, ist in dem Dokument jedoch nicht festgehalten (Dok. 374). Unterdessen war im Kreml bereits am 6. Dezember die Entscheidung getroffen worden, das Abkommen über den Waren- und Zahlungsverkehr für 1939 zu verlängern (Dok. 366, Anm. 1). Letztendlich wurde es am 19. Dezember 1938 in Berlin unterzeichnet.154 Im Grunde genommen betrachtete die deutsche Seite dieses formale Verfahren als einen ersten Schritt, ihre weiteren Absichten im Wirtschaftsbereich zu verwirklichen. Wenige Tage später, am 22. Dezember, fand im Auswärtigen Amt das erste Treffen einer Gruppe deutscher Wirtschaftsexperten unter der Leitung von Karl Schnurre und dem stellvertretenden Handelsvertreter in Deutschland, Leonid Skosyrev, statt. Schnurre schlug vor, die im März 1938 abgebrochenen Verhandlungen über einen Kredit in Höhe von 200 Mio. Reichsmark an die UdSSR wieder aufzunehmen. Zugleich drückte er in allgemeiner Form seine Bereitschaft aus, Zugeständnisse bei einigen Punkten zu machen, betonte aber die unveränderliche Voraussetzung für die Gewährung des Kredits – die Lieferung von Rohstoffen für zwei Jahre im Wert von 150 Mio. Reichsmark jährlich (Dok. 381). Wie groß das Interesse der deutschen Seite an der schnellstmöglichen Aufnahme von Verhandlungen über den Abschluss eines neuen Kreditabkommens war, geht aus einem von Skosyrev an Mikojan übermittelten Bericht hervor. Darin betonte Skosyrev, dass Schnurre „mich gebeten [hat], seine Erklärung meiner Regierung zur Kenntnis zu bringen und ihm innerhalb kürzester Zeit eine Antwort zu geben“.155 Nachdem Schnurre darauf zwei Wochen lang keine Antwort erhalten hatte, stattete Hilger dem nach Berlin zurückgekehrten Merekalov einen Besuch ab und bat erneut, die Antwort Moskaus zu beschleunigen (Dok. 387). Am 8. Januar wurde Merekalov von Mikojan telegrafisch endlich das Einverständnis der sowjetischen Regierung mitgeteilt, „die Verhandlungen auf Basis der Verbesserung der von den Deutschen gestellten Bedingungen wieder aufzunehmen“.156 Weitere Kontakte zwischen beiden Seiten, die mit der Vorbereitung einer Reise des Leiters der deutschen Handels- und Wirtschaftsdelegation, Schnurre, nach Moskau im Zusammenhang standen (Dok. 391, 392, 395, 401, 405), zeugen von der Absicht Berlins, wenn schon nicht sofort ein Handels- und Kreditabkommen zu schließen (Dok. 402), so doch zumindest dessen grundsätzliche Elemente zu vereinbaren. Sie offenbaren aber auch die fehlende Bereitschaft, die Verhandlungen publik zu machen, geschweige denn ihnen eine politische Note zu verleihen. War die sowjetische Führung von den erheblich gesteigerten Aktivitäten der deutschen Seite im wirtschaftlichen Bereich überrascht? Es gibt genügend Gründe zur Annahme, dass dies keine Überraschung war. Im Kreml hatte man erkannt, dass Deutschland, das sich intensiv auf einen Krieg vorbereitete, unweigerlich auf einen 154 Vgl. Telegramm Schnurres an die Botschaft Moskau vom 19.12.1938. In: PA AA, R 105998, Bl. H 000960. 155 RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2808, l. 2−12, hier l. 12. 156 God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 104, S. 177.
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I. Einleitung Mangel an strategischen Rohstoffen stoßen werde.157 Dies wiederum werde es dazu zwingen, eine Neubewertung seiner Handels- und Wirtschaftsbeziehungen mit der UdSSR vorzunehmen, da mit ihr ein Handel auf devisenfreier Basis möglich war und Devisen im Dritten Reich stets äußerst knapp waren. Darüber hinaus hatte man im Kreml zweifellos „an seinen Fehlern gearbeitet“, die aus dem Wunsch heraus entstanden waren (im Zuge der Kandelaki-Mission), mit Hilfe des wirtschaftlichen Hebels nicht nur die Verteidigungsfähigkeit der UdSSR zu erhöhen, sondern auch ein politisches Abkommen mit Deutschland zu erzielen.158 Aus dieser erfolglosen „Brückenbau“-Erfahrung hatte man Lehren gezogen. Dies betraf vor allem das taktische Verhalten gegenüber Deutschland in der veränderten internationalen Situation, während die bereits erwähnte strategische Zielsetzung Stalins unverändert blieb. Rückblickend lässt sich diese Taktik im Jahr 1939 in drei Hauptphasen unterteilen (Januar bis April, Mai bis Juli und Ende Juli bis August), in deren Verlauf sie an die veränderte internationale Lage und an die aus diversen Quellen stammenden bunt gemischten vertraulichen Informationen über die Absichten der wichtigsten Akteure angepasst wurde. In der ersten Phase (Januar bis April) reagierte Moskau mit großem Interesse auf den Vorschlag Berlins, die Verhandlungen über den 200-Millionen-Warenkredit an die UdSSR zu günstigeren Bedingungen wiederaufzunehmen (Dok. 381). Dies teilte der Bevollmächtigte Vertreter Merekalov am 11. Januar 1939 dem Leiter der Wirtschaftspolitischen Abteilung im Auswärtigen Amt, Emil Wiehl, mit, wobei er den dringenden Wunsch der sowjetischen Führung signalisierte, in Moskau und nicht wie üblich in Berlin zu verhandeln (Dok. 391). Dies war ein Beleg dafür, dass Stalin die Bedeutung der bevorstehenden Verhandlungen hervorheben wollte, wobei von ihm nicht nur die Ebene, auf der die sowjetische Seite vertreten war – mit dem neuen Volkskommissar für Außenhandel und Mitglied des Politbüros des ZK der VKP (B), Anastas Mikojan, an der Spitze – mitberücksichtigt wurde, sondern wahrscheinlich gerade auch die Tatsache, dass die Verhandlungen mit den deutschen Vertretern zum ersten Mal seit Hitlers Machtantritt überhaupt in der Hauptstadt der UdSSR stattfinden würden. Diese beiden Umstände gaben dem bevorstehenden Ereignis zweifellos eine politische Note, was Berlin auf jede erdenkliche Weise zu vermeiden gesucht hatte (Dok. 405). Allem Anschein nach war genau dies der Grund für die Hinauszögerung der Antwort – sie erfolgte erst am 20. Januar159 – auf den Wunsch der sowjetischen Seite, aber auch für die Entscheidung, lediglich den Delegationsleiter für die Kreditverhandlungen, Schnurre, nach Moskau zu entsenden (Dok. 401). Ungeachtet einer gewissen Enttäuschung über diese Entscheidung Berlins traf man in Moskau ernsthafte Vorbereitungen für diese Verhandlungen. Am 21. Januar wurde im Kreml das der Beschluss „Über Ausrüstungen für die Volkskommissariate“ verabschiedet, das 157 „Das faschistische Deutschland bereitet sich rasant auf einen Krieg vor, für den es enorme zusätzliche Ressourcen an strategischen Rohstoffen benötigt. [...] Die Frage der Rohstoff- und Nahrungsmittelreserven ist von noch nie da gewesener Aktualität.“ A. Lavrov: Vnutrenee bessilie fašistskogo režima v Germanii (Die innere Schwäche des faschistischen Regimes in Deutschland). In: Pravda vom 22. November 1938, S. 2. 158 Vgl. ausführlicher die Dokumente in: Deutschland und die Sowjetunion 1933−1941, Bd. 2. 159 Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 484, S. 543−544.
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5. Das Post-München-Syndrom die Leiter einer Reihe von maßgeblichen Institutionen, insbesondere im Verteidigungsbereich, dazu verpflichtete, bis zum 24. Januar „eine Liste unbedingt benötigter Werkzeugmaschinen und anderer Arten von Ausrüstungen vorzulegen, die im Rahmen des deutschen Kredits bestellt werden können“.160 Diese Entscheidung spiegelte sowohl die offensichtliche Absicht des Kremls, den von der deutschen Seite angebotenen Kredit für Aufträge mit überwiegend militärischer Zweckbestimmung zu verwenden161, als auch den Wunsch wider, in den kommenden Jahren enge Beziehungen zu Berlin aufzubauen, unter Berücksichtigung der Ausführungsfristen für die voraussichtlichen Aufträge von ein bis drei Jahren. Die vielversprechende Verhandlungsrunde zwischen Berlin und Moskau über Handels- und Wirtschaftsfragen wurde jedoch von deutscher Seite unerwartet und äußerst undiplomatisch zum Scheitern gebracht (Dok. 406, 407, 410). Die Absage von Schnurres Moskau-Besuch war wohl dadurch diktiert, dass Hitler zu diesem Zeitpunkt, nach der erfolglosen Gesprächsrunde von Ribbentrops in Warschau, nicht den Eindruck einer demonstrativen Verschlechterung der Beziehungen zu Polen erwecken wollte.162 In dieser Zeit nahm Polen in den auf eine antiwestliche Strategie ausgerichteten Plänen Hitlers einen Platz ein, der mit demjenigen der UdSSR nicht zu vergleichen war, sodass die wirtschaftlichen und selbst die kriegswirtschaftlichen Interessen vorübergehend den politischen Zielsetzungen geopfert wurden. Trotz des nach Einschätzung Schnurres erhaltenen „Schlag[s] ins Gesicht“163 war die Leitung des Volkskommissariats für Außenhandel bereit, Verhandlungen über die Kreditbedingungen auf der Ebene des Botschafters und des Leiters der Wirtschaftsabteilung der Botschaft zu führen (Dok. 407). Und dies, obwohl die Spannungen in den bilateralen Beziehungen zugenommen hatten, wahrscheinlich aufgrund von Äußerungen einiger deutscher Staats- und Parteifunktionäre (Dok. 399). Von der komplexen und widersprüchlichen Situation zeugte insbesondere eine Aufzeichnung Wiehls unter dem Titel „Über die wirtschaftlichen Folgen eines Abbruchs der Beziehungen zur Sowjet-Union“, die er am 6. Februar an von Ribbentrop sandte (Dok. 408). Seit Anfang 1939 gab es auch alarmierende Mahnungen seitens der Leitung des Narkomindel, dass es erforderlich sei, die Sicherheitsmaßnahmen in der Bevollmächtigten Vertretung wegen einer möglichen Verletzung ihrer Exterritorialität zu erhöhen (Dok. 388). Außerdem wurden spezielle Anweisungen zur Aufbewahrung, zum Tragen und zur Verwendung der in der Bevollmächtigten Vertretung vorhandenen Waffen gegeben.164 Welche Gründe es für die Ergreifung der letztgenannten Maßnahmen gab, konnte nicht eruiert werden. Was die Verhandlungen über die Bedingungen für die Gewährung eines deutschen Kredits an die UdSSR betrifft, die am 10. Februar 1939 begannen, so verlie160 161
Moskva−Berlin, 1920–1941, Bd. 3, Dok. 188, S. 274. Siehe die von Vorošilov am 28.1.1939 an Mikojan übermittelte Liste „von Rüstungsobjekten, Geräten und Ausrüstungen, deren Kauf in Deutschland wünschenswert ist“. In: RGVA, f. 33987, op. 3а, d. 1237, l. 43−51. 162 Vgl. Vostočnaja Evropa meždu Gitlerom i Stalinym, S. 122−123. 163 Vgl. Karl Schnurre: Aus einem bewegten Leben. Heiteres und Ernstes. Lebenserinnerungen, Manuskript. In: PA AA, NL Karl Schnurre, Bl. 69. 164 Diese detaillierte Instruktion wurde von Potemkin am 15.2.1939 an Merekalov geschickt. In: AVP RF, f. 06, op. 1, p. 7, d. 63, S. 8. Trotz aller Bemühungen ist es dem Verfasser nicht gelungen, die Veröffentlichung dieses Dokuments in Band 3 zu erreichen.
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I. Einleitung fen diese nicht einfach und zogen sich hin. Mikojan nahm eine ziemlich unflexible Position ein (Dok. 414) und machte den Deutschen erst Zugeständnisse, als klar wurde, dass sich die Verhandlungen einem kritischen Punkt näherten (Dok. 416). Unterdessen wurde in Berlin am 11. März auf einer Sitzung des interministeriellen Handelspolitischen Ausschusses über die Moskauer Verhandlungen die Liste der sowjetischen Aufträge beraten. Der Ausschuss kam zu dem Schluss, dass „die schwebenden Verhandlungen über den Russenkredit in geeigneter Form zum Scheitern gebracht werden müssen“, da die deutsche Wirtschaft in den nächsten ein bis zwei Jahren nicht in der Lage sein würde, die von der sowjetischen Seite gewünschten Lieferungen zu gewährleisten. Gleichzeitig wurde beschlossen, die Verhandlungen mit Moskau nicht abrupt abzubrechen, sondern sie in die Länge zu ziehen, damit sie wieder aufgenommen werden könnten, sollten sich Möglichkeiten ergeben, die sowjetischen Aufträge zu erfüllen (Dok. 427). Auch die Botschaft erhielt diesbezüglich entsprechende Anweisungen (Dok. 451). Dennoch gingen die Verhandlungen mit Mikojan bis Mitte März im gewohnten Rhythmus weiter, begleitet durch halb scherzhafte Repliken von der Schulenburgs, zum Beispiel, dass „er sich selbst schlecht in den Fragen auskenne“, aber dass ihm „Hilger aus der Patsche [helfe], er selbst […] aber weiterhin [hoffe], dass auch Schnurre nach Moskau kommen werde“ (Dok. 414). Es liegt auf der Hand, dass eine derart gemächliche Entwicklung der Ereignisse in diesem Bereich angesichts zunehmender internationaler Spannungen der sowjetischen Führung keinesfalls recht sein konnte. Daher kam der Kreml zu dem Schluss, dass die Wirtschaftsverhandlungen durch eine politische Annäherung gestärkt werden sollten. Als eine Art ‚Versuchsballon‘ wurde in der zentralen Parteizeitschrift „Bol’ševik“ ein Artikel des stellvertretenden Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin (unter einem Pseudonym) veröffentlicht, der internationalen Themen gewidmet war. Obwohl sich sein Pathos gegen die Politik der Westmächte richtete, die sich angeblich nicht besonders auf die UdSSR verlassen sollten, enthielt der Artikel außerdem eine durchaus plausible Voraussage der Politik Deutschlands in der nächsten Zeit, der im Wesentlichen die Sicht Stalins auf die Entwicklungen auf dem Kontinent nach München widerspiegelte. Dabei wurden Überlegungen über die expansionistischen Ambitionen Hitlers – der, so konstatierte der Autor, „ein ruhiges Hinterland im Osten braucht“ – in Bezug auf Westeuropa angestellt. Aus diesem Grund könne Berlin Polen versichern, dass man keinerlei feindliche Absichten hege. Noch wichtiger sei es für die Deutschen, so Potemkin, „die Bolschewiken etwas zu beruhigen: ihnen eine Ausweitung des Handelsaustauschs mit Deutschland vorzuschlagen; Gespräche über Kredite für ihre Aufträge zu beginnen. […] Vielleicht“, fragte Potemkin bedeutungsvoll, „wird es dadurch auch gelingen, die Aufmerksamkeit der UdSSR von westlichen Angelegenheiten abzulenken“, umso mehr, als „das Abkommen von Rapallo zwischen der UdSSR und Deutschland noch besteht“.165 In diesem Artikel, der nur eine Art Auftakt für die darauf folgenden Schritte des Kremls in Richtung Deutschland war, wurde sogar noch wesentlich mehr gesagt als in Stalins Bericht auf dem XVIII. Parteitag am 10. März 1939. 165 V. Gal’janov [Pseudonym Potemkins]: Meždunarodnaja obstanovka vtoroj imperialističeskoj vojny (Die internationale Situation des zweiten imperialistischen Krieges). In: Bol’ševik, 1939, Nr. 4, S. 49–65, hier S. 64.
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5. Das Post-München-Syndrom Von den in diesem Rechenschaftsbericht formulierten Grundprinzipien und Zielen der sowjetischen Außenpolitik für die kommenden Jahre ließ sich Stalin, wenn auch mit gewissen Korrekturen, bis zum 22. Juni 1941 – erst dann stellte sich heraus, dass sie von vornherein völlig unhaltbar gewesen waren – leiten. Zugleich sprach er das schon fast vergessene Thema der deutschen Pläne zur Annexion der Sowjetukraine an, das im Spätherbst 1938 in der Weltpresse rege diskutiert worden war (Dok. 345, 378), und bezeichnete es als „verdächtiges Getöse“; ein Getöse „mit dem Ziel […], den Zorn der Sowjetunion gegenüber Deutschland zu entfachen, die Atmosphäre zu vergiften und einen Konflikt mit Deutschland zu provozieren, ohne dass dafür ersichtliche Gründe vorliegen“ (Dok. 424). Molotov, der wahrscheinlich als Einziger in das Vorhaben Stalins eingeweiht gewesen sein könnte, ein politisches Abkommen mit Hitler zu schließen, erklärte ein halbes Jahr später am 31. August 1939, als der im Kreml gefasste Plan bereits umgesetzt war, vor den Abgeordneten des Obersten Sowjet der UdSSR: „Genosse Stalin hat […] schon damals [auf dem Parteitag der VKP (B), Verf.] die Frage nach der Möglichkeit anderer, nichtfeindlicher und gutnachbarlicher Beziehungen zwischen Deutschland und der UdSSR gestellt.“166 Molotovs spätere Behauptung, dass „man in Deutschland diese Erklärung von Genossen Stalin im Großen und Ganzen richtig verstanden und daraus praktische Schlussfolgerungen gezogen hatte“167, entsprach allerdings nicht der Realität. In von der Schulenburgs erstem Telegramm über die Rede Stalins wurden zwar viele ihrer wichtigsten Punkte aufgelistet, jedoch fehlte ihre Verknüpfung und das Wesentliche war aus ihr nicht extrahiert worden. Das war das, was als konkretes Signal zur Intensivierung nicht nur der Handels- und Wirtschaftsverhandlungen, sondern auch zum Abbau der Spannungen im politischen Bereich verstanden werden konnte. Insgesamt wurde die Rede vom Botschafter als „auffallend farblos und vorsichtig“ beschrieben (Dok. 425). Zwei Tage später übermittelte von der Schulenburg einen ausführlicheren Bericht des außenpolitischen Teils der StalinRede an das Auswärtige Amt, begleitet von umfangreichen Zitaten, insbesondere zu Deutschland und den allgemeinen Grundsätzen der Außenpolitik der UdSSR, ohne jedoch eigene inhaltliche Schlussfolgerungen zu ziehen.168 Im Gegensatz zum Botschafter analysierte Köstring in seinem an den Generalstab des Heeres geschickten Bericht über die Stalin-Rede gründlich den außenpolitischen Teil und stellte dabei einige nicht uninteressante Fragen, wie zum Beispiel diese: „[W]elchen Zweck verfolgte Stalin damit, dass er uns ausgesprochen milde, wenn nicht gar wohlwollend behandelte?“ Er kam zu dem Schluss: „Aus Liebe zu uns tut es Stalin sicher nicht. Die reale Vernunft mag bei ihm mitsprechen. Sieht Deutschland im Westen seinen Hauptgegner, so hofft er auf Ruhe vor uns.“ Das Fazit des Militärattachés war recht traditionell: „Ein Konflikt in Europa wäre für die SU immer das beste Geschäft.“ (Dok. 429) Der Botschafter und der Militärattaché fanden im Großen und Ganzen nichts Besonderes an Stalins Rede, auf das man die Aufmerksamkeit Berlins hätte lenken müssen. Bedeutete dies, dass der Parteitag dort unbeachtet blieb? Keineswegs. Am 13. März gab das Reichspropagandaministerium folgende Presseanweisung heraus: „Der Kommunisten-Kongress in Moskau 166 167 168
Izvestija vom 1. September 1939, S. 1. Ebd. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 1, S. 1−3.
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I. Einleitung kann dahin kommentiert werden, dass der Kongress auf eine noch festere Verankerung der Stalin-Kaganowitsch-Clique hinausläuft.“169 Somit erfüllte die ‚Kastanienrede‘, wie Stalins Auftritt auf dem Parteitag im Westen genannt wurde, ihre Signalfunktion in Richtung Deutschland zu diesem Zeitpunkt nicht. Das ist auch gar nicht verwunderlich, denn im Frühjahr 1939 lag eine Annäherung an die UdSSR auf irgendeinem Gebiet keineswegs in Hitlers Absicht. Er wurde von anderweitigen Expansionsplänen absorbiert. Die Mitte März erfolgte Besetzung der ‚Rest-Tschechei‘ hätte zumindest zu zusätzlichen Spannungen in den sowjetisch-deutschen Beziehungen führen müssen, was jedoch nicht der Fall war. Litvinov übergab von der Schulenburg allerdings eine Note, in der konstatiert wurde, dass es der sowjetischen Regierung unmöglich sei, die Besetzung Tschechiens und deren Angliederung an das Deutsche Reich anzuerkennen (Dok. 430). Es handelte sich jedoch nicht um eine Protestnote, und als sich der Botschafter nach deren aufmerksamer Lektüre bei einem Treffen mit dem Volkskommissar nach ihrer praktischen Bedeutung erkundigte, antwortete Litvinov von der Schulenburg, einer schriftlichen Anweisung Stalins folgend170, „die Sowjetregierung habe eben ihren Standpunkt klarstellen wollen“171. Von der Schulenburg interpretierte diese Klarstellungen dahingehend, dass es der Sowjetregierung nicht möglich gewesen wäre, die deutsche Note zur tschechoslowakischen Frage mit Schweigen zu übergehen und dadurch „den falschen Eindruck zu erwecken, als ob die Sowjetregierung zu den tschechoslowakischen Ereignissen gleichgültig eingestellt sei“172. Werner von Tippelskirch zog seinerseits die Schlussfolgerung, das Hauptziel der sowjetischen Note bestehe in nichts anderem, als zu demonstrieren, dass man sich dem Vorgehen Englands und Frankreichs anschließe. Dabei entstehe der Eindruck, als ob in der Note „mehr die Methode [Deutschlands] als das Ergebnis kritisiert werde“ (Dok. 431). Wie wenig sich das Auswärtige Amt für die Reaktion der UdSSR interessierte, zeigt die Empfehlung von Weizsäckers an die Botschaft. Bei Versuchen, die Ereignisse weiter zu erörtern, sollte der Botschafter analog zur Berliner Haltung gegenüber den britischen und französischen Demarchen verfahren, d. h. sie „abfallen lassen“.173 Dies war jedoch nicht erforderlich. Die Übergabe zeitigte auch keine irgendwie gearteten Folgen. Die tatsächliche Bedeutung der sowjetischen Note – nicht die Bedeutung, die einige Historiker ihr manchmal zuschreiben – zeigt sich in dem Schreiben, das Litvinov einige Tage später an Stalin schickte und in dem unter anderem auf Folgendes hingewiesen wird: „[O]bgleich wir erklärt haben, dass wir die Rechtmäßigkeit der Annexion der Tschechoslowakei nicht anerkennen, kommen wir nicht umhin, sie dennoch de facto anzuerkennen und uns in den tschechischen Angelegenheiten mit den deutschen Behörden in Verbindung zu setzen“ (Dok. 430, Anm. 9). In der zweiten Märzhälfte 1939 endete die Nach-München-Phase der bilateralen Beziehungen, ohne dass es zu nennenswerten Veränderungen zum Guten oder 169 NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit. Edition und Dokumentation, hrsg. von H. Bohrmann/G. Toepser-Ziegert, München 2001, Bd. 7/1, Dok. 775, S. 243. 170 Vgl. SSSR–Germanija: 1932–1941, Dok. 154, Anmerkung, S. 234. 171 ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 43, S. 39. 172 Ebd., Bd. VI, Dok. 50, S. 44. 173 Ebd., Bd. VI, Dok. 46, S. 41.
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5. Das Post-München-Syndrom zum Schlechten kam. Gleichwohl gab es vor dem Hintergrund der umgestalteten geopolitischen Lage auf dem europäischen Kontinent einige neue, wichtige Tendenzen in der Politik Berlins und Moskaus gegenüber ihrem Nachbarstaat Polen. Nachdem Hitler alle Möglichkeiten des politisch-diplomatischen Drucks auf die polnische Führung ausgeschöpft hatte, ordnete er die Vorbereitung einer gewaltsamen Lösung des ‚polnischen Problems‘ an, was seine weiteren Pläne erheblich beeinflusste. Man kann davon ausgehen, dass Stalin zu diesem Zeitpunkt die Annäherung an Polen als Druckmittel gegen das ‚Dritte Reich‘ bereits aufgegeben hatte, zumal es angesichts der Verschlechterung der deutsch-polnischen Beziehungen nicht mehr ungefährlich war, Polen weiter Avancen zu machen. Von nun an wurde die Drohung einer Allianz der UdSSR mit Großbritannien und Frankreich als Druckmittel gegen Hitler eingesetzt, um dessen aggressiver Politik entgegenzuwirken. Ohne auf die Frage einzugehen, wie realistisch die Schaffung einer solchen handlungsfähigen Allianz im Jahr 1939 überhaupt war, soll auf die Kluft zwischen Stalin und Litvinov hingewiesen werden, die sich, wie zu vermuten ist, in Bezug auf eine solche mögliche Perspektive entwickelt hatte. Stalin betrachtete, wie die späteren Ereignisse bestätigten, das Phantom eines Vertrags mit den Westmächten als einen Weg, ein Abkommen mit Hitler und die Nichtbeteiligung der UdSSR an einem internationalen Konflikt zu erreichen, zumal, wie er behauptete, „der zweite imperialistische Krieg in Wirklichkeit bereits begonnen hat“.174 Der Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten machte sich zwar keine Illusionen über das Ausmaß der Veränderungen in der Außenpolitik Frankreichs und vor allem Großbritanniens nach der Besetzung Tschechiens, war aber dennoch offensichtlich bemüht, den Dialog mit ihnen fortzusetzen, selbst angesichts dessen, dass sich die künftigen Verhandlungen sehr kompliziert gestalten würden. Gleichzeitig ging Litvinov sehr pragmatisch und mit dem der Politik eigenen Zynismus an die Aussicht auf eine solche Zusammenarbeit heran. Deutlich wird dies, als er Anfang April 1939 an Merekalov schrieb: „Wir wissen sehr gut, dass es ohne uns unmöglich ist, in Europa die Aggression aufzuhalten und zum Stehen zu bringen, und je später man um unsere Hilfe nachsucht, desto mehr wird man uns zahlen.“ (Dok. 434) Es war jedoch eine Sache, seinen Standpunkt in einem Informationsschreiben an den Bevollmächtigten Vertreter darzulegen und eine ganz andere, Stalin von der Notwendigkeit zu überzeugen, auch in einer derart schwierigen Situation ein Abkommen mit den Westmächten zu erzielen. So schrieb er Mitte April in sehr vorsichtigen Worten an Stalin: „Man kann nicht erwarten, dass die andere Seite uns ausgerechnet das anbietet, was wir wollen.“ Doch „wenn wir etwas bei ihnen erreichen wollen, müssen wir unsere Wünsche auch nach und nach offenlegen. [...] Sofern wir überhaupt mit England und Frankreich zusammenarbeiten wollen […]“175 Die letzten Worte enthalten eine ziemlich durchsichtige Anspielung auch auf eine andere, für den erfahrenen Diplomaten bereits erkennbare Tendenz in den Absichten des obersten Sowjetführers. In der zweiten März- und ersten Aprilhälfte 1939 herrschte in den sowjetischdeutschen Beziehungen völliger Stillstand, der durch eine lange Pause bei den Wirt174 Istorija Vsesojuznoj Kommunističeskoj partii (bol’ševikov). Kratkij kurs (Geschichte der Kommunistischen Partei (Bolschewiki). Kurzer Lehrgang), Moskva 1938, S. 318. 175 DVP, Bd. XXII, Dok. 224, S. 278.
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I. Einleitung schaftsverhandlungen gekennzeichnet war. Formal begründet wurde diese mit der zweimonatigen Abwesenheit von der Schulenburgs von Moskau (Dok. 432). Für Stalin war jedoch weitaus wichtiger, dass es keinerlei Reaktion auf seine Rede auf dem Parteitag und das darin enthaltene Signal an die deutsche Führung gegeben hatte (Dok. 424). Daraus ergab sich die Notwendigkeit, die Absichten Berlins zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht auf die eine oder andere Weise auszuloten. Die weiteren Schritte der sowjetischen Diplomaten ziehen schon seit Langem die Aufmerksamkeit von Historikern aus verschiedenen Ländern auf sich.176 Da sie jedoch zunächst jahrelang nicht auf Dokumente beider Seiten zurückgreifen konnten und später den Fokus auf die veröffentlichten sowjetischen Dokumente legten, waren sie nicht in der Lage, diese Ereignisse in vollem Umfang zu rekonstruieren und entsprechend fundiert zu bewerten. Um diese Lücke bis zu einem gewissen Grad zu schließen, soll zunächst auf den Verlauf der Geschehnisse eingegangen werden. Am 5. April telegrafierte Litvinov an Merekalov, dass es erforderlich sei, sich an das Auswärtige Amt zu wenden und die Aufhebung des Verbots der deutschen Militärbehörden zu fordern, die bei der Firma „Škoda“ erteilten sowjetischen Aufträge zur Produktion bestimmter Waffentypen an den Auftraggeber auszuliefern.177 Im Auftrag des Bevollmächtigten Vertreters suchte Astachov am 7. April Wiehl auf, der erklärte, er wisse über dieses Problem nicht Bescheid und könne sich derzeit nicht damit beschäftigen. Er empfahl Astachov, nach den Osterferien eine Note an das Auswärtige Amt zu richten.178 Aus den dokumentierten Fakten geht also hervor, dass die ursprüngliche Kontaktnahme des sowjetischen Diplomaten mit dem Auswärtigen Amt Routinecharakter hatte und keinerlei Sondierungsversuche auf der Führungsebene des Auswärtigen Amtes beinhaltete. Nicht weniger formell fiel die Reaktion seitens des Leiters der Wirtschaftspolitischen Abteilung aus, der anmerkte, dass „die Schritte der Militärbehörden in dieser Angelegenheit nicht mit dem Auswärtigen Amt abgestimmt waren“179. Im NKID beschloss man von der Empfehlung Wiehls Gebrauch zu machen und fügte der Verbalnote eine ausführliche Information (Memorandum)180 mit Details zu den mit der Firma „Škoda“ vereinbarten Aufträgen bei. Nachdem Merekalov alle erforderlichen Unterlagen und anscheinend auch neue Anweisungen erhalten hatte, bat er das Auswärtige Amt um ein Treffen mit Staatssekretär von Weizsäcker, um die Verbalnote zu übergeben, wobei er sich zunutze machte, dass Wiehl im Urlaub war. Im Gegensatz zu vielen anderen Treffen zwischen deutschen und sowjetischen Diplomaten ist die Aufzeichnung dieser Unterredung in zwei Versionen, und zwar 176 Vgl. Donald C. Watt: Die Verhandlungsinitiativen zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt vom 24. August 1939. Ein historisches Problem. In: Nationalsozialistische Außenpolitik, hrsg. von Wolfgang Michalka, Darmstadt 1978, S. 414−436; Reinhold R. Weber: Die Entstehungsgeschichte des Hitler-Stalin-Paktes 1939, Frankfurt a.M. u. a. 1980, S. 141; Bianka Pietrow: Stalinismus, Sicherheit, Offensive: Das „Dritte Reich“ in der Konzeption der sowjetischen Außenpolitik 1933−1941, Melsungen 1983, S. 66−67; Bartel, Aleksej Fedorovič Merekalov, S. 518–545; Hermann Graml: Europas Weg in den Krieg: Hitler und die Mächte 1939, München 1990, S. 223. 177 Vgl. God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 252, S. 360. 178 Vgl. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 59, l. 72. 179 Ebd. 180 Der Text des Memorandums wurde im NKVT aufgesetzt und am 10.4.1939 an Merekalov geschickt. Vgl. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2769, l. 35, 36−38; vgl. auch DVP, Bd. XXII, Dok. 237, Anhang, S. 294−296.
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5. Das Post-München-Syndrom von jeder Seite, erhalten geblieben. Allerdings konnten Historiker die sowjetischen Aufzeichnungen erst einige Jahrzehnte nach der Veröffentlichung der deutschen Dokumente einsehen, was zu einer gewissen Einseitigkeit bei der Interpretation dieser Unterredung geführt hat, die als erste Initiative und sogar als wesentliche sowjetische Sondierung im Verlauf der späteren sowjetisch-deutschen Annäherung gilt. Die Anfang der 1990er Jahre veröffentlichten sowjetischen Aufzeichnungen dieser Unterredung bewirkten in der Geschichtsschreibung eine umgehende Akzentverschiebung: Die Priorität im Annäherungsprozess zwischen Moskau und Berlin wurde nunmehr dem deutschen Staatssekretär zugesprochen.181 Leider führte der erweiterte Zugang zu den bis dahin unzugänglichen Dokumenten in diesem Fall nicht zwangsläufig zu einem besseren Verständnis der Absichten beider Seiten, da die Grundlage nicht die Identifizierung von Ähnlichkeiten in den Aufzeichnungen von Weizsäckers und Merekalovs war, sondern die Suche nach Gegensätzen. Was hier übersehen wurde, war die Besonderheit der Aufzeichnungen selbst bei dieser Art von Gesprächen, die in der Regel vor allem die Position des Gesprächspartners und nicht die eigenen Aussagen festhielten. Das Vorhandensein abweichender Notizen liefert den Forschern zusätzliches Material für die Analyse der Ursachen für solche Diskrepanzen, die ganz unterschiedliche Hintergründe haben können, darunter auch redaktionelle182, aber noch keinen Anlass für die Behauptung darstellen, es habe eine absichtliche Akzentverschiebung oder gar eine Verzerrung der zitierten Äußerungen des Gesprächspartners stattgefunden. Ohne Berücksichtigung der kurzen operativen Informationen beider Seiten über die Unterredung vom 17. April (Dok. 442, 443) und nach einem Vergleich der vollständigeren Aufzeichnungen der Unterredung von Weizsäckers mit Merekalov lässt sich folgende Schlussfolgerung ziehen: Nach den Aufzeichnungen des Staatssekretärs zu urteilen, könnten zwei relevante Äußerungen Merekalovs seine Aufmerksamkeit erregt haben: erstens diejenige, dass die Lösung der Frage der Auftragserfüllung durch die Firma „Škoda“ einen Prüfstein für die weitere Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen darstelle, und zweitens diejenige darüber, dass die UdSSR nicht die Absicht habe, die bestehenden Differenzen zwischen Berlin und den Westmächten gegen Deutschland auszunutzen, zumal es für Moskau keinen Grund gebe, warum es nicht „mit uns [Deutschland] auf einem normalen Fuße leben sollte“ (Dok. 441). Was die sowjetische Aufzeichnung betrifft, die von Astachov, der während der Unterredung als Dolmetscher aushalf, angefertigt wurde, so könnten folgende Aussagen von Weizsäckers für Merekalov oder, genauer gesagt, für Litvinov von Interesse gewesen sein: erstens über wahrscheinliche Bedenken der Militärbehörde gegen die Erteilung von durch die Firma „Škoda“ ausgeführten Aufträgen, während die UdSSR „Verhandlungen über die Teilnahme an einem Luftpakt gegen Deutschland führt“, und zweitens über den aufrichtigen Wunsch Berlins, die wirtschaftlichen Beziehungen zur Sowjetunion zu entwickeln 181 Eine wichtige Rolle bei der Verbreitung derartiger Einschätzungen spielte das Buch von Ingeborg Fleischhauer, die als erste ausländische Historikerin Einblick in die sowjetischen Aufzeichnungen dieser Unterredung nehmen konnte. Vgl. Ingeborg Fleischhauer: Der Pakt. Hitler, Stalin und die Initiative der deutschen Diplomatie 1938−1939, Berlin/Frankfurt a.M. 1990, S. 144−150. 182 Dies gilt insbesondere für die detaillierte sowjetische Aufzeichnung der Unterredung (Dok. 448), die von Merekalov zwar nicht angefertigt, jedoch von ihm zehn Tage nach dem Gespräch an das NKID übermittelt wurde. Vgl. DVP, Bd. XXII, Dok. 237, S. 293.
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I. Einleitung (Dok. 448). Aus einem Vergleich dieser Aufzeichnungen kann geschlossen werden, dass beide Seiten nach wie vor ein Interesse am Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen und den Wunsch nach Aufrechterhaltung eines normalen gegenseitigen Verhältnisses bekundeten, auch wenn die beiden Diplomaten diesen Worten möglicherweise eine unterschiedliche Bedeutung beimaßen. An dieser Stelle muss eine berechtigte Frage beantwortet werden: Ist einer der Gesprächspartner im Verlauf der bilateralen Gespräche über die in der vorangegangenen Zeit üblichen Ausführungen hinausgegangen? Die Analyse der Aufzeichnungen erlaubt die Schlussfolgerung, dass sie nichts enthalten, das auch nur in irgendeiner Weise darauf hindeuten würde, dass die deutsche Seite bestrebt war, auf die zuvor von Moskau ausgesendeten Signale auf einer höheren Ebene zu reagieren. Gleichzeitig enthalten die Aufzeichnungen keine Anhaltspunkte dafür, dass der sowjetische Diplomat den Rahmen der traditionellen Klischees von der Vereinbarkeit ideologischer Gegensätze mit normalen Beziehungen überschritten hätte. Aus all dem folgt, dass das Gespräch von Weizsäckers mit Merekalov am 17. April 1939 nicht nur keinen Meilenstein in der Entwicklung der Beziehungen zwischen Deutschland und der UdSSR darstellte, sondern zu diesem Zeitpunkt überhaupt keinen Einfluss hatte. Die nachfolgenden Ereignisse in Moskau spielten jedoch nicht nur für die Entwicklung der sowjetisch-deutschen Beziehungen, sondern auch für die internationale Lage insgesamt eine sehr wichtige Rolle, aber wie wir wissen – post hoc non est propter hoc. Die nach der deutschen Annexion Tschechiens von den Westmächten verstärkt verfolgte Politik zur Eindämmung der weiteren Aggression Berlins brachte London und Paris dazu, erste, recht zaghafte Versuche der Kontaktaufnahme mit Moskau zu unternehmen. Vor diesem Hintergrund bekam Litvinov trotz aller Skepsis gegenüber der keineswegs in der Versenkung verschwundenen Appeasement-Politik gleichsam neuen Auftrieb. Von der zweiten Märzhälfte an bis in den April 1939 bombardierte er Stalin buchstäblich mit Schreiben, die sowohl eigene Initiativvorschläge für eine trilaterale Zusammenarbeit als auch Entwürfe von Antworten auf Vorschläge der englischen und französischen Seite enthielten.183 Von besonderer Bedeutung waren zwei Schreiben – von denen, die Historikern bekannt sind –, die Litvinov am 15. April an Stalin übermittelte. In einem schlug der Volkskommissar vor, im Rahmen der öffentlichen Diplomatie den von ihm verfassten Text eines Interviews zu publizieren, um auf die Kritik Großbritanniens an der Reaktion der UdSSR auf die Vorschläge der Westmächte zu antworten.184 In einem anderen Schreiben begründete er die Notwendigkeit, den Regierungen Englands und Frankreichs bereits über diplomatische Kanäle konkrete Vorschläge zu übermitteln, in denen die Vorstellungen der sowjetischen Führung hinsichtlich der wesentlichen Elemente der Verpflichtungen der drei Staaten für den Abschluss eines Beistandsabkommen enthalten wären.185 Stalin reagierte sehr schnell: Der erste Vorschlag wurde abgelehnt, was sich daran erkennen lässt, dass kein Litvinov-Interview in der Presse erschien. Das zweite Schreiben wurde am 16. und 17. April im Kreml erörtert.186 Die Vorschläge wurden während der ersten Be183 Bekannt sind zehn Schreiben innerhalb von anderthalb Monaten: 18.3., 19.3., 3.4., 9.4., 13.4. (zwei Schreiben), 15.4. (zwei Schreiben) und 17.4.1939. 184 Vgl. DVP, Bd. XXII, Dok. 223, S. 275–277. 185 Ebd., Dok. 224, S. 277–278. 186 Vgl. Na prieme u Stalina, S. 256–257.
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5. Das Post-München-Syndrom sprechung ergänzt, anschließend von Litvinov überarbeitet und an Stalin geschickt.187 Es war danach allerdings noch eine weitere Besprechung erforderlich, während der die endgültige, an England und Frankreich übermittelte Version der Vorschläge ausgearbeitet wurde.188 Als er mit diesen Initiativen hervortrat, war sich Litvinov zweifellos bewusst, dass sie in London und Paris wohl kaum eine positive Reaktion auslösen würden. Er wies Stalin auf die bevorstehenden „schwierigen Verhandlungen sowohl mit Frankreich als auch insbesondere mit England“ hin.189 Unterdessen hatte Stalin Informationen erhalten, die von der Absicht Hitlers zeugten, das ‚polnische Problem‘ offenkundig nicht auf friedlichem Weg zu lösen (Dok. 433). Dies wiederum barg für die UdSSR, die allmählich in Verhandlungen mit den Westmächten hineingezogen wurde, die reale Gefahr des ‚Hineingleitens‘ in einen Krieg. Und diese Möglichkeit konnte Stalin nicht gefallen, der die Politik Englands und Frankreichs kritisch, eindimensional und nicht flexibel beurteilte (Dok. 424) und dementsprechend äußerst skeptisch war, was die Aussichten auf ein Abkommen mit den Westmächten zu den von der UdSSR vorgeschlagenen Bedingungen anging (Dok. 462). Unter diesen Umständen – die nicht nur auf die subjektive Wahrnehmung der angespannten internationalen Lage durch den sowjetischen Diktator zurückzuführen waren, sondern auch auf die zunehmende Aggressivität der Achsenmächte und auf das keineswegs gänzlich aus der Welt geschaffene Bestreben Londons, die Aggressoren durch ein Abkommen zu beschwichtigen – fasste Stalin den Entschluss, den außenpolitischen Kurs seines Landes einer ernsthaften Korrektur zu unterziehen. Ihre Umsetzung erforderte bereits im Vorfeld Maßnahmen, die derart vertraulicher Natur waren, dass Stalin sie nur mit einer ihm besonders nahestehenden Person, was auf Litvinov nicht zutraf, in die Wege leiten und durchführen konnte. Dieser Prozess bedurfte offensichtlich einer sehr gründlichen Vorbereitung und der erste Schritt auf diesem Weg musste die Gewissheit sein, dass bei den engsten Weggefährten nicht der geringste Zweifel an der Richtigkeit der einzig möglichen Entscheidung des Machthabers aufkommen würde. Mithilfe der Meinung von Experten, die im Zentrum der Ereignisse standen, sollte begründet werden, warum es unmöglich war, den bisherigen Kurs weiterzuverfolgen, der auf den Abschluss eines Abkommens über ein gemeinsames Vorgehen mit den Westmächten ausgerichtet gewesen war. Zu diesem Zweck beschloss Stalin, eine Besprechung abzuhalten, bei der neben einigen Mitgliedern des Politbüros auch die Leitung des Narkomindel und die diplomatischen Vertreter in Großbritannien, Frankreich und Deutschland anwesend waren. Letztere wurden von Stalin mit erhöhter Sorgfalt ausgewählt, um sicherzustellen, dass die Diskussion dem von ihm geplanten Szenario folgte, d. h. Litvinov mit seiner allgemein bekannten Position so weit wie möglich zu isolieren. Es kann durchaus sein, dass nicht zuletzt genau dies erklärt, warum der Bevollmächtigte Vertreter in Frankreich, Jakov Suric, der mit dem Volkskommissar durch ein langjähriges Vertrauensverhältnis verbunden war und seine Ansichten über das internationale Geschehen teilte, nicht zu dieser Besprechung eingeladen wurde. Für diese Annahme spricht, dass anstelle von Suric der Rat der 187 188 189
Vgl. DVP, Bd. XXII, Dok. 228, S. 283. God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 276, S. 386–387. DVP, Bd. XXII, Dok. 224, S. 278.
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I. Einleitung Bevollmächtigten Vertretung in Frankreich, Pavel Nikolaevič Krapivincev, mit dem Stalin vor Beginn der Besprechung 40 Minuten lang unter vier Augen sprach, in den Kreml einbestellt worden war.190 Über die Besprechung am 21. April 1939 selbst ist den Historikern nur sehr wenig bekannt, da keine Mitschrift angefertigt wurde und die Teilnehmer, mit Ausnahme von Botschafter Majskij191, soweit bekannt, keine Tagebücher führten. Lev Bezymenskij, der das Privatarchiv Merekalovs einsehen konnte, stieß darin auf eine Aufzeichnung des letzten Teils der Besprechung im Kreml, zu dem dieser eingeladen worden war. Schon allein diese Tatsache deutet darauf hin, dass Stalin nicht geneigt war, den diplomatischen Bemühungen der UdSSR gegenüber Deutschland viel Aufmerksamkeit zu widmen. Laut Merekalovs Aufzeichnungen stellte Stalin ihm lediglich eine Frage: „Sag’ uns, Genosse Merekalow, schlagen die Deutschen gegen uns los, oder nicht? Ich antwortete mit einem ausführlichen Vortrag.“192 Es ist nicht bekannt, ob der Text des Vortrags oder seine Stichpunkte in ihrer ursprünglichen Form erhalten geblieben waren, bevor sie in die Hände Bezymenskijs gelangten. Nach dessen ausführlicher Inhaltsangabe zu urteilen, ähnelte der Text eher einem Vortrag über die internationale Lage, der Stalin kaum interessiert haben dürfte. Dennoch erhielt er eine Antwort auf seine Frage. Dem Bevollmächtigten Vertreter zufolge werde der Angriff auf die UdSSR unweigerlich in zwei bis drei Jahren erfolgen, nachdem Hitler seine Ziele im Westen und in Polen erreicht habe. Deutschland werde „gestützt auf das Wirtschaftspotential jener Länder, ohne jeden Zweifel den Feldzug gegen die UdSSR beginnen“.193 Die Antwort Merekalovs dürfte Stalin durchaus zufriedengestellt haben, da sie ihn in seiner Ansicht bestärkte, dass von Deutschland in naher Zukunft keine Bedrohung für die UdSSR ausgehe und somit keine Notwendigkeit bestehe, sich aktiv an einer antideutschen Koalition zu beteiligen. Stalin stellte Merekalov nach Beendigung seines Vortrags keine weiteren Fragen. Anschließend verließen alle eingeladenen Diplomaten gleichzeitig sein Arbeitszimmer, während die Mitglieder des Politbüros noch 15 Minuten lang dortblieben.194 Genau in dieser Zeit wurden offenbar die Ergebnisse der dreieinhalbstündigen Besprechung zusammengefasst, bei der die Frage der Absetzung Litvinovs vorentschieden und die Grundzüge der Wende in der sowjetischen Außenpolitik skizziert worden waren. Da wir jedoch über keine Dokumente verfügen, die diese Schlussfolgerung untermauern und um den Vorwurf zu vermeiden, dass sie unbegründet ist, bleibt nichts anderes übrig, als auf eine offizielle Veröffentlichung unter der Ägide des Außenministeriums der Russischen Föderation zu verweisen. Darin heißt es, dass bei der Besprechung im Kreml „die Kardinalfrage des künftigen außenpolitischen Kurses des Landes erörtert wurde. 190 191
Vgl. Na prieme u Stalina, S. 257. Nach England zurückgekehrt, beschrieb Majskij seine Reise von London nach Moskau auf etlichen Seiten, widmete ihrem Zweck jedoch nur wenige Worte: „Ich bin vielen unterschiedlichen Menschen begegnet und habe an diversen Besprechungen zu den anglofranzösisch-sowjetischen Beziehungen teilgenommen.“ Vgl. Majskij, Dnevnik diplomata, Bd. 1, S. 380. Erst ganz zum Schluss listet er eine Reihe von Fragen auf, die weitgehend die von den Vertretern der UdSSR bei den Dreiergesprächen in den folgenden Monaten verfolgte Politik wiedergeben, ohne zu erwähnen, wo und wann diese Fragen erörtert wurden. Vgl. ebd., S. 382. 192 Besymenski, Stalin und Hitler, S. 152. 193 Ebd., S. 153; Tabolin/Tabolin, Missija polpreda Alekseja Merekalova, S. 64, 66. 194 Vgl. Na prieme u Stalina, S. 257.
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5. Das Post-München-Syndrom Die Politik Litvinovs, die ausschließlich auf ein Bündnis mit Großbritannien und Frankreich ausgerichtet war, wurde scharf kritisiert. [...] Seitens des Regierungschefs V. M. Molotov wurde der Schwerpunkt auf die Notwendigkeit der Suche nach alternativen Lösungen zur Stärkung der außenpolitischen Position des Landes gelegt, einschließlich der Verbesserung der Beziehungen zu Hitlerdeutschland.“195 Es ist anzunehmen, dass den Teilnehmern der Besprechung die Notwendigkeit des Aufbaus von Beziehungen zu Berlin mit möglichst vorsichtigen Worten und keineswegs als Hauptrichtung der Außenpolitik präsentiert wurde. Der neue Kurs sollte nicht die Tür zu einem Abkommen mit den Regierungen der Westmächte zuschlagen, sondern nur als wichtiges Druckmittel dienen, um sie zur Annahme der sowjetischen Vorschläge zu bewegen. Gleichzeitig würde allein die Fortsetzung der Verhandlungen mit London und Paris einen gewissen Druck auch auf Hitler ausüben, der ihn dazu veranlassen könnte, die Beziehungen zur UdSSR zu verbessern. Dies ist allerdings nur eine Hypothese, aber tatsächlich „gab es einen heftigen Streit zwischen Litvinov und Molotov“196 bei der Besprechung, und es ist nicht ausgeschlossen, dass es dabei auch um die vorgeschlagenen Neuerungen in der sowjetischen Diplomatie gegenüber Deutschland gegangen sein könnte. Nachdem er zwei Jahrzehnte lang im System tätig gewesen war und dessen ungeschriebene Regeln gut kannte, hielt Litvinov seine Eindrücke von den Vorgängen im Kreml nicht auf Papier fest.197 In der Zwischenzeit begann sich die Politik sozusagen direkt vor aller Augen zu verändern – wenn auch nicht auf Litvinovs Initiative, so doch auf jeden Fall unter seiner Mitwirkung.198 Die personellen Konsequenzen der Besprechung vom 21. April im Kreml waren leicht vorhersehbar. Sie erfolgten nicht sofort: Stalin blieb sich treu und hielt das nächste Opfer der Personalpolitik noch einige Zeit in einem Zustand extremer nervlicher Anspannung, obwohl in diesem Fall das Ende relativ schnell eintrat, was durch die aufgeheizte internationale Situation erzwungen wurde.199 Am 3. Mai rief man Litvinov zu Stalin200, wo ihm in Anwesenheit der Mitglieder des Politbüros der VKP (B) seine Entlassung als Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten mitgeteilt wurde.201 195 Očerki po istorii Ministerstva inostrannych del Rossii. 1802–2002 (Studien zur Geschichte des Außenministeriums Russlands), Bd. 2, hrsg. von A. V. Torkunov u. a., Moskva 2002, S. 236. 196 Očerki po istorii Ministerstva inostrannych del Rossii. 1802–2002, Bd. 3, Moskva 2002, S. 350. 197 Zwei Tage nach der Besprechung im Kreml beschränkte sich Litvinov in einem Schreiben an Suric auf einen einzigen Satz: „Über die hiesigen Stimmungen informieren Sie Gen. Krapivincev und Gen. Majskij, dem ich vorgeschlagen habe, zu diesem Zweck für einige Stunden in Paris zu verweilen.“ Vgl. God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 290, S. 398. Majskij kam der Bitte des Volkskommissars nach. Am 27. April „unterhielt ich mich den ganzen Abend mit Suric“. Vgl. Majskij, Dnevnik diplomata, Bd. 1, S. 381. 198 Vgl. God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 289, S. 387. 199 Am 28.4.1939 hielt Hitler vor dem Reichstag eine Rede, in der er die Kündigung des deutsch-polnischen Abkommens vom 26.1.1934 und des deutsch-britischen Flottenabkommens vom 18.6.1935 bekannt gab. Vgl. Domarus, Hitler. Reden und Proklamationen, Bd. I/2, S. 1159, 1163. 200 Vgl. Na prieme u Stalina, S. 258. 201 Am folgenden Tag wurde auf den letzten Seiten der zentralen Zeitungen in der Rubrik „Chronik“ über die Entlassung Litvinovs aus dem Amt des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten „auf seinen Wunsch“ berichtet. In: Pravda vom 5. April 1939, S. 6. Vgl. auch Stalins Telegramm an die Leiter der Bevollmächtigten Vertretungen in mehreren europäischen Staaten und den USA, in dem über die Ablösung des Leiters des Narkomindel als Folge eines
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I. Einleitung Dieses Ereignis zog nicht nur formell einen Schlussstrich unter Stalins vorab getroffene Entscheidung, sondern markierte auch den Beginn einer neuen Phase in der sowjetischen Außenpolitik, die auf ein politisches Abkommen mit NSDeutschland ausgerichtet war. Der Abschluss eines Abkommens mit Hitler, und nicht mit den Westmächten, war ab diesem Zeitpunkt die vorrangige Aufgabe von Stalins engstem Weggefährten Molotov. 6. Der strategische Plan Stalins und die erzwungene Taktik Hitlers
6. Der strategische Plan Stalins und die erzwungene Taktik Hitlers: die beiden Diktatoren auf dem Weg zum Abkommen Litvinovs Absetzung als Leiter des Volkskommissariats für Auswärtige Angelegenheiten machte in Europa großen Eindruck und stieß auf geteilte Reaktionen. So wurde die Nachricht in London und Paris mit großer Besorgnis aufgenommen.202 Man vermutete, dass durch den Rücktritt des Volkskommissars eine Änderung der außenpolitischen Richtung der UdSSR drohe, was sich auf ihre Verhandlungen mit den Westmächten auswirken könne.203 Die Antworten der sowjetischen Diplomaten auf Fragen, die im Zusammenhang mit diesem ausgesprochen ungewöhnlichen Ereignis und seinen Folgen für die Außenpolitik des Kremls gestellt wurden, beschränkten sich auf beruhigende Erklärungen über die Unveränderlichkeit des außenpolitischen Kurses.204 Gleichzeitig erhielten die sowjetischen Diplomaten vom NKID wahrscheinlich keinerlei Instruktionen zum Sprachgebrauch, auch Astachov nicht.205 Dies war nicht weiter verwunderlich. Denn Molotov war zeitgleich mit seinem Amtsantritt mit den Angelegenheiten des Volkskommissariats beschäftigt, in dem eine von dem Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Berija geleitete Kommission des ZK ihre Arbeit zur ‚Säuberung der Kader‘ des Narkomindel aufnahm.206 Im Ergebnis dieser Arbeit erfolgte die Entlassung der Leiter aller Abteilungen sowie der Mitarbeiter, die im Rahmen ihrer Tätigkeit mit Litvinov in Berührung gekommen waren. Viele von ihnen wurden bald darauf verhaftet. Damit war der Prozess der personellen ‚Säuberung‘ im Volkskommissariat jedoch keineswegs beendet.207 Über die unmittelbare Resonanz in der NS-Führung auf den Rücktritt des Volkskommissars ist wenig bekannt, aber selbst die spärlichen Informationen berechtigen zu bestimmten Schlussfolgerungen. Joseph Goebbels, der wie gewöhnlich die Ereignisse des Vortags festhielt, notierte am 6. Mai in seinem Tagebuch: „Um Litwinows Rücktritt großes Rätselraten. Man glaubt in London und Paris, daß Moskau sich stärker nach uns orientieren wolle. Wir dementieren das nicht, um die „ernsthaften Konflikts“ zwischen Molotov und Litvinov informiert wurde, der angeblich „aus der illoyalen Haltung des Genossen Litvinov gegenüber dem Sovnarkom der Union der SSR entstanden war“ (Dok. 452). 202 Vgl. God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 333, S. 446. 203 Vgl. DVP, Bd. XXII, Dok. 276, S. 332. 204 Vgl. Majskij, Dnevnik diplomata, Bd. 1, S. 387. 205 Vgl. DVP, Bd. XXII, Dok. 276, S. 332. 206 Vgl. Lubjanka. Stalin i NKVD-NKGB-GUKR „Smerš“, Dok. 39, S. 74. 207 Vgl. A. A. Roščin: V Narkomindele v predvoennye gody (Im Narkomindel in den Vorkriegsjahren). In: Otkryvaja novye stranicy… Meždunarodnye voprosy: sobytija i ljudi (Neue Seiten aufschlagen… Internationale Fragen: Ereignisse und Personen), hrsg. von N. V. Popov, Moskva 1989, S. 48–49.
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6. Der strategische Plan Stalins und die erzwungene Taktik Hitlers Nervosität und Unruhe zu steigern.“208 Wie sich diese Haltung des Reichsministers in den Presseanweisungen niederschlug, lässt sich am Bespiel mehrerer Tage im Mai nach dem Rücktritt Litvinovs nachverfolgen (Dok. 454, 456). So wurden am 5. Mai die Redaktionen der Zeitungen und Zeitschriften dahingehend angewiesen, dass ab sofort „die Polemik gegen die Sowjetunion und den Bolschewismus eingestellt werden“ solle (Dok. 456). Bereits am 6. Mai wurde eine Erläuterung hinsichtlich der Notwendigkeit einer derart drastischen Änderung der Tonart der Presse formuliert, die keinen Zweifel an den zugrundeliegenden Intentionen der NSFührung ließ: „Die deutsche Taktik geht dahin, die Schwierigkeiten der Demokratien auf alle Fälle zu vergrößern und infolgedessen die Sowjetunion zu schonen, da sie durch den Sturz Litwinows von gewissen Tendenzen der Demokratien abgerückt ist.“ (Dok. 459) Die Reaktion Berlins auf Litvinovs Rücktritt war jedoch nicht nur darauf beschränkt. Am 10. Mai wurden die Russland-Experten – Hilger aus Moskau und Schnurre aus Berlin – von Hitler auf den Berghof gerufen. Von der Schulenburg und Köstring befanden sich auf Dienstreise, sodass allein der Umstand einer Berichterstattung in ihrer Abwesenheit die Dringlichkeit für Hitler unterstrich, über die Veränderungen in Moskau Zusätzliches zu erfahren. Den Historikern sind die Details dieses Treffens aus zwei Quellen bekannt: aus Hilgers Memoiren209 und dem Manuskript Schnurres210. Zu den Fragen, die Hitler den beiden stellte, gehörte neben den erwartbaren (Gründe für den Rücktritt Litvinovs, Einschätzung des Zustands der Roten Armee, die politische und wirtschaftliche Lage der UdSSR) auch die folgende: Wäre Stalin „unter gewissen Umständen“211 bereit, mit Deutschland zu verhandeln? Dabei waren in diesem Fall weniger die weitschweifigen Antworten der Ost-Experten von Bedeutung, als vielmehr die Tatsache, dass eine solche Frage überhaupt aufgeworfen wurde. Wenige Wochen zuvor wäre das nahezu unvorstellbar gewesen. Nachdem er den ausführlichen Berichten aufmerksam zugehört hatte, skizzierte Hitler am Ende des Treffens entgegen den Erwartungen der Experten keineswegs seine Vorstellungen einer künftigen deutschen Politik gegenüber der Sowjetunion und gab auch keinerlei Anweisungen dahingehend, wie die Gespräche mit den sowjetischen Vertretern nunmehr zu führen seien.212 Unabhängig davon, welchen kurz- oder langfristigen Einfluss die Berichte auf Hitler ausgeübt hatten, steht außer Zweifel, dass er die Politik der UdSSR und die deutschsowjetischen Beziehungen nach der Absetzung Litvinovs im Blick hatte. Offensichtlich waren in Hitlers Plänen zur Isolierung Polens, die er zwei Wochen später bei einer Besprechung mit dem Oberkommando der Wehrmacht eingehend erläutern sollte (Dok. 476), zu diesem Zeitpunkt keine wesentlichen Änderungen in den deutsch-sowjetischen Beziehungen vorgesehen. Gleichzeitig wurde das effektive Zeichen, dass Stalin – gewissermaßen als eine Art „Einladung zum Tanz“ – mit der Entlassung des langjährigen Repräsentanten der offiziellen Linie der sowjetischen Außenpolitik, des Juden Litvinov, gegeben hatte, vom Antisemiten Hitler 208 209
Die Tagebücher von Joseph Goebbels, Teil I, Bd. 6, S. 339. Vgl. Gustav Hilger: Wir und der Kreml. Deutsch-sowjetische Beziehungen 1918−1941. Erinnerungen eines deutschen Diplomaten, Frankfurt a.M./Berlin 1955, S. 277–281. 210 Vgl. Schnurre, Aus einem bewegten Leben, Bl. 73−75. 211 Schnurre, Aus einem bewegten Leben, Bl. 74. 212 Vgl. Hilger, Wir und der Kreml, S. 281; Schnurre, Aus einem bewegten Leben, Bl. 75.
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I. Einleitung zweifellos verstanden. Dieser beschloss seinerseits, die sich unerwartet eröffnenden Möglichkeiten zu nutzen, um gleich zwei Ziele zu verwirklichen: die Wiederaufnahme der Wirtschaftsverhandlungen mit der UdSSR über ein Kreditabkommen, um die für die Kriegswirtschaft so dringend benötigten Rohstoffe auf devisenfreier Basis zu erhalten, und zugleich eine Annäherung an Moskau zu demonstrieren, wodurch die Bildung einer anglo-französisch-sowjetischen Koalition erschwert würde. Obwohl Hitler, als er dieses Spiel plante, noch nicht wusste, dass er in den kommenden Monaten gezwungen sein würde, es durchaus nicht nach seinem Szenario zu spielen, erfolgten die ersten Schritte Berlins in diese Richtung bereits in der zweiten Maihälfte. Unterdessen trafen in Moskau verschiedene Informationen aus Berlin ein. So gab Schnurre gegenüber Astachov zu verstehen, dass die deutsche Seite vorerst nicht geneigt sei, unter dem Einfluss personeller Veränderungen in der Leitung des Volkskommissariats für Auswärtige Angelegenheiten Wirtschaftsverhandlungen voranzutreiben (Dok. 458). Einige Tage später erhielt Mikojan ein Telegramm vom Stellvertretenden Handelsvertreter in Deutschland, Tevel’ Gorodinskij, mit der Mitteilung, dass Fritz Tschunke ihn aufgesucht habe und die Möglichkeit des Besuchs einer Gruppe von Industriellen und wahrscheinlich auch eines Vertreters des Reichswirtschaftsministeriums sondiert habe, „um die Kreditverhandlungen auf dem Wege eines persönlichen Treffens mit Ihnen zu aktivieren“ (Dok. 461). Der Volkskommissar für Außenhandel traf keine Entscheidung in Bezug auf diese Information und beschränkte sich darauf, Gorodinskijs Telegramm an Stalin weiterzuleiten, ohne irgendwelche Vorschläge zu machen. Stalins Anweisung fiel kurz und knapp aus: „Ich schlage vor, auf den Vorschlag Tschunkes vorerst überhaupt nicht zu reagieren und Gorodinskij mitzuteilen, dass der Vorschlag Tschunkes nicht als seriös anzusehen ist.“ (Dok. 461) Und obwohl diese Reaktion keinerlei Bezug auf die offizielle Einschätzung der Person Tschunkes in der UdSSR (Dok. 114) hatte, enthielt sie doch eine gewisse Unklarheit: Was war der Grund für dieses „vorerst“? Diese Frage klärte sich bald. Die aus Berlin eintreffenden Informationen beschränkten sich freilich nicht nur auf Wirtschaftsthemen. Es wurde zunehmend auf den veränderten Ton der deutschen Presse gegenüber der UdSSR hingewiesen, aber auch darauf, dass die Gesprächspartner Astachovs nachdrücklich betont hätten, wie wünschenswert eine Verbesserung der deutsch-sowjetischen Beziehungen wäre (Dok. 463, 465).213 Inzwischen hatte die Leitung des Auswärtigen Amtes beschlossen, über eine Sondierung auf der Ebene der Bevollmächtigten Vertretung hinauszugehen. Von der Schulenburg, der aus Teheran in Berlin eingetroffen war, wurde Mitte Mai zum Reichsminister bestellt, der ihm die Anweisung erteilte, so schnell wie möglich nach Moskau zurückzukehren und sich um ein Treffen mit Molotov oder Potemkin zu bemühen. Dabei beschränkte sich von Ribbentrop auf ausschließlich mündliche Weisungen. Nach den Erinnerungen des persönlichen Sekretärs von der Schulenburgs, Hans von Herwarth, liefen sie darauf hinaus, der sowjetischen Führung die vertrauliche Information zur Kenntnis zu bringen, dass die deutsche Regierung keine feindlichen Absichten gegenüber der UdSSR hege und es auch keine ideologischen Hindernisse für eine Normalisierung der Beziehungen gebe. Auch müsse 213
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Vgl. auch God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 349, S. 465.
6. Der strategische Plan Stalins und die erzwungene Taktik Hitlers der Botschafter die Position des Kremls in dieser Frage klären. Der Reichsminister betonte, die Instruktion sei allgemeiner Natur und stelle keinen konkreten Vorschlag an die sowjetische Regierung dar. Sie könne möglicherweise als ein erster Schritt zur Normalisierung der Beziehungen betrachtet werden, während die weitere Entwicklung von der Reaktion Moskaus auf diese Mitteilung abhänge. Auf die Frage von der Schulenburgs, welcher Zusammenhang zwischen der versuchten Annäherung an die UdSSR und den laufenden anglo-sowjetischen Verhandlungen bestehe, erwiderte Ribbentrop, dass das die deutsche Regierung nicht beunruhige. Offensichtlich traf dies nicht ganz zu.214 Von der Schulenburgs Unterredung mit Molotov vom 20. Mai ist in drei Dokumenten festgehalten: in einer vom sowjetischen Dolmetscher angefertigten und von Molotov redigierten Gesprächsaufzeichnung (Dok. 471), in einem Telegramm von der Schulenburgs, das nach der Unterredung an das Auswärtige Amt geschickt wurde215, sowie in einer ausführlichen Aufzeichnung, die einem Schreiben an von Weizsäcker beigefügt war (Dok. 475). Inhaltlich gibt es in diesen Dokumenten keinerlei Unterschiede, sowohl was die Darstellung der Positionen der Gesprächspartner als auch die gegenseitige Wahrnehmung des Gesagten betrifft. Dies ist ganz entscheidend für eine adäquate Bewertung der wichtigen Rolle, die diese Unterredung für die spätere Entwicklung der bilateralen Beziehungen spielen sollte, da sie die Bedingungen für die weiteren Verhandlungen festlegte, genauer gesagt ihre Vorbedingungen. Auch im Kreml bereitete man sich auf dieses Treffen mit dem deutschen Botschafter vor, wobei man zu diesem Zeitpunkt bereits über die aktuellen, mit einem Besuch Schnurres verbundenen Vorschläge Berlins informiert war (Dok. 461, 469). Stalin konnte diese Option jedoch keinesfalls zufriedenstellen, die eine Rückkehr zum Stand der Dinge von einigen Monaten zuvor bedeutete. Zu viel Zeit war vertan worden, um mit Verhandlungen auf niedriger Ebene über die Bedingungen für einen deutschen Kredit damit zu beginnen, die Beziehungen zu verbessern, während die internationale Lage eine völlig neue Dynamik erhielt. In dieser Situation kam Stalin zu dem Schluss, dass der Dialog mit Berlin auf eine andere Ebene verlagert werden musste. Dabei sollte der politische Aspekt den Ausschlag geben. Die Wirtschaftsverhandlungen, die ihre Bedeutung nicht verloren hatten, sollten nach Berlin verlegt und ihre Führung an die Handelsvertretung delegiert werden. Durch diese Akzentverschiebung hinsichtlich der Prioritäten bei der Verbesserung der Beziehungen sollten in einem bestimmten Stadium die an der Erarbeitung der außenpolitischen Entscheidungen im ‚Dritten Reich‘ beteiligten Personen in den Verhandlungsprozess einbezogen werden. Um einen Anfang in dieser Richtung zu machen, bedurfte es eines geeigneten Vorwands und der Besuch von der Schulenburgs, der die Frage der Wiederaufnahme der Wirtschaftsverhandlungen zur Grundlage der Unterredung mit Molotov gemacht hatte, kam genau zur rechten Zeit. Als Antwort auf die Information des Botschafters über die Absicht der deutschen Regierung, Schnurre zur Führung von Verhandlungen mit Mikojan nach Moskau zu entsenden, verwies Molotov kurz auf 214 Vgl. Hans von Herwarth: Zwischen Hitler und Stalin. Erlebte Zeitgeschichte 1931−1945, Frankfurt a.M. u. a. 1982, S. 175−177. 215 Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 414, Anm. 2. S. 454.
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I. Einleitung deren fehlende Ergebnisse in den vorangegangenen Stadien und erklärte, dass „wir zu der Schlussfolgerung gelangt seien, dass für einen Erfolg der Wirtschaftsverhandlungen eine entsprechende politische Grundlage geschaffen werden müsste“. Auf die Gegenfrage von der Schulenburgs nach dem Inhalt dieser politischen Basis antwortete der Volkskommissar mit den im Grunde nicht minder bedeutungsvollen Worten, dass „sowohl wir als auch die deutsche Regierung darüber nachdenken sollten“ (Dok. 471). Aus dem Gesagten ging klar hervor, wer denn nun zuerst über die weitere Entwicklung der bilateralen Beziehungen „nachdenken“ und entscheiden sollte, mit anderen Worten, was Hitler Stalin anbieten könne. Trotz aller Bemühungen des Botschafters vermied Molotov jede Konkretisierung dessen, was er mit der „politischen Basis“ meinte, und gab keine klare Antwort auf die durchaus konkrete Frage, warum die Bedingungen für einen Besuch Schnurres in Moskau angeblich aktuell ungünstig seien. Dabei beschränkte er sich darauf, die bereits zitierte Formulierung zu wiederholen – zuerst Schaffung einer „politischen Basis“ und danach die Wirtschaftsverhandlungen. Der Gesamteindruck des Botschafters von der Unterredung mit Molotov findet sich in buchstäblich einem Absatz des Begleitschreibens zur Aufzeichnung dieses Gesprächs, die am 22. Mai an von Weizsäcker geschickt wurde. Natürlich erkannte von der Schulenburg genau, was sich hinter der mehr als offenen Aufforderung zur Aufnahme politischer Verhandlungen, denen konkrete und zudem politische Vorschläge von deutscher Seite vorausgehen müssten, verbarg. Er schrieb, dass ihm „das Verhalten des Herrn Molotow […] recht verdächtig erscheint. Es ist gar nicht anders zu verstehen, als dass ihm die Wiederaufnahme unserer Wirtschaftsverhandlungen als politische Geste nicht genügt und dass er offenbar weitergehende Angebote politischer Art von uns haben will“ (Dok. 475). Der Botschafter nannte Gründe für seinen berechtigten Verdacht und seine weitsichtigen Vermutungen und mahnte zu äußerster Vorsicht, bis sichergestellt sei, dass mögliche Initiativen von deutscher Seite nicht lediglich als Mittel zur Erpressung Englands und Frankreichs eingesetzt würden. Die Reaktion in der Wilhelmstraße auf von der Schulenburgs Telegramm über die Unterredung mit Molotov war kurz gefasst. Es sei nötig „unsererseits nunmehr ganz stillzuhalten und abzuwarten“, ob Moskau auf die Frage zurückkommen würde.216 Nach Erhalt der ausführlichen Einschätzung des zentralen Punkts der Unterredung mit Molotov durch den Botschafter schickte von Weizsäcker am 25. Mai eine Aufzeichnung an von Ribbentrop mit der Anregung, die diplomatischen Bemühungen darauf auszurichten, „zu verhindern, dass die russisch-englischfranzösischen Beziehungen einen noch bindenderen Charakter annehmen und sich weiter intensivieren“ (Dok. 478). Dabei sorgte sich von Weizsäcker nicht wegen der Nutzung der sowjetisch-deutschen Kontakte durch den Kreml, um Druck auf England und Frankreich auszuüben, worauf von der Schulenburg aufmerksam gemacht hatte (Dok. 475), sondern deswegen, weil Moskau Informationen über sie an die japanische Regierung weitergeben könnte. Unterdessen waren die von Hitler bei einer Rede vor den Oberbefehlshabern der Teilstreitkräfte und deren Stabschefs am 23. Mai gesteckten politisch-diplomatischen Ziele sehr allgemein formuliert. Nachdem er die Entscheidung, die ihm 216
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Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 414, S. 454.
6. Der strategische Plan Stalins und die erzwungene Taktik Hitlers praktisch von Warschau aufgezwungen worden sei, bekannt gegeben hatte, „bei erster passender Gelegenheit Polen anzugreifen“, präsentierte Hitler den Anwesenden seine Sichtweise der internationalen Lage. Eine Ausweitung der Militäroperation auf eine Auseinandersetzung mit Großbritannien und Frankreich sei nicht ausgeschlossen und wurde von Hitler als durchaus realistisch eingeschätzt. Seine Befürchtungen hinsichtlich des weiteren Vorgehens in dieser Phase hingen also nicht allein mit dem Polenfeldzug zusammen, sondern vor allem mit einer möglichen Einmischung Englands und Frankreichs in die Militäroperation. Deshalb sei es „Sache geschickter Politik, Polen zu isolieren“, denn das „Gelingen der Isolierung ist entscheidend“ (Dok. 476). Diese Ausführungen Hitlers lassen den Schluss zu, dass er in der zweiten Maihälfte 1939 keine klare Vorstellung davon hatte, wie er den bevorstehenden Feldzug gegen Polen eingrenzen konnte, ohne ihn zu einem europäischen Konflikt werden zu lassen. Obwohl die Sowjetunion in dieser Rede, die einen Meilenstein in der Entwicklung von Hitlers strategischem Denken darstellte, Erwähnung fand, erschien sie nur als ein gewisser Faktor im Falle einer Ausweitung des Konflikts, mit dem ein hoher Grad an Unbestimmtheit verbunden war. Die Position der Leitung des Auswärtigen Amtes gegenüber der Sowjetunion erfuhr nach dieser Besprechung keine Änderung, was nur die Schlussfolgerung bestätigt, dass es Hitler in dieser Frage an Klarheit mangelte. Weiterhin galt als vorrangige und dringende Aufgabe, eine Annäherung zwischen den Westmächten und der UdSSR zu behindern, insbesondere durch die Wiederaufnahme und Ausweitung der Zusammenarbeit mit Moskau auf wirtschaftlichem Gebiet. Dabei fiel die Reaktion des Auswärtigen Amtes auf eine gewisse Intensivierung der Verhandlungen zwischen den Westmächten und der UdSSR217 recht gelassen aus und führte zu keinerlei Korrekturen der buchstäblich kurz vorher ins Auge gefassten Schritte in Richtung Moskau. Darüber hinaus wurde zusätzlich zu der oben erwähnten Aufzeichnung (Dok. 478) umgehend der Entwurf eines Schreibens an von der Schulenburg vorbereitet, das im Namen des Reichsministers abgefasst war (Dok. 479). In Bezug auf die Art der darin enthaltenen Initiativen zur Annäherung an Moskau ging das Dokument viel weiter als die Aufzeichnung, die ihm zugrunde lag. Das Grundmotiv – Befürchtungen hinsichtlich eines möglichen Abkommens zwischen England, Frankreich und der UdSSR – blieb unverändert. In einem der Punkte wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen, Molotov zu erklären, dass es im Falle einer militärischen Auseinandersetzung zwischen Deutschland und Polen in keiner Weise zur Entstehung deutsch-sowjetischer Unstimmigkeiten kommen werde, da „wir […] den russischen Interessen nach Möglichkeit Rechnung tragen würden“ (Dok. 479). Dieser Punkt sprach dafür, dass man in der Leitung des Auswärtigen Amtes die Worte Molotovs bei der Unterredung mit von der Schulenburg, wonach es notwendig sei, zunächst eine „politische Basis“ zu schaffen (Dok. 475), richtig verstanden hatte und bereit war, sich weiter in diese Richtung zu bewegen. Ein derartiges Angebot an Moskau, wäre es Ende Mai/Anfang Juni 1939 tatsächlich gemacht worden, hätte einen äußerst schwerwiegenden und riskanten Schritt bedeutet, und zwar unabhängig von Stalins Reaktion darauf, die zu diesem Zeitpunkt höchstwahrscheinlich ausweichend gewesen wäre. Es ist davon auszugehen, dass Hitler, der 217
Vgl. DVP, Bd. XXII, Dok. 333, 336, 337, 339.
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I. Einleitung die mit einem solchen Schritt verbundenen Risiken besser erkannte als von Ribbentrop und noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft hatte, um den bevorstehenden Krieg mit Polen einzugrenzen, den ihm am 26. Mai zur Genehmigung übermittelten Entwurf der Weisungen für von der Schulenburg ablehnte.218 Damit war jedoch die im Prinzip erste ernsthafte politische Initiative in Richtung Sowjetunion, die von der Leitung des Auswärtigen Amtes entwickelt worden war, noch nicht zu Ende. Wie aus dem Postskriptum eines Schreibens des Staatssekretärs an von der Schulenburg geschlossen werden kann, wurde gemäß den Anmerkungen Hitlers eine „entschieden modifizierte Fühlungnahme mit den Russen“ erarbeitet und genehmigt, wobei man sie in dieser Phase auf ein Treffen zwischen von Weizsäcker und dem Geschäftsträger Astachov beschränkte (Dok 485). Dennoch stellte allein die Einladung des Leiters der sowjetischen Bevollmächtigten Vertretung – noch dazu mit dem Status eines Geschäftsträgers – zu einem Gespräch mit dem Staatssekretär des Auswärtigen Amtes bereits für sich genommen ein außergewöhnliches Ereignis innerhalb von mehr als zwei Jahren219 dar, was – unabhängig von den Motiven – seine Bedeutung für Berlin unterstrich. Obwohl zwischen der Entwicklung des Szenarios für eine politische Sondierung im Rahmen der Besprechung auf dem Landsitz von Ribbentrops am 29. Mai220, seiner Genehmigung durch Hitler und der Unterredung mit dem sowjetischen Vertreter weniger als ein Tag verging, hatte man sich darauf recht gründlich vorbereitet. Eindrucksvoll belegen dies insbesondere zwei im Auswärtigen Amt angefertigte Aufzeichnungen (Dok. 484) 221 , die auf den Ergebnissen der beim Reichsminister abgehaltenen Besprechung basieren. Was die Unterredung selbst betrifft, so zog zunächst die Aufzeichnung von Weizsäckers (Dok. 486) und Jahrzehnte später diejenige Astachovs (Dok. 490) die Aufmerksamkeit von Historikern auf sich, die jedoch keine neuen Elemente in die Interpretation der Absichten der deutschen Seite, die aus dieser Unterredung hervorgingen, einbrachte. Es stellt sich freilich die Frage, ob der Inhalt des Gesprächs, der sich in der Darstellung beider Teilnehmer im Wesentlichen deckte, die Absichten Berlins in vollem Umfang wiedergab. Die ihr vorausgegangenen Dokumente geben keinen Anlass für eine solche Schlussfolgerung. Von Weizsäcker fasste seine Eindrücke von dem am 30. Mai stattgefundenen Treffen mit Astachov zusammen, verglich die Äußerungen seines Gesprächspartners mit dem, was er anderthalb Monate zuvor bei seiner Begegnung mit Merekalov (Dok. 441) gehört hatte und fand keine Unterschiede. Anschließend übertrug er diese Schlussfolgerung de facto auf sein Urteil über die für die bilateralen Beziehungen ausschlaggebende Unterredung zwischen dem deutschen Botschafter und dem Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten vom 20. Mai (Dok. 475) und konstatierte: „Die Episode Molotow-Schulenburg scheint mir demnach mehr das Produkt von Empfindlichkeit und Misstrauen gewesen zu sein als eine planmäßige Abweisung.“ Auf welcher Basis konnte der Staatssekretär eine solche Schlussfolge218 219
Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 441, Anm. 1, S. 490. Zum letzten Mal war laut den bekannten Dokumenten eine Einladung des Bevollmächtigten Vertreters Suric zu einer Unterredung mit von Neurath am 16.1.1937 ergangen. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 626, S. 1546. 220 Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Anmerkung der Herausgeber, S. 500–501. 221 Vgl. auch ebd., Bd. VI, Dok. 499, S. 501.
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6. Der strategische Plan Stalins und die erzwungene Taktik Hitlers rung ziehen, insbesondere in Anbetracht dessen, dass sich laut von Weizsäcker der „Geschäftsträger […] von dem Inhalt des Gesprächs unterrichtet“ gezeigt hatte (Dok. 486)? Wie sich herausstellte, war diese Abweichung auf niemand anderen als Astachov zurückzuführen, den die Leitung des NKID überhaupt nicht auf die Unterredung mit von Weizsäcker vorbereitet hatte. Die Gründe für diese eindeutige Schlussfolgerung finden sich in den Berichten des Diplomaten selbst. So beschreibt er seine Reaktion auf das Befremden des Staatssekretärs bezüglich der von Molotov in seinem Gespräch mit von der Schulenburg am 20. Mai gestellten Vorbedingung für weitere Verhandlungen über Wirtschaftsfragen, die sich eindeutig von der bisherigen Position der sowjetischen Regierung unterschied. Insbesondere, so Astachov, habe er gesagt, „der genaue Inhalt des Gesprächs zwischen dem Volkskommissar und Schulenburg sei mir nicht bekannt“.222 Und schließlich habe er auf die Äußerungen von Weizsäckers über die verschiedenen Möglichkeiten, die sich beiden Ländern in der gegenwärtigen Situation eröffneten, darunter die wie beiläufig erwähnte Teilnahme der UdSSR an Verhandlungen mit den Westmächten, die auf eine ‚Einkreisung‘ Deutschlands abzielten, ganz offen geantwortet, er „wolle ebenfalls nicht auf unsere Verhandlungen mit England eingehen, da ich nicht über sie im Bilde sei“ (Dok. 490). Es ist anzunehmen, dass Astachov, der nicht in die von Molotov gestellte Vorbedingung im Gespräch mit von der Schulenburg eingeweiht und daher gezwungen war, auf die zuvor bekannten Erklärungen bezüglich der Absichten der sowjetischen Führung zurückzugreifen, Berlin ungewollt dazu veranlasste, früher getroffene Entscheidungen etwas zu korrigieren. So hielt es zumindest die Leitung des Auswärtigen Amts für angebracht, die passiv-abwartende Haltung gegenüber der UdSSR in allen Bereichen aufzugeben und die Position Molotovs nicht als Hindernis für einen Dialog über Handels- und Wirtschaftsfragen zu betrachten.223 Dies geschah allerdings noch vor dem Vortrag des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten vom 31. Mai (Dok. 489), der sicher als überzeugendere Begründung für solche Korrekturen hätte dienen können. Aus den mehr als freimütigen Äußerungen des sowjetischen Diplomaten ergibt sich eine offensichtliche Schlussfolgerung: Molotov behielt im Grunde alle Deutschland betreffenden Informationen für sich, wobei er den völlig im Dunklen gelassenen Geschäftsträger instrumentalisierte. Weder waren Astachov am Vorabend eines so entscheidenden Treffens im Auswärtigen Amt notwendige Instruktionen übermittelt worden, noch versorgte man ihn mit allgemeinen Informationen über die wichtigsten Ereignisse in der sich dynamisch entwickelnden internationalen Situation. Dazu hätten ohne Zweifel auch die anglo-französisch-sowjetischen Verhandlungen gehört. Man kann davon ausgehen, dass dies bewusst geschah, damit die deutsche Seite die Informationen, an denen sie interessiert war, nur in Moskau und 222 DVP, Bd. XXII, Dok. 342, S. 405. In der ausführlichen Aufzeichnung dieser Unterredung korrigierte Astachov seine ursprüngliche Aussage, der man seinen Ärger aufgrund mangelnder Informierung deutlich anmerkte. Er schrieb, dass „mir der Inhalt des Gesprächs Schulenburgs mit Gen. Molotov nur zum Teil bekannt sei“ (Dok. 490). 223 Dies wird durch ein Telegramm mit dem Vermerk „Citissime!“ belegt, das von Weizsäcker am 30.5.1939 gegen Mitternacht nach Moskau schickte. Darin wird Hilger angewiesen, „von sich aus und ohne sich auf einen Auftrag zu berufen, Verbindungen mit Mikojan“ aufzunehmen (Dok. 487).
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I. Einleitung nur vom Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten erhalten konnte. Folglich waren ernsthafte Gespräche nur mit Molotov möglich, wenn es speziell um irgendwelche Vorschläge ging, von Verhandlungen ganz zu schweigen. Als Grund für diese Annahme kann die Reaktion der Leitung des NKID auf die Fragen von Weizsäckers gelten, zu deren Klärung der Geschäftsträger aus den oben genannten Gründen nicht in der Lage war. Sie spiegelt sich in Potemkins Vermerk auf der Aufzeichnung dieser Unterredung wider, die im Volkskommissariat am 7. Juni eingegangen war: „Gen. Astachov am 8/VI. geantwortet, dass den Deutschen unsere Antwort in Moskau mitgeteilt wird.“ (Dok. 490) Diese Linie wurde von Molotov bis hin zum 23. August 1939 konstant verfolgt und nur Ende Juli/Anfang August notgedrungen kurzzeitig unterbrochen. Die Gründe für diese ‚Pause‘ werden weiter unten ausgeführt. Es begann ein neues Stadium in den bilateralen Beziehungen, das fast zwei Monate andauerte und in ganz allgemeiner Form so beschrieben werden kann, dass es zwei, auf den ersten Blick nicht als Phasen erkennbare Teile umfasste, eine Art Schwingungsamplitude – eine wirtschaftliche und eine politische. Den Vorrang hatten zweifellos die Geschehnisse auf dem Gebiet der Wirtschaftsdiplomatie, die einen zwar langsamen, aber fortschreitenden Prozess darstellten, der von einer beträchtlichen inneren Dynamik erfüllt war. In politisch-diplomatischer Hinsicht hingegen führten die Episoden sporadischer Aktivität von deutscher Seite vor dem Hintergrund der Hinhaltetaktik des Kremls die nach dem 20. Mai entstandene Situation unweigerlich auf den Nullpunkt zurück. Und dies setzte sich bis über den 20. Juli hinaus fort. Die Bemühungen der deutschen Seite im Handels- und Wirtschaftsbereich verfolgten ein doppeltes Ziel. Zum einen wollte man zu einer Einigung über die Bedingungen für die Gewährung des 200-Millionen-Kredits an die UdSSR gelangen, der die Versorgung der Rüstungsindustrie mit den notwendigen Rohstoffen sowie des Landes insgesamt mit Nahrungsmitteln sicherstellen würde. Zum anderen ging es darum, durch größtmögliche Publizität nicht nur des Abkommens an sich, sondern auch der Verhandlungen selbst einen Keil in die Annäherung der Positionen Moskaus und der Westmächte auf antideutscher Grundlage, die in Berlin große Beunruhigung hervorrief, zu treiben (Dok. 478, 499). Hilger wurde mit einer überaus wichtigen Aufgabe betraut. Er sollte der Wiederaufnahme der Verhandlungen über die wesentlichen Elemente des von deutscher Seite im Dezember 1938 vorgeschlagenen Kreditabkommens einen Impuls verleihen, ohne vorerst jedoch die Frage aufzuwerfen, ob die Verhandlungen selbst wiederaufgenommen werden sollten (Dok. 487). In Anbetracht dessen, dass der Forschung unterschiedlich vollständige Informationen über sieben Gespräche zwischen Hilger und Mikojan zugänglich sind, die sich über anderthalb Monate (von Anfang Juni bis Mitte Juli 1939) erstreckten, kann man sich einen Eindruck vor allem von der Atmosphäre, in der sie stattfanden, und von ihrer Wahrnehmung verschaffen, die zwischen Botschaft und Auswärtigem Amt nicht immer übereinstimmte (Dok. 491, 499, 501, 510, 514, 515).224
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Vgl. auch ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 465.
6. Der strategische Plan Stalins und die erzwungene Taktik Hitlers Die Richtung dieser Vorgespräche zwischen Mikojan und Hilger bestimmte der Volkskommissar bereits im Laufe der zweiten Unterredung am 8. Juni, die in einer sehr angespannten Atmosphäre stattfand und sich zeitweise an der Grenze der in der diplomatischen Praxis üblichen Normen bewegte (Dok. 501). Ihre Ausrichtung und ihr scharfer Ton wurden von Mikojan, der nach dem ersten Treffen mit Hilger (Dok. 491) durch Weisungen von Stalin und Molotov entsprechend vorbereitet worden war, buchstäblich von den ersten Worten an vorgegeben.225 Das Gespräch bestand von Anfang bis Ende aus verschiedenen Variationen des faktischen Ultimatums der sowjetischen Seite: „Wir sind mit der Reise des Herrn Schnurre hierher unter der Bedingung einverstanden, dass unsere letzten Vorschläge226 angenommen werden“ (Dok. 501). Alle Versuche Hilgers, seinen Gesprächspartner davon zu überzeugen, dass die aufgestellten Forderungen Gegenstand von Verhandlungen, aber keine ultimative Bedingung für das Einverständnis zu deren Aufnahme, d. h. zu Schnurres Moskau-Besuch, sein könnten, waren vergeblich. Der Grund für Mikojans unnachgiebige Haltung war nichts Neues im Vergleich zu dem, was Molotov am 20. Mai gegenüber von der Schulenburg erklärt hatte (Dok. 471), nur mit wirtschaftlichen statt mit politischen Argumenten, denen dieselben politischen Überlegungen zugrunde lagen. Dazu kam noch ein weiterer Umstand, der den offenen Unwillen, Schnurre in Moskau zu sehen, erklärte. Gemeint sind die Verhandlungen Molotovs mit englischen und französischen Diplomaten, die Anfang Juni begonnen hatten und bei denen die Grundlagen eines vorgeschlagenen politischen Abkommens zwischen den drei Staaten zur Abwehr der deutschen Aggression besprochen wurden. In dieser Situation wäre das Auftauchen eines deutschen Diplomaten in Moskau, der bereits einmal die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte (Dok. 471), eindeutig unerwünscht gewesen und hätte die Atmosphäre des gegenseitigen Misstrauens, die die zähen Verhandlungen mit den Vertretern der Westmächte ohnehin beherrschte, nur noch verschärfen können.227 Durch die Schaffung eines weiteren Hindernisses während der Gespräche zwischen Mikojan und Hilger suchte Stalin konsequent ein gestecktes Ziel zu erreichen: die Vorverhandlungen über den Kredit nicht abzubrechen, sondern nach Berlin zu verlegen. Neben allem anderem (davon war bereits die Rede) konnte dadurch die Ebene der sowjetischen Vertretung bei den Verhandlungen herabgesetzt werden. Damit wiederum sollte einmal mehr nachdrücklich unterstrichen werden, dass das Handels- und Wirtschaftsabkommen zwar wichtig, für die UdSSR in ihren Beziehungen zu Deutschland in dieser Phase aber nicht vorrangig war. Auch Hitler interessierte sich für Hilgers Gespräche mit Mikojan, was darauf hindeutet, dass die deutsche Seite ihnen nicht nur auf Ressortebene Bedeutung beimaß. Hitler reagierte scharf auf die von Mikojan gestellten Bedingungen, da er sie für inakzeptabel hielt. Er gab die Anweisung, Moskau mitzuteilen, die Deutschen wären unter diesen Umständen „an einer Wiederaufnahme der Wirtschaftsbesprechungen mit Russland z. Zt. nicht interessiert“.228 Eine Woche später erhielt die 225 226 227
Vgl. auch Na prieme u Stalina, S. 260. Die Vorschläge vom 26.2.1939, auf die keine Antwort erfolgte (Dok. 483). Vgl. I. T. Tyšeckij: Proischoždenie Vtoroj mirovoj vojny (Die Entstehung des Zweiten Weltkrieges), Moskva 2020, S. 628–632. 228 ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 583, S. 677.
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I. Einleitung Botschaft jedoch eine in den besten diplomatischen Traditionen gehaltene Instruktion, in der die erwähnte harsche Reaktion Hitlers nicht einmal angedeutet wurde. Ein wichtiger Bestandteil waren taktische Empfehlungen für die Gesprächsführung mit Mikojan, wobei der emotionale Hintergrund Berücksichtigung fand, der die Unterredungen in der letzten Zeit begleitet hatte. Sie sollten nicht „den Charakter einer deutschen Pression“ annehmen und gleichzeitig nicht den Eindruck erwecken, dass sich die Deutschen „in die Lage eines Petenten begeben“ (Dok. 525). Die Reaktion des Kremls, der mit den erhaltenen Informationen – die sich auf eine Reihe zentraler, aber bisher ungelöster Fragen bezogen wie dem Lieferumfang sowjetischer Rohstoffe und deren Nomenklatur – durchaus zufrieden war, erfolgte schnell und kam für die deutsche Seite unerwartet. Bereits am 14. Juli fasste das Politbüro des ZK der VKP (B) einen Beschluss über die Bereitschaft, bei einer Reihe von Fragen bezüglich der Bedingungen des Kreditabkommens seinerseits Zugeständnisse zu machen (Dok. 530). Am 16. Juli bat Mikojan Hilger zu sich und teilte ihm mit, dass bei dem vorangegangenen Gespräch am 10. Juli229 zwar erhebliche Klarheit in den Verhandlungsprozess gebracht worden sei, es aber noch einige Punkte gäbe, die der Präzisierung bedürften. Er habe daher den Stellvertretenden Handelsvertreter in Deutschland Babarin beauftragt, diese Fragen mit Schnurre in Berlin zu regeln.230 Damit war das Stadium der Vorgespräche über das Kreditabkommen abgeschlossen. Das Ergebnis war ein beträchtlicher wirtschaftlicher Gewinn für die sowjetische Seite. Moskau hatte Berlin zwar nicht zwingen können, die sowjetischen Vorschläge vom Februar bedingungslos zu akzeptieren, aber immerhin dazu gebracht, deutlich die Punkte zu benennen, bei denen es zu Zugeständnissen bereit war. Was die politische Komponente der Kreditverhandlungen betrifft, so hatte Moskau seine im Vorfeld anvisierten Ziele in vollem Umfang erreicht. Die Verhandlungen wurden einseitig nach Berlin verlegt, und um den Anschein einer Einigung in der Verfahrensfrage zu erwecken, wurde darüber hinaus – wiederum einseitig – eine Meldung in der zentralen Presse über ihren Beginn in der deutschen Hauptstadt veröffentlicht.231 Das war für Berlin ein klarer Verstoß gegen die übliche Praxis und kam völlig überraschend (Dok. 539). Der Status des sowjetischen Vertreters bei den Gesprächen wurde erheblich herabgesenkt, was automatisch einen komplizierten Mechanismus der Entscheidungsfindung in Gang setzte, auf dessen negative Auswirkungen Schnurre in einer Aufzeichnung hingewiesen hatte (Dok. 517) und dessen Vorteile man im Kreml durchaus erkannt hatte. Der Verlauf der Berliner Wirtschaftsverhandlungen zwischen Babarin und Schnurre, die am 18. Juli begannen (Dok. 532, 533) und in der Nacht vom 19. zum 20. August 1939 mit der Unterzeichnung eines Handels- und Kreditabkommens zwischen den beiden Ländern endeten (Dok. 581)232, lässt sich nur anhand einiger fragmentarischer deutscher und zweier sowjetischer Dokumente beurteilen.233 Lei229 230 231
Vgl. ebd., Dok. 642, S. 745. Vgl. ebd., Dok. 677, S. 780. V Narkomate vnešnej torgovli (Im Volkskommissariat für Außenhandel). In: Izvestija vom 22. Juli 1939, S. 4. 232 Vgl. auch God krizisa, Bd. 2, Dok. 575, S. 280–291. 233 Vgl. Dok. 545, 580 im vorliegenden Band; ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 757; PA AA. R 29911, Bl. 23244.
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6. Der strategische Plan Stalins und die erzwungene Taktik Hitlers der wurden die meisten russischen Dokumente, die sich auf die Wirtschaftsverhandlungen in Berlin beziehen, darunter die sowjetischen und deutschen Entwürfe des Kreditabkommens und andere Arbeitsmaterialien, einschließlich der Korrespondenz zwischen der Handelsvertretung und dem Volkskommissariat, bis heute nicht desekretiert. Die deutschen Dokumente vermitteln keineswegs eine vollständige, aber zumindest eine allgemeine Vorstellung vom Abstimmungsverfahren der einzelnen Punkte des Kreditabkommens, das – angesichts dessen, dass den Teilnehmern der Verhandlungen das Vertrauen in deren erfolgreichen Abschluss fehlte – äußerst gemächlich vor sich ging (Dok. 545). Dies wiederum ist ein weiterer Beleg dafür, dass der Fortschritt in diesem Prozess maßgeblich von den seit dem 26. Juli parallel in Berlin und Moskau laufenden Gesprächen über das politische Verhältnis zwischen den beiden Staaten abhängig war. Die diplomatischen Kontakte, die über die routinemäßigen bilateralen Beziehungen hinausgingen und sich auf deren Gesamtzustand bezogen, befanden sich im Juni und fast den gesamten Juli des Jahres 1939 über in einer Phase der Passivität. In dieser Zeit trat auf deutscher Seite als Initiator von Aktivitäten in der Regel Botschafter von der Schulenburg in Erscheinung, der insbesondere die Leitung des Auswärtigen Amtes aufforderte, politische Verhandlungen aufzunehmen, da er davon ausging, dass für Molotov „[u]nser Vorschlag, nur wirtschaftliche Verhandlungen zu führen, […] ungenügend erschienen“ sei (Dok. 497). Auch erarbeitete die Botschaft eine Reihe von Vorschlägen für alle Bereiche der bilateralen Beziehungen „zur Schaffung einer ,politischen Basis‘“ (Dok. 500). Fünf Wochen nach dem erwähnten Treffen mit Molotov (Dok. 475) stattete von der Schulenburg ihm am 28. Juni einen weiteren Besuch ab. Auch dieses Mal vermied es der Volkskommissar, die Bedeutung des von ihm verwendeten Begriffs „politische Basis“ in irgendeiner Weise zu erläutern. Doch ließ er sich die Gelegenheit nicht entgehen und stellte seinerseits die Frage: Wie stelle man sich in Deutschland die weitere Entwicklung der bilateralen Beziehungen vor? Von der Schulenburg, der diesbezüglich keine neuen Weisungen erhalten hatte, gab eine gänzlich stereotype Antwort (Dok. 521). Dennoch findet sich in seinem kurzen Resümee dieser Unterredung ein gewisser optimistischer Unterton, da Molotov in seinen Äußerungen keine Verbindung zwischen den politischen Bedingungen und den Wirtschaftsverhandlungen hergestellt hatte.234 Auf der Grundlage der Informationen, die er vom Botschafter erhalten hatte, wies von Ribbentrop diesen an, bis auf weitere Weisungen keinerlei die politischen Beziehungen betreffende Gespräche zu initiieren, da von deutscher Seite „genügend gesagt“ sei.235 Es ist bezeichnend, dass Molotovs Reaktion auf das Gespräch mit von der Schulenburg sehr ähnlich ausfiel, wenn auch aus einem anderen Grund. Der Volkskommissar, der die Rückkehr des Botschafters aus Berlin mit neuen Instruktionen mit Ungeduld erwartet hatte (er wurde drei Stunden nach Eingang des entsprechenden Ersuchens empfangen), war sehr enttäuscht. Er hörte überhaupt nichts Neues, außer Fragen, die er nicht zu beantworten beabsichtigte, und die schon traditionellen Beteuerungen, wonach Berlin bestrebt sei, jede Gelegenheit zur Verbesserung der Beziehungen zu nutzen (Dok. 523). 234 235
Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 579, S. 673–674. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 588, S. 680.
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I. Einleitung Obwohl man in Berlin immer noch zögerte, über die Kreditverhandlungen hinauszugehen, schlug von der Schulenburg vor, den Prozess der Annäherung zwischen den beiden Staaten nicht ganz einzufrieren, sondern zur Praxis der „kleinen Dinge“ überzugehen, die sich auf die allgemeine Atmosphäre auswirken könnten. So schrieb er beispielsweise an von Weizsäcker, man würde es in Moskau „als einen Beweis unseres guten Willens empfinden, wenn ihre Botschaft in Berlin, der sowjetische Militär-Attaché usw. ein wenig freundlicher behandelt werden würden“ (Dok. 529). Kurz nach der Absetzung Litvinovs begannen rein äußerliche Veränderungen in Bezug auf die UdSSR, die ausschließlich taktische, weit von einer politischen Annäherung entfernte Ziele verfolgten und vor allem die Aktivitäten der Propagandamaschine betrafen (Dok. 456, 480, 511). Bereits im Mai machten sich Veränderungen im Umgang mit sowjetischen Diplomaten bemerkbar, worüber Astachov und der Presseattaché der Bevollmächtigten Vertretung Andrej Smirnov nach Moskau berichteten (Dok. 465, 473). Dies war allerdings ein keineswegs nachhaltiger Prozess, der sich auch nicht auf alle Teile des deutschen Staatsapparates erstreckte und zudem von vereinzelten Exzessen begleitet wurde. Einer davon war mit der Ende Mai erfolgten Festnahme und zweiwöchigen Inhaftierung des Leiters der Abteilung Stankoimport der Handelsvertretung, Roman Pevzner, verbunden (Dok. 493, 504). Auch Stalin schlug den Weg der kaum bemerkbaren „kleinen Dinge“ ein, indem er die deutschsprachige antifaschistische Propaganda in der Sowjetunion, die für Berlin ein Ärgernis dargestellt hatte, schrittweise eliminierte. Bereits im April 1939 war auf seine Anordnung die literarische Monatsschrift „Das Wort“ eingestellt worden, an der bekannte Schriftsteller der Emigration beteiligt gewesen waren. Am 13. Juli wurde die seit 1926 in deutscher Sprache in Moskau herausgegebene „Deutsche Zentral-Zeitung“ (seit August 1938 „Deutsche Zeitung“), bis Mai 1938 im Verlag „Pravda“ und danach in der Allunionsvereinigung „Meždunarodnaja kniga“ erschienen, geschlossen. Nach dem 20. Juli zeichneten sich vor dem Hintergrund nicht nur des Fehlens jeglicher Dynamik beim Dialog über Fragen der bilateralen Beziehungen, sondern auch des Dialogs selbst, gravierende Veränderungen in der Politik Berlins gegenüber der UdSSR ab. Genau in diesem Klima schickte von Weizsäcker am späten Abend des 22. Juli eine Instruktion an von der Schulenburg mit der Weisung, bei Gesprächen mit den sowjetischen Vertretern über politische Fragen erneut die Initiative zu ergreifen, wobei er nichts übereilen, aber jede Gelegenheit dazu nutzen solle (Dok. 536). Was hatte den Reichsminister – zweifellos in Absprache mit Hitler – dazu veranlasst, dem Botschafter eine solche Weisung zu erteilen? Die zur Verfügung stehenden Dokumente geben auf diese Frage keine Antwort. Es ist daher notwendig, einmal mehr an das wichtigste politische Ziel zu erinnern, das von Hitler bei der Besprechung mit der obersten militärischen Führung am 23. Mai formuliert worden war – die Isolierung Polens, die für die Durchführung eines kurzen lokalen Feldzuges von entscheidender Bedeutung war (Dok. 476). Dabei räumte Hitler der Position Großbritanniens einen zentralen Platz in seinen Überlegungen ein, da dessen Eingreifen in den deutsch-polnischen Konflikt die meisten Befürchtungen auslöste. Die Lösung für dieses Problem bestand seiner und auch von Ribbentrops Ansicht nach zum einen darin, ernsthafte Bedrohungen für Großbritannien an der Peripherie seines Imperiums zu schaffen, es dadurch zu zwingen, die Schlagkraft seiner Flotte
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6. Der strategische Plan Stalins und die erzwungene Taktik Hitlers aufzuteilen und so die Aufmerksamkeit Londons vom europäischen Kontinent abzulenken. Zum anderen sollte die Bildung einer anglo-französisch-sowjetischen Koalition verhindert oder zumindest erheblich verzögert werden. Das erstgenannte Ziel konnte nur mit Hilfe der Partner Deutschlands im Antikomintern-Pakt erreicht werden, die mit ihren Seestreitkräften – Italien im Mittelmeer bzw. Japan in Südostasien – eine Bedrohung für das britische Empire darstellen konnten. Ungeachtet der Unterzeichnung eines militärpolitischen Paktes zwischen Deutschland und Italien am 22. Mai 1939 und des beträchtlichen Propagandaaufwandes, der um dieses Ereignis gemacht wurde, zählte man in Berlin nicht auf Italien als Verbündeten in einem künftigen Krieg.236 Versuche, Japan zur Teilnahme an dem militärpolitischen Abkommen zwischen Berlin und Rom zu bewegen, blieben erfolglos, da Japan dem Abkommen nur dann beitreten wollte, wenn es auf einen Krieg mit der UdSSR ausgerichtet wäre (Dok. 513). Der Abschluss des anglojapanischen Arita-Craigie-Abkommens, mit dem – aufgrund der Aufgabe wichtiger britischer Positionen in China – eine drastische Verschlechterung der bilateralen Beziehungen vorübergehend vermieden werden konnte237, überzeugte Hitler und Ribbentrop schließlich davon, dass mit Japan nicht zu rechnen sei, um Großbritannien von den Ereignissen auf dem europäischen Kontinent abzulenken. Jeder dieser beiden Faktoren für sich stellte die Möglichkeit der deutschen Diplomatie in Frage, den deutsch-polnischen Konflikt einzugrenzen. Deutschland sah sich daher mit der Gefahr konfrontiert, einen Krieg in Europa mit einem ungesicherten Hinterland, ohne einen einzigen echten Verbündeten und mit der Aussicht auf groß angelegte Kampfhandlungen zu beginnen. Indessen war die Vorbereitung seiner Kriegswirtschaft auf einen langwierigen Krieg noch gar nicht abgeschlossen (Dok. 477). All dies kennzeichnete die Situation, in der sich Deutschland Mitte des Sommers 1939 befand. Hitler hatte seiner Entscheidung, Polen anzugreifen, jedoch nicht das objektive Verhältnis des kriegswirtschaftlichen Potenzials Deutschlands zu demjenigen seiner wahrscheinlichen Gegner zugrunde gelegt, sondern ließ sich von einem anderen Kriterium leiten, das er bei der Besprechung am 23. Mai klar formulierte: „Es darf nicht der Grundsatz gelten sich durch Anpassung an die Umstände einer Lösung der Probleme zu entziehen. Es heißt vielmehr, die Umstände den Forderungen anzupassen“ (Dok. 476). Da er das Problem der Isolierung Polens in einem künftigen Feldzug unter den in der Mitte des Sommers 1939 herrschenden Bedingungen nicht lösen konnte, versuchte es Hitler mit einer „Anpassung der Umstände“ an das von ihm anvisierte Ziel, d. h. die ungünstigen Kräfteverhältnisse auf dem Kontinent zu verändern. Zu diesem Zweck rückte er ein politisches Abkommen mit der UdSSR in den Vordergrund, das Deutschland deren wohlwollende Neutralität und breite wirtschaftliche Unterstützung in einem künftigen Krieg zusichern würde. Für Hitler war dies zweifellos eine erzwungene und schwierige Entscheidung, aber es war die einzige, die in dieser Situation umgesetzt werden konnte. Die Ent236 Mitte April 1939 setzte Mussolini Berlin davon in Kenntnis, dass Italien noch nicht für einen Krieg bereit sei und zwei bis drei Jahre brauchen würde, um die Vorbereitungen dafür abzuschließen. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 211, S. 217–219. 237 Masaki Miyake: Die Lage Japans beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs; in: Sommer 1939. Die Großmächte und der Europäische Krieg, hrsg. von W. Benz und H. Graml, Stuttgart 1979, S. 210.
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I. Einleitung schlossenheit, mit der er diesen Plan in Angriff nahm, hatte gewichtige Gründe, vor allem aufgrund der Signale, die vom Kreml seit der Kandelaki-Mission mit unterschiedlicher Intensität regelmäßig an die NS-Führung gesendet worden waren. Dabei war es der Zeitfaktor, der Hitler dazu zwang, unverzüglich eine Entscheidung zu treffen. Es ist anzunehmen, dass der wesentliche Anstoß zur verstärkten Annäherung an die UdSSR von der in Berlin eingegangenen Nachricht über das Abkommen zwischen Großbritannien und Japan ausging. Offensichtlich war eine aktive Sondierung der Stimmung im Kreml nur dann möglich, wenn konkrete Vorschläge gemacht wurden, wie die bilateralen Beziehungen auf eine „politische Basis“ gestellt werden konnten. Dies erforderte bestimmte vorbereitende Schritte. Die diesbezüglichen Aktivitäten der deutschen Diplomatie sind schon vor langer Zeit in veröffentlichten deutschen Dokumenten und in den Erinnerungen einiger an diesen Ereignissen Beteiligter dokumentiert worden. Sie sind auch im vorliegenden Band mit einiger Vollständigkeit vertreten, wobei sie durch in den letzten Jahrzehnten veröffentlichte Dokumente aus russischen Archiven ergänzt wurden – insgesamt mehr als 60 sowjetische und deutsche Dokumente. All dies trägt zu einem umfassenderen und detaillierteren Bild der deutschen Politik und Diplomatie bei. Schwieriger wird es bei der Untersuchung des komplizierten politischdiplomatischen Spiels, das Stalin und Molotov damals hoch spielten, obwohl die Möglichkeiten der Historiker in dieser Hinsicht in den letzten 20 bis 30 Jahren erweitert wurden. Zugleich erschwert das Fehlen von Arbeitsversionen der zugänglichen Dokumente 238 zweifellos die Rekonstruktion einzelner Elemente dieses Spiels. Für die Entscheidungsprozesse im Kreml waren nicht zuletzt die Stalin übermittelten Informationen über Hitlers Politik im Frühjahr und Sommer 1939 von großer Bedeutung. In der Regel erhielt Stalin den Großteil dieser Informationen, auch diejenigen, die sich auf die mutmaßlichen Absichten Hitlers gegenüber der UdSSR bezogen, nicht über diplomatische Kanäle. Obwohl die militärische Aufklärung am Vorabend des Zweiten Weltkrieges durch die Repressionen fast vollständig zerschlagen war, hielt sie einige Verbindungen aufrecht, insbesondere zu einer Gruppe Deutscher in Warschau unter der Leitung von Rudolf Herrnstadt, die seit den frühen 1930er Jahren aktiv für die Hauptverwaltung für Aufklärung (GRU) der RKKA tätig war.239 Die Arbeit dieser Gruppe kurz vor dem Zweiten Weltkrieg wurde in Moskau als sehr effektiv eingeschätzt, was dadurch belegt wird, dass die Aufklärungsverwaltung einzelne Materialien nicht nur an die leitenden Mitarbeiter des Volkskommissariats für Verteidigung, sondern auch an Stalin schickte (Dok. 468, 496, 526). Ihre Agenteninformationen, die sich auf die Zeit von Anfang Mai bis Mitte Juni 1939 beziehen, haben es ermöglicht, den Wandel in den Ansichten der deutschen politischen und militärischen Führung hinsichtlich der Isolierung Polens und der möglichen Rolle der UdSSR in der aktuellen Situation nachzuvollziehen. Zum Beispiel wurde in einem Bericht über eine Unterredung mit Peter Kleist, einer Vertrauensperson von Ribbentrops, am 2. Mai der Wunsch der deutschen Führung 238 Eine äußerst seltene Ausnahme bildet das Exemplar des Entwurfs des Vertrags vom 23.8.1939 mit den Korrekturen Stalins (Dok. 598), 239 Vgl. V. Ja. Kočik: Razvedčiki i rezidenty GRU za predelami Otčizny (Aufklärer und Residenten der GRU außerhalb der Heimat), Moskva 2004, S. 350–351.
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6. Der strategische Plan Stalins und die erzwungene Taktik Hitlers erwähnt, im Falle eines deutsch-polnischen Konflikts „unter allen Umständen die Neutralität der UdSSR [zu] erreichen“ (Dok. 468). Bereits anderthalb Monate später zeichnete Kleist in einem Gespräch ein umfassendes Bild der Absichten Berlins gegenüber der UdSSR. Ihm zufolge „glauben weder der Führer noch Ribbentrop daran, dass sich die Sowjetunion an Kriegshandlungen Englands und Frankreichs gegen Deutschland beteiligen wird“, selbst „wenn sie irgendeinen papiernen Pakt unterschreiben sollte“. Darüber hinaus finden sich in diesen Informationen sehr wirklichkeitsnahe Kurzdarstellungen von Hitlers Plänen für die UdSSR für die nächste Zeit. Angeblich habe der 'Führer' von Ribbentrop mitgeteilt, dass „nach der Entscheidung der polnischen Frage in den deutsch-russischen Beziehungen eine neue Rapallo-Etappe beginnen und […] mit Moskau für eine gewisse Zeit eine Politik der Annäherung und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit geführt werden muss. Friedliche Beziehungen zwischen Deutschland und Russland sind nach Auffassung des Führers in den nächsten 2 Jahren die Voraussetzung für die Lösung der Probleme in Westeuropa“ (Dok. 526). Hier soll nicht darüber spekuliert werden, zu welchem Zweck diese zweifellos sanktionierten Informationen lanciert wurden – je nachdem, für wen sie bestimmt waren. Aber man kann nicht umhin, festzustellen, dass sie in der Rückschau durch die nachfolgenden Ereignisse bestätigt wurden. Lassen diese Informationen, ergänzt durch Berichte aus anderen Quellen, darunter diplomatische (Dok. 535), weitreichende Schlüsse über die Ernsthaftigkeit der Absichten der NS-Führung hinsichtlich der Sowjetunion zu? Ich würde sagen, nein. Dabei geht es nicht nur um Stalins manisches Misstrauen, das sich insbesondere in seiner Haltung gegenüber Berichten aus dem Ausland im Allgemeinen und der Aufklärung im Besonderen manifestierte.240 Stalin verlangte konkrete Beweise für die Absicht Berlins, ein Abkommen – vor allem zu politischen Fragen – mit der UdSSR zu schließen, das durch konkrete Vorschläge untermauert und zudem auf hochrangiger staatlicher Ebene vorgelegt werden sollte. In der Zwischenzeit, von Mai bis Juli 1939, gingen über verschiedene Kanäle mosaikartige Informationen ein, die eine Art Absichtserklärungen der deutschen Seite darstellten und sehr allgemein formuliert waren. Beobachteten Stalin und Molotov in dieser Situation die Entwicklung der Ereignisse weiterhin passiv? Ganz und gar nicht. Im Kreml war insbesondere bekannt, dass die deutsche Führungsspitze sehr am Ausgang der Verhandlungen Molotovs mit englischen und französischen Diplomaten interessiert war (von Mitte Juni und bis Anfang August fanden 13 Treffen statt)241, bei denen die Bedingungen eines politischen Abkommens zwischen den Teilnehmern vereinbart wurden (Dok. 535). Diese Verhandlungen nahmen einen wichtigen Platz im Annäherungsprozess zwischen Moskau und Berlin ein. Die ambivalente Herangehensweise der Führungen Englands und Frankreichs an die Verhandlungen mit der UdSSR war durch zahlreiche Faktoren motiviert. Die Ambivalenz trug nicht nur dazu bei, 240 Vgl. Kratkaja zapis’ ukazanij Stalina po razvedke ot 21 maja 1937 g. na zasedanii v Kremle s rukovodstvom specslužb (Kurze Aufzeichnung der Aufklärungsanweisungen Stalins vom 21. Mai 1937 auf der Sitzung mit der Leitung der Nachrichtendienste im Kreml). In: Sovetskaja voennaja razvedka nakanune vojny 1935–1938 (Die sowjetische Militäraufklärung am Vorabend des Krieges), Moskva 2019, S. 73–77. 241 Bisher ist keine der im Verlauf dieser Verhandlungen angefertigten sowjetischen Aufzeichnungen zugänglich; Historiker müssen sich daher auf die Berichte westlicher Diplomaten beschränken.
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I. Einleitung dass keines der von ihnen anvisierten Ziele erreicht werden konnte, sondern erleichterte Stalin auch die nicht einfache Aufgabe, die Westmächte für ihr Scheitern verantwortlich zu machen. Beim Übergang zu einem aktiven Vorgehen mit dem Ziel einer Annäherung an die Sowjetunion wurde im Auswärtigen Amt beschlossen, in der Anfangsphase den Geschäftsträger der UdSSR, Astachov, als Vermittler einzusetzen (Dok. 539, 540, 541). Über ihn versuchte die deutsche Führung, die Reaktion des Kremls auf die unterbreiteten Vorschläge zu sondieren. Am 26. Juli fand ein informelles Gespräch zwischen Schnurre und Astachov statt, in dem der deutsche Diplomat im Auftrag von Ribbentrops die Konturen dessen skizzierte, was die Reichsführung unter der Schaffung einer „politischen Basis“ für die deutsch-sowjetischen Beziehungen verstand.242 Diese Informationen wurden Stalin von Molotov zur Kenntnis gebracht. Sie wurden zwischen den beiden zweifellos diskutiert und trugen bei ihnen zu dem Eindruck bei, dass die gewählte Taktik in den Beziehungen zu Deutschland, die Molotov in seinem Gespräch mit von der Schulenburg am 20. Mai (Dok. 471) hatte erkennen lassen, Früchte zu tragen begann. Doch auch danach setzte man im Kreml weiterhin auf Abwarten und überließ es Berlin, Initiativen zu entwickeln. Dies wird durch Molotovs Telegramm an Astachov vom 29. Juli bestätigt, das wahrscheinlich abgeschickt wurde, nachdem Moskau die vollständige Aufzeichnung seiner Unterredung mit Schnurre (Dok. 540) erhalten hatte. Ein Satz darin war eine Art Instruktion zur inhaltlichen Reaktion auf die ihm von Schnurre gestellten Fragen: „Wenn jetzt die Deutschen aufrichtig umschwenken und tatsächlich die politischen Beziehungen zur UdSSR verbessern wollen, so liegt es an ihnen, uns zu sagen, wie sie sich diese Verbesserung konkret vorstellen.“ (Dok. 543) Aufgrund dieser Weisung könnte man meinen, dass die Unterredung mit Schnurre nichts Neues im Vergleich zu dem enthalten hatte, was Moskau in den vergangenen zwei Monaten bereits von Botschafter von der Schulenburg gehört hatte. Aber das war nicht der Fall. Astachov, der vom Kreml weiterhin ohne sein Wissen instrumentalisiert wurde, sollte in seinen Gesprächen mit den deutschen Vertretern genau diesen Eindruck erwecken, wodurch Berlin gezwungen wurde, zu anderen Erklärungen und Mitteln zu greifen, um die sowjetische Führung über ihre Vorschläge zu informieren. Das Ausbleiben jeglicher Reaktion aus Moskau auf das gegebene Signal musste die Reichsführung beunruhigen (Dok. 544), sodass von der Schulenburg die Weisung erhielt, sich um ein umgehendes Treffen mit Molotov zu bemühen.243 Gleichzeitig sah der Kreml keinen Grund zur Eile, und so wurde der Botschaft vom Sekretariat des Volkskommissars mitgeteilt, dass dieser den Botschafter erst am 3. August empfangen könne.244 Nach Erhalt dieser Information wurde im Auswärtigen Amt beschlossen, den deutschen Initiativen ohne Zeitverlust einen neuen Impuls zu verleihen. Zu diesem Zweck wurde ein zuvor für den 2. August geplanter Besuch Astachovs bei von Weizsäcker wie zufällig für ein Treffen mit von Ribbentrop genutzt.245 Im Verlauf dieser Unterredung erweiterte der Reichsmini242 243 244 245
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Vgl. SSSR–Germanija: 1933–1941, Dok. 132, S. 188. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 744, S. 861. Vgl. ebd., Anm. 3, S. 861. Vgl. die Aufzeichnung von Weizsäckers vom 2.8.1939. In: PA AA, R 29911, Bl. 23231.
6. Der strategische Plan Stalins und die erzwungene Taktik Hitlers ster den Rahmen eines möglichen politischen Abkommens mit der sowjetischen Führung, wenn auch in sehr allgemeiner Form, indem er erklärte: „[W]ir sind der Auffassung, dass es im gesamten Raum zwischen dem Schwarzen Meer und der Ostsee zwischen unseren Ländern keine Gegensätze gibt. Über alle diese Fragen könne man sich verständigen, wenn die Sowjetregierung diese Voraussetzung teile, dann könne man in konkreterer Weise zu einem Gedankenaustausch kommen.“246 Die Aussagen von Ribbentrops hinterließen im Kreml allem Anschein nach einen weitaus größeren Eindruck als die Worte von der Schulenburgs gegenüber Molotov am nächsten Tag (Dok. 549). Diese ähnelten eher den im Kreml bereits bekannten Erklärungen über die Absicht Berlins, die bilateralen Beziehungen zu verbessern – ergänzt durch Passagen über die Achtung der Interessen der UdSSR in den baltischen Staaten – und nicht der dort so sehr erwarteten klaren Ankündigung der Bereitschaft der deutschen Führung, mit Moskau über konkrete Probleme zu verhandeln. Es ist nicht verwunderlich, dass von der Schulenburgs Aussagen Molotov kaum zufriedenstellen konnten. Dieser beschränkte sich auf die dürftige, keinerlei weitere Reaktion voraussetzende Replik, dass „die sowjetische Regierung dem Bestreben der deutschen Regierung zur Verbesserung der Beziehungen positiv gegenüberstehe“ (Dok. 549). Indessen bestand die Aufgabe Stalins und Molotovs in dieser Zeit darin, zwei äußerst wichtige Prozesse zu vollziehen, von deren Synchronisierung nicht nur der Erfolg ihres wichtigsten Plans, sondern auch der Anschein einer langfristigen Gesichtswahrung – vor allem in den Augen der Weltöffentlichkeit – weitgehend abhängig war. Ziel war es, sich einerseits den Zeitdruck, unter dem die NS-Führung stand, zunutze zu machen, indem man die Vorbereitungsphase der Verhandlungen mit den deutschen Diplomaten in beiden Hauptstädten hinauszögerte. Dies wiederum musste ihre Bereitschaft zu Zugeständnissen steigern und sie unweigerlich dazu veranlassen, den Status des deutschen Unterhändlers zu erhöhen, der mit Entscheidungsbefugnissen ausgestattet wurde, anstatt nur als Zwischenträger zu fungieren. Zugleich war es andererseits notwendig, die trilateralen Militärverhandlungen in Moskau unbeirrt vom ersten Tag an in eine Sackgasse zu treiben. Den Plan, die Verhandlungen zum Scheitern zu bringen, hatte Stalin noch vor deren Beginn gefasst, wie die handschriftliche Instruktion für Vorošilov vom 7. August (Dok. 561) beweist. Alle ihre Punkte zielten darauf ab, die Gespräche durch das Herumreiten auf Verfahrensfragen oder auf der fehlenden Bereitschaft der westlichen Delegationen, konkrete Pläne für einen Krieg mit Deutschland vorzulegen, zu erschweren. Vor allem aber enthielt die Weisung eine völlig unrealistische, im Grunde ultimative Bedingung. Gemeint ist das Problem des Durchmarschrechts sowjetischer Truppen durch das Gebiet Polens und Rumäniens, ohne dessen positive Lösung, so die Instruktion, „die Abwehr der Aggression in jeder beliebigen Variante zum Scheitern verurteilt ist“ (Dok. 561). Der weitere Verlauf der Verhandlungen war eine eindeutige Bestätigung dafür, dass sich die Ereignisse genau nach diesem Szenario Stalins entwickelten. 246 Vgl. das Telegramm Astachovs vom 3.8.1939. In: SSSR–Germanija: 1933–1941, Dok. 137, S. 198. Für die vollständige Aufzeichnung vom gleichen Tag vgl. Dok. 547 in diesem Band.
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I. Einleitung Obwohl sich die Leitung des Auswärtigen Amtes der Rolle bewusst war, die Astachov in dieser Situation im Kreml zugewiesen wurde, blieb der Geschäftsträger ab dem 26. Juli ein wichtiger Verbindungsmann zwischen der deutschen und der sowjetischen Führung. Am 12. August erhielt er, gemäß den zugänglichen Dokumenten, die letzte Weisung von Molotov, in der das Interesse des Kremls an einer Erörterung der von der deutschen Seite vorgeschlagenen Fragen bestätigt wurde. Das Telegramm an ihn endete mit dem Satz: „Wir ziehen es vor, die Gespräche über diese Fragen in Moskau zu führen.“247 Was der Übermittlung dieser Instruktion an den Geschäftsträger vorausging, kann in groben Zügen anhand indirekter Informationen rekonstruiert werden. Laut dem Bericht Astachovs über ein Gespräch mit Schnurre am 10. August sagte der deutsche Diplomat, dass die deutsche Regierung an der Haltung der sowjetischen Führung zum polnischen Problem im Falle eines deutsch-polnischen Krieges sowie an einer Reihe anderer Fragen besonders interessiert sei. „Sie ist bereit, alles zu tun, um uns nicht zu bedrohen und unsere Interessen nicht zu verletzen, aber sie würde gerne wissen, worin diese Interessen bestehen.“248 Astachovs Telegramm erreichte das NKID am 11. August um 4.30 Uhr, Stalin und Molotov erhielten Kopien.249 Was danach geschah, wurde erstmals aus dem Bericht von Aleksandr Jakovlev, dem Vorsitzenden der Kommission „Zur politischen und rechtlichen Bewertung des sowjetisch-deutschen Nichtangriffsvertrages vom 23. August 1939“ auf dem II. Kongress der Volksdeputierten der UdSSR am 24. Dezember 1989 bekannt gegeben. Jakovlev sagte unter anderem: „Am 11. August, am Vorabend des Beginns der Verhandlungen der Militärmissionen [Englands, Frankreichs und der UdSSR, Verf.], beschloss das Politbüro, ‚mit der offiziellen Erörterung der von den Deutschen aufgeworfenen Fragen zu beginnen und Berlin davon zu benachrichtigen‘“. 250 Allerdings erwähnte der Berichterstatter keinerlei Dokumente, die diese Informationen untermauert hätten. Bis heute verfügt die Forschung lediglich über indirekte Belege für die Verabschiedung des Beschlusses251, jedoch nicht über den Text des Beschlusses selbst. Wird er in einem Archiv aufbewahrt, das für Historiker unzugänglich ist, oder hat es ihn als Dokument nie gegeben? Diese Frage ist bis heute offen. Meine Auffassung ist, dass ein solches Dokument nie existiert hat. Für diese Annahme sprechen folgende Fakten: Erstens taucht in der Liste der Fragen, zu denen vom Politbüro des ZK der VKP (B) im August 1939 Beschlüsse gefasst wurden, das Problem der Beziehungen zu Deutschland, das gewöhnlich mit der Formulierung „Frage NKID (Deutschland)“ verschleiert wurde, überhaupt nicht auf.252 Aber eine Entscheidung als solche hat es meiner Meinung nach gegeben. Sie wurde von Stalin und Molotov am Abend 247 248 249 250 251
Vgl. SSSR–Germanija: 1933–1941, Dok. 144, S. 202. DVP, Bd. XXII, Dok. 460, S. 596. Vgl. http:/1939.rusarchives.ru, Nr. 338. Zit. nach Izvestija vom 25. Dezember 1989, S. 6. Vgl. SSSR–Germanija: 1933–1941, Dok. 144, S. 202. Eine dokumentarische Bestätigung dieser Entscheidung Stalins und Molotovs findet sich auch in einem Telegramm Schnurres an von der Schulenburg vom 14.8.1939, in dem er über seine Unterredung mit Astachov am 12.8.1939 informiert. Vgl. ADAP. Ser. D, Bd. VII, Dok. 50, S. 48. 252 Vgl. Rešenija PB za 3 avgusta – 3 sentjabrja 1939 g. In: Politbjuro CK RKP(b) – VKP(b). Povestki dnja zasedanij. 1919–1939: Katalog (Das Politbüro der RKP (B) – VKP (B). Tagesordnungen der Sitzungen), Bd. II, 1930–1939, Moskva 2001, S. 1070–1077.
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6. Der strategische Plan Stalins und die erzwungene Taktik Hitlers des 11. August getroffen, als sich beide zusammen von 20.30 bis 22.30 Uhr in Stalins Arbeitszimmer aufhielten.253 Unterdessen waren die Vorverhandlungen zwischen Deutschland und der Sowjetunion nach Moskau verlegt worden. Diese kurze Zeitspanne (vom 15. bis 21. August) wird im Band in Form von einander ergänzenden Dokumenten vorgestellt, was für diese Periode besonders wichtig ist. Offensichtlich wurde ein positives Ergebnis nicht nur dank der beispiellosen Aktivität Hitlers und von Ribbentrops erzielt, die in vier Telegrammen des Reichsministers mit Instruktionen für von der Schulenburg im Laufe von nur einer Woche zum Ausdruck kam (Dok. 570, 575, 578, 584). Es war auch dem diplomatischen Geschick des deutschen Botschafters zu verdanken, der in Gesprächen mit Molotov – nicht gerade dem nachgiebigsten Gesprächspartner – beharrlich das scheinbar Unerreichbare, nämlich die Zustimmung zum Besuch des Reichsministers in Moskau, innerhalb des engen Zeitrahmens erreichte, auf den Berlin von der Schulenburg eingestellt hatte. Der Hauptgrund für den erfolgreichen diplomatischen ‚Blitzkrieg‘ war jedoch, dass die Bemühungen Hitlers und seiner Diplomaten, die in diesem Stadium der Vorverhandlungen die Form von Vorschlägen für die Aufteilung Europas in Interessensphären angenommen hatten, mit Stalins langjährigem Interesse, die Sicherheit des Landes, wie er sie verstand, auf genau diesem Wege zu gewährleisten, zusammenfielen. Der Inhalt von Molotovs Gesprächen mit von der Schulenburg, der in den russischen Dokumenten ausführlicher wiedergegeben wird, ist bekannt. Hingewiesen sei daher nur auf einige Details, die Molotovs Reaktion auf bestimmte Vorschläge der deutschen Seite betreffen. Bereits im ersten Gespräch, am 15. August, war das Wichtigste, was der Botschafter mitzuteilen hatte, ein grundlegend neues Element in der Position Berlins – die Bereitschaft des Reichsministers, „nach Moskau zu kommen, um Herrn Stalin im Namen des Führers den Standpunkt des Führers darzulegen“254. Diese Worte, wie nicht ohne Grund behauptet werden kann, waren ein Zeichen dafür, dass das ‚Spiel‘, das Stalin und Molotov am 20. Mai 1939 mit Deutschland begonnen hatten (Dok. 471), im Wesentlichen erfolgreich war. Es mussten nur noch die Einzelheiten des künftigen Abkommens vereinbart werden. Daher ließ Molotovs positive Reaktion nicht lange auf sich warten, nachdem für ihn in seinem Arbeitszimmer eine Übersetzung der ihm vom Botschafter ausgehändigten Erklärung (Dok. 572) angefertigt worden war. Zwei Tage später übergab Molotov von der Schulenburg eine Antwort auf die Vorschläge der deutschen Seite. Ihr wichtigster Punkt bestand darin, dass kurze Zeit nach der Unterzeichnung des Handels- und Kreditabkommens der Abschluss eines Nichtangriffsvertrages möglich sein werde „mit gleichzeitiger Annahme eines speziellen Protokolls über die Interessen der vertragschließenden Parteien zu der einen oder anderen Frage der Außenpolitik, das zu einem organischen Bestandteil des Paktes werden sollte“. Dass „der Inhalt des Protokolls Gegenstand von Erörterungen sein müsse“ (Dok. 576), fügte Molotov mündlich hinzu. Diese Klarstellung 253 Na prieme u Stalina, S. 269. Leider wurde kein Faksimile des Formulars von Molotovs Telegramm vom 12.8.1939 an Astachov auf die Webseite von Rosarchiv gestellt, dessen Abgangszeit zweifellos als Bestätigung dienen könnte, dass die endgültige Entscheidung während der genannten Beratung getroffen wurde. 254 God krizisa 1938–1939, Bd. 2, Dok. 556, Anlage, S. 233.
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I. Einleitung deutete schon darauf hin, dass die von Schulenburg verlesene Antwort der deutschen Regierung auf die von Molotov im vorangegangenen Gespräch gestellten Fragen (Dok. 572) den Kreml nicht restlos zufriedengestellt hatte, insbesondere betraf dies den Vorschlag Berlins, „die baltische Staaten gemeinsam mit der Sowjetunion zu garantieren“ (Dok. 575). Ein in den frühen Morgenstunden des 19. August eingegangenes Telegramm des Reichsministers, in dessen erstem Satz es um die Notwendigkeit ging, alle Mittel für ein sofortiges Treffen mit Molotov einzusetzen, liefert eine weitgehende Erklärung für das Verhalten von der Schulenburgs (Dok. 578). Dieser betonte in einer am gleichen Tag stattgefundenen Unterredung mit Molotov mehr als einmal, welche Bedeutung man in Berlin einem baldigen Besuch des Reichsministers in Moskau beimesse. Ribbentrop „wäre mit umfassenden Vollmachten Hitlers ausgestattet, um jedes beliebige Abkommen abzuschließen, das die sowjetische Regierung abzuschließen wünsche“ (Dok. 579). Hitlers Ungeduld hatte Gründe. Sein geplanter Überfall auf Polen rückte unaufhaltsam näher und er suchte die von ihm so dringend benötigten Garantien für eine wohlwollende und nutzbringende Haltung der UdSSR zu erhalten. War sich Stalin dessen bewusst? Natürlich war er das. Daran besteht kein Zweifel, und genau deshalb setzte er das ‚Spiel zur Erhöhung des Einsatzes‘ fort und trieb damit die Ungeduld des 'Führers' auf die Spitze. Ausgehend von seiner sorgfältig ausgearbeiteten Vorgehensweise in den Gesprächen mit von der Schulenburg kam Molotov den Wünschen der deutschen Seite mehr und mehr entgegen, wofür die beiden Treffen zwischen dem Volkskommissar und dem Botschafter am 19. August auch den Beweis lieferten (Dok. 579). Legt man die Aufzeichnung der ersten Unterredung und die kurze Information über das zweite Gespräch zugrunde, kann man den Eindruck gewinnen, dass Molotov in den anderthalb Stunden, die zwischen den Unterredungen vergingen, „die Gewissheit“ erlangte, „dass die Verhandlungen zu konkreten Entscheidungen führen würden“ (Dok. 579). Dies war jedoch nicht der Fall. Es ist anzunehmen, dass nach dem Bericht über die Unterredung an Stalin, gemäß dem Kreml-Szenario, die Entscheidung erfolgte, einen halbherzigen Schritt auf Berlin zuzugehen. Dazu gehörten die Übergabe des sowjetischen Entwurfs des Nichtangriffsvertrages an den Botschafter und die Entscheidung, dass Ribbentrop in der Zeit 26./27. August „nach der Veröffentlichung des Handels- und Kreditabkommens nach Moskau kommen könne“ (Dok. 579). Diese Möglichkeit konnte Hitler keineswegs gefallen (Dok. 576). Hatte Stalin außer den offiziell noch nicht abgebrochenen Verhandlungen der anglo-französisch-sowjetischen Militärmissionen noch irgendwelche anderen Gründe für die Verschiebung des Besuchs von Ribbentrops? Vermutlich nicht. Denn genau die von Vorošilov aufgeworfene Frage des Durchmarschrechts sowjetischer Truppen durch das Gebiet Polens und Rumäniens, auf die es schon allein wegen der ungelösten territorialen Probleme der UdSSR mit diesen Staaten keine positive Antwort geben konnte, erlaubte es, die Verhandlungen jederzeit zu beenden, was am 21. August auch tatsächlich geschah.255 Unterdessen fanden die Verhandlungen über das Handels- und Kreditabkommen in Berlin ihren Abschluss und das Dokument wurde am 18. August auf allen Ebenen abgestimmt. Allerdings 255
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God krizisa 1938–1939, Bd. 2, Dok. 581, S. 300.
6. Der strategische Plan Stalins und die erzwungene Taktik Hitlers spielte Babarin unter verschiedenen Vorwänden auf Zeit und unterzeichnete es nicht, da er auf Anweisungen aus Moskau wartete (Dok. 580). Somit ging es im Kreml nur noch darum, der deutschen Seite einen außergewöhnlichen Schritt abzuringen, was eine Erfolgsgarantie bei den Verhandlungen mit von Ribbentrop hätte sein sollen. Und das wirksamste Mittel in Stalins Arsenal, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen, war der Zeitfaktor. Am Ende des Sommers 1939 konnte er warten, Hitler jedoch nicht. Dass Moskau auf diesen Faktor gesetzt hatte, machte sich vollauf bezahlt. Hitler war gezwungen, sich am 20. August mit einer persönlichen Botschaft an Stalin zu wenden (Dok. 584). Eine positive Reaktion auf diese Botschaft erfolgte innerhalb von anderthalb Stunden nach ihrem Eingang im Kreml.256 Von Ribbentrop konnte am 23. August in Moskau eintreffen, wo am Nachmittag desselben Tages seine Verhandlungen mit Stalin und Molotov begannen, die insgesamt sieben Stunden dauerten und mit der Unterzeichnung des Nichtangriffspaktes und seines geheimen Zusatzprotokolls zum Abschluss kamen (Dok. 599). Über diese Dokumente ist viel geschrieben worden, auch wenn eine umfassende Analyse unter Berücksichtigung der geltenden Normen des Völkerrechts auf der Grundlage des heutigen Wissens über die Vorgeschichte des am 23. August 1939 geschlossenen Abkommens und seine Folgen, die so viele unterschiedliche Aspekte beinhalten, noch aussteht. Wesentlich schwieriger verhält es sich mit den konkreten Verhandlungen am 23. und 24. August im Kreml, deren Verlauf, wie Ingeborg Fleischhauer anmerkt, nur auf der Grundlage der Erinnerungen der deutschen Beteiligten (Joachim von Ribbentrop, Friedrich Gaus, Gustav Hilger) rekonstruiert werden kann.257 Die viele Jahrzehnte nach diesen Ereignissen verfassten Memoiren des sowjetischen Dolmetschers Vladimir Pavlov haben im Grunde nicht dazu beigetragen, die Vorstellung von den Verhandlungen mit von Ribbentrop zu erweitern.258 Somit ist auch heute noch nicht viel über die wichtigste Phase des Verhandlungsprozesses bekannt – die Diskussion und Abstimmung der zu unterzeichnenden Dokumente.259 Ungeachtet dessen sind Historikern in den letzten anderthalb Jahrzehnten zusätzliche Informationen zugänglich geworden, die ein Licht auf die Genese zumindest des nicht geheimen Teils des Vertrages vom 23. 256 257 258
Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 157, 158. Vgl. Fleischhauer, Der Pakt, S. 529, Anm. 84. Vgl. „Avtobiografičeskie zametki“ V.N. Pavlova – perevodčika I.V. Stalina. („Autobiografische Notizen“ V. N. Pavlovs, des Dolmetschers I. V. Stalins), mit einem Vorwort von V.V. Sokolov. In: Novaja i novejšaja istorija, 2000, Nr. 4, S. 94–111. 259 In der offiziellen Fassung der Ribbentrops Verhandlungen im Kreml betreffenden Dokumente des Außenministeriums der Russischen Föderation wird eine Formulierung verwendet, die etwas Hoffnung macht, dass diese Aufzeichnungen eines Tages irgendwo „zufällig“ entdeckt werden könnten: „Die protokollarischen Aufzeichnungen der sowjetischen Seite über den Verlauf dieser Verhandlungen sind im AVP RF nicht vorhanden.“ In: DVP, Bd. XXII, Anm. 177, S. 589. Ein indirektes, aber nicht unbedeutendes Argument für die Schlussfolgerung, dass die sowjetische Seite auch am 23.8. und 24.8. Aufzeichnungen von Gesprächen gemacht hatte, ist die Tatsache, dass am 19.10.1939 „Molotov […] Zitate aus den Aussagen von Gen. Stalin in seinem Gespräch mit Ribbentrop [am 27. bis 28.9.1939], nach dem sich der Botschafter im Zusammenhang mit einer geplanten Rede von Herrn Ribbentrop erkundigt hatte, [an Schulenburg übermittelte]“. (ebd, Dok. 699, S. 200). Vgl. auch Sergej Slutsch: 17. September 1939: der Eintritt der Sowjetunion in den Zweiten Weltkrieg, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 2000, Heft 2, S. 219–254, hier S. 241.
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I. Einleitung August 1939 werfen. Es handelt sich um die 2009 veröffentlichten deutschen und sowjetischen Entwürfe des Nichtangriffspaktes, mit Stalins Korrekturen (Dok. 598), die den Inhalt des mit von Ribbentrop abgestimmten Abschlussdokuments (Dok. 599) bestimmten. Man muss allerdings bedenken, dass der sowjetische Vertragsentwurf dem deutschen Botschafter bereits am 19. August übergeben wurde (Dok. 579). Es ist daher nicht verwunderlich, dass der deutsche Entwurf, den von Ribbentrop an Stalin und Molotov übergab, vom Leiter der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes, Friedrich Gaus, ausgearbeitet und dann vom Reichsminister und Hitler unter Berücksichtigung des sowjetischen Entwurfs genehmigt wurde. Da die Absichten Stalins und Hitlers im Wesentlichen übereinstimmten, enthielt auch der deutsche Entwurf die wichtigsten vom Kreml vorgeschlagenen Punkte, in einigen Fällen allerdings mit leicht unterschiedlichen Formulierungen. Die weiteren Arbeiten am Text des Dokuments wurden bereits von Stalin, Molotov und von Ribbentrop gemeinsam durchgeführt. Für Stalin, der im Gegensatz zu Hitler den Verhandlungen über den Inhalt des Geheimprotokolls die größte Bedeutung beimaß, waren die Artikel des veröffentlichten Teils des Abkommens zwischen Moskau und Berlin dennoch nicht unwesentlich. Dies mag nicht nur durch den Wunsch diktiert gewesen sein, über ein Dokument zu verfügen, in dem es rechtsgültige Verpflichtungen gab, die öffentlich gemacht wurden. Hier ist der Wunsch vorhanden, die UdSSR gegenüber der Außenwelt als beständige Verfechterin der Prinzipien einer friedliebenden Politik beim Abschluss von Nichtangriffsverträgen darzustellen, nach deren Buchstaben sie nur selbst zum Objekt von Kriegshandlungen werden konnte, aber keinesfalls zu deren Initiator. Nach Stalins Korrekturen in der deutschen Fassung des Textes (Dok. 598) zu urteilen, war er vermutlich genau durch solche Überlegungen motiviert und bestand während der Verhandlungen auf der von ihm vorgeschlagenen Formulierung von Artikel II des Vertrages. Bei der Bewertung der in der Nacht vom 23. zum 24. August 1939 im Kreml unterzeichneten Dokumente (Dok. 599) muss festgestellt werden, dass es sich bei ihnen im veröffentlichten Teil de jure um ein Abkommen über uneingeschränkte Neutralität handelte. Die Grundlage für eine solche Interpretation des Textes ist vor allem das Fehlen eines Artikels, der in früher von der UdSSR mit einer Reihe von europäischen Staaten unterzeichneten Nichtangriffsverträgen vollkommen üblich gewesen war und der im Narkomindel traditionell als „unveränderlicher Bestandteil eines jeden Nichtangriffspaktes“ betrachtet wurde.260 Gemäß diesem Artikel trat das geschlossene Abkommen außer Kraft oder räumte einer der Parteien das Recht ein, vom ihm zurückzutreten, wenn die andere Partei einen beliebigen dritten Staat angriff. Das Fehlen eines solchen Artikels setzte jedoch einer möglichen Aggression keine Grenzen, sondern bedeutete im Gegenteil einen Anreiz dazu, da der Nichtangriffsvertrag dadurch de facto zu einem Abkommen über die uneingeschränkte Neutralität jeder der Parteien gegenüber der Politik der anderen Partei erweitert wurde, d. h. der Aggressor erhielt völlige Handlungsfreiheit. Darüber hinaus verletzte der veröffentlichte Teil des Paktes die zuvor von der UdSSR gegenüber Polen gemäß dem Nichtangriffsvertrag mit diesem übernommene Verpflichtung, „an keinem Abkommen teilzunehmen, das unter dem Gesichtspunkt der 260
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DVP, Bd. XVII, Dok. 53, S. 133.
6. Der strategische Plan Stalins und die erzwungene Taktik Hitlers Aggression offen feindlich gegen die andere Partei gerichtet ist“.261 Das war bei dem am Vorabend des Überfalls auf Polen geschlossenen sowjetisch-deutschen Abkommen zweifellos der Fall. Was das Geheime Zusatzprotokoll zum Vertrag vom 23. August 1939 betrifft, das einen „organischen Bestandteil des Paktes“ (Dok. 576, Anl. 1) darstellte, so wurde darin eine Vereinbarung zwischen den beiden totalitären Regimen über die Aufteilung der Interessensphären in Osteuropa fixiert, deren erstes Opfer dann Polen wurde. Beide Seiten waren mit dem unterzeichneten Pakt zufrieden. Hitler, der ihn einen „Pakt mit dem Satan“262 nannte, verbarg seine Genugtuung über das Erreichte nicht. Denn der Pakt wurde genau zu dem Zeitpunkt geschlossen, als er ihn am meisten brauchte. Das Abkommen stellte nicht nur die Belieferung Deutschlands mit großen Mengen an Rohstoffen und Nahrungsmitteln sicher, sondern nahm vor allem auch die Gefahr eines Zweifrontenkriegs von der Tagesordnung. Gleichzeitig blieb das Hauptziel des außenpolitischen Programms – die Zerschlagung und Eroberung der Sowjetunion – während des gesamten Zeitraums des Nichtangriffspaktes, der de facto ein „Noch-Nichtangriffspakt“263 war, unverändert. Stalin seinerseits verwirklichte endlich sein lang gehegtes Ziel eines politischen Abkommens mit NS-Deutschland. Darüber hinaus erreichte er mit Hitler eine Vereinbarung, von der er vorher nicht einmal zur träumen gewagt hatte – eine Abgrenzung der Interessensphären in Europa. Von nun an und fast zwei Jahre lang standen nicht nur die Beziehungen zwischen Berlin und Moskau, sondern auch die gesamte Außenpolitik der UdSSR unter dem enormen Einfluss der sowjetischdeutschen Abkommen von 1939. Damit wird sich bereits der vierte und letzte Band der Dokumentenedition beschäftigen. Moskau 2022
Sergej Slutsch
261 262
DVP, Bd. XV, Dok. 300, S. 438. Generaloberst Halder. Kriegstagebuch. Tägliche Aufzeichnungen des Chefs des Generalstabes des Heeres 1939–1942, bearbeitet von Hans-Adolf Jacobsen, Stuttgart 1962, Bd. 1, S. 38. 263 Rolf Ahmann: Nichtangriffspakte: Entwicklung und operative Nutzung in Europa 1922–1939, Baden-Baden 1988, S. 641.
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I. Einleitung
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II. Vorbemerkungen zur Edition
II. Vorbemerkungen zur Edition II. Vorbemerkungen zur Edition https://doi.org.10.1515/9783110986532-002 II. Vorbemerkungen zur Edition
In den dritten Band wurden 599 sowjetische und deutsche Dokumente aufgenommen, die den Beständen folgender zwölf Archive in Russland und in Deutschland sowie zusätzlich aus einem in der Ukraine entstammen: Archiv der Außenpolitik der Russischen Föderation (AVP RF), Russisches Staatliches Archiv für Sozial- und Politikgeschichte (RGASPI), Russisches Staatliches Militärarchiv (RGVA), Staatsarchiv der Russischen Föderation (GARF), Russisches Staatsarchiv für Wirtschaft (RGAĖ), Russisches Staatsarchiv für Neueste Geschichte (RGANI) – alle Moskau; Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (PA AA), Bundesarchiv-Lichterfelde (BArch), – beide Berlin, Bundesarchiv/Militärarchiv (BA-MA), Freiburg i. Br., Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv (RWWA), Köln, Archiv des Instituts für Zeitgeschichte (IfZ), München, sowie Archiv des Ukrainischen Sicherheitsdienstes (OGA SBU), Kiev.
Auswahlkriterien und Dokumentengestaltung Der Grad der Repräsentativität der im dritten Band aufgenommenen Dokumente hängt in erster Linie von den Arbeitsbedingungen (Zugänglichkeit zu Archiven, Freigabe der Dokumente, Zugang und Vollständigkeit von Findbüchern, Dienstbereitschaft der jeweiligen Archivleitungen) in den Moskauer Archiven ab. Was die deutschen Archive betrifft, so unterlagen die Herausgeber keinen Einschränkungen beim Zugang und bei der Benutzung, es standen auch immer Hilfsmittel für die Suche und Erschließung von Dokumenten zur Verfügung. Hingegen bestand das größte Problem hier darin, ganz bestimmte Dokumente zu ermitteln, da sie aller Wahrscheinlichkeit nach entweder noch während des Krieges vernichtet wurden oder durch Kriegseinwirkungen verlustig gegangen waren. All diese Umstände haben die Herausgeber dazu veranlasst, bei den Dokumenten nicht nach der Originalfassung letzter Hand zu suchen, sondern jeweils das aufgefundene Dokument – auch wenn als Kopie oder als Durchschlag für die Ablage vorliegend – zu edieren. Sie waren dabei bestrebt, all das wiederzugeben, was sich auf die endgültige Redaktion des Dokumententextes bezieht und was an Informationen auf dem Dokument zu finden war: äußere Gestaltung (Nummer des veröffentlichten Exemplars, Kopfbogen, Geheimhaltungsvermerk, Ausgangsnummer, Registrierstempel, Angaben über die Anzahl der Exemplare und zum Verteiler), hand- und maschinenschriftliche Korrekturen und Ergänzungen sowie Bemerkungen des Empfängers des Dokuments (Vermerke, Kommentare, Unterstreichungen im Text, Anstreichungen am Seitenrand). Die handschriftlichen Ergänzungen auf den sowjetischen Dokumenten wurden auch in diesem Band nach Schreibstift (Tintenfüller, Bleistift, Farbstift) bzw. nach Farben unterschieden. Lediglich die Anordnung dieser Angaben wurde behutsam vereinheitlicht. Nicht alles konnte dabei entziffert werden. Bereits veröffentlichte Dokumente wurden – soweit es möglich war – nach dem Archivdokument ediert. Bei diesen Dokumenten wird dann nur die Erstveröffentlichung erwähnt, es sei denn, es gibt unterschiedliche Textvarianten oder zusätzliche technische Informationen auf dem Exemplar, was vor allem auf Quellen aus dem Moskauer Präsidentenarchiv zutrifft. Ziel dieser mitunter nicht immer leserfreundlichen, da formal nicht vereinheitlichten Edierung war es, nicht nur den Inhalt eines Dokumentes wiederzugeben, sondern auch die Genese eines Textes sowie die
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II. Vorbemerkungen zur Edition Rezeption widerzuspiegeln. In Bezug auf die russischen Akten folgt die Edition den in Russland gültigen Regeln für die Herausgabe von Dokumentenpublikationen. Am Ende des Wortlautes des Dokuments und vor der Legende befinden sich Angaben über Unterschrift, Vermerke, Registrierstempel, Anzahl der Exemplare und zum Verteiler an die Empfänger. Dies erfolgt unabhängig davon, an welcher Stelle im Dokument sich diese Angaben befinden. Auf russischen Dokumenten befindet sich der Stempel jedoch immer, soweit nicht anders vermerkt, auf dem ersten Blatt des Dokuments. Der von den Herausgebern formulierte Kommentar ist in kursiver, wörtliche Übernahmen aus dem Dokument sind in normaler Schrift gehalten.
Anordnung und Schreibweisen Die Dokumente wurden chronologisch geordnet. Gerade durch das dichte Nebeneinander der sowjetischen und deutschen Vorgänge unterschiedlichen Inhalts und verschiedener Institutionen lässt sich die Komplexität der Beziehungen erschließen. Dokumente gleichen Datums wurden von den Herausgebern nach Einzelprüfung des Inhalts platziert, denn mit Ausnahme der chiffrierten Telegramme war eine genaue Tageszeitangabe weder in der UdSSR noch in Deutschland gebräuchlich. Die Texte der Dokumente sind den derzeit gültigen Rechtschreibregeln angepasst, um eine Einheitlichkeit der deutschen und der übersetzten Dokumente zu erreichen. Lässt der Duden mehrere Schreibweisen zu (im Stande/imstande, zur Zeit/zurzeit), werden beide Varianten je nach Vorkommen beibehalten. Offensichtliche Fehler in Orthografie und Interpunktion oder Druckfehler, die keine inhaltliche Veränderung nach sich ziehen, sind stillschweigend korrigiert worden. Bei allen anderen Fehlern und Ungenauigkeiten (gedanklichen Fehlern, deutlich veränderter Schreibweise von Namen bzw. Eigennamen oder veralteten Bezeichnungen, nicht exakten Datenangaben usw.) erfolgt die jeweilige Korrektur ausschließlich als Anmerkung in der Fußnote. Für die übersetzten Namen und Bezeichnungen wurde die wissenschaftliche Transliteration gewählt. Ausnahmen wurden nur dort gemacht, wo die Transliteration der geläufigen Lesart völlig widerstrebte, wie beispielsweise ZK für CK (aber nicht bei CIK oder CKK) oder Trotzki für Trockij. Die Schreibweise von russischen Eigennamen und geografischen Bezeichnungen in den deutschen Dokumenten wurde so beibehalten, wie es bei der Abfassung des Dokumentes gehandhabt worden war, eine entsprechende Erläuterung erfolgt in den Fußnoten nur bei missverständlichen Formen. Dadurch existieren für die russischen Namen zum Teil mehrere Varianten, die jedoch alle im Personenregister mit Verweis auf die korrekte Bezeichnung aufgeführt sind. Personennamen aus den sowjetischen Quellen, bei denen wir über eine gesicherte deutsche Schreibweise verfügen (in der Regel sind es deutsche Staatsangehörige), werden nicht transliteriert.
Übersetzungsfragen und Markierungen Die stilistischen Eigenarten der Texte wurden bei der Übersetzung soweit wie möglich beibehalten. Diese Eigenheiten der russischen Dokumente ergeben sich zum Teil daraus, dass einige Texte offensichtlich unter einem großen Zeitdruck verfasst worden sind, um sie noch mit der laufenden Post oder mit dem Kurierdienst abschicken zu können. Bezüglich der Terminologie entstanden bei der Übersetzung
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II. Vorbemerkungen zur Edition mitunter Schwierigkeiten, die damit verbunden waren, dass die Konnotation von Begriffen sich änderte oder nicht exakt wiederzugeben war. Beispielsweise ist der Terminus ‚Tagebuch’ sowohl in den deutschen als auch in den russischen Dokumenten beibehalten worden. Während es sich bei den deutschen Dokumenten lediglich um eine Form der Registratur handelt, ist mit dem russischen Begriff die Aufzeichnung der Diplomaten über ihre Treffen mit ausländischen Gesprächspartnern gemeint. Ausgelassene Wörter bzw. Textstellen werden in eckigen Klammern ergänzt. In den Fällen, in denen es nicht möglich war, die Auslassungen im Text zu rekonstruieren, sind diese Stellen durch Auslassungspunkte in eckigen Klammern gekennzeichnet und dies in den Fußnoten vermerkt. In eckige Klammern sind weiterhin Aufschlüsselungen von Abkürzungen gestellt, davon ausgenommen sind die im Abkürzungsverzeichnis aufgeführten Abkürzungen. Abgekürzte Namen wurden pro Dokument nur einmal aufgeschlüsselt. Fehlende oder unvollständige Daten im Kopf des Dokumentes sowie Wörter (oder Teile davon) und Unterschriften, deren Lesbarkeit Schwierigkeiten bereiten, sind gleichfalls in eckige Klammern gesetzt. Auslassungen innerhalb von in Dokumenten vorkommenden Zitaten sind durch drei Punkte in eckigen Klammern gekennzeichnet. Drei Punkte ohne eckige Klammern stehen so im Dokument. Die überwiegende Mehrheit der Dokumente kommt ungekürzt zum Abdruck. Kürzungen erfolgen nur dann, wenn der Inhalt keinen Bezug zum thematischen Rahmen des Bandes hat (etwa Aufzeichnungen über Gespräche protokollarischen Charakters oder Gespräche mit Diplomaten dritter Staaten sowie zu speziellen Fragen). Die ausgelassenen Dokumententeile sind mit in eckigen Klammern gesetzten drei Punkten gekennzeichnet. Die Dokumente sind in der Regel maschinenschriftlich geschrieben worden; handschriftliche Dokumente bzw. Textpassagen sind in der Legende bzw. in den Fußnoten ausgewiesen. Maschinenschriftliche Unterstreichungen wurden im Text belassen, bei in den ADAP veröffentlichten Dokumenten gegebenenfalls nach den Originalen hinzugefügt. Bei Telegrammen wurde die Punktlinie (unsichere Entzifferung) beibehalten. Handschriftliche Unterstreichungen im Text und Anstreichungen am Seitenrand, die vom Empfänger oder von der Person stammen, der das Dokument zur Kenntnisnahme zugeleitet wurde, sind mit dem Zeichen *…* gekennzeichnet. Ein maschinen- oder handschriftlich hinzugefügter bzw. veränderter Text ist mit dem Zeichen **…** ausgewiesen, auf dieselbe Weise sind durchgestrichene Texteile gekennzeichnet, der ursprüngliche oder weggelassene Text wird in den Fußnoten vermerkt. Auch die Schreibung in Großbuchstaben wurde wie im Originaltext belassen, nicht jedoch die Sperrung von Wörtern, da sie keiner Systematik folgte. Fett- und Kursivsetzungen wurden so wie im Archivdokument bzw. wie in der Veröffentlichung vorgefunden übernommen. In den Dokumenten (nicht in den Fußnoten) genannte Zeitungen oder Zeitschriften wurden einheitlich in Anführungszeichen gesetzt.
Titel und Datierung Jedes Dokument ist mit einer laufenden Nummer und mit einem von den Herausgebern formulierten Titel versehen, wobei der ursprüngliche Titel des Dokumentes davon unberührt bleibt. Diese Titel der Herausgeber enthalten Angaben zur Art des Dokuments (Schreiben, Note, Bericht, Aufzeichnung einer Unterredung, Protokoll-
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II. Vorbemerkungen zur Edition auszug, Beschlussvorlage usw.) und zur Dienststellung der Personen, die die Verfasser und die Empfänger des Dokumentes sind. Die Bezeichnungen der Dokumentenart sind von den Herausgebern nach dem Inhalt der Dokumente und dem Bestreben nach einer gewissen Vergleichbarkeit deutscher und russischer Aktenvorgänge vergeben worden. So wird beispielsweise die Bezeichnung „Chiffretelegramm“ im Titel nur für den geheimdienstlichen Schriftverkehr verwendet; im diplomatischen Dienst sowohl Deutschlands als auch der Sowjetunion wurden alle Telegramme chiffriert. Eine inhaltliche Erläuterung wird in den Titeln nicht gegeben. Bei der Angabe der offiziellen Funktion eines deutschen Gesprächspartners kann es im Titel des Dokuments und in der Überschrift bzw. im Text zu Unstimmigkeiten kommen, da die sowjetischen Diplomaten mitunter ihre eigenen Bezeichnungen verwendeten oder sich nicht immer genau in der deutschen Terminologie auskannten. Die Dokumente, die entweder als separates Dokument oder als Teil des Eintrags im offiziellen Tagebuch ausgewählt wurden, werden nicht nach dem Datum des Gesprächs veröffentlicht, sondern nach dem Datum des Berichts über das Gespräch. Dies betrifft vor allem die sowjetischen Dokumente. Bei fehlendem Datum im Kopf des Dokuments wurde angestrebt, eine Datierung anhand des Inhalts, des Datums eines Begleitschreibens oder von Geschäftsvermerken zu ermitteln. In solchen Fällen ist das Datum rechts oben in eckigen Klammern gesetzt. Wenn die Datierung aufgrund des Inhalts erfolgte, wird außerdem in einer Fußnote erläutert, auf welcher Grundlage die diesbezügliche Ermittlung vorgenommen wurde. War es nicht möglich, ein exaktes Datum zu ermitteln, so ist das mit dem Vermerk „nicht früher als“ oder „nicht später als“ gekennzeichnet. Da der Fond 059 (ChiffreTelegramme) im AVP RF gesperrt ist, ist es nicht generell möglich zu sagen, ob die besonders relevanten Informationen aus den Tagebuchaufzeichnungen, die später an die Zentrale geschickt wurden, nicht schon am gleichen Tag dem NKID vorlagen.
Legende, Kommentierung und Register Am Ende eines jeden Archivdokumentes folgt die Legende, die die Abkürzung des Archivs, den Bestand, das Verzeichnis, die Mappe (nur bei AVP RF), die Akte und das Blatt enthält. Daran schließt sich bei den russischen Dokumenten an, worum es sich bei dem veröffentlichten Exemplar handelt (Original, beglaubigte Kopie, Kopie). Als Original gilt ein Dokument nur dann, wenn es vom Verfasser eigenhändig unterschrieben ist. Wenn Dokumente aus russischen Archiven in deutscher Sprache vorlagen, ist das an dieser Stelle vermerkt. Es folgt der Nachweis der Erstveröffentlichung, falls das Dokument in Publikationen mit vergleichbaren wissenschaftlichen Standards bereits publiziert wurde. Wenn es nicht möglich war, früher unvollständig veröffentlichte Dokumente anhand des Originaltextes zu überprüfen und zu vervollständigen, so erfolgt deren Abdruck unverändert in der Form der Erstveröffentlichung. Einige wenige deutsche veröffentlichte Dokumente konnten nicht mit dem Original verglichen werden, da diese sich im Prozess der Digitalisierung befanden. Die Umstellung der Signaturen, die im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes durchgeführt wurde, wird für diese Edition nicht mitvollzogen, um keine zusätzliche Verwirrung zu stiften. Am Ende von Band 4 wird eine Konkordanz zur schnelleren Bestellmöglichkeit in dem für das PA AA neuen Recherchesystem Invenio mitgeliefert.
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II. Vorbemerkungen zur Edition Die Fußnotenzählung erfolgt in arabischen Ziffern für jedes Dokument separat und ist nicht getrennt nach inhaltlichen und textkritischen Anmerkungen. Die inhaltliche Kommentierung ist rein sachlich-informativer Art und beinhaltet keinerlei Wertungen. Kommentare in den Fußnoten, die über ein allgemeines Nachschlagewissen hinausgehen, werden belegt (veröffentlichte und unveröffentlichte Dokumente, statistische Nachschlagewerke, Periodika; in Ausnahmefällen auch Memoiren). Die Verweise auf veröffentlichte Dokumente erscheinen ohne Titel, die auf Archivdokumente in der Regel mit Titel. Die Dokumente werden durch Regesten erschlossen und die Edition durch ein annotiertes Personenregister, ein Sachregister, ein Abkürzungs- sowie ein Archivund Literaturverzeichnis ergänzt. Kommen Abkürzungen nur einmal vor, werden sie in der Fußnote erläutert.
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II. Vorbemerkungen zur Edition
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III. Dokumentenverzeichnis
III. Dokumentenverzeichnis III. Dokumentenverzeichnis https://doi.org.10.1515/9783110986532-003 III. Dokumentenverzeichnis
1. Erlass des Stellvertreters des Führers der NSDAP Heß, 19. April 1937 Anordnung, den Kampf gegen den Bolschewismus zu führen und nicht gegen slawische Völker, um die „Friedensarbeit des Führers“ nicht zu stören . . . . . . .
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2. Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an den Botschaftsrat im AA Fürst von Bismarck, 19. April 1937 Berichtet von Gerüchten im Moskauer diplomatischen Corps über eine Annäherung zwischen Deutschland und der UdSSR aufgrund einer geringeren sowjetischen Pressekampagne gegen Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Aufzeichnung der Unterredung des Leiters der 2. Westabteilung im NKID Štern mit dem Botschaftsrat in Moskau von Tippelskirch, 19. April 1937 Pörzgen könne nur als neuer deutscher Pressevertreter nach Moskau kommen, wenn dafür Just abreise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4. Bericht des Volkskommissars für Innere Angelegenheiten der Ukrainischen SSR Balickij an den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten der UdSSR Ežov, 20. April 1937 Übersendet Materialien, die aus einem Tresor des Deutschen Konsulats in Odessa stammen und vom NKVD kopiert wurden; darunter sind der Schriftverkehr mit den Militärattachés, mit der Botschaft und dem AA sowie Anweisungen zum Chiffreverkehr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5. Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, 21. April 1937 Litvinov schlägt vor, der deutschen Seite ein Angebot zu machen, dass als Kompensation für die Freilassung deutscher Staatsbürger in Deutschland verhaftete Sowjetbürger freigelassen werden sollen; außerdem soll die Deutsche Regierung auf Franco einwirken, sowjetische Schiffsbesatzungen aus spanischer Internierung freizugeben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6. Schreiben des Chefs der 5. Unterabteilung in der Abteilung T 3 des Generalstabes des Heeres Spalcke an den Militärattaché in Moskau Köstring, 21. April 1937 Übermittelt Informationen aus Berlin, die die UdSSR betreffen, vor allem Personalia; ein von Köstring vertraulich übersandtes Karikaturenbuch aus der UdSSR veranlasst Spalcke, über Karikaturen als Waffe nachzudenken. . . . . . . .
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7. Schreiben des Volkskommissars für Außenhandel Rozengol’c an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin und den Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Molotov, 22. April 1937 Fridrichson soll bei Schacht Protest gegen das Ausfuhrverbot von Entfernungsmessern für die Artillerie erheben und ihm mitteilen, dass dies zu einer Einstellung jeglicher Neuaufträge in Deutschland führen könne. . . . . . . . . . . . .
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8. Schreiben des Reichswirtschaftsministers Schacht an den Reichsaußenminister Freiherrn von Neurath, 24. April 1937 Nichtlieferung von Geräten der Firma Zeiss bedeute Fridrichson zufolge sowjetischen Lieferstopp von Gasöl, Naphthaprodukten und Manganerzen; Schacht leitet die Frage an von Neurath, Göring und von Blomberg weiter. . . . . . . . . . .
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III. Dokumentenverzeichnis 9. Schreiben des Leiters des Außenpolitischen Amtes der NSDAP Rosenberg an den Reichsaußenminister Freiherrn von Neurath, 24. April 1937 Rosenberg plant eine Behörde zur Bekämpfung des Bolschewismus und erbittet Zustimmung von Neurath zu seinen Vorschlägen; Hitler soll die Kompetenzen abgrenzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
183
10. Meldung des Chefs der Verwaltung des NKVD der Ukrainischen SSR für den Bezirk Odessa Rozanov an den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten der Ukrainischen SSR Balickij, [nicht später als 26. April 1937] Über die Beschaffung des deutschen Chiffrierschlüssels für den Chiffreverkehr während der „Mobilisierungs- und der Kriegszeit“ aus dem Deutschen Konsulat Odessa. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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11. Schreiben des Reichsaußenministers Freiherr von Neurath an den Reichsminister für Luftfahrt Göring, 27. April 1937 Plädiert für eine Lieferung von Entfernungsmessern der Firma Zeiss an die UdSSR und dafür, die militärischen Bedenken zurückzustellen. . . . . . . . . . . . .
185
12. Aufzeichnung der Unterredung des 1. Sekretärs der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Gnedin mit dem Korrespondenten der „Frankfurter Zeitung“ in Warschau Pörzgen, 27. April 1937 Pörzgen dränge darauf, nach Moskau berufen zu werden, und Gnedin rät ihm, Geduld zu haben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
187
13. Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, 27. April 1937 Der Leiter der Presseabteilung der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin, Gnedin, soll durch den Leiter der Presseabteilung im NKID, Astachov, ersetzt werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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14. Schreiben des 1. Sekretärs der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Gnedin an den Mitarbeiter der II. Westabteilung von VOKS Časovennyj, 30. April 1937 Antwortet auf konkrete Fragen zum Kultur- und Wissenschaftsaustausch; Gnedin sieht die Kontakte als sehr problematisch an. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
189
15. Notiz des Volkskommissars für Außenhandel Rozengol’c für den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, den Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Molotov, den Sekretär des ZK der VKP (B) Kaganovič, den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov und den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Ežov, 3. Mai 1937 Informiert über ein Telegramm von Fridrichson, das die Aufhebung des Ausfuhrverbots von Entfernungsmessern in die UdSSR mitteilt. . . . . . . . . . . . . . . .
191
16. Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA, 3. Mai 1937 Zur Einstellung des Flugverkehrs zwischen Deutschland und der UdSSR durch Deruluft; Schulenburg fragt an, ob in Berlin Verhandlungen mit der Lufthansa über einen neuen Vertrag mit Aeroflot stattgefunden hätten. . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Dokumentenverzeichnis 17. Aufzeichnung der Unterredung des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 3. Mai 1937 Andeutung Litvinovs, einen Prozess gegen verhaftete Reichsdeutsche abzuwenden, wenn Deutschland sowjetische Staatbürger aus der Haft entlässt und sich für festgesetzte Besatzungen sowjetischer Schiffe in Spanien einsetzt. . . . .
193
18. Aufzeichnung der Unterredung des Leiters der 2. Westabteilung im NKID Štern mit dem Botschaftsrat in Moskau von Tippelskirch, 3. Mai 1937 Bitte, den verhafteten Übersetzer des Generalkonsulats in Tiflis, Nymann, aus sowjetischer Staatsbürgerschaft und aus der Haft zu entlassen. . . . . . . . . . . . . .
195
19. Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Sekretär des ZK der VKP (B) Andreev, 3./4. Mai 1937 Bitte, dafür Sorge zu tragen, dass die Edition „Die internationalen Beziehungen im Zeitalter des Imperialismus: Dokumente aus den Archiven der Zarischen und der Provisorischen Regierung“ unter den bestehenden Bedingungen zügig weiter herausgegeben wird. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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20. Bericht des Verbandes der Deutschen aus Russland an die Volksdeutsche Mittelstelle, 5. Mai 1937 Vorschlag, aus der deutsch-russischen Schule, die von russischen Emigranten gegründet wurde, durch Umstrukturierung eine Schule für Russlanddeutsche und Reichsdeutsche, die an „Ostfragen“ interessiert sind, zu machen. . . . . . . .
197
21. Meldung des Chefs der 3. Abteilung der Verwaltung für Staatssicherheit im NKVD der Ukrainischen SSR Čerdak an den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten der Ukrainischen SSR Balickij, 8. Mai 1937 Zum Besuch von Just in Kiev und zu dessen dortigen Aktivitäten. . . . . . . . . . .
200
22. Runderlass des Auswärtigen Amtes, 11. Mai 1937 Aufgabenverteilung zur „Bekämpfung des Bolschewismus“ innerhalb des AA: die von der Sowjetunion ausgehenden Gefahren sollen von Referat Pol V und die von Deutschland ausgehenden von Referat Deutschland bearbeitet werden.
201
23. Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Suric an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin, 15. Mai 1937 Frage nach der politischen Ausrichtung von deutschen wissenschaftlichen Gesellschaften im Allgemeinen und zu der Haltung der UdSSR zur Internationalen Vereinigung der Limnologen im Besonderen sowie zum internationalen Kongress der Handelskammern in Berlin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
202
24. Bericht des Botschaftsrats in Moskau von Tippelskirch an das AA, 15. Mai 1937 Zwischenstand zu den Bemühungen der Botschaft, über das Narkomindel vom NKVD die Erlaubnis zu erhalten, an die verhafteten Reichsdeutschen Geld zu überweisen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
204
25. Aufzeichnung der Abteilung Pol V im AA, 19. Mai 1937 Zum Stand der Austauschverhandlungen von in Deutschland verhafteten sowjetischen Staatsbürgern und in Spanien festsitzenden sowjetischen Matrosen gegen in der UdSSR verhaftete Reichsdeutsche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Dokumentenverzeichnis 26. Schreiben des Gehilfen des Leiters der 2. Westabteilung im NKID Levin an den 1. Sekretär der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Gnedin, 19. Mai 1937 Zu laufenden Angelegenheiten: Einladungen für das sowjetische Theaterfestival; Verkleinerung des Generalkonsulats in Hamburg; der Kontakt zu wissenschaftlichen Gesellschaften in Deutschland; die Zuständigkeit des Berliner Intourist-Büros für die Schweiz; der Fall Lur’e. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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27. Weisung des Volkskommissars für Außenhandel Rozengol’c, 26. Mai 1937 Sowohl der Import aus als auch der Export nach Deutschland sollen auf das Notwendigste reduziert werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
209
28. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 27. Mai 1937 Zu den Austauschverhandlungen von verhafteten deutschen und sowjetischen Staatsangehörigen, auch denen, die auf Schiffen in Spanien festgesetzt sind, sowie die Mitteilung Potemkins, die deutschen Konsulate in der UdSSR auf zwei zu reduzieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
211
29. Rede des Vorstandsvorsitzenden des Russland-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft Reyß, 28. Mai 1937 Überblick über die deutsch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen: das Russlandgeschäft stagniere; wegen der Rohstoffversorgung müsse das Russlandgeschäft gefördert werden; die Wirtschaftsbeziehungen zu der UdSSR seien „naturgegeben“; Einzelheiten über Ein- und Ausfuhr im Jahre 1936 und der Stand für 1937. Über den Zustand der Industrie, des Eisenbahnwesens, der Landwirtschaft in der UdSSR im Jahre 1936; zum Außenhandel und der Goldgewinnung, zu den wichtigsten Handelspartnern der UdSSR: Deutschland, Vereinigte Staaten, Großbritannien, Frankreich, Tschechoslowakei sowie einigen kleineren Handelspartnern; zum Wirtschaftsplan 1937. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
213
30. Schreiben von Professor Hoetzsch an den Legationsrat in Moskau Hilger, 29. Mai 1937 Bestätigt Erhalt von Material für die Herausgabe der Aktenpublikation „Die internationalen Beziehungen im Zeitalter des Imperialismus“ und übermittelt Material für die Übergabe an die sowjetische Kommission. . . . . . . . . . . . . . . . .
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31. Auszug aus der Weisung des Volkskommissars für Außenhandel Rozengol’c, 2. Juni 1937 Genaue Verhaltensregeln für den Umgang mit Vertretern ausländischer Firmen in der UdSSR; für das Verhalten von NKVT-Mitarbeitern im Ausland sollen Instruktionen erarbeitet werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
231
32. Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, 7. Juni 1937 Vorschläge, den deutschen Vorwürfen wegen der Bombardierung des Panzerkreuzers „Deutschland“ entgegenzutreten: durch Dementierung der Beteiligung sowjetischer Piloten und durch die Infragestellung der Rechtmäßigkeit des Verhaltens der „Deutschland“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Dokumentenverzeichnis 33. Schreiben des Leiters der Abteilung für Wissenschaft, wissenschaftlichtechnische Erfindungen und Entdeckungen beim ZK der VKP (B) Bauman an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin und den Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare der UdSSR Molotov, 7. Juni 1937 Die Mitgliedschaft vieler sowjetischer Wissenschaftler, vor allem der Naturwissenschaften, in deutschen wissenschaftlichen Vereinigungen wird in Frage gestellt, Grund dafür sei auch der Niedergang der deutschen Wissenschaft und angesichts der deutschen Verbrechen im Spanischen Bürgerkrieg die Solidarität mit den Republikanern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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34. Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA, 7. Juni 1937 Wegen der Verhaftungen und Ausweisungen sollen nach Auffassung von der Schulenburgs deutsche Wissenschaftler oder Künstler keine Stellenangebote in die Sowjetunion annehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
238
35. Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA, 7. Juni 1937 Mit der Ausweisung von verhafteten Reichsdeutschen, von denen einige nicht wegen politischer, sondern krimineller Vergehen verhaftet worden seien, ist immer noch nicht begonnen worden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
239
36. Aufzeichnung der Unterredung des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 9. Juni 1937 Zu den Austauschverhandlungen von verhafteten deutschen und sowjetischen Staatsangehörigen, auch denen, die auf Schiffen in Spanien festgesetzt sind, und der offenen Frage einer Akkreditierung von Pörzgen in Moskau. . . . . . . . .
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37. Schreiben des Mitarbeiters des Geheimen Staatspolizeiamtes Klein an das AA, 11. Juni 1937 Alle Postsendungen aus der UdSSR müssen über das Russland-Referat in Leipzig gehen; Ausnahmen könnten unter bestimmten Voraussetzungen bei Bücherkisten der Reichstauschstelle und des Deutsch-Ausländischen Buchtausches gemacht werden; deutsche Sendungen dieser Einrichtungen in die UdSSR müssen nicht kontrolliert werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
241
38. Schreiben des Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Nepomnjaščij an den Volkskommissar für Außenhandel Rozengol’c, 12. Juni 1937 Beschwerden der deutschen Seite über zu geringe Liefermengen 1937, beiderseitige Übereinstimmung, ein Wirtschaftsabkommen für 1938 ohne Komplikationen abzuschließen und ein generelles Bemühen deutscher Industrieller, den Warenumsatz mit der UdSSR wieder zu erhöhen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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39. Schreiben des Rates der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Astachov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin, 12. Juni 1937 Benennt die schwierige Personalsituation an der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin und bittet um die Entsendung wenigstens zweier neuer Mitarbeiter. . .
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III. Dokumentenverzeichnis 40. Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, 14. Juni 1937 Der Terror in der Sowjetunion – Schauprozesse und Verhaftungen – und die Position Deutschlands als Retter vor dem Bolschewismus sollen in der Presse groß herausgestellt werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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41. Bericht des Stellv. Volkskommissars für Verteidigung Alksnis an den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov, 14. Juni 1937 Nominierung von zwei Militärangehörigen, die in Deutschland eingekaufte Maschinen überprüfen und abnehmen sowie, wenn möglich, deren Herstellungsweise erkunden sollen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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42. Auszug aus dem Bericht des Reichskriegsministeriums, 15. Juni 1937 Zur wehrwirtschaftlichen Lage der Sowjetunion: Die UdSSR besitze alle kriegswichtigen Rohstoffe, könne sie aber wegen fehlender Infrastruktur noch nicht optimal nutzen; eine Zerschlagung der Transport-Einrichtungen und Sabotageakte in den Wehrbetrieben wären die wichtigsten Kampfmittel. . . . . . . . .
249
43. Schreiben des Stellv. Leiters der Kulturpolitischen Abt. im AA von Twardowski an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 15. Juni 1937 Gerüchte über ein Attentat auf Schulenburg; Überlegungen zu den Gründen für die Verhaftungen sowjetischer Militärs: Vermutung, insbesondere deutschfreundliche Kreise würden jetzt ausgeschaltet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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44. Schreiben des Rates der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Astachov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin, 16. Juni 1937 Klagen über mangelnde personelle Ausstattung und der Isolierung der Bevollmächtigten Vertretung; Überblick über die Positionen Deutschlands in der internationalen Lage: Normalisierung der Beziehungen mit dem Westen, Schaukelpolitik im Fernen Osten, aber auch gegenüber der UdSSR. . . . . . . . . . . . . . .
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45. Schreiben des kommissarischen Volkskommissars für Außenhandel Sud’in an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin und den Vorsitzenden des SNK Molotov, 19. Juni 1937 Da die Deutschen keine Werkzeugmaschinen mehr liefern wollten, soll der 200Millionen-Kredit nicht verlängert, sondern nur insoweit genutzt werden, wie Bestellungen bis zum 30. Juni 1937 von der UdSSR in Auftrag gegeben werden können. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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46. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 19. Juni 1937 Zu den Austauschverhandlungen von verhafteten deutschen und sowjetischen Staatsangehörigen sowie die Bitte des Botschafters, die Strafe des in Char’kov zum Tode verurteilten Deutschen Heffner abzumildern. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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47. Schreiben des Militärattachés in Moskau Köstring an den Abteilungschef im Reichskriegsministerium von Tippelskirch, 21. Juni 1937 Schildert erste Reiseeindrücke von einer mehrwöchigen Rundreise durch die UdSSR und äußert hinsichtlich einer Anweisung, zur Berichterstattung nach Berlin zu kommen, Bedenken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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98
III. Dokumentenverzeichnis 48. Runderlass des Chefs der Deutschen Sicherheitspolizei Heydrich, 22. Juni 1937 Erste systematische Anordnung, wie die aus der Sowjetunion zurückkehrenden Deutschen zu erfassen und zu vernehmen sind und wie mit ihnen im Folgenden weiter zu verfahren ist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
262
49. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem deutschen Geschäftsträger in Moskau von Tippelskirch, 23. Juni 1937 Zu den Verhandlungen zum Austausch von verhafteten deutschen und sowjetischen Staatsangehörigen sowie zu der Bitte des Geschäftsträgers, die Strafe des in Char’kov zum Tode verurteilten Deutschen Sampalla abzumildern. . . . . . . .
267
50. Weisung des Reichskriegsministers von Blomberg, 24. Juni 1937 Auch wenn Deutschland von keiner Seite ein Krieg drohe und auch selbst keinen Krieg plane, müsse die Wehrmacht auf Krieg vorbereitet sein; zu den wahrscheinlichen Kriegsfällen gehören Zweifrontenkriege mit Schwerpunkt West oder mit Schwerpunkt Südost. Es werden drei Sonder-Vorbereitungen durchgespielt: bewaffnete Intervention gegen Österreich, kriegerische Verwicklungen mit Spanien oder eine Beteiligung der Staaten Großbritannien, Polen und Litauen an den genannten Zweifronten-Szenarien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
269
51. Meldung des Volkskommissars für Innere Angelegenheiten Ežov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, 27. Juni 1937 Mitteilung über die Aufdeckung einer „faschistischen terroristischen Organisation“ in Leningrad und weiteren Städten sowie in den Regionen Westsibirien und der Ukraine, in deren Verlauf mehr als 170 Personen verhaftet wurden und in die einige Deutsche als Spione involviert gewesen seien. . . . . . . . . . . . . . . .
276
52. Aufzeichnung des Gesandtschaftsrats in Moskau Hensel, 29. Juni 1937 Besuch bei vier vor der Ausweisung stehenden Verhafteten (Thimmig, Niedermeier, Erlinghäuser und Moche) und Hinweise auf das Procedere sowie Verhaltensmaßregeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
279
53. Denkschrift des Leiters des Außenpolitischen Amtes der NSDAP Rosenberg, 30. Juni 1937 Skizzierung der Struktur und der Aufgaben einer „Zentralstelle zur Abwehr des Weltbolschewismus“, um die verschiedenen Stellen der Partei und des Staates zu einer einheitlichen Haltung gegenüber dem Bolschewismus zu bringen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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54. Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Außenhandel Sud’in an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin und den Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Molotov, 2. Juli 1937 Antrag, das Wirtschaftsabkommen von 1937 für 1938 zu verlängern, um die dort vereinbarten Zahlungskonditionen zu bewahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
285
55. Aufzeichnung des Staatssekretärs im AA von Mackensen, 3. Juli 1937 Protokollfragen zur Akkreditierung des neuen Bevollmächtigten Vertreters Jurenev; Hitler möchte ihn auf dem Obersalzberg empfangen. . . . . . . . . . . . . . . .
286
99
III. Dokumentenverzeichnis 56. Meldung des Chefs der Aufklärungsverwaltung der RKKA Berzin an den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov, 4. Juli 1937 Informationen eines Gewährsmannes zu der Ansicht führender Reichswehroffiziere zum Abschluss eines West- und eines Ostpaktes, zur Kampfführung in Spanien und zu den durch die Erfahrungen in Spanien gemachten Überlegungen bezüglich der Ausstattung der Wehrmacht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
287
57. Meldung des Chefs der Aufklärungsverwaltung der RKKA Berzin an den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov, 5. Juli 1937 Schlägt die Errichtung einer Empfangsstation für die Funkaufklärung in Kovno vor, um die Funkstationen deutscher Truppen in Ostpreußen und Ostdeutschland abzuschöpfen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
290
58. Bericht des Gehilfen des Leiters der 2. Westabteilung im NKID Levin, 5. Juli 1937 Berichtet über die Begegnung Hensels und mit den vier kurz vor ihrer Ausweisung stehenden Reichsdeutschen Niedermeier, Erlinghäuser, Thimmig und Moche. . .
291
59. Aufzeichnung des Chefs des Wehrmachtamts im Reichskriegsministerium Keitel, 7. Juli 1937 Die deutsche Seite möchte keine schriftliche Fixierung eines Militärabkommens zwischen der deutschen und der japanischen Wehrmacht, sondern nur mündliche Vereinbarungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
293
60. Bericht des Gehilfen des Leiters der 2. Westabteilung im NKID Antonov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin, 9. Juli 1937 Über die Festsetzung des Marineattachés von Baumbach und seiner Begleitung durch die Miliz, weil sie bei einem Ausflug in der Nähe Kolomnas eine Brücke fotografiert haben sollen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
294
61. Schreiben des Mitarbeiters im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung Groh an das AA, 9. Juli 1937 Schriftsendungen von und an die UdSSR über die Reichstauschstelle und den Deutsch-Ausländischen Buchtausch werden nicht über die Überwachungsstelle in Leipzig geleitet, sondern in Anwesenheit der Gestapo vor Ort geprüft. . . . . .
297
62. Aufzeichnung der Unterredung des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Jurenev mit dem Reichsaußenminister Freiherrn von Neurath, 12. Juli 1937 Antrittsgespräch bei von Neurath; beide betonen den Wunsch nach Verbesserung der deutsch-sowjetischen Beziehungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
298
63. Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Jurenev an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov, 12. Juli 1937 Schildert seine ersten Arbeitsschritte in Berlin; das Beglaubigungsschreiben wurde noch nicht überreicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
299
64. Schreiben des Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Nepomnjaščij an den kommissarischen Volkskommissar für Außenhandel Sud’in, 12. Juli 1937 Deutsche Industriellen wollten sich für eine Stärkung des deutsch-sowjetischen Handels einsetzen, weil sie befürchteten, dass der sowjetische Markt verloren-
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III. Dokumentenverzeichnis ginge; deshalb wolle die deutsche Industrie auf die Regierung einwirken, der UdSSR einen neuen Kredit anzubieten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
301
65. Auszug aus der Geschäftsübergabeakte des ehemaligen Volkskommissars für Außenhandel Rozengol’c an den kommissarischen Volkskommissar für Außenhandel Sud’in, 13. Juli 1937 Stand der Inanspruchnahme des Kredits aus dem Jahre 1935 und geplantes Exportvolumen für die Jahre 1937 und 1938. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
305
66. Aufzeichnung der Unterredung des Leiters der 2. Westabteilung im NKID Vejnberg mit dem Legationsrat in Moskau Hilger, 14. Juli 1937 Laufende Angelegenheiten: Umwandlung der Todesstrafe für drei deutsche Staatsbürger in 10jährige Haftstrafen; das Beharren der sowjetischen Seite auf Schließung von fünf deutschen Konsulaten in der UdSSR, insbesondere derjenigen in Vladivostok und Odessa; zur Verhaftung der beiden Konsulats-Mitarbeiter Gerndt und Pausch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
307
67. Aufzeichnung des Geheimen Staatspolizeiamtes, 15. Juli 1937 Anlässlich der Überprüfung bei der Gründung einer neuen Ortsgruppe werden Entwicklung und Aufgaben des „Verbandes der Deutschen aus Russland“ detailliert beschrieben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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68. Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Jurenev an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov, 16. Juli 1937 Zur Frage des Procedere, wie das Beglaubigungsschreiben überreicht wird. . . .
312
69. Aufzeichnung von Unterredungen des Rates der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Astachov, 16. Juli 1937 Über die Verhaftung des Mitarbeiters der Bevollmächtigten Vertretung Popov in Bremen und die Verhandlungen über Besuchserlaubnis bzw. Geldübergabe sowie über einen möglichen Austausch von Verurteilten. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
314
70. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem deutschen Geschäftsträger in Moskau von Tippelskirch, 17. Juli 1937 Zu laufenden Angelegenheiten: der Verhaftung von Gerndt und einem möglichen Austausch gegen Popov; einer zweiten Gruppe von Deutschen, die aus sowjetischer Haft ausgewiesen werden sollen; zu einem Vorfall um den Marineattaché von Baumbach. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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71. Auszug aus den Aufzeichnungen des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Jurenev, 19. Juli 1937 Zum Treffen des sowjetischen Handelsvertreters Nepomnjaščij in Düsseldorf auf Einladung der Vereinigten Stahlwerke und zur Übergabe des Beglaubigungsschreibens von Jurenev in Berchtesgaden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
319
72. Meldung des kommissarischen Chefs der 3. Abteilung der GUGB im NKVD der UdSSR Minaev an den Leiter der GUGB im NKVD Frinovskij, 20. Juli 1937 Der Fund von zwei toten Raben, die einen Ring mit der Aufschrift Deutschland trugen, wird als Beweis angesehen, dass die Deutschen Windrichtungen ausspioniert haben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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101
III. Dokumentenverzeichnis 73. Aufzeichnung des Leiters des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep, 20. Juli 1937 Zusammenfassende Stellungnahme zu dem Ersuchen, das deutsche Konsularnetz in der UdSSR zu verkleinern. Es werden die rechtlichen, die politischen und die wirtschaftlichen Argumente, die für die Beibehaltung des status quo sprechen, dargelegt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
323
74. Telegramm des Staatssekretärs im AA von Mackensen an die Botschaft in Moskau, 21. Juli 1937 Anweisung, gegen die Schließung der Konsulate in Odessa und Vladivostok auf Grundlage der Aufzeichnung von Schliep zu protestieren. . . . . . . . . . . . . . . . .
325
75. Telegramm des deutschen Geschäftsträgers in Moskau von Tippelskirch an das AA, 23. Juli 1937 Auswertung der Reden anlässlich der Übergabe des Beglaubigungsschreibens Jurenevs in der "Izvestija"; die Zukunft werde zeigen, ob eine Nichteinmischung von deutscher Seite in Angelegenheiten der UdSSR und in Spanien eingehalten und die Beziehungen normalisiert werden könnten. . . . . . . . . . . . .
327
76. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem deutschen Geschäftsträger in Moskau von Tippelskirch, 23. Juli 1937 Zu laufenden Angelegenheiten: zum Gefangenenaustausch Gerndt/Popov und den Umständen der Verhaftung von Frau Gerndt; eine zweite Ausweisungsliste, die den sowjetischen Behörden überreicht wird; zur Schließung deutscher Konsulate in der UdSSR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
328
77. Operativer Befehl des Volkskommissars für Innere Angelegenheiten Ežov, 25. Juli 1937 Zur Verhaftung von deutschen Staatsbürgern, die in Rüstungsbetrieben oder anverwandten Werken sowie im Eisenbahnwesen arbeiten oder gearbeitet haben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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78. Schreiben des Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Nepomnjaščij an den kommissarischen Volkskommissar für Außenhandel Sud’in, 27. Juli 1937 Beschwerde darüber, dass er keine Antworten aus dem Volkskommissariat erhalte; Bitte um genauere Anweisungen für die Wirtschaftsverhandlungen. . . . .
333
79. Aufzeichnung der Unterredung des Ministerialdirigenten im Reichswirtschaftsministerium Spitta mit dem Leiter der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Nepomnjaščij, 28. Juli 1937 Gespräche für ein Handelsabkommen 1938 sollen frühzeitig beginnen und sich an dem Abkommen vom Dezember 1936 orientieren; das Handelsvolumen soll stark erhöht werden, jedoch müsse die sowjetische Seite weniger militärische Waren bestellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
335
80. Aufzeichnung von Unterredungen des Rates der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Astachov, 29. Juli 1937 Zu den Besuchen, die Jurenev absolvieren soll, sowie zu einem Besuch Astachovs bei von Twardowski und dem mit ihm besprochenen Austausch über
102
III. Dokumentenverzeichnis Kulturbeziehungen im Allgemeinen und denjenigen zur UdSSR im Besonderen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
337
81. Aufzeichnung der Unterredung des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Jurenev mit dem Leiter der Politischen Abteilung im AA Freiherr von Weizsäcker, 30. Juli 1937 Zur Einmischung Deutschlands im Spanischen Bürgerkrieg und zu dem Zustand der deutsch-sowjetischen Beziehungen im Allgemeinen. . . . . . . . . . . . . .
338
82. Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Jurenev an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov, 31. Juli 1937 Presse-Resonanz auf den Ort und die Reden anlässlich der Übergabe des Beglaubigungsschreibens von Jurenev an Hitler sowie Spekulationen zu den Beteuerungen von deutscher Seite, dass sich die deutsch-sowjetischen Beziehungen bessern würden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
340
83. Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Jurenev an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov, 31. Juli 1937 Zu seiner Besuchsstrategie als neuer Bevollmächtigter Vertreter. . . . . . . . . . . . .
343
84. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem deutschen Geschäftsträger in Moskau von Tippelskirch, 2. August 1937 Zu laufenden Angelegenheiten: zum Verhaftungsfall Gerndt; zum Verfahren bei den Ausweisungen aus sowjetischer Haft generell; über den Stand der Entlassung sowjetischer aus spanischer Haft; über den „Izvestija-Artikel“ zur HitlerRede bei der Übergabe des Beglaubigungsschreibens von Jurenev; zu den beiden Korrespondenten Schüle und Just. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
344
85. Schreiben des deutschen Geschäftsträgers in Moskau von Tippelskirch an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg [z. Zt. Berlin], 3. August 1937 Laufende Angelegenheiten: Aufbruch eines Aktenschrankes im Chiffrierzimmer der Botschaft; Zunahme der Verhaftungen Reichsdeutscher; Hetze gegen Ausländer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
347
86. Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Bevollmächtigten Vertreter in Berlin Jurenev, 4. August 1937 Warnt vor einer zu optimistischen Einschätzung des Standes der sowjetischdeutschen Beziehungen und rät Jurenev, den Botschafter des Vatikans in seine Besuche einzubeziehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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87. Telegramm des deutschen Geschäftsträgers in Moskau von Tippelskirch an das AA, 7. August 1937 Zusicherung Litvinovs, die sogenannten Novemberverhaftungen (1936) würden ohne Prozess erledigt werden; aber Verhaftungen Deutscher gehe weiter, deshalb entwirft Tippelskirch Text an DNB und bittet um Erlaubnis für eine Pressekampagne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
349
88. Verbalnote der Deutschen Botschaft Moskau an das NKID, 7. August 1937 Protest der Deutschen Botschaft wegen der Verletzung von Vereinbarungen zur Konsulatspost: ein Paket mit einer vergessenen Schreibmaschine wurde von
103
III. Dokumentenverzeichnis der Miliz geöffnet; die Botschaft verweigert die Annahme der zurückgereichten Schreibmaschine ohne den genauen Nachweis, dass es sich um das vermisste Stück handelt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
351
89. Direktive des Volkskommissars für Innere Angelegenheiten der Ukrainischen SSR Leplevskij an die Chefs der Bezirksverwaltungen für Innere Angelegenheiten von Dnepropetrovsk, Kiev, Odessa, Stalino, 8. August 1937 Verlangt, dass in einigen ukrainischen Bezirken ein schnelleres Tempo bei den Ermittlungen der bereits verhafteten Deutschen und bei der weiteren Verhaftung von Deutschen erfolgt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
353
90. Bericht des deutschen Geschäftsträgers in Moskau von Tippelskirch an das AA, 11. August 1937 Stand der Verhaftungen mit genauen Zahlen und Verteilung der Verhafteten sowie allgemeine Einschätzungen des Vorgehens des NKVD; auch das Vorgehen gegen andere Staaten kommt zur Sprache. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
354
91. Schreiben des AA an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, 12. August 1937 Ein Radio-Nachrichtendienst in russischer Sprache sei nicht sinnvoll: erstens gebe es keine russische Minderheit, mit der man diesen begründen könne, und zweitens wäre er in der UdSSR wegen der technischen Ausstattung und der politischen Überwachung dort kaum zu empfangen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
357
92. Telegramm des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an die Bevollmächtigte Vertretung in Berlin, 14. August 1937 Repressalien von deutscher Seite gegenüber sowjetischen Staatsangehörigen in Deutschland als Gegenmaßnahme zu den Verhaftungen Deutscher in der UdSSR seien von deutscher Seite nicht offiziell ausgesprochen worden; entsprechende deutsche Telegramme aus Moskau mit diesbezüglichen Vorschlägen wurden von sowjetischer Seite zurückgehalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
358
93. Beschlussentwurf des Rates der Volkskommissare der UdSSR, 15. August 1937 Das Volkskommissariat für Fernmeldewesen soll das Rundfunknetz stark ausbauen, um gegen die Radiopropaganda aus dem Ausland gewappnet zu sein. . . .
359
94. Aufzeichnung der Unterredung des kommissarischen Leiters der 2. Westabteilung im NKID Antonov mit dem Legationssekretär in Moskau von Walther, 15. August 1937 Visumsfragen (Erlewein, von Saucken); zur Schließung deutscher Konsulate und zur Verletzung des Rechts, über Verhaftungen informiert zu werden und deutsche Verhaftete in Haft zu besuchen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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95. Erlass des Staatssekretärs im AA von Mackensen an die Botschaft in Moskau, 16. August 1937 Reichsdeutsche sollen aus der UdSSR nach Deutschland zurückkehren, da ihnen die Botschaft im Falle einer Verhaftung kaum helfen könne; dies gelte allerdings nicht für Wirtschaftsvertreter und Monteure, da die Wirtschaftsbeziehungen mit der Sowjetunion aufrecht erhalten bleiben sollen. . . . . . . . . . . . . .
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III. Dokumentenverzeichnis 96. Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Ežov, 20. August 1937 Erwartet die Fortsetzung der Ausweisungsaktion deutscher Staatsbürger, um nicht die Freilassung sowjetischer Matrosen aus spanischer Gefangenschaft zu gefährden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
364
97. Aufzeichnung der Unterredung des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg mit dem Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin, 21. August 1937 Potemkin kündigt zehn Namen von Auszuweisenden an, aber mittlerweile seien, so Schulenburg, viele neue Verhaftungen von Reichsdeutschen dazugekommen, was für gute Beziehungen abträglich sei. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
365
98. Meldung des Chefs der 1. Abteilung der Aufklärungsverwaltung der RKKA Stigga an den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov, 21. August 1937 Informationen eines Gewährsmannes zu der Ansicht führender Reichswehroffiziere zum Verlust des Einflusses der Wehrmacht auf die deutsche Außenpolitik infolge der Verhaftung von Tuchačevskij und zu den Meinungsverschiedenheiten zwischen Hitler und der deutschen militärischen Führung bezüglich der Entsendung von deutschen Truppen und der Flotte nach Spanien. . . . . . . . . . .
367
99. Runderlass des Volkskommissars für Innere Angelegenheiten Ežov, 22. August 1937 Anweisung, für welche ausländischen Staatsangehörigen keine weiteren Aufenthaltsgenehmigungen mehr erteilt werden sollen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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100. Auszug aus der Meldung des Stellv. Volkskommissars für Innere Angelegenheiten der UdSSR Bel’skij an den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Ežov, 27. August 1937 Meldet die Zahl und die offiziellen Begründungen für die Verhaftungen deutscher Staatsangehöriger bzw. Deutschstämmiger in der Ukraine mit Stand bis August 1937. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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101. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin, 27. August 1937 Zu laufenden Angelegenheiten: zum Zeitpunkt der Rückkehr Jurenevs aus dem Urlaub im Kontext mit einer möglichen Teilnahme am Nürnberger Parteitag; zu Ausfällen in der deutschen Presse gegenüber sowjetischen Regierungsmitgliedern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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102. Schreiben des Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Nepomnjaščij an den Leiter des Sektors für Handelsvertretungen im Volkskommissariat für Außenhandel Levin, 27. August 1937 Beschwerde über fehlende Informationen, sodass der Abschluss einer Handelsvereinbarung für 1938 nicht vorangetrieben werden kann; Aufträge für 1938 werden jedoch schon erteilt und leiden unter den Ungewissheiten. . . . . . . . . .
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103. Memorandum des NKID an die Deutsche Botschaft Moskau, 28. August 1937 Die von der Deutschen Botschaft in ihrem Memorandum vom 2.8.1937 vorgebrachten Argumente für den Erhalt aller ihrer Konsulate erkennt das NKID
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III. Dokumentenverzeichnis nicht an und fordert die Reduzierung auf insgesamt zwei deutsche Konsulate. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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104. Meldung des Volkskommissars für Innere Angelegenheiten Ežov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, 29. August 1937 Telegramm aus Sverdlosvk, in dem mit Bezug auf den Befehl Nr. 00439 (Dok. 77) der Stand der Sabotagetätigkeit im Ural gemeldet wird; als deutsche bzw. österreichische Involvierte werden genannt: Stockmar, Karl und Wilhelm Rogge, Jost und Sattler, außerdem als Anwerber: Grimm, Hensel, Hess und Diehn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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105. Bericht des Stellv. des Chefs der Char’kover Bezirksverwaltung des NKVD der Ukrainischen SSR Rejchman und des Chefs der 3. Verwaltungsabteilung für Staatssicherheit der UNKVD des Bezirks Char’kov Fišer an den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten der Ukrainischen SSR Leplevskij, 1. September 1937 Auflistung der Anzahl der verhafteten Personen und der Gruppenfälle, die nach der Veröffentlichung des Befehls von Ežov („Deutsche Operation“) im Bezirk Char’kov konstruiert wurden; gemeinsam ist ihnen allen, dass Verbindungen zum Konsulat Char’kov hergestellt wurden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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106. Schreiben des Leiters des Sektors für Handelsvertretungen im Volkskommissariat für Außenhandel Levin an den Leiter der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Nepomnjaščij, 3. September 1937 Informiert, dass es keine Veränderungen in der Handelspolitik gegenüber Deutschland gebe, und dass Verträge über Warenkäufe in 1938 nur in Reichsmark abzuschließen seien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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107. Auszug aus der Aufzeichnung des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg, 12. September 1937 Wiedergabe eines Gesprächs mit Potemkin über das sowjetische Memorandum zur Reduzierung deutscher Konsulate in der UdSSR. Schulenburg äußert sein Erstaunen, dass nicht nur die Schließung von Odessa und Vladivostok gefordert werde, sondern von insgesamt fünf Konsulaten, um eine Parität mit der Zahl sowjetischer Konsulate in Deutschland zu erreichen. . . . . . . . . . . . . . . . .
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108. Schreiben des kommissarischen Volkskommissars für Außenhandel Sud’in an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin und den Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Molotov, 17. September 1937 Stellt den Antrag, gegenüber den Firmen „Demag“ und „Borsig“ Strafzahlung zu erheben, weil sie für die Vermittlung von Aufträgen Zahlungen an das „antisowjetische trotzkistische Zentrum“ geleistet hätten. Im Falle einer Verweigerung der Strafzahlung solle bei einem Schiedsgericht Klage erhoben werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
394
109. Schreiben des Leiters des Außenpolitischen Amtes der NSDAP Rosenberg und des Leiters der Dienststelle Ribbentrop von Ribbentrop an den Reichskanzler Hitler, 19. September 1937 Abgrenzung der beiden Dienststellen in Bezug auf außenpolitische Fragen; Rosenberg für Weltbolschewismus zuständig, Ribbentrop für allgemeine außenpolitische Fragen; bei Überschneidungen „soll ein freundschaftlicher Ausgleich
106
III. Dokumentenverzeichnis getroffen werden“. Die Auswahl und die Erziehung des Nachwuchses sollen beide in die Hand nehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
397
110. Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA, 20. September 1937 Gesamttendenz der Berichterstattung zum Nürnberger Parteitag sei es gewesen, von Beleidigungen und persönlichen Schmähungen abzusehen, was der Arbeit des neuen Leiters der Presseabteilung im NKID Gnedin zu verdanken sei. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
399
111. Flugblätter der Propaganda-Einsatzstelle des Armee-Oberkommandos der Wehrmacht 23. September 1937 Zwei Flugblatt-Entwürfe, eins für die städtische Arbeiterschicht und ein allgemeines Zersetzungsflugblatt, die bei einem Vormarsch nach Osten verwendet werden sollten; kennzeichnend darin ist der alles beherrschende Antisemitismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
401
112. Brief des Gesandtschaftsrats in Moskau Hensel an den Konsul in Novosibirsk Meyer-Heydenhagen, 24. September 1937 Einschätzung der Lage bezüglich der Verhaftungen und Ratschläge, wie MeyerHeydenhagen sich in Novosibirsk verhalten soll. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
404
113. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 26. September 1937 Zu den Beschuldigungen gegen den verhafteten Sekretär des Generalkonsulats in Novosibirsk Krämer und zu Zugeständnissen der deutschen Regierung bei der Schließung der Konsulate in der UdSSR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
405
114. Schreiben des kommissarischen Volkskommissars für Außenhandel Sud’in an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin und den Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Molotov, 27. September 1937 Die Zusammenarbeit mit dem Russland-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft sei einzustellen, solange Tschunke, der während der Besetzung der Ukraine dort Offizier gewesen sei, Geschäftsführer des Ausschusses sei. . . . . . . . . . . . .
407
115. Aufzeichnung der Unterredung des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov mit dem Mitarbeiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Freiherrn von Welck, 1. Oktober 1937 Gespräch am 30.9.1937 über laufende Angelegenheiten: Visaerteilung für neue Mitarbeiter der Bevollmächtigten Vertretung; zu Hausdurchsuchungen in dem Wohnheim Geisbergstraße; der Forderung nach Freilassung des verhafteten Krämer; zum Vertrieb und zur politischen Unbedenklichkeit sowjetischer Zeitschriften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
408
116. Schreiben des kommissarischen Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Ežov, 1. Oktober 1937 Fragt nach der Auffassung des Volkskommissariats für Innere Angelegenheiten bezüglich eines Austausches Popov/Gerndt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
410
107
III. Dokumentenverzeichnis 117. Aufzeichnung der Unterredung des kommissarischen Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 4. Oktober 1937 Bei Neueinrichtung von zwei sowjetischen Konsulaten könne Deutschland vier Konsulate in der UdSSR aufrechterhalten; außerdem über die deutsche Bitte um Ausreisevisa für Oberberg, Hönighausen und Friz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
411
118. Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an den Leiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep, 4. Oktober 1937 Zum Gespräch mit Potemkin über die Ausweisung Krämers, die Schließung der Konsulate, den Austausch der Spanien-Gefangenen und über neue Mitarbeiter in der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
412
119. Schreiben des kommissarischen Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, 7. Oktober 1937 Zur Ausweisung des Konsulatssekretärs in Königsberg, Barulin, als Antwort auf die Ausweisung von Krämer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
414
120. Telegramm des Staatssekretärs im AA von Mackensen an die Botschaft in Moskau, 11. Oktober 1937 Deutscher Standpunkt in der Konsulatsfrage: keine Einwilligung in Schließung deutscher Konsulate in der UdSSR und keine Verhandlungen auf Paritätsbasis, dagegen Einbeziehung der sowjetischen Handelsvertretung in die Verhandlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
416
121. Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an den Leiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep, 11. Oktober 1937 Schulenburg schlägt vor, als Gegenmaßnahme für Behinderungen von sowjetischer Seite einen Ausreise-Sichtvermerk in Deutschland einzuführen, der insbesondere Reisende sowjetischer Kommissariate (außer Narkomindel) treffen würde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
417
122. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin, 12. Oktober 1937 Analyse und Bewertungen des Besuchs von Mussolini Ende September 1937 in Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
418
123. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 13. Oktober 1937 Generalkonsul Sommer sei durch Aussagen verhafteter und ausgewiesener Deutschen so schwer belastet, dass er die UdSSR verlassen müsse. Dies zeige auch die Notwendigkeit, das Generalkonsulat Leningrad zu schließen. . . . . . . .
421
124. Telegramm des Staatssekretärs im AA von Mackensen an die Botschaft in Moskau, 14. Oktober 1937 Beschuldigungen gegen Sommer seien haltlos und die Weiterexistenz des Generalkonsulats Leningrad auch nicht davon abhängig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
423
108
III. Dokumentenverzeichnis 125. Rundschreiben des kommissarischen Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin, 14. Oktober 1937 Bei der Erfüllung von Bitten ausländischer Botschaften, ihnen Informationen zur Verfügung zu stellen, ist „äußerste Wachsamkeit“ an den Tag zu legen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
424
126. Schreiben des kommissarischen Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Ežov, 15. Oktober 1937 Bittet um Anweisung, durch welche Institution verhafteten Deutschen Sachen und Geld übergeben werden kann. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
425
127. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 16. Oktober 1937 Laufende Angelegenheiten: Verringerung der Konsulate; Ausreise von Sommer und Krämer; Austausch Gerndt/Popov. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
426
128. Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Außenhandel Čvjalev an den Stellv. Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Mikojan, 16. Oktober 1937 Zu den Lieferungen von Gasöl an die deutsche Marine und den Benzolverband. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
427
129. Auszug aus dem Bericht des Leiters des Sektors für Handelsvertretungen im Volkskommissariat für Außenhandel Levin, 19. Oktober 1937 Zu den Abkommen mit Deutschland seit 1935; den Export- und Importsummen; der Frage, in welcher Währung die von der UdSSR importierten Güter bezahlt wurden und werden sowie zu den mit diesen Verhandlungen beauftragten, aber nun verhafteten sowjetischen Mitarbeitern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
428
130. Aufzeichnung des Leiters des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep, 20. Oktober 1937 Schliep unterrichtet Keitel über die Reduzierung des Konsularnetzes in der UdSSR, was dieser bedauere, aber er überlasse die Entscheidungsbefugnis ganz dem AA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
431
131. Aufzeichnung der Unterredung des Leiters des Sektors für Handelsvertretungen im Volkskommissariat für Außenhandel Levin mit dem Legationsrat in Moskau Hilger, [21. Oktober 1937] Laufende Angelegenheiten: Einbehaltung eines Maschinen-Kataloges der Firma „Kanis“ durch den Zoll; zum Export von Feldspat; zum Spionagevorwurf der „Pravda“ gegenüber Tschunke; zu Währungsfragen für die Bezahlung von Aufträgen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
432
132. Aufzeichnung von Unterredungen des Geschäftsträgers in Berlin Astachov mit dem sowjetischen Handelsvertreter in Berlin Nepomnjaščij, 27. Oktober 1937 Gespräche des sowjetischen Handelsvertreters mit Industriellen und mit Brinkmann zeigten, dass Deutschland eine Ausweitung des Handels wünscht, um benötigte Rohstoffe aus der UdSSR beziehen zu können. . . . . . . . . . . . . . .
434
109
III. Dokumentenverzeichnis 133. Bericht des kommissarischen Leiters des Generalkonsulats Leningrad von Heynitz an das AA, 27. Oktober 1937 Beschwerden des Agenten des NKID in Leningrad Vajnštein wegen Ausbürgerungen aus Deutschland und Pass-Beschränkungen zum alleinigen Aufenthalt in der UdSSR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
435
134. Telegramm des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov, 27. Oktober 1937 Zur Frage der Anzahl der Konsulate in Deutschland und in der UdSSR; die sowjetische Seite beharrt auf einer gleichen Anzahl, die deutsche Seite ist bereit zur Schließung der Konsulate in Odessa und Vladivostok. . . . . . . . . . . . . .
437
135. Operativer Befehl des Volkskommissars für Innere Angelegenheiten Ežov, 28. Oktober 1937 Alle Angehörigen der Botschaften und Konsulate von Deutschland, Japan, Italien und Polen sowie deren Kontaktpersonen sollen intensiv beobachtet werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
438
136. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an die 2. Westabteilung des NKID, 28. Oktober 1937 Laufende Angelegenheiten: zu den Schiffsbesatzungen, die in Wilhelmshaven sind; zu Vorfällen mit Barulin und Smirnov; zu den Haftbedingungen der Deutschen in der UdSSR; zu den Beschuldigungen gegenüber Sommer. . . . . . . . . . .
439
137. Telegramm des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA, 28. Oktober 1937 Zur Frage der Ausweisung von Verhafteten im Allgemeinen und von Gilbert im Besonderen sowie zur Freilassung sowjetischer Matrosen in Spanien. . . . . . . . .
440
138. Aufzeichnungen des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov, 31. Oktober 1937 Ausführliche Darlegung, wie Konsul Terleckij den Empfang und die Betreuung der Seeleute der „Komsomol“ in Deutschland wahrnahm und was er selbst tun konnte; außerdem: Treffen Astachovs mit Mackensen anlässlich eines Empfangs beim Botschafter der Türkei. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
441
139. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Stomonjakov, 31. Oktober 1937 Vorwürfe bezüglich der Arbeit der Bevollmächtigten Vertretung (hier vor allem mit der Ordnung und der Sicherung des Archivs verbunden) entschuldigt Astachov mit der ganz unzureichenden personellen Ausstattung. . . . . . . . . . . . . . .
445
140. Bericht des Generalkonsuls in Kiev Großkopf an das AA, 1. November 1937 Von den Teilnehmern am Erntedankfest im Generalkonsulat sei nur eine Person verhaftet worden, von den Reichsdeutschen, die nicht daran teilgenommen hätten, im gleichen Zeitraum jedoch zwölf Personen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
446
110
III. Dokumentenverzeichnis 141. Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Ežov, 1. November 1937 Bittet um Anordnung, dass nach dem Abschluss von Ermittlungen des NKVD Vertreter der Deutschen Botschaft oder von Konsulaten inhaftierte deutsche Staatsbürger besuchen können. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
447
142. Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Außenhandel Merekalov an den Leiter der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Nepomnjaščij, 2. November 1937 Verhandlungsanweisungen für die Wirtschaftsverhandlungen 1938: zur Frage der Aufnahme einer Wirtschaftsvereinbarung generell und zu den Zahlungsmodalitäten (Devisen oder Reichsmark). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
448
143. Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, 3. November 1937 Zum 20jährigen Bestehen der UdSSR solle darauf hingewiesen werden, dass sich die Regierung nur durch „rücksichtslosen Terror der herrschenden jüdischen Oberschicht“ halten könne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
450
144. Schreiben des Leiters der Abteilung Osten im Außenpolitischen Amt der NSDAP Leibbrandt an den Leiter des Außenpolitischen Amtes der NSDAP Rosenberg, 4. November 1937 Spricht sich für die Zusammenfassung der Abteilung „Osten“ und der Abteilung „Bekämpfung des Bolschewismus“ in einem Amt unter seiner Leitung aus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
450
145. Schreiben des Stellv. Leiters der Abteilung für Presse und Verlage beim ZK der VKP (B) Mechlis an das ZK der VKP (B) und den Rat der Volkskommissare, 4. November 1937 Kataloge und Kalender oder anderes Werbematerial, das von deutschen Firmen an sowjetische Betriebe verteilt würden, seien faschistische Propaganda und die Verteilung sei zu unterbinden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
451
146. Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Außenhandel Merekalov an den Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Molotov, 4. November 1937 Es soll eine Weisung an den sowjetischen Handelsvertreter ergehen, mit dem Russland-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft nur minimalen Kontakt zu halten, da die Verbindung mit ihm den Handelsinteressen der UdSSR schade. . . .
454
147. Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Stomonjakov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, 4. November 1937 Nach einem Meinungsaustausch mit Schulenburg über die Konsulatsfrage schlägt Stomonjakov eine Beschlussvorlage vor, der zufolge Deutschland zwei Konsulate behalten dürfe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
455
148. Schreiben des Legationsrats in Moskau Hilger an den Vertreter der Gesellschaft Deruluft Sommer, 5. November 1937 Hilger sagt Hilfe bei der Beschaffung der notwendigen Papiere für die Liquidation der Deruluft zu. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
458
111
III. Dokumentenverzeichnis 149. Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an den Staatssekretär im AA von Mackensen, 8. November 1937 Abwesenheit Potemkins von Moskau beeinflusse die Konsulats-Verhandlungen ungünstig; Schulenburg bittet um Möglichkeit, nach Berlin zu kommen. . . . . . .
459
150. Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA, 8. November 1937 Beschreibung der Feierlichkeiten, die anlässlich des 20. Jahrestages der Revolution auf dem Roten Platz stattfanden, und des damit verbundenen diplomatischen Empfangs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
460
151. Runderlass des Auswärtigen Amtes, 9. November 1938 Erläuterung einer Erschließung, die der Nichteinmischungsausschuss bezüglich des Spanischen Bürgerkriegs am 4.11.1937 angenommen hat: beiden kämpfenden Parteien wird ein Fragenkomplex unterbreitet (Zurückziehung der Freiwilligen, Zubilligung der Rechte Kriegführender und Wiedereinrichtung einer Kontrolle), über die sie eine Entscheidung herbeiführen sollen. Die dort festgelegten Rechte kriegführender Staaten werden von der UdSSR nicht anerkannt. .
463
152. Schreiben der Stellv. Volkskommissare für Außenhandel Merekalov und Čvjalev an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, den Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Molotov und den Stellv. Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Mikojan, 9. November 1937 Darlegung der laufenden Verpflichtung für 1937, die aus den Wirtschaftsverträgen mit Deutschland resultieren, mit dem Beschlussentwurf, den Vertrag unter bestimmten Konditionen für 1938 zu verlängern sowie auf ein deutsches Kreditangebot nur unter bestimmten Bedingungen zu antworten. . . . . . . . . . . . . . .
465
153. Schreiben des Leiters der Presseabteilung im AA Aschmann an den Leiter des Ostwelt-Verlages von Voß, 11. November 1937 Unterstützt angesichts des Informationsmangels über die UdSSR finanziell und ideell die Herausgabe des „Ost-Expresses“ und will mit dem Brief auch auf andere Reichsministerien und Parteistellen einwirken, dies zu tun; das Gleiche gilt für die neue Ausgabe „Ostasiendienst“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
468
154. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin, 11. November 1937 Anfrage, ob ein Jahresband 1937 mit Dokumenten zu den deutsch-sowjetischen Beziehungen erstellt werden sollte, da die Zusammenstellung aus unterschiedlichen Gründen Schwierigkeiten bereiten würde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
469
155. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an die II. Westabteilung von VOKS, 11. November 1937 Astachov kann keine Musiker aus Deutschland für die UdSSR empfehlen; von den Exilanten weist er auf Tauber hin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
471
156. Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Stomonjakov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, 11. November 1937 Deutschland sei bereit zur Schließung von fünf Konsulaten unter der Bedingung, die Standorte Leningrad und Kiev beizubehalten; Stomanjakov unterstützt diese Position. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
472
112
III. Dokumentenverzeichnis 157. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov, 12. November 1937 Angesichts eines deutschen juristischen Artikels, der die Exterritorialität der Bevollmächtigten Vertretung in Frage stellt, erhebt sich für Astachov die Frage, wie dort mit den Geheimpapieren umgegangen werden soll. . . . . . . . . . . . . . .
475
158. Bericht des Marineattachés in Moskau von Baumbach an das Oberkommando der Kriegsmarine und das AA, 14. November 1937 Beginn der sowjetischen Marinerüstung seit 1931, insbesondere seit 1933 hohes Tempo bei Flottillenführer- und U-Boot-Bau, dadurch besitze die UdSSR die größte U-Boot-Flotte der Welt; wegen der Marine sei auch der Bau des Weißmeerkanals und die Erforschung des Nördlichen Seeweges betrieben worden; Aussagen zu Personal und Einsatzbereitschaft der Marine. . . . . . . . . . . . . . . . .
477
159. Telegramm des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA, 14. November 1937 Endgültiger Beschluss der UdSSR, nur zwei deutsche Konsulate auf sowjetischem Boden zuzulassen; Schulenburg erbittet Weisung, welche Standorte es sein sollen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
483
160. Aufzeichnung der Unterredung des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 15. November 1937 Zur Regelung organisatorischer Fragen im Zusammenhang mit der Liquidierung der fünf deutschen Konsulate. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
484
161. Bericht des Botschaftsrats in Moskau von Tippelskirch an das AA, 15. November 1937 Neue Meldepflicht-Bestimmungen für das diplomatische Corps, das in den Botschaftsgebäuden wohnende Personal und das außerhalb der Botschaftsgebäude wohnende Personal der diplomatischen Vertretungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
485
162. Schreiben des kommissarischen Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Smolenskij an den Stellv. Volkskommissar für Außenhandel Merekalov, 15. November 1937 Zu laufenden Angelegenheiten: zur Frage, in welcher Währung Bestellungen aus Deutschland bezahlt werden; zum Beginn und zu den Direktiven aus Moskau bezüglich der Wirtschaftsverhandlungen; zum Gespräch mit Tschunke am 15.11.1937 über die Einigung bezüglich der Bestellungen von bestimmten Maschinenteilen im Gegenzug zur Lieferung von Erzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
487
163. Aufzeichnung des Telefongesprächs des kommissarischen Leiters der 2. Westabteilung im NKID Antonov mit dem Gesandtschaftsrat in Moskau Hensel, 16. November 1937 Mitteilung, dass die UdSSR auf der Schließung des Generalkonsulats Leningrad beharre, und dass Gilbert (Konsulat Tiflis) ausgewiesen werde. . . . . . . . . . . . .
491
164. Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Außenhandel Merekalov an den Stellv. Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Mikojan, 17. November 1937 Da ein Teil von Druckerzeugnissen über die Diplomatenpost an Glavlit vorbei in der UdSSR verteilt werden kann, sollen die Leiter von Institutionen oder Behörden vor einer Weitergabe dieses Material durch Glavlit prüfen lassen. . . .
492
113
III. Dokumentenverzeichnis 165. Aufzeichnung der Unterredung des kommissarischen Leiters der 2. Westabteilung im NKID Antonov mit dem Botschaftsrat in Moskau von Tippelskirch, 20. November 1937 Zur Regelung organisatorischer Fragen im Zusammenhang mit der Liquidierung der fünf deutschen Konsulate. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
494
166. Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov, 22. November 1937 Anweisung, wie mit offiziellen Einladungen in Berlin umzugehen sei. . . . . . . .
497
167. Vortrag des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg vor der Wehrmachtsakademie in Berlin, 25. November 1937 Grundsätzliche Darlegungen zur innen- und außenpolitischen Situationslage der UdSSR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
498
168. Rundschreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov, 25. November 1937 Anweisung an die Dipagenten, wie sie bis zur endgültigen Auflösung der fünf deutschen Konsulate am 15.1.1938 den Verkehr mit diesen gestalten sollen und welche Regelungen für die Konsulate bezüglich ihrer Sachwerte gelten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
524
169. Aufzeichnung der Unterredung des kommissarischen Leiters der 2. Westabteilung im NKID Antonov mit dem deutschen Geschäftsträger in Moskau von Tippelskirch, 26. November 1937 Antwort auf die organisatorischen Fragen (vgl. Dok. 165) im Zusammenhang mit der Liquidierung der fünf deutschen Konsulate; außerdem Visafragen und Probleme bei der Geldübergabe an deutsche Verhaftete. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
526
170. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov und an den Stellv. Volkskommissar Potemkin, 28. November 1937 Anlässlich des Besuches von Halifax Darlegung der außenpolitischen Bestrebungen Deutschlands (Österreich, Tschechoslowakei, Kolonialfrage, Völkerbund, Osteuropa); Gerüchte (und deren Bestätigung) zur Absetzung Schachts und von Neuraths. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
529
171. Aufzeichnung der Unterredung des kommissarischen Leiters der 2. Westabteilung im NKID Antonov mit dem deutschen Geschäftsträger in Moskau von Tippelskirch, 2. Dezember 1937 Laufende Angelegenheiten: zu den Schikanen um das Kiever Generalkonsulat, der schlechten Behandlung von deutschen Verhafteten und der Abwicklung des Eigentums von zur Ausweisung Verurteilten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
533
172. Aufzeichnung der Unterredung des kommissarischen Leiters der 2. Westabteilung im NKID Antonov mit dem Legationsrat in Moskau Hilger, 7. Dezember 1937 Bitte um gütliche finanzielle Regelung bei der Auflösung der deutschen Konzession „Leo-Werke“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
536
114
III. Dokumentenverzeichnis 173. Schreiben des Leiters des Sonderreferats Deutschland/Information der Auslandsvertretungen im AA Hinrichs an das Gestapa, 8. Dezember 1937 Anfrage, ob die Gestapo sowjetische Staatsbürger, Matrosen sowie Mitarbeiterinnen der sowjetischen Handelsvertretung zur Zuarbeit für deutsche Behörden aufgefordert habe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
538
174. Aufzeichnung der Unterredung des Leiters der Wirtschaftsabteilung im NKID Rozenbljum mit dem Legationsrat in Moskau Hilger, 10. Dezember 1937 Hilger sehe eine dringende Notwendigkeit, in Verhandlungen zu einem Wirtschaftsabkommen 1938 zu treten, man habe aber weder in Berlin noch in Moskau Ansprechpartner dafür. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
539
175. Schreiben des kommissarischen Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Smolenskij an den Stellv. Volkskommissar für Außenhandel Merekalov, 11. Dezember 1937 Übermittelt die Gesprächsaufzeichnung, in der der Leiter der Unterfachgruppe Teppiche im Reichswirtschaftsministerium der UdSSR vorwirft, jüdische Firmen zu bevorzugen. Aus diesem Grund wurde von deutscher Seite eine Devisengenehmigung für den Einkauf von Teppichen verweigert. . . . . . . . . . . . . . .
541
176. Aufzeichnungen des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov, 12. Dezember 1937 Vorstellung neuer Mitarbeiter der Bevollmächtigten Vertretung im AA, u. a. des neuen Pressevertreters; Mitteilung über die Abberufung Jurenevs. . . . . . . . . . .
543
177. Schreiben des Militärattachés in Moskau Köstring an die Wirtschaftsabteilung der Deutschen Botschaft in Moskau, 12. Dezember 1937 Das Reichskriegsministerium ist an bestimmten Einzelheiten zur wirtschaftlichen Entwicklung in der Sowjetunion sehr interessiert; die Wirtschaftsabteilung soll diese bei der Auswertung der Pressemeldungen berücksichtigen. . . . .
545
178. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 13. Dezember 1937 Gespräch mit Schulenburg am 11.12.1937 über laufende Angelegenheiten: zu den Ausweisungen und der Regelung des persönlichen Besitzes dieser Personen; zu in der UdSSR Vermissten; zu den Konsulats-Gebäuden in Leningrad und Kiev; zur ausstehenden Verlängerung des Handelsabkommens. . . . . . . . . .
546
179. Schreiben des Konsuls in Novosibirsk Meyer-Heydenhagen an die Deutsche Botschaft in Moskau, 13. Dezember 1937 Der Konsul beklagt sich über die mangelhaften Auskünfte zu den im Bezirk verhafteten Reichsdeutschen und über die Behinderungen des Konsulats durch das NKVD. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
548
180. Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Stellv. Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Frinovskij, 16. Dezember 1937 Ersuchen, dass die örtlichen Organe des NKVD den Bitten der Bevollmächtigten des Narkomindel Folge leisten, die Konsulate mit Fachpersonal zu versorgen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
550
115
III. Dokumentenverzeichnis 181. Aufzeichnung des Mitarbeiters des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Freiherr von Welck, 18. Dezember 1937 Inhalt der Briefe, die Welck an Generalkonsul Speiser zum Transport nach Moskau übergegeben hatte; Speiser hatte keine Grenzempfehlung, er wurde durchsucht und die Briefe wurden ihm abgenommen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
551
182. Schreiben des Militärattachés in Moskau Köstring an den Abteilungschef IV im Reichskriegsministerium von Tippelskirch, 25. Dezember 1937 Schilderung der innenpolitischen Entwicklung der UdSSR der letzten anderthalb Jahre mit dem Schwerpunkt auf Fragen des NKVD und des Militärs. . . . . .
553
183. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov, an den Stellv. Volkskommissar Potemkin und an den Leiter der Verwaltungsabteilung im NKID Korženko, 28. Dezember 1937 Durch einen Beschluss, keine Einkäufe außerhalb Deutschlands zu tätigen, komme die Bevollmächtigte Vertretung in enorme Schwierigkeiten; Astachov sieht die Funktionsfähigkeit der Vertretung in Gefahr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
558
184. Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov und des Stellv. Volkskommissars für Außenhandel Čvjalev an den Stellv. Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Mikojan, 30. Dezember 1937 Um dem wachsenden wirtschaftlichen Einfluss Deutschlands im Iran entgegenzuwirken, bitten Litvinov und Čvjalev bei Mikojan um Unterstützung für Geschäfte von tschechischen Firmen im Handel mit dem Iran. . . . . . . . . . . . . . . .
561
185. Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Stellv. Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Frinovskij, 30. Dezember 1937 Bittet um Genehmigung zur Ausreise von 19 sowjetischen Staatsbürgern eines Leningrader Altersheims, die Verwandte in Deutschland haben. . . . . . . . . . . . .
562
186. Aufzeichnungen des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov, 31. Dezember 1937 Informiert über die verteilten Neujahrsgeschenke und den bevorstehenden Diplomaten-Empfang bei Hitler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
563
187. Schreiben des Stellvertretenden Chefs der Deutschen Sicherheitspolizei Best an das AA, 5. Januar 1938 Anordnung, alle sowjetischen Staatsangehörigen, die Juden sind, mit einer Frist von zehn Tagen auszuweisen. Ausgenommen davon sind Inhaber von Dienstoder Diplomatenpässen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
564
188. Schreiben des Botschaftsrats in Moskau von Tippelskirch an den Leiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep, 7. Januar 1938 Legt dar, dass aus Sicht der Deutschen Botschaft eine Verbindung zwischen der Reichswehr und den verhafteten und erschossenen sowjetischen Generälen nicht bestanden habe, sondern es rein innenpolitische Gesichtspunkte waren, die zu der Ausschaltung der Generäle durch Stalin geführt hatten. . . . . . . . . . .
566
116
III. Dokumentenverzeichnis 189. Meldung des Volkskommissars für Innere Angelegenheiten Ežov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, 8. Januar 1938 Mitteilung über eine Spionageverschwörung im Tomsker Forschungsinstitut für Mathematik und Mechanik sowie diversen anderen Forschungseinrichtungen, an dem der deutsche Generalstab beteiligt sei, um die Ausrüstung der Roten Armee zu sabotieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
569
190. Aufzeichnung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Handelspolitischen Abteilung im AA Schnurre, 10. Januar 1938 Keine Ergebnisse der Verhandlungen über eine Verlängerung des Wirtschaftsabkommens von 1937 auf 1938; Grund dafür ist Schnurre zufolge, dass noch keine Einigung über die gegenseitigen Bestellungen erzielt worden sind; Überlegungen, der sowjetischen Seite einen neuen Kredit anzubieten. . . . . . . . . . . .
572
191. Schreiben des Volkskommissars für Verteidigungsindustrie Kaganovič an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov, 11. Januar 1938 Michail Kaganovič schlägt drei Routen für Dienstreisen nach Frankreich vor, die den Transit durch Deutschland vermeiden, und bittet um Stellungnahme dazu. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
574
192. Verbalnote des NKID an die Deutsche Botschaft Moskau, 11. Januar 1938 Zwei Beschwerden der Deutschen Botschaft, wonach Personen auf das Gelände der Botschaft eindringen wollten, werden nach Besichtigung des Geländes zurückgewiesen, da ein Eindringen undurchführbar sei. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
575
193. Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA, 12. Januar 1938 Da das NKID verärgert darüber sei, wenn abzuschiebende Reichsdeutsche wegen Ausbürgerung von deutscher Seite nicht angenommen werden würden, weist der Botschafter die Konsulate an, bei Erhalt des Ausweisungsbeschlusses keine nachträglichen Ausbürgerungen durchzuführen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
576
194. Auszug aus den Aufzeichnungen des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov, 13. Januar 1938 Schilderung des Ablaufs des Neujahrsempfangs bei Hitler; Gespräch mit Aschmann über die Beleidigungen sowjetischer Persönlichkeiten in der deutschen Presse, was in der UdSSR keine Entsprechung finde, und über Personalumstellungen in der deutschen Pressearbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
578
195. Übersicht der Presseabteilung der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin, 13. Januar 1938 Trotz einiger seriöser Artikel werde die deutsche Presse von Artikeln verleumderischen Inhalts über die UdSSR beherrscht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
581
196. Schreiben des Marineattachés in Moskau von Baumbach an das Oberkommando der Kriegsmarine, 15. Januar 1938 Spricht sich gegen die Veröffentlichung des übersandten Materials in deutschen Zeitschriften aus; die Gefahr weiterer repressiver Maßnahmen gegen die deutschen diplomatischen Vertreter sei zu groß. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
583
117
III. Dokumentenverzeichnis 197. Schreiben des Mitarbeiters des Geheimen Staatspolizeiamtes Heller an das AA, 17. Januar 1938 Charakterisierung des Personals aller sowjetischen Vertretungen in Berlin: nur noch drei reichsdeutsche Mitarbeiter, besondere Verbindung zur amerikanischen Botschaft und Aufgaben neuer sowjetischer Mitarbeiter. . . . . . . . . . . . . .
585
198. Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Volkskommissar für Verteidigungsindustrie Kaganovič, 19. Januar 1938 Stellungnahme zu neuen Reiserouten nach Frankreich (vgl. Dok. 191) und Mitteilung über erneute Demarchen bei der deutschen Regierung zu Belästigungen bei Transitreisen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
586
199. Telegramm des Leiters der Handelspolitischen Abteilung im AA Wiehl an die Botschaft in Moskau, 20. Januar 1938 Mit Göring abgestimmter Vorschlag an die UdSSR, den 200-Millionen-Kredit durch sowjetische Warenlieferungen abzudecken, und Angebot eines neuen Kredits. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
588
200. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, [21. Januar 1938] Laufende Angelegenheiten: zur Ausfuhr von persönlichen Gegenständen des Generalkonsuls Sommer; zu den Transitproblemen sowjetischer Staatsbürger; zur Betreuung der Gebäude in Kiev und Tiflis; zu vermissten und zu auszuweisenden Deutschen in der UdSSR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
589
201. Aufzeichnung der Unterredung des kommissarischen Leiters der 2. Westabteilung im NKID Vajnštejn mit dem Botschaftsrat in Moskau von Tippelskirch, 21. Januar 1938 Beschwerden über die diskriminierende Behandlung von sowjetischen Transitreisenden durch deutsche Zollbeamte; es wird damit gedroht, dass die deutschen Transitreisenden nach Fernost ebenso behandelt werden könnten. . . . . .
591
202. Schreiben des Mitarbeiters des Geheimen Staatspolizeiamtes Heller an das AA, 22. Januar 1938 Interna über die Bevollmächtigte Vertretung in Berlin: Reisen, neues Personal, Rechtsstreit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
593
203. Rundschreiben des Stellvertretenden Chefs der Deutschen Sicherheitspolizei Best an alle Staatspolizeileit- und Staatspolizeistellen, 25. Januar 1938 Alle Reichsdeutschen, die aus der Sowjetunion zurückkehren, sind zu befragen, insbesondere zu militärischen Angelegenheiten; daran seien das Reichskriegsministerium, die Reichsmarineleitung und das Reichsluftfahrtministerium stark interessiert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
595
204. Telegramm des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Handelspolitischen Abteilung im AA Schnurre an die Botschaft in Moskau, 25. Januar 1938 Teilt Abbruch der Wirtschaftsverhandlungen mit, da die Russen für die Rückzahlung von Krediten generell nur Warenlieferungen anbieten würden. . . . . . .
596
118
III. Dokumentenverzeichnis 205. Aufzeichnung der Unterredung des Leiters der Wirtschaftsabteilung im NKID Rozenbljum mit dem Legationsrat in Moskau Hilger, 26. Januar 1938 Zu den laufenden Verhandlungen über ein neues Wirtschaftsabkommen und dem Vorschlag der Gewährung eines neuen 200-Millionen-Kredits. . . . . . . . . .
597
206. Schreiben des kommissarischen Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Smolenskij an den Volkskommissar für Außenhandel Čvjalev, 27. Januar 1938 Vertrauliches Angebot durch Spitta und Schnurre über einen neuen 200-Millionen-Kredit an die UdSSR; Smolenskij erörtert dessen Vor- und Nachteile und kommt zu dem Schluss, dass die Vorteile überwiegen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
599
207. Bericht des kommissarischen Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Smolenskij an den Volkskommissar für Außenhandel Čvjalev, 27. Januar 1938 Inoffizielle Gespräche mit Spitta zur Klärung verschiedener Probleme vor der eigentlichen Sitzung zur Abstimmung eines neuen Handelsvertragstextes; Abbruch der Sitzung wegen der Frage der Unterzeichnung des Schlussprotokolls. Smolenskij spekuliert über die Gründe des Abbruchs und plädiert für eine sowjetische Initiative zur Wiederaufnahme der Verhandlungen. . . . . . . . . . . . . . . .
603
208. Auszug aus dem Rechenschaftsbericht der Abteilung für Auslandsaufträge des Volkskommissariats für Verteidigung, 28. Januar 1938 Probleme bei der Einfuhr von Waren militärischer Art im Jahr 1937: generelles Ausfuhrverbot seitens Deutschlands, lange Lieferfristen, Warenlieferung minderer Qualität, Rückgängigmachung von Aufträgen, Behinderungen der Abnahmebeamten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
608
209. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin, 1. Februar 1938 Unter Berufung auf verschiedene vertrauliche Berichte informiert Astachov das Narkomindel über oppositionelle Strömungen in der Reichswehr und die Reaktion der Führung darauf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
612
210. Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Stellv. Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Frinovskij, 5. Februar 1938 Statt einer administrativen Verbannung sollen deutsche Staatsbürger bzw. Staatsbürger westlicher Staaten generell laut einer Vereinbarung aus dem Jahre 1925 prinzipiell ausgewiesen werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
615
211. Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA, 7. Februar 1938 Genauer Überblick über die Zahlen der in der UdSSR verhafteten Reichsdeutschen, den Zeitraum der Verhaftungen, die Ausgewiesenen und die zur Ausweisung Angemeldeten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
616
119
III. Dokumentenverzeichnis 212. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 8. Februar 1938 Laufende Angelegenheiten: Ausweisung von verhafteten deutschen Staatsbürgern bzw. deren Ehepartnern; Behinderungen auf dem Transitweg; Ausfuhrprobleme der Gegenstände von Generalkonsul Sommer. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
618
213. Bericht des Generalkonsuls in Kiev Großkopf an die Deutsche Botschaft in Moskau, 10. Februar 1938 Zu den unterschiedlichen Behinderungen der Arbeit des Generalkonsulats durch das NKVD, vor allem mittels Einschüchterung und Verhaftung des Personals. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
620
214. Bericht des Russland-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, 10. Februar 1938 Tätigkeitsbericht für 1937: Ursachen des Handelsrückgangs, wofür auch die langen Lieferfristen Deutschlands verantwortlich sind; Bemühen, die Einfuhr aus der UdSSR zu steigern; auch die UdSSR zeige größeren Einfuhrbedarf, sodass eine Steigerung des Handels „nicht ausgeschlossen erscheint“. . . . . . . . . .
622
215. Entwurf einer Weisung des Rates der Volkskommissare der UdSSR, [nicht später als 11. Februar 1938] Auflistung der Konditionen, zu denen die UdSSR zum Abschluss eines neuen 200-Millionen-Kredits bereit wäre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
625
216. Aufzeichnung der Unterredung des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 11. Februar 1938 Laufende Angelegenheiten: Revirement im AA, dabei auch Gerüchte über eine Versetzung Schulenburgs; Behinderungen des Kiever Konsulats und bei der Ausfuhr von Gegenständen von Generalkonsul Sommer; Visumsangelegenheit für Davydov; zur Vakanz des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin und zur Regierungsumbildung in Rumänien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
627
217. Bericht des Gehilfen des Militärattachés in Berlin Gerasimov an die Aufklärungsverwaltung der RKKA, 11. Februar 1938 Ausführliche Darlegung von Ursachen und Folgen der Personalveränderungen in Deutschland vom 4.2.1938, insbesondere die Änderungen in der Wehrmacht (Auseinandersetzungen zwischen „Reichswehrgruppe“ und NSDAP), aber auch im Auswärtigen Amt und im Reichswirtschaftsministerium. . . . . . . . . . . . . . . .
629
218. Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, 14. Februar 1938 Vorschlag, eine Einladung zur Teilnahme an dem Entomologen-Kongress in Berlin im August 1938 abzulehnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
640
219. Aufzeichnung des Geheimen Staatspolizeiamtes, 15. Februar 1938 Sowjetische Juden, die aus Deutschland ausgewiesen wurden, erhielten keine Einreise in andere Länder und wurden deshalb in Konzentrationslager gebracht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
642
120
III. Dokumentenverzeichnis 220. Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, 15. Februar 1938 Um von Vorgängen in Österreich abzulenken soll die Presse den Stalin-Brief an einen Parteipropagandisten in den Mittelpunkt der Berichterstattung stellen. . .
643
221. Aufzeichnung von Unterredungen des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov, 16. Februar 1938 Zu einer Reihe von Deutschland betreffenden Fragen: Besuch Schuschniggs bei Hitler; Säuberung in der Reichswehr; Pressekonferenz für Auslandskorrespondenten im Propagandaministerium; über den Gesundheitszustand Hitlers; zu den Gesprächen anlässlich der Empfänge bei dem Botschafter Japans, bei Ribbentrop und bei Hitler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
644
222. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov und den Stellv. Volkskommissar Potemkin, 16. Februar 1938 Fasst die allgemeine Kräfteverteilung in Deutschland nach den Umstrukturierungen in Armee und Ministerien zusammen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
650
223. Aufzeichnung des Mitarbeiters des Ref. IV/Osteuropa der Handelspolitischen Abteilung im AA Baron von Behr, 16. Februar 1938 Spitta komme nach der Besprechung am 15.2.1938 mit Davydov und Smolenskij zu dem Schluss, dass es schon bald zu einer Unterzeichnung eines Wirtschaftsvertrages kommen könne; außerdem gibt von Behr einen Überblick über die deutsch-sowjetischen Wirtschaftsverträge seit 1936. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
653
224. Schreiben des Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Davydov und des Stellv. Leiters Smolenskij an den Volkskommissar für Außenhandel Čvjalev, 16. Februar 1938 Fragen zum Angebot Deutschlands, der UdSSR einen neuen 200-Mill-Kredit zu gewähren: zur Zusammensetzung der Delegation, zu den sowjetischen Bedingungen und zur Frage der Tilgung des vorhergehenden Kredits. . . . . . . . . . . . .
654
225. Entwurf eines Schreibens des Leiters der Handelspolitischen Abteilung im AA Wiehl an das Geheime Staatspolizeiamt, 18. Februar 1938 Das AA hat gegen eine Ausweisung sowjetischer Juden nichts einzuwenden, mit Ausnahme derjenigen, die für sowjetische politische oder wirtschaftliche Organisationen arbeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
656
226. Aufzeichnung des Leiters der Handelspolitischen Abteilung im AA Wiehl, 21. Februar 1938 Aktueller Stand der deutsch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen mit einem Rückblick auf die Verträge seit 1935 und der Frage, ob es zu einem neuen Kredit kommen wird. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
658
227. Schreiben des Dirigenten der Politischen Abteilung im AA von Bismarck an das Reichsfinanzministerium, 21. Februar 1938 Sowjetische Transitreisende sollen genauso behandelt werden wie diejenigen anderer Staaten, andernfalls befürchtet das AA Einschränkungen für den Transit durch die UdSSR nach Iran und dem Fernen Osten. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
660
121
III. Dokumentenverzeichnis 228. Aufzeichnung des Stellv. Leiters der Personal- und Verwaltungsabteilung im AA Dienstmann, 24. Februar 1938 Kurierreisen nach Tokio, an denen das Reichskriegsministerium besonders interessiert ist, werden aus Kostengründen auch zukünftig weiter über den Landweg Sibirien getätigt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
661
229. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov und den Stellv. Volkskommissar Potemkin, 26. Februar 1938 Anknüpfend an die Rede Hitlers vom 20.2.1938 werden Vermutungen und Gerüchte über den weiteren außenpolitischen Kurs Deutschlands dargelegt, insbesondere im Hinblick auf Österreich, die Tschechoslowakei und Polen. . . . . . . .
662
230. Auszug aus dem Bericht über die Tätigkeit der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin für 1937, [26. Februar 1938] Überblick über die Handelsbeziehungen, insbesondere die Punkte, die eine Ausweitung des Handels verhinderten; seit Ende Oktober 1937 Änderungen bei den deutschen Lieferfristen und Preisen, Grund dafür sind vor allem finanzielle Engpässe und der Rohstoffmangel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
667
231. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem deutschen Geschäftsträger in Moskau von Tippelskirch, [28. Februar 1938] Laufende Angelegenheiten: Verzögerungen bei der Ausweisung von verhafteten Reichsdeutschen; Bitte um Übergabe von Gebrauchsgegenständen an die Frau des Konsulatmitarbeiters in Kiev, Strecker; Nachforschung nach vermissten Deutschen; Verlust von drei aus Vladivostok an die Botschaft Moskau geschickten Paketen/Briefen; zu dem Film „Wenn Morgen Krieg wäre“. . . . . . . . . . . . . .
671
232. Schreiben des Ministerialdirigenten im Reichswirtschaftsministerium Spitta an die sowjetische Handelsvertretung in Berlin, 1. März 1938 Deutsches Zugeständnis, dass sowjetische Wechselverbindlichkeiten für das Jahr 1938 in Höhe von 12 Mill. RM in Waren gezahlt werden können. . . . . . . . .
674
233. Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, 2. März 1938 Richtlinien für die Kommentare zum 3. Moskauer Schauprozess, dem „Block der Rechten und Trotzkisten“ vom 2. bis 12.3.1938. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
675
234. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem deutschen Geschäftsträger in Moskau von Tippelskirch, 2. März 1938 Von Tippelskirch bittet im Namen der deutschen Regierung um die Auflösung der beiden verbliebenen Konsulate in der UdSSR und gleichzeitig um die der beiden sowjetischen Konsulate in Deutschland bis Mitte Mai. . . . . . . . . . . . . . .
675
235. Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, 3. März 1938 Litvinov befürwortet den Vorschlag von Tippelskirch (vgl. Dok. 234), die jeweils verbliebenen beiden Konsulate zu schließen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
677
122
III. Dokumentenverzeichnis 236. Befehl des Volkskommissars für Innere Angelegenheiten der Ukrainischen SSR Uspenskij, 3. März 1938 Verschärfte Ermittlungen zur Aufdeckung von Spionagetätigkeit durch Deutsche, insbesondere auch von solchen, die im Ersten Weltkrieg der Spionage für Deutschland beschuldigt oder verdächtigt wurden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
678
237. Aufzeichnungen des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov, 3. März 1938 Auflistung der Gäste anlässlich der Vorführung des Films „Peter der Erste“ in der Bevollmächtigten Vertretung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
680
238. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin, 3. März 1938 Laufende Angelegenheiten: zur möglichen Rückkehr des Malers Pasternak in die UdSSR; zu Behinderungen sowjetischer Konsulate und zur gegenseitigen Schließung; zur ungesetzlichen Verwendung von Registermark. . . . . . . . . . . . .
682
239. Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov, 4. März 1938 Litvinov ist an Informationen zu Gesprächen zwischen Deutschland und den Westmächten bezüglich Österreichs interessiert; zur Frage der Finanzierung von TASS. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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240. Verbalnote der Deutschen Botschaft Moskau an das NKID, 7. März 1938 Die Botschaft unterstützt die Witwe von Hugo Junkers, ihre Patentrechte in der Sowjetunion durchzusetzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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241. Schreiben des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Handelspolitischen Abteilung im AA Schnurre an die Botschaft in Moskau, 9. März 1938 Informiert über die Verlängerung des Wirtschaftsvertrages für das Jahr 1938 und die noch offene Frage bezüglich der künftigen Modalitäten für die Rückzahlung der Wechsel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
687
242. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem deutschen Geschäftsträger in Moskau von Tippelskirch, 9. März 1938 Mitteilung, dass die sowjetische Regierung mit der gegenseitigen Schließung der verbliebenen letzten beiden Konsulate einverstanden sei. . . . . . . . . . . . . . .
688
243. Schreiben des deutschen Geschäftsträgers in Moskau von Tippelskirch an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg [z.Z. in Berlin], 12. März 1938 Personalfragen im Zusammenhang mit den Konsulatsschließungen; dort tätige Beamte sollen nach Willen des Narkomindel die UdSSR verlassen und nicht an der Botschaft arbeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
690
244. Bericht des deutschen Geschäftsträgers in Moskau von Tippelskirch an das AA, 12. März 1938 Statistische Aufstellung der Haftfälle bzw. der Ausweisungen seit dem Bericht vom 7.2.1938 (vgl. Dok. 211). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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123
III. Dokumentenverzeichnis 245. Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Ežov, 14. März 1938 Aufgrund eines Beschlusses des Politbüros des ZK der VKP (B) soll das NKVD für die letzten verbliebenen zwei Monate „erträgliche Existenzbedingungen“ für das Konsulat Kiev schaffen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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246. Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, 14. März 1938 Übermittelt Entwurf einer Erklärung aus Anlass der Einverleibung Österreichs und legt die sowjetischen Beweggründe einer solchen Erklärung dar. . . . . . . . .
694
247. Bericht des Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Davydov und des Stellv. Leiters Smolenskij an den Volkskommissar für Außenhandel Čvjalev, 15. März 1938 Gespräch mit Brinkmann und Spitta über ein neues Kreditabkommen, wofür das grundsätzliche Einverständnis von Göring und Funk vorliege. . . . . . . . . . .
697
248. Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, 20. März 1938 Angesichts der Liquidierung Österreichs als selbstständiger Staat Vorschlag Litvinovs, die Bevollmächtigte Vertretung in Wien aufzulösen, aber gegebenenfalls in ein Konsulat umzuwandeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
700
249. Bericht des deutschen Geschäftsträgers in Moskau von Tippelskirch an das AA, 22. März 1938 Verzichtet auf Geld vom AA für kulturpolitische Ausgaben für die Volksdeutschen in der UdSSR, da deren Unterstützung angesichts des Terrors nur minimal und aus eigenen Restmitteln der Botschaft erfolgen kann. . . . . . . . . . . . . . .
701
250. Notiz des Mitarbeiters des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Freiherr von Welck, 23. März 1938 Frage, ob Welck eine Einladung von Astachov annehmen kann, wird positiv von Ribbentrop beantwortet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
702
251. Auszug aus der Vorlage des Chefs des Generalstabes der RKKA Šapošnikov an den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov, 24. März 1938 Erwägungen zu möglichen Kriegsgegnern der UdSSR (am „wahrscheinlichsten“: Deutschland und Italien, unterstützt von Japan und Polen), deren militärisches Potential, die Verbündeten und mögliche Aufmarschgebiete. . . . . . . . . . .
703
252. Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Ežov, 25. März 1938 Das NKVD in Kiev soll angewiesen werden, Maßnahmen zu treffen, damit die unhaltbaren Zustände im dortigen Generalkonsulat behoben werden können. . .
709
253. Schreiben des Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Davydov und des Stellv. Leiters Smolenskij an den Volkskommissar für Außenhandel Čvjalev, 25. März 1938 Eine Liste der von den Deutschen erwünschten Exportwaren und ein Gespräch im Wirtschaftsministerium am 21.3.1938 verdeutlichen die Handelsinteressen beider Seiten für die Jahre 1938 und 1939; die Handelsvertretung schlägt eine
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III. Dokumentenverzeichnis jährliche Einfuhr im Wert von 100 Mill. Mark vor und fragt an, ob eine zusätzliche Belieferung der Deutschen mit Rohstoffen als Gegenleistung für einen neuen Kredit grundsätzlich annehmbar ist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
710
254. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov, 27. März 1938 Überlegungen der ausländischen Diplomaten und Journalisten in Berlin zu den nächsten außenpolitischen Schritten Deutschlands nach dem ‚Anschluss‘ Österreichs: entweder Zerschlagung der Tschechoslowakei bzw. Annexion des Sudetengebiets (was Astachov für aktuell hält) oder Konzentration auf Polen bzw. die Korridorfrage. Es werden auch die deutschen Aktivitäten in Südosteuropa analysiert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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255. Aufzeichnung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Handelspolitischen Abteilung im AA Schnurre, 30. März 1938 Ressort-Besprechung am 29.3.1938 zu Fragen der Höhe einer Reichsgarantie und des Zinssatzes bei einem neuen Kreditangebot an die Sowjetunion. . . . . . .
716
256. Rundschreiben des Volkskommissars für Innere Angelegenheiten der Ukrainischen SSR Uspenskij an die Leiter der Bezirksverwaltungen für Innere Angelegenheiten der Ukrainischen SSR, 3. April 1938 Die Arbeit der örtlichen NKVD-Behörden zur Aufdeckung „deutsch-faschistischer Untergrundarbeit“ sei noch ungenügend; ein besonderes Augenmerk wird auf die Verbindung zu den ehemaligen deutschen Besatzungsangehörigen in der Ukraine nach dem Ersten Weltkrieg gelegt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
718
257. Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Bevollmächtigten Vertreter in Paris Suric, 4. April 1938 Frankreichs Außenpolitik sei von Hilflosigkeit und Unentschlossenheit geprägt; die tschechoslowakische Regierung verkenne den Ernst der Lage und könne nicht auf den Beistand Frankreichs hoffen und Polen bereite dadurch, dass es sich an der Infragestellung der bestehenden Grenzen beteilige, seine vierte Teilung vor. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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258. Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, 4. April 1938 Um Schulenburg als Botschafter in Moskau zu halten plädiert Litvinov für eine baldige Besetzung des Postens des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin, und zwar mit Astachov. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
724
259. Schreiben des Mitarbeiters des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Freiherr von Welck an das Geheime Staatspolizeiamt, 8. April 1938 Der Bitte des Gestapa, Mitteilungen über die nach dem Ersten Weltkrieg in der UdSSR ausgewanderten Reichsdeutschen zu machen, kann das AA wegen Überlastung der Deutschen Botschaft nicht nachkommen. . . . . . . . . . . . . . . . .
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260. Aufzeichnung des Ministerialrats im Reichfinanzministeriums Niemetz, 9. April 1938 Interministerielle Gespräche über einen neuen Kredit an die UdSSR und die damit erhobenen Forderungen von sowjetischer Seite; Streitpunkt ist die Frage einer Reichsgarantie, die von sowjetischer Seite zu 100% gefordert wird. . . . . .
726
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III. Dokumentenverzeichnis 261. Schreiben des Volkskommissars für Außenhandel Čvjalev an den Generalsekretär des ZK der VKP(B) Stalin, den Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Molotov und den Stellv. Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Mikojan, 9. April 1938 Die deutschen Bedingungen für einen neuen Kreditvertrag sind für die UdSSR nicht annehmbar; der sowjetische Handelsvertreter in Berlin soll diesbezüglich instruiert werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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262. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an die 2. Westabteilung im NKID, 12. April 1938 Anfrage Astachovs, ob er eine Einladung zu der Geburtstagsparade des ‚Führers‘ annehmen soll. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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263. Schreiben des Stellv. Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Smolenskij an den Volkskommissar für Außenhandel Čvjalev, 16. April 1938 Einzelheiten zu den neuen Kreditverhandlungen im Gespräch mit Spitta; die Hauptfrage zu dem gegenwärtigen Zeitpunkt sei die Höhe der Staatsgarantie. Wenn man auf einer Vorlage dieser Frage bei der deutschen Regierung bestünde, könnte man dies „als Lackmustest für die Bestimmung der Haltung der deutschen Regierung zur Kreditaktion mit uns benutzen“. . . . . . . . . . . . . . . . .
731
264. Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Stellv. Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Frinovskij, 20. April 1938 Bittet darum, alle Abteilungen des NKVD anzuweisen, den Kontakt mit diplomatischen Vertretungen oder politische Ansichten nicht als Begründungen für Verhaftungen von Ausländern anzugeben; dafür könne man die Ausländer allenfalls aus der UdSSR ausweisen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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265. Schreiben des Leiters der Abteilung Osten im Außenpolitischen Amt der NSDAP Leibbrandt an den Leiter des Außenpolitischen Amtes der NSDAP Rosenberg, 21. April 1938 Übersendet Gutachten zum Schrifttum über die Sowjetunion von Helmut Weiß, der eine Reihe von Büchern und Broschüren zur UdSSR bewertet. . . . . . . . . . .
735
266. Schreiben des Geheimen Staatspolizeiamtes an das AA, 27. April 1938 Werbung für Reisen in die UdSSR durch Intourist soll unterbunden werden, Reisende gegebenenfalls an einer Reise gehindert werden; Gestapo bittet um Meinungsäußerung des AA dazu. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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267. Auszug aus der Aufzeichnung von Unterredungen des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov mit Mitarbeitern des AA, 27. April 1938 Zu Fragen der Auflösung der Bevollmächtigten Vertretung in Wien und des Agréments für Merekalov; in diesem Zusammenhang wird Astachov gebeten, sich für die Freilassung der Ehefrau von Strecker einzusetzen. . . . . . . . . . . . . . . . . .
741
268. Aufzeichnung des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov, 28. April 1938 Überlegungen zum Zeitpunkt und zu möglichen Vorgehensweisen Deutschlands in Bezug auf die Sudetendeutschen; eine Reise in das Sudetengebiet ver-
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III. Dokumentenverzeichnis anlasste Astachov zu der Überzeugung, dass die Zustimmung dort zu Deutschland sehr groß ist; er sieht die Gefahr einer Abtrennung unmittelbar bevorstehend und stellt verschiedene Vermutungen an, wie der Verlauf der Ereignisse aufgehalten werden könnte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
745
269. Schreiben des Mitarbeiters der Zentralabteilung des Sicherheitshauptamtes Ohlendorf an den Persönlichen Stab des Reichsführers SS, 29. April 1938 Austausch wissenschaftlicher Literatur mit der Sowjetunion wird entgegen dem Verbot des Reichserziehungsministeriums unter strenger Kontrolle der Reichstauschstelle wieder gestattet, um über Vorgänge in der Sowjetunion unterrichtet zu bleiben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
749
270. Beschluss des Politbüros des ZK der VKP (B), 29. April 1938 Die Verhaftung ausländischer Staatsbürger soll unter Beachtung internationaler Abkommen erfolgen; Auszuweisenden ist eine angemessene Zeit zur Regelung ihrer Angelegenheiten zu gewähren; es soll eine enge Abstimmung zwischen NKVD und NKID stattfinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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271. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin, 1. Mai 1938 Laufende Angelegenheiten: Agrément für Merekalov; zu der deutschen Bitte um Entlassung der Frau Streckers; zum fehlenden Personal mit Deutschkenntnissen in der Vertretung; zur Instrumentalisierung Schuschniggs durch die Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
751
272. Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov, 4. Mai 1938 Zum allgemeinen Zustand der deutsch-sowjetischen Beziehungen nach der Bewertung Schulenburgs, der kürzlich in Berlin war, sowie über das Agrément für Merekalov und Nachrichten aus anderen Staaten zur Politik Deutschlands. .
753
273. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 11. Mai 1938 Nachfrage Schulenburgs nach mehreren verhafteten deutschen Staatsbürgern; Köstring sei nicht mehr gleichzeitig Militärattaché für Litauen, sondern wieder allein für die UdSSR zuständig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
754
274. Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA, 11. Mai 1938 Eine Ausstellung über das Deutschtum in Russland gefährde die Lage der Deutschen in der Sowjetunion und solle, wenn überhaupt, nicht in Berlin, sondern allenfalls in Stuttgart gezeigt werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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275. Rundschreiben des Stellvertretenden Chefs der Deutschen Sicherheitspolizei Best an alle Staatspolizeileit- und Staatspolizeistellen, 11. Mai 1938 Wünsche der Deutschen Botschaft, welche zusätzlichen Fragen an die Russlandrückkehrer bei ihren Vernehmungen in Deutschland gestellt werden sollen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Dokumentenverzeichnis 276. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers Astachov und des Presseattachés der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Smirnov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin, 11. Mai 1938 Beide Diplomaten betonen die Wichtigkeit der Zeitschrift „Sowjetwirtschaft und Außenhandel“, die seit Januar 1938 nicht mehr erschienen ist; Plädoyer, die sowjetische Handelsvertretung wieder mit der Herausgabe zu betrauen. . . .
758
277. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Leiter der Presseabteilung im NKID Gnedin, 11. Mai 1938 Laufende Angelegenheiten: Schüle zur Frage des Sudetengebietes, zu den gegenseitigen Presseartikeln; zur Frage der Verteilung von Schauprozess-Berichten. . .
759
278. Schreiben des kommissarischen Leiters der 2. Westabteilung im NKID Vajnštejn an den sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov, 11. Mai 1938 Bitte um Material, um eine im NKID bestehende Kartothek zu internationalen Politikern zu erstellen und aktuell zu halten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
761
279. Schreiben des Leiters des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep an das Geheime Staatspolizeiamt, 17. Mai 1938 Das AA ist gegen eine Schließung des Reisebüros von Intourist; gegen die Anweisung, dass deutsche Reisebüros keine Prospekte auslegen und Deutsche an Vergnügungsreisen in die UdSSR gehindert werden sollen, hat es nichts einzuwenden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
762
280. Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov, 26. Mai 1938 Solange die Deutschen an der Existenz der sowjetischen Handelsvertretung in Wien keinen Anstoß nehmen, soll diese weiterarbeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
764
281. Aufzeichnung von Unterredungen des Rates der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Nikolaev mit dem Leiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep, 27. Mai 1938 Laufende Angelegenheiten: zum Zeitpunkt der Übergabe des Beglaubigungsschreibens von Merekalov; zum Schiedsgerichtsverfahren Sklarz; zur Auflösung der sowjetischen Vertretungen in Wien; zum Fall der verhafteten Ehefrau von Strecker. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
765
282. Rundschreiben des Chefs der Deutschen Sicherheitspolizei Heydrich, 28. Mai 1938 Verschärfung der Maßnahmen, die zur Ausreise von sowjetischen Juden aus Deutschland führen sollen, u. a. durch Beschlagnahme von Vermögen; im Einzelfall sollen auch Behelfsausweise ausgestellt werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
767
283. Schreiben des Volkskommissars für Außenhandel Čvjalev an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin, 29. Mai 1938 Die Vorarbeiten zur Herausgabe der Zeitschrift „Sowjetwirtschaft und Außenhandel“ wurde nach Moskau verlegt, weil es in der sowjetischen Handelsvertretung zu wenig Mitarbeiter gibt. Čvjalev befürwortet es wie Astachov (vgl. Dok. 276), die gesamte Arbeit in Berlin zu erledigen, bittet aber um Anweisung, dass die Bevollmächtigte Vertretung die Handelsvertretung dabei unterstützt. . .
768
128
III. Dokumentenverzeichnis 284. Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov, 2. Juni 1938 Laufende Angelegenheiten: zur Abreise Merekalovs aus Moskau; zur Rolle Großbritanniens in der tschechoslowakischen Krise; zum Neutralitätsvertrag mit Deutschland und zur Auflösung der Wiener Bevollmächtigten Vertretung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
770
285. Denkschrift des Leiters des Außenpolitischen Amtes der NSDAP Rosenberg, 7. Juni 1938 Kritische Äußerungen über einige staatliche Stellen in Deutschland, die sich mit der Osteuropa-Forschung befassen mit der Intention, die Forschung im APA zu konzentrieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
771
286. Bericht des Flottenchefs Carls an das Oberkommando der Kriegsmarine, 10. Juni 1938 Kriegsszenario einer Ostsee-Kriegführung mit der UdSSR als Gegner, bei der ein Teil der Ostsee-Anrainerstaaten nicht neutral bleibt und „die Rechte der Neutralen überhaupt nicht oder doch nur teilweise“ geachtet werden. . . . . . . . . . .
775
287. Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA, 13. Juni 1938 Spricht sich gegen potentielle Maßnahmen gegen in Sowjetinstitutionen beschäftigte Reichsdeutsche aus, um nicht die zahlreichen sowjetischen Staatsbürger zu gefährden, die in der Botschaft in Moskau arbeiten. . . . . . . . . . . . . .
780
288. Schreiben des Presseattachés der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Smirnov an den Gehilfen des Leiters der 2. Westabteilung im NKID Michel’s, 16. Juni 1938 Auf Anfrage aus Moskau Mitteilung über die Hörqualität der Radiosendungen aus Moskau in deutscher Sprache, aber auch in anderen Sprachen. . . . . . . . . .
781
289. Rundschreiben des Chefs der Reichskanzlei Lammers an alle Reichsminister, 17. Juni 1938 Hitler wünscht keinen dienstlichen Umgang von Beamten und Angestellten deutscher Behörden mit ausländischen Diplomaten; ein persönlicher Umgang soll regelmäßig dokumentiert werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
783
290. Schreiben des Mitarbeiters der Abteilung Osten im Außenpolitischen Amt der NSDAP Dürksen an den Leiter der Abteilung Osten Schickedanz, 17. Juni 1938 Erkundigungen über die sowjetische Delegation der privaten Organisation „Internationale Luftsportvereinigung“, die in Berlin vom Reichsluftfahrtministerium wie alle anderen Delegationen behandelt werden wird, aber keine Flugzeugfabriken sehen soll. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
784
291. Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA, 18. Juni 1938 Charakterisierung des neu ernannten Bevollmächtigten Vertreters für Berlin Merekalov: er sei noch jung, aber selbstsicher trotz fehlender Sprach- und Auslandserfahrung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
785
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III. Dokumentenverzeichnis 292. Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA, 22. Juni 1938 Auswertung der sowjetischen Presse zur tschechoslowakischen Krise; die sowjetische Regierung konzentriere sich auf Einwirkung der Bevollmächtigten Vertreter in den betreffenden Staaten und werde sich im Ernstfall vermutlich nur auf Lieferung von Kriegsmaterial beschränken, da sie sich nicht binden und nicht exponieren wolle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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293. Auszug aus der Rede des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov auf der Bezirkswahlversammlung des Petrograder Wahlbezirkes in Leningrad, 23. Juni 1938 Die internationale Lage sei sehr angespannt, sie ähnele einem Waffenstillstand und keinem Frieden. Nur eine Politik der kollektiven Sicherheit unter Einschluss der Sowjetunion könne die Aggressoren, d. h. Deutschland, bremsen. Deutschland strebe nicht nur nach einer Revision von Versailles, sondern erhebe darüber hinaus Ansprüche auf weitere Territorien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
789
294. Schreiben des Presseattachés der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Smirnov an den Gehilfen des Leiters der 2. Westabteilung im NKID Michel’s, 27. Juni 1938 Auskünfte über die Einweihungszeremonie der russischen Kirche in BerlinWilmersdorf, der Beteiligung von russischen Emigranten und möglicherweise von Vertretern des AA daran; zur Tätigkeit der russischen Emigranten in Deutschland generell sowie zu weiteren Fragen der Pressearbeit. . . . . . . . . . . .
792
295. Aufzeichnung des Staatssekretärs im AA Freiherr von Weizsäcker, 28. Juni 1938 Japanischer Vorschlag einer Absprache zwischen deutscher und japanischer Armee gegen die UdSSR; da die Kriegsmarine nicht einbezogen ist, erwirkt Weizsäcker einen Aufschub. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
794
296. Aufzeichnung von Unterredungen des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg, 5. Juli 1938 Abschiedsgespräche Schulenburgs vor seinem Urlaub: mit Litvinov über die Lage in Spanien und China sowie mit Potemkin über die deutschen Verhafteten bzw. über den Gefangenenaustausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
795
297. Telegramm des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov an das NKID, 6. Juli 1938 Anlässlich des Antrittsbesuchs Merekalovs bei Ribbentrop spricht Weizsäcker die wirtschaftlichen Beziehungen an; Merekalov bekräftigt das sowjetische Interesse daran, meint aber, dass neue Vorschläge von deutscher Seite ausgehen müssten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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298. Rundschreiben des Geschäftsführers des Russland-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft Tschunke, 8. Juli 1938 Starker Rückgang der Ausfuhr nach Deutschland im ersten Halbjahr 1938 durch Rückgang der sowjetischen Aufträge; das Geschäft solle nicht anderen Staaten überlassen werden. Hoffnung auf die Belebung der Wirtschaftsbeziehungen durch Ernennung des ehemaligen stellv. Außenhandelskommissars Merekalov als Bevollmächtigter Vertreter in Berlin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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130
III. Dokumentenverzeichnis 299. Bericht des Militärattachés in Moskau Köstring, 11. Juli 1938 Bericht einer 19-tägigen Reise durch die UdSSR (Kama-Wolga-Gebiet), die „in der Zukunft militärisch von Nutzen sein“ könnte: Beobachtungen zur Überwachung; zur Ausstattung, zu technischen Details und zur Stimmung während der Schiffsreise; zur Beschaffenheit der Straßen; zu den guten Ernten 1937 und voraussichtlich 1938; zum Textil- und Warenhunger der Bevölkerung; zum Entwicklungsstand der Städte sowie zur nationalen Zusammensetzung und Stimmung der Bevölkerung. In Bezug auf Militärisches konnten keine Anzeichen militärischer Maßnahmen beobachtet werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
800
300. Aufzeichnungen von Unterredungen des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov und des Rates der Bevollmächtigten Vertretung Astachov im AA, 11. Juli 1938 Gespräche anlässlich des Antrittsbesuchs Merekalovs im AA (vgl. Dok. 297); Einzelheiten zum Procedere der Übergabe des Beglaubigungsschreibens in Berchtesgaden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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301. Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov, 16. Juli 1938 Detaillierte Beschreibung des Ablaufs bei der Übergabe des Beglaubigungsschreibens auf dem Obersalzberg und der anschließenden Rückfahrt nach Berlin mit Stationen in München, Nürnberg und Leipzig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
809
302. Bericht des Pressebeirats der Deutschen Botschaft in Moskau Stein an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, 18. Juli 1938 Bericht zur Verantwortlichkeit für die Presseartikel in der UdSSR; zur Art der Nachrichten-Übernahme von Meldungen anderer Staaten; zum Einfluss auf Nachrichtenagenturen und zur Behandlung ausländischer, in Moskau arbeitender Korrespondenten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
812
303. Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Bevollmächtigten Vertreter in Berlin Merekalov, 26. Juli 1938 Äußert Bedenken hinsichtlich des Wunsches von Merekalov, sich eine Datscha im Umkreis von Berlin zuzulegen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
816
304. Schreiben des Pressebeirats der Botschaft Moskau Stein an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, 4. August 1938 Erläuterung auf die Anfrage des Ministeriums, welche Informationsquellen in Moskau zur Verfügung stehen: Rundfunk, Zeitungen, Hellschreiber- und Nachrichtendienst des DNB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
817
305. Bericht des deutschen Geschäftsträgers in Moskau von Tippelskirch an das AA, 8. August 1938 Schätzungen zur Zahl der seit 1929 in die UdSSR gekommenen Facharbeiter und zum gegenwärtigen Stand der Verhafteten, Zurückgekehrten und in der Sowjetunion Verbliebenen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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306. Aufzeichnung der Unterredung des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg [z.Zt. in Berlin], 11. August 1938 Wiedergabe von Äußerungen Schulenburgs: bis auf Hitler und Göring sei niemand in der deutschen Führung an einer Verbesserung der Beziehungen zur UdSSR in-
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III. Dokumentenverzeichnis teressiert; zur Entwicklung in der Tschechoslowakei; zum ‚Anschluss‘ Österreichs; zu der antisowjetischen Pressepolitik; zu Grenzfragen im Fernen Osten. . .
820
307. Aufzeichnung der Unterredung des kommissarischen Leiters der 2. Westabteilung im NKID Vajnštejn mit dem deutschen Geschäftsträger in Moskau von Tippelskirch und dem Legationsrat Schwinner, 13. August 1938 Beschwerde darüber, dass Schwinner in ungerechtfertigter Weise von Milizbeamten festgehalten wurde; Tippelskirch berichtet, dass es schon ähnliche Vorfälle mit Mitarbeitern der Deutschen Botschaft gegeben habe. . . . . . . . . . . . . . .
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308. Schreiben des Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Davydov und des Stellv. Leiters Smolenskij an den Volkskommissar für Außenhandel Čvjalev, 16. August 1938 Kreditangebot der Firma „Otto Wolff“ in Höhe von 50 Millionen Reichsmark mit einer Laufzeit von 6 Jahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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309. Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov an den Volkskommissar für Außenhandel Čvjalev, 17. August 1938 Laufende Angelegenheiten: Einbeziehung Österreichs in die deutsch-sowjetischen Wirtschaftsverträge; zum Kreditangebot; zur Verwendung von Markerlösen; zum Austausch des Personals in der Handelsvertretung und zur Zeitschrift „Sowjetwirtschaft und Außenhandel“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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310. Schreiben des Rates der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov, 17. August 1938 Alle Anzeichen sprächen für ein Vorgehen Deutschlands gegen die Tschechoslowakei ab Ende September. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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311. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 20. August 1938 Schulenburgs Sicht auf die gespannte Lage in der Tschechoslowakei und Meinungsaustausch zu der Situation im Fernen Osten bzw. die deutsche Position zu dem sowjetisch-japanischen Grenzkonflikt; zum Stand der Austauschverhandlungen sowjetischer Seeleute gegen verhaftete Reichsdeutsche. . . . . . . . . .
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312. Aufzeichnung der Deutschen Botschaft in Moskau, 20. August 1938 Notiz über die Zahl der Verhafteten und die der Ausgewiesenen seit November 1937; zur unterschiedlichen Behandlung in den Regionen sowie über verschiedene Einzelfälle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
834
313. Schreiben des Militärattachés in Moskau Köstring an den Chef der 3. Abteilung im Generalstab des Heeres von Tippelskirch, 22. August 1938 Zur Sprachregelung über von Deutschland getroffene militärische Maßnahmen und zur Einschätzung der militärischen Schlagkraft der UdSSR; Köstring warnt vor einer Unterschätzung der Roten Armee. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
835
314. Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA, 26. August 1938 Gespräch mit Litvinov am 22.8.1938 über die tschechoslowakische Krise; Litvinov meine, die westlichen Mächte würden die Tschechoslowakei im Falle eines
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III. Dokumentenverzeichnis Angriffs Deutschlands unterstützen; die UdSSR habe der Tschechoslowakei ihre Unterstützung zugesagt. Schulenburg zählt alle Optionen auf, wie die Sowjetunion der Tschechoslowakei beistehen würde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
838
315. Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an den Leiter der Politischen Abteilung im AA Woermann, 29. August 1938 Ergänzung zum Gespräch mit Litvinov (vgl. Dok. 314) über die Krise in der Tschechoslowakei und die Haltung Rumäniens bezüglich eines Durchmarschrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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316. Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, 29. August 1938 Teilt entgegen anderslautender ausländischer Pressestimmen mit, dass Schulenburg nicht mit dem Vorschlag an ihn herangetreten sei, die Nichteinmischung Deutschlands im japanisch-sowjetischen Grenzkonflikt mit einer Nichteinmischung der UdSSR im deutsch-tschechoslowakischen Konflikt zu vergelten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
842
317. Auszug aus dem Bericht des Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Davydov an den Volkskommissar für Außenhandel Čvjalev und den Stellv. Volkskommissar Kušarov, 31. August 1938 Davydov unterstellt den bisher mit Deutschland geschlossenen Wirtschaftsverträgen Schädlingsarbeit seiner Vorgänger: Bevorteilung der Deutschen durch günstigere Liefer- und Zahlungsbedingungen; dadurch sei es den Deutschen möglich gewesen, Erdöl- und Goldvorräte für die Kriegsvorbereitung anzulegen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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318. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem französischen Geschäftsträger in Moskau Payart, 1. September 1938 Frankreich wolle wissen, welcher Art die Hilfeleistung der UdSSR für die Tschechoslowakei im Falle eines Krieges mit Deutschland sei; den sowjetischen Wünschen, auf Rumänien und Polen Einfluss zu nehmen, sei Frankreich nachgekommen, aber dort auf Widerstand gestoßen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
847
319. Meldung des Chefs der 8. Abteilung der 1. Verwaltung des NKVD Grigor’ev an den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Ežov, [1. September 1938] Beschuldigung, dass unter anderen der Mitarbeiter der Deutschen Botschaft Walther in einen geplanten Terroranschlag, der am 18.8.1938, dem Tag der Luftflotte, auf dem Flugplatz von Tušino ausgeführt werden sollte, involviert ist. . .
849
320. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem deutschen Geschäftsträger in Moskau von Tippelskirch, 8. September 1938 Zur Beschlagnahme des deutschen Trawlers „Bahrenfeld“ und zum Tempo der Ausweisungen Deutscher aus sowjetischer Haft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
851
321. Bericht des Gehilfen des Militärattachés in Berlin Gerasimov an den Stellv. Chef der Aufklärungsverwaltung der RKKA Orlov, 10. September 1938 Militärische Einschätzung der deutschen Vorbereitungen bezüglich der Tschechoslowakei; Gerasimov ist, anders als einige seiner Militärattaché-Kollegen,
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III. Dokumentenverzeichnis nicht der Meinung, dass es sich bei militärischen Maßnahmen um einen „Bluff“ aus dem „Hause Goebbels“ handele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
853
322. Bericht des Marineattachés in Moskau von Baumbach an das Oberkommando der Kriegsmarine, 10. September 1938 Überlegungen zum Einsatz der sowjetischen Streitkräfte – insbesondere der Marine – im Kriegsfalle, wenn es wegen der Krise um die Tschechoslowakei dazu käme; insgesamt wird vor einer Verharmlosung der Kräfte der Roten Armee gewarnt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
856
323. Schreiben des Volkskommissars für Außenhandel Čvjalev an den Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Molotov und den Stellv. Vorsitzenden Mikojan, 11. September 1938 Erbittet Weisung bezüglich eines Kreditangebots der Firma „Otto Wolff“ im Volumen von 50 Mio. RM mit einer Laufzeit von 6 Jahren; kurze Charakteristik der Firma. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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324. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin, 12. September 1938 Zu den Auswirkungen der deutschen Gesetzgebung gegenüber Juden auf sowjetische Einrichtungen; es seien „Arier-Nachweise“ für Organisationen erforderlich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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325. Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, 20. September 1938 Der Bevollmächtigte Vertreter in Prag übermittelt zwei Fragen von Beneš bezüglich einer sowjetischen Hilfeleistung im Falle eines deutschen Angriffs; Potemkin spricht sich für eine positive Antwort aus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
861
326. Rundschreiben des Stellvertretenden Chefs der Deutschen Sicherheitspolizei Best, 21. September 1938 Schließung aller sowjetischen konsularischen Vertretungen bis auf die Konsularabteilung an der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin; jedweder Kontakt der Konsulatsabteilung (Anfragen, Mitteilungen, Ersuchen) soll über den Chef der Deutschen Polizei geregelt werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
862
327. Auszug aus der Rede des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov in der Sitzung der 6. Politischen Kommission des Völkerbundes, 23. September 1938 Erklärung Litvinovs, dass die Beistandsverpflichtung im sowjetisch-tschechoslowakischen Vertrag von 1935 so geregelt ist, dass der Beistand der UdSSR nur im Falle eines gleichzeitigen Beistandes seitens Frankreichs rechtlich verbindlich ist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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328. Telegramm des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an das NKID, [23. September 1938] Befürwortet eine Teilmobilmachung der Streitkräfte zur Abschreckung Hitlers, was von Stalin abgelehnt wird. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Dokumentenverzeichnis 329. Aufzeichnung des Mitarbeiters der Firma „Otto Wolff“ Gasper von einer Besprechung in der Firma „Otto Wolff“, 24. September 1938 Verhandlungen über einen Firmenkredit ohne Vermittlung „irgendwelcher Staatsstellen“ in Höhe von 50 Millionen RM. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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330. Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov, 26. September 1938 Die Frage nach einer „rassischen Zugehörigkeit“ sowjetischer Einrichtungen muss kategorisch zurückgewiesen werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
867
331. Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA, 26. September 1938 Sowjetische Reaktionen auf die Krise in der Tschechoslowakei: nach Äußerungen Litvinovs zu urteilen werde die UdSSR der Tschechoslowakei beistehen, nachdem Frankreich dies auch getan habe. Dies gelte auch nach der Annahme des britisch-französischen Ultimatums durch Prag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
868
332. Aufzeichnung der Unterredung des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg mit dem Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin, 29. September 1938 Ansichten Potemkins zur Zusammenkunft in München: die Nicht-Beteiligung der Tschechoslowakei sei ein Fehler, die Zusammenkunft erinnere an den Vier-Mächte-Pakt und die UdSSR fordere eine allgemeine Konferenz; Hitler werde seine Ansprüche auf Landerwerb danach fortsetzen, zunächst in Polen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
870
333. Meldung eines Informanten an das Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten, 30. September 1938 Die Anweisung, dass Frauen und Kinder deutscher Botschaftsmitarbeiter wegen der Tschechoslowakei-Krise Moskau verlassen sollen, ist aufgehoben. . . . .
872
334. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 1. Oktober 1938 Eindruck Schulenburgs zur internationalen Lage und zu den Schwierigkeiten bei der Durchführung der Freilassung Deutscher aus sowjetischer Haft. . . . . . .
873
335. Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA, 3. Oktober 1938 Zusammenfassende Auswertung sowjetischer Zeitungsberichte zum Abschluss des Münchener Abkommens; aus sowjetischer Sicht ist die Politik Frankreichs und Großbritanniens wie auch die des Völkerbundes gescheitert. . . . . . . . . . . .
874
336. Schreiben des Botschaftsrats von Tippelskirch an den Leiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep, 3. Oktober 1938 Aufgrund der deutschen Erfolge in der Sudetenkrise gedrückte Stimmung in der UdSSR, aber es gab keine erkennbaren Mobilmachungs-Maßnahmen; Tippelskirch erwartet Personaländerungen in der UdSSR und schätzt die Chancen für ein Wirtschaftsabkommen mit Deutschland höher als vorher ein. . . . . . . . .
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135
III. Dokumentenverzeichnis 337. Entwurf eines Runderlasses des Chefs der Deutschen Polizei im Reichsinnenministerium Himmler, 4. Oktober 1938 Reisende in die UdSSR müssen vor Ausstellung eines Reisepasses schriftlich ihre Gründe für die Reise darlegen; eine Stellungnahme der zuständigen Staatspolizeistelle und des „Hoheitsträger der Partei“ ist erforderlich; Privatreisen sollen ganz untersagt werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
878
338. Schreiben des Geheimen Staatspolizeiamtes an das AA, 5. Oktober 1938 Ausweitung der Georgischen Vertrauensstelle hin zu einer Kaukasische Vertrauensstelle, die die in Deutschland lebenden Emigranten aus den KaukasusGebieten Georgien, Aserbaidschan, Armenien und Nordkaukasus betreuen soll und zu deren Leiter Wladimir Achmeteli bestimmt wurde. . . . . . . . . . . . . . . . .
879
339. Aufzeichnung der Unterredung des 2. Rates der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Nikolaev mit dem Leiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep, 6. Oktober 1938 Laufende Angelegenheiten: Verbot der Auslieferung von Entfernungsmessern und einem Periskop an die UdSSR; zur unerwünschten Verbreitung sowjetischer Drucksachen durch Intourist und die sowjetische Handelsvertretung; zur Schließung des Wiener Intourist-Büros; zur Frage des „Arier-Nachweises“ für sowjetische Einrichtungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
881
340. Aufzeichnung des Gesandtschaftsrats I Kl. in Moskau Schwinner, 7. Oktober 1938 Gespräch mit Vajnštejn wegen Verhaftungen und Ausweisungen (auch Einzelfälle); Vajnštejn sei bedrückt und antworte in Bezug auf seine Mitarbeiter im NKID ausweichend. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
883
341. Schreiben des Botschaftsrats in Moskau von Tippelskirch an den Leiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep, 10. Oktober 1938 Laufende Angelegenheiten: zum Kommando der Roten Armee im Fernen Osten, zur Personallage im Narkomindel und zur Stellung Litvinovs, zur allgemeinen Außenpolitik nach der Krise um die Tschechoslowakei sowie zur innenpolitischen Situation in der UdSSR. Der Abschluss eines neuen Wirtschaftsvertrages mit der Sowjetunion wird angeraten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
884
342. Schreiben des Militärattachés in Moskau Köstring an den Chef der 3. Abteilung im Generalstab des Heeres von Tippelskirch, 10. Oktober 1938 Folgen der Isolierung der UdSSR aufgrund der Münchener Konferenz und die Meinung, dass die Sowjetunion ihre Aufrüstung weder qualitativ noch quantitativ verstärken könne; kaum noch Möglichkeiten, militärische Nachrichten aus der UdSSR zu beschaffen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
888
343. Rundschreiben des Chefs des Oberkommandos der Wehrmacht Keitel, 13. Oktober 1938 Regelung des dienstlichen und außerdienstlichen Verkehrs von Wehrmachtsangehörigen mit Mitgliedern ausländischer Missionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
890
344. Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin, 13. Oktober 1938 Zu den Maßnahmen in Vorbereitung der Revolutionsfeierlichkeiten: Empfänge und Aufräumen in der Bevollmächtigten Vertretung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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136
III. Dokumentenverzeichnis 345. Aufzeichnung des Rates der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Astachov, 14. Oktober 1938 Information eines französischen Journalisten über die Pläne Deutschlands zur Einkreisung Polens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
893
346. Schreiben des Ministerialdirektors a.D. Köpke an den Teilhaber der Firma „Otto Wolff“ Siedersleben, 14. Oktober 1938 Auf Drängen des AA und gegen Widerstände der Parteistellen sei die Weisung des Reichswirtschaftsministeriums erfolgt, „mit Russland erneut und intensiver als bisher die Geschäftsverbindung aufzunehmen“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
894
347. Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov, 14. Oktober 1938 Bitte um beschleunigte Abkommandierung eines TASS-Korrespondenten nach Berlin, da die gleichzeitige Übernahme dieser Funktion durch den Pressebeauftragten der Bevollmächtigten Vertretung große Schwierigkeiten bereite. . . . . . .
895
348. Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov an den kommissarischen Leiter der 2. Westabteilung im NKID Vajnštejn, 14. Oktober 1938 Zur Frage, wie der Austausch von Material mit der 2. Westabteilung im Narkmomindel geregelt werden soll. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
897
349. Schreiben des Botschaftsrats in Moskau von Tippelskirch an den Leiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep, 17. Oktober 1938 Zur sowjetischen Außenpolitik nach der Krise um die Tschechoslowakei sowie zur Innenpolitik, die durch einen Mangel an Konsumgütern und das Personalkarussell durch Verhaftungen gekennzeichnet ist. Tippelskirch vermutet „irgendeine Aktion Stalins“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
898
350. Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA, 20. Oktober 1938 Für die sowjetische Bevölkerung häuften sich Wehrübungen, die Bedeutung der Intellektuellen würde gehoben und die moralische Mobilisierung durch neue Auszeichnungen gestärkt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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351. Schreiben des Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Davydov an den Volkskommissar für Außenhandel Čvjalev, 25. Oktober 1938 Einzelheiten zu dem Kreditangebot der Firma „Otto Wolff“ über 50. Mio. Reichsmark; positiv wäre es laut Davydov für die UdSSR, dass auch militärische Waren geliefert werden könnten, negativ, dass der Kredit an die Produktion der Firma gebunden wäre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
902
352. Aufzeichnung des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg, 26. Oktober 1938 Drei Themenkreise, die für ein Gespräch mit Molotov von Relevanz seien: Bedingungen für neue Kreditverhandlungen für 1939, Regelung von allgemeinen Wirtschaftsangelegenheiten sowie Regelung strittiger Fragen im Zusammenhang mit den Verhaftungen Reichsdeutscher. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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137
III. Dokumentenverzeichnis 353. Aufzeichnungen des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov, 27. Oktober 1938 Gäste und Gesprächsthemen (Stimmung gegenüber Deutschland, Abschiedsvisite von François-Poncet bei Hitler) anlässlich des ersten Empfangs, den Merekalov in Berlin gab. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
906
354. Aufzeichnung der Unterredung des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 29. Oktober 1938 Beschwerden von der Schulenburgs über die Stockung bei der Ausweisung Deutscher und über die Einschränkungen für das Botschaftspersonal. . . . . . . . .
908
355. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 29. Oktober 1938 Laufende Angelegenheiten: Regelung der Ausweisung, der Heimschickung der Kinder von Inhaftierten und der Entlassung aus sowjetischer Staatsangehörigkeit von Ehefrauen sowie der Regelung des Eigentums von Immobilien Deutscher. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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356. Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Stellv. Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Berija, 4. November 1938 Das Narkomindel bittet darum, den Gesuchen der Deutschen Botschaft nach rechtzeitiger und vollständiger Information über Verhaftungen deutscher Staatsbürger und nach deren beschleunigter Ausweisung nachzukommen. . . . . . . . . .
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357. Aufzeichnung des Leiters der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Wiehl, 4. November 1938 Verschiedene Ressorts erheben mit Nachdruck die Forderung, die Wirtschaftsbeziehungen zur Sowjetunion wieder zu beleben; die anstehende Verlängerung der Wirtschaftsvereinbarung soll dazu genutzt werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
913
358. Auszug aus dem Vortrag des Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Molotov auf der Festsitzung des Moskauer Stadtsowjets, 6. November 1938 Die Zerschlagung der Tschechoslowakei hat die Kriegsgefahr deutlich gezeigt, da „der Appetit der kleinen und großen Raubtiere Europas“ noch nicht gestillt ist. Nur die UdSSR, die sich an diesen Vorgängen nicht beteilige, zeige Treue zu ihren Verträgen und warne alle anderen Staaten in West und Ost vor einer Verletzung ihrer territorialen Integrität und der Interessen des Sozialismus. . . . . . .
914
359. Meldung des Stellv. Volkskommissars für Innere Angelegenheiten Berija für den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov, 10. November 1938 Der Rundfunkempfang der Rede Hitlers vom 8.11.1938 wurde auf dem Gebiet der UdSSR soweit wie möglich durch Störsender verhindert. . . . . . . . . . . . . . .
917
360. Auszug aus dem Bericht des Stellv. Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Skosyrev an den Stellv. Volkskommissar für Außenhandel Kušarov, 12. November 1938 Benennt Ursachen für die Verzögerung von Lieferungen aus Deutschland: Mängel der angebotenen Waren oder Lieferschwierigkeiten der Firmen, Probleme
138
III. Dokumentenverzeichnis durch die Arbeit der sowjetischen Außenhandelsvereinigungen sowie Überlastung der Abnahmebeauftragten der Handelsvertretung. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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361. Auszug aus dem Stenogramm einer Beratung bei dem Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin, 13. November 1938 Zu den Problemen bei der Arbeit der Bevollmächtigten Vertretung: zur Informationspolitik durch die Zentrale; zum fehlenden TASS-Korrespondenten; zum Gebäude der Vertretung; zum Handelsvolumen mit Deutschland; zum ValutaVerbrauch der Vertretung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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362. Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA, 18. November 1938 Die sowjetische Innen- und Außenpolitik wird anhand der Presseartikel, Reden und sonstigen Verlautbarungen anlässlich des 21. Jahrestages der Revolution dargelegt: oberster Grundsatz sei die Bekämpfung des Faschismus. Das Land lebe im Bewusstsein der kapitalistischen Umkreisung und mobilisiere deshalb alle Kräfte; die Rote Armee sei aber in absehbarer Zeit nicht einsatzfähig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
926
363. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov, 19. November 1938 Zur Reaktion auf die Novemberpogrome und zu den voraussichtlichen nächsten außenpolitischen Ambitionen Deutschlands (Memelgebiet und Kolonien). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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364. Entwurf eines Schreibens des Leiters der Abteilung Osten im Außenpolitischen Amt der NSDAP Leibbrandt an den Chef der Deutschen Sicherheitspolizei Heydrich, 25. November 1938 Das Angebot Heydrichs, für das APA Arbeiten zu Osteuropa zur Verfügung zu stellen, soll angenommen werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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365. Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an Leiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep, 28. November 1938 Über das polnisch-sowjetische Verhältnis und die Position Polens in Europa; über sowjetische Ausfuhren nach Spanien; über Albrechts Buch „Der verratene Sozialismus“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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366. Schreiben des Volkskommissars für Außenhandel Čvjalev an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, den Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Molotov und den Stellv. Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Mikojan, [28. November 1938] Bedingungen des Handelsabkommens von 1938, die laut Čvjalev akzeptabel sind, weshalb er für die Verlängerung des Abkommens für 1939 plädiert. . . . . .
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367. Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, 3. Dezember 1938 Zusammenstellung der Argumente, warum die UdSSR keine deutschen oder sudetendeutschen jüdischen Flüchtlinge aufnehmen könne. . . . . . . . . . . . . . .
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139
III. Dokumentenverzeichnis 368. Aufzeichnung von Unterredungen des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 4. Dezember 1938 Laufende Angelegenheiten: Sorge Schulenburgs über die Verlängerung des Abkommens über den Waren- und Zahlungsverkehr; zum Schiedsgericht mit dem Benzolverband; zur Entlassung und Ausreise der verhafteten Deutschen. . . . . .
939
369. Schreiben des Militärattachés in Moskau Köstring an den Oberquartiermeister IV im Generalstab des Heeres von Tippelskirch, 5. Dezember 1938 Stellungnahme des Militärattachés zum sowjetisch-polnischen Verhältnis. . . . .
941
370. Aufzeichnung des Militärattachés in Moskau Köstring, 10. Dezember 1938 Plädiert für Beibehaltung der Praxis, dass die Wirtschaftsabteilung der Botschaft die für das Oberkommando der Wehrmacht wichtigen wehrwirtschaftlichen Informationen aus der sowjetischen Presse entnimmt. . . . . . . . . . . . . . . .
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371. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Leiter der 2. Westabteilung im NKID Vajnštejn, 12. Dezember 1938 Frage der Entschädigung für sowjetische Staatsbürger, die durch die Pogrome Verluste erlitten haben; auch wenn diese selbst keine Forderungen erheben, gibt Astachov zu bedenken, dass eine Note trotzdem nützlich sein könnte. . . . .
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372. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov, 12. Dezember 1938 Zählt Mängel in der Arbeit der Bevollmächtigten Vertretung auf und bittet nach der Rückkehr von Merekalov nach Berlin um seine Rückberufung nach Moskau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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373. Protokoll einer interministeriellen Sitzung im Reichswirtschaftsministerium, 12. Dezember 1938 Ressortbesprechung über einen neuen Kreditvorschlag, der der Sowjetunion unterbreitet werden soll: Diskussionspunkte sind der Prozentsatz der Reichsbürgschaft, der Weg der Finanzierung (Bankenkonsortium oder Deutsche Golddiskontbank) sowie die Lieferkapazitäten der deutschen Wirtschaft. . . . . . . . . .
946
374. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 14. Dezember 1938 Laufende Angelegenheiten: zur Verlängerung des Zahlungsabkommens; zur Ausweisung der Kinder Marsmann; zur Entlassung von mit Deutschen verheirateten Sowjetbürgerinnen aus sowjetischer Staatsbürgerschaft; zur Konfiskation beweglichen Eigentums bei der Verhaftung Deutscher. . . . . . . . . . . . . . . . .
948
375. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Leiters des Sektors für Handelsvertretungen im NKVT Andreev mit dem Legationsrat in Moskau Hilger, 14. Dezember 1938 Laufende Angelegenheiten: Beschwerden Hilgers, dass er keine Gespräche mehr direkt im Außenhandelskommissariat führen könne und auch der Handelsvertreter Davydov die Botschaft nicht besuche; zur Verlängerung des Handelsvertrages für 1939; zu Liefermöglichkeiten deutscher Firmen; zu Streitigkeiten zwischen Sojuznefteėksport und dem Benzolverband. . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Dokumentenverzeichnis 376. Aufzeichnung des Attachés der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schmid, 15. Dezember 1938 Mit der Eingliederung Österreichs seien alle österreichisch-sowjetischen Verträge weggefallen und an ihre Stelle die deutsch-sowjetischen Vertragsvereinbarungen (mit Sonderfällen) getreten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
952
377. Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, 17. Dezember 1938 In der Presse soll die ukrainische Frage und der Besuch des russischen Thronprätendenten Vladimir zurückhaltend behandelt werden. . . . . . . . . . . . . . . . .
953
378. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov, 17. Dezember 1938 Außenpolitische Themen in Deutschland: Schicksal der Karpato-Ukraine und Kampagne gegen Großbritannien; Astachov schätzt beides als Ablenkungsmanöver ein. Bezüglich der Karpato-Ukraine schlägt er eine Pressekampagne vor: die Idee einer Vereinigung mit der Sowjetukraine. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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379. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov, 17. Dezember 1938 Zur Frage des Austausches von Weihnachtsgeschenken. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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380. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an die Konsularabteilung des NKID, 17. Dezember 1938 Frage, ob dem sowjetischen Staatsbürger Tensov, der gerade aus deutscher Haft entlassen wurde, die sowjetische Staatsbürgerschaft entzogen wird; nach all den sowjetischen Eingaben zu seinem Schutz hält Astachov dies für problematisch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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381. Aufzeichnung des Legationsrats in Moskau Hilger, 23. Dezember 1938 Besprechung mit Skosyrev zu den Wirtschaftsbeziehungen: Geschäftsmodalitäten mit sudetendeutschen Firmen; Stand der Verhandlungen über einen neuen Warenkredit; Rückwandererguthaben; Zahlungen deutscher Syndikate für Ätzkali und Schwefelnatrium; Rauchwarenauktionen in Leningrad; Schiedsgerichtsverfahren; die Lage deutscher Monteure in der UdSSR. . . . . . . . . . . . . . .
959
382. Bericht des Geheimen Staatspolizeiamtes an den Ministerpräsidenten Preußens Göring, 24. Dezember 1938 Über das Verhalten sowjetischer Matrosen in deutschen Häfen und vor allem von deutschen Matrosen in sowjetischen Häfen und detaillierte Richtlinien dazu. . . .
963
383. Auszug aus dem Lagebericht des Geheimen Staatspolizeiamtes, [31. Dezember 1938] Einschätzung der russischen Emigranten in Deutschland durch die Gestapo (Überwachung, Gleichschaltung, Einschätzung der Bewegung in anderen Staaten, Nennung von exponierten Personen); Personalveränderungen in den sowjetischen Institutionen in Deutschland; Anzahl der Reisenden von und nach der UdSSR; Ausweisung der jüdischen sowjetischen Staatsbürger aus Deutschland und beabsichtigtes Vorgehen gegen sowjetische Staatsangehörige allgemein; Statistik zu den Russlandrückkehrern sowie Anwerbung in der UdSSR lebender Deutscher durch das NKVD. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Dokumentenverzeichnis 384. Schreiben des Botschaftsrats in Moskau von Tippelskirch an den Leiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep, 31. Dezember 1938 Erläuterung zu einem Bericht eines Vertrauensmannes an die Deutsche Botschaft in Paris, in dem über eine außenpolitische Verständigung zwischen Polen und der UdSSR als Reaktion „auf angeblich deutsche Pläne auf Errichtung einer Großukraine“ eingegangen wird. Alle dort angeführten Punkte, die ein Zusammengehen der beiden Staaten postulieren, werden als unwahrscheinlich zurückgewiesen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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385. Aufzeichnung der Unterredung des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg mit dem Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov, 4. Januar 1939 Schulenburg mahnt die Ausweisung verhafteter Reichsdeutscher, deren Ehefrauen und Kinder an; zu diesem Zweck bittet er um ein Gespräch mit dem Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Berija. Über ein neues deutsches Kreditangebot war Litvinov nicht informiert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
979
386. Schreiben des Volkskommissars für Innere Angelegenheiten Berija an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, 9. Januar 1939 Erbittet Weisungen, ob er Graf von der Schulenburg empfangen kann, um mit ihm ungelöste Fragen bei der Ausweisung von Verhafteten sowie von Ehefrauen und Kindern von Verhafteten zu klären. Berija teilt Stalin den Stand in diesen Angelegenheiten mit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
982
387. Aufzeichnung der Unterredung des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov mit dem Botschafter a.D. Nadolny und dem Legationsrat in Moskau Hilger, 10. Januar 1939 Im Gespräch am 5.1.1939 hätte Hilger Zugeständnisse bei den Kreditverhandlungen zugesagt; Nadolny plädierte für eine Lösung im Schiedsverfahren zwischen dem Benzolverband und Sojuznefteėksport. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
984
388. Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Bevollmächtigten Vertreter in Berlin Merekalov, 10. Januar 1939 Anlässlich eines britischen Artikels, wonach Himmler angeblich die Bevollmächtigte Vertretung in Berlin stürmen wollte, bittet Litvinov Merekalov, geheime Dokumente von Zeit zu Zeit zu vernichten bzw. nach Moskau zu schicken. . .
986
389. Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov an den Volkskommissar für Außenhandel Mikojan, 10. Januar 1939 Klagen über das Personal der Handelsvertretung, insbesondere über Skosyrev, dessen Hauptarbeit dem NKVD gelte; eine neue Mannschaft würde die Arbeit voranbringen und auch die in der Vertretung vorhandenen „Reste des deutschen Nachrichtendienstes“ eliminieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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390. Schreiben des Stellv. Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Skosyrev an den Stellv. Leiter des Sektors für Handelsvertretungen im NKVT Andreev, 11. Januar 1939 Skosyrev teilt Hilgers Ansichten mit: zur Antwort auf den Kreditvorschlag vom Dezember 1938; zur Schiedssache zwischen Benzolverband und Sojuznefteėksport; zur Isolation des diplomatischen Corps in Moskau. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Dokumentenverzeichnis 391. Aufzeichnung des Leiters der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Wiehl, 11. Januar 1939 Unterredung mit Merekalov: Die sowjetische Regierung ist bereit, den deutschen Vorschlag zu Kreditverhandlungen aufzunehmen, möchte aber, dass die Verhandlungen in Moskau geführt werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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392. Bericht des Stellv. Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Skosyrev an den Volkskommissar für Außenhandel Mikojan, 12. Januar 1939 Unterredung Merekalovs mit Wiehl am 11.1.1939 über die Aufnahme der Wirtschaftsverhandlungen, die nach sowjetischem Wunsch in Moskau geführt werden sollen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
993
393. Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov an den Volkskommissar für Außenhandel Mikojan, 12. Januar 1939 Reaktionen der Deutschen zur Übernahme des Außenhandelskommissariats durch Mikojan; zur Einschätzung des Außenhandels durch den Russland-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft; Merekalov schätzt die Verhandlungspositionen beider Seiten ein und bittet dringend um neue Mitarbeiter für die Handelsvertretung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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394. Telegramm des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov an das NKID, 12. Januar 1939 Äußerlichkeiten und Äußerungen beim Neujahrsempfang des diplomatischen Corps bei Hitler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
998
395. Schreiben des kommissarischen Leiters der Handelsvertretung in Berlin Skosyrev an den Stellv. Leiter des Sektors für Handelsvertretungen im NKVT Andreev, 17. Januar 1939 Skosyrev ergänzt seinen am 12.1.1939 an des NKVT geschickten Bericht über ein gemeinsames Treffen mit Merekalov im AA mit der Bemerkung, dass Merekalov gegenüber dem AA gesagt habe, der Empfang einer deutschen Delegation in Moskau bedeute nicht nur eine Verbesserung der wirtschaftlichen, sondern auch der politischen Beziehungen. Skosyrev legt Wert darauf, dass er eine solche Äußerung als Anweisung nicht erhalten habe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
999
396. Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Bevollmächtigten Vertreter in Berlin Merekalov, 17. Januar 1939 Einschätzung des gegenwärtigen deutsch-polnischen und polnisch-sowjetischen Verhältnisses; der Position Nadolnys zur UdSSR; Anweisung zur Übermittlung der diplomatischen Schreiben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1000
397. Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov, 21. Januar 1939 Ersucht um Mitarbeiter für die Konsularabteilung, da die Arbeit beständig zunehme, und fragt nach der Reaktion auf eine Fragebogenaktion einer unbekannten Organisation, die sich an sowjetische Staatsbürger bzw. Bürger mit russischen Wurzeln wende, um sie zu erfassen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1002
398. Schreiben des Rates der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov und den Stellv. Volkskommissar Potemkin, 21. Januar 1939 Überlegungen Astachovs zu den außerordentlichen Kosten, die Deutschland durch seine außenpolitischen Aktivitäten und durch innenpolitische Entschei-
143
III. Dokumentenverzeichnis dungen entstanden seien. Die antijüdischen Maßnahmen seien vor allem zur Deckung dieser Kosten durchgeführt worden, was jedoch nicht ausreiche, weshalb die Deutschen noch weitere Maßnahmen ventilieren würden. . . . . . . . . . .
1004
399. Vortrag des Reichsaußenministers von Ribbentrop, 24. Januar 1939 Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Außenpolitik: Einheit des Volkes, Stärke der Wehrmacht, Bündnisfähigkeit des Staates; dabei der „weltanschauliche Kampf gegen die zersetzenden Mächte des Bolschewismus von ausschlaggebender Bedeutung“, deshalb nur eine Politik möglich: die gegen Russland. Die UdSSR sei durch innere Zerfleischung, technische Unfähigkeit und Furcht vor Japan gelähmt. Weiteres Ziel der deutschen Außenpolitik: Erweiterung des Lebensraumes in Europa und Schaffung eines Kolonialreiches. . . . . . . . . . . . . .
1006
400. Auszug aus einer an den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov gerichteten Sammlung von Agenturmaterialien, [24. Januar 1939] Zu den deutsch-rumänischen Beziehungen, die nach der Ermordung von Codreanu und die dadurch hervorgerufene Pressekampagne in Deutschland sehr schlecht seien; eine oppositionelle Stimmung in der Bevölkerung und Zwistigkeiten innerhalb der deutschen Regierung verhinderten eine zielgerichtete Politik, so wie sie ein Krieg gegen die UdSSR verlange; Meinung zu den Ereignissen um die Besetzung der Stadt in den ukrainischen Karpaten, Mukačevo.
1020
401. Aufzeichnung der Unterredung des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov mit dem Leiter der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Wiehl, 27. Januar 1939 Gespräch mit Wiehl am 20.1.1939 zur Neuaufnahme der Wirtschaftsverhandlungen und der damit verbundenen Reise Schnurres nach Moskau. . . . . . . . . . .
1024
402. Aufzeichnung von Unterredungen des Rates der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Astachov, 27. Januar 1939 Äußerungen Schulenburgs während des Frühstücks bei Merekalov zu der bevorstehenden Reise Schnurres nach Moskau und zu seinem Verhältnis zu NSPolitikern; Nachfragen des britischen Geschäftsträgers zu dieser Delegationsreise; zur sowjetischen Position zum französisch-italienischen Konflikt. . . . . . . . .
1026
403. Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov, 27. Januar 1939 Aufgrund der Nichteinladung von sowjetischen Vertretern zu einem PresseAbend empfiehlt Merekalov, Protest gegenüber dem AA zu erheben und zukünftig nicht alle Einladungen von deutscher Seite zu ignorieren. . . . . . . . . . . .
1028
404. Auszug aus dem Tätigkeitsbericht der Abteilung für Mašinoimport in der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin, 27. Januar 1939 Die Arbeit der Abteilung Mašinoimport habe sich aufgrund der verschärften Bedingungen in Deutschland im Jahr 1938 erheblich verschlechtert: das allgemeine Klima der Zusammenarbeit sei feindselig, die Arbeit der sowjetischen Abnahmebeamten würde behindert, die Möglichkeiten der deutschen Firmen für Lieferungen, selbst wenn sie es wollten, seien beschränkt, bei Reklamationen entschieden die Schiedsgerichte häufig für die deutschen Firmen. Tabelle mit an Deutschland, der Schweiz und Österreich vergebenen Aufträgen im Jahre 1938. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Dokumentenverzeichnis 405. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem deutschen Geschäftsträger in Moskau von Tippelskirch, 28. Januar 1939 Zum bevorstehenden Besuchs Schnurres und Absprachen, wie gegenüber ausländischen Diplomaten bzw. Journalisten der Besuch kommentiert werde. . . . .
1033
406. Aufzeichnung des Leiters der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Wiehl, 6. Februar 1939 Wiehl informiert Merekalov und Skosyrev über das Nichtzustandekommen der Reise Schnurres nach Moskau; die Botschaft Moskau sei beauftragt, Gespräche über die Handelsbeziehungen zu führen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1034
407. Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an den Staatssekretär im AA Freiherrn von Weizsäcker, 6. Februar 1939 Bedauern über das Scheitern der Reise Schnurres; wahrscheinlich sei die Indiskretion durch eine Quelle in Polen erfolgt; zum Konflikt UdSSR-Ungarn; zum Fischerei-Streit mit Japan. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1035
408. Aufzeichnung des Leiters der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Wiehl, 6. Februar 1939 Zum Stand der gegenwärtigen wirtschaftlichen Verpflichtungen der UdSSR: ein Abbruch der wirtschaftlichen Beziehungen hätte schwerwiegende Folgen für die deutsche Wirtschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1037
409. Anordnung des Chefs des Stabes des Stellvertreters des Führers Bormann, 6. Februar 1939 Neuerrichtung einer Stelle zur wissenschaftlichen Berichterstattung über die Sowjetunion, deren monatliche Mitteilungen den Reichs- und Gauleitern der NSDAP zur persönlichen Unterrichtung zugehen sollen. . . . . . . . . . . . . . . . . .
1038
410. Schreiben des kommissarischen Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Skosyrev an den Volkskommissar für Außenhandel Mikojan, 8. Februar 1939 Bericht über das Treffen von Merekalov und Skosyrev mit Wiehl (am 6.2.1939), bei dem Wiehl darüber informierte, wie nach der Stornierung der Reise Schnurres nach Moskau in den Wirtschaftsverhandlungen weiter zu verfahren sei. . . .
1039
411. Bericht des Gehilfen des Militärattachés in Berlin Gerasimov an den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov, 10. Februar 1939 Technisch genaue Darstellung der Entwicklung der verschiedenen Waffengattungen im Jahr 1938; mögliche Mobilisierungsmöglichkeiten im Jahr 1939 und allgemeine Schlussfolgerungen für die Einschätzung der deutschen Wehrmacht insgesamt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1041
412. Telegramm des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA, 11. Februar 1939 Mikojan sehe deutsches Entgegenkommen im neuen Entwurf eines Kreditabkommens und stelle seinerseits neue Forderungen für eine Vereinbarung. . . . .
1046
413. Schreiben des Oberquartiermeisters IV im Generalstab des Heeres von Tippelskirch an den Militärattaché in Tokio Matzky, 14. Februar 1939 Die ‚tschechoslowakische Frage‘ sei noch nicht endgültig bereinigt, aber es gebe keine Ambitionen auf ukrainische Gebiete, deshalb stehe ein Konflikt mit der Sowjetunion auch nicht bevor. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Dokumentenverzeichnis 414. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 19. Februar 1939 Auffassung Schulenburgs zu seinen Gesprächen mit Mikojan und zu dem Gang der Wirtschaftsverhandlungen im Allgemeinen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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415. Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov, 27. Februar 1939 Zu Gegenmaßnahmen gegen deutsche Botschaftsangehörige in Bezug auf Einladungen (vgl. Dok. 403); Merekalovs Praxis gegenüber von deutscher Seite ausgesprochenen Einladungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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416. Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an den Leiter der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Wiehl, 1. März 1939 Entgegenkommen Mikojans bei den Wirtschaftsverhandlungen; der japanische Botschafter in Moskau bat Schulenburg, die Fortführung der Gespräche bis zum Ende der Fischerei-Verhandlungen Japans mit der UdSSR auszusetzen. . . . . . . .
1051
417. Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Bevollmächtigten Vertreter in Berlin Merekalov, 3. März 1939 Litvinov legt Merekalov die Einladungspraxis in Moskau dar; Merekalovs Beschwerden wegen Nichteinladung in Berlin hält er für unangemessen und stellt Gegenmaßnahmen gegenüber der Deutschen Botschaft in Moskau infrage (vgl. Dok. 415). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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418. Auszug aus einem Tätigkeitsbericht der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin für das Jahr 1938, [3. März 1939] Der Export nach Deutschland im Jahre 1938 wurde behindert durch die Auswirkungen der politischen Spannungen auf die Preise, durch die Arbeit der Überwachungsstellen und durch den Wegfall jüdischer Firmen; der Import wurde erschwert durch die allgemeine Feindseligkeit gegenüber der UdSSR, die Beanspruchung der deutschen Wirtschaft durch die Aufrüstung, durch größere Mängel in der deutschen Produktion sowie lange Lieferfristen. Ende 1938 änderte sich die Situation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1053
419. Bericht eines Mitarbeiters des Ostwelt-Verlages, 3. März 1939 Maßnahmen zur Verbesserung des Informationsflusses über Osteuropa: Ausbau des Abhördienstes, Ausweitung des Bezuges von Pressematerial und des Mitarbeiterstabes; Bitte um zusätzliche Mittel vom Auswärtigen Amt. . . . . . . . . . . . .
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420. Aufzeichnungen des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov, 6. März 1939 Gespräche anlässlich eines Empfangs des diplomatischen Corps bei Hitler: mit Hitler über die Behandlung des sowjetischen Bevollmächtigten Vertreters sowie mit Göring und anderen; Einschätzung, dass das wirtschaftliche Interesse bei einigen Deutschen Gesprächsbereitschaft zeigt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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421. Schreiben des Presseattachés der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Smirnov an den Leiter der Presseabteilung im NKID Gnedin, 6. März 1939 Twardowski verweigere sich einem Gespräch mit Smirnov, der mit ihm über die Organisation des Bücheraustausches sprechen soll. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Dokumentenverzeichnis 422. Bericht an den Leiter des Außenpolitischen Amtes der NSDAP Rosenberg, 9. März 1939 Die Schaffung einer karpato-ukrainischen Autonomie nach der Besetzung des Sudentenlandes erwecke bei den Ukrainern weltweit die Hoffnung auf einen eigenen ukrainischen Staat. Einerseits richte man Hoffnung auf eine Unterstützung aus Deutschland, andererseits gebe es von Seiten der UdSSR eine starke Propaganda, u. a. wegen der deutschen Besetzung der Ukraine im Ersten Weltkrieg. In der Anlage eine Zusammenstellung der ukrainischen Siedlungs- bzw. Bevölkerungsverteilung weltweit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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423. Aufzeichnung des Geheimen Staatspolizeiamtes, 10. März 1939 Unstimmigkeiten zwischen dem Außenpolitischen Amt der NSDAP und dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda wegen der Verzögerungen bei der Weitergabe von den Russlandrückkehrer-Befragungen. Die Studienstelle für deutsche Rückkehrer in der Antikomintern in Berlin soll in Zukunft selbst die Rückkehrer befragen dürfen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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424. Auszug aus dem Rechenschaftsbericht des Generalsekretärs des ZK der VKP (B) Stalin an den XVIII. Parteitag der VKP (B), 10. März 1939 Als Aggressor-Staaten werden Japan, Deutschland und Italien genannt, die die Interessen der nichtaggressiven Staaten, vor allem Englands, Frankreichs und der USA schädigen. Diese machen jedoch den Aggressoren ein Zugeständnis nach dem andern, da sie sich von der Politik der kollektiven Sicherheit losgesagt haben und zu einer Position der Neutralität übergegangen sind. Die Sowjetunion jedoch stehe für Frieden und Freundschaft mit allen Staaten, sofern diese nicht versuchen, die Interessen der UdSSR zu verletzen. Keinem Staat soll die Möglichkeit gegeben werden, die UdSSR in Konflikte zu verwickeln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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425. Telegramm des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA, 11. März 1939 Rede Stalins (vgl. Dok. 424) sei „auffallend farblos und vorsichtig“; Haupttendenz der Außenpolitik: allen Konflikten und Verwicklungen auszuweichen. . .
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426. Vortrag des Marineattachés in Moskau von Baumbach, 11. März 1939 Zur innenpolitische Situation in der UdSSR allgemein mit der Betonung auf den Folgen des Terrors im Militär; der zweite Schwerpunkt des Vortrages sind Marinefragen (Fischereikonflikt mit Japan, Seewege, Alterskohorte in der Marine, Auswirkungen des Terrors, Probleme der Informationsbeschaffung). . . . . . .
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427. Auszug aus der Aufzeichnung des Leiters der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Wiehl, 11. März 1939 Die Wirtschaftsverhandlungen mit der UdSSR sollen „zum Scheitern gebracht werden“, da durch neu ergangene Weisungen sich die Produktionslage verändert habe und Deutschland nicht in der Lage sei, entsprechende Waren zu liefern; die Verhandlungen sollen jedoch dilatorisch weitergeführt werden. . . . . .
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428. Jahresbericht der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin, 11. März 1939 Bericht über die Veränderungen im Jahr 1938 in außenpolitischer Hinsicht: Deutschland sei vom Stadium der „Vorbereitung von Aggressionsabsichten zu deren direkter Umsetzung“ übergegangen; dazu werden folgende Ereignisse er-
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III. Dokumentenverzeichnis läutert: Vorbereitung und Durchführung des ‚Anschlusses‘ Österreichs; Vorgeschichte und anschließende Einverleibung der sudetendeutsche Gebiete der Tschechoslowakei; innenpolitische Maßnahmen, die die Einschränkung der Juden betrafen bis hin zum Novemberpogrom; Grenzziehungsprobleme in der Karpato-Ukraine zwischen Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei; die deutschen Ansprüche an die Städte Memel und Danzig. Darüber hinaus schildert der Bericht die Probleme der Bevollmächtigten Vertretung bzw. diejenigen sowjetischer Staatsbürger infolge von Maßnahmen deutscher Behörden sowie die deutsche Berichterstattung über die UdSSR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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429. Schreiben des Militärattachés in Moskau Köstring an den Oberquartiermeister IV im Generalstab des Heeres von Tippelskirch, 13. März 1939 Ausführungen über die Rede Stalins am 10.3.1939 (vgl. Dok. 424); dieser würde gleichermaßen gegen die Aggressor-Staaten (Deutschland, Italien, Japan) wie die Nicht-Aggressorstaaten (Großbritannien, USA, Frankreich) polemisieren, weil ein Konflikt dieser beiden Mächtegruppen untereinander für die UdSSR die Möglichkeit beinhalte, „Ruhe vor uns“, vor Deutschland zu haben. . . . . . . .
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430. Antwortnote des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 18. März 1939 Erklärung der sowjetischen Regierung, dass sie die Eingliederung Tschechiens in das Deutsche Reich und die Errichtung des Protektorats über der Slowakei nicht anerkenne, da sie die Begründungen dafür als nicht richtig erachte und die Unterzeichnung des Präsidenten Hácha unter diesen Akt ohne Legitimation der Bevölkerung und entgegen der tschechoslowakischen Verfassung erfolgt sei. . . . . .
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431. Schreiben des Botschaftsrats in Moskau von Tippelskirch an den Leiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep, 20. März 1939 Die Besetzung der Tschechoslowakei durch Deutschland wird in einer Note der UdSSR zwar verurteilt, aber die Besetzung der Karpato-Ukraine durch Ungarn begrüßt. Aus dem Gespräch Litvinovs mit der Frau des japanischen Botschafters Tōgō entnimmt von Tippelskirch eine Chance für Deutschland die Wirtschaftsverhandlungen mit der Sowjetunion zu beleben. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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432. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 26. März 1939 Schulenburg drängt im Gespräch am 23.3.1939 vor seiner Abreise zu der Hochzeit des iranischen Thronfolgers auf die Klärung der ungelösten Haftfälle und der Frage der Familienzusammenführung der Ausgewiesenen. . . . . . . . . . . . . . 433. Auszug von Agenturmaterialien der Aufklärungsverwaltung der RKKA, 3. April 1939 Äußerungen von Kleist zu Ursachen und Zielen der Besetzung der Tschechoslowakei sowie zu den Plänen Deutschlands bezüglich der Karpato-Ukraine; der Krieg gegen die Sowjetunion bleibe aber „die letzte und entscheidende Aufgabe der deutschen Politik“, in diesem Zusammenhang spiele die Politik gegenüber Polen, das man aufteilen und reorganisieren müsse, eine wichtige Rolle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Dokumentenverzeichnis 434. Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Bevollmächtigten Vertreter in Berlin Merekalov, 4. April 1939 Erbittet Reaktionen aus Deutschland auf die Garantieerklärung Chamberlains gegenüber Polen; die UdSSR stehe weiter für gemeinsame Absprachen gegen die Aggressoren bereit, aber „je später man um unsere Hilfe nachsucht, desto mehr wird man uns zahlen“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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435. Bericht des deutschen Geschäftsträgers in Moskau von Tippelskirch an das AA, 5. April 1939 Ein TASS-Kommunique stellt klar, dass die Sowjetunion für den Kriegsfall keine Waffenhilfe an Polen zugesagt habe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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436. Denkschrift des Kolonistenrates des Verbandes der Russlanddeutschen, 14. April 1939 Stellungnahme des Verbandes zu einer in Stuttgart geplanten Ausstellung über das Russlanddeutschtum (ja, aber ohne antikommunistische Tendenz) und eines heimlichen Paketversands an Russlanddeutsche (ja, aber unter Auflagen und eigener Verantwortung). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1113
437. Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, 14. April 1939 Frage, ob sich Merekalov an einem Geschenk des diplomatischen Corps für Hitlers 50. Geburtstag beteiligen soll.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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438. Chiffretelegramm des Residenten der Aufklärungsverwaltung der RKKA in Japan Sorge an den Chef der 5. Verwaltung der RKKA Proskurov, 15. April 1939 Wiedergabe von Überlegungen, in welchen Fällen sich Japan einem Krieg gemäß des Antikomintern-Paktes anschließen würde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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439. Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, 15. April 1939 Überlegungen, wie und unter welchen Bedingungen eine Zusammenarbeit mit Großbritannien und Frankreich zur Verhinderung eines Krieges aussehen könnte.
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440. Schreiben des Militärattachés in Moskau Köstring an den Oberquartiermeister IV im Generalstab des Heeres von Tippelskirch, 17. April 1939 Köstrings Auffassung, wie die Sowjetunion die internationale Lage einschätzt und was ihr Handeln beeinflusst: einerseits der Wunsch, dass die kapitalistischen Staaten sich untereinander bekämpfen, andererseits der Wunsch, sich aus einem Krieg derzeit herauszuhalten. Darauf würden auch die sowjetischen Bedenken, militärische Bündnisse einzugehen, hinweisen. . . . . . . . . . . . . . . .
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441. Aufzeichnung des Staatssekretärs im AA Freiherr von Weizsäcker, 17. April 1939 Besprechung mit dem Bevollmächtigten Vertreter Merekalov, der die Möglichkeit guter Beziehungen zwischen den beiden Staaten betont. . . . . . . . . . . . . . .
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442. Aufzeichnung des Staatssekretärs im AA Freiherr von Weizsäcker, 17. April 1939 Probleme bei Lieferungen durch die Škoda-Werke seien für die sowjetische Seite der Prüfstein, wie wichtig der deutschen Seite die gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen sind. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Dokumentenverzeichnis 443. Telegramm des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov an das NKID, 18. April 1939 Zum Gespräch am 17.4.1939: die Einstellung von Lieferungen aus den ŠkodaWerken sei eine Diskriminierung und widerspreche dem Erlass des Reichskanzlers; Deutschland wolle nach Aussage Weizsäckers trotz grundlegender Differenzen zur UdSSR mit dieser die wirtschaftlichen Beziehungen ausbauen. . . . .
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444. Bericht des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov, 19. April 1939 Am Vortag einer Rede Hitlers, die anlässlich seines 50. Geburtstag erwartet wird, ventiliert Astachov die möglichen außenpolitischen Aktivitäten Deutschlands, insbesondere im Hinblick auf Polen und die Baltischen Staaten, aber auch bezüglich Finnlands und des östlichen Mittelmeeres. Ein kollektives Handeln bewertet Astachov als schwierig. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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445. Schreiben des Chefs der Zollhauptverwaltung des NKVT Kuznecov an den Volkskommissar für Außenhandel Mikojan, 20. April 1939 Unstimmigkeiten im Narkomzdrav wegen der Ausfuhrgenehmigung einer medizinischen Laborausrüstung, die aus Deutschland 1928 eingeführt wurde. Die Protokollabteilung habe eine Genehmigung erteilt, die Zollhauptverwaltung legt die Frage dem Volkskommissar für Außenhandel zur Entscheidung vor. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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446. Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Berija, 20. April 1939 Wiederholte Bitte, Kinder von deutschen und österreichischen ausgewiesenen Staatsbürgern nach Deutschland ausreisen zu lassen; auf einer Liste werden die Kinder genannt, für die die Deutsche Botschaft sich einsetzt, und auf einer anderen diejenigen, die die Heimleitung wegen „antisowjetischer[r] Stimmungen“ ausgewiesen sehen möchte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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447. Auszug aus der Vorlage des Kommandos des Kiever Besonderen Militärbezirks, 24. April 1939 Detaillierte Darlegung, wie im Falle eines Angriffes Deutschlands und Polens die Truppen der Gegner in welcher Stärke wo aufgestellt werden und wie die anderen Staaten an der Westgrenze der UdSSR sich verhalten könnten. . . . . . . .
1133
448. Aufzeichnung der Unterredung des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov mit dem Staatssekretär im AA Freiherr von Weizsäcker, 27. April 1939 Bei dem von Astachov aufgezeichneten Gespräch vom 17.4.1939 geht es um die Weigerung der Škoda-Werke, sowjetische Aufträge zu erfüllen; Meinungsaustausch über die gegenwärtige gespannte Lage im Allgemeinen und den Zustand der deutsch-sowjetischen Beziehungen im Besonderen. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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449. Bericht des Mitarbeiters des Ref. V (Osteuropa) in der Politischen Abt. im AA Pacher von Theinburg, [27. April 1939] Die sowjetische Regierung verschleiere in den Gesprächen mit den Westmächten ihre Absichten; dafür bestehe eine sowjetisch-polnische Interessensgleichheit und das Interesse der UdSSR auf „Selbstausschaltung“, d. h. aus dem Her-
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III. Dokumentenverzeichnis aushalten aus möglichen Konflikten. Von einer veränderten Einstellung zu Deutschland könne keine Rede sein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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450. Auszug aus dem Bericht der Wehrwirtschaftlichen Abteilung des Oberkommandos der Wehrmacht, 30. April 1939 Stärken und Schwächen der sowjetischen Wirtschaft in Bezug auf eine militärische Auseinandersetzung; als besondere Schwächen werden das Verkehrswesen, Großkraftwerke und ein möglicher Verlust der Ukraine bezeichnet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1142
451. Aufzeichnung der Unterredung des Mitarbeiters der Firma „Otto Wolff“ Köpke mit dem Leiter des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre, 2. Mai 1939 Private Firmen sollen auf keinen Fall eigene Verhandlungen mit der sowjetischen Handelsvertretung führen; Hintergründe zu der Rückberufung Schnurres im Januar 1939. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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452. Telegramm des Generalsekretärs des ZK der VKP (B) Stalin an Bevollmächtigte Vertretungen im Ausland, 3. Mai 1939 Nach Meinungsverschiedenheiten mit Molotov sei Litvinov von seinem Posten als Volkskommissar für Äußere Angelegenheiten zurückgetreten und Molotov an seine Stelle berufen worden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1146
453. Aufzeichnung der Unterredung des 1. Sekretärs der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Ivanov mit dem Mitarbeiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Meyer-Heydenhagen, 3. Mai 1939 Beschwerden über die Behinderungen des sowjetischen Generalkonsulats in Memel und Information über den Plan der deutschen Regierung, ein Weißbuch über die Verhaftungen Deutscher in der UdSSR zu erstellen. . . . . . . . . . . . . . .
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454. Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, 4. Mai 1939 Meldungen, aber keine Kommentare zum Sturz Litvinovs, und keine Bewertung der Person Molotovs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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455. Aufzeichnung der Botschaft Moskau, [nicht später als 5. Mai 1939] Charakterisierungen von Litvinov und Molotov sowie Überlegungen, wer in der sowjetischen Regierung die Außenpolitik bestimme; die Ernennung Molotovs bedeute eine stärkere Kontrolle durch Stalin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1149
456. Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, 5. Mai 1939 Ab sofort Einstellung aller Kampagnen gegen die Sowjetunion und gegen den Bolschewismus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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457. Aufzeichnung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre, 5. Mai 1939 Schnurre sichert Astachov die Lieferungen der Škoda-Werke zu. Astachov fragt nach Wiederaufnahme der Wirtschaftsgespräche und nach der Reaktion auf Litvinovs Absetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Dokumentenverzeichnis 458. Aufzeichnung der Unterredung des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov mit dem Leiter des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre, 6. Mai 1939 Zum Gespräch mit Schnurre am 5.5.1939 (vgl. Dok. 457): die Škoda-Werke sollen ihre Verträge mit der UdSSR erfüllen, dagegen seien laut Schnurre bei den aktuellen deutsch-sowjetischen Wirtschaftsverhandlungen auf der sowjetischen Wunschliste zu viele Waren, deren Lieferung Deutschland Schwierigkeiten bereite. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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459. Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, 6. Mai 1939 Die Presse solle nichts mehr zu Litvinov berichten und Zurückhaltung bei Molotov üben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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460. Bericht des deutschen Geschäftsträgers in Moskau von Tippelskirch an das AA, 8. Mai 1939 Erörterung der Frage, warum Molotov zum Außenkommissar ernannt wurde; Der Personalwechsel bedeute eine Zurückziehung auf die Grundprinzipien der Stalinschen Außenpolitik: sachliche Beziehungen zu allen Staaten, keine Involvierung in Konflikte, Aufbau des militärischen Potentials der UdSSR, Ausbau der Freundschaftsbeziehungen mit dem internationalen Proletariat. . . . . . .
1155
461. Telegramm des kommissarischen Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Gorodinskij an den Volkskommissar für Außenhandel Mikojan, 10. Mai 1939 Tschunke schlage vor, eine Wirtschaftsdelegation nach Moskau zu entsenden, um die Kreditverhandlungen zu beschleunigen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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462. Artikel des Generalsekretärs des ZK der VKP (B) Stalin, 11. Mai 1939 Die internationale Lage habe sich nach der Kündigung des Flottenvertrags mit Großbritannien und dem Abschluss des Stahlpaktes mit Italien deutlich verschlechtert. Die Verhandlungen mit Großbritannien und Frankreich seien aber schwierig, die beiden Weststaaten würden Verpflichtungen der UdSSR gegenüber ausweichen. Eine Zusammenarbeit sei nur bei Gegenseitigkeit möglich. . .
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463. Aufzeichnung der Unterredung des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov mit dem Mitarbeiter der Presseabteilung im AA Braun von Stumm, 12. Mai 1939 Bei der Vorstellung des neuen TASS-Vertreters Filippov am 9.5.1939 Gespräch über die gegenseitigen Presseangriffe; während Braun von Stumm das deutsche Entgegenkommen betonte, maß Astachov dem noch keine „ernstzunehmende Bedeutung“ bei. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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464. Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, 12. Mai 1939 Es sollen keine Artikel zu der Frage einer deutsch-sowjetischen Annäherung erscheinen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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465. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin, 12. Mai 1939 Der Ton der deutschen Presse gegenüber der UdSSR hätte sich deutlich gewandelt, jedoch hält Astachov dies für oberflächlich und jederzeit wieder umkehrbar.
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III. Dokumentenverzeichnis 466. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den kommissarischen Leiter der 2. Westabteilung im NKID Vajnštejn, 12. Mai 1939 Zu verhafteten sowjetischen Staatsbürgern in Deutschland, deren Aufnahme die UdSSR ablehnte; zur Frage, in welchen Sprachen diplomatische Noten derzeit verfasst werden; Astachov führt einige Beispielländer an und warnt davor, Anspruch auf Anerkennung der russischen Sprache als internationale Sprache zu erheben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1167
467. Aufzeichnung des Mitarbeiters der Firma „Otto Wolff“ Gasper, 15. Mai 1939 Zu einer Besprechung mit dem Staatssekretär Neumann im Amt des Beauftragten für den Vierjahresplan, der meint, dass das Russland-Geschäft forciert werden würde, sowie zu der Involvierung des Freiherrn von Bibra im RusslandGeschäft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1169
468. Meldung von Agenturmaterialien durch den Chef der 5. Verwaltung des Volkskommissariats für Verteidigung Proskurov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, 17. Mai 1939 Strategische Überlegungen über die weiteren militärischen Schritte Deutschlands, die Kleist zufolge (im Gespräch mit einem Gewährsmann vom 2.5.1939) Hitler gegenüber Ribbentrop geäußert haben soll. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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469. Aufzeichnung der Unterredung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre mit dem sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov, 17. Mai 1939 Bitte Astachovs, die sowjetische Handelsvertretung in Prag bestehen zu lassen; Äußerungen Astachovs, dass sich das deutsch-sowjetische Verhältnis dauerhaft bessern sollte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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470. Bericht des Freiherrn von Reibnitz an das AA, [19. Mai 1939] Nach Aussagen des Berichterstatters wird es für die Orientierung der Sowjetunion „allein auf die Frage ankommen, welche außenpolitische Verbindung seiner Grenzgestaltung und seiner Machtstellung am dienlichsten sein“ wird. Daraus schlussfolgert er, dass eine Verbindung mit Deutschland für die UdSSR vorteilhafter sei als eine solche mit Großbritannien und Polen. . . . . . . . . . . . . .
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471. Aufzeichnung der Unterredung des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Molotov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 20. Mai 1939 Austausch über den Fortgang der Wirtschaftsverhandlungen; die Deutschen seien an einer Reise Schnurres nach Moskau interessiert, Molotov meint, dass den Wirtschaftsverhandlungen eine entsprechende politische Grundlage vorausgehen müsse, ohne diese weiter zu präzisieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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472. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 20. Mai 1939 Schulenburg möchte von Potemkin eine Interpretation der Aussage Molotovs (vgl. Dok. 471) erhalten; dieser meint, er hätte dem nichts hinzuzufügen und solle sie so nach Berlin übermitteln, „damit sie dort in gebührender Weise überdacht“ würde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Dokumentenverzeichnis 473. Aufzeichnung von Unterredungen des Presseattachés der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Smirnov, 20. Mai 1939 Auf einem Journalistentreff propagiert Lescrinier Smirnov gegenüber die deutsch-sowjetische Freundschaft, die jedoch von Ribbentrop sabotiert werde; Vorstellung des neuen TASS-Korrespondenten beim DNB. . . . . . . . . . . . . . . . .
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474. Meldung des Chefs der 5. Verwaltung der RKKA Proskurov an den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov, 21. Mai 1939 Japan verweigert den Beitritt zu einem Militärabkommen Deutschland-Italien, bietet aber im Konfliktfall militärische Hilfsmaßnahmen an. . . . . . . . . . . . . . . .
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475. Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an den Staatssekretär im AA Freiherrn von Weizsäcker, 22. Mai 1939 Zu den Verhandlungen der Westmächte mit der UdSSR gebe es wenig Informationen; Verhandlungen mit Deutschland sollen für die Sowjetunion nicht als Erpressungsmittel gegenüber den Westmächten dienen. Aus diesem Grund habe Ribbentrop Schulenburg für das Gespräch mit Molotov „äußerste Vorsicht anbefohlen“; er fügt als Anlage seine Aufzeichnung über die Gespräche am 20.5.1939 mit Molotov (vgl. Dok. 471) und Potemkin (vgl. Dok. 472) bei. . . . . . .
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476. Auszug aus der Aufzeichnung einer Rede Hitlers, 23. Mai 1939 Nach grundsätzlichen Überlegungen zur Position Deutschlands in der internationalen Lage seit 1933 (notwendig: Lebensraum im Osten) werden konkret die möglichen Konstellationen einer Kriegführung nach einem deutschen Angriff auf Polen erörtert. Es sei nicht ausgeschlossen, dass sich die UdSSR „an der Zertrümmerung Polens desinteressiert“ zeige. Wirtschaftliche Beziehungen zur UdSSR seien nur möglich, wenn sich die politischen Beziehungen besserten. „Es ist Sache geschickter Politik“, so Hitler, „Polen zu isolieren.“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1189
477. Auszug aus einem Vortrag des Chefs der Amtsgruppe Wehrwirtschaftsstab im Oberkommando des Heeres Thomas, 24. Mai 1939 In einem künftigen Krieg sei die Durchhaltefähigkeit der Wirtschaft der entscheidende Faktor; diese hänge vor allem ab von der Fettversorgung, der Erzversorgung sowie der Versorgung mit Treibstoff und Kautschuk. . . . . . . . . . . . .
1193
478. Aufzeichnung des Staatssekretärs im AA Freiherr von Weizsäcker, 25. Mai 1939 Handlungsoptionen, wie einer weiteren vertraglichen Abmachung zwischen der Sowjetunion und den Westmächten, die vor einem Abschluss ständen, entgegengewirkt werden kann. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1197
479. Entwurf eines Schreibens des Reichsaußenministers von Ribbentrop an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, [nicht später als 26. Mai 1939] Angesichts einer möglichen Einigung der Westmächte und der Sowjetunion instruiert Ribbentrop Schulenburg, „stärker aus der Reserve herauszutreten“; umfangreicher Argumentationskatalog für ein Gespräch mit Molotov, warum eine deutsch-sowjetische Annäherung jetzt erwünscht sei. Das Telegramm wurde nicht abgeschickt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Dokumentenverzeichnis 480. Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, 26. Mai 1939 Die Bekämpfung der Sowjetunion soll in der Presse wieder aufgenommen werden, da sich die UdSSR dem „Einkreisungssystem der Westmächte“ angeschlossen habe. Taktische Rücksichten seien bisher notwendig gewesen, könnten jetzt aber aufgegeben werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1202
481. Telegramm des Staatssekretärs im AA Freiherr von Weizsäcker an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 26. Mai 1939 Die Botschaft soll weiterhin völlige Zurückhaltung in Gesprächen mit der sowjetischen Regierung wahren und weitere Instruktionen abwarten. . . . . . . . . . . .
1202
482. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Molotov, 27. Mai 1939 Gibt Gespräche mit ausländischen Diplomaten und Journalisten wieder: zu den deutsch-italienisch-japanischen Gesprächen über ein Militärbündnis; zur Haltung Polens in der Krise; zur Perspektive einer Verbesserung der deutschsowjetischen Beziehungen, zu der es nichts zu sagen gäbe außer der Tatsache, dass die deutsche Presse ihren Ton verändert habe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1203
483. Bericht des Stellv. Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Babarin, [28. Mai 1939] Genaue Auflistung der Konditionen von deutscher und sowjetischer Seite in den verschiedenen Entwürfen für einen neuen deutschen Kredit an die UdSSR vom Januar 1938 bis Ende Februar 1939. Auf den letzten sowjetischen Vorschlag gab es bis dato keine deutsche Reaktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1207
484. Aufzeichnung ohne Unterschrift aus dem Auswärtigen Amt, 29. Mai 1939 Unterlage für das Gespräch mit Astachov am 30.5.1939 (vgl. Dok. 486). . . . . . .
1211
485. Schreiben des Staatssekretärs im AA Freiherr von Weizsäcker an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, [30. Mai 1939] Weisung an Schulenburg vom 27.5.1939, Zurückhaltung in Moskau zu zeigen, trotz der Wahrscheinlichkeit eines britisch-sowjetischen Ausgleichs. Im Nachgang (30.5.1939) Hinweis, dass eine „entschieden modifizierte Fühlungnahme mit den Russen“ durch Weizsäcker mit Astachov in Berlin stattfinden wird. . . .
1212
486. Aufzeichnung der Unterredung des Staatssekretärs im AA Freiherr von Weizsäcker mit dem sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov, 30. Mai 1939 Weizsäcker möchte mittels der Frage nach der Aufrechterhaltung der sowjetischen Handelsvertretung in Prag von Astachov erfahren, welche Ambitionen die sowjetische Seite habe; Astachov betont ein gewisses Junktim zwischen Politik und Wirtschaft; Weizsäcker tritt aus der deutschen Reserve, indem er formuliert, dass „in unserem politischen Laden auch für Russland eine ziemliche Auswahl bestehe“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1213
487. Telegramm des Staatssekretärs im AA Freiherr von Weizsäcker an die Botschaft in Moskau, 30. Mai 1939 Hilger kann und soll Gespräche mit Mikojan zu Wirtschaftsverhandlungen aufnehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1216
155
III. Dokumentenverzeichnis 488. Aufzeichnung der Unterredung des Mitarbeiters der Firma „Otto Wolff“ Köpke mit dem Leiter des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre, 31. Mai 1939 Schnurre sagt, der Zeitpunkt für eine Wiederaufnahme der deutsch-sowjetischen Wirtschaftsverhandlungen sei noch unklar; Hilger würde noch in Moskau sondieren. Zusage Schnurres, bei etwaigen Verhandlungen auf die Firma „Otto Wolff“ zurückzugreifen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1217
489. Auszug aus dem Vortrag des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Molotov auf der dritten Tagung des Obersten Sowjet der UdSSR, 31. Mai 1939 Allgemeine Einschätzung der internationalen Lage, die sich durch die Ereignisse, beginnend mit dem Münchener Abkommen und der Zerschlagung der Tschechoslowakei, geändert habe; einerseits werden die Interessen der demokratischen Staaten (Großbritannien und Frankreich) und der aggressiven Staaten (Deutschland und Italien) erörtert, andererseits die Interessen der UdSSR in diesem Stadium der Verhandlungen mit allen bezeichneten Staaten formuliert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1218
490. Aufzeichnung der Unterredung des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov mit dem Staatssekretär im AA Freiherr von Weizsäcker, 2. Juni 1939 Gespräch am 30.5.1939 (vgl. Dok. 486) zur Frage des Weiterbestehens der sowjetischen Handelsvertretung in Prag, zu unterschiedlichen Äußerungen von Molotov und Merekalov bezüglich des Zusammenhangs von wirtschaftlichen und politischen Beziehungen, die Weizsäcker geklärt haben möchte; die Äußerungen Weizsäckers, mit denen er aus der deutschen Reserve heraustrat, seien laut Astachov in „höchst verworrener und vorbehaltlicher Form“ vorgebracht worden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1224
491. Aufzeichnung der Unterredung des Volkskommissars für Außenhandel Mikojan mit dem Legationsrat in Moskau Hilger, 2. Juni 1939 Sondierung zu den Aussichten neuer Wirtschaftsverhandlungen, die Mikojan zufolge „die Form eines politischen Spiels angenommen hätten“. . . . . . . . . . . .
1229
492. Aufzeichnung der Unterredung des Presseattachés der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Smirnov im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, 3. Juni 1939 Anlässlich der Vorstellung des TASS-Korrespondenten am 31.5.1939 im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda spricht Bömer über ein gewandeltes Verhältnis zur UdSSR und zum Bestreben Deutschlands, Handel mit der Sowjetunion zu betreiben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1232
493. Aufzeichnung der Unterredung des 1. Sekretärs der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Ivanov mit dem Mitarbeiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Meyer-Heydenhagen, 3. Juni 1939 Zu den Haftbedingungen von Pevzner, die Meyer-Heydenhagen zufolge wegen der Repressionen gegen deutsche Staatsbürger erfolgen würden; zum Wortlaut der Rede Molotovs (vgl. Dok. 489); zur Frage des Personals der Bevollmächtigten Vertretung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1233
156
III. Dokumentenverzeichnis 494. Schreiben des Presseattachés der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Smirnov an die Presseabteilung im NKID, 3. Juni 1939 Anfrage, wie auf das Verschwinden des Leiters der Presseabteilung Gnedin zu reagieren sei und an wen zukünftig Anfragen zu richten sind. . . . . . . . . . . . . .
1236
495. Schreiben des kommissarischen Leiters der 2. Westabteilung im NKID Vajnštejn und des Oberreferenten der 2. Westabteilung Bergman an den sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov, 4. Juni 1939 Beide benennen Themen zur deutschen Wirtschaft, zu denen die Berliner Vertretung Material nach Moskau schicken soll, da die Abteilung einen Bericht „zum Zustand der deutschen Industrie und der deutschen Finanzen“ erarbeitet.
1238
496. Auszug von Agenturmaterialien der 5. Verwaltung der RKKA, 4. Juni 1939 Konkrete Äußerungen von Kleist, Gerstenberg und von Moltke zum Stand und zum Ablauf des Überfalls auf Polen; besonders wichtig dabei sei für Deutschland, dass die Frage der Karpato-Ukraine die UdSSR nicht zum Eingreifen in den Konflikt veranlasst. Zum gleichen Sachverhalt werden Berliner Stimmen wiedergegeben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1239
497. Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an den Staatssekretär im AA Freiherrn von Weizsäcker, 5. Juni 1939 Zu den laufenden Angelegenheiten: Auffassung, warum Japan und Italien zögerlich auf die deutsche Annäherung an die UdSSR reagierten; zum Gespräch mit Molotov am 20.5.1939, das nach Schulenburgs Meinung nicht als abweisend zu interpretieren ist; zur Molotov-Rede; zu sowjetisch-japanischen Grenzzwischenfällen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1245
498. Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, 6. Juni 1939 Motive zum Abschluss der Unterzeichnung der Nichtangriffsverträge mit Estland und Lettland; weitere Abreden mit den beiden Staaten sollen nicht thematisiert werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1247
499. Aufzeichnung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre, [7. Juni 1939] Das Gespräch Hilger-Mikojan am 2.6.1939 sei erfolglos verlaufen, deswegen erbittet Schnurre die Erlaubnis, mit Astachov über die Wirtschaftsbeziehungen zu sprechen und seine Reise nach Moskau ins Spiel zu bringen. . . . . . . . . . . . . . .
1248
500. Aufzeichnung aus der Botschaft in Moskau, 7. Juni 1939 Vorschläge für Maßnahmen zur Schaffung einer „politischen Basis“ auf dem Gebiet der Innenpolitik, der Außenpolitik, der Wirtschaft und der Probleme im Zusammenhang mit den Verhaftungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1249
501. Aufzeichnung der Unterredung des Volkskommissars für Außenhandel Mikojan mit dem Legationsrat in Moskau Hilger, [9. Juni 1939] Nach Auffassung von Mikojan kann einer Reise Schnurres nach Moskau von sowjetischer Seite nur zugestimmt werden, wenn die sowjetischen Vorschläge bezüglich des Handels angenommen werden, während Hilger betont, dass das erst Gegenstand der Verhandlungen sein könne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1252
157
III. Dokumentenverzeichnis 502. Bericht des Volkskommissars für Fernmeldewesen Peresypkin an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin und den Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Molotov, 13. Juni 1939 Aufgrund der höheren Sendekapazitäten westlicher Staaten und deren antisowjetischer Rundfunksendungen in die UdSSR befürwortet Peresypkin den Bau von Rundfunkstationen, die diese Sendungen unterbinden. . . . . . . . . . . . . . . .
1255
503. Lagebericht des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Molotov, 14. Juni 1939 Einschätzung der außenpolitischen Pläne Deutschlands: aggressive Kampagne gegen Großbritannien, nach Auffassung einiger sogar, um eine Annäherung an das Land zu erreichen; keine Ausfälle gegen die UdSSR, selbst in solchen Reden nicht, wo sie früher immer auftauchten; ein neuer, militaristischer Ton in den Reden Hitlers; mögliche Kämpfe in der politischen Führung; an erster Stelle stehe jedoch das mögliche Eingreifen gegenüber Polen. . . . . . . . . . . . . . . . . .
1257
504. Schreiben des kommissarischen Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Gorodinskij an den Volkskommissar für Außenhandel Mikojan, 14. Juni 1939 Anlässlich der Verhaftung des Mitarbeiters der sowjetischen Handelsvertretung Pevzner allgemeine Beschwerde, dass sich die Bevollmächtigte Vertretung nicht ausreichend darum kümmert, dass das den Mitarbeitern der Handelsvertretung zustehende Recht auf Immunität gegenüber den deutschen Behörden durchgesetzt wird. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1261
505. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Molotov, 14. Juni 1939 Inhalte der Gespräche in Moskau sollen, sofern sie auch die Politik berühren, nach Auffassung von Astachov auch gleichzeitig in Berlin über die Bevollmächtigte Vertretung der deutschen Regierung vorgelegt werden; Astachov zählt dafür eine Reihe von Gründen auf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1265
506. Aufzeichnung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre, 15. Juni 1939 Darlegung der bilateralen Positionen in den Wirtschaftsverhandlungen der letzten Jahre; Schnurre meint, dass ein Scheitern der gegenwärtigen Verhandlungen einen wesentlichen Rückschlag in den Wirtschaftsbeziehungen bedeuten würde.
1266
507. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Molotov, 15. Juni 1939 Dringende Bitte, dem Sekretär des Militärattachés Savenkov einen militärischen Rang zu verleihen, da weder der Militärattaché noch sein Gehilfe in Berlin seien und die militärische Arbeit zu einem Zeitpunkt, zu der sie besonders notwendig sei, brachliege. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1268
508. Aufzeichnung der Unterredung des Leiters der Politischen Abteilung im AA Woermann mit dem bulgarischen Gesandten Draganov, 15. Juni 1939 Astachov habe das Gespräch mit Draganov gesucht und ihm berichtet, dass die UdSSR in der gegenwärtigen Lage lieber den Anschluss an Deutschland als einen Pakt mit Großbritannien und Frankreich suche, wenn man in der UdSSR wüsste, „was Deutschland eigentlich wolle“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1269
158
III. Dokumentenverzeichnis 509. Aufzeichnung der Unterredung des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg mit dem sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov, 17. Juni 1939 Schulenburg drängt auf eine Antwort aus Moskau als Reaktion auf das Gespräch Astachovs mit von Weizsäcker am 30.5.1939, das er Astachov gegenüber mit folgenden Worten erläutert: Die Deutschen seien „zu einer Normalisierung und Besserung der Beziehungen bereit […]. Russland habe zu wählen.“ . . . . . .
1270
510. Schreiben des deutschen Geschäftsträgers in Moskau von Tippelskirch an das AA, 18. Juni 1939 Übersendet Aufzeichnung des Gesprächs Hilger mit Mikojan am 17.6.1939, bei dem Hilger ein Papier der deutschen Regierung vortrug, in dem die Entsendung Schnurres mit weitreichenden Vollmachten zum Abschluss von Wirtschaftsverhandlungen angeboten wird. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1272
511. Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, 20. Juni 1939 Es sollen keine Angriffe auf die Sowjetunion erfolgen, auch aus ausländischen Meldungen sind sie herauszunehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1275
512. Aufzeichnung der Unterredung des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 22. Juni 1939 Schulenburg betont (am 17.6.1939) den Willen der deutschen Regierung an einer Verbesserung der Beziehungen und wartet auf eine Antwort Molotovs, die dieser, so die Aussage Astachovs, nur in Moskau zu geben wünsche. . . . . . . . .
1275
513. Chiffretelegramm des Residenten der Aufklärungsverwaltung der RKKA in Japan Sorge an den Chef der 5. Verwaltung der RKKA Proskurov, 24. Juni 1939 Zu den Verhandlungen über militärischen Beistand zwischen Deutschland, Italien und Japan: Sorge gibt die Aussagen deutscher Diplomaten in Japan weiter, unter welchen Konstellationen Japan in den Krieg eintreten würde. . . . . . . . . .
1279
514. Telegramm des deutschen Geschäftsträgers in Moskau von Tippelskirch an das AA, 25. Juni 1939 Mikojan wünsche genaue Auskunft über die aus deutscher Perspektive bestehenden Meinungsverschiedenheiten in den Wirtschaftsverhandlungen, bevor Schnurre seine Reise nach Moskau antrete; Hilger betonte den deutschen Wunsch nach Erhöhung des Rohstoffangebots. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1280
515. Telegramm des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA, 27. Juni 1939 Zwei Vorschläge, wie das Misstrauen Mikojans überwunden werden könne: entweder dieser schicke einen Bevollmächtigten nach Berlin zu Verhandlungen oder Schulenberg werde aus Berlin dazu ermächtigt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1281
516. Berichte des Aufklärungs-Ausschusses Hamburg-Bremen, 27. Juni 1939 Die internen Berichte Nr. 1 und 2 behandeln die Außenpolitik der Sowjetunion unter dem Gesichtspunkt, dass ein Zusammengehen mit Deutschland viel eher den Interessen der UdSSR entspräche als ein Bündnis mit Großbritannien. . . . .
1282
159
III. Dokumentenverzeichnis 517. Aufzeichnung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre, 28. Juni 1939 Argumente gegen die beiden von Schulenburg vorgeschlagenen Verhandlungsmöglichkeiten; nur eine Entsendung eines Sonderbevollmächtigten nach Moskau sei zielführend. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1286
518. Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an den Leiter der Berliner Redaktion des „Völkischen Beobachters“ Seibert, 29. Juni 1939 Nach Durchsicht eines Artikelentwurfs von Seibert schickt Schulenburg ihm seine Überlegungen zu der Frage, warum es für die UdSSR mehr Vorteile bringen würde, sich mit Deutschland zu verbünden als eine Allianz mit Großbritannien und Frankreich einzugehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1288
519. Auszug aus dem Bericht der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin, [30. Juni 1939] Anhand deutscher Presseberichte Wiedergabe der besorgten Stimmen deutscher Wirtschaftskreise über den starken Rückgang des deutsch-sowjetischen Handelsverkehrs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1291
520. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 1. Juli 1939 Laufende Angelegenheiten: zum Austausch sowjetischer Gefangener in Spanien gegen in der UdSSR verhaftete Deutsche; zur Zielrichtung des AntikominternPaktes, der Schulenburg zufolge eine antibritische Stoßrichtung hätte; zu den Plänen Ribbentrops einer Verständigung mit der UdSSR; zu einer potentiellen Reise Oshimas nach Moskau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1294
521. Telegramm des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA, 3. Juli 1939 Gespräch mit Molotov am 28.6.1939: Schulenburg betont, dass man den deutschen Wunsch zur Normalisierung der Beziehungen deutlich formuliert hätte, jetzt wolle er wissen, was Molotov ihm zu sagen hätte; die Entscheidungen über den Verlauf der Wirtschaftsverhandlungen liegen nach Aussage Molotovs nun in den Händen von Mikojan. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1297
522. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an die 2. Westabteilung im NKID, 4. Juli 1939 Weiterleitung eines anonymen Briefes an die Bevollmächtigte Vertretung, in dem über die Teilung Polens durch Deutschland und die UdSSR spekuliert wird. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1299
523. Aufzeichnung der Unterredung des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Molotov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 5. Juli 1939 Über den Versuch Schulenburgs im Gespräch mit Molotov am 28.6.1939 (vgl. Dok. 521), ihn von dem unbedingten Willen der deutschen Regierung, die Beziehungen zur UdSSR zu verbessern, zu überzeugen. Molotov reagiert zurückhaltend. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1301
160
III. Dokumentenverzeichnis 524. Aufzeichnung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre, 5. Juli 1939 Sachstand bei den Wirtschaftsverhandlungen: Uneinigkeit bei den Liefermodalitäten; aus deutscher Sicht zu wenig Rohstoffangebote und zu viele Wünsche nach Maschinen und Rüstungsmaterial von sowjetischer Seite. . . . . . . . . . . . .
1304
525. Telegramm des Staatssekretärs im AA Freiherr von Weizsäcker an die Botschaft in Moskau, 7. Juli 1939 Erstens Aufzählung der offenen Streitigkeiten bei den Wirtschaftsverhandlungen, die Mikojan wissen wollte (vgl. Dok. 514), und zweitens Handlungsanweisung für die Gesprächsführung; Entsendung Schnurres nach wie vor von deutscher Seite erwünscht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1305
526. Meldung von Agenturmaterialien durch den Chef der 5. Verwaltung der RKKA Proskurov an den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov, 7. Juli 1939 Wiedergabe von Äußerung Kleists gegenüber einem sowjetischen Informanten: über die Vorbereitungen auf den deutsch-polnischen Konflikt einschließlich der Verhandlungstaktik und einer bereits angedachten neuen Reichsgrenze, über den derzeitigen Angriffstermin Ende August/Anfang September und über die vermutete Reaktion der Sowjetunion, die sich nach Ansicht von Hitler und Ribbentrop neutral verhalten werde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1306
527. Meldung von Agenturmaterialien durch den Chef der 5. Verwaltung der RKKA Proskurov an den Stellv. Volkskommissar für Verteidigung Mechlis, 8. Juli 1939 Einschätzungen eines sowjetischen Informanten über die Meinungsverschiedenheiten in Berlin bezüglich eines Vorgehens in Polen und von ihm übermittelte Äußerungen des Luftattachés in Warschau, Gerstenberg, der für einen sofortigen Angriff auf Polen und in diesem Zusammenhang für ein umfassendes Entgegenkommen gegenüber der UdSSR plädiert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1311
528. Vorlage des Chefs des Generalstabes der RKKA Šapošnikov für den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov, 10. Juli 1939 Für den Fall, dass die UdSSR ein Abkommen mit Frankreich und Großbritannien abschließt, werden vier mögliche Kriegsszenarien entwickelt, nach denen der Aggressor Deutschland den Krieg beginnt. Für jedes mögliche Szenarium werden die militärischen Bedingungen der sowjetischen, aber auch der westlichen Streitkräfte skizziert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1316
529. Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an den Staatssekretär im AA Freiherrn von Weizsäcker, 10. Juli 1939 Schließt sich der Auffassung an, in den Verhandlungen mit Molotov keine Eile zu zeigen, regt aber an, in Berlin die sowjetischen Vertreter „ein wenig freundlicher“ zu behandeln und ihnen „dadurch unseren guten Willen zu beweisen“.
1321
530. Beschluss des Politbüros des ZK der VKP (B), 14. Juli 1939 Bereitschaft der Sowjetunion zu Zugeständnissen bei den Verhandlungen über das Kreditabkommen als Antwort auf die gemachten Konzessionen von deutscher Seite. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1322
161
III. Dokumentenverzeichnis 531. Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA, 15. Juli 1939 Ždanov habe sich in einem Pravda-Artikel kritisch über die britisch-sowjetischen Verhandlungen geäußert, was jedoch nur ein taktisches Manöver sei; der Ferne Osten sei nicht Teil dieser Verhandlungen, aber die UdSSR habe die Haltung Großbritanniens zu Japan genau im Blick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1324
532. Telegramm des Stellv. Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Babarin an den Volkskommissar für Außenhandel Mikojan, 18. Juli 1939 Besprechung zwischen Babarin und Schnurre über strittige Fragen des Kreditabkommens; dabei erweist es sich, dass die vermeintlich erreichten Lösungen nicht von beiden Seiten gleich aufgefasst werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1326
533. Aufzeichnung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre, 18. Juli 1939 Für Schnurre überraschende Wende: die Sowjetunion will über den sowjetischen Handelsvertreter Babarin in Berlin über den Wirtschaftsvertrag verhandeln und legt eine neue Stellungnahme dazu vor, in der die deutschen Zugeständnisse bezüglich sowjetischer Forderungen festgehalten wurden. . . . . . . . .
1328
534. Aufzeichnung der Unterredung des Leiters der Politischen Abteilung im AA Woermann mit dem japanischen Botschaftsrat Usami, 19. Juli 1939 Frage Usamis nach den Gerüchten einer deutsch-sowjetischen Annäherung, die von Woermann als Schwindel bezeichnet werden; die laufenden Gespräche seien auf die Wirtschaftsbeziehungen gerichtet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1331
535. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Molotov, 19. Juli 1939 Überblick über die Stimmung in Deutschland: es herrsche eine Ruhe vor dem „zu erwartenden großen Konflikt“; die Stimmung gegenüber der UdSSR sei viel positiver als gegenüber den Westmächten; zur deutschen Politik gegenüber den kleineren Nachbarländern; Einschätzung zu den deutsch-italienischen Beziehungen in Bezug auf die sowjetischen Verhandlungen in Moskau mit den Westmächten. . .
1333
536. Telegramm des Staatssekretärs im AA Freiherr von Weizsäcker an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 22. Juli 1939 Abschluss eines Wirtschaftsvertrages „zu möglichst frühem Zeitpunkt aus allgemeinen Gründen erwünscht“ und Zurückhaltung Schulenburgs zu politischen Gesprächen mit Molotov soll nicht mehr aufrechterhalten werden. . . . . .
1336
537. Schreiben des Leiters des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 26. Juli 1939 Laufende Angelegenheiten: Übersendung von Material; über Treffen mit sowjetischen Diplomaten in Berlin; Lage im Fernen Osten; kein Ruf Schulenburgs zur Berichterstattung nach Berlin, aber Ribbentrop interessiere sich „zurzeit für alle die SU betreffenden Fragen brennend“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1337
538. Aufzeichnung von Unterredungen des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov, 27. Juli 1939 Gespräch mit Tschunke und Kleist (am 21.7.1939), die beide meinen, dass alle Anzeichen (Gemeinsamkeiten der Wirtschaftsinteressen, Ablehnung der Selbst-
162
III. Dokumentenverzeichnis ständigkeit der Karpato-Ukraine) für eine deutsch-sowjetische Verständigung sprächen; angesprochen werden auch die deutschen Probleme mit Polen und die Verhandlungen der UdSSR mit Großbritannien und Frankreich. Gespräch mit Schnurre (am 24.7.1939) über eine TASS-Meldung zu den Wirtschaftsverhandlungen und der sich daran anschließenden Verbesserung der politischen Beziehungen, zum Status der sowjetischen Handelsvertretung in Prag. Gespräch mit Weizsäcker zum Besuch deutscher Vertreter der Allunionsausstellung in Moskau und zur Danzig-Frage sowie nochmals mit Schnurre (am 26.7.1939) zu den Lieferwünschen Deutschlands im Rahmen des beabsichtigten Kredits. . . . .
1338
539. Aufzeichnung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre, 27. Juli 1939 Auf Weisung Ribbentrops legt Schnurre im Gespräch mit Astachov am 26.7.1939 den Weg dar, in welchen Etappen aus deutscher Sicht eine Annäherung an die Sowjetunion geschehen könne; Astachov begrüßt die Schritte, meint jedoch dass das „Tempo wohl nur ein langsames und allmähliches sein könne“; Eindruck Schnurres, dass in Moskau noch keine Entscheidung getroffen sei, welchem Bündnis man den Vorzug gebe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1345
540. Aufzeichnung der Unterredung des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov mit dem Leiter des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre, 27. Juli 1939 Schnurre bietet (am 26.7.1939) offen die Freundschaft Deutschlands zur UdSSR an; auf die Replik Astachovs, wie sich die Beziehungen zu Polen gestalteten, wenn Polen Danzig an Deutschland zurückgebe, meint Schnurre, diese Beziehungen seien „unwiederbringlich zerrüttet“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1349
541. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 27. Juli 1939 Laufende Angelegenheiten: zur Verhaftung von Frau Marsmann; zur Entlassung von Ehefrauen Deutscher aus sowjetischer Staatsbürgerschaft; zu einer möglichen Reise Schulenburgs nach Berlin sowie zur Entlassung sowjetischer Seeleute aus spanischer Gefangenschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1353
542. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin, 27. Juli 1939 Übersendet die beiden Aufzeichnungen vom 27.7.1939 (vgl. Dok. 538, 540) und regt an, den Gesprächsfaden beizubehalten; außerdem zur Frage, wie auf eine Einladung zum Nürnberger Parteitag reagiert werden soll. . . . . . . . . . . . . . . . .
1354
543. Telegramm des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Molotov an den sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov, 29. Juli 1939 Molotov erwartet von den Deutschen konkrete Vorschläge, wenn sie an einer Verbesserung der politischen Beziehungen interessiert seien. . . . . . . . . . . . . . .
1356
544. Schreiben des Staatssekretärs im AA Freiherr von Weizsäcker an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 29. Juli 1939 Schulenburg soll in einem Gespräch mit Molotov noch weiter auf sowjetische Interessen zugehen, insbesondere in Bezug auf Polen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1357
163
III. Dokumentenverzeichnis 545. Aufzeichnung der Unterredungen des Mitarbeiters der Firma „Otto Wolff“ Gasper mit dem Stellv. Leiter der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Babarin und dem Leiter des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre, 31. Juli 1939 Weder Babarin noch Schnurre äußern sich Gasper gegenüber sehr optimistisch in Bezug auf den Erfolg der deutsch-sowjetischen Wirtschaftsverhandlungen. . .
1358
546. Auszug aus dem Lagebericht des Geheimen Staatspolizeiamtes, 31. Juli 1939 Zur Personallage in den sowjetischen Vertretungen in Berlin, Memel und Prag sowie zu den sowjetischen Organisationen dort; zur Zahl der UdSSR-Reisende und der Russlandrückkehrer; zur Zahl der aus Deutschland ausgewiesen sowjetischen Juden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1359
547. Aufzeichnung der Unterredung des sowjetischen Geschäftsträgers Astachov mit Reichsaußenminister von Ribbentrop und dem Leiter des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre, 3. August 1939 Astachov konstatiert in seinem ersten Gespräch mit dem Reichsaußenminister (2.8.1939), dass sich ein Umschwung in den Beziehungen abzeichne; Ribbentrop meint, dass man sich über alle territorialen Fragen einigen könne; Vorschlag Schnurres (3.8.1939), gleichzeitig mit dem Abschluss eines Wirtschaftsvertrags ein besonderes politisches Abkommen zu schließen. . . . . . . . . . . . . . .
1361
548. Aufzeichnung der Unterredung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre mit dem sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov, 3. August 1939 Erörterung verschiedener Punkte: Einfügung einer politischen Klausel im Wirtschaftsvertrag; Dringlichkeit der Einigung; Ort und Vertraulichkeit der Besprechungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1368
549. Aufzeichnung der Unterredung des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Molotov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 3. August 1939 Beide Seiten bestätigen das Ziel, die Beziehungen der beiden Staaten zu verbessern; Schulenburg übermittelt den Wunsch der deutschen Regierung, zu einem Abschluss über ein Wirtschaftsabkommen zu gelangen, dann die Beziehungen auf dem Gebiet der Presse zu verbessern und schließlich die Kulturund Wissenschaftsbeziehungen zu erneuern, um schließlich zu einem neuen politischen Abkommen zu gelangen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1369
550. Aufzeichnung der Unterredung des Presseattachés der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Smirnov mit dem Mitarbeiter der Presseabteilung im AA Braun von Stumm, 3. August 1939 Zu einer falschen Meldung im „Völkischen Beobachter“ sowie zu fehlerhaften Berichten in der Auslandspresse; das Verhalten gegenüber der Ukraine und dem Baltikum zeuge von den friedlichen deutschen Absichten; die Deutschen hofften auf eine positive Entwicklung bei den deutsch-sowjetischen Wirtschaftsgesprächen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1374
551. Schreiben des Presseattachés der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Smirnov an den Leiter der Presseabteilung im NKID Ščeglov, 3. August 1939 Smirnov bittet um Weisung, auf welche Art und Weise die in Deutschland erscheinende Literatur über die UdSSR ausgewertet werden soll. . . . . . . . . . . . . .
1376
164
III. Dokumentenverzeichnis 552. Telegramm des Reichsaußenministers von Ribbentrop an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 3. August 1939 Ribbentrop informiert über Gespräch mit Astachov am 2.8.1939 (vgl. Dok. 547), in dem der Minister starkes Interesse Deutschlands an politischer Vereinbarung zeigte, dies aber „ohne irgendwelche Eile“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1377
553. Telegramm des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA, 4. August 1939 Im Gespräch mit Schulenburg bezeichnet Molotov Abschluss eines Wirtschaftsvertrages als günstig, für eine politische Einigung sei nach Meinung Schulenburgs das Misstrauen der UdSSR noch zu stark vorhanden. Schulenburg befürchtet eine Einigung mit den Westmächten, falls diese sämtliche sowjetischen Wünsche erfüllten. Molotov wolle die deutsche Initiative mit der sowjetischen Führung beraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1379
554. Überarbeitete Variante der Vorlage des Chefs des Generalstabes der RKKA Šapošnikov für den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, 4. August 1939 Fünf mögliche Kriegsszenarien und die damit verbundene Bereitstellung von Streitkräften und Kriegsmaterial insbesondere der Staaten Frankreich und Großbritannien einerseits und Polen und Rumänien andererseits sowie der UdSSR selbst, die als Grundlage für die Verhandlungen mit der britischen und französischen Militärmission in Moskau dienen sollen (vgl. Dok. 528). . . . . . . .
1382
555. Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov, 4. August 1939 Unzufriedenheit Potemkins mit der Berichterstattung der Bevollmächtigten Vertretung; konkreter Arbeitsplan mit Aufgabenstellung für die Monate August und September. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1389
556. Aufzeichnung der Unterredung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre mit dem sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov, 5. August 1939 Astachov sei zu einer Entgegennahme einer deutschen Stellungnahme ermächtigt und gibt den positiven Eindruck in Moskau über das Gespräch MolotovSchulenburg weiter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1392
557. Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 7. August 1939 Nachfrage Schulenburgs, wie es um die Ausreise von verhafteten Deutschen und deren Familienangehörigen stehe, aber auch, ob Astachov Antworten aus Moskau auf die Fragen von Ribbentrop und Schnurre erhalten hätte. . . . . . . . .
1393
558. Rundschreiben des Reichswirtschaftsministers Funk, 7. August 1939 Richtlinien für das Russlandgeschäft: jede Geschäftsmöglichkeit ist auszunutzen; Vertragsabschlüsse nach den in Kraft befindlichen Abmachungen; Sprachregelung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1394
165
III. Dokumentenverzeichnis 559. Schreiben des Staatssekretärs im AA Freiherr von Weizsäcker an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 7. August 1939 Schulenburgs Anregung, in Berlin die sowjetischen Vertreter einzuladen, werde befolgt, aber die Verfügung des Reichsaußenministers, jeden Verkehr auf das dienstlich erforderliche Mindestmaß zu beschränken, sei noch nicht aufgehoben.
1395
560. Telegramm des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Molotov an den sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov, 7. August 1939 Anweisung zum Gespräch mit Schnurre: der Handelsvertrag soll ohne Verbindung mit den politischen Beziehungen abgefasst werden; die Einfügung eines geheimen Protokolls in den Kredit- und Handelsvertrag ist unpassend. . . . . . . .
1397
561. Instruktion für den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov, 7. August 1939 Weisung, wie die Gespräche mit der britischen und französischen Militärmission zu führen seien; Fragen nach den Vollmachten, nach den Zielen der Verhandlungen und nach dem Durchmarschrecht durch Polen und Rumänien. . . .
1398
562. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Molotov, 8. August 1939 Annahmen, welche Wünsche die Deutschen für eine politische Annäherung an die Sowjetunion hegten; neben „harmlose[n] Dinge[n]“ seien sie aber auch an einer territorialen Absprache mit der UdSSR interessiert. . . . . . . . . . . . . . . . . .
1400
563. Aufzeichnung der Unterredung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre mit dem sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov, 10. August 1939 Bestätigung aus Moskau, dass die UdSSR eine Verbesserung der Beziehungen zu Deutschland wünsche; Astachov will wissen, was Deutschland gegenüber Polen plane, und Schnurre, wie der Stand der Moskauer Verhandlungen mit den Westmächten sei. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1403
564. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Molotov, 12. August 1939 Die Antworten der von den Deutschen gestellten Fragen wurde von Astachov auf Weisung von Molotov überbracht; die Ereignisse in Deutschland würden sich jetzt so rasant entwickeln, dass die Deutschen zu vielen Zugeständnissen bereit wären. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1405
565. Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Molotov, 12. August 1939 Viele Anzeichen in Deutschland deuteten auf einen Krieg mit Polen hin; ein Weltkrieg wird aber nicht erwartet, da man glaube, dass Großbritannien sich mit der Lage abfinden werde. Die Stimmung selbst der einfachen Bevölkerung gegenüber der UdSSR sei freundschaftlich gesinnt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1407
566. Schreiben des Presseattachés der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Smirnov an den Leiter der Zentraleuropäischen Abteilung im NKID Aleksandrov, 12. August 1939 Vorschläge Smirnovs für die Behandlung der drei deutschen Vertreter (Grote, Meyer, Moritz), die erstmals die Landwirtschaftsausstellung in Moskau besuchen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1410
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III. Dokumentenverzeichnis 567. Schreiben des Presseattachés der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Smirnov an den Leiter der Zentraleuropäischen Abteilung im NKID Aleksandrov, 12. August 1939 Smirnov beschreibt den gegenwärtigen Zustand der Arbeit von VOKS in Deutschland und schlägt Initiativen für eine intensivere Arbeit vor. . . . . . . . . .
1411
568. Telegramm des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an das NKID, 13. August 1939 Die Deutschen möchten einen Hitler nahestehenden Vertrauten nach Moskau entsenden und erbitten dazu eine Stellungnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1412
569. Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an den Staatssekretär im AA Freiherrn von Weizsäcker, 14. August 1939 Schulenburgs Meinung über die laufenden Verhandlungen mit der Sowjetunion: keine Eile; der Botschafter hat Bedenken, ob es zurzeit zweckdienlich sei, Moskau zu verlassen, um an dem Reichsparteitag im September teilzunehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1414
570. Auszug aus der Mitschrift des Generalstabschefs des Heeres Halder zu Ausführungen Hitlers, 14. August 1939 Hitlers Mutmaßungen, wie sich die europäischen Großmächte, aber auch die kleineren Staaten, bei einem Angriff auf Polen verhalten würden: Großbritannien würde nicht eingreifen und die Sowjetunion wolle keinen Krieg. . . . . . . .
1416
571. Telegramm des Reichsaußenministers von Ribbentrop an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 14. August 1939 Schulenburg soll bei Molotov um einen Empfang bitten und ihm die Vorschläge Ribbentrops für ein erneuertes deutsch-sowjetisches Verhältnis mündlich überbringen; Ribbentrop sei bereit, nach Moskau zu kommen, um alle Fragen zu klären; eine Unterredung mit Stalin wäre dafür notwendige Voraussetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1418
572. Aufzeichnung der Unterredung des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Molotov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 15. August 1939 Erklärung der deutschen Regierung, dass Ribbentrop nach Moskau zu kommen wünsche, wird von Schulenburg Molotov mündlich vorgetragen; Molotov fragt nach der Meinung der Deutschen zum Abschluss eines Nichtangriffsvertrages. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1420
573. Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA, 16. August 1939 Molotov stellt im Gespräch mit Schulenburg am 15.8.1939 (vgl. Dok. 572) einige grundsätzliche Fragen und wäre dann bereit, die Verhandlungen in Moskau schnell zu beginnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1423
574. Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an den Staatssekretär im AA Freiherrn von Weizsäcker, 16. August 1939 Gibt persönlichen Eindruck des Gesprächs mit Molotov am 15.8.1939 wieder und meint, es sähe so aus, „als ob wir in den hiesigen Verhandlungen den gewünschten Erfolg erzielen würden“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1427
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III. Dokumentenverzeichnis 575. Telegramm des Reichsaußenministers von Ribbentrop an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 16. August 1939 Deutschland sei bereit, Nichtangriffspakt abzuschließen und Ribbentrop bietet an, mit allen Vollmachten ausgestattet ab 18.8.1939 jederzeit nach Moskau zu kommen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1428
576. Aufzeichnung der Unterredung des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Molotov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 17. August 1939 Annäherungen an die Frage, welche Form und welchen Inhalt der Nichtangriffsvertrag und ein zusätzliches Protokoll dazu haben soll, und wer die ersten Entwürfe dazu erstellt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1429
577. Aufzeichnung der Unterredung des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov mit dem Leiter des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre, 18. August 1939 Laufende Angelegenheiten: eine neue Formulierung von sowjetischer Seite für eine Goldklausel gefährde laut Schnurre den Abschluss des Wirtschaftsvertrages; Hitler und Ribbentrop interessierten sich für sowjetische Filme und Bücher; die Einladung zum Parteitag sei von der Bevollmächtigen Vertretung angenommen worden; Rosenberg arbeite eine neue Verfassung aus. . . . . . . . . . . .
1433
578. Telegramm des Reichsaußenministers von Ribbentrop an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 18. August 1939 Wegen der „ungewöhnliche[n], gegenwärtige[n] Lage“ ist nach „Auffassung des Führers“ Eile geboten und Ribbentrop beauftragt Schulenburg, eine sofortige Stellungnahme von Molotov zu erhalten in Bezug auf seine Reise nach Moskau. Er sei in der Lage, ein spezielles Protokoll zu verschiedenen Fragen zu unterzeichnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1435
579. Aufzeichnung von Unterredungen des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Molotov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 19. August 1939 Molotov schlägt vor, dass einer der von der UdSSR bereits geschlossenen Nichtangriffsverträge Vorlage eines Paktes mit Deutschland sein solle; außerdem sollten beide Seiten über den Inhalt des Protokolls nachdenken; Schulenburg drängt sehr auf eine Reise Ribbentrops nach Moskau. Im zweiten Gespräch desselben Tages schlägt Molotov vor, er könne nach Unterzeichnung des Wirtschaftsvertrages am 26. bis 27.8.1939 nach Moskau kommen und übergibt Schulenburg einen Vertragsentwurf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1437
580. Aufzeichnung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre, 19. August 1939 Die Vertreter der sowjetischen Handelsvertretung würden die Unterschrift unter den ausgehandelten Wirtschaftsvertrag von Stunde zu Stunde hinauszögern. . .
1440
581. Vertragstext des Kreditabkommens zwischen Deutschland und der Sowjetunion, 19. August 1939 Die Sowjetunion bestellt Waren im Wert von 200 Millionen RM in Deutschland in einem Zeitraum von zwei Jahren, dafür stellt die Deutsche Golddiskontbank einen Kredit mit einer Laufzeit von 7 Jahren zur Verfügung. . . . . . . . . . . . . . . .
1441
168
III. Dokumentenverzeichnis 582. Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, 20. August 1939 Eine Meldung über den Abschluss des Wirtschaftsvertrages mit der UdSSR darf erst am Montag (21.8.1939) in den Zeitungen erscheinen, dann auch nicht auffällig und ohne politischen Bezug. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1448
583. Auszug aus den Aufzeichnungen des 1. Sekretärs der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Ivanov, [20. August 1939] Herzlicher Empfang von Ivanov und Smirnov auf der Königsberger Messe; alle Gesprächspartner drücken ihnen gegenüber den Wunsch nach einer Zusammenarbeit Deutschlands mit der Sowjetunion aus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1449
584. Telegramm des Reichsaußenministers von Ribbentrop an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 20. August 1939 Übermittelt Telegramm Hitlers an Stalin, in dem dieser schnellstmöglich um den Besuch Ribbentrops in Moskau nachsucht, um den Nichtangriffsvertrag und ein Zusatzprotokoll zu verabschieden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1452
585. Leitartikel aus der Zeitung „Pravda“, 21. August 1939 Offizielle Verlautbarung zum Abschluss des sowjetisch-deutschen Handelsvertrages, der das bisherige niedrige Niveau der Handelsbeziehungen wieder hebe und sich nicht nur als ein Schritt zur Verbesserung der wirtschaftlichen, sondern auch der politischen Beziehungen erweisen kann. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1453
586. Aufzeichnung der Unterredung des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Molotov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg, 21. August 1939 Schulenburg übergibt eine Nachricht Hitlers an Stalin, die Molotov übergeben soll, und bittet darum, dass Ribbentrop so schnell wie möglich, spätestens am 23.8.1939, in Moskau empfangen werden könne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1455
587. Schreiben des Generalsekretärs des ZK der VKP (B) Stalin an Reichskanzler Hitler, 21. August 1939 Stalin stimmt einer Reise Ribbentrops nach Moskau am 23.8.1939 zu. . . . . . . .
1456
588. Aufzeichnung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre, 21. August 1939 Astachov wurde nach Moskau einbestellt, er sei über den Stand der Verhandlungen dort nur in groben Umrissen informiert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1457
589. Entwurf einer TASS-Meldung, 22. August 1939 Reise Ribbentrops zwecks Abschluss eines Nichtangriffspaktes stehe bevor. . . .
1457
590. Aufzeichnung des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg, [22. August 1939] Zum Wortlaut des Kommuniqués zum Nichtangriffspakt sowie zur Reise Ribbentrops und seiner ihn begleitenden Delegation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1458
591. Rundtelegramm des Staatssekretärs im AA Freiherr von Weizsäcker, 22. August 1939 Erläuterungen zum Abschluss des Nichtangriffsvertrages: Eine Bindung der UdSSR mit den Westmächten galt es zu verhindern, die „weltpolitische Aus-
169
III. Dokumentenverzeichnis wirkung dieses Vertrags wird in der nächsten Zeit sichtbar zum Ausdruck kommen“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1459
592. Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, 22. August 1939 Das freundschaftliche Verhältnis zwischen Deutschland und Russland in der Geschichte soll herausgestellt werden; Erläuterungen zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Nichtangriffsvertrages. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1461
593. Rede Hitlers vor den Oberbefehlshabern der Wehrmacht, 22. August 1939 Gibt einen Überblick aus seiner Sicht über die militärischen und politischen Kompetenzen der wichtigsten europäischen Staaten und führt aus, warum er zum jetzigen Zeitpunkt den Krieg mit Polen sucht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1462
594. Zweite Rede Hitlers vor den Oberbefehlshabern der Wehrmacht, 22. August 1939 Ziel: Vernichtung des Staates Polen durch Schnelligkeit, Einigkeit, Siegesgewissheit, Härte und Brutalität. Deutschland sei wegen dieses Ziels auch „zum Kampf gegen die Westmächte entschlossen“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1466
595. Auszug aus dem Tagebuch des Leiters des Außenpolitischen Amtes der NSDAP Rosenberg. 22. August 1939 Rosenberg schätzt die neue Freundschaft mit der Sowjetunion als zwiespältig ein: einerseits als Notwendigkeit in der gegebenen Lage, andererseits als Anbiederung; insbesondere das Verhalten Ribbentrops und die auf Anweisung des AA agierende Presse wird deshalb kritisiert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1467
596. Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, 23. August 1939 Der Ton der Presse über den deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag „könne noch an Wärme zunehmen“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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597. Protokoll einer Pressekonferenz im Auswärtigen Amt, 23. August 1939 Journalisten-Fragen zu dem Empfang des britischen Botschafters durch Hitler; zu den Verhandlungen zum Nichtangriffsvertrag; zum Antikomintern-Pakt; zu Polen, zu den Baltischen Staaten und zu weiteren Angelegenheiten. . . . . . . . . .
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598. Entwürfe für den Nichtangriffsvertrag, [23. August 1939] Die beiden Paktentwürfe, der deutsche, der auf dem Hinflug von Ribbentrop nach Moskau noch zusammen mit Gaus im Flugzeug redigiert wurde, und der sowjetische, der von Molotov am 19.8. Schulenburg übergeben worden war (Dok. 579), werden in der Nacht vom 23. auf den 24. August von Stalin redigiert und daraus ein endgültiger Vertragstext formuliert. Die Entwürfe des Geheimen Zusatzprotokolls liegen nicht vor. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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599. Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und der UdSSR, 23. August 1939 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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19. 4. 1937 Nr. 1
IV. Dokumente
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Nr. 1
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19. 4. 1937 Nr. 1 Nr. 1 Erlass des Stellvertreters des Führers der NSDAP Heß Nr. 1 19. 4. 1937 19. 4. 1937
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München, den 19. April 1937 Anordnung Nr. 51/37 Die Disziplin eines Volkes als Ausdruck seiner inneren Festigkeit und Geschlossenheit findet nicht zuletzt auch in dem Verhältnis zu anderen Völkern ihren Ausdruck. Ritterlichkeit und Ehrenhaftigkeit sind für uns Nationalsozialisten heute außenpolitische Selbstverständlichkeiten. Andererseits lehrt die Erfahrung, dass nichts mit so kühlem Verstande betrieben, nirgends so kalt gerechnet wird, als in außenpolitischen Dingen. Gutgemeinte Gefühlsausbrüche, ob in Reden, in Unterhaltungen oder in Telegrammen haben, wenn sie nicht in diese Rechnung passen, immer schon schwer wiedergutzumachenden Schaden angerichtet. Dank unermüdlicher Aufklärung dringt in wachsendem Maße auch in fremden Nationen die Erkenntnis durch, dass die Völker selbst einen neuen Krieg nicht wollen. Sie haben sich kaum von dem vergangenen erholt. Aber eine kleine Minderheit verantwortungsloser Kriegstreiber, denen der Krieg entweder Geschäft oder der Umweg zur Weltrevolution bedeutet, versucht, die Völker gegeneinander zu hetzen, um sie so auf ewig zu verfeinden. Das nationalsozialistische Deutschland hat nichts gemein mit dieser internationalen Völkerverhetzung. Das deutsche Volk will leben und von der Umwelt geachtet sein. Nur die Verletzung dieser selbstverständlichen Rechte eines ehrliebenden Volkes könnte Ursache einer Verfeindung sein. So richtet sich unser Kampf nicht gegen die vom Bolschewismus beherrschten und unterdrückten slawischen Völker, sondern gegen die von der Komintern betriebene Weltrevolution. Deutschland ist kein Feind der Slawen, sondern der unerbittliche und unversöhnliche Feind des Juden und des von ihm in die Welt gebrachten Kommunismus. Es sind deshalb alle Äußerungen zu unterlassen, die den Eindruck erwecken, als sei Deutschland der Feind irgendeines Volkes. Dazu gehört auch das Singen des Liedes „Siegreich wollen wir Frankreich schlagen“1, das in letzter Zeit von Parteigliederungen auf Russland umgedichtet wurde. Wir müssen alles vermeiden, was die Friedensarbeit des Führers stören kann. gez. R. Heß Am Ende: F[ür] d[ie] R[ichtigkeit] Witt; Verteiler: IVb. Auf Kopfbogen des Stellvertreters des Führers geschrieben. RGVA, f. 1372k, op. 5, d. 6, l. 417-418.
1 Diese Liedzeile kommt in einer Volksweise mit unterschiedlichen Textvarianten vor; vgl. z. B. „Musketier seins lust’ge Brüder“ in: Wandervogel. Liederborn für die Deutsche Jugend, Halle 1910, S. 374.
173 https://doi.org.10.1515/9783110986532-004
Nr. 2
19. 4. 1937
Nr. 2 Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an den Botschaftsrat im AA Fürst von Bismarck Nr. 2 19. 4. 1937 19. 4. 1937 Moskau, den 19. April 1937 Hochverehrter Fürst! In der Anlage1 übersende ich Ihnen Durchschlag einer von mir gefertigten Aufzeichnung über drei Gespräche, die die „deutsch-sowjetische Annäherung“ betreffen. Es ist eigentlich merkwürdig, dass der italienische Botschafter2 und der französische Geschäftsträger3 eine solche Annäherung für möglich gehalten haben. Es kommt wohl daher, dass das gesamte hiesige diplomatische Corps (mit alleiniger Ausnahme des hiesigen österreichischen Gesandten4) aus seiner demokratischrealistischen Anschauung heraus unsere Einstellung zur Sowjetunion überhaupt nicht versteht. Fast alle meine Kollegen sind überzeugt, dass das gegenwärtige schlechte Verhältnis zwischen dem Reich und der Sowjetunion nicht dauern könne, sich vielmehr eines schönen Tages ändern müsse. Es liegt auf der Hand, dass bereits kleine Ereignisse das immer wache Misstrauen meiner Kollegen auf den Plan rufen. In der letzten Zeit haben die Schimpfartikel der Sowjetpresse gegen uns erheblich nachgelassen; vor allem wird jetzt Italien angegriffen. Dies dürfte auf unsere größere Zurückhaltung in der spanischen Frage zurückzuführen sein. Meinen Kollegen hat dies kleine Abflauen der Pressekampagne gegen uns genügt, um einen Umschwung der deutsch-sowjetischen Beziehungen für bevorstehend zu erachten. Besonders scheint mein französischer Kollege von derartigen Gedanken beschäftigt zu werden. Herr Coulondre, der bis vor kurzem der Chef der Wirtschaftsabteilung im französischen Außenministerium, der Ritter Frankreichs gewesen ist, soll schon seit längerem die ernste Meinung vertreten, dass sich Deutschland und die Sowjetunion in absehbarer Zeit wieder nähern würden. Er soll vertreten, dass auch der sowjetisch-französische Pakt5 dies nicht wird verhindern können. Herr Coulondre ist vor kurzem nach Paris gereist. Es erscheint mir deshalb nicht ausgeschlossen, dass die Pariser und Londoner Gerüchte über eine deutsch-sowjetische Annäherung ihre Quelle in Paris und nicht in Warschau haben, wie Herr Litwinow meint. Herr Litwinow erzählte mir am letzten Sonnabend noch Folgendes: Herr Suritz sei bei Herrn v. Neurath gewesen und habe diesen sehr optimistisch gefunden, was die deutsch-sowjetischen Beziehungen angehe.6 Allerdings habe der Reichsminister hinzugefügt, dass Bestrebungen, unser Verhältnis gegenwärtig zu ändern, verfrüht sein würden. Herr Litwinow hat hinzugefügt, die Stellung des Herrn v. Neurath sei offenbar sehr stark. Das habe sich auch darin gezeigt, dass bei der Vor-
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Wird nicht veröffentlicht; vgl. ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, S. 708–709. Augusto Rosso. Jean Payart. Heinrich Pacher von Theinburg. Der sowjetisch-französische Vertrag wurde am 2.5.1935 in Paris unterzeichnet. Vgl. Osteuropa 10 (1934/35), H. 9, S. 568–571; DVP, Bd. XVIII, Dok. 205, S. 309–312. 6 Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 688, S. 1683–1684.
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19. 4. 1937 Nr. 3 stellung des Staatssekretärs v. Mackensen der Führer erklärt habe: „Die Politik des Herrn v. Neurath ist meine Politik.“ Mit den besten Grüßen und mit Heil Hitler bin ich, hochverehrter Fürst, Ihr sehr ergebener gez. Graf v. d. Schulenburg Auf erstem Blatt oben: Durchschlag, (zu A/844), ohne Nr. heraus, am Seitenrand: ab 19/4 37. PA AA, Moskau 213, Bl. 429309-429311. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 326, S. 707–708.
Nr. 3 Aufzeichnung der Unterredung des Leiters der 2. Westabteilung im NKID Štern mit dem Botschaftsrat in Moskau von Tippelskirch Nr. 3 19. 4. 1937 19. 4. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 1 Nr. 144391 19.IV.37 AUFZEICHNUNG DES GESPRÄCHS DES Gen. ŠTERN MIT TIPPELSKIRCH, 19. April 1937 Tippelskirch kam zu mir, um die endgültige Antwort bezüglich der Einreisegenehmigung für den Korrespondenten der „Frankfurter Zeitung“ Pörzgen in die UdSSR einzuholen. Ich antwortete T[ippelskirch], dass wir es nicht für zweckmäßig erachten, die Anzahl der in der UdSSR befindlichen deutschen Korrespondenten aufzustocken, und aus diesem Grunde könnte die Frage der Einreise Pörzgens erst dann gestellt werden, wenn einer der in der UdSSR tätigen deutschen Korrespondenten abreist. T. zeigte sich mit dieser Antwort sehr unzufrieden und bemerkte, dass eine derartige Einstellung seiner Auffassung nach ungerecht und unlogisch sei. Darauf entgegnete ich T. meinerseits, dass in derartigen Fällen alles vom Standpunkt abhänge, und unser Standpunkt in diesem Fall sei der, dass dieses Prinzip sowohl gerecht als auch logisch sei. Danach fragte mich T., ob man nicht zu folgender Variante Zuflucht nehmen könne: Baum reist ab2, Wilm Stein wird nicht der Vertreter des DNB, sondern ausschließlich Presseattaché der Botschaft, und dann könnte sein Platz mit Pörzgen besetzt werden. Meine Frage, ob Pörzgen in diesem Fall der Vertreter des DNB sein werde, beantwortete T. negativ. Ich teilte T. mit, dass uns eine solche Kombination nicht zusage.
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Baum war auf Forderung der sowjetischen Regierung vom AA abberufen worden. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 650, 664, 676, 680.
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Nr. 4
20. 4. 1937
T. fragte mich, ob unsere Antwort so zu verstehen sei, dass Pörzgen Just ablösen müsse. Ich antwortete, wenn Just abreise, werde man über Pörzgens Reise hierher sprechen können. T. stellte fest, dass er sich nach wie vor nicht mit dem von mir dargelegten Prinzip einverstanden erklären könne, darüber jedoch nach Berlin berichten werde. Er hob insbesondere hervor, dass wir in Berlin drei Pressevertreter hätten – zwei **von**3 TASS und Klimov4. Es sei nicht ausgeschlossen, dass man in Berlin den Standpunkt einnehmen werde, dass die Einhaltung der Parität unumgänglich sei. T. fragte mich, ob bereits die offizielle Zustimmung der Inneren Organe für die Einreise von Wilm Stein nach Moskau vorliege. Ich antwortete, dass bis jetzt diese Angelegenheiten noch nicht entschieden sei, ich jedoch hoffe, in den nächsten Tagen eine endgültige Antwort geben zu können. LEITER DER 2.WESTABTEILUNG:
Štern
Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Litvinov, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. nach Berlin, das 4. zu den Akten. AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 2, l. 52–53. Original.
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Nr. 4 Bericht des Volkskommissars für Innere Angelegenheiten der Ukrainischen SSR Balickij an den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten der UdSSR Ežov Nr. 4 20. 4. 1937 20. 4. 1937 [20.4.1937] AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN DER SOWJETUNION GENERALKOMMISSAR FÜR STAATSSICHERHEIT Gen. N.I. EŽOV Bei der letzten von der Odessaer Bezirksverwaltung des NKVD durchgeführten Operation wurden die in *einem feuerfesten Tresor*1 aufbewahrten ganz geheimen Dokumente des Deutschen Konsulats in Odessa kopiert. Die Dokumente betreffen den dienstlichen Schriftverkehr des Konsulats mit der Botschaft und mit dem Außenministerium zu folgenden Fragen: 1) Materialien zur Militärspionage In diesem Schriftverkehr verdienen die Aufträge der Militärattachés HARTMANN und KÖSTRING Beachtung, die davon zeugen, dass die Deutschen auf dem Gebiet der militärischen Aufklärung insbesondere den Kriegsschiffbau in Nikolaev, 3 4
Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. Klimov war der Pravda-Korrespondent in Deutschland.
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Der Text ist mit Bleistift umkringelt und mit einem nach oben zeigenden Pfeil versehen.
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20. 4. 1937 Nr. 4 den Zustand und die Kampffähigkeit der Schwarzmeer-Kriegsflotte und die Küstenverteidigungsanlagen, hauptsächlich in Očakov, in den Blick nehmen. 2) Meldungen des Konsulats an die Botschaft und an das Ministerium über Verladearbeiten von für Spanien bestimmten Kriegsgütern in den Häfen des Schwarzen Meeres. 3) Der geheime Schriftverkehr mit der Botschaft, geheime Weisungen der Gestapo und des Außenministeriums. Von Interesse ist der Schriftverkehr mit der Botschaft bezüglich der Verhaftung und Verurteilung des Residenten der deutschen politischen Spionage des Forschungsamtes2 in Odessa, Emil BORN. *Aus den Schreiben der Mitarbeiter des Konsulats AURICH und ROTH geht hervor, dass die Deutschen den Agenten „117“3 der 3. Abteilung der GUGB des NKVD der „Provokation“ verdächtigen.*4 Den in dem Schriftverkehr erwähnten ALEKSEEV haben wir verhaftet. *Zugleich übersende ich die bei der gleichen Operation kopierten Chiffrematerialien: a) Chiffretabellen für den chiffrierten Schriftverkehr des Deutschen Konsulats in Odessa mit der Deutschen Botschaft in Moskau; b) die ab dem 1. Januar 1937 in Kraft befindliche „Geheime Anleitung für den Grundgebrauch der Chiffre“; c) verschiedener Schriftverkehr, der die Chiffrierung betrifft (Geheiminstruktionen, Rundschreiben, Buchführung über die Chiffrematerialien usw.); d) Schriftverkehr mit dem Ministerium zur Frage des verschlüsselten Funkverkehrs. ANLAGE:
1. Album der übersetzten Dokumente. 2. Album mit Fotografien der Chiffrematerialien. 3. Album der übersetzten Materialien zur Chiffretätigkeit.*5
VOLKSKOMMISSAR FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN DER USSR KOMMISSAR DER STAATSSICHERHEIT I. RANGES V. BALICKIJ 20. April 1937 OGA SBU, f. 16, op. 1, d. 78, l. 142–143. Kopie.
2 Das Wort ist in Deutsch mit kyrillischen Buchstaben geschrieben. In diesem Kontext geht es um den in der Struktur des von Göring geschaffenen Reichsluftfahrtministeriums getarnten Geheimdienst des Dritten Reiches, zu dessen Aufgabe es gehörte, Telefongespräche in Deutschland abzuhören und abzufangen. 3 Die Ziffer ist mit Tinte geschrieben. 4 Der Text ist mit Bleistift umkringelt und mit einem nach oben Pfeil versehen. 5 Der Text ist mit Bleistift umkringelt und mit einem nach oben Pfeil versehen.
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Nr. 5
21. 4. 1937
Nr. 5 Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin Nr. 5 21. 4. 1937 21. 4. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 8 Nr. 206/l 21. April 1937 AN DEN GENERALSEKRETÄR DES ZK DER VKP (B) Gen. STALIN Kopien an:
Gen. Molotov Gen. Vorošilov
Zu den inhaftierten Deutschen. Da wir beschlossen haben, keinen Prozess mehr zu führen6 und die in den Fall verwickelten deutschen Staatsbürger auszuweisen, möchte ich versuchen, von den Deutschen eine gewisse Kompensation zu bekommen: 1) die Freilassung einiger sowjetischer Staatsbürger, die in Deutschland verhaftet worden sind, zweitens, den Einfluss der deutschen Regierung auf General Franco zu nutzen, um die Freilassung der internierten Besatzungen der „Komsomol“7 und „Smidovič“8 zu erwirken. Ich beabsichtige nicht, einen Austausch vorzuschlagen, weil die Freilassung der Besatzungen nicht vollständig von Deutschland abhängt, sondern lediglich von der deutschen Regierung die Zusicherung einzuholen, gegen die von uns freigelassenen Deutschen die Freilassung unserer Besatzungen zu erwirken.9 Ich nehme an, dass es dagegen keine Einwände geben wird. LITVINOV Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 7. Expl. [Die Exemplare] 1–4 an die Adressaten, das 5. [Exemplar] an Gen. Potemkin, das 6. an Gen. Litvinov, das 7. ins Archiv.
6 Aller Wahrscheinlichkeit nach war ursprünglich beabsichtigt, einen Gerichtsprozess gegen einige der in Moskau und in Leningrad im November 1936 verhafteten Staatsbürger Deutschlands zu führen. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 657, S. 1613. 7 Am 14.12.1936 wurde das mit Manganerz beladene Schiff „Komsomol“ im westlichen Mittelmeer von dem Kreuzer der Franquisten „Canarias“ gekapert; die 36-köpfige Besatzung wurde interniert und zu langen Haftstrafen verurteilt, das Schiff versenkt. 8 Am 8.1.1937 wurde das mit Lebensmitteln beladene Schiff „Smidovič“ 8 Meilen vor dem Hafen von Bilbao von dem Zerstörer der Franquisten „Velasco“ gekapert; die 36-köpfige Besatzung wurde interniert, zu langen Haftstrafen verurteilt und in ein Lager in der Nähe des Hafens von Santander am Golf von Biskaya gebracht. 9 Vgl. Dok. 17.
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21. 4. 1937 Nr. 6 Vermerk des Sekretärs mit Tinte: Expl. Nr. 7 wurde Gen. Stomonjakov übergeben. Für das Archiv wurde Expl. Nr. 8 angefertigt. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 126, d. 1, l. 181. Kopie. Veröffentlicht in: Lubjanka. Stalin i Glavnoe upravlenie gosbezopasnosti NKVD, Dok. 55, S. 133.
Nr. 6 Schreiben des Chefs der 5. Unterabteilung in der Abteilung T 3 des Generalstabes des Heeres Spalcke an den Militärattaché in Moskau Köstring Nr. 6 21. 4. 1937 21. 4. 1937 21. April 1937 Berlin Übersetzung aus dem Deutschen1 Sehr geehrter Herr General! Als Anlage übersenden wir Ihnen das Ergebnis des Gesprächs mit Hauptmann K[ōtani]2, soweit dies das Arbeitsgebiet von Oberst M[ellenthin]3 betrifft. Die zweite Notiz zum Vortrag, die noch nicht eingetroffen ist, wird mit dem nächsten Bericht nachgereicht. Das Gespräch war für beide Seiten sehr nützlich und ich denke, dass auch Hauptmann K. erneut mit den allerbesten Eindrücken und mit dem Gefühl abreist, dass er für sich daraus Nutzen ziehen kann. Die letzten Dementis der Zeitungsmeldungen über die Vereinbarung Deutschlands mit der Sowjetunion4 brachten offenbar Klarheit in dem Sinne, was man über diese Gerüchte denken sollte, obgleich zurzeit selbst offizielle Dementis bisweilen einen völlig anderen Sinn in sich bergen. In diesem Fall denke ich jedoch, dass sie der Wirklichkeit entsprechen. Alles entwickelt sich durchaus planmäßig. Nachdem bereits Tschunke eine Abreise von Fridrichson (kein Jude, Stellvertreter Kandelakis in Berlin) angedeutet hatte, hat sich diese Andeutung jetzt bewahrheitet. Fridrichson ist als Stellvertreter von Rozengol’c ebenfalls5 nach Moskau abberufen worden. Es gehen Gerüchte um, dass der Angestellte der hiesigen Handelsvertretung entlassen worden ist. So steht’s um die Dinge. Ich bin für das Vertrauen sehr dankbar, das mir der Herr General erwiesen hat, indem er mir dieses giftige Buch6 zukommen ließ (Anm. d. Übers.7 – gemeint 1 Dieses Dokument ist eine Rückübersetzung aus dem Russischen, da das im CA FSB befindliche Original des Dokuments für die Herausgeber nicht zugänglich war. 2 Von März 1935 bis Anfang April 1937 war Kōtani der Gehilfe des Militärattachés Japans in der UdSSR. 3 So in dem veröffentlichen Dokument. Major Horst von Mellenthin war ab 1.10.1936 Kommandeur der berittenen Artillerie-Abteilung der 1. Kavallerie-Division; am 1.7.1937 erfolgte seine Ernennung zum Chef der Abteilung für Militärattachés im Generalstab des Heeres. 4 Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 690, S. 1685–1686. 5 Bezug genommen wird hier auf den ehemaligen Leiter der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Kandelaki, der ebenfalls als Stellvertreter des Außenhandelskommissars nach Moskau abberufen wurde. 6 Vgl. Boris Efimov: Fašizm – vrag narodov (Faschismus ist der Feind der Völker), Moskva 1937. 7 Anna Leont’evna Stesnova.
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Nr. 7
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ist ein Buch mit Karikaturen). Meine zartbesaitete Seele wird davon natürlich keinen Schaden nehmen, obgleich ich befürchte, dass sich dieses Buch bei einer Übersetzung in andere Sprachen in eine gefährliche Propagandawaffe verwandeln kann, weil einige Zeichnungen äußerst gefährlich sind. Ich weiß nicht, ob unser Propagandaministerium über Leute verfügt, die in der Lage wären, eine ähnlich gefährliche, für uns wirksame Waffe zu schmieden. Ihrem Wunsch gemäß habe ich das Buch in meinem Safe deponiert, obgleich es meiner Ansicht nach nicht schaden würde, wenn unsere hochgestellten Herren aus dem Kriegsministerium wenigstens einmal sehen könnten, mit welchen Mitteln gegen uns gearbeitet wird und mit was für einem Gegner wir es zu tun haben. Mit Gruß und den besten Wünschen, Ihr ergebener SPALCKE P.S. Die Bemerkungen zum Bericht der Abwehr über politische Strömungen in der Sowjetunion habe ich gebührend gewürdigt. Die unnötige Bemühung des Herrn General erfolgte nicht auf mein Drängen. Ich habe ja sofort gesagt, dass dieses Pamphlet ein ziemlicher Unsinn ist. Dennoch hielt ich es für angebracht, mich mit einem Fachmann zu beraten. Die Übersetzung hat angefertigt: Die Operativbevollmächtigte der Ermittlungsabteilung der 2. Hauptverwaltung im MGB der UdSSR Hauptmann STESNOVA. Veröffentlicht in: Tajny diplomatii Tret’ego rejcha, Dok. 189, S. 737–738.
Nr. 7 Schreiben des Volkskommissars für Außenhandel Rozengol’c an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin und den Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Molotov Nr. 7 22. 4. 1937 22. 4. 1937 Geheim Eilt Expl. Nr. 1 Nr. 282 22. April 1937 AN Gen. STALIN Gen. MOLOTOV Wie der Stellv[ertreter] des Handelsvertreters in Deutschland, Gen. Smolenskij, mitteilt, haben die deutschen Behörden die weitere Ausfuhr der von uns in Deutschland bestellten Entfernungsmesser für die Artillerie verboten. Von den 160 bestellten Entfernungsmessern wurden 41 geliefert und 119 fallen unter das Verbot. Ich erachte es als erforderlich, Gen. Fridrichson zu beauftragen, bei Schacht entschiedenen Protest zu erheben und den Deutschen mitzuteilen, dass, falls das
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22. 4. 1937 Nr. 7 Ausfuhrverbot von Entfernungsmessern nicht umgehend aufgehoben wird, das Narkomvneštorg die Lieferung von Dieselkraftstoff gemäß Vertrag mit der deutschen Marine und dem Benzolverband sowie den Verkauf und die Lieferung von Manganerzen einstellen wird. Ich bitte, den beigefügten diesbezüglichen Telegrammentwurf an Gen. Fridrichson zu bestätigen. 22.IV.37 A. Rozengol’c ANLAGE Ganz geheim CHIFFRETELEGRAMM AN FRIDRICHSON, Berlin Im Zusammenhang mit der Mitteilung von Zeiss über das Ausfuhrverbot von Entfernungsmessern an die UdSSR suchen Sie Schacht auf und erheben Sie kategorisch Protest gegen derartige Methoden eines willkürlichen Bruchs von Lieferverträgen, die deutsche Firmen mit Kenntnis und Billigung der deutschen Behörden abgeschlossenen haben. Teilen Sie Schacht mit, dass, falls das Ausfuhrverbot von Entfernungsmessern nicht umgehend aufgehoben wird, Narkomvneštorg seinerseits gezwungen sein wird, die Lieferungen von Dieselkraftstoff durch Sojuznefteėksport an die Marine und an den Benzolverband sowie den Verkauf und die Lieferung von Manganerzen einzustellen. Weisen Sie Schacht außerdem darauf hin, dass die Möglichkeit eines einseitigen willkürlichen Abbruchs der von uns bei deutschen Firmen bestellten Lieferungen unweigerlich zur völligen Einstellung der Vergabe neuer Aufträge in Deutschland führen wird. 22.IV.37 Rozengol’c Postcriptum von A.P. Rozengol’c: Anlage: Kopie des Telegramms von Smolenskij1 und der Entwurf der Antwort. A. R. Entscheidung I.V. Stalins: Einverstanden. I. Stalin. Vermerk von A.N. Poskrebyšev: Ist Gen. Kandelaki mitgeteilt worden. Poskr[ebyšev]. Veröffentlicht in: SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 90, S. 153–154.
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In der Akte nicht vorhanden.
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Nr. 8
24. 4. 1937
Nr. 8 Schreiben des Reichswirtschaftsministers Schacht an den Reichsaußenminister Freiherrn von Neurath Nr. 8 24. 4. 1937 24. 4. 1937 Berlin, den 24. April 1937 Abschrift In der Angelegenheit der russischen Bestellungen bei der Firma Carl Zeiss1, deren Ausführung inzwischen von deutscher Seite inhibiert worden ist, suchte mich heute Vormittag der stellvertr[etende] Handelsvertreter der UdSSR in Deutschland, Herr L. Friedrichson, auf und teilte mir im Auftrage des russischen Außenhandelskommissariats mit, dass, wenn dieser im Jahre 1935 abgeschlossene Vertrag2 deutscherseits nicht erfüllt werden würde, das Außenhandelskommissariat sich genötigt sähe, die Lieferungen von Gasöl und anderen Naphthaprodukten an die deutsche Marine und an den Benzolverband einzustellen und ebenso die Lieferung von Manganerzen an die deutsche Industrie.3 Herr Friedrichson fügte hinzu, dass bei einer solchen Handhabung Deutschlands es auch für die russische Regierung unmöglich sein werde, ferner noch große Bestellungen mit längeren Lieferfristen zu machen. Da Herr Friedrichson am Mittwochabend seinen hiesigen Posten dauernd verlässt, um als Stellvertreter in das Außenhandelskommissariat in Moskau einzutreten, so bat er mich, ihm doch bis Mittwochabend eine Mitteilung zukommen zu lassen, welche Entscheidung deutscherseits getroffen würde. Ich habe Herrn Friedrichson erwidert, dass mein Ministerium in dieser Angelegenheit keine Entscheidung habe, dass ich seine Mitteilung an die zuständigen Stellen weiterleiten würde und dass ich ihm vor Mittwochabend jedenfalls eine Mitteilung, welchen Inhaltes auch immer, zugehen lassen würde. Ich bitte um Mitteilung, was ich Herrn Friedrichson antworten kann. Durchschlag dieses Schreibens geht an Herrn Ministerpräsident Generaloberst Göring4 und an den Herrn Reichskriegsminister Generalfeldmarschall von Blomberg. Heil Hitler! gez. Dr. Hjalmar Schacht Auf Blatt oben: handschriftlich: Geheim, am Seitenrand: H[errn] v. Tipp[elskirch] nach Rückkehr Sch[ulenburg] 4/5; darunter: H[errn] Hilger nachträglich zgK und zum Verbleib, mit Abzeichnungen von Tippelskirch vom 6/8 und Hilger vom 12/8. PA AA, Moskau 371, Bl. E 540778. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 336, S. 725–726.
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Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 670, S. 1640. Vgl. ebd., Dok. 116, S. 422–428. Vgl. Dok. 7. Vgl. Dok. 11.
24. 4. 1937 Nr. 9 Nr. 9 Schreiben des Leiters des Außenpolitischen Amtes der NSDAP Rosenberg an den Reichsaußenminister Freiherrn von Neurath Nr. 9 24. 4. 1937 24. 4. 1937 24. April 1937 An den Reichsaußenminister Freiherr von Neurath Berlin W 8 Sehr geehrter Baron von Neurath! Ich habe mir nach unserer letzten Unterredung1 den ganzen Fall noch reiflich überlegt und mit meinen Sachbearbeitern besprochen. Mir scheint es zweckmäßig, nicht zwei Entwürfe anzufertigen, als ob hier gleichsam zwei Beauftragte vorgesehen seien, sondern nur einen. Ich lege Ihnen auf Blatt I einen solchen Entwurf2 vor, der auf dem Gebiete, welches Ihr Amt interessiert, mit dem übereinstimmt, was wir bereits besprochen haben. Ich wäre Ihnen verbunden, wenn Sie aufgrund unserer letzten Absprache Ihre Zustimmung zu einem solchen Erlass in Bezug auf die eine Hälfte des Auftrags, das bolschewistische Problem betreffend, aussprechen könnten. Andererseits glaube ich, dass ein solcher genereller Auftrag ohne eine Abgrenzung des Arbeitsgebietes erst recht zu Schwierigkeiten führen könnte, wenn nicht von vornherein durch den Führer selbst die umrissene Klarheit über die Form des Auftrags ausgesprochen wird. Deshalb gestatte ich mir Ihnen auf Blatt III3 einen Vorschlag über die Abgrenzung des Geschäftsbereichs zuzuleiten, wobei ich alles das ausgelassen habe, was Sie als erschwerend für die Einrichtung der genannten Dienststelle bezeichneten. Ich bitte Sie, die Absätze I und II zu überprüfen und würde mich freuen, wenn Sie das Einverständnis Ihres Amtes zu diesen Vorschlägen, die natürlich dann weiter besprochen werden müssten, geben würden. Ich bitte Sie, diese ganze Angelegenheit vertraulich zwischen uns zu behandeln. Heil Hitler! Ihr sehr ergebener [Rosenberg] BArch, NS 8/168, Bl. 166-167. 1 Vgl. „Aktennotiz über 2 Besprechungen zwischen dem Reichsaußenminister von Neurath und Reichsleiter Rosenberg“, 20.3.1937. In: BArch NS 8/168, Bl. 174-176. Am 17.3.1937 hatten von Neurath und Rosenberg den Plan einer „Auslands-Hochschule“, einer Ausbildungsstätte für Auslandskader, besprochen. Am 20.3.1937 fand die zweite Besprechung im Beisein von Hitler statt. Anlässlich dieses Zusammentreffens übergab Neurath an Rosenberg eine „ihm bis dahin vollkommen unbekannte Gründungsurkunde einer sog. Ständigen deutschen Kommission zur Bekämpfung der Kommunistischen Internationale. Reichsaußenminister v. Neurath betonte, dass der Führer nochmals den in Aussicht genommenen Auftrag für R.L. Rosenberg bestätigt habe.“ In: ebd., Bl. 174. In der Aufzeichnung wurden die Aufgaben einer solchen Einrichtung von Rosenberg skizziert. 2 In der „Akten-Notiz für den Führer“ entwarf Rosenberg einen Erlass zur Errichtung einer Behörde mit ihm als Generalbeauftragten, der im Rang eines Reichsministers stehen sollte. Die Behörde solle zur „Abwehr des Weltbolschewismus und zur Sicherung der Einheit der nationalsozialistischen Weltanschauung“ gegründet werden. Vgl. BArch, NS 8/168, Bl. 168-169. 3 Vgl. BArch, NS 8/168, Bl. 170-173.
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Nr. 10
26. 4. 1937
Nr. 10 Meldung des Chefs der Verwaltung des NKVD der Ukrainischen SSR für den Bezirk Odessa Rozanov an den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten der Ukrainischen SSR Balickij Nr. 10 26. 4. 1937 26. 4. 1937 GANZ GEHEIM Serie „K“ 3. Abteilung 1/1 [nicht später als 26.4.1937] AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN DER USSR KOMMISSAR DER STAATSSICHERHEIT I. RANGES Gen. V.A. BALICKIJ Kiev „ALBUM“ Am 10. April berichteten wir, dass wir uns in der Operation „Album“ gegen das Deutsche Konsulat ein versiegeltes Paket des Auswärtigen Amtes mit der Nr. Sch.B.-990 beschafft haben, es trägt den Vermerk: zu öffnen nach Erhalt spezieller telegrafischer Anweisungen. Im Zusammenhang damit baten wir darum, einen versierten Techniker zu uns zu schicken, der in der Lage ist, das Paket zu öffnen. Am 23. April d.J. kamen aus Moskau der Gehilfe des Chefs der 1. Unterabteilung der 3. Abteilung der GUGB des NKVD der UdSSR Gen. BIRO und der Techniker Gen. GOLUBKOV zu uns. In der Nacht zum 25. April haben wir dieses Paket wieder beschafft. Im Verlaufe der Nacht wurde die technische Bearbeitung des Pakets erfolgreich durchgeführt. Nach der Anfertigung von Abdrücken der Siegel wurde das Paket geöffnet und darin befand sich der Schlüssel für die Geheimchiffre des Außenministeriums „HEFT DER SCHLÜSSEL, DIE NACH ERHALT BESONDERER ANWEISUNGEN IN KRAFT TRETEN“. Dem Dokument zufolge sind die Chiffreschlüssel für den Chiffreverkehr während der Mobilmachungs- und der Kriegszeit bestimmt. Im Unterschied zu den früher von uns ermittelten Chiffreschlüsseln für das Jahr 1937, die allein die deutschen diplomatischen Vertretungen in der UdSSR für den Verkehr mit Berlin benutzen können, sind die jetzigen Schlüssel für 126 deutsche Botschaften, Missionen und Konsulate in allen Ländern der Welt bestimmt, darunter auch für die UdSSR (Moskau, Kiev, Odessa, Char’kov, Novosibirsk, Tiflis1, Vladivostok). 1 In diesem Dokument wird noch die alte russische Schreibweise „Tiflis“ gebraucht, in späteren russischen Dokumenten die seit 1936 auf Wunsch Georgiens benutzte neue russische Schreibweise „Tbilisi“. Da bis 1939 und später in den deutschen Dokumenten durchgängig „Tiflis“ geschrieben wird, ist in diesem Band die vereinheitlichte Schreibweise „Tiflis“ verwendet worden.
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27. 4. 1937 Nr. 11 Das „Schlüsselheft“ ist ein Büchlein mit 36 Abreißblättern, die die nach Dekaden sortierte Gruppenschlüssel enthalten – für jeden Kalendertag des Jahres eine selbständige Gruppe. Auf diese Weise kennt die für die Chiffre autorisierte Person den Chiffreschlüssel nur für die laufende Dekade, und erst nach Ablauf der Dekade kann das verbrauchte Blatt abgerissen werden, unter dem sich das Blatt mit dem Schlüssel für die nächste Dekade befindet. Nach Auffassung der operativen Techniker hat dieser Umstand die Öffnung und Bearbeitung des Dokuments erschwert. Nichtsdestotrotz sind die Bearbeitung des Dokuments und die Restaurierung des versiegelten Pakets mit Unterstützung der Genossen BIRO und GOLUBKOV einwandfrei durchgeführt worden. Am 27. April werden wir Ihnen nach Beendigung der labormäßigen Bearbeitung und Ausfertigung die Fotokopie des Dokuments schicken. ------Mit der Operation vom 15. April d.J. gelangten wir in den Besitz der jetzt gültigen Chiffreschlüssel für 1937 für den Chiffreverkehr zwischen Berlin und den deutschen diplomatischen Vertretungen in der UdSSR. Aus technischen Gründen waren wir jedoch nicht in der Lage, dieses Dokument selbst einer Bearbeitung zu unterziehen, weil es mit der Notwendigkeit verbunden gewesen wäre, die Abreißblätter für die laufenden Monate des Jahres 1937 zu öffnen. Deshalb werden wir am 27. April das Dokument zum zweiten Mal beschaffen und mit Unterstützung des Technikers der 3. Abteilung der GUGB Gen. GOLUBKOV, der nach Odessa gekommen ist, die gültigen Chiffreschlüssel für das Jahr 1937 vollständig kopieren. Über die Ergebnisse dieser Operation werden wir gesondert Bericht erstatten. CHEF DER VERWALTUNG DES NKVD DER USSR FÜR DEN BEZIRK ODESSA MAJOR DER STAATSSICHERHEIT A. ROZANOV Vermerk mit Bleistift: [Zu] den Geheimmaterialien [die Paraphe ist nicht lesbar]. 27/4. OGA SBU, f. 16, op. 1, d. 78, l. 145–148. Original.
Nr. 11 Schreiben des Reichsaußenministers Freiherr von Neurath an den Reichsminister für Luftfahrt Göring Nr. 11 27. 4. 1937 27. 4. 1937 Berlin, den 27. April 1937 Lieber Herr Göring! Herr Präsident Schacht hat Ihnen Abschrift des Schreibens zugehen lassen, das er am 24. April wegen der Verträge der Firma Carl Zeiss vom Oktober 1935 an
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Nr. 11
27. 4. 1937
mich gerichtet hat und in dem die letzte Erklärung der russischen Handelsvertretung für den Fall Nichtlieferung der Höhenmesser mitgeteilt wird.1 Ich bin über den Sachverhalt unterrichtet. Ich muss es natürlich in erster Linie den zuständigen militärischen Stellen überlassen zu entscheiden, ob die erst neuerdings und nachträglich aufgetauchten Bedenken gegen die Lieferung der Höhenmesser an Russland so schwerwiegen, dass die Zurückziehung der vor Abschluss der Zeiss-Verträge erteilten Ausfuhrgenehmigung gerechtfertigt ist. Immerhin halte ich mich für verpflichtet, auf die Nachteile hinzuweisen, die nach den letzten Erklärungen der russischen Handelsvertretung unmittelbar für die Versorgung Deutschlands mit Naphtha-Erzeugnissen und Manganerzen entstehen können. Es muss außerdem damit gerechnet werden, dass neben diesen unmittelbaren Nachteilen die gesamten Wirtschaftsbeziehungen zu Russland nach der jüngsten Besserung einen erneuten und dauernden Rückschlag erleiden. Ich würde es begrüßen, wenn diese Schäden dadurch vermieden werden könnten, dass die zuständigen militärischen Stellen ihre jetzigen Bedenken zurückstellen und zu der Auffassung zurückkehren könnten, die sie vor Abschluss der Zeiss-Verträge gehabt haben. Sollte dies nicht möglich sein, so möchte ich dafür eintreten, dass wenigstens ein grundsätzliches und endgültiges „nein“ gegenüber Russland vermieden wird. Das könnte in der Weise geschehen, dass die Einstellung der weiteren Lieferung der Höhenmesser damit begründet wird, dass die volle Erzeugung der Zeiss-Werke jetzt für die eigenen Bedürfnisse Deutschlands benötigt wird, dass die Ausführung der Zeiss-Verträge vom Oktober 1935 später aber wieder aufgenommen wird. Zwar ist anzunehmen, dass Russland darauf antworten wird, dass es die weitere Lieferung von Naphtha-Erzeugnissen und von Manganerzen gleichfalls nicht endgültig, sondern nur vorläufig einstellen werde, bis die Lieferung der Höhenmesser wieder aufgenommen wird. Immerhin könnte dadurch ein offener Bruch verhütet und die Situation für spätere Verhandlungen offen gelassen werden.2 Abschrift hiervon habe ich dem Herrn Reichskriegsminister Generalfeldmarschall von Blomberg und dem Herrn Reichswirtschaftsminister Präsidenten Schacht zugehen lassen. gez. Freiherr v. Neurath PA AA, Moskau 371, Bl. E 540779-540780. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 339, S. 730–731.
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Vgl. Dok. 8. Am 30.4.1937 erhielt das AA die Information, dass Göring entschieden habe, die Lieferungen der Firma Zeiss seien fortzusetzen. Vgl. ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 339, S. 731, Anm. 3.
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27. 4. 1937 Nr. 12 Nr. 12 Aufzeichnung der Unterredung des 1. Sekretärs der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Gnedin mit dem Korrespondenten der „Frankfurter Zeitung“ in Warschau Pörzgen Nr. 12 27. 4. 1937 27. 4. 1937 GEHEIM [Expl.] 1 Ausg.-Nr. 82/s1 Berlin, 27. April 1937 Tagebuch E. Gnedins Unterredung mit Pörzgen („Frankfurter Zeitung“), 21. April Pörzgen erschien unerwartet bei mir und erklärte, er sei extra aus Warschau gekommen, um über seine Reise nach Moskau zu sprechen. Er hätte ein Schreiben von Baum erhalten, in dem dieser mitteile, dass wir nicht wünschten, die Anzahl der Korrespondenten in Moskau zu erhöhen, und deshalb könne Pörzgen nicht anreisen, bevor Just abgereist sei.2 Pörzgen versuchte zunächst zu behaupten, dass mit der Abreise von Baum nur noch Just verbliebe, ich erinnerte ihn aber an die Existenz von Schüle. Danach ging Pörzgen zur Darlegung rein praktischer Erwägungen über, denen zufolge er sobald wie möglich in Moskau sein müsse (die Übernahme der Wohnung von Just, die Sinnlosigkeit des Aufenthaltes in Warschau usw.). Ich informierte Pörzgen in aller Kürze über meine Gespräche mit Baum in Moskau und mit Aschmann in Berlin und bemerkte dazu, dass Kircher nicht nur nicht bei mir erschienen sei, sondern überhaupt nicht mit mir über die Angelegenheit Pörzgen gesprochen habe. Ich sprach die Überzeugung aus, dass es in der deutschen Presse nicht möglich sei, die Situation in der UdSSR objektiv zu beleuchten, und gab Pörzgen abschließend den Rat, die Reiseangelegenheit nach Moskau bis zum Herbst zu vertagen. Pörzgen sagte, die „Frankfurter Zeitung“ sei die einzige Zeitung, der es gelinge, ein Minimum an Informationen zu verbotenen Themen zu bringen. Pörzgen meint, dass Just in der „Frankfurter Zeitung“ ebenfalls anständiger als in allen anderen Zeitungen geschrieben habe. Pörzgens Aufgabe werde in erster Linie darin bestehen, außenpolitische Fragen, die Haltung der UdSSR zu internationalen Problemen usw. zu beleuchten. Schließlich sagte Pörzgen, dass er die Konkurrenz des Korrespondenten des „Völkischen Beobachters“ in Warschau3 befürchte, der ebenfalls nach Moskau wechseln wolle. Pörzgen befürchte, dass, wenn Just formal Moskau verlasse, der *Völkische Beobachter Anspruch*4 auf den freigewordenen Platz des deutschen Journalisten in Moskau erheben könnte. In diesem Fall könne Pörzgen nicht kommen, und wir könnten den Korrespondenten des „Völkischen Beobachter“ bekommen. Pörzgen bat darum, all diese Überlegungen selbstverständlich vertraulich zu behandeln.
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Vgl. Dok. 3. Waldemar Lentz. Der Text wurde von Litvinov mit rotem Farbstift unterstrichen.
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Nr. 13
27. 4. 1937
Das Gespräch endete mit meinem Rat an Pörzgen, sich in Geduld zu üben und wenigstens bis Mitte des Sommers zu warten. Gnedin Vermerk M.M. Litvinovs mit rotem Farbstift: MM. Oben links von der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 1662 vom 29.4.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. an Gen. Litvinov: 7, zu den Akten: 1 [Exemplar]. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 42, l. 108–109. Original.
Nr. 13 Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin Nr. 13 27. 4. 1937 27. 4. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 7 Nr. 222/L. 27. April 1937 AN DEN GENERALSEKRETÄR DES ZK DER VKP (B) Gen. STALIN Kopie an: Gen. Molotov Angesichts der beabsichtigten Versetzung des Gen. Gnedin nach Moskau ist es unabdingbar, unverzüglich jemanden an seiner Stelle nach Berlin zu schicken, damit er sich bis zur Ankunft des neuen Bevollmächtigten Vertreters in die Materie einarbeiten kann. Anderenfalls kommt Gen. Jurenev in Berlin an und trifft nicht einen einzigen Menschen an, der die dortigen Angelegenheiten einigermaßen kennt. Für die einzige geeignete Kombination würde ich einen Stellentausch zwischen dem jetzigen Leiter der Presseabteilung des NKID Gen. Astachov und Gen. Gnedin erachten. Im Falle Ihrer Zustimmung könnte man Gen. Astachov umgehend nach Berlin entsenden. Ich bitte darum, folgenden Beschluss zu bestätigen. „Es ist als zweckdienlich anzusehen, den jetzigen Rat1 der Berliner Bevollmächtigten Vertretung Gen. Gnedin als Leiter der Presseabteilung des NKID nach Moskau zu versetzen und auf seine Stelle den jetzigen Leiter der Presseabteilung des NKID Gen. G.A. Astachov nach Berlin zu entsenden.“2 LITVINOV
1 So im Dokument; Gnedin war der 1. Sekretär der Bevollmächtigten Vertretung der UdSSR in Deutschland. 2 Das Politbüro fasste am 3.5.1937 den entsprechenden Beschluss (Protokoll Nr. 49, Pkt. 115, Sondermappe). In: RGASPI, f. 17, op. 162, d. 21, l. 33.
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30. 4. 1937 Nr. 14 Vermerk mit Bleistift: Ar[chiv]. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 7 Expl. [Die Exemplare] 1–3 an die Adressaten, das 4. [Exemplar] an Gen. Potemkin, das 5. an Gen. Stomonjakov, das 6. an Gen. Litvinov, das 7. ins Archiv. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 126, d. 1, l. 205. Kopie.
Nr. 14 Schreiben des 1. Sekretärs der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Gnedin an den Mitarbeiter der II. Westabteilung von VOKS Časovennyj Nr. 14 30. 4. 1937 30. 4. 1937 GEHEIM 94/s1 30. April 1937 AN VOKS Gen. ČASOVENNYJ Werter Genosse, im Zusammenhang mit Ihren Schreiben vom 20. und 26. April teile ich Folgendes mit: *1. Wir bemühen uns, Pläne und Ausbildungsprogramme von Schulen für die Ausbildung von Technikern und Ingenieuren zu beschaffen, dies erfordert jedoch eine gewisse Zeit.*2 2. Wir hoffen auch, Angaben zur Tätigkeit auf dem Gebiet der Beschäftigung und der Arbeitsvermittlung von Invaliden beschaffen zu können. Was einen Tätigkeitsaustausch mit entsprechenden Einrichtungen in Deutschland betrifft, so ist für ein derartiges Vorhaben nicht der richtige Zeitpunkt. Die Einholung von faschistischen Einheitsmaterialien ist sowohl uninteressant als auch unzweckmäßig, eine echte wissenschaftliche Verbindung ist aber für die gleichgeschalteten deutschen Einrichtungen fast unmöglich. 3. Zur Frage deutscher Kandidaten für das bevorstehende Theaterfestival3: Versäumen Sie es nicht, sich mit der 2. Westabteilung im NKID in Verbindung zu setzen, mit der es in dieser Angelegenheit im Zusammenhang mit der Tätigkeit von Intourist einen Schriftwechsel gibt. Wir halten an der Auffassung fest, dass es *unter den gegenwärtigen Bedingungen keinen Sinn hat, deutsche Schauspieler und Regisseure einzuladen*4. Dies bedeutet nicht, dass sie keine Möglichkeit hätten, ohne Einladung zum *Festival zu kommen, wenn*5 sie denn ein Visum bekommen.
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der Text ist am linken Seitenrand mit Tinte angestrichen. Das V. sowjetische Theaterfestival fand vom 1. bis 10.9. in Moskau und vom 11. bis 15.9.1937 in Leningrad statt. 4 Der Text ist mit Tinte unterstrichen. 5 Der Text ist mit Tinte unterstrichen.
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Nr. 14
30. 4. 1937
4. Im Zusammenhang mit der Vorbereitung einer Ausstellung zur Verfassung6 durch VOKS speziell für Deutschland stelle ich fest, dass die Durchführung einer derartigen öffentlichen Ausstellung *in Deutschland vollkommen ausgeschlossen ist*7. Es wäre wünschenswert zu erfahren, welchen Charakter diese Ausstellung haben soll; falls eine kleine Ausstellung gemeint ist, so wäre es vielleicht zweckmäßig, sie in einem Empfangsraum der Bevollmächtigten Vertretung zu zeigen. Dazu erwarte ich von Ihnen weitergehende Informationen. 5. Bezüglich der Literatur, die wir gern zur Verbreitung haben möchten, werde ich mich mit der nächsten Post äußern. Was hingegen die Kontakte mit Leuten betrifft, die sich in Deutschland *für das Leben in der Sowjetunion*8 interessieren, so ist von VOKS in dieser Hinsicht große Vorsicht an den Tag zu legen. Mit den Faschisten wollen wir keinen Kontakt halten, Personen aber, die sich uns gegenüber freundschaftlich verhalten, können durch solche Kontakte ernsthaft kompromittiert werden. Mit kameradschaftlichem Gruß Gnedin Vermerk mit Tinte: Zu den Akten.9 .V. Oben links befindet sich der Stempel der Geheimabteilung von VOKS mit der EingangsNr. 199 vom 7.5.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: Geschr. 2 Expl. 1 [Exemplar] an den Adressaten, 1 zu den Akten. Auf Kopfbogen der Bevollmächtigten Vertretung der UdSSR in Deutschland geschrieben. GARF, f. R-5283, op. 1a, d. 327, l. 31–31R. Original.
6 Gemeint ist die am 5.12.1936 verabschiedete Verfassung der UdSSR. Zum Text vgl. Izvestija vom 6. Dezember 1936, S. 2–3; Die Sowjetunion. Von der Oktoberrevolution, Dok. 103, S. 266–292. 7 Der Text ist mit Tinte unterstrichen. 8 Der Text ist mit Tinte unterstrichen. 9 Die Unterschrift ist nicht lesbar.
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21. 4. 1937 Nr. 15 Nr. 15 Notiz des Volkskommissars für Außenhandel Rozengol’c für den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, den Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Molotov, den Sekretär des ZK der VKP (B) Kaganovič, den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov und den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Ežov Nr. 15 3. 5. 1937 21. 4. 1937 Ganz geheim Expl. Nr. 1 3. Mai 1937 AN Gen. STALIN Gen. MOLOTOV Gen. KAGANOVIČ Gen. VOROŠILOV Gen. EŽOV Unsere Androhung, die Erfüllung der Verträge mit Deutschland zur Lieferung von Erdöl und Manganerzen1 einzustellen, hat gewirkt. Die deutsche Regierung hat das Ausfuhrverbot für Entfernungsmesser von Zeiss aufgehoben. Nach vorliegenden Informationen hat Schacht diese Frage Hitler und Göring persönlich vorgetragen. Ich füge die Kopie des Telegramms des Gen. Fridrichson bei. 3.V.37 A. Rozengol’c ANLAGE Ganz geheim Telefonisch Aus Berlin, Eingangs-Nr. 3830 AN ROZENGOL’C, KANDELAKI Heute hat das Wirtschaftsministerium mir offiziell mitgeteilt, dass das Ausfuhrverbot für Entfernungsmesser von Zeiss nach der UdSSR aufgehoben worden ist und die Firma unverzüglich die Lieferung von Entfernungsmessern auf der Grundlage unserer Aufträge wieder aufnimmt. 30.IV. Fridrichson Veröffentlicht in: SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 91, S. 154–155.
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Vgl. Dok. 7, 8, 11.
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Nr. 16
3. 5. 1937
Nr. 16 Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA Nr. 16 3. 5. 1937 3. 5. 1937 Moskau, den 3. Mai 1937 D/ 362 2 Anlagen Im Anschluss an Drahtbericht Nr. 83 von 29.4.1 und auf Drahterlass Nr. 47 vom 30.4.372. Inhalt: Luftverkehr zwischen Deutschland und der Sowjetunion. Die Meldungen der „Iswestija“ (amtliches Organ des Zentralexekutivkomitees der UdSSR) und der „Prawda“ (Organ des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der SU) über die Liquidation der Gesellschaft „Deruluft“3 und die Einstellung des Luftverkehrs zwischen Deutschland und der Sowjetunion sind in den Anlagen4 in wörtlicher deutscher Übersetzung beigefügt. Aus Mitteilungen der Direktion der „Deruluft“ vom Januar d. J. war der Botschaft bekannt, dass zwischen der „Deruluft“ und der „Aeroflot“ seinerseits vereinbart worden war, den Luftverkehr zwischen Berlin und Moskau bis zum 28.2.1937 auf der alten Basis fortzuführen.5 Aus den erwähnten russischen Pressemeldungen geht hervor, dass diese Vereinbarung inzwischen um einen weiteren Monat, d. h. bis zum 1.4.37 verlängert worden ist. Die Direktion „Deruluft“ hatte die Botschaft ferner darüber unterrichtet, dass die „Deutsche Lufthansa“ beabsichtige, mit der „Aeroflot“ über einen Pool-Vertrag zu verhandeln, der die Grundlage für den künftigen Luftverkehr zwischen der Sowjetunion und Deutschland bilden solle. Es hieß seinerzeit, dass der stellvertretende Direktor der „Aeroflot“, Herr Joffe, sich Mitte Februar nach Berlin begeben würde, um die entsprechenden Verhandlungen aufzunehmen. Ob die Reise des Herrn Joffe erfolgt ist und die Verhandlungen stattgefunden haben, ist der Botschaft nicht bekannt geworden. Aus den beigefügten russischen Pressemeldungen geht hervor, dass der Leiter der Hauptverwaltung der Zivilen Luftflotte, Herr Tkatschew, die Direktion der „Deutschen Lufthansa“ über die Unzweckmäßigkeit des Abschlusses eines „neuen“ Vertrages über den Betrieb von Luftlinien zwischen der UdSSR und Deutschland in Kenntnis gesetzt habe. Diese Bemerkung Tkatschews erweckt in Verbindung mit dem ersten Satz der Meldung der „Iswestija“, wonach „die Exploitation der Luftlinie MoskauBerlin eingestellt“ würde, den Eindruck, als ob die Sowjetregierung nicht mehr beabsichtige, einen Pool-Vertrag mit der „Lufthansa“ abzuschließen. In diesem Zusammenhange wäre ich für die Mitteilung dankbar, ob seit Februar d. J. Besprechungen zwischen der „Lufthansa“ und der „Aeroflot“ stattgefunden haben und ob Herr Joffe zu diesem Zwecke in Berlin gewesen ist. 1 Vgl. Bericht Schulenburgs an das AA über die Meldung in der sowjetischen Presse zur Einstellung des Luftverkehrs. In: PA AA, Moskau II 340, Bl. 46. 2 Vgl. Schreiben Bismarcks an die Deutsche Botschaft mit dem Geheiß, auf eine offizielle Nachricht der sowjetischen Regierung zu warten. In: PA AA, Moskau II 340, Bl. 45. 3 Vgl. „Likvidacija obščestva ‚Deruluft‘“. In: Izvestija vom 29. April 1937, S. 4; „Obeščestva ‚Deruluft‘ likvidiruetsja“. In: Pravda vom 29. April 1939, S. 2. 4 In der Akte vorhanden (Bl. 41-42). 5 Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 627, S. 1546–1547.
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3. 5. 1937 Nr. 17 Ich darf noch hinzufügen, dass die hiesige Polnische Botschaft für die sowjetische Pressemeldung über die Einstellung des Luftverkehrs zwischen Deutschland und der Sowjetunion ein sehr lebhaftes Interesse bekundet hat. Bei dieser Gelegenheit teilte sie der Deutschen Botschaft mit, dass zwischen der Sowjetunion und Polen in den letzten Monaten keinerlei Besprechungen über den Luftverkehr gepflogen worden seien und dass insbesondere die Sowjetregierung sich nicht mit der Polnischen Regierung wegen einer Genehmigung zum Überflug des Korridors in Verbindung gesetzt habe. gez. Schulenburg Reinkonzept. Auf erstem Blatt Hinweis zum kleinen Umlauf mit den jeweiligen Paraphen. Am Seitenrand Vermerk des Abgangs am 3.5. Gefertigt in vier Durchschlägen. PA AA, Moskau II 340, Bl. 38-40.
Nr. 17 Aufzeichnung der Unterredung des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 17 3. 5. 1937 3. 5. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 4 [3.5.1937] TAGEBUCH M.M. LITVINOVS EMPFANG SCHULENBURGS, 3.V.37 Nachdem ich Schulenburg einbestellt hatte, erklärte ich ihm, dass ich meine Bemühungen darauf richte, den beabsichtigten Prozess1 abzuwenden und die Hoffnung habe, dass mir dies gelingen werde. Meine Aufgabe könnte jedoch erleichtert werden, wenn ich in der Lage wäre, zu sagen, dass die deutsche Regierung bereit wäre, 1) die in deutschen Gefängnissen einsitzenden sowjetischen Staatsbürger – vermutlich drei oder vier Personen – freizulassen und 2) in Burgos zu intervenieren, um die Freilassung der in Spanien internierten Besatzungen unserer Dampfer „Komsomol“ und „Smidovič“ zu erwirken.2 Ich unterstrich, dass es mir nicht um einen faktischen Austausch ginge, sondern lediglich darum, vorerst das grundsätzliche Einverständnis zu beiden Punkten zu erhalten; danach würde ich damit rechnen, sofort die Freilassung eines Teils der inhaftierten deutschen Staatsbürger 1 Gemeint ist der geplante Gerichtsprozess gegen die im November/Dezember 1936 in der UdSSR verhafteten deutschen Staatsbürger. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933– 1941, Bd. 2, Dok. 597, 625, 657. 2 Die Initiative, die Besatzung des Dampfers „Komsomol“ gegen einen bei den Truppen der Republikaner in Spanien in Gefangenschaft befindlichen deutschen Piloten auszutauschen, war von deutscher Seite ausgegangen. Vgl. dazu das Schreiben Krestinskijs an Suric vom 19.2.1937. In: AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 41, l. 4.
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Nr. 17
3. 5. 1937
bewirken zu können. Ich fügte hinzu, dass wir am Schicksal der in Deutschland inhaftierten sowjetischen Staatsbürger nicht besonders interessiert seien, ich aber dennoch deren Angehörigen, die sich an uns wenden, eine zufriedenstellende Antwort geben wolle. Was aber die Internierten in Spanien betreffe, so sei dies, wie ich meine, keine politische, sondern eine humanitäre Frage. Mit dem gleichen Anliegen hätten wir uns auch an Rosso gewandt, der uns ebenfalls seine Unterstützung zugesagt habe. Sch[ulenburg] sagte, dass er seiner Regierung selbstverständlich persönlich empfehlen werde, meinen Vorschlag anzunehmen.3 Sch. setzte an, um mit mir über irgendeinen Übersetzer des Deutschen Konsulats in Tiflis 4 sowie darüber zu sprechen, die Wohnung Baums 5 der Deutschen Botschaft für Stein zur Verfügung zu stellen. Unter Hinweis auf meine bevorstehende Abreise bin ich jedoch nicht auf dieses Gespräch eingegangen und habe Schulenburg gebeten, sich in dieser Angelegenheit an die Abteilung6 zu wenden. LITVINOV Vermerk mit Bleistift: an Gen. Štern. Vermerk D.G. Šterns mit Bleistift: an Gen. Lev[in], Gen. Kant[er]. Š[tern]. 7.V.37. Oben rechts befindet sich der Stempel der 2. Politischen Westabteilung des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 880 vom 5.5.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 Expl. Das 1. [Exemplar] ins Archiv, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. an Gen. Štern, das 5. nach Berlin. AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 1, l. 34–35. Kopie.
3 Über diesen Vorschlag Litvinovs an Schulenburg wurde Hitler in Kenntnis gesetzt. Vgl. ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 351, S. 761–762. 4 Gemeint ist Nymann, gegen dessen Verhaftung von Tippelskirch am gleichen Tag gegenüber Štern Protest erhob. Vgl. Dok. 18. 5 Der Presserat an der Deutschen Botschaft Baum sollte auf Forderung der sowjetischen Regierung die UdSSR verlassen. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 664, S. 1626–1627. 6 Gemeint ist die 2. Westabteilung des NKID.
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3. 5. 1937 Nr. 18 Nr. 18 Aufzeichnung der Unterredung des Leiters der 2. Westabteilung im NKID Štern mit dem Botschaftsrat in Moskau von Tippelskirch Nr. 18 3. 5. 1937 3. 5. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 1 Nr. 14515 4.V.371 [3.5.1937] AUFZEICHNUNG DES GESPRÄCHS DES Gen. ŠTERN MIT TIPPELSKIRCH, 3. MAI 1937 Tippelskirch suchte mich in einem sehr erregten Zustand auf und erklärte, dass er wegen der Verhaftung von Nymann, des Übersetzers des deutschen Generalkonsulats in Tiflis, protestieren müsse. Ich machte T[ippelskirch] darauf aufmerksam, dass er für einen Protest überhaupt keine Veranlassung habe, weil Nymann sowjetischer Staatsbürger war und ist. Darauf änderte T. seinen Ton und bat nun das NKID, alles in seiner Macht Stehende für die Haftentlassung und Ausweisung Nymanns zu unternehmen. T. wies darauf hin, dass sich der Fall Nymann bereits über 7 Jahre hinziehe; in dieser Zeit hätten fast alle in Moskau tätigen Botschafter die Frage nach dem Austritt Nymanns aus der sowjetischen Staatsbürgerschaft aufgeworfen.2 Zuletzt habe T. selbst mit mir darüber gesprochen, ich hätte ihm damals empfohlen, die Frage des Austritts Nymanns aus der sowjetischen Staatsbürgerschaft vorerst nicht aufzuwerfen, da es zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Chancen gebe, diesem Gesuch stattzugeben. 3 T. betonte außerdem, dass Dienstmann bei dem Bevollmächtigten des NKID in Tiflis4 gewesen sei, der nicht über die Verhaftung Nymanns informiert gewesen sei, was nach Auffassung der Botschaft die Lage verschärfe. Generell hob T. hervor, dass die Situation der Botschaft vollkommen unerträglich werde, und dass es Verhaftungen hagele. Zum Ende des Gesprächs bat T. nochmals eindringlich darum, alles Mögliche zu tun, um im Fall Nymann der Bitte der Botschaft zu entsprechen. LEITER DER 2. WESTABTEILUNG Štern Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Litvinov, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. nach Berlin, das 4. zu den Akten. AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 2, l. 57. Original.
1 2
Die Ausgangsnummer und das Datum sind mit Tinte geschrieben. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 1, Dok. 459, 558; Bd. 2, Dok. 3,
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Vgl. ebd., Bd. 2, Dok. 463, 472. Leonid Nikolaevič Stark.
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Nr. 19
3./4. 5. 1937
Nr. 19 Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Sekretär des ZK der VKP (B) Andreev Nr. 19 3./4. 5. 1937 3./4. 5. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 4 Nr. 2793 3./4. Mai 1937 AN DEN SEKRETÄR DES ZK DER VKP (B) A.A. ANDREEV Das NKID bittet Sie, die Prüfung der Organisationssituation, der Zusammensetzung, des Kosten- und Personalplans der Kommission, die die diplomatischen Dokumente aus der Epoche des Imperialismus1 herausgibt, zu beschleunigen (laut vorliegenden Informationen hat die Presseabteilung des ZK Ihnen den Beschlussentwurf zur Bestätigung vorgelegt). Sollten dazu keine Entscheidungen getroffen werden, würde dies die Fortführung dieser wichtigen Edition verzögern, die sich ohnehin schon zu lange hinzieht.2 Dazu teile ich mit, dass angesichts der Tatsache, dass es unmöglich ist, einen anderen ausländischen Verlag zu finden, der auf vertraglicher Grundlage mit Gosizdat in irgendeiner Fremdsprache publizieren und uns somit das Urheberrecht an dieser Edition zusichern würde, das NKID die Auffassung vertritt, den Vertrag mit der Deutschen Gesellschaft zum Studium Osteuropas solange fortzusetzen, wie sie selbst die übernommenen Verpflichtungen exakt erfüllt und in deutscher Sprache die von uns veröffentlichten Dokumente ohne Verfälschungen und ohne böswillige Kommentare herausgibt.3 LITVINOV Vermerk mit Bleistift: M.M. Vermerk M.M. Litvinovs mit blauem Farbstift: Zu den Akten. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 1765 vom 5.5.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. Das 1. [Exemplar) an den Adressaten, das 2. an Gen. Stomonjakov, das 3. an Gen. Tal’ - ZK der VKP (B), das 4. zu den Akten. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 126, d. 1, l. 195. Kopie. 1 Gemeint ist die gemeinsame sowjetisch-deutsche Aktenpublikation von diplomatischen Dokumenten aus russischen Archiven, die von einer Kommission beim CIK der UdSSR und von der Deutschen Gesellschaft zum Studium Osteuropas besorgt wurde und sowohl in der UdSSR als auch in Deutschland erschien. Vgl. dazu auch: Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 1, Dok. 196, 309 Anlage; Bd. 2, Dok. 176, 612, 628. 2 Bis zum Frühjahr 1937 waren in der UdSSR 9 Bände der III. Reihe erschienen, die den Zeitraum vom 14. Januar 1914 bis zum 13. Januar 1916 erfasste. Vgl. Meždunarodnye otnošenija v ėpochu imperializma: dokumenty iz archivov carskogo i Vremennogo pravitel’stv 1878– 1917: Serija 3: 1914–1917, Bd. 1–9, Moskva/Leningrad 1931–1937. 3 Bis 1937 waren in Deutschland 8 Bände erschienen. Vgl. Die internationalen Beziehungen im Zeitalter des Imperialismus: Dokumente aus den Archiven der Zarischen und der Provisorischen Regierung. Reihe 1: Das Jahr 1914 bis zum Kriegsausbruch. Bde. 1–5, Berlin 1931–1934; Reihe 2: Vom Kriegsausbruch bis zum Herbst 1915, Bde. 6–8, Berlin 1934–1936.
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5. 5. 1937 Nr. 20 Nr. 20 Bericht des Verbandes der Deutschen aus Russland an die Volksdeutsche Mittelstelle Nr. 20 5. 5. 1937 5. 5. 1937 5. Mai 1937 An die Volksdeutsche Mittelstelle Berlin NW 7 Unter den Linden 64 Deutsch-Russische Höhere Schule der Stadt Berlin Höflich Bezug nehmend auf unsere Unterredung mit Herrn SS-Oberführer Dr. Behrens1 wiederholen wir bezüglich der Deutsch-Russischen Höheren Schule Folgendes: Unser Verband2 hat an dieser Lehranstalt ein besonderes Interesse, weil wir daraus gern eine Erziehungsanstalt für die russlanddeutsche Jugend, aber auch für Kinder reichsdeutscher Eltern, die sich für Ostfragen interessieren, machen wollen. Wie schon ausgeführt, ist es absolut notwendig, an die Zukunft und die einstige Befreiung der Deutschen in der Sowjetunion von dem Kommunistenjoch zu denken und für diese Zeit eine möglichst große Anzahl junger Leute für den Dienst in den Kolonien und an dem Russlanddeutschtum in den verschiedensten Berufen vorzubereiten. Dazu ist eine entsprechende Erziehungsanstalt notwendig, die sich mit der geschilderten Spezialaufgabe befasst. Die *Deutsch-Russische Höhere Schule zu Berlin*3 ist aus russischen Emigrantenschulen hervorgegangen, vor etwa 1 Jahr von der Stadt Berlin übernommen und den reichsdeutschen höheren Schulen gleichgestellt worden.4 Wir haben an ihr auszusetzen, dass 1.) der Lehrkörper bzw. eine ganze Reihe Lehrer den Anforderungen nicht entspricht, die wir an die Erzieher unserer Jugend stellen müssen, 2.) dass die Schule heute, weit mehr als gut ist, russischen Geist atmet und dass die Erziehung viel zu stark den Charakter des Russischen trägt, während wir eine deutsche Anstalt benötigen, die im Sinne und Geiste des Nationalsozialismus neben dem in deutschen Schulen sonst üblichen Unterricht der russischen Sprache und den Ostproblemen eine entsprechende Aufmerksamkeit schenkt, 3.) dass die Disziplin und Ordnung nachweisbar viel zu wünschen übrig lässt. Um aus dieser Schule das zu machen, was wir im Auge haben und was im wohlverstandenen deutschen Interesse liegt, ist es notwendig, eine Reorganisation 1 2
So im Dokument; wahrscheinlich ist Hermann Behrends gemeint. Der „Verband der Deutschen aus Russland e. V.“ (VDR) war 1935 als Dachorganisation aller in Deutschland lebenden Gruppen und Verbände Deutscher aus Russland bzw. der Sowjetunion gegründet worden. Die Leitung hatte Adolf Frasch inne. 3 Der Text ist unterstrichen. 4 Vgl. dazu auch das Schreiben aus der Abteilung für höheres Schulwesen des Stadtpräsidenten Berlin an das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Vorlksbildung vom 6.4.1938, in dem über eine Begehung der deutsch-russischen Schule am 28.3.1938 berichtet wird. Darin wird von „schwierigen Personalverhältnisse[n]“ geschrieben, aber der Schule insgesamt eine gute Entwicklung bescheinigt. Sie sei auch zu einer Anlaufstelle für viele Rückwanderer-Kinder geworden. In: BArch, R 4901/6586, Bl. 253-253.
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Nr. 20
5. 5. 1937
von oben bis unten durchzuführen. Der deutsche Staat kann unmöglich ein Interesse daran haben, die Kinder der russischen Emigranten, die zum großen Teil gar nicht einmal Deutschlands Freunde sind, auf deutsche Staatskosten in russischem Geiste ausbilden zu lassen. Wohl aber hat der deutsche Staat ein Interesse daran, eine Spezialschule zu besitzen, die junge Leute für die Aufgaben im Osten in deutschem Sinne vorbereitet. Es ist kein Zufall, dass die reichsdeutschen Interessen sich mit denjenigen der russlanddeutschen Volksgruppe auch in diesem Falle vollauf decken. Bedauerlich ist nur, dass eine Erziehungsanstalt in dem von uns geschilderten Sinne es bis heute noch nicht gibt. Unser Verband hat sich vor nahezu 1 Jahr durch eine entsprechende Denkschrift an die Oberschulbehörde mit dem Außenpolitischen Amt der NSDAP in dieser Frage in Verbindung gesetzt und ist fort[an] auf sehr viel Verständnis gestoßen. Unsere Vorschläge gingen in folgende Richtung: 1.) Das Schulprogramm völlig neu nach unseren Anregungen zu gestalten und der russischen Sprache und den Fragen des Ostraumes nicht mehr und nicht weniger Aufmerksamkeit zu schenken, als dies vonnöten ist, im Übrigen aber der Schule einen rein deutschen Charakter zu geben. 2.) Die unbrauchbaren Lehrkräfte sofort durch andere bessere zu ersetzen, wobei das Russlanddeutschtum aus eigenen Reihen eine ganze Reihe erfahrener und tüchtiger Lehrkräfte stellen kann. 3.) Dieselbe Disziplin und Ordnung einzuführen, wie sie an deutschen Schulen üblich ist und wie wir deutschen Kolonisten sie auch aus unserer Heimat her gewohnt sind. Leider ist inzwischen bei der Oberschulbehörde ein Personenwechsel vor sich gegangen und die von uns vorgetragene Angelegenheit dadurch etwas ins Stocken geraten. Allerdings sind inzwischen zwei russlanddeutsche Lehrer auf unser Betreiben angestellt worden, was aber noch lange nicht genügt. In dieser Beziehung erscheinen uns durchgreifende Maßnahmen durchaus am Platze, denn entscheidend kann dabei niemals besondere Rücksichtnahme auf die untauglichen Lehrkräfte sein, sondern lediglich der sachliche Standpunkt: Wie dient man den deutschen Interessen bei der Ausgestaltung der Schule am besten? Unser Verband hat bereits einen Lehrplan aufgestellt und dabei alle diejenigen Gesichtspunkte vorangestellt, die unser Denken in Bezug auf die Ausbildung zukünftiger Streiter für die deutschen Interessen im Ostraum beeinflussen. Wir betonen, dass sowohl die Partei wie auch die deutschen Behörden ohne Zweifel ein großes Interesse an unserem Problem haben mit Rücksicht auf die Bedeutung des Ostraumes für das deutsche Volk. Es ist auch bekannt, dass viele reichsdeutsche Eltern ihre Kinder bereits heute schon in diese Schule abgeben und andere nur deswegen noch abgehalten werden, weil die eingangs erwähnten Zustände Bedenken erregen. Notwendig erscheint es, alle diejenigen offiziellen Stellen, die an dieser Frage ein Interesse haben können und haben, für unseren Reorganisationsplan zu gewinnen. Wir haben bisher Fühlung genommen mit dem Auswärtigen Amt, dem Außenpolitischen Amt der NSDAP, dem Volksbund für das Deutschtum im Ausland und dem Gustav-Adolf-Verein. Unser Plan findet volle Zustimmung und ein gleiches Interesse dürften auch das Reichskriegsministerium, das Luftfahrtsministerium, Reichsinnenministerium, Reichsministerium für Volksaufklärung und Propa-
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5. 5. 1937 Nr. 20 ganda und das Reichs- und Preußische Ministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, bei denen wir allerdings noch nicht zurückfragen konnten, haben. Um schneller vorwärts zu kommen und ganze Arbeit zu leisten, scheint uns eine Zusammenfassung all derjenigen Stellen notwendig, die auf die eine oder andere Art und Weise an der Frage interessiert sind. Wir wären daher der Volksdeutschen Mittelstelle außerordentlich dankbar, wenn sie eine Vermittlerrolle übernehmen und uns helfen wollte, die Sache vorwärts zu treiben, wobei die Art und Weise des Vorgehens einer mündlichen Beratung vorbehalten bleiben muss.5 Im Übrigen erscheint es uns auch wichtig und notwendig, bei der Schule selbst – die entsprechenden Räume sind dort vorhanden und gehören der Stadt Berlin – ein Internat einzurichten. Die Russlanddeutschen wohnen sehr zerstreut und haben fast durchweg nicht die Mittel, ihre Kinder in Berlin in teuren Pensionaten unterzubringen, während vielfach Interesse besteht, was wir durch Umfrage festgestellt haben, die Kinder in der genannten Schule unterzubringen. Nach der vorgenommenen Kalkulation dürften die Unterhaltskosten pro Kind und Tag etwa RM 1.40 ausmachen, sodass an der Geldfrage die Errichtung eines Internats nicht scheitern dürfte. Wir planen weiter, die Kinder im Internat einem besonderen Erzieher zu unterstellen, der die Aufgabe bekommen soll, sie in ihrer Freizeit mit den russlanddeutschen Sonderproblemen und Fragen zu beschäftigen. Auch kann dort die erwachsene Jugend (Studenten) untergebracht werden. Wir bekommen alsdann die Möglichkeit, eine stattliche Anzahl deutscher Jugend, die für Fragen des Ostraumes vorgebildet werden soll, zu schulen und zu beaufsichtigen, um schließlich eine Auslese treffen zu können. Uns ist bekannt, dass stellenweise die Ansicht vertreten wird, dass die Reorganisation und Auswechslung der Lehrkräfte nur allmählich durchgeführt werden können. Unsere Auffassung aber geht dahin, dass keine Zeit zu verlieren ist, dass die Verzögerung nur Schaden bringt und dass die Umstellung und Beseitigung der Mängel dieser Schule zweckmäßigerweise nach einem festzulegenden Plan in kurzer Zeit durchgeführt werden muss. Es kann den Eltern auch gar nicht zugemutet werden, dass sie ihre Kinder in einer Schule belassen, die so viel Anlass zu ernster Kritik gibt. Um Verstimmungen irgendwelcher Art zu vermeiden, möchten wir Sie bitten, unsere kritischen Bemerkungen, soweit angängig, vertraulich zu behandeln. Auf der anderen Seite geben wir der Hoffnung Ausdruck, dass Sie sich bereitfinden werden, unser Vorgehen in der Schulfrage zu unterstützen und zu fördern. Wenn Sie im Prinzip dazu bereit sind, bitten wir unter Hinzuziehung unserer Fachleute um eine Rücksprache zwecks Festlegung eines Aktionsplanes und wären für eine Nachricht sehr dankbar. Durschlag senden wir an das Außenpolitische Amt der NSDAP und an das Auswärtige Amt. Heil Hitler! Verbandsleiter 5 Die Volksdeutsche Mittelstelle (Vomi) war 1936 als eine Zentralstelle zur finanziellen und politischen Betreuung der Volksdeutschen im Ausland gegründet worden. Bis Oktober 1939 war sie Hitler bzw. seinem Stellvertreter Heß direkt unterstellt.
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Auf erstem Blatt oben: Durchschlag an Außenpolitisches Amt der NSDAP, Auswärtiges Amt. PA AA, R 60478, o. P., 3 Bl.
Nr. 21 Meldung des Chefs der 3. Abteilung der Verwaltung für Staatssicherheit im NKVD der Ukrainischen SSR Čerdak an den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten der Ukrainischen SSR Balickij Nr. 21 8. 5. 1937 8. 5. 19378 Ganz geheim 418021 8. Mai 1937 MELDUNG: Am 3. Mai d.J. traf der Moskauer Korrespondent des „Völkischen Beobachter“, der aktive deutsche Spion JUST, in Kiev ein. Er kam mit seiner Frau. JUST nahm im [Hotel] „Osobnjak“ in einem extra für ihn hergerichteten Zimmer Quartier. Am Abend des 3. Mai wurden JUST mit Frau, GROßKOPF mit Frau, BAUN und HAGEMEIER in das Polnische Konsulat zu einem Bankett eingeladen. Während des Aufenthaltes von JUST in Kiev fuhr GROßKOPF täglich mit seinem Auto mit ihm durch die Stadt, zu Standorten von Truppenteilen und strategischen Objekten. Am 4. Mai fuhren GROßKOPF und JUST nach Darnica. Auf dem Rückweg wollten sie die (strategische) Novodnicker Brücke überqueren, sie wurden jedoch von dem militärischen Brückenwachposten nicht durchgelassen. *Just gelang es, Fotos von den Brücken zu machen.*2 *In der Stadt machte JUST Fotos: von Schlangen vor den Zeitungskiosken, von einem liederlich gekleideten Kutscher und von einer Verkäuferin mit einem Handkorb mit Früchten.*3 Am 6.V. gab GROßKOPF zu Ehren von JUST im „Osobnjak“ ein Bankett, an dem der italienische4 und der polnische Konsul5 sowie das gesamte Personal des „Osobnjak“ teilnahmen. Am 7. Mai fuhr JUST nach Moskau zurück und nahm die diplomatische Post für die Deutsche Botschaft mit. Diese Post enthielt zwei Berichte: der eine ein von BAUN verfasster Bericht über die Militärparade am 1. Mai und der zweite über die Demonstration zum 1. Mai in Kiev. Im letzteren Bericht wies GROßKOPF übrigens auch auch darauf hin, dass auf der Demonstration zum 1. Mai in Kiev nicht nur rote Fahnen, sondern auch Flag1 2 3 4 5
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der Text ist mit Bleistift unterstrichen. Der Text ist mit Farbstift unterstrichen. Giuseppe Serpi. Jan Karszo-Siedlewski.
11. 5. 1937 Nr. 22 gen in anderen Farben zu sehen waren, dass die Schuljugend keine Gewehre wie im vergangenen Jahr, sondern Darstellungen von Büchern trug, und dass die Stadt wesentlich weniger als im Jahr zuvor geschmückt war. Diesem Bericht fügte GROßKOPF Zeitungskarikaturen und verschiedene Losungen zum 1. Mai bei. GROßKOPF und der polnische Konsul SIEDLEWSKI begleiteten JUST zum Bahnhof. Am Anfang des Dokuments ist der Verteiler des Dokuments vermerkt: an Balickij, Karlson, *Ivanov*6 Am Ende des Dokuments befindet sich in der Seitenmitte der Stempel des Sekretariats des NKVD der USSR mit der Eingangs-Nr. 7697 vom 8.5.1937. Auf Kopfbogen der 3. Abteilung der Verwaltung für Staatssicherheit des NKVD der USSR geschrieben. OGA SBU, f. 16, op. 1, d. 87, l. 181–182. Original. 6
Nr. 22 Runderlass des Auswärtigen Amtes Nr. 22 11. 5. 1937 11. 5. 1937 Berlin, den 11. Mai 1937. Nr. 110-04 g 29/4 I 260 An die Leiter und stellvertretenden Leiter der Arbeitseinheiten, die Bürovorsteher der Abteilungen Pol, Kult, Presse und des Referats Deutschland, des Hauptbüros der Telegrammkontrolle sowie den Ministerialbürodirektor (nach Verteilerliste S. 31) Die Bearbeitung der Fragen, die mit der Beobachtung und Bekämpfung des Bolschewismus zusammenhängen, werden zwischen Ref. Pol. V und Ref. Deutschland in folgender Weise aufgeteilt: 1. Die Beobachtung der von Moskau geleiteten kommunistischen Bewegung in der Welt, insbesondere die Beobachtung der Tätigkeit der Komintern als Faktor der sowjetrussischen Außenpolitik gehört nun Aufgabengebiet des Ref. Pol. V Russland. Die Berichterstattung der Auslandsbehörden über die Entwicklung der kommunistischen Bewegung in ihren Amtsbezirken wird bei Pol. V bearbeitet. Hierzu gehören auch Einzelfälle kommunistischer Betätigung, z. B. Streiks, Demonstrationen, Propagandaaktionen, Terrorakte usw., insbesondere auch die Beobachtung einzelner Kommunisten, deren Tätigkeit gegen Deutschland gerichtet ist und die ein Tätigwerden deutscher Stellen erforderlich macht.
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Der Name ist mit Farbstift unterstrichen.
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In: PA AA, R 106230, Bl. 452544.
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2. Generelle Fragen, die mit der von Deutschland ausgehenden Bekämpfung des Bolschewismus zusammenhängen, fallen in die Zuständigkeit von Referat Deutschland. Dahin gehören insbesondere: a) Abwehrpropaganda, insbesondere Antikomintern, b) Abschluss antikommunistischer Abkommen mit fremden Staaten, Vertretung des Auswärtigen Amts in der deutsch-japanischen Kommission, c) Abschluss von internationalen Polizeiabkommen, d) Bildung einer innerpolitischen Abwehrfront gegen den Bolschewismus, z. B. die Frage einer Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche bei der Abwehr gegen den Bolschewismus. Beide Referate beteiligen sich durch Mitzeichnung. Nachrichtlich wird bemerkt, dass Referat Deutschland gemäß Vereinbarung mit dem Chef der Sicherheitspolizei2 als Verbindungsstelle zum Geheimen Staatspolizeiamt fungiert und Legationsrat Schumburg als Verbindungsmann dem Stabe des Reichsführers-SS3 zugeteilt worden ist. Dienstmann Auf erstem Blatt am Seitenrand des ersten Absatzes: Paraphe von R[itter]. Oben Stempel: Geheim. PA AA, R 106230, Bl. 452542-452543.
Nr. 23 Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Suric an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin 2 3 Nr. 23 15. 5. 1937 15. 5. 1937 GEHEIM BEVOLLMÄCHTIGTE VERTRETUNG DER UdSSR IN DEUTSCHLAND Berlin Nr. 107/s1 15. Mai 1937 AN DAS NKID Gen. POTEMKIN Lieber Vladimir Petrovič, **1. Die Anfrage der Akademie der Wissenschaften zur Gesellschaft der Limnologen *(worüber Sie uns telegrafiert haben)*2 ist vor allem wegen der spezifischen deutschen Verhältnisse nicht einfach zu beantworten. Es ist recht schwierig, die politische Physiognomie einzelner deutscher Wissenschaftler festzustellen. Wenn auch einzelne Wissenschaftler in der Öffentlichkeit nicht als Nachbeter von Goebbels in Erscheinung treten, so ist doch zu überprüfen, ob sie dies nicht in den 2 3
Reinhard Heydrich. Heinrich Himmler.
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen.
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15. 5. 1937 Nr. 23 Universitätsauditorien tun. Andererseits zeigen die deutschen Wissenschaftler, die sich faktisch eine gewisse Unabhängigkeit bewahrt haben, nicht öffentlich ihre Sympathien für uns oder ihre Antipathie gegenüber dem Faschismus. Genauso unklar ist auch die Haltung einzelner deutscher Wissenschaftsgesellschaften. Erst vor einigen Wochen ist die endgültige Reorganisierung und Gleichschaltung der deutschen Wissenschaftsgesellschaften verkündet worden, wobei es noch nicht möglich ist, deren Ergebnisse zu bestimmen.**3 Wie die Bevollmächtigte Vertretung im Schriftverkehr mit dem NKID **hinsichtlich einzelner deutschen Wissenschaftsgesellschaften bereits hervorgehoben hat, ist es unter den gegenwärtigen Bedingungen schwierig – mit Ausnahme von Einzelfällen – die Frage der Differenzierung gegenüber dieser oder jener deutschen Gesellschaft zu entscheiden. Letzten Endes muss die allgemeine Frage entschieden werden, in welchem Rahmen und in welcher Form die früheren Verbindungen**4 sowjetischer Wissenschaftsorganisationen mit den Wissenschaftsorganisationen in Deutschland aufrechtzuerhalten oder ob sie überhaupt einzustellen sind. Was die Limnologen betrifft, so befindet sich die Bevollmächtigte Vertretung zu dieser Frage bereits im Schriftwechsel mit der 2. Westabteilung. In ihrem Schreiben vom 3. April Nr. 235 bat die Akademie der Wissenschaften darum, „eine politische Einschätzung der *Internationalen Gesellschaft* der Limnologen und eine Stellungnahme zur Zweckmäßigkeit unserer weiteren Teilnahme an ihr abzugeben“. **Dieser internationalen Vereinigung gehören jedoch *38 Länder* an; von den *500 Mitgliedern kommen nur 116* (obgleich sie eine bedeutende Gruppe darstellen) *aus Deutschland*; Präsident der Vereinigung ist der deutsche Professor Thienemann. Er ist Direktor der Hydrobiologischen Anstalt der Kaiser-WilhelmGesellschaft. Aber der nächste Kongress der Gesellschaft findet im Herbst 1937 in Paris statt. Angesichts dieser Sachlage verfügen wir über keinerlei Daten, *um der UdSSR den Austritt aus dieser internationalen Vereinigung, deren Kongress in Frankreich stattfindet, zu empfehlen.*5 Im Zusammenhang mit den entsprechenden Meldungen der Bevollmächtigten Vertretung wollte sich die 2. Westabteilung mit der Akademie der Wissenschaften in Verbindung setzen.**6 Das Dargelegte schließt selbstverständlich nicht erneute Bemühungen unsererseits aus, einige Informationen zu einzelnen Wissenschaftlern und Gesellschaften zu beschaffen. **Insbesondere *unterhält die Bevollmächtigte Vertretung mit Twardowski Kontakt*, der unlängst erneut an unserem Horizont aufgetaucht ist und sich *mit Fragen der Wissenschaftsbeziehungen befasst*7. Jedoch, ich wiederhole dies, wird es wohl kaum gelingen, konkretes Material für die Urteilsbildung zu einzelnen Wissenschaftlern und Gesellschaften zu beschaffen; Fragen der Wissenschaftsverbindungen sollten in einer allgemeineren Form entschieden werden.**8 2. Wie ich bereits gemeldet habe, haben wir das Programm des internationalen Kongresses der Handelskammern9 an Gen. Rozenbljum geschickt, der offenbar 3 4 5 6 7 8 9
Der Absatz ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. Die fünf Textstellen des Absatzes sind mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. Die beiden Textstellen des Absatzes sind mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift am Seitenrand angestrichen. Gemeint ist der IX. Kongress der Internationalen Handelskammer in Berlin vom 28.6. bis 3.7.1937.
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auch über andere Materialien zu dieser Frage verfügt. Die Amerikaner bestätigen die Information, dass Hitler beabsichtigt, auf dem internationalen Kongress eine Rede zu halten, obwohl seine Rede im Programm selbst nicht ausgewiesen ist. Die Anzahl der amerikanischen Kongressteilnehmer wird in der Tat sehr groß sein. Später wird man sicherlich ausführlichere Informationen zum Kongress bekommen können. Mit kameradschaftlichem Gruß Suric Entscheidung V.P. Potemkins mit rotem Farbstift: Zu den Limnologen ist die Akademie der Wissenschaften zu informieren. V. P[otemkin]. Vermerk V.P. Potemkins mit Bleistift: Den ersten Teil an Gen. Gorbunov. V. P[otemkin]. Oben rechts befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 2313 vom 20.5.1937. Unten rechts befindet sich der Vermerk des Sekretariats vom 26.5.1937 über die Versendung des Auszugs von Punkt 1 an N.P. Gorbunov in der Akademie der Wissenschaften. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: Geschr. 3 Expl. 1 [Exemplar] an den Adressaten, 1 an die 2. Westabteilung, 1 zu den Akten. AVP RF, f. 011, op. 1, p. 3, d. 24, l. 61–63. Original.
Nr. 24 Bericht des Botschaftsrats in Moskau von Tippelskirch an das AA Nr. 24 15. 5. 1937 15. 5. 1937 Moskau, den 15. Mai 1937 Tgb.Nr. C IV a Nov.-Verh. Im Anschluss an den Bericht vom 5. April 19371 C IV a Nov.-Verh.- und unter Bezugnahme auf anderweitige Berichterstattung. Inhalt: Verhaftungen deutscher Reichsangehöriger in der UdSSR im November 1936 Die Botschaft hat auch im Zeitraum seit Erstattung des Vorberichts immer wieder in kurzen Zeitabständen im Außenkommissariat zu Gunsten der verhafteten deutschen Reichsangehörigen interveniert. Sie hat sich insbesondere nachdrücklich dagegen gewandt, dass die zuständigen sowjetischen inneren Behörden laut mündlicher Mitteilung des Außenkommissariats vom 9. v. Mts.2 sich weigern, die regelmäßigen Unterstützungsbeträge der Botschaft an die in Moskau in Haft gehaltenen reichsdeutschen Untersuchungsgefangenen weiterzuleiten. Sie hat das Außenkommissariat wiederholt gebeten, den diesbezüglichen Wunsch der Botschaft gegenüber den inneren Behörden zu vertreten. Nach Auskunft des Sachbearbeiters 1 2
Vgl. PA AA, R 104385, Bl. E 437669-437671. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 681, S. 1659–1661, hier S. 1660.
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19. 5. 1937 Nr. 25 im Außenkommissariat vom 13. d. Mts. hat letzteres entsprechende Schritte in der Frage der Geldüberweisungen bei den inneren Behörden gemacht, jedoch bisher noch keine Änderung der Haltung der Untersuchungsbehörde erwirken können.3 Die Botschaft setzt ihre Bemühungen in dieser Frage fort. Im Auftrag gez. von Tippelskirch Auf Blatt oben: Durchdruck, unten: Paraphe von H[ensel] 18/5, am Seitenrand: ab 18/5. PA AA, Moskau 418, o. P., 1 Bl.
3
Nr. 25 Aufzeichnung der Abteilung Pol V im AA Nr. 25 19. 5. 1937 19. 5. 1937 Berlin, den 19. Mai 1937 zu Pol V 2570/37 Ref. Frhr von Welck Aufzeichnung über den Stand der Austauschverhandlungen zur Befreiung von 25 verhafteten deutschen Reichsangehörigen in der Sowjet-Union I. Wegen der vier in Deutschland befindlichen Sowjetbürger, die von Herrn Litwinow dem Botschafter Grafen Schulenburg gegenüber genannt wurden (vgl. Telegramm aus Moskau vom 3.5. d. J. Nr. 841 und Privatbrief des Botschaftsrats von Tippelskirch vom 3.5. d. J.), ist bisher Folgendes festgestellt worden: 1.) Georg Lourié wird noch im Laufe dieser Woche aus Deutschland ausgewiesen werden. Sein Pass ist bereits an die Sowjet-Botschaft übersandt worden zwecks Ausstellung des sowjetischen Einreisevisums und Einholung des polnischen Durchreise-Visums. 2.) Johann Tönsow, der im März d. J. eine 2-jährige Zuchthausstraße (nicht wie ursprünglich verlautete – Gefängnisstrafe –) verbüßt hat, befindet sich in Hamburg in Ausweisungshaft. Seine Ausweisung, die bereits grundsätzlich angeordnet worden ist, soll in nächster Zeit erfolgen. 3.) Frau Schirman-Fischer befindet sich tatsächlich in der Landesstraf- und Sicherheitsanstalt Waldheim i[n] Sa[chsen]. Sie ist zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt. Am vorigen Freitag, dem 14. d. M. fand beim zuständigen Referatsleiter im Justizministerium, Min. Rat Dr. Mettgenberg, eine Besprechung dieses Falles statt, 3 Zur Aufzeichung Hensels über die Unterredung mit Levin am 13.5.1937 in: PA AA, Moskau 418, o. P. 1
Vgl. ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 351, S. 761–762.
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an welcher außer 2 Referenten des Justizministeriums Reg. Rat Heller vom Geheimen Staatspolizeiamt und der Unterzeichnete teilnahmen. Hierbei wurde festgestellt, dass Frau Schirman-Fischer, da sie neben der sowjetischen auch die deutsche Reichsangehörigkeit besitzt, in Deutschland nur als Reichsdeutsche behandelt werden kann. Ihr Austausch ist also nur im Wege einer Begnadigung durch den Führer und Reichskanzler möglich. Min.Rat Dr. Mettgenberg erklärte sich namens des Justizministeriums bereit, auf Antrag des Auswärtigen Amts eine entsprechende Vorlage bei der Präsidialkanzlei zu machen. Für eine solche Vorlage wäre es erwünscht, wenn Frau Schirman-Fischer selbst ein entsprechendes Gnadengesuch einreichte, in dem sie gleichzeitig zu erklären hätte, dass sie im Falle ihrer Begnadigung Deutschland verlassen würde. Das Justizministerium würde nicht unbedingte Begnadigung beantragen, sondern nur bedingte Begnadigung unter der Voraussetzung, dass Frau Schirmann-Fischer nach ihrer Begnadigung tatsächlich Deutschland verließe. Es wurde deshalb vereinbart, dass zunächst ein Beamter der Geheimen Staatspolizei, der Frau Schirman-Fischer von der Voruntersuchung her genau kennt, durch Rücksprache mit ihr feststellen sollte, ob sie zur Einreichung eines solchen Gnadengesuchs bereit wäre. Diese Rücksprache hat inzwischen stattgefunden. Frau Schirman-Fischer hat erklärt, dass sie im Falle ihrer Begnadigung gern in die Sowjetunion auswandern würde, wo ihre Angehörigen leben, dass sie aber ein derartiges Gnadengesuch selbst nicht stellen könne, da sie von sich aus nichts unternehmen wolle, was ihre Besserstellung gegenüber ihren Schicksalsgenossen zur Folge haben würde. – Trotz dieser Weigerung der Frau Schirman-Fischer besteht jedoch auch die Möglichkeit einer Begnadigung ohne ein entsprechendes Gesuch ihrerseits. 4.) Die Frau des hingerichteten Kommunisten Kurt Stangl (nicht, wie von sowjetischer Seite angegeben worden war, Stange) ist inzwischen ermittelt worden. Sie heißt Alexandra Stangl, geb. Schaschanow; sie befindet sich auf freiem Fuß und wohnt in Dresden A.24, Strehlenerstr. 8, II bei Keller. Ihrer Ausreise in die Sowjetunion steht nichts entgegen. II. Was die von Litwinow dem Botschafter Grafen Schulenburg gegenüber ausgesprochene Bitte2 anlangt, dass die Deutsche Regierung sich bei Franco zu Gunsten der verhafteten Besatzungen sowjetischer Dampfer einsetze, so bestehen auch hier keine Schwierigkeiten mehr, nachdem Franco sich dem Deutschen Botschafter in Salamanca gegenüber zur Freilassung dieser Mannschaften bereit erklärt hat (vgl. Telegramm aus Salamanca Nr. 246 vom 8.5. und Nr. 250 vom 10.5. d. J.). Es fehlen zwar noch genaue Angaben über die Zahl der in der Hand der Spanischen Nationalregierung befindlichen russischen Schiffsbesatzungen, jedoch ist auf Grund des Drahtberichts vom 10. Mai d. J. damit zu rechnen, dass es sich um mehr als 50 Mann handelt. Wenn also außer den vier in Deutschland befindlichen Personen noch sämtliche 50 oder mehr russische Besatzungsmannschaften in Spanien freigelassen würden, so würde die Freilassung von 25 deutschen Reichsangehörigen in der Sowjetunion wohl etwas zu hoch bezahlt. Es käme dann in Frage, 2
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Vgl. Dok. 17.
19. 5. 1937 Nr. 26 durch unsere Botschaft in Moskau weitere Forderungen hinsichtlich der Freilassung deutscher Reichsangehöriger zu stellen. Außer den 25, im vorigen Herbst verhafteten deutschen Reichsangehörigen, die zu einem Verfahrenskomplex gehören, sind noch über 60 Deutsche in der Sowjetunion verhaftet, unter denen sich zwar viel unwürdige und wertlose Personen, andererseits aber auch eine Reihe wertvoller und würdiger Volksgenossen befinden. Es wird sich vielleicht die Möglichkeit bieten, noch eine Reihe von diesen freizubekommen. III. Litwinow hat bei seiner Unterredung am 3. Mai d. J. den Deutschen Botschafter gebeten, zunächst nur das grundsätzliche Einverständnis der Reichsregierung zu den Bitten der Sowjet-Regierung herbeizuführen. Nachdem nunmehr sowohl hinsichtlich der vier in Deutschland befindlichen Sowjetbürger wie auch hinsichtlich der Schiffsbesatzungen in Spanien die Lage grundsätzlich geklärt ist – es fehlt nur noch die Entscheidung des Führers und Reichskanzlers wegen der Begnadigung der Frau Schirman-Fischer – wäre eine baldige Weisung an den Deutschen Botschafter in Moskau erwünscht. Auf erstem Blatt oben handschriftlich: Durchschlag an 1. Reichskanzlei (MinRat Röhreke), 2. Präsidialkanzlei (MinRat Kiewitz) gesandt W[elck] 14/5. PA AA, R 27224, o. P., 4 Bl.
Nr. 26 Schreiben des Gehilfen des Leiters der 2. Westabteilung im NKID Levin an den 1. Sekretär der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Gnedin Nr. 26 19. 5. 1937 19. 5. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 3 UdSSR NKID 2. Westabteilung Nr. 145691 19. Mai 1937 AN DIE BEVOLLMÄCHTIGTE VERTRETUNG DER UdSSR IN DEUTSCHLAND Gen. E.A. GNEDIN Lieber Evgenij Aleksandrovič, 1. Wie ich Ihnen versprochen hatte, habe ich mich erneut der Klärung unserer Haltung angenommen, jemanden aus Deutschland zum Theaterfestival nach Moskau einzuladen. Der Standpunkt des NKID bleibt unverändert.2 Wir sind nach wie 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 682, S. 1661, und Dok. 14 in diesem Band.
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vor der Auffassung, dass es keinen Sinn hat, jemanden einzuladen, weil im Falle einer Versendung von Einladungen einfach mit groben Absagen zu rechnen ist. Wenn wir aber Leute einladen, die gegenüber dem gegenwärtigen deutschen Regime mehr oder weniger oppositionell gesinnt sind, so kann man diesen Leuten damit nur schaden. Dementsprechend habe ich auch mit Gen. Kurc gesprochen und ihn gebeten, das an die Berliner Intouristvertretung abgeschickte Telegramm zu annullieren, mit dem vorgeschlagen wurde, 2 bis 3 Personen aus Deutschland einzuladen. Gen. Kurc hat sich mit unseren Schlussfolgerungen einverstanden erklärt und versprochen, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen. 2. Sie baten um Mitteilung, wie sich die Bevollmächtigte Vertretung im Zusammenhang mit der von den Deutschen beabsichtigten Verkleinerung des Konsularbereichs unseres Generalkonsulats in Hamburg verhalten solle. Meiner Ansicht nach ist es nicht nötig, etwas zu unternehmen. Wir verkleinern zurzeit recht rigoros die deutschen Konsularbereiche. Aus diesem Grunde ist es schwierig für uns, gegen die deutschen Maßnahmen Protest zu erheben. Diese Maßnahmen könnten wir vielmehr nutzen, um unsere Position hier zu untermauern. 3. Wie sich herausgestellt hat, wünscht die Akademie der Wissenschaften von der Bevollmächtigten Vertretung eine generelle Einschätzung der Internationalen Limnologengesellschaft. Es wird gebeten, die die Akademie interessierenden Informationen möglichst bald zu übermitteln.3 4. Wir haben entschieden, die von Ihnen zugestellten Schreiben deutscher wissenschaftlicher Gesellschaften an die Kommission zur Förderung von Wissenschaftlern4 weiterzuleiten und die Kommission zu bitten, unsere entsprechenden Organisationen damit vertraut zu machen. 5. Ich sprach mit Gen. Kurc auch darüber, die Schweiz aus der operativen Tätigkeitssphäre der Berliner Intouristvertretung herauszunehmen. Gen. Kurc versprach, sich dieser Angelegenheit anzunehmen. 6. Ich bitte Sie sehr, den Fall Lur’e5 nicht aus den Augen zu verlieren. Wir haben diese Angelegenheit zu einem glücklichen Ausgang geführt und es wäre sehr unangenehm, wenn nach der grundsätzlichen Entscheidung dieses Falles irgendwelche technische Unstimmigkeiten auftreten würden. Fordern Sie vom Auswärtigen Amt in nachdrücklicher Form exakte Informationen darüber an, wann und auf welcher Reiseroute Lur’e auf den Weg geschickt werden wird. Dies zu wissen ist auch aus praktischen Gründen erforderlich, damit der Vater Lur’es die Möglichkeit bekommt, ihm Geld **für die Fahrt**6 ab der Grenze zu überweisen. Die Deutschen in Moskau beharren **immer**7 darauf, ihnen die Daten und die Reiserouten für die Ausgewiesenen mitzuteilen, was wir zum größten Teil auch machen. Mit kameradschaftlichem Gruß [V.L. Levin] 3 4
Vgl. Dok. 23. Die Kommission zur Förderung von Wissenschaftlern beim SNK der UdSSR wurde am 3.5.1931 gegründet und am 16.11.1937 aufgelöst. 5 Zu dem 1933 in Deutschland verhafteten sowjetischen Staatsbürger Lur’e vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 1, Dok. 324; Bd. 2, Dok. 608, 682. 6 Der Text ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. 7 Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben.
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26. 5. 1937 Nr. 27 Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. Gen. Potemkin, das 3. zu den Akten. AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 2, l. 63–63R. Kopie.
Nr. 27 Weisung des Volkskommissars für Außenhandel Rozengol’c Nr. 27 26. 5. 1937 27. 5. 1937 GANZ1 GEHEIM Sondermappe2 Expl. Nr. … Moskau Nr. 1014/1173 28/54 26. Mai 1937 WEISUNG DES VOLKSKOMMISSARS FÜR AUßENHANDEL DER UdSSR Nr. **372/o**5 Zum Plan für Deutschland für 1938 a) ZUM IMPORT 1. Gen. Volin ist anzuweisen, bei der Aufstellung des Plans für 1938 von einer maximalen Reduzierung der Bestellungen in Deutschland auszugehen und sich bei der Platzierung dieser Aufträge nur auf solche zu beschränken, die nicht in anderen Ländern untergebracht werden können. Gen. Volin hat auf dieser Grundlage die ungefähre Kontrollziffer für ein Minimum der Aufträge zu errechnen, die für eine Platzierung im Jahr 1938 vorgesehen sind, und mir dies zu Bestätigung nicht später als am 10. Juni dieses Jahres vorzulegen. b) ZUM EXPORT 2. Es ist eine weitere bedeutende Reduzierung des Exports nach Deutschland im Jahr 1938 vorzunehmen. Das voraussichtliche Limit des Exports nach Deutschland ist in einem Volumen von 15 Mio. Mark festzusetzen. Die endgültige Ziffer ist nach den Verhandlungen mit der deutschen Regierung festzusetzen. Gen. Garibov hat diese 15 Mio. Mark, unter Ausschluss der Waren, an denen die Deutschen am meisten interessiert sind, auf die Vereinigungen6 aufzuteilen und 1 2 3 4 5 6
Das Wort ist mit Tinte geschrieben. Das Wort ist mit Tinte geschrieben. Die Nummer ist mit Tinte geschrieben. Das Datum ist mit Tinte geschrieben. Die Nummer ist mit Tinte geschrieben. Mit Vereinigungen sind die verschiedenen Ex- und Importvereinigungen gemeint, die den Kontakt mit den entsprechenden deutschen Industriezweigen unterhielten.
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die Vorbereitung für die Unterbringung des Exports, der Deutschland entzogen wird, in anderen Ländern zu gewährleisten. Frist für den Vollzug – 10 Tage. 3. Gen. M. Levin hat gemeinsam mit Gen. Stefanov einen Entwurf der Direktiven für die Verhandlungen mit Deutschland für das Jahr 1938 zu erarbeiten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass wir in dem Fall, dass sich die Deutschen mit der Zahlung aller unserer Verbindlichkeiten an Deutschland mit Exportwaren nach dem Prinzip des Abkommens für 1937 einverstanden erklären sollten, gewisse Zugeständnisse in Bezug auf das Verzeichnis unserer Exportwaren machen könnten. Termin für den Vollzug – 20. Juni dieses Jahres. VOLKSKOMMISSAR FÜR AUßENHANDEL A. Rozengol’c LEITER DES SEKTORS HANDELSVERTRETUNGEN M. Levin Vermerk mit Tinte: Sondermappe. Paraphe von A.P. Rozengol’c unter dem Vermerk mit blauem Farbstift: AP. Vermerk mit Tinte: Gen. Tajc ist zu informieren. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare, die Kopien und der Verteiler vermerkt: Geschr. 1 Expl. zur Unterschrift. 26/V. 37. Geschr. 6 Expl. (vollständig), Nr. 1 für die Mappe des Volkskommissars, Nr. 2 an Gen. M.I. Levin7, Nr. 3 an Gen. Stefanov8, Nr. 4 an Gen. Kandelaki9, Nr. 5 an Gen. Sud’in10, Nr. 6 an Gen. Fridrichson11 und Auszüge: a) zum Import, P. 1 – 1 Expl. *an Gen. Volin*12, b) zum Export, P. 2 – 1 Expl. an Gen. Garibov. **20/VI.**13 28/V.37 RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2440, l. 75–76. Original.
7 8 9 10 11 12
Daneben befindet sich der Vermerk mit Tinte: vernichtet, 4/6. Daneben befindet sich der Vermerk: am 31/V. 37 vernichtet. Danach folgt der Vermerk mit Tinte: am 31/V. vernichtet. Danach folgt der Vermerk mit Tinte: am 28/VI. vernichtet. Daneben befindet sich der Vermerk mit Tinte: am 31/V. 37 vernichtet. Der Name ist mit Tinte durchgestrichen und daneben mit dem Vermerk versehen: am 11/VI. vernichtet. 13 Das Datum ist mit Tinte geschrieben.
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27. 5. 1937 Nr. 28 Nr. 28 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 28 27. 5. 1937 27. 5. 1937 Geheim Expl. Nr. 2 [27.5.1937] AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS AUFZEICHNUNG DES GESPRÄCHS MIT DEM DEUTSCHEN BOTSCHAFTER SCHULENBURG, 27. Mai 1937 Schulenburg begann mit der Darlegung der Gründe, die eine gewisse Verzögerung seines ersten Besuchs bei mir bewirkt hätten. Den Worten des Botschafters zufolge wollte er mich erst dann aufsuchen, wenn er bereits eine positive Antwort aus Berlin auf die beiden Fragen erhalten hätte, die sich aus seinem Gespräch mit Gen. Litvinov1 ergeben hätten, und zwar, erstens, bezüglich der Freilassung und Ausweisung in die UdSSR einiger in Deutschland inhaftierter sowjetischer Staatsbürger und zweitens, bezüglich der Mitwirkung der deutschen Regierung bei der Freilassung der Besatzungen der „Komsomol“ und „Smidovič“, die sich in den Händen der spanischen Aufständischen befinden. Zum Bedauern des Botschafters könne er mir noch nicht mitteilen, dass beide Fragen bereits eine zufriedenstellende Lösung gefunden hätten. Die Regierung sei recht wohlwollend gesonnen, und man könne sagen, dass ihre grundsätzliche Zustimmung zum einen wie zum anderen Punkt bereits vorliege. Die Angelegenheit verzögere sich lediglich wegen einiger Formalitäten oder Umstände, die nicht vom Willen der Regierung Deutschlands abhingen. Zur Freilassung und Ausweisung von vier Personen aus Deutschland – Lur’e, Tensov, SchirmanFischer und Stangl - könne der Botschafter folgendes mitteilen: Lur’e sei entlassen und möglicherweise bereits aus Deutschland ausgewiesen. Aleksandra Stangl, geborene Šašanova, die durch die Ehe die deutsche Staatsbürgerschaft erworben hatte, befinde sich in Freiheit und wohne in Dresden, A 24, Strehlenstraße 8/11, bei Keller. Für ihre Ausreise in die UdSSR gebe es keinerlei Hindernisse. Was Tensov betreffe, so werde die Angelegenheit wahrscheinlich leicht geregelt werden können, er bekomme schon in der nächsten Zeit die Möglichkeit zur Ausreise in die UdSSR. In Bezug auf Helene Schirman-Fischer schließlich liege der Fall etwas schwieriger. Sie sei zu lebenslänglicher Gefängnishaft verurteilt worden. Für ihre Ausweisung aus Deutschland wäre es erforderlich, das gegen sie verhängte Strafmaß zu revidieren. Dafür wäre ein spezielles Verfahren erforderlich – bis hin zur persönlichen Genehmigung durch Hitler. Dieser Fall sei keineswegs hoffnungslos, doch angesichts seiner Kompliziertheit wäre natürlich mehr Zeit für seine Regelung erforderlich.2 Der Botschafter erinnerte mich daran, dass Gen. Litvinov mit der Möglichkeit gerechnet habe, mit einer schrittweisen Freilassung der in der UdSSR inhaftierten 1 2
Vgl. Dok. 17. Vgl. Dok. 25.
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deutschen Staatsbürger zu beginnen, und zwar sofort, nachdem von der deutschen Regierung eine günstige Antwort bezüglich des Schicksals sowjetischer Staatsbürger, die sich in Deutschland in Haft befänden, eingegangen sei. Schulenburg fuhr fort, dass sich seine Regierung nicht mit einer positiven Haltung zur ersten Frage begnüge. Sie habe sich bereits mit der Regierung Franco in Verbindung gesetzt und die Antwort erhalten, dass letztere im Prinzip nichts gegen eine Freilassung und Ausweisung der Besatzungen der „Komsomol“ und „Smidovič“ aus Spanien einzuwenden hätte. Die Angelegenheit werde lediglich dadurch erschwert, dass die Regierung Franco allem Anschein nach nicht genau wisse, wie viele Personen zu diesen Besatzungen gehörten und wo sie sich befänden. Der Botschafter rechne nichtsdestoweniger damit, dass auch diese Frage zu unserer erhofften Zufriedenheit geregelt werde. Ich dankte dem Botschafter und erklärte ihm, dass ich die wohlwollende Haltung der deutschen Regierung gegenüber unseren Wünschen zur Freilassung und Ausweisung der in Deutschland inhaftierten sowjetischen Staatsbürger sowie hinsichtlich ihrer Vermittlerrolle zur Befreiung der Besatzungen der „Komsomol“ und „Smidovič“ den zuständigen Organen zur Kenntnis bringen werde. Im weiteren Gesprächsverlauf wandte sich Sch[ulenburg] an mich mit der Bitte um Unterstützung, um schnellstmöglich eine Lösung der Fragen herbeizuführen, die mit dem Schicksal der früheren Deutschen Botschaft in Leningrad3 und mit dem Erwerb eines neuen Grundstückes in Moskau für die Errichtung des Gebäudes der Deutschen Botschaft verknüpft sind. Der Botschafter erläuterte, dass seine Regierung es als wünschenswert empfände, das überaus wertvolle Gebäude der ehemaligen Botschaft Deutschlands gegen ein etwas bescheideneres Haus, ebenfalls in Leningrad, einzutauschen, um dort das Deutsche Konsulat unterzubringen. Seinen Worten zufolge ginge der Leningrader Stadtsowjet sehr gern auf solch einen Austausch ein. Was das Grundstück für den Bau der Botschaft in Moskau betreffe, so ziehe sich diese Angelegenheit allem Anschein nach wegen der Schwierigkeit hin, für den beabsichtigten Zweck einen geeigneten Platz in Moskau, das sich in einer Generalrekonstruktion befinde, zur Verfügung zu stellen. Der Botschafter hoffe dennoch, dass dem Wunsch seiner Regierung bald entsprochen werde. Dem fügte Schulenburg hinzu, dass er sehr gern ein Grundstück mit Baumanpflanzungen hätte, da es leichter sei, ein neues Haus zu errichten, als einen, wenn auch kleinen, jedoch schattigen Garten anzulegen. Zum Abschluss des Gesprächs informierte ich den Botschafter über den mir auferlegten Auftrag, über ihn der Regierung Deutschlands vorzuschlagen, die Anzahl der jetzigen deutschen Konsulate in der UdSSR auf zwei zu reduzieren.4 Ich begründete diesen Vorschlag sowohl mit allgemeinen Überlegungen, dass es bezüglich der Anzahl der Konsulate erforderlich sei, zwischen der UdSSR und Deutschland eine gewisse Gleichheit herzustellen, als auch mit konkreten Daten bezüglich der Anzahl der deutschen Staatsbürger in den Regionen der UdSSR, in denen es 3 Gemeint ist das Gebäude der ehemaligen Deutschen Botschaft, das sich bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges in Sankt Petersburg befand. 4 Zu den Hintergründen dieses Vorschlags von Potemkin an Graf von der Schulenburg vgl. die Notiz von Litvinov an Stalin vom 28.4.1937; darin begründete der Außenkommissar die Notwendigkeit, Verhandlungen über die Herstellung einer paritätischen Anzahl der Konsulate in der UdSSR und in Deutschland aufzunehmen, was die Reduzierung der deutschen Konsulate bedeutete. In: RGASPI, f. 17, op. 166, d. 572, l. 43-44).
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28. 5. 1937 Nr. 29 deutsche Konsulate gebe. Dabei richtete ich meine Aufmerksamkeit insbesondere auf solche Orte wie Odessa und Vladivostok. Sch. zeigte sich durch meine Erklärung ziemlich überrascht. Er errötete stark und begann, nicht ohne Erregung, darzulegen, dass die Ausdehnung der UdSSR derartig groß sei, dass eine Gleichstellung der sowjetischen und deutschen Konsulate unter diesen Bedingungen eine offensichtliche Ungerechtigkeit wäre. Er führte ferner an, dass sich durch die unlängst vorgenommene Verkleinerung der Konsulatsbezirke in der UdSSR die Anzahl der dort lebenden deutschen Staatsbürger willkürlich und mechanisch verringert habe. Ein bedeutender Teil dieser Bürger verbliebe dadurch außerhalb der Grenzen der Konsulatsbezirke. Schließlich könne nach Auffassung des Botschafters über eine entsprechende Vergrößerung der sowjetischen Konsulate in Deutschland nachgedacht werden. Im Übrigen machte der Botschafter den Vorbehalt, dass er vorerst seine persönlichen Überlegungen vortrage. Er sei sich nur in einer Sache sicher, und zwar, dass sich seine Regierung gegen die von uns beantragte Verringerung der Konsulate Deutschlands in der UdSSR aussprechen werde. Der Botschafter verließ mich offensichtlich verstimmt, obgleich er dies durch eine betonte Höflichkeit zu überdecken suchte. V. Potemkin Vermerk mit Bleistift: M.M. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 1936 vom 2.6.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 6 Expl. Das 1. [Exemplar] zu den Akten, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. an die 2. Westabteilung, das 5. nach Berlin, das 6. an … AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 44, l. 33–36. Kopie.
Nr. 29 Rede des Vorstandsvorsitzenden des Russland-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft Reyß Nr. 29 28. 5. 1937 28. 5. 1937 [28. Mai 1937] Streng vertraulich! Vorstandssitzung des Russland-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft am 28. Mai 1937. Eröffnungsansprache. Meine sehr verehrten Herren!1 Ich eröffne die heutige Sitzung des Vorstandes des Russland-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft. Ich begrüße Sie und danke Ihnen für ihr Erscheinen. Herz1 Ein Mitarbeiter der Firma „Otto Wolff“ in Berlin hatte die Versammlung besucht und am 31.5.1937 u. a. an Otto Wolff berichtet: „Die Versammlung war von rund 100 Herren besucht, darunter sah man auch den Botschafter von [sic] Nadolny, Legationsrat Hilger und weitere Vertreter des Auswärtigen Amtes, des Reichswirtschaftsministeriums sowie sonstiger Behörden und der Partei.“ In: RWWA, 72-45-1, o. P.
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lich Willkommen heiße ich unsere Gäste, insbesondere die Vertreter der Ministerien und behördlichen Stellen, mit denen wir auch im vergangenen Jahr auf das engste zusammenzuarbeiten bestrebt waren, was gerade in der jetzt so schwierigen Phase der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen von ganz besonderer Bedeutung gewesen ist. Wir danken insbesondere dem Reichswirtschaftsministerium für die uns stets bewiesene Hilfsbereitschaft. Es ist mir ein Bedürfnis, Herrn Präsidenten Schacht im Namen der am Russlandgeschäft beteiligten Wirtschaftskreise Dank dafür auszusprechen, dass trotz aller Schwierigkeiten durch sein zielbewusstes Handeln auch für das Jahr 1937 wenigstens ein vertragsmäßiger Zustand unseres Waren- und Zahlungsverkehrs mit der UdSSR sichergestellt worden ist. Auch die Vertreter der Partei bitte ich meinen Dank entgegenzunehmen für ihr Verständnis bei unseren Bestrebungen. Ich danke ferner den Vertretern der Organisation der gewerblichen Wirtschaft und den am Russlandgeschäft beteiligten Firmen für ihre Mitarbeit, für ihr Vertrauen zu uns und ihren so oft bewiesenen Gemeinschaftssinn. Ich begrüße auch besonders diejenigen Herren, die wir das Vergnügen haben, heute zum ersten Mal bei uns zu sehen. Unter ihnen Herrn Ministerialrat Doktor Willuhn aus der Reichskanzlei und Herrn Legationsrat Hilger, Mitglied der Deutschen Botschaft in Moskau. Ich möchte Herrn Hilger an dieser Stelle für seine Unterstützung, die er uns von Moskau aus zuteilwerden ließ, meinen wärmsten Dank aussprechen, und ich würde mich freuen, wenn er auf Fragen, die aus der Versammlung an ihn gerichtet werden sollten, eine Antwort erteilen kann. Meine Herren! Als wir das letzte Mal hier versammelt waren – wir schrieben den 4. November 1936 – sahen wir nach langer schwieriger Zeit hinsichtlich des deutsch-russischen Geschäfts eine gewisse Morgenröte am Horizont. Es sah damals aus, als ob über alle politischen Schwierigkeiten gegenüber der UdSSR hinweg unsere wirtschaftlichen Beziehungen zu diesem Lande sich wieder beleben würden, neue Wege und klare Linien festgelegt werden könnten. Ich erinnere an die Bemühungen unseres Führerschaftsmitgliedes Herrn Herbert Göring und seine damaligen Ausführungen. Unsere Hoffnungen von damals haben sich leider nicht erfüllt. Die Verhältnisse waren stärker. Unsere politische Lage gegenüber der UdSSR – besonders beeinflusst durch die spanischen Ereignisse – hat sich nicht verbessert. Es hat sich klar herausgestellt, dass ohne leidliche politische Beziehungen gute Wirtschaftsbeziehungen nicht unterhalten werden können, geschweige denn auszubauen sind, was besonders im Hinblick auf unsere Rohstoffversorgung aus der UdSSR empfindlich fühlbar geworden ist. Das Russlandgeschäft stagniert. Unsere Bemühungen, die Fäden nicht abreißen zu lassen, werden von Tag zu Tag schwieriger. Auf der Sowjetseite ist ein gewisses Desinteressement am Handel mit Deutschland unverkennbar. Bemerkenswert für die Situation ist die vor einigen Wochen erfolgte Abberufung des Leiters der hiesigen Handelsvertretung Kandelaki und seines Stellvertreters Friedrichson, die nach ihren eigenen Worten „müde geworden waren“, „in Berlin nichts mehr auszurichten vermochten“ und nicht mehr glaubten, dass in absehbarer Zeit eine wesentliche Belebung der deutsch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen zu erwarten sei. Resigniert stellten sie fest, dass der Schwerpunkt der Geschäfte gerade in letzter Zeit sich mehr und mehr nach Amerika und England neige, was sie selbst als unnatürlich bezeichneten! Umso mehr aber meine Herren, handelt es sich jetzt für uns darum, nicht müde zu werden, durchzuhalten und weiter neue Wege zu suchen. Immer wieder muss darauf hingewiesen werden,
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28. 5. 1937 Nr. 29 dass im Hinblick auf unsere allgemeine Rohstoffversorgung das Ausfuhrgeschäft nach Russland wieder vorwärts gebracht werden muss. Wir können es uns nicht leisten, die Wirtschaftsbeziehungen zur UdSSR weiter versanden zu lassen. Sie müssen bestehen bleiben, sie sind naturgegeben. Wir dürfen den russischen Markt mit seiner großen Bedeutung für die Weiterentfaltung unserer wirtschaftlichen Kräfte nicht verlieren. Meine Herren! Die deutsch-russische politische Lage macht es mir nicht leicht, über die Sowjetunion überhaupt zu sprechen. Ich halte es aber für meine Pflicht, Ihnen ungeschminkt und ohne Verwendung einer politischen Brille mitzuteilen, wie wir heute die wirtschaftliche Lage der Sowjetunion ansehen und wie sich inzwischen die deutsch-russischen Beziehungen gestaltet haben. Umso mehr aber ist es Pflicht eines jeden von uns, über alles, was hier zur Sprache kommt, die dringend gebotene strenge Vertraulichkeit zu wahren! Ich bat Sie, im Anschluss an unsere heutige Sitzung bei einem gemeinsamen Abendessen zusammenzubleiben. Ich freue mich, dass die meisten der Herren daran teilnehmen werden und hoffe, dass sich dabei Gelegenheit finden wird zu einem gegenseitigen Gedankenaustausch. Ich komme nun zu meinen Ausführungen. Die wirtschaftspolitische Lage der UdSSR. Einleitung. In der Vorstandssitzung vor einem Jahre glaubten wir feststellen zu können, dass die Wirtschaftslage der UdSSR durch eine langsam fortschreitende Konsolidierung auf allen Gebieten gekennzeichnet wird. Heute ist der Eindruck, den der Beobachter der Sowjetwirtschaft erhält, weniger eindeutig. Zweifellos ist die Einarbeitung des sowjetischen Wirtschaftssystems weiter fortgeschritten; insbesondere auf gewissen Gebieten der Wirtschaft, vor allem der Rüstungsindustrie, sind zweifellose Fortschritte zu verzeichnen. Es haben sich aber im vergangenen Jahre Störungen eingestellt, die noch bei weitem nicht überwunden sind, und deren Auswirkung zum Teil noch nicht übersehen werden kann. Hierzu gehört vor allem die schwere Missernte in einem großen Teil des Sowjetgebietes im vergangenen Jahr. Es haben sich ferner starke innerpolitische Spannungen herausgebildet, die nach außen hin in den Trotzkistenprozessen, in der Kaltstellung und der Absetzung prominenter Parteifunktionäre, Armee- und Wirtschaftsführer, in zahlreichen Verhaftungen und Verschickungen sowie in einem starken Wechsel auf den wichtigsten Verwaltungsposten zur Auswirkung gelangten. Diese Störungen haben ihre Wirkung auf die gesamte Wirtschaft nicht verfehlt. Nachfolgende Betrachtungen über die einzelnen Wirtschaftszweige werden Ihnen das zeigen: Soweit ich dabei Zahlen angebe, bin ich natürlich in erster Linie auf die Angaben der russischen Statistik angewiesen, die die Dinge oft besser darstellen als sie in Wirklichkeit sind. Ich werde es aber vermeiden, Ziffern zu nennen, wenn wir auf Grund unserer Kenntnisse der wirklichen Verhältnisse die russischen Zahlen als unrichtig ansehen. Die Industrie. Nach Angaben der Wirtschaftsstatistik der Sowjetunion hat die Industrie im vergangenen Jahre, was die Gesamtmenge der Erzeugung anbetrifft, sehr erfolgreich
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gearbeitet und eine Zunahme der Bruttoerzeugung von 28,4% gegenüber 1935 ergeben, während der Wirtschaftsplan für 1936 eine Zunahme von nur 23% vorgesehen hatte. In der Holzindustrie wurden allerdings die Jahresvoranschläge für 1936 nicht voll erreicht. Die Zunahme der Erzeugung wurde zum übergroßen Teil nicht durch die Verstärkung der Belegschaften, sondern durch die Steigerung der durchschnittlichen Arbeitsleistung der Arbeiter erreicht. Dieses wurde durch ein ganzes System von Maßnahmen erzielt, die in ihrer Gesamtheit als „StachanowBewegung“ bezeichnet werden, darunter insbesondere durch die bereits Anfang 1936 durchgeführte Steigerung der Leistungsnormen in sämtlichen Zweigen der Industrie. In einem Ende März d.J. erlassenen Regierungsbeschluss hat sich die Sowjetregierung nach den ursprünglichen Siegesmeldungen über die Arbeit der Industrie doch veranlasst gesehen, festzustellen, dass die Übererfüllung der Produktionspläne vielfach auf Kosten der Qualität, unter Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Senkung der Gestehungskosten, durch übermäßige Überstunden und Prämien für Überschreitung der Leistungsnormen und endlich infolge übermäßiger Aufwendungen von Roh- und Brennstoffen erreicht wurde. Immerhin war eine starke mengenmäßige Steigerung doch erreicht worden, und es fällt deswegen besonders auf, dass in den ersten vier Monaten dieses Jahres ein Rückgang der Produktion nicht nur im Vergleich zu den letzten drei Monaten von 1936, sondern auch gegenüber den entsprechenden Monaten von Anfang 1936 eingetreten ist. Es handelt sich dabei in gleicher Weise um die Schlüssel- bzw. Massenindustrie, die Naphtha- und Kohlengewinnung, die Erzeugung von Eisen- und Nichteisenmetallen, die Stromerzeugung sowie verschiedene Zweige der chemischen Industrie, wie auch um die verarbeitende Industrie, so z. B. den Waggon- und Automobilbau, die Landmaschinenindustrie, die Werkzeugmaschinenindustrie, die Textilmaschinenindustrie usw. Dieser Rückschlag, der sich auch sehr ungünstig in der Gestaltung der Gestehungskosten auswirkt, ist auf verschiedene Ursachen zurückzuführen. Im Bergbau und in der Naphtha-gewinnung wirkt sich vor allem der Rückstand in den Vorrichtungsarbeiten aus, die 1936 stark zurückgeblieben sind. In der gesamten Industrie wurde in den letzten Monaten von 1936, wie das in der Sowjetunion üblich ist, die Erzeugung künstlich forciert, um gegen Ende des Jahres besonders günstige Ergebnisse hinsichtlich der Durchführung oder Übererfüllung der Pläne vorweisen zu können. Als Folge davon ist es auch in früheren Jahren stets vorgekommen, dass nach Abschluss des Jahres zunächst ein mehr oder weniger starker Rückgang der Erzeugung eintrat. Dass aber dieser Rückschlag in diesem Jahre ganz besonders stark war, kann damit zusammenhängen, dass die zahlreichen Amtsenthebungen und Strafversetzungen, die von der Sowjetregierung im Zuge des Kampfes gegen die sogenannten Trotzkisten und sonstige oppositionelle oder der Opposition verdächtige Personen vorgenommen wurden, eine gewisse Desorganisation in der Leitung der Betriebe hervorgerufen haben. Auch die stimulierende Wirkung der sogenannten „Stachanow-Bewegung“ oder „Stachanow“-Methoden, die gerade Ende 1935 und Anfang 1936 am stärksten war, muss nachgelassen haben, nachdem die „Stachanow-Bewegung“ – ähnlich wie vorher das System der sozialistischen Wettbewerbe und das sogenannte Stoßarbeitertum – zum grauen Alltag wurde und sich für die übergroße Mehrzahl der Arbeiter erwies, dass die hohen Stachanowlöhne nur wenigen zuteilwerden können, während alle anderen im Ergebnis der „Stachanow-Bewegung“ für den gleichen oder einen
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28. 5. 1937 Nr. 29 nur wenig erhöhten Lohn zum Teil erheblich mehr leisten mussten! Wie sich die erwähnten Ursachen im Einzelnen ausgewirkt haben, ist natürlich nicht genau erkennbar. Eisenbahnwesen. In der Lage des Eisenbahnwesens, die jahrelang kritisch gewesen ist, ist in den letzten 2 Jahren eine gewisse Entspannung eingetreten. Die starke Erhöhung der Wagengestellung, die im Jahre 1935 infolge vorwiegend administrativer Maßnahmen ergriffen wurde, konnte aufrechterhalten und zum Teil noch gesteigert werden, ohne dass allzu große Rückschläge eintraten. Eine gewisse Gesundung der Verhältnisse ist dank dem Ausbau und der Einrichtung von Reparaturwerkstätten unter Bezug von Maschinen aus dem Auslande und als Folge der erhöhten Schienenerzeugung erreicht worden. Es erwies sich auch als zweckmäßig, dass die Bemühungen um die Verbesserung des Zustandes des Bahnkörpers und der künstlichen Bauten sowie die Bauarbeiten an neuen Linien und an der Legung der zweiten Gleise in der Hauptsache auf die wichtigsten Strecken konzentriert wurden. Trotzdem bleibt der Eisenbahnverkehr hinter der Entwicklung der Produktion zurück, und es wird in Moskau weiter an Plänen und Projekten gearbeitet, die eine starke Leistungssteigerung des vorhandenen Eisenbahnnetzes bezwecken. Man will dabei auch die Errungenschaften der ausländischen Technik in Anspruch nehmen und größere Bezüge aus dem Auslande für das Eisenbahnwesen tätigen. Das Interesse richtet sich aber nicht in erster Linie auf Oberbaumaterial oder rollendes Material, das man in ausreichenden Mengen im Inlande herstellen zu können glaubt. Im Jahre 1936 ist auch die Einfuhr von Radsätzen und anderen Wagenteilen, die 1935 fast 18 Millionen RM betragen und eine starke Steigerung des Waggonbaues ermöglicht hat, auf nur wenig mehr als 1 Mill. RM zurückgegangen. Die nur langsam betriebene Elektrifizierung will man ebenfalls mit eigenen Mitteln durchführen. Man will gegenwärtig im Auslande in der Hauptsache kompliziertere Einrichtungen für die Modernisierung des Eisenbahnbetriebes kaufen und zwar Spezialfahrzeuge, Signalisationseinrichtungen, Ausrüstungen für die automatische Blockierung, Apparate zur Fernbedienung von Weichen und Signalen u.dgl. Gegenwärtig weilt in Amerika eine Studienkommission, die sich für Einrichtungen dieser Art eingehend interessiert. Die Handelsvertretung in Berlin hat uns vor einiger Zeit gebeten, Offerten über die oben genannten Spezialeinrichtungen für die zuständigen Stellen nach Moskau zu leiten. Das ist geschehen, wenn auch leider nicht in dem von uns erwarteten Umfange. Es fehlten noch nähere russische Daten für Projektarbeiten, z. B. Länge der Strecken, Zahl der Gleise, der gesicherten Übergänge, Zahl der Bahnhöfe, Zuggeschwindigkeiten usw. Entsprechende Angaben sind von den Russen erneut erbeten worden. Über die Landwirtschaft ist Folgendes zu sagen: Wie bekannt, brachte das vergangene Jahr der Sowjetunion eine schwere Missernte, von der besonders stark Mittelrussland sowie einige Gebiete im Südosten, und das asiatische Steppengebiet betroffen wurden. Die gute Ernte in der Ukraine, im Nordkaukasus und teilweise in Sibirien konnte den Ausfall nur zum Teil ausgleichen. Die Folgen der Missernte waren indessen, wie es bereits feststeht, nicht so katastrophal, wie es im vergangenen Herbst scheinen konnte.
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Die Ausfuhr von Getreide, mit Ausnahme des Roggens, der unter der Dürre weniger gelitten hatte, ist seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahres fast völlig eingestellt und die Brotversorgung in den Städten war und ist (mit Ausnahme von Moskau) vielfach angespannt, weil die ländliche Bevölkerung Brot in den Städten kaufen muss. Die Preise für verschiedene Lebensmittel in dem sogenannten Kolchoshandel, d. h. bei dem Verkauf landwirtschaftlicher Produkte durch die Bauern, haben im Allgemeinen – besonders bei Gemüse – stark angezogen. Die Sowjetregierung war aber in der Lage, der von der Missernte betroffenen ländlichen Bevölkerung umfangreiche Getreidedarlehen für Saat- und Ernährungszwecke zur Verfügung zu stellen. Die Wirksamkeit dieser Hilfsmaßnahmen wurde allerdings vielfach durch fehlerhafte Verteilung, verspätete Zuteilung und verzögerte Anlieferung des Getreides vermindert. Immerhin wurde die Frühjahrsaussaat im Großen und Ganzen sichergestellt. Wenn auch vielerorts auf dem flachen Lande Hungersnot herrscht, so erinnern die Berichte darüber nicht an die Schreckensjahre von 1921/22 und 1932/33, sondern mehr an die Zustände im Vorkriegsrussland. Ein schwerer Schlag wird aber die Missernte für die Viehzucht gewesen sein, die sich erst in den letzten Jahren von den Verlusten infolge der überstürzten Kollektivierung zu erholen begann. Infolge Futtermangels erfolgten in den Herbst- und Wintermonaten umfangreiche Notschlachtungen in den Misserntegebieten, und vielerorts wurde das Vieh von den Bauern verzehrt. Über die Flachsernte des Jahres 1936 liegen eindeutige Nachrichten nicht vor. Es scheint sich dabei um eine knappe Mittelernte zu handeln. Dagegen brachte das vergangene Jahr eine Rekordernte an Baumwolle. Die Baumwollernte kann sogar im vollen Umfange in der UdSSR selbst nicht verarbeitet werden, sodass die Sowjetunion gewisse Mengen von Baumwolle ausführen wird, während in den letzten Jahren nur Baumwollabfälle ausgeführt wurden. Valutapolitik (Goldgewinnung) und Außenhandel. Der Außenhandel der Sowjetunion wird nach wie vor aufs stärkste durch die Valutapolitik der Sowjetregierung bestimmt. Die Verhältnisse auf diesem Gebiet und die Ziele der Sowjetregierung haben sich aber in den letzten Jahren von Grund auf geändert. Die Warenschulden aus den großen Warenbezügen der früheren Jahre sind bis auf winzige Beträge abgedeckt. So waren z. B. in Deutschland im laufenden Jahre Wechsel für nur 27 Mill. RM fällig. Die Warenkäufe in England und Amerika erfolgen seit 2 Jahren gegen bar und haben eine kurzfristige Verschuldung nicht hervorgerufen. Es sind zwar neue Schulden aus den Bestellungen und Lieferungen im Rahmen der Kredite entstanden, die die Sowjetunion im Jahre 1935 in Deutschland und der Tschechoslowakei und im vergangenen Jahre in England erhalten hat. Diese Schulden, die nach den bisher erteilten Bestellungen auf zusammen etwa 300 Mill. RM beziffert werden können, werden aber erst beginnend mit dem Jahre 1940, in der Hauptsache wohl erst 1941 und später, fällig. Der Zwang zur Ausfuhr um jeden Preis ist somit – und zwar bereits im Jahre 1935 – weggefallen. Nach einer Mitteilung der Sowjetregierung an das Sekretariat des Völkerbundes war die Zahlungsbilanz der Sowjetunion im Jahre 1935 mit 150 Mill. RM aktiv, und im Jahre 1936 muss sie mit einem wesentlich höheren Betrag aktiv gewesen sein. Die russische Goldgewinnung steigt ununterbrochen an, wenn auch eine Verlangsamung des Tempos der Steigung deutlich zu erkennen ist. Genaue Angaben über die Gold-
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28. 5. 1937 Nr. 29 gewinnung liegen bekanntlich seit Jahren nicht vor, aber nach vorsichtigen Schätzungen dürfte sie im Jahre 1935 etwa 460 Mill. RM und im vergangenen Jahre etwa 575 Mill. RM betragen haben. Wenn aber die dadurch gegebenen Einfuhrmöglichkeiten nicht ausgenutzt werden und von sowjetischer Seite trotzdem immer wieder betont wird, dass eine Erweiterung der Einfuhr, „zusätzliche“ Einfuhr, nur bei Gewährung langfristiger Finanzkredite möglich wäre, so liegt das daran, dass die Sowjetregierung sich seit über 2 Jahren die Bildung einer umfangreichen Gold- und Valutareserve für den Kriegsfall zur Aufgabe gesetzt hat. Darüber hat vor etwa einem Jahre der Außenhandelskommissar Rosengolz zum ersten Mal offen gesprochen. Diese Valutapolitik der Sowjetregierung spiegelt sich deutlich in der Entwicklung des Außenhandels in der letzten Zeit. Die Einfuhr ist im Jahre 1936 nicht unerheblich gestiegen. Sie erreichte 1 353 Mill. „neue Goldrubel“ (1 „neuer“ Goldrubel entspricht ungefähr 49 Pfennigen) und war um etwa 300 Mill. größer als in den vorhergehenden 2 Jahren, in denen sie wenig verändert blieb. Von der Zunahme entfällt aber der übergroße Teil, und zwar 283 Mill. Rbl. auf Lieferungen im Rahmen der Kreditabkommen mit Deutschland und der Tschechoslowakei und die japanischen Warenlieferungen in Anrechnung auf den Kaufpreis der ostchinesischen Eisenbahn. In den ersten 3 Monaten dieses Jahres war die Einfuhr ebenfalls höher als in den gleichen Monaten von 1936, aber auch hier steht die Zunahme mit den gleichartigen Lieferungen im Zusammenhang. Die Zunahme der Einfuhr wirkt sich somit in der Zahlungsbilanz zunächst gar nicht aus. Und wenn der Aktivsaldo im Jahre 1936 nur 6,6 Mill. Rbl. betragen hat – im Jahre 1935 machte er den im Vergleich zum Umsatz außerordentlich hohen Betrag von 552 Mill. Rbl. aus – so sind, wenn man die Auswirkung auf die Zahlungsbilanz von 1936 im Auge hat, diesem Betrage die erwähnten 283 Mill. Rbl. hinzuzufügen, die in Wirklichkeit erst in 4 oder 5 Jahren fällig werden. Wenn man dieses und die wachsende Goldgewinnung der letzten Jahre berücksichtigt, ergibt sich, dass die Gold- und Valutareserve der Sowjetregierung einen ganz ansehnlichen Umfang erreicht haben muss. Es sei hier erwähnt, dass die Sowjetregierung im März und April 1937 umfangreiche Goldverkäufe, die auf 400 Mill. RM beziffert werden, in England getätigt hat und somit einen Teil ihrer Valutareserve jetzt im Auslande stehen lässt. In der Ausfuhr der Sowjetunion äußert sich die Veränderung der Valutalage darin, dass die Ausfuhr seit Jahren gesenkt wird. Im vergangenen Jahre betrug sie 1 359 Mill. neue Rubel und war um 250 Mill. Rbl. geringer als im Jahre vorher. In den ersten 3 Monaten dieses Jahres ist allerdings ein Ansteigen der Ausfuhr im Vergleich zu den 3 ersten Monaten des Vorjahres zu verzeichnen. Dies ist aber für die Entwicklung zunächst nicht kennzeichnend, da die Zunahme in der Hauptsache durch erhöhte Lieferungen nach Spanien bedingt ist und sich zum Teil noch daraus ergibt, dass in den ersten Monaten des vorigen Jahres die Ausfuhr nach Deutschland gesperrt war. Die Sowjetregierung sieht sich jetzt in der Lage, die Ausfuhr im Interesse der erhöhten Deckung des Inlandsbedarfes einzuschränken, obwohl die Absatzmöglichkeiten fast für alle russischen Ausfuhrwaren jetzt günstiger sind, als vor 3 und 4 Jahren, als die Ausfuhr um jeden Preis gesteigert werden musste. In einigen Fällen, so bei Getreide und bei Hülsenfrüchten, ist allerdings die Ausfuhr im vergangenen Jahre wegen Rückgang der Erzeugung verringert worden,
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und auf der anderen Seite werden auch weiterhin Waren ausgeführt, an denen im Inlande eine ausgesprochene Untererzeugung besteht. Dieses ist offensichtlich darauf zurückzuführen, dass die Bildung einer Valutareserve doch als vordringliche Aufgabe angesehen wird. Was die Ausfuhr im Einzelnen anbetrifft, so geht vor allem die Ausfuhr von Gebrauchswaren und in erster Linie von Lebensmitteln zurück, während die Ausfuhr von Rohstoffen und Halbfabrikaten nur wenig zurückgegangen ist. Der weitaus wichtigste Ausfuhrartikel ist jetzt Holz, und erst in großem Abstand folgt die seit Jahren sinkende Ausfuhr von Naphthaprodukten. Die Ausfuhr von Rauchwaren hat im vorigen Jahre weiter zugenommen und den gleichen Erlös wie die Naphthaausfuhr gebracht. Auf Holz, Naphthaprodukte und Rauchwaren zusammen entfällt genau die Hälfte der Gesamtausfuhr. Die Ausfuhr von Fertigwaren nimmt in den letzten Jahren auch ab. Hier hat sich die Außenhandelsleitung der UdSSR zur Aufgabe gestellt, die Ausfuhr technischer Erzeugnisse an Stelle von Gebrauchswaren zu erweitern. Eine starke Zunahme weist die Ausfuhr von Roheisen auf. Im vergangenen Jahre wurden rund 710 000 t ausgeführt. Die Ausfuhr von Maschinen und Ausrüstungen ist, im Ganzen genommen, zurückgegangen, nachdem die Lieferungen nach der Türkei für das erste türkische Textilkombinat aufgehört hatten. Es ist aber eine Erweiterung des Kreises der zur Ausfuhr gelangenden technischen Erzeugnisse sowie das Hinzukommen neuer Absatzmärkte zu verzeichnen. An sich bleibt aber die Maschinenausfuhr, von Landmaschinen vielleicht abgesehen, sehr beschränkt. Stark gestiegen ist im vergangenen Jahre die Ausfuhr von Lastkraftwagen, die aber zum größten Teil nach Spanien gingen. Diese Ausfuhr ist also somit politisch bedingt und gehört in das gleiche Kapitel wie die Lieferungen von Kriegsgerät nach Spanien, die in der Handelsstatistik natürlich nicht ausgewiesen werden. Die gesamte Zunahme der Einfuhr entfällt auf Fertigwaren, in der Hauptsache Maschinen. Die Einfuhr von Rohstoffen und Halbfabrikanten hat demgegenüber absolut nur ganz wenig zugenommen und ist anteilsmäßig sogar stark gesunken. Der Hauptteil der Einfuhr bildeten weiterhin Produktionsmittel, einschließlich der Maschinen für die Rüstungsindustrie und verschiedener Erzeugnisse für den Heeresbedarf (Verbrennungsmotoren, optische Erzeugnisse usw.). Die nur geringe Einfuhr von Gebrauchswaren hat absolut nur wenig zugenommen. Eine wichtigere Besonderheit der Einfuhr des vergangenen Jahres bildet der Umstand, dass die Einfuhr von Rohstoffen und Ausrüstungen für die Gebrauchswarenindustrien und Nahrungsmittelindustrie erhöht worden ist. Im Zuge dieser Entwicklung gelangten zum Teil in beträchtlichen Mengen – Maschinen, Apparate und Einrichtungen zur Einfuhr, die in den vorherigen Jahren nicht oder nur in geringen Mengen eingeführt wurden, darunter: Textilmaschinen, Maschinen für die Papierindustrie und für das Druckgewerbe, Maschinen für Bäckereien, für die Süßwaren-, Fleisch-, Konserven-, Weinindustrie usw., ferner verschiedene Apparate und Einrichtungen der Handelstechnik, daneben auch Rechen- und Büromaschinen. Der Hauptteil der Maschineneinfuhr bestand allerdings auch weiterhin aus Werkzeugmaschinen. Der Anteil der komplizierten Aggregate und Präzisionsmaschinen stieg dabei im vergangenen Jahre auf 88% gegenüber 69% im Jahre 1935. Nach ihrer Bestimmung verteilten sich die im Jahre 1936 eingeführten Werkzeugmaschinen wie folgt: Rund 75% für die Schwer- und Rüstungsindustrie, 20% für das Verkehrswesen, und zwar für die Reparaturwerkstätten, und der Rest für andere Ressorts. Der Hauptlieferant für Werk-
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28. 5. 1937 Nr. 29 zeugmaschinen war Deutschland, woher rund 43% der Werkzeugmaschinen (wertmäßig sogar mehr als 50%) bezogen wurden; es folgen die Vereinigten Staaten mit rund 33%, England mit rund 15%, Schweiz mit rund 4% und die Tschechoslowakei und Frankreich mit nur geringen Mengen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass Werkzeugmaschinen auch weiterhin den Hauptposten in der russischen Fertigwareneinfuhr bilden werden. Nach den bisherigen Erfahrungen kann auch angenommen werden, dass ein Teil des Bedarfs an Walzwerkausrüstungen mit den dazugehörigen elektrischen Antriebsaggregaten, Verbrennungsmotoren, Maschinen für die chemische-, Textil-, Nahrungsmittel-, und Gebrauchswarenindustrie, Automobilzubehör, feinmechanische und optische Geräte, vor allem aber Werkzeugmaschinen, über die bereits Anfragen vorliegen, eingeführt werden. Sehr bemerkenswert ist die Gestaltung des Handels der Sowjetunion mit den einzelnen Ländern. Deutschland stand im vergangenen Jahre und in den ersten Monaten dieses Jahres weit an erster Stelle in der russischen Einfuhr, vor allem in der Einfuhr von Maschinen, Erzeugnissen der Feinmechanik und Optik, chemischen und pharmazeutischen Erzeugnissen, Farbstoffen und Eisenlegierungen. Im Vergleich zu dem sehr schwachen Jahr 1935 ist die Einfuhr aus Deutschland in vergangenen Jahre auf mehr als das Dreifache – und zwar auf 308 Mill. Rbl. – gestiegen. Hierin wirken sich aus die Lieferungen im Rahmen des 200 Mill.-RM-Kredits, die in der Hauptsache auf das Jahr 1936 fielen. Sie werden das Bild auch in der ersten Hälfte des laufenen Jahres bestimmen; umso stärker wird aber, angesichts des Standes der Bestellungen in den letzten Monaten, der Rückschlag gegen Ende dieses Jahres sein. Die russische Ausfuhr nach Deutschland ist im vergangenen Jahre stark zurückgegangen und blieb auch in den ersten Monaten dieses Jahres gering, Weniger als andere Waren sind von diesem Rückgang Holz und Naphthaprodukte betroffen worden. Was unsere Konkurrenzländer anbetrifft, so weist die russische Einfuhr aus den Vereinigten Staaten eine weitere starke Zunahme auf; sie betrug im vergangenen Jahre 209 Mill. Rbl. und war mehr als eineinhalbmal so groß wie im Jahre 1935. Bemerkenswert ist dabei vor allem, dass die Einfuhr aus den Vereinigten Staaten ohne Inanspruchnahme von Kredit erfolgt. Es sei bemerkt, dass die Einfuhr aus Amerika im vergangenen Jahre zu 95% aus Industrieerzeugnissen bestand (bei der Einfuhr aus Deutschland sind es 99%), während im Jahre 1935 mehr als ein Drittel der amerikanischen Ausfuhr sich aus pflanzlichen Rohstoffen zusammensetzte. Der Hauptteil der Einfuhr aus Amerika bestand aus Maschinen, elektrotechnischen Erzeugnissen, Eisen- und Nichteisenmetallen, Erzeugnissen aus Eisen und Stahl, Erzeugnissen der Feinmechanik und Schleifmaterialien. Nach dem russisch-amerikanischen provisorischen Handelsabkommen, das jetzt bereits für das zweite Vertragsjahr bis Mitte Juli läuft, sind jährlich russische Bestellungen in Amerika für 30 Millionen Dollar zu erteilen, und es ist anzunehmen, dass auch im zweiten Vertragsjahre dieser Betrag überschritten werden wird. Wie Ihnen von der Geschäftsführung des Russland-Ausschusses und der „Ostwirtschaft“ bereits mitgeteilt worden ist, befinden sich gegenwärtig in Amerika zahlreiche russische Studien- und Bestellkommissionen; außer Bestellverhandlungen sind vielfach Verhandlungen über den Erwerb von amerikanischen Patenten und Lizenzen im Gange, wobei die Amerikaner in dieser Hinsicht den russischen Wünschen weit entgegenkommen.
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Das Interesse für die amerikanische Technik ist in der UdSSR seit einiger Zeit wieder im Anstieg und der neue Volkskommissar der Schwerindustrie Meshlauk gilt als ausgesprochener Anhänger der sogenannten amerikanischen Orientierung. Nicht nur die russische Einfuhr aus Amerika, auch die russische Ausfuhr nach den Vereinigten Staaten hat in den letzten zwei Jahren stark zugenommen. Gegenwärtig ist Amerika auf jeden Fall als der gefährlichste Konkurrent Deutschlands zu bezeichnen. Demgegenüber ist England in den letzten 2 Jahren stark ins Hintertreffen gekommen. Die russische Einfuhr aus Großbritannien ist im vergangenen Jahre an sich gestiegen und bleibt mit 204 Mill. nur wenig hinter der Einfuhr aus Amerika zurück. Sie besteht aber nur zu etwa 2/5 aus Industrieerzeugnissen überhaupt, und wenn man die Einfuhr von Buntmetallen absetzt, die in England selbst nicht erzeugt werden, so ergibt sich, dass nur genau 1/4 der russischen Warenbezüge aus englischen Fertigwaren besteht – das ist ebenso viel wie 1/4 der russischen Bezüge aus den Vereinigten Staaten und 1/6 der Einfuhr aus Deutschland. In der Hauptsache ist England in den letzten 2 Jahren – im vergangenen Jahre noch mehr als 1935 – Lebensmittel- und Rohstofflieferant der Sowjetunion gewesen. Gerade diese Entwicklung hat die englische Regierung veranlasst, trotz schwerer Bedenken, im Juli v.J. den bekannten 10 Millionen Pfund-Kredit den Russen zu eröffnen. Im Rahmen dieses Kredits können nur englische Erzeugnisse gekauft werden, und er wird das Bild der englischen Ausfuhr nach der Sowjetunion wesentlich verändern. Bis zum 1. Mai waren im Rahmen dieses Kredits bereits Bestellungen für ca. 6,5 Mill. Pfund, das sind etwa 80 Mill. RM. erteilt, und es wird angenommen, dass bis zu der Schlussfrist am 30. September dieses Jahres der Kredit voll ausgeschöpft werden wird, obwohl die russischen Bestellorgane gegenwärtig in England auf dieselben Schwierigkeiten stoßen, wie in Deutschland bei der Auftragserteilung im Rahmen der 200. Mill.-RM-Kredits – das sind die durch die Inlands- bzw. Rüstungskonjunktur gesteigerten Preise und stark verlängerte Lieferfristen. Nach russischen Mitteilungen hat die „Maschinoimport“ ihre bisherigen Bestellungen mit Lieferfristen von 6 bis 22 Monaten und „Stankoimport“ (Werkzeugmaschinen) mit Fristen von 8 bis 24 Monaten vergeben. In dieser Beziehung ist erfreulicherweise eine Angleichung der Verhältnisse an Deutschland erfolgt. Was unsere anderen Konkurrenzländer betrifft, so ist die russische Einfuhr aus Frankreich in der letzten Zeit stark zurückgegangen. Sie verteilte sich im Wesentlichen auf dieselben Warengruppen wie die in der Einfuhr aus Deutschland. Die russische Ausfuhr nach Frankreich ist dagegen gestiegen und betrug mehr als das Doppelte der Einfuhr. Seit der Unterbrechung im Februar vorigen Jahres sind die Verhandlungen über einen französischen Kredit an die Sowjetunion nicht wieder aufgenommen, und die Kreditfrage ist von der Tagesordnung abgesetzt, wie übrigens auch in Amerika. Die russische Einfuhr aus der Tschechoslowakei ist beträchtlich gestiegen, und zwar unter Auswirkung des Kredits vom Jahre 1935, der in Höhe von zusammen 27,5 Mill. Rbl. eröffnet und voll ausgenutzt worden ist. Die Verhandlungen über einen neuen Kredit, die im vergangenen Jahre monatelang geführt und in diesem Jahre wieder aufgenommen worden, haben sich aber zerschlagen, wie es heißt, weil die russischerseits geforderte Verzinsung mit nur 4 ½% und eine Kreditdauer von 8 Jahren für die tschechische Partei unannehmbar war. Die russische Ausfuhr nach der Tschechoslowakei konnte gesteigert werden, wodurch dem laufenden Geschäft ohne Inanspruchnahme eines Kredits gewisse Möglichkeiten eröffnet werden. Be-
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28. 5. 1937 Nr. 29 merkenswert ist die Steigerung der russischen Bezüge aus Belgien. Sie bestehen in der Hauptsache aus Eisen- und Nichteisenmetallen. Noch einseitiger ist die beträchtliche Einfuhr aus Holland orientiert, von der 55% allein auf Buntmetalle entfallen. Eine Zunahme weist die Einfuhr aus Schweden und der Schweiz auf. Die Einfuhr aus Japan ist infolge der Lieferungen zur Anrechnung auf den Kaufpreis der Ostchinesischen Eisenbahn ziemlich hoch. Sie umfasst zu mehr als ¾ der Industrieerzeugnisse und bemerkenswerterweise nicht nur Produktionsmittel, sondern auch Gebrauchswaren. Japanischerseits wird gehofft, dass diese Lieferungen der japanischen Industrie auch für die Zukunft eine gewisse Position auf dem russischen Markt schaffen werden, und da auch die russische Ausfuhr nach Japan in der letzten Zeit gestiegen ist, ist diese Möglichkeit nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Es sei noch erwähnt, dass die russische Fertigwarenausfuhr sich nach wie vor zum weitaus größten Teil nach den asiatischen Nachbarländern richtet; russische landwirtschaftliche Maschinen finden allerdings Absatz auch im Baltikum und in Holland bzw. in den holländischen Kolonien. Detaillierte Angaben über den Handelsverkehr mit den erwähnten Ländern bitten wir im April-Heft 1937 der „Ostwirtschaft“2 nachzulesen. Wirtschaftsplan 1937. Der russische Wirtschaftsplan für 1937, der in diesem Jahre in seiner endgültigen Fassung auffallend spät – und zwar erst Ende März – verkündet worden ist, kann hier nur kurz gestreift werden. Für die Großindustrie ist eine Zunahme der Erzeugung um 20%, im Vergleich zu 1936, vorgesehen. Unter anderem sollen 41 600 Werkzeugmaschinen für die Metallbearbeitung, gegenüber 32 500 Stück im vorigen Jahre, hergestellt werden, wobei die Erzeugung von Spezialtypen und komplizierteren Maschinen besonders forciert werden soll. Im Maschinenbau sollen Maschinen und Einrichtungen für die Gebrauchswarenindustrien besondere Beachtung finden und die Kapazität der Textilmaschinenfabriken soll im Laufe des Jahres verdoppelt werden. Die für Bau- und Einrichtungsarbeiten bestimmten Investitionen in die Industrie sind auf fast 14 Milliarden Rubel veranschlagt. Im Einzelnen ist u. a. vorgesehen die Inbetriebnahme von 16 Kohleschächten, von Stromerzeugungsanlagen mit 1,5 Mill. kW installierter Leistung, von 10 Martinöfen, 14 Walzanlagen, ferner die Inbetriebnahme der ersten Ausbaufolge des Kupferwerkes am Balchasch-See, des Kupfer- und Schiffswerkes im Bljawa-Revier, der Aluminiumfabrik im Mittelural, des Kabelwerkes in Moskau usw., die Inbetriebnahme mehrerer Zellulose- und Papierfabriken sowie mehrerer Sägewerke in den neu zu erschließenden Holzrevieren im Osten und Norden. In der Textilindustrie soll eine ganze Reihe von Werken fertiggestellt oder mit besonderem Nachdruck gebaut werden. Von der Landwirtschaft ist für 1937 eine nur geringe Erweiterung der Anbauflächen und die Fortführung der Mechanisierung der Feldarbeiten vorgesehen. Die Zahl der Mähdrescher soll um 55 000 Stück, alles einheimischer Erzeugung, erhöht werden.
2 Vgl. „Der Außenhandel der UdSSR im Jahre 1936“. In: Die Ostwirtschaft. Organ des Russland-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Nr. 4 (April) 1937, S. 49–53.
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Für die Investierungen im Eisenbahnwesen sind 5,5 Milliarden Rubel vorgesehen, darunter 1,4 Milliarden Rbl. für neues rollendes Material und 800 Millionen Rbl. für den Bau neuer Linien und die Verlegung zweiter Gleise. Es sollen 560 Kilometer elektrifiziert und 1200 Kilometer neue Linien in regulären Betrieb genommen werden, sodass das Eisenbahnnetz am Ende dieses Jahres 86 500 Kilometer erreichen soll. Umfangreiche Bau- und Einrichtungsarbeiten sind auch auf dem Gebiete des Handels und des Gesundheitswesens vorgesehen. Die Zunahme der Erzeugung soll in der Hauptsache durch eine weitere Steigerung der Arbeitsleistungen erreicht werden, die im laufenden Jahre im Durchschnitt um 19,5% erhöht werden sollen, während der durchschnittliche Lohn eine Steigerung von nur 5,6% erfahren soll. Nähere Einzelheiten über den Wirtschaftsplan für 1937 sind oder werden noch in unserem Organ „Die Ostwirtschaft“ bekanntgegeben. Derzeitiger Stand der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen In der „Iswestija“ vom 12. Mai d.J. erschien ein vermutlich von maßgebender Stelle inspirierter an den Außenhandelskommissar Rosengolz gerichteter „offener Brief“3, in welchem das Außenhandelskommissariat um Erklärung gebeten wurde, weswegen die sowjetische Ausfuhr nach Deutschland im Jahre 1936 sich gegen das Jahr 1935 um 172,5 Mill. Rbl. vermindert, die Einfuhr aus Deutschland nach der UdSSR hingegen um 213.4 Mill. Rbl. erhöht hat. Rosengolz hat darauf am 15. Mai d.J.4 wie folgt geantwortet: „Das Ausmaß unserer Einfuhr aus Deutschland im Jahre 1936 ist nicht charakteristisch für den tatsächlichen Stand der gegenwärtigen sowjetisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen, da etwa 70% dieser Einfuhr auf Aufträge entfallen, die auf Rechnung des Vertrages über einen fünfjährigen Kredit von 200 Mill. Mark erteilt sind, der am 9. April 1935 abgeschlossen worden ist. Die gewöhnlichen laufenden Aufträge sowjetischer wirtschaftlicher Organisationen in Deutschland, die im Jahre 1931 bis zu 1 Milliarde Mark gingen, wurden in den letzten Jahren stark eingeschränkt und betrugen im Jahre 1936 nur etwa 47 Mill. Mark. Eine so starke Einschränkung unserer Aufträge in Deutschland erklärt sich, abgesehen von allgemeinen Tendenzen zur Einschränkung der Einfuhr aus dem Auslande infolge der Stärkung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit der UdSSR, aus verschiedenen Schwierigkeiten (insbesondere bezüglich der Erlangung technisch besonders vollkommener Objekte), denen wir in Deutschland begegnet sind. Es ist sogar vorgekommen, dass die Ausführung der in Berlin abgeschlossenen Verträge über Lieferungen nach der UdSSR verhindert wurde. Der sowjetische Export nach Deutschland betrug im Jahre 1936 58 Mill. Mark gegen 145 Mill. Mark im Jahre 1935 und 215 Mill. Mark im Jahre 1934. Der Umfang des sowjetischen Exports nach Deutschland richtet sich natürlich nach dem Bedarf unserer Außenhandelsorganisationen an deutscher Mark.“ (An3 Vgl. „Vopros Narodnomu Komissaru vnešnej torgovli SSSR tov. A. P. Rozengol’cu“ (Frage an den Volkskommissar für Außenhandel der UdSSR Gen. A.P. Rozengol’c). In: Izvestija vom 12. Mai 1937, S. 2. 4 So im Dokument; richtig: Izvestija vom 14. Mai 1937, S. 3, „Otvet Narodnogo Komissara vnešnej torgovli SSSR tov. A. P. Rozengol’ca na zapros tov. Tichonova“ (Antwort des Volkskommissars auf die Frage von Gen. Tichonov).
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28. 5. 1937 Nr. 29 merkung: Das heißt, die Sowjetunion führt nur so viel nach Deutschland aus als sie Markbedarf für Bestellungen in Deutschland hat.) Hiermit ist im Wesentlichen die derzeitige wirtschaftliche Situation Deutschland – UdSSR gekennzeichnet. Sie wurde im letzten Jahr offensichtlich beeinflusst durch eine Reihe von Tatsachen, die neben mannigfaltigen Schwierigkeiten interessante Wandlungen, teilweise neue Methoden im Waren- und Zahlungsverkehr, aber auch erhebliche Umsatzbeschränkungen mit sich brachten. Als wichtigste die das Russlandgeschäft beeinträchtigenden Faktoren sind zu nennen: 1. Die politische Lage. 2. Die Verlagerungstendenzen der russischen Einfuhr- und Ausfuhrpolitik. 3. Die Abnahme der Schuldenverpflichtungen der UdSSR gegenüber Deutschland. 4. Die sowjetische Ausfuhrsperre vom Januar bis April 1936 und die anschließende Zurückhaltung der Russen bei der Lieferung von Rohstoffen. 5. Die starke Inanspruchnahme der deutschen Erzeugungsstätten für den Inlandsmarkt. 6. Die Umstellung des laufenden Liefergeschäfts auf Barzahlung. Der deutsch-russische Wirtschaftsvertrag vom 29. April 1936, der mit dem Protokoll vom 24.12.1936 auf ein Jahr, d. h. bis zum 31.12.1937 verlängert wurde5, schuf bekanntlich eine Art Clearing im Russlandgeschäft und stellte den Warenverkehr zwischen Deutschland und Russland auf die Basis der Reichsmarkverrechnung im Bargeschäft. Hiermit wurde letzten Endes das Ziel verfolgt, die Bestelltätigkeit der Russen in ein angemessenes Verhältnis zur Höhe des russischen Imports nach Deutschland zu bringen, d. h. einen ungefähren Ausgleich der deutschrussischen Handelsbilanz zu erreichen. Das gelang in gewisser Beziehung im Jahr 1936, indessen ging der Umsatz weiter zurück. Wie oben bereits angedeutet, waren die sowjetrussischen Bestellungen 1936 geringer als im Jahre 1935, und stellten sich im Ganzen auf etwa 80 Mill. RM, darunter etwa 50 Mill. RM im Rahmen des 200 Mill.-RM-Kreditabkommens vom 9. April 1935 und rund 30 Mill. RM im laufenden Geschäft gegen Barzahlung nach unseren Schätzungen. Im Jahre 1937 sind bisher nur wenige Bestellungen erfolgt, im Durchschnitt etwa 1 ½ Mill. RM pro Monat. Die Einfuhr aus der UdSSR nach Deutschland war im Jahre 1936 um mehr als die Hälfte geringer als im Vorjahre. Nach den Angaben der deutschen Handelsstatistik ergeben sich für 1936 folgende Zahlen: Ausfuhr nach der UdSSR 126,1 Mill. RM Einfuhr aus der UdSSR 93,2 Mill. RM Für das erste Drittel 1937: Ausfuhr nach der UdSSR Januar – April 1937 57,3 Mill. RM. Auch hier wirken sich aus die Lieferungen des 200 Millionen-RM-Kredits. Einfuhr aus der UdSSR Januar – April 1937 16,7 Mill. RM.
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Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 615, S. 1527.
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In unserem Tätigkeitsbericht für das Jahr 1936 schrieben wir, dass obiges Ergebnis gemessen an den früheren Umsätzen, z. B. des Jahres 1937 (Ausfuhr 626 Mill. RM, Einfuhr 271 Mill. RM), und den naturgegebenen Ergänzungsmöglichkeiten der beiden Länder bedauerlich wenig ist, dass es aber immerhin noch viel ist angesichts der großen Belastungen, denen die deutsch-sowjetischen Beziehungen ausgesetzt waren und der damit verbundenen Schwierigkeiten, die Wirtschaftsbeziehungen zu der UdSSR überhaupt aufrecht zu erhalten. Bei der Platzierung der sowjetischen Aufträge an die deutsche Industrie spielte eine besondere Rolle neben der auf vielen Gebieten veränderten Einfuhrpolitik der Russen die Frage der Preise und der Lieferfristen. Neu für die Russen war auch – was in früheren Jahren nicht erlebt wurde –, dass Aufträge bei der deutschen Industrie verschiedentlich überhaupt nicht untergebracht werden konnten, da diese anderweitig voll in Anspruch genommen war oder für die Russen unannehmbare Lieferfristen stellte. Ferner war es aus naheliegenden Gründen unmöglich, die sehr weitgehenden Wünsche der Russen auf Lieferung von Kriegsmaterial modernster Art zu erfüllen. Weitere Schwierigkeiten bei den Abschlussverhandlungen waren die russischen Versuche, die vereinbarten Allgemeinen Lieferbedingungen vom 20. März 1935 abzuändern, dazu kamen Verstimmungen infolge Nichtinnehaltung von Lieferfristen, Auftragsannullierung der Russen teilweise aus ganz unverständlichen Gründen usw. In der Preisgestaltung für die Ausfuhr nach der UdSSR wurde eine Lösung dahin gefunden, dass auch im Russlandgeschäft das Zusatzausfuhrverfahren zur Anwendung gebracht wird. Es wird Sie interessieren, dass unsere Hauptkonkurrenzländer Amerika und England auf dem Gebiete der Liefer- und Zahlungsbedingungen einschließlich der Schiedsgerichtsvereinbarungen ähnliche Schwierigkeiten durchzukämpfen haben. Wir haben Wege gefunden, diesen Ländern in unserem Interesse liegendes Material zur Verfügung zu stellen. Beide Staaten haben erfreulicherweise darauf reagiert. Wir werden im Juni d. J. anlässlich des hier tagenden Internationalen Handelskammerkongresses Gelegenheit haben, weiter zu wirken. Wie bereits oben angedeutet, wurde neben dem laufenden Geschäft der im Vertrage vom 9. April 1935 der Sowjetunion gewährte 200 Millionen RM-Kredit weiter abgewickelt. Für dessen Ausschöpfung war ursprünglich der Endtermin auf den 31. März 1936 vorgesehen. Er wurde auf den 31. März 1937 und jetzt noch einmal bis zum 30. Juni 1937 verlängert. Bis Ende 1936 waren im Rahmen dieses Kreditabkommens Bestellungen für insgesamt rund 169 Mill. RM erfolgt. Bei der „Ifago“ sind bis jetzt Russenwechsel in Höhe von ca. 130 Mill. RM eingegangen. Die Struktur der Sowjetbestellungen bei deutschen Firmen auf Grund des 200 Mill. RM-Kredits haben wir seinerzeit in der „Ostwirtschaft“ (Juni/Juli-Heft des Jahrganges 1936)6 bekanntgegeben. Die Anzahl der an den Lieferungen im Rahmen dieses Kredits beteiligten deutschen Firmen beträgt rund 500. Aus dieser verhältnismäßig großen Anzahl der an den bisherigen Lieferungen im „zusätzlichen“ Geschäft beteiligten Firmen ist zu ersehen, dass nicht nur einige wenige große Kon6 Vgl. Fritz Tschunke: „Zur Lage im Russlandgeschäft“. In: Die Ostwirtschaft. Organ des Russland-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Nr. 6/7 (Juni/Juli) 1936, S. 81–83.
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28. 5. 1937 Nr. 29 zerne Aufträge erhalten haben, wie das zuweilen behauptet wird, sondern eine sehr beträchtliche Anzahl deutscher Industriefirmen ganz verschiedener Größen. In der Hauptsache handelt es sich um Bestellungen auf Werkzeugmaschinen und Spezialmaschinen, und zwar für rund 140 Mill. RM, wobei ganz allgemein die Zunahme der sowjetrussischen Maschinenbestellungen gegenüber den letzten Jahren interessant ist. Ob der bis heute noch nicht in Anspruch genommene Restbetrag des 200 Mill. RM-Kredits (nicht mehr ganz 30 Mill. RM) noch Verwendung finden wird, ist zweifelhaft, da gerade hier russischerseits Bestellungen heikler Art beabsichtigt sind. Ich komme nun zur Frage der Einfuhr sowjetischer Waren nach Deutschland und hiermit auf das Gebiet, das bei unserer heutigen Rohstofflage m. E. von überragender Bedeutung geworden ist. Während in den vergangenen Jahren das Liefergeschäft nach Russland im Vordergrund stand, ist bemerkenswerterweise heute, wo unsere Industrie zum großen Teil voll beschäftigt ist, das Russlandgeschäft von der Einfuhrseite, d. h. bezüglich der Rohstoffeinfuhr ausschlaggebend geworden. Bis auf weiteres ist die Einfuhr russischer für uns lebensnotwendiger Rohstoffe von großer Bedeutung. Solange der Russe unser großer Schuldner war, hatte er das Bestreben, möglichst viel seiner Verpflichtungen mit Rohstoffen abzudecken. In dieser Schuldnerposition befindet sich der Russe heute uns gegenüber leider nicht mehr. Die UdSSR hat daher an der Ausfuhr ihrer Erzeugnisse nach Deutschland nur dann ein Interesse, wenn ihre sich ansammelnden Guthaben aus den Einfuhrerlösen in Aufträge an die deutsche Industrie umgesetzt werden können. Es besteht also eine Wechselwirkung zwischen der russischen Einfuhr und Auftragsplatzierung in Deutschland. Es ist notwendig, Aufträge hereinzunehmen, um den Russen einen Anreiz für die Einfuhr zu geben. Mittel, auf die Russen einen Druck auszuüben, gibt es kaum. Alle Welt reißt sich um die Rohstoffe der UdSSR, die Russen sind also – vielleicht mit Ausnahme von Holz – durchaus nicht auf den Absatz bei uns angewiesen. Die Gesamteinfuhr von Rohstoffen aus der UdSSR nach Deutschland war im Jahre 1934 rund 223 Mill. RM, im Jahre 1935 rund 202 Mill. RM, im Jahre 1936 ist sie auf 93 Mill. RM zurückgegangen. Aus der Ihnen vorliegenden Tabelle der Einfuhr der wichtigsten Waren aus der UdSSR in den Jahren 1934, 1935 und 1936 wollen Sie bitte den Rückgang im Einzelnen entnehmen. Der außerordentliche Rückgang im Jahre 1936 ist einerseits auf die in den ersten Monaten 1936 erfolgte Ausfuhrsperre der UdSSR zurückzuführen, ferner auf die sowjetrussische Absicht, die Ausfuhr von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, insbesondere von Lebensmitteln einzuschränken bzw. ganz einzustellen, und schließlich auf die Schwierigkeiten der Auftragsplatzierung in Deutschland. Was den Import aus Russland für 1937 anbetrifft, so haben wir auf Grund einer Umfrage bei der Industrie und den Importeuren der Reichsregierung eine entsprechende Bedarfsanmeldung gemacht, wobei Manganerze, Holz, Naphtha, Flachs, Tierhaare, Pelze, Felle und Lebensmittel obenan standen. Wir haben hierbei auch auf die Bedeutung einer Vorratsbeschaffung hingewiesen. Vorläufig ist von diesem errechneten Betrag durch das Protokoll vom 24. Dezember 1936 nur ein bescheidener Anteil sichergestellt. Von den alten im Jahre 1937 fällig werdenden Schulden werden rund 20 Mill. mit Waren abgedeckt. Hiervon sind bislang etwa für 18 Mill. RM Abschlüsse getätigt, für ca. 12 Mill. RM
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geliefert, und zwar Papierholz, Flachs, Borsten, Rauchwaren. Diese Einfuhr betrachten wir als eine Sonderaktion, die nicht in Anrechnung kommen darf auf das laufende Einfuhrgeschäft, bei welchem deutscherseits ja die Bereitschaft vorliegt, bis zu 200 Mill. RM Rohstoffe – für besonders erwünschtere Waren sogar + 30% – hereinzunehmen. Ob die Russen über obengenannte 20 Mill. RM hinaus liefern werden, ist mehr als zweifelhaft, wenn es nicht glückt, sie zu entsprechender Auftragserteilung an Deutschland zu bringen bzw. ihnen gewisse Bestellwünsche zu erfüllen. Der bisherige Botschafter Suritz hat bei seinem Weggang zum Ausdruck gebracht, dass die russische Regierung die Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland weiter aufrechterhalten will. Der Stellvertretende Leiter der hiesigen Handelsvertretung Friedrichson versicherte uns bei seinem Abschied, dass die UdSSR durchaus bereit sei, im Rahmen des Möglichen Rohstoffe an uns zu liefern. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und seinem Lande dürften aber nicht einseitig bleiben. Wir sollen verstehen, dass auch die Russen Wünsche für Lieferung verschiedener Dinge haben, deren Erfüllung ihnen besonders am Herzen liegt. Angesichts dieser Situation komme ich erneut zurück auf unsere verschiedenen, der Reichsregierung unterbreiteten Vorschläge, die eine wenigstens teilweise Erfüllung der russischen Wünsche bedeuten. Sie gingen darauf hinaus, einen neuen Kreditvertrag mit den Russen zu schließen, der die Grundlage für größere zusätzliche Geschäfte bilden sollte, wobei gleichzeitig die russischen Bestell- und Lieferverpflichtungen ausgehandelt werden sollten. Die deutschen Lieferungen sollten dabei zur Hälfte sofort durch russische Rohstofflieferungen ausgeglichen, zur anderen Hälfte auf längere Zeit kreditiert werden. Die von den Russen vorgelegte Wunschliste auf Kriegsmaterial ist auch nach unserer Ansicht unmöglich und unerfüllbar. Aber wir haben es doch immer schon erlebt, dass die Russen anfangs sehr viel forderten und sich nachher bei Verhandlungen mit weniger begnügten. Daher halte ich es zwar für schwierig, aber doch nicht für ausgeschlossen, die russischen Forderungen in Bezug auf Rüstungsmaterial auf ein vernünftiges Maß zurückzuführen. Wir würden, wenn dies gelingen sollte, ein weiteres Absinken des russischen Geschäfts in Sonderheit hinsichtlich der Rohstoffeinfuhr verhüten können. Der bisherige Handelsvertreter Kandelaki gab uns im Vorjahre die Versicherung, im Falle eines Kredites für die Hälfte des kreditierten Betrages uns das zu bestellen, was die deutsche Industrie wünscht. Allerdings müssten dann für die andere Hälfte die russischen Wünsche berücksichtigt werden, die auch Rüstungsmaterial enthalten würden. Das Rohmaterial, das die deutsche Industrie für die Durchführung dieser evtl. russischen Bestellungen braucht, muss uns dann wenigstens zum Teil die zweite Hälfte des Programms liefern, von dem ich vorhin sagte, dass es durch russische Rohstoffe sofort beglichen werden soll. Zu den russischen Wünschen nach Kriegsmaterial möchte ich mir noch einige Bemerkungen erlauben, auch wenn sie nicht allerseits Zustimmung finden sollten, wobei ich mir klar darüber bin, dass ich mich auf ein sehr heikles Gebiet begebe: Es ist wohl klar, dass Deutschland die russische Aufrüstung nicht verzögern, geschweige denn verhindern kann. Was Russland an Rüstungsmaterial ohne Schwierigkeiten bei anderen Ländern kaufen kann, das zu liefern, brauchten auch wir uns nicht zu weigern; allerdings nur insoweit, als wir bei der Beschäftigung unserer eigenen Industrie dazu in der Lage sind. Die Russen sagen mit einem ge-
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28. 5. 1937 Nr. 29 wissen Recht, dass ihre Rohstoffe, die wir von ihnen haben wollen, ja auch unserer Aufrüstung zugute kommen. Sie betrachten daher unsere eventuelle Lieferung an Rüstungsmaterial als eine Gegenseitigkeitsleistung. Es ist von den Russen wiederholt bedeutet worden, dass die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Russland nicht lediglich auf Lieferung deutscher Kriegstechnik gegen russische Rohstoffe basieren können, sondern dass parallel mit einem derartigen Güteraustausch auch ein solcher stattfinden muss, der gesunden volkswirtschaftlichen Grundsätzen Rechnung trägt. Dementsprechend haben sich auch die Russen, wie oben schon erwähnt, bereiterklärt, unter gewissen Voraussetzungen solche Bestellungen zu machen, die den Lieferwünschen und der Lieferfähigkeit der deutschen Industrie entsprechen. Die Entwicklung auf den Rohstoffmärkten lässt befürchten, dass der Rohstoffbezug aus Russland für uns an Bedeutung zunimmt, dass diese Entwicklung den Russen nicht verborgen bleibt und sie veranlassen wird, in ihren Forderungen auf Rüstungsmaterial noch weniger nachgiebiger zu werden als sie es vielleicht heute noch sind. In welcher Richtung auch immer die Entscheidung der Reichsregierung für die zukünftige Gestaltung des Problems Deutschland – UdSSR fallen wird, wir wollen inzwischen mit allen Mitteln bemüht bleiben, die wirtschaftliche Verbindung zur UdSSR aufrechtzuerhalten. Wir betrachten es weiter als unsere Pflicht, aufmerksam die Vorgänge in Russland zu verfolgen und sie allen am Russlandgeschäft Beteiligten zur Kenntnis zu bringen. Hierbei müssen wir nach wie vor bestrebt sein, die Dinge in Russland zu sehen wie sie sind – nicht wie man sie sich wünscht! Je schwieriger sich die Beziehungen zur Sowjetunion gestalten und je geringer somit die Zahl der Vertreter der Presse, der Öffentlichkeit und der Wirtschaft wird, die in der Lage sind, den Osten zu bereisen, umso größer wird das Interesse des Reichs und der Spitzenorganisationen der Wirtschaft, die bestehenden und bewährten Informationsquellen in ihrer Existenz und Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten und weiter auszubauen. Schon jetzt sind die deutschen Informationsmöglichkeiten über Sowjetrussland in bedenklicher Weise beschränkt. Abgesehen von der Wirtschaftsabteilung der Deutschen Botschaft in Moskau ist nur noch ein Vertreter der deutschen Presse in der Sowjetunion tätig; ständige deutsche Firmenvertretungen gibt es dort nicht mehr und auch Reisen deutscher Firmenvertreter oder deutscher Staatsangehöriger nach Russland werden immer seltener. In dieser kritischen Lage erinnern wir an den täglichen Nachrichtendienst „Der Ost-Express“, der die Verhältnisse in der Sowjetunion, und zwar nicht nur auf wirtschaftlichem Gebiete laufend beleuchtet, und eine sehr nützliche Ergänzung zu unserem Organ „Die Ostwirtschaft“ darstellt, in der wir monatlich zusammengefasst nur das bringen können, was die am Russlandgeschäft beteiligte deutsche Wirtschaft unmittelbar interessiert. Sehr bedenklich ist, dass eine bedeutende Zahl von Wirtschaftsverbänden und Privatfirmen, die früher – sei es als Mitglieder, sei es als Abonnenten, die Informationsquellen unterstützten, sich jetzt zurückgezogen haben, nachdem sie längere Zeit Russenaufträge nicht mehr erhalten haben. Angesichts des unbestreitbaren Gesamtinteresses der deutschen Wirtschaft und Öffentlichkeit an einer zuverlässigen und sachlichen Beobachtung der Entwicklung in der Sowjetunion müssen sich nicht nur die dafür in Frage kommenden Wirtschaftsorganisationen, sondern auch die repräsentativen deutschen Firmen dazu entschließen, die ge-
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nannten deutschen Quellen der Russlandinformation zu unterstützen. Es gilt dabei, die Zukunftsinteressen des deutschen Reichs und der deutschen Wirtschaft wahrzunehmen. Wir rechnen auf das Verständnis derjenigen Kreise, die durch ihre Teilnahme an der heutigen Sitzung ihr Interesse an diesen Dingen bekunden, wenn wir an sie appellieren, diesen Gedanken auch gegenüber den ihnen nahestehenden Persönlichkeiten der deutschen Wirtschaft und Geschäftswelt zu vertreten. Meine Herren! Ich komme zum Schluss! Lassen wir uns nicht dadurch täuschen, dass Deutschlands Export nach Russland im vergangenen Jahre noch an der Spitze aller Länder stand. Ich wiederhole, dass dies lediglich eine Auswirkung des oft erwähnten 200 Mill. Kredites war, der bis auf einen kleinen Rest jetzt erledigt ist. Für das laufende Jahr sehen die Dinge erheblich schlechter aus, denn wir sehen, wie sehr besonders England und Amerika bemüht sind, aus der gegenwärtigen deutsch-russischen Lage ihre Vorteile zu ziehen, und wenn wir nicht bald zu einer neuen Verständigung kommen, so werden diese und andere Konkurrenzländer in russische Absatzgebiete eindringen, die bisher vorwiegend von Deutschland aus beliefert wurden, und später wird es uns schwerfallen, diese Konkurrenz wieder zu verdrängen.7 Einen Exportkunden zu verlieren, ist sehr leicht, ihn wieder zu gewinnen, sehr schwer. gez. Reyß PA AA, R 105315, o.P., 25 Bl.
Nr. 30 Schreiben von Professor Hoetzsch an den Legationsrat in Moskau Hilger Nr. 30 29. 5. 1937 29. 5. 1937 Berlin, den 29. Mai 1937 Herrn Legationsrat Hilger (oder seinem Herrn Vertreter). Deutsche7 Botschaft Moskau Sehr verehrter Herr Legationsrat! Von einer längeren Reise zurückgekehrt, bestätige ich zunächst mit dem ergebensten Danke den Empfang Ihrer beiden Sendungen über die „Deutsche Gesellschaft zum Studium Osteuropas“ von Manuskripten für die russische Aktenpublikation, die die russische Kommission der Botschaft für uns zur deutschen Ausgabe übergeben hatte.1 Es dürfte Sie vielleicht interessieren, dass damit der Band 2 der neuen Serie mit 686 Dokumenten, wie es scheint, vollständig in unserer Hand ist. Er ist schon zum großen Teil übersetzt und umfasst die Zeit vom Oktober 1911 bis zu Ende April 1912. Man wird nicht sagen können, dass der Umfang in Anbetracht der sehr wichtigen Zeit zu groß wäre. Danach wird also die Arbeit der Kommission, 7 Anlässlich der Vorstandssitzung des Russland-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft am 18.5.1938 hielt Reyß erneut eine längere Rede. In: BArch, R 2/16467, o.P. 1
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Vgl. Dok. 19.
Nr. 31 die zeitweilig unter gewissen persönlichen Hemmungen stand, fortgesetzt, und von unserer Seite wird immer daran gearbeitet, sowie wir Material haben. Es liegen, wie schon gelegentlich berichtet, 1 Band = 4,1 der neuen Serie ausgedruckt vor, ein weiterer = 4,2 ist zum Druck fertig, und jetzt wie gesagt ist der Band 2 in voller Arbeit. Die sonderbare Reihenfolge erklärt sich aus dem russischen Arbeitsplan, der im letzten Jahr von der anderen Seite umgestoßen wurde, woraus sich eine gewisse Störung ergab, die aber wie zu hoffen ist, jetzt überwunden ist. Dem Geschäftsgang gemäß darf ich Ihnen in der Anlage meine Antwort an den Vertreter des wissenschaftlichen Sekretärs der Kommission zur Herausgabe der Dokumente übersenden mit der Bitte, den Brief ihm (Serpuchowskaja 15) wie gewöhnlich zukommen zu lassen, und ebenso den Brief an Dr. Schüle diesem, nachdem Sie gütigst von dem Inhalt Kenntnis genommen haben, wie das verabredet und vom Auswärtigen Amt bestimmt worden ist. Vielleicht ist auch Gelegenheit, in aller **Kürze**2 dem Herrn Botschafter, dem ich bitte, meine ergebensten Empfehlungen sagen zu wollen, die Situation dieser Arbeit vorzutragen. Mit dem besten Danke für alle Bemühungen im Voraus und den ergebensten Grüßen und Empfehlungen an alle Bekannte sowie der Hoffnung, dass es allen Herren gut geht, bin ich wie stets Ihr aufrichtig ergebener Otto Hoetzsch Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben: zu E/133, am Ende: 1.) Notiz: Die Anlagen sind Herrn Dr. Schüle übergeben worden. 2.) ZdA 10/6 H[erwarth]. PA AA, Moskau II 407, Bl. 163-163R. 2
Nr. 31 Auszug aus der Weisung des Volkskommissars für Außenhandel Rozengol’c Nr. 31 2. 6. 1937 2. 6. 1937 Geheim Moskau 2. Juni1 1937 WEISUNG DES VOLKSKOMMISSARS FÜR AUßENHANDEL DER UdSSR Nr. **396**2 Über Maßnahmen zur Vorbeugung von Spionage und Schädlingstätigkeit **3 **Nr. 1**4 Zwecks Vorbeugung von Spionage und Schädlingstätigkeit im Außenhandel ordne ich an: 2
Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: Kenntnis.
1 2 3
Das Wort ist mit blauem Farbstift korrigiert; ursprünglich: Mai. Die Zahl ist mit Tinte geschrieben. Der an dieser Stelle stehende Text „im System des Außenhandels“ ist mit blauem Farbstift durchgestrichen. 4 Die Nummer ist mit blauem Farbstift geschrieben.
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Nr. 31
2. 6. 1937 I. Zur Arbeit mit ausländischen Firmen.
1. **Die Leiter der Verwaltungen des NKVT**5 sind zu verpflichten, innerhalb von **zwei**6 Monaten Materialien über die mit den **ihnen unterstellten**7 Vereinigungen arbeitenden Firmen und deren Vertreter zu erarbeiten, und insbesondere die Firmen zu erfassen: a) deren Vertreter in Spionage und Schädlingstätigkeit in der UdSSR verwickelt waren; b) die in ihren Reihen Weißgardisten und Trotzkisten haben und c) die mit uns über spezielle Mittelsmänner oder Agenten arbeiten.**8 *2. Die Leiter der Verwaltungen sind zu verpflichten, innerhalb eines Monats eine Liste der Firmenvertreter zu erstellen, deren Einreise in die UdSSR nicht beim NKVD vorgelegt werden soll.*9 3. Die Leiter der Verwaltungen, die Vorsitzenden der Vereinigungen und die Handelsvertreter sind zu verpflichten, den Empfang von ausländischen Firmenvertretern und die Verhandlungen mit Ausländern zu regeln, wofür erforderlich ist: a) in den Vereinigungen und Handelsvertretungen separate Räume für den Empfang von Ausländern bereitzustellen, die von den übrigen Räumen der Vereinigungen oder Handelsvertretungen isoliert sind; b) in den Vereinigungen und Handelsvertretungen für die Bedienung der Ausländer spezielle Mitarbeiter abzustellen; c) eine verbindliche Liste der Personen anzulegen, denen die Führung von Verhandlungen mit ausländischen Firmenvertretern gestattet ist; d) von allen Außenhandelsmitarbeitern die Anfertigung von knappen Aufzeichnungen über jedes Gespräch (darunter auch die per Telefon) mit ausländischen Firmenvertretern zu gewährleisten.10 4. Die Leiter der Verwaltungen sind zu verpflichten, sich periodisch persönlich mit den Aufzeichnungen über die Verhandlungen mit ausländischen Firmen in den ihnen unterstellten Vereinigungen vertraut zu machen. 5. Es ist festzulegen, dass Gesuche für Einreisegenehmigungen in die UdSSR von ausländischen Firmenvertretern persönlich von den Handelsvertretern oder von dem Vorsitzenden der Außenhandelsvereinigung unterzeichnet werden müssen. 6. Die Leiter der Export- und Importverwaltungen sind zu verpflichten, innerhalb von zwei Monaten *Musterbedingungen für den Verkauf und Musterbedingungen für den Aufkauf*11 zu erarbeiten, die von den Export- und Importvereinigungen angewandt und untrennbarer Bestandteil jedes Geschäftsabschlusses oder Vertrages 5 6 7 8 9
Der Text ist mit Tinte korrigiert; ursprünglich: Die Vorsitzenden aller Vereinigungen. Die Zahl ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. Der Text ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. Zwei nachfolgende Zeilen des Absatzes sind mit Tinte durchgestrichen. Der Absatz ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen und mit einem Häkchen versehen. 10 Am 10.10.1937 schickten Sud’in und Levin den Handelsvertretungen der UdSSR im Ausland ein Rundschreiben, in dem es hieß: „Trotz der im NKVT festgelegten Regeln, dass die Außenhandelsmitarbeiter über alle Gespräche mit Ausländern obligatorisch Aufzeichnungen anzufertigen haben, beschränken sich die Handelsvertreter der UdSSR im Ausland, die handelspolitische Gespräche mit Vertretern ausländischer Staaten führen, in einer Reihe von Fällen darauf, das NKVT über diese Gespräche durch verschlüsselte Telegramme oder Briefe zu unterrichten und erstellen keine gesonderten Aufzeichnungen jedes Gesprächs.“ In: RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2491, l. 84. 11 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen.
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2. 6. 1937 Nr. 31 werden müssen. *Zu diesen Bedingungen ist ein spezieller Punkt über die materielle Verantwortlichkeit der Firmen vorzusehen, sofern diese in ihren Handelsbeziehungen mit sowjetischen Organisationen Agenten, Vermittler*12 usw. einsetzen. 7. Es ist immer noch der unbefriedigende Stand der Erfassung der Firmen in den Export- und Importvereinigungen festzustellen. Der Leiter der Exportverwaltung Gen. Garibov und der Leiter der Importverwaltung Gen. Volin sind zu verpflichten, innerhalb eines Monats die Erfassung der Kartothek der Firmen in den Vereinigungen zu überprüfen und Maßnahmen zu treffen, sie vollständig in Ordnung zu bringen. [...]13 III. Zur Unterweisung der ins Ausland reisenden sowjetischen Mitarbeiter 1. Der Leiter des Sektors für Kader Gen. Troickij ist zu verpflichten, in Monatsfrist einen Entwurf der Instruktion für sowjetische Mitarbeiter, die zur ständigen Arbeit oder für eine befristete Dienstreise ins Ausland geschickt werden, und *über die Verhaltensregeln im Ausland unter Berücksichtigung der Methoden, die von der ausländischen Spionage zwecks Erpressung von sowjetischen Mitarbeitern und zur Anwerbung von Spionen angewandt werden, auszuarbeiten und mir zur Bestätigung vorzulegen.*14 VOLKSKOMMISSAR FÜR AUßENHANDEL Rozengol’c Vermerk von A.P. Rozengol’c mit blauem Farbstift: Weisungen AR[ozengol’c]. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 2 Expl. 1 [Exemplar] zur Unterschrift, 1 zu den Akten **–vernichtet**15, 1.VI.37. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2439, l. 150–154.Original.
12 13
Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Ausgelassen ist der Abschnitt: II. Zur operativen Handelstätigkeit der Außenhandelsorganisationen (l. 151–154). 14 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. 15 Das Wort ist mit Tinte geschrieben.
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Nr. 32
7. 6. 1937
Nr. 32 Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin Nr. 32 7. 6. 1937 7. 6. 1937 Geheim Expl. Nr. 9 Nr. 242/l 7. Juni 1937 AN DEN GENERALSEKRETÄR DES ZK DER VKP (B) Gen. STALIN Kopien an: Gen. Molotov Gen. Vorošilov Gen. Kaganovič ZU SPANIEN 1. Die deutsche Presse, und mit ihr auch die ihr nahestehende Presse anderer Länder, bauscht massiv die deutsche Version der Beteiligung sowjetischer Piloten an der Bombardierung der „Deutschland“1 auf. In diesem Zusammenhang wird die Fiktion einer angeblichen Verordnung des Politbüros über die Anzettelung eines Krieges im Frühjahr 1937 und über die Ausnutzung der spanischen Ereignisse zu diesem Zweck in Umlauf gebracht. Ich habe hier ein Telegramm von Majskij gefunden, in dem er richtigerweise vorschlägt, dass die Version von den sowjetischen Piloten von der spanischen Regierung dementiert werden sollte. Ich empfehle, dies Valencia2 vorzuschlagen. Zugleich empfehle ich auch unserer Presse, entsprechend auf die deutschen Unterstellungen zu reagieren.3 2. Deutschland, das um die Bombardierung der „Deutschland“ ein großes Geschrei erhebt, betont, dass der Kreuzer bei der Ausübung seiner Kontrollpflichten4 angegriffen wurde. Die spanische Regierung hat bereits offiziell erklärt, dass die „Deutschland“ keine Kontrollaufgaben wahrgenommen haben könne, da sie sich in einer Zone befunden habe, mit deren Kontrolle nicht Deutschland, sondern Frankreich beauftragt sei. Ich denke, dass auch Maiskij diesen Umstand in einem speziellen Schreiben an den Vorsitzenden des Londoner Ausschusses festhalten
1 Am 29.5.1937 wurde der in der Nähe Ibizas vor Anker liegende Panzerkreuzer der deutschen Kriegsmarine „Deutschland“ von zwei Bombern der republikanischen Luftwaffe (Staffelkommandeur war Oberleutnant Ostrjakov) angegriffen. Es schlugen zwei Bomben ein und beschädigten das Schiff, dabei wurden 31 Personen getötet und 78 verwundet. 2 Aufenthaltsort der republikanischen Regierung Spaniens im Bürgerkrieg. Vgl. „Ispanskoe ministerstvo oborony ob incidente u ostrova Ivisa” (Das spanische Verteidigungsministerium über den Vorfall bei der Insel Ibiza). In: Pravda vom 11. Juni 1937, S. 1. 3 Vgl. „Beseda s ispanskim letčikom Chose Arsega“ (Gespräch mit dem spanischen Piloten José Arsega). In: Izvestija vom 8. Juni 1937, S. 2. 4 Der Nichteinmischungsausschuss hatte ein Abkommen über die Kontrolle der spanischen Land- und Seegrenzen ausgearbeitet mit dem Ziel, dem Zustrom von Freiwilligen, Waffen und militärischen Ausrüstungen aus dem Ausland Einhalt zu gebieten Es wurde am 23.2.1937 von Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Portugal und der UdSSR unterzeichnet. Es legte eine 10-Meilen-Patrouillenzone entlang des gesamten spanischen Küstenbereichs fest, in der nur Kriegsschiffe dieser Staaten Dienst tun sollten; die Patrouillenzone der deutschen und italienischen Flotten umfasste insbesondere den Küstenbereich von Almeria bis zur französischen Grenze.
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7. 6. 1937 Nr. 32 sollte5, denn wenn die „Deutschland“ sich nicht in Sachen Kontrolle am Ort des Bombardements befand, hat der Londoner Ausschuss nichts mit diesem Fall zu tun. Ich persönlich halte es nicht für erwiesen, dass die „Deutschland“ überhaupt eine Kontrollfunktion wahrgenommen hat. Es ist bekannt, dass die „Deutschland“, wie auch andere deutsche Kriegsschiffe, bereits vor Einführung der Kontrolle sich in spanischen Gewässern herumgetrieben hat. Wenn ich mich nicht irre, sind keine Schiffe, die von den vier Mächten zur Kontrolle entsandt wurden, beim Ausschuss registriert. Demzufolge kann die deutsche Version von der Kontrollfunktion der „Deutschland“ durchaus in Abrede gestellt werden. Ich schlage vor, auch diesen Punkt in Form einer Anfrage im Schreiben Majskijs an den Vorsitzenden des Londoner Ausschusses festzuhalten. Es schadet auch nicht, diskret auf die Irregularität der Verhandlungen Englands mit Deutschland und Italien über Fragen der Kontrolle hinter dem Rücken des Londoner Ausschusses und ohne Wissen der anderen Länder hinzuweisen. Wenn es keine Einwände gegen meine Vorschläge gibt, bitte ich, den in der Anlage beigefügten Entwurf eines Chiffretelegramms an London6 zu genehmigen. LITVINOV Vermerk M.M. Litvinovs mit blauem Farbstift: A[rchiv] Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Dokumente und der Verteiler vermerkt: 9 Expl. [Die Exemplare] 1– 5 an die Adressaten, **versandt über SŠO**7 das 6. [Exemplar] an Gen. Potemkin, das 7. an Gen. Stomonjakov, das 8. an Gen. Litvinov, das 9. ins Archiv. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 126, d. 1, l. 222–223. Kopie.
5 6 7
Vgl. DVP, Bd. XX, Dok. 192, S. 299–300. In der Akte nicht vorhanden. Der Text ist mit Tinte geschrieben.
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Nr. 33
7. 6. 1937
Nr. 33 Schreiben des Leiters der Abteilung für Wissenschaft, wissenschaftlich-technische Erfindungen und Entdeckungen beim ZK der VKP (B) Bauman an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin und den Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare der UdSSR Molotov Nr. 33 7. 6. 1937 7. 6. 1937 7. Juni 1937 Nr. č 713ss AN DEN SEKRETÄR DES ZK DER VKP (B) Gen. J.V. STALIN AN DEN VORSITZENDEN DES SNK DER UdSSR Gen. V.M. MOLOTOV ZUR TEILNAHME SOWJETISCHER WISSENSCHAFTLER AN DEUTSCHEN WISSENSCHAFTLICHEN GESELLSCHAFTEN Über 1000 sowjetische Wissenschaftler und Ingenieure sind Mitglieder in verschiedenen ausländischen wissenschaftlichen Gesellschaften, Vereinen und Zeitschriftenredaktionen (so in Deutschland, England, den USA und in anderen Ländern). Hinsichtlich der Mitgliedschaft und Mitarbeit von sowjetischen Wissenschaftlern nehmen unter allen diesen ausländischen Wissenschaftsorganisationen bis heute deutsche Gesellschaften den ersten Platz ein. Besonders viele sowjetische Wissenschaftler gehören deutschen chemischen Gesellschaften an. Ungefähr 100 unserer Wissenschaftler sind Mitglied der Deutschen Chemischen Gesellschaft, darunter Bach, Zelinskij, Pisarževskij, Menšutkin Mitglied der Deutschen KolloidGesellschaft sind Frumkin, Rebinder, Peskov, Dumanskij und andere. Der Deutschen Bunsen-Gesellschaft für Physikalische Chemie gehören 14 Personen an (Vernadskij, Kistjakovskij und andere). Sehr viele unserer Wissenschaftler und Ingenieure gehören solchen deutschen technischen Gesellschaften und Vereinen wie dem Verein Deutscher Gießereifachleute, dem Verein Deutscher Ingenieure, dem Verein Deutscher Eisenhüttenleute an. Unter den sowjetischen Wissenschaftlern, die Mitglied in deutschen Wissenschaftsorganisationen sind, gibt es auch Kommunisten, zum Beispiel in der Deutschen Botanischen Gesellschaft die Akademiemitglieder Richter und Keller; Štern und Zavadovskij sind ordentliche Mitglieder der Akademie für Naturwissenschaften in Halle. 1936 wurden aus der Sowjetunion 13.000 Goldrubel als Mitgliedsbeiträge an deutsche Wissenschaftsorganisationen überwiesen. In den letzten Jahren haben sich sämtliche deutsche Gesellschaften stark faschisiert. Die Schreiben vieler Gesellschaften an sowjetische Wissenschaftler enden demonstrativ mit der Grußformel „Heil Hitler“ (Verein Deutscher Gießereifachleute, Deutsche Beleuchtungstechnische Gesellschaft). Die Deutsche Chemische Gesellschaft nahm eine Änderung der Satzung vor, derzufolge Nichtarier nur ein beratendes Stimmrecht haben. Laut Satzung des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute besteht eine Aufgabe des Vereins darin, staatliche Vorgaben gemeinsam mit dem
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7. 6. 1937 Nr. 33 Technikbüro der faschistischen Partei umzusetzen. Die Zeitschrift des Verbandes der Elektrotechniker stellte die Veröffentlichung von Artikeln nichtarischer Autoren ein. Die anthropologischen Gesellschaften propagieren in ihren Presseerzeugnissen systematisch rassistische und obskure Theorien. Unter sachlichem Aspekt ist die Mitgliedschaft von sowjetischen Wissenschaftlern und Ingenieuren in deutschen Gesellschaften rein formaler Natur und ohne jeglichen Nutzen. Die Mitglieder der Gesellschaft erhalten gewöhnlich Zeitschriften und Nachschlagewerke, die man ungehindert abonnieren kann. Die Teilnahme sowjetischer Wissenschaftler stärkt das Ansehen deutscher wissenschaftlicher Organisationen, die ihre hohe internationale Reputation, die sie einst hatten, faktisch schon eingebüßt haben. Einzelne unserer Wissenschaftler und Ingenieure werfen die Frage nach der politischen Zweckmäßigkeit der Teilnahme in deutschen wissenschaftlichen Gesellschaften auf und treten vereinzelt aus diesen Gesellschaften aus. Diese Stimmung ist kennzeichnend für die Mehrheit der sowjetischen Wissenschaftler, die deutschen wissenschaftlichen Organisationen angehören. Es gibt aber auch eine Gruppe von Wissenschaftlern, die eine Teilnahme in deutschen Gesellschaften als unverzichtbar betrachten. So sind Akademiemitglied N.I. Vavilov, Prof. Kol’cov und eine Reihe anderer Wissenschaftler nach wie vor Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Vererbungswissenschaft, und das, obwohl der Präsident der landwirtschaftlichen Akademie der Wissenschaften, Genosse Muradov1, ihnen auf unsere Anregung hin mitgeteilt hat, dass ihr Austritt aus der genannten Gesellschaft wünschenswert sei. Diese genetische Gesellschaft ist im höchsten Maße obskur. Sie vereinigt in sich die reaktionärsten Genetiker, die zu Fragen der Rassentheorien arbeiten, und steht in direkter Verbindung mit dem hitlerischen Propagandaministerium. Gegenwärtig haben die barbarischen Verbrechen des Faschismus in Spanien – die Zerstörung von Guernica2, die Bombardierung von Almeria3 – eine gewaltige Protestwelle ausgelöst, darunter auch bei progressiven Schichten der Intelligenz, bei Wissenschaftlern und Künstlern, sowohl in Spanien selbst als auch in anderen Ländern. Bei unseren Wissenschaftlern verstärkt sich der Wunsch nach einem demonstrativen Austritt aus den deutschen Gesellschaften als Zeichen des Protests gegen den von den Deutschen gepflegten Obskurantismus und die Gräueltaten, insbesondere im Zusammenhang mit den Ereignissen in Spanien. Die Initiative und Umsetzung dieses politischen Schrittes kann von den Wissenschaftlern und wissenschaftlichen Organisationen ausgehen (Gewerkschaft der Mitarbeiter der Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen, wissenschaftlichen und ingenieurtechnischen Gesellschaften). Erbitte Ihre Weisungen.4 1 2
So im Dokument; richtig: Muralov. Am 26.4.1937 hatten deutsche und italienische Fliegerverbände, die am Bürgerkrieg in Spanien auf der Seite der Franquisten teilnahmen, schwere Luftangriffe gegen Guernica geflogen. 3 Am 31.5.1937 beschoss das deutsche „Westentaschenschlachtschiff“ „Graf Spee“ mit Unterstützung von vier Zerstörern die von den Republikanern kontrollierte Hafenstadt Almeria mit der Folge, dass sehr viele Tote und Verletzte zu beklagen waren. 4 Molotov erteilte am 9.6.1937 die Weisung: „Es ist Gen. Kržižanovskij zu fragen“. Am 13.6.1937 vermerkte Kržižanovskij für Molotov: „Bei der Erörterung eines demonstrativen
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Nr. 34
7. 6. 1937
Leiter der Abteilung für Wissenschaft, wissenschaftlich-technische Erfindungen und Entdeckungen beim ZK der VKP (B) Bauman 7.VI.37 Veröffentlicht in: SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 92, S. 155–158.
Nr. 34 Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA Nr. 34 7. 6. 1937 7. 6. 1937 Moskau, den 7. Juni 1937 Tgb. E/160 1 Anlage Inhalt: Besuche deutscher Gelehrter in der Sowjetunion. Dem Auswärtigen Amt beehre ich mich, anbei einen Bericht des Deutschen Generalkonsulats Tiflis vom 7. v. Mts., betreffend die Tätigkeit des Professors Lehmann-Haupt an der Universität Tiflis, in Durchdruck vorzulegen. Zu der am Schluss des Berichts aufgeworfenen Frage, ob unter den heutigen Verhältnissen eine berufliche Tätigkeit deutscher Gelehrter in der Sowjetunion angebracht sei, darf ich Nachstehendes bemerken: Nachdem die Ausweisungen hier berufstätiger fremder, insbesondere deutscher Staatsangehöriger einen außergewöhnlichen Umfang angenommen haben – erst kürzlich ist der Dirigent Szenkar, ein ungarischer Staatsangehöriger, davon betroffen worden –, erscheint es mir bis auf weiteres nicht ratsam, dass deutsche Gelehrte oder Künstler Rufe in die Sowjetunion annehmen und sich damit ähnlichen Verfolgungsmaßnahmen aussetzen. Der Hinweis des Generalkonsulats Tiflis auf die besonderen Verhältnisse in Transkaukasien dürfte dieser Beurteilung nicht entgegenstehen, da jedenfalls bei den Behörden der transkaukasischen Sowjetrepubliken die gleiche Einstellung in Fragen der Fremdenpolitik vorausgesetzt werden muss wie in der übrigen Sowjetunion. gez. v. der Schulenburg.
Austritts aus deutschen Gesellschaften nahm bis jetzt das NKID eine ablehnende Haltung ein. Zweifellos nimmt die Proteststimmung gegen die Taktik der Faschisten (sowohl gegenüber der UdSSR als auch gegenüber der gesamten Wissenschaftsfront) bei dem gesunden Teil der Akademiemitarbeiter zu. Wir unterstützen solch eine Stimmung mit uns allen zur Verfügung stehenden Mitteln, und im Falle von individuellen Austritten werden wir solche Schritte öffentlich machen. Mir scheint, dass man sich noch für eine gewisse Zeit mit solch einer Haltung begnügen könnte." Auf dem von Molotov abgezeichneten Exemplar gibt es folgende Beschlüsse und Vermerke: „Ist im ZK zu erörtern. St[alin] mit Gen. Čubar’ M[olotov]. Mit der Auffassung des Gen. Kržižanovskij einverstanden, es wäre jedoch angebracht, sich im ZK zu beraten. V. Čubar’“. In: Moskva-Berlin, Bd. 3, Dok. 162, S. 241, 242.
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2. 6. 1937 Nr. 35 Oben: Rein-Durchschlag. Am Seitenrand: abg[egangen] 7/6. und Kl[einer] Umlauf mit den entsprechenden Paraphen. PA AA, Moskau II 407, Bl. 146.
Nr. 35 Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA Nr. 35 2. 6. 1937 2. 6. 1937 Moskau, den 7. Juni 1937 Tgb. Nr. C IV a Nov.-Verh. In Anschluss an den Bericht vom 31. Mai 19371 – C IV a Nov.-Verh.Inhalt: Komplex der seit Ende 1936 in der Sowjet-Union verhafteten deutschen Reichsangehörigen. Den stellvertretenden Außenkommissar, Herrn Potemkin, habe ich, weil er an einer Fischvergiftung laborierte, erst am 5. Juni wieder aufsuchen können. Ich sagte ihm, dass ich mich wundere, in der Zwischenzeit nichts über die Durchführung der Abschiebung unserer Verhafteten gehört zu haben. Ich fügte hinzu, dass die Regierung Franco von uns bereits gebeten worden sei, mit der Durchführung der Abschiebung der Sowjetschiffsbesatzungen nach Hendaye zu beginnen und sprach die Erwartung aus, dass nunmehr auch die Sowjetregierung die Ausweisung unserer politischen Verhafteten unverzüglich veranlassen werde. Herr Potemkin erwiderte, er wundere sich auch, dass die Angelegenheit noch nicht vorwärtsgekommen sei und erklärte, dass er hierüber sofort noch einmal mit dem Innenkommissar, Herrn Jeshoff, sprechen werde. Ich sprach mit Herrn Potemkin über unsere dem Außenkommissariat am 31. Mai überreichte Liste mit den Namen der verhafteten Reichsdeutschen, deren Ausweisung wir wünschen und hatte dabei den Eindruck, dass Herr Potemkin mit der Ausweisung von etwa 50 Personen rechnet. Ein gewisses Anzeichen dafür, dass einige der zum engeren Komplex der „Novemberverhafteten“ gehörenden Reichsdeutschen sowjetischerseits möglicherweise nicht wegen der angegebenen politischen, sondern wegen krimineller Straftaten vor Gericht gestellt werden dürften, enthält eine Iswestijameldung vom 5. d. Mts. unter der Überschrift: „Deutsche und italienische Konterbandisten“2. Darin werden außer einigen Italienern, einigen Unbekannten mit deutschen Namen und einigen inzwischen nach Deutschland zurückgekehrten Reichsangehörigen (Schulz-Succo3, Friedrich Wiese4), die gegenwärtig in Untersuchungshaft befindlichen Reichsangehörigen Futterknecht der Konterbande (illegaler Verkauf eines zollfrei eingeführten Autos) und Metzger des Schmuggels von Brillanten beschuldigt. Diese Beschuldigungen der Genannten sind aus der Berichterstattung des Generalkonsulats Lenin1 2 3 4
In der Akte vorhanden (o.P., 2 Bl.). „Nemeckie i ital’janskie kontrabandisty“. In: Izvestija vom 5. Juni 1937, S. 4. Vgl. Rückkehrer-Vernehmungsakte in: PA AA, R 153408. Vgl. Rückkehrer-Vernehmungsakte des Sohnes in: PA AA, R 154143.
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Nr. 36
9. 6. 1937
grad bereits gleichzeitig mit ihrer Verhaftung bekanntgeworden, somit nicht ad hoc erfunden. Ich beabsichtige, den inzwischen zurückgekehrten Volkskommissar Litwinoff noch vor meiner Abreise aufzusuchen und werde bei dieser Gelegenheit auch ihn bitten, für die beschleunigte Durchführung der zugesagten Ausweisung unserer Verhafteten zu sorgen. gez. Schulenburg Auf erstem Blatt oben: Konzept, am Seitenrand: ab 7/6 und ZdA H[ensel] 8/6. Am Ende Paraphen von T[ippelskirch] 7/6 und H[ensel] 7/6. PA AA, Moskau 418, o. P., 2 Bl.
Nr. 36 Aufzeichnung der Unterredung des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 36 9. 6. 1937 9. 6. 1937 Geheim Expl. Nr. 4 [9.6.1937] TAGEBUCH M.M. LITVINOVS EMPFANG SCHULENBURGS, 9.VI.1937 1. Schulenburg teilte mit, dass er für zwei Monate in Urlaub fahren wolle, doch zuvor wolle er Verhandlungsergebnisse bezüglich der Inhaftierten sehen. Nach seinen Erkundigungen sei einer der in Deutschland inhaftierten Sowjetbürger bereits freigelassen worden, ein weiterer sei wahrscheinlich auch bereits entlassen, eine Bürgerin sei von einem Gericht verurteilt worden und deshalb sei eine formelle Amnestie nach üblicher Prozedur erforderlich. Die zweite von uns benannte Staatsbürgerin habe sich überhaupt in Freiheit befunden, sodass sich die sie betreffende Angelegenheit erübrige. Was die Besatzungen unserer Schiffe in Spanien betreffe, so habe die deutsche Regierung nicht nur das Einverständnis erklärt, auf Franco einwirken zu wollen1, sondern bereits seine Zusage erwirkt, die Besatzungen zu entlassen und *sie nach Hendaye*2 zu entsenden. Zur gleichen Zeit hätten wir jedoch noch keinen einzigen Deutschen ausreisen lassen. Ich sagte dem Botschafter, dass er unbesorgt den Urlaub antreten könne und hinsichtlich der Ergebnisse keine Zweifel haben müsse, da es eine Absprache gebe. Er möge aus Berlin noch einmal auf Franco Druck ausüben, um die Ausweisung der Besatzungen zu beschleunigen, was wiederum die Angelegenheit in Moskau beschleunigen würde. 1 2
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Vgl. Dok. 17. Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen.
11. 6. 1937 Nr. 37 2. Schulenburg sprach erneut über die Korrespondenten. Baum sitze auf den Koffern und mache große Unannehmlichkeiten durch. *Er könne solange nicht abreisen, bis nicht seine Wohnungsangelegenheit entschieden sei.*3 Just fahre in Urlaub und kehre im Herbst nur zur Regelung seiner persönlichen Dinge zurück, danach reise er endgültig ab. Schüle wolle ebenfalls in Urlaub fahren, aber es müsse jemand hier verbleiben. Angesichts dieser Lage bitte der Botschafter darum, den Korrespondenten der „Frankfurter Zeitung“, Pörzgen, hierher kommen zu lassen. Wir hätten die Frage der Parität aufgeworfen, mittlerweile hätten wir in Berlin zwei TASS-Vertreter4 und einen Vertreter der „Pravda“5, in Moskau wären jedoch nur zwei Vertreter; mit der Abreise von Just verbliebe nur noch einer. Ich versprach zu klären, ob es möglich wäre, Pörzgen befristet für drei Monate zuzulassen mit der Maßgabe, ihm nach der endgültigen Abreise von Just die ständige Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Der Botschafter sagte, dass ihn dies völlig zufriedenstellen würde. LITVINOV Vermerk mit rotem Farbstift: II. Westabteilung. Vermerk G.Ja. Bežanovs mit blauem Farbstift: an Gen. Lev[in]. GBež[anov]. Oben rechts befindet sich der Stempel der 2. Politischen Westabteilung des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 1133 vom 10.6.1937. Am Ende des Dokuments ist der Verteiler vermerkt: Das 1. [Exemplar] ins Archiv, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. an Gen. Bežanov, das 5. nach Berlin, Punkt 2 an Gen. Galkovič. AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 1, l. 43–44. Kopie.
Nr. 37 Schreiben des Mitarbeiters des Geheimen Staatspolizeiamtes Klein an das AA, 11. Juni 1937 3 4 5 Nr. 37 11. 6. 1937 11. 6. 1937 Berlin SW 11, den 11. Juni 1937 S/PP (II P) Nr. 2828/37. g. An das Auswärtige Amt, Berlin Betrifft: Buchtausch der Reichstauschstelle und des Deutsch-Ausländischen Buchtausches mit der Sowjetunion. Bezug: Schreiben vom 15.5.1937 – Kult W 5045 – . Aus den schon in meinem Schreiben vom 5.3.19371 – gleiches Aktenzeichen – dargelegten und darüber hinaus aus postalisch-technischen Gründen muss ich wei3 4 5
Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Ippolit Konstantinovič Sitkovskij, Arnol’d Karlovič Karnit. A. Klimov.
1
Am Seitenrand dazu: Kult W 3408.
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Nr. 37
11. 6. 1937
ter darauf bestehen, dass auch alle für die Reichstauschstelle und den DeutschAusländischen Buchtausch bestimmten, sowjetisches Schrifttum enthaltenden Postsendungen über mein bei der Firma Koehler und Volckmar in Leipzig eingerichtetes Russland-Lektorat laufen. – Der Herr Reichspostminister hat mir mitgeteilt, dass er seine nachgeordneten Postdienststellen angewiesen habe, sämtliche Postsendungen mit Schrifttum im Verkehr mit der Sowjetunion über mein Russland-Lektorat in Leipzig zu leiten. Diese Anordnung wird von den Postdienststellen nunmehr streng durchgeführt. Ihre Lockerung oder Abänderung würde zweifellos zu einer Verwirrung bei den unteren Postdienststellen und damit zu einer unvermeidlichen Störung des Postbetriebes führen. Die Verzögerung, die durch die Umleitung der genannten Postsendungen über Leipzig entsteht, beträgt nur wenige Stunden und fällt daher praktisch überhaupt nicht ins Gewicht. Von der Umleitung der aus der Sowjetunion für die Reichstauschstelle und den Deutsch-Ausländischen Buchtausch eingehenden Kisten mit sowjetischem Schrifttum über Leipzig würde ich allerdings absehen können, falls sich die Reichstauschstelle verpflichten würde, den jeweiligen Eingang einer Kiste aus der Sowjetunion dem Geheimen Staatspolizeidienst unverzüglich, gegebenenfalls fernmündlich, anzuzeigen und die Öffnung erst dann vorzunehmen, wenn der Beauftragte des Geheimen Staatspolizeiamtes zur Kontrolle des Inhaltes eingetroffen ist. Darüber hinaus erbitte ich die Zustimmung dafür, dass dem Beauftragten des Geheimen Staatspolizeiamtes das bei der Reichstauschstelle und dem DeutschAusländischen Buchtausch vorhandene Aktenmaterial über den Buchtausch mit der Sowjetunion zur Einsichtnahme zugänglich gemacht wird. Von der Kontrolle der von der Reichstauschstelle und dem Deutsch-Ausländischen Buchtausch nach der Sowjetunion abgehenden Kisten mit deutschem Schrifttum bin ich bereit abzusehen, da ich durchaus keinen Zweifel hege, dass beide Tauschstellen bei der Auswahl des für die Sowjetunion bestimmten deutschen Schrifttums die nötige Sorgfalt walten lassen. Für eine baldige zustimmende Mitteilung wäre ich dankbar. Im Auftrage gez. Klein Beglaubigt: [Unterschrift] Kanzleiangestellte Auf erstem Blatt oben: Stempel Geheim! und Eingangsstempel des AA: Kult W 348 (g) eing. 17. JUN. 1937. Unten: Geheim Kult W. PA AA, R 60598, Bl. 146-147.
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12. 6. 1937 Nr. 38 Nr. 38 Schreiben des Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Nepomnjaščij an den Volkskommissar für Außenhandel Rozengol’c Nr. 38 12. 6. 1937 12. 6. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 1 Ausgangs-Nr. 330/s1 [12.06.1937] AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUßENHANDEL DER UdSSR Gen. *A.P. ROZENGOL’C*2 Kopie an:
den Leiter des Sektors für Handelsvertretungen Gen. M.I. Levin
Lieber Arkadij Pavlovič! Ich möchte Sie kurz über die Verhandlungen mit dem Wirtschaftsministerium informieren. Während des Treffens beklagten sich die Deutschen darüber, dass *wir die Lieferung der von ihnen benötigten Waren gemäß Sonderkonto „A“ an sie hinauszögern würden*3. Daran anknüpfend erklärten wir, dass wir angesichts dessen, dass das Abkommen für 1937 sehr spät abgeschlossen worden sei4, in einer äußerst kurzen Frist eine große Menge an Rohstoffen hätten liefern müssen, wofür eine große Frachtkapazität erforderlich gewesen wäre. Diese Frachtkapazität sei jedoch angesichts der Entwicklungen in der Welt5 in einer derart knappen Zeitspanne *sehr schwer bereitzustellen gewesen*. Dies führe zu einer Preissteigerung für die Waren und zu Einbußen für beide Seiten. Als Ergebnis dieser Verhandlungen kamen wir auch überein, dass der Abschluss des Abkommens für 1938 beschleunigt werden müsse. Beim folgenden Treffen vereinbarten wir, für das Abkommen für 1938 als Grundlage das *Abkommen für 1937 zu nehmen* oder aber einfach *das Abkommen von 1937 für 1938 zu verlängern*, jedoch mit einigen *Veränderungen*. Die Veränderungen, deren Durchführung Sie für erforderlich erachten, bitten wir uns zuzusenden, und dann werden wir die Verhandlungen aufnehmen. Wir haben Kenntnis von einer Sondersitzung des Russland-Ausschusses erhalten, an der außer den üblichen Mitgliedern des Russland-Ausschusses (Reyß, Herbert Göring, Hollender, Tschunke und andere) ein speziell entsandter Vertreter der 1 2 3
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der Name ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Der hier und im Folgenden so gekennzeichnete Text wurde von Sud’in mit rotem Farbstift unterstrichen. 4 Das Abkommen über den Handels- und Zahlungsverkehr mit Deutschland für das Jahr 1937 wurde am 24.12.1936 abgeschlossen. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 615, S. 1527. 5 Gemeint ist die Verschärfung der internationalen Lage im Zusammenhang mit der verstärkten Einmischung in den Bürgerkrieg in Spanien.
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Nr. 38
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Reichskanzlei 6 (*d. h. Hitlers*) teilnahm. Auf dieser Sitzung hielt Reyß einen Vortrag über den beklagenswerten Zustand der Wirtschaftsbeziehungen mit der UdSSR7 und führte dazu folgende Zahlen an: er stellte den Handelsumsatz der UdSSR und Deutschlands des Jahres 1931 der Zahl der von uns getätigten Aufträge im 1. Quartal d.J. gegenüber; es ergab sich ein **ungefähres**8 Verhältnis von *1.000 000 000 zu ca. 5.000 000* Mark. Diese Zahlen hinterließen bei den Ausschussmitgliedern einen niederschmetternden Eindruck. Diese Sitzung versetzte die Industriellen, die an Geschäften mit der Sowjetunion interessiert sind, in helle Aufregung, und sie führen [nun] Gespräche darüber, dass es dringend nötig wäre, Maßnahmen zur Ausweitung des *Warenumsatzes mit der Sowjetunion* zu ergreifen. Auf der gleichen Sitzung wurden der Ausschuss-Vorsitzende Reyß und Herbert Göring beauftragt, mit Schacht, General Göring und anderen Personen in Kontakt zu treten. Die Vertreter der Industrie, die zu mir kommen, um sich mir vorzustellen, zeigen sich noch ratlos, jeder einzelne spricht sich dafür aus, dass „man unbedingt Maßnahmen ergreifen und irgendeinen Ausweg finden muss“ usw., und jeder erklärt, *dass „er auf den Bismarckschen Positionen steht“*, d. h., dass die UdSSR und Deutschland in Freundschaft [leben] sollten. Dies ist vorerst alles. HANDELSVERTRETER IN DEUTSCHLAND L.L. Nepomnjaščij Vermerk mit Tinte: an Gen. Sud’in9. Resolution S.K. Sud’ins mit rotem Farbstift: an Gen. M.I. Levin. Ihre Vorschläge. Sud[’in]. 25/VI. Vermerk mit Tinte: zu den Akten. In dem oberen Teil befindet sich der Stempel der Geheimgruppe des NKVT der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 8034/100 vom 20.6.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Dokumente und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Nr. 1 an Gen. Rozengol’c, Nr. 2 an Gen. M.I. Levin, Nr. 3 zu den Akten. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2510, l. 76–77. Original.
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Im Dokument in Deutsch mit kyrillischen Buchstaben geschrieben. Am 28.5.1937 fand eine Vorstandssitzung des Russland-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft statt, auf der dessen Vorsitzender Reyß einen Vortrag zur politischen und wirtschaftlichen Lage der UdSSR und zum gegenwärtigen Zustand der deutsch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen gehalten hatte. Zum Vortragstext vgl. Dok. 29. 8 Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. 9 Am 14.6.1937 wurde Rozengol’c seines Postens als Volkskommissar enthoben, an seiner Stelle wurde Sud’in als kommissarischer Volkskommissar für Außenhandel der UdSSR ernannt.
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12. 6. 1937 Nr. 39 Nr. 39 Schreiben des Rates der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Astachov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin Nr. 39 12. 6. 1937 12. 6. 1937 Ganz geheim Expl. Nr. 2 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Berlin Nr. 145/s1 12. Juni 1937 AN DAS NKID Gen. POTEMKIN Kopien an: *Gen. LITVINOV*2 Gen. ZASLAVSKIJ Sehr geehrter Vladimir Petrovič! 1. Ich möchte Sie auf die vollkommen katastrophale Personalsituation der Bevollmächtigten Vertretung aufmerksam machen. Nach der Abreise des Gen. Gnedin3 sind von den NKID-Mitarbeitern insgesamt *zwei Personen mit diplomatischem Profil übrig geblieben. Das ist außer mir Gen. Bogdanov, der Leiter der OSŠO4, der aber nicht als Diplomat zählt, weil sich seine Tätigkeit im Rahmen seiner speziellen Funktionen bewegt. Somit kann davon ausgegangen werden, dass im Prinzip ich allein diplomatischer Mitarbeiter in der Bevollmächtigten Vertretung bin. Sie können sich leicht vorstellen, wie angespannt diese Situation selbst bei einem normalen Arbeitsablauf ist*5, schon gar nicht davon zu sprechen, dass sie bei der geringsten Belebung der Tätigkeit ganz unerträglich wird. Bereits jetzt bin ich hauptsächlich mit Dingen befasst, für die Magalif6 zuständig war. Doch die Angelegenheit erschöpft sich nicht in dem Mangel an diplomatischen Mitarbeitern, es gibt überhaupt keine Mitarbeiter. Die Konsularabteilung wird nach der Abreise des Gen. Gordon7 von Gen. Lukin geleitet, die Presseabteilung von Gen. Danilevič. Selbst wenn sie sich ausschließlich mit dieser Tätigkeit befassen würden, so wäre dies nicht normal. Wie Ihnen aber bekannt sein sollte, sind sie grundsätzlich mit anderer Arbeit eingedeckt; und die Tätigkeit der Konsular- und Presseabteilung ist eigentlich gar nicht gewährleistet, weil diese Genossen zurzeit nicht einmal über Sekretariatsmitarbeiter verfügen (außer der Deutschen Lange in der Konsularabteilung). 1 2 3 4
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der Name ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Vgl. Dok. 13. Ob-edinennyj sekretno-šifroval’nyj organ, d.i. das Vereinigte Geheime Chiffrierorgan, das für die sowjetischen Einrichtungen im Ausland geschaffen wurde. 5 Der Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. 6 Der Geschäftsführer der Bevollmächtigten Vertretung Magalif war am 2.4.1937 in Moskau verhaftet worden. 7 Gordon wurde im Mai 1937 aus Deutschland abberufen und am 20.6.1937 verhaftet.
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Die gesamte Arbeit im Bereich der Hausverwaltung, einschließlich der Erledigung der Aufträge des Zentrums bis hin zu manuellen Tätigkeiten wie der Reparatur der Wasserleitung, der Elektrik usw. wird von Gen. Filasov geleistet, was angesichts der Größe der Gebäude und der Vielzahl von Kleinigkeiten einen normalen Arbeitsablauf absolut unmöglich macht. Die Finanzangelegenheiten befinden sich vollständig in den Händen von Feyerherd, der als Ortskraft von keiner Seite als abgesichert gelten kann, wie untadelig seine frühere Tätigkeit auch gewesen sein mag. Ich hoffe, ich muss kein weiteres Argument anführen, um zu demonstrieren, wie anormal die jetzige Situation ist, die generell, wenn kein normales Funktionieren der Bevollmächtigten Vertretung sichergestellt wird, bei geringsten Komplikationen zu schlimmsten Folgen führen kann. Aus diesem Grund bitte ich darum, so schnell wie möglich wenigstens *2 diplomatische Mitarbeiter hierher zu schicken: einen für die Erledigung der Konsulararbeiten, nebenher auch für die Tätigkeit von Magalif (d. h. für protokollarische und Verwaltungsfragen), und den anderen für die Pressearbeit. Meinerseits könnte ich dafür 2 Personen benennen: in Helsinki gibt es den Gen. AUSTRIN, der die deutsche Sprache beherrscht und über große Erfahrungen im NKID verfügt. Mir scheint, dass in Finnland die Situation weniger angespannt ist als hier und es leichter wäre, einen Mitarbeiter aus der UdSSR dorthin zu entsenden. Für die Pressearbeit hier wäre Gen. VINOGRADOV geeignet, der momentan in der **II.**8 Westabteilung tätig ist.*9 Er ist im NKID durchaus ersetzbar, er kennt etwas die deutsche Sprache und wird sie sich, da er generell sprachbegabt ist, schnell vollkommen aneignen können. Ich nenne diese zwei Namen, denke aber, dass das NKID trotz aller Schärfe des Personalproblems generell in der Lage sein wird, angesichts der zugespitzten hiesigen Situation zwei Leute zu finden.10 Berücksichtigen Sie, dass man zurzeit auch ohne erstklassige Sprachkenntnisse auskommen kann, weil die Mehrzahl der Kontakte nicht mit den Deutschen unterhalten wird. Über die Situation beim Dienstpersonal werde ich gesondert schreiben. Mit kameradschaftlichem Gruß G. Astachov Oben rechts befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2122 vom 14.6.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. 3 an die Adressaten, 1 [Exemplar] zu den Akten. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 42, l. 130–131. Kopie.
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Die Zahl ist mit Tinte korrigiert; ursprünglich: III. Der Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. Litvinov richtete am 5.8.1937 ein Schreiben zur Kadersituation im NKID an Stalin, indem es u. a. hieß: „Für Berlin rechnen wir immer noch mit den Personen, die bereits vor einigen Wochen von Gen. Malenkov auf Ihre Anweisung hin ausgewählt worden sind. Leider konnte bis jetzt kein einziger von ihnen nach Berlin abreisen, und für den besonders wichtigen Posten als Rat in Berlin war Gen. Petruničev bestimmt, ist jedoch zwischenzeitlich zum Geschäftsführer des SNK ernannt worden.“ In: AVP RF, f. 05, op. 17. P. 126, d. 1, l. 309.
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12. 6. 1937 Nr. 39 Nr. 40 Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda 14. Juni 1937 ZSg. 101/9/441/Nr. 750 wichtig! Auf besonderen Wunsch der höchsten Reichsstelle ergeht folgende Anweisung: Die Vorgänge in Sowjetrussland müssen in allergrößter Form nach wie vor behandelt werden, und zwar nicht nur in sachlichen Meldungen und durch Übernahme ausländischer Pressestimmen, sondern auch eigenen Kommentaren, Glossen oder Artikeln. Die Ereignisse in Moskau bestätigen den Standpunkt, den Deutschland in seinem Kampf gegen die Sowjetunion immer eingenommen hat. Infolgedessen müssen die Vorgänge jetzt in aller Breite propagandistisch zur weiteren Aufklärung der Welt ausgenutzt werden. Mit besonderer Schärfe und Ironie sollen die westlichen Staaten darauf hingewiesen werden, dass nunmehr die bürgerliche Vorstellung von der Sowjetunion gefallen ist. Die Männer, die man noch vor Kurzem als bedeutende Diplomaten, Heerführer usw. in Paris und London empfing, wurden nun als der Abschaum der Menschheit vernichtet. Überhaupt sollen die Bezeichnungen „Abschaum der Menschheit“ und „Sowjetparadies eingegangen“ weidlich benutzt werden, um das sowjetrussische System zu kennzeichnen. Über das Schicksal deutscher Kommunisten, die noch vor Jahren über große Machtbefugnisse in Deutschland verfügten, soll ausführlich berichtet werden. Schließlich ist der Dank an den Führer für die Befreiung vom bolschewistischen Chaos auszusprechen. Die Meldung der „Gazeta Polska“, dass nach jetzigen Absetzungen und Bluturteilen neue Juden in verantwortungsvolle Stellungen eingerückt sind, soll starke Beachtung finden. (Das Berliner Büro hat bereits seit Freitag [11. Juni] laufend mit dem Prop.-Min. vereinbarte Meldungen und Kommentare gegeben. Heute Abend wird weiteres Material geliefert.) Veröffentlicht in: NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit, Bd. 5/II, S. 481.
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Nr. 41
14. 6. 1937
Nr. 41 Bericht des Stellv. Volkskommissars für Verteidigung Alksnis an den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov Nr. 41 14. 6. 1937 14. 6. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 1 Nr. 130413s1 14. Juni 1937 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR VERTEIDIGUNG DER UdSSR MARSCHALL DER SOWJETUNION Gen. VOROŠILOV Für die Abnahme der von der UVVS2 der RKKA bei den Firmen „PINTSCH“3 und „SCHEIDT‒BACHMANN“ 4 erworbenen mobilen und stationären Benzinmischer und Ölreiniger, und auch, wenn die Situation es zulässt, zum Studium der Herstellung dieser Aggregate in der Fabrik bei den besagten Firmen, nominiere ich folgende Kandidaten, *zu deren Dienstreise die Genehmigung der GUGB des NKVD vorliegt*5: 1. den Militäringenieur 3. Ranges Gen. MALYŠEV, Aleksej Pavlovič, Chef der 1. Unterabteilung der 5. Abteilung der UMTS6 der UVVS der RKKA, Mitglied der VKP (B) seit 1930. 2. den Versorgungsoffizier 2. Ranges Gen. KUKLIN, Dmitrij Vasil’evič, Ob[er]Militär-Abnahmebeauftragter der 5. Abteilung der UMTS der UVVS der RKKA, Kandidat der VKP (B) seit 1924. Nähere Angaben zu ihnen in der Anlage. Die Dauer der Dienstreise beträgt einen Monat. Ich berichte das Dargelegte und bitte um Ihre Genehmigung. ANLAGE: Auskunft.7 STELLV. VOLKSKOMMISSAR FÜR VERTEIDIGUNG DER UdSSR FÜR DIE VVS8 ARMEEBEFEHLSHABER 2. RANGES: ALKSNIS Vermerk mit Tinte: Versandt an den Sekretär des ZK der VKP (B) Gen. Andreev. Nr. 4700 19.VI. (über das Sekr[etariat] des NKO) Maschinenschriftlicher Vermerk: Be[arbeiter] Filanovskij A[kte] 076 1 2 3 4 5 6
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Upravlenie voenno-vozdušnych sil = Verwaltung der Luftstreitkräfte. Julius Pintsch AG, Berlin. Scheidt & Bachmann AG, Reydt. Der Text ist mit Farbstift unterstrichen. Upravlenie material’no-techničeskogo snabženija = Verwaltung für technische Materialversorgung. 7 Wird nicht veröffentlicht. Vgl. RGVA, f. 4, op. 14, d. 1783. 8 Voenno-vozdušnych sil = Luftstreitkräfte.
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15. 6. 1935 Nr. 42 Unten links befindet sich der Stempel der Geheimabteilung des Verwaltungsamtes des Volkskommissariats für Heeres- und Marineangelegenheiten und des RVS der UdSSR9 mit der Eingangs-Nr. 948/s vom 14.06.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: Geschr[ieben] in 2 Expl. Das 1. [Exemplar] an den Adressaten, das 2. zur Akte 076. Auf Kopfbogen der Verwaltung der Luftstreitkräfte der RKKA geschrieben. RGVA, f. 4, op. 14, d. 1783, l. 100. Original. 9
Nr. 42 Auszug aus dem Bericht des Reichskriegsministeriums Nr. 42
15. 6. 1935
15. 6. 1935
15.6.371 G.O.IV B Übersicht über die wehrwirtschaftliche Lage von Russland (Juni 1937) […]2 C) Folgerungen, Beurteilung der Lage Im Rätebund sind nahezu alle kriegswichtigen Rohstoffe vorhanden, doch sind sie infolge von technischen und Verkehrsschwierigkeiten für die Kriegswirtschaft nicht durchweg greifbar. Durch die planmäßige und energische Arbeit der Räteregierung ist die Gewinnung von Rohstoffen gegenüber der Vorkriegszeit gewaltig gestiegen. Es muss damit gerechnet werden, dass der Rätebund in absehbarer Zeit bei der Gewinnung von Kohle, Eisenerz und Stahl an der Spitze aller Länder Europas stehen wird. Eisenerz und Manganerze werden zur Zeit bereits ausgeführt. Die Rüstungsindustrie ist noch nicht leistungsfähig genug, sie leidet stark an Facharbeitermangel. Im Kriegsfall müsste also auch der Rätebund sowohl Rohstoffe als auch Kriegsgerät in dem o.a. Umfange aus dem Ausland einführen. Als Bezugsländer kommen in erster Linie die Vereinigten Staaten, England und Frankreich in Frage. (Der Rätebund wird nur von der südafrikanischen Union in der Goldgewinnung übertroffen. Er hat somit ein international anerkanntes Zahlungsmittel zur Verfügung.) Damit tritt die Transportfrage wieder in den Vordergrund, die zur Verfügung stehenden Häfen sind weit entlegen. 9 So im Dokument. Am 20.6.1934 wurde das Volkskommissariat für Heeres- und Marineangelegenheiten in das Volkskommissariat für Verteidigung der UdSSR umgewandelt. Das RVS wurde aufgelöst und an seiner Stelle der Militärrat beim Volkskommissar für Verteidigung der UdSSR geschaffen. 1 Das Datum befindet sich auf dem maschinenschriftlichen Titelblatt des 14-seitigen Berichts. 2 Ausgelassen wurden Inhaltsübersicht, A) Vorbemerkung und B) Darstellung der wehrwirtschaftlichen Lage des Rätebundes mit den Unterpunkten 1) Rohstoff- und Ernährungslage, 2) Industrielle Lage (Rüstungsindustrie), 3) Wirtschaftliche Mobilmachungsvorbereitungen (l. 3–9). Der Bericht wurde in 80 Exemplaren angefertigt, eine Verteilerliste ist vorhanden (l. 2R). Dieses Exemplar wurde an die Kriegsakademie geschickt (l. 1).
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Nr. 43
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Die Häfen im Schwarzen Meer sind zudem in der Hauptsache für die Ausfuhr von Getreide, Massengütern und Erdöl eingerichtet. Die wichtigsten Einfuhrhäfen liegen an der Ostsee, am nördlichen Eismeer und schließlich im Fernen Osten. Eine Erweiterung und Umstellung der Lade- und Löschvorrichtungen in den in Frage kommenden Häfen sowie der anschließenden Transporteinrichtungen nach dem Inlande wird erforderlich werden. Für einen Kriegsgegner Russlands liegt eine wirksame Zerschlagung des industriellen Apparates durch Luftangriffe zur Zeit wegen der großen Entfernungen wohl noch nicht im Bereich des Möglichen. Dagegen wären sorgfältig vorbereitete Groß-Angriffe aus der Luft auf wichtigste Transport-Einrichtungen (Häfen, Bahnhöfe, wichtige Brücken usw.) geeignet, die durch die Transportlage ohnehin schwierige Versorgung der kämpfenden Truppen mit Munition usw. in entscheidender Weise zu stören. Naturgemäß wären auch Störungen der russischen Wehrwirtschaft durch Sabotageakte und durch Unternehmungen der Kriegsmarine gegen die Einfuhrhäfen wichtige wehrwirtschaftliche Kampfmittel. Im Ganzen gesehen stellt sich das heutige Russland als ein Gegner mit gewaltigen wehrwirtschaftlichen Kraftreserven dar. Die Entwicklung dieser wehrwirtschaftlichen Kräfte ist jedoch bei weitem noch nicht auf ihrer möglichen Höhe angelangt. Es wäre daher ein Fehler, diese Kräfte bei der Beurteilung als möglichen Kriegsgegner im Augenblick allzu hoch einzuschätzen.
CAMO RF, f. 500, op. 12450, d. 8, l. 9R-10R. Veröffentlicht auf: www.germandocsinrussia.org
Nr. 43 Schreiben des Stellv. Leiters der Kulturpolitischen Abt. im AA von Twardowski an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 43 15. 6. 1937 15. 6. 1937 Berlin, den 15. Juni 1937 Geheimrat Dr. von Twardowski Hochverehrter, lieber Herr Graf, Am Sonnabendabend schwirrten in Berlin die wildesten Gerüchte über Vorkommnisse in Moskau herum, die sogar von einem Attentat auf Sie sprachen. Abends zwischen 10 und 11 Uhr bin ich von den verschiedensten Seiten angerufen worden, ob dieses Attentat tatsächlich erfolgt sei. Die Quelle scheint ein Zeitungshändler gewesen zu sein, der Verwandten von Ihnen etwas Derartiges gesagt hat. Dann erfolgten wohl allerhand Telefongespräche mit dem Resultat, dass Bismarck, Wolff und ich – Welck war anscheinend nicht auffindbar – immer wieder angefragt wurden. Sie werden dies durch verschiedene Telefongespräche, die ja auch mit Moskau geführt worden sein sollen, wohl schon gehört haben. Diese Gerüchte zeigen jedenfalls, dass man jetzt in Moskau alles für möglich oder sogar wahrscheinlich hält.
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15. 6. 1937 Nr. 43 Sie können versichert sein, dass meine Gedanken in den letzten Tagen viel bei Ihnen in der Botschaft geweilt haben und ich denke mit aufrichtiger Teilnahme an die schwierige Lage, in der Sie sich befinden, wenn Sie bei dieser undurchsichtigen Situation in Moskau Stellung zu Ereignissen nehmen müssen, deren wahren Hintergrund man vorläufig noch nicht übersehen kann. Ich habe mir natürlich auch meine Gedanken über die letzten Ereignisse gemacht und kann keine andere Erklärung finden, als dass Tuchatschewski und seine Freunde, als sie aus dem Radek-Prozess1 und der Verhaftung von Putna ersahen, dass die Gefahr eines Übergreifens der Anti-Trotzkisten-Bewegung auf die Rote Armee in greifbare Nähe gerückt sei, bei Woroschilow oder Stalin warnend ihre Stimme erhoben und im Interesse der Schlagkraft der Armee die Unberührbarkeit der Roten Armee von innerpolitischen Maßnahmen gefordert haben. Vielleicht haben sie sich dabei sogar zu Drohungen verstiegen. Das Interessanteste dabei scheint mir zu sein, dass Stalin anscheinend längere Zeit gezögert hat, bis er gegen diese 8 Prominenten der Roten Armee zugegriffen hat und dass die Popularität des Namens Stalin doch anscheinend noch so groß ist, dass keiner der acht Generäle gewagt hat, militärische Mittel gegen Stalin einzusetzen. Aufgefallen ist mir ferner, dass von prominenten Marineleuten eigentlich nur Muklewitsch, der mit der Flotte ja nichts mehr zu tun hatte, in Verdacht geraten ist, und dass die Luftflotte anscheinend bis jetzt noch gar nicht tangiert wurde. Ob dies damit zusammenhängt, dass man den Ausbau der Roten Armee organisatorisch für beendet hält und infolgedessen die gefährlichen selbstständigen Köpfe nunmehr entbehren zu können glaubt, während dies mit der Marine und der Luftflotte noch nicht der Fall ist, wage ich nicht zu äußern. Für die allgemeine Lage scheinen mir jedenfalls folgende Punkte sicher zu sein: *Außenpolitisch hat die Sowjetunion einen außerordentlich schweren Schlag erlitten.*2 Die Schlagkraft der Roten Armee muss durch die Unsicherheit des persönlichen Schicksals in den obersten Kommandobehörden schweren Schaden leiden. Es ist ein großer Teil der Generäle von Stalin beseitigt worden, die zur deutschen Schule gehörten und die mitunter wohl Neigung hatten, die letzten dünnen Fäden zu Deutschland nicht abreißen zu lassen. *Sollte es sich bewahrheiten, dass auch Stern, Krestinski, Mironoff etc. verhaftet worden sind, so könnte man fast daran glauben, dass unter den vielleicht noch etwas deutschfreundlich eingestellten* 3 Kreisen in maßgebenden Stellen furchtbare Musterung gehalten wird. Alles in allem scheint Stalin zunächst mit seiner Politik im Innern wohl noch Erfolg zu haben, wenn ich unter seiner Politik verstehe: die Umwandlung der Diktatur des Proletariats in die Diktatur Stalins.
1 Der Prozess gegen die Teilnehmer des sogenannten „Parallelen antisowjetischen trotzkistischen Zentrums“ fand vom 23. bis 30.1.1937 im Oktobersaal des Hauses der Gewerkschaften in Moskau statt. Alle 17 Angeklagten wurden schuldig gesprochen, 13 von ihnen zum Tod durch Erschießen, vier, unter ihnen Karl Radek, zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Vgl. Process antisovetskogo trockistskogo centra (23–30 janvarja 1937 goda); sudebnyj otčet (Prozess des antisowjetischen trotzkistischen Zentrums; Gerichtsbericht), Moskva 1937. 2 Der Text ist am Seitenrand mit einem Ausrufezeichen versehen. 3 Der Text ist am Seitenrand mit einem Ausrufezeichen versehen.
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Nr. 43
15. 6. 1937
Immerhin scheinen die letzten Maßnahmen Stalins doch darauf hinzudeuten, dass die Unzufriedenheit in den führenden Kreisen der Partei mit seinem Regime sehr gewachsen ist und dass die Möglichkeit einer gewaltsamen Explosion, eines Attentats etc. im Wachsen ist. Seien Sie mir bitte nicht böse, wenn ich Sie mit diesen meinen Gedanken behellige, aber Sie werden Verständnis dafür haben, dass mich diese Probleme außerordentlich beschäftigen und dass ich gern wüsste, wie Sie persönlich darüber denken. Im Amte selbst werden die russischen Ereignisse gemäß der allgemeinen Einstellung durch die Westfragen vorläufig noch ganz in den Schatten gestellt, - die Technik des Behördenapparats wird ja auch durch die Ereignisse nicht irgendwie in Mitleidenschaft gezogen, da im Augenblick wichtige Entscheidungen nicht zu treffen sind. In der letzten Woche ging das Gerücht, dass Sie nach Berlin kommen wollten, ich fürchte aber, dass die jetzige Lage in Moskau Ihre Reisepläne wohl etwas verschieben wird. Jonny’s Schicksal geht mir sehr zu Herzen, aber ich fürchte, es ist nichts mehr zu machen, und er teilt sein Schicksal mit einer ganzen Reihe anderer Herren. Von mir persönlich kann ich nur Erfreuliches berichten, ganz besonders deshalb, weil wir in der letzten Woche den Besuch der Tochter und des Schwiegersohns hatten, die äußerst vergnügt auf einer Autotour durch halb Europa mehrere Tage bei uns Station machten. Mit den herzlichsten Grüßen an Sie, hochverehrter Herr Graf, und alle alten Freunde in Moskau, denen sich meine Frau aufrichtigst anschließt, bin ich in alter Anhänglichkeit stets Ihr sehr ergebener Fritz v. Twardowski Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben Eingangsstempel vom 18.6.37. Daneben handschriftlich von Schulenburg: Ich werde diesen Brief mündlich in Bln. erledigen, wohin ich am 20.6.37 abreise. Auf Kopfbogen des Auswärtigen Amtes geschrieben. BArch, N 2273/89, 5 Bl.
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16. 6. 1937 Nr. 44 Nr. 44 Schreiben des Rates der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Astachov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin Nr. 44 16. 6. 1937 16. 6. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 1 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 150/s1 Berlin, 16. Juni 1937 AN DAS NKID Gen. POTEMKIN Lieber Vladimir Petrovič! Ich sitze allein in der Bevollmächtigten Vertretung und bin von jeglichen Verbindungen zur Außenwelt abgeschnitten. Ich muss selbst alle Zeitungen durchsehen, Telefonate führen, mich mit allerlei Kleinarbeit befassen, einschließlich der Funktion des Hausverwaltungsleiters bis hin zu Bagatellen usw. Für die politische Arbeit bleibt überhaupt keine Zeit übrig. Von den etatmäßigen 4 bis 5 diplomatischen Mitarbeitern bin allein ich übrig geblieben, wobei das sonstige Personal ebenfalls nach und nach versetzt wurde, darunter auch Mitarbeiter anderer Ämter2, die dennoch teilweise die Arbeiten der Bevollmächtigten Vertretung verrichteten. Zu alldem kommt hinzu, dass ich vollkommen von den Kontakten abgeschnitten bin. Ja.Z[uric].. stellte mich Neurath3 und zwei, drei seiner zweitrangigen „Kollegen“ aus dem diplomatischen Corps vor. Gnedin gelang es nur noch, mich mit 3, 4 Journalisten bekannt zu machen. Es ist weder gelungen, diese Bekanntschaften zu festigen, noch diesen Kreis zu erweitern. Es ist äußerst schwierig, dies allein zu tun, zumal die Saison jetzt beendet ist und man sich nirgendwo auf „neutralem“ Boden treffen kann. Ich schreibe dies, um zu verdeutlichen, dass ich gar keine Möglichkeit habe, jetzt auf Kontakte gestützte politische Informationen zu geben, und es wird wohl kaum gelingen, diese Situation in naher Zukunft abzustellen. Dabei ist die Lage hier äußerst interessant und angespannt. Die Deutschen entfalten eine außerordentliche Aktivität, indem sie die öffentliche Meinung im Ausland auf jede Weise bearbeiten und hinter den Kulissen eine umfangreiche Tätigkeit entfalten. Dafür nutzen sie jeden sich bietenden Anlass, die geringste Möglichkeit. Die Besuche von ausländischen Kreuzern (ein argentinischer, ein japanischer und ein französischer), die Visiten ausländischer Gäste (chinesische Minister, italienische Jugendorganisationen), die Entsendung von eigenen Staatsmännern ins Ausland: Schacht nach Frankreich zur Eröffnung der Ausstellung4; Blomberg nach 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Gemeint sind die Mitarbeiter der Spezialdienste (NKVD und der Aufklärungsverwaltung der RKKA). 3 Am 3. Juni 1937. Vgl. DVP, Bd. XX, Dok. 188, S. 287. 4 Am 26.5. eröffnete Schacht auf der Weltausstellung in Paris den Pavillon Deutschlands „Das Deutsche Haus“.
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Nr. 44
16. 6. 1937
Italien5; Neurath nach Jugoslawien, Ungarn und Bulgarien6; die bevorstehenden Reisen von General Beck nach Paris und von Neurath nach London7 – all diese Fakten sind in ihrer Bedeutung und in ihrer Wirkung höchst unterschiedlich und dienen dem Hauptziel, den Westpakt zu realisieren, für eine gewisse Zeit die Beziehungen zu normalisieren, in erster Linie zu Frankreich, und die Hände für die Tätigkeit auf einem beliebigen anderen Gebiet frei zu haben. Es ist anzunehmen, dass auch die verstärkte Tätigkeit der Deutschen zur Zersetzung der Kleinen Entente (die Reise Neuraths) in erster Linie ein Druckmittel gegen Frankreich ist, das man mit der Perspektive einer Isolierung von seinen Verbündeten in Mitteleuropa einschüchtern will. Der Flirt mit den Chinesen, die man mit betonter Aufmerksamkeit umworben hat, kann mit einer gewissen Enttäuschung erklärt werden, die der Sturz des Kabinetts von Hayashi8 bei den Deutschen ausgelöst hat, was hier als Schwäche der japanischen Militärgruppierungen interpretiert wurde; auch spielt das Bestreben eine Rolle, Japan ein wenig zu erpressen, nachdem man es mit der Perspektive einer Annäherung an China erschreckt und dadurch zu größerer Nachgiebigkeit genötigt hat. Das Druckmittel gegenüber England besteht in unablässiger Propaganda bezüglich der Kolonien. Außerdem sind die Deutschen, wenngleich nicht selbst, sondern vielmehr über verschiedene Vermittler, offenbar nicht **abgeneigt**9, den Eindruck zu erwecken, als ob sie sich hauptsächlich wegen Italien an der spanischen Intervention beteiligen, dass sie selbst „Spaniens müde“ und bereit wären, von Franco gegen eine entsprechende Kompensation abzurücken. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass sie sich in Ländern wie Italien und Polen derart stark gefestigt fühlen, dass sie es sich erlauben können, diese Länder ein wenig zu vernachlässigen (die antikatholische Kampagne, Blombergs betonte Zurückhaltung in Italien, die unablässige Kampagne zu Danzig und zu den deutschen Minderheiten im polnischen Schlesien). Das Hauptziel besteht nach wie vor darin, diplomatische Erfolge im Westen, in erster Linie gegenüber Frankreich und dann gegenüber England, zu erringen, wofür alle Mittel von Zuckerbrot und Peitsche eingesetzt werden. Was die Beziehungen zu uns betrifft, so wurde das über einige Wochen zu beobachtende relative Abflauen in der antisowjetischen Kampagne, wie Sie wissen, durch den nächsten Tobsuchtsanfall im Zusammenhang mit der Erschießung Tuchačevskijs10 und anderer abgelöst. Aber auch in dieser Kampagne schimmert recht unverhohlen und grobschlächtig die Tendenz durch, das Vorgefallene dafür zu nutzen, um zwischen uns auf der einen und Frankreich und England auf der anderen 5 6
Blomberg hielt sich vom 2. bis 7.6.1937 zu einem offiziellen Besuch in Italien auf. Von Neurath hielt sich vom 7. bis 9.6. in Belgrad, vom 9. bis 11.6. in Sofia und vom 11. bis 14.6.1937 in Budapest auf. 7 Der für den 23./24.6. anberaumte Besuch von Neuraths in London wurde wegen eines Angriffs auf ein deutsches Kriegsschiff, das für die internationale Kontrolle der Küste Spaniens eingesetzt war, verschoben. Vgl. ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, S. 889, Anm. der Herausgeber. 8 Am 31.5.1937 trat das japanische Kabinett des General Senjūrō Hayashi zurück. 9 Das Wort ist mit Tinte korrigiert; ursprünglich: dagegen. 10 Marschall Tuchačevskij und sieben weitere Militärs wurden aufgrund des Urteils des Sondertribunals des Obersten Gerichts der UdSSR (Special’noe sudebnoe prisutstvie Verchovnogo suda SSSR) in der Nacht zum 12.6.1937 erschossen. Vgl. Reabilitacija: kak ėto bylo (Rehabilitierung: wie es war), Dokumenty Prezidiuma CK KPSS i drugie materialy, T. 1. Fevral’ 1956–načalo 80-ch godov, hrsg von A.N. Artizov u. a., Moskva 2003, Anlage Nr. 2, S. 692.
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16. 6. 1937 Nr. 44 Seite einen Keil zu treiben, und Paris und London von der Notwendigkeit zu überzeugen, Deutschland in der Frage des Westpaktes und der mit ihm verknüpften Probleme entgegenzukommen. Ich maße mir nicht an, einen Vortrag zu verfassen, dafür habe ich außer der Presse fast kein Material, sondern zeichne diese Skizzen, um ein weiteres Mal an die Wichtigkeit des hiesigen Abschnittes und an die Notwendigkeit zu erinnern, unsere Tätigkeit hier zu verstärken, die momentan völlig zum Erliegen gekommen ist. Generell sind neben der gegen uns gerichteten wütenden Kampagne auch Anzeichen anderer Art zu beobachten: die „F[rankfurter] Z[eitung]“ verglich den Prozess gegen Tuchačevskij und andere, der gegen Deutschland gerichtet ist, mit dem Prozess gegen die Prompartei11, der gegen Frankreich gerichtet war, der aber einer Verbesserung der französisch-sowjetischen Beziehungen nicht im Wege stand. Dieser Vergleich erregte bei ausländischen Beobachtern allgemeine Aufmerksamkeit. *Die Deutschen sind offenbar nicht **abgeneigt** 12 , über verantwortungslose Vermittler die Idee einer möglichen Verbesserung der Beziehungen zur UdSSR zu lancieren, was **zum geeigneten Zeitpunkt**13 angeblich nicht schwer zu machen wäre. Darüber sprachen der Türke und der Italiener mit mir.*14 Mit kameradschaftlichem Gruß G. Astachov Vermerk mit Bleistift: VP[otemkin]. Oben rechts befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 2944 vom 20.6.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: Geschr. 4 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Potemkin, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an die 2. Westabteilung, das 4. zu den Akten. AVP RF, f. 011, op. 1, p. 3, d. 23, l. 90–88. Original.
11 Der Prozess gegen die „Industriepartei“ wegen Schädlingsarbeit in der Industrie und im Transportwesen fand in Moskau vom 25.11. bis 7.12.1930 statt. Vgl. Sudebnyj process „Prompartii“ 1930g.: podgotovka, provedenie, itogi: v 2-ch kn, hrsg. von S.A. Krasil’nikov, Moskva 2016–2017. 12 Das Wort ist mit Tinte über die Zeile korrigiert; ursprünglich: dagegen. 13 Die Textstelle ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. 14 Der Text ist am linken Seitenrand mit Bleistift zweimal angestrichen.
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Nr. 45
19. 6. 1937
Nr. 45 Schreiben des kommissarischen Volkskommissars für Außenhandel Sud’in an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin und den Vorsitzenden des SNK Molotov Nr. 45 19. 6. 1937 19. 6. 1937 GEHEIM Expl. Nr. **5 – zu den Akten**1 NKVT Nr. 6102 19/VI. 373 AN Gen. I.V. STALIN Gen. V.M. MOLOTOV Zur Verwendung der Reste des deutschen 200-Millionen-Kredits Mit Beschluss der Instanz vom 27.V. 37 war festgelegt worden, den Rest des deutschen Kredits in Höhe von 29 Mio. Mark4 für die Bestellung von Ausrüstungen für das NKOP, NKTP und für andere Volkskommissariate zu verwenden. Es wurde vorgeschlagen, diese Summe für den Kauf von Werkzeugmaschinenausrüstungen zu verwenden, da der Bedarf an Werkzeugmaschinen groß ist und es Schwierigkeiten gibt, diese in anderen Staaten zu beschaffen. Laut dem vorhergehenden Abkommen war die Verwendung des Kredits bis zum 1. Juli dieses Jahres befristet, wie dies in unserem Schreiben vom 15. Mai ausgeführt worden war, und es gab die Zusicherung von deutscher Seite zur Verlängerung dieser Laufzeit. Nach Mitteilung des Handelsvertreters in Deutschland, Gen. Nepomnjaščij, erklärte Schacht im Gespräch mit ihm, dass er damit einverstanden sei, den Kredit zu verlängern, jedoch unter der Bedingung, dass keine Werkzeugmaschinen und andere modernste Ausrüstungen auf Kredit gekauft werden. Die Deutschen fordern für diese Ausrüstungen Barzahlungen und streben dies deshalb an, um sie, nachdem große Summen unserer Zahlungen aufgelaufen sind, für den Kauf von Rohstoffen bei uns einzusetzen. Da die Werkzeugmaschinen den Hauptteil in der bestätigten Bestellliste in Deutschland ausmachen, an denen wir vor allem interessiert sind, erachtet das NKVT es als nicht zweckmäßig, den Kreditrest auszuschöpfen, falls es keine Möglichkeit geben sollte, dafür Werkzeugmaschinen zu kaufen. Angesichts dessen erachtet es das NKVT es als richtig, von der Verlängerung des Kredits über den 30.VI. hinaus Abstand zu nehmen mit dem Recht, ihn in Höhe der Summe zu verwenden, die bis zum 30. dieses Jahres untergebracht werden kann. 1 2 3 4
Der Text ist mit Tinte geschrieben. Der Text ist mit Tinte geschrieben. Das Datum ist mit Tinte geschrieben. Ursprünglich waren Bestellungen für Ausrüstungen zu Lasten der nicht ausgeschöpften Summe des deutschen Kredits in Höhe von 58 Mio. Invaluta-Rubel bestätigt worden. Vgl. Schreiben des Leiters der Importverwaltung des NKVT der UdSSR Volin an Nepomnjaščij vom 3.6.1937. In: RGAĖ f. 413, op. 12, d. 2510, l. 62–63.
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19. 6. 1937 Nr. 46 Es ergeht die Bitte, den beigefügten Beschlussentwurf zu bestätigen. S. SUD’IN Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 Expl. 19/VI. 37. Die Expl. Nr. 1 und 2 an Gen. Stalin, das 3. [Exemplar] an Gen. Molotov, das 4. in die Mappe des Politbüros, das *5. zu den Akten*5.
[Anlage] GEHEIM Expl. Nr. 5 BESCHLUSS In Abänderung des Beschlusses vom 27. Mai d.J. ist angesichts der Ablehnung Deutschlands, Werkzeugmaschinenausrüstungen auf Kredit zu verkaufen, von der Verlängerung des Restes des 200-Millionen-Kredits über den 30. Juni d.J. hinaus Abstand zu nehmen, und sich darauf zu beschränken, nur die Summe zu verwenden, die das NKVT bis zum 30. Juni d.J. unterzubringen vermag. **(19/VI. 37 Sud’in)**6 Vermerk S.K. Sud’ins mit rotem Farbstift: 7/VII. An Gen. Nepomnjaščij, wurde ein Telegramm geschickt. 8/VII. S[ud’in]. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 Expl. 19/VI. Die Expl. Nr. 1 und 2 an Gen. Stalin, das 3. [Exemplar] an Gen. Molotov, das 4. in die Mappe des Politbüros, *das 5. zu den Akten*7. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2459, l. 95–97. Beglaubigte Kopie, Kopie.
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Nr. 46 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 46 19. 6. 1937 19. 6. 1937 Geheim [19.6.1937] TAGEBUCH V.P. POTEMKINS GESPRÄCH MIT DEM DEUTSCHEN BOTSCHAFTER SCHULENBURG, 19. JUNI 1937 Ich empfing Schulenburg in Anwesenheit von Gen. Vejnberg mit der Absicht, dem deutschen Botschafter den neuen Leiter der 2. Westabteilung vorzustellen.1 5 6 7
Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit Tinte geschrieben. Der Text ist mit Tinte unterstrichen.
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Der Leiter der 2. Westabteilung Štern war am 13.5.1937 verhaftet worden.
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Nr. 46
19. 6. 1937
Nach der Vorstellung erklärte mir Schulenburg, dass er morgen nach Berlin fahren müsse, obgleich er bis auf den heutigen Tag von uns noch keine Mitteilung darüber erhalten hätte, dass die Ausweisung der ersten Gruppe von Deutschen aus *der UdSSR, die von den sowjetischen Behörden aus politischen Gründung verurteilt und inhaftiert worden seien, endgültig geregelt sei. Dazu drückte Schulenburg sein Bedauern aus und betonte, dass seine Regierung vorerst noch nicht ihre Bemühungen eingestellt hätte, schnellstmöglich Francos Einverständnis einzuholen, die Besatzungen der „Komsomol“ und „Smidovič“ freizulassen2, obgleich wir nicht die von uns gemachte Zusage erfüllt hätten, ohne Verzögerung die erste Gruppe von inhaftierten Deutschen nach Deutschland auszuweisen. Offenbar wollte der Botschafter uns zu verstehen geben, dass eine weitere Verzögerung der Ausweisung der ersten Gruppe von inhaftierten Deutschen durch uns die deutsche Regierung dazu bewegen könnte, ihre versprochene Vermittlung zur Befreiung unserer Seeleute, die von den spanischen Faschisten gefangen genommen wurden, zu annullieren.*3 Ich antwortete Schulenburg, dass, soweit mir bekannt sei, die Ausweisung der in der Liste des Botschafters genannten Deutschen bereits positiv entschieden worden sei. Allem Anschein nach werde die Ausweisung wegen der technischen Durchführung im Innern des zuständigen Apparates verzögert. Ich sicherte dem Botschafter zu, mich noch heute noch einmal über den Stand in dieser Angelegenheit zu erkundigen und ihm die Ergebnisse vor seiner Abreise aus Moskau mitzuteilen.4 Nachdem sich Schulenburg für diese Zusicherung bedankt hatte, ging er zum zweiten Punkt seines Besuches über. Er teilte mit, dass in Char’kov der deutsche Staatsbürger Heffner5 zum Tode durch Erschießen verurteilt worden sei. Es wäre möglich, dass die Moskauer Justizorgane noch nicht über dieses Urteil offiziell in Kenntnis gesetzt worden seien. Dennoch bitte der Botschafter uns, unverzüglich zu intervenieren, um die Erschießung Heffners zu verhindern. Darauf erklärte ich, dass ich sogleich die 2. Westabteilung in Person des Gen. Vejnberg beauftragen würde, die erforderlichen Erkundigungen zum Fall Heffner einzuziehen und sich mit der zuständigen Instanz in Verbindung zu setzen, um die Erschießung durch ein anderes Strafmaß zu ersetzen.6 Als sich der Botschafter verabschiedete, sagte er, dass er damit rechne, in 1½ Monaten nach Moskau zurückzukehren. V. Potemkin Vermerk mit blauem Farbstift: MM. Oben links befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2188 vom 20.6.1937. 2 In der Unterredung mit Litvinov am 9.6.1937 hatte Schulenburg erklärt, dass die deutsche Regierung bereits Francos Zusage auf Entlassung der sowjetischen Schiffsbesatzungen erwirkt habe. Vgl. Dok. 36. 3 Der Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. 4 Vgl. Bericht von Tippelskirchs vom 21.6.1937. In: PA AA, Moskau 418, o.P. 5 Vgl. Rückkehrer-Vernehmungsakte in: PA AA, R 151206. 6 Potemkin wandte sich am gleichen Tag mit einem Schreiben an Stalin mit dem Vorschlag, das Todesurteil gegen den deutschen Staatsbürger Heffner in eine 10jährige Freiheitsstrafe umzuändern. Am 5.7.1937 billigte das Politbüro des ZK der VKP (B) diesen Vorschlag. In: RGASPI, f. 17, op. 166, d. 575, l. 61.
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21. 6. 1937 Nr. 47 Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 E[xemplare]. Das 1. [Exemplar] zu den Akten, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. an die 2. Westabteilung, das 5. nach Berlin. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 44, l. 39–40. Kopie.
Nr. 47 Schreiben des Militärattachés in Moskau Köstring an den Abteilungschef im Reichskriegsministerium von Tippelskirch Nr. 47 21. 6. 1937 21. 6. 1937 Moskau, den 21. Juni 1937 Generalmajor Köstring Militär- und Luftattaché Sehr verehrter Herr v. Tippelskirch! 1.) Heute Nacht bin ich zurückgekommen und fand Ihre Anweisung zur Reise nach Berlin vor. Ich bin von Tiflis *9 Tage* durchgefahren, besser gesagt, habe mich auf den grausigen Wegen durchgekämpft. Kein anderer Wagen als mein deutscher hätte diese *3000 km* Weges, von denen 2½ einfach nicht zu beschreiben sind, in ihrem Zustande leisten können. Ich kann das Ergebnis der *Reise als sehr nützlich* für unsere Beurteilung bezeichnen. Sie brachte nichts Neues, aber wertvolle Bestätigung, die ich mir trotz der mich bei Tag und Nacht begleitenden GPUBeamten verschaffen konnte. Sie waren natürlich nur zu meinem „Schutze“ anwesend. Bis auf das Lästige, diese Bande immer wieder um mich zu haben, waren sie mir oft in vielen Fällen eine nützliche Hilfe. *Selbst sehen*1 ist in diesem Lande die Hauptsache. Man bekommt doch andere Eindrücke als in Moskau, wo man auf Zeitungen und Diplomatenklatsch beschränkt ist. 2.) Was mein Kommen nach Berlin betrifft: Über die Hintergründe des Prozesses gegen Tuchatschewski und andere kann ich Ihnen *vorläufig* nichts Authentisches sagen. Die Botschaft hat ja in ihrem Bericht vom 14.6.2 alle kursierenden Gerüchte zusammengetragen. Ich muss etwas Zeit haben, um vielleicht Näheres zu erfahren. Wenn überhaupt möglich, denn wie schon des Öfteren berichtet, ist die *Abschließung gegen alle Ausländer*, besonders natürlich gegen Deutschland, jetzt ziemlich *restlos durchgeführt*3. Man kommt mit Niemandem mehr zusammen von den Russen oder gar zu einem Gespräch. Die chinesische Mauer, die Sowjetrussland um sich zieht, wird täglich höher und stärker. Also, schon jetzt Ihnen etwas Zutreffendes über die wahren Gründe des Prozesses zu sagen, ist unmöglich. Die Auffassung, die ich mir während der Reise bildete, ist: a) An *Spionage pp*. der Erschossenen *glaubt weder* ein Ausländer, *noch*4 die große Masse der Einheimischen. 1 2
Die vier Textstellen des Absatzes sind unterstrichen. Vgl. „Prozess gegen Führer der Roten Armee“. In: ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 427, S. 912–915. 3 Die drei Textstellen des Absatzes sind unterstrichen. 4 Die drei Textstellen des Satzes sind unterstrichen
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b) Die 8 Verurteilten waren fast alles mit unseren Verhältnissen vertraute Personen, sie waren z. T. bei uns zur Ausbildung gewesen. Es ist möglich, dass sie versucht haben, in dem Sinne einer Verständigung mit Deutschland zu wirken, nicht aus Liebe zu uns, sondern weil sie einsahen, welche Gefahren ihrem Lande, das sie ja genau kannten, bei einer kriegerischen Verwicklung mit uns drohen. Bei dem Argwohn Stalins und aller gegen alle genügte es zu ihrer Verurteilung. Auch weiß ja Stalin aus seiner *eigenen konspirativen Vergangenheit, wie sich um Persönlichkeiten so wie Tuchatschewski und die anderen ein Kreis aus den vielen Unzufriedenen im Lande kristallisieren kann. Sicherer ist es schon*5 – „liquidieren“. Tote können nicht mehr schaden. Bei der großen Masse sind Heerführer nicht in dem Sinne wie bei uns volkstümlich. Also, Kopf ab. c) *Auswirkung auf die Massen*: Auf den Tausenden von Kilometern und in den Hunderten von Ortschaften, die ich passierte, war nicht das Geringste von der *„kochenden Volksseele“*6 zu merken. Ich gebe zu, dass bei der Abreise aus Tiflis, als am gleichen Tage die Massenversammlungen und Aufpeitschungen des Volkes einsetzten, mir Bedenken aufstiegen, ob ich ungehindert durch das Land, besonders durch das zu passierende Industriegebiet, das Donezbecken, kommen würde. Die Befürchtung war überflüssig. Von den vielen Tausenden, die meinen Wagen bei jedem Halt neugierig bewunderten, fiel kein unfreundliches Wort. Nur Ausdrücke der Bewunderung für das deutsche Erzeugnis. Nur einmal wurde ich von vorüberfahrenden Bauern beschimpft. Sie hielten mich für einen Vertreter ihrer Regierung. d) Auswirkung *auf die Armee*: Die bei allen Stellen zu merkende *Unsicherheit, Misstrauen*7 jeder gegen jeden, müssen sich auch in der Tätigkeit und Arbeit der Armee schädigend auswirken. Die Erschossenen hatten doch auch ihre Anhänger. Die Verfolgung angeblicher Spione und Schädlinge, die mit ihnen in Beziehung waren, wird sicher sich jetzt auch, wie in allen anderen Behörden, ausbreiten. Die neu gegründeten Kriegsräte werden ihre Notwendigkeit zu beweisen suchen. e) Von uns aus gesehen können wir die Tatsache, dass die raue Hand eines argwöhnischen Politikers in das hier noch beste, die Armee, zerstörend eingegriffen hat, nur *begrüßen*8. Meine dauernd betonte Auffassung, dass wir vor den Massen an Menschen und Material noch nichts zu fürchten brauchen, findet erneut Bestätigung. 3.) Auf einen Umstand muss ich bei einer Reise von mir noch hinweisen. Die Auffassung geht von *der Botschaft aus*: Es ist ja bekannt, dass die Sowjets das Bestreben haben, möglichst alle Ausländer, besonders aber die ihnen unbequemen Kenner des Landes, zu entfernen. Nach dem Radek-Prozess ging dieser Versuch gegen den Pressereferenten der Botschaft9, der noch unbeteiligter wie ich bei dieser Angelegenheit war, und gegen mich los. Ich setzte mich auf dem militärischen Wege gegen diese Hetze zur Wehr. Sie verstummte. *Der Pressereferent musste geopfert werden.*10 Wenn ich jetzt ausreise, könnte die Sowjetregierung mir die 5 6 7 8 9
Der Text ist am Seitenrand angestrichen Die beiden Textstellen des Absatzes sind unterstrichen. Die beiden Textstellen des Absatzes sind unterstrichen. Das Wort ist unterstrichen. Wilhelm Baum. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd 2, Dok. 650, 654, 664, 683. 10 Die beiden Textstellen des Absatzes sind unterstrichen.
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21. 6. 1937 Nr. 47 Wiedereinreise verweigern und ist mich los. Eine Ausweisung dafür von Orlow11 wird sie nicht sehr schrecken. Sie können sich ihre Orientierung über Deutschland auf anderen Wegen verschaffen. Besonders nach meiner jetzigen Reise, von *der außerdem noch angenommen wird, dass sie der Ausprobung eines „Kriegswagens“ diente, werde ich den Brüdern in der Seele*12 zuwider sein. Ich persönlich glaube nicht an eine Verweigerung der Rückkehr. Es muss auch versucht werden. Ich wollte Sie aber auf die Möglichkeit hinweisen. 4.) Über die Reise geht Ihnen ein ausführlicher Bericht baldmöglichst zu. Eine Erfahrung muss ich Ihnen aber schon jetzt mitteilen. Die Sowjets wollen 2 Konsulate von uns aufheben. Baumbach hat darüber schon nach Berlin berichtet und [es] ist ihm mitgeteilt worden, dass sein Bericht der Abteilung Wehrmacht (Politik) zugeleitet wurde. Nach meinen jetzigen Erfahrungen sage ich: mir ist es unbekannt, wie die völkerjuristische Lage auf die Auflösung der Konsulate ist, ob die Russen es tun können. Ich vertrete den Standpunkt, dass wir jedes Konsulat in diesem Lande mit Zähnen und Nägeln verteidigen und festhalten müssen. Mit der Auflösung verlieren wir die letzten schwachen Möglichkeiten, uns Nachrichten über die örtlichen Zustände zu beschaffen, und Kenntnis über die Lage des Feindes ist doch für den Soldaten das Wichtigste. Also: Unter allen und jeden Umständen durchhalten, jedes Konsulat, auch wenn es für keinen einzigen Deutschen mehr sorgen kann, bestehen lassen. Mein Bericht darüber wird Näheres enthalten. Ich wäre Ihnen für kurze telegrafische Mitteilung dankbar, ob auf meiner Reise nach dem Geschilderten noch bestanden wird. Mir wären nach dem wochenlangen Dreck hier einige Tage in Deutschland recht erfreulich, besonders wenn ich mich vorher etwas orientieren kann. Mit bestem Gruß Heil Hitler Ihr Köstring
Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben Stempel: Geheim und zdA T[ippelskirch].
BA MA, N 123/9, 4 Bl. Veröffentlicht in: General Ernst Köstring, S. 180–182.
11 Aleksandr Grigor’evič Orlov war bis Sommer 1937 Militärattaché der UdSSR in Deutschland. 12 Der Text ist am Seitenrand mit einem Ausrufezeichen versehen.
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Nr. 48
22. 6. 1937 Nr. 48 Runderlass des Chefs der Deutschen Sicherheitspolizei Heydrich
Nr. 48 22. 6. 1937 22. 6. 1937 Berlin, den 22. Juni 1937 B.-Nr. II A 3 – 7358/37 g – Betrifft: Russlandrückkehrer Vorgang: Ohne Keine Anlagen: In den Jahren vor und nach der nationalsozialistischen Erhebung sind sehr viele Reichsdeutsche aus politischen oder wirtschaftlichen und beruflichen Gründen nach der Sowjet-Union ausgewandert. Sie waren häufig marxistisch infiziert oder hatten keine innerliche Frontstellung gegen den Kommunismus, sodass sie in der Sowjet-Union, solange es ihnen wirtschaftlich zufriedenstellend ging, der bolschewistischen Propaganda mehr oder weniger widerstandslos folgten. Von den nach der Sowjet-Union ausgewanderten Reichsdeutschen sind sehr viele bereits zurückgekehrt und andere wandern wieder ins Reichsgebiet zurück, weil sie inzwischen in der Sowjet-Union die Wirkungen des Bolschewismus persönlich erlebt haben und dadurch von der bolschewistischen Lehre restlos geheilt wurden. Viele dieser nach der SU gewanderten Reichsdeutschen verloren ihre Beschäftigung in der Sowjet-Union, weil sie sich gegenüber den Forderungen der sowjetrussischen Stellen, sich in den sowjetrussischen Staatsverband aufnehmen zu lassen, ablehnend verhielten. Andere wieder gerieten grundlos in den Verdacht, faschistische Propaganda in der Sowjet-Union zu treiben und wurden aus diesem Grunde verhaftet und später ausgewiesen. Ein Teil von den aus politischen Gründen nach der S.U. gegangenen Personen zogen bzw. ziehen es vor, lieber in Deutschland auf Grund früherer Verfehlungen verhaftet und bestraft zu werden, als weiter in der Sowjet-Union vegetieren zu müssen. Erfahrungsgemäß müssen die deutschen Behörden schließlich noch mit der Sorte Russlandrückkehrer rechnen, die von der Komintern nach beendeter politischer Schulung nach Deutschland zurückdirigiert werden, um hier ihre zersetzende und nachrichtliche Tätigkeit aufzunehmen. Da zunächst jeder Russlandrückkehrer als politisch verdächtig gilt, ist ihm besonders sorgfältige Beachtung zu schenken. Um eine einheitliche staatspolizeiliche Behandlung der Russlandrückkehrer zu gewährleisten, wird nachstehende Anordnung getroffen: I. Maßnahmen bei der Einreise Die Staatspolizeistellen an der Land- und Wassergrenze und diejenigen, in deren Bereich sich Flugplätze befinden, müssen bei einreisenden Reichsdeutschen stets prüfen, ob die Betreffenden unmittelbar oder auf Umwegen aus der Sowjetunion ins Reichsgebiet zurückkehren. Gegebenenfalls ist mit dieser Prüfung eine sorgfältige Gepäck- und Kleiderdurchsuchung sowie Passkontrolle zu verbinden. Gleichzeitig ist festzustellen, ob gegen den Rückwanderer steckbriefliche oder polizeiliche Festnahmeersuchen bestehen. In Zweifelsfällen ist fernschriftlich Anfrage beim Geheimen Staatspolizeiamt geboten.
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22. 6. 1937 Nr. 48 Der aus der Sowjet-Union zurückkehrende Reichsdeutsche ist über den Weg und das Ziel seiner Reise zu befragen. Er hat anzugeben, wo er Wohnung nehmen will und mit welchen Absichten er sich für die nächste Zukunft trägt. Liegen Festnahmeersuchen nicht vor, so ist die Weiterreise zu gestatten unter der Auflage, dass sich der betreffende Russlandrückkehrer sofort nach Ankunft an seinem vorläufigen Aufenthaltsort bei der zuständigen Staatspolizeistelle meldet. Über die ersten Feststellungen, die die Grenzstellen machen, ist alsbald fernschriftlicher Bericht an das Geheime Staatspolizeiamt – Sachgebiet II A 3 – zu geben. Außerdem ist sofort der für den künftigen Aufenthaltsort des Russlandrückkehrers zuständigen Staatspolizeistelle fernschriftlich die erfolgte Einreise und die Auskunftszeit am Reiseziel mitzuteilen. Da es vorgekommen ist, dass Russlandrückkehrer nicht nach dem angegebenen Reiseziel gereist sind, ist zum Zwecke späterer Fahndung der Pass des Russlandrückkehrers, und zwar die Bildseite und die Seite mit der Personenbeschreibung zu fotokopieren und dem fernschriftlichen Bericht an das Geheime Staatspolizeiamt und an die zuständige Staatspolizeistelle nachzusenden. II. Erfassung und Vernehmung der Russlandrückkehrer Die Staatspolizeileit- bzw. Staatspolizeistellen haben durch entsprechende Anordnungen zu gewährleisten, dass ihnen jeder aus der Sowjet-Union zurückkehrende Reichsdeutsche, der in ihrem Bezirk Aufenthalt nimmt, sofort gemeldet wird. (Fühlungnahmen mit den zuständigen Arbeitsämtern, Ersuchen an die Polizeiverwaltungen (Einwohnermeldeämter), Landräte und Regierungspräsidenten werden zu diesem Zwecke erforderlich sein.) Die Russlandrückkehrer sind möglichst von Spezialbeamten der Staatspolizeistellen eingehend zu vernehmen; von der Vernehmungsniederschrift sind *drei Durchschläge* unter Beifügung eines *Lichtbildes*1 des Vernommenen an das hiesige Sachgebiet II A 3 einzusenden. Die Vernehmung, die so *erschöpfend*2 wie nur irgend möglich zu gestalten ist, soll u. a. einen Eindruck über den Russlandrückkehrer, seine politische Zuverlässigkeit und ein möglichst umfassendes Bild über die Zustände in der SowjetUnion und schließlich auch über die Rüstungen und die militärischen Absichten der Sowjetunion vermitteln. Eine Schematisierung der Vernehmungen ist zu vermeiden. Nachstehend sind als Anhaltspunkte einige Fragen zusammengestellt, die bei der Vernehmung auf jeden Fall zu berücksichtigen sind. Es muss jedoch erwartet werden, dass über die als Anregung gedachte Fragezusammenstellung hinaus entsprechend der Sonderkenntnis des jeweiligen Rückkehrers und seiner Eigenart und Vergangenheit die Vernehmungen erweitert werden. Vernehmungspunkte: a) Personalien (Religion, Rassezugehörigkeit, Staatsangehörigkeit, derzeitige Wohnung, Militärverhältnisse, letzter Aufenthaltsort). b) Einzelfragen über die Zeit vor der Auswanderung nach der Sowjet-Union: 1 2
Die drei Wörter sind unterstrichen. Das Wort ist unterstrichen.
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Nr. 48
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1. Lebenslauf – stichwortähnliche Angaben –, 2. politische Einstellung und Betätigung, 3. Beruf, Beschäftigungsarten, 4. wann und warum Deutschland verlassen und mit welcher Unterstützung (KPD, Sowjetrussische Handelsvertretung, MOPR usw.), 5. wo ausgereist, mit welchen Ausweispapieren, Grenze legal oder illegal überschritten? c) Einzelfragen über die Aufenthaltszeit in der Sowjet-Union: 1. Wo Aufenthalt in der Sowjet-Union? (Ortsangabe mit jeweiliger Aufenthaltsdauer); 2. Eigene Beschäftigung? (Einkommen, Arbeitgeber); 3. Eigene politische Tätigkeit? (Aufnahme in die KP der SU, Beteiligung an den Veranstaltungen des Deutschen Konsulats); 4. Welche sowjetrussische Stelle beschäftigt sich mit Ausländern? Welchen Bestimmungen unterliegt der Ausländer? Welche Fragen werden an ihn gestellt? Wurde er befragt über Zustände und militärische Dinge in Deutschland? Von wem? Wo? Wann? 5. Stimmung der Bevölkerung über Deutschland? Wie verhält sich die Presse? 6. Allgemein wirtschaftliche Lage der Sowjet-Union, soweit sie aus Handel und Unternehmungen beurteilt werden kann. Produktivität und Rentabilität der Handels-, Industrie- und gewerblichen Betriebe? Kaufkraft des Rubels? 7. Kenntnisse über soziale Verhältnisse in der Sowjetunion? (Entlohnung des Arbeiters, seine Unterbringung, Wohnverhältnisse, Ernährung, Kleidung, Lebensweise). 8. Stachanow-Methode? 9. Kenntnisse über die Kollektivwirtschaft? (Sowchos, Kolchos, Zustände in der Landwirtschaft). 10. Stellung der Frau in der Sowjet-Union. Bedeutung der Ehe: Kinder- und Jugenderziehung? 11. Bedeutung, Stärke und Gliederung der K.P., Aufgaben der Partei in Betrieben und im öffentlichen Leben, Stellung der Sowjets? 12. Verhalten der Bevölkerung zur Regierung und Partei, zu den Juden? Wie ist die Stimmung im Lande? 13. Bekannt gewordene Emigranten und Juden und ihre Betätigung, EmigrantenOrganisationen, Flüchtlingsheime, Gewährung von Unterstützungen durch diese Organisationen? Wie verhalten sich die sowjetrussischen Behörden zu diesen Emigranten-Organisationen? 14. Welche Reichsdeutschen in der Sowjet-Union kennengelernt? Wo waren sie tätig? Wie haben sie sich politisch betätigt? Vollständige Personalien? 15. Kenntnisse über die Besetzung, Gliederung, Aufgaben der Komintern, GPU, Roten Armee, Flotte (Schiffsnamen, Bestückung, Bemannung), ihre Stärke, Standorte, Uniformierung, Ausrüstung, Unterbringung? Kenntnisse über Küstenverteidigungsanlagen (bei Leningrad, am Schwarzen Meer und anderswo)? Kenntnisse über den sowjetrussischen Nachrichtendienst? 16. Werke der Rüstungs-Industrie? (Was wird hergestellt? Welche Methoden? Ihre geographische Lage?)
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22. 6. 1937 Nr. 48 16 a. Sind Deutsche oder Russen bekannt, die über militärische Dinge Näheres wissen, die in militärischen Verbänden oder in Rüstungswerken beschäftigt waren oder sind? Ihre jetzigen Anschriften? 17. Kenntnisse über die Osoviachim? (Vormilitärische Ausbildung der Jugend). 18. Wie steht es mit der Erhaltung des Deutschtums in den ehemals von deutschen Kolonisten bewohnten Gebieten? 19. Was ist über die Zwangsarbeitslager bekannt? 20. War er Schüler einer Am3- oder einer anderen politischen Schule? (Kenntnisse über Lehrer, Mitschüler, Lehrgegenstände, Ort der Lehrstätte). 21. In der Sowjet-Union verhaftet gewesen? (Wo, warum, Dauer der Haft, Behandlung in der Haft, Vernehmungsmethoden, Namen der vernehmenden Beamten). 22. Vor Ausreise nach Deutschland besondere Aufträge von der GPU erhalten? Welcher Art waren die Aufträge? Etwa Nachrichtenübermittlung aus Deutschland, Zersetzung treiben, Spionagedienst, wenn nicht, was ist ihm über solche Aufträge bekannt? 23. Wann und warum aus der Sowjet-Union zurückgekehrt? d) Einzelfragen über die Zeit nach der Rückkehr nach Deutschland: 1. Wie eingereist? 2. Wo endgültiger Aufenthalt? (Stadt, Straße, Nummer). 3. Wo und welche Arbeit erhalten? 4. Beim Rückwandereramt gemeldet? Falls Meldung beim Rückwandereramt noch nicht erfolgt ist, ist sie zur sofortigen Pflicht zu machen. Nichtmeldung beim Rückwandereramt hat Nachteile bei der Arbeitsbeschaffung zur Folge. e) Sonderfragen: Ergibt sich, dass der Russlandrückkehrer selbst spionageverdächtig oder besondere Aussagen über Rüstungsbetriebe, militärische Absichten der Sowjet-Union, Rote Armee und andere militärische Wichtigkeiten machen kann, so ist hierüber die zuständige militärische Abwehrstelle zu unterrichten, der dann Gelegenheit zu geben ist, über die staatspolizeiliche Vernehmung hinaus noch Sonderfragen an den Russlandrückkehrer zu richten. Außerdem ist in solchen Fällen und dann, wenn der Rückkehrer im geheimen Fahndungsblatt ausgeschrieben war – abgesehen von der Belieferung des hiesigen Sachgebiets mit Vernehmungsniederschriften (s. Teil II, Abs. I) – auch das hiesige Referat III erschöpfend zu unterrichten. III. Maßnahmen nach erfolgter Vernehmung: Der Russlandrückkehrer ist festzunehmen, falls ein Strafverfahren gegen ihn schwebt oder falls ein solches mit Aussicht auf Erfolg eingeleitet werden kann. Für umgehende Vorführung vor den Richter ist in diesem Falle Sorge zu tragen. Schutzhaft ist dann zu verfügen, wenn Unterlagen dafür vorhanden sind, dass das Verbleiben des Rückwanderers in der Öffentlichkeit dem Staatswohl abträglich ist. Maßgebend für eine solche Schlussfolgerung würde die etwa vorliegende Tatsache sein, dass der Russlandrückkehrer sich vor seiner Abwanderung nach der Sow3 Der AM[Antimilitärischer]-Apparat der KPD befasste sich auch mit Fragen der militärischen Ausbildung. In Moskau existierte im Zeitraum von 1930 bis 1935 eine militärpolitische Schule (auch M-Schule), in der vor allem deutsche Parteimitglieder ausgebildet wurden. Weitere Schulen waren die Lenin-Schule und die Kommunistische Universität der nationalen Minderheiten des Westens (KUNMZ).
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jet-Union marxistisch aktiv betätigt, in der Sowjet-Union kommunistische Politik weiter betrieben, gegen Deutschland gehetzt hat und auch jetzt noch an seiner kommunistischen Überzeugung festhält. In Zweifelsfällen ist vor Verhängung der Schutzhaft fernschriftlich Genehmigung einzuholen, ob weitere Verhängung der Schutzhaft erforderlich ist. Jüdische Russlandrückkehrer und Mischlinge 1. Grades sind nach wie vor gemäß Emigrantenerlass II I B 2 – 60159/462/35 – wenn die Voraussetzungen vorliegen – in Schulungshaft zu nehmen. Gegenüber deutschblütigen Russlandrückkehrern findet der Begriff der Schulungshaft keine Anwendung. Gewinnt die Staatspolizeistelle nach eingehender Vernehmung und Prüfung aller Verdachtsmomente den Eindruck, dass der Russlandrückkehrer nach seinem Aufenthalt in der Sowjet-Union als vom Bolschewismus geheilt angesehen werden kann, so soll sie seine Eingliederung in den Arbeitsprozess, soweit möglich, fördern und von Beschränkungen seiner Freiheit absehen. Jedoch ist es erforderlich, dass jeder Russlandrückkehrer längere Zeit unter Beobachtung gestellt wird, um festzustellen, ob er sich tatsächlich politisch einwandfrei verhält. Der J-Referent der DAF, die Gauleitungen der NSDAP und selbstverständlich auch die Ortspolizeiverwaltungen sind auf den Russlandrückkehrer aufmerksam zu machen mit dem Ziel, dass von diesen Stellen eine entsprechende Beobachtung sowie weltanschauliche Schulung gesichert ist. Schließlich ist Sonderbenachrichtigung an den zuständigen SD-Abschnitt, mit dem Beobachtungsergebnisse auszutauschen sind, geboten. Nach Ablauf eines halben Jahres ist dem Geheimen Staatspolizeiamt über das Verhalten des Russlandrückkehrers Bericht zu erstatten. Gleichzeitig ist Stellung zu nehmen, ob eine weitere Überwachung für notwendig erachtet wird. IV. Bedeutung des Rückwandereramtes und der Rückwandererausweise: Jeder Russlandrückkehrer soll sich beim zuständigen Rückwandereramt (Rückwandererämter bestehen in Berlin, Hamburg, Schneidemühl, München, Kiefersfelden, Dresden, Stettin, Breslau, Königsberg, Düsseldorf, Stuttgart, Oppeln) melden. Daselbst muss er besondere Fragenbogen ausfüllen. Das Rückwandereramt wendet sich seinerseits an die zuständigen Staatspolizeistellen und auch Dienststellen anderer Behörden, um sich über die politische Zuverlässigkeit des Rückwanderers ein zutreffendes Bild zu machen. Nach Einholung der Auskünfte stellt das Rückwandereramt dem Russlandrückkehrer einen Ausweis aus. Diese Ausweise werden mit den Buchstaben A, B oder C besonders gekennzeichnet. Die Kennzeichnung A, B, C bedeutet die vom Rückwandereramt auf Grund der staatspolizeilichen Beurteilung vorgenommene Klassifizierung des Russlandrückkehrers. Gruppe A umfasst diejenigen Russlandrückkehrer, die der NSDAP im Auslande angehört haben und für sie tätig waren, oder die, ohne der Bewegung anzugehören, nationalsozialistische wertvolle Arbeit geleistet haben. Gruppe B umfasst die größte Zahl der Rückwanderer. In diese Gruppe werden alle diejenigen Russlandrückkehrer einbezogen, die in politischer und sonstiger Hinsicht unbelastet erscheinen. Gruppe C enthält diejenigen Rückwanderer, die politisch belastet erscheinen, die also entweder vor ihrer Auswanderung nach der Sowjet-Union Kommunisten
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23. 6. 1937 Nr. 49 oder Marxisten waren, oder die während ihres Aufenthaltes in der Sowjet-Union sich der Kommunistischen Partei angeschlossen haben, oder sonst erkennen ließen, dass sie Feinde der nationalsozialistischen Bewegung sind. Die Kennzeichnung befindet sich auf Blatt 1 des Rückwandererausweise in der Spalte „Gruppe“. Rückwanderer mit dem Ausweis C dürfen in lebenswichtigen oder Rüstungsbetrieben nicht beschäftigt werden. V. Einschränkung der Gültigkeit des Erlasses über rückkehrende Emigranten: Aus Vorstehendem geht hervor, dass bei deutschblütigen Russlandrückkehrern häufig wesentlich andere staatspolizeiliche Überlegungen anzustellen sind als bei den aus anderen Ländern zurückkehrenden Emigranten. Deshalb war die Herausgabe eines besonderen Erlasses über Russlandrückkehrer erforderlich, durch welchen der Erlass über „Rückkehrende Emigranten – II I B 2 60159/624/35 – gegenüber deutschblütigen Russlandrückkehrern aufgehoben wird. Insoweit es sich jedoch bei den Russlandrückkehrern um nichtarische Elemente handelt, bleibt der Erlass II I B 2 60159/624/35 in Gültigkeit. gez. Heydrich Beglaubigt: [Unterschrift] Kanzleiangestellte Für den Verteiler: a) An alle Staatspolizeileitstellen b) ˮ ˮ Staatspolizeistellen Auf erstem Blatt oben: Stempel Geheim! IfZ, Fb 201, Bl. 130-141.
Nr. 49 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem deutschen Geschäftsträger in Moskau von Tippelskirch Nr. 49 23. 6. 1937 23. 6. 1937 Geheim [23.6.1937] AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS GESPRÄCH MIT DEM GESCHÄFTSTRÄGER DEUTSCHLANDS TIPPELSKIRCH, 23. Juni 1937 Der Geschäftsträger Deutschlands begann mit der Frage, ob ich wisse, wann die Ausweisung der ersten Gruppe von inhaftierten Deutschen aus der UdSSR nach
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Deutschland erfolgen werde. Der Botschafter1 sei in der Überzeugung nach Berlin gefahren, dass diese Angelegenheit bereits praktisch geregelt sei. Jedoch habe die Deutsche Botschaft bis jetzt die Pässe der zur Ausweisung bestimmten Personen nicht erhalten, und deshalb sei ihr die Möglichkeit genommen, diese mit den erforderlichen Visa auszustatten. Zugleich erkundigte sich der Geschäftsträger, ob der Botschaft die Möglichkeit eingeräumt werde, die zur Ausweisung bestimmten Personen vor ihrer Abreise zu besuchen und sie mit den nötigen Geldmitteln auszustatten. Ich antwortete, dass mir die offizielle Mitteilung vorliege, dass für fünf inhaftierte deutsche Staatsangehörige die Formalitäten erledigt seien. Es wäre möglich, dass die Verzögerung bei der Übersendung ihrer Pässe an die Deutsche Botschaft aufgrund irgendwelcher zufälliger technischer Gründe eingetreten sei. Ich würde den zuständigen Mitarbeiter beauftragen, zu klären, was los sei, **und**2 mich bemühen, die Ausweisungsprozedur zu beschleunigen.3 Was ein Treffen mit den auszuweisenden Personen betreffe, so müsse man sich zusätzlich mit den zuständigen Organen verständigen.4 Tippelskirch erkundigte sich, wann die Ausreiseformalitäten für *die nächste Gruppe inhaftierter deutscher Staatsangehöriger erledigt sein würden. Ich antwortete, dass mir dazu keine Informationen vorlägen. Ich nähme an, dass es zu einer beschleunigten Ausweisung einer neuen Gruppe von Deutschen beitragen würde, wenn die Angelegenheit erledigt wäre, zu der uns die deutsche Regierung ihre Vermittlung zugesichert habe. Ich hätte die Freilassung der Besatzungen der „Komsomol“ und der „Smidovič“ aus dem Gewahrsam von General Franco im Blick.5 Tippelskirch antwortete, dass sich diese Angelegenheit seinen Informationen zufolge auf dem Wege der Realisierung befinde. In der UdSSR würden leider nach wie vor Inhaftierungen von deutschen Staatsangehörigen vorgenommen. Seit dem 1. Juni seien der Liste der Inhaftierten sieben Namen hinzugefügt worden. Der Geschäftsträger händigt mir diese Liste aus. Er könne nicht verschweigen, dass die fortgesetzten Inhaftierungen in Deutschland einen höchst ungünstigen Eindruck hinterließen.*6 Ich entgegnete, dass das NKID, soweit mir bekannt sei, der Deutschen Botschaft niemals zugesichert hätte, eine endgültige Einstellung der Inhaftierung deutscher Staatsangehöriger durchzusetzen, die von den zuständigen Organen wegen Handlungen beschuldigt würden, die gegen die in der UdSSR bestehende staatliche Ordnung gerichtet seien. Aus diesem Grunde sähe ich keinen Zusammenhang zwischen dem in Deutschland angeblich wegen der fortgesetzten Inhaftierungen von Deutschen in der UdSSR entstandenen Eindruck und dem zwischen dem deutschen Botschafter und Gen. Litvinov erzielten bekannten Übereinkommen.7 1 2 3
Friedrich Werner Graf von der Schulenburg. Das Wort ist über die Zeile geschrieben. Zur endgültigen Regelung der Ausweisung der fünf festgenommenen deutschen Staatsangehörigen vgl. das Telegramm und den Bericht von Tippelskirchs vom 28.6.1937. In: PA AA, Moskau 219, o.P. 4 Vgl. Dok. 52. 5 Vgl. Dok. 36. 6 Der Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. 7 Vgl. Dok. 17, 36.
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24. 6. 1937 Nr. 50 Tippelskirch kam nicht mehr auf seine Bemerkung zurück. Zum Abschluss seines Gesprächs mit mir händigte er mir eine Notiz bezüglich der am 17. Juli in Char’kov gegen den deutschen Staatsangehörigen Julius Sampalla-Pahl verhängten Todesstrafe aus. Der deutsche Geschäftsträger bat mich, unverzüglich zu intervenieren, damit das Urteil nicht zur Vollstreckung komme. Ich sicherte Tippelskirch zu, mich unverzüglich dieser Angelegenheit anzunehmen.8 V. Potemkin Vermerk mit Bleistift: M.M. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2281 vom 26.6.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 Expl. Das 1. [Exemplar] zu den Akten, das 2. *an Gen. Litvinov*9, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. an die 2. Westabteilung, das 5. nach Berlin. Expl. Nr. 2. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 44, l. 41–42. Kopie.
Nr. 50 Weisung des Reichskriegsministers von Blomberg Nr. 50 24. 6. 1937 24. 6. 1937 Berlin, den 24.6.37 Der Oberbefehlshaber der Wehrmacht Nr. 55/37 g. K. Chefsache L Ia 5 Ausfertigungen 2. Ausfertigung Geheime Kommandosache Von Offizier geschrieben! Chef Sache Nur durch Offizier Weisung für die einheitliche Kriegsvorbereitung der Wehrmacht (gültig vom 1.7.1937 bis voraussichtlich 30.9.1938) Inhalt Teil 1: Allgemeine Richtlinien Teil 2: Wahrscheinliche Kriegsfälle (Aufmärsche) Teil 3: Sonder-Vorbereitungen 8 Am 23.6.1937 richtete Potemkin ein Schreiben an Stalin mit dem Vorschlag, die gegen den deutschen Staatsangehörigen Sampalla-Pahl verhängte Höchststrafe durch Erschießen durch eine 10jährige Freiheitsstrafe zu ersetzen, weil „es bis zum jetzigen Zeitpunkt keinen einzigen Fall der Erschießung eines deutschen Staatsangehörigen gegeben hat und weil eine Erschießung Sampallas ungünstige politische Folgen nach sich ziehen kann“. Am 24.6.1937 behandelte das Politbüro diese Frage und nahm den Vorschlag des NKID an. In: RGASPI, f. 17, op. 166, d. 575, l. 4 (Protokol Nr. 51, Pkt. 33, Sondermappe). 9 Der Text ist mit Bleistift unterstrichen.
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1.) Die allgemeine politische Lage berechtigt zu der Vermutung, dass Deutschland mit keinem Angriff von irgendeiner Seite zu rechnen hat. Hierfür spricht in erster Linie neben dem fehlenden Kriegswillen bei fast allen Völkern, insbesondere bei den Westmächten, auch die mangelnde Kriegsbereitschaft einer Reihe von Staaten, vornehmlich Russlands. Ebensowenig besteht von Seiten Deutschlands die Absicht, einen europäischen Krieg zu entfesseln. Trotzdem erfordert die politisch labile und überraschende Zwischenfälle nicht ausschließende Weltlage eine stete Kriegsbereitschaft der deutschen Wehrmacht a) um Angriffen jederzeit entgegenzutreten b) und um etwa sich ergebende politisch günstige Gelegenheiten militärisch ausnutzen zu können. Dem müssen die Vorbereitungen der Wehrmacht für einen etwaigen Krieg im Mob.-Abschnitt 1937/38 Rechnung tragen. Sie sind deshalb auf verschiedene Möglichkeiten einzustellen und werden im Folgenden unterteilt nach: a) Vorbereitungen allgemeiner Art (s. Ziffer 2) b) Bearbeitung von Kriegsfällen, die ihrer Wahrscheinlichkeit nach an erster Stelle stehen, in Form von Aufmärschen auch unter Beteiligung nachgeordneter Dienststellen (s. Ziffer 3). c) Sondervorbereitungen in Form von Studien u. Überlegungen, jedoch im Allgemeinen nur innerhalb der Oberkommandos (Sonder-Vorbereitungen s. Ziffer 4). 2.) Die Vorbereitungen allgemeiner Art erstrecken sich auf: a) Die ständige Mob.-Bereitschaft der deutschen Wehrmacht, auch bevor die Aufrüstung abgeschlossen und die völlige Kriegsbereitschaft hergestellt ist. b) Die weitere Durcharbeitung der „Mobilmachung ohne öffentliche Verkündung“, um die Wehrmacht in die Lage zu versetzen, einen Krieg überfallartig nach Stärke und Zeitpunkt überraschend beginnen zu können. c) Die Bearbeitung des Abtransports der Masse der aktiven Heereskräfte aus Ostpreußen nach dem Reich. d) Die vorbereitenden Maßnahmen, falls deutsches Hoheitsgebiet plötzlich überraschend und in feindlicher Absicht durch eine fremde Macht verletzt wird. Dann wird ohne besonderen Befehl mit Waffengewalt Widerstand geleistet. Die Wehrmachtteile haben deshalb ihre zuständigen Befehlshaber an der Grenze oder an der Küste zu ermächtigen, in einem solchen Fall alle für die Abwehr des feindlichen Angriffs notwendigen Maßnahmen selbständig zu treffen, ohne Rücksicht darauf, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die einzelnen Maßnahmen schon bestehen oder nicht. (Durchführungsverordnung zum R.V.G) In keinem Falle darf jedoch ohne meine Genehmigung die deutsche Reichsgrenze überschritten oder überflogen bzw. fremdes Hoheitsgebiet verletzt werden. Eine Verletzung deutschen Hoheitsgebiets (vgl. 1. Satz der Ziffer 2 d) liegt nicht vor, wenn es sich um eine zufällige, unbeabsichtigte oder durch Übereifer eines Unterführers entstandene Grenzüberschreitung durch einzelne Posten und Patrouillen oder ein durch falsche Navigation entstandenes Überfliegen oder Befah-
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24. 6. 1937 Nr. 50 ren deutschen Hoheitsgebiets durch Kriegsfahrzeuge in offensichtlich nicht feindlicher Absicht handelt. 3.) Zu den wahrscheinlichen Kriegsfällen, die aufmarschmäßig bearbeitet werden, gehören: I.) Zweifrontenkrieg mit Schwerpunkt West (Aufmarsch „Rot“). II.) Zweifrontenkrieg mit Schwerpunkt Südost (Aufmarsch „Grün“). Einzelheiten siehe Teil 2 der Weisung 4.) Sondervorbereitungen sind für folgende Fälle zu treffen: I.) Bewaffnete Intervention gegen Österreich (Sonderfall Otto) II.) Kriegerische Verwicklungen mit Rotspanien (Sonderfall Richard) III. England, Polen, Litauen beteiligen sich an einem Kriege gegen uns (Sonderfall „Erweiterung Rot/Grün“): Einzelheiten siehe Teil 3 der Weisung Bei der Bearbeitung bzw. bei den Überlegungen dieser Sondervorbereitungen ist Folgendes zu berücksichtigen: Wenn wir auch bei der augenblicklichen Lage aller Voraussicht nach mit einem oder mehreren Verbündeten bei einzelnen Sonderfällen rechnen können, so ist doch grundsätzlich bei den Bearbeitungen und Überlegungen davon auszugehen, dass wir zunächst allein stehen. 5.) Die vorliegende Weisung bezieht sich nur auf die einheitliche Vorbereitung zu einem Kriege und auf die allgemeinen strategischen Gesichtspunkte, die für eine Kriegseröffnung zu gelten haben. Auf Grund dieser Weisung haben die Wehrmachtteile ihre Aufmarsch-ppWeisungen zu ergänzen oder neu aufzustellen und sich hierbei untereinander in Verbindung zu setzen, um etwaige Widersprüche vor Herausgabe der Weisungen zu beseitigen, nötigenfalls unter Herbeiführung meiner Entscheidung. Die Weisung für die Führung des Krieges selbst und die Bezeichnung des Kriegsziels, das von der politischen und damit auch militärischen und wirtschaftlichen Gesamtlage zu Beginn eines Krieges abhängt, wird über mich durch den Führer und obersten Befehlshaber gegeben. v. Blomberg Teil 2 Wahrscheinliche Kriegsfälle (Aufmärsche) Der Bearbeitung der wahrscheinlichen Kriegsfälle (Aufmärsche) sind die nachfolgenden Voraussetzungen, Aufgaben und Aufträge zu Grunde zu legen. I.) Zweifrontenkrieg mit Schwerpunkt West (Aufmarsch „Rot“). 1.) Voraussetzungen Im Westen ist Frankreich der Gegner. Belgien kann entweder sofort, später oder überhaupt nicht auf die Seite Frankreichs treten. Möglich ist auch, dass eine etwaige Neutralität Belgiens, sicherlich die Luxemburgs durch Frankreich verletzt wird.
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Im Osten ist aller Voraussicht nach mit der feindseligen Haltung von Russland und der Tschechoslowakei zu rechnen. Dass Polen und Litauen vorerst neutral bleiben, ist anzunehmen. Von Österreich, Italien, Ungarn und Jugoslavien wird mindestens wohlwollende Neutralität erwartet. Englands Haltung wird ungewiss sein (vgl. Teil 3 der Weisung). Die Kriegseröffnung wird sich voraussichtlich durch einen überfallartigen Angriff des franz. Heeres und der franz. Luftwaffe auf Deutschland und durch Teilaktionen der franz. Flotte abspielen. Im Osten kann mit der vorläufigen Zurückhaltung der Tschechei gerechnet werden, sofern sie nicht unter dem politischen Druck Russlands zu vorzeitigem Handeln, vor allem mit ihrer durch Russland verstärkten Luftwaffe gezwungen wird. Unternehmungen russischer Seestreitkräfte sind wahrscheinlich. 2.) Aufgabe der deutschen Wehrmacht ist es, ihre Vorbereitungen so zu treffen, dass die Masse der Wehrmacht gegen Frankreich eingesetzt werden kann, und dass im Osten vorerst lediglich Abwehr mit geringstem Kräfteeinsatz geleistet wird. 3.) Im Rahmen dieser Aufgabe werden den Wehrmachtsteilen folgende Aufträge zufallen: a.) Heer Der Schwerpunkt der Landkriegführung liegt im Westen. Erste Aufgabe des Heeres wird es sein, unter Einleitung des Kampfes möglichst nahe an der Grenze das Vordringen des Feindes gegen und über den Rhein und den Schwarzwald zu verhindern und das westrheinische Gebiet nördlich der Mosel so lange als möglich zu behaupten. Bei der Neutralität Belgiens kommt dem Besitz der Eifel als Flankenstellung und Operationsbasis gegenüber dem franz. Nordflügel besondere Bedeutung zu. Jede günstige Gelegenheit zu wirkungsvollen Teilschlägen gegen das franz. Heer ist auszunutzen. Die Sicherung der Ost- und Südgrenze des Reiches kann zunächst der Grenzwacht und Landwehrdivisionen überlassen bleiben. Ostpreußen ist zu verteidigen. Je nach der politischen Lage muss aber mit dem Abtransport eines Teils oder der Masse der aktiven Kräfte auf dem Seeweg in das Reich gerechnet werden. b.) Kriegsmarine Der Schwerpunkt der Seekriegführung ist je nach der Seelage in der Ost- oder Nordsee vorzusehen. Die strategische Aufgabe der Kriegsmarine ist die Sicherung unserer Seeverbindungen in Ostsee, Nordsee und auf den Weltmeeren, insbesondere ist die Verbindung mit Ostpreußen sicherzustellen. Die operative Durchführung dieser Aufgabe ist von dem Stärkeverhältnis auf See abhängig und durch Ausschaltung der feindlichen Seemacht anzustreben. Zugleich mit dem Schutz und der Steuerung der eigenen Seeverbindungen ist der feindliche Seeverkehr in Nord- und Ostsee zu unterbinden, sowie im Atlantik, Mittelmeer und gegebenenfalls auf weiteren Meeren durch geeignete Streitkräfte zu stören. Behinderung und Verzögerung französischer Truppentransporte aus Afrika kann die eigene Landkriegführung erheblich entlasten.
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24. 6. 1937 Nr. 50 Bei allen Vorarbeiten ist der politischen Notwendigkeit Rechnung zu tragen, dass zu Beginn eines Krieges durch peinliche Beachtung der Rechte nicht kriegführender Staaten uns deren Neutralität erhalten bleibt. c.) Luftwaffe Der Schwerpunkt der Luftkriegführung liegt ebenfalls im Westen. Die ersten Aufgaben der Luftwaffe werden dabei aller Voraussicht nach sein: Kampf gegen die Luftwaffe der Westgegner und deren Bodenorganisation sowie gegen die Hauptrüstungszentren der feindlichen Flugzeugindustrie. Eingreifen in die Erdoperation, später vielleicht auch Verzögerung des feindlichen Aufmarschs, falls nur dadurch größere Anfangserfolge des feindl. Heeres verhindert werden können, die unter Umständen später nicht mehr wettzumachen sind. Schutz der deutschen Kraftquellen unter besonderer Berücksichtigung von Berlin, des Ruhrgebiets und des mitteldeutschen Industriegebiets. Der Angriff auf Ziele von vorwiegend politischer Bedeutung (z. B. Paris) unterliegt in jedem Fall meiner besonderen Genehmigung. II.) Zweifrontenkrieg mit Schwerpunkt Südost (Aufmarsch „Grün“) 1.) Voraussetzungen Um den bevorstehenden Angriff einer überlegenen feindlichen Koalition abzuwehren, kann der Krieg im Osten mit einer überraschenden deutschen Operation gegen die Tschechoslowakei beginnen. Die politischen und völkerrechtlichen Voraussetzungen für ein derartiges Handeln müssen vorher geschaffen sein. Es steht zu erwarten, dass Polen und Litauen sich voraussichtlich neutral oder wenigstens abwartend, Österreich, Italien und Jugoslavien sich mindestens wohlwollend neutral verhalten. Ungarn wird sich vielleicht früher oder später dem Vorgehen Deutschlands gegen die Tschechoslowakei anschließen. Frankreich und Russland werden wahrscheinlich die Feindseligkeiten gegen Deutschland eröffnen, Russland zunächst nur mit See- und Luftstreitkräften. Die Neutralität Englands, die als eine unumgänglich notwendige Voraussetzung für den Fall „Grün“ anzusehen ist, sowie die aller übrigen nicht genannten und zu einer militärischen Kriegführung gegen Deutschland befähigten Staaten wird die Führung der deutschen Politik mit allen Mitteln anstreben. 2.) Aufgabe der deutschen Wehrmacht ist es, ihre Vorbereitungen so zu treffen, dass die Masse aller Kräfte schnell, überraschend und mit stärkster Wucht in die Tschechoslowakei einbrechen kann und dass im Westen nur ein Mindestmaß von Kräften als Rückendeckung für diese Angriffsoperation vorgesehen wird. Zweck und Ziel dieses Überfalls durch die deutsche Wehrmacht soll sein, durch Zerschlagen der feindl. Wehrmacht und Besetzen von Böhmen und Mähren die Rückenbedrohung durch die Tschechoslowakei für den Kampf im Westen auf die Dauer des Krieges von vornherein auszuschalten und der russischen Luftwaffe den wesentlichsten Teil ihrer Operationsbasis in der Tschechoslowakei zu entziehen. 3. Im Rahmen dieser Aufgabe werden den Wehrmachtteilen folgende Aufgaben zufallen: a.) Heer Die Masse des Feldheeres ist zum Angriff gegen die Tschechoslowakei anzusetzen.
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Der Ansatz dieser Operation wird von der jeweiligen Stärke und Kriegsbereitschaft des deutschen Heeres sowie dem Stand der Vorbereitungen, aber auch von der Haltung Polens abhängen. Bei der Vorbereitung ist auch der Fall zu berücksichtigen, dass deutsche Truppen auf österreichischem Boden aufmarschieren können, in der Erwartung, dass die politische Führung die Voraussetzungen hierfür schaffen wird. Der Beginn der Operationen muss mit dem der Luftwaffe zeitlich voll in Einklang stehen. Ich behalte mir deshalb die Festsetzung des Zeitpunkts selbst vor (vgl. Luftwaffe Abs. b). Das Endziel besteht in einem planmäßig im Frieden vorbereiteten strategischen Überfall auf die Tschechoslowakei, der ihre Befestigungen überraschend zu Fall bringt, ihre Wehrmacht noch in der Mobilmachung fasst und zerschlägt, und in der Ausnutzung der völkischen Zersplitterung die Tschechoslowakei in kurzer Zeit zum Erliegen bringt. Die militärische Voraussetzung für diesen Überfall muss mit der vollen Ausstattung und Verwendungsfähigkeit der Panzerverbände erreicht sein. Die Rückendeckung im Westen muss zahlen- und wertmäßig auf das äußerste Maß beschränkt werden. Es muss mit dem jeweiligen Stand der Befestigungen in Einklang stehen. Die Grenze dieser Beschränkung ist nur durch die Forderung zu ziehen, das rheinisch-westfälische Industriegebiet sowie die Verbindung von Nordund Süddeutschland zu erhalten. Ostpreußen ist zu verteidigen. Je nach der politischen Lage muss aber mit dem Abtransport eines Teils oder der Masse der aktiven Kräfte auf dem Seeweg in das Reich gerechnet werden. b.) Luftwaffe Die Luftwaffe ist mit der Masse gegen die Tschechoslowakei einzusetzen, für den Westen ist nur das unumgängliche Mindestmaß an Kräften vorzusehen. Erste Aufgaben der Luftwaffe werden sein: Lähmung der tschechischen Mobilmachung, insbesondere Bekämpfung der Luftwaffe in der Tschechoslowakei und ihrer Bodenorganisation sowie der Mob.Zentren und der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte. Hierbei kommt es darauf an, den tschechischen Staat wirkungsvoll zu zerschlagen und dem Heer die Inbesitznahme zu erleichtern. Bei Zuweisung der Kampfaufgaben sind jedoch im eigenen späteren Interesse alle für uns nutzbar zu machenden Industrie- und Werksanlagen zu schonen, soweit die eigene Operationsführung dies zulässt. Schutz der deutschen Kraftquellen unter besonderer Berücksichtigung von Berlin, des mitteldeutschen Industriegebiets und des Ruhrgebiets. Der Beginn der Operationen der Luftwaffe gegen die Tschechoslowakei muss mit dem des Heeres voll in Einklang stehen. Die Festsetzung des Zeitpunkts behalte ich mir daher selbst vor (vgl. Heer Abs. a). c.) Kriegsmarine Die Aufgabe der Kriegsmarine bleibt dieselbe wie bei Aufmarsch „Rot“. Die Verlegung des Schwerpunkts nach der Ostsee wird vorzusehen sein. Teil 3 Sonder-Vorbereitungen Folgende „Sonderfälle“ sind innerhalb der Oberkommandos im Allgemeinen ohne Beteiligung von Außenstellen zu durchdenken:
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24. 6. 1937 Nr. 50 I.) Sonderfall „Otto“ „Bewaffnete Intervention gegen Österreich für den Fall, dass dieses die Monarchie wiederherstellen sollte.“ Ziel dieser Intervention wird sein, Österreich mit Waffengewalt zum Verzicht auf eine Restauration zu zwingen. Hierzu ist unter Ausnutzung der innerpolitischen Spaltung des österreichischen Volkes in allgemeiner Richtung auf Wien einzumarschieren und jeder Widerstand zu brechen. Teile der Luftwaffe sind zur unmittelbaren Unterstützung des Heeres einzusetzen. Jede weitergehende Verwendung von Kampfverbänden der Luftwaffe unterliegt meiner Entscheidung. Ob außer der bewaffneten Macht Verbände der Partei eingesetzt werden, bleibt der Entscheidung des obersten Befehlshabers der Wehrmacht vorbehalten. Die Bearbeitung des Sonderfalls „Otto“ ist vorzusehen: a.) als Aktion für sich ohne gleichzeitigen Aufmarsch an anderen Fronten. b.) im Rahmen des Aufmarschs „Rot“. Als gleichzeitige Aktion sind Sonderfall „Otto“ und Aufmarsch „Grün“ nicht vorzusehen. Sollten sich die politischen Voraussetzungen für beide Fälle zur selben Zeit ergeben, so wird der Sonderfall „Otto“ bis zum Abschluss der Aktion „Grün“ zurückgestellt werden. Mit der Möglichkeit, dass sich aus dem Sonderfall „Otto“ der Fall „Grün“ entwickeln könnte, muss gerechnet werden; dies ist in den Kreis der Überlegungen mit einzubeziehen. II.) Sonderfall „Richard“ „Kriegerische Verwicklungen mit Rotspanien“ Der spanische Bürgerkrieg birgt die Gefahr in sich, dass durch zufällige oder provozierte Zwischenfälle Konflikte zwischen Deutschland und Rotspanien entstehen, die zu einem Kriegszustand zwischen beiden Regierungen führen können. Für diesen Fall sind lediglich durch die Kriegsmarine vorbereitende Überlegungen anzustellen. Für Heer und Luftwaffe wird es auch dann bei dem bisherigen Verfahren einer materiellen und personellen Unterstützung von Weiß-Spanien bleiben. Unterstellung von Teilen der Luftwaffe unter die Kriegsmarine kann in Frage kommen. III.) Sonderfall „Erweiterung Rot/Grün“ Die den Aufmärschen „Rot“ und „Grün“ zu Grunde gelegte militärpolitische Ausgangslage kann dadurch eine Verschärfung erfahren, dass entweder England, Polen oder Litauen oder alle drei genannten Länder von Kriegsbeginn an auf die Seite unserer Gegner treten. Damit würde unsere militärische Lage in einem unerträglichen Maße, sogar bis zur Aussichtslosigkeit verschlechtert werden. Die politische Führung wird deshalb alles unternehmen, um diese Länder, vor allem England und Polen, neutral zu erhalten. Trotzdem sind schon jetzt als Ergänzungen zu den Aufmärschen „Rot“ und „Grün“ Überlegungen anzustellen für den Fall, dass diese Absicht der politischen Leitung misslingt.
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Den Überlegungen sind folgende Voraussetzungen zu Grunde zu legen: a.) England England wird seine gesamten ihm zur Verfügung stehenden wirtschaftlichen und militärischen Mittel gegen uns einsetzen. Es wird Frankreich vorerst durch See- und Luftstreitkräfte unterstützen und für letztere versuchen, Belgien, evtl. auch Holland als Basis zu gewinnen. b.) Polen Dass Polen sich an einer Kriegseröffnung gegen uns, womöglich an der Seite Russlands, beteiligt, ist bei der augenblicklichen politischen Lage mehr als unwahrscheinlich. Sollte es trotzdem dazu kommen, so würde Polen zu Lande in der uns im Wesentlichen bekannten Form gegen Deutschland aufmarschieren, um zunächst Ostpreußen und im Zusammenwirken mit der Tschechoslowakei Schlesien zu gewinnen. Mit seiner Luftwaffe wird es sich, neben dem Ansatz von Teilen gegen Ostpreußen, an einem tschechisch-russischen Luftüberfall gegen das Reich beteiligen und zur See mit der russischen Flotte zur Unterbrechung der Verbindung Ostpreußen – Reich zusammenarbeiten. c.) Litauen Litauen wird vor allem der russischen Luftwaffe als vorgeschobene Basis dienen. Mit einem Angriff zu Lande ist nur in Verbindung mit Polen oder nach Eintreffen russischer Heereskräfte in Litauen zu rechnen. […]1 Veröffentlicht in: Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher (IMG), Band XXXIV, Dokument 175-C, S. 732–747, hier S. 734–745.
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Nr. 51 Meldung des Volkskommissars für Innere Angelegenheiten Ežov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin Nr. 51 27. 6. 1937 27. 6. 1937 27. Juni 1937 Nr. 58100 AN DEN SEKRETÄR DES ZK DER VKP (B) STALIN Von der GUGB des NKVD wurde eine umfangreiche faschistische terroristische Organisation liquidiert, die ihre Filialen in Leningrad, in der Region Westsibirien und in der Ukraine sowie faschistische Gruppen in einigen Städten der UdSSR hatte. Insgesamt wurden in dieser Angelegenheit 170 Personen verhaftet.1 1 1
Ausgelassen ist hier ein Nachtrag von Blombergs vom 7.12.1937.
In der zweiten Hälfte des Jahres 1936 und in der ersten Hälfte des Jahres 1937 wurde eine große Gruppe führender Wissenschaftler (Astronomen, Geologen, Geophysiker, Geodäten
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27. 6. 1937 Nr. 51 Die Organisation stand in Verbindung mit der Gestapo sowie den deutschen Konsulaten in Leningrad und Kiev und erhielt große Geldsummen aus Deutschland, die für die konterrevolutionäre Tätigkeit auf dem Territorium der UdSSR bestimmt waren. Die Angehörigen der Organisation führten Aufträge der Gestapo auf dem Gebiet der Militär- und Wirtschaftsspionage aus und leisteten eine auf Sabotage des sozialistischen Aufbaus ausgerichtete Schädlingsarbeit. 1934 ging die Organisation aufgrund einer aus Deutschland erhaltenen Weisung dazu über, terroristische Anschläge gegen die Führung der VKP (B) vorzubereiten. Im Zuge der Ermittlungen zu diesem Fall wurde festgestellt, dass die ukrainische Filiale der faschistischen Organisation von dem ukrainischen Akademiemitglied Nikolaj Ignat’evič SVITAL’SKIJ geleitet wurde. N.I. SVITAL’SKIJ wurde 1932 von dem Leiter der Organisation, Professor NUMEROV (er ist verhaftet), für die Organisation angeworben. 1933 siedelte er auf Weisung der Leitung der Organisation in die Ukraine über und ging daran, nationalistische und faschistische Elemente der ukrainischen Intelligenz in einer faschistischen Organisation zu vereinen. SVITAL’SKIJ hatte bis zur Zerschlagung der Organisation einige faschistische Gruppen gebildet: in Kiev, Char’kov, Dnepropetrovsk, Odessa und in weiteren Städten der USSR. 1933 stellte SVITAL’SKIJ während einer wissenschaftlichen Dienstreise nach Deutschland die Verbindung zur deutschen Nationalsozialistischen Partei her und schloss mit ihr eine Vereinbarung, wonach die deutsche Nationalsozialistische Partei der faschistischen Organisation SVITAL’SKIJS größtmögliche Unterstützung und für die Zukunft bewaffnete Hilfe in Form einer Intervention zusicherte. Die faschistische Organisation übernahm ihrerseits die Spionage für Deutschland und versprach, ihre gesamte praktische Tätigkeit darauf auszurichten, der Sowjetmacht Ressourcen und mineralische Rohstoffe in der Ukraine zu verheimlichen, um sie für Deutschland aufzubewahren. Bei der Umsetzung der Weisungen der deutschen Nationalsozialistischen Partei betrieben SVITAL’SKIJ und die Angehörigen der von ihm geführten faschistischen Organisation umfangreiche Spionage- und Schädlingsarbeit. So hat SVITAL’SKIJ persönlich an Deutschland Informationen über die Industrievorräte an mineralischen Rohstoffen auf dem Territorium der USSR übermittelt. Unter Mitwirkung von SVITAL’SKIJ übergab im Juni 1936 das Mitglied der Organisation, Professor NEČIPORENKO (er ist verhaftet), dem aus Deutschland angereisten Agenten der Gestapo BLATSCHECK die unter Verschluss stehende Skizze der Fahrtrinne des Dnepr. Anfang 1936 wurden die wissenschaftlichen Forund Mathematiker) aus einer Reihe von Wissenschafts- und Bildungseinrichtungen in Leningrad, Moskau, Kiev, Char’kov, Dnepropetrovsk, Taschkent und mehreren anderen Städten von den Organen des NKVD wegen „Beteiligung an der faschistischen trotzkistischzinov’evistischen Terrororganisation, die 1932 auf Initiative der deutschen Nachrichtendienste entstanden war und deren Ziel der Sturz der Sowjetmacht und die Errichtung einer faschistischen Diktatur in der UdSSR war“, verhaftet und angeklagt. Anlass für diese Verhaftungen waren intensive Kontakte zwischen Astronomen und Geophysikern mit ihren ausländischen Kollegen im Zusammenhang mit der totalen Sonnenfinsternis, die am 19.6.1936 in der UdSSR zu beobachten war. Die erste große Gruppe von Verhaftungen im Herbst 1936 betraf die Mitarbeiter des Pulkovo-Observatoriums bei Leningrad.
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schungsergebnisse des Mitgliedes der Organisation, Professor MALINOVSKIJ (er ist verhaftet) zur Abschaltung von Motoren aus der Entfernung mittels UKWFunkwellen an Deutschland übermittelt. 1935 erhielt die ukrainische faschistische Organisation vom Leningrader Zentrum der Organisation die Weisung, mit der Aufstellung von terroristischen Kampfgruppen und mit der Vorbereitung terroristischer Anschläge gegen die Leiter der VKP (B) und gegen Regierungsmitglieder der UdSSR und der USSR zu beginnen. Die Ermittlungen haben ergeben, dass sich N.I. SVITAL’SKIJ mit der praktischen Vorbereitung von Terroranschlägen befasste und auf Ratschlag von Mitarbeitern des Kiever Deutschen Konsulats Kontakt zur trotzkistischen ukrainischen Organisation herstellte, wobei nicht nur die Verbindung zwischen den Leitungen der Organisationen hergestellt wurde, sondern auch zwischen ihren Gruppen in den Betrieben und Institutionen. Auf der Leitungsebene der Organisationen stellten die Verbindung her: seitens der ukrainischen faschistischen Organisation das Mitglied des Zentrums der ukrainischen faschistischen Organisation und Stellvertreter des Direktors des Instituts für Geologie der Akademie der Wissenschaften der USSR I.A. LEPIKAŠ und seitens der Trotzkisten KILLEROG. Sie leiteten gemeinsam die Vorbereitung terroristischer Akte. Durch die Ermittlungen wurde ebenso die aktive Rolle der faschistischen Organisation von Leningrader Wissenschaftlern aufgedeckt: von D.I. MUŠKETOV, Professor am Leningrader Bergbauinstitut und von B.P. GERASIMOVIČ, Direktor des Observatoriums in Pulkovo. Professor D.I. MUŠKETOV leitet die faschistische Gruppe wissenschaftlicher Mitarbeiter des Leningrader Bergbauinstituts und des Zentralen Forschungsinstituts für wissenschaftliche geologische Erkundungen und lenkt die von den Gruppenmitgliedern betriebene Schädlingsarbeit auf dem Gebiet der Ingenieurgeologie und insbesondere des Erdöls. Außerdem wurde festgestellt, dass MUŠKETOV ein Anhänger von terroristischen Kampfmethoden gegen die Sowjetmacht war und aktiv die Vorbereitung von Terroranschlägen gegen die Führer der VKP (B) und gegen Regierungsmitglieder der UdSSR betrieb. GERASIMOVIČ, Boris Petrovič, Direktor des Observatoriums in Pulkovo, bildete aus Angehörigen des Pulkover Observatoriums eine faschistische Gruppe und leitet deren konterrevolutionäre Tätigkeit. GERASIMOVIČ gab 1932 während einer wissenschaftlichen Dienstreise nach Amerika und 1935 während einer Dienstreise nach Frankreich den ausländischen faschistischen Weißemigrantenorganisationen konterrevolutionäre Informationen über die Lage in der UdSSR. Nach seiner Rückkehr übermittelte er der Führung der faschistischen Organisation die Weisung der ausländischen Weißemigrantenzentren, die Sowjetmacht noch aktiver zu bekämpfen. GERASIMOVIČ leitete die Spionagetätigkeit der Mitglieder der faschistischen Gruppe und stand persönlich mit dem deutschen Spion BONODORF in Verbindung. In Gesprächen mit den Mitgliedern der Gruppe gab sich GERASIMOVIČ als Anhänger von terroristischen Methoden zur Bekämpfung der Sowjetmacht zu erkennen. Ich erachte es als erforderlich, folgende Personen zu verhaften:
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Nr. 52 1. SVITAL’SKIJ, Nikolaj Ignat’evič, Mitglied der Akademie der Wissenschaften der USSR, Direktor des Forschungsinstituts für Geologie, Stellvertreter des Vorsitzenden des „Rates für Produktivkräfte der USSR“. Organisator des Terrors gegen die Leiter der VKP (B). Steht in Verbindung mit der Gestapo und der deutschen Nationalsozialistischen Partei.2 2. LEPIKAŠ, Illarion Avtonomovič, Stellvertreter des Direktors des Instituts für Geologie, Mitglied des Führungszentrums der ukrainischen faschistischen Organisation. Organisator des Terrors.3 3. MUŠKETOV, Dmitrij Ivanovič, Professor am Leningrader Bergbauinstitut, Leiter der faschistischen Gruppe der Organisation. Leitet die terroristische und Schädlingstätigkeit von Angehörigen der genannten Gruppe.4 4. GERASIMOVIČ, Boris Petrovič, von Adel, ehemaliges Mitglied der Kadetten-Partei, Direktor des Pulkover Observatoriums, Leiter einer faschistischen Gruppe. Betreibt Spionage. Anhänger von terroristischen Methoden zur Bekämpfung der Sowjetmacht.5 Ich bitte um Genehmigung für deren Verhaftung.6 Volkskommissar für Innere Angelegenheiten der UdSSR EŽOV Veröffentlicht in: Lubjanka. Stalin i Glavnoe upravlenie gosbezopasnosti NKVD, Dok. 107, S. 227–229.
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Nr. 52 Aufzeichnung des Gesandtschaftsrats in Moskau Hensel Nr. 52 29. 6. 1937 29. 6. 1937 Moskau, den 29. Juni 1937 Aufzeichnung Heute Nachmittag in der Zeit von 4–5 Uhr konnte ich im Besuchsgebäude des Innenkommissariats die wegen Spionage zur Ausweisung aus der Sowjetunion verurteilten verhafteten deutschen Reichsangehörigen Georg Thimmig, Hermann Niedermeier, Alfred Erlinghäuser und Alfred Moche einzeln sprechen1, und zwar jeweils in Gegenwart eines deutsch sprechenden Vertreters des Innenkommissariats, der sich selbst als Dolmetscher bezeichnete, und des Vizedirektors im Außenkommissariat, Herrn Lewin.2 Es herrschte eine Atmosphäre eisiger Höflichkeit. Ich 2 3 4 5 6
Svital’skij wurde am 29.6.1937 verhaftet. Lepikaš wurde am 29.6.1937 verhaftet. Mušketov wurde am 29.6.1937 verhaftet. Gerasimovič wurde am 28.6.1937 verhaftet. Auf dem ersten Blatt befindet sich der handschriftliche Vermerk: „Für den Vorschlag des Gen. Ežov. I. St.“; „V. Molotov“; „K. Vorošilov“; „L. Kaganovič“. 1 Zu den vier im Zuge der Novemberverhaftungen festgenommen Deutschen vgl. auch Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 565, 575, 576. 2 Vgl. dazu den Bericht Levins vom 5.7.1937, Dok. 58.
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war gebeten worden, mich nach Möglichkeit kurz zu fassen, jedoch wurde ich nicht daran gehindert, mich gegenüber den Verhafteten der deutschen Sprache zu bedienen. In meiner Aussprache mit den einzelnen Verhafteten, bei der ich mich auf das Notwendigste beschränkte, wurde ich in keinem Falle unterbrochen; dagegen beanstandete der Vertreter des Innenkommissariats nach beendeter Unterredung mit dem zuerst vorgeführten Volksgenossen Niedermeier die Anwendung des deutschen Grußes zu Beginn und zum Schluss meiner Unterredung mit Niedermeier, den Niedermeier erwiderte. Der Vertreter des Innenkommissariats tat dies, indem er im Flüstertone eine Bemerkung gegenüber dem Vertreter des Außenkommissariats machte und dann das Zimmer verließ, worauf mich Vizedirektor Lewin unter vier Augen bat, die Anwendung des deutschen Grußes zu unterlassen. Im Interesse der reibungslosen Durchführung der Rücksprachen vermied ich gegenüber den übrigen drei Reichsangehörigen den deutschen Gruß. Jeder der vier Verhafteten wurde von mir im Namen der Deutschen Regierung, insbesondere der Deutschen Botschaft in Moskau, mit Handdruck herzlich begrüßt. Auf meine Frage, ob sie sich reisefähig fühlten, antwortete jeder von ihnen bejahend, ebenso auf die Frage, ob sie sich nach Deutschland begeben wollten. Alle vier, ganz besonders aber Georg Thimmig, machten einen seelisch derart niedergebrochenen Eindruck, dass mir ihre pfleglichste Behandlung nach Eintreffen in Deutschland, insbesondere ihre Beruhigung über die Folgen ihrer etwaigen die Botschaft oder Botschaftsangehörige belastenden „Geständnisse“ während ihrer sowjetischen Gefangenschaft geboten erscheint. Alle vier Häftlinge wurden von mir darüber verständigt, dass sie voraussichtlich in den nächsten Tagen an die sowjetisch-polnische Grenzstation Negoreloje gebracht werden und dort ihren deutschen Pass und je 12 Dollar Reisegeld, das die Botschaft ihnen zur Verfügung gestellt hat, erhalten würden. Ich bereitete sie insbesondere auf die Möglichkeit vor, dass sie noch einige Tage in Minsk festgehalten werden könnten, worüber sie sich nicht zu beunruhigen brauchten, da dies eine in Ausweisungsfällen übliche Etappenstation sei. Ich kündigte ihnen einen freundlichen Empfang in Deutschland an und teilte ihnen mit, dass ihre Angehörigen in Deutschland bzw. Riga (die Ehefrau von Georg Thimmig) durch die Botschaft von ihrer bevorstehenden Ausweisung verständig seien. Ich belehrte sie über die Möglichkeit, noch vor Durchführung der Ausweisung im Sowjetgefängnis in Moskau Vollmachten auf die Botschaft zwecks Verfügung über ihr in der Sowjetunion zurückbleibendes Eigentum auszustellen. Sodann wies ich jeden einzelnen der vier Auszuweisenden ausdrücklich an, sich auf der Heimreise größter Zurückhaltung zu befleißigen, insbesondere weder Unbekannten, noch etwa an sie herantretenden Journalisten Auskünfte über ihre Erlebnisse und Erfahrungen in der Sowjetunion zu geben. Nach Abschluss der Unterredung mit den vier auszuweisenden Volksgenossen sprach ich den beiden sowjetischen Behördenvertretern in kurzen Worten meinen Dank für die gewährte Besuchserlaubnis und nachstehende Bitten aus: 1) Jedem der vier Auszuweisenden noch vor Durchführung der Ausweisung im Gefängnis in Moskau zu ermöglichen, eine Vollmacht, betreffend ihr zurückbleibendes Eigentum auszustellen;
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30. 6. 1937 Nr. 53 2) die Botschaft baldmöglichst über den Zeitpunkt und Grenzort der Ausweisung eines jeden der vier deutschen Reichsangehörigen zu benachrichtigen.3 Dr. Hensel Gesandtschaftsrat Eigenhändige Unterschrift. Am Ende: Hiermit dem Herrn Geschäftsträger vorzulegen. H[ensel] 29/6. Auf der ersten Seite oben: H[errn] v. Walther, bitte AA einreichen und wegen Ziffer 2 am Schluss sich an Lewin wenden. T[ippelskirch] 30/6. PA AA, Moskau 419, o. P., 3 Bl.
Nr. 53 Denkschrift des Leiters des Außenpolitischen Amtes der NSDAP Rosenberg Nr. 53 30. 6. 1937 30. 6. 1937 Berlin, den 30. Juni 1937 Denkschrift über Einrichtung und Ausbau einer Zentralstelle zur Abwehr des Weltbolschewismus Die bolschewistische Bewegung, gegen die im Laufe von 14 Jahren ein eindeutiger Kampf seitens des Nationalsozialismus geführt worden ist, hat auf Befehl des Führers auf den Reichsparteitagen 1935 und 1936 eine eingehende Behandlung erfahren. Es versteht sich, dass angesichts der bolschewistischen Weltgefahr verschiedene Stellen der Partei und des Staates naturnotwendig sich mit diesem Problem grundsätzlich, politisch, kulturell und wirtschaftlich zu befassen haben. Die Auswirkung dieser Arbeit ist aber nicht mit einer Vereinheitlichung und eindeutiger Bearbeitung der Probleme vorwärts geschritten, und deshalb erscheint es als zweckmäßig, eine Zentralstelle zu schaffen, die federführend für Beurteilung und Abwehr der weltbolschewistischen Tätigkeit ist. Erscheint ein solcher Entschluss notwendig, dann würde als erste Voraussetzung einer ersprießlichen Tätigkeit einer solchen Zentralstelle notwendig sein, dass in den Stab ihres Leiters alle jene verantwortlichen Bearbeiter der verschiedenen Dienststellen zusammenberufen werden, die sich mit dem bolschewistischen Problem auseinanderzusetzten haben. Die entsprechenden Vertreter von Partei und Staat würden bis auf wenige Ausnahmen in ihrer bisherigen Tätigkeit verbleiben, würden aber bei gemeinsamen Besprechungen jene Ausrichtung erhalten, die eine gemeinsame Haltung ermöglicht. Stellungnahmen der Öffentlichkeit gegenüber würden dann nach Vortrag beim Führer von diesem unmittelbar an den Leiter der Zentralstelle gegeben werden zwecks Weiterleitung an Personen, Institutionen oder an die Öffentlichkeit, wie es sich aus der Anweisung ergibt. Aufgrund dieser Aufgabe ergibt sich eine Anzahl von Arbeitsnotwendigkeiten und Formen, damit das gesamte vorhandene Material mit größtem Effekt für 3 Einen Bericht an das AA über die Ausweisung der vier Personen verfasste von Tippelskirch am 2.7.1937; in: PA AA, Moskau 419, o. P.
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das Deutsche Reich als auch für die Aufklärung des Auslandes eingesetzt werden kann. Es würde sich zunächst um die Errichtung einer Abteilung bzw. eines Hauptamtes für Informationen handeln. Diese Informationsabteilung hätte die Aufgabe der Beschaffung und Archivierung sämtlicher in Deutschland einlaufenden Nachrichten und die Feststellung jener Folgerungen, die sich zunächst unmittelbar aus diesen Nachrichten ergeben. Die Nachrichten müssten zusammengestellt werden aus den Mitteilungen des Auswärtigen Amtes mit Hilfe der deutschen Vertretungen im Auslande und sonstiger Verbindungen. Alle weltbolschewistische Arbeit, die sich dann in verschiedenen Formen zeigt, müsste in dieser Informationsabteilung zusammenlaufen, wobei es sich nicht nur um politisch-wirtschaftliche Dinge zu handeln braucht, sondern auch um die Tätigkeit auf den Gebieten der Kultur bzw. der Presse und des Films. (Die Ost-Abteilung des Außenpolitischen Amtes hat bereits ein umfangreiches Archiv, das zu vervollständigen wäre.) Die Informationsabteilung hätte als zweite wichtige Aufgabe, ein Archiv aller bolschewistischen Führer in der Welt anzulegen, wobei betreffs der Zugehörigkeit zum Judentum bestimmte Verzeichnisse zu führen sind. Ferner müssten im Archiv vermerkt werden alle wichtigen Reden der kommunistischen Führer in den letzten Jahrzehnten, wie sie in der marxistischen Literatur, namentlich in den Sammlungen der Kongresse der III. Internationale niedergelegt sind. Ferner muss das Bildarchiv einen möglichst umfassenden Charakter bekommen unter Auswertung namentlich auch jener Fotografien, wie sie in bolschewistischen Zeitungen erschienen sind und unter Vermerk jener Bilder, die nicht mehr zu haben, aber in verschiedenen Werken veröffentlicht wurden. Diese Bilder können als Grundlage für die Herstellung entsprechender Zeichnungen für kommende Propaganda gelten. (Die Bibliothek des Außenpolitischen Amtes umfasst über 7000 Bände marxistischer Literatur.) Ferner hätte die Abteilung zu verfolgen die Ernennungen und Absetzungen kommunistischer Funktionäre in Sowjet-Russland und alle Nachrichten über wirtschaftlich-soziale Maßnahmen in der Sowjet-Union (Nationalitätenfrage) zu registrieren. Alle diese Meldungen laufen zentral zusammen und sind dann zwecks Verwertung den zuständigen Sachbearbeitern (in einem Hauptamt Länder-Abteilung) zuzuleiten. Eine Kartothek bolschewistischer kleinerer Unterführer anzulegen dürfte sich erübrigen, da das wohl die unmittelbare Aufgabe der Geheimen Staatspolizei ist, deren Ergebnisse dann ständig der Informationsabteilung zugeleitet werden können. Als unmittelbare Auswertung einer antibolschewistischen Zentrale würde sich dann ein Hauptamt bzw. eine Abteilung für geistige Abwehr ergeben. Diese Abteilung würde die Aufgabe haben, alle mit Ostfragen beschäftigten wissenschaftlichen Institute zusammenzuführen und ihnen entsprechend ihren bisherigen Arbeiten und den personellen Möglichkeiten jene wissenschaftliche Ausarbeitung zu übertragen, die sich aus der politischen Lage und aus den allgemeinen Informationen als zweckmäßig ergibt. Aus solchen Arbeiten größeren oder geringerem Umfanges müssten ausgewählt werden zunächst Themen, welche den gesamten Bolschewismus bzw. die Probleme der gesamten Sowjet-Union betreffen, wie z. B. die Lage des Bauerntums, der Arbeiterschaft, dann das Problem des bolschewistischen Rechts-
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30. 6. 1937 Nr. 53 systems im internationalen Leben usw. (10 größere Ausarbeiten der Ost-Abteilung des Außenpolitischen Amtes liegen vor.) Eine zweite Abteilung wäre einzurichten für die Behandlung von Sonderfragen auf dem Territorium der Sowjet-Union wie die Nationalitätenfrage, die politischen Probleme an den Randgebieten der Sowjet-Union und ähnliches mehr. (Denkschriften und Karten wurden dem Führer übergeben.) Eine solche Abteilung für die geistige Abwehr würde dann in sich umschließen müssen ein Amt für Spezialinstitute, das die Aufgabe hätte, die verschiedenen wissenschaftlichen Institute einheitlich auszurichten und mit den ihnen entsprechenden Arbeiten zu betreuen, eine Abteilung für neue wissenschaftliche Aufgaben, die von den bisherigen Instituten aus irgendeinem Grunde nicht bearbeitet worden sind oder nicht bearbeitet werden konnten; ferner eine Abteilung für Vereinigungen und Verbände. Diese Abteilung bzw. dieses Amt hätte sich mit der Betreuung der in Deutschland bestehenden deutsch-ausländischen gesellschaftlichen Vereinigungen oder Institutionen zu befassen unter dem Gesichtspunkt, auch diesen Gesellschaften für eine antikommunistische Arbeit in den betreffenden Ländern zu nutzen, um Auswirkungen auch im Auslande zu erzielen. Hier wären entsprechende Übersetzungen deutscher Schriften unter Berücksichtigung der verschiedenen Verhältnisse herauszugeben. Ein besonderes Schrifttums- oder Verlagsamt hätte die Aufgabe für die technisch, verlagsrechtliche Durchführung dieser ganzen Arbeit Sorge zu tragen. Eine juristische Abteilung, die namentlich für das gesamte Völkerrecht von Bedeutung wäre, könnte hier die bisher eingeleitete Arbeit in größerem Maßstabe fortführen und so die rechtliche Grundlage der Tätigkeit der III. Internationale in jenen Kreisen, die für diese Argumente zulänglich sind, zu bearbeiten. (Vorarbeiten in den N.S. Monatsheften sind bereits geleistet.) Die Erfahrungen der letzten Jahre, über die der Führer namentlich in südöstlichen Angelegenheiten eingehend unterrichtet worden ist, haben gezeigt, dass im Falle eines Konfliktes eine beginnende kulturell-wirtschaftliche Propaganda gegen die Sowjets zu spät angesetzt sein würde. Es schien deshalb notwendig, den zwischen Sowjet-Russland und Deutschland liegenden Völkergürtel einer totalen Übersicht zu unterziehen, um die Möglichkeit zu prüfen, diesen Völkergürtel rund um die Sowjet-Union unter Berücksichtigung der Lebensinteressen der entsprechenden Nationen vom bolschewistischen Einfluss zu befreien. Dies ist in monatelangen Unterhandlungen mit Afghanistan dem Abschluss nahe gebracht1, mit Iran ist aufgrund dieser Vorarbeiten des Außenpolitischen Amtes ein Handelsvertrag2 zustande gekommen und hoffentlich wird trotz mancher noch bestehender Schwierigkeiten auch hier eine oben genannte Möglichkeit sich verwirklichen lassen. Ziel muss dabei sein, nicht nur einen einseitigen Wirtschaftsvertrag abzuschließen, sondern alle Gebiete des Lebens dieser Staaten eng an Deutschland zu schließen durch Stellung von Leibärzten für die Staatsoberhäupter, Professoren 1 Im Orientpakt (Vertrag von Saadabad) vom 8.7.1937 schlossen sich Afghanistan, Irak, Iran und die Türkei zu einem Nichtangriffs-Vertrag zusammen. 2 Nach der Unterzeichnung eines Handelsabkommens vom 30.10.1935 zwischen Iran und Deutschland nahm die Bedeutung Deutschlands für den iranischen Außenhandel zu. Deutschland belegte 1936/1937 mit 21% bereits den zweiten, 1938/39 mit 41,5% schon den ersten Platz.
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für die verschiedenen Universitäten, Polizei-Leiter bis zur Lieferung jener Dinge, die für die Verteidigung dieser Staaten notwendig erscheinen. Eine ähnliche Arbeit geht in Rumänien vor sich und es ist zu begrüßen, dass die polnischen Bestrebungen in Bukarest hier auf der gleichen Linie liegen, was die Hoffnung stärkt, nach langen Bemühungen vielleicht auch in Rumänien zu einem klaren Kurs zu kommen. Da der Nord-Ost-Raum angesichts marxistischer Regierungen politisch und wirtschaftlich nicht ohne weiteres zu gewinnen war, wurde der Nordischen Gesellschaft3 die Aufgabe gestellt, auf dem Gebiete der Kultur und lebendiger persönlicher Beziehungen von unten her die Volksmeinung in den skandinavischen Staaten für Deutschland zu beeinflussen. Die diesjährige Reichstagung dieser Gesellschaft, wo über 1500 Nordländer zu Gast waren, hat gezeigt, dass diese Einsatzarbeit bereits heute von größtem Erfolg gekrönt worden ist, dass Künstler, Schriftsteller und Verkehrsfachleute in den skandinavischen Staaten in Vielem einen Umschwung der öffentlichen Meinung herbeizuführen beginnen. All diese Dinge, die vom Außenpolitischen Amt eingeleitet wurden, haben nur diesen einen Hauptzweck gehabt, aus einer bestimmten Konzeption heraus wichtige und riesige Räume vom Einfluss der Sowjets abzuziehen. Eine Zentralstelle zur Abwehr des Weltbolschewismus müsste also diese Aufgaben konzentriert und mit größeren Mitteln weiterführen und u. a. vielleicht unter Gründung einer SüdÖstlichen Kultur-Austausch-Gesellschaft in ähnlicher Form wie die Nordische Gesellschaft für den Nord-Osten alle bereits bestehenden Verbindungen in ein Zentrum zusammenführen, das halb-amtlich jene Arbeit weiterführt, die bisher mit Hilfe von verschiedenen Unterhandlungen eingeleitet wurde. Hier kommt namentlich das Amt für Außenhandel in Frage, weil, wenn nach dem Norden hin das Kulturelle und Persönliche an die Spitze gestellt wird, nach dem Südosten zweifellos der Außenhandel die entscheidende Rolle spielt. Das Amt für Außenhandel im A.P.A. müsste also eine politische Vollmacht für die Behandlung der an Russland angrenzenden Staaten erhalten und in diesem Sinne in den Stab des Beauftragten für den Vier-Jahres-Plan mit eingebaut werden. Diese Außenhandelsfragen können aber nur dann wirksam behandelt werden, wenn sie vom Standpunkt einer außenpolitisch wichtigen Konzeption überprüft werden. Dem Führer ist bekannt, welche Schwierigkeiten es bisher gemacht hat, diesen politischen Gesichtspunkt bei bestimmten Wirtschaftsgruppen zur Geltung zu bringen. Das wären, abgesehen von vertraulicheren Dingen, die Hauptaufgaben, die eine Zentralstelle zur Abwehr des Weltbolschewismus durchzuführen hätte und da der Führer mir mehrfach den Auftrag gegeben hat, eine solche Zentralstelle zu übernehmen, bitte ich ihn, jene Form festzulegen, die ihm für die Durchführung dieser Aufgabe am zweckmäßigsten erscheint. [Rosenberg] BArch, NS 8/175, Bl. 38-44. 3 Die Nordische Gesellschaft, 1921 in Lübeck gegründet und 1956 aufgelöst, wurde 1934 dem APA unterstellt und sollte während des Dritten Reiches einerseits für die Überlegenheit der „Nordischen Rasse“ wirken und andererseits Skandinavien und Finnland für den Nationalsozialismus gewinnen.
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2. 7. 1937 Nr. 54 Nr. 54 Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Außenhandel Sud’in an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin und den Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Molotov Nr. 54 2. 7. 1937 2. 7. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 5 NKVT Nr. 668 2/VII-371 [2.7.1937] An Gen. I.V. STALIN Gen. V.M. MOLOTOV Betrifft: Das Wirtschaftsabkommen mit Deutschland für das Jahr 1938 Gemäß dem 1937 geltenden Wirtschaftsabkommen mit Deutschland2 bezahlen wir die von uns bis zum 1. Januar 1937 in Deutschland ausgegebenen Wechsel (in Höhe von etwa 27 Mio. Mark) mit dem Erlös unserer Exportwaren gemäß der mit der deutschen Regierung speziell vereinbarten Liste (Holz, Manganerz, Flachs, Apatite u. a.). Alle unsere restlichen Zahlungen in Deutschland können wir gemäß den Bedingungen des geltenden Abkommens nach unserem Ermessen frei aus dem Exporterlös aller übrigen Exportwaren vornehmen. Im Jahr 1938 werden wir 12 Mio. Mark aus den alten Wechseln zahlen müssen, abgesehen von den Zinszahlungen für den 200 Mio. Kredit3 und den Zahlungen für laufende Aufträge, die schätzungsweise etwa 25 Millionen Mark betragen werden. Zur Vermeidung der Notwendigkeit der Zahlung von 12 Mio. Mark (aus den alten Wechseln) in Gold oder in Devisen hält es das NKVT für zweckmäßig, das 1937 gültige Wirtschaftsabkommen mit Deutschland, das unser Recht vorsieht, die alten Wechsel mit dem Erlös unserer Exportwaren gemäß der mit den Deutschen vereinbarten Liste zu bezahlen, für das Jahr 1938 zu verlängern. Ich bitte, den beigefügten Beschlussentwurf zu bestätigen. S. Sud’in GEHEIM Expl. Nr. 5 Entwurf BESCHLUSS Dem Narkomvneštorg ist zu gestatten, das im Jahr 1937 gültige Wirtschaftsabkommen mit Deutschland, das insbesondere unser Recht vorsieht, die 1938 fälligen 1 2 3
Die Ausgangsnummer und das Datum sind mit Tinte geschrieben. Vom 24.12.1936. Vgl. ADAP, Ser. C, Bd. VI/1, Dok. 129, Anl. 1–3, S. 267–273. Vom 9.4.1935. Vgl. ebd., Bd. IV, Dok. 21, S. 30–37.
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Nr. 55
3. 7. 1937
Wechsel mit dem Erlös unserer Exportwaren gemäß der mit den Deutschen vereinbarten Liste zu bezahlen, für das Jahr 1938 zu verlängern, **(Sud’in) 2/VII**4 Vermerk mit Tinte: an Gen. Litvinov Anweisung M.M. Litvinovs mit rotem Farbstift: an Gen. Rozenbljum zur Stellungnahme.5 Oben rechts befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2417 vom 3.7.1937. Am Ende des Dokuments ist die Anzahl der Exemplare vermerkt: 5 Expl. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 127, d. 3, l. 29–28. Beglaubigte Kopie.
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Nr. 55 Aufzeichnung des Staatssekretärs im AA von Mackensen Nr. 55 3. 7. 1937 3. 7. 1937 Berlin, den 3. Juli 1937 Herrn Reichssminister1 Hinsichtlich der Überreichung des Beglaubigungsschreibens des morgen hier eintreffenden Russischen Botschafters2 neigt, wie mir auf Grund eines Gesprächs mit dem Staatssekretär Meissner Gesandter von Bülow-Schwante heute mitgeteilt hat, der Führer und Reichskanzler dazu, einen Weg zu suchen, den üblichen feierlichen Empfang mit Ehrenkompanie pp. hier in Berlin zu umgehen. Staatssekretär Meissner hat sich darüber Herrn von Bülow-Schwante gegenüber dahin ausgesprochen, er wolle, um diesen Bedenken des Führers Rechnung zu tragen, ihm vorschlagen, den Russen zum gegebenen Zeitpunkt auf dem Obersalzberg zu empfangen. Er solle in Begleitung des Protokollchefs im Flugzeug dorthin gebracht werden, wo ihm gegebenenfalls bei der Ankunft militärische Ehren erwiesen werden könnten, solle sein Beglaubigungsschreiben überreichen, mit dem Staatssekretär Meissner und Herrn Bülow-Schwante in einem Hotel frühstücken und dann in Begleitung des Protokollchefs nach Berlin zurückfliegen. Ich habe Herrn von Bülow-Schwante gesagt, dass ich diesen Vorschlag sehr wenig glücklich fände, da damit de facto dem Russischen Botschafter größere Ehren erwiesen würden, als je einem anderen hier eintreffenden Diplomaten. Sei es doch der in den meisten Fällen nicht erfüllte Wunsch fast aller hiesigen Missionschefs, den Führer gerade einmal auf dem Obersalzberg zu sehen. Ich hielte es für das Richtigste, dem Russen zu erklären, dass der Führer bis auf weiteres von Berlin abwesend und daher erst 4 5
Der Name und das Datum sind mit Tinte geschrieben. Am 7.7.1937 teilte Litvinov Stalin mit, dass es „seitens des NKID keine Einwände gegen das von Gen. Sud’in vorgeschlagene Abkommen gibt, denn anderenfalls müssten unsere Verbindlichkeiten mit Devisen bezahlt werden, mit denen Deutschland die von ihm benötigten Rohstoffe sowieso, wenn nicht in der UdSSR, dann in anderen Ländern kaufen könnte“. In: AVP RF, f. 05, op.17, p.126, d. 1, l. 265. 1 2
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Konstantin Freiherr von Neurath. Konstantin Konstantinovič Jurenev.
Nr. 56 in der Lage sei, sein Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen, wenn er in die Reichshauptstadt zurückgekehrt sei. Da der Führer in absehbarer Zeit ohnehin genötigt sein wird, den hier demnächst eintreffenden neuen Spanischen Botschafter3 zu empfangen, wird sich der Empfang des Russen leicht damit verbinden lassen. gez. Mackensen Auf Blatt unten: ab 3.7.37 PA AA, R 29826, o. P., 1 Bl.
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Nr. 56 Meldung des Chefs der Aufklärungsverwaltung der RKKA Berzin an den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov Nr. 56 4. 7. 1937 4. 7. 1937 Ganz geheim Expl. Nr. 1 Nr. 10597ss1 4. Juli 1937 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR VERTEIDIGUNG DER UdSSR MARSCHALL DER SOWJETUNION Gen. VOROŠILOV MELDUNG (Über die militärischen und militärpolitischen Ansichten des deutschen Generalstabes) Ich lege den nachrichtendienstlichen Bericht einer informierten Quelle, die deutschen militärischen und politischen Kreisen nahesteht, über die militärpolitischen Ansichten einer Reihe leitender Mitarbeiter des deutschen Generalstabes vor. Aufmerksamkeit verdienen: a) die Auffassung höchster militärischer Kreise der deutschen Armee zum Abschluss des West- und des Ostpaktes; b) die Forderung des deutschen Generalstabes nach Einstellung der Intervention in Spanien; c) die Ansichten des deutschen Oberkommandos bezüglich der Mechanisierung und Motorisierung der Armee auf der Grundlage der in Spanien gemachten Erfahrungen. ANLAGE: Material in 4 Blatt. 3
Antonio Magaz y Pers.
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben.
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Nr. 56
4. 7. 1937
Chef der Verwaltungsaufklärung der RKKA ARMEEKOMMISSAR 2. RANGES Berzin [Anlage] *AUFZEICHNUNGEN VON GESPRÄCHEN MIT EINIGEN LEITENDEN MITARBEITERN DES DEUTSCHEN GENERALSTABES DER ARMEE*2 1. Die Reise Blombergs nach Rom3 erfolgte auf dringende Bitte Mussolinis. Letzterer, der sehr besorgt war, dass Deutschland ihn im Stich lässt und sich mit England aussöhnt, wollte der ganzen Welt einen sichtbaren Beweis für das enge Verhältnis zwischen der italienischen und deutschen Armee liefern. Zu diesem Zwecke spannte er die deutsche Nationalsozialistische Partei ein, die dann Hitler auch von der Notwendigkeit des Besuchs Blombergs überzeugte. Blomberg stimmte umgehend zu, trotz des starken Widerstandes in seinem eigenen Ministerium, wo vor einiger Zeit entschieden worden war, sich bei passender Gelegenheit von Italien zu lösen. Blomberg „erlaubt der Partei und den Italienern, sich seiner zu bemächtigen“ (eine wörtliche Formulierung von General Beck). Führungskreise der deutschen Armee, die Generäle von Fritsch, Beck sowie sämtliche kommandierende Generäle der Korps unterstützen die Ansicht, dass sich Deutschland in Anbetracht der Wirtschaftskrise sowie des stetig wachsenden Übergewichts Englands und Frankreichs bei den Rüstungen mit den westlichen demokratischen Ländern verständigen sollte. Die Reise Schachts nach Paris4 und der von ihm dort unterbreitete Vorschlag (die Garantie des europäischen Friedens für eine bestimmte Zeit, die Rückkehr Deutschlands in einen reformierten Völkerbund, die Teilnahme Deutschlands an einem Abrüstungsabkommen und der damit verbundenen Kontrolle) erfolgten mit dem Einverständnis dieser militärischen Kreise; Hitler wusste jedoch nichts von den politischen Vorschlägen. Die erwähnten militärischen Kreise halten an der Ansicht fest, dass die derzeitige Lage nach dem Regierungswechsel in England5 besonders günstig ist, weil Neville Chamberlain, der seine Tätigkeit mit einem Misserfolg bei der Frage des Militärhaushaltes begann, natürlich sehr gern einen großen außenpolitischen Erfolg erringen würde, diesen aber nur in dem Fall erreichen könnte, wenn mit Deutschland ein Abkommen zum Westpakt sowie zur Abrüstung erzielt wird. Die deutsche militärische Führung hält es für durchaus annehmbar, einen Westpakt in der von England und Frankreich gewünschten Form abzuschließen, d. h. in Form eines Dreierpaktes London-ParisBerlin mit der Aufnahme eines Punktes über gegenseitigen Beistand und unter der Kontrolle des Völkerbundes, jedoch ohne Italien, das vielleicht später in ein neues Dreierabkommen Paris-Rom-Berlin aufgenommen werden könnte. *Die deutschen militärischen Kreise freunden sich auch mit dem Abschluss eines Ostpaktes an, der 2 Die hier und im Folgenden so gekennzeichneten Textstellen sind mit blauem Farbstift unterstrichen. 3 Vgl. Dok. 44, Anm. 5. 4 Schacht hielt sich vom 25. bis 29.5.1937 in Paris auf, wo er Verhandlungen zu Handelsund Wirtschaftsfragen führte. 5 Am 28.5.1937 wurde Neville Chamberlain Premierminister von Großbritannien. Er löste auf diesen Posten Stanley Baldwin ab, der in den Ruhestand ging.
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4. 7. 1937 Nr. 56 die Sowjetunion einbeziehen würde, weil sie aufgrund der in Spanien gewonnenen Erfahrungen zu der Erkenntnis gelangt sind, dass die neue deutsche Armee noch in Jahrzehnten nicht in der Gewissheit auf Erfolg eingesetzt werden könne.*Aus diesem Grunde wurde entschieden, um die Schritte Schachts zu unterstreichen und deren internationale Bedeutung zu erhöhen, einen Besuch des deutschen Generalstabschef General Beck in Paris6 und danach in London7, aber nicht in Rom zu organisieren. Diese Besuche waren bereits seit geraumer Zeit von den deutschen Militärattachés in Paris8 und London9 vorbereitet worden. *2. Was Spanien betrifft, so fordert der Generalstab der deutschen Armee die schnellstmögliche Einstellung der deutschen Intervention. Zur Zeit befinden sich nur 8.000 deutsche Militärangehörige in Spanien*, alles Spezialisten. Zusätzlich dazu wurden natürlich recht große Mengen an militärischen Gütern dorthin geschickt. In Berlin ist man der Auffassung, dass Mussolini endgültig die Hoffnung aufgegeben hat, ein faschistisches Spanien zu errichten, und lediglich aus Prestigegründen einen Erfolg für die in Spanien kämpfenden Milizionäre erringen will, um damit die Niederlage vor Guadalajara10 auszubügeln, [dass Mussolini] sie danach zurückrufen und sich ebenfalls an der Befriedung Spaniens beteiligen will. Natürlich erwartet man, dass Valencia anfangs Widerstand leisten wird, glaubt jedoch, dass es unter dem Druck Englands Zugeständnisse machen wird. *3. Die spanischen Erfahrungen sowie die bei großen Manövern gesammelten Erkenntnisse haben zu einer starken Abkühlung in Fragen der Mechanisierung und Motorisierung der Armee geführt.* Der nach wie vor in der Bewaffnung der deutschen Armee befindliche Typ des leichten, zweisitzigen Panzers wird aus der Bewaffnung genommen werden und durch einen neuen Typ mit stärkerer Panzerung ersetzt, und es wurde beschlossen, die Muster mittlerer und schwerer Panzer, die noch nicht in die Bewaffnung aufgenommen worden sind, sondern sich in der Phase der Versuchsproduktion befinden, auf der Grundlage der in Spanien gemachten Erfahrungen neu zu konstruieren. *Auch mit dem vierachsigen Aufklärungspanzerspähwagen wurden bei Manövern wenig zufriedenstellende Erfahrungen gemacht.* Einer meiner Gesprächspartner (er selbst befehligte eine Kompanie eines Panzerregiments) erzählte mir, dass er mit acht solcher Panzerspähwagen in eine große, einige Tage andauernde Übung gegangen war, aber nach weniger als einer Woche nur mit einem einzigen intakten Panzerspähwagen zurückgekehrt sei. *Sehr aufmerksam werden auch die Ergebnisse eines großen Divisionsmanövers in Bayern ausgewertet, dessen Personalbestand kriegsmäßig aufgestockt worden war. (Der gesamte Tross der Division war motorisiert, einschließlich der Transportmittel, die in der Kriegszeit gewöhnlich von der Bevölkerung requiriert werden.) In dem Bericht über dieses Manöver wird der komplette Misserfolg der motorisierten rückwärtigen Dienste eingestanden und nachdrücklich der breite Einsatz von Pferdezügen empfohlen.*11 Im 6 7 8 9 10 11
Beck besuchte Paris vom 17. bis 18.6.1937. Zum Besuch Becks in London konnten keine Informationen ermittelt werden. Erich Kühlenthal. Leo Geyr von Schweppenburg. Die Schlacht bei Guadalajara dauerte vom 8. bis 23.3.1937. Der Text ist unterstrichen und am linken Seitenrand zweimal mit blauem Farbstift angestrichen.
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5. 7. 1937
Zusammenhang damit gibt es im deutschen Generalstab Tendenzen dahingehend, erneut eine operative Kavallerie aufzubauen und sich von dem Gedanken zu verabschieden, strategische Aufgaben nur den mechanisierten Einheiten zu übertragen. Es ist beabsichtigt, Panzertruppen als Begleitschutz für die Infanterie aufzubauen, weil die Kämpfe in Spanien gezeigt haben, dass sich die bislang in der deutschen Armee vorherrschende Theorie, wonach die Infanterie, wenn sie in einem ausreichenden Maße mit schweren Geschützen ausgestattet ist, einen jeglichen Angriff ohne Unterstützung von Panzern führen kann, als falsch erwiesen hat. 4. Aus dem Gespräch mit dem Präsidenten des Reichsverbandes der Deutschen Luftfahrt-Industrie12 ergab sich, dass der von Schacht in Paris genannte äußerste Zeitpunkt für ein politisches Abkommen Deutschlands mit den Westmächten als Grundlage für die Einbeziehung Deutschlands in die Weltwirtschaft, nämlich der August 1937, auch von führenden Industriellen bestätigt wird. Für die Richtigkeit: Chef der 1. Abteilung der RU der RKKA KOMDIV
Stigga
Paraphe K.E. Vorošilovs mit rotem Farbstift: KV. Vermerk des Sekretärs (die Unterschrift ist nicht lesbar) mit Tinte: [Auf] Befehl des Volkskommissars von Gen. Berzin an die Genossen Stalin und Molotov weitergeleitet. 8.VII.37. Am Ende des Begleitschreibens von Ja.K. Berzin befindet sich links der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars für Verteidigung der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 3258ss vom 5.7.1937. Am Ende des Dokuments ist die Anzahl der Exemplare vermerkt: Geschr. 4 Expl. RGVA, f. 33987, op. 3a, d. 1009, l. 18–22. Original. Beglaubigte Kopie.
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Nr. 57 Meldung des Chefs der Aufklärungsverwaltung der RKKA Berzin an den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov Nr. 57 5. 7. 1937 5. 7. 1937 Ganz geheim Expl. Nr. 1 Nr. 60665 ss1 5. Juli 1937 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR VERTEIDIGUNG DER UDSSR MARSCHALL DER SOWJETUNION Gen. VOROŠILOV [Betr.:] Über die Einrichtung einer Funkempfangsstation in Kovno 12 1
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Rudolf Lahs. Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben.
Nr. 58 Obgleich die Funkaufklärung bezüglich der deutschen Truppenfunkstationen bereits wesentliche Informationen über die Dislozierung und die Aktivitäten von Einheiten der deutschen Armee auf dem Territorium Ostpreußens und Ostdeutschlands liefert, ist sie aufgrund der großen, trennenden Entfernung nicht in der Lage, alle typischen Merkmale und Besonderheiten der Arbeit der Funkstationen von Truppenverbänden der deutschen Armee (Infanterie- und Artillerieregimenter, Bataillone, Artilleriedivisionen, Panzerverbände) in der geforderten Weise zu erfassen. *Für die Bewältigung der gestellten Aufgabe bitte ich um Ihre Genehmigung, eine Empfangsstation für die Funkaufklärung in Kovno mit drei Funkaufklärern, die als Anwärter zur Verfügung des Militärattachés2 abkommandiert werden, zu organisieren.*3 CHEF DER AUFKLÄRUNGSVERWALTUNG DER RKKA ARMEEKOMMISSAR 2. RANGES BERZIN Resolution K.E. Vorošilovs mit Farbstift: Es wäre besser, fünf Personen zur ständigen Arbeit zu entsenden. KV[orošilov] 16/VII.37. Unten links befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars für Verteidigung der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 3306 vom 7.7.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: Geschr. in 2 Expl. Das 1. [Exemplar] an den Volkskommissar, das 2. zu den Akten. Auf Kopfbogen der Aufklärungsverwaltung der Roten Arbeiter- und Bauernarmee geschrieben. RGVA, f. 33987, op. 3a, d. 967, l. 270. Original.
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Nr. 58 Bericht des Gehilfen des Leiters der 2. Westabteilung im NKID Levin Nr. 58 5. 7. 1937 5. 7. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 1 Nr. 147901 5. Juli 1937 BESUCH BEI DEN ZUR AUSWEISUNG AUS DER UdSSR VERURTEILTEN DEUTSCHEN STAATSBÜRGERN: NIEDERMEIER, ERLINGHÄUSER, THIMMIG UND MOCHE Am 29. Juli2 fand eine Begegnung mit den wegen Spionage zur Ausweisung aus der UdSSR verurteilten deutschen Staatsbürgern NIEDERMEIER, ERLING2 3
Ivan Petrovič Tjagunov. Der Text ist am linken Seitenrand mit Farbstift angestrichen.
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. So im Dokument; richtig: 29. Juni.
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Nr. 58
5. 7. 1937
HÄUSER, THIMMIG und MOCHE statt.3 Von der Deutschen Botschaft war Hensel anwesend. Bei dem Besuch ging es um die Gesundheit der Ausgewiesenen, um ihr Eigentum usw. Die Ausgewiesenen trugen keinerlei Beschwerden vor. Alle Ausgewiesenen verhielten sich ruhig, mit Ausnahme von THIMMIG. Es ist auf einen Zwischenfall aufmerksam zu machen. Als Niedermeier den Raum verließ, grüßte er Hensel mit dem faschistischen Gruß (mit erhobenem Arm), Hensel antwortete auf gleiche Weise. In der Pause machte ich auf Bitte des Vertreters des NKVD Hensel auf die Notwendigkeit aufmerksam, sich dieses Grußes zu enthalten. Hensel erwiderte nichts, obgleich er meine Mitteilung mit einer recht säuerlichen Miene aufnahm. Hinzuweisen ist auch auf einige Kniffe von Hensel. Als Niedermeier in den Raum geführt wurde, wandte sich Hensel an ihn mit der Frage: „Sind Sie nicht Erlinghäuser?“ In der Pause erwähnte Hensel wie nebenbei, dass er die Ausgewiesenen nur laut Liste kenne und deshalb ihre Namen durcheinanderbringe. Dieser recht billige Trick wurde offenbar zu dem Zweck angewandt, um den Eindruck zu vermitteln, dass die Ausgewiesenen mit der Botschaft nicht in Kontakt gestanden hätten. Im Weiteren antwortete derselbe Niedermeier auf eine entsprechende Frage Hensels, dass er in Berlin keine Verwandten oder Bekannten hätte. Hensel ließ ihn nicht aussprechen und sagte: „Familie Grasche übermittelt Ihnen einen herzlichen Gruß und die allerbesten Wünsche. Wenn Sie nach Berlin kommen, wenden Sie sich in erster Linie an sie.“ Dies war vielleicht irgendeine verabredete Formel. Offensichtlich unter Berücksichtigung dessen, dass während des vorangegangenen Besuchs einige der Inhaftierten es abgelehnt hatten, nach Deutschland zu fahren4, sagte Hensel einige Male zu Niedermeier, dass er sich in Deutschland erholen könne, ihm dort ein guter Empfang bereitet werde usw. Gegenüber allen Ausgewiesenen betonte Hensel nachdrücklich, dass es notwendig sei, während der Fahrt nach Deutschland keine Gespräche mit Journalisten zu führen. Hensel betonte sogar, dass er diese Forderung als Vertreter der deutschen Regierung stelle.5 GEHILFE DES LEITERS DER 2. WESTABTEILUNG Levin Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Litvinov, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an die 8. Abteilung der GUGB Gen. Cesarskij, das 4. [Exemplar] nach Berlin, das 5. zu den Akten. AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 2, l. 91–92. Original.
3 Die namentlich genannten Staatsbürger Deutschlands waren in der Nacht vom 4. auf den 5.11.1936 in Moskau verhaftet worden. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933– 1941, Bd. 2, Dok. 565, S. 1418–1420. 4 Vgl. ebd., Bd. 2, Dok. 661, S. 1618–1619. 5 Zum Bericht Hensels über den Besuch bei den ausgewiesenen Staatsbürgern Deutschlands am 29.6.1937 vgl. Dok. 52.
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7. 7. 1937 Nr. 59 Nr. 59 Aufzeichnung des Chefs des Wehrmachtamts im Reichskriegsministerium Keitel Nr. 59 7. 7. 1937 7. 7. 1937 7.7.37 Chef Ausl[and] Nur durch Offizier! Aufzeichnung über eine Unterredung zwischen Chef WA und dem japanischen Militärattaché General OSHIMA am 6.7.37 Chef WA hatte General Oshima zu sich gebeten, um ihm die endgültige Entscheidung des Herrn Feldmarschalls1 bezüglich der schriftlichen Unterzeichnung von Vereinbarungen zwischen der deutschen und der japanischen Wehrmacht mitzuteilen. Es bedürfe keinerlei schriftlicher Festlegung mehr, um die vertrauensvolle beiderseitige Zusammenarbeit weiter zu pflegen und zu entwickeln. Es wird daher für das Beste gehalten, es bei der bisherigen Methode des mündlichen Gedankenaustauschs, gestützt auf die beiderseitigen Militärattachés in Berlin bzw. Tokio, und der engen Zusammenarbeit des beiderseitigen Nachrichtendienstes zu belassen. Der Herr Feldmarschall wird aber noch ein Übriges tun, indem er den deutschen Militärattaché2 in Tokio anweisen wird, in diesem Sinne dem Chef des kaiserl. japanischen Generalstabs der Armee3 eine mündliche Erklärung abzugeben. General Oshima gab sich mit diesem Bescheid nicht zufrieden. Er bat um eine Begründung für unseren Standpunkt, und zwar möchte er sie gern schriftlich haben für seinen Bericht an seine vorgesetzte Dienststelle in Tokio. Chef WA lehnte eine schriftliche Begründung ab, da er eine mündliche für ausreichend erachte. Mündlich führte er aus, dass unsere Ablehnung eines schriftlichen Militärabkommens begründet sei in der Verschiedenheit der staatsrechtlichen Konstruktion der beiden Länder.4 Während es in Japan außer dem Kaiser mehrere starke politische Willensträger gäbe (Kabinett, Parlament, Armee, Marine) sei in Deutschland der Führer sowohl in politischer als auch in militärischer (Oberster Befehlshaber der Wehrmacht) Beziehung der allein entscheidende Faktor. Daher sei es unmöglich für die deutsche Wehrmacht, außer dem deutsch-japanischen Antikomintern-Abkommen oder im Zusammenhang mit diesem, das ja im Namen des Führers abgeschlossen worden sei, noch irgendein Sonderabkommen zu treffen. General Oshima kam im Laufe der Unterredung auch wieder auf seinen alten Wunsch zu sprechen, man möchte doch regelmäßige Konsultationen zwischen den beiderseitigen Generalstäben vereinbaren. 1 2 3 4
Werner von Blomberg. Eugen Ott. Kotohito Kan’in. Der Entwurf einer Stellungnahme vom 27.4.1937, in dem eine schriftliche Unterzeichnung abgelehnt wurde, weil sie „schwerlich geheim gehalten werden“ könne und die Vereinbarung „nur eine Stärkung der Sonderpolitik der japanischen Armee und damit gleichzeitig eine Schwächung der Gesamtpolitik des Kaiserreichs bedeuten“ würde, in: IfZ, MA 190/5, Bl. 632597-632600, hier Bl. 632598.
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Nr. 60
9. 7. 1937
Chef WA führte dagegen aus, dass wir von regelmäßigen, auf einen bestimmten Tag festgelegten Konsultationen nicht viel hielten, aber jederzeit auf vorherige Ankündigung zu Besprechungen bereit seien. Auf den von General Oshima vorgetragenen Wunsch hin, bezüglich des Nachrichtenaustauschs und der Zersetzungsarbeiten gegenüber Russland eine klare Abgrenzung der beiderseitigen Arbeitsgebiete zu treffen, erwiderte Chef WA, er habe keine Bedenken, dass in dieser Beziehung das Weitere unmittelbar zwischen General Oshima und Chef Abw[ehr]5 geregelt würde. Der ganze Verlauf der Unterredung, die etwa 1 ¼ Stunden dauerte, zeigte, dass General Oshima damit gerechnet hatte, dass wir ein von ihm vorgeschlagenes Militärabkommen unterzeichnen würden, und dass er über unsere ablehnende Stellungnahme enttäuscht war. Keitel Eigenhändige Unterschrift. IfZ, MA 190/5, Bl. 632587-632588.
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Nr. 60 Bericht des Gehilfen des Leiters der 2. Westabteilung im NKID Antonov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin Nr. 60 9. 7. 1937 9. 7. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 3 Nr. 148051 9. Juli 1937 RAPPORT AN DEN STELLV. VOLKSKOMMISSAR Gen. V.P. POTEMKIN Am 7. Juli fuhr ich um 3.30 Uhr im Auftrag des Leiters der 2. Westabteilung im NKID Gen. VEJNBERG mit dem Auto nach Kolomna, wo nach Mitteilung der örtlichen Behörden wegen des Fotografierens eines militärischen Objektes (der Brücke über die Oka) eine Gruppe von Ausländern, die offenbar dem diplomatischen Corps angehörten, festgehalten wurde. Um 6 Uhr kam ich in Kolomna an. Im Gespräch mit dem Chef der Kreismiliz Oberleutnant ČURKIN erfuhr ich folgendes: der Wachposten der Eisenbahnbrücke bemerkte gegen 12 Uhr des 7. Juli in unmittelbarer Nähe der Brücke auf der durch Zusammenfluss der Flüsse Moskva und Oka gebildeten Landspitze eine Gruppe von Personen, die sich auf der Wiese neben dem Auto, mit dem sie dorthin gekommen waren, niedergelassen hatte. Etwas später meldete ein sowjetischer Bürger, der unweit von der bezeichneten Stelle badete, dem Leiter der Brückenwache, dass 5
Wilhelm Canaris.
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben.
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9. 7. 1937 Nr. 60 einer der Teilnehmer der genannten Gruppe die Brücke fotografiert habe. Der Leiter der Wache begab sich zu der Stelle, wo sich die Gruppe niedergelassen hatte, und nahm alle anwesenden Personen vorläufig fest. Eine Person sagte, dass er Hauptmann von BAUMBACH, der Gehilfe des Militärattachés der Deutschen Botschaft2, sei. Mit ihm wurden seine Frau Irina BAUMBACH, die Sekretärin des Militärattachés3 Frau REICHENAU, Frau FRIDI und der Chauffeur MALJUTIN vorläufig festgenommen. Von Baumbach versuchte, den Ort des Geschehens zu verlassen, und forderte seinen Chauffeur zur sofortigen Abfahrt auf, ohne auf die Forderung des Leiters der Wache zu achten. Der Chauffeur lehnte es ab, der Aufforderung von Baumbachs nachzukommen. Darauf wurde der erwähnte Chef der Miliz Gen. Čurkin zum Ort des Geschehens gerufen, der von Baumbach und dessen Begleitung aufforderte, zwecks Aufnahme eines Protokolls in die Milizabteilung mitzukommen. Von Baumbach stellte sich vor und forderte, dass man ihn unverzüglich freilasse. Auf die Erklärung des Chefs der Miliz, dass von Baumbach verbotenerweise eine Brücke fotografiert habe, antwortete Baumbach, dass er nicht die Brücke fotografiert habe und zum Beweis bereit sei, dem Leiter der Miliz die in seinen beiden Apparaten befindlichen Filme auszuhändigen. Darauf nahm er selbst die Filmrollen aus den Apparaten heraus und übergab sie dem Leiter der Miliz. Der Chef der Miliz bestand jedoch darauf, dass von Baumbach und seine Begleitung zur Milizabteilung mitkommen, um den Tathergang zu klären. Als ich dort ankam, befanden sich die genannten Personen im Dienstraum des Chefs der Miliz. Zwecks Klärung der Angelegenheit begab ich mich mit dem Chef der Miliz in dessen Dienstzimmer, wo sich von Baumbach und seine Begleiterinnen befanden. Nachdem ich meinen Namen und meine Dienststellung genannt hatte, erkundigte ich mich bei von Baumbach, was passiert sei. Von Baumbach wies sich mit seinem Diplomatenausweis aus und erklärte, dass er in erster Linie dagegen protestiere, dass er und seine Begleiterinnen seit über 6 Stunden festgehalten würden. Er erklärte, dass all seine Bemühungen, sich mit der Deutschen Botschaft per Telefon und per Telegraf in Verbindung zu setzen, ergebnislos geblieben wären. Auf meine abermalige Frage, was denn passiert sei, erklärte er, dass er mit den Damen eine Spazierfahrt unternommen hätte, und weil in dem Reiseführer für die Umgebung Moskaus empfohlen werde, das Golutvin Kloster4 zu besuchen, sei er nach Kolomna gefahren. Er und seine Begleitung hätten sich auf der Wiese beim Zusammenfluss der Moskva und der Oka niedergelassen, weil in dem Reiseführer dieser Platz als sehr malerisch beschrieben sei. Kurz darauf sei ein Bürger mit „Bajonett“5 erschienen und habe sie festgenommen. Dies sei um 12.00 Uhr geschehen, und seitdem halte man ihn bereits 6 Stunden in der Milizabteilung mit der Begründung fest, dass irgendetwas geklärt und festgestellt werden müsse. Von Baumbach erklärte, dass die Deutsche Botschaft beim Narkomindel6 und beim Narkomat für Verteidi2 So im Dokument; Norbert von Baumbach war der Marineattaché Deutschlands in der UdSSR. 3 Ernst Köstring. 4 Das Bogojavlenskij Staro-Golutvin Kloster war ein russisch-orthodoxes Mönchskloster am Stadtrand von Kolomna, gegründet Ende des 14. Jahrhunderts. 1929 war es von den Behörden geschlossen worden, Ende 1994 erfolgte die Wiedereröffnung. 5 In diesem Kontext ist damit ein Gewehr gemeint. 6 Am 8.7.1937 erhob der deutsche Geschäftsträger von Tippelskirch Protest gegen die vorläufige Festnahme von Baumbachs und bestand auf einer offiziellen Entschuldigung des
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9. 7. 1937
gung gegen seine widerrechtliche Festsetzung Protest erheben werde. Ich antwortete ihm, dass ich bereits mit den örtlichen Behörden geklärt hätte, dass er als Angehöriger des diplomatischen Corps diplomatische Immunität genieße, worauf mir die örtlichen Behörden geantwortet hätten, dass es nicht ihre Absicht gewesen sei, ihn festzuhalten, sondern sie lediglich daran interessiert gewesen wären, alle Umstände der Angelegenheit aufzuklären. Zugleich sagte ich ihm, dass die örtlichen Behörden ihn und seine Begleiterinnen in der Nähe der bewachten Brücke bemerkt hätten und er an dieser Stelle fotografiert hätte. Baumbach antwortete, er hätte dem Chef der Miliz die in seinem Apparat befindlichen Filme bereits übergeben. Er bitte darum, diese Filme zu entwickeln und sich davon zu überzeugen, dass er nicht die Brücke, sondern lediglich das Kloster und seine Begleiterinnen fotografiert habe. Er fragte, ob er zum Kloster zurückkehren könne, um es zu besichtigen, und ob er nicht erneut festgenommen werde. Der Chef der Miliz antwortete, dass die Besichtigung des Klosters niemandem verwehrt sei, und er fragte Baumbach, ob er damit einverstanden wäre, das von der Miliz aufgesetzte Protokoll zu unterzeichnen. Von Baumbach lehnte es ab, das Protokoll zu unterschreiben, indem er erklärte, dass er dieses Protokoll gelesen habe und es einige Ungenauigkeiten aufweise. Der Chef der Miliz entschuldigte sich bei Baumbach dafür, dass die Prozedur zur Klärung der Umstände des Vorfalls so viel Zeit in Anspruch genommen habe. Danach begaben sich von Baumbach und seine Begleiterinnen in ihrem Auto direkt nach Moskau. Ich fuhr gemeinsam mit dem Chef der Miliz und dem Chef der Transportabteilung der örtlichen GUGB des NKVD zum Ort der vorläufigen Festnahme von Baumbachs und seiner Begleiterinnen. Ich stellte fest, dass die vorläufige Festnahme an einer Stelle erfolgt war, die 400m von dem Kloster entfernt und ungeeignet für das Fotografieren des Klosters ist, jedoch außerordentlich günstig für das Fotografieren der Brücke. Nachdem ich die Kopie des Protokolls und die zwei Filmrollen erhalten hatte, fuhr ich am Abend um 7 Uhr nach Moskau zurück, wo ich um 9.30 Uhr ankam. DER GEHILFE DES LEITERS DER 2. WESTABTEILUNG Antonov Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an den Adressaten, das 2. zu den Akten des NKVD, das 3. zu den Akten der 2. Westabteilung. AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 2, l. 93–96. Kopie.
NKID gegenüber der Botschaft. Vgl. Aufzeichnung der Unterredung von Tippelskirchs mit Vejnberg. In: AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 44, l. 51–53.
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9. 7. 1937 Nr. 61 Nr. 61 Schreiben des Mitarbeiters im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung Groh an das AA Nr. 61 9. 7. 1937 9. 7. 1937 Berlin W 8, den 9. Juli 1937 W A Nr. 224 g. Einschreiben! An das Auswärtige Amt z. Hd. Herrn AR Hofrat Schimpke – oder Vertreter im Amt – in Berlin W 8 Im Anschluss an meinen Erlass vom 31. Mai 1937 – W E 1571 – Im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt sowie im Einverständnis mit dem Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei1 im Reichsministerium des Innern habe ich wegen der Überwachung des Schrifttumsverkehrs mit der Sowjetunion durch die Geheime Staatspolizei folgende Regelung getroffen: Von der Überprüfung der von der Reichstauschstelle und dem DeutschAusländischen Buchtausch nach der Sowjetunion abgehenden Sendungen mit Deutschem Schrifttum sowie von der Zuleitung der aus der Sowjetunion für diese beiden Stellen eintreffenden Sendungen an die Überwachungsstelle in Leipzig wird abgesehen. Die Reichstauschstelle ist jedoch verpflichtet, von allen aus der Sowjetunion eingehenden Sendungen dem Geheimen Staatspolizeiamt unverzüglich (fernmündlich) Anzeige zu machen und die Öffnung erst vorzunehmen, wenn der Beauftragte des Geheimen Staatspolizeiamts zur Prüfung des Inhalts eingetroffen ist. Dem Beauftragten ist ferner die Einsicht an die bei der Reichstauschstelle und dem Deutsch-Ausländischen Buchtausch vorhandenen Akten über den Schrifttumsverkehr mit der Sowjetunion zu gestatten. Ich ersuche hiernach künftig zu verfahren. 1 Durchschlag zur Benachrichtigung des Deutsch-Ausländischen Buchtauschs ist beigefügt.2 Unterschrift An die Reichstauschstelle – oder Vertreter im Amt – in Berlin Abschrift übersende ich auf das Schreiben vom 22. Juni 1937 – Kult. W. 348 (g) – mit der Bitte um gefällige Kenntnisnahme. Im Auftrage gez. Groh Beglaubigt: [Unterschrift]
1 2
Heinrich Himmler. Vgl. Dok. 37
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Nr. 62
12. 7. 1937
Auf erstem Blatt oben: Stempel Geheim und Eingangsstempel des AA: Kult W 406 (g), eing. 12. Jul. 1937. Unten: Geheim Kult W, am Seitenrand Kenntnisnahmen. Auf Kopfbogen des Reichs- und Preußischen Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung geschrieben. PA AA, R 60598, Bl. 183-183R.
Nr. 62 Aufzeichnung der Unterredung des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Jurenev mit dem Reichsaußenminister Freiherrn von Neurath Nr. 62 12. 7. 1937 12. 7. 1937 GEHEIM Expl. 6 Ausg. Nr. 183/s1 Berlin, 12. Juli 1937 Tagebuch des Bevollmächtigten Vertreters der UdSSR in Deutschland Gen. K.K. Jurenev [...]2 7. Juli. 1. Ich war beim Außenminister Herrn Neurath zur Antrittsvisite. Wir begrüßten uns wie alte Bekannte (er und ich waren 1924/25 Botschafter in Rom)3. Der Minister war überaus liebenswürdig. Nach einer Plauderei kam er auf unsere Beziehungen zu sprechen. Der Minister ist der Ansicht, dass derzeit weder übermäßiger Optimismus noch Hoffnungslosigkeit angebracht seien. Wir sollten die jetzige Situation Deutschlands verstehen (auf Einzelheiten dieser Situation ging Neurath nicht ein. K. Ju.); die nüchterne Einschätzung dieser Situation bestehe in der Geduld. Der Minister meint, dass sich die Beziehungen zwischen unseren Ländern unerwartet verbessern könnten, jedoch gebe es dafür selbstverständlich keine begründete Zuversicht. Suric sei mit überhöhten Hoffnungen nach Berlin gekommen. Als er sah, dass sich diese nicht verwirklichen ließen, sei er einem Pessimismus verfallen, was ein Fehler gewesen sei. Darauf entgegnete ich, dass Suric während seines gesamten Aufenthaltes, wie wir alle wüssten, keinerlei Veranlassung gehabt hätte, ein Optimist zu sein. Neurath sagte weiter, die Anhänger einer Verbesserung unserer Beziehungen meinten, dass eine Belebung der sich rapide verschlechternden wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und uns in überaus hohem Maße zu einer politischen Annäherung unserer Länder beitragen könnte. Darauf antwortete ich, dass ich hinsichtlich der Perspektiven unserer Beziehungen keine überflüssigen Illusionen hegte. Ich sei, wie auch er, ein aufrichtiger Anhänger der Verbesserung. Dem fügte ich hinzu, dass für eine normale Entwick1 2 3
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Ausgelassen ist die Unterredung mit dem Botschaftsrat Japans Inoue am 6.7. (l. 94–95). Von Neurath war von 1922 bis 1930 Botschafter Deutschlands in Italien, Jurenenv war von 1924 bis 1925 Bevollmächtigter Vertreter der UdSSR in Italien.
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12. 7. 1937 Nr. 63 lung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und mehr noch für deren Fortschritt entsprechende Voraussetzungen politischer Natur erforderlich wären, die es, wie dem Minister bekannt sei, momentan nicht gebe. Zum Abschluss des 20minütigen Gesprächs sicherte mir der Minister jegliche Unterstützung zu. [...]4 K. Jurenev 12. 7. 1937 12. 7. 1937
Vermerk mit blauem Farbstift: V[ladimir] P[otemkin]5. Oben links von der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2644 vom 14.7.1937. Oben rechts befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 3424 vom 15.7.1937.6 Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. 7 Expl. an Gen. Litvinov, 1 Expl. zu den Akten. AVP RF, f. 011, op. 1, p. 2, d. 21, l. 94–97, hier S. 95–96. Kopie. Veröffentlicht in: DVP, Bd. XX, Dok. 231, S. 363–364.7
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Nr. 63 Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Jurenev an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov Nr. 63 12. 7. 1937 12. 7. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 1 Ausg.-Nr. 1781 Berlin, 12. Juli 1937 AN Gen. M.M. LITVINOV Sehr verehrter Maksim Maksimovič, aus meinen Tagebüchern können Sie entnehmen, dass ich, wie zu erwarten war, nichts wesentlich Neues von Neurath2 zu hören bekam und, wie anzunehmen ist, auch nicht von Hitler zu hören bekommen werde. Bis jetzt ist der Tag, an dem ich mein Beglaubigungsschreiben (und das Abberufungsschreiben für Gen. Suric) dem Reichskanzler überreichen werde, noch nicht festgelegt.3 4 Ausgelassen sind die Aufzeichnungen über die Antrittsvisiten: beim Staatssekretär im AA von Mackensen am 7.7. (l. 96), bei dem Gehilfen des Leiters der Protokollabteilung des AA Boltze am 7.7. (l. 96); über die Gegenvisite Neuraths am 8.7. (l. 96–97, über die Gegenvisite Mackensens am 10.7. (l. 97). 5 Der Vermerk ist mit rotem Farbstift durchgestrichen. 6 Der Stempel ist mit rotem Farbstift durchgestrichen. 7 Die Veröffentlichung in DVP erfolgte ohne Legende sowie nach eigenen Redaktionsrichtlinien und wurde auf den Zeitpunkt des Gesprächs datiert. 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Vgl. Dok. 62.
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Nr. 63
12. 7. 1937
*Neben der Bewahrung des Status quo in den politischen Beziehungen ist weiterhin ein Druck der Industriellen auf den Handelsvertreter4 in dem Sinne zu beobachten, dass sie eine Belebung der Handelsbeziehungen zwischen uns und Deutschland fordern.5*6 Gen. Nepomnjaščij, zu dem ich bereits persönlichen und dienstlichen Kontakt aufgenommen habe, und auch künftig zu erhalten hoffe, teilte mir mit, dass sowohl Otto Wolff als auch andere Vertreter des „Russland-Ausschusses“7 ihn ständig umwerben (sie laden ihn zu sich als Gast ein, zu Betriebsbesichtigungen usw.). *Der Grundgedanke der Überlegungen von Otto Wolff und Reyß besteht darin, von uns Rohstoffe (Schmiermittel, Mangan- und Eisenerze, Holz, Erdöl - Diesel und Öl, kein Benzin -, Apatit) zu bekommen. Gen. Nepomnjaščij befolgt in seinen Gesprächen mit Industriellen unsere These vom Zusammenhang von Wirtschaft und Politik.*8 Der Handelsvertreter hat sich übrigens dieser Tage mit dem Sekretär von Wolff, dem ehemaligen Staatssekretär Planck, der gegenüber Hitler recht feindselig gestimmt ist, bekanntgemacht. Nepomnjaščij schlug mir vor, mich mit Planck bekanntzumachen, wovon ich Abstand nahm, weil ich meine, dass die Bekanntschaft irgendwie in natürlicher, zufälliger Weise zustande kommen sollte. Meine demonstrative Bekanntschaft mit besagtem Planck könnte möglicherweise nur ein negatives Ergebnis für die Bevollmächtigte Vertretung zur Folge haben. Zurzeit bin ich mit einer Vielzahl innerorganisatorischer Angelegenheiten verschiedenster Art vollauf beschäftigt. *Die Tatsache, dass ich Hitler bislang nicht das Beglaubigungsschreiben überreichen konnte, beraubt mich der Möglichkeit, zu meinen Kollegen des diplomatischen Corps Kontakte herzustellen, d. h. mit einem Wort, ich befinde mich in einer isolierten Situation.*9 Die gesamte Information, die bis jetzt aus Berlin abgeht, besteht aus den Gesprächen des Gen. Astachov mit verschiedenen Leuten und den Meldungen unserer Korrespondenten von TASS10 und der „Pravda“11. Mit kameradschaftlichem Gruß K. Jurenev Oben links von der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des NKID der UdSSR mit der Eingangsnummer 2640 vom 14.07.1937. Am Endes des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Litvinov, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an Gen. Vejnberg, das 4. zu den Akten. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 43, l. 14–15. Original. 3 4 5
Jurenev händigte am 21.7.1937 Hitler das Beglaubigungsschreiben aus. Vgl. Dok. 71. Lazar’ Leont’evič Nepomnjaščij. Vgl. das Schreiben Nepomnjaščijs an Sud’in vom 12.7.1937. In: RGAĖ f. 413, op. 12, d. 2510, l. 88–92. 6 Der Absatz wurde von Litvinov am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. 7 Gemeint ist der Russland-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft. 8 Der Text wurde von Litvinov am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. 9 Der Text wurde von Litvinov am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. 10 Arnol’d Karlovič Karnit. 11 A. Klimov.
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12. 7. 1937 Nr. 64 Nr. 64 Schreiben des Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Nepomnjaščij an den kommissarischen Volkskommissar für Außenhandel Sud’in Nr. 64 12. 7. 1937 12. 7. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 1 [12.7.1937] AN DEN KOMMISSARISCHEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUßENHANDEL DER UdSSR Gen. S.K. SUD’IN Kopie: an den stell[vertretenden] Volkskommissar für Außenhandel Gen. Kandelaki Lieber Sergej Kornilovič! Ich habe bereits Gen. Kandelaki über die Stimmung in Industriellenkreisen nach der bekannten Sitzung des *Russland-Ausschusses der deutschen Wirtschaft*1 berichtet, auf der der Handelsverkehr und die Wirtschaftsbeziehungen mit der UdSSR erörtert wurden. Wie ich bereits früher geschrieben habe, wurden auf der Sitzung des Russland-Ausschusses folgende Zahlen präsentiert2: unsere Einkäufe in Deutschland im Jahr *1931* 3 (die ca. *1 Milliarde* 4 Mark umfassten) und unsere Einkäufe im *1.*5 Quartal 1937 (die sich auf ungefähr *5 Millionen Mark*6 beliefen). Die Gegenüberstellung dieser beiden Zahlen hinterließ bei den Ausschussmitgliedern einen niederschmetternden Eindruck; es wurde der Beschluss gefasst, sich an die Regierung zu wenden und auf Maßnahmen zur Erneuerung der Wirtschaftsbeziehungen mit der UdSSR hinzuwirken. Seit meiner Ankunft in Berlin besuchen mich verstärkt Vertreter der verschiedensten Industriezweige. Dabei hatte ich sehr interessante Gespräche mit dem *Vorsitzenden des Russland*-Ausschusses Dr. *Reyß* 7 , mit Otto *Wolff* 8 und mit Vertretern der *„Vereinigten*9 Stahlwerke“. Sie sprechen alle darüber, dass sie wegen der gegenwärtigen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen der UdSSR und Deutschland sehr bekümmert wären. Und dass sie, obgleich sie jetzt nicht die Möglichkeit hätten, auf die Regierung im Sinne einer Veränderung der politischen Beziehungen mit uns Einfluss zu nehmen, dennoch Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftsbeziehungen mit uns ergreifen wollen in der Annahme, dass dies auch zur Verbesserung der politischen Beziehungen führen werde. 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Vgl. Dok. 29. Die Jahreszahl ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Die Summe ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Die Zahl ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Die Summe ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Die beiden Textstellen sind mit blauem Farbstift unterstrichen. Der Name ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Das Wort ist mit blauem Farbstift unterstrichen.
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Nr. 64
12. 7. 1937
Sie erklären, dass sie sich ungeachtet des Umstandes, dass die deutsche Industrie gegenwärtig *ausreichend mit Aufträgen*10 sowohl für den Binnenmarkt *als auch für den Export*11 ausgelastet ist, *um die Zukunft*12 Sorgen machen: dass ihnen der sowjetische Markt eventuell verlorengehen könnte, was für die deutsche Industrie eine große Gefahr darstelle. Zugleich betonen sie, dass *sie einen unglaublichen Bedarf an unseren Rohstoffen hätten, aber sie sehr gut*13 verstünden, dass sie, wenn nicht Bedingungen zur Erhöhung unserer Einkäufe in Deutschland in einem großen Maßstab geschaffen würden, auch unsere Rohstoffe nicht bekommen könnten. Ich führe nachstehend eine Tabelle an, aus der Sie den rapiden Importrückgang von Rohstoffen und Nahrungsgütern in Deutschland ersehen können: Import Deutschlands Warengruppe 1. Lebendvieh 2. Nahrungsgüter 3. Rohstoffe und Halbfabrikate 4. Fertigwaren Import gesamt
1929 149,7 3822,7 7205,1
1932 34,3 1493,2 2411,8
2269,3 *13447,0*14
727,2 4667,0
(in Mio. Mark) 1936 96,3 1403,0 2321,0 397,4 *4218,0*15
Aus der vorliegenden Tabelle ist ersichtlich, dass sich 1936 der Import von Rohstoffen und Lebensmitteln systematisch verringert und die Deutschen trotz des extremen Rohstoffmangels *gezwungen sind, für 1,5 Mrd.*16 Nahrungsgüter einzuführen und sie lediglich für *2,3 Mrd.*17 Rohstoffe einführen können, was für die starke deutsche Industrie bei Weitem nicht ausreicht. Und wenn man die in diesem Jahr *ungünstig ausfallende Ernte*18 berücksichtigt, so werden sie im kommenden Jahr den Importanteil *für Nahrungsgüter noch erhöhen müssen*19. Folglich wird sich der Importanteil für Rohstoffe noch weiter verringern, und die deutsche Wirtschaft wird unter Berücksichtigung dessen, dass sie mit Rüstungsaufträgen und der Erfüllung des „Vierjahresplans“ ausgelastet ist, den Export nicht in dem Maße steigern können, dass die Mehrausgaben für den Import von Bedarfsgütern **vollständig**20 abgedeckt würde. Somit wird sich wegen des Devisenmangels das Defizit *an Rohstoffen im Jahr 1938 noch weiter*21 vergrößern.
10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
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Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Die Zahl ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Die Zahl ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Die Summe ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Das Wort ist über die Zeile geschrieben. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen.
12. 7. 1937 Nr. 64 *Folglich ist der starke Rohstoffmangel der Hauptgrund für die Befürchtung der deutschen Industriellen, den sowjetischen Markt zu verlieren, der sie dazu veranlasst, auf die Regierung einzuwirken.*22 Vor ein paar Tagen traf ich mich erneut mit dem Vorsitzenden des RusslandAusschusses Dr. Reyß. Reyß erklärte, dass sie bereits eine Vorlage für die Regierung erarbeitet hätten, um der Sowjetunion *einen Kredit zu folgenden Konditionen*23, die sie bereits seinerzeit Gen. Kandelaki unterbreitet hätten24, zu gewähren: 1. Der Sowjetunion wird ein Kredit von einigen hundert Millionen Mark (*bis zu fünfhundert*25) gewährt; die Summe wird vom Abkommen und vom Wunsch der sowjetischen Seite abhängen. 2. Da die deutsche Industrie, am sofortigen *Bezug sowjetischer Waren und Rohstoffe*26 interessiert ist, bezahlen wir bei Fertigstellung oder Lieferung der bestellten Ausrüstungen *50% in bar*27 in Mark und die restlichen *50% mit Wechseln*28 bei doppelter Kreditlaufzeit. D. h., angenommen, uns würde (wie mir Reyß erklärte) ein Drei- oder Vierjahreskredit gewährt (er sagte allgemein, dass man auch über die Kreditlaufzeit sprechen könne), so würde auf diese Weise die Zahlungsfrist für die Restsumme (50%) verdoppelt, d. h. auf 8 Jahre, wenn die vereinbarte Kreditlaufzeit 4 Jahre beträgt. Von einer Kreditlaufzeit von 4 Jahren spricht er offenbar mit Vorsicht, um die Möglichkeit zum Feilschen zu haben. Er erklärte, dass seine Mitteilungen *streng vertraulichen*29 Charakters wären, und falls die Regierung dem Vorschlag der Industriellen zustimme, würden sie uns nach einer gewissen Zeit das Angebot unterbreiten. Er bat mich sogar, vorerst darüber nicht nach Moskau zu berichten, denn, wenn die deutsche Regierung dem Vorschlag der Industriellen nicht zustimmen sollte, *sollte Moskau nicht unnötig verärgert*30 und die ohnehin schon schlechten Beziehungen zwischen der deutschen Regierung und der Sowjetunion nicht weiter verschlechtert werden. Wie mit Gen. Kandelaki abgesprochen erklärte ich bei Gesprächen mit Vertretern der Industriellen unablässig, dass der Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen mit uns bei einer Verbesserung der politischen Beziehungen beginnen kann, d. h. kurz gesagt: gute Politik gleich gute Wirtschaft. Und weiter: wir können jetzt in erster Linie technische Neuheiten, technische Hilfe, uns interessierende Werkzeugmaschinen, Turbinen für Schnellboote usw. kaufen. Dazu erklärte ich Wolff und Reyß, die die Liste kennen, die Gen. Kandelaki Schacht übergeben hatte31, dass, falls diese Liste zur Grundlage genommen wird, dies vielleicht für uns von Interesse wäre. Sowohl Wolff als auch Reyß erklären, dass sie, die Industriellen, auf dem Standpunkt stünden, dass *man der Sowjetunion das verkaufen*32 könne und das 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32
Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 329, S. 923–924. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 489, 504. Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen.
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Nr. 64
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geben müsse, *was sie fordere, aber man müsse ja nicht*33, unsere Militärs und *Politiker mit derartigen Listen*34 erschrecken. Dennoch könne man viele Dinge aus dieser Liste auswählen. Wenn es zum Beispiel um einen Kreuzer geht, so kann man ihn in Einzelteilen verkaufen: **die Stahlpanzerung, verbesserte Turbinen und Motoren dafür; jedoch nicht als fertiges Objekt. Man kann es damit begründen, dass diese Turbinen nicht nur für Kreuzer, sondern auch für schnelle Handelsschiffe geeignet sind; bei Diesel[motoren] verhält es sich ebenso. Werkzeugmaschinen können sowohl für friedliche Zwecke als auch als Zylinderbohrmaschinen für Kanonen eingesetzt werden. Grundsätzlich könne man militärische Ausrüstungen liefern, aber die Spezifikation dieser Ausrüstung müsse nach außen hin als für *friedliche Zwecke bestimmt*35 erscheinen.**36 Dies ist ungefähr die Stimmung der Führungsschicht der Industriellen, die mit uns früher große Geschäfte getätigt haben und am Ausbau des Handels interessiert sind. Mir ist bekannt, dass Dr. Schacht, mit dem sie in Kontakt stehen, sie zu diesem Vorgehen ermuntert. Eingedenk diese Stimmungen kann ich mir vorstellen, dass nach einer gewissen Zeit, vielleicht in zwei Monaten (falls sich die politische Lage nicht deutlich verändert) über Schacht ein konkreter Vorschlag eintreffen kann (den ich Ihnen unverzüglich zuschicken werde, um Weisungen einzuholen). Die Industrievertreter verstehen, dass die Zustimmung von Schacht allein zu wenig ist, und wollen *General Göring*37 auf ihre Seite bringen, damit der Vorschlag größeren amtlichen Charakter bekommt. Natürlich führe ich keine Verhandlungen, weil ich dafür keine Weisungen besitze und die ganze Initiative *bei den Industriellen*38 liegt. Wie oben ausgeführt habe ich unterstrichen, dass uns technische Neuheiten auf allen Gebieten, darunter auch auf militärischem, und die technische Hilfe von Zeiss und IGE39 interessieren könnten. Ich drücke Ihnen kräftig die Hand Ihr L. Nepomnjaščij Berlin, den 12/VII. 1937 ANLAGE: Tabellen Nr. 1und Nr. 240. Anweisung S.K. Sud’ins mit blauem Farbstift: an Gen. Kandelaki, D[avid] V[ladimirovič] – erbitte Rücksprache. Sud[’in]. 16/VII. 33 34 35 36
Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Der gekennzeichnete Absatz ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestri-
chen. 37 38 39 40
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Der Name ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. So im Dokument; gemeint ist die IG Farbenindustrie. Wird nicht veröffentlicht; vgl. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2682, l. 31-32.
Nr. 65 Anweisung S.K. Sud’ins mit rotem Farbstift: Zu den Akten. Schicken wir am 25/VII. ein Telegramm an Nepomnjaščij, dass er die Gespräche über die „500“41 einstellen soll. Sud[’in]. 25/VII. Vermerk mit Bleistift: Wurde die 1. Aufgabe mitgeteilt? Oben rechts befindet sich der Stempel der Geheimgruppe des NKVT der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 7154/141 vom 17.7.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. 1 [Exemplar] an Gen. Sud’in, 1 an Gen. Kandelaki, 1 zu den Akten. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2682, l. 26–30. Original.
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Nr. 65 Auszug aus der Geschäftsübergabeakte des ehemaligen Volkskommissars für Außenhandel Rozengol’c an den kommissarischen Volkskommissar für Außenhandel Sud’in Nr. 65 13. 7. 1937 13. 7. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 3 [13.7.1937] [Anlage Nr. 5]1 4. DEUTSCHLAND Der Handelsverkehr mit Deutschland für das Jahr 1937 ist durch das Sonderabkommen vom 24. Dezember 1936 geregelt. Auf der Grundlage dieses Abkommens werden: 1) unsere Zahlungen auf die bis zum 1. Januar 1937 ausgegebenen und 1937 fälligen Wechsel in Höhe von 27. Mio. Mark mit dem Erlös aus dem Verkauf unserer Exportwaren in Deutschland gemäß Spezialliste (Manganerz, Apatit, Holz, Leinen, Öl, Borsten, Rosshaar, Rauchwaren) gedeckt; kann 2) der Erlös aus den übrigen Waren über die oben angeführte Liste in Höhe von 27 Mio. Mark hinaus für Zahlungen aller Art in Deutschland verwendet werden, mit Ausnahme von Zahlungen für die bis Anfang 1937 ausgegebenen Wechsel. Am 9. April 1935 wurde mit Deutschland ein Kreditabkommen über 200 Mio. Mark mit einer Laufzeit von 5 Jahren zwecks Bezahlung unserer Bestellungen in Deutschland abgeschlossen.2 Die Frist für die Platzierung der Bestellungen à Konto dieses Abkommens wurde einige Male verlängert und läuft derzeit am 30. Juni 1937 aus. Von den 200 Mio. Mark des gewährten Kredits ist eine nicht ausgeschöpfte Summe von ca. 30 Mio. Mark verblieben. Der Handelsvertreter in Deutschland3 wurde beauftragt, eine weitere Fristverlängerung für die Platzierung von Bestellungen à Konto des 200-Milionen-Kredits zu erwirken. Die Deutschen gehen jedoch 41
Gemeint ist die Kreditsumme von 500 Mio. Reichsmark.
1 Die Anlage Nr. 5 befasst sich mit dem Zustand der Handelsbeziehungen der UdSSR mit einzelnen Ländern. Die Geschäftsübergabeakte des Volkskommissars für Außenhandel Rozengol’c an Sud’in wurde Stalin, Molotov, Jakovlev (KPK) und Belen’kij (KSK) zugestellt. Vgl. RGASPI, f. 84, op. 1, d. 12, l. 1. 2 Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 116, S. 422–428. 3 Lazar’ Leont’evič Nepomnjaščij.
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bislang auf eine solche Verlängerung nicht für alle im Verzeichnis des Kreditabkommens enthaltenen Waren ein, sondern wollen Werkzeugmaschinen ausschließen unter Hinweis auf die günstige Konjunktur, die es ihnen ermögliche, die Werkzeugmaschinen gegen Devisen zu verkaufen. Demnächst steht der Beginn der Verhandlungen zur Verlängerung des geltenden sowjetisch-deutschen Abkommens über Handels- und Zahlungsverkehr für 1938 bevor.4 Unser Export nach Deutschland ist aufgrund der geltenden handelspolitischen Direktiven für 1937 streng auf ein Volumen von 28,5 Mio. Mark limitiert, darin enthalten sind 1,5 Mio. Mark Überschusseinnahmen aus dem Export des Jahres 1936 (60 Mio. Rubel5) gemäß Hauptplan und 24 Mio. Mark (50 Mio. Rubel) à Konto der Vereinbarung, die alten Wechsel mit dem in Mark erzielten Exporterlös zu tilgen. Es ist verboten, den bestätigten Plan für die Einnahme deutscher Mark aus dem Export überzuerfüllen. Verkäufe über diesen Plan hinaus werden nur unter der Bedingung zugelassen, dass die Bezahlung der Waren in internationaler Währung in London oder in New York erfolgt. Der Importplan ist in Höhe von 30,9 Mio. Rubel festgeschrieben, es wurde beantragt, die Erfüllung dieses Plans zu gewährleisten. Im 1. Quartal 1937 wurden nach Deutschland Waren in einem Volumen von 19,8 Mio. Rubel aus dem Jahresplan von 106,8 Mio. Rubel exportiert. Bestellungen wurden im 1. Quartal in einem Volumen von 10,9 Mio. Rubel platziert (darunter für 1,2 Mio. Rubel aus dem 200-Millionen-Kredit). Das vorläufige Limit für den Export nach Deutschland für 1938 ist in einem Volumen von 15 Mio. Mark festgelegt. Der Importverwaltung ist vorgeschlagen worden, eine annähernde Kontrollziffer für ein Minimum an Bestellungen zu benennen, die für eine Platzierung in Deutschland im Jahr 1938 vorgesehen sind, und sich dabei nur auf solche Bestellungen zu beschränken, die nicht in anderen Ländern getätigt werden können. RGASPI, f. 84, op. 1, d. 12, l. 73–74. Kopie.
4 Im Dezember 1937 ergriff die deutsche Seite die Initiative, Verhandlungen zum Abschluss eines Wirtschaftsabkommens für 1938 aufzunehmen. Vgl. Aufzeichnung der Unterredung Rozenbljums mit Hilger am 10.12.1937. In: AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 7, l. 26–24. 5 Gemeint sind Invaluta- oder Goldrubel – eine angenommene Geldeinheit, die von sowjetischen Organisationen im internationalen Verrechnungsverkehr verwendet wurde.
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14. 7. 1937 Nr. 66 Nr. 66 Aufzeichnung der Unterredung des Leiters der 2. Westabteilung im NKID Vejnberg mit dem Legationsrat in Moskau Hilger Nr. 66 14. 7. 1937 14. 7. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 1 Aus dem Tagebuch F.S. VEJNBERGS Nr. 148421 14. Juli 1937 GESPRÄCH MIT DEM RAT DER DEUTSCHEN BOTSCHAFT HILGER, 13. Juli 1937 1. In Anbetracht der Abwesenheit von Tippelskirch, der für einige Tage verreist ist, ließ ich H[ilger] kommen und teilte ihm mit, dass für die deutschen Staatsangehörigen BÖSHERZ2, BOLLES und SCHINDLER3, die von dem Militärtribunal des Char’kover Militärbezirks zur Höchststrafe durch Erschießen verurteilt worden sind, das Strafmaß durch eine 10jährige Gefängnishaft ersetzt worden ist.4 2. Ich erinnerte H. daran, dass Gen. Potemkin bereits am 27. Mai Schulenburg mit der Frage einer Reduzierung der Anzahl der deutschen Konsulate in der UdSSR von 7 auf 2 konfrontiert habe, entsprechend der Anzahl der sowjetischen Konsulate in Deutschland.5 In diesem Gespräch habe Gen. Potemkin auch den Umstand hervorgehoben, dass die Existenz der deutschen Konsulate, insbesondere derjenigen in Vladivostok und Odessa, weder durch die Anzahl der in den entsprechenden Bezirken lebenden deutschen Staatsangehörigen noch durch die Interessen der deutschen Seeschifffahrt gerechtfertigt werden könne. Im Zusammenhang damit hätten wir die genannten Konsulate als diejenigen bezeichnet, die der Auflösung unterliegen sollten. Obgleich seit dem Zeitpunkt, zu dem Gen. Potemkin Schulenburg mit dieser Angelegenheit konfrontiert habe, 1 ½ Monate vergangen seien, hätten wir von der Botschaft bislang keinerlei Mitteilung erhalten. Vielmehr habe sich das deutsche Konsulat in Vladivostok dieser Tage an unseren Agenten6 mit der Bitte gewandt, ihm bei dem Erwerb des Hauses, das jetzt von dem Konsulat gepachtet ist, behilflich zu sein. Daraus könne die Schlussfolgerung gezogen werden, dass dem deutschen Konsulat in Vladivostok noch nichts über seine bevorstehende Auflösung bekannt sei. Im Zusammenhang damit hielte ich es für unabdingbar, die Botschaft daran zu erinnern, dass wir so schnell wie möglich eine Mitteilung über die praktischen Maßnahmen zur Verringerung der Anzahl der deutschen Konsulate in der UdSSR erwarten. 1 2 3 4
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Vgl. Rückkehrer-Vernehmungsprotokoll in: PA AA, R 150342. Vgl. Rückkehrer-Vernehmungsprotokoll in: PA AA, R 153212. Am 10.7.1937 fasste das Politbüro des ZK der VKP (B) auf der Grundlage einer Vorlage von Potemkin den Beschluss, „beim Militärkollegium des Obersten Gerichts der UdSSR zu beantragen“, das Strafmaß für die 3 deutschen Staatsangehörigen zu verändern und die Erschießung durch einen 10jährigen Freiheitsentzug zu ersetzen. Vgl. RGASPI, f. 17, op. 166, d. 575, l. 112. 5 Vgl. Dok. 28. 6 Gemeint ist der Dipagent des NKID in Vladivostok Georgij Dmitrievič Tichonov.
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Nr. 66
14. 7. 1937
H. erklärte, dass ihn meine Mitteilung sehr betrübe. Das Gespräch des Gen. Potemkin mit Schulenburg habe in seiner Abwesenheit stattgefunden, und obgleich er von diesem Gespräch wisse, habe er sich noch nicht mit dem diesbezüglichen Schriftverkehr vertraut gemacht, auch wisse er nicht, was von Schulenburg unternommen worden sei. H. selbst meine, dass es nicht gerechtfertigt wäre, auf der gleichen Anzahl deutscher Konsulate in der UdSSR und sowjetischer Konsulate in Deutschland zu bestehen, weil die Größe der Territorien unterschiedlich sei. Auch der Anzahl der in diesem oder jenem Bezirk lebenden deutschen Staatsangehörigen dürfe man keine übermäßige Bedeutung beimessen, weil selbst bei der Existenz eines einzigen deutschen Staatsangehörigen die Botschaft dennoch verpflichtet wäre, ihm Beistand zu gewähren. Trotz der ungünstigen politischen Situation erachte es H. dennoch für erforderlich, auf jedwedem Gebiet unserer Beziehungen das zu bewahren, was vorhanden und was zu bewahren möglich sei. Unter diesem Gesichtspunkt stelle sich ihm die Verringerung der Anzahl der deutschen Konsulate in der UdSSR als höchst unerwünscht dar. Ich wies den Einwand von H. bezüglich der vergleichbaren Größe des Territoriums der UdSSR und Deutschlands zurück und verwies darauf, dass der Schutz der Interessen einzelner deutscher Staatsangehöriger, die in Gegenden leben, wo es keine Gründe für die Beibehaltung von deutschen Konsulaten gebe, durch die Botschaft künftig in gewohnter Weise wahrgenommen werden könne. Somit würden die Interessen deutscher Staatsangehöriger nicht in Mitleidenschaft gezogen. Die Botschaft müsse berücksichtigen, dass angesichts der Tatsache, dass wir in Deutschland 2 Konsulate besäßen, die Unterhaltung von 7 Konsulaten in der UdSSR jeglicher Grundlage entbehre. Ich gab H. direkt zu verstehen, dass wir entschieden auf der Auflösung von 5 deutschen Konsulaten bereits in kürzester Frist (darunter zwingend die Konsulate in Vladivostok und Odessa) bestehen würden. H. erklärte, dass er Tippelskirch, der in zwei Tagen zurückkehre, über unser Gespräch unterrichten müsse. Er nehme an, dass Tippelskirch den Wunsch haben werde, mit mir ein zusätzliches Gespräch in dieser Angelegenheit zu führen. Ich antwortete, dass ich selbstverständlich bereit sein würde, Herrn Tippelskirch zu empfangen, jedoch der Auffassung sei, dass Gen. Potemkin unseren Standpunkt hinsichtlich der Verringerung der Anzahl der deutschen Konsulate in der UdSSR bereits in erschöpfender Weise in dem Gespräch mit Herrn Schulenburg dargelegt habe. 3. H. kam auf zwei Haftsachen zu sprechen. In Šepetovka wurde am 11. Juli d. J. die Stenotypistin des deutschen Konsulats in Kiev, GERNDT, verhaftet.7 Dieser Fall sei nach Auffassung von H. außergewöhnlich und diene als schlechtes Omen, weil nach der Verhaftung von deutschen Privatpersonen sowjetische Behörden nunmehr damit beginnen würden, auch Mitarbeiter von deutschen Konsulaten zu verhaften. Dies werde auch dadurch bestätigt, dass in Novosibirsk der deutsche Staatsangehörige Paul PAUSCH8, ein ehemaliger Kriegsgefangener, der befristet 7 Am 8.7.1937 übermittelte der Volkskommissar für Innere Angelegenheiten der USSR Leplevskij dem Stellv. Volkskommissar für Innere Angelegenheiten der UdSSR Frinovskij ein Schreiben mit Informationen über die Liquidierung einer deutschen Spionage- und Diversionsorganisation in Kiev, die vom deutschen Generalkonsulat, insbesondere von der Schreibkraft des Konsulats Gerndt, geschaffen und geführt worden sei. Leplevskij holte die Genehmigung für die Verhaftung der Gerndt ein. Vgl. OGA SBU, f. 16, op. 1, d. 87, l. 311–314. 8 Der Kurier und Pförtner des deutschen Konsulats in Novosibirsk Pausch wurde in der Nacht vom 10. zum 11.7.1937 verhaftet.
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15. 7. 1937 Nr. 67 beim Konsulat angestellt gewesen sei und beabsichtigt habe, in die Heimat zurückzukehren, verhaftet worden sei. In dieser Angelegenheit werde der Sekretär der Botschaft, Walther, mit Gen. Levin sprechen9, H. wolle jedoch auch mich auf diese Angelegenheit aufmerksam machen. Ich erklärte H., dass ich aufgrund der Noten der Botschaft über diese Fälle bereits im Bilde sei. Die deutsche Staatsangehörige GERNDT besitze keinen diplomatischen Status10 und deshalb sei das Vorgehen unserer Behörden vollkommen rechtmäßig. Wenn die Innenbehörden es als erforderlich erachteten, Personen zu verhaften, die im Dienst von ausländischen Konsulaten stünden, sei vollkommen klar, dass sie dafür schwerwiegende Gründe hätten. Ich könne lediglich unseren Beauftragten in Kiev11 bitten zu klären, wessen sie beschuldigt werde. Was die Verhaftung des Herrn PAUSCH betreffe, so sei er meiner Auffassung nach nicht als Mitarbeiter des Konsulats anzusehen. Ich würde auch in dieser Angelegenheit von unserem Agenten12 Informationen über die dieser Person zur Last gelegten Anschuldigungen anfordern. F. Vejnberg 15. 7. 1937 15. 7. 1937
Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2652 vom 14.7.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 6 Expl. Das 1. [Exemplar] *an Gen. Litvinov*13, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. nach Berlin, das 5. und 6. zu den Akten. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 44, l. 45–48. Original.
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Nr. 67 Aufzeichnung des Geheimen Staatspolizeiamtes Nr. 67 15. 7. 1937 15. 7. 1937 Berlin, den **15.**1 Juli 1937 B.-Nr. 1878/36 – II A 3 – 1.) Vermerk: Das Auswärtige Amt, Legationsrat Kundt, fragte am 13.7.37 fernmündlich an, ob besondere Bedenken gegen den „Verband der Deutschen aus Russland e.V.“ (VDR) vorliegen und warum die Ortsgruppe in Bremen nicht gegründet werden dürfe. Leg.-Rat Kundt wurde geantwortet, dass zur Zeit von den in Frage kommenden Dienststellen verschiedene Fragen, die sich mit dem „Verband der Deutschen aus Russland e.V.“ befassen, geklärt werden und dass zu erwarten steht, dass diese Klärung in Kürze beendet sein wird. Legationsrat Kundt gab sich damit zufrieden und bat um Mitteilung über den Ausgang der Angelegenheit. 9 10 11 12 13 1
Vgl. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 44, l. 49–50. Gemeint ist das Fehlen der diplomatischen Immunität. Pavel Andreevič Brovcinov. Aleksej Vasil’evič Terent’ev. Der Name ist mit Tinte unterstrichen. Die Zahl ist durchgestrichen.
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Nr. 67
15. 7. 1937
Am gleichen Tage erschien der Leiter der Ortsgruppe Berlin des „Verbandes der Deutschen aus Russland e.V.“ und Mitglied des Vorstandes des VDR, Dr. Gottlieb Leibbrandt – Bruder des im APA beschäftigten Dr. Georg Leibbrandt – .Dr. L. bot sich zur Auskunftserteilung über den „Verband der Deutschen aus Russland e.V.“ an und überbrachte gleichzeitig die bisher im Jahre 37 erschienenen Zeitschriften des VDR „Deutsche Post aus dem Osten“. Die Zeitschrift „Deutsche Post aus dem Osten“ erscheint allmonatlich einmal. Für die Schriftleitung zeichnet verantwortlich Carlo von Kügelgen, Berlin. Die Einzelnummer kostet RM 0,50, der jährliche Postbezug stellt sich auf RM 5,--. Die Zeitschrift hat zur Zeit eine Auflage von rund 800 Stück. Sie wird nicht von allen Mitgliedern des VDR bezogen, sondern geht lediglich denen zu, die sich für sie interessieren und entsprechende Bestellungen aufgeben. Angeblich wird die Zeitschrift der Presse-Abteilung des Geh. Staatspolizeiamtes regelmäßig zugestellt. Entsprechende Nachfrage wird gehalten. Im weiteren Verlauf der Unterredung führte Dr. L. aus, dass der VDR hervorgegangen sei aus dem „Zentralkomitee der Russlanddeutschen“ und diesem verwandten Vereinen. Die Gründung des „Verbandes der Deutschen aus Russland e.V.“ erfolgte im Jahre 35. Der Verband wirbt dauernd um neue Mitglieder. Die Werbung geschieht einmal durch Verbreitung der Zeitschrift „Deutsche Post aus dem Osten“ und im Übrigen durch mündliche Werbung in der Hauptsache durch die Ortsgruppenleiter, die in *folgenden Städten eine Ortsgruppe gegründet haben: Ahrensburg, Berlin, Danzig, Dinslaken a/Rhein, Dresden, Bremen, Hamburg, Hannover, Köngsberg i/Pr., Lübeck, Marl (Westfalen), Naumburg (Saale), Osthofen a/Rhein, Rastenburg (Ostpr.), Regenwalde (Pommern), Stuttgart, Suckwitz.*2 Das Ziel des „Verbandes der Deutschen aus Russland e. V.“ ist die restlose Erfassung aller Russlanddeutschen, d. h. aller Deutschen und Deutschstämmigen, die sich längere Zeit in Russland aufgehalten haben. Weiterhin hat sich der VDR zur Aufgabe gestellt, die Russlanddeutschen nicht nur zu erfassen, sondern sie auch möglichst zu Mitgliedern des Verbandes zu gewinnen. Angeblich werden bei Neuaufnahmen besondere Sicherheiten, wie Vorlage von Bürgschaften und dergleichen, verlangt. Wie Dr. Leibbrandt behauptet, steht der VDR in dauernder und guter Beziehung zum Propaganda-Ministerium – Regierungsrat Taubert –, zum Außenpolitischen Amt – Referenten Dr. Leibbrandt und Dürksen – sowie zum Auswärtigen Amt – Legationsrat Kundt –. Angeblich ist auch von diesen drei Ministerien der Vorstand des VDR genehmigt worden. Der VDR hält sich für befugt, die Vertretung aller Deutschen aus Russland durchzuführen. Diese Vertretung der Russlanddeutschen ist in der Hauptsache konsularischer Natur. Der VDR bemüht sich mit Hilfe des Auswärtigen Amtes um die Beschaffung von Urkunden aus Russland usw. – In Notfällen sucht er Russlanddeutsche mit Geld zu unterstützen, hierzu werden vom Auswärtigen Amt hin und wieder Mittel zur Verfügung gestellt. Außerdem ebnet der VDR den Russlanddeutschen den Weg zu anderen Behörden. Auch erteilt er Behörden Auskünfte über Russlanddeutsche, er leistet Hilfe bei Einbürgerungsanträgen und bei Arbeitsbeschaffungen. 2
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Der Text ist am Seitenrand angestrichen.
15. 7. 1937 Nr. 67 Der VDR unterhält eine Kulturabteilung, die sich mit der Erforschung des Russlanddeutschtums befasst. Die Mitgliederzahl des VDR beträgt zurzeit etwa 1.000, die Gesamtzahl der in Deutschland sich aufhaltenden Russlanddeutschen wird auf rd. 50.000 geschätzt. Die Mitglieder des VDR zahlen monatlich RM 0,25, während fördernde Mitglieder RM 1,-- entrichten. Von den von Mitgliedern eingehenden Beträgen können natürlich die Arbeit des VDR, die *Gehälter der Vorstandsmitglieder*3 und die Unterhaltung der Zeitschrift nicht bestritten werden. Der VDR ist daher auf Zuschüsse angewiesen. Diese Zuschüsse werden vom Auswärtigen Amt und auch vom VDA geleistet (möglicherweise gehen auch vom APA Unterstützungen ein). Der VDR pflegt den kolonistischen Gedanken. Dieses geschieht durch Verbreitung der Zeitschrift „Deutsche Post aus dem Osten“ und im Übrigen durch gelegentliche Versammlungen oder Veranstaltungen. Hierzu muss jedoch bemerkt werden, dass diese Veranstaltungen so verschwindend gering sind, dass sie kaum als Werbung für den kolonistischen Gedanken betrachtet werden können. So haben beispielsweise in Berlin im Jahre 1937 lediglich 2 Veranstaltungen stattgefunden. Diese Veranstaltungen fanden im Haus der Deutschen Presse statt. Geladen dazu waren außer Mitgliedern des VDR Behördenvertreter und sonstige Gäste, die zusammen eine Besucherzahl von 100 ausmachten. Der VDR ist der Auffassung, dass seine Tätigkeit in keiner Weise der Tätigkeit des Kolonialverbandes gleichzusetzten sei. Die Arbeit des Kolonialverbandes wird vom VDR als Bestrebung, verloren gegangene Kolonien wiederzugewinnen, angesehen, während der VDR bemüht ist, den kolonistischen Gedanken weiterzupflegen, d. h. Russlanddeutsche immer wieder darauf hinzuweisen, dass sie erneut als Kolonisatoren und Erhalter des Deutschtums nach Russland zurückmüssen. Außerdem will der VDR die in Russland verbliebenen Reste des Deutschtums stärken, d. h. er will sie auf ihre hervorragende Bedeutung für das Deutschtum immer wieder hinweisen und ihnen predigen, dass es ihre Aufgabe sei, in Russland zu verbleiben. Mit dem Verein für das Deutschtum im Ausland [VDA] unterhält der VDR angeblich gute Zusammenarbeit. Der VDR hält jedoch auch seine Arbeit für nicht vergleichbar mit der des VDA. Während der VDA auch im Auslande mit den deutschen Gruppen Verbindung aufnehmen und ihnen alle mögliche Hilfe angedeihen lassen kann, so ist das dem VDR gegenüber den Russlanddeutschen nicht möglich. Sowohl in der Propaganda als auch in jeder anderen Beziehung muss der VDR ganz andere Wege gehen als der VDA. Der VDR kann lediglich in Deutschland öffentlich wirken, während er auf die Arbeit in Russland entweder verzichten muss, oder sie nur heimlich oder auf Umwegen erledigen kann. Abschließend stellte Dr. Leibbrandt die Überreichung des Schriftwechsels über die Gründungsverhandlungen mit dem Auswärtigen Amt und dem Außenpolitischen Amt in Aussicht. BArch, R 58/3494, Bl. 64-66.
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Der Text ist unterstrichen und am Seitenrand angestrichen.
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Nr. 68
16. 7. 1937
Nr. 68 Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Jurenev an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov Nr. 68 16. 7. 1937 16. 7. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 1 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 192/s1 Berlin, 16. Juli 1937 An den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Gen. M.M. LITVINOV Sehr verehrter Maksim Maksimovič, einige Worte zu der vom Ausamt vorgeschlagenen Prozedur für die Überreichung meines Beglaubigungsschreibens an Hitler.2 Wie exakt festgestellt wurde, gab es bis jetzt keinen Präzedenzfall, dass die Überreichung des Beglaubigungsschreibens durch den Vertreter eines ausländischen Staates an den Führer nicht im Berliner Schloss erfolgte, sondern in der Sommerresidenz des Reichskanzlers. Freilich ist jetzt, einer Pressemeldung nach zu urteilen (vgl. „Frankfurter Zeitung“), in Berchtesgaden eine Räumlichkeit für den Empfang von Ausländern hergerichtet worden, und überhaupt nimmt die Residenz einen offizielleren Charakter an. *Mich verwundert aber nicht nur dieser Umstand, sondern hauptsächlich der, dass während meines Empfanges bei Hitler mir, dem Botschafter, nicht die gebührenden militärischen Ehren 3 erwiesen werden und der Außenminister 4 durch Meissner vertreten wird. Das jetzige Vorhaben des Ausamtes ist zweifellos von Hitler vorgegeben worden, es trägt die Züge einer bewussten, durch Höflichkeit verschleierten Diskriminierung.*5 Was ist in dem Fall zu erwarten, dass wir den Vorschlag der Deutschen annehmen und ich zu Hitler fahre? Es ist nicht ausgeschlossen, dass in der Presse Meldungen über diesen „intimen“ Besuch auftauchen werden, wobei ich davon ausgehe, dass in der Presse zu einem geeigneten Zeitpunkt hervorgehoben wird, dass Hitler den sowjetischen Botschafter nicht ganz so empfangen habe, wie es sich gehöre.6 Das wäre selbstverständlich unangenehm. 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der amtierende Leiter der Protokollabteilung des AA Boltze informierte Astachov am 13.7.1937 über die Möglichkeit, dass Jurenev sein Beglaubigungsschreiben in naher Zukunft außerhalb Berlins vorlegen könne, da Hitler nicht vor Oktober in der Hauptstadt erwartet werde. Vgl. AFP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 43, l. 31. 3 Dies bezieht sich auf das Fehlen einer Ehrengarde. 4 Konstantin Freiherr von Neurath. 5 Der Text wurde von Litvinov am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. 6 Auch eine Änderung der Kleiderordnung war vorgesehen: statt eines Fracks wurden Besuchsanzüge mit Zylindern getragen. Vgl. die Aufzeichnung des Gesprächs von Astachov mit Boltze am 13.7.1937 in: AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 43, l. 31-32.
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16. 7. 1937 Nr. 68 Wenn Sie diesen Brief erhalten, wird die Frage, wie wir uns gegenüber dem Vorhaben des Ausamtes verhalten sollen, bereits entschieden sein.7 Ich meinerseits wage noch nicht, Ihnen die eine oder andere Entscheidung vorzulegen, weil diese Frage unter dem Gesichtspunkt der großen Politik entschieden werden muss. Und Sie haben selbstverständlich die Bücher in der Hand.8 Ich möchte jedoch ein paar Worte zu unserer Taktik für den Fall sagen, dass wir auf meine Reise zu Hitler verzichten sollten. Dann müsste ich aller Wahrscheinlichkeit nach bis Oktober, d. h. ungefähr 3 Monate, auf einen Empfang warten. Dies ist eine große Zeitspanne. Obgleich ich auch weiterhin „private“ Kontakte zu einigen meiner Kollegen pflegen werde, wird meine Situation jedenfalls recht schwierig sein. Unter diesen Bedingungen in Berlin zu sitzen und Unter den Linden9 vor Hitze und Heimweh verschmachten – dies ist eine Sache, die sich meiner Meinung nach nicht lohnt. Ich müsste in den Urlaub fahren. Die Frage ist nur, wo man ihn verbringt. In der Sowjetunion oder aber in Deutschland? Mir wäre es selbstverständlich unvergleichlich angenehmer, in die Sowjetunion zu fahren, mich dort mit meiner Familie zu treffen und erst danach nach Deutschland zurückzufahren (der Junge muss in den ersten Septembertagen zur Schule). *Jedoch würde meine Abreise aus Deutschland in die Sowjetunion zwei Wochen nach meiner Ankunft und vor der Aushändigung des Beglaubigungsschreibens ein großes politisches Ereignis darstellen. Dies könnte man meiner Meinung nach nur dann tun, falls wir uns als eine Art Repressalie dazu entschließen sollten, Berlin für lange Zeit ohne Botschafter zu belassen und uns mit einem Geschäftsträger zu begnügen.*10 Falls dies unzweckmäßig sein sollte, und ich sehe darin keine Zweckmäßigkeit, so muss man den Urlaub in Deutschland oder, sagen wir, in der Tschechoslowakei verbringen. Dessen ungeachtet könnte man drei Wochen in der Bevollmächtigten Vertretung ohne Urlaub sitzen, was das Publikum nicht sonderlich verwundern würde, weil sich Hitler generell nicht mit dem Empfang von Botschaftern beeilt, und danach wäre es am besten, sich in die Tschechoslowakei zu begeben. Ende September, Anfang Oktober könnte man wieder nach Berlin zurückkehren. Mit kameradschaftlichem Gruß K. Jurenev Oben rechts befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2715 vom 20.7.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Litvinov, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an Gen. Vejnberg, das 4. zu den Akten. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 43, l. 38–40. Original.
7 Jurenev überreichte Hitler am 21.7. in Berchtesgaden das Beglaubigungsschreiben. Vgl. Dok. 71. 8 So im Dokument; richtig im Russischen: die Karten in der Hand. 9 Der Sitz der Bevollmächtigten Vertretung der UdSSR in Deutschland. 10 Der Text wurde von Litvinov am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen.
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Nr. 69
16. 7. 1937
Nr. 69 Aufzeichnung von Unterredungen des Rates der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Astachov Nr. 69 16. 7. 1937 16. 7. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 1 Ausg.-Nr. 193/s1 Berlin, 16. Juli 1937 Tagebuch G. Astachovs [...]2 Unterredung mit Schliep 13. Juli. Den Weisungen des NKID entsprechend suchte ich Legationsrat Schliep auf, um mit ihm über die Verhaftung des Gen. Popov zu sprechen. Ich erklärte Schliep, dass wir sowohl über diese Verhaftung als auch über das nachfolgende Vorgehen der deutschen Behörden äußerst erstaunt seien. Soweit mir bekannt, sei dies der erste Fall, dass ein Mitarbeiter der Bevollmächtigten Vertretung verhaftet worden sei. Ungeachtet dessen, dass seit der Verhaftung bereits fast zwei Wochen vergangen seien, erhielten wir keinerlei Information zum Wesentlichen des Vorgefallenen, wenn wir von der allgemeinen Anschuldigung der „Spionage“ absähen. Unsere Bemühungen, den Verhafteten zu besuchen, blieben erfolglos. Die Spionageversion erscheine uns als absolut unwahrscheinlich und wir könnten sie nicht ernst nehmen. Im äußersten Fall könnten wir die Möglichkeit eines Missverständnisses in Betracht ziehen, da es in der Vergangenheit den Fall der Verhaftung eines Mitarbeiters der Handelsvertretung gegeben habe, der wegen des Vorwurfs der Spionage allein deshalb verhaftet wurde, weil bei ihm ein Stadtplan von Berlin mit Markierungen gefunden worden war. Dabei hätten die Behörden behauptet, dass die von ihm gekennzeichneten Standorte sowjetischer Einrichtungen in Wahrheit Gasschutzräume wären. Wir seien bereit, die Möglichkeit eines ähnlich gelagerten Missverständnisses einzuräumen, hielten jedoch auch die Möglichkeit einer eher bösartigen Provokation für nicht ausgeschlossen. Jedenfalls seien wir der Meinung, dass 1) uns eine ausführlichere Information zum Fall Popov als die, die wir bislang hätten, gegeben werden müsse; 2) einer unserer Mitarbeiter die Möglichkeit bekommen müsse, den Verhafteten zu besuchen, um zu klären, was er benötigt, und 3) forderten wir Popovs Haftentlassung, da die Behörden genügend Zeit zu seiner Vernehmung gehabt hätten, und er bis zur Feststellung ihrer endgültigen Entscheidung auf freien Fuß gesetzt werden könnte. Schliep antwortete, dass er die Einzelheiten des Falls Popov nicht kenne. Er wisse lediglich, dass bei Popov ein Stadtplan gefunden worden sei und Popov an einem Ort, den Touristen gewöhnlich nicht aufsuchten, vorläufig festgenommen worden sei. Auf jeden Fall werde er, Schliep, sich mit den zuständigen Behörden in Verbindung setzen und sie bitten, die Klärung des Sachverhaltes zu beschleuni1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Ausgelassen sind die Gesprächsaufzeichnungen mit dem kommissarischen Leiter der Protokollabteilung des AA Boltze am 13. und 14.7.1937 (l. 31–32).
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16. 7. 1937 Nr. 69 gen, sowie in Erfahrung bringen, was man machen könne, um unserer Bitte nachzukommen. Ich sagte, dass die von Schliep angeführten Fakten nicht den geringsten Grund für einen Spionageverdacht lieferten. Ich hätte ständig einen Stadtplan von Berlin oder verschiedener Vororte bei mir, wenn ich das Gebäude verließe oder aus der Stadt wegführe. Die Reise nach Bremen sei nicht zu beanstanden, sondern sie werde im Gegenteil auf jegliche Weise in deutschen Nachschlagewerken empfohlen (ich berief mich dabei auf den Kulturfilm über Bremen, den ich kürzlich gesehen hatte). Zum Abschluss wiederholte ich unsere Forderungen, worauf Schliep seine Zusicherung wiederholte, sich dieser Angelegenheit anzunehmen und ihre Entscheidung zu beschleunigen. Schliep wies gleichfalls darauf hin, dass nach den ihm vorliegenden Informationen am Tag zuvor eine Mitarbeiterin des Deutschen Konsulats in Kiev im Zug zwischen Kiev und Šepetovka verhaftet worden sei.3 16. Juli. Ich suchte von Welck auf, der mir sagte, dass Schliep beabsichtigt hätte, mit mir wegen des Falls Popov zu telefonieren, jedoch, als er erfahren hätte, dass ich bei Welck sein würde, ihn beauftragt hätte, mir Folgendes auszurichten. Die Innenbehörden stünden nach wie vor auf dem Standpunkt, dass gegen Popov schwerwiegende Fakten vorlägen. Insbesondere sei er im Zuge der Vernehmung der Lüge überführt worden. Anfangs hätte er versucht zu beteuern, dass er mit dem Ziel hierhergekommen wäre, sich mit einem ihm bekannten deutschen Staatsbürger zu treffen, doch einen solchen gebe es in Wirklichkeit nicht, und Popov wäre am nächsten Tag gezwungen gewesen *einzugestehen, dass er sich diese Geschichte ausgedacht hätte. Wie dem auch sei, das Auswärtige Amt wäre bereit, sich mit den Behörden über eine Ausweisung Popovs unter der Bedingung zu verständigen, dass die sowjetischen Behörden die inhaftierte Mitarbeiterin des Generalkonsulats in Kiev Gerndt ausweisen und ihr Einverständnis zur Freilassung des Konsulatsmitarbeiters in Tiflis Nymann geben würden. Da letzterer sowjetischer Staatsbürger sei, werde sein Fall an das Einverständnis der deutschen Behörden gekoppelt, Schirman-Fischer4 auszuweisen.*5 Ich wies darauf hin, dass die mir von Welck mitgeteilten Fakten über die Gründe für die Verhaftung Popovs meine ursprüngliche Vermutung bestätigten, dass jegliche Beweise und ein hinreichender Grund für die Verhaftung fehlen würden. Die Möglichkeit von Irritationen in den Aussagen Popovs ließe ich unter Berücksichtigung dessen gelten, dass er die deutsche Sprache fast nicht beherrsche und wegen der grundlosen Verhaftung zweifellos stark erschüttert gewesen sei. Ich fragte Welck direkt, ob Popov irgendwelcher unerlaubter Handlungen überführt worden sei, wie das Fotografieren (Welck antwortete verneinend) oder das Betreten einer verbotenen Zone (auch darauf antwortete Welck verneinend). Wenn dem so sei, so sei es offensichtlich, dass es gegen Popov keinerlei Beweise gebe und die Anschuldigung völlig haltlos sei. Umso mehr müssten wir die Unzulässigkeit der Verhaftung Popovs und die Verweigerung der Besuchserlaubnis hervorheben. Da3 4 5
Zur Verhaftung der Gerndt vgl. Dok. 66, 70. Vgl. Dok. 28. Der Text wurde von Litvinov am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen.
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Nr. 69
16. 7. 1937
nach beharrten wir auch darauf, dass wir die Möglichkeit bekämen, ihm Geld und Sachen zu übergeben. Was den Vorschlag zum Austausch anbelange, so könnten wir in Berlin diesen Vorschlag nicht erörtern, weil wir über keinerlei Informationen über die Verhaftung der Bürgerin Gerndt und über **Nymann**6, der zudem sowjetischer Staatsbürger sei, verfügten. An dieser Stelle unterbrach mich Welck und sagte, dass Tippelskirch noch heute diesen Vorschlag Potemkin unterbreiten werde.7 Uns bitte er lediglich um Mitwirkung beim NKID bei der Lösung dieser Frage. Ich antwortete, da diese Angelegenheit bereits zur Entscheidung Moskaus vorliege, könnten wir sie umso weniger erörtern.8 Vorerst bäte ich darum, uns unabhängig davon die Möglichkeit zu geben, Popov zu besuchen und uns das Aushändigungsrecht einzuräumen. Welck sagte, dass er das Aushändigungsrecht nicht ablehne und Geld könne Popov auf jeden Fall übergeben werden, damit er sich im Gefängnis alles das kaufen könne, was er benötige. Er sicherte zu, sich wegen dieses Falles direkt mit den Hamburger Behörden in Verbindung zu setzen. Zum Abschluss versuchte er, das Gespräch auf das schwere Los der in der Sowjetunion inhaftierten Deutschen zu bringen, einer Erörterung dieses Themas wich ich aus. […]9 16. Juli. Am Abend rief mich Welck an und sagte, dass die Behörden in Hamburg angewiesen worden seien, die Aushändigung von Sachen und Geld an Popov zuzulassen. Von unserer Seite wurden dazu Gen. Terleckij entsprechende Weisungen erteilt. G. Astachov Vermerk M.M. Litvinovs mit blauem Farbstift: MM. Oben rechts von der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2714 vom 20.7.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. 7 an Gen. Litvinov, 1 [Exemplar] zu den Akten. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 43, l. 31–37. Original.
6 Der Name ist korrigiert und mit Bleistift über die Zeile geschrieben; ursprünglich: Niedermayer. 7 Vgl. Dok. 70. 8 Der Beschluss, dass die Mitarbeiter der Bevollmächtigten Vertretung sich an Fragen bezüglich der Verhaftung deutscher Staatsangehöriger in der UdSSR nicht beteiligen sollten, wurde von der Leitung des NKID Anfang 1936 gefasst und zugleich dem AA mitgeteilt. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 359, 368. 9 Nachfolgend sind die Aufzeichnungen der Gespräche mit dem Mitarbeiter der Protokollabteilung von Kessel am 16.7. (l. 35–36) und mit dem Korrespondenten der Deutschen Allgemeinen Zeitung Just am 15.7. (l. 36–37) ausgelassen.
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17. 7. 1937 Nr. 70 Nr. 70 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem deutschen Geschäftsträger in Moskau von Tippelskirch Nr. 70 17. 7. 1937 17. 7. 1937 GEHEIM AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS Nr. 1208 [17.7.1937] GESPRÄCH MIT DEM GESCHÄFTSTRÄGER DEUTSCHLANDS TIPPELSKIRCH, 17.VII.1937 Tippelskirch erläuterte mir, dass er, als er von der Verhaftung der Mitarbeiterin des deutschen Konsulats in Kiev, Gerndt, erfuhr, die an der Grenze, in Šepetovka, unter dem Vorwand eines formalen Fehlers im Ausreisevisum festgehalten werde1, in Kiev wegen der näheren Umstände nachgefragt und Berlin über diesen Vorfall bereits informiert habe. Tippelskirch erachte es als seine Pflicht, unsere Aufmerksamkeit auf die eigenartige Situation zu lenken, in der die Verhaftung der Gerndt vollzogen worden sei2, wobei er um die baldmöglichste Freilassung der verhafteten Mitarbeiterin bitte. Ich antwortete Tippelskirch, dass ich bereits Mitteilungen über die Festnahme der Gerndt erhalten und in dieser Angelegenheit um Informationen der zuständigen Organe gebeten habe. Es habe sich herausgestellt, dass Gerndt wegen sehr ernster politischer Anschuldigungen, die gegen sie vorgebracht würden, festgehalten worden sei.3 In dieser Sache würden noch Ermittlungen durchgeführt werden, von einer Freilassung der Gerndt könnte jedenfalls vorerst nicht die Rede sein. Tippelskirch brachte angesichts dessen sein tiefstes Bedauern zum Ausdruck. Er sei dennoch bereit, angesichts unseres grundsätzlichen Einverständnisses mit dem beiderseitigen Häftlingsaustausch folgendes vorzuschlagen: falls wir damit einverstanden wären, Gerndt nach Deutschland auszuweisen, könnten die deutschen Behörden die Ausweisung des inhaftierten Mitarbeiters der Berliner Bevollmächtigten Vertretung Popov aus Deutschland verfügen. Ich antwortete, dass Popov, soviel mir bekannt sei, dem technischen Mitarbeiterstab unserer Bevollmächtigten Vertretung angehöre4 und gegen ihn wohl kaum irgendwelche ernsthaften Anschuldigungen vorgebracht werden könnten. Unter diesen Umständen wäre sein Austausch gegen die Gerndt nicht gleichwertig. Im 1 Gerndt wurde am 11.7.1937 festgehalten; vgl. die Aufzeichnung der Gespräche von Levin mit von Walther am 12. und 13.7.1937. In: AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 44, l. 49-50. 2 Vgl. Dok. 76. 3 Vgl. Dok. 66, Anm. 7. 4 Die Tätigkeit, die Popov und einige andere Mitarbeiter in der Bevollmächtigen Vertretung verrichteten, sah folgendermaßen aus: „die sogenannten Portiers sind im Prinzip einfach als Pförtner zu bezeichnen, weil Portier nicht ganz angenehm klingt, dagegen ist Mitarbeiter des Wachdienstes, wie diese Genossen in anderen Ländern genannt werden, angesichts der gegebenen Umstände ein nicht ganz zutreffender Terminus“. Vgl. Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters der UdSSR in Deutschland Jurenev an den Leiter der Verwaltungsabteilung des NKID der UdSSR Korženko vom 12.7.1937. In: AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 4, l. 74.
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Nr. 70
17. 7. 1937
Übrigen lehne ich es nicht ab, mir selbst Klarheit in dieser Angelegenheit zu verschaffen. Im weiteren Gesprächsverlauf wies Tippelskirch darauf hin, dass es wünschenswert wäre, die zweite Gruppe von inhaftierten Deutschen möglichst schnell nach Deutschland auszuweisen. Er wolle uns in den nächsten Tagen die Namensliste dieser zweiten Gruppe übermitteln. Den ersten Platz unter diesen Personen wolle Tippelskirch gern für den Mitarbeiter des deutschen Konsulats in Tiflis Nymann5 reservieren, dessen Ausreisegenehmigung nach Deutschland die Deutsche Botschaft bereits mehrfach nachgesucht habe. Auf mein Befremden, weshalb die Deutsche Botschaft um ein Ausreisevisum für einen sowjetischen Staatsbürger, der Nymann nun einmal sei, nachsuche, erklärte Tippelskirch, dass Nymann seiner Herkunft nach Deutscher sei, lange Zeit im deutschen Konsulat beschäftigt gewesen sei und die sowjetischen Behörden früher keine Einwände gegen seine Ausreise nach Deutschland vorgebracht hätten.6 Die Deutsche Botschaft setze sich für seine bevorzugte Ausreise vor den übrigen Deutschen ein und erfülle damit nur ihre moralische Pflicht gegenüber einem Menschen, der nur deswegen habe leiden müsse, weil er über Jahre hinweg im Dienst des deutschen Konsulats gestanden hat. Ich antwortete Tippelskirch, das NKID interessiere die Frage, *warum sich die Freilassung der Schiffsbesatzungen der „Smidovič“ und der „Komsomol“, die uns von Schulenburg zugesichert worden sei 7 , verzögere. Darauf entgegnete Tippelskirch, dass er wahrscheinlich in den nächsten Tagen in der Lage sein werde, uns die exakte Namensliste der ersten Gruppe der sowjetischen Seeleute, die freigelassen würden, mitzuteilen.*8 Zum Abschluss des Gesprächs sprach Tippelskirch sein Bedauern aus, dass Gen. Vejnberg es abgelehnt hätte, namens des NKID gegenüber der Botschaft eine Entschuldigung wegen der Festnahme des Marineattachés Herrn Baumbach durch die Miliz von Kolomna auszusprechen.9 Dazu bemerkte ich, dass eine Entschuldigung bereits von den örtlichen Behörden ausgesprochen worden sei und das Narkomindel alles Notwendige für die möglichst schnelle und schmerzlose Beilegung des Zwischenfalls unternommen hätte, indem es nach dem Eingang der Mitteilung über die Festnahme des deutschen Marineattachés unverzüglich Gen. Antonov zum Ort des Geschehens geschickt habe.10 Ich könne lediglich das Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, dass die verantwortlichen Mitarbeiter der Deutschen Botschaft nicht die nötige Vorsicht walten ließen, wenn sie sich an Orte begeben, die speziell von Militärbehörden und der Miliz bewacht werden. Ich bäte Tippelskirch, seinen Kollegen für die Zukunft größte Umsicht zu empfehlen. Tippelskirch antwortete mir mit einem Lächeln, dass er offenbar die Hoffnung aufgeben müsse, von uns die von ihm erwünschte Entschuldigung zu bekommen. V. Potemkin 5 6 7 8 9
Hermann Nymann war Ende April 1937 verhaftet worden. Vgl. Dok. 18. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 502, S. 1290. Vgl. Dok. 28. Der Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. Vgl. Aufzeichnung der Unterredung Vejnbergs mit von Tippelskirch am 8.7.1937. In: AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 44, l. 51–53. 10 Vgl. Dok. 60.
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Nr. 71 Vermerk mit Bleistift: M.M. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2729 vom 21.7.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 [Exemplare]. Das 1. [Exemplar] zu den Akten, das 2. *an Gen. Litvinov*,11 das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. an die II. Westabteilung, das 5. nach Berlin. Expl. Nr. 2. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 44, l. 54–56. Beglaubigte Kopie.
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Nr. 71 Auszug aus den Aufzeichnungen des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Jurenev Nr. 71 19. 7. 1937 19. 7. 1937 GEHEIM Expl. 1 Ausg.-Nr. 204/s1 Berlin, 19. Juli 19372 Tagebuch K.K. Jurenevs [...]3 20. Juli [...]4 2. Gen. Nepomnjaščij ist bei mir. Er ist gestern aus Düsseldorf zurückgekehrt, wohin er auf Einladung der Direktion der „Vereinigten Stahlwerke“ gefahren war (auf sie entfallen 50% der Stahlproduktion Deutschlands – ca. 7 Mio. Tonnen des produzierten Stahls – K. Ju.). Auf dem Bahnhof wurde der Handelsvertreter von der Hauptdirektion, bestehend aus Poensgen, Lammers und Wenzel, herzlich begrüßt. Bevor die Direktion der oben genannten Stahlvereinigung den Handelsvertreter zur Besichtigung von Betrieben einlud, hatte sie ordnungsgemäß sowohl beim Kriegsministerium als auch beim Wirtschaftsministerium um die Genehmigung für die Betriebsbesichtigungen nachgefragt. Beide Ministerien erteilten die Genehmigung, wobei das Kriegsministerium nicht nur die Genehmigung erteilte, sondern in seiner schriftlichen Antwort auf die Anfrage der Vereinigung erklärte, dass es einen „derartigen Kontakt“ begrüße. Das Schreiben hatte ein gewisser Oberst Thomas unterzeichnet. In den Gesprächen mit Gen. Nepomnjaščij erklärten die Direktionsmitglieder einmütig, dass sie gute Beziehungen zur UdSSR herstellen wollen; dass sie im höchsten Maße unsere Rohstoffe benötigen, insbesondere Manganerz. In Entgegnung auf Nepomnjaščijs Argumentation, die Wirtschaft mit der Politik zu verbinden, wurde das Argument vor11
Der Text ist mit Bleistift unterstrichen.
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. So im Dokument; die Datierung erfolgte nach der ersten Aufzeichnung, die letzte Aufzeichnung wurde am 26. Juli angefertigt. 3 Ausgelassen ist die Aufzeichnung des Gesprächs mit dem Botschafter der Türkei in Deutschland Arpağ am 19.7.1937 (l. 56–58). 4 Ausgelassen ist die Aufzeichnung des Gesprächs mit dem Botschafter Chinas in Deutschland Cheng (l. 58).
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gebracht, dass man doch nicht die Reden von Goebbels ernst nehmen solle, da sie für die inneren Erfordernisse bestimmt wären. Darauf warf der Handelsvertreter ihnen mit gebührendem Nachdruck an den Kopf, falls sie eine Verbesserung der „Wirtschaft“ wollten, so müsse auch die Politik verbessert werden. *Ferner bekräftigten die Direktoren erneut, dass sie beabsichtigen, eine Gruppe der größten Industriekonzerne zu bilden, um gemeinsam Vorschläge für Kredite an die Sowjetunion auszuarbeiten. Ihren Plänen zufolge werden der Gruppe die Vereinigten Stahlwerke, SiemensSchuckert, Wolff und andere angehören. Im Prinzip ist dies die gleiche Gruppe, die seinerzeit (1926/27) mit der Initiative hervorgetreten war, der Sowjetunion einen Kredit zu gewähren. Die Direktionsmitglieder der Vereinigten Stahlwerke betonten in den Gesprächen, dass es bei einem Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen möglicherweise gelingen könnte, auch die politischen Beziehungen zu verbessern.*5 Sie sagten, dass sie angesichts des Rohstoffbedarfs Deutschlands beabsichtigen, ihre früheren Vorschläge etwas zu modifizieren. So würden sie beispielsweise gern für die Lieferungen von Ausrüstungen und Halbfabrikaten zu 50% unsere Rohstoffe erhalten, die übrigen 50% aber mit Wechseln oder mit anderen Leistungen bei Verdoppelung der Kreditfrist abdecken, d. h. sie wiederholten das, was seinerzeit Reyß, der Vorsitzende des Russland-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, der Handelsvertretung erklärt hatte. Die Industriellen bemühten sich, die Frage einer Verbesserung der Beziehungen zwischen der UdSSR und Deutschland bei Göring zu sondieren, jedoch ist letzterer wegen des spanischen Problems etwas ungehalten und zeigt deshalb für eine Sondierung nicht das „nötige Verständnis“. Die Industriellen billigen nicht das Eingreifen ihrer Regierung in die spanischen Angelegenheiten, die plötzlich zu unangenehmen Komplikationen führen könnten und wünschen deshalb, dass das spanische Problem so schnell wie möglich gelöst wird. Um normale politische Beziehungen zwischen Deutschland und der UdSSR herzustellen, sei es erforderlich, das einzige Hindernis aus dem Weg zu räumen, das in dem spanischen Problem bestehe. 3. Um 8.00 Uhr kam, wie vereinbart, der stellvertretende Protokollchef des Auswärtigen Amtes, Herr Boltze zu mir, um mich nach Berchtesgaden zu begleiten. Nach einem 15minütigen Gespräch allgemeinen Charakters fuhren wir zum Anhalter Bahnhof. Ich fuhr mit Boltze im Auto des Ausamtes. Auf dem Bahnhof führte man uns durch die Repräsentationsräume und auf „direktem Wege“ zu dem Eisenbahnwaggon. Ich und die mich begleitenden Genossen erhielten ein Abteil; es wurden ein Imbiss und Obst gereicht. 21. Juli 1. Gegen 9 Uhr morgens kamen wir in Berchtesgaden an. Auf dem Bahnhof begrüßte mich Staatssekretär Meissner. In seinem Auto fuhren wir zum „GrandHotel“, wo wir alle eine durchaus angemessene Unterbringung erhielten. Meissner hielt sich nicht lange im Hotel auf. Erst hier erhielt ich von ihm über Gen. Astachov den Text der bevorstehenden Rede des Herrn Hitler. Danach teilte Meissner mit, dass er mich um 12.30 Uhr abholen komme, und verabschiedete sich. 5
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Der Text wurde von Litvinov am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen.
19. 7. 1937 Nr. 71 2. Zur festgelegten Zeit fuhr ich in Begleitung von Meissner zur Residenz Hitlers, die bedeutend höher als der Flecken Berchtesgaden gelegen ist (Bayerische Alpen, wunderbare Berge und Wälder). Auf dem Weg dorthin fragte ich meinen Begleiter, was unter dem Begriff „Nichteinmischung“6 zu verstehen sei, der in der bevorstehenden Rede Hitlers vorkomme. Meissner antwortete, dass damit die Verpflichtung gemeint sei, sich nicht in die inneren Angelegenheiten der jeweils anderen Seite einzumischen. Dazu führte Meissner aus, dass der die „Nichteinmischung“ betreffende Punkt von Hitler selbst eingefügt worden sei. In seiner, Meissners, Vorlage wäre zur Nichteinmischung überhaupt nichts gesagt worden. Diese Korrektur habe der Reichskanzler eigenhändig vorgenommen. 20 Minuten nach der Abfahrt vom Hotel trafen wir in der Residenz Hitlers ein. Sie ist ein nicht großes, modernes Haus im Alpenstil. Am Hauseingang begrüßte uns Hitlers persönlicher Adjutant Brückner, ein Mann von gewaltigem Wuchs mit dem Gesicht eines Henkers, und ein paar großgewachsene Bürschchen von Wachleuten. Brückner führte uns in Hitlers Empfangsraum, von dort wurde ich nach ein paar Minuten in den Saal gebeten, wo mich der Reichskanzler erwartete. Er trug eine braune Jacke ohne nationalsozialistische Armbinde. Hitler trug seine Antwortrede schnell und monoton vor, wie „aufgezogen“. Auf mich machte er den Eindruck eines schweren Neurasthenikers – blautrübe Augen, Tränensäcke unter den Augen. Nach dem Redenaustausch und der Überreichung meines Beglaubigungsschreibens sowie des Abberufungsschreibens für Gen. Suric nahm mich Hitler beiseite und bat Platz zu nehmen. Das Gespräch war überaus knapp. Er interessierte sich dafür, ob ich früher in Deutschland gewesen wäre, wo sich meine Familie befinde, und als er erfuhr, dass sie nicht hier sei, fragte er, wann sie hierherkomme. Danach erklärte er für mich unerwartet, dass er es bedaure, mir Unannehmlichkeiten bereitet zu haben, indem er mich in das von Berlin weit entfernte Berchtesgaden gebeten hätte. Er hätte sich dabei von dem Wunsch leiten gelassen, mir so schnell wie möglich die Gelegenheit zu geben, das Beglaubigungsschreiben auszuhändigen und nicht bis Mitte Oktober damit zu warten, wenn er, Hitler, zur „Wintersaison“ nach Berlin zurückkehre. Ich dankte ihm für diese Liebenswürdigkeit und sagte, dass die Reise angenehm gewesen sei und mir Vergnügen bereitet habe. Damit war unser Gespräch erschöpft. Es erschien Meissner mit den Genossen Nepomnjaščij und Astachov, die ich dem Reichskanzler vorstellte. Sofort danach verließen wir Hitler und begaben uns zurück nach Berchtesgaden. [...]7 K. Jurenev
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Das Wort ist auf Deutsch in lateinischischen Buchstaben geschrieben. Nachfolgend sind ausgelassen die Aufzeichnungen über das von Meissner zu Ehren von Jurenev gegebene Frühstück in Berchtesgaden (l. 62), über den Besuch von München und Nürnberg (l. 62–63), über das Gespräch mit dem Botschafter Frankreichs in Deutschland François-Poncet am 24.7. (l. 63–64), über das Gespräch mit dem tschechischen Gesandten Mastný am 26.7. (64–66), über das Gespräch mit dem kolumbianischen Gesandten Obregón Arjona am 26.7. (l. 66).
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Vermerk mit Bleistift: an Gen. Litvinov. Vermerk M.M. Litvinovs mit blauem Farbstift: MM. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2811 vom 29.7.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. 7 Expl. an Gen. Litvinov, 1 Expl. zu den Akten. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 43, l. 56–66, hier l. 58–62. Original.
Nr. 72 Meldung des kommissarischen Chefs der 3. Abteilung der GUGB im NKVD der UdSSR Minaev an den Leiter der GUGB im NKVD Frinovskij Nr. 72 20. 7. 1937 20. 7. 1937 20. Juli 1937 Am 31. Mai d.J. wurde auf dem Ladogasee ein Rabe erlegt, an dem ein Ring mit der Nr. D-72291 und dem Schriftzug „Deutschland“ festgestellt wurde. Zeitgleich zu diesem Vorfall wurde in der Nähe des Dorfes Rusynja, Kreis Bateck, Gebiet Leningrad, von einem Milan ein Rabe geschlagen, der einen Ring mit der Nr. D-70398 und ebenfalls dem Schriftzug „Deutschland“ trug. Es ist zu vermuten, dass die Deutschen mithilfe von Raben die Windrichtungen mit dem Ziel untersuchen, sie zu rein Diversions- und bakteriologischen Zwecken (für die Brandschatzung von Ortschaften, von Getreideschobern usw.) zu nutzen.1 Leiter2 der 3. Abteilung der GUGB im NKVD der UdSSR Kommissar der Staatssicherheit 3. Ranges MINAEV Veröffentlicht in: Lubjanka. Stalin i Glavnoe upravlenie gosbezopasnosti NKVD, Dok. 141, S. 251.
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Frinovskij leitete diese Sondermeldung am 23.7.1937 an Stalin weiter. So im Dokument; richtig: kommissarischer Leiter.
20. 7. 1937 Nr. 73 Nr. 73 Aufzeichnung des Leiters des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep Nr. 73 20. 7. 1937 20. 7. 1937 Berlin, den 20. Juli 1937 zu Pol V 41101 Aufzeichnung2 I. Das Ersuchen der Sowjetregierung, die Konsulate in Odessa und Wladiwostok zu schließen und hinsichtlich der übrigen deutschen Konsularbehörden eine Parität mit dem sowjetischen Konsularnetz in Deutschland im Wege von Verhandlungen herbeizuführen, steht zweifellos im Zusammenhang mit den letzten politischen Prozessen, bei denen u. a. angebliche Verbindungen von trotzkistischen Verschwörern mit faschistischen Staaten eine Rolle gespielt haben. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass das Ersuchen auf eine persönliche Weisung von Stalin zurückgeht. Die russische Forderung, die erstmalig Ende Mai3 an uns gerichtet worden ist, ist auch an Japan und Polen ergangen. Die japanische Regierung hat unter Berufung auf bestehende Abmachungen über die Zahl der beiderseitigen Konsulate ablehnend geantwortet. *Die polnische Regierung, die sich, soweit bekannt, auf entsprechende Vertragsbestimmungen nicht berufen kann, ist gleichfalls nicht geneigt, sich auf Verhandlungen über diese Frage einzulassen.*4 II. Das Ersuchen der Sowjetregierung, das vom Außenkommissariat mit dem souveränen Recht jeder Regierung, fremde Konsulate zuzulassen oder abzulehnen, sowie mit dem endgültigen Entschluss der Sowjetregierung, das deutsche Konsularnetz in der Sowjetunion einzuschränken, begründet wird, ist nach dem anliegenden Gutachten der Rechtsabteilung aus rechtlichen Gründen **auf Grund Art. 1 Abs. 2 des Konsularvertrages**5 abzulehnen. Vom Standpunkt unserer Interessen sind folgende Argumente, die für die Aufrechterhaltung des deutschen Konsularnetzes sprechen, entgegenzuhalten: a) Die Größe des Sowjet-Territoriums, b) die Interessenvertretung der ansässigen Reichsdeutschen, insbesondere die Sorge für die zahlreichen verhafteten Reichsdeutschen, c) die deutschen Wirtschafts- und Schifffahrtsinteressen, d) das Vorhandensein der Sowjethandelsvertretung in Berlin nebst Filialen in Deutschland. 1 Telegramm Nr. 148 der Botschaft Moskau vom 16.7.1937. In: PA AA, R 104371, Bl. E 019517. Darin findet sich die Mitteilung von Tippelskirch, dass laut Potemkin der Beschluss der Sowjetregierung, das deutsche Konsularnetz einzuschränken, endgültig sei. 2 Die Aufzeichnung wurde am 22.7.1937 zusammen mit dem Telegramm an die Botschaft Moskau (Dok. 74), einer Aufzeichnung der Wirtschaftsabteilung (vgl. Anm. 7) und einem Exemplar des Konsularvertrages vom 12.10.1925 Reichsaußenminister von Neurath vorgelegt. 3 Vgl. Dok. 28. 4 Der Satz ist am Seitenrand von Neurath angestrichen. 5 Der Satz ist handschriftlich eingefügt. Vgl. Konsularvertrag vom 12.10.1925; in: Reichsgesetzblatt 1926, Teil II, S. 60–83, hier S. 61. Der Absatz lautet: „Die einzelnen Häfen und Handelsplätze, an welchen, sowie die Bezirke, für welche die Zulassung erfolgen soll, werden von Fall zu Fall vereinbart.“ Siehe auch das Rechtsgutachten als Anlage 3 in: ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 489, Anlage 3, S. 1018–1019.
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Im Einzelnen darf hierzu folgendes bemerkt werden: Zu b): Die Zahl der Reichsdeutschen in der Sowjetunion kann nur schätzungsweise angegeben werden. Sie betrug noch im Jahre 1935 etwa 6000. Inzwischen sind sehr viele Reichsdeutsche ausgewandert oder Sowjetbürger geworden, sodass die gegenwärtige Zahl auf etwa 2000 veranschlagt werden kann. Demgegenüber beträgt die Zahl der Sowjetbürger in Deutschland nur 950 (einschließlich der Angehörigen der Vertretungen). Die Zahl der in der Sowjetunion verhafteten Reichsdeutschen beträgt zurzeit etwa 130. Zu d): Die Errichtung der Handelsvertretung ist zwar außerhalb des oben erwähnten Konsularvertrages durch das Wirtschaftsabkommen vom 12.10.19256 der Sowjetregierung für die Ausübung des Außenhandelsmonopols eingeräumt worden. Bei einem Vergleich der beiderseitigen Konsularnetze können aber die Handelsvertretungen insofern mitberücksichtigt werden, als Deutschland von seinem Recht, eine Handelsvertretung in der Sowjetunion einzurichten, bisher keinen Gebrauch gemacht hat und die deutschen Vertretungen in der Sowjetunion teilweise die Aufgaben einer Handelsvertretung mit wahrzunehmen haben. Wie aus der Anlage hervorgeht, ist das Personal der Sowjetvertretungen in Deutschland einschließlich der Handelsvertretung mehr als doppelt so stark wie das Personal der deutschen Vertretungen in der Sowjetunion. III. Das Reichskriegsministerium hat besonders gebeten, bei Beurteilung der Angelegenheit die militärischen Interessen mit zu berücksichtigen und alles nur Mögliche zu tun, um der sowjetrussischen Forderung die Erfüllung zu versagen. IV. Für den Fall, dass die Sowjetregierung weiterhin auf ihrer Forderung besteht, ist die Anwendung von Repressalien in Betracht zu ziehen. Die Anwendung von Gegenmaßnahmen bereitet jedoch insofern Schwierigkeiten, als den 7 deutschen Konsulaten nur 2 Sowjetkonsulate gegenüberstehen. Eine Einbeziehung der Handelsvertretung in den Bereich der Repressalien würde – abgesehen von rechtlichen Bedenken – dem schärfsten Widerstand der interessierten Wirtschaftsstellen begegnen.7 Doch wären als Maßnahmen zur Stärkung unserer Position der Sowjetunion gegenüber zu erwägen: Die Aufforderung an die politisch zuverlässigen Reichsdeutschen in der Sowjetunion, nach Deutschland zurückzukehren, beschleunigte Ausbürgerung der unzuverlässigen Elemente sowie eine öffentliche Warnung an Reichsdeutsche, sich in der Sowjetunion niederzulassen. Hiermit dem Herrn Staatssekretär8 geh[orsamst] vorgelegt. 6 7
Vgl. Reichsgesetzblatt 1926, Teil II, S. 13–32; DVP, Bd. VIII, Dok. 342, S. 582–617. Benzler schrieb am 21.7.1937 dazu in einer Stellungnahme: „Bei der etwaigen Anwendung von Repressalien ist zu beachten, dass dadurch nicht unsere Bemühungen durchkreuzt werden, den Wirtschaftsverkehr mit der Sowjetunion zu halten und soweit möglich, im Interesse der deutschen Rohstoffversorgung zu erweitern. […] Bevor Repressalien dieser Art beschlossen werden, ist jedenfalls eine eingehende Prüfung mit den beteiligten Stellen, insbesondere dem Reichswirtschaftsministerium, notwendig, um festzustellen, wieweit solche Maßnahmen mit unseren wirtschaftlichen Bestrebungen vereinbar sind.“ Der letzte Satz wurde von Neurath angestrichen und mit der Randbemerkung „Ja“ versehen. In: ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 489, Anlage 2, S. 1017–1018. 8 Hans Georg von Mackensen.
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Nr. 74 Es darf ferner vorgeschlagen werden, dass der Herr Reichsminister den Sowjetbotschafter kommen lässt und ihm gegenüber die Angelegenheit unter Bezugnahme auf die von Herrn Jureniew geäußerte Absicht, auf Normalisierung der beiderseitigen Beziehungen hinzuwirken, zur Sprache bringt.9 Entwurf einer Drahtweisung an die Botschaft Moskau ist beigefügt.10 Schliep Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben: Dg. Pol, Dir. Pol. PA AA, R 104371, Bl. E 019524-019527 Veröffentlicht in: ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 489, Anlage 1, S. 1015–1017.
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Nr. 74 Telegramm des Staatssekretärs im AA von Mackensen an die Botschaft in Moskau Nr. 74 21. 7. 1937 21. 7. 1937 Telegramm (G.Ch.V.) Berlin, den 21. Juli 1937 Nr. 80 vom 21.7. zu Pol V 41101 Ref.: VLR Schliep Diplogerma Moskau Auf Telegramm Nr. 148 vom 16. Bitte Außenkommissariat mitteilen, dass Reichsregierung Ersuchen Sowjetregierung auf Einschränkung deutschen Konsularnetzes aus Gründen der Rechtsund Interessenlage ablehnen müsse. Bitte hierbei folgendes geltend zu machen: 1) Souveränes Recht Sowjetregierung, fremde Konsulate zuzulassen oder abzulehnen werde **von Deutschland keineswegs bestritten, ist aber**2 durch Vereinbarung Art. 1 Abs. 23 Konsularvertrages beschränkt. Deutsche Konsulate in Sowjetunion seien bereits vor Inkrafttreten Konsularvertrages durch Vereinbarung zwischen beiden Regierungen errichtet worden. Dass Vereinbarung zeitlich vor Inkrafttreten Konsularvertrages lag, sei unerheblich. Sowjetunion habe nicht das Recht, Vereinbarung, auf Grund deren Konsularbehörden in Wladiwostok oder Odessa errichtet wurden, einseitig zu lösen. Ganz allgemein kann auch darauf hin9 Weder in den russischen noch in den deutschen Akten wurde ein Gespräch von Neuraths mit Jurenev über diesen Fragenkomplex nachgewiesen. Vgl. auch ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 489, S. 1015, Anm. 6. 10 Vgl. Dok. 74. 1 2 3
Zu dem Telegramm Nr. 148 vom 16.7.1937 vgl. Dok. 73, Anm. 1. Der Text ist korrigiert; ursprünglich: Deutschland gegenüber. Der Absatz 2 lautet: „Die einzelnen Häfen und Handelsplätze, an welchen, sowie die Bezirke, für welche die Zulassung erfolgen soll, werden von Fall zu Fall vereinbart.“ Vgl. Konsularvertrag vom 12.10.1925; in: Reichsgesetzblatt 1926, Teil II, S. 60–83, hier S. 61.
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gewiesen werden, dass nach völkerrechtlichem Herkommen ein Platz nicht für die Konsuln eines Landes verschlossen sein darf, solange dort Konsuln anderer Staaten zugelassen werden. In Odessa hat außer Deutschland Italien, Japan auch die Türkei, in Wladiwostok **außer Deutschland und Japan**4 auch China ein Konsulat. Nur für den Fall, dass Sowjetregierung sich etwa auf Art. 2 Konsularvertrags5 berufen sollte, wird gebeten, folgendes entgegenzuhalten: Die dort in Absatz 3 behandelte Zurücknahme der Zulassung bezieht sich nur auf die Person der Generalkonsuln, Konsuln und Vizekonsuln, für die in Art. 2 die Voraussetzungen für die Ausübung ihrer Amtsbefugnisse geregelt sind. Mit Errichtung der Behörden und den Orten, an denen dies geschehen kann, habe Artikel 2 nichts zu tun. Hierfür sei vielmehr Artikel 1 Abs. 2 allein sedes materiae6. 2) Bitte ferner zur Begründung **unserer Forderung auf Aufrechterhaltung**7 deutschen Konsularnetzes in Sowjetunion die dortseits bereits vorgebrachten Argumente erneut nachdrücklich zur Sprache zu bringen: Es sei nach deutscher Auffassung nicht angängig, Frage Parität auf Zahl beiderseitiger Vertretungen abzustellen, vielmehr seien hierbei ganz andere Gesichtspunkte entscheidend. In erster Linie müsse Größe Sowjetterritoriums berücksichtigt werden. Ferner seien in Sowjetunion **auch heute**8 noch etwa doppelt so viel Reichsdeutsche ansässig als Sowjetbürger in Deutschland, deren Zahl einschließlich Angehöriger Vertretungen nur 950 betrage. Bitte hierbei nochmals besonders auf notwendige Sorge unserer Vertretungen für zahlreiche Verhaftete hinzuweisen, die im umgekehrten Fall kaum vorhanden. Als weiteres Argument wären deutsche Wirtschafts- und Schifffahrtsinteressen zu betonen. Endlich **müsse Bestehen**9 Handelsvertretung in Betracht gezogen werden, **wobei**10 Vergleich Personals ergebe, dass Sowjetvertretungen einschließlich Handelsvertretung 185 Personen umfassen gegenüber nur 80 Angehörigen deutscher Vertretungen in Sowjetunion. Mackensen Auf erstem Blatt oben: Pol V 4293. Unten: Abgesandt 21/7 20.45. Am Seitenrand zahlreiche Kenntnisnahmen. Auf letztem Blatt unten verschiedene Abzeichnungen. PA AA, R 104371, Bl. E 019519-019521.
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Der Text ist eingefügt. Der letzte Teil des Artikels lautet: „Erachtet der Empfangsstaat in einem einzelnen Falle die Zurücknahme der Zulassung für erforderlich, so hat er die Gründe dem Entsendestaate vorher anzugeben; die Würdigung dieser Gründe bleibt dem Empfangsstaat allein vorbehalten.“ Vgl. Konsularvertrag vom 12.10.1925; in: Reichsgesetzblatt 1926, Teil II, S. 61. 6 sedes materiae (lat.) – entscheidende Gesetzesstelle. 7 Der Text ist korrigiert; ursprünglich: unseres Interesses an Aufrechterhaltung. 8 Der Text ist korrigiert; ursprünglich: immerhin. 9 Der Text ist korrigiert; ursprünglich: müssten. 10 Das Wort ist eingefügt.
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23. 7. 1937 Nr. 75 Nr. 75 Telegramm des deutschen Geschäftsträgers in Moskau von Tippelskirch an das AA Nr. 75 23. 7. 1937 23. 7. 1937 Telegramm Nr. 153 vom 23. Juli 37 Sowjetpresse abdruckt heute Wortlaut anlässlich Übergabe Beglaubigungsschreiben Jureniew ausgetauschter Reden. Iswestija-Artikel hierzu1 ausführt, Feststellung Reichskanzlers wonach Aufrechterhaltung normaler Beziehungen Interessen beider Länder entspreche, hervorrufe Befriedigung, jedoch sei Hervorhebung dieser Tatsache für anormalen Charakter der Beziehungen kennzeichnend. Formulierung, dass normale Beziehungen Sache des Friedens fördern könnten, erwecke Erstaunen und Eindruck, dass Verfasser der Rede das Fehlen von Beziehungen vorziehen würde, wenn er ihre Existenz nur in bedingter Form akzeptiere. Das Wesentlichste sei, dass Beziehungen nur der Form nach normal wären, was deutsche antisowjetische Ausfälle bewiesen. Erwähnung Nichteinmischung erwecke Befriedigung und lasse erwarten, dass deutscher Spionagedienst seine Machenschaften in Sowjetunion einstellen werde und dass sie Bereitwilligkeit Deutschlands bedeute, Truppen aus Spanien zurückzuziehen und Einmischungsversuche gegenüber anderen Ländern einzustellen. Sowjetunion mache sich über praktische Fragen der Rede keine Illusionen und abwarte, ob künftige Taten und Reden mit letzten Erklärungen Reichskanzlers übereinstimmen würden. Tippelskirch Am Seitenrand: Gef. in 2 Exempl. 1. für Abteilung A 2. zur chronol. Sammlung. Dies ist Ex.Nr. … PA AA, Moskau II 215, Bl. 76.
1 VIC [Autor]: „Obmen rečami. Meždunarodnoe obozrenie“ (Redenaustausch. Internationale Umschau). In: Izvestija vom 23. Juli 1937, S. 1.
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Nr. 76
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Nr. 76 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem deutschen Geschäftsträger in Moskau von Tippelskirch Nr. 76 23. 7. 1937 23. 7. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 2 AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS Nr. 1213 [23.7.1937] GESPRÄCH MIT DEM GESCHÄFTSTRÄGER DEUTSCHLANDS TIPPELSKIRCH, 23. JULI 1937 Tippelskirch erklärte, er sei gekommen, um sich zu erkundigen, ob die Frage des Austausches der verhafteten Gerndt gegen Popov1 entschieden worden sei. Ich antwortete, dass die Ermittlungen im Fall der Gerndt noch andauern. Den vorläufigen Informationen zufolge würden gegen sie ernste Anschuldigungen erhoben. Jetzt die Frage nach ihrem Austausch aufzuwerfen sei verfrüht, zumal wir in Bezug auf Popov der festen Überzeugung seien, dass er sich an keinerlei politischen Aktionen beteiligt habe. Wir seien der Ansicht, dass seine Verhaftung das Ergebnis eines klaren Missverständnisses sei. Tippelskirch bemerkte, dass sich die Ermittlungen im Fall Gerndt offenbar hinzuziehen drohen. Er frage, ob nicht Besuche bei Gerndt und die Übergabe von Geld an sie genehmigt werden könnten? Ich antwortete, solange die Ermittlungen andauerten, könne von Besuchen bei Gerndt keine Rede sein. Was die Übermittlung von Geld betreffe, so könne das NKID diese Frage den zuständigen Organen vortragen. Tippelskirch erinnerte mich daran, dass Litvinov und Schulenburg eine Vereinbarung getroffen hätten, die wegen politischer Delikte inhaftierten deutschen Staatsangehörigen schrittweise aus der UdSSR auszuweisen.2 Die ersten fünf Personen seien bereits ausgewiesen worden und befänden sich in Deutschland. Tippelskirch überreichte mir eine neue Liste inhaftierter Deutscher, um deren Ausweisung er vor allem bitte. Nachdem ich die Liste flüchtig durchgesehen hatte, erklärte ich Tippelskirch, dass ich mit Befriedigung konstatiere, dass der Geschäftsträger seinen ursprünglichen Gedanken aufgebe, in diese Liste den Mitarbeiter des Konsulats Deutschlands in Tiflis, Nymann, aufzunehmen.3 Anscheinend habe sich der Geschäftsträger mit meinem Hinweis einverstanden erklärt, dass es eigenartig sei, einen sowjetischen Staatsbürger in die Liste der deutschen Staatsangehörigen aufzunehmen, die der Ausweisung aus der UdSSR unterliegen. Was die mir überreichte Liste betreffe, so wäre ich nicht davon überzeugt, dass dem Gesuch der Deutschen Botschaft, die in diesem Dokument namentlich genannten Personen auszuweisen, kurzfristig stattgegeben werden könnte. Es gehe darum, dass wir, entgegen den wiederholten Zusi1 2 3
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Vgl. Dok. 70. Vgl. Dok. 17. Vgl. Dok. 70.
23. 7. 1937 Nr. 76 cherungen von Graf Schulenburg und auch von Tippelskirch, leider bis jetzt keinerlei Ergebnisse der in Aussicht gestellten Demarchen der deutschen Regierung zugunsten einer baldigen Befreiung der von den spanischen Aufständischen festgesetzten Schiffsbesatzungen der „Komsomol“ und der „Smidovič“ aus den Händen Francos sähen. Tippelskirch entgegnete, dass die deutsche Regierung alles unternehme, was von ihr abhinge, um ihre Zusicherung schnellstmöglich umzusetzen. *Andererseits erachte er es für seine Pflicht zu bemerken, dass Gen. Litvinov im Gespräch mit Schulenburg zugesichert habe, mit der Ausweisung der inhaftierten Deutschen unverzüglich zu beginnen, sobald von dem deutschen Botschafter die Zusicherung der Bereitschaft seiner Regierung eingehe, auf General Franco einzuwirken, um von ihm die Freilassung der sowjetischen Seeleute zu erwirken.*4 Ohne einen ersichtlichen logischen Zusammenhang kehrte Tippelskirch unvermittelt zu den Umständen der Verhaftung der Gerndt5 zurück. Er brachte seinen Unmut über die angeblich „offensichtliche Täuschung“ zum Ausdruck, zu der die örtlichen Behörden gegenüber dem Vertreter des deutschen Konsulats gegriffen hätten, als diese Amtsperson versuchte zu klären, ob sich Gerndt in dem Zug befinde, der gerade im Bahnhof von Kiev eingefahren war, und ihre Freilassung zu erwirken. Ich entgegnete, dass das NKID bei den örtlichen Behörden wegen der Umstände der Verhaftung von Gerndt um Informationen nachsuchen werde. Ich erachtete es meinerseits als erforderlich, den Geschäftsträger auf das eindeutige Fehlverhalten des Vertreters des deutschen Konsulats hinzuweisen, der in die Anordnung der sowjetischen Behörden auf dem Bahnhof direkt eingegriffen habe, indem er darauf bestand, ihm die Abteiltüren zu öffnen und Gerndt unverzüglich freizulassen. Dieses Vorgehen zeuge davon, dass der Konsulatsbeamte falsche Vorstellungen über seine Rechte habe und mache es erforderlich, dass die Deutsche Botschaft ihm entsprechende Weisungen erteile. Tippelskirch versuchte, das Vorgehen des Konsulatsvertreters damit zu rechtfertigen, dass dieser angeblich klar und deutlich die Stimme von Gerndt gehört hätte, die ihn aus einem verschlossenen Abteil um Hilfe angefleht hätte. Dies hätte ihn auf den Gedanken gebracht, dass seine Landsmännin Opfer einer Gewalttat sei. Meinerseits fügte ich dem hinzu, dass die sowjetischen Eisenbahnbehörden in Bezug auf ein korrektes Verhalten gegenüber Ausländern keine Vorwürfe verdienten. Ganz anders verhalte es sich bei den entsprechenden Behörden in Deutschland, wo es in letzter Zeit empörende Vorfälle von vorläufigen Festnahmen und von erniedrigenden Visitationen sowjetischer Bürger gegeben habe, die im Transit durch Deutschland reisten, und zwar mit einem Dienstpass. Ich kündigte Tippelskirch an, dass unsere Bevollmächtigte Vertretung in Berlin aus diesem Anlass entsprechend vorstellig werden würde.6 Der letzte Teil des Gesprächs war der Frage der deutschen Konsulate in der UdSSR gewidmet. 4 5 6
Der Text wurde von Litvinov am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. Vgl. Dok. 70. Am 24.7.1937 übergab die Bevollmächtigte Vertretung dem AA eine Note über das unzulässige Vorgehen der deutschen Behörden gegenüber einer Reihe von Sowjetbürgern, die sich auf der Durchreise durch Deutschland befanden. Vgl. Vermerk Michel’s an Potemkin vom 16.1.1938. In: AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 60, l. 2–4.
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23. 7. 1937
Tippelskirch erklärte mir, dass die Genehmigung zur Eröffnung von ausländischen Konsulaten auf dem Staatsgebiet eines anderen Staates selbstverständlich von dem souveränen Willen des letzteren abhänge. Jedoch *sei diesem souveränen Willen der UdSSR und Deutschlands in dem Konsularvertrag, den beide Staaten abgeschlossen hätten, und in dem die Anzahl und die Standorte der von beiden Seiten unterhaltenen Konsulate festgehalten worden seien, eine bestimmte Selbstbeschränkung auferlegt worden.7 Durch einen einseitigen Akt könne dieser Vertrag nicht annulliert werden.*8 Außerdem könne sich die deutsche Regierung nicht mit der Diskriminierung einverstanden erklären, die sich für sie in dem Fall ergäbe, dass die Konsulate in Vladivostok und in Odessa geschlossen würden, wo Konsulate anderer Staaten weiter bestünden. Für die deutsche Regierung sei auch unser Vorschlag unannehmbar, die Anzahl der Konsulate mit der der anderen Seite gleichzusetzen. Das Territorium der UdSSR übertreffe das Deutschlands um ein Vielfaches: angesichts solcher Verhältnisse wäre eine arithmetische Parität hinsichtlich der Konsulate beider Seiten eine direkte Ungerechtigkeit. In der UdSSR befänden sich bedeutend mehr Deutsche als Sowjetbürger in Deutschland. Die Anzahl der inhaftierten deutschen Staatsangehörigen vergrößere sich unablässig, und dieser Umstand erfordere es gleichfalls, in der UdSSR eine größere Anzahl von Konsulaten zu haben, als dies das NKID vorschlage. Unser Argument, dass in Vladivostok und Odessa keine deutschen Handelsschiffe mehr einliefen, treffe lediglich auf die momentane, vorübergehende Lage zu. Es gäbe keine Zweifel, dass in die genannten Häfen erneut wieder deutsche Dampfer einlaufen werden. Aus diesem Grunde ergebe die beabsichtigte Schließung der deutschen Konsulate in Vladivostok und Odessa keinen Sinn. Schließlich müsse berücksichtigt werden, dass die Anzahl der Amtspersonen der UdSSR, die sich in Deutschland aufhalten, die Anzahl der Mitarbeiter deutscher Konsulate und der Botschaft in unserem Land um ein Mehrfaches übertreffe. Es genüge, auf die gewaltige Anzahl von Personen zu verweisen, die in der Berliner Handelsvertretung tätig seien. *Die oben dargelegten Überlegungen zusammenfassend erklärt Tippelskirch, dass der Vorschlag des NKID, die Anzahl der deutschen Konsulate bis auf zwei zu reduzieren, für die Regierung Deutschlands vollkommen unannehmbar sei.*9 Ich antwortete Tippelskirch, dass ich es begrüßen würde, wenn ich die von ihm angeführten Argumente in schriftlicher Form erhalten könnte. Wenn ich solch ein Dokument erhielte, könnte ich erneut auf eine Analyse der darin dargelegten Überlegungen zurückkommen. Tippelskirch versprach, mir ein entsprechendes Memorandum zu übermitteln. 10 V. Potemkin 7 8 9 10
Vgl. Dok. 73, Anm. 5. Der Text wurde von Litvinov am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. Der Text wurde von Litvinov am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. Von Tippelskirch überreichte Potemkin am 2.8.1937 ein Memorandum, das die Reaktion der deutschen Regierung auf die Forderung nach Schließung der Mehrzahl der deutschen Konsulate in der UdSSR zum Gegenstand hatte. In: PA AA, R 104371, Bl. E 019541, E 486044–486047. In der Aufzeichnung Potemkins über sein Gespräch mit von Tippelskirch am 2.8. ist dieser Sachverhalt nicht erwähnt. Vgl. Dok. 84.
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25. 7. 1937 Nr. 77 Vermerk mit Bleistift: MM. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2759 vom 27.7.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 E[xemplare]. Das 1. [Exemplar] ins Archiv, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. an die 2. Westabteilung, das 5. nach Berlin. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 43, l. 41–45. Kopie.
Nr. 77 Operativer Befehl des Volkskommissars für Innere Angelegenheiten Ežov Nr. 77 25. 7. 1937 25. 7. 1937 Ganz geheim Kopie [25.7.1937] OPERATIVER BEFEHL DES VOLKSKOMMISSARS FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN DER UdSSR, 25. Juli 1937, Nr. 004391, Moskau Durch nachrichtendienstliche und Ermittlungsmaterialien der letzten Zeit ist der Beweis erbracht worden, dass der deutsche Generalstab und die Gestapo in großem Umfang Spionage- und Diversionstätigkeit in den wichtigsten Industriebetrieben, und in erster Linie in Rüstungsbetrieben, organisieren, wobei sie zu diesem Zwecke die dort verwurzelten Kader deutscher Staatsangehörigkeit einsetzen. Die Agentur aus deutschen Staatsangehörigen, die bereits jetzt Schädlings- und Diversionsakte verüben, lenkt ihr Hauptaugenmerk auf die Verübung von Diversionsakten für die Kriegszeit und bildet zu diesem Zwecke Diversantenkader aus. Zur vollständigen Unterbindung dieser Tätigkeit der deutschen Spionage BEFEHLE ICH: 1. In einer Frist von drei Tagen nach Erhalt des vorliegenden Befehls sind exakte Listen der deutschen Staatsbürger zu erstellen und mir zuzustellen: a) der Beschäftigten in allen Rüstungswerken und in Werken mit Rüstungsabteilungen laut beigefügter Liste der Werke; b) gesondert eine Liste der deutschen Staatsangehörigen, die zu verschiedenen Zeiten in diesen Betrieben und Abteilungen gearbeitet haben und entlassen worden, jedoch auf dem Territorium der UdSSR verblieben sind, unabhängig davon, wo sie zurzeit arbeiten; 1 Am 20.7.1937 fasste das Politbüro des ZK der VKP (B) auf Vorschlag von Stalin folgenden Beschluss: „Gen. Ežov ist vorzuschlagen, den Organen des NKVD unverzüglich einen Befehl zur Verhaftung sämtlicher Deutscher, die in Rüstungsbetrieben (Artillerie, Geschosse, Maschinengewehre, Munition, Pulver usw.) arbeiten, und zur Ausweisung eines Teils der Verhafteten zu erlassen. Die Kopie des Befehls ist an das ZK zu schicken. Über den Stand der Verhaftungen und die Anzahl der Verhafteten ist dem ZK Bericht zu erstatten (täglich)“. (Protokoll Nr. 51, Pkt. 324, Sondermappe) In: RGASPI, f. 17, op. 162, d. 21, l. 107. Auf der Grundlage dieses Beschlusses erarbeitete Ežov den Befehl Nr. 00439, die Kopie schickte er am 27.7.1937 an Stalin. Vgl. Lubjanka. Stalin i Glavnoe upravlenie gosbezopasnosti NKVD, Dok. 149, S. 270.
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Nr. 77
25. 7. 1937
c) gesondert eine Liste der im Eisenbahntransport beschäftigten deutschen Staatsangehörigen. In die Listen sind aufzunehmen: Familienname, Vorname und Vatersname des deutschen Staatsangehörigen, die von ihm eingenommene Dienststellung und die Bezeichnung des Betriebes, in dem er arbeitet. 2. Ab dem 29. Juli d.J. ist mit Verhaftungen aller von Ihnen ermittelten deutschen Staatsangehörigen zu beginnen, die in Rüstungswerken und in Werken mit Rüstungsabteilungen und im Eisenbahntransport beschäftigt sind, sowie derjenigen, die aus diesen Werken entlassen worden sind, allerdings nur dann, wenn sie ihren Wohnsitz in Ihrer Republik, der Region oder des Gebietes haben. Die gesamte Verhaftungsoperation ist innerhalb von fünf Tagen durchzuführen. 3. Deutsche politische Emigranten, die in Rüstungswerken und in Werken mit Rüstungsabteilungen arbeiten, sind nur dann zu verhaften, wenn sie ihre deutsche Staatsangehörigkeit beibehalten haben. Zu jedem deutschen politischen Emigranten, der die sowjetische Staatsangehörigkeit angenommen hat, ist mir spätestens bis zum 5. August 1937 ein ausführliches Memorandum mit der Darlegung der Belastungsmaterialien vorzulegen, um die Frage einer Verhaftung zu entscheiden. 4. Die Untersuchung der Fälle der Verhafteten ist besonders sorgfältig zu führen. Es ist eine erschöpfende Aufdeckung des bislang unerkannt gebliebenen Agentennetzes der deutschen Spionage und die endgültige Vernichtung des von ihr in die Industriebetriebe eingeschleusten Untergrunds von Diversanten durchzusetzen. Die Akten der Verhafteten sind nach Abschluss der Ermittlungen an das NKVD der UdSSR zur weiteren Prüfung durch das Militärkollegium oder durch die Sonderberatung des NKVD zu schicken. 5. Die im Zuge der erneuten Ermittlungen festgestellten deutschen Agenten, Spione, Diversanten und Terroristen, sowohl sowjetische Staatsbürger als auch Angehörige anderer Staaten, sind unabhängig von ihrem Arbeitsort unverzüglich zu verhaften. 6. Zeitgleich mit der Durchführung der Operation ist eine sorgfältige Erfassung aller deutschen Staatsangehörigen, die in allen anderen Industriebetrieben, in der Landwirtschaft und in sowjetischen Institutionen arbeiteten, sowie der ehemaligen deutschen Staatsbürger, die die sowjetische Staatsbürgerschaft angenommen haben und früher in Rüstungsbetrieben und in Rüstungsabteilungen anderer Industriebetriebe tätig waren, in Angriff zu nehmen. Zum 1. September (für DVK2 und VSO3 zum 15. September) d.J. ist mir zu jedem der angeführten Personen ein ausführliches Memorandum mit der Darlegung der ermittelten Fakten und der genauen Belastungsmaterialien vorzulegen, um die Frage einer Verhaftung zu entscheiden. 7. Mir ist täglich bis 12.00 Uhr per Telegraph über den Verlauf und die Ergebnisse der Operation in den letzten 24 Stunden und über sämtliche durch die Ermittlungen sichergestellten Materialien Bericht zu erstatten. 8. Der Befehl tritt per Telegraph in Kraft. 2 3
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Dal’nevostočnyj kraj = Fernöstliche Region. Vostočnosibir’skij okrug = Ostsibirischer Bezirk.
Nr. 78 Volkskommissar für Innere Angelegenheiten der UdSSR Generalkommissar der Staatssicherheit N. EŽOV Veröffentlicht in: Lubjanka. Stalin i Glavnoe upravlenie gosbezopasnosti NKVD, Dok. 149, S. 271–272.4
4
Nr. 78 Schreiben des Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Nepomnjaščij an den kommissarischen Volkskommissar für Außenhandel Sud’in Nr. 78 27. 7. 1937 27. 7. 1937 GEHEIM Persönlich auszuhändigen1 Expl. Nr. 1 Ausgangs-Nr. 404/s 27/VII.372 Berlin, 27. Juli 1937 AN DEN KOMMISSARISCHEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUßENHANDEL DER UdSSR Gen. S.K. Sud’in Lieber Sergej Kornilovič! Ich bin Ihnen für Ihre Antwort auf mein Telegramm zu den Verhandlungen3 sehr dankbar. Zum ersten Mal während meiner Tätigkeit habe ich eine so schnelle Antwort **von unserem Volkskommissariat**4 erhalten. Ich muss nochmals betonen, dass die Verzögerung von Antworten auf Anfragen über Wochen und Monate eine Herabwürdigung darstellt. Ich bitte Sie deshalb, den entsprechenden Abteilungen Weisung zu erteilen. Leider zeichnet sich in dieser Hinsicht insbesondere die Abteilung für Handelspolitik aus. Nach dem Erhalt Ihres Telegramms wurde mir klar, weshalb diese Frage ins Stocken geraten ist. Aber warum hat man mich in Beantwortung meiner bisherigen Telegramme und Schreiben darüber nicht **früher**5 informiert. Ich verfolge mit Neid die Tätigkeit des Volkskommissariats für Auswärtige Angelegenheiten, da der Bevollmächtigte Vertreter auf jede Anfrage umgehend eine 4 Eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte durch die Moskauer deutschsprachige Zeitung „Neues Leben“ vom 11. Mai 1996; in Deutschland vgl. Terror. Stalinistische Parteisäuberungen 1936–1953, hrsg. von Hermann Weber/Ulrich Mählert, Paderborn 1998, S. 165–166. 1 2 3 4 5
Der Text ist mit Tinte geschrieben. Die Ausgangsnummer und das Datum sind mit Tinte geschrieben. Vgl. die Anordnung Sud’ins vom 25.7.1937, vgl. Dok. 64. Der Text ist mit Tinte geschrieben. Das Wort ist mit Tinte geschrieben statt eines Fragezeichens am Ende des Satzes.
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Nr. 78
27. 7. 1937
Antwort erhält. Wenn es nicht möglich ist, sofort eine Antwort zu geben, so wird entweder der mögliche Termin für eine Antwort oder die Ursache für die **Verzögerung**6 mitgeteilt oder einfach der Erhalt der Unterlagen bestätigt. Was Ihre Weisung bezüglich der Kredite betrifft, so nehme ich sie zur Richtschnur und teile nochmals mit, dass ich keinerlei Initiativen in dieser Sache ergreife. Auf die Erklärung von Vertretern der deutschen Industrie, dass es nötig wäre, unsere Wirtschaftsbeziehungen auszubauen, antworte ich unablässig, dass der Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen ohne eine radikale Verbesserung der politischen Beziehungen nicht möglich ist und dass unsere Wirtschaftspolitik **auf dem Gebiet des Außenhandels**7 untrennbar mit den politischen Beziehungen verbunden ist.8 Kurz gesagt: gute Politik bedeutet gute Wirtschaft. Mir scheint, dass ich in dieser Frage den richtigen Standpunkt einnehme. Wenn Sie es einrichten können, möchte ich Sie bitten, mir in dieser Frage eine genauere Weisung zukommen zu lassen. Mit kameradschaftlichem Gruß HANDELSVERTRETER IN DEUTSCHLAND L. Nepomnjaščij Anweisung S.K. Sud’ins mit blauem Farbstift: an Gen. M.I. Levin. Bereiten Sie die Antwort vor. S[ud’in] 3/VIII. Vermerk mit Tinte: Zu den Akten. ML[evin]. Oben rechts befindet sich der Stempel der Geheimgruppe des NKVT der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 8001/153 vom 3.08.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 2 Expl. Nr. 1 an Gen. Sud’in, Nr. 2 zu den Akten. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2491, l. 102–103. Original.
6 7
Das Wort ist mit Tinte korrigiert; ursprünglich: Nichtbeantwortung. Der Text „auf dem Gebiet“ wurde mit Tinte über den Text geschrieben und am Seitenrand noch „Außenhandel“ hinzugefügt. 8 Vgl. Dok. 64.
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28. 7. 1937 Nr. 79 Nr. 79 Aufzeichnung der Unterredung des Ministerialdirigenten im Reichswirtschaftsministerium Spitta mit dem Leiter der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Nepomnjaščij Nr. 79 28. 7. 1937 28. 7. 1937 Berlin, den 28. Juli 1937 Abschrift zu W IV O E 2530/37 Sondermeldung1 Wirtschaftsverhandlungen mit Russland für die Regelung des Warenverkehrs im Jahre 1938 ____________________________________________________________________________ Auf deutschen Wunsch, der sich mit den russischen Absichten traf, ist vor einigen Wochen angeregt worden, die Verhandlungen über die Regelung des deutschrussischen Waren- und Zahlungsverkehrs im Jahre 1938 möglichst frühzeitig aufzunehmen, um beiden Teilen die Möglichkeit frühzeitiger Dispositionen zu geben. Nachdem durch Befragen des Russland-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft und eine Ressortbesprechung die bei diesen Verhandlungen vorzubringenden Wünsche festgelegt worden sind, hat am 26. Juli 1937 eine erste Besprechung zwischen den beiden Ausschuss-Vorsitzenden stattgefunden. Ich habe Herrn Nepomnaschtschi erklärt, dass wir zur sofortigen Aufnahme der beiderseitig gewünschten Verhandlungen bereit wären. N. erwiderte darauf, dass er leider eine entsprechende Erklärung deshalb nicht abgeben könne, weil durch die Abberufung (Verhaftung) des russischen Außenhandelskommissars Rosengolz die hiesige Russische Handelsvertretung trotz mehrfachen Drängens bisher keine Instruktionen für die beabsichtigten Verhandlungen erhalten hätte. Er habe, um nicht kostbare Zeit zu verlieren, nunmehr darauf gedrängt, dass mangels einer Neubesetzung des Außenhandelskommissariats in Moskau der Rat der Volkskommissare ihm die notwendigen Weisungen erteilen möchte. Mit Rücksicht auf die „durch die derzeitigen innerpolitischen Verhältnisse in Russland vorhandene große Arbeitslast des Rats der Volkskommissare“ hege er allerdings die Befürchtung, dass die von ihm erbetenen Instruktionen noch einige Zeit auf sich warten lassen würden. Unter diesen Umständen könne er im Augenblick amtliche Erklärungen nicht abgeben und müsse darum bitten, die Besprechung als vorläufige private gegenseitige Information aufzufassen. Unter diesem Vorbehalt erklärte N. sein Einverständnis damit, dass das am 24. Dezember 1936 gezeichnete Abkommen die Grundlage für die Verhandlungen bilden solle. Die formellen Bestimmungen dieses Abkommens hätten sich im Allgemeinen bewährt; größere Abänderungswünsche würden von russischer Seite voraussichtlich nicht gestellt werden. Ich habe meinerseits eine etwa gleichlautende Erklärung abgegeben. 1 Die Aufzeichnung wurde am 29.7.1937 durch von Spindler (Reichswirtschaftsministerium) vertraulich an Schnurre (AA) und an Schefold (Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft) geschickt.
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Nr. 79
28. 7. 1937
Einigkeit bestand ferner darüber, dass der Umfang des Warenaustausches zwischen Deutschland und Russland der Bedeutung der Volkswirtschaften beider Länder in keiner Weise entspricht, und es das Ziel der Verhandlungen sein müsse, für eine Erweiterung des Warenaustausches zu sorgen. Ich habe N. in diesem Zusammenhang erklärt, dass nach meiner Auffassung die bedauerliche Schrumpfung des Warenverkehrs trotz der vorhandenen Bereitschaft Deutschlands, russische Rohstoffe in weit größerem Umfange aufzunehmen, darauf zurückgeführt werden müsse, dass das russische Bestellprogramm in der Hauptsache nach militärpolitischen Gesichtspunkten aufgestellt worden ist. N. gab dies zu. Ich habe daraufhin gebeten, das russische Bestellprogramm für 1938 zu *entmilitarisieren und entpolitisieren*2, damit eine der wesentlichsten Hemmungen in dem Ausbau der gegenseitigen Handelsbeziehungen von vornherein ausgeschaltet würde. Bei der Fülle der von der deutschen Industrie hergestellten hochqualifizierten Waren, die Russland zu produzieren nicht in der Lage sei, müsse es für die Russische Regierung doch ein Leichtes sein, ein entsprechendes Bestellprogramm zu entwickeln, wobei die russischen Bedürfnisse für die Aufrüstung zweckmäßigerweise in anderen Ländern, z. B. in Frankreich zur Bestellung kommen sollten und dafür andere bisher aus Frankreich bezogene Waren in Deutschland bestellt werden könnten. N. sagte zu, das in seinen Kräften Liegende zu tun, um diese Vorschläge in Moskau zur Billigung zu bringen. Er wird von Moskau ein solches Bestellprogramm für das Jahr 1938, vielleicht auch darüber hinaus, anfordern. N. erklärte sodann, dass er während einer vor kurzem zum Abschluss gekommenen Studienreise durch Deutschland Gelegenheit gehabt habe, mit den maßgebenden, am Russland-Geschäft interessierten Industriefirmen zu sprechen. Von dieser Seite sei ihm der Gedanke nahegelegt worden, die Ausweitung des deutschrussischen Warenverkehrs dadurch zu erleichtern, dass nach dem Vorbild früherer Abmachungen Deutschland einen größeren Warenkredit, etwa auf 5 Jahre, einräume. Ich habe daraufhin erwidert, dass mich dieser Vorschlag deshalb überrasche, weil nach allen, auch von russischer Seite, verbreiteten Nachrichten die finanzielle Lage Russlands so gut sei, dass Russland ausländische Kredite nicht benötige. N. erklärte daraufhin, dass dies richtig sei. Auf Grund der günstigen Finanzlage habe Russland den dritten 5-Jahresplan aufgestellt, den es ausschließlich mit eigenen Mitteln durchführen werde. Jede Beschleunigung an der Industrialisierung Russlands, die über das Ziel des dritten 5-Jahresplans hinaus mit ausländischen Krediten erzielt werden könne, sei der Russischen Regierung selbstverständlich angenehm. Aus dieser Erwägung heraus habe er die Anregung der deutschen Industriekreise gerne aufgenommen. Ich habe erwidert, dass es sich bei dieser Anregung um eine grundsätzliche Frage handele, die ich der Entscheidung des Herrn Präsidenten vorbehalten müsse. Eine Kreditgewährung in der alten Form schien mir aber mit Rücksicht auf die deutsche Devisenlage indiskutabel, wenn nicht von russischer Seite ein Entgegenkommen in der Weise gewährt würde, dass für die Jahre 1938 und 1939 größere Lieferverpflichtungen in uns erwünschten Rohstoffen eingegangen würden. [Spitta] PA AA, R 104379, o. P., 4 Bl. 2
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Der Text ist unterstrichen.
29. 7. 1937 Nr. 80 Nr. 80 Aufzeichnung von Unterredungen des Rates der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Astachov Nr. 80 29. 7. 1937 29. 7. 1937 GEHEIM Tagebuch G. Astachovs Nr. 207/s1 Berlin, 29. Juli 1937 24. Juli. Ich war im Auftrag des Bevollmächtigten Vertreters2 bei Boltze, den ich um seine Ansicht zu den weiteren Besuchen bat, die der Bevollmächtigte Vertreter zu absolvieren hätte. Boltze verwies darauf, dass im Ministerium gegenwärtig Weizsäcker die ranghöchste Person sei (Neurath und Mackensen befänden sich im Urlaub) und ihm müsse als dem Leiter des Ausamtes ein Besuch abgestattet werden. Danach folgten Gaus und von Bismarck – sie würden jedoch nicht vor dem 8. August zurückkehren. Vielleicht wäre es angebracht, Schliep aufzusuchen, der sich speziell mit unseren Angelegenheiten befasse. Was die Minister betreffe, so wären fast alle auf Reisen, deshalb müsste man sich bis zum Beginn der Saison mit der Versendung von Visitenkarten begnügen. Eine Visitenkarte oder ein knappes Schreiben könnte vielleicht an Meissner anstelle eines Gegenbesuchs geschickt werden. 28. Juli. Da Boltze während meines Gesprächs mit ihm am 24. Juli über die Besuche, die der Bevollmächtigte Vertreter abzustatten hätte, daran erinnerte, dass es wünschenswert wäre, wenn ich von Twardowski besuchen könnte, verständigte ich mich darüber mit letzterem und besuchte ihn am 28. Juli in seinem Dienstgebäude in der Kronenstraße (wo sich die sogenannte Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes befindet). Twardowski war sehr zuvorkommend, und wir sprachen eine halbe Stunde. Das Gespräch drehte sich um die Tätigkeit der „Kulturabteilung“, die Twardowski mit der VOKS verglich; er unterstrich jedoch, dass ein sehr großer Teil seiner Arbeit darin bestehe, die sich im Ausland befindlichen Deutschen zu betreuen (d. h. überall in Europa, aber auch in Afrika und in Amerika. Über die in der UdSSR schwieg er sich verständlicherweise aus). Er betreut sie aber in der Hauptsache mit einer soliden, wissenschaftlich fundierten Kulturarbeit. Die Propaganda, und insbesondere die Radiopropaganda, sei Sache des Propagandaministeriums. Außerdem gebe es viel mit der Verbreitung der deutschen Sprache, mit der Beaufsichtigung der Auswahl der Unterrichtsmaterialien und der Arbeit mit den ausländischen Studenten, die nach Deutschland zum Studium kämen, zu tun. Den Zustand der Kulturbeziehungen zwischen Deutschland und der UdSSR betrachtet Twardowski ohne jeglichen Optimismus. Die Beziehungen, die es einmal gegeben habe, seien bis aufs Äußerste geschrumpft. Übrig geblieben sei ein bescheidener Bücheraustausch, der über Leipzig erfolge. Es existiere die „Osteuropagesellschaft“ unter dem Vorsitz von Curtius. An dieser Gesellschaft beteiligten sich übrigens Twardowski selbst sowie einige andere Deutsche, die früher in der Sow1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Konstantin Konstantinovič Jurenev.
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Nr. 81
30. 7. 1937
jetunion gearbeitet haben. Es würden Versammlungen durchgeführt und Vorträge gehalten – doch dies alles geschehe in einem geschlossenen Rahmen, in der Presse erscheine dazu nichts. Wissenschaftsverbindungen gebe es nur, wie er sich ausdrückte, auf der Ebene persönlicher Beziehungen, **„die nicht verwehrt werden könnten“.**3 Eine Belebung der Kulturbeziehungen hält er ohne eine Verbesserung der politischen Beziehungen für unmöglich. In diesem Zusammenhang übte er ein wenig Kritik an Gen. Suric *für dessen angeblich jüngst gezeigten Optimismus*.4 Zum Abschluss des Gesprächs sprach Twardowski in recht allgemeinen Formulierungen über seine guten Gefühle und über seine Bereitschaft zur tatkräftigen Unterstützung. G. Astachov Vermerk mit rotem Farbstift: MM. Oben links von der Mitte befindet sich Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2825 vom 31.7.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. 7 an Gen. Litvinov, 1 zu den Akten. 29.7.37. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 43, l. 74–75. Original.
5
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Nr. 81 Aufzeichnung der Unterredung des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Jurenev mit dem Leiter der Politischen Abteilung im AA Freiherr von Weizsäcker Nr. 81 30. 7. 1937 30. 7. 1937 GEHEIM Expl. 1 Ausg.-Nr. 215/s1 Berlin, 30. Juli 1937 Tagebuch des Bevollmächtigten Vertreters der UdSSR in Deutschland K.K. Jurenev (vom 29. bis 31. Juli 1937) [...]2 4) Weizsäcker war bei mir.3 Er begann sofort über die spanischen Angelegenheiten zu sprechen. Er beklagte sich wegen unserer Unnachgiebigkeit in der Frage 3 4 1 2
Der Text ist mit Tinte geschrieben. Der Text wurde von Litvinov am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen.
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Ausgelassen sind die Aufzeichnungen der Unterredungen mit diplomatischen Vertretern einer Reihe von Staaten im Rahmen protokollarischer Besuche vom 29. bis 30.7. (l. 83–86). 3 Am 30.7.1937 stattete Weizsäcker Jurenev den Gegenbesuch ab. Zur protokollarischen Visite Jurenevs bei von Weizsäcker vgl. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 43, l. 70. Zum Abschluss des am 28.7. stattgefundenen Gesprächs, bei dem es um die japanisch-chinesischen Beziehungen ging, war die Unzufriedenheit der deutschen Regierung mit der Entscheidung Moskaus zum Ausdruck gebracht worden, fünf deutsche Konsulate in der UdSSR zu schließen. Die Aufzeichnung Weizsäckers dazu in: ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 498, S. 1032.
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30. 7. 1937 Nr. 81 „der kriegführenden Seiten“.4 Er sagte, wir behinderten die Arbeit der Mächte, die die „Nichteinmischung“ und die Beendigung des Krieges zum Ziel habe. Was Deutschland anbelange, so wünsche es nur eins – sich so schnell wie möglich aus den spanischen Angelegenheiten zurückzuziehen, an denen in erster Linie England, Italien und Frankreich interessiert wären. Ich bezweifelte die Eile Deutschlands und äußerte mich ironisch zu den gegen uns erhobenen Vorwürfen, wir würden die Organisierung der Nichteinmischung behindern. Weizsäcker sagte übrigens, dass Italien ein größeres Interesse an Spanien habe. Dazu bemerkte ich, dass in diesem Land die Achse Rom-Berlin aktiv funktioniere, wobei es zwischen den Partnern, offen gesagt, in Angelegenheiten der europäischen Politik kein großes gegenseitiges Vertrauen gebe. *Darauf antwortete mir Weizsäcker, dass es noch geringeres gegenseitiges Vertrauen bei der Achse „Berlin-Moskau“ gebe. Lachend sagte ich, dass es eine solche Achse nicht gebe, sondern es gebe ganz anormale Beziehungen, die sich nicht auf unsere Initiative so entwickelt hätten. In seiner Antwort drückte Weizsäcker sein Bedauern über deren jetzigen Zustand aus und fragte, wie ich den gegenwärtigen Ton der deutschen Presse uns gegenüber einschätzen würde. Ich sagte, dass er sich im Vergleich zu dem, wie er noch unlängst gewesen sei, etwas verbessert hätte, dass er aber natürlich eindeutig unbefriedigend sei. In seiner Entgegnung erklärte Weizsäcker, wir könnten sicher sein, dass „sich die Vergangenheit nicht wiederholen wird“ (mit Vergangenheit meinte er die Kampagne der offenen Feindschaft uns gegenüber). Mein Gesprächspartner hatte generell den Eindruck, dass sich seit meiner Ankunft die allgemeine Atmosphäre in unseren Beziehungen etwas verbessert hätte. Ich antwortete, die Zukunft werde zeigen, inwiefern seine optimistische Einschätzung zutreffe.*5 Dem fügte ich hinzu, dass wir bekanntlich Befürworter von normalen Beziehungen mit Deutschland und nicht gegen gute Beziehungen seien. Dazu wäre es jedoch erforderlich, dass die deutsche Regierung von der *Erkenntnis der Notwendigkeit durchdrungen wäre, ihre momentane Politik uns gegenüber einer konkreten Überprüfung zu unterziehen. Weizsäcker sagte, dass das Auswärtige Amt jedenfalls Befürworter einer Verbesserung der Beziehungen sei und bleibe.*6 Bemerkenswert ist die Mitteilung Weizsäckers, dass die Franzosen seit zwei Wochen große Mengen an Waffen, Munition usw. nach Spanien verschiffen. Die deutsche Regierung habe dazu exakte Kenntnisse, veröffentliche diese jedoch nicht, da sie die Beziehungen zu Frankreich nicht verschärfen wolle. [...]7 K. Jurenev
4 Gemeint ist die Erklärung Majskijs am 26.7.1937 in der Sitzung der Unterkommission des Londoner Komitees für Nichteimischung in den Bürgerkrieg in Spanien, der sich dagegen aussprach, Franco das Recht als kriegführende Seite anzuerkennen. Vgl. DVP, Bd. XX, Dok. 243, S. 382; „Zasedanie podkommissii Londonskogo komiteta“ (Die Sitzung der Unterkommission des Londoner Komitees). In: Izvestija vom 28. Juli 1937, S. 2. 5 Der Text wurde von Litvinov am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. 6 Der Text wurde von Litvinov am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. 7 Ausgelassen sind die Aufzeichnungen des Gesprächs mit Nepomnjaščij am 30.7. und der Gespräche mit diplomatischen Vertretern einer Reihe von Staaten im Rahmen protokollarischer Besuche Jurenevs am 31.7. (l. 87–89).
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Nr. 82
31. 7. 1937
Vermerk mit blauem Farbstift: MM. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2892 vom 4.8.1937. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 43, l. 83–89, hier l. 86–87. Original. Veröffentlicht in: DVP, Bd. XX, Dok. 273, S. 429–430.8
8
Nr. 82 Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Jurenev an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov Nr. 82 31. 7. 1937 31. 7. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 2 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Ausg.-Nr. 217/s1 Berlin, 31. Juli 1937 An den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Gen. M.M. LITVINOV Sehr verehrter Maksim Maksimovič, es scheint sich zu ergeben, dass die Vorhersagen des Berliner diplomatischen Corps hinsichtlich einer bevorstehenden Verbesserung unserer Beziehungen *mit Deutschland einzutreten beginnen*2. Wie Sie aus meinem Tagebuch vom 7. Juli wissen, hat *Neurath*3 bei meinem ersten Treffen mit ihm die Vermutung ausgesprochen, dass „sich die Beziehungen zwischen unseren Ländern unerwartet verbessern können“.4 Allerdings fügte der Minister, nachdem er offenbar gemerkt hatte, dass er es mit dem Optimismus etwas übertrieben hatte, sofort hinzu, dass er davon selbstverständlich nicht fest überzeugt sei. Dennoch hatte er eine optimistische Prognose abgegeben. Neuraths Erklärung erfolgte vor dem Hintergrund einer gewissen Mäßigung im Ton der deutschen Presse uns gegenüber und des Verzichts auf frühere wütende Kampagnen. Meine Reise nach Berchtesgaden zu Hitler, **die für uns keine Diskriminierung darstellte, wurde sowohl in Deutschland als auch im Ausland als *eine ziemliche Sensation aufgenommen*5. 8 Die Veröffentlichung in DVP erfolgte ohne Legende und nach eigenen Redaktionsrichtlinien. 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen, am linken Seitenrand angestrichen und mit zwei Fragezeichen versehen. Die Hervorhebungen hier und im Folgenden stammen von Potemkin. 3 Der Name ist mit blauem Farbstift unterstrichen. 4 Vgl. Dok. 62. 5 Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen.
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31. 7. 1937 Nr. 82 *Die Sensation*6 bestand sowohl in meiner Reise an sich als auch in *meiner und Hitlers Rede*7, die bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens8 ausgetauscht wurden. Die Feststellung Hitlers, dass es notwendig sei, normale Beziehungen zu uns *herzustellen*9, wurde ebenfalls als Sensation aufgenommen. Seine knappe Ausführung zur Nichteinmischung fand in politischen Kreisen bedeutend geringere Aufmerksamkeit als sein Einverständnis mit mir, dass es notwendig sei, normale Beziehungen zwischen unseren Ländern herzustellen.**10 Die hiesige Presse brachte die Mitteilung über unsere Reden an exponierter Stelle in großformatigen Überschriften. Einige meiner Kollegen erinnern in Gesprächen mit mir daran, dass *1934 die Reden des Gen. Suric und Hitlers*11 bei der Überreichung des Beglaubigungsschreiben durch ersteren in der Presse nicht veröffentlicht wurden. Der Umstand verdient hervorgehoben zu werden, dass der dem „Notenaustausch“12 gewidmete Artikel der „Izvestija“ vom 23. Juli in der hiesigen Presse hinlänglich exakt und korrekt dargelegt worden ist. Dabei verzichteten die Zeitungen auf eine jegliche Polemik mit den „Izvestija“. Mein gestriges Gespräch mit dem Leiter der Politischen Abteilung des Auswärtigen Amtes *Herrn Weizsäcker verdient*13 angesichts des oben Dargelegten eine gewisse Beachtung.14 Nachdem er die Initiative zur Erörterung unserer Beziehungen ergriffen hatte, äußerte Weizsäcker sein Bedauern wegen ihrer Anormalität und sprach die Hoffnung aus, dass „sich die Vergangenheit nicht wiederholt“ (unter Vergangenheit war die Kampagne der offenen Feindschaft uns gegenüber gemeint) und dass *meine Ankunft sinnbildlich für eine neue Ära unserer Beziehungen stehe*15 usw. Es steht außer Frage, dass die Äußerung eines derart erfahrenen und klugen Beamten, wie es Weizsäcker ist, keineswegs zufälliger Natur ist. Er handelte auf Weisung seiner Vorgesetzten und selbstverständlich nicht ohne das Einverständnis Hitlers. Es erhebt sich natürlich die Frage, worauf dies alles zurückzuführen ist; vielleicht beabsichtigt Hitler, durch eine Verbesserung der Beziehungen mit uns solche Länder wie Frankreich und England zu erpressen, oder gibt es doch den „aufrichtigen“ Wunsch, die Beziehungen zu uns zu verbessern, ohne dabei allzu weit zu gehen? Ich verleugne nicht die Möglichkeit erpresserischer Absichten Hitlers, denke jedoch, dass dennoch nicht darin der Sinn seines Wunsches besteht, mit „uns die Beziehungen zu normalisieren“. Mir scheint, der Grund dafür besteht hauptsächlich darin, dass Deutschland, das erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten durchmacht, wofür als bester Beweis das jüngste Gesetz der Regierung über 6 7 8
Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Vgl. Vručenie veritel’nych gramot tov. Jurenevym (Die Überreichung der Beglaubigungsschreiben durch Genossen Jurenev). In: Pravda vom 23. Juli 1937, S. 3. 9 Das Wort ist mit blauem Farbstift unterstrichen. 10 Der Text der zwei Absätze ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. 11 Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. 12 Vgl. VIC [Autor]: „Obmen rečami. Meždunarodnoe obozrenie“ (Redenaustausch. Internationale Umschau). In: Izvestija vom 23. Juli 1937, S. 1. 13 Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. 14 Vgl. Dok. 81. 15 Der Text ist mit blauem Farbstift angestrichen und an den Seitenrändern mit dem Zeichen V versehen.
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Nr. 82
31. 7. 1937
die Ablieferung von Brotgetreide durch die Bauern16 zu nennen ist, auf das Äußerste an unseren Rohstoffen interessiert ist (Eisenerze, Holz, Leinen, Brotgetreide usw.) und *eine mehr oder weniger ruhige und günstige politische Atmosphäre schaffen will, um zu einem Geschäftsabschluss auf wirtschaftlichem Gebiet mit uns zu kommen. Ich habe keine Fakten vorzuweisen, die diese Annahme erhärten könnten*17, mir scheint jedoch, dass sie richtig ist. Ich bin der Ansicht, dass wir unbedingt die frühere taktische Linie fortsetzen müssen, eine Verbesserung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und uns auf das engste mit einer tatsächlichen Normalisierung der politischen Beziehungen (Presse, Reden der Minister usw.) zu verknüpfen. *Eventuelle* 18 Hinweise von Industriellen und Vertretern der an unseren Rohstoffen interessierten Behörden Deutschlands, dass eine Verbesserung der „allgemeinen Atmosphäre“ bereits eingetreten sei, sollten entschieden als nicht überzeugend erklärt werden. Der im September in Nürnberg bevorstehende Parteitag der Nat[ional]sozialistischen Partei, auf dem wie immer *Hitler eine Programmrede halten wird, wird zeigen, wie ernst *es dem nat[ional]-soz[ialistischen] Deutschland damit ist, seine „Signale“ umzustellen*19. Einige der hiesigen Diplomaten sind davon überzeugt, dass es in der Rede Hitlers keine Ausfälle gegen uns geben wird. Warten wir es ab. Jedenfalls könnte eine gewisse Verbesserung der Beziehungen nicht nur Deutschland, sondern auch uns von Nutzen sein.20 Mit kameradschaftlichem Gruß K. Jurenev Vermerk mit Bleistift: an Gen. Potemkin. Oben links befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 3824 vom 3.8.1937, er ist mit blauem Farbstift durchgestrichen. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Litvinov, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. an die 2. Westabteilung des NKID, das 5. zu den Akten. AVP RF, f. 011, op. 1, p. 3, d. 23, l. 112–110. Kopie. Veröffentlicht in: DVP, Bd. XX, Dok. 276, S. 433–43521.
16 Vgl. „Verordnung zur Sicherstellung des Brotgetreidebedarfs“ vom 22.7.1937. In: Reichsgesetzblatt 1937, Teil I, S. 829–830. 17 Der Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. 18 Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. 19 Der Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen, die Worte seit „es“ sind zusätzlich unterstrichen. 20 Zur Antwort Potemkins an Jurenev vgl. Dok. 86. 21 Die Veröffentlichung in DVP erfolgte ohne Legende und nach eigenen Redaktionsrichtlinien.
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31. 7. 1937 Nr. 83 Nr. 83 Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Jurenev an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov Nr. 83 31. 7. 1937 31. 7. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 1 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 216/s1 Berlin, 31. Juli 1937 An den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten *Gen. M.M. LITVINOV*2 Sehr verehrter Maksim Maksimovič, einige Worte zu meinen Kontakten zu Vertretern der hiesigen Regierung und zur Geschäftswelt. *Mir scheint, dass es von einem gewissen Nutzen wäre, mit Neurath mehr oder weniger normale Kontakte zu pflegen, d. h. ihn vielleicht alle anderthalb bis zwei Monate nicht wegen irgendwelcher politischer Gespräche aufzusuchen, sondern gewissermaßen aus protokollarischen Erwägungen.*3 Eine Visite bei Göring ist vorerst nicht aktuell. Er ist nicht in Berlin und kehrt sobald nicht hierher zurück. Mein Apparat verschickte Visitenkarten an die Minister, die alle ohne Ausnahme darauf geantwortet haben. *Nun ein paar Worte zu den Kontakten zur Geschäftswelt. Gen. Nepomnjaščij plant, für Vertreter der Geschäftswelt bei sich ein Essen zu geben, an dem auch ich teilnehme. Ich persönlich meine, dass für solch einen Schritt die Zeit noch nicht reif ist. Dies könnte als Annäherungsversuch unsererseits gewertet werden. Ich würde gern Ihre Meinung dazu erfahren.*4 Auf jeden Fall unternehme ich solch einen Schritt nur mit Ihrem vorherigen Einverständnis. Mit kameradschaftlichem Gruß K. Jurenev Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2891 vom 4.8.1937. Am Endes des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Litvinov, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. an die 2. Westabteilung, das 5. zu den Akten. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 43, l. 82. Original. 1 2 3 4
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der Text ist mit Tinte unterstrichen. Der Absatz wurde von Litvinov am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. Der Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen.
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Nr. 84
2. 8. 1937
Nr. 84 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem deutschen Geschäftsträger in Moskau von Tippelskirch Nr. 84 2. 8. 1937 2. 8. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 1 AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS Nr. 1225 [2.8.1937] GESPRÄCH MIT DEM GESCHÄFTSTRÄGER DEUTSCHLANDS TIPPELSKIRCH, 2. AUGUST 1937 Tippelskirch eröffnete das Gespräch mit der Frage, ob ich ihm nicht genauere Informationen über die Gründe für die Verhaftung der Mitarbeiterin des deutschen Generalkonsulats in Kiev, Gerndt, geben könne.1 Auf meine Antwort, dass die Ermittlungen im Fall der Gerndt andauern würden und ich bis zu deren Abschluss keine Möglichkeit hätte, der Deutschen Botschaft den genauen Wortlaut der gegen die Gerndt vorgebrachte Anschuldigung mitzuteilen, unternahm Tippelskirch den Versuch nachzuweisen, dass die Botschaft das Recht habe, über die durchgeführte Ermittlung informiert zu werden und bereits jetzt klare Beweise für die Schuld der Gerndt anzufordern. Als ich diese Darlegungen Tippelskirchs zurückwies, begnügte er sich mit der Erklärung, dass er seine Regierung über die von mir erhaltene Antwort auf seine Anfrage informieren werde. Als er sich erkundigte, ob dem Vertreter des Generalkonsulats in Kiev die Genehmigung erteilt werden könnte, die Gerndt zu besuchen, gab ich ihm eine ablehnende Antwort. Dem fügte ich sogleich hinzu, dass die von der Botschaft erbetene Geldübergabe an die Gerndt in einer Summe von bis zu 150 Rubel bewilligt worden sei. Danach händigte mir Tippelskirch eine neue Liste von in den letzten Tagen verhafteten deutschen Staatsangehörigen aus. Zugleich erkundigte er sich, ob zu dem von der Deutschen Botschaft eingereichten Gesuch eine Entscheidung getroffen worden sei, alle Personen deutscher Staatsbürgerschaft, die sich in der UdSSR in Haft befänden, schrittweise zu entlassen. Zu diesem Teil des Gesprächs bat ich Gen. Antonov in mein Büro. Ich antwortete Tippelskirch, dass uns die Haltung der zuständigen Organe zu dem von ihm angesprochenen Gesuch der Deutschen Botschaft noch nicht bekannt sei. *Dazu stellte ich klar, dass seitens des NKID niemals eine Zusicherung gegeben worden sei, die Ausweisung aller zu verhaftenden2 deutschen Staatsangehörigen aus der UdSSR zu unterstützen. Dazu bemerkte Tippelskirch, dass Gen. Litvinov im Gespräch mit Graf Schulenburg eine solche Zusicherung für die deutschen Staatsangehörigen gegeben habe, die im November 1936 und etwas später verhaftet worden seien.3 Dies beträfe mehr als 60 Personen. Deren Liste sei seinerzeit dem Narkomindel übergeben worden. Schulenburg hätte seinerseits die Unterstützung der 1 2 3
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Vgl. Dok. 70, Anm. 1. So im Dokument. Vgl. Dok. 17.
2. 8. 1937 Nr. 84 deutschen Regierung für die Freilassung einer ungefähr gleichen Anzahl sowjetischer Staatsbürger durch General Franco zugesichert, die zu den Besatzungen der von den spanischen Aufständischen aufgebrachten sowjetischen Schiffe gehören.*4 Auf meinen Einwand, dass es in dem Gespräch des Gen. Litvinov mit Graf Schulenburg kein formales Junktim zwischen der Freilassung der sowjetischen Seeleute und der Ausweisung der inhaftierten deutschen Staatsangehörigen gegeben hätte und man nichtsdestotrotz von einer zahlenmäßigen Gleichheit der **Personen**5 der einen oder anderen Kategorie sprechen könne, *antwortete Tippelskirch, dass er angesichts einer gewissen Unklarheit meiner Interpretation des oben erwähnten Gesprächs Litvinovs mit Schulenburg gern mit Gen. Litvinov persönlich sprechen wolle. Dazu bemerkte ich, dass der Geschäftsträger, wenn er dies wünsche, selbstverständlich zu einem beliebigen Zeitpunkt um ein Treffen mit Gen. Litvinov nachsuchen könne. Jedoch wäre es meiner Ansicht nach günstiger, dem deutschen Botschafter selbst sofort nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub die Möglichkeit zu geben, falls er dies für erforderlich erachte, in einem persönlichen Gespräch mit Gen. Litvinov die Frage zu erörtern, die jetzt den Geschäftsträger interessiere.*6 Danach erkundigte sich Tippelskirch, ob wir bereits Mitteilungen über die Freilassung eines Teils der von General Franco festgesetzten sowjetischen Seeleute7 erhalten hätten. *Auf meine negative Antwort zeigte sich Tippelskirch verwundert, da er, seinen Worten zufolge, aus zuverlässiger Quelle die Information über die Freilassung einer ersten Gruppe sowjetischer Seeleute erhalten hätte. Dazu trug ich erneut meine Zweifel vor, indem ich daran erinnerte, dass uns erst vor wenigen Tagen*8 in Valencia die abschließend überprüfte Liste der Personen mitgeteilt worden sei, die zur Besatzung des einen der von Franco aufgebrachten Schiffe gehören. Tippelskirch schlug vor, dass wir diese Liste auch der Deutschen Botschaft übergeben sollten. Auf meine Bemerkung, dass wir die fragliche Liste bereits **in**9 Valencia dem Roten Kreuz übergeben hätten, sagte Tippelskirch, dass er nicht auf seinem Vorschlag beharre. Danach erklärte Tippelskirch in einem höchst offiziellen und sogar ziemlich feierlichem Ton, wobei er in sein Notizbuch schaute, das offenbar irgendeine Aufzeichnung enthielt, dass anlässlich der Überreichung des Beglaubigungsschreibens durch Gen. Jurenev an Hitler10 in der „Izvestija“ ein Artikel erschienen sei, der eine nicht korrekte Wiedergabe der Rede enthalte, die der Reichskanzler bei diesem Zeremoniell gehalten habe.11 Die deutsche Regierung konstatiere diese Tatsache und 4 5 6 7 8 9 10 11
Der Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. Das Wort ist über die Zeile geschrieben. Der Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. Vgl. Dok. 36. Der Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. Das Wort ist über die Zeile geschrieben. Am 21.7.1937. Vgl. Dok. 71; Pravda vom 23. Juli 1937, S. 3. Vgl. VIC [Autor]: „Obmen rečami. Meždunarodnoe obozrenie“ (Der Redenaustausch. Internationale Umschau). In: Izvestija vom 23. Juli 1937, S. 1. In dem Artikel hieß es unter anderem: „Jedoch ruft der Umstand Verwunderung hervor, dass nach Auffassung des Herrn Hitler die Bewahrung von normalen Beziehungen zwischen Deutschland und der UdSSR nur der Sache des Friedens dienen kann. Offenbar würde es der Verfasser der Rede vorziehen, wenn es keine Beziehungen zwischen der UdSSR und Deutschland gebe, da er ihre Existenz nur bedingt akzeptiert.“
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Nr. 84
2. 8. 1937
erachte es als nicht angebracht, eine Antwort auf den erwähnten Artikel der sowjetischen Regierung zu geben. Ich bemerkte, dass der vom Geschäftsträger erwähnte Artikel in der „Izvestija“ keinerlei Frage an die Regierung Deutschlands herangetragen habe. Wenn es denn irgendeinen Klärungsbedarf seitens der Regierung Deutschlands gegeben hätte, so hätten wir dafür den normalen Weg gewählt, indem wir die betreffende Frage in Moskau der Deutschen Botschaft oder in Berlin dem Auswärtigen Amt über unsere Bevollmächtigte Vertretung vorgelegt hätten. Der von dem Geschäftsträger erwähnte Artikel in der „Izvestija“ sei ein Beitrag publizistischer, und nicht diplomatischer Art, und deshalb sei mir unverständlich, von welcher Art Antwort des Auswärtigen Amtes auf diesen Artikel Herr Tippelskirch spreche. Tippelskirch fand nichts, womit er auf meine Bemerkung hätte antworten können. Sie hatte ihn offensichtlich in eine gewisse Schwierigkeit versetzt. Er hüllte sich eine Weile in Schweigen. Danach wiederholte er Wort für Wort, wie eine einstudierte Lektion, die mir bereits vorgetragene Erklärung. Der letzte Teil des Gesprächs war den beiden in der UdSSR befindlichen deutschen Korrespondenten gewidmet. Tippelskirch bat darum, Klarheit in die Situation des Journalisten Schüle zu bringen, der am 20. Juli um die Verlängerung seines Aufenthaltes in der UdSSR nachgesucht habe, worauf ihm geantwortet worden sei, dass diese Frage spätestens am 15. August entschieden werde. Tippelskirch äußerte den Wunsch, dass Schüle so schnell wie möglich eine Antwort gegeben werde. Er kam dann sogleich auf die bevorstehende Abreise von Just zu sprechen und brachte seine Entrüstung darüber zum Ausdruck, dass die sowjetischen Behörden Just nahegelegt hätten, spätestens am 15. August abzureisen, und sie damit faktisch einen Journalisten aus der UdSSR auswiesen, der 11 Jahre bei uns geweilt hätte. Er veränderte jedoch sogleich seinen [Ton] und endete mit der an mich gerichteten Bitte, dass ich, wenn es möglich wäre, meinen persönlichen Einfluss geltend mache, um die Frist für Just bis zum 1. September zu verlängern. Potemkin Vermerk mit Bleistift: MM. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2877 vom 3.8.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 E[xemplare]. Das 1. [Exemplar] ins Archiv, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. an die II. Westabteilung, das 5. nach Berlin. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 44, l. 57–60. Kopie.
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3. 8. 1937 Nr. 85 Nr. 85 Schreiben des deutschen Geschäftsträgers in Moskau von Tippelskirch an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg [z. Zt. in Berlin] Nr. 85 3. 8. 1937 3. 8. 1937 Moskau, den 3. August 1937 Sehr verehrter Herr Botschafter! Heute habe ich Ihnen leider nur unangenehme Dinge zu berichten. In der Nacht vom 30. zum 31. Juli ist ein Aktenschrank im Chiffrierzimmer der Botschaft von unbefugter Hand mit einem Nachschlüssel geöffnet worden. Der abgebrochene Schlüssel steckte im Schloss. Es fehlt eine Mappe mit Erlassen und Berichten. Herr Lamla reist heute Abend mit einem eingehenden Bericht über den Sachverhalt nach Berlin. Aufgrund des höchst unangenehmen und bedauerlichen Vorfalles habe ich dem Auswärtigen Amt eine Reihe von Vorschlägen in technischer und personeller Hinsicht unterbreitet. Herr Lamla soll dem Auswärtigen Amt weitere Auskünfte erteilen und zur Besprechung aller Fragen zur Verfügung stehen. Es sind auch noch weitere Vernehmungen erforderlich, um die wir das Auswärtige Amt gebeten haben. Unsere bisherigen Feststellungen haben nicht zur Entdeckung des Täters geführt. Herr Lamla beabsichtigt am Sonnabend, den 7. August hierher zurückzureisen, vorausgesetzt, dass er bis dahin fertig wird. Sollte er länger bleiben müssen, so wird er sich bei Ihnen melden. Meine fortgesetzten und nachdrücklichen Verhandlungen mit Potemkin über den Haftfall der Frau Gerndt1 und über die Fortsetzung der Ausweisungsaktion sind bisher ohne Ergebnis geblieben. Ich beabsichtige nun, mich an Litwinow persönlich zu wenden. Hoffentlich gelingt es mir, Litwinow noch zu sprechen bevor er auf Urlaub und danach nach Genf fährt. Die Verhaftungen von Reichsdeutschen haben sich in den letzten Tagen wieder stark vermehrt. Die Gesamtziffer übersteigt bereits 140. Ein Ende ist nicht abzusehen. *Wir gehen jetzt dazu über, zuverlässige Reichsdeutsche aufzufordern, nach Deutschland zurückzukehren.*2 Auch die innerpolitische Lage in der Sowjetunion ist unverändert angespannt. Insbesondere geht die Anti-Spionage-Propaganda und die Hetze gegen die Ausländer, vor allem gegen die Deutschen, in stärkstem Maße weiter. Die Atmosphäre ist dementsprechend höchst unerquicklich. Entschuldigen Sie, dass ich Sie während Ihres Urlaubs mit diesen unerfreulichen Dingen behelligen muss. Ich hielt es jedoch für notwendig, Sie zu unterrichten, bevor Sie in Berlin im Auswärtigen Amt vorsprechen. Meine Frau hat sich über die freundliche Postkarte aus Gstad3 sehr gefreut. Mit herzlichsten Grüßen und allen guten Wünschen bin ich, sehr verehrter Herr Botschafter, Heil Hitler! wie stets Ihr Ihnen aufrichtig ergebener von Tippelskirch 1 2 3
Vgl. Dok. 70, 76, 84. Der Text ist am Seitenrand mit einem Ausrufezeichen versehen. So im Dokument; möglich Gstaad oder Gstadt.
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Nr. 86
4. 8. 1937
Eigenhändige Unterschrift. Auf Kopfbogen der Deutschen Botschaft geschrieben. BArch, N 2273/89, o.P., 2 Bl.
Nr. 86 Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Bevollmächtigten Vertreter in Berlin Jurenev Nr. 86 4. 8. 1937 04. 8. 1937 Geheim Expl. Nr. 2 14975 4. August [1937] AN DEN BEVOLLMÄCHTIGTEN VERTRETER DER UdSSR IN DEUTSCHLAND GEN. JURENEV Sehr geehrter Konstantin Konstantinovič, 1. Wie aus den letzten Berichten ersichtlich ist, bemüht sich die deutsche Regierung gegenwärtig darum, den Anschein einer gewissen Verbesserung der sowjetisch-deutschen Beziehungen zu erwecken mit dem klaren Ziel, uns zu desorientieren und andere Länder zu erpressen. Außerdem kommt damit auch das Interesse Deutschlands an unseren Rohstoffen zum Ausdruck. Insbesondere ist die Aufmerksamkeit, die die Deutschen Gen. Nepomnjaščij1 erweisen, nicht nur als Hochstapelei zu betrachten, sondern auch als eine Äußerung ihres natürlichen Wunsches zu werten, sich mit defizitären Rohstoffen einzudecken. *Mir scheint, dass Sie die Situation zu optimistisch einschätzen, wenn man von Tatsachen, wie der etwas unüblichen und dazu vereinfachten Prozedur der Aushändigung des Beglaubigungsschreibens2 und auch der Erklärung des Direktors der Politischen Abteilung des Außenministeriums Weizsäcker ausgeht, dass seit Ihrer Ankunft angeblich ein Fortschritt in den sowjetisch-deutschen Beziehungen eingetreten sei.3 Wir haben keine Veranlassung zu der Ansicht, dass sich die sowjetisch-deutschen Beziehungen in irgendeiner Weise objektiv verbessert hätten. Zugleich sehen wir nicht, dass von deutscher Seite subjektiv das Bestreben an den Tag gelegt worden wäre, sie zu normalisieren.*4 Der in Ihren Einschätzungen durchschimmernde Optimismus steht im Gegensatz zu den Schlussfolgerungen, die Sie selbst in anderen Ihrer Mitteilungen gezogen haben. Sie bemerken selbst zu Recht, dass die Versuche Deutschlands, den Eindruck einer gewissen Verbesserung unserer Beziehungen zu vermitteln, nichts 1 2 3 4
chen.
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Vgl. Dok. 64. Vgl. Dok. 82. Vgl. Dok. 81. Der Absatz wurde von Litvinov am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestri-
7. 8. 1937 Nr. 87 anderes als politische Hochstapelei darstellt und darauf berechnet ist, die uns freundschaftlich gesonnenen Staaten zu desorientieren.5 2. Aus der Aufzeichnung Ihres Gesprächs mit dem türkischen Botschafter6 ist ersichtlich, dass Sie sich zurückhalten, einen wie auch immer gearteten Kontakt zum Doyen des diplomatischen Corps, dem Apostolischen Nuntius *Orsenigo, herzustellen. Ich sehe keine Gründe, die dafür sprächen, an dieser Linie festzuhalten, insbesondere in Deutschland, wo sich die katholische Kirche bekanntermaßen in Opposition zum faschistischen Regime befindet. Seitdem der Nuntius Doyen ist, notifizierten unsere Bevollmächtigen Vertreter ihm gewöhnlich die Beglaubigungsschreiben und pflegten sogar mit ihm Besuche auszutauschen.*7 Mit kameradschaftlichem Gruß Potemkin Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2915 vom 5.8.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 E[xemplare]. Das 1. [Exemplar] an den Adressaten, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. zu den Akten. Vermerk Potemkins mit Bleistift über die Zusendung des 2. Exemplars an M.M. Litvinov: für M.M. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 41, l. 36–37. Kopie.
Nr. 87 Telegramm des deutschen Geschäftsträgers in Moskau von Tippelskirch an das AA Nr. 87 7. 8. 1937 7. 8. 1937 Telegramm (geh. Ch. V.) Moskau, den 7. August 1937, 23.06 Uhr Ankunft: 8. [August], 5.20 Uhr Nr. 168 vom 7.8. Angesichts neuer Verhaftungswelle habe ich heute Litwinow aufgesucht und Folgendes ausgeführt: Trotz seiner Zusicherungen, Komplex Novemberverhaftungen zu regeln, sei seit letzten fünf Ausweisungen Aktion völlig ins Stocken geraten. Darüber hinaus gingen Verhaftungen Reichsdeutscher unentwegt weiter: In den 5 Jurenev schrieb in seiner Antwort vom 7.8.1937 an Potemkin: „Ich denke, dass bei Ihnen der Eindruck, ich würde die Perspektive der sowjetisch-deutschen Beziehungen etwas zu optimistisch einschätzen, dadurch entstanden ist, dass ich auf knapp einer Seite die Fakten konzentriert habe, die von dem bekannten Spiel der Deutschen mit uns zeugen. Meine Schlussfolgerungen laufen, wie Sie aus meinem Brief ersehen können [vgl. Dok. 83] darauf hinaus, dass der Zweck des deutschen Manövers in der Hauptsache in dem Wunsch besteht, günstige Möglichkeiten zu schaffen, um von uns die von Deutschen benötigten Rohstoffe und Aufträge zu bekommen. Ich denke nicht, genau wie auch Sie, dass es um etwas Ernsthaftes geht.“ In: AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 4, l. 136. 6 Mehmet Hamdi Arpağ. 7 Der Text wurde von Litvinov am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen.
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Nr. 87
7. 8. 1937
letzten Monaten seien allein 47 Reichsdeutsche verhaftet worden. Vorgehen innerer Behörden gegen Reichsdeutsche schaffe überaus ernste Lage und starke Beunruhigung und Belastung. Litwinow erwiderte, dass Komplex Novemberverhaftungen erledigt würde. Es werde auch kein Prozess stattfinden. Verwirklichung dieser Zusage würde durch Freilassung sowjetischer Schiffsbesatzung erleichtert und beschleunigt werden. Auf meinen Hinweis auf wiederholte deutsche Demarchen bei Regierung Franco erklärte Litwinow, er könne sich erst nach Erfolg dieser Demarchen erneut an Innenminister wenden. Auf meine nachdrücklichen Vorstellungen wegen der weiteren Verhaftungen erwiderte Litwinow, dass ihm jegliche Handhabe fehle, um innere Behörden von Maßnahmen gegen Reichsdeutsche abzuhalten. Auf mein Drängen, er möge auf die inneren Behörden persönlich Einfluss nehmen, bemerkte Litwinow lediglich, Potemkin würde tun, was ihm möglich sei. Bei dieser Sachlage erscheint es mir zweckmäßig, dass unsrerseits nochmals dringliche *Demarchen in Salamanca*1 erfolgen, und dass Botschafter *Iureniew*2 durch Auswärtiges Amt auf Ernst neuer Verhaftungen hingewiesen wird. Ferner könnte durch Bekanntgabe und entsprechende Behandlung neuer Verhaftungen in unserer und gegebenenfalls auch ausländischer Presse versucht werden, Druck auf Sowjetregierung auszuüben. Vorschlage daher nachstehende Meldung an DNB weiterzugeben und mich zustimmendenfalls gleichzeitig telegrafisch zu ermächtigen, hiesige ausländische Korrespondenten entsprechend zu unterrichten. Für Deutsches Nachrichtenbüro. In den letzten Jahren hat eine neue, offenbar planmäßig durchgeführte Verhaftungswelle eingesetzt gegen in der Sowjetunion wohnhafte deutsche Reichsangehörige, die als Spezialisten, Handwerker, Fachleute und dgl. an verschiedenen Orten tätig waren. Es wurden durch die GPU verhaftet: 14 Reichsdeutsche in Moskau, 9 Leningrad, 3 Kiew, 5 in Nowosibirsk, 2 in Tiflis, 25 in Charkow.3 Mit diesen neuen Verhaftungen erhöht sich die Zahl der in Sowjetunion gefangenen Reichsdeutschen auf rund 200, wobei leider Grund zur Annahme besteht, dass die Gesamtzahl der verhafteten Reichsdeutschen die bekannt gegebenen Fälle noch weit übertrifft. Was die zahlreichen bereits im Herbst vorigen Jahres in Moskau, Leningrad und anderen Orten verhafteten Reichsdeutschen betrifft, so befinden sie sich, abgesehen von 15 Ausgewiesenen, nunmehr schon 9 Monate hinter Gefängnismauern, angeblich in „Untersuchungshaft“, ohne dass auch nur in einem einzigen Fall von den Sowjetbehörden die Besuchserlaubnis für ihre Angehörigen oder Vertreter deutscher amtlicher Stellen erteilt worden wäre. Die neuen, zahlreichen Verhaftungen in der Sowjetunion lebender Reichsdeutscher, die bezeichnenderweise an den verschiedenen Orten fast gleichzeitig vorgenommen wurden, zeigen, dass es sich um eine systematische Aktion handelt. Die große Mehrzahl der Opfer wird rein schematisch in Bausch und Bogen als 1 2 3
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Der Text ist unterstrichen. Der Name ist rot unterstrichen und der gesamte Absatz am Seitenrand rot angestrichen. Die Zahlen wurden unten handschriftlich addiert zu der Zahl 58.
7. 8. 1937 Nr. 88 spionageverdächtig bezeichnet. Angesichts dieser ernsten Sachlage hat die deutsche Botschaft in Moskau nachdrückliche Vorstellungen bei der Sowjetregierung erhoben. Tippelskirch Auf erstem Blatt oben Stempel des AA: Pol V 4687, eing. 8. AUG. 1937, am Seitenrand Verteilerschlüssel. PA AA, R 104400, Bl. E 486100-486101. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 511, S. 1064–1066.
Nr. 88 Verbalnote der Deutschen Botschaft Moskau an das NKID Nr. 88 7. 8. 1937 7. 8. 1937 Moskau, den 7. August 1937 Tgb. I A 8/K. An das Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten in Moskau Verbalnote In ihrer Verbalnote vom 28. Juli 1937 – Tgb. I A 8 Ch1 – hatte die Deutsche Botschaft dem Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten mitgeteilt, dass der Deutsche Generalkonsul in Kiew, Herr Großkopf, im Internationalen Schlafwagen von Kiew nach Moskau am 26. Juli 1937 bei Verlassen des Wagens in Moskau ein Gepäckstück, enthaltend eine Schreibmaschine, vergessen habe, das mit dem Siegel des Deutschen Generalkonsulats in Kiew verschlossen und an die Deutsche Botschaft in Moskau adressiert war. Am Morgen des 26. Juli d. J. hatte sich die Botschaft mit dem Vorsteher des Kiewer Bahnhofs in Moskau in Verbindung gesetzt und gebeten, Nachforschungen nach dem Gepäckstück in die Wege zu leiten. Die Ermittlungen des Bahnhofvorstehers führten zu keinem Ergebnis, da nach seinen Angaben zunächst die Rückkehr des Schlafwagenschaffners am 31. Juli abgewartet werden müsste. Der Beauftragte der Botschaft wandte sich daraufhin am 27. Juli in den Abendstunden an die Kriminalstelle im Kiewer Bahnhof, wo festgestellt werden konnte, dass dort die Ermittlungen nach dem Gepäckstück im Gange sind. Am 3. August 1937 wurde dem Boten der Deutschen Botschaft, der sich auf einem Dienstgang im Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten befand, von der Protokollabteilung mitgeteilt, dass die Schreibmaschine gefunden worden wäre und von der Botschaft abgeholt werden könne. Der Beauftragte der Botschaft, der sich daraufhin sofort ins Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten begab, musste feststellen, dass ihn nicht das ordnungsgemäß verpackte und versiegelte, an die Deutsche Botschaft adressierte Paket, sondern eine uneingepackte Schreibmaschine ausgefolgt werden sollte. 1
In der Akte nicht vorhanden.
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Nr. 88
7. 8. 1937
Als der Beauftragte der Botschaft daraufhin die Annahme der Schreibmaschine ablehnte, wurde ihm von einer herbeigerufenen Angestellten der Protokollabteilung erklärt, dass die Organe der Miliz die in den Zügen zurückgelassenen Gepäckstücke öffnen, um den Empfänger zu ermitteln. Im vorliegenden Falle wäre es nur durch eine bei der Schreibmaschine vorgefundene Zeitung möglich gewesen, festzustellen, dass das Gepäckstück für die Deutsche Botschaft bestimmt war. Die Deutsche Botschaft muss demgegenüber darauf hinweisen, dass das Gepäckstück entsprechend den in dem Notenwechsel der Deutschen Botschaft und dem Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten vom 14. Mai 1926 festgelegten Bedingungen über den Verkehr zwischen der Deutschen Botschaft und den Deutschen Konsularbehörden in der Sowjetunion als amtliche Post gekennzeichnet war. Insbesondere war auf der Umhüllung als Empfänger deutlich die russisch geschriebene Adresse der Deutschen Botschaft und als Absender die des Deutschen Generalkonsulats in Kiew angegeben. Ferner war das Paket mit dem Dienstsiegel des Deutschen Generalkonsulats in Kiew und mit dem Vermerk „Expedition officielle“ versehen sowie ordnungsgemäß verpackt und verschnürt. Die Deutsche Botschaft vermag daher den vom Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten dem Beauftragten der Botschaft gegenüber angegebenen Grund, der die Veranlassung zur Öffnung des amtlichen Gepäckstückes durch die Milizorgane gegeben haben soll, nicht anzuerkennen. In dem oben angezogenen Notenwechsel ist zwischen der Deutschen Botschaft und dem Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten ausdrücklich vereinbart worden, dass die ordnungsmäßig verpackte und beschriftete Konsulatspost unverletzlich ist. In der Anmerkung zu Punkt 4 des Notenwechsels ist ferner festgelegt, dass, falls der Überbringer aus irgendeinem Grunde an der ordnungsmäßigen Zustellung der Post verhindert ist, die Behörde, die von der Behinderung der Zustellung Kenntnis erhält, unter Aufrechterhaltung der Unverletzlichkeit für die schnellste Weitergabe der Post an die Botschaft zu sorgen hat. Die Botschaft muss feststellen, dass im vorliegenden Fall die getroffenen Vereinbarungen durch amtliche Sowjetorgane nicht eingehalten worden sind. Sie sieht sich daher genötigt, gegen die erfolgte Verletzung der Vereinbarung formell Protest zu erheben. Die Botschaft ersucht den Schuldigen festzustellen und zur Verantwortung zu ziehen. Die Empfangnahme der Schreibmaschine durch die Botschaft kann erst erfolgen, nachdem festgestellt worden ist, dass es sich bei der in der Protokollabteilung des Volkskommissariats für Auswärtige Angelegenheiten befindlichen Schreibmaschine tatsächlich um die von dem Deutschen Generalkonsul in Kiew, Herrn Großkopf, im Zuge zurückgelassene Maschine handelt. Zu diesem Zwecke bittet die Deutsche Botschaft das Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten noch um eine Mitteilung der Fabrik-Marke und der Nummer der dort befindlichen Schreibmaschine.2 [von Tippelskirch] 2 Es handelt sich bei diesem Exemplar um eine Abschrift, die am 7.8.1937 an das AA zur Kenntnisnahme gesandt wurde. Auf der Durchschrift findet sich der Nachsatz an das Generalkonsulat Kiev mit der Bitte, Fabrik-Marke und die Nummer der Schreibmaschine der Botschaft mitzuteilen.
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8. 8. 1937 Nr. 89 Auf Kopfbogen der Deutschen Botschaft geschrieben. PA AA, R 104371, o. P., 4 Bl.
Nr. 89 Direktive des Volkskommissars für Innere Angelegenheiten der Ukrainischen SSR Leplevskij an die Chefs der Bezirksverwaltungen für Innere Angelegenheiten von Dnepropetrovsk, Kiev, Odessa, Stalino Nr. 89 8. 8. 1937 8. 8. 1937 [8.8.1937] AN DIE CHEFS DER BEZIRKSVERWALTUNGEN DES NKVD VON STALINO, DNEPROPETROVSK, ODESSA, KIEV Ich stelle ein Nachlassen der operativen Arbeit zur Liquidierung deutscher Spione und Diversanten fest. Das Tempo der Ermittlungsverfahren bei den verhafteten deutschen Staatsbürgern ist absolut unzureichend. Es gibt wenige Geständnisse. Verhaftungen, die aufgrund von Aussagen verhafteter Mitglieder von Diversionsgruppen erfolgen, werden sehr langsam durchgeführt. Die Informationen über die Ermittlungsergebnisse und über zusätzliche Verhaftungen treffen unregelmäßig ein, Protokolle werden verspätet abgeschickt, die Qualität der Protokolle ist niedrig, praktisch wird die Diversions- und Spionagetätigkeit der Verhafteten nicht durch die Ermittlungen aufgedeckt und sie findet in den Protokollen keinen Niederschlag. Ich beantrage, in kürzester Zeit eine spürbare Wende beim Ermittlungstempo gegen die verhafteten Deutschen und bei der operativen Verwertung der Materialien zur Zerschlagung des deutschen Spionage- und Diversantennetzes herbeizuführen. Leplevskij 8. August 1937 Nr. 81843 Veröffentlicht in: Čerez trupy vraga na blago naroda, Bd. 2, Dok. 233, S. 564–565.
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Nr. 90
11. 8. 1937
Nr. 90 Bericht des deutschen Geschäftsträgers in Moskau von Tippelskirch an das AA Nr. 90 11. 8. 1937 11. 8. 1937 Moskau, den 11. August 1937 Abschrift Pol V 4816 Tgb. Nr. C IV a/November-Verhaftungen An das Auswärtige Amt Berlin Unter Bezugnahme auf die anderweitige Drahtberichterstattung vom heutigen Tage Inhalt: Verhaftungen Reichsdeutscher in der Sowjetunion Die Verfolgungen von Reichsdeutschen, die mit den Novemberverhaftungen ihren eigentlichen Anfang genommen hatten, die dann abgeflaut waren, aber nie ganz aufgehört hatten, haben in den letzten Wochen einen beängstigenden Umfang angenommen. Die Gesamtzahl der in Sowjetgefängnissen bzw. Straflagern befindlichen, der Botschaft bekannten Reichsdeutschen beträgt im Augenblick 210, von denen 36 rechtskräftig verurteilt sind. Die weitaus größte Zahl dieser letzteren war schon vor dem 19. Oktober 1936 verurteilt (34). Sie sank zeitweilig durch die Vollstreckung der Ausweisungsurteile (Niedermeier, Thimmig, Moche, Erlinghäuser und Wicklein), um jetzt durch die Verurteilung von Bösherz usw. wieder auf 36 anzusteigen. Den Eindruck über die Entwicklung der Verhaftungen vermitteln die folgenden Zahlen: Stand am
19.10.1936
18.1.1937
12.4.1937
10.7.1937
20.7.1937
10.8.1937
auf freiem Fuß
-
-
1
1
1
-
Verurteilte
34
33
27
35
35
36
schwebend
15
41
51
79
92
159
ungeklärte Staatsangeh
11
14
14
14
14
15
60
88
93
129
142
210
Auf die einzelnen Konsulatsbezirke verteilt sich diese Zahl wie folgt: Moskau
Leningrad
Kiew
Tiflis
Charkow
Odessa
Nowosibirsk
Wladiwostok
79
29
12
2
27
4
23
4
Ebenso wenig wie bei den früheren Verhaftungen lässt sich auch diesmal eine klare Linie, nach der die Verhaftungen vorgenommen werden, erkennen. Die Organe der GPU scheinen wahllos gegen Politemigranten, Vertragsarbeiter, ehemalige
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11. 8. 1937 Nr. 90 Kriegsgefangene sowie seit ihrer Geburt in Russland ansässige Reichsdeutsche vorgegangen zu sein. Auch ein Versagen in der Arbeit kann nicht maßgebend gewesen sein, da sich unter den Verhafteten Personen befinden, die noch vor kurzer Zeit Prämien für gute Arbeit erhalten hatten. Andere, die sich auf Grund ihrer persönlichen Bekanntschaft mit höheren Sowjetfunktionären und wahrscheinlich auch der diesen geleisteten Dienste völlig sicher wähnten, und trotz des Anratens der Botschaft die Sowjetunion nicht verlassen wollten, sind ebenfalls bei dieser Aktion ihrem Schicksal nicht entgangen. Besonders erwähnenswert ist, dass sich unter den Verhafteten eine Reihe Reichsdeutscher befindet, die bereits ihr Ausreisevisum erhalten hatten und in den nächsten Tagen die Sowjetunion verlassen wollten. Ein hier ansässiger Vertreter einer deutschen Firma, der nach Prag mit dem Flugzeug ausreisen wollte, ist auf dieser Reise in Kiew festgenommen worden, ohne dass seine sowjetische Frau oder die Botschaft benachrichtigt worden wären. Vierzehn Tage später fand in seiner Wohnung eine Haussuchung statt. Erst bei dieser Gelegenheit wurde seiner Frau beiläufig Mitteilung von der Verhaftung gemacht. Ein gewisses Licht auf die bei der GPU augenblicklich herrschende Stimmung wirft eine Unterredung, die die Ehefrau eines der verhafteten Reichsdeutschen vor kurzem mit einem in demselben Hause wohnhaften, auffallend mitteilsamen, GPUBeamten hatte. Dieser sprach sie darauf an, dass auch sie in nächster Zeit Russland verlassen müsse. Auf ihren erstaunten Einwurf, dass sie nicht die Absicht habe auszureisen, erwiderte er, dass sie ausgewiesen werden würde. Er wisse aber noch darüber hinaus, dass zahlreiche Verhaftungen stattfinden würden. Das Hinterland müsste nicht nur von Deutschen, die sich politisch in keiner Weise betätigten, sondern auch von deutschen Politemigranten gesäubert werden. Für seinen Bezirk werde er schon hierfür sorgen. Tatsächlich erfolgten kurz darauf die Ausweisung der Frau und etwas später die Verhaftung ihres Ehemannes. In einem anderen Fall wurde offenbar ein Industriebetrieb „gesäubert“. Ein ganzer Häuserblock, in dem vorzugsweise Glasarbeiter und Feinmechaniker eines großen Glastrusts wohnten, wurde umgestellt und Deutsche, Deutschstämmige, nichtdeutsche Ausländer und Russen, unter diesen der Leiter des Trusts, verhaftet. Auf der anderen Seite sind wohl auch Deutsche, die ihrer Stellung in einer für den Außenstehenden unbegreiflichen Weise sicher waren, unvorsichtig in ihrer Kritik oder in ihren Handlungen gewesen. Ein bezeichnender Vorgang hat sich in Astrachan abgespielt. Anfang Juni trafen dort die Frauen der erschossenen Generäle Tuchatschewsky und Gamarnik auf Durchreise ein, um sich für 3 Tage aufzuhalten. Sie suchten vergeblich Quartier, da niemand wagte, die Frauen dieser „Volksfeinde“ bei sich aufzunehmen. Bei dieser Suche kamen sie auch zu dem Haus eines dort ansässigen Deutschrussen namens Spörhase (seine Staatsangehörigkeit ist nicht geklärt). Trotz der Vorstellungen eines reichsdeutschen Freundes namens Rauchstädt, durch den die Botschaft Nachricht über das Vorkommnis erhalten hat, entschloss sich Spörhase, im Vertrauen auf seine Beziehungen zur GPU, die beiden Frauen mit ihren Kindern auf 3 Tage aufzunehmen. Wenige Tage später wurde er von der GPU verhaftet. Da der Botschaft schon früher bekannt geworden ist, dass die Frauen Tuchatschewskys und Gamarniks verbannt und zusammen abgereist sind, da ferner
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Nr. 90
11. 8. 1937
Spörhase in anderen Fällen den Sowjetbehörden gegenüber mit Erfolg außerordentlich sicher und selbstbewusst aufgetreten ist, so erscheint die Mitteilung glaubhaft. In diesem Zusammenhang darf erwähnt werden, dass nach derselben Quelle sich in Astrachan eine große Anzahl ehemaliger Generalstabsoffiziere aufhalten, die mit Tuchatschewsky in Verbindung gestanden haben und später verbannt worden sind. Wieweit sich die Verhaftungswelle auch auf die Angehörigen anderer Nationen erstreckt, ist schwer zu beurteilen. Die Frauen der Verhafteten haben in mehreren Fällen der Botschaft von Verhaftungen italienischer, ungarischer, österreichischer, polnischer und belgischer Staatsangehöriger berichtet. Eigenartigerweise jedoch sind die eigenen Missionen, mit Ausnahme der Ungarischen, die in den letzten Wochen von 140 Verhaftungen erfahren hat, von diesen Verhaftungen nicht unterrichtet. Dies dürfte auf verschiedene Gründe zurückzuführen sein. In den allermeisten Fällen handelt es sich bei den Verhaftungen um Kommunisten, die entweder anhanglos [sind] oder deren Familienangehörige nicht wagen, die Missionen aufzusuchen. Ein Teil der gemeldeten „Ausländer“ hat wohl auch schon die Sowjetstaatsangehörigkeit angenommen, ohne dass dies den Freunden bekannt geworden ist. Endlich scheint es, als ob bei den verhältnismäßig zahlreich hier vertretenen Deutschen der Zusammenhang stärker ist und dass daher aus Fällen früherer Verhaftungen die Einzelnen über die Tätigkeit der Botschaft zu Gunsten der Verhafteten wissen. Die Männer schärfen daher ihren Frauen – auch denen sowjetischer Staatsangehörigkeit – rechtzeitig ein, in jedem Fall nach der Verhaftung die Botschaft aufzusuchen. Eine vertragliche Mitteilungspflicht wie sie die Sowjetregierung gegenüber unseren Vertretungen in diesem Lande hat, besteht gegenüber anderen fremden Missionen nicht. Ganz allgemein ist zu sagen, dass die reichsdeutsche Kolonie, abgesehen von den asiatischen, der tschechischen, der ungarischen und der griechischen Kolonie, wahrscheinlich die stärkste ist. Die übrigen Kolonien fallen zahlenmäßig kaum ins Gewicht und bestehen teilweise fast ausschließlich aus Frauen. Es ist anzunehmen, dass eine sehr große Anzahl von verhafteten Reichsdeutschen der Botschaft nicht bekannt ist und voraussichtlich auch nie bekannt werden wird, da die Sowjetbehörden, entgegen den Vorschriften des NiederlassungsAbkommens die Verhaftungen nicht melden. Wirksame Vorstellungen hiergegen sind kaum gegeben. Die Organe des Innenkommissariats haben im Augenblick eine so starke Stellung, dass sie den Vorstellungen des Volkskommissariats für Auswärtige Angelegenheiten kaum Beachtung schenken würden. Sie geben eigenmächtig nur in den Fällen die Verhaftungen zur Kenntnis, in denen sie dies nicht umgehen zu können glauben. gez. v. Tippelskirch Auf erstem Blatt unten: verschiedene, nicht entzifferte Paraphen. PA AA, R 27224, o. P., 6 Bl.
356
12. 8. 1937 Nr. 91 Nr. 91 Schreiben des AA an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda Nr. 91 12. 8. 1937 12. 8. 1937 Berlin, den 12. August 1937 P 5435 An das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda Berlin Auf das Schreiben vom 28. Juni d. J. *– III 3201/14.2.37 – *1 Bei der Prüfung der Frage, ob die Einrichtung von Sendungen des deutschen Nachrichtendienstes in russischer Sprache im deutschen Interesse liegt, sind die nachstehenden Gesichtspunkte zu beachten: 1.) Die Wirkung eines solchen Nachrichtendienstes auf die Bevölkerung der Sowjetunion würde äußerst gering sein, da es dort nur sehr wenige gute Empfangsgeräte gibt, mit denen man fernerliegende Sender oder gar Kurzwellensender empfangen kann. Bei dem dort herrschenden Bespitzelungssystem würden es nur in ganz vereinzelten Fällen Sowjetangehörige wagen, einen „faschistischen“ Sender einzuschalten. 2.) Die Begründung eines solchen Nachrichtendienstes mit der Rücksicht auf eine russisch sprechende Minderheit in Ostpreußen erscheint abwegig. *Abgesehen davon, dass von einer solchen effektiven Minderheit hier nichts bekannt ist, wäre es politisch auch bedenklich, das Vorhandensein einer*2 russischen Minderheit in Deutschland zuzugeben und damit nichtdeutschen Stellen etwa eine Handhabe zur Begründung des Anspruchs auf kulturelle oder sonstige Betreuung dieser Minderheit zu liefern, sei es auch nur als Gegengewicht gegen entsprechende deutsche Ansprüche. 3.) Da von dem Bestehen einer russischen Minderheit in Ostpreußen auch im Auslande nichts bekannt ist, würde die darauf fußende Begründung eines deutschen Sendedienstes in russischer Sprache im Auslande keinen Glauben finden und uns den Vorwurf einbringen, dass wir uns in die inneren Verhältnisse der Sowjetunion einmischen. Ein entsprechender Vorwurf könnte auch von Ländern mit einer russischen Minderheit wie Polen erhoben werden. Dadurch würde aber die deutsche Propaganda gegen die Komintern, die in erster Linie mit deren Einmischung in die inneren Verhältnisse Deutschlands und anderer Staaten begründet wird, wesentlich an Durchschlagskraft verlieren. Die hierdurch entstehenden Nachteile würden durch etwaige, nach dem unter 1.) Ausgeführten noch dazu sehr fragwürdige propagandistische Erfolge in der Sowjetunion keinesfalls aufgewogen werden. 4.) Die Einrichtung eines deutschen Sendedienstes in russischer Sprache würde voraussichtlich den Sowjet-Rundfunk veranlassen, die Gehässigkeit seiner ge1 2
Die Nummer ist unterstrichen; darunter: beigef[ügt] 17/8. Der Text ist unterstrichen und am Seitenrand zweimal angestrichen.
357
Nr. 92
14. 8. 1937
gen Deutschland gerichteten Propaganda noch zu verstärken. *Bei der auch wohl heute noch bestehenden Überlegenheit der großen Sowjetsender wäre es aber kaum angebracht, uns auf einen Rundfunkkrieg mit der Sowjetunion einzulassen.*3 5.) Die Anregung deutscher Sendungen in russischer Sprache ist nach dem dortigen Schreiben vom 30. April d. J. von Harbin ausgegangen. Antibolschewistische Propaganda unter der russischen Bevölkerung in der Mandschurei ist aber in erster Linie Sache der Japaner, denen dort den Vortritt zu lassen auch mit Rücksicht auf das deutsch-japanische Antikomintern-Abkommen zu empfehlen ist. Aus den vorstehenden Gründen bitte ich, von der Einrichtung eines deutschen Nachrichtendienstes in russischer Sprache abzusehen.4 Im Auftrag Wolf Eigenhändige Unterschrift. Auf dem ersten Blatt oben Stempel des RMVP mit Eingang vom 16.8.1937. Oben zur Kenntnisnahme an die Abteilungen III, IV, II, VII mit Abzeichnungen. RGVA, f. 1363k, op. 1, d. 88, l. 76-76R.
3
4
Nr. 92 Telegramm des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an die Bevollmächtigte Vertretung in Berlin Nr. 92 14. 8. 1937 14. 8. 1937 STRENG GEHEIM Anfertigung von Kopien verboten Expl. Nr. 4 [14.8.1937] AUSGEHENDES CHIFFRETELEGRAMM Die deutsche Botschaft in Moskau hat einer Reihe von ausl[ändischen] Kor[respondenten] Informationen über die Zahl der in der UdSSR verhafteten deutschen Staatsangehörigen, über fortgesetzte Verhaftungen1 und über die Wahrscheinlichkeit von Gegenmaßnahmen von deutscher Seite mitgeteilt. In den Telegrammen wurde die Möglichkeit der Verhaftung von Mitarbeitern der Bevollmächtigten Vertretung oder der Handelsvertretung im Gegenzug erwähnt und auch, dass 3
Der Text ist am Seitenrand zweimal angestrichen und mit einem Ausrufezeichen verse-
hen. 4 In einer Notiz vom 9.12.1937 aus der Presse-Abteilung des RMVP hieß es dazu: „Ich halte die vom Auswärtigen Amt gegen den russischen Nachrichtendienst angeführten Gründe für stichhaltig und verweise immer wieder darauf, dass für den Fall der Aufnahme einer neuen Fremdsprache im Rundfunk als erste und wichtigste französisch, und zwar für den Kurzwellensender zu wählen wäre.“ RGVA, f. 1363k, op. 1, d. 88, Bl. 79. 1
358
Vgl. z. B. Dok. 77, 84, 85.
Nr. 93 die Deutschen befürchteten, die Berliner Repressalien könnten Auswirkungen auf den Handel Deutschlands mit der UdSSR haben. Alle Telegramme wurden von uns zurückgehalten. Eine gleichartige Meldung des DNB, die aus Berlin per Funk übertragen wurde, hat die Zensur nicht passiert. Der deutsche Geschäftsträger Tippelskirch behauptete heute in Beantwortung unserer Frage, die Botschaft habe sich lediglich auf die Mitteilung von Informationen über die Zahl der Verhaftungen an die Korrespondenten beschränkt, aber nichts über die Möglichkeit von Repressalien gesagt. Die Androhung von Repressalien ist somit zunächst noch nicht offiziell von der Botschaft ausgesprochen worden. 14. VIII. 16-40 Für die Richtigkeit:2 Auf dem Dokument gibt es maschinenschriftliche Geschäftsvermerke: Nach Berlin Nr. 11592 abges[andt] 14.VIII. 19-00 1937 Das Telegramm ist 48 Stunden nach Eingang an die Geheime Chiffrierabteilung des NKID zurückzugeben. Oben auf dem Dokument ist der Verteiler vermerkt: Expl. Nr. 1 – an Potemkin, Nr. 2 – an Stomonjakov, Nr. 3 – an Stalin, Nr. 4 – an Stalin, Nr. 5 – an Molotov, Nr. 6 – an Vorošilov, Nr. 7 – an Kaganovič, Nr. 8 – an Ežov, Nr. 9 – an Antonov. Auf Kopfbogen der Geheimen Chiffrierabteilung des NKID der UdSSR geschrieben. RGANI, f. 3, op. 58, d. 254, l. 89. Beglaubigte Kopie.
2
Nr. 93 Beschlussentwurf des Rates der Volkskommissare der UdSSR Nr. 93 15. 8. 1937 15. 8. 1937 Ganz geheim Entwurf1 [15.08.1937] ANORDNUNG DES RATES DER VOLKSKOMMISSARE DER UdSSR „ÜBER MAßNAHMEN ZUR BEKÄMPFUNG DER FASCHISTISCHEN RADIOINTERVENTION“ Angesichts des Ausbaus der faschistischen Radiopropaganda und zur Vorbereitung des gesamten Rundfunknetzes der UdSSR auf die Bekämpfung der Radiointervention des Gegners sowohl in Friedens- als auch in Kriegszeiten erfolgt durch 2
Die Unterschrift ist nicht lesbar.
1
Der Beschluss geht auf ein Schreiben Ežovs vom 15.8.1937 an Stalin und Molotov zurück. Darin hieß es, dass „es in letzter Zeit immer öfter antisowjetische Radiosendungen gibt, die von faschistischen Rundfunksendern ausgestrahlt werden. […] Auch die von Hitlers Rundfunksendern in deutscher Sprache ausgestrahlte faschistische Propaganda ist von erheblichem Ausmaß. Die Hitlerschen Sender übertragen neben den häufigen Reden verschiedener faschistischer Rädelsführer mit Verleumdungen und Beschimpfungen an die Adresse Moskaus zugleich bösartige Erfindungen der Goebbels-Presse über die UdSSR.“ In: RGANI, f. 3, op. 35, d. 99, l. 7, 8.
359
Nr. 94
15. 8. 1937
den Rat der Volkskommissare der UdSSR in Ergänzung zu seinem Beschluss vom 5. August 1937 unter Nr. 1292-297s folgende ANORDNUNG: 1. Das Volkskommissariat für Fernmeldewesen der UdSSR (Gen. CHALEPSKIJ)2 ist zu verpflichten, dringend einen Plan zum Ausbau des Rundfunknetzes in der gesamten Sowjetunion mit dem Ziel auszuarbeiten, im Verlaufe der nächsten 1½ bis 2 Jahre eine erdrückende Überlegenheit der UdSSR gegenüber den Übertragungen des Gegners sowohl an der östlichen als auch an der westlichen Grenze der Sowjetunion zu gewährleisten. Bei der Aufstellung des Plans sind sowohl die Erfordernisse für Störtätigkeit als auch die Erfordernisse für eigene Sendungen auf Lang- und Kurzwelle zu berücksichtigen. 2. Das Volkskommissariat für Fernmeldewesen der UdSSR (Gen. CHALEPSKIJ) hat einen Plan zum Ausbau der Radiosendungen auszuarbeiten, diesen mit dem NKVD der UdSSR abzustimmen und ihn nicht später als am 15. September 1937 dem SNK der UdSSR zur Bestätigung vorzulegen. Ergebnisse der Erörterung in der Leitung des SNK der UdSSR: mit Bleistift „dafür“ – Molotov, V. Čubar’, mit blauem Farbstift „dafür“ – A. Mikojan. Vermerk B.A. Dvinskijs mit Bleistift am linken Seitenrand: Laut Mitteilung von Gen. Ežov wird ein neues Projekt für die Westgrenze erstellt werden. 20.IX.37. B. Dvinskij. Vermerk des Sekretärs mit Bleistift: Das Expl. für M[olotov?] ist verbrannt. RGANI, f. 3, op. 35, d. 99, l. 11. Original.
2
Nr. 94 Aufzeichnung der Unterredung des kommissarischen Leiters der 2. Westabteilung im NKID Antonov mit dem Legationssekretär in Moskau von Walther Nr. 94 15. 8. 1937 15. 8. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 4 Aus dem Tagebuch K.V. ANTONOVS Nr. 150521 15. August 1937 AUFZEICHNUNG DES GESPRÄCHS MIT DEM SEKRETÄR DER DEUTSCHEN BOTSCHAFT WALTHER, 14. August 1937 W[alther] bat nachdrücklich darum, ihn am 13. zu empfangen. Dies lehnte ich unter einem plausiblen Vorwand ab. Ich empfing ihn am 14. W. kam, um folgende Fragen zu besprechen: 2 Hier und im Folgenden ist der Name Chalepskijs mit Bleistift durchgestrichen. Am 16.8.1937 erfolgte die Absetzung Chalepskijs als Volkskommissar für Fernmeldewesen der UdSSR; zu seinem Nachfolger wurde Berman ernannt. 1
360
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben.
15. 8. 1937 Nr. 94 1. Das Visum für Erlewein. W. beklagte sich, dass die Bevollmächtigte Vertretung in Berlin die Erteilung des Visums für den Beamten des Ministeriums Erlewein, der für kurze Zeit zwecks Inspektion einiger Angelegenheiten der Botschaft nach Moskau abgeordnet wurde, verzögere. Ich rief Gen. Šachov an, und nachdem ich mit ihm gesprochen hatte, teilte ich W. mit, dass die Einreisefrage für Erlewein noch nicht entschieden worden sei und die Antwort in den nächsten Tagen erteilt werde. 2. W. teilte mit, dass der deutsche Konsul in Vladivostok2, der nach Japan in den Urlaub gefahren sei, von unserem diplomatischen Vertreter3 kein Rückreisevisum erhalten hätte. Ich antwortete W., dass mich dies nicht verwundere, da wir, wie ihm bekannt sei, die Frage der Schließung des Konsulats in Vladivostok der Deutschen Botschaft vorgetragen hätten. W. erklärte, da diese Frage noch nicht entschieden worden sei, wäre es folgerichtig gewesen, dem Konsul das Rückreisevisum zu erteilen. Ich antwortete, dass für uns diese Frage bereits seit langem entschieden sei, nämlich seit dem Zeitpunkt, als die Leitung des NKID sie der Deutschen Botschaft vorgetragen hätte.4 Zugleich teilte ich W. mit, dass die Entscheidung in Bezug auf das Exequatur5 des deutschen Konsuls in Char’kov auch mit der Entscheidung der allgemeinen Frage bezüglich der deutschen Konsulate in der UdSSR verknüpft sei. W. bemühte sich, in eine Erörterung darüber einzutreten, dass es notwendig wäre, die deutschen Konsulate in der UdSSR im bisherigen Umfang beizubehalten, wobei er sich darauf berief, dass unsere Handelsvertretung in Berlin und ihre Abteilungen eine Anzahl sowjetischer Bürger beschäftige, die den zahlenmäßigen Mitarbeiterbestand aller deutschen Konsulate in der UdSSR überschreite. Ich antwortete ihm, dass die Frage der Handelsvertretung in keinerlei Beziehung zur Frage der deutschen Konsulate in der UdSSR stehe und die Handelsvertretung keinerlei konsularische Funktionen innehabe. In Erwiderung darauf sagte W., dass die deutschen Konsulate dafür wirtschaftliche Funktionen wahrnehmen würden (die Handelsinformation, die Anbahnung von Handelskontakten) und ob man nicht in Vladivostok anstelle des Konsulats eine Vertretung des Handelsattachés Deutschlands in der UdSSR **werde**6 eröffnen können. Ich antwortete, dass ich dafür keinerlei Veranlassung sähe, da in der UdSSR das Außenhandelsmonopol herrsche. 3. W. beklagte sich darüber, dass in letzter Zeit das NKID völlig damit aufgehört hätte, den Punkt des Niederlassungsabkommens mit Deutschland zu erfüllen, dem zufolge das NKID verpflichtet sei, die Botschaft mit einer Frist von drei Tagen über vollzogene Verhaftungen von deutschen Staatsbürgern in Kenntnis zu setzen; auch eine andere Bestimmung des Abkommens werde nicht erfüllt, die der Deutschen Botschaft und den Konsulaten das Recht zugesteht, die Verhafteten zu besuchen.7 W. erhebe keinen Anspruch darauf, dass die Konsuln und Vertreter der Bot2 3 4 5
Hans von Saucken. Georgij Dmitrievič Tichonov. Vgl. Dok. 28. Mit der Exequatur bestätigt die Regierung des Empfängerstaates den ausländischen Konsul in seiner Funktion und erteilt ihm die Erlaubnis zur Amtsausübung in seinem Konsularbezirk. 6 Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. 7 Vgl. Abschlussprotokoll zum Vertrag zwischen der UdSSR und Deutschland vom 12.10.1925. Artikel 11 – Ergänzungen zum Abkommen über Niederlassung und allgemeinen Rechtsschutz. In: DVP, Bd. VIII, Dok. 342, S. 612; Reichsgesetzblatt 1926, Teil II, S. 52.
361
Nr. 94
15. 8. 1937
schaft die Personen besuchen, zu denen Ermittlungsverfahren anhängig seien, er mache aber darauf aufmerksam, dass sich in einer ganzen Reihe von Fällen die Ermittlungen über viele Monate hinzögen und in einigen Fällen nicht genehmigt worden sei, Personen zu besuchen, deren Fälle bereits von unseren Justizorganen behandelt und mit einem entsprechenden Gerichtsbeschluss zum Abschluss gebracht worden seien (die Strafsache Fuchs8). Ich antwortete W., dass das NKID die entsprechenden Vertragsbestimmungen strikt einhalte, und sobald es von unseren Behörden von dieser oder jener Verhaftung Mitteilung erhalte, am gleichen Tag die Deutsche Botschaft über diese Verhaftung in Kenntnis setze. W. bat das NKID darum, unsere Innenorgane darauf aufmerksam zu machen, dass es **für das NKID**9 notwendig sei, die Botschaft und die Konsulate rechtzeitiger über vollzogene Verhaftungen zu informieren. Ich sicherte W. zu, der Leitung des NKID diese Frage wie auch die Frage des Besuchs von Vertretern der Botschaft und der Konsulate bei den deutschen Staatsbürgern, **zu deren Fällen die Ermittlungen angeschlossen sind**10, vorzulegen. 4. W. bat nochmals darum, sich der Frage der Ausweisung des ehemaligen Mitarbeiters des deutschen Konsulats in Novosibirsk, Pausch, anzunehmen. 5. W. erklärte, er könne mir die erfreuliche Mitteilung machen, dass die Bürgerin Schirman-Fischer aus Deutschland ausgewiesen worden sei. Ich antwortete, dass unsere Bevollmächtigte Vertretung uns darüber bereits vor einiger Zeit informiert habe. 6. Bezugnehmend auf sein letztes Gespräch11 machte W. noch einmal auf die alles übertreffende Anzahl von Verhaftungen deutscher Staatsbürger aufmerksam und erklärte, dass Meldungen über diese Verhaftungen bereits in die Presse durchgesickert wären. Dies behindere, seinen Worten zufolge, die Bemühungen zum Austausch der Besatzungen der „Komsomol“ und der „Smidovič“.12 Falls dies so weitergehen sollte, habe er keinerlei Hoffnung auf Freilassung der Besatzungen. Ich antwortete W., dass unsere Organe deutsche Bürger nicht deshalb verhafteten, um der Deutschen Botschaft „Vergnügen“ zu bereiten, sondern wegen der Anschuldigung schwerer Verbrechen. Wir könnten der Deutschen Botschaft selbstverständlich keinerlei Zusicherung geben, deutsche Staatsbürger, die der einen oder anderen Verbrechen beschuldigt würden, nicht zu verhaften. W. erklärte, dass er eine solche Zusicherung auch nicht erwarte, aber es für erforderlich halte, noch einmal unsere Aufmerksamkeit auf diese Tatsache zu lenken, da sie die Entscheidung der Frage in Bezug auf die Besatzungen, die sich in Spanien befänden, fast als hoffnungslos erscheinen lasse.13 K. Antonov 8 9 10 11
Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 1, Dok. 520, S. 1371. Der Text ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. Der Text ist über die Zeile geschrieben. Am 5.8.1937. In diesem Gespräch mit Antonov erinnerte Walther insbesondere an 140 bis 150 deutsche Staatsbürger, die Mitte 1937 in Gefängnissen der UdSSR einsaßen. Vgl. AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 2, l. 135–137. 12 Vgl. Dok. 17. 13 Eine Aufzeichnung des Gesprächs durch von Walther vom 14.8.1937 in: PA AA, R 104371, Bl. E 486050.
362
Nr. 95 Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Potemkin, das 2. an Gen. Stomonjakov, das 3. nach Berlin, *das 4. zu den Akten der 2. Westabteilung*.14 AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 2, l. 132–134. Kopie.
14
Nr. 95 Erlass des Staatssekretärs im AA von Mackensen an die Botschaft in Moskau Nr. 95 16. 8. 1937 16. 8. 1937 Berlin, den 16. August 1937 Pol. V 46871 Ang. III Da nach den Massenverhaftungen der letzten Monate die Sicherheit deutscher Reichsangehöriger in der Sowjetunion nicht mehr gewährleistet ist, wird gebeten, alle *politisch zuverlässigen* Reichsdeutschen, *die dort vorsprechen*, mündlich auf diese Lage aufmerksam zu machen und ihnen baldige Rückkehr nach Deutschland *dringend* zu empfehlen. Sie wären hierbei darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeiten der Botschaft, ihnen im Fall ihrer Verhaftung zu helfen, äußerst beschränkt sind. Die betreffenden Reichsdeutschen müssten gleichzeitig verpflichtet werden, diese *Warnung vertraulich zu behandeln*2. Schriftliche Warnungen sind zu vermeiden. Dagegen könnten vertrauenswürdige Reichsdeutsche beauftragt werden, diese Warnung ihren zuverlässigen Landsleuten in der Provinz zu übermitteln. Bei der Ausführung dieses Erlasses bitte ich darauf Rücksicht zu nehmen, dass wir die Wirtschaftsbeziehungen zur Sowjetunion nicht abreißen lassen wollen. Wir müssen weiterhin darauf Wert legen, dass die deutsche Industrie, soweit möglich, Rohstoffe in der Sowjetunion einkauft und Lieferaufträge nach der Sowjetunion ordnungsmäßig ausführt. Dazu ist die Anwesenheit von Vertretern deutscher Firmen und von reichsdeutschen Sachverständigen und Monteuren in der Sowjetunion notwendig, zumal die Sowjetunion die Verhandlungen über Bestellungen und Lieferungen immer mehr von den auswärtigen Handelsvertretungen zu den Zentralinstanzen in Moskau verlegt. Sofern die Botschaft auf Grund der weiteren Entwicklung nicht anderer Ansicht werden sollte, bitte ich daher, die Reichsdeutschen, die zu dem obengenannten Personenkreis gehören und infolgedessen nur *vorübergehend*3 geschäftlich in der Sowjetunion sich aufhalten, von dieser Warnung auszunehmen und sie anzuhalten, ihre ihnen obliegenden Aufgaben sachgemäß zu erfüllen. Jeder von diesen Firmenvertretern und Monteuren ist, wie dies wohl auch jetzt schon geschieht, auf das Nachdrücklichste darauf hinzuweisen, dass er sich in seinen Äußerungen und seinem Benehmen äußerste Zurückhaltung aufzulegen hat. 14 1 2 3
Der Text ist mit Tinte unterstrichen. Vgl. Dok. 87. Die vier Textstellen des Absatzes sind von Tippelskirch rot unterstrichen. Das Wort ist rot unterstrichen.
363
Nr. 96
20. 8. 1937
*Ich bitte, eine gleiche Weisung an die Konsularbehörden in der Sowjetunion ergehen zu lassen.*4 Mackensen Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben Stempel der Botschaft: Eing. 20. Aug. 1937. Am Seitenrand oben: zunächst H[errn] Botschafter vorzulegen T[ippelskirch] 20/8. Darunter, den ersten Absatz betreffend, von Schulenburg: ich bin grundsätzlich einverstanden. Weitere Kenntnisnahmen. Auf Kopfbogen des Auswärtigen Amtes geschrieben. PA AA, Moskau 419, o. P., 2 Bl. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 517, S. 1075–1076.
4
Nr. 96 Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Ežov Nr. 96 20. 8. 1937 20. 8. 1937 Geheim Expl. Nr. 31 1248 20. August [1937] AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN DER UdSSR GEN. EŽOV Werter Nikolaj Ivanovič, die Deutschen geben uns zu verstehen, dass es von ihnen abhängt, ob wir die erste Gruppe von Seeleuten der „Komsomol“, die in Ceuta2 bereits für die Rückführung in die UdSSR vorbereitet ist, bekommen werden oder nicht.3 Es geht darum, dass mit Ausnahme der 5 Deutschen, die wir nach Deutschland ausgewiesen haben4, alle übrigen deutschen Staatsbürger, die bei uns im November/Dezember 1936 verhaftet wurden und aufgrund der von der Instanz genehmigten Vereinba4 1 2 3
Der Satz ist am Seitenrand mit einem roten Ausrufezeichen versehen.
Der Text ist mit blauem Farbstift eingefügt. Territorium Spaniens an der Nordküste Afrikas, gegenüber von Gibraltar. Potemkin unterrichtete Stalin am 16.8.1937 in einem Schreiben (mit Kopie an Ežov) über folgenden Sachverhalt: „Der Geschäftsträger Deutschlands in der UdSSR, H[err] Tippelskirch, teilte mir heute mit, dass laut der aus Berlin per Telegraf erhaltenen Information 24 Besatzungsmitglieder, darunter 2 Frauen, des Dampfers ‚Komsomol‘ bereits nach Ceuta an die örtlichen Seebehörden übergeben worden sind und an uns zu beliebiger Zeit überstellt werden können.“ Zitiert nach: SSSR i Graždanskaja vojna v Ispanii: 1936–1939 (Die UdSSR und der Bürgerkrieg in Spanien), Moskva 2013, Dok. 314, S. 267. 4 Vgl. „Vysylka devjati germanskich graždan iz SSSR“ (Die Ausweisung von neun deutschen Staatsbürgern aus der UdSSR). In: Izvestija vom 1. März 1937, S. 2.
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21. 8. 1937 Nr. 97 rung zwischen Gen. Litvinov und dem deutschen Botschafter5 der Ausweisung unterliegen, sich bis jetzt bei uns in Haft befinden und darauf warten, dass sie an die Reihe kommen. Zum jetzigen Zeitpunkt, da sich konkret die Möglichkeit abzeichnet, die erste Gruppe von Seeleuten der „Komsomol“ aus Spanien auf den Weg zu schicken, wäre es ratsam, den Vorwürfen von Seiten der Deutschen zuvorzukommen, wonach wir nur nehmen, aber selbst nichts geben würden. Schulenburg, der morgen zurückkommt, wird zweifellos versuchen, mit mir das Gespräch in diesem Sinne zu führen. Um Erklärungen abzuwenden und zugleich wenigstens einen Teil unserer von den spanischen Banditen in Gefangenschaft gehaltenen Seeleute in die UdSSR zurückzuholen, müsste man den Deutschen eine entsprechende Kompensation geben. Ich bitte Sie, die Anweisung zur Erledigung der Formalitäten für die Ausweisung jener Deutschen aus der UdSSR zu erteilen, die namentlich in der beigefügten Liste6 aufgeführt sind, die der deutsche Botschafter uns seinerzeit übergeben hatte. Mit Gruß Potemkin Vermerk mit blauem Farbstift: 2. Westabteilung. Vermerk mit Tinte: an Gen. Levin. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 E[xemplare]. Das 1. [Exemplar] an den Adressaten, das 2. an Gen. Stomonjakov, das 3. an die 2. Westabteilung, das 4. zu den Akten. AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 1, l. 70. Kopie.
Nr. 97 Aufzeichnung der Unterredung des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg mit dem Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin 5 6 Nr. 97 21. 8. 1937 21. 8. 1937 Moskau, den 21. August 1937 Aufzeichnung Ich habe heute um 14 Uhr Herrn Potemkin aufgesucht, um mich zurückzumelden. Herr Potemkin empfing mich damit, dass er sagte, er hoffe mir noch heute Nachmittag die Namen von 10 der deutschen November-Gefangenen mitteilen zu können, die nunmehr alsbald ausgewiesen werden sollen.1 Es würden sich darunter auch die beiden Persönlichkeiten befinden – auf ihre Namen könne er sich im Augenblick nicht besinnen –, für die sich die Botschaft besonders interessiere. Die 5 6
Friedrich Werner Graf von der Schulenburg. In der Akte nicht vorhanden.
1 Die Aufzeichnung war einem Schreiben von Schulenburg an Schliep beigefügt, das er am 23.8.1937 verfasste. In dem Brief teilte er u. a. mit, dass bis zum 23.8., 13.00 Uhr, keine Namen der 10 auszuweisenden Deutschen der Botschaft mitgeteilt wurden. Vgl. BArch, N 2273/89, o.P. Zu den November-Verhaftungen vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 576, 614, 662.
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Nr. 97
21. 8. 1937
übrigen November-Gefangenen würden binnen kurzen ebenfalls ausgewiesen werden, sobald die Formalitäten durchgeführt seien. Ich habe Herr Potemkin die Liste der in Ceuta auf Abholung wartenden russischen Seeleute übergeben und hinzugefügt, als ich seinerzeit mit Herrn Litwinow über die Freilassung der November-Gefangenen gesprochen hätte2, sei mein Hauptziel gewesen, die durch die Inhaftsetzung so zahlreicher Deutscher entstandene Spannung zwischen unseren Ländern zu beseitigen. Zu meinem Bedauern habe ich hier gehört, dass in der Zeit meiner Abwesenheit eine ganz große Zahl neuer Verhaftungen unter den Reichsdeutschen vorgenommen worden sei. Wenn die Sowjetregierung heute eine Anzahl Deutscher ausweise, am nächsten Tage aber bereits wieder eine doppelte Anzahl verhafte, so werde jenes Ziel der Entspannung nicht erreicht. Ich hätte noch keine Zeit gehabt, mich im Einzelnen über die neuen in Haft genommenen Reichsdeutschen zu unterrichten. Ich könne mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, dass all diese Leute Spione und Diversanten seien. Seinerzeit wäre zwischen Herrn Litwinow und mir abgemacht worden, dass diejenigen Reichsdeutschen, die den Sowjetbehörden verdächtig erschienen, gegen die aber besonders schwerwiegende Anschuldigungen nicht vorlägen, nicht erst ins Gefängnis gesetzt, sondern ohne weiteres ausgewiesen werden sollten. Eine Zeitlang hätten die Sowjetbehörden diese Praxis auch befolgt, um inzwischen wieder zu neuen außerordentlich zahlreichen Verhaftungen zu schreiten. Ich müsste hierüber mein lebhaftestes Bedauern aussprechen. Herr Potemkin hat mir erwidert, die neuen zahlreichen Verhaftungen von Reichsdeutschen seien ein Teil einer allgemeinen Maßnahme, die sich gegen sämtliche Ausländer, gleichgültig welcher Nationalität, richte. So seien sehr viele Österreicher, Finnen und Ungarn, sehr viele Griechen und besonders viele Iraner verhaftet. Die Praxis, Verdächtige ohne weiteres auszuweisen, sei deswegen aufgegeben worden, weil die inneren Behörden glaubten, den größten Wert darauf legen zu müssen, dass die Angelegenheiten zweifelhafter Elemente auf das Genaueste untersucht werden. Ich habe Herrn Potemkin darauf gebeten, auf eine möglichste Beschleunigung der gegen die Reichsdeutschen eingeleiteten Untersuchungsverfahren hinzuwirken. Ich habe ihn dabei insbesondere auf den Fall Gerndt3 aufmerksam gemacht. Herr Potemkin hat erklärt, er werde sein Bestes tun, doch müssten die Untersuchungsverfahren, auch im Falle Gerndt, voll durchgeführt werden. Ich habe zum Schluss Herrn Potemkin gebeten, dafür Sorge zu tragen, dass die Restausweisungen von November-Gefangenen möglichst bald den jetzt angekündigten zehn Ausweisungen folgen möchten. Herr Potemkin hat versprochen, diese Bitte bei den inneren Behörden zu unterstützen.4 gez. Graf von der Schulenburg BArch, N 2273/89, o. P., 3 Bl. 2 3 4
Vgl. Dok. 17. Vgl. Dok. 66, 70, 76, 84. Eine Aufzeichnung Potemkins über diese Unterredung in: AVP RF, f. 05, оp. 17, p. 130, d. 44, Bl. 64-65.
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21. 8. 1937 Nr. 98 Nr. 98 Meldung des Chefs der 1. Abteilung der Aufklärungsverwaltung der RKKA Stigga an den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov Nr. 98 21. 8. 1937 21. 8. 1937 Ganz geheim Expl. Nr. 1 Nr. 10770ss1 21. August 1937 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR VERTEIDIGUNG DER SOWJETUNION MARSCHALL DER SOWJETUNION Gen. VOROŠILOV MELDUNG (Zum Verlust der Einflussnahme der deutschen Armeeführung auf die Außenpolitik Deutschlands) Ich lege eine nachrichtendienstliche Meldung vor, die wir von unserer Quelle erhalten haben, die den deutschen politischen und militärischen Kreisen nahesteht. Aufmerksamkeit verdienen: 1. Die Auffassung Hitlers über das Scheitern der von der deutschen militärischen Führung betriebenen Außenpolitik, insbesondere im Zusammenhang mit dem Fall Tuchačevskij.2 2. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Hitler und der deutschen militärischen Führung bezüglich der Entsendung von deutschen Truppen und der Flotte nach Spanien. ANLAGE: Kopie der Meldung in „2“ Blatt. Chef der 1. Abteilung der RU der RKKA
KOMDIV Stigga [Anlage] Ganz geheim Expl. Nr. 1 Kopie
1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Zum „Fall Tuchačevskij“ vgl. „Voennyj sovet pri narodnom komissare oborony SSSR. 1– 4 ijunja 1937 g.: Dokumenty i materialy (Der Militärrat des Volkskommissars für Verteidigung der UdSSR. 1–4 Juni 1937), sost. N.S. Tarchova i dr., Moskva 2008; Spravka komissii Prezidiuma CK KPSS „O proverke obvinenij, pred-javlennych v 1937 godu sudebnymi i partijnymi organami tt. Tuchačevskomu, Jakiru, Uboreviču i drugim voennym dejateljam, v izmene Rodine, terrore i voennom zagovore“; in: Reabilitacija. Kak eto bylo. (Informationen der Kommission des Präsidiums des Zentralkomitees der KPdSU „Über die Prüfung der gegen Tuchatschewski, Jakir, Uborewitsch und andere militärische Führer erhobenen Anklagen wegen Hochverrats, Terrors und militärischer Verschwörung im Jahre 1937 durch das Gericht und die Parteiorgane“; in: Rehabilitierung: Wie es war), v 3-ch t.., t. 2: fevral‘ 1956-načalo 80-ch godov, sost. A.N. Artizov i dr. Moskva 2003, Anhang, Dok. 2, S. 671–788.
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Nr. 98
21. 8. 1937 MELDUNG
In deutschen diplomatischen Kreisen wird behauptet, dass seit dem Fall Tuchačevskij womöglich die Einflussnahme der Reichswehr auf die deutsche Außenpolitik geendet habe. *Hitler verspottet gegenwärtig die Armeeführung und sagt ungefähr Folgendes: „Da sehen Sie, wie die Herren der Reichswehr die Außenpolitik glänzend zu führen vermögen. Wenn ich ihren Ratschlägen gefolgt wäre, wo wäre ich dann jetzt?! Wo ist jetzt die Gruppe Tuchačevskij, diese vermeintlich ‚russische Trumpfkarte‘, dieses ‚zweite Standbein‘, auf dem die deutsche Außenpolitik stehen sollte? Unter der Erde!“*3 Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Hitler und der Armeeführung spitzten sich insbesondere im Mai 1937 zu. Ungefähr Mitte Mai fassten Hitler und die Führung der Nationalsozialistischen Partei den Beschluss, in Spanien offen zu intervenieren und zu diesem Zwecke 60.000 Mann zusammen mit der Kriegsmarine nach Spanien zu entsenden. Gegen diesen Plan wandte sich angeblich Admiral Raeder. Er erklärte: „Wenn die Garantie gegeben wird, dass die Kriegsmarine während ihrer Abwesenheit an den deutschen Küsten nicht gebraucht wird, dann bin ich einverstanden, sie nach Spanien auslaufen zu lassen. Falls aber dennoch mit der Möglichkeit gerechnet werden muss, dass sie in der Heimat gebraucht wird, so bin ich dagegen. Es geht darum, dass es im Konfliktfall unmöglich sein wird, die Flotte in die Heimat zurückzuführen. England und Frankreich könnten jederzeit ihre Rückführung verhindern.“ Dieser Auffassung schloss sich General Fritsch an, der erklärte. „Wenn ich die Garantie bekomme, dass während der Abwesenheit der 60.000 Mann an den Grenzen des Reiches keinerlei Konflikte entstehen, so kann ich in der Heimat ohne sie auskommen. Andernfalls bin ich gezwungen, meine Zustimmung zu verweigern.“ Blomberg, der anfangs Hitlers Auffassung zustimmte, unterstützte schließlich Raeder und Fritsch. Danach entschied Hitler, dass Unternehmen abzusagen. *Zwei Wochen später tadelte er die Generäle und erklärte, dass es dennoch möglich und richtig gewesen wäre, die Flotte und die 60.000 Mann nach Spanien zu entsenden, doch er habe sich von den Militärfachleuten in die Irre führen lassen.* Die Militärspezialisten scheiterten bei jeder außenpolitischen Lage. So sei es im Fall von Abessinien4, bei der Rheinlandbesetzung5 sowie auch im Falle Spaniens gewesen. *Der Fall Tuchačevskij ist der letzte größte und entscheidende Schlag, der in den Augen Hitlers der Kompetenz der Armee in außenpolitischen Angelegenheiten zugefügt wurde.* Seit dieser Zeit kann niemand mehr davon sprechen, dass die Armee angeblich einen einflussreichen Faktor in der Außenpolitik Deutschlands darstellt. Für die Richtigkeit: Stellv. Chef der 1. Abteilung der RU der RKKA
MAJOR Starunin
3 Die hier und im Folgenden so gekennzeichneten Textstellen sind mit grünem Farbstift vorgenommen worden. 4 Gemeint ist der italienisch-abessinische Krieg (von Oktober 1935 bis Mai 1936). 5 Gemeint ist der Einmarsch der Wehrmacht in die demilitarisierte Zone des Rheinlandes am 7.3.1936.
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22. 8. 1937 Nr. 99 Entscheidung K.E. Vorošilovs mit blauem Farbstift: Kopie an die Genossen S[talin] und M[olotov]. KV[orošilov].6 Auf dem ersten Blatt befindet sich unten links der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars für Verteidigung der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 4839 vom 22.8.1937. Am Ende des Dokuments ist die Anzahl der Exemplare vermerkt: Geschr. 3 Expl. Auf Kopfbogen der Aufklärungsverwaltung der Roten Arbeiter- und Bauernarmee geschrieben. RGVA, f. 33987, op. 3a, d. 1009, l. 292–294. Original. Beglaubigte Kopie.
Nr. 99 Runderlass des Volkskommissars für Innere Angelegenheiten Ežov Nr. 99 22. 8. 1937 22. 8. 1937 GANZ GEHEIM 5851 22. August 1937 RUNDERLASS DES VOLKSKOMMISSARS FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN DER UdSSR für das Jahr 1937 INHALT Nr. 67. Den zuständigen Stellen versendet. Nr. 68. Über die Ausländer. Es wurde festgestellt, dass die überwiegende Mehrheit der in der UdSSR lebenden Ausländer die organisatorische Grundlage für Spionage und Diversion bildet. Das wichtigste Mittel zur Bekämpfung der verbrecherischen Tätigkeit von Ausländern besteht selbstverständlich in der nachrichtendienstlichen Ermittlungstätigkeit des NKVD. Eine jedoch wirksame Waffe in unseren Händen besteht darin, durch administrative Maßnahmen das Wirken dieses Spionage- und Diversionsnetzes bedeutend zu schwächen. ICH ORDNE AN: 1. Künftig nach Ablauf der Gültigkeitsfrist der Aufenthaltsgenehmigungen diese nicht zu verlängern und den Ausländern Ausreisevisa zu erteilen. 2. In erster Linie ist die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigungen für ausländische Staatsbürger Deutschlands, Polens, Japans, Italiens, Österreichs, Argentiniens, Belgiens, Bulgariens, Ungarns, Hollands, Dänemarks, Kubas, Lettlands, Litauens, Mandschukuos, Mexikos, Rumäniens, Finnlands, der Schweiz, Estlands, Jugoslawiens einzustellen. 6 Zu der Resolution Vorošilovs befindet sich auf dem Begleitschreiben und der nachrichtendienstlichen Meldung eine mit Bleistift ausgeführte stilistische und redaktionelle Korrektur, die jedoch nicht den Inhalt des Dokuments betrifft, und die Angabe der Adressaten.
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Nr. 100
27. 8. 1937
3. Was Engländer, Franzosen, Amerikaner, Spanier, Türken, Tschechoslowaken, Iraner, Afghanen, Chinesen und Griechen betrifft, so ist bei Vorliegen von Belastungsmaterial eine Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigungen nach Fristablauf ebenfalls zu verweigern und Ausreisevisa zu erteilen. 4. Das Verfahren bei Verhaftung und der Belangung von Ausländern bleibt davon unberührt. 5. Die Leiter der UNKVD sind zu verpflichten, die Arbeit der Miliz-Abteilungen für Visa und Registrierungen auf diesem Gebiet unter die Beobachtung der 3. Abteilungen der UGB zu stellen. 6. Über den Stand der Erfüllung der vorliegenden Anweisung und die Anzahl der ausgereisten Ausländer berichten Sie monatlich, jeweils zum 1. des Monats. Der Stellvertreter des Volkskommissars für Innere Angelegenheiten der UdSSR Kommissar der Staatssicherheit 2. Ranges
Bel’skij Veröffentlicht in: „Čerez trupy vraga na blago naroda“, Bd. 2, Dok. 234, S. 565–566.
Nr. 100 Auszug aus der Meldung des Stellv. Volkskommissars für Innere Angelegenheiten der UdSSR Bel’skij an den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Ežov Nr. 100 27. 8. 1937 27. 8. 1937 27. August 1937 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN DER UdSSR GENERALKOMMISSAR FÜR STAATSSICHERHEIT Gen. N.I. Ežov Mit Stand vom 25. August d. J. sind in der Ukraine 14.200 Personen verhaftet worden. In dieser Zahl sind nicht die verhafteten Kulaken enthalten, diese werden gesondert ausgewiesen. Von den 14.200 Personen sind wegen polnischer Konterrevolution und Spionage 5.103 Personen verhaftet worden, wegen antisowjetischer nationalistischer Konterrevolution 157 Personen, wegen deutscher Spionage 1.360 Personen, wegen rumänischer Spionage 751, wegen antisowjetischer trotzkistischer und rechter Organisationen 2.600, wegen militärischer Verschwörung 391 Personen. [...]1
1 Ausgelassen ist die Information, die sich auf die Verhaftung von Personen bezieht, die der Zugehörigkeit zur polnischen Residentur in der Ukraine beschuldigt wurden (l. 166–168).
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27. 8. 1937 Nr. 100 Zu den Deutschen: Der Hauptanteil der verhafteten Deutschen entfällt auf den Bezirk Doneck, wo 426 Personen verhaftet worden sind. Von den insgesamt 1.360 verhafteten Personen haben 395 Personen gestanden, Spionage- und Diversionstätigkeit betrieben zu haben. Verhaftet wurden 123 deutsche Staatsangehörige, von denen 56 Personen geständig waren. Durch die Ermittlungstätigkeit in deutschen Angelegenheiten wurde festgestellt, dass die deutschen Konsulate in der Ukraine (in Char’kov, Kiev, Odessa) aus dem Besucherkreis der Konsulate hunderte Agenten angeworben haben, Personen, die mit deutschen Spezialisten zu tun hatten, altgediente Angestellte von deutschen Unternehmen und andere. Deutsche Staatsangehörige und ausländische Spezialisten, die in Betrieben, Einrichtungen und Laboratorien tätig waren, haben nicht nur selbst eine aktive Spionage- und Wühlarbeit betrieben, sondern warben auch Personen an, mit denen sie dienstlich zu tun hatten. Dafür setzten sie jegliche Mittel ein – Provokationen, Erpressung, Bestechung usw. In dieser Hinsicht sollte eine operative Arbeit durchgeführt werden, insbesondere in Großbetrieben, um alle Verbindungen der deutschen Staatsangehörigen aufzudecken. Die in Kiev verhaftete Mitarbeiterin des deutschen Konsulats GerndtApriščenko2 machte Aussagen zum Agentennetz des Konsulats in Kiev. Die von der Gerndt angeworbenen Ärzte des Werkes „Arsenal“, Kalašnikov, und des Kiever Militärhospitals, Ol’šinskij, gestanden, dass sie die Aufgaben hatten, in der Kriegszeit eine bakteriologische Diversion durchzuführen. In der Kohleindustrie des Donbass ist eine Diversionsorganisation ausgehoben, die sich auf 6 Kreise erstreckte: Sergo3, Snežnoe, Vorošilovgrad und andere. Diese Organisation führte außer Spionage umfangreiche Schädlingsarbeit durch und bildete Leute für Diversionszwecke aus. Es war beabsichtigt, dass sie im Krieg die wichtigsten Unternehmen der Kohle- und Energieindustrie des Donbass außer Betrieb setzen. Die Ausbreitung der Diversionsgruppen wurde von den deutschen Agenten Szymczak, Sellikat, Beusch und anderen geleitet, die unter dem Deckmantel der Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei Deutschlands in die UdSSR eingedrungen waren. In den Rüstungsbetrieben in Nikolaev (das A. Marti-Werk und das Werk Nr. 61) wurde eine von dem deutschen Staatsangehörigen Moler gegründete Diversionsgruppe von Smilga, Brungorsk, Litke und anderen aufgedeckt. In Zaporož’e wird in den Werken „Kommunar“ und „Zaporožstal“ eine von den deutschen Agenten Peter Diek, Hamm und anderen gegründete Diversionszelle ausgehoben. Bei der Durchführung von Schädlingstätigkeit in den genannten Be2 3
Vgl. Dok. 66, Anm. 7. Nach dem Tod von Sergo Ordžonikidze 1937 wurde die Stadt Kadievka in Sergo umbenannt wurde. 1940 erfolgte wieder die Rückbenennung in Kadievka.
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Nr. 101
27. 8. 1937
trieben hatte die Agentur, die von den genannten Agenten (Ingenieur Veceslickij und andere) angeworben worden war, die Aufgabe, die wichtigsten Industriebetriebe bei Kriegsbeginn außer Betrieb zu setzen. [...]4 Stellv. Volkskommissar für Innere Angelegenheiten der Sowjetunion Kommissar der Staatssicherheit 2. Ranges Bel’skij 27. August 1937, Nr. 2475/sn Veröffentlicht in: „Čerez trupy vraga na blago naroda“, Bd. 1, Dok. 42, S. 166–175.
Nr. 101 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin 4 Nr. 101 27. 8. 1937 27. 8. 1937 GEHEIM Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Ausg.-Nr. 244/s1 Berlin, 27. August 1937 An den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Gen. V. POTEMKIN Lieber Vladimir Petrovič, 1) Ich hatte überhaupt nicht beabsichtigt zu empfehlen, unsere Ablehnung, nach Nürnberg zu fahren, noch schärfer zu betonen. Falls Gen. Jurenev am 3. September nach Berlin zurückkehrt2 (was er unabhängig von der Parteitagsfrage zu tun beabsichtigte3), wird seine Rückkehr am Vorabend des Parteitages, wenn alle Botschafter nach Nürnberg abreisen werden, jedoch zweifellos den Eindruck einer gewissen Demonstration hinterlassen, die die Bedeutung der Absage noch verstärkt. Falls dies aus irgendeinem Grund unserer Absicht entsprechen sollte, so ist die Frage klar. Falls dies aber nicht so sein sollte, würde Gen. Jurenev sich besser **bis zum 10. September irgendwo außerhalb Deutschlands aufhalten**4. 4 Im Folgenden sind Information zur Verhaftung von Personen, die wegen ihrer Verbindungen zur rumänischen Residentur in der Ukraine beschuldigt wurden, ausgelassen, sowie zu Verhaftungen von Personen in den Partei- und Staatsstrukturen der Ukraine, die wegen antisowjetischer Tätigkeit und Spionage beschuldigt wurden. 1 2 3
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Jurenev war am 7.8.1937 zum Urlaub in die UdSSR gereist. Gemeint ist der Parteitag der NSDAP in Nürnberg (Parteitag der Arbeit), der vom 6. bis 13.9.1937 stattfand. 4 Am linken Seitenrand hat Potemkin mit rotem Farbstift vermerkt: 17/9.
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27. 8. 1937 Nr. 101 2) Ich hätte von Ihnen gern erfahren, wie ich mich in folgender Angelegenheit verhalten soll. *Die deutsche Presse*5 und insbesondere die zweitrangigen Blätter hören nicht auf, sich uns gegenüber in Niederträchtigkeiten und Beleidigungen zu ergehen. Bisweilen übersteigen diese Ausfälle die normalen Grenzen, indem unsere Regierungsmitglieder persönlich beleidigt werden. *Unsere Presse* zum Beispiel *tastet*, soweit mir bekannt ist, *Neurath, die deutsche Armee usw. nicht an*, während hier die beleidigenden Ausfälle gegenüber Gen. Litvinov, die Rote Armee systematischen Charakters sind, insbesondere in den Zeitschriften. *Wäre es nicht angebracht, von Zeit zu Zeit **die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes darauf aufmerksam zu machen, entweder in Form eines Protestes oder wenigstens in einem entsprechenden Gespräch mit Aschmann?**6 Allerdings müsste man dann natürlich auf ein analoges Vorgehen seitens der Deutschen vorbereitet sein. *Was empfehlen Sie, wie wir uns verhalten sollten?* 4)7 Gen. Jurenev bittet mich, Sie an **die Geldüberweisung (9000 Mark) für ein Auto zu erinnern.**8 Anderenfalls riskieren wir, zu Beginn der diplomatischen Saison ohne Auto dazustehen. Mit kameradschaftlichem Gruß G. Astachov Vermerk V.P. Potemkins mit rotem Farbstift: Wenn Gen. Jurenev hierher kommt, werden wir mit ihm die Fragen persönlich erörtern. Zu den Akten. P. In der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 4465 vom 29.8.1937. Am Ende des Dokuments ist die Anzahl der Exemplare vermerkt: 2 Expl. AVP RF, f. 011, op. 1, p. 3, d. 23, l. 116–115. Original.
5 Der hier und im Folgenden so gekennzeichnete Text wurde von Potemkin mit rotem Farbstift unterstrichen. 6 Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen und Potemkin hat dieser Stelle vermerkt: 1). 7 So im Dokument. 8 Am linken Seitenrand hat Potemkin vermerkt: 2).
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Nr. 102
27. 8. 1937
Nr. 102 Schreiben des Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Nepomnjaščij an den Leiter des Sektors für Handelsvertretungen im Volkskommissariat für Außenhandel Levin Nr. 102 27. 8. 1937 27. 8. 1937 Geheim Expl. Nr. 1 Nr. 470/s1 *27.VIII. 37*2 An das NKVT Leiter des Sektors für Handelsvertretungen Gen. M.I. LEVIN Betrifft unsere Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland. Es sind bereits drei Monate vergangen, und ich habe zu dieser Angelegenheit außer einem knappen Telegramm mit der Unterschrift des Gen. Sud’in nichts von Ihnen bekommen. *Währenddessen ist in den vergangenen drei Monaten diese Frage offenbar erörtert worden und es haben sich *Veränderungen in unserer Politik*3 ergeben – in eine schlechtere oder in eine bessere Richtung*4; mir, dem Handelsvertreter der UdSSR, ist darüber nichts bekannt. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass zwischen der Handelsvertretung und dem Volkskommissariat solch ein tiefer Graben bestehen könnte. Ich meine, dass man uns in dieser Angelegenheit schwerlich irgendwelche Vorwürfe machen kann, weil wir Ihnen den Möglichkeiten entsprechend Informationen schicken. Aber Sie bestätigen leider nicht einmal den Eingang dieser Informationen. Vor meiner Abreise aus Moskau nach Berlin wurde ich in Ihrer Anwesenheit vom Volkskommissar5 beauftragt, das Einverständnis der Deutschen einzuholen, den Abschluss des Abkommens für 1938 zu beschleunigen.6 *Ich habe Ihnen in dieser Angelegenheit aus Berlin einige Mitteilungen zugeschickt, auf die ich leider keine Antwort von Ihnen erhalten habe.*7 Und erst infolge meines Protests bei Gen. Sud’in, dass ich in dieser Angelegenheit keine Antwort erhalte8, erhielt ich eine knappes Telegramm darüber, dass die Angelegenheit an die Instanz weitergeleitet wurde. Zufällig erreichten mich Nachrichten (nicht gesicherte), dass bei der Entscheidung dieser Angelegenheit irgendwelche Schwierigkeiten aufgetreten seien. Ich habe jedoch von Ihnen darüber nichts erfahren. 1 2 3 4 5 6
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Das Datum ist mit Bleistift unterstrichen. Der Text ist mit Tinte unterstrichen. Der Text ist am linken Seitenrand mit Tinte angestrichen. Arkadij Pavlovič Rozengol’c, vgl. Dok. 38, Anm. 9. Das Abkommen zum Handels- und Zahlungsverkehr zwischen Deutschland und der UdSSR für 1938 wurde am 1.3.1938 unterzeichnet. Vgl. Dok. 207, Anm. 16. 7 Der Text ist am linken Seitenrand angestrichen. 8 Vgl. Dok. 78.
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27. 8. 1937 Nr. 102 Mir scheint, es ist Ihre Pflicht, mich eingehend zu informieren, weil ich mit Vertretern der Regierung und mit Vertretern von Firmen zu tun habe und ich über unsere Politik stets richtig informiert sein muss. Verstehen Sie dieses Schreiben nicht so, als ob ich unter allen Umständen ein Abkommen abschließen möchte. Ich fordere lediglich (und ich denke, dass dies vollkommen legitim ist), mich über den Stand der Ereignisse auf dem Laufenden zu halten und regelmäßig zu informieren. In meinem Schreiben an Gen. Sud’in habe ich darauf hingewiesen, dass unser Sektor für Handelsvertretungen so etwas wie das „Außenkommissariat des Volkskommissariats für Außenhandel“ ist. Und deshalb müsste er mit den Handelsvertretern genau die gleiche Art von Beziehungen herstellen, wie sie das Narkomindel mit seinen Bevollmächtigten Vertretern pflegt: auf jeden Brief, auf jedes Telegramm erhält der Bevollmächtigte Vertreter unverzüglich eine Antwort. Ich dagegen muss mir Antworten „erkämpfen“. Um auf das Abkommen mit den Deutschen für das Jahr 1938 zurückzukommen, teile ich mit, dass wir bereits *Aufträge erteilen*9, die 1938 auszuführen sind; jedoch stoßen wir beim Abschluss der Geschäfte auf Schwierigkeiten sowohl beim Aushandeln der Preise als auch bei der Frage der Währung. Mit der Begründung, dass **wir kein *Abkommen für 1938 haben*10, stellen die Firmen die Forderung, dass wir *in Gold oder Devisen* zahlen oder, wie sie es nennen, *in Freimark11*. Die Firmen schließen die Exportprämie nicht in ihre Kalkulationen ein und begründen dies damit, dass angesichts des Fehlens eines Abkommens für 1938 das Wirtschaftsministerium *ihnen diese Prämie* verweigert.**12 Als Anschauungsmaterial füge ich den an mich gerichteten Bericht des Beauftragten von Sojuzmetimport, Gen. Gorodinskij, sowie einige Offerten bei. Ich hoffe mit der eingehenden Post von Ihnen eine ausführliche Information über den Stand, in dem sich diese Frage zum jetzigen Zeitpunkt befindet, und über die Veränderungen, die in unserer Politik gegenüber Deutschland eingetreten sind, zu erhalten. Ich bitte Sie, dieses Schreiben den Gen. Sud’in und Kandelaki zur Kenntnis zu bringen. HANDELSVERTRETER DER UDSSR IN DEUTSCHLAND L.L. Nepomnjaščij Anlage: in 3 Blatt13. Anweisung M.I. Levins mit Bleistift: Es ist zu antworten, dass es noch keine Beschlüsse gibt. ML[evin]. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel der Geheimgruppe des NKVT mit der Eingangs-Nr. 8034/81 vom 29.8.1937. 9 10 11
Der Text ist mit Tinte unterstrichen. Diese und die folgenden vier Textstellen sind mit Tinte unterstrichen. Als Freimark werden die Reichsmarkbestände bezeichnet, die sich auf speziellen Konten befanden und für den freien Geldumlauf vorgesehen waren. 12 Der Text ist am linken Seitenrand mit einer Wellenlinie in Tinte angestrichen. 13 Wird nicht veröffentlicht; vgl. RGAE f. 413, op. 12, d. 2510, l. 81-83.
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Nr. 103
28. 8. 1937
Auf dem Dokument gibt es außerdem Vermerke mit Tinte und mit Bleistift über Kenntnisnahmen sowie Geschäftsvermerke. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 2 Expl. Nr. 1 an das NKVT, Nr. 2 zu den Akten. Auf Kopfbogen der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland geschrieben. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2510, l. 78–80. Original.
Nr. 103 Memorandum des NKID an die Deutsche Botschaft Moskau Nr. 103 28. 8. 1937 28. 8. 1937 Moskau, den 28. August 1937 Übersetzung Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten N 131 An die Deutsche Botschaft, Moskau Memorandum Das Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten hat von dem Memorandum der Deutschen Botschaft vom 2. August d. J.1 betreffend die Frage der Einschränkung des deutschen Konsularnetzes in der Sowjetunion Kenntnis genommen. Die im deutschen Memorandum zu Gunsten der Aufrechterhaltung dieses Netzes angeführten Gründe erscheinen dem Volkskommissariat nicht genügend überzeugend. I. In dem Memorandum der Botschaft wird auf den Rapallo-Vertrag2 Bezug genommen. Diese Bezugnahme hat indessen keinerlei Beziehung zum Wesen der Frage. Der Rapallo-Vertrag stellt nur die Tatsache der Wiederaufnahme der konsularischen Beziehungen fest. Es versteht sich von selbst, dass eine gewisse Einschränkung der Zahl der Deutschen Konsulate in der Sowjetunion in keiner Weise die Tatsache ihres Bestehens überhaupt berührt. Die Botschaft bezieht sich auf die Unmöglichkeit der einseitigen Auflösung des Übereinkommens über das Vorhandensein der deutschen Konsulate in der Stadt Wladiwostok und in der Stadt Odessa. Hierzu muss bemerkt werden, dass das Vorhandensein eines ausländischen Konsulats in irgendeinem Staate nur mit gegenseitiger Zustimmung des empfangenden und des entsendenden Staates möglich ist. *Selbstverständlich kann unter keinen Umständen das Vorhandensein von ausländischen Konsulaten auf dem Territorium eines souveränen Staates gegen den Willen dieses Staates als zulässig anerkannt werden.*3 Der Empfangsstaat kann keinerlei Beschränkung seines Rechtes, auf seinem eigenen Territorium sein eigener Herr zu sein, dulden. Beim Vorliegen *veränderter 1 Das Memorandum (vgl. PA AA, R 104371, Bl. E 486044-486047) wurde mit „einige[n] unerhebliche[n] Änderungen“ am 2.8.1937 an das AA geschickt. In: PA AA, R 104371, Bl. E 019541. 2 Vgl. Reichsgesetzblatt 1922, Teil II, S. 677–680. 3 Der Satz ist am Seitenrand angestrichen
376
28. 8. 1937 Nr. 103 Umstände*4 seit der Zeit der Eröffnung irgendeines ausländischen Konsulats, wie z. B. bei offenbarem Fehlen auf Seiten des das Konsulat unterhaltenden Staates der realen Voraussetzungen für die weitere Unterhaltung des Konsulats (wie z. B. beim Nichtvorhandensein in den betreffenden Bezirken einer Kolonie von Staatsangehörigen des das Konsulat einrichtenden Staates oder beim Nichtvorhandensein örtlicher wirtschaftlicher, finanzieller und Schifffahrtsinteressen) hat der Empfangsstaat vollen Grund, darauf hinzuweisen, dass das weitere Bestehen eines solchen Konsulats nach seiner Meinung keine Notwendigkeit darstellt. Hinzuzufügen ist, dass auch die Gewährung der bekannten internationalen *Privilegien*5 an das offizielle Personal des Konsulats dem objektiven Nutzen entsprechen muss, den das Konsulat der Sache der gegenseitigen Beziehungen der beiden Staaten bringt. II. Die Deutsche Botschaft bezieht sich darauf, dass in denjenigen Orten, wo eine Auflösung deutscher Konsulate vorgeschlagen ist, sich Konsulate anderer Staaten befinden. Die Botschaft bemerkt, dass vom Standpunkt der internationalen Gepflogenheiten jeder Staat das Recht hat, seine Konsulate an den Orten zu eröffnen, wo sich auch die Konsulate anderer Staaten befinden. Im Konsularvertrag zwischen der Sowjetunion und Deutschland ist indessen eine derartige Bestimmung nicht enthalten. Daraus ergibt sich, dass die vertragsschließenden Teile es nicht für notwendig befanden, die erwähnte Bestimmung in ihren gegenseitigen Beziehungen anzuwenden. Daher ist auch der Einwand der Deutschen Botschaft unbegründet. III. Die Botschaft weist auf die Notwendigkeit der Sowjetunion durch die Konsulate hin und bezieht sich dabei auf das Vorliegen besonderer Umstände. Das Volkskommissariat erkennt seinerseits das Vorhandensein von Umständen solcher Art nicht. Falls die Deutsche Botschaft Maßnahmen im Auge hat, welche die Sowjetbehörden gezwungen sind, in bestimmten Fällen gegenüber ausländischen Staatsangehörigen anzuwenden, die den ihnen gestatteten Aufenthalt auf dem Territorium der Sowjetunion missbrauchen und die ihre Tätigkeit gegen die staatliche Ordnung und gegen die Regierung des Landes richten, das ihnen Gastfreundschaft gewährt, so ist dieses, von der Deutschen Botschaft vorgebrachte Argument, überhaupt nicht diskutabel. *Die Betreuung von Ausländern, die sich mit staatsfeindlicher Tätigkeit befassen, kann selbstverständlich weder als normale Funktion eines Konsulats noch als genügende Begründung für das Vorhandensein des Konsulats anerkannt werden.*6 IV. Der Versuch der Deutschen Botschaft, die Frage des Konsularnetzes mit der Frage der *Handelsvertretung* der UdSSR in Deutschland in Verbindung zu bringen ruft das *Befremden*7 des Volkskommissariats hervor. Die Handelsvertretung erfüllt besondere Funktionen, die in dem Vertrage vom 12. Oktober 1925 genau festgelegt sind und keinerlei Beziehung zur Konsulatsarbeit haben. Dies bezeugt völlig klar auch die Tatsache, dass das Regime für die Handelsvertretung und das Regime für die Konsulate in verschiedenen vollständig voneinander unabhängigen völkerrechtlichen Akten festgelegt sind. 4 5
Der Text ist unterstrichen. Das Wort ist unterstrichen. Außerdem ist der letzte Satz des Abschnitts am Seitenrand angestrichen. 6 Der Satz ist am Seitenrand angestrichen. 7 Die beiden Wörter sind unterstrichen.
377
Nr. 104
29. 8. 1937
In Übereinstimmung mit allem oben Gesagten *erwartet*8 das Volkskommissariat, dass das deutsche Konsularnetz der Sowjetunion bis auf zwei Konsulate eingeschränkt wird. Gleichzeitig bittet das Volkskommissariat die Deutsche Botschaft um Mitteilung, welche fünf Konsulate geschlossen werden. Das Volkskommissariat erinnert daran, dass *in jedem Falle die Konsulate in Wladiwostok und in Odessa der Einziehung unterliegen*9. Auf erstem Blatt unten: Pol. V 5484/37. PA AA, R 104371, Bl. E 019544-019547.
8
9
Nr. 104 Meldung des Volkskommissars für Innere Angelegenheiten Ežov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin Nr. 104 29. 8. 1937 29. 8. 1937 GANZ GEHEIM [29. August 1937] AN DEN SEKRETÄR DES ZK DER VKP (B) Gen. STALIN Ich übersende die Kopie des Telegramms unter der Nr. 961 des Chefs des UNKVD für das Gebiet Sverdlovsk Gen. DMITRIEV zum Stand der Ermittlung in der deutschen Angelegenheit.1 VOLKSKOMMISSAR FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN DER UdSSR, GENERALKOMMISSAR DER STAATSSICHERHEIT EŽOV 29. August 1937 Nr. 595232 Ganz geheim MEMORANDUM Nr. 28454 Aus SVERDLOVSK 26. August 1937 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN DER UdSSR Gen. EŽOV Ich lege den ausführlicheren Bericht zum Ermittlungsstand in der deutschen Angelegenheit mit Stand vom 25.VIII. d. J. vor. 8 9
Das Wort ist unterstrichen. Der Text ist unterstrichen
1 2
Vgl. Dok. 77. Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben.
378
29. 8. 1937 Nr. 104 Nach der Aussage der verhafteten und geständigen deutschen Staatsangehörigen und sowjetischen Bürger ist eine höchst bedeutsame Tätigkeit der deutschen Aufklärung im Ural festzustellen. Seit dem Jahr 1930 entsenden die deutsche Reichswehr, in der Folgezeit die GESTAPO und die Nationalsozialistische Organisation ihre Agenten in den Ural und stellen ihnen die Aufgabe, in Rüstungsbetrieben Fuß zu fassen und den Kontakt zu den im Ural bestehenden konterrevolutionären Organisationen und Gruppen aufzunehmen. Die deutsche Aufklärung stellt ihre Agentur auf die Arbeit im Ural um, die bis dahin für die Zerschlagung und Durchleuchtung der kommunistischen Bewegung in Deutschland eingesetzt wurde. Eine besonders vertrauenswürdige Person der deutschen Spionage, der österreichische Staatsangehörige STOCKMAR, stellte den Kontakt zur konterrevolutionären Organisation der Rechten in Person von PAVLOVSKIJ, des Sekretärs des Stadtparteikomitees von Vorošilov, her, zu CIFRINOVIČ, Geschäftsführer von Sojuzlank3, auch zu anderen Personen und band sie in die Spionagetätigkeit für die deutsche Aufklärung ein. Zur gleichen Zeit ergreift KABAKOV über einzelne Mitglieder der Organisation der Rechten Maßnahmen, um Kontakte zur deutschen Regierung herzustellen. Gegenseitige Bemühungen um die Herstellung von Kontakten für eine gemeinsame konterrevolutionäre Tätigkeit führten zu der von den Deutschen geleiteten konterrevolutionären Tätigkeit der Rechten im Ural. Die Deutschen leiteten die Tätigkeit des Stabes der Aufständischen im Ural und bewilligten ihm über 300.000 Rubel. Der erwähnte STOCKMAR berichtete von dem großen Interesse, das die deutsche Reichswehr 1935 an den Tag legte, als ihr Informationen über die Existenz des Stabes der Aufständischen im Ural zugetragen wurden. In dieser Sache wurde STOCKMAR zweimal zu Treffen mit einem Vertreter der Reichswehr nach Wien gerufen, der dafür aus Berlin anreiste. Die deutsche Residentur, die im Uralmašzavod tätig war, besitzt eine aus Kulaken bestehende aufständische Grundorganisation, die im Uralmašzavod getarnt als angebliche Meister und Arbeiter Fuß gefasst hat. Von gleicher Art war die aufständische Grundorganisation, die unmittelbar mit der deutschen Spionage verbunden war und die im Wasserkraftwerk an der Kama4 aufgedeckt wurde. Die aufständische Grundorganisation wurde hier von einem Spion, dem deutschen Staatsangehörigen KARL ROJGE5 geleitet. CIFRINOVIČ stand während seiner Dienstreise ins Ausland mit HEß in Verbindung und mit DIEHN, dem Leiter des Kalisyndikats. Die deutsche Spionage spannte für ihre Tätigkeit ein: den *Direktor des Werkes Nr. 98* 6 *MALYŠEV* 7 , den Direktor des Geschützwerkes in Molotovo
3 4 5
So im Dokument; Cifrinovič war Geschäftsführer der Vereinigung „Sojuzkali“. Das Kama-Wasserkraftwerk befand sich zu diesem Zeitpunkt im Bau. So im Dokument; richtig: Rogge. Vgl. Rückkehrer-Vernehmungsakte in: PA AA, R 152993. 6 Die hier und im so Folgenden gekennzeichneten Textstellen (außer Namen) wurden von Stalin mit blauem Farbstift unterstrichen. 7 Die hier und im Folgenden so gekennzeichneten Familiennamen wurden von Stalin mit blauem Farbstift umkringelt.
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Nr. 104
29. 8. 1937
*PREMUDROV*, den Direktor des Werkes in Verchisetsk * KOLGULIKIN*8, den Direktor des Rüstungswerkes Nr. 10 *PETRAŠKO*, den Direktor des Chemiekombinates *PUČKOV* in Berezniki und seinen Stellvertreter *RYCLIN*, den Chef der Kaganovič-Eisenbahnlinie *ŠACHGIL’DJAN*9, den Sekretär des Stadtparteikomitees von Molotovo *VYSOČINENKO*, den Vorsitzenden des Stadtsowjets von Molotovo *FEDORENKO* und andere Leitungspersonen. In einem breiten Umfang war die Spionage in Rüstungsbetrieben organisiert, so in den Werken Nr. 98, 10, 172, 19 und anderen. Die Deutschen erhielten Informationen zur Art der Produktion, zum Umfang der Produktion, der Nomenklatur der Produktion und andere Informationen. Zeitgleich wurde im Uralmašzavod, in den Kombinaten von Berezniki und Solikamsk, im Werk Nr. 10 und in anderen Betrieben eine starke Diversionsorganisation aufgebaut. Die Organisation zerstörte Werkbänke, organisierte Ausschuss, verursachte und führte Havarien durch. Es wurden Kader für eine Sabotagetätigkeit für die Kriegszeit ausgebildet. Es wurde eine Reihe von neuen Urhebern der Brände im Uralmašzavod, die 1933 ausbrachen, ermittelt. Seinerzeit wurde die Schuld des deutschen Staatsangehörigen JOST10 an den Bränden festgestellt, jetzt lässt sich jedoch die Beteiligung einer ganzen Gruppe von deutschen Staatsangehörigen an der Vorbereitung dieses Brandes feststellen. Es wurde eine Reihe sowjetischer Bürger ermittelt, die unmittelbar an diesem Brand beteiligt waren. *Es wurde als sicher festgestellt: Der Direktor von Uralmašzavod, VLADIMIROV*, von uns zuvor als Beteiligter an der konterrevolutionären Organisation der Rechten entlarvt, war ein deutscher Spion. *Er wurde 1933 bei einem Aufenthalt in Deutschland angeworben, er stand mit dem verantwortlichen Mitarbeiter der Deutschen Botschaft* *HENSEL*, dem Leiter der nationalsozialistischen Organisation an der Deutschen Botschaft in Moskau, in Kontakt. Die Residentur im Uralmašzavod, die aus 14 deutschen Staatsangehörigen bestand, erhielt aus dem Ausland für die Spionage- und Diversionstätigkeit 200.000 Rubel, die sowohl unter den Deutschen als auch unter den angeworbenen sowjetischen Bürgern aufgeteilt wurden. Die aktivsten Organisatoren von Spionagetätigkeit aus der Gruppe der deutschen Staatsangehörigen waren die Offiziere der deutschen Reichswehr, die regelmäßig mit Aufträgen der Reichswehr aus dem Ausland einreisten. Sobald sie kleine Zellen gebildet hatten, die im Weiteren selbständig konterrevolutionäre Tätigkeiten durchführen konnten, reisten die Offiziere der Reichswehr ins Ausland ab. Es wurde festgestellt, dass der Offizier der Reichswehr GRIMM, der 1933 nach Solikamsk kam und sich dort ungefähr ein Jahr aufhielt, die erforderlichen Kontakte herstellte; danach wurde er nach Belgien abkommandiert, um dort Sabotagetätigkeit in Gang zu bringen. Wilhelm ROGGE und andere aktive deutsche Spione wurden nach Erledigung ihrer Aufträge in Solikamsk im Jahr 1933 für eine ähnliche Tätigkeit nach Frankreich versetzt. 8 9 10
So im Dokument; richtig: Kol’guškin. So im Dokument; richtig: Šachgil’jan. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 1, Dok. 472, S. 1255–1256. Siehe auch Rückkehrer-Vernehmungsakte in: PA AA, R 151555.
380
1. 9. 1937 Nr. 105 Entlarvt wurde ein Ingenieur von Uralmašzavod, der deutsche Staatsangehörige SATTLER, der der Leiter der nationalsozialistischen Organisation im Ural war. SATTLER hat dies eingestanden. Wir führen die Ermittlungen in verstärktem Tempo fort und nehmen zusätzliche Verhaftungen vor. DMITRIEV 25.VIII Nr. 961 Für die Richtigkeit:
Chef der 1. Abteilung des Sekretariats des NKVD Leutnant der Staatssicherheit11
Alencev
Anweisung von I.V. Stalin auf dem Begleitschreiben mit blauem Farbstift: an Gen. Ežov. Wer von den genannten Personen verhaftet wurde, wer nicht – aus der Meldung Dmitrievs ist dies nicht zu verstehen. Vladimirov muss man verhaften. St[alin]. RGANI, f. 3, op. 58, d. 254, l. 98–103. Original. Veröffentlicht in: Lubjanka, Stalin i Glavnoe upravlenie gosbezopasnosti NKVD, Dok. 182, S. 331–332.12
Nr. 105 Bericht des Stellv. des Chefs der Char’kover Bezirksverwaltung des NKVD der Ukrainischen SSR Rejchman und des Chefs der 3. Verwaltungsabteilung für Staatssicherheit der UNKVD des Bezirks Char’kov Fišer an den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten der Ukrainischen SSR Leplevskij Nr. 105 1. 9. 1937 1. 9. 1937 [1.9.1937] NKVD der USSR Bez[irks]verwaltung Char’kov AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN DER USSR Kommissar der Staatssicherheit II. Ranges Gen. LEPLEVSKIJ Kiev BERICHT Über die Ergebnisse der operativen Arbeit der Char’kover Bezirksverwaltung des NKVD zur Bekämpfung der deutschen Spionage und der Konterrevolution Mit Stand vom 1/IX-1937 Die Char’kover Bezirksverwaltung des NKVD hat in den letzten 3 Monaten einige Fälle deutscher Spionage und Diversion aufgedeckt und liquidiert. 11 12
Funktion als Stempel. Das Dokument wurde mit Kürzungen und in redaktioneller Bearbeitung veröffentlicht.
381
Nr. 105
1. 9. 1937
In einigen Fällen sind die Ermittlungen bereits abgeschlossen und die Verhafteten abgeurteilt. Zum 1. September sind die Ermittlungsverfahren in 6 Gruppenfällen abgeschlossen, es wurden 102 Personen abgeurteilt. Bis zum 1. September erfolgten in deutschen Fällen 139 Verhaftungen, davon entfallen auf die Stadt 127 Verhaftungen und auf die Peripherie 12. Aus der Gesamtzahl wurden 89 Personen in 7 Gruppenfällen verhaftet, 50 Personen als Einzeltäter. Die Verhaftungen wegen deutscher Spionage, Diversion und nationalistischer Konterrevolution entfallen auf folgende Kategorien: Deutsche Staatsangehörige 25 Angehörige anderer Staaten 4 Politemigranten aus Deutschland 5 Politemigranten aus anderen Ländern 7 2 Schutzbündler1 Bürger der UdSSR _____ 96 Gesamt: 139 Die von uns verhafteten Personen entfallen auf: Arbeitsstelle
Verteidigungsindustrie
Ausl[ändische] Politemigr[anten] Schutzbündler Bürg[er] der Gesamt Bürger UdSSR 25
1
-
6
32
Sonstige Industriebetriebe
-
5
2
-
7
Eisenb[ahn]transport
4
-
-
8
12
Trusts, St[aats]apparat, gesellschaft[liche] Institut[ionen]
-
3
-
63
66
Wiss[enschafts-] und Lehreinrichtungen
-
3
-
7
10
Landwirtschaft
-
-
-
12
12
29
12
2
96
139
Gesamt
1 Im Februar 1934 fanden an verschiedenen Orten Österreichs Kämpfe vor allem zwischen dem Republikanischem Schutzbund der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und der Heimwehr unter der Regierung Dollfuß statt, in deren Gefolge mehrere hundert Menschen starben und hunderte Schutzbündler über die Tschechoslowakei in die UdSSR flüchteten. Vgl. auch Dok. 383.
382
1. 9. 1937 Nr. 105 Aus diesen Angaben ist ersichtlich, dass aufgrund des Befehls des Volkskommissars für Innere Angelegenheiten der UdSSR und Generalkommissars für Staatssicherheit Gen. EŽOV2 Verhaftungen vorgenommen wurden: 1) von in der Verteidigungsindustrie in Char’kov beschäftigten deutschen Staatsbürgern; 2) von der deutschen Spionage und Diversion verdächtigen Politemigranten, die zu verschiedenen Zeiten aus Deutschland und aus anderen Ländern in die UdSSR kamen. Durch die Ermittlungsverfahren gegen die deutschen Spione und Diversanten konnte eine bedeutende Anzahl sowjetischer Bürger festgestellt werden, die an der Tätigkeit deutscher Spionageorgane beteiligt waren. Bis zum 1/IX wurden von dieser Personengruppe 96 Personen verhaftet. Es ist anzumerken, dass wir den notwendigen und massenhaften Umfang der deutschen Operation noch nicht erreicht haben. Zurzeit beabsichtigen wir, in den nächsten Tagen 96 Personen zu verhaften: davon 60 Personen in der Stadt und 36 in der Peripherie. Die zur Verhaftung vorgesehenen Personen setzen sich wie folgt zusammen. – deutsche Staatsbürger 13 – ehem[alige] deu[tsche] Staatsb[ürger], die die sowjetische Staatsbürgerschaft angenommen haben 5 – Angehörige anderer Staaten 7 – Politemigranten aus Deutschland 3 – Schutzbündler 8 – Bürger der UdSSR 60 Davon: aufgrund von Aussagen 9 ehemalige Kriegsgefangene 15 Sonderumsiedler aus dem Grenzgebiet 36 Unter den zur Verhaftung vorgesehenen Personen gibt es: deutsche Staatsangehörige, die in Trusts und in sowj[etischen] Einrichtungen arbeiten 13 ehemalige deutsche Staatsangehörige, die in der Verteidigungsindustrie arbeiten 5 Im Zuge der Ausweitung der Ermittlungen zu den von uns erledigten Fällen werden wir neue Verhaftungen vornehmen. _________ ANALYSE DER ARBEIT DER DEUTSCHEN SPIONAGEORGANE Aus dem Material der von uns aufgedeckten und liquidierten Fälle der deutschen Spionage und Diversion geht hervor, dass die ausländischen Zentren der deutschen Spionage und das deutsche Konsulat in Char’kov aktive Spionage- und Diversionsarbeit im Bezirk Char’kov betreiben. Die aufgedeckten Fälle beweisen, dass die Tätigkeit der deutschen Spionage eng mit den konterrevolutionären trotzkistischen und „rechten“ Elementen sowie 2
Vgl. Dok. 77.
383
Nr. 105
1. 9. 1937
mit den ukrainischen Nationalisten außerhalb und innerhalb des Landes verflochten ist. Nachfolgend führen wir die Fälle an, die eine größere Aufmerksamkeit verdienen. Das von den Auslandszentren der deutschen Aufklärung aufgebaute Spionage- und Diversionsnetz Aus den Materialien der aufgedeckten Untersuchungsfälle geht hervor, dass die Agentur der Gestapo und der deutschen Aufklärung, deren Angehörige als angebliche Fachleute in die Sowjetunion gekommen sind, in unseren Betrieben und wissenschaftlichen Einrichtungen ein umfangreiches Spionage- und Diversionsnetz aufbaut. Enttarnte Spionageorganisationen: Der Fall „CREDO“. Im Ukrainischen Physikalisch-Technischen Institut ist eine konterrevolutionäre und trotzkistische Spionage- und Diversionsorganisation aufgedeckt worden, die von einem Agenten der deutschen Aufklärung, dem österreichischen Staatsangehörigen und Ausl[ands]fachmann WEIßBERG geleitet wird. Aufgrund der Aussagen der in diesem Fall verhafteten Mitglieder der konterrevolutionären Organisation – ŠUBNIKOV, ROZENKEVIČ und LESSIK – wurde Folgendes festgestellt: Die Organisation hat über Jahre hinweg Schädlingsarbeit im Ukrainischen Physikalisch-Technischen Institut (UFTI) betrieben, sie sabotierte die Arbeit des für die Verteidigung wichtigen Instituts und legte wertvolle Erfindungen und Vorschläge von sowjetischen Fachleuten auf Eis. Mitglieder der Organisation haben insbesondere Arbeiten auf dem Gebiet der Konstruktion von Ionenwandlern sabotiert, Materialien zu den Dewardgefäßen für die Aufbewahrung von flüssigem Sauerstoff zurückgehalten, die Arbeit am Einsatz von flüssigem Wasserstoff als Brennstoff für Flugzeugmotore sabotiert, die Forschungsarbeit zur praktischen Anwendung von niedrigen Temperaturen behindert, die Nutzung der Versuchsstation für Tiefkühlung, für die ca. 10 Mio. Rubel ausgegeben wurden, sabotiert. Eine ganze Reihe sowjetischer Fachleute, die wertvolle Vorschläge und Erfindungen eingebracht hatten, wurde unter verschiedenen Vorwänden aus dem Institut verdrängt (Bunimovič, Pjatigorskij, Pomazanov, Želechovskij und andere). Aktives Mitglied der konterrevolutionären Organisation ist der Institutsdirektor, Akademiemitglied LEJPUNSKIJ, der in engem Kontakt zu den trotzkistischen und sinowjewistisch-bucharinschen Elementen steht und umfangreiche Zersetzungsarbeit im Institut betrieben hat. Die in diesem Fall verhaftete ehemalige Leiterin des deutschen Klubs LESSIK sagte aus, dass neben WEIßBERG auch VLACH (er ist im Donbass verhaftet worden) als Leiter der Organisation fungierte. LESSIK sagt aus, dass unter dem Deckmantel des deutschen Klubs Mitglieder der Organisation aktive faschistische Propaganda betrieben und Personen im Sinne der konterrevolutionären Organisation bearbeitet haben. Das beim Klub bestehende sogenannte „internationale Bataillon“, das formal für Osoaviachim tätig war, diente in Wirklichkeit dazu, Kader für bewaffnete Aufstände im Hinterland für den Fall eines Krieges zwischen Deutschland und der UdSSR auszubilden.
384
1. 9. 1937 Nr. 105 Laut ihrer [Lessiks] Aussage haben die Leiter der Organisation Anfang 1934 den Terror gegen Mitglieder der sowjetischen Regierung zur Hauptaufgabe gemacht, wozu Anweisungen von den trotzkistischen Zentren im Ausland eingingen. Die Organisation bestimmte konkrete Täter für terroristische Akte, die in verschiedenen Revolvertypen unterwiesen und im praktischen Schießen ausgebildet wurden. In diesem Fall wurden 7 Personen verhaftet. Weitere Verhaftungen sind vorgesehen. Der Fall ŽDANOV. Im Kreis Dikan’ka wurde eine von dem deutschen Spion ŽDANOV geschaffene konterrevolutionäre faschistische Organisation aufgedeckt. Die Kader dieser Organisation setzten sich aus dem örtlichen Kulakentum und anderen der Sowjetmacht feindlich gesinnten Elementen zusammen. Die Mitglieder der Organisation leisteten den Maßnahmen von Partei und Regierung zum Leben auf dem Lande Widerstand und trafen Vorbereitungen für die Ausübung von Diversionsakten in den Kolchosen. In diesem Fall wurden 8 Personen verhaftet. Die Aufdeckung der Residentur der deutschen Aufklärung Der Fall BOSSE. Der verhaftete Oberingenieur und Konstrukteur des Trusts Trustal’proekt, der Deutsche BOSSE, gestand, dass er seit 1931 der Resident der deutschen Aufklärung gewesen sei, auf deren Weisung er Schädlings-, Spionageund Diversionsarbeit in der UdSSR betrieben habe. Angeworben wurde er von seinem Verwandten WAGNER, einem führenden deutschen Spion, der als Vertreter der Firma „Eickhoff“ in die UdSSR gekommen war. BOSSE lieferte der deutschen Aufklärung umfangreiche Spionageinformationen; er führte Beschädigungen bei den Ausrüstungen für Fabriken und Werken sowie für die Kohleindustrie aus. BOSSE warb 6 Personen für eine Tätigkeit zugunsten Deutschlands an und legte persönlich ein Verzeichnis der Brücken im Raum des Char’kover Knotenpunktes an, um im Kriegsfall Diversionsakte zu verüben. Der Fall WICKLEIN. Wir haben die Residentur der deutschen Aufklärung aufgedeckt und liquidiert, die von dem Residenten der Gestapo, dem deutschen Staatsbürger WICKLEIN3, einem Ingenieur des Maschinenbaubetriebes in der Stadt Sumy geleitet wurde. Bei der Hausdurchsuchung bei WICKLEIN wurden einige Spionagematerialien sichergestellt. In dem Ermittlungsverfahren gestand WICKLEIN, dass er 1935 in Berlin von dem Gestapomitarbeiter Major ČOKKE4 angeworben worden sei und einige Aufträge zur Spionage und Diversion erhalten habe. In der Folge nahm WICKLEIN in der UdSSR Kontakt zum deutschen Konsul in Char’kov, EHRT, auf. Auf dessen Weisung erstellte er für die Diversion geeignete Punkte im Frunse-Werk, im Elektrokraftwerk und bei der Eisenbahn. 3 Zu den Umständen der Verhaftung Wickleins vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 599, S. 1497. 4 Die Identität der Person ist unklar; möglicherweise ist ist Fritz Tschunke gemeint.
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WICKLEIN warb 5 Personen für die Spionage- und Diversionstätigkeit an. Im vorliegenden Fall wurden die 8 verhafteten Personen verurteilt. Der Fall FLEMMING. Wir haben den Residenten der deutschen Aufklärung, den ehem[aligen] Ökonomen des Char’kover Werkes für Turbogeneratoren FLEMMING verhaftet, der 1931 zum letzten Mal im Auftrag der Gestapo in die UdSSR kam, um in den Industriebetrieben in Char’kov eine Spionage- und Diversionsgruppe zu bilden. FLEMMING gestand, dass er ein alter Provokateur der deutschen Polizei ist und auf deren Weisung in der deutschen Kommunistischen Partei tätig war. Als er in Deutschland lebte, stand er mit der Gruppe BRANDLER-THALHEIMER in Verbindung, und während seiner ersten Reise in die UdSSR im Jahr 1926 war er Verbindungsmann zwischen dem Trotzkisten RJAZANOV, dem ehem[aligen] Direktor des Marx-Lenin-Instituts5, und DITTLOFF, dem ehemaligen Direktor der Konzession „Drusag“. Während seiner zweiten Reise in die UdSSR baute er ein umfangreiches Diversionsnetz in den Char’kover Werken auf: im CHĖTZ, „Serp i molot“, „Podvesdor“ und im „Teploėlektrocentral’“. Bei seiner konterrevolutionären Arbeit stand er mit dem deutschen Konsulat in Char’kov in Verbindung und drang in dessen Auftrag er in unseren Geheimapparat ein. In diesem Fall wurden 7 Personen verhaftet. Der Fall „PRAGA“. Wir haben die Residentur liquidiert, die von der Agentin der deutschen Spionage RAMBKE-ARACKAJA6 geleitet wurde. Sie kam 1933 mit dem Auftrag der Führung der Nationalsozialistischen Partei Deutschlands in die UdSSR, auf dem Gebiet der UdSSR Spionage zu betreiben und konterrevolutionäre nationalistische und faschistische Arbeit zu leisten. RAMBKE, die in der Vergangenheit aktives Mitglied der NSDAP war, setzte den erhaltenen Auftrag im engen Kontakt mit dem deutschen Konsulat in Char’kov um. Ihren Aussagen zufolge zog sie für die konterrevolutionäre Spionagetätigkeit eine große Gruppe von Personen heran, von denen sie Informationen nachrichtendienstlichen Charakters erhielt. Zur aktiven konterrevolutionären Aufklärungsarbeit setzte sie ihre Bekannten aus Galizien, die Brüder LOZINSKIJ, ein, die 1927 im Auftrag des Prager Zentrums der „UVO“7 in die UdSSR gekommen waren. Die beiden warben ihrerseits 8 Personen an. In diesem Fall wurden 3 Personen verhaftet. Weitere Verhaftungen sind vorgesehen. Das von dem deutschen Konsulat in Char’kov aufgebaute Spionage- und Diversionsnetz In letzter Zeit haben wir einige vom deutschen Konsulat in Char’kov aufgebaute konterrevolutionäre faschistische Organisationen und Spionageresidenturen aufgedeckt und liquidiert. 5 So im Dokument; richtig: Marx-Engels-Institut, seit November 1931 Marx-Engels-LeninInstitut. 6 Vgl. die Rückkerer-Vernehmungsakte des Vaters Karl Rambke in: PA AA, R 152832. 7 UVO = ukrainische Militärorganisation.
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1. 9. 1937 Nr. 105 Diese Fälle belegen die umfangreiche antisowjetische Arbeit, die vom deutschen Konsulat in Char’kov betrieben wird. Aufgedeckte Spionageorganisationen Der Fall „OZVERELYE8“. Wir haben eine starke faschistische Spionage- und Diversionsorganisation aufgedeckt, die vom Deutschen Konsulat in Char’kov geführt und von dem Residenten der deutschen Aufklärung GRIŠEL’, dem ehem[aligen] Leit[er] des Ausl[ands]büros des Bezirksgewerkschaftsrates, und von POL’MAN, dem ehemaligen Instrukteur des Bezirkskomitees der MOPR, geleitet wurde. Aus den Aussagen der in diesem Fall verhafteten Personen wird die umfangreiche Spionage- und Diversionstätigkeit der Mitglieder dieser Organisation deutlich. Diese Organisation hatte in allen Großbetrieben Char’kovs, im CHĖTZ, im „Serp i Molot“, im CHTZ9, Diversionszellen gebildet. Als wichtigste Kanäle für die Anwerbetätigkeit der Organisation dienten sowjetische Institutionen, die mit den Politemigranten und Schutzbündlern zu tun hatten (das Ausl[ands]büro des Bezirksgewerkschaftsrates, das Bezirkskomitee der MOPR und die Ausl[ands]abteilungen der Großbetriebe). Die Leiter der Organisation, die sich in diese Bereiche eingeschleust hatten, nutzten ihre Dienststellung, um eine breite Anwerbe- sowie Spionage- und Diversionstätigkeit sowohl in der Stadt als auch in der Peripherie zu betreiben. Einem der Leiter der Organisation, POL’MAN, gelang es, unter dem Deckmantel der MOPR Diversionszellen im Kreis Petrovskoe und im Staatlichen Artilleriereparaturwerk in Balakleja zu bilden. Den Mitgliedern der Organisation POL’MAN, ABIDOR, UŠAN und DONIN gelang es, den Apparat des Bezirkskomitees der MOPR in ihre Hände zu bekommen und ihn faktisch zur Tarnung für ihre Spionage- und Diversionstätigkeit zu machen. Außerdem waren sie bestrebt, auch die eigentliche Tätigkeit der MOPR in eine schädliche, antisowjetische Richtung umzulenken. Die Leiter der Organisation POL’MAN und GRIŠEL’ stellten Kontakt zu einer aktiven Gruppe von Mitgliedern der „OUN-UVO“10 her, die 1932 in die UdSSR unter dem Deckmantel von politischen Gefangenen (VANTUCH, CHOMIN und andere) gekommen waren. Dazu kamen Schutzbündler, die in sowjetischen Betrieben arbeiteten und die sie für ihre Spionagetätigkeit einspannten. In diesem Fall wurden 33 Personen verhaftet. Der Fall „CHAMELEONY“. Es wurde eine konterrevolutionäre und monarchistische Organisation enttarnt, die vom deutschen Konsulat über den ehemaligen Angestellten des Konsulats, FEDČENKO, gegründet worden war. Die Organisation führte aktive antisowjetische Agitation durch, sammelte für das Konsulat Informationen nachrichtendienstlichen Charakters und bereitete die Ausübung terroristische Akte gegen Regierungsmitglieder vor. 8 9 10
Übersetzt: Die Bestien. Char’kover Traktorenwerk. OUN – Organisation Ukrainischer Nationalisten.
387
Nr. 105
1. 9. 1937
Der Organisation gehörten ehemalige Beamte, Adlige, Söhne von Popen und sonstige konterrevolutionäre Elemente an. In diesem Fall wurden 80 Personen verhaftet. Der Fall TREMBAČ und andere. Von uns wird zurzeit eine Spionage- und Diversionsorganisation ausgehoben, die vom deutschen Konsulat im Kreis Barvenskovo im Bezirk Char’kov gebildet worden ist. Laut Aussagen der verhafteten Mitglieder der Organisation beschafften sie für das Konsulat Informationen zum Zustand der Kolchosen, zu den Stimmungen unter den Kolchosbauern und einige andere Informationen. Im Auftrag des Residenten des Konsulats, FOCHT, der 1937 im Donbass erschossen wurde, bereitete die Organisation Diversionsakte vor. Das Mitglied der Organisation TREMBAČ warb Kriminelle für die Organisation an, mit deren Hilfe Züge, mit denen Regierungsmitglieder reisen würden, zur Entgleisung gebracht werden sollten. TREMBAČ hatte von FOCHT auch den Auftrag erhalten, im Sond[er]bauvorhaben des NKVD Fuß zu fassen und das Benzintanklager in Brand zu setzen mit dem Ziel, damit den gesamten Bau zu zerstören. Er hatte außerdem den Auftrag, konterrevolutionär gesinnte Leute zu dem Zwecke anzuwerben, sie bei einem Kriegsausbruch zu Zersetzungs- und Aufstandstätigkeit einzusetzen. In diesem Fall wurden bislang 3 Personen verhaftet. Weitere Verhaftungen sind vorgesehen. Enttarnte Residenten und Agenten des deutschen Konsulats In letzter Zeit haben wir einige Residenten und Agenten des deutschen Konsulats in Char’kov ausgehoben, die umfangreiche Spionage- und Diversionstätigkeit in Char’kover Betrieben durchgeführt haben: VOJTEL’ – Lagerarbeiter im CHĖTZ, der die Aufgabe hatte, zu Kriegszeiten das Brennstofflager im CHĖTZ in Brand zu setzen; VAL’KER – der Gehilfe des Produktionsleiters des Werkes „Ėlektrostanok“, Agent der deutschen Spionage seit 1929, versorgte die Spionage mit nachrichtendienstlichen Materialien zum CHĖTZ, betrieb Schädlingsarbeit im Werk und bereitete Diversionsakte für die Kriegszeit vor. Er warb 2 Personen zur Spionagetätigkeit an. BIL’DT – Ingenieur im CHĖMZ, versorgte das Konsulat mit Informationen über die Industriebetriebe in Char’kov; und eine Reihe anderer Personen. Anwerbemethoden der deutschen Aufklärungsorgane Die von uns aufgedeckten und liquidierten Fälle der deutschen Spionage belegen, dass die deutsche Spionage die unterschiedlichsten Anwerbemethoden für die Agentennetze anwenden. Von ihr werden sowjetische Staatsbürger (MAJKR und andere) angeworben, die sich zum Studium in Deutschland aufhalten, deutsche Fachleute, die wegen der Arbeit in die UdSSR reisen (WICKLEIN, WAGNER und andere) sowie deutsche Staatsbürger, die der revolutionären Bewegung in Deutschland angehören und von
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1. 9. 1937 Nr. 105 der Polizei verhaftet wurden (SCHÜTZ), Mitglieder konterrevolutionärer trotzkistischer Formierungen (WEIßBERG, FLEMMING). Die Residenten der deutschen Aufklärung in der UdSSR werben Personen aus dem Kreis antisowjetisch gesinnter deutscher Kolonisten (SAMPALA-PAL’M), der Schutzbündler (GRIŠEL’ 11 ), der deutschen Staatsangehörigen (RAMBKEARACKAJA, WEIßBERG und andere), der ukrainischen Nationalisten (POL’MAN, RAMBKE-ARACKAJA) und Personen mit einer antisowjetischen Vergangenheit (FEDČENKO, MAJER und KLASS) für nachrichtendienstliche und Diversionstätigkeit an. Typisch für die Anwerbemethoden der deutschen Aufklärung ist die Art und Weise, die der Resident der deutschen Aufklärung FLEMMING beim Aufbau des Agentennetzes anwandte. Den Leiter der Schmiedewerkstatt des Werkes „Serp i Molot“ LAZ’KO gewann FLEMMING für die Spionage, indem er die Unzufriedenheit LAZ’KOS darüber ausnutzte, dass seine Erfindungen gering bezahlt werden, und ihm in Aussicht stellte, ihm dabei zu helfen, seine Erfindungen über das deutsche Konsulat im Ausland zu verkaufen. Den Sekretär des Büros für technische Information des Werkes „Serp i Molot“ MAKUCHIN warb FLEMMING mit Unterstützung seiner Agentin ŠPETNER an, die er mit MAKUCHIN bekannt machte und beauftragte, diesen in romantische Beziehungen zu verwickeln. Den stellvertretenden Leiter der Gießerei des Werkes „Serp i Molot“ MINSKIJ warb FLEMMING damit an, dass er ihm ein „Darlehen“ von 500 Rubel aushändigte. Den ehem[aligen] Leiter der Wirtschaftsgruppe von Šachtostroj BEREZOV warb FLEMMING an, indem er die Bitte BEREZOVS ausnutzte, für ihn über den Vertreter der Firma „Štil‘“ Informationen über das Bergbauwesen in Deutschland zu beschaffen, und dafür im Gegenzug analoge Materialien über den Zustand des Bergbauwesens in der UdSSR einforderte. Die Arbeiter von Šachtostroj BLEDNYJ und PANKIVSKIJ warb FLEMMING auf der Grundlage ihrer trotzkistischen Tätigkeit an. Bei der Anwerbung des Leiters der Planungsabteilung des Trusts „Koks“ RADČIK nutzte FLEMMING den Umstand, dass RADČIK Artikel mit der Beschreibung von Labor- und Versuchsarbeiten in Kokereien an deutsche Zeitschriften ins Ausland geschickt hatte. Verbindungsmethoden der deutschen Aufklärung Die Ermittlungsmaterialien haben bewiesen, dass die deutsche Aufklärung einen großen Teil ihres in der Sowjetunion für Spionage- und Diversionstätigkeit geschaffenen Agentennetzes in Verbindung mit dem deutschen Konsulat setzt. Es gibt auch Fälle, dass sich die Spionage mit ihrer Agentur, mit deutschen Fachleuten, die zum Urlaub in die Heimat fahren (WICKLEIN und andere), direkt in Verbindung setzt.
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Wahrscheinlich ist Franz Gröschel damit gemeint.
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1. 9. 1937
Das Konsulat realisiert die Verbindung zu seinen Residenten und Agenten vorrangig dadurch, dass letztere als deutsche Staatsbürger unter dem Vorwand in das Konsulat kommen, den Pass zu verlängern usw., sowie zu Banketten im Konsulat. Das gesamte System der Agententätigkeit der deutschen Aufklärung ist nach dem Prinzip eines großen Netzes aufgebaut, das mit den Residenten verbunden ist, wobei letztere bereits unmittelbar mit dem Konsulat oder mit den Auslandszentren verbunden sind (**12 FLEMMING, RAMBKE-ARACKAJA und andere). Was jedoch die Residenten der deutschen Aufklärung betrifft, so nehmen sie Kontakt mit der Agentur direkt in den Betrieben und Institutionen, bei sich in der Wohnung oder in den Wohnungen der Agenten auf. Zur Arbeit des deutschen Agentennetzes Durch die Ermittlungen wurde festgestellt, dass die deutsche Aufklärung, die über ein umfangreiches und weitverzweigtes Agentennetz verfügt, versucht, in die entscheidenden Volkswirtschaftszweige, in die Industriebetriebe, den Eisenbahntransport, in die Sovchosen und Kolchosen einzudringen, und zu diesen Objekten umfangreiches Material sammelt. Aus den Aussagen der verhafteten Residenten und Agenten der deutschen Spionage geht hervor, dass eine Reihe von Großbetrieben Char’kovs, so CHTZ, CHĖTZ, „Serp i Molot“, „Svet Šachtera“ und andere von dem deutschen Agentennetz durchsetzt waren. Aus den von uns aufgedeckten Fällen geht hervor, dass die deutsche Spionage ihr Hauptaugenmerk auf Diversion, Aufstände und zugleich auf die Vorbereitung von Terrorakten gegen die Führer der sowjetischen Regierung (die Fälle „Credo“, TREMBAČ und andere) richtet. Aus dem Fall TREMBAČ ist ersichtlich, dass die deutsche Spionage deklassierte kriminelle Elemente als Vollstrecker von Diversionsakten rekrutiert, die den Auftrag haben, Regierungszüge zum Entgleisen zu bringen. _________ Die Arbeit der Char’kover Bezirksverwaltung zur Aufdeckung und Vernichtung der Kader der deutschen Spionage betrachten wir als völlig unzureichend. Wir stellen uns für die nächste Zeit die Aufgabe, das Spionage- und Diversionsnetz der deutschen Aufklärungsorgane in den industriellen Großbetrieben Char’kovs auszuheben und zu vernichten, in erster Linie in der Verteidigungsindustrie und im Eisenbahntransport, und den aufständischen Untergrund aufzuklären und zu zerstören, der in der Peripherie von Residenten der deutschen Aufklärung angelegt wurde. Unter Berücksichtigung der vom deutschen Konsulat betriebenen umfangreichen Spionage-, Diversions- und Aufstandstätigkeit konzentrieren wir unsere Aufmerksamkeit auf die Aufdeckung und Liquidierung der Spione, Diversanten und Terroristen, die unter der Führung des deutschen Konsulats tätig sind.
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Der an dieser Stelle stehende Name SAMPALA-PAL’M ist mit Tinte durchgestrichen.
3. 9. 1937 Nr. 106 DER STELLV[ERTRETENDE] CHEF DER CHOU DES NKVD Hauptmann der Staatssicherheit REJCHMAN DER CHEF DER III. ABTEILUNG DER UGB Oberleutnant der Staatssicherheit FIŠER 1. September 1937 Char’kov OGA SBU, f. 16, op. 1, d. 120, l. 70–85. Original.
Nr. 106 Schreiben des Leiters des Sektors für Handelsvertretungen im Volkskommissariat für Außenhandel Levin an den Leiter der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Nepomnjaščij Nr. 106 3. 9. 1937 3. 9. 1937 Ganz1 GEHEIM Kopie2 Persönlich3 Expl. Nr. 2 NR. 8001/37SS4 3/IX5 [3.9.1937] AN DEN HANDELSVERTRETER DER UdSSR IN DEUTSCHLAND Gen. L.L. NEPOMNJAŠČIJ Auf Ihr Schreiben vom 27/VIII-19376 teile ich Ihnen mit: 1. Bereits Mitte Juni hatte ich Ihnen in Beantwortung Ihrer telefonischen Anfrage mitgeteilt, dass sich die „Prüfung“ der von Ihnen erwarteten Direktiven für das Handelsabkommen mit Deutschland verzögert, zumindest um einen Monat, eventuell auch länger. Dasselbe hat Ihnen **später**7 Gen. Sud’in in seinem Telegramm mitgeteilt. In diesem Telegramm, dessen Entwurf ich Gen. Sud’in zur Unterschrift vorgelegt hatte, hieß es, dass wir Ihnen die Weisungen, sobald sie bestätigt wären, unverzüglich als Richtschnur übermitteln würden. Seitdem hat sich nichts verändert. 1 2 3 4 5 6 7
Das Wort ist mit Bleistift hinzugefügt. Das Wort ist mit Bleistift hinzugefügt. Das Wort ist mit Bleistift hinzugefügt. Die Registriernummer ist mit Bleistift und die Jahreszahl mit Tinte geschrieben. Das Ausgangsdatum ist mit Bleistift geschrieben. Vgl. Dok. 102. Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben.
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Nr. 106
3. 9. 1937
Ihre Mitteilungen über „Schwierigkeiten“, die bei der Entscheidung dieser Frage aufgetreten sein könnten, entsprechen nicht der Wirklichkeit. Ebenso gibt es auch keine Veränderungen in unserer Handelspolitik gegenüber Deutschland. Es versteht sich von selbst, dass wir, falls die von uns unterbreiteten Vorschläge für ein Handelsabkommen mit Deutschland für das Jahr 1938 abgelehnt werden sollten, über andere Wege und Methoden nachdenken müssen, um unseren Handel mit den Deutschen für das Jahr 1938 zu regeln. Aber dies ist vorerst verfrüht. Was die Ablehnung einiger deutscher Firmen betrifft, Aufträge gegen Bezahlung in Mark anzunehmen und Exportprämien **für**8 die Aufträge zu erteilen, so widerspricht dieses Verhalten von deutschen Firmen, wie Sie selbst zum Ausdruck bringen, in grober Weise der Intention des 1937 geltenden Handelsabkommens mit Deutschland. Wir haben das volle Recht, für alle 1937 erteilten Aufträge die Exportprämie einzufordern. Die Frage der Verlängerung dieses Abkommens für 1938 hat nichts damit zu tun. Dass wir keine Aufträge gegen Bezahlung in Devisen oder in Freimark9 (im Jahr 1938) erteilen sollten, versteht sich von selbst. Die Formel Wolffs, die Röhren in Pfund zu bezahlen, falls kein Abkommen für 1938 abgeschlossen werden sollte, erachte ich zweifellos ebenso als unannehmbar. Eine Bezahlung der Aufträge **dürfen**10 wir **nur**11 gegen Reichsmark ohne weitere Festlegung akzeptieren, wobei die Firma im Grunde die Art und Herkunft unserer Markbestände nichts angeht und nichts angehen sollte. Die Sache ist die: ob **wir**12 unsere Mark **im Jahr 1938**13 durch den Verkauf unserer Waren nach dem allgemeinen Abkommen vom Typ 1937 **erhalten**14 oder durch gesonderte Devisengenehmigungen der Devisenbehörden oder durch Verkäufe von ausländischer Währung an die Reichsbank, sollte für die Firmen im Endergebnis dasselbe sein. Die dargelegten Grundsätze sind von Ihnen in allen Gesprächen mit deutschen Firmen und Ministerialbeamten zu befolgen; sie sind auch allen operativen Mitarbeitern der Handelsvertretung mitzuteilen. LEITER DES SEKTORS FÜR HANDELSVERTRETUNGEN M. LEVIN Vermerk mit Bleistift: Zu den Akten. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 2 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. zu den Akten. 2/IX-37. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2491, l. 92–93. Kopie.
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Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. Das Wort ist in Deutsch mit kyrillischen Buchstaben geschrieben. Vgl. Dok. 102, Anm. 11. 10 Das Wort ist mit Tinte über ein durchgestrichenes Wort geschrieben. 11 Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. 12 Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. 13 Der Text ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. 14 Das Wort ist mit Tinte korrigiert; ursprünglich: erhalten haben.
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12. 9. 1937 Nr. 107 Nr. 107 Auszug aus der Aufzeichnung des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 107 12. 9. 1937 12. 9. 1937 [12. September 1937] Auszug aus der Aufzeichnung des Botschafters Graf Schulenburg vom 12. Sept. 1937 Beschränkung der Zahl unserer Konsulate in der Sowjetunion Ich habe Herrn Potemkin gesagt, ich hätte das sowjetische Memorandum1 nach Berlin weitergegeben, müsse aber meinem Erstaunen über seinen Inhalt Ausdruck geben, einem Erstaunen, das in Berlin sicher werde geteilt werden. Einmal hätten mich die Ausführungen des Memorandums in gar keiner Weise überzeugt (es ist Herrn Potemkin anzusehen gewesen, dass er beinahe gesagt hätte: „Mich auch nicht“), dann wären Berlin und ich unter dem Eindrucke gewesen, dass die Sowjet-Regierung die Zurückziehung von zwei deutschen Konsulaten wünsche, während das Memorandum die Beseitigung von 5 Konsulaten fordere. Jeder müsse sich mit tiefster Verwunderung fragen, was eigentlich die Sowjet-Union von diesen unglücklichen Konsulaten fürchte! Es gebe doch viele Staaten, die ebenfalls ein Heer, eine Flotte, Festungen, Eisenbahnen und vielleicht sogar Geheimnisse besäßen und die die Gefahr zahlreicher ausländischer Konsulate gelassen ertrügen. Man werde sich vergeblich fragen, warum fremde Konsulate in der Sowjet-Union gefährlicher seien als anderswo. Herr Potemkin hat ziemlich lahm erwidert, die Sowjet-Regierung wünsche eben eine zahlenmäßige Parität der Konsulate in beiden Ländern. Ich habe Herrn Potemkin darauf hingewiesen, dass von einer Parität solange doch keine Rede sein könne, als die Sowjet-Union nicht räumlich ebenso klein geworden sei, nicht ein ebenso dichtes Eisenbahnnetz, ebenso gute Straßen, ebenso gute Unterbringungsmöglichkeiten und eine ebenso unbeschränkte Reisefreiheit besäße wie Deutschland. Solange die gegenwärtigen Verhältnisse bestünden, würde eine gleiche Anzahl von Konsulaten eine Diskriminierung Deutschlands bedeuten. Ich habe im Anschluss auf die hässlichen Schikanen hingewiesen, denen unser Konsul in Nowosibirsk2 ausgesetzt gewesen ist, und auf die Tatsache, dass wir das Exequatur für Herrn Ehrt in Charkow nicht erhalten können, obwohl die SowjetRegierung ihm das Agreement erteilt hat. Ich habe hinzugefügt, dass die Frage, ob überhaupt und zutreffendenfalls welche deutsche Konsulate geschlossen werden sollten, zwischen den beiden Regierungen ausgetragen würde; es sei doch zwecklos, deswegen auf den einzelnen Konsul herum zu trommeln. Dann sei bisher von einer Schließung der Konsulate Charkow und Nowosibirsk noch nie die Rede gewesen. – Herr Potemkin versprach sich zu erkundigen und diesen Beschwerden, wenn möglich, Abhilfe zu schaffen. Er schloss das Gespräch über diesen Gegenstand mit dem Hinweis darauf, dass Polen und Japan den sowjetischen Wünschen nachgege1 2
Vgl. Dok 103. Maximilian Meyer-Heydenhagen.
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ben hätten, er hoffe, wir würden ein gleiches tun. – Ich habe erwidert, ich kenne die Rechtslage der Polen und der Japaner nicht, der deutsche Rechtsstandpunkt sei aber m. E. unanfechtbar. [Schulenburg] Auf erstem Blatt oben: Frhr. von Welck. PA AA, R 104371, Bl. E 019548-019549.
Nr. 108 Schreiben des kommissarischen Volkskommissars für Außenhandel Sud’in an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin und den Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Molotov Nr. 108 17. 9. 1937 17. 9. 1937 GANZ GEHEIM Expl. Nr. 2 NKVT Nr. 10301 17/IX-372 AN Gen. STALIN Gen. MOLOTOV Das Gerichtsverfahren gegen das antisowjetische trotzkistische Zentrum hat ergeben, dass die deutschen Firmen „Demag“ und „Borsig“ der antisowjetischen trotzkistischen Organisation einen bestimmten Prozentsatz von der Summe der an diese Firmen vergebenen sowjetischen Aufträge gezahlt haben.3 Die an Deutschland vergebenen Aufträge enthielten (und enthalten auch jetzt) den Punkt, wonach die Lieferfirma garantiert, dass keine Provision oder Gratifikation, welcher Art sie auch sein möge, an dritte Personen oder Angestellte der UdSSR für eine Vermittlung oder Einflussnahme im Zusammenhang mit dem Auftrag gezahlt werden. Bei einem Verstoß gegen diese Festlegung ist die Lieferfirma verpflichtet, dem Auftraggeber eine Strafe in Höhe des 20fachen der Summe zu zahlen, die die Lieferfirma gezahlt hat (jedoch nicht mehr als 50% und nicht weniger als 15% der Auftragssumme). Außerdem bleibt dem Auftraggeber das Recht vorbehalten, gegen die Lieferfirma strafrechtlich gemäß dem Gesetz über unlauteren Wettbewerb vorzugehen, das nach deutscher Gesetzgebung eine Gefängnishaft von bis zu einem Jahr vorsieht. *Somit gibt der im Prozess gegen das antisowjetische trotzkistische Zentrum festgestellte Sachverhalt, wonach die Firmen „Demag“ und „Borsig“ den Trotzkisten einen bestimmten Prozentsatz der erhaltenen sowjetischen Aufträge gezahlt haben, dem Auftraggeber (der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland) das 1 2 3
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Das Datum ist mit Tinte geschrieben. Vgl. Process antisovetskogo trockistskogo centra (23–30 janvarja 1937 goda). Sudebnyj otčet, Moskva 1937, S. 19.
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17. 9. 1937 Nr. 108 Recht, von diesen Firmen die in den Auftragskonditionen vorgesehene Strafe einzufordern und gegen die Firmenchefs strafrechtlich vorzugehen.*4 Es wurde festgestellt, dass von *1931 bis 1936 die Firma „Demag“ Aufträge in einer Summe von 40.631 Tsd. Mark und die Firma „Borsig“ in einer Summe von 11.642 Tsd. Mark erhalten haben*5. Insgesamt erhielten beide Firmen in dem genannten Zeitraum sowjetische Aufträge in Höhe von 52.273 Tsd. Mark. Ungefähr 98% der Summe aller dieser Aufträge entfallen auf 1931 und 1932 vergebene Aufträge. So wurden an die beiden Firmen 1931 Aufträge in Höhe von 33.371 Tsd. Mark vergeben und 1932 betrug die Summe 17.578 Tsd. Mark. *Somit beträgt die Strafe, die diese Firmen zu zahlen haben, mindestens ca. 8 Mio. Mark und maximal ca. 26. Mio. Mark.*6 Laut Auftragsbedingungen unterliegt die Entscheidung bei Streitfällen, die zwischen den Lieferfirmen und dem Auftraggeber entstehen können, dem Schiedsgericht. Für die bis zum 20. März 1935 erteilten Aufträge besteht das Schiedsgericht aus zwei Schiedsrichtern, die von den Parteien benannt werden, und einem Oberschiedsrichter, der von den beiden Schiedsrichtern gewählt oder vom Präsidenten des Berliner Bezirksgerichtes benannt wird, falls die Schiedsrichter nicht zu einer Einigung hinsichtlich der Kandidatur des Oberschiedsrichters gelangen sollten. Falls die Handelsvertretung bei Weigerung der Firmen, eine Strafe zu zahlen, zum Ausgleich der der Handelsvertretung zu zahlenden Strafe die Zahlungen für die Lieferungen einbehält, die jetzt zu den seit dem 20. März 1935 gültigen Konditionen erfolgen, so wird in dem Fall, dass die Firmen das Schiedsgericht zwecks Erstattung der von der Handelsvertretung einbehaltenen Summen anrufen, der Verstoß gegen die von den Firmen gegebene Garantie Gegenstand der Prüfung durch das Schiedsgericht. Dazu wird ein Oberschiedsrichter, falls er nicht von den Schiedsrichtern gewählt werden sollte, im Losverfahren aus einem Personenkreis neutraler Staatsbürgerschaft laut der Liste ermittelt, die die Handelsvertretung mit dem sogenannten Russland-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft abgestimmt hat. Obgleich die Streitsumme bei dieser Variante unerheblich sein wird (da der Einbehalt lediglich in Höhe der von den Firmen momentan erfüllten Aufträge ausfallen könnte), wird die Entscheidung des Streitfalls durch ein Schiedsgericht mit neutralem Oberschiedsrichter zu unseren Gunsten von großer grundsätzlicher Bedeutung sein und unsere Stellung bei dem Schiedsgericht noch mehr stärken, bei dem wir Klage bezüglich der uns im vollem Umfang zustehenden Summe erheben werden. Unabhängig von der Zusammensetzung des Schiedsgerichtes *geben uns jedoch die festgestellten Fakten den berechtigten Grund, die Forderung nach Zahlung einer Strafe geltend zu machen und die Befriedigung unserer legitimen Forderungen im Schiedsgerichtsverfahren zu erwirken*7. Neben den Aussagen, die im Prozess gegen das antisowjetische trotzkistische Zentrum gemacht wurden, könnten wir aufgrund der Informationen, die ich erhalten habe, im Schiedsgericht auch Aussagen von anderen Personen beibringen, die im Bedarfsfall von einem sowjeti-
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Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen.
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schen Gericht als Zeugen in dem schiedsgerichtlichen Verfahren gegen die Firmen vernommen werden könnten. *Ich bitte darum, dem Auftraggeber, d. h. der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland, die Genehmigung zu erteilen, gegen die Firmen „Demag“ und „Borsig“ die Forderung nach Strafzahlung wegen der von diesen Firmen begangenen Vertragsverletzungen zu erheben und im Falle der Weigerung der Firmen, die Strafe zu zahlen, diese Angelegenheit dem Schiedsgericht zu übergeben.*8 ANLAGE: Beschlussentwurf. Sud’in GANZ GEHEIM ENTWURF **17**9. September 1937 BESCHLUSS 1. Dem Narkomvneštorg ist zu gestatten, über die Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland gegen die Firmen „Demag“ und „Borsig“ die Forderung nach Strafzahlung zu erheben angesichts der erwiesenen Tatsache, dass diese Firmen Zahlungen an das antisowjetische trotzkistische Zentrum in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Summe der an diese Firmen vergebenen sowjetischen Aufträge getätigt haben. Im Falle der Weigerung der Firmen, die Strafe zu zahlen, ist gegen sie beim Schiedsgericht Klage zu erheben. 2. Die Genossen Ežov und Vyšinskij sind zu beauftragen, dem NKVT Materialien zur Verfügung zu stellen, die im Prozess gegen die Firmen „Demag“ und Borsig“ verwendet werden könnten. Sud’in Vermerk von V.M. Molotov mit blauem Farbstift: M. Am Ende des Dokuments ist die Anzahl der Exemplare vermerkt: 5 E[xemplare]. 16.IX.37. RGASPI, f. 82. op. 2, d. 721, l. 14–17. Original. Veröffentlicht in: Moskva-Berlin, Bd. 3, Dok. 166, S. 245–248.
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Der Text ist am linken Seitenrand zweimal mit rotem Farbstift angestrichen. Die Zahl ist mit Tinte geschrieben.
19. 9. 1937 Nr. 109 Nr. 109 Schreiben des Leiters des Außenpolitischen Amtes der NSDAP Rosenberg und des Leiters der Dienststelle Ribbentrop von Ribbentrop an den Reichskanzler Hitler Nr. 109 19. 9. 1937 19. 9. 1937 19.9.37 Vorschläge an den Führer von Reichsleiter Rosenberg und Botschafter von Ribbentrop Um für die allgemeinen außenpolitischen Aufgaben und zur Bekämpfung des Weltbolschewismus alle inneren Kräfte in tätiger Zusammenarbeit auszurichten, haben Reichsleiter Rosenberg und Botschafter von Ribbentrop die nachstehenden Vorschläge dem Führer unterbreitet und zwecks Durchführung der vorzulegenden Beauftragungen folgende Vereinbarungen getroffen, um deren Bestätigung sie den Führer bitten: 1) Pg. Rosenberg und Pg. von Ribbentrop werden in allen weltanschaulichen, antikommunistischen und außenpolitischen Fragen eng zusammenarbeiten. *Reichsleiter* Rosenberg wird neben der gesamten *geistig-kulturellen und weltanschaulichen Erziehung und Schulung maßgebend und federführend für die Abwehr des Weltbolschewismus sein*. *Botschafter*1 von Ribbentrop ist im Rahmen der NSDAP maßgebend für die außenpolitischen Fragen. 2) In diesem Sinne wird das Außenpolitische Amt der NSDAP des Reichsleiters Rosenberg umbenannt in: „Dienststelle des Beauftragten des Führers zur Abwehr des Bolschewismus“. Sinnentsprechend wird bei der allgemeinen Benennung in Bezug auf die Erziehung und Schulung die in der Beauftragung des Pg. Rosenberg gegebene Benennung gebraucht. *Das Büro des Pg. von Ribbentrop führt die Bezeichnung: „Beauftragter des Führers für die außenpolitischen Fragen der NSDAP“.*2 Die endgültige Bezeichnung der beiden bereits heute bestehenden Dienststellen und die Form ihrer und ihrer Leiter Eingliederung in die Parteiorganisation bestimmt der Führer. 3) Aufgabe der Dienststelle von Reichsleiter Rosenberg ist es, das gesamte Material zur Abwehr des Bolschewismus zu sammeln, zu sichten und den in Frage kommenden Stellen in maßgebender Weise zuzuleiten. Zur Erfüllung seines Auftrages beruft Reichsleiter Rosenberg die von den verschiedenen sich mit dem Bolschewismus befassenden Dienststellen als verantwortlich bezeichneten Persönlichkeiten, darunter auch einen Vertreter des Pg. von Ribbentrop. Ebenso wird Pg. Rosenberg einen Verbindungsmann in die Dienststelle des Pg. von Ribbentrop delegieren. Pg. Rosenberg führt die von außen herantretenden Unterhandlungen über die weltbolschewistische Tätigkeit und vertritt die Ini1 2
Die beiden Wörter sind unterstrichen; der Zwischentext ist am Seitenrand angestrichen. Der Absatz ist am Seitenrand angestrichen.
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tiativen, die notwendig erscheinen, um den kommunistischen Einfluss zurückzuweisen. Aufgabe der Dienststelle des Pg. von Ribbentrop ist es, im Rahmen der allgemeinen Außenpolitik die notwendigen Maßnahmen zu treffen, wie sie vom Führer in Einhaltung seiner außenpolitischen Linien vorgezeichnet werden. Durch die Tatsache, dass der Bolschewismus nicht nur ein weltanschauliches, sondern auch ein eminent weltpolitisches Problem ist, dann aber auch, weil die Außenpolitik nicht selten weltanschaulich bedingt erscheint, wird die Tätigkeit der beiden Dienststellen sich zeitweise überschneiden. Bei Eintreten von Überschneidungen soll ein freundschaftlicher Ausgleich getroffen werden. Das Gleiche gilt für Sondergebiete, wobei namentlich die Tätigkeit des Pg. von *Ribbentrop in Bezug auf Polen und Japan, die Tätigkeit von Pg. Rosenberg in Bezug auf den Südosten, den Nordosten und die Sowjet-Union berücksichtigt werden soll*3. 5) Pg. Rosenberg und Pg. von Ribbentrop werden gemeinsam die Auswahl und die Erziehung des für die *weltanschauliche, antikommunistische und allgemeine außenpolitische Arbeit notwendigen Nachwuchses aus der Partei in die Hand nehmen*4. Die Heranbildung dieses Nachwuchses soll erfolgen im Rahmen des unter Leitung von Reichsleiter Rosenberg stehenden Außenpolitischen Schulungshauses der NSDAP und zwar in dem Sinne, dass Reichsleiter Rosenberg hier die weltanschauliche und antikommunistische Arbeit leitet, während Botschafter von Ribbentrop die Leitung für die Ausbildung in der praktischen Außenpolitik innehat. Nach außen soll diese gemeinsame Leitung in geeigneter noch zu vereinbarender Form zum Ausdruck kommen. 6) Die Nordische Gesellschaft verbleibt unter der Leitung von Reichsleiter Rosenberg. Botschafter von Ribbentrop tritt in den Obersten Rat der Nordischen Gesellschaft ein. Die Empfangsabende des diplomatischen Corps und der Weltpresse werden von Reichsleiter Rosenberg weitergeführt in seiner Eigenschaft als Beauftragter des Führers für die Sicherung der nationalsozialistischen Weltanschauung. Die sich aus den vorgeschlagenen Beauftragungen ergebenden Ausführungsbestimmungen erfolgen im gegenseitigen Einvernehmen. gez. A. Rosenberg Berlin, 19. Sept. 1937
gez. Joachim Ribbentrop Berlin, 19. Sept. 1937
BArch, NS 8/129, Bl. 9-11.
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Der Text ist am Seitenrand angestrichen. Punkt 4) im Dokument nicht enthalten. Der Text ist am Seitenrand angestrichen.
20. 9. 1937 Nr. 110 Nr. 110 Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA Nr. 110 20. 9. 1937 20. 9. 1937 Moskau, den 20. September 1937 Tgb. Nr. A/1811 Durchschlag Inhalt: Moskauer Reaktion auf den Reichsparteitag Über den „Parteitag der Arbeit“ ist die Öffentlichkeit der Sowjetunion mehr als spärlich, über viele wichtige Reden gar nicht unterrichtet worden. Die Presse brachte während der Nürnberger Tage nur wenige kurze Notizen, die weder von der Proklamation des Führers noch von den Reden auch nur annährend eine Vorstellung zu vermitteln vermochten. Unter dem Anschein bewusster Bagatellisierung der Kundgebungen von Nürnberg hält man es in Moskau offenbar für das Klügste, die eigene Bevölkerung nicht wissen zu lassen, was in Nürnberg über die Rolle und Ziele des Bolschewismus und der Moskauer Machthaber gesagt wird. Man zieht es vor, über diese fundierten Wahrheiten zu schweigen und fürchtet ihre Wirksamkeit innerhalb der Sowjetunion offensichtlich selbst dann, wenn man sie mit polemischem Kommentar begleiten würde. Zur Stärke etwaiger eigener Gegenargumente scheint man ein recht geringes Vertrauen selbst vor dem Forum der eigenen Öffentlichkeit zu haben. Für die wenigen kommentierenden Meldungen, die über Nürnberg gegeben wurden, war als erkennbare Richtlinie ausgegeben, alles auf das Thema zuzuspitzen, dass den deutschen Arbeitern keine Lohnerhöhungen zugesagt wurden und dass das Reich unter überaus schweren Lebensmittelnöten leide. Nur dies lasen also die Meldungen der TASS aus der Proklamation des Führers und aus den gelegentlich sonst noch erwähnten Reden heraus. Die deutsche Zentral-Zeitung fühlte sich bemüßigt, eine lange Darlegung über Not und Elend in Deutschland mit der Wendung zu schließen: „Die deutschen Arbeiter und Werktätigen werden diesen Parteitag beim richtigen Namen zu nennen wissen: Parteitag der verschärften Hungerblockade gegen das Volk“1. Erst unter dem Eindruck der Schlussrede des Führers ist man in Moskau von der Taktik des Totschweigens abgewichen. Bei dieser außenpolitischen Rede hielt man es doch wohl für notwendig, wenn auch nicht im Hinblick auf die sowjetische Bevölkerung, so doch im Hinblick auf das Ausland irgendeinen Versuch der Entkräftung der Ausführungen des Führers zu unternehmen. Die der Presse zu diesem Zwecke gegebenen Stichworte, die dann in verschiedenen Variationen aus den Zeitungsspalten widerklangen, waren so primitiv und für den Kenner deutscher Verhältnisse so töricht, dass sie im Auslande wohl schwerlich als „Entkräftung“ der Nürnberger Rede wirken können oder jedenfalls nur auf Kreise, die dem Reich mit oder ohne Moskauer „Argumente“ ohnehin verständnislos oder hasserfüllt gegenüberstehen. Die Moskauer Artikel unterstreichen im Anschluss an die Schlussrede nochmals nach Kräften die für die Gesamtberichterstattung ausgegebene Parole von den Ernährungsschwierigkeiten („noch nie seit dem Weltkriege hat das deut1 A. Steiner: „Um das tägliche Brot im faschistischen Deutschland“. In: Deutsche ZentralZeitung vom 8. September 1937, S. 2.
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sche Volk so Not gelitten und so gehungert wie jetzt“, Prawda 16.9.2) und von dem angeblichen Missverhältnis von Löhnen und Preisen. Auch im Vorjahre habe man in Nürnberg die Stabilität der Löhne und der Preise verkündet, schrieb Iswestija (16.9.3), seitdem aber hätten „bekanntlich“ die Preise einen gewaltigen Sprung nach oben gemacht und die Löhne seien gesunken. Angesichts der düsteren Zustände in der Sowjetunion und der harten Notlage der Massen und im Hinblick darauf, dass nach hiesiger Auffassung die Lohnfrage der Kernpunkt alles „sozialistischen“ Denkens ist, kann man mit derlei Behauptungen vielleicht noch auf dem inneren Markte dieses oder jenes Kapital schlagen; denn wenn auch der Glaube an die Darstellungen der eigenen Presse in der Sowjetunion keineswegs Allgemeingut ist, so bekommt die Sowjetpresse doch allmählich infolge der Vernichtung der Intelligenzschicht und des Heranwachsens der kommunistisch und weltunkundig erzogenen Generation allmählich stärkere Wirksamkeit. Für das ausländische Forum, für das die Artikel nach der Nürnberger Schlussrede in erster Linie bestimmt waren, kam man natürlich mit dem Thema Hungersnot und Hungerlohn nicht aus, auch wenn man es zu dem völligen Zusammenbruch des Vierjahresplans erweiterte. Dem Auslande gegenüber fand man in Moskau kein anderes Argument, als zu behaupten, der Nationalismus habe derartige Misserfolge seiner inneren und äußeren Politik zu verzeichnen (wirtschaftliche Nöte, Unzufriedenheit der Massen, kein Erfolg des Vierjahresplans, enttäuschte Hoffnungen in Spanien und Ostasien, das „Arrangement von Nyon“4 – lautete die Liste), dass seine Führer und Leiter den Kopf verloren und in „Panik-Stimmung“ geraten seien. Diese Nervosität, diese Angst und Panik zeige sich in den Reden. „Die Schlussrede Hitlers bestärkte den allgemeinen Eindruck von Nürnberg, dass es um die Sache des faschistischen Deutschland sehr schlecht steht“ (Iswestija, 16.9.). Eine sachliche Polemik gegen die Ausführungen des Führers über die Rolle des Bolschewismus wurde von Iswestija nicht versucht. Sie begnügte sich mit einem Satze, es sei für die Sowjetunion nicht neu, „dass die Faschisten den Bolschewismus hassen und ihn fürchten wie den Tod“. Prawda fand es in etwas gequälter Ironie paradox, dass man von der „Gefahr des Bolschewismus“ spreche, nachdem man doch früher stolz behauptet habe, der Bolschewismus sei vernichtet; der Hinweis auf die „jüdische Gefahr“ sei auch unverständlich, da es im Reich nur 500 000 Juden gegen 70 Millionen Deutsche gebe. In derselben Methode absichtlichem Missverstehens bestritt das Blatt wortreich irgendwelche kriegerischen Pläne und Gedanken der Sowjetunion. Die Wendung des Führers über die „internationale“ Verbrechergilde“ in Moskau brachte das Parteiorgan Prawda völlig aus dem Häuschen: die „Verbrechergilde“ solle man in Berlin suchen, nicht in Moskau. Dabei konnte sich Prawda die Andeutung nicht versagen, dass das „deutsche Volk“ vielleicht die „jetzt nicht umsonst von Panik erfasste Verbrechergruppe“ einmal verjagen würde. Mit einer ähnlichen Wendung schloss auch ein Artikel 2 Vgl. „Novyj pristup paniki i klikušestva u Gitlera“ (Ein neuer Sturm der Panik und Hysterie bei Hitler). In: Pravda vom 16. September 1937, S. 1. 3 „Novaja reč‘ Gitlera ili u stracha glaza veliki“ (Eine neue Rede Hitlers oder die Angst hat große Augen). In: Izvestija vom 16. September 1937, S. 1. 4 Am 11.9.1937 schlossen in Nyon (Schweiz) neun Vertreter von Mittelmeer- bzw. Schwarzmeerländern ein Abkommen zum Schutz vor Piraterie.
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23. 9. 1937 Nr. 111 über den Misserfolg des Vierjahresplans, den Iswestija (17.9.5) aus der Feder ihrer ehemaligen Berliner Korrespondentin Kaith brachte. Nach dem Bankrott des Vierjahresplans, meinte Frau Kaith, bleibe nichts als die Flucht in einen Krieg, selbst in eine Niederlage, um der verdienten Vergeltung der Volksmassen zu entgehen. Wenn man von diesen Ausfällen absieht und ebenso von der Gesamttendenz („Panik“, „Hysterie“) und endlich den üblichen recht rüden Ton der Sowjetpresse in Rechnung stellt, so ist gegen die Vorjahre immerhin bemerkenswert, dass sich die Presse bemüht hat, Beleidigungen und schmähende Epitheta ad personam zu vermeiden. Der Ton der Gesamtberichterstattung über Nürnberg war für Moskauer Verhältnisse recht ruhig und direkte Attacken auf leitende Persönlichkeiten waren nicht zu verzeichnen. Es mag vorerst dahingestellt bleiben, ob dieser relativ ruhige Ton, auf den der neue Chef der Presseabteilung, Herr Gnedin, wie ich hörte, recht stolz ist, allgemeinen Erwägungen über die bessere propagandistische Wirkung „beherrscht“ gehaltener Artikel entspringt oder – wie Herr Gnedin wiederholt hiesigen Journalisten gegenüber andeutete – dem Wunsche, eine einigermaßen „korrekte“ Sprache hinsichtlich des Reichs in der hiesigen Presse allmählich Platz greifen zu lassen. gez. Graf von der Schulenburg Auf erstem Blatt oben: Kl[einer] Umlauf mit Abzeichnungen von Hi[lger] 23/9 und H[ensel] 24/9, am Seitenrand ab am 20.9.37, unten A 15 h. In vier Durchschlägen geschrieben. PA AA, Moskau 286, o. P., 5 Bl.
Nr. 111 Flugblätter der Propaganda-Einsatzstelle des Armee-Oberkommandos der Wehrmacht Nr. 111 23. 9. 1937 23. 9. 1937 Löcknitz, den 23. Sept. 1937 A.O.K. 1 Propaganda-Einsatzstelle Stab An das A.O.K. 1, Ic Pasewalk Betr. Sonderanweisung des AOK 1 vom 22.9.37, Ziff. 6: Propaganda im rückwärtigen Feindgebiet (in Städten mit Arbeiterbevölkerung) In der Anlage erhalten Sie zwei Flugblätter, die für den Abwurf hinter der Front des Gegners bestimmt sind. Das Flugblatt Nr. 1 („Arbeiter!“) ist für die Verwendung in Städten mit Arbeiter-Bevölkerung vorgesehen. Das Flugblatt Nr. 2 5 L. Kajt: „Ėkonomika blefa“ (Eine Wirtschaft des Bluffs). In: Izvestija vom 17. September 1937, S. 2
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Nr. 111
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(„Arbeiter, Bauern, Rotarmisten!“) kann als allgemeines Zersetzungsflugblatt im gesamten Feindgebiet Verwendung finden. Beide Flugblätter sind in russischer Sprache verfasst. Auflage für Nr. 1: 500.000 Expl., für Nr. 2: 2 Millionen Expl. Die Flugblätter sind in Stettin in Druck gegeben. Die ersten 200.000 Flugblätter sind um 21 Uhr in Stettin abholbereit (Annahme). Die in der Anlage Nr. 2 beiliegende Original-Ausfertigung stellt den ersten Andruck dar (Annahme). Leiter der Einsatzstelle 2 Anlagen1 [1. Flugblatt] Arbeiter! Seit 20 Jahren werdet Ihr betrogen. Die volks- und artfremde internationale Banditenbande im Kreml stellt die unverschämte Behauptung auf, dass Ihr regiert. Das ist unwahr. Ihr werdet gezwungen, Sklavenarbeit zu verrichten. Niemals, auch nicht unter den Kapitalisten, hat es jemals eine grausamere Ausbeutung des Werktätigen gegeben. Und alles dieses bei einer Hungerration und einem Bettellohn. Ihr werdet mit leeren Phrasen und lügenhaften Versprechungen gespeist. Ihr Arbeiter werdet belogen! Auch der deutsche Arbeiter hatte unter den marxistischen Lügenparolen zu leiden. Der deutsche Proletarier hat den kommunistischen Schwindel erkannt und seine Träger für immer vernichtet. Heute ist der deutsche Arbeiter frei! Er arbeitet für sich, für seine Familie und sein Volk! Er arbeitet weder für den jüdischen Marxismus, noch für den Kapitalismus. Das Glück des deutschen Arbeiters ist Deinen jüdischen Unterdrückern ein Dorn im Auge. Ein freies Deutschland ist ein Hindernis für ihre verbrecherischen Pläne. Darum werden Deine Brüder in den Tod gehetzt. Sie kämpfen nicht für Dich und Deine Familie, nicht für Dein Volk, sondern nur für die Interessen Deiner jüdischen Blutsauger. Ungeheuer waren die blutigen Opfer, die Deine Brüder an der Front dem bolschewistischen Machtwahn bringen mussten. Siegreich sind unsere Truppen im Vormarsch. An allen Stellen der Front zeigt sich die Überlegenheit des deutschen Materials, gegen das Eure ganze Tapferkeit machtlos ist. Ihr seid das Opfer Eurer jüdischen Kommissare, die der Roten Armee unzulängliches Material geliefert haben und sich durch dieses Verbrechen ihre Taschen füllten. 1 Die beiden Flugblätter aus der vorliegenden Akte sind ausgewählte Beispiele für die umfangreiche Tätigkeit der Propaganda-Einsatzstelle, die während des Wehrmachtmanövers 1937 in Ost-Mecklenburg durchgeführt wurde.
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23. 9. 1937 Nr. 111 Wir kommen nicht als Eure Feinde, nein, wir wollen Euch befreien von der Herrschaft dieser jüdischen Verbrecherbande. Erhebt Eure Faust gegen die Juden und kommunistischen Unterdrücker! Nieder mit der jüdisch-marxistischen Knechtschaft! Es lebe die russische nationale Revolution! Es lebe der freie russische Arbeiter! Marxismus – ist Krieg, Hunger und Tod! [2. Flugblatt] Arbeiter, Bauern, Rotarmisten! Haltet Umschau! Wer knechtet seit 20 Jahren das russische Volk? Der Jude! Wer regiert im Kreml? Der Jude Kaganowitsch! Stalins jüdisches Weib und deren Clique! Wer sitzt in allen führenden, satten und gewinnreichen Posten? Der Jude! Wer bereichert sich in der Etappe, während Du an der Front verblutest? Der Jude! Wer kennt keinen Hunger, keine Kälte, keine Not? Der Jude! Wessen Interessen verteidigt die volksfremde Bande im Kreml? Die Interessen der Juden! Für die jüdischen Machthaber ist russisches Leben nur Kanonenfutter! Nieder mit den jüdischen Henkern! Russland den Russen! Es lebe die nationale Revolution! BA MA, RW 4/v. 812, Bl. 4-6.
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Nr. 112
24. 9. 1937 Nr. 112 Brief des Gesandtschaftsrats in Moskau Hensel an den Konsul in Novosibirsk Meyer-Heydenhagen
Nr. 112 24. 9. 1937 24. 9. 1937 24. September 1937 Gesandtschaftsrat Dr. Hensel Lieber Herr Meyer-Heydenhagen! Von meinem längeren Deutschlandaufenthalt einschließlich der gewaltigen Tagungen in Stuttgart und Nürnberg1 zurückgekehrt, habe ich hier eine noch bedeutend schlimmere Lage vorgefunden, als sie schon bei meiner Abreise Anfang Juli bestand. Die Zahl unserer Haftfälle ist von 129 am 1. Juli auf 376 eben angewachsen; neben diesen erfolgen allenthalben offenbar systematische Ausweisungen aller Reichsdeutschen, d. h. genauer meist aller Ausländer überhaupt, wie ja auch die Verhaftungen nicht nur Reichsdeutscher, sondern neben den uns Gott sei Dank nichts angehenden zahllosen Sowjetstaatsangehörige auch Staatsangehörige aller übrigen Länder treffen. Mit besonderem Bedauern haben wir erfahren, wie sehr Ihre Behörde und damit auch Sie selbst von alledem betroffen sind. Was die ganz unerhörte, offen vertragswidrige Verhaftung des Herrn Krämer betrifft, so lässt Ihnen der Herr Botschafter sagen, dass dieser Fall nicht nur von der Botschaft, sondern auch vom Auswärtigen Amt als außerordentlich ernst betrachtet und behandelt wird.2 Wir hoffen, ihn in Bälde freizubekommen. Um Ihnen die Lage nach Möglichkeit zu erleichtern, hat der Herr Botschafter Ihnen Herrn Müller beschleunigt zurückgeholt. Was jetzt auf jeder einzelnen unserer Vertretungen lastet, kann die Botschaft, bei der alles Ungemach zusammenläuft, am besten beurteilen. Wie unsererseits – vor allem durch den Herrn Botschafter selbst – jedem einzelnen mit den Verhaftungen, Ausweisungen und Abschiebungen zusammenhängenden Fragenkomplex und Beschwerdefall nachgegangen wird, werden Sie aus einem Ihnen mit gleicher Post abschriftlich zugehenden Erlass an das Generalkonsulat Kiew3 ersehen. Für uns alle heißt es: weiter mit Ruhe und Zähigkeit den Kampf ums Recht für unsere Reichsangehörigen in der Sowjetunion fortsetzen! Ihr Bericht über die Verhältnisse im Konsularkorps Nowosibirsk vom 12. September ist ein kleines Kabinettsstück, das einen Platz in Ihren Memoiren verdient. – Ihre Klagen über das Geschäftsgebaren des Dipagenten Antipow glauben wir besser nicht im Außenkommissariat zur Sprache bringen zu sollen, weil dadurch eine Abhilfe kaum zu erreichen, eine Verschnupfung des Herrn Antipow aber unvermeidlich sein dürfte. Wahrscheinlich werden Sie ohne Intervention der Botschaft beim Außenkommissariat doch noch am besten entlang kommen. – Eine kleine Anregung: Berichte, wie den vom 12. September [unter dem Titel] No[vember] Haftliste, Inhalt: Die Verhaftungen und Ausweisungen der Reichsdeut1 In Stuttgart fand vom 28.8. bis 5.9. die 5. Reichstagung der Auslandsorganisation der NSDAP statt; in Nürnberg vom 6.9. bis 13.9. der „Reichsparteitag der Arbeit“ der NSDAP. 2 Vgl. Dok. 113. 3 Vgl. Schreiben Schulenburgs an das Generalkonsulat Kiev (mit Durchdruck an Leningrad, Tiflis, Char’kov und Novosibirsk) vom 24.9.1937; in: PA AA, Moskau 419, o. P., 4 Bl.
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26. 9. 1937 Nr. 113 schen, lieber an die Botschaft zu richten statt an das Auswärtige Amt, da dieser Fragenkomplex doch hier bearbeitet wird. Lassen Sie mich nun schließen mit den allerbesten Wünschen für Sie und Ihre tapfere Frau Gemahlin und den besten Grüßen von Herrn Botschafter und von uns allen mit Heil Hitler! [Hensel] Unterschrift als Paraphe. Auf erstem Blatt am Seitenrand: ZdA (Nov[ember]Verh[aftungen]) H[ensel] 25/9. PA AA, Moskau 419, o. P., 2 Bl.
Nr. 113 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 113 26. 9. 1937 26. 9. 1937 Geheim AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS Nr. 1329 [26.9.1937] GESPRÄCH MIT DEM DEUTSCHEN BOTSCHAFTER SCHULENBURG, 26. September 1937 Schulenburg begann mit der Mitteilung, dass das Auswärtige Amt unserem Antrag zustimme, Krämer aus der UdSSR auszuweisen. Dabei äußerte der Botschafter den Wunsch, falls möglich, die konkreten gegen Krämer vorgebrachten Anschuldigungen zu erfahren.1 Schulenburg begründete seinen Wunsch damit, dass die deutsche Regierung natürlich daran interessiert sei, exakte Informationen über die Tätigkeit ihrer Beamten zu bekommen, damit sie wisse, mit wem sie es mit ihren Vertretern zu tun hätte. Ich antwortete Schulenburg, dass Krämer aufgrund Artikel 582 beschuldigt werde. Ich sei darüber informiert worden, dass die Fakten, über die die Untersuchungsorgane verfügten, recht ernst wären. Damit erschöpfe sich der Fall aber nicht. Noch im Juni habe die Staatsanwaltschaft der Region Westsibirien uns mitgeteilt, dass sie über Erkenntnisse verfüge, die Krämer unter moralischem Gesichtspunkt belasten. Es lägen die Aussagen von zwei Frauen vor, mit denen Krämer an1 Von Schulenburg hatte die Information erhalten, dass in Novosibirsk der Sekretär des Deutschen Konsulats Krämer auf der Straße verhaftet worden war. Vgl. Aufzeichnung der Unterredung von Schulenburgs mit Potemkin am 19.9.1937. In: AVP RF, f. 05, op.17, p. 130, d. 44, l. 68–69. 2 Der (politische) Artikel 58 des Strafgesetzbuches der RSFSR definierte in 14 Paragraphen verschiedene Formen der konterrevolutionären Tätigkeit und sah ein Strafmaß von einigen Monaten Freiheitsentzug bis hin zur Todesstrafe vor. Vgl. Ugolovnyj kodeks RSFSR. S izmenenijami na 1 ijulja 1938 g. Moskva 1938, S. 27–32.
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stößige Beziehungen unterhalten habe, und die seine Vermittlerinnen bei der Anbahnung ebensolcher Beziehungen mit anderen Frauen zweifelhaften Lebenswandels waren. Schulenburg bat mich, falls möglich, die letzten Informationen etwas zu präzisieren. Seinem Wunsch nachkommend nannte ich ihm die Namen der Personen, mit denen Krämer verkehrt hatte, und die ihn belastende Aussagen gemacht hatten. Schulenburg notierte sich mit sichtlichem Vergnügen diese pikanten Einzelheiten. Danach ging Schulenburg auf das seit langem bekannte Problem der inhaftierten deutschen Staatsbürger ein. Er beklagte, dass sich deren Anzahl unablässig vergrößere, und fragte bekümmert, ob wir denn tatsächlich endgültig die Absicht aufgegeben hätten, sie mittels Ausweisung aus der UdSSR loszuwerden. Darauf antwortete ich, dass wir diese prinzipielle Entscheidung nicht revidiert hätten und es nicht ausgeschlossen wäre, die eingestellten Ausweisungen bereits in nächster Zeit wiederaufzunehmen. Schulenburg freute sich und erklärte, dass dies die beste Lösung des leidigen Problems wäre. Bei der Verabschiedung erklärte mir Schulenburg, dass er einen privaten Brief aus Berlin erhalten habe, in dem ihm die Wahrscheinlichkeit einiger Zugeständnisse seitens der Regierung hinsichtlich der von uns aufgeworfenen Frage signalisiert worden sei, fünf deutsche Konsulate3 zu schließen. Dazu bemerkte ich, dass ich von vornherein von der gütlichen Lösung dieser Frage überzeugt gewesen sei. Potemkin Vermerk mit Bleistift: MM. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 3051 vom 5.10.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 [Expl.] Das 1. [Exemplar] zu den Akten, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. an die 2. Westabteilung, das 5. nach Berlin. Expl. Nr. 2. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 44, l. 70–71. Kopie.
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Vgl. Dok. 28.
27. 9. 1937 Nr. 114 Nr. 114 Schreiben des kommissarischen Volkskommissars für Außenhandel Sud’in an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin und den Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Molotov Nr. 114 27. 9. 1937 27. 9. 1937 GEHEIM **NKVT Nr. 1102 2./X.-37**1 [27.9.1937] AN *Gen. STALIN Gen. MOLOTOV*2 *Zu den Beziehungen zum „Russland-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft“*3 *Unsere Handelsvertretung in Deutschland pflegt in einer Reihe von geschäftlichen Angelegenheiten Kontakte zum sogenannten „Russland-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft“. Dieser Ausschuss ist eine Abteilung des Reichsverbandes der Deutschen Industrie. In der Vergangenheit hat die **Handelsvertretung**4 mit diesem Ausschuss einige Abkommen*5 abgeschlossen, so zu den Kreditbedingungen für unsere Bestellungen, zu den allgemeinen Lieferbedingungen in die UdSSR, zu den Verrechnungsbedingungen für unsere Bestellungen usw. Gegenwärtig werden mit dem Ausschuss Verhandlungen zu einer Liste neutraler Schiedsrichter „für die Schlichtung von Streitfällen, die zwischen uns und deutschen Firmen aufkommen“ sowie Gespräche zur Regelung einiger unserer Forderungen gegenüber deutschen Firmen und zu anderen Fragen geführt. Im Zusammenhang mit den in der „Pravda“ vom 17. September 1937 veröffentlichten Informationen, dass der *Geschäftsführer des „Russland-Ausschusses“ Major Tschunke ein alter deutscher Spion ist*6, der sich während der deutschen Besatzung der Ukraine als Offizier der deutschen Armee dort aufgehalten habe und es deshalb „klar ist, für welche Art von Tätigkeit des ‚Russland-Ausschusses‘ dieser ‚Geschäftsführer‘ zuständig ist“ („Pravda“7), erachtet das *NKVT es als zweckmäßig:*8 *Der Handelsvertreter der UdSSR in Deutschland, Gen. Nepomnjaščij, ist anzuweisen, die Abberufung Major Tschunkes von der Arbeit im „Russland-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft“ zu fordern und die deutschen Industriellen, die dem Präsidium des „Russland-Ausschusses“ angehören, zu warnen, dass unsere Handelsvertretung bis zur Entlassung Tschunkes jegliche Kontakte zum „RusslandAusschuss“ einstellen wird.*9 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Der Text ist mit Tinte geschrieben. Die beiden Namen sind am linken Rand mit einer Klammer verbunden. Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. N. Abuzov: „Gestapo“. In: Pravda vom 17. September 1937, S. 4. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Absatz ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen.
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*Ich bitte, den beigefügten Beschlussentwurf zu bestätigen.*10 27.IX.37 Sud’in GEHEIM BESCHLUSSENTWURF Der Handelsvertreter der UdSSR in Deutschland, Gen. NEPOMNJAŠČIJ, ist anzuweisen, die Abberufung Major Tschunkes von der Arbeit im „RusslandAusschuss der Deutschen Wirtschaft“ zu fordern und die Industriellen, die dem Präsidium des „Russland-Ausschusses“ angehören, zu warnen, dass bis zur Entlassung von Major Tschunke die Handelsvertretung zum „Ausschuss“ keinerlei Kontakte unterhalten wird. 27.IX.37 Vermerk mit rotem Farbstift: Von Gen. Sud’in. Entscheidung A.I. Mikojans11 mit rotem Farbstift: Die Meinung der Gen. Čvjalev und Merekalov.12 A[nastas] M[ikojan]. Oben rechts befindet sich der Stempel der Geheimabteilung der Geschäftsverwaltung des SNK der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 12230 vom 23.10.1937. GARF, f. R-8422, op. 2, d. 207, l. 3–1. Original.
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Nr. 115 Aufzeichnung der Unterredung des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov mit dem Mitarbeiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Freiherrn von Welck Nr. 115 1. 10. 1937 1. 10. 1937 GEHEIM Ausg. Nr. 279/s1 Berlin, 1. Oktober 1937 Tagebuch G. Astachovs [...]2 [1. Oktober] Ich war im Ausamt bei von Welck (Schliep ist im Urlaub). Ich teilte ihm die Ernennungen der Genossen Nikolaev, Jakovlev und Smirnov mit und bat darum, die Visaerteilung nicht zu verzögern. Von Welck interessierte sich dafür, wo die genannten Personen zurzeit arbeiten, worauf ich ihm lediglich in allgemeinen Zügen 10 11
Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Das Schreiben Sud’ins, der am 21.10.1937 verhaftet wurde, wurde auf Anordnung Molotovs am 22.10.1937 an Mikojan weitergeleitet. Vgl. GARF, f. R-8422, op. 2, d. 207, l. 4. 12 Zur Stellungnahme Merekalovs vgl. Dok. 146. 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Ausgelassen ist die Gesprächsaufzeichnung Astachovs mit François-Poncet am 1.10.1937 (l. 95–96).
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1. 10. 1937 Nr. 115 antworten konnte. Er sagte, dass er sich mit der zuständigen Abteilung für die Erteilung der Visa in Verbindung setzen werde, die gemäß der üblichen Praxis vermutlich bei der Botschaft in Moskau angefordert würden. Im Weiteren wies ich von Welck auf das unzulässige Vorgehen von Beamten der Gestapo gegen die Mitarbeiter der Handelsvertretung hin, die in dem Wohnheim in der Geisbergstr. 39 wohnen. Die Beamten der Gestapo gaben sich nicht mit dem Dienst an den Türen des Wohnheims und der ständigen Überprüfung der Pässe über einen Zeitraum von 10 Tagen zufrieden, sie unternahmen Versuche, die Pakete und die Sachen zu durchsuchen, die die Mitarbeiter mit nach Hause brachten. Am 27. gingen sie zwecks Kontrolle der Dokumente ins Innere des Gebäudes und gingen so weit, dass sie in die Schränke, unter die Betten usw. schauten, d. h. eine Art Haussuchung durchführten, und dies ohne jeglichen Anlass. Von Welck stimmte eilig zu, dass eine derartige Vorgehensweise der Gestapo in der Tat nicht zulässig sei und er an zuständiger Stelle darauf hinweisen werde. Sodann ging er zu den Anliegen des Ausamtes über. Der Fall Krämer bewegt bei uns alle, sagte er. Nach dem Gespräch Potemkins mit Schulenburg am 25. d.M.3 und **Ihrer**4 Mitteilung gegenüber Prüfer hielt das Auswärtige Amt den Zwischenfall für beigelegt und ging davon ausging, dass Krämer für einen Tag in Freiheit kommt, um persönliche Angelegenheiten zu regeln, und danach abreist. Indes befindet sich Krämer - nach soeben eingegangenen Informationen - noch im Gefängnis. Das Ausamt bittet5 darum, die Aufmerksamkeit auf die ernste Lage zu lenken, die infolge der Nichterfüllung der erzielten Vereinbarung entstehe (Welck wiederholte auch die übliche Argumentation hinsichtlich der Verletzung der Konvention6). Das Ausamt bittet, dies dringend nach Moskau zu übermitteln, und besteht auf Erfüllung der Zusicherungen Potemkins. Danach bat von Welck, den Vertrieb der Zeitschrift „SSSR na strojke“7 selbst an offizielle Adressen einzustellen, da diese Zeitschrift dem Einfuhrverbot nach Deutschland unterliege. Ferner macht er mich auf die von der Handelsvertretung herausgegebene Zeitschrift „Sowjetwirtschaft und Außenhandel“ aufmerksam und bittet darum, Maßnahmen zu ergreifen, damit dort keine „Propaganda“ erscheine.8 Ich antwortete, dass die Zeitschrift „SSSR na strojke“ von uns nur in 3 bis 4 Exemplaren an einige offizielle Einrichtungen versandt werde, darunter auch an die Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes. Falls dies auf Einwände stoße, so würden wir selbstverständlich die Zustellung einstellen. Was die Zeitschrift der Handelsvertretung betreffe, so erschienen, soviel mir bekannt sei, in ihr nur Informationsartikel und statistische Angaben zur sowjetischen Wirtschaft. Für diese Materialien interessierten sich die Firmen, die Wirtschaftsbeziehungen mit der UdSSR unterhielten und die die wichtigsten Nutzer der Zeitschrift, die keine massenhafte 3 4 5 6
So im Dokument; das Gespräch fand am 26.9. statt. Vgl. Dok. 113. Das Wort ist mit Tinte über das durchgestrichene Wort „meiner“ geschrieben. Das nachfolgende Wort „uns“ ist mit Tinte durchgestrichen. Dies bezieht sich auf Artikel 11 des Vertrages zwischen Deutschland und der UdSSR vom 12.10.1925. Vgl. Dok. 94, Anm. 7. 7 Illustrierte Monatszeitschrift. Sie erschien von 1930 bis 1941 in fünf Sprachen und beleuchtete die Errungenschaften beim Aufbau des Sozialismus und richtete sich vor allem an die ausländische Leserschaft. Die deutsche Ausgabe erschien unter dem Titel „UdSSR im Bau“. 8 Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 590, 602.
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Verbreitung habe, seien. Ich bäte Welck konkret zu sagen, welche Artikel zum Beispiel er als „propagandistisch“ und unpassend ansehe… Von Welck antwortete, ihm lägen keine konkreten Beschwerden vor, jedoch sei der propagandistische Tenor einer Reihe von Artikeln zweifelsfrei vorhanden. Er bitte, die Redakteure der Zeitschrift auf das Erfordernis zu hinzuweisen, eine nach Möglichkeit sorgfältigere Durchsicht des Materials vorzunehmen, um möglichen „Unannehmlichkeiten“ aus dem Wege zu gehen. G. Astachov Vermerk mit Bleistift: MM. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 5179 vom 8.10.1937. Oben links befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 3227 vom 8.10.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. 7 Expl. an Gen. Litvinov, 1 [Exemplar] zu den Akten. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 43, l. 95–98, hier Bl. 97-98. Kopie.
Nr. 116 Schreiben des kommissarischen Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Ežov Nr. 116 1. 10. 1937 1. 10. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 3 Nr. 153621 1. Oktober2 1937 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN DER UdSSR Gen. EŽOV Vor einiger Zeit hat die deutsche Polizei den sowjetischen Staatsbürger POPOV verhaftet, er ist Angestellter (Pförtner der Bevollmächtigten Vertretung der UdSSR in Deutschland). Laut Mitteilung der deutschen Behörden wird Popov der Spionage beschuldigt.3 Die Deutsche Botschaft in Moskau teilte dem NKID mit, dass der Fall Popov in den nächsten Tag dem Gericht übergeben wird. Zugleich unterbreitete die Botschaft den Vorschlag, Popov gegen die in Kiev verhaftete Mitarbeiterin des Deutschen Generalkonsulats GERNDT auszutauschen. Der deutsche Botschafter bittet darum, 1 2 3
Die Registriernummer ist mit Tinte geschrieben. Der Monatsname ist mit Tinte geschrieben; ursprünglich: September. Graf von der Schulenburg berichtete in der Unterredung mit Potemkin am 11.9.1937 von Material, das bei Popov bei einer Haussuchung gefunden wurde. Vgl. AVP RF, f. 05, op.17, p. 130, d. 44, l. 67.
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Nr. 117 ihm im Eilverfahren mitzuteilen, ob wir mit dem vorgeschlagenen Austausch einverstanden sind. Ich wende mich an Sie mit der Bitte, den Standpunkt des NKVD in dieser Frage mitzuteilen.4 Kommissarischer VOLKSKOMMISSAR V. Potemkin Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an den Adressaten, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. zu den Akten. 29.IX.37. AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 1, l. 109. Kopie.
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Nr. 117 Aufzeichnung der Unterredung des kommissarischen Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 117 4. 10. 1937 4. 10. 1937 Geheim AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS Nr. 1347 [4.10.1937] UNTERREDUNG MIT DEM DEUTSCHEN BOTSCHAFTER SCHULENBURG, 4. OKTOBER 1937 Ich teilte Schulenburg, der auf meine Einladung hin erschien, mit, dass die Regierung der UdSSR beabsichtigt, in Deutschland zwei neue sowjetische Konsulate zu eröffnen – und zwar in Breslau und in München. Somit werde die Gesamtzahl der Konsulate der UdSSR in Deutschland auf 4 aufgestockt. Laut Beschluss der sowjetischen Regierung könne Deutschland die gleiche Anzahl von Konsulaten in der UdSSR unterhalten. Somit werde Deutschland vorgeschlagen, drei seiner 7 Konsulate zu schließen. Schulenburg erkundigte sich, ob unsere Forderung in Kraft bleibe, dass unter allen Umständen die deutschen Konsulate in Odessa und in Vladivostok geschlossen werden müssten.1 Auf meine bejahende Antwort hob er die Arme und erklärte, dass er, ohne seine persönliche Auffassung zu unserem neuen Vorschlag zu äußern, noch heute Berlin darüber informieren werde. Die einzige Bemerkung, die er für erforderlich erachtete, bezog sich auf die sowjetische Handelsvertretung in Deutschland. Nach Auffassung des Botschafters sei die Mitarbeiterzahl dieser Handelsvertretung derartig hoch, dass man dies bei 4 Aller Wahrscheinlichkeit fiel die Reaktion des NKVD positiv aus, weil der Austausch stattfand und Gerndt am 21.10.1937 aus der UdSSR ausgewiesen wurde. Vgl. Aufzeichnung der Unterredung Antonovs mit Hensel am 20.10.1937. In: AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 2, l. 178. 1
Vgl. Dok. 66.
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Nr. 118
4. 10. 1937
der Umsetzung des Gleichheitsprinzips, dem unser Vorschlag zu Grunde liege, nicht außer Acht lassen könne. Darauf entgegnete ich, dass die Handelsvertretung in Deutschland auf der Grundlage eines Sonderstatus existiere, der es nicht erlaube, sie mit Konsulaten gleichzusetzen,2 und wir als Grundlage der Gleichheit die Anzahl der Einrichtungen, nicht aber die Anzahl ihrer Mitarbeiter anführen. Im abschließenden Teil des Gesprächs erinnerte Schulenburg an die Sonderabsprache der UdSSR mit Deutschland, wonach Ausreisevisa für deutsche Staatsangehörige von den sowjetischen Behörden in einer Frist von höchstens 48 Stunden erteilt werden müssten. Diese Absprache werde von unseren Behörden systematisch unterlaufen. Insbesondere müsse der Botschafter auf die eingetretene Verschleppung bei der Erteilung von Ausreisevisa für die deutschen Staatsbürger Oberberg, Hönighausen und Friz3 verweisen. Schulenburg erbat meine Unterstützung, ihren Ausreiseanträgen möglichst schnell stattzugeben. Ich sicherte dem Botschafter meine Unterstützung zu. Potemkin Vermerk mit Bleistift: II. Westabteilung. Vermerk von F. S. Vejnberg mit Tinte: an Gen. Levin, die Erfüllung des letzten Gesprächspunktes muss verfolgt werden. Unten rechts befindet sich der Stempel der 2. Westabteilung des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 1995 vom 7.10.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 Expl. Das 1. [Exemplar] zu den Akten, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. an die 2. Westabteilung, das 5. nach Berlin. Expl. Nr. 4. AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 1, l. 86–87. Kopie. Veröffentlicht in: DVP, Bd. XX, Dok. 353, S. 533–534.4
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Nr. 118 Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an den Leiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep Nr. 118 4. 10. 1937 4. 10. 1937 Moskau, den 4. Oktober 1937 Sehr geehrter Herr Schliep! Wie Ihnen Herr Herwarth telefonisch mitteilte, bin ich heute Vormittag bei Herrn Potemkin gewesen1 und zwar ausschließlich, um ihm nochmals klarzuma2 In Artikel 2 des Wirtschaftsabkommens zwischen der UdSSR und Deutschland vom 12.10.1925 wurde der Status der Handelsvertretung wie folgt festgelegt: „Für die Ausübung des Außenhandelsmonopols ist der Botschaft der UdSSR im Deutschen Reich eine Handelsvertretung angegliedert mit dem Sitz in Berlin“. In: DVP, Bd. VIII, Dok. 342, S. 589; Reichsgesetzblatt 1926, Teil II, S. 13. 3 Möglicherweise handelt es sich hierbei um die Schwestern Emma und Karoline Friz, die im November 1937 aus der UdSSR ausreisten; vgl. die Rückkehrer-Vernehmungsakte von Emma Friz in: PA AA, R 150889. 4 Die Veröffentlichung in DVP erfolgte ohne Legende und nach eigenen Redaktionsrichtlinien. 1
412
Vgl. Dok. 117.
4. 10. 1937 Nr. 118 chen, wie ernst der Fall Krämer von uns aufgefasst würde und dass wir es nicht verstünden, dass Krämer entgegen der mir am 26. September ausdrücklich gegebenen Zusicherung2 immer noch nicht frei sei. Herr Potemkin erklärte mir nochmals auf das allerbestimmteste, dass an der Zusage betreffend die Freilassung, Gewährung einer Frist zur Liquidation und freie Abreise Krämers unbedingt festgehalten werde.3 Nur technische Schwierigkeiten hätten die Freilassung leider verzögert; sie würde in 2–3 Tagen aber bestimmt erfolgen. Herr Potemkin fügte hinzu, es sei ausgeschlossen, dass er durch die Nichteinhaltung der Zusage seitens der inneren Behörden in so einer außerordentlichen Weise desavouiert würde. **Von Anfang an und**4 Seit Sonnabend Abend haben wir das Außenkommissariat stündlich wegen dieser Angelegenheit bedrängt und hierbei immer wieder darauf hingewiesen, dass durch eine weitere Verzögerung der Freilassung Krämers in Berlin eine außerordentlich ernste Lage herbeigeführt sei. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass kein böser Wille auf Seiten Außenkommissariats vorliegt, vielmehr die übliche Schlamperei und Unfähigkeit der inneren Behörden an der wirklich unerhörten Verzögerung schuld sind. **Herr Potemkin schnitt heute anlässlich der Unterredung betreffend Krämer von sich aus die *Frage der Einschränkung des deutschen Konsularnetzes* in der Sowjetunion an und machte mir den bereits heute drahtlich gemeldeten neuen Vorschlag5. Mir scheint, wir sollten diesen Vorschlag *wenigstens als Verhandlungsbasis nicht ablehnen*, da wir sonst einen Teil unserer eigenen Argumente für die Aufrechterhaltung unserer Konsulate in der Sowjetunion preisgeben würden. Ich weiß wohl, dass unsere inneren Behörden die Errichtung neuer Sowjetkonsulate in Deutschland zulassen sollten; seit 1933 hat sich aber m. E. die Lage grundsätzlich geändert. Während früher die Gefahr bestand, dass jedes neue Sowjetkonsulat unter den deutschen Kommunisten Wühlarbeit treiben würde, ist dies wohl *heute bei der ausgezeichneten Arbeit unserer Innenbehörden nicht mehr zu befürchten*. Andererseits würden wir durch die Entsendung weiterer sowjetischer Konsularbeamter nach Deutschland für gewisse mögliche Fälle *Kompensationsobjekte*6 in die Hand bekommen. Vielleicht lässt sich bei einem Eingehen auf den Sowjetvorschlag auch die Aufrechterhaltung von fünf deutschen Konsularbehörden erreichen. Sollte die Sowjetregierung jedoch auf der absoluten Parität bestehen, so können wir auf Charkow m. E. eher verzichten als auf Nowosibirsk, das uns als einziges Konsulat in Sibirien besonders wichtig ist.**7 Sehr bedauerlich war es für uns aus der gestrigen Sowjetpresse entnehmen zu müssen, dass uns das Rote Kreuz beim spanischen Gefangenen-Austausch zuvorgekommen ist.8
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Vgl. Dok. 113. In einem Vermerk des AA vom 2.10.1937 hatte es geheißen, dass das Narkomindel Schulenburg versichert hätte, dass sich Krämer seit 1.10.1937 in Freiheit befinde. In: PA AA, R 104371, Bl. E 019560-019561. 4 Der Text wurde von Schulenburg handschriftlich hinzugefügt. 5 Vgl. Telegramm von der Schulenburgs. In: ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 564, S. 1147– 1148. 6 Die vier Textstellen sind mit rotem Farbstift unterstrichen. 7 Der Absatz ist am Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. 8 Vgl. „Chronika“. In: Pravda vom 3. Oktober 1937, S. 6.
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Nr. 119
7. 10. 1937
Heute telegraphierten wir, dass ein gewisser Herr Nikolajew als Gesandtschaftsrat (der im Sowjetdiplomatenpass als Botschaftsrat bezeichnet wird) und ein Attaché Smirnow neu an die Sowjetbotschaft in Berlin versetzt worden sind. Da uns beide Herren wohl nicht bekannt waren, habe ich Potemkin um nähere Angaben über sie gebeten. Potemkin bemerkte, dass Smirnow soeben die diplomatischkonsularischen Vorbereitungskurse des Außenkommissariats beendet hätte; Herr Nikolajew sei ein Neuling im diplomatischen Dienst, den er auch noch nicht näher kenne und über den er mir noch nähere Personalangaben übermitteln lassen würde, Herr Nikolajew werde hinter Herrn Astachow rangieren. Mit vielen herzlichen Grüßen und Heil Hitler! bin ich, sehr geehrter Herr Schliep, Ihr ganz ergebener F. W. Schulenburg Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben rechts Stempel des AA: Pol V 6355, eing. 9. Okt. 1937. Oben links: Herrn MD Prüfer gef. vorgelegt Schliep 6/X. Am Seitenrand verschiedene Abzeichnungen. Auf Kopfbogen des Deutschen Botschafters geschrieben. PA AA, R 104371, Bl. E 019562-019565.
Nr. 119 Schreiben des kommissarischen Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin Nr. 119 7. 10. 1937 7. 10. 1937 Geheim Nr. 1352 7. Oktober 1937 AN DEN GENERALSEKRETÄR DES ZK DER VKP (B) Gen. STALIN Kopien an:
Gen. Molotov, Gen. Kaganovič, Gen. Vorošilov, Gen. Ežov
Gestern, am 6. Oktober um 23 Uhr erhielt der Sekretär unseres Konsulats in Königsberg, Gen. Barulin, von den örtlichen Behörden die Aufforderung, Deutschland innerhalb von drei Tagen zu verlassen. Als ich darüber informiert wurde, habe ich gestern sogleich Gen. Astachov per Telefon aufgefordert, am folgenden Tag, d. h. heute, das Auswärtige Amt aufzusuchen und eine Erklärung bezüglich der erwähnten Verfügung der Königsberger Behörden zu erbitten. Heute hat unsere Bevollmächtigte Vertretung in Berlin vom Auswärtigen Amt eine Note mit der Mitteilung
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7. 10. 1937 Nr. 119 erhalten, dass die Innenbehörden die Ausreise Barulins aus Deutschland innerhalb einer Frist von drei Tagen fordern, anderenfalls werde gegen Barulin eine Zwangsausweisung vollzogen. Auf die Forderung hin, die Motive für die Ausweisung des Gen. Barulin zu benennen, wurde Gen. Astachov darauf verwiesen, dass sich diese Anordnung auf Artikel 6 der sowjetisch-deutschen Niederlassungskonvention1 stütze, in dem jeder vertragschließenden Seite das Recht eingeräumt werde, einzelne Angehörige der anderen Seite auszuweisen, sei es infolge eines strafgerichtlichen Urteils oder wegen der Bedrohung der staatlichen Sicherheit. Gen. Astachov protestierte gegen die Halt- und Grundlosigkeit der gegen Gen. Barulin vorgebrachten Anschuldigungen und verwies darauf, dass die erzwungene Abreise dieses einzigen Mitarbeiters zur faktischen Schließung des Konsulats in Königsberg führe. Gen. Astachov wurde geantwortet, dass das Auswärtige Amt die jüngsten Umstände berücksichtigen und versuchen werde, bei den Behörden für Barulin eine Fristverlängerung für die Ausreise zu erwirken. Die Ausweisung des Gen. Barulin ist zweifellos eine Repressalie, die die Deutschen aus Rache für die Verhaftung und die bevorstehende Ausweisung des Sekretärs des Deutschen Konsulats in Novosibirsk, Krämer2, aus der UdSSR anwenden. Dessen Fall versetzte die Botschaft und das Auswärtige Amt in helle Aufregung, die natürlich wissen, dass dieser Beamte mit Materialien höchst belastenden Charakters ertappt wurde. Besonders beunruhigte die Deutschen der Umstand, dass sie bei einer weiteren Verzögerung der Ausweisung Krämers Gefahr laufen würden, dass weitere Enthüllungen über seine Tätigkeit folgen könnten. Heute wurde die Entscheidung getroffen, Krämer das Ausreisevisum zu erteilen. Darüber werde ich heute Schulenburg in Kenntnis setzen, den ich zwecks Klärung des Falls des Gen. Barulin einbestellt habe.3 Dem Botschafter werde ich folgende Forderungen stellen: 1. die konkreten Gründe zu benennen, die die Behörden zum Ausweisungsbeschluss gegen Gen. Barulin veranlasst haben; 2. die Ausweisung des Gen. Barulin so lange hinauszuschieben, bis uns eine ausreichende Erklärung für die gegen ihn ergriffene Maßnahme gegeben worden ist. Zugleich werde ich Schulenburg daran erinnern, dass wir auf eine umgehende Antwort auf unseren letzten Vorschlag bezüglich der Konsulate warten, den ich ihm am 4. Oktober mitgeteilt habe.4 Dabei werde ich Schulenburg erklären, dass wir bei einer Verzögerung der deutschen Antwort daran gehen werden, unseren Beschluss über die Verringerung des deutschen Konsularnetzes in der UdSSR5 umzusetzen. Kommissarischer Volkskommissar Potemkin Veröffentlicht in: SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 93, S. 158–159. 1 2 3
Vgl. DVP, Bd. VIII, Dok. 342, S. 585; Reichsgesetzblatt 1926, Teil II, S. 8. Vgl. Dok. 113, Anm. 1. Vgl. die Aufzeichnung der Unterredung zwischen Potemkin und Graf von der Schulenburg vom 7.10.1937. In: AVP RF, f. 011, op. 1, p. 3, d. 30, l. 149-148. 4 Vgl. Dok. 117. 5 Vgl. Dok. 28.
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Nr. 120
11. 10. 1937
Nr. 120 Telegramm des Staatssekretärs im AA von Mackensen an die Botschaft in Moskau Nr. 120 11. 10. 1937 11. 10. 1937 Telegramm i. Z. G.Ch.V. Berlin, den 11. Oktober 1937 Nr. 123 vom 11.10. zu Pol. V 6186 Ref.: VLR Schliep *CITO*1 Auf Telegramm Nr. 215 vom 4.2 sowie im Anschluss an Telegramm Nr. 121 vom 8. Oktober Bitte Sowjetregierung mitteilen, dass Reichsregierung nach wie vor Ersuchen auf Schließung einzelner deutscher Konsulate ablehnt. Wenn Sowjetregierung die bestehende Vereinbarung über Anzahl der Konsulate nicht mehr als gültig ansehen wolle, sei damit das Problem der Anzahl der konsularischen Vertretungen in seiner Gesamtheit aufgerollt. Bei Verhandlungen darüber, zu denen Reichsregierung bereit sei, müsse selbstverständlich auch Handelsvertretung einbezogen werden, die zwar auf besonderem Vertrag beruhe, aber bei Erörterung gesamter konsularischer und wirtschaftlicher Interessen zu berücksichtigen sei. Standpunkt, dass Sowjetregierung Anspruch auf zahlenmäßige Parität beiderseitiger Konsulate habe, **wird von uns als völlig absurd**3 auf das entschiedenste abgelehnt. Parität kann nur darin bestehen, dass das Konsularnetz in beiden Ländern so gestaltet wird, dass konsularische Interessen gleichmäßig wirksam wahrgenommen werden können. Aus diesem Grunde wird Vorschlag betreffend Eröffnung von Sowjetkonsulaten München, Breslau abgelehnt.4 Da Sowjetregierung neben zwei Konsulaten noch Handelsvertretung nebst zwei Filialen unterhält, kann deutscherseits Notwendigkeit zur Errichtung weiterer sowjetrussischer Vertretungen nicht anerkannt werden. Andererseits sind wir bereit, Konsulate Wladiwostok, Odessa zu schließen unter der Bedingung, dass übrige deutsche Konsulate, die mit Rücksicht auf starke Vertretung sowjetrussischer Interessen in Deutschland sowie Größe Sowjetterritoriums von uns als notwendig angesehen werden, bestehen bleiben. Zur Information: Italiener werden nach vertraulicher Mitteilung hiesigen Botschafters5 gleichfalls zahlenmäßige Parität ablehnen. Anheimstelle mit dortigem italienischen Botschafter6 Fühlung zu halten. Mackensen 1 2 3 4
Das Wort ist rot unterstrichen. Vgl. Dok. 118, Anm. 5. Der Text ist korrigiert; ursprünglich: ist völlig absurd und wird von uns. Graf von der Schulenburg hatte diesen Vorschlag in einem Schreiben an Schliep angeregt; vgl. ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 570, S. 1158–1159. 5 Bernardo Attolico. 6 Augusto Rosso.
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11. 10. 1937
Nr. 121
Auf erstem Blatt am Seitenrand drei maschinenschriftliche Einfügungen: [1] Bei R, Pers H z.g.Mitz. [mit Abzeichnung] [2] Vermerk: Text ist mit H[err]n VLR Schnurre vereinbart [3] Nach Abgang: wvzlg. (Information des Italienischen Botschafters durch Herrn Dir.Pol). Unten: Abgesandt: 11/10 21.15. Auf zweitem Blatt unten verschiedene Abzeichnungen. PA AA, R 104371, Bl. E 019556-019557. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 569, S. 1157-1158.
Nr. 121 Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an den Leiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep Nr. 121 11. 10. 1937 11. 10. 1937 Moskau, den 11. Oktober 1937 Sehr geehrter Herr Schliep! Noch eins!1 Sollte uns irgendetwas zwingen, gegen die SU Gegenmaßregeln zu ergreifen, so würde unseres Erachtens am durchschlagendsten Folgendes wirken: Einführung mit sofortiger Wirkung des Ausreisesichtvermerks für alle in Deutschland sich aufhaltenden Ausländer einschließlich Diplomaten. Der Zwang des Ausreisesichtvermerks fällt weg, wenn die Gegenseitigkeit sichergestellt ist. Eine solche Maßregel müsste sich durchführen lassen und würde – soweit wir sehen – ausschließlich die Sowjetrussen treffen. (Vielleicht auch die Iraner, denen das auch nichts schaden könnte!) Der Ausreisesichtvermerk würde die Sowjetrussen schwer treffen, vielleicht am wenigsten schwer die sowjetischen Auslandsbeamten, die auch am unschuldigsten sind an den Dingen, die uns beschweren, umso mehr aber die Sowjetrussen anderer Kommissariate, die sich nur kurz in Deutschland aufhalten. Endlich würde der Ausreisesichtvermerk die SU daran hindern, uns le cas échéant klammheimlich unserem Zugriffe die Leute zu entziehen, die ihr am wichtigsten und wertvollsten sind. Das Vorstehende ist nur eine Anregung, die es aber wert ist, im Auge behalten zu werden. Mit besten Grüßen und Heil Hitler! Ihr stets ganz ergebener gez. F. W. Schulenburg Auf erstem Blatt oben: Herrn VLR Rödiger erg[ebendst] m.d.B. um Prüfung. Sch[liep] 14/X. PA AA, R 101377, Bl. 237268. 1 Es handelt sich hierbei um eine Ergänzung zu dem Brief von Schulenburg an Schliep vom gleichen Tag, der jedoch nur als Auszug vorliegt. Darin geht es um die Konsulatsschließungen. Schulenburg schlägt vor, der UdSSR die Eröffnung von zwei zusätzlichen Konsulaten in München und Breslau zu gestatten. Der hier abgedruckte Brief müsste sich auf einen anderen Aspekt des vorhergehenden Briefes beziehen. Vgl. ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 570, S. 1158–1159.
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Nr. 122
12. 10. 1937
Nr. 122 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin Nr. 122 12. 10. 1937 12. 10. 1937 GEHEIM Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Ausg.-Nr. 285/s1 Berlin, 12. Oktober 1937 An den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Gen. POTEMKIN *Über die Ergebnisse des Besuches von Mussolini2 kann man zum Teil aufgrund meiner Gespräche mit dem französischen Botschafter Poncet*3, mit dem tschechoslowakischen Gesandten Mastný, dem amerikanischen Geschäftsträger Gilbert und dem österreichischen Gesandten Tauschitz (die Gespräche sind in den Tagebüchern aufgezeichnet, die mit dieser und der vorherigen Post abgegangen sind) und zum Teil aufgrund der Ereignisse, die unmittelbar nach dem Besuch eintraten, urteilen. Aus den Gesprächen ist ersichtlich, dass es recht *unterschiedliche Wertungen des Besuches*4 gibt. Sie reichen von *einer eindeutig pessimistischen und geradezu panischen (François-Poncet)*5, die von der durch den Besuch gefestigten „Achse“ die schlimmsten Folgen für die Sache des Friedens und in erster Linie für Frankreich erwartet, *bis hin zu einer heiter optimistischen*, wonach nichts Wesentliches geschehen sei und die ganze an den Tag gelegte Demonstration nichts als Bluff gewesen sei. Zwischen diesen Extremen gibt es verschiedene Wertungen. Bei dem Bemühen, sie zu analysieren, indem man sie mit den aktuellen Zügen der hiesigen Politik in Verbindung bringt, kann man folgende Momente festhalten, die mehr oder weniger als beweiskräftig erscheinen. 1) *Die grandiose politische Demonstration* war für beide Seiten aus innenpolitischen Gründen der Festigung der „Achse“ unabdingbar. Insbesondere für Deutschland kam es darauf an, die Stimmung der Massen zu verbessern, bei denen sich verstärkt eine Unzufriedenheit breitgemacht hatte a) wegen des Preisanstiegs und der Versorgung mit Lebensmitteln (bei Arbeitern und beim Mittelstand6 ); b) wegen der Restriktionen und Beschränkungen für die Landwirtschaft (bei Bauern) und c) wegen der zwangsweisen Erfüllung des Vierjahresplanes und wegen des Rohstoffmangels (bei Industriellen). Die Regierung unternahm große Anstrengungen und setzte reichlich Mittel ein, um die Bevölkerung von trüben Gedanken abzulenken und bei ihr die Gewissheit von der Stärke Deutschlands aufzufri1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Mussolini hielt sich vom 25. bis 29.9.1937 zu einem offiziellen Besuch in Deutschland auf. Vgl. ADAP, Ser. C, Bd. VI/2 Dok. 557, 568; Ser. D, Bd. I, Dok. 1, 2, 256. 3 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. 4 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. 5 Der hier und im Folgenden so gekennzeichnete Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. 6 Das Wort ist in Deutsch mit kyrillischen Buchstaben geschrieben.
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schen, die durch die Anwesenheit einer solchen Autorität wie Mussolini unterstrichen wurde. 2)7 Im Verhältnis zu Italien *bemühte sich Hitler, sein Gewicht innerhalb der „Achse“ zu erhöhen* und sich seinem Land, Italien und der ganzen Welt in der Rolle des Partners zu präsentieren, der hinsichtlich der militärischen Stärke und des Einflusses in seinem Land und darüber hinaus völlig ebenbürtig ist. Mit den fast einen Monat lang andauernden militärischen Demonstrationen (Manöver, Verdunklungswochen, Paraden zu Ehren Mussolinis, Parade in Bückeburg) wurde außerdem die Absicht verfolgt, die Bevölkerung zusätzlich militärisch zu ertüchtigen, wenn auch in Form einer Zerstreuung. 3) Der Besuch hat neben diesen Effekten sozusagen psychologischen Charakters zweifellos auch zu Absprachen in einer Reihe von Fragen geführt. Man kann es als erwiesen ansehen, dass *sich Hitler und Mussolini über eine einheitliche Linie zu folgenden Fragen verständigt haben: zu Spanien, dem Mittelmeer, zu den Kolonien, zum Fernen Osten*8 (ganz zu schweigen von der sowjetischen Frage, für die bereits früher die gemeinsame Linie festgelegt worden war). Wenn Hitler in den ersten beiden Fragen Mussolini entgegenkam und ihm die Zusage gab, ihn konsequent zu unterstützen und keine separaten Flirts mit Englands zu versuchen, so *kam Mussolini in den letzten beiden Fragen Hitler entgegen, indem er ihm die Unterstützung seiner Ansprüche auf Kolonien zusicherte und bezüglich des fernöstlichen Konflikts9 eine eindeutig projapanische Haltung einnahm.* 4) Diese Absprache mit dem „Duce“ verschaffte Hitler die Möglichkeit, mit den zaghaften Bemühungen seines „gemäßigten“ Flügels Schluss zu machen, dem es darum ging, die Außenpolitik in einem etwas vorsichtigeren Geiste zu gestalten. Äußerungen über eine Spanien-„Müdigkeit“ und Bemühungen um Zweigleisigkeit zugunsten der Chinesen, die von Handels- und Industriekreisen (Schacht) und zum Teil vom Auswärtigen Amt (Neurath) sowie von Militärs (General Beck) ausging, haben in letzter Zeit merklich nachgelassen. Goebbels, Rosenberg und andere „Extremisten“ sind wieder obenauf. 5) *Am strittigsten und im Grunde genommen ungeklärt bleibt weiterhin die österreichische Frage.* Ist es Hitler gelungen, sich mit dem „Duce“ über dieses Problem zu verständigen, oder haben sie es vorgezogen, es nicht anzusprechen? Ohne den panischen Pessimismus von François-Poncet zu teilen, muss man dennoch eher die Annahme für begründet erachten, dass Mussolini in der gegebenen Situation, in der er Grund hatte, eine Annäherung Deutschlands an England zu befürchten und die Unterstützung Hitlers in der Mittelmeerfrage brauchte, wenn auch nicht sein direktes Einverständnis zur Hitlerisierung Österreichs gegeben, aber auf alle Fälle seine „Hände in Unschuld gewaschen“ hat. Das Tempo der Hitlerisierung wird natürlich im Ermessen Berlins liegen, das sich dabei von verschiedenen Faktoren wird leiten lassen, aber nicht von der Furcht vor Italiens Widerstand, der in der momentanen Situation als kaum wahrscheinlich erscheint. 6) Es ist zu erwarten, dass in nächster Zeit die außenpolitische Aktivität Deutschlands steigen wird. Wenn Berlin die Annäherung an England nicht forciert 7 8 9
Punkt 2 ist mit Bleistift mit Fragezeichen versehen. Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen und am linken Seitenrand angestrichen. Gemeint ist der japanisch-chinesische Krieg, der am 7.7.1937 begann.
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und in dieser Frage Rom folgt, so ist gegenüber einigen Nachbarstaaten schon jetzt die Tendenz zu einem energischeren Vorgehen festzustellen. *Es wird die bevorstehende Vollendung der Hitlerisierung Danzigs lautstark angekündigt*, da die zwei Drittel, die für eine Verfassungsänderung erforderlich sind, als gesichert angesehen werden. *Die Kampagne gegen die Tschechoslowakei wird mit unverminderter Hartnäckigkeit fortgesetzt.* Die Reise Rosenbergs in Grenzgebiete zeugt ebenfalls von der verstärkten Aktivität in dieser Region. Es tauchten Gerüchte auf, wonach bereits ein *Nichtangriffspakt mit Belgien* abgeschlossen worden sei. Es stehen die Besuche von Darányi10 und von Stojadinović11 bevor, die allerdings noch nicht offiziell angekündigt worden sind. *Die schärfste und umfassendste Kampagne führen die Deutschen aber in der Kolonialfrage.* Neben den bekannten Reden von Hitler und Goebbels zu diesem Thema wird die Kampagne in der Presse, im Film, an Lehrstühlen usw. geführt. *Es tauchte das Gerücht auf, dass die Einrichtung eines „Kolonialbüros“ bevorstünde*, das allmählich auf die Rolle eines Kolonialministeriums vorbereitet und *von Ribbentrop geleitet werden würde*.12 Es wird lautstark die Version propagiert, wonach Deutschland es ablehnen werde, neue internationale Verpflichtungen einzugehen, solange nicht seine Ansprüche auf Kolonien usw. anerkannt werden. 7) Es versteht sich, dass wir angesichts dieser Situation noch weniger als jemals zuvor mit einer Verbesserung der Beziehungen zu Deutschland rechnen können. Die Gespräche und das Gerede über eine sowjetisch-deutsche Annäherung, mit denen sich das diplomatische Milieu in den Sommermonaten die Zeit vertrieb, sind jetzt anscheinend völlig zum Erliegen gekommen. Die Industriellen, die den Handelsvertreter13 besuchen, fahren zwar fort, ihn zu überreden, „nicht die Zeitungen zu lesen“ und den Reden des Führers und seiner Vertrauten „keine Aufmerksamkeit zu schenken“, ihr Pathos hat jedoch merklich nachgelassen. Dies bedeutet selbstverständlich nicht, [dass] wir in nächster Zeit unbedingt irgendwelche raschen Komplikationen mit Deutschland erwarten müssen. Hitlers Aufmerksamkeit ist vorerst auf andere Dinge gerichtet, und einen Konflikt mit uns vom Zaune zu brechen gehört vielleicht nicht zu seinen Absichten. Klar ist aber, dass das ohnehin niedrige Niveau, auf dem sich unsere Beziehungen in letzter Zeit bewegten, noch stärker gesunken ist, obgleich schwer zu sagen ist, bis zu welchen Grenzen diese Absenkung geführt werden kann. Geschäftsträger in Deutschland Astachov Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 5357 vom 15.10.1937.
10 Der Premierminister Ungarns Daránýi stattete Deutschland vom 21. bis 25.11.1937 einen offiziellen Besuch ab. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. V, Dok. 148, 149. 11 Der Premierminister Jugoslawiens Stojadinović stattete Deutschland vom 15. bis 22.1.1938 einen offiziellen Besuch ab. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. V, Dok. 162, 163, 165. 12 Ribbentrops Name ist zweimal unterstrichen und am linken Seitenrand ist mit Bleistift angemerkt: und nicht als Außenminister, wie die A[ufklärungs]v[erwaltung] der RKKA angenommen hat. 13 Lazar’ Leont’evič Nepomnjaščij.
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Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an den Adressaten, das 2. an Gen. Litv[inov], das 3. zu den Akten. AVP RF, f. 011, op. 1, p. 3, l. 121–118. Original.
Nr. 123 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 123 13. 10. 1937 13. 10. 1937 Geheim AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS Nr. 1364 [13.10.1937]1 [Expl. Nr. 5] GESPRÄCH MIT DEM DEUTSCHEN BOTSCHAFTER SCHULENBURG, 13. Oktober 1937 Schulenburg wollte das Gespräch schon damit eröffnen, dass er erneut auf den Fall Krämer2 einzugehen versuchte, den man nach seiner Haftentlassung angeblich aus Novosibirsk hinauskomplimentiert habe, bevor er seine dienstlichen und persönlichen Angelegenheiten zu regeln vermochte. Ich erklärte dem Botschafter, dass ich mit ihm eine weitaus ernstere Angelegenheit besprechen müsste. Sodann legte ich ihm die Fakten im Fall des Konsuls in Leningrad, Sommer, dar, indem ich insbesondere sowohl die Namen der Deutschen nannte, die Sommer belastende Aussagen gemacht hatten, als auch den konkreten Inhalt der gegen Sommer erhobenen Anschuldigungen.3 Schulenburg notierte sorgfältig meine Ausführungen. Danach erklärte er, dass sie für ihn nichts Neues gebracht hätten. Er hätte bereits selbst vorgehabt, mit mir über den Fall Sommer zu sprechen, weil die Deutschen, die ihn verleumdet hätten, nach ihrer Rückkehr nach Deutschland mit den zuständigen Leuten bereits darüber gesprochen hätten, dass man in der UdSSR von ihnen Aussagen erzwungen hätte, die die Tätigkeit Sommers in einem falschen Lichte erscheinen ließen. Der Botschafter fuhr fort, dass sich von diesen Deutschen selbstverständlich niemand wegen Folter beklagt hätte. Jedoch hätten alle erklärt, dass sie durch die Einsamkeit, die Länge der Haft und die Verhöre in einen Zustand moralischer Abstumpfung ge1 Potemkin sandte die Aufzeichnung des Gesprächs mit von der Schulenburg am 13.10.1937 an Stalin; vgl. SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 95, S. 159. 2 Vgl. Dok. 113, Anm. 1. 3 Laut Telegramm von Graf von der Schulenburg an das Auswärtige Amt vom 13.10.1937 fanden sich unter den gegen Sommer vorgebrachten Anschuldigungen, die Schulenburg vorgelesen wurden, folgende: Organisierung von Militär- und Wirtschaftsspionage, Gründung von Parteigruppen der NSDAP, Vorbereitung zur Ermordung von Ždanov, Zerstörung von Leningrader Fabriken und Vergiftung der Bevölkerung der Stadt. Vgl. PA AA, R 104371, Bl. E 019570.
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Nr. 123
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raten seien und deshalb alles unterschrieben hätten, was man von ihnen verlangt hätte. Zwei dieser Personen hätten nach der Rückkehr in die Heimat die Gewissensbisse nicht mehr ertragen und Selbstmord begangen. Einige befänden sich im Zustand einer schweren Nervenzerrüttung. Der Botschafter versichert, dass alle gegen Sommer gemachten Aussagen Erfindungen seien. Wer könnte denn wirklich daran glauben, dass man in Deutschland den Tod Ždanovs bräuchte, oder dass sich die deutsche Rüstungsindustrie für Kunstharz oder Aluminium interessiere, die in Leningrader Betrieben hergestellt würden? Ich entgegnete dem Botschafter, dass ich nicht in eine Erörterung der Ursachen eintreten könne, die den Tod oder die seelische Zerrüttung von Personen nach sich gezogen hätten, die nach Deutschland zurückgekehrt seien, nachdem sie schriftliche Aussagen gegen Sommer abgegeben hätten. Andererseits wüssten wir, dass die Feinde unserer Heimat mit allen Mitteln versuchen, ihre wirtschaftliche und militärische Macht zu schwächen und die UdSSR ihrer Führer zu berauben. In Leningrad, wo auf hinterhältige Weise Gen. Kirov ermordet worden sei, sei bereits die verbrecherische Tätigkeit der Elemente demonstriert worden, die von Feinden der UdSSR aus dem Ausland gelenkt würden. Der Fall Sommer stelle sich uns jedenfalls als hinlänglich ernst dar und unterliege keinem Zweifel. Im Auftrag meiner Regierung erkläre ich dem Botschafter, dass Sommer binnen einer Woche die UdSSR verlassen müsse. Dem Botschafter obliege es, seine Regierung davon in Kenntnis zu setzen. Schulenburg antwortete, wobei er wie gewohnt die Arme ausbreitete, dass man Sommer, und dies sei seine persönliche Auffassung, nicht weiter in Leningrad belassen könne, da seine Tätigkeit als „verdächtig“ erscheine. Der Botschafter werde seine Auffassung auch Berlin mitteilen. Er versichere mir lediglich noch einmal, dass Sommer das Opfer einer Verleumdung sei. Ich machte Schulenburg vorsorglich darauf aufmerksam, dass alle Maßnahmen getroffen werden müssten, damit Sommer in der festgesetzten Frist aus der UdSSR ausreist. Anderenfalls drohten ihm sehr ernste Unannehmlichkeiten. Ich fügte hinzu, dass der Fall Sommer uns von der Notwendigkeit überzeugt habe, das deutsche Konsulat in Leningrad zu schließen. Wir wollten die gebührende Sicherheit der Stadt, die von solch einer großen Bedeutung für unser Land ist, gewährleisten. Schulenburg unternahm keinen Versuch einer Entgegnung. Er bat lediglich darum, sich daran zu erinnern, dass noch vor kurzem hunderte deutscher Schiffe in den Leningrader Hafen eingelaufen wären. Für diese sei die Existenz des deutschen Konsulats unerlässlich. Zum Abschluss des Gesprächs überreichte mir Schulenburg eine neue Liste von inhaftierten Deutschen. Er bat, deren Ausweisung nach Möglichkeit zu beschleunigen und die Versorgung der Häftlinge in den Gefängnissen mit warmen Sachen nicht zu behindern. Potemkin Vermerk mit Bleistift: MM. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 3356 vom 14.10.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 [Expl.]. Das 1. [Exemplar] zu den Akten, das 2. an Gen. Stalin, das 3. an Gen. Molotov,
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14. 10. 1937
Nr. 124
das 4. Gen. Ežov, das 5. an Gen. Litvinov, das 6. an Gen. Stomonjakov, das 7. an die 2. Westabteilung, das 9. nach Berlin. Expl. Nr. 5. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 44, l. 76–78. Kopie. Veröffentlicht in: SSSR-Germanija: 1933-1941, Dok. 95, S. 159–160.4 14. 10. 1937 14. 10. 1937 4
Nr. 124 Telegramm des Staatssekretärs im AA von Mackensen an die Botschaft in Moskau Nr. 124 14. 10. 1937 14. 10. 1937 Berlin, den 14. Okt. 1937 zu Pol. V 6485 Ref.: VLR Schliep CITO Diplogerma Moskau Telegramm i. Z. G. Ch. V. Nr. 126 vom 14.10 Auf Nr. 223 vom 13.1 Bitte Potemkin erwidern, dass Reichsregierung gegen Sommer erhobene Beschuldigungen2, die völlig unglaubhaft seien und offenbar auf erzwungenen Aussagen beruhten, auf das Schärfste zurückweist. Wir seien nicht in der Lage einer Forderung stattzugeben, die sich auf völlig haltloses Material gründet. Generalkonsul Sommer sei ersucht worden zur mündlichen Berichterstattung nach Berlin zu kommen. Sollte Potemkin auf Forderung Schließung Generalkonsulats zurückkommen, bitte zu antworten, dass angebliche in der Person des Generalkonsuls liegende Gründe mit Frage Weiterbestehens der Behörde nichts zu tun hätten, und Potemkin im Übrigen auf allgemeine Verhandlungen über beiderseitiges Konsularnetz zu verweisen. Sommer ist unmittelbar telegraphisch hierher gebeten worden. Mackensen Oben: Dg. Pol (mit Abzeichnung) Dir. Pol. Am Seitenrand: Stempel: Hat dem RM vorgelegen (mit Abzeichnung) und aus dem Büro RM 15 OKT 1937, darunter: Vor Abg.: Herrn M.D. Prüfer, Herrn M.D. Gaus m.d.B. um Mitz. (mit Abzeichnungen), Nach Abg.: bei W IV, Herrn Chef A.O., Pol I Mil, Pol. VI z.g.K (mit Abzeichnungen). Unten: Abgesandt 14/10 20.50 und Paraphen von Weizsäcker, Mackensen und Schliep vom 14.10. PA AA, R 104371, Bl. E 019571.
4 Das veröffentlichte Exemplar, das an Stalin geschickt wurde, enthält stilistische Verbesserungen Potemkins. 1 2
Vgl. Dok. 123, Anm. 3. Vgl. Dok 123.
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Nr. 125
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Nr. 125 Rundschreiben des kommissarischen Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin Nr. 125 14. 10. 1937 14. 10. 1937 Geheim Expl. Nr. 4 Nr. 1367 14. Oktober 1937 AN ALLE ABTEILUNGSLEITER DES NKID In der Praxis aller Abteilungen kommt es vor, dass sich ausländische Botschaften oder Missionen mit Noten an das NKID wenden, in denen darum gebeten wird, ihnen verschiedene sie interessierende Informationen zur Verfügung zu stellen. Mit solchen Noten, die auf den ersten Blick unverdächtig erscheinen, versuchen die Botschaften oder Missionen bisweilen, auf legale Weise – durch eine offizielle Anfrage beim NKID – an Informationen zu gelangen, die im Grunde genommen vertraulich sind. Dafür typisch ist die unlängst beim NKID eingegangene Note der Mission Schwedens. Die Mission bittet in dieser Note darum, ihr ausführliche Informationen zu den „Maßnahmen zu geben, die in der Sowjetunion seitens des Staates zur Förderung der zivilen (nicht der militärischen) Luftfahrt unternommen werden...“. Auf den ersten Blick gibt diese Bitte der Mission scheinbar keinen Anlass zu Zweifeln, da von der zivilen Luftfahrt und von offiziellen Maßnahmen des Staates die Rede ist. Indes ist dem nicht so. Eine Übermittlung von Informationen zur zivilen Luftflotte, die eng mit der militärischen Luftflotte verknüpft ist, käme einer Offenlegung von Staatsgeheimnissen gleich. Da auch zu anderen Dingen ähnliche Anfragen möglich sind und es nicht ausgeschlossen ist, dass die entsprechende Abteilung bei einer ungenügend kritischen Haltung diesen Bitten auch nachkommen kann, weise ich alle Abteilungsleiter an, *den gesamten Notenschriftverkehr persönlich durchzusehen*1 und dabei maximale Wachsamkeit bei der Entscheidung walten zu lassen, ob *diese oder jene Bitte der Botschaft oder Mission, Informationen zu ausgesuchten Fragen des Staatsaufbaus zur Verfügung zu stellen,*2 erfüllt wird. Die gleiche umsichtige Haltung ist auch gegenüber Bitten von Botschaften und Missionen an den Tag zu legen, die sich auf den Aufenthalt von ausländischen Bürgern in der UdSSR beziehen (Auskünfte über den Wohnort, über Verhaftungen usw.). P. p. der kommissarische VOLKSKOMMISSAR POTEMKIN Für die Richtigkeit: Sekretär:3
1 2 3
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Der Text ist mit Tinte unterstrichen. Der Text ist mit Tinte unterstrichen. Die Unterschrift ist nicht lesbar.
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Nr. 126
Anweisung F.S. Vejnbergs mit Tinte: Gen. Kul’čickaja. Alle in der Abteilung eingehenden und aus der Abteilung abgehenden Noten sind mir vorzulegen. V[ejnberg]. Oben rechts befindet sich der Stempel der 2. Westabteilung des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2044 vom 14.10.1937. Am Ende des Dokuments ist die Anzahl der Exemplare vermerkt: Geschr. 11 Expl. AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, l. 95–96. Beglaubigte Kopie.
Nr. 126 Schreiben des kommissarischen Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Ežov Nr. 126 15. 10. 1937 15. 10. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 3 Nr. 154761 15. Oktober 1937 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN DER SOWJETUNION Gen. EŽOV Die Deutsche Botschaft und die deutschen Konsulate in der UdSSR wenden sich ständig an das NKID mit Bitten, inhaftierten deutschen Staatsbürgern Sachen und Geld auszuhändigen. In Anbetracht dessen, dass es dazu keine vertraglichen Festlegungen gibt, übergibt das NKID die Bitten der Deutschen Botschaft und der Konsulate zur Prüfung an die Organe des NKVD und auf der Grundlage von deren Stellungnahmen werden dann auch den Deutschen Antworten erteilt. In letzter Zeit tauchte wiederholt die Frage auf, wie den Inhaftierten Sachen und Geld in den Fällen zu übergeben sei, wenn die Organe des NKVD dafür die Genehmigung erteilt haben. Laut Mitteilung des Beauftragten des NKID in Kiev2 erachten die ukrainischen Organe des NKVD es als wünschenswert, wenn die deutschen Konsulate Sachen und Geld direkt an die jeweiligen Haftorte schickten. Laut Mitteilung des Beauftragten des NKID in Tiflis3 erachten hingegen die georgischen Organe des NKVD es als wünschenswert, dass Sachen und Geld durch die Vermittlung der Verwaltung des NKID übergeben werden. Von dem Erfordernis ausgehend, einheitliche Regelungen für die Übergabe von Sachen und Geld an Inhaftierte festzulegen, hatte sich das NKID am 22. Juni d.J. an die 8. Abteilung der GUGB mit der Bitte um Mitteilung gewandt, welches Übergabeverfahren das NKVD als das annehmbarste erachtet. Eine Antwort hat das NKID jedoch noch nicht erhalten. Aufgrund der in dieser Angelegenheit wiederholten Anfragen der Deutschen Botschaft und Konsulate wende ich mich an Sie mit der Bitte um Mitteilung, auf 1 2 3
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Pavel Andreevič Brovcinov. Marsel’ Izrailevič Rozenberg.
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Nr. 127
16. 10. 1937
welchem Wege nach Auffassung des NKVD inhaftierten deutschen Staatsbürgern in den Fällen Sachen und Geld ausgehändigt werden soll, wenn dafür die Genehmigung des NKVD vorliegt. Kommissarischer VOLKSKOMMISSAR V. Potemkin Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an den Adressaten, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. zu den Akten der 2. Westabteilung. 14.X.37. AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 1, l. 106–107. Kopie.
Nr. 127 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 127 16. 10. 1937 16. 10. 1937 Geheim Expl. Nr. 1 AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS Nr. 1382 [16. Oktober 1917] GESPRÄCH MIT DEM DEUTSCHEN BOTSCHAFTER SCHULENBURG, 16. Oktober 1937 Schulenburg teilte mir mit, dass er am Abend für einige Tage nach Berlin reise. Zuvor wollte er mich aufsuchen, um die Antwort Berlins bezüglich der Verringerung der deutschen Konsulate in der UdSSR mitzuteilen. Die deutsche Regierung sei bereit, ihre Konsulate in Odessa und in Vladivostok zu schließen. Die übrigen beabsichtige sie beizubehalten. Was unsere eigene Absicht betreffe, Konsulate in München und in Breslau zu eröffnen, so spreche sich das Auswärtige Amt dagegen aus, da es keinen Grund für eine Erweiterung des Konsularnetzes in Deutschland sehe.1 Ich antwortete Schulenburg, dass seine Mitteilung uns in keiner Weise zufriedenstellen könne. Ich hätte ihm bereits erklärt, dass wir auf die Schließung des Deutschen Konsulats in Leningrad bestünden.2 Nach der Absage der deutschen Regierung hinsichtlich der Einrichtung sowjetischer Konsulate in München und Breslau dürfe man meiner Auffassung nach nicht mit wie auch immer gearteten Zugeständnissen seitens der sowjetischen Regierung hinsichtlich der Verringerung von deutschen Konsulaten in der UdSSR rechnen. Schulenburg brachte natürlich seinen Verdruss wegen unserer „Halsstarrigkeit“ zum Ausdruck. Danach teilte er mit, dass Sommer in den nächsten Tagen Le1 2
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Vgl. ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 269, S. 1157–1158. Vgl. Dok. 123.
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Nr. 128
ningrad verlassen und nach Deutschland abreisen werde.3 Für Krämer,4 der über Moskau nach Deutschland reisen werde, erbat der Botschafter die Genehmigung, sich einen Tag in der Deutschen Botschaft aufzuhalten, um auf das polnische Transitvisums zu warten, das erst am Montag, den 18., in Empfang genommen werden könne. Zur Frage des Austauschs der Gerndt gegen Gen. Popov5 teilte Schulenburg am Ende mit, dass ein solcher Austausch zu beliebiger Zeit vorgenommen werden könne. Der Botschafter bat lediglich darum, dass Gerndt bei der Ausweisung ihre persönlichen Sachen, die von den Behörden bei ihrer Verhaftung in Šepetovka eingezogen worden sind, ausgehändigt werden. Potemkin 16. 10. 1937 16. 10. 1937
Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 [Expl.] Das 1. [Exemplar] zu den Akten, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. an die II. Westabteilung, das 5. nach Berlin. AVP RF, f. 011, op. 1, p. 3, d. 30, l. 166–165. Original.
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4
5
Nr. 128 Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Außenhandel Čvjalev an den Stellv. Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Mikojan Nr. 128 16. 10. 1937 16. 10. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 2 1004/5041 16.X.19372 AN DEN STELLVERTRETENDEN VORSITZENDEN DES RATES DER VOLKSKOMMISSARE DER UNION DER SSR Gen. A.I. MIKOJAN Zur Frage der Lieferung von Gasöl an Deutschland Im November und Dezember 1937 muss das Narkomvneštorg laut bestehender Verträge 66.300 Tonnen Gasöl an Deutschland liefern, davon 11.500 Tonnen an die deutsche Marine und 54.800 Tonnen an den „Benzolverband“. Die Lieferung von Gasöl an die deutsche Marine durch uns ist bindend, da der Vertrag unter fob-Bedingungen3 abgeschlossen wurde, das Schiedsgericht in Berlin ist und eine Minderlieferung von Gasöl an diese Firma4 unerwünschte Komplikationen und Zahlung einer Vertragsstrafe verursachen kann. 3 4 5
Vgl. ebenda. Vgl. Dok. 113. Vgl. Dok. 116.
1 2 3
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Das Datum ist mit Tinte geschrieben. fob = free on board; unter fob-Bedingungen trägt der Verkäufer/Exporteur alle Frachtund Versicherungskosten bis zur Verladung der Ware an Bord des Schiffes. 4 So im Dokument; gemeint ist die Marine.
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Nr. 129
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Der Vertrag mit dem „Benzolverband“ hingegen wurde unter cif-Lieferbedingungen5 abgeschlossen, und das Narkomvneštorg hält es für möglich, dieser Firma etwa 20.000 Tonnen Gasöl weniger zu liefern, ihr im November und Dezember nur 35.000 Tonnen zu liefern und von der Firma die qualitative und quantitative Abnahme der Ware in unseren Häfen und eine Zahlung gegen Dokumente in Moskau bei der Gosbank mittels Eröffnung eines unwiderruflichen Akkreditivs zu verlangen. Obwohl ein Schiedsverfahren auch mit dieser Firma in Berlin vereinbart ist, sind wir dennoch der Meinung, dass wir, da die Lieferung der Ware laut Vertrag auf cif-Basis vorgesehen ist, unter Berufung auf die nicht normalen Schifffahrtbedingungen im Mittelmeer6 die Force-majeure-Klausel anwenden können. Wir erbitten dazu Ihr Einverständnis. STELLVERTRETENDER VOLKSKOMMISSAR FÜR AUßENHANDEL ČVJALEV Vermerk mit rotem Farbstift: Zu den Akten. 19/X. 377 Am Ende des Dokuments ist die Anzahl der Exemplare vermerkt: 3 E[xemplare]. 16.X. 37 RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2465, l. 2. Beglaubigte Kopie.
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6
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Nr. 129 Auszug aus dem Bericht des Leiters des Sektors für Handelsvertretungen im Volkskommissariat für Außenhandel Levin Nr. 129 19. 10. 1937 19. 10. 1937 GEHEIM Expl. Nr. … [19.10.1937] Zum Stand der Handelsbeziehungen mit einzelnen Ländern […] 4. DEUTSCHLAND Der Handelsverkehr mit Deutschland im Jahr 1937 ist durch das Sonderabkommen vom 24. Dezember 19361 geregelt. Auf der Grundlage dieser Abkommen: werden 1) unsere Zahlungen für die bis zum 1. Januar 1937 ausgegebenen Wechsel und die Terminzahlungen für 1937 in Höhe von 27 Mio. Mark aus dem Erlös unserer Exportwaren in Deutschland gemäß Sonderliste (Manganerze, Apatite, Holz, 5 cif = cost, insurance, freight; unter cif-Bedingungen trägt der Verkäufer/Exporteur alle Fracht- und Versicherungskosten bis zum Bestimmungshafen im Importland. 6 Gemeint sind die mit dem Eingreifen einer Reihe von europäischen Staaten in den Spanischen Bürgerkrieg verbundenen Gefahren für den Schiffsverkehr. 7 Die Unterschrift ist nicht lesbar. 1
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Vgl. ADAP, Ser. C, Bd. VI/1, Dok. 129, Anlage 1–3, S. 267–273.
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Leinen, Fette, Borsten, Pferdehaare, Rauchwaren) gedeckt; kann 2) der Erlös aus den übrigen Waren, der über die oben angeführte Liste für 27 Mio. Mark hinausgeht, für Zahlungen jeglicher Art innerhalb Deutschlands verwendet werden, davon ausgenommen sind Zahlungen für die bis Anfang 1937 ausgegebenen Wechsel. Am 9. April 1935 wurde mit Deutschland das Abkommen über den fünfjährigen 200-Millionen-Kredit für die Bezahlung unserer Bestellungen in Deutschland abgeschlossen.2 Die Frist für die Platzierung von Aufträgen auf der Grundlage dieses Abkommens wurde einige Male verlängert und endete am 1. Juli 1937. Dessen ungeachtet wurde die Kreditsumme trotz mehrfacher Fristverlängerung des 200Millionen-Kredits nicht vollständig ausgeschöpft – es verblieb eine Restsumme in Höhe von ca. **21 Mio. Mark (Netto)**3. In Kürze steht die Aufnahme der Verhandlungen über die Verlängerung des geltenden sowjetisch-deutschen Abkommens für den Handels- und Zahlungsverkehr für 1938 bevor. Der vom NKVT eingereichte Direktivenentwurf für diese Verhandlungen befindet sich zur Prüfung bei der Regierung.4 Laut den geltenden handelspolitischen Direktiven für 1937 ist unser Export nach Deutschland durch die im Exportplan bestätigte Summe streng begrenzt.5 Laut allgemeinem Plan umfasst diese Summe unter Berücksichtigung ihrer Erhöhung um 2,5 Mio. Mark, die auf die Weisung vom 29.VII.37 zurückgeht, 31 Mio. Mark (darunter 1,5 Mio. Mark an Exportüberhängen aus dem Jahr 1936). Dazu kommen auch die 24 Mio. Mark aus dem Abkommen zur Tilgung alter Wechsel des Exporterlöses in Mark. Es ist untersagt, den bestätigten Plan zur Einnahme an deutscher Mark aus dem Export zu überschreiten. Verkäufe über diesen Plan hinaus sind nur unter der Bedingung zugelassen, wenn die Waren in internationaler Währung in London oder in New York bezahlt werden. Der Importplan ist in einem Volumen von 30,9 Mio. Rubel festgeschrieben. Es ist beantragt, die Erfüllung dieses Plans zu garantieren. In 9 Monaten des Jahres 1937 wurden nach Deutschland Waren in einem Volumen von 100,8 Mio. Rubel (47,5 Mio. Mark) exportiert, davon 3,6 Mio. Rubel in Devisen. In 9 Monaten wurden für eine Summe von 26,1 Mio. Rubel Bestellungen platziert, ohne die Bestellungen auf Kredit für 30,8 Mio. Rubel. Das vorläufige Limit für den Export nach Deutschland im Jahr 1938 ist in Höhe von 15 Mio. Mark festgesetzt. Beim Import ist die Kontrollziffer – das Minimum an Bestellungen, die der Platzierung und der Bezahlung in Deutschland im Jahr 1938 unterliegen – in Höhe von 10 Mio. Mark festgesetzt, wobei die Importverwaltung angewiesen wurde, in Deutschland nur die Bestellungen zu platzieren, die in anderen Ländern nicht platziert werden können. Gegenwärtig erfolgt die Auftragserteilung in Deutschland in jedem einzelnen Fall durch Genehmigung des Volkskommissars6. 2 3 4
Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. II/1, Dok. 116, S. 422–428. Die gekennzeichnete Summe ist mit Tinte korrigiert, ursprünglich: 15,4 Mio. Mark. Vgl. das Schreiben Sud’ins an Stalin und Molotov vom 2.7.1937. In: AVP RF, f. 05, op. 17, p. 127, d. 3, l. 29–28. 5 Vgl. das Telegramm Levins an den Handelsvertreter der UdSSR in Deutschland Kandelaki vom 16.3.1937 zum Ex- und Importplan 1937 für Deutschland. In: RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2510, l. 113. 6 Gemeint ist der kommissarische Volkskommissar Sud’in, der am 21.10.1937 verhaftet wurde.
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*In letzter Zeit haben deutsche Firmen bei den Verhandlungen über die Annahme unserer Aufträge die Bezahlung in ausländischer Währung oder eine Klausel darüber gefordert, dass die Zahlung in ausländischer Währung erfolgt, falls das geltende Handelsabkommen mit Deutschland nicht verlängert werden sollte. Die Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland beging den Fehler, auf dieser Grundlage Verhandlungen mit der Firma „Otto Wolff“ aufzunehmen. Deutsche Firmen und das Wirtschaftsministerium machen in letzter Zeit ihr Einverständnis zur Annahme unserer Bestellungen von Werkzeugmaschinen davon abhängig, dass wir uns verpflichten, Deutschland Manganerze zu liefern. Gen. Sud’in hat bei der Regierung den Antrag gestellt, Deutschland 50 Tsd. Tonnen Manganerze zu liefern im Gegenzug für eine Zusage deutscher Firmen, einige Bestellungen von Werkzeugmaschinen anzunehmen und die Lieferfristen dafür zu beschleunigen. Die Verhandlungen zum Abschluss von Handelsabkommen mit Deutschland wurden im Zeitraum 1935 bis 1937 von den Volksfeinden Kandelaki7 und Fridrichson8 geführt. Die Punkte der Handelsabkommen mit Deutschland in dieser Zeitspanne: unser Recht, verwaltungsmäßige Ausgaben in Deutschland mit dem Erlös in Mark zu begleichen; die in Deutschland praktizierte Regelung, den Firmen eine Exportprämie zu gewähren, auf die UdSSR anzuwenden; und unsere Weigerung, im Abkommen für 1936 die gleiche Höhe sowohl für die Summe unserer laufenden Bestellungen in Deutschland als auch für die Summe des Exporterlöses für 1936 festzulegen, wurde auf Druck des NKVT und gegen den Widerstand Kandelakis durchgesetzt. Es ist auch möglich, dass die Informationen Kandelakis und Fridrichsons über die Verhandlungen zum 200-Millionen-Kredit im Jahr 1935 schädlichen Charakters waren, auf deren Grundlage den Deutschen wesentliche Zugeständnisse gemacht wurden (die Ausweitung der Verbindlichkeiten bei den laufenden Bestellungen von 30 Mio. Mark bis zu 60 Mio. Mark9, die Ablehnung der Verlängerung des Markabkommens in der früheren Fassung, die Anhebung der Kompensation für den Verzicht der Deutschen auf Valorisierungsansprüche um 1 Mio. Mark)10.*11 Den Bericht mit der ausführlichen Analyse der Wirtschaftsverhandlungen mit Deutschland **für**12 1935 bis 1937 hat das NKVT den Ermittlungsorganen übergeben. *Der vom NKVT eingebrachte Antrag, die Beziehungen zum RusslandAusschuss der Deutschen Wirtschaft für den Fall einzustellen, dass er die Entlassung des Geschäftsführers des **Ausschusses** 13 Tschunke 14 ablehnt, befindet sich bei der Regierung zur Prüfung.*15 […] 7 Kandelaki, in der bezeichneten Zeit der Handelsvertreter der UdSSR in Deutschland, wurde am 11.9.1937 verhaftet. 8 Fridrichson, in der bezeichneten Zeit der 1. Stellvertreter des Handelsvertreters der UdSSR in Deutschland, wurde am 11.9.1937 verhaftet. 9 Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. II/1, Dok. 64, S. 300. 10 Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. I/2, Dok. 473, S. 1258. 11 Die drei Absätze sind am linken Seitenrand mit Tinte angestrichen. 12 Das Wort ist mit Tinte geschrieben. 13 Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. 14 Vgl. Dok. 114. 15 Der Absatz ist am linken Seitenrand mit Tinte angestrichen.
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20. 10. 1937
Nr. 130
LEITER DES SEKTORS FÜR HANDELSVERTRETUNGEN M. Levin RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2493, d. 1–31, hier 8–11. Original.
Nr. 130 Aufzeichnung des Leiters des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep Nr. 130 20. 10. 1937 20. 10. 1937 Berlin, den 20.10.1937 Sofort! Ich habe heute weisungsgemäß Herrn General Keitel über den Stand der Frage betreffend Aufrechterhaltung unseres Konsularnetzes in der Sowjetunion unterrichtet und hierbei auch auf die Möglichkeit hingewiesen, dass wir durch das Verhalten der Russen gezwungen werden könnten, unsere Konsulate in der Sowjetunion bis auf zwei zu schließen. Herr General Keitel, der bereits vor einigen Tagen durch den Marineattaché der Botschaft Moskau, Herrn Kapitän von Baumbach, ins Bild gesetzt worden war, dankte für die Information und bemerkte, dass das Reichskriegsministerium die in dieser Angelegenheit zu treffenden Entscheidungen ganz dem Auswärtigen Amt überlasse. So erwünscht es auch aus Gründen der Nachrichtenversorgung wäre, wenn unsere Konsulate in der Sowjetunion bestehen bleiben könnten, so habe er doch andererseits volles Verständnis dafür, wenn der Herr Reichsminister des Auswärtigen es für untragbar halte, zwei neue Sowjetkonsulate in Deutschland zuzulassen; Herr General Keitel teilte noch mit, er habe soeben an Herrn Staatssekretär von Mackensen einen Brief geschrieben, in dem er gebeten habe, nach Möglichkeit auf die Aufrechterhaltung des deutschen Konsularnetzes in der Sowjetunion hinzuwirken. Dieser Brief sei nunmehr durch meinen Besuch erledigt. Über Herrn Dg.Pol.1 und Herrn Dir.Pol.2 dem Herrn Staatssekretär3 gehorsamst vorgelegt. gez. Schliep Oben Eingangsstempel: Pol I 5783/g, eing. 3 NOV 1937. Unten maschinenschriftlich: Durchschlag erhalten: Herr Dir. Pers., Herr Dir. Recht, Herr Dir. W, Pol I Mil (H. LR. v.d. Heyden-Rynsch). Daneben Kenntnisnahmen. PA AA, R 101377, Bl. 237336.
1 2 3
Otto Graf von Bismarck. Ernst Freiherr von Weizsäcker. Hans Georg von Mackensen.
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Nr. 131
21. 10. 1937
Nr. 131 Aufzeichnung der Unterredung des Leiters des Sektors für Handelsvertretungen im Volkskommissariat für Außenhandel Levin mit dem Legationsrat in Moskau Hilger Nr. 131 21. 10. 1937 21. 10. 1937 GEHEIM1 Nr. 8071/587 22/X2 [21.10.1937] AUFZEICHNUNG DES GESPRÄCHS DES Gen. M. LEVIN MIT DEM RAT DER DEUTSCHEN BOTSCHAFT Herrn HILGER. 20. Oktober 1937 Anwesend war Gen. A. Kaminskij 1. Hilger bat, ihm auf seine schriftliche Anfrage bezüglich der Einbehaltung des Albums des Vertreters der Firma Kanis mit Fotografien von Maschinen **durch den Zoll**3 zu antworten. Jener war nach den Gesprächen mit Technopromimport aus der UdSSR ausgereist. Wir antworteten, dass das Album deshalb einbehalten worden sei, weil der Vertreter der Firma vor seiner Abreise die Ausfuhrgenehmigung für dieses Album nicht in der erforderlichen Form beantragt hätte, und dass laut Auskunft von Technopromimport dieses Album am 9. Oktober 1937 an die Firma geschickt worden sei. 2. Hilger bat um Antwort auf die schriftliche Anfrage bezüglich des Wunsches einer deutschen Firma, bei uns Feldspat zu kaufen. Wir antworteten, dass **Sojuzpromėksport**4 gegenwärtig nicht beabsichtige, Feldspat nach Deutschland zu verkaufen. 3. Hilger zeigte uns einen Auszug des Artikels der „Pravda“, in dem der Geschäftsführer des Russland-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft Major Tschunke als Mann der Spionageabwehr5 charakterisiert wird, und beschwerte sich in diesem Zusammenhang wegen der ungerechten Haltung der „Pravda“ gegenüber Tschunke6, der, den Worten Hilgers zufolge, der Handelsvertretung gut bekannt sei und im Russland-Ausschuss für die Entwicklung und Normalisierung des sowjetischdeutschen Handels eintrete. Wir antworteten, dass wir noch nicht wüssten, wie unser Handelsvertreter in Deutschland Gen. Nepomnjaščij auf diese Meldung der „Pravda“ reagieren werde7, wir nähmen jedoch an, dass er sie (unter Berücksichtigung dessen, dass in der 1 2 3 4 5 6
Das Wort ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Ausgangsnummer und -datum sind mit Tinte geschrieben. Das Wort ist mit Tinte korrigiert; ursprünglich: im Zoll. Das Wort ist mit Tinte korrigiert; ursprünglich: Vereinigung. Vgl. N. Abuzov: „Gestapo“. In: Pravda vom 17. September 1937, S. 4. Tschunke bezeichnete in einem Brief an Nepomnjaščij vom 25.9.1937 die Passage im Pravda-Artikel bezüglich seiner Tätigkeit als Geschäftsführer des Russland-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft „als blühende Phantasie des Verfassers“. In: RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2510, l. 61. 7 Zur Reaktion der Leitung des NKVT auf die Veröffentlichung der Pravda vgl. Dok. 114.
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21. 10. 1937
Nr. 131
„Pravda“ nur stichhaltige Materialien veröffentlicht werden)8 ernst nehmen und entsprechende Schlussfolgerungen ziehen werde. 4. Hilger kam auf das Memorandum des deutschen Wirtschaftsministeriums bezüglich des Zahlungsverfahrens für unsere 1937 erteilten Aufträge zu sprechen, die 1938 zur Lieferung und Bezahlung anstehen. *In diesem Memorandum besteht das Wirtschaftsministerium darauf, dass die deutschen Firmen nach dem Ablauf der Geltungsfrist des Abkommens für 1937 auch für die Lieferungen im Jahr 1938 von uns die Bezahlung in Devisen oder „Frei“-Mark9 fordern sollen.*10 Wir antworteten, dass wir durch Gen. Nepomnjaščij über dieses Memorandum11 informiert seien und höchst erstaunt über dessen Inhalt wären. Wir seien der Ansicht, dass die Position des deutschen Wirtschaftsministeriums vollkommen unbegründet sei, da auch nach Ablauf der Geltungsfrist des Wirtschaftsabkommens mit Deutschland durchaus der Fall möglich sei, dass deutsche Firmen bei uns diese oder jene Waren auf der Grundlage von Einzelentscheidungen der Devisenbehörden kaufen und diese in Mark, die nur innerhalb Deutschlands verwendet werden dürfen, bezahlten. Das Memorandum des deutschen Wirtschaftsministeriums und die sich aus ihm ergebenden Forderungen einiger deutscher Firmen, die Lieferungen für 1938 und sogar für Aufträge, die auf Rechnung für 1937 erteilt wurden, zum Teil in Devisen oder in Freimark zu bezahlen, schließe die Möglichkeit aus, diese Summen zu verwenden. Diese Haltung widerspreche dem gegenwärtig geltenden Handelsabkommen mit Deutschland, sie erschwere uns die Auftragserteilung in Deutschland, schaffe eine völlig unnormale Situation für die Tätigkeit der Handelsvertretung und erschwere lediglich mögliche Verhandlungen zum Wirtschaftsabkommen für 1938. Hilger notierte sich unsere Argumentation und sagte, es falle ihm schwer, darauf etwas zu erwidern, da er nicht über sämtliche Materialien verfüge. Er versprach, nach Berlin über unser Gespräch zu schreiben und drückte die Hoffnung aus, dass dies, zusammen mit den Verhandlungen Nepomnjaščijs mit dem Wirtschaftsministerium, dazu beitragen werde, diese Angelegenheit zu regeln.12 Leiter des Sektors für Handelsvertretungen M. Levin Stellv. des Sektorleiters für Handelsvertretungen Kaminskij 21.X.37. Vermerk A. Andreevs mit Bleistift: zu den Akten. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 6 [Exemplare]. *1 [Exemplar] an Gen. Merekalov*13, 1 an Gen. Čvjalev, 1 an Gen. Potemkin, 1an Gen. Rozenbljum, 1 an Gen. Nepomnjaščij, 1 zu den Akten. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2495, l. 2–4. Original. 8 9 10 11 12
Die Klammern sind mit Tinte gesetzt. Vgl. Dok. 102, Anm. 11. Der Text ist am linken Seitenrand mit Tinte angestrichen. Vgl. Dok. 102. Zur Weisung der Leitung des NKVT im Zusammenhang mit dem Memorandum des Reichswirtschaftsministeriums vgl. das Schreiben Merekalovs an Nepomnjaščij vom 2.11.1937; in: RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2510, l. 57–59. 13 Der Text ist mit Tinte unterstrichen.
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Nr. 132 Aufzeichnung von Unterredungen des Geschäftsträgers in Berlin Astachov mit dem sowjetischen Handelsvertreter in Berlin Nepomnjaščij Nr. 132 27. 10. 1937 27. 10. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 1 Nr. 294/s1 Berlin, 27. Oktober 1937 Tagebuch G. Astachovs [...]2 22. Oktober Gen. Nepomnaščij ist bei mir. Er hat von ihn besuchenden deutschen Industriellen die Information erhalten, dass sich der sog. Russland-Ausschuss mit einem speziellen Memorandum zum Handel mit der UdSSR an Göring gewandt habe. Die im Ausschuss vertretenen Industriellen weisen in diesem Memorandum die Notwendigkeit nach, den Handel mit der UdSSR zu erweitern, selbst zu dem Preis, dass uns die Möglichkeit eingeräumt wird, Gegenstände militärischer Zweckbestimmung zu kaufen. Sie sind der Ansicht, dass, falls Deutschland es ablehnen sollte, solche Objekte zu verkaufen, die UdSSR diese dennoch in Frankreich, in der Tschechoslowakei oder in den USA kaufen kann. Dafür könnte man nach Auffassung der Industriellen von der UdSSR fordern, an Deutschland die benötigten Rohstoffe (in erster Linie Manganerz sowie Holz, Erze usw.) zu verkaufen. Es ist noch nicht bekannt, wie sich Göring zu dem Memorandum verhalten hat. […]3 24. Oktober Gen. Nepomnjaščij kam zu mir. Am Tag zuvor hatte er ein Treffen mit dem Stellvertreter Schachts, Brinkmann. Das Treffen erfolgte auf Brinkmanns Initiative, der den Handelsvertreter vor dessen Abreise nach Moskau speziell zu treffen wünschte. Brinkmann sagte, dass er im Auftrag von Göring spreche und wünsche, dass der Handelsvertreter den Inhalt des Gesprächs der sowjetischen Regierung zur Kenntnis bringe, obwohl er zugleich darauf hinwies, dass das Gespräch mehr oder weniger privaten Charakters sei. Das Wesentliche besteht im Folgenden: „Sie verstehen“, sagte Brinkmann, „dass wir mit dem jetzigen Zustand des Handels mit Ihnen nicht zufrieden sein können und seine Ausweitung anstreben. Die deutsche Regierung ist bereit, der sowjetischen Regierung in der Frage des sie interessierenden Warensortiments weitestgehend entgegenzukommen. Sie ist sogar bereit, Gegenstände eindeutig militärischer Zweckbestimmung, die da sind: Panzerstahl, Turboturbinen für Kriegsschiffe, verschiedene Erzeugnisse von Zeiss, zu verkaufen. Sie ist bereit, die Frage der technischen Hilfe und der Anleitung durch Zeiss zu 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Ausgelassen sind Aufzeichnungen über Gespräche mit diplomatischen Vertretern verschiedener Länder in Berlin vom 16. bis 21.10.1937 (l. 123–125). 3 Ausgelassen sind die Informationen über die Gespräche mit dem diplomatischen Vertreter des Iran und mit Pressevertretern in Berlin vom 22. und 23.10.1937 (l. 126–128).
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überdenken. Es versteht sich, dass sie vorerst keine Artillerie oder Kriegsschiffe verkaufen kann. Ihrerseits wünscht sie, von der UdSSR die Rohstoffe zu bekommen, die Deutschland benötigt.“ Brinkmann gab dem Handelsvertreter zu verstehen, dass er von ihm zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Antwort erwarte, er jedoch das alles unter Berücksichtigung dessen anspreche, dass der Handelsvertreter nach Moskau fahre. Gen. Nepomnjaščij führte in dem Gespräch unser übliches Argument an, dass es schwierig sei, den Handel in einer Atmosphäre anormaler politischer Beziehungen zu entwickeln. Darauf antwortete Brinkmann mit dem üblichen deutschen Argument, indem er sagte: „Sie müssen verstehen, dass die Erweiterung des Handels gerade auch der Verbesserung der politischen Beziehungen dienen wird.“4 Anmerkung: Bezeichnend ist, dass, neben der Erwähnung B[rinkmanns], dass das Gespräch privaten Charakters sei, er es wünschte, dass Gen. Nepomnjaščij ohne Mitarbeiter zu ihm komme. Dies gibt Grund zu der Annahme, das Gespräch nicht als einen konkreten Vorschlag zu verstehen, sondern vielmehr als eine Sondierung, die man in Zukunft je nach Situation in eine beliebige Richtung umkehren kann. [...]5 G. Astachov Vermerk mit Bleistift: MM. Vermerk mit blauem Farbstift: Zu den Akten. Oben rechts befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 3531 vom 31.10.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. 7 Expl. an Gen. Litvinov, 1 [Exemplar] zu den Akten. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 43, l. 123–130, hier l. 125–126, 128–129. Original.
Nr. 133 Bericht des kommissarischen Leiters des Generalkonsulats Leningrad von Heynitz an das AA Nr. 133 27. 10. 1937 27. 10. 1937 Leningrad, den 27. Oktober 1937 C. 768/37 An das Auswärtige Amt in Berlin über die Deutsche Botschaft in Moskau Unter Bezugnahme auf die Berichte C. 661/37 ff. vom 22. v. M. und auf die anderweitige Weisung Nr. 16 vom 14. d. M. 4 Ein Telegramm mit der Darlegung des Inhalts des Gesprächs Nepomnjaščijs mit Brinkmann wurde von Astachov am 24.10.1937 an das NKID geschickt, danach erging auch eine Kopie an Stalin, Molotov, Vorošilov, Kaganovič, Ežov. Vgl. Moskva-Berlin 1920–1941, Bd. 3, Dok. 169, S. 252. 5 Ausgelassen sind Aufzeichnungen der Gespräche mit den Gesandten Norwegens und Schwedens am 25.10. (l. 129–130), mit dem Korrespondenten der „Chicago Daily News“ in Berlin am 23.10. (l. 130) und im AA am 19. bis 21.10. (l. 130).
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Inhalt: Beschwerde der Agentur des Außenkommissariats über Ausbürgerungen Reichsdeutscher und über die Passpraxis des Generalkonsulats Anlässlich meines Antrittsbesuches beklagte sich der hiesige Diplomatische Agent des Außenkommissariats über die Unzuträglichkeiten, die sich für die Sowjetbehörden aus den zahlreichen Ausbürgerungen deutscher, in der UdSSR ansässiger Reichsangehöriger ergäben. Die Sowjetunion habe diese Reichsdeutschen seinerzeit im Vertrauen auf ihren deutschen Pass, das heißt unter der Voraussetzung aufgenommen, dass sie deutsche Staatsangehörige bleiben würden und, sobald ihr weiterer Aufenthalt in der Sowjetunion auf Bedenken stieße, jederzeit zur Rückkehr nach Deutschland veranlasst werden könnten. Nach ihrer Ausbürgerung könnten diese – nunmehr staatenlosen – Elemente aber weder nach Deutschland noch in ein anderes Land abgeschoben werden. Die Sowjetregierung sei dadurch gezwungen, gegen ihren Willen ihr unerwünschte Ausländer im Lande zu behalten. Dies könne ihr nicht zugemutet werden, sie halte daher die Ausbürgerungen für unzulässig. Auf meinen Hinweis, dass auch die Sowjetregierung sich Staatsangehöriger, die Feinde des Sowjetregimes seien, durch Ausbürgerung entledige, wie es kürzlich erst gegenüber zwei in Amerika befindlichen Sowjetgelehrten geschehen sei, erwiderte Herr Wainstein, diese Sowjetbürger seien offenbar in ihrem Aufenthaltslande willkommen gewesen, was bei der Mehrzahl der hier lebenden ausgebürgerten Deutschen keineswegs der Fall sei. Er wies in diesem Zusammenhang auf die Fälle Tieke (Bericht Nr. C.666/37 vom 22.9.37) und Schnabel (Bericht Nr. C.662/37 vom 22.9.37) hin. Herr Wainstein benutzte den Anlass, um auch den etwas anders liegenden Fall Marjanna Pietrzak zur Sprache zu bringen. Die Pietrzak war mit einem vom Polizeipräsidium in Berlin am 10. September 1926 ausgestellten Reisepass in die UdSSR eingereist. Auf Grund dieses Passes war ihr am 15. Mai 1931 vom hiesigen Generalkonsulat ein neuer Pass auf fünf Jahre ausgestellt worden. Nach dessen Ablauf stellte sich im Einvernehmen mit dem Polizeipräsidium Berlin heraus, dass die Pietrzak polnische Staatsangehörige ist und die Ausstellung des Passes vom 10. September 1926 auf einem Irrtum beruhte. Die Ausstellung eines neuen deutschen Passes ist ihr daher versagt worden. Auch einen polnischen Pass vermag sie sich nicht zu verschaffen, da das hiesige Polnische Konsulat auf dem Standpunkt steht, dass sie durch die seinerzeitige Annahme eines deutschen Passes die polnische Staatsangehörigkeit verwirkt habe. – Nach Ansicht der Agentur des Außenkommissariats ist die irrtümliche Ausstellung des deutschen Passes von den deutschen Behörden zu vertreten und daher die Reichsregierung für die Klärung der Staatsangehörigkeit der Pietrzaks verantwortlich. Bis dahin müsse sie von der Sowjetregierung als deutsche Staatsangehörige angesehen werden. – Endlich wandte sich Herr Wainstein gegen die Übung des Generalkonsulats, die Gültigkeit der Reisepässe gewisser deutscher Staatsangehöriger auf den Aufenthalt in der Sowjetunion zu beschränken. Den Inhabern solcher Pässe sei in Einzelfällen die Einreise in Nachbarländer der Sowjetunion versagt worden; dieses Verfahren führe also für die Sowjetbehörden zu den gleichen Unzuträglichkeiten wie die Ausbürgerungen deutscher Staatsangehöriger. Es bedeute auch insofern einen Eingriff in die Rechte der Sowjetregierung, als nur diese über den Aufenthalt von Ausländern in der UdSSR zu befinden habe. –
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Nr. 134
Ich wies Herrn Wainstein darauf hin, dass das von ihm beanstandete Vorgehen deutscher Stellen (Ausbürgerungen, räumliche Beschränkungen der Gültigkeit von Reisepässen) sich nicht auf den Amtsbezirk des hiesigen Generalkonsulats beschränke, sondern auf die gesamte Sowjetunion erstrecke. Eine endgültige Stellungnahme sei mir daher nur im Einvernehmen mit der Botschaft in Moskau möglich. Sollte Herr Wainstein auf die Angelegenheit zurückkommen und mir nicht anderweitige Weisung inzwischen zugegangen sein, so werde ich ihm anheimstellen, seine Regierung zu veranlassen, ihre diesbezüglichen Beschwerden auf dem angezeigten Wege über die Sowjetbotschaft in Berlin anzubringen. Einstweilen werde ich die bisherige Übung in Passsachen beibehalten. Die Deutsche Botschaft in Moskau, über die ich diesen Bericht zu leiten die Ehre habe, hat Durchdruck erhalten. In Vertretung Heynitz Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt unten: Pol V 7128/37. In zwei Durchdrucken. PA AA, R 104391, o. P., 3 Bl.
Nr. 134 Telegramm des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov Nr. 134 27. 10. 1937 27. 10. 1937 27. Oktober 1937 Gestern bestätigte mir Schulenburg, der eben erst aus Berlin zurückgekehrt ist, seine unlängst gemachte Mitteilung, dass sich die deutsche Regierung gegen die Einrichtung unserer Konsulate in Breslau und in München1 ausspricht. Der Botschafter ergänzte, dass die deutsche Regierung unsere Aufforderung, die Anzahl der deutschen Konsulate in der UdSSR zu verringern, sowohl aus grundsätzlichen als auch aus praktischen Erwägungen als unannehmbar betrachtet. Um jedoch nicht „die Beziehungen zu verschärfen“, ist die deutsche Regierung bereit, ihre Konsulate in Odessa und in Vladivostok zu schließen.2 Ich erklärte Schulenburg, dass auf jeden Fall auch das Konsulat in Leningrad geschlossen werden müsse. Was die übrigen [Konsulate] anbelangt, so machte ich den Botschafter vorsorglich darauf aufmerksam, dass, falls wir die Konsulate in Breslau und München nicht bekommen sollten, auch die Deutschen nicht mehr als zwei Konsulate in der UdSSR unterhalten dürften.3 Potemkin Veröffentlicht in: DVP, Bd. XX, Dok. 383, S. 569. 1 2 3
Vgl. Dok. 127. Vgl. Dok. 120. Vgl. Dok. 147.
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Nr. 135
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Nr. 135 Operativer Befehl des Volkskommissars für Innere Angelegenheiten Ežov Nr. 135 28. 10. 1937 28. 10. 1937 Ganz geheim Expl.___ 28. Oktober 1937 OPERATIVER BEFEHL DES VOLKSKOMMISSARS FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN DER UdSSR Nr. 00698 Moskau, 28. Oktober 1937 Zum Zwecke der Unterbindung jeglicher konterrevolutionärer, terroristischer, Spionage- und Diversionstätigkeit, die auf dem Territorium der UdSSR von Angehörigen der Botschaften und Konsulate Deutschlands, Japans, Italiens und Polens betrieben wird, BEFEHLE ICH: 1. Es sind nachrichtendienstliche operative Maßnahmen bei der Betreuung der genannten diplomatischen Vertretungen in der Weise zu organisieren, dass ihnen jegliche Grundlage, Voraussetzungen und Möglichkeiten für die Organisation einer feindlichen Tätigkeit auf dem Territorium der UdSSR entzogen wird. 2. Durch eine sorgfältig organisierte nachrichtendienstliche und äußere Beobachtung und durch die Anwendung breiter Repressionsmaßnahmen sind alle Kontakte der Botschaften und Konsulate dieser Länder zu sowjetischen Staatsbürgern zu ermitteln und zu unterbinden. Alle sowjetischen Staatsbürger, die in Kontakt mit Mitarbeitern dieser diplomatischen Vertretungen stehen und deren Dienstund Wohnräume aufsuchen, sind unverzüglich zu verhaften. 3. Von den ausländischen Staatsbürgern sind diejenigen Personen zu verhaften, deren Kontakte zu den diplomatischen Vertretern dieser Länder hinsichtlich einer konterrevolutionären und Spionagetätigkeit als verdächtig erscheinen. Für die Verhaftung von ausländischen Staatsbürgern ist die Genehmigung des NKVD der UdSSR einzuholen. 4. Durch das Verfahren gegen die wegen Kontakten zu den diplomatischen Vertretungen repressierten Personen ist deren konterrevolutionäre, terroristische, Spionage- und Diversionstätigkeit aufzudecken. 5. Mittels einer ununterbrochenen Beobachtung und offizieller Maßnahmen sind den Vertretern der Botschaften und Konsulate der oben angeführten Länder alle Möglichkeiten zu nehmen, sich auf legalem Wege bei Reisen in der UdSSR und bei Besuchen unserer Betriebe Spionageinformationen zu verschaffen. 6. Zur Durchführung der oben angeführten Maßnahmen ist die Agentur zu aktivieren, die sich mit dem Personal der diplomatischen Vertretungen befasst, und es ist eine ununterbrochene Beobachtung (eine äußere und nachrichtendienstliche) zu organisieren: bezüglich der Botschaften, Missionen und Konsulate dieser Länder und der Unterkünfte ihrer Mitarbeiter; namentlich der Botschafter, Konsuln, Militärattachés
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und aller Angestellten der Botschaften und Konsulate, die im Verdacht einer konterrevolutionären Spionagetätigkeit stehen, in ihren Wohnungen und während ihrer Reisen auf der gesamten Fahrtstrecke. Veröffentlicht in: „Čerez trupy vraga na blago naroda“, Bd. 2, Dok. 235, S. 566–567.
Nr. 136 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an die 2. Westabteilung des NKID Nr. 136 28. 10. 1937 28. 10. 1937 GEHEIM Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Ausg.-Nr. 2991 Berlin, 28. Oktober 1937 An die 2. Westabteilung des NKID 1) Soeben habe ich sehr *eindringlich mit Schliep über unsere Seeleute gesprochen*2 (die Schiffsbesatzungen der „Komsomol“ und der „Smidovič“), die gestern in Wilhelmshaven eingetroffen sind und *sich bis jetzt „im Gewahrsam der Gestapo“ befinden.* Schliep versprach, sich morgen mit den zuständigen Behörden in Verbindung zu setzen und alles in Ordnung zu bringen. Ich hoffe, dass, wenn Sie diesen Brief erhalten, diese Angelegenheit so oder so geklärt sein wird, deshalb gehe ich einstweilen nicht ausführlicher auf sie ein.3 2) Zugleich machte ich Schliep auf *die Unzulässigkeit aufmerksam, wie mit Gen. Barulin4 umgegangen wurde*, und noch ausführlicher als zuvor ging ich auf *die Missgeschicke des Gen. Smirnov* auf dem Flugplatz Tempelhof 5 ein. Schliep seufzte bekümmert auf, machte einige Bemerkungen, sagte aber nichts Konkretes. 3) Danach erinnerte er in dem gleichen bekümmerten Tonfall, sozusagen inoffiziell sprechend, daran, dass *in der UdSSR noch ungefähr 400 Deutsche inhaftiert wären.6* Unlängst wäre in Tiflis der Mitarbeiter des Konsulats *Gilbert*7 verhaftet worden. Abschließend [bemerkte er], dass *die inhaftierten Deutschen einem sehr strengen Regime unterliegen würden. Sie würden fast nicht ernährt.* Ihre *einzige Nahrung sei eine wässrige Kohlsuppe mit einem kleinen Stück Brot...* 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der hier und im Folgenden so gekennzeichnete Text ist mit rotem Farbstift unterstri-
chen. 3 4 5
Vgl. Dok. 138. Vgl. Dok. 119. Smirnov war „unter dem Vorwand, dass kein Platz frei sei“, der Kauf eines Flugtickets verweigert worden. Vgl. das Schreiben Astachovs an Levin vom 16.10.1937. In: AVP RF, f. 011, op. 1, p. 3, d. 23, l. 122. 6 Zum 10.8.1937 bezifferte die Botschaft in Moskau die Anzahl der in der UdSSR inhaftierten Deutschen mit 210 Personen. Vgl. Dok. 90. 7 Vgl. Dok. 137, Anm. 3.
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Ich antwortete Schliep in gebührender Weise. Aufschlussreich ist jedoch, dass Schliep überhaupt nicht auf Leningrad und Sommer zu sprechen kam.8 Diese Angelegenheit hat überhaupt kein Beamter des Auswärtigen Amtes mir gegenüber im Gespräch erwähnt (außer Twardowski, der, als ob er sich versprochen hätte, darum bat, seine Worte nicht als offizielle aufzufassen). Dies ist dennoch aufschlussreich. Geschäftsträger der UdSSR in Deutschland [G.A. Astachov] Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 5615 vom 31.10.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. zu den Akten. AVP RF, f. 011, op. 1, p. 3, d. 23, l. 124. Kopie.
8
Nr. 137 Telegramm des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA Nr. 137 28. 10. 1937 28. 10. 1937 Telegramm (Geh. Ch. V.) Moskau, den 28. Oktober 1937, 20.59 Uhr Ankunft: 29. [Oktober] 2.00 Uhr Nr. 241 vom 28.10. Auf Tel. vom 27 Nr. 1331 Potemkin, mit dem ich heute erneut Unterredung hatte, erklärte, er habe inzwischen mit Innenkommissar2 gesprochen. Innere Behörden hätten formell zugesagt, dass sämtliche verhafteten Reichsdeutschen ausgewiesen werden würden. Ausweisungen sollten in Gruppen und so schnell wie möglich erfolgen, ein genauer Zeitpunkt sei nach Lage der Dinge sehr schwer anzugeben. Potemkin versprach, wegen Beschleunigung in dauernder Fühlung mit Innenbehörden zu bleiben. Potemkin wiederholte, dass Gilbert3 ausgewiesen werde, erklärte, dass Durchführung aus technischen Gründen 10 bis höchstens 14 Tage erfordere. Ich bat, Gilbert frei über Moskau ausreisen zu lassen und für möglichste Beschleunigung zu sorgen. Potemkin versprach bei Innenbehörden dafür einzutreten. Potemkin bemerkte zu Vorstehendem, dass Eintreffen Sowjetmatrosen Lösung aller dieser Fragen erleichtere und wesentliche Entspannung herbeiführen werde. Potemkin verwies im Übrigen darauf, dass Ausweisungen fortwährend stattfänden. Tatsächlich sind in Vorleistung auf Befreiung Sowjetmatrosen bereits 24 sogenannte Novemberverhaftete ausgewiesen und hinsichtlich 5 weitere Ausweisungsbeschlüsse amtlich mitgeteilt worden. Hiernach würde Zurückhaltung Sow8 1
Vgl. Dok. 123.
Telegramm Nr. 133 Weizäcker an Botschaft Moskau vom 27.10.1937. In: ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 575, Anm. 2, S. 1164. 2 Nikolaj Ivanovič Ežov. 3 Vgl. die Rückkehrer-Vernehmungsakte in: PA AA, R 150972.
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jetmatrosen hiesige Verhandlungen über sämtliche in Rede stehenden Fragen einschl. Konsularnetz aufs äußerste erschweren, auch mich persönlich in Verlegenheit bringen, weil ich Abholung Matrosen durch deutschen Dampfer vorgeschlagen habe. Ich bitte daher, bei Abbeförderung Sowjetmatrosen *keinen Verzug eintreten*4 zu lassen. Schulenburg 31. 10. 1937 31. 10. 1937
Das Aktenzeichen des Telegramms lautete Pol. V 6984. Oben Stempel: Büro des Staatssekretärs und Bemerkung: N.R H[err]n VLR Dumont wegen der Fußnote des Hn St.S.. Dumont [von Schliep durchgestrichen] und Pol V! Am Seitenrand Paraphe von M[ackensen] 29/10 und Verteilerschlüssel. PA AA, R 104400, Bl. 245604. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 575, S. 1164-1165.
4
Nr. 138 Aufzeichnungen des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov Nr. 138 31. 10. 1937 31. 10. 1937 GEHEIM Expl. 1 Nr. 306/s1 Berlin, 31. Oktober 1937 Tagebuch G. Astachovs 28. Oktober. Nachdem ich vom NKID die Mitteilung über die bevorstehende Ankunft unserer Seeleute in Wilhelmshaven2 erhalten hatte, erteilte ich Gen. Terleckij den Auftrag, dorthin zu fahren, um sie in Empfang zu nehmen, danach nach Hamburg zu bringen und in einem Hotel unterzubringen, wo sie bis zur Ankunft unseres Dampfers bleiben sollten, worüber es mit Gen. Romanov eine Absprache gab. Dementsprechend fuhr Gen. Terleckij am 27. nach Wilhelmshaven, wo er den Kontakt zu den Behörden aufnahm, die ihm versicherten, ihm die Ankunft des Dampfers mit den Seeleuten unverzüglich mitzuteilen. Im Verlaufe des 27. und in der Nacht vom 27. zum 28. wurde ihm keine derartige Mitteilung gemacht. Erst gegen 15.00 Uhr des 28. rief mich Terleckij an und teilte mit, dass er soeben erfahren habe, dass der erwartete Dampfer *am Vortag um 10 Uhr abends angekommen sei, worüber die Behörden Gen. Terleckij – entgegen der Zusage – keine Mitteilung gemacht hätten. Unsere Seeleute seien sämtlich „in die Verfügungsgewalt der Gestapo“ überstellt worden, die, solange sie keine Weisungen aus Berlin erhalte, unseren Konsul3 nicht zu ihnen lasse. Gen. Terleckij fügte dem hinzu, dass 4 Der Text ist unterstrichen; außerdem dazu Bemerkung am Seitenrand von Mackensen: Das ist doch auch gar nicht beabsichtigt??. 1 2 3
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Vgl. SSSR i Graždanskaja vojna v Ispanii, Dok. 351, S. 303–304, sowie Dok. 96, Anm. 3. Dies ist der erwähnte Izrail’ Markovič Terleckij.
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es seines Wissen unter den Seeleute Schwerkranke gebe, er ihnen jedoch keinerlei Hilfe leisten könne, da sie von ihm isoliert seien.*4 Ich meldete mich unverzüglich beim Auswärtigen Amt an und wurde um 19.00 Uhr von Schliep empfangen. Nachdem ich ihm die Situation dargelegt hatte, sagte ich, dass wir über den absolut unzumutbaren Umgang der Wilhelmshavener Behörden mit unseren Seeleuten äußerst empört seien. Auf Menschen, die niemals zuvor in Deutschland gewesen wären und gar nichts hätten tun können, was vielleicht dessen Interessen hätte berühren können, sei sofort ein Verfahren angewandt worden, welchem Verbrecher oder Tatverdächtige unterworfen würden. Unsere Seeleute seien nach vielen Monaten qualvoller Prüfungen nach Deutschland gekommen und hätten darauf rechnen können, dass sie in ein Land kämen, das sich zumindest neutral verhalte. Seit Beginn behandele man sie wie Feinde, man lasse nicht einmal unseren Konsul zu ihnen. Dies entziehe uns die Möglichkeit, ihr Schicksal zu erleichtern, und sei zugleich zutiefst beleidigend. Ich bitte das Auswärtige Amt, sich dringend der Sache anzunehmen und diese Situation zu bereinigen. Schliep, der sich darauf berief, dass ihm nichts bekannt sei, äußerte die Annahme, dass sich die Festsetzung der Seeleute wahrscheinlich mit einer Quarantäne und einer notwendigen Überprüfung erklären lasse, weil sie nicht die erforderlichen Dokumente besäßen. Zweifellos würden sie gut behandelt und litten keinen materiellen Mangel. Auf jeden Fall werde er sich sogleich morgen früh (heute erreiche man bereits niemanden mehr) mit den zuständigen Behörden in Verbindung setzen und sich bemühen, alles Erdenkliche in die Wege zu leiten. Sch[liep] versuchte sogar, mir unnötige Hitzigkeit vorzuwerfen, und wir würden wohl vergessen, wie viel die deutsche Regierung für die Befreiung dieser Seeleute unternommen hätte. Ich antwortete, ich sei nicht deshalb gekommen, um die Seeleute-Frage in ihrem ganzen Ausmaß zu erörtern, nicht darum ginge es jetzt, sondern darum, dass die Situation gegenwärtig anormal und selbst in dem Fall beleidigend sei, dass für unsere Seeleute gute Bedingungen bestünden. Für Quarantäne und andere Prozeduren hätte man sie in einem beliebigen Gebäude im Hafenbereich unterbringen und unseren Konsul informieren können, ohne die Polizei, an die man üblicherweise nur tatsächliche oder vermeintliche Verbrecher überstelle, überhaupt in den Fall einzubeziehen. Schliep beschränkte sich darauf, die oben angeführten Argumente zu wiederholen und erklärte, dass er am Morgen des nächsten Tages alles Erdenkliche unternehmen und mir die Ergebnisse mitteilen werde. (Es folgte ein Meinungsaustausch zu den in der UdSSR inhaftierten Deutschen, worüber ich in der letzten Post geschrieben habe). Ich teilte Schliep mit, dass wegen der Seeleute am 31. aus London der Dampfer „Ždanov“ in Holtenau eintreffen werde, womit Schliep sich einverstanden erklärte.5 29. Oktober. Erst gegen 4 Uhr erhielt ich von Schliep die Antwort, dass er mit den Behörden die Frage abgestimmt habe, unserem Konsul die Möglichkeit einzuräumen, die Seeleute aufzusuchen, er fügte jedoch hinzu, dass sie bis zur Einschif4 5
Der Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. Die Aufzeichnung vom 28.10. wurde mit Auslassungen veröffentlicht, vgl. DVP, Bd. XX, Dok. 388, S. 576–578.
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fung auf dem Dampfer „in Isolierung“ bleiben müssten, ohne zu präzisieren, ob diese Isolierung den Charakter einer Haft oder einer Quarantäne trage. Kurze Zeit später rief mich von Welck an und begann damit, dass es wegen gewisser Schwierigkeiten vielleicht nicht gelingen werde, die Seeleute nach Holtenau zu bringen. Auf meine Frage, von welchen Schwierigkeiten denn die Rede sein könnte, verhedderte er sich, und sprach anfangs über Transportschwierigkeiten und erwähnte schließlich, dass die Situation angesichts dessen, dass einige Seeleute nicht gewillt seien, in die UdSSR zu fahren, etwas unklar sei. Ich antwortete ihm, dass mich sowohl die letzte Annahme als auch die Tatsache verwundere, dass die Behörden es für möglich erachten, wegen des Schwankens einzelner Personen (woran ich kaum glaube) die Abreise einer ganzen Gruppe erschöpfter und der Erholung bedürftiger Menschen zu verzögern. Im Zusammenhang damit erhalte die Tatsache, dass unserem Konsul der Zutritt zu unseren Seeleuten verweigert werde, eine besondere Bedeutung. Ich sagte, dass ich alle von *ihm*6 angeführten Argumente für unseriös hielte und meine, dass die künstliche Verzögerung der Abfahrt und die Schaffung neuer Schwierigkeiten nicht nur unseren, sondern auch den deutschen Interessen widerspräche. Welck, der dies offenbar als Andeutung auf die Lage der Deutschen in der UdSSR verstand, beeilte sich, das letzte Argument zu entkräften und berief sich lediglich auf Transportschwierigkeiten, die Seeleute nach Holtenau zu bringen. Ich wies darauf hin, dass nicht wir den Hafen ausgewählt hätten. Unser Dampfer wäre sehr gern nach Wilhelmshaven gefahren, wenn die Behörden dies zugelassen hätten. Jedenfalls wäre ich bereit, wenn es allein darum ginge, mich mit unseren Transportleuten über einen anderen Hafen zu verständigen. Welck sagte, dass der beste Ort für die Einschiffung Bremerhaven wäre. Dann würden die Seeleute ohne Schwierigkeiten an Bord des Dampfers gehen können. Nachdem ich mich mit London verständigt hatte, teilte ich Welck mit, dass der Dampfer „Ždanov“ am Abend des 31. oder am Morgen des 1. in Bremerhaven ankommen werde. In seiner Antwort bekräftigte Welck sein Einverständnis damit und sagte, dass ab dem Morgen des 31. die Seeleute zu diesem Hafen gebracht würden. Ich bat darum, dass außerdem der Konsul den Dampfer betreten könne, um ihm die Möglichkeit zu gewähren, sich vor der Abfahrt von den Seeleuten zu verabschieden. Welck versprach, dies zu arrangieren. 30. Oktober. Am späten Abend rief mich Gen. Terleckij an und teilte mit, *dass er soeben unsere Seeleute habe aufsuchen können, wofür er ungefähr 100 km von Wilhelmshaven zurückgelegt hätte. Die Seeleute befänden sich im Gefängnis der Stadt Lingen (in der Nähe von Emden). Sie würden schlecht verpflegt, seien in Zellen mit mehreren Insassen wie Häftlinge untergebracht. Man hätte ihnen die Möglichkeit gegeben, sich zu waschen, und sie in Gefängniskleidung eingekleidet. Die Seeleute wären äußerst beunruhigt gewesen, als man sie vom Schiff, ohne etwas zu erklären, auf Autos verlud und ins Landesinnere verbrachte. Die Stimmung sei munter, ohne Ausnahme drängt es alle in die Heimat; selbst eine Frau, die Blut hustet (Tuberkulose), möchte nicht weiter im Hospital bleiben. **Viele hätten Skorbut**7.*8 6 7 8
Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. Der Text ist mit Tinte geschrieben. Der gesamte markierte Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen.
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Nr. 138
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Gen. Terleckij versorgte die Seeleute mit Obst, Essen und Wäsche (anstelle der Gefängniswäsche, die sie zurückgaben). Die Behörden übergaben das Obst und das Essen nicht am gleichen Abend und verwiesen auf einen späteren Zeitpunkt. Es wurde vereinbart, dass Gen. Terleckij in Lingen übernachtet und am Morgen zusammen mit den Seeleuten nach Bremerhaven fährt, wo er bei der Einschiffung anwesend sein wird. 30. Oktober. Ich war mit meiner Frau9 (und Gen. Gerasimov) zum Mittagessen beim türkischen Botschafter10 (anlässlich des türkischen Nationalfeiertages). Außer den Türken, uns und Beamten des Auswärtigen Amtes waren der Staatssekretär im Auswärtigen Amt von Mackensen und die Gesandten der Tschechoslowakei11, Belgiens12 und Ägyptens13 zugegen. Nach dem Essen trat von Mackensen, mit dem ich früher nicht bekannt war und dem mich vorzustellen ich vor dem Essen nicht die Möglichkeit hatte, auf mich zu und begann das Gespräch mit allgemeinen Erkundigungen, wie ich mich in Berlin fühle, wo ich wohne, wo ich die deutsche Sprache erlernt hätte usw. und ging dann zur Frage bezüglich des Bevollmächtigten Vertreters über. Wann kehre er zurück?14 Ich sagte, nicht früher als Mitte November, voraussichtlich sogar später. Er hätte seit fünf Jahren keinen Urlaub gehabt und jetzt versuche er, ihn zu nutzen15. Außerdem hätte er jetzt in Berlin keine besonderen Angelegenheiten. M[ackensen] fragte, wie es um die Gesundheit der Mutter von Frau Jureneva bestellt sei, er hätte gehört, dass sie krank sei. Ich sagte, was mir zur Krankheit der Mutter von Frau Jureneva bekannt war (darüber hatte Frau Jureneva vor ihrer Abreise allen erzählt). Den letzten Stand würde ich nicht kennen. (Später stellte sich heraus, dass sich M. mit ähnlichen Fragen an meine Frau gewandt hatte, als er sie vor dem Essen zu Tisch führte). Ferner erwähnte er, dass er sich kürzlich mit Schulenburg getroffen hätte. „Er hat es sehr schwer in Moskau. Die Arbeit ist äußerst schwer. Die Beziehungen sind schlecht.“ Ich fragte, ob er denn eine Verbesserung erwarte… Er antwortete schnell: „Ich weiß es nicht. Jedenfalls sind sie auch jetzt schon hinreichend schlecht.“ Nach einer kurzen Pause entfernte er sich und ging zu einem anderen Gast, beim Weggehen warf er ein: „Man muss es abwarten.“ (Angesichts dessen, dass überall Gäste umhergingen, war es nicht möglich, mit ihm ein Gespräch zu konkreten Fragen zu führen.) Über Jurenev fragten mich auch der türkische Botschafter und seine Frau aus, als besonders hartnäckig erwies sich dabei letztere. G. Astachov Vermerk mit blauem Farbstift: M.M. Oben links befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 3572 vom 4.11.1937. 9 10 11 12 13 14 15
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Natalja Vladimirovna Astachova. Mehmet Hamdi Arpağ. Vojtech Mastný. Jacques Davignon. Hassan Naschat Pascha. Jurenev war im August 1937 in die UdSSR gereist. Jurenev war am 23.9.1937 verhaftet worden.
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Nr. 139
Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. 7 Expl. an Gen. Litvinov, 1 [Exemplar] zu den Akten. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 43, l. 133–138. Original.
Nr. 139 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Stomonjakov Nr. 139 31. 10. 1937 31. 10. 1937 Ganz geheim Expl. Nr. 2 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Ausg.-Nr. 100/s/s1 Berlin, 31. Oktober 1937 An den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Gen. STOMONJAKOV Auf Ihr Schreiben vom 19.X. 1) Ich kann keinen Widerspruch gegen Ihre Kritik an der Bevollmächtigten Vertretung erheben, die nicht fristgemäß (d. h. innerhalb von zwei Monaten) das Rundschreiben des Gen. Litvinov vom 27. **XII.**2 1936 ausgeführt hat. Aber sämtliche zuständigen Mitarbeiter, die zum Zeitpunkt des Eintreffens dieses Rundschreibens an der Bevollmächtigten Vertretung waren, halten sich zurzeit in der UdSSR auf, und auf den jetzigen Personalbestand der Bevollmächtigten Vertretung können Ihre Vorwürfe nicht bezogen werden. Ich kam Ende Mai nach Berlin, der alte Personalbestand war gegen Mitte Juni vollständig abgelöst worden, neue Mitarbeiter wurden nicht hierher geschickt, und ich konnte nur mit großer Mühe die laufenden Aufgaben erfüllen. Ich hatte nicht die geringste Möglichkeit, mich an die Ausführung von vor einem halben Jahr eingegangener Rundschreiben zu machen. 2) Vor meiner Ankunft waren die Archive in Kisten verpackt worden. Ein bedeutender Teil war vorher abgeschickt worden. 31 Kisten sind aus einem unerfindlichen Grund hier verblieben. Ob sie entsprechend der Instruktion abgelegt wurden oder nicht, kann ich nicht beantworten, weil es dazu erforderlich wäre, den Inhalt der 31 Kisten zu überprüfen. Und noch weniger kann ich mich damit befassen, diese Archive in Ordnung zu bringen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: in der Bevollmächtigten Vertretung gibt es gegenwärtig, (wenn man die deutschen Angestellten und das unqualifizierte Bedienungspersonal nicht mitrechnet), **insgesamt**3 zwei Mitarbeiter der Kanzlei und 1 Mitarbeiter der Konsularabteilung. Die drei Mitarbeiter der SŠO kommen hier nicht in Betracht, weil sie über das übliche Maß hinaus Dienst in ihrer Abtei1 2 3
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Das Datum ist mit Tinte korrigiert; ursprünglich: X [Oktober]. Das Wort ist mit Bleistift über die Zeile geschrieben.
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Nr. 140
1. 11. 1937
lung verrichten, und ich habe nicht das Recht, sie davon loszureißen. Die Konsularabteilung arbeitet auf Hochtouren und es ist nicht möglich, Gen. Romanov für eine andere Tätigkeit abzuziehen. Die Bürosekretärin Gen. Karnit versieht im Empfang ununterbrochen Dienst, sie kann sich nicht von dort entfernen. Ihre Arbeitszeit ist normiert. Übrig bleibt Gen. Denisova, auf der die gesamte Büroarbeit lastet und die durchgängig auch noch abends arbeitet. Selbst wenn **ich**4 sie für eine gewisse Zeit für die Archivarbeit abstellen würde, so wäre dies ein Tropfen auf den heißen Stein und würde bedeuten, das Archiv entgegen zu den jüngsten Weisungen des Gen. Litvinov für viele Monate bei uns zurückzuhalten. Aus diesem Grund hoffe ich, dass Sie damit einverstanden sind, Ihnen die bereits versiegelten Kisten mit den *Archiven zu schicken; ich warte auf entsprechende*5 Weisung6. Der Geschäftsträger der UdSSR in Deutschland Astachov Vermerk mit Tinte: an Gen. Litvinov. Oben rechts befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 3571 vom 4.11.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Stomonjakov, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an Gen. Potemkin, das 4. an Gen. Pastuchov, das 5. zu den Akten. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 43, l. 131–132. Original.
Nr. 140 Bericht des Generalkonsuls in Kiev Großkopf an das AA Nr. 140 1. 11. 1937 1. 11. 1937 Kiew, den 1. November 1937 I.a.5/J.Nr.999. An das Auswärtige Amt in Berlin Inhalt: Feier des Erntedankfestes Mit Bezugnahme auf den Bericht vom 4. Oktober d.J.-I.a.5/J.Nr.866Von den 34 Reichsangehörigen, die an der Feier des Erntedankfestes im Generalkonsulat teilgenommen hatten, sind bis zum 1.11.1937 – 26 nach Deutschland abgefahren, 7 sind noch nicht ausgewiesen und nur 1 ist verhaftet worden. Von denjenigen Reichsangehörigen, die an der Feier nicht teilgenommen haben, sind nach dem Erntedankfest in der Zeit vom 5. bis 31. Oktober 12 verhaftet worden. 4 5 6
Das Wort ist mit Bleistift über die Zeile geschrieben. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Am 19.11.1937 informierte Litvinov Astachov, dass es keine Einwände gegen die Entsendung der 31 Kisten mit Dokumenten nach Moskau gebe. Vgl. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 41, l. 39.
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1. 11. 1937 Nr. 141 Dieses Verhältnis von 1 : 12 ist ein Spiel der Zufälle und Zahlen. Ich will es auch nicht als Beweis dafür anführen, dass es richtig war, die Feier zu veranstalten. Nach meinem Dafürhalten musste die Feier veranstaltet werden, um den Sowjetmachthabern zu zeigen, dass wir uns von ihnen nicht terrorisieren lassen. Die kleine Kolonie war dem Ruf des Generalkonsulats gefolgt. Die Deutsche Botschaft Moskau hat einen Durchdruck dieses Berichts erhalten. gez. Grosskopf Am Seitenrand: Herrn v. Tipp[elskirch] Müssen wir etwas unternehmen? Sch[ulenburg] 4/11. Darunter: Herrn Botschafter erg., Herrn Hensel. Ich schlage vor, die Lage vor dem 1. Mai erneut zu prüfen und den Konsulaten eine generelle Weisung zu erteilen. Repr. am 1. April. T[ippelskirch] 5/11. Unten: p. n. Die Frage ist durch die Liquidierung der Konsulate gegenstandslos geworden. Im Übrigen ist H. Großkopf über das Verfahren der Botschaft unterrichtet. T[ippelskirch] 1/4. PA AA, Moskau II 380, Bl. 20.
Nr. 141 Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Ežov Nr. 141 1. 11. 1937 1. 11. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 3 Nr. 155541 1. November2 1937 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN DER SOWJETUNION Gen. EŽOV Der sowjetisch-deutsche Vertrag vom 12. Oktober 1925 räumt den Vertretern der Deutschen Botschaft und der Konsulate das Recht ein, inhaftierte deutsche Staatsbürger zu besuchen.3 Das NKID interpretiert den Vertrag gegenwärtig in dem Sinne, dass Besuche in der Zeit der Ermittlungen nicht gewährt werden und erst nach Abschluss der Ermittlungen möglich sind. Es treffen jedoch Meldungen darüber ein, dass sich die örtlichen Organe des NKVD dafür aussprechen, auch nach Beendigung der Ermittlungen keine Besuche zu gewähren. Angesichts der Tatsache, dass der Vertrag uns nicht die Möglichkeit bietet, nach der Beendigung der Ermittlungen Besuche zu verweigern, bitte ich Sie, die 1 2 3
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der Monatsname ist mit Tinte korrigiert; ursprünglich: Oktober. Vgl. Abschlussprotokoll zum Vertrag zwischen der UdSSR und Deutschland vom 12.10.1925. Artikel 11 des Abkommens über Niederlassung und allgemeinen Rechtsschutz. In: DVP, Bd. VIII, Dok. 342, S. 612; Reichsgesetzblatt 1926, Teil II, S. 52.
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Nr. 142
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Anordnung zu treffen, dass zukünftig Besuchsverweigerungen nach Abschluss der Ermittlungsverfahren in der Regel nur in Ausnahmefällen und mit Genehmigung der Leitung des NKVD zulässig sind. STELLV. VOLKSKOMMISSAR V. Potemkin Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an den Adressaten, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. zu den Akten der 2. Westabteilung. 31.X.37. AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 1, l. 108. Kopie.
Nr. 142 Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Außenhandel Merekalov an den Leiter der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Nepomnjaščij Nr. 142 2. 11. 1937 2. 11. 1937 GEHEIM UdSSR Volkskommissariat für Außenhandel Sektor für Handelsvertretungen Nr. 8034/6041 **2. November**21937 An den Handelsvertreter der UdSSR in Deutschland Gen. NEPOMNJAŠČIJ Über das Memorandum des deutschen *Wirtschaftsministeriums*3 Im Zusammenhang mit Ihrem Schreiben vom 7. Oktober d. J. und der ihm beigefügten Korrespondenz zwischen Ihnen und dem Wirtschaftsministerium (betreffend das Memorandum über die Zahlungsbedingungen für den Import im Jahr 1938) muss ich Folgendes mitteilen: In Ihrer Antwort an das Wirtschaftsministerium haben Sie unnötigerweise erwähnt, dass Sie auf Weisungen unserer Regierung wegen Verhandlungen über den sowjetisch-deutschen Warenumsatz im Jahr 1938 warten. Es gibt noch keine Entscheidung der Regierung, mit der deutschen Regierung zu verhandeln, und Ihre Äußerung über ausstehende Weisungen wird es den Deutschen ermöglichen, sich auf Ihre Absicht zu berufen, diese Verhandlungen zu führen. Sie müssen gegen das Memorandum des Wirtschaftsministeriums protestieren und unabhängig von der Frage des Handelsabkommens für 1938 eine Änderung der 1 2 3
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Die erste Zahl ist mit rotem Farbstift und die zweite mit Tinte geschrieben. Der Text ist mit Tinte geschrieben. Das Wort ist mit rotem Farbstift unterstrichen.
2. 11. 1937 Nr. 142 Position der Deutschen erreichen. Aus dem Memorandum ist ersichtlich, dass die Forderung der deutschen Firmen nach Zahlung in Devisen oder freien Reichsmark für Aufträge mit Zahlung nach dem 28. Februar 1938 insbesondere auf unzutreffenden Erläuterungen des Wirtschaftsministeriums beruht, denn für die deutschen Firmen macht es keinen Unterschied, in welcher Mark wir die Zahlungen an sie für die Lieferungen leisten werden. Weisen Sie die Deutschen darauf hin, dass uns unverständlich ist, wozu die Firmen eine neue Klausel in den Aufträgen verlangen und warum die übliche Klausel über die Zahlung in Reichsmark ohne jegliche weitere Definitionen den Firmen und dem Wirtschaftsministerium nicht genehm ist. Machen Sie dem Wirtschaftsministerium deutlich, dass es im Falle des Fehlens eines Handelsabkommens für das Jahr 1938 durchaus möglich ist, dass einzelne deutsche Firmen 1938 bei uns Waren gegen Mark kaufen wollen, wobei die Devisenbehörden ihnen einzelne Genehmigungen zur Zahlung in Reichsmark ausstellen würden, die nicht ins Ausland transferierbar sind. In diesem Fall würden Klauseln der Lieferfirmen über die Zahlung in Devisen oder freien Reichsmark die Verwendung von Reichsmark verhindern. Teilen Sie den Deutschen mit, dass die Forderung nach einer Klausel über die Zahlung in Devisen oder freien Reichsmark nach dem 28. Februar 1938 der Erteilung von Aufträgen in Deutschland im Wege steht, aller bisherigen Praxis und dem bestehenden Handelsvertrag widerspricht und auch eine unnormale Situation für die Arbeit der Handelsvertretung hervorruft. Die Forderungen der deutschen Firmen schaffen auch eine Lage, wo es unverständlich wird, wie ein Abkommen über unser Recht, Importlieferungen mit dem Markerlös aus unserem Export zu bezahlen, abgeschlossen werden kann, während die Firmen noch vor Ablauf eines derartigen Abkommens aufgrund einer Instruktion des Wirtschaftsministeriums eine Klausel über die Zahlungswährung verlangen. Teilen Sie die Ergebnisse Ihres Schreibens an das Wirtschaftsministerium unverzüglich mit. Schicken Sie die Aufzeichnungen Ihrer mündlichen Gespräche mit dem Wirtschaftsministerium. STELLV[ERTRETENDER] VOLKSKOMMISSAR FÜR AUßENHANDEL Merekalov Vermerk A.N. Kaminskijs mit Bleistift: Als Material in der Akte aufbewahren. Das Schreiben wurde wegen des Eintreffens von Gen. Nepomnjaščij in Moskau nicht abgeschickt. Die Frage wurde in der Bespr[echung] bei Gen. Merekalov erörtert. 27/X.37. A. Kam[inskij]. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 2 Exemplare, 1 [Exemplar] an die Adresse, 1 zu den Akten. 25.X.37. **1 Expl. ist zu vernichten. 1 Expl. zu den Akten. 31./X.37.**4 RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2510, l. 57–59. Kopie.
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Der Text ist mit Bleistift geschrieben.
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Nr. 143
3. 11. 1937
Nr. 143 Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda Nr. 143 3. 11. 1937 3. 11. 1937 3. November 1937 ZSg. 102/7/308/47 (8) Aufmerksam gemacht wurde auf das durch DNB verschickte Rohmaterial zum zwanzigjährigen Bestehen der Sowjetunion. Der Grundgedanke für die Behandlung müsse sein, eine vernichtende und erschreckende Bilanz zu ziehen. Ferner wäre auch die Frage zu erörtern, wie sich das Regime so lange habe halten können: durch rücksichtslosen Terror der herrschenden jüdischen Oberschicht. Anschließend sprach auch der Autor des im Nibelungenverlag erschienenen Buches „Die Klassenkampfpolitik der Sowjetunion“1 über den neuen Klassenkampf innerhalb der Sowjetunion, der ebenfalls ein Mittel zur Festigung des Systems sei. Veröffentlicht in: NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit, Bd. 5/III, S. 887.
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Nr. 144 Schreiben des Leiters der Abteilung Osten im Außenpolitischen Amt der NSDAP Leibbrandt an den Leiter des Außenpolitischen Amtes der NSDAP Rosenberg Nr. 144 4. 11. 1937 4. 11. 1937 Berlin, dem 4. November 1937 Abteilung Osten Dr. L./He. Herrn Reichsleiter *Rosenberg*1, im Hause. In Anbetracht meines großen Arbeitsgebietes sowie seiner Bedeutung beantrage ich die Errichtung eines Amtes für die Fragen des Bolschewismus und des Ostens. Seit dem 1. Oktober 1933 bin ich im Amt als Leiter der Ostabteilung. Als solcher bearbeite ich alle Fragen, die sich auf die Sowjetunion und Osteuropa überhaupt beziehen, insbesondere die die nationalen Bewegungen des russischen und der anderen Völker in Osteuropa betreffen. Auf diesem Gebiet wird Fühlungnahme mit zahlreichen Vertretern im Auslande unterhalten. In dem Amt Schulung beim Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung der NSDAP habe ich die Abteilung zur Bekämpfung des Bolschewismus. Anfragen, Vorträge, Sichtung des Schulungsmaterials, Schulungsplan bilden hier das Arbeitsgebiet. 1
Hermann Greife.
1
Der Name ist unterstrichen.
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4. 11. 1937 Nr. 145 In beiden Ämtern wurden mir zur Bearbeitung die grundsätzlichen Fragen der Außenpolitik im Rahmen der Schulungstagungen zugewiesen. Zahlreiche Vorträge im ganzen Reich über die grundsätzlichen Fragen der NS-Außenpolitik bilden den Gegenstand der Arbeit. Das Hauptlektorat über Bolschewismus und den Osten bei der Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums habe ich ebenfalls. Dieses Gebiet erfordert genaues Verfolgen des gesamten Schrifttums über Bolschewismus und Osteuropa. Dazu kommt noch die Tätigkeit auf schriftstellerischem Gebiet, u. a. die Neubearbeitung früherer Veröffentlichungen von Reichsleiter Rosenberg, systematische und fortlaufende Behandlung des Bolschewismus für die NS-Monatshefte, zahlreiche Artikel auf meinem Arbeitsgebiet in Zeitschriften und Zeitungen. In Anbetracht der Wichtigkeit dieses Arbeitsgebietes für Ihren Aufgabenbereich erachte ich die Erweiterung der verschiedenen unter meiner Leitung stehenden Abteilungen zu einem Amt als dringend erforderlich. Heil Hitler! Leibbrandt Eigenhändige Unterschrift. BArch, NS 43/3, Bl. 178-179.
Nr. 145 Schreiben des stellv. Leiters der Abteilung für Presse und Verlage beim ZK der VKP (B) Mechlis an das ZK der VKP (B) und den Rat der Volkskommissare Nr. 145 4. 11. 1937 4. 11. 1937 Kopie [4.11.1937] AN DAS ZK DER VKP (B) die Genossen STALIN, KAGANOVIČ, ANDREEV, ŽDANOV, EŽOV AN DEN SOVNARKOM DER UdSSR Gen. MOLOTOV ZUR FASCHISTISCHEN LITERATUR, DIE ÜBER NARKOMVNEŠTORG AN UNSERE BETRIEBE VERTEILT WIRD Aus dem Ausland, vorwiegend aus Deutschland, gelangt über Narkomvneštorg eine bedeutende Menge verschiedenster Technik-Reklame zu uns. Die auf den ersten Blick so unschuldige „Literatur“, die legal weitläufig an alle unsere Einrichtungen und Industriebetriebe verbreitet wird, ist eine verschleierte Form der faschistischen Propaganda. Ein typisches Beispiel für ein solches Produkt der Gestapo stellt der unlängst bei den Betrieben von Stankoimport eingegangene Katalog der deutschen Firma Zeiss „Technische Geräte für Präzisionsmessungen“ dar. Gen. Babajan machte uns
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auf ihn aufmerksam. Der Katalog ist in Berlin in russischer Sprache und speziell für die Mitarbeiter sowjetischer Industriebetriebe herausgegeben worden. Er beginnt damit, dass sich die „Herausgeber“ unzweideutig damit an sowjetische Fachleute wenden, dass „wir mithilfe der unten folgenden Instruktion darauf hoffen, das gegenseitige Verständnis zwischen den Fachleuten und uns zu erleichtern“. Was hat es mit dieser Instruktion auf sich, die dazu gedacht ist, das „gegenseitige Verständnis“ zwischen den sowjetischen Spezialisten und den Faschisten „zu erleichtern“? Im ersten Kapitel des Katalogs nimmt die idyllische Beschreibung des faschistischen „Paradieses“, in dem sich das deutsche Proletariat jetzt angeblich befindet, breiten Raum ein: „Alle Arbeiter und Angestellten haben nach Ablauf von fünf Arbeitsjahren das Recht auf Rente bei Invalidität oder aus Altersgründen sowie auf Fürsorgeleistungen für die Familie im Todesfall des Werktätigen. Den Arbeitern werden auch alle gesetzlichen und feststehenden Feiertage, die auf einen Werktag fallen, bezahlt. Außerdem haben sie das Recht auf bezahlten Urlaub von 1 bis 3 Wochen, in Abhängigkeit von den geleisteten Arbeitsjahren. Die Familien von Arbeitern und Angestellten erhalten beim Tod des Familienoberhauptes über 3 Monate eine Fürsorgeunterstützung in Höhe des letzten Lohnes des Verstorbenen, danach tritt für sie die ihnen zustehende Rente in Kraft. In Abhängigkeit von den Ergebnissen des Wirtschaftsjahres erhalten alle Angestellten und Arbeiter eine Prämienzahlung, die von der Firmenverwaltung gleichmäßig für alle im Umfang eines bestimmten Prozentsatzes vom Jahreseinkommen festgelegt wird. Die Verwaltung selbst ist von dieser Prämienzahlung ausgenommen. … Die Lage der Angestellten und Arbeiter ist bei Kündigung durch die Zahlung eines Überbrückungsgeldes abgesichert, d. h., wenn ein Angestellter oder Arbeiter nicht wegen eigenen Verschuldens entlassen wird, so ist die Firma verpflichtet, ihm ein Entlassungsgeld zu zahlen, dessen Höhe von seinem Gehalt oder Lohn und von der Anzahl der Arbeitsjahre abhängt. Dabei ist diese Versorgungsleistung nicht freiwillig, sondern das unverrückbare gesetzliche Recht des Werktätigen“. Auf die Überdosis derartiger faschistischer Schönfärberei im Katalog folgen sogleich die direkten Aufträge der Gestapo. So versprechen die Berliner Autoren in dem Bemühen, bei unseren Arbeitern detaillierte Informationen über die sowjetische Industrie abzuschöpfen, hilfsbereit „jedem nützliche Ratschläge zu unterbreiten, der uns nach Durchsicht des aktuellen Kataloges diese oder eine andere Aufgabe zur Lösung vorzulegen wünscht“, wobei sie lediglich fordern, „besondere Aufmerksamkeit auf die Übermittlung möglichst vollständiger und ausführlicher Angaben zu lenken (am besten mit Anlage von Konstruktionsunterlagen und Mustern) zu nachfolgenden Fragen: Zweck der Messobjekte? … Gehören die Messobjekte zu einer Einzel- oder Serienproduktion?“ usw. Es steht außer Frage, dass solche „technischen Hilfsmittel“ für Spione nur mit wohlwollender Unterstützung der Agenten der Gestapo, die sich im Narkomvneš-
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4. 11. 1937 Nr. 145 torg verschanzt haben1, legal an unsere Betriebe, darunter auch an Betriebe der Verteidigungsindustrie, verteilt werden können. Narkomvneštorg und seine Vereinigungen, die von entsprechenden ausländischen Firmen ein Spezialpäckchen oder über einen Kommissionär derartige faschistische Literatur erhalten, verteilen sie großzügig in ihrem System. Auf diese Weise ist der Spionagekatalog der Firma Zeiss bereits an unsere 30 größten Werke verteilt worden. Es muss zugleich auf noch eine Art der legalen faschistischen Propaganda hingewiesen werden. Alljährlich erhalten Narkomvneštorg, INO NKTP und andere Ämter zu Jahresbeginn aus dem Ausland, insbesondere aus Deutschland (von Krupp, Demag, AEG, Zeiss), in großer Anzahl allerlei in russischer Sprache herausgegebene Tisch- und Wandkalender, Notizbücher usw. Unsere Schlauköpfe hängen oder stellen diese Kalender in ihren Büros und in den Empfangsräumen auf, ohne sich daran zu stoßen, dass diese Kalender unverhüllte faschistische Propaganda beinhalten: Angaben über faschistische Feiertage, Hitlers Geburtstag, die „Siege“ der faschistischen Waffen usw. In den aus Deutschland kommenden und von den Importvereinigungen des NKVT kostenlos breit an die Werke und Betriebe unserer Industrie verteilten Notizbücher werden ausführlich die Unterstellungsverhältnisse der faschistischen Sturmabteilungen dargestellt, deren Rangzeichen, die Uniformen usw. abgebildet, ganz zu schweigen von weiterer faschistischer „Ideologie“, die in diesen Notizbüchern gleichsam als Information abgedruckt ist. Es ist an der Zeit, dass das Narkomvneštorg der frechen faschistischen Propaganda in unserem Land ein Ende bereitet. Der Stellvertreter des Leiters der Abteilung für Presse und Verlage beim ZK der VKP (B) L. Mechlis2 4.XI.37 Für die Richtigkeit:3 GARF, f. R-9425, op. 1, d. 1, l. 18–19. Beglaubigte Kopie. Veröffentlicht in: Istorija sovetskoj političeskoj cenzury. Dokumenty i kommentarii, hrsg von T.M. Gorjaeva u. a., Moskva 1997, S. 70–724.
1 Aller Wahrscheinlichkeit nach meinte Mechlis damit den ehemaligen Volkskommissar für Außenhandel der UdSSR Rozengol’c (verhaftet am 7.10.1937), den kommissarischen Volkskommissar Sud’in (verhaftet am 21.10.1937) und dessen zwei Stellvertreter Kandelaki und Fridrichson (beide verhaftet am 11.9.1937), die insbesondere der Spionage für Deutschland beschuldigt wurden. 2 Der Brief von Mechlis wurde an den stellvertretenden Volkskommissar für Außenhandel Merekalov geschickt und nach Erhalt seiner Empfehlungen (vgl. GARF, f. R-9425, op. 1, d. 1, l. 20-20R) wurde am 22.11.1937 eine Kommission (bestehend aus dem stellvertretenden Volkskommissar des NKVD Frinovskij, dem Bevollmächtigten des SNK der UdSSR für den Schutz von Militärgeheimnissen in der Presse Ingulov und Merekalov selbst) geschaffen, um dringende Maßnahmen „zur Einführung einer strengeren Kontrolle über ausländische Literatur, Kataloge, Preislisten, Nachschlagewerke, Kalender usw., die aus dem Ausland eingehen“ zu ergreifen. (ebd., l. 17). 3 Die Unterschrift ist nicht lesbar. 4 Das Dokument wurde mit Kürzungen und in redaktioneller Bearbeitung veröffentlicht.
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Nr. 146
4. 11. 1937
Nr. 146 Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Außenhandel Merekalov an den Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Molotov Nr. 146 4. 11. 1937 4. 11. 1937 GEHEIM Nr. 1004/5581 4. November 1937 AN DEN SNK DER UdSSR Gen. MOLOTOV Zu den Beziehungen zum „Russland-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft“2 Das NKVT ist der Ansicht, dass die Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland ihre Geschäftsbeziehungen zu dem sog. „Russland-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft“ nur auf die Fragen beschränken sollte, die sich aus dem schiedsgerichtlichen Musterabkommen zwischen unserer Handelsvertretung in Deutschland und dem Ausschuss vom 20. März 19353 ergeben. Die Einstellung der Beziehungen zum sog. „Russland-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft“ ergibt sich aus dem Umstand, dass der Ausschuss zu einem Hindernis für die Tätigkeit der Handelsvertretung geworden ist, da er bestrebt ist, als Vermittler für deutsche Firmen bei den Geschäften tätig zu werden, die mit unseren Bestellungen bei deutschen Firmen verknüpft sind. Letztere wenden sich an den Ausschuss, damit er beim Aufkommen von Streitfällen bei den Geschäftsbeziehungen und anderer Dinge zwischen den Firmen und den sowjetischen Außenhandelsorganen eingreift. Der Ausschuss nutzt seinen *Kontakt zur Handelsvertretung*4, um seinen Einfluss auf deutsche Firmen zu stärken und ein einheitliches Vorgehen bei den Konditionen für unsere Bestellungen (bei Preisen, Lieferfristen, Schiedsgerichten usw.) zu erwirken. In einigen Fällen wird der Ausschuss von dem deutschen Wirtschaftsministerium vorgeschickt, um Forderungen verschiedenster Art an die Handelsvertretung zu richten, welche das Ministerium nicht direkt und ohne ausreichende formale Gründe als nicht vorteilhaft zu präsentieren erachtet. Neben diesen Schwierigkeiten, die der „Russland-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft“ unserer Handelsvertretung in Deutschland bereitet, ist zu bemerken, dass der Ausschuss von dem faschistischen Spion Tschunke5 geleitet wird und auch die Dienste der russischen Weißgardisten in großem Umfang in Anspruch nimmt. 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Einen Entwurf dieses Schreibens hat der kommissarische Leiter des Sektors für Handelsvertretungen im NKVT, Kaminskij, am 4.11.1937 angefertigt. Vgl. RGAE, f. 413, op. 12, d. 2466, l. 53-53R. 3 Vgl. GARF, f. R-8422, op. 2s, d. 207, l. 9–6. Vgl. auch Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 116, Anm. 6. 4 Der Text ist mit Bleistift unterstrichen. 5 Vgl. Dok. 114.
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Nr. 147 Wenn unsere Handelsvertretung den Ausschuss ignoriert, untergräbt sie dessen Rolle und Einfluss bei den deutschen Industriellen und trägt damit in Zukunft zu seiner Auflösung bei. Das NKVT bittet den Rat der Volkskommissare der UdSSR darum, ihm zu gestatten, dem Handelsvertreter der UdSSR in Deutschland6 die Weisung zu erteilen, die Beziehungen zum „Russland-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft“ ausschließlich auf die Fragen zu reduzieren, die sich aus dem schiedsgerichtlichen Musterabkommen zwischen der Handelsvertretung und dem Ausschuss vom 20. März 1935 ergeben. STELLVERTRETER DES VOLKSKOMMISSARS FÜR AUßENHANDEL DER UdSSR MEREKALOV Vermerk mit rotem Farbstift: Gen. Ginzburg ist eingeladen. 5/XI. Entscheidung A.I. Mikojans mit Tinte: an Gen. Merekalov. Ihr Vorschlag ist richtig. Sie können ihn umsetzen. Dafür ist kein besonderer Beschluss der Regierung erforderlich. AMikojan 13/XI. Oben rechts befindet sich der Stempel der Geheimabteilung der Geschäftsverwaltung des SNK der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 14922 vom 5.11.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare vermerkt: 2 Expl. Auf Kopfbogen des Volkskommissariats für Außenhandel der UdSSR geschrieben. GARF, f. R-8422, op. 2s, d. 207, l. 11–11R. Original.
6
Nr. 147 Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Stomonjakov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin Nr. 147 4. 11. 1937 4. 11. 1937 Ganz geheim Expl. Nr. 1 Nr. 3289 4. November 1937 AN DEN GENERALSEKRETÄR DES ZK DER VKP (B) Gen. I.V. STALIN Kopien: an die Gen. MOLOTOV, KAGANOVIČ, VOROŠILOV, EŽOV Heute *suchte mich der deutsche Botschafter1 auf*2 und erklärte in Ergänzung zu der früheren Mitteilung gegenüber dem Gen. Potemkin3, *dass die deutsche Re6
Lazar’ Leont’evič Nepomnjaščij.
1 2
Friedrich Werner Graf von der Schulenburg. Der hier und im Folgenden so gekennzeichnete Text wurde von Poskrebyšev mit rotem Farbstift unterstrichen. 3 Vgl. Dok. 127.
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Nr. 147
4. 11. 1937
gierung, die die Konsulatsfrage in „freundschaftlicher Weise“ zu regeln wünsche*, bereit sei, neben den Konsulaten in Odessa und Vladivostok *auch ihr Konsulat in Char’kov zu schließen*. Dabei *bekräftigte er erneut die Ablehnung, die Eröffnung von zwei unserer* neuen Konsulate in Deutschland, in *München und in Breslau*, zu genehmigen und bestand auf der Beibehaltung von vier deutschen Konsulaten: in Leningrad, Kiev, Tiflis und Novosibirsk. In der anschließenden Diskussion erklärte der Botschafter: erstens, dass die deutsche Regierung unsere Forderung als unbegründet und im Widerspruch zum Vertrag von 1925 betrachte, demzufolge Konsulate in den Orten bestehen müssten, über die seinerzeit bereits eine Übereinkunft erzielt war4; zweitens, dass unsere Forderung der internationalen Praxis widerspreche, die besage, dass die Anzahl der Konsulate nicht nach dem Gleichheitsprinzip, sondern aufgrund des Schutzes der Interessen und des Ausmaßes des Territoriums festgelegt werde. So unterhält, seinen Worten zufolge, Deutschland in Belgien zwei Konsulate, Belgien hingegen 23 Konsulate in Deutschland, wenn auch die Mehrzahl sogenannte Honorarkonsulate sind. Drittens hätten wir mit Polen das [Konsulats]Abkommen nicht auf paritätischer Grundlage abgeschlossen, indem wir Polen eine größere Anzahl von Konsulaten eingeräumt hätten, als wir selbst auf seinem Territorium hätten. Der Botschafter bat die sowjetische Regierung, der deutschen Regierung entgegenzukommen, indem er darauf hinwies, dass das Einverständnis der deutschen Regierung unter dem Vorbehalt unseres Einverständnisses stehe, zur Schließung von drei Konsulaten die ganze Angelegenheit als erledigt zu betrachten. Die deutsche Regierung stelle als zweite Bedingung, ihr einen ausreichenden Zeitraum für die Auflösung dieser Konsulate einzuräumen. Dabei berief sich der Botschafter auf eine angebliche Zusage des Gen. Potemkin, zu diesem Zweck eine dreimonatige Frist einzuräumen. Als dritte Bedingung bat er darum, den für die Schließung vorgesehenen deutschen Konsulaten die Möglichkeit zu gewähren, ihren Besitz an Ort und Stelle zu verkaufen oder ihn ins Ausland mitzunehmen. *Angesichts der kategorischen Erklärung des Botschafters, dass die deutsche Regierung nicht gewillt sei, die Mehrzahl ihrer Konsulate in der UdSSR zu schließen, erklärte ich, dass ich dies der Regierung vortragen würde*, jedoch vorab darauf aufmerksam mache, dass die sowjetische Regierung zweifellos *darauf bestehen werde, die Anzahl der deutschen Konsulate in der UdSSR bis auf zwei zu reduzieren*, wobei zu diesen beiden Konsulaten nicht das Konsulat in Leningrad gehören dürfe.5 Dem *fügte ich hinzu, dass, falls sich die deutsche Regierung nicht damit einverstanden erklären sollte, diese Angelegenheit bis zum 15. November selbst zu regeln, unsere Behörden* voraussichtlich die Verbindungen mit den entsprechenden Konsulaten einstellen würden. Der Botschafter sagte erregt, dass die einseitige Schließung von Konsulaten auf diese Weise in den internationalen Beziehungen ein beispielloser Vorgang sei und dies zu einer neuerlichen Verschärfung der Beziehungen führen werde. Ich antwortete, wenn die deutsche Regierung es als angebracht erachte, ohne jegliche Begründung uns die Eröffnung von Konsulaten in München und in Breslau zu verweigern, obgleich sie selbst eine große Anzahl von Konsulaten in der UdSSR 4 5
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Vgl. Dok. 73, Anm. 5. Vgl. Dok. 123.
4. 11. 1937 Nr. 147 unterhalte, so könne sie uns nicht das Recht verwehren, die Schließung einer entsprechenden Anzahl von deutschen Konsulaten zu fordern. *Der Botschafter teilte vertraulich mit6, dass die Eröffnung unserer Konsulate in München und Breslau wegen der Einwände der hitlerischen „Parteiinstanzen“7 nicht möglich sei. Er bat sehr um ein Entgegenkommen, indem er versicherte, dass die Beilegung dieser Angelegenheit einen guten Eindruck machen werde, eine Ablehnung des deutschen Vorschlages jedoch die Beziehungen zuspitzen werde.*8 Ich *hielte es für zweckdienlich, den Botschafter heute oder am 5. einzubestellen und ihm **im Auftrag der Regierung mitzuteilen, dass wir darauf bestehen, nur zwei deutsche Konsulate in der UdSSR zu belassen, wobei das Konsulat in Leningrad unbedingt geschlossen werden müsste*, und dass diese Konsulate bis zum 15. November geschlossen sein müssten.**9 Nach den aus zuverlässiger Quelle vorliegenden Informationen haben die Deutschen bereits entschieden, auch ihr Konsulat in Novosibirsk zu schließen, aber handeln offenbar mit uns. Erbitte Ihre Genehmigung. B. Stomonjakov **O. P. ZU DEUTSCHLAND**10 1. Es ist auf Schließung von 5 deutschen Konsulaten, darunter das Konsulat in Leningrad, bis zum 15. November zu bestehen. 2. Falls die deutsche Regierung es ablehnt, dieser Forderung nachzukommen, sind die Verbindungen unserer Behörden zu den jeweiligen Konsulaten einzustellen und ihnen das Recht auf einen chiffrierten Schriftverkehr zu entziehen. 3. Falls die Deutschen den unter Punkt 1 dargelegten Vorschlag annehmen, ist ihnen eine Frist von **2**11 Monaten für die Auflösung der Konsulate zu gewähren und ihnen zu gestatten, entweder ihren Besitz an die örtlichen Kommissionsgeschäfte zu verkaufen oder ihn ohne Zollaufschlag mit ins Ausland zu nehmen, davon ausgenommen sind antiquarische Wertsachen.12 P[oskrebyšev]13 Entscheidung I.V. Stalins mit rotem Farbstift: Dafür I. St[alin]. Unterschrift V.M. Molotovs mit rotem Farbstift. Vermerk A.N. Poskrebyševs mit Bleistift zu den Ergebnissen des Umlaufverfahrens: Gen. Vorošilov – dafür (AP), Gen. Ežov – dafür (AP). 6 Zum Bericht Schulenburgs an das AA über sein Gespräch mit Stomonjakov vgl. PA AA, R 104371, Bl. E 019580- 019581. 7 Von der Schulenburg schrieb an Schliep, das Einverständnis, zwei neue sowjetische Konsulate zu eröffnen, würde „die einfachste Lösung der Angelegenheit herbeiführen“, zumal „bei der ausgezeichneten Organisation und dem vorzüglichen Wirken unserer politischen Polizei je ein Sowjetkonsulat in München und in Breslau wirklich keine Gefahr“ darstellten. In: ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 570, S. 1159. 8 Der Absatz ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. 9 Der Text ist am linken Seitenrand zweimal mit rotem Farbstift angestrichen. 10 Der Text ist geändert; ursprünglich: BESCHLUSSVORLAGE. 11 Die Zahl ist mit rotem Farbstift geschrieben. 12 Der Beschluss des Politbüros ist veröffentlicht in: Politbjuro CK RKP (b) – VKP (b) i Evropa, Dok. 261, S. 355. 13 Die Abzeichnung ist mit rotem Farbstift geschrieben.
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Nr. 148
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Vermerk des Sekretärs mit Tinte zu den Ergebnissen des Umlaufverfahrens: Gen. Kaganovič – dafür. Vermerk A.N. Poskrebyševs mit rotem Farbstift: Von Gen. Stomonjakov. Registraturstempel für den Beschluss des Politbüros des ZK der VKP (B): Protokoll P. B. Nr. 55, p. 108 – op. 4.XI.37. Vermerk des Sekretärs mit Tinte zur Versendung von Auszügen: Ausz[üge] an Stomonjakov, Ežov. P55/108. 4.XI.37. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 10 Expl. [Die Exemplare] 1–6 an die Adressaten, das 7. [Exemplar] an M.M.,14 das 8. an V.P.,15 das 9. an B.S.,16 das 10. zu den Akten. Vermerk mit Bleistift: Expl. Nr. 2 ist verbrannt, das Expl. für K[aganovič] ist dem Protokoll beigefügt. Auf Kopfbogen des Volkskommissariats für Auswärtige Angelegenheitender UdSSR geschrieben. RGASPI, f. 17, op. 166, d. 582, l. 39–41. Original.
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Nr. 148 Schreiben des Legationsrats in Moskau Hilger an den Vertreter der Gesellschaft Deruluft Sommer Nr. 148 5. 11. 1937 5. 11. 1937 Moskau, 5. November 1937 Vertraulich. An die Deutsch-Russische Luftverkehrs-Gesellschaft i. L. zu Händen des Herrn Georg Sommer Berlin SW 68 Lindenstraße 35 Sehr geehrter Herr Sommer! Der Inhalt Ihres Schreibens vom 3. d. M.1, das heute in meinen Besitz gelangte, hatte meine vollste Aufmerksamkeit. Ich werde alsbald die notwendigen Schritte beim Volkskommissariat für auswärtige Angelegenheiten der UdSSR unternehmen, um festzustellen, worauf das Schweigen Kaminskis zurückzuführen ist, und zu erreichen versuchen, dass Ihnen die für eine ordnungsmäßige Liquidation der „Deruluft“ benötigten Unterlagen zur Verfügung gestellt werden.2 Ich bitte Sie jedoch, zu berücksichtigen, dass von heute bis zum 8. November einschließlich alle Behörden infolge der Revolutionsfeiertage geschlossen sind und ich infolgedessen frühestens am 9. November etwas unternehmen kann. Im Übrigen muss ich Ihnen sagen, dass mich die Behandlung dieser Angelegenheit durch die Russen nicht in Erstaunen setzt, da die Arbeitsweise der Sowjetbehörden, die schon immer schleppend war, sich in den letzten Monaten noch un14 15 16 1 2
Maksim Maksimovič Litvinov. Vladimir Petrovič Potemkin. Boris Spiridonovič Stomonjakov.
Vgl. Brief Sommers an Hilger vom 3.11.1937 in: PA AA, Moskau II 340, Bl. 22-25. Nach einem Beschluss des Vorstandes wurde Deruluft zum 31.8.1937 aufgelöst. Zur Verzögerung vgl. das Memorandum vom 11.11.1937 in: PA AA, Moskau II 340, Bl. 18-19.
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8. 11. 1937 Nr. 149 erhört verschlechtert hat. Die Terrorwelle, die durch das Land geht, hat dazu geführt, dass der gesamte Partei- und Staatsapparat in letzter Zeit nahezu völlig ausgewechselt worden ist. In vielen Fällen hat man es nicht einmal für notwendig gehalten, die Absetzung sogar von hohen Funktionären bekanntzugeben, sodass diese in der Versenkung verschwunden sind, ohne dass man erfahren kann, ob sie noch leben, oder verhaftet oder gar bereits erschossen sind. Auf diese Weise sind zum Beispiel die Herren Kandelaki und Friedrichson, die längere Zeit in Berlin als Handelsvertreter bzw. dessen Stellvertreter tätig waren und im April d. J. zu stellvertretenden Volkskommissaren des Volkskommissars für den Außenhandel ernannt worden sind, plötzlich spurlos von der Bildfläche verschwunden. Über ihr Schicksal ist ebenso wenig etwas in Erfahrung zu bringen, wie über das Los Krestinskis, der lange Jahre Sowjetbotschafter in Berlin war und nachher in Moskau den hohen Posten des ersten Stellvertreters des Außenkommissars Litwinow bekleidete. Vorstehendes wollte ich Ihnen zur Kennzeichnung der hiesigen Verhältnisse kurz mitteilen und behalte mir zu gegebener Zeit weitere Nachrichten vor. Mit besten Grüßen und Heil Hitler! Ihr sehr ergebener gez. Hilger Auf erstem Blatt oben: D 1756/37, am Seitenrand: abges[chickt] 8/11. PA AA, Moskau II 340, Bl. 20-21.
Nr. 149 Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an den Staatssekretär im AA von Mackensen Nr. 149 8. 11. 1937 8. 11. 1937 Moskau, den 8. November 1937 Sehr geehrter Herr von Mackensen! Am 25. d. M. werde ich den Vortrag über die Sowjetunion in der Wehrmachtsakademie halten. Ich würde sehr gern ein paar Tage früher, etwa am 18. November, nach Berlin kommen, da eine ganze Menge dienstlicher Angelegenheiten zu besprechen ist. Bestehen Bedenken dagegen, dass ich zu dem gedachten Zeitpunkt nach Berlin komme? Leider sind unsere hiesigen Verhandlungen wegen unseres Konsularnetzes ungünstig verlaufen. Die Sowjetregierung ist augenblicklich schwer verängstigt, sieht überall Spione, Mörder und Saboteure für all diese Untaten. Kürzlich sind die Pläne für das Langstrecken-Rekord-Flugzeug ANT 25 ins Ausland gelangt (der wahrscheinlich völlig unschuldige berühmte Konstrukteur des Flugzeugs soll deshalb erschossen worden sein). Seitdem sind die Sowjetrussen noch misstrauischer. Sie haben gestern den XX. Jahrestag der bolschewistischen Revolution gefeiert, ohne das Jubiläum besonders zu unterstreichen! Am Sonnabend hat ein Festakt stattgefun-
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den, an dem Stalin teilgenommen hat. Vom diplomatischen Corps waren dazu nur die Missionschefs eingeladen worden (ich habe mich gedrückt), trotzdem befanden sich in jeder Diplomatenloge eine Anzahl Geheimagenten zur Überwachung der „gefährlichen“ fremden Diplomaten. So etwas zeigt, wie krankhaft nervös man gegenwärtig hier ist. Es ist diese Gemütsstimmung und Verängstigung, die die Russen bei ihrer Verfolgung der fremden Konsulate zu solcher Hartnäckigkeit führt. Die Teilnahme Potemkins an den Verhandlungen in Brüssel1 hat sicher unsere Verhandlungen über das Konsularnetz ungünstig beeinflusst. Potemkin ist gemäßigt und kann mehr durchsetzen als sein Kollege Stomonjakow. (Potemkin dürfte überhaupt der Mann der Zukunft sein.) Wir haben in unseren letzten Vorschlag die Anrufung des Schlichtungsausschusses eingefügt u. a. in der Hoffnung, einen kleinen Aufschub und damit die Rückkehr Potemkins an den Verhandlungstisch zu gewinnen. Sehr dankbar würde ich sein, wenn Sie mir kurz *drahten*2 wollten, ob Sie mit meinen Reiseplänen einverstanden sind. Mit den allerbesten Grüßen und mit Heil Hitler! bin ich, sehr geehrter Herr von Mackensen, Ihr stets ganz ergebener F. W. Schulenburg Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben Stempel des AA: Pol V 7496, eing. 16. NOV. 1937 sowie verschiedene Abzeichnungen. Am Seitenrand Anmerkung Mackensens vom 16.11. zum ersten Absatz: M[eines] E[rachtens] nein, wenn die Konsul[ar]-Frage bis dahin geregelt ist, was nicht anzunehmen ist. Auf Kopfbogen des Deutschen Botschafters geschrieben. PA AA, R 104371, Bl. E 019593-019595. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 578, S. 1168-1169.
1
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Nr. 150 Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA Nr. 150 8. 11. 1937 8. 11. 1937 Moskau, den 8. November 1937 Tgb.Nr. A/2060 Abschrift Pol V 7362 Inhalt: Diesjährige *Revolutionsfeier*1
1 Die Brüsseler Konferenz vom 3. bis 24.11.1937 wurde aus Anlass des im Juli 1937 ausgebrochenen chinesisch-japanischen Krieges einberufen. Es waren daran 18 Staaten beteiligt, darunter acht der neun Staaten (Japan als neunter Staat verweigerte die Teilnahme), die 1922 das Neunmächteabkommen auf der Washingtoner Konferenz unterzeichnet hatten. Litvinov leitete die sowjetische Delegation, der auch Potemkin angehörte. 2 Das Wort ist unterstrichen und am Seitenrand angestrichen. 1
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Das Wort ist unterstrichen.
8. 11. 1937 Nr. 150 Obgleich der XX. Jahrestag der Oktober-Revolution ein Jubiläumstag ist, wurde er ohne besonderes Gepränge gefeiert. Die Ausschmückung Moskaus und der Ablauf des Festprogramms (Parade, Straßendemonstrationen und Volksbelustigungen) zeigten im Wesentlichen das aus früheren Jahren bekannte Bild. Auch die ausländischen Arbeiterdelegationen waren nicht zahlreicher als bei sonstigen ähnlichen Gelegenheiten vertreten.2 Nur die Theater hatten besondere Jubiläums-Stücke herausgebracht. Die vom Zentralkomitee der Kommunistischen Partei einige Tage vor der Feier veröffentlichen Losungsworte rühmen die „Errungenschaften“ der Sowjetunion, wettern gegen den „Faschismus“ und bringen ein Hoch auf die Komintern und die Weltrevolution aus. Sämtliche Festartikel sind auf der Gegenüberstellung des „glücklichen Lebens in der Sowjetunion“ und des angeblichen Niedergangs in den kapitalistischen Ländern aufgebaut. Es fehlen in den Artikeln nicht die üblichen Angriffe gegen den „Faschismus“, dem Unterdrückung der Massen und Eroberungspläne zur Last gelegt werden. Der Aufruf des Vollzugskomitees der III. Internationale (Prawda vom 6.11.3) bezeichnet die Sowjetunion als einen „Leuchtturm, der der gesamten werktätigen Menschheit den Weg aus dem kapitalistischen Abgrund weise“ und wirft rückblickend den sozialdemokratischen Führern vor, durch ihr Paktieren mit der Bourgeoisie die Arbeiterschaft gespalten und geschwächt, die Revolution in Westeuropa verhindert und dem Faschismus die Wege geebnet zu haben. Das Vollzugskomitee der Komintern meint aber, dass die werktätigen Massen der bürgerlichen Länder die Spaltung zu überwinden begonnen und in der einheitlichen proletarischen und Volksfront eine wirksame Waffe gegen den Faschismus gefunden hätten. Ähnlichen Gedankengängen folgt auch ein in der „Prawda“ vom 7. November veröffentlichter Artikel Dimitrows4, der die sozialdemokratische Leitung für die Schwächung der Arbeiterklasse und das Scheitern der Revolutionsbewegung in Westeuropa verantwortlich macht, jedoch feststellen zu können glaubt, dass unter den sozialdemokratischen Arbeitern eine Abkehr von der reformistischen Ideologie eingesetzt und dass Kommunisten und Sozialisten trotz der Sabotage der sozialdemokratischen Führer einander immer näherkämen. Dieser Prozess finde seinen Ausdruck in der Einheitsfront. Im Einzelnen ist über den Verlauf der diesjährigen Revolutionsfeier noch Folgendes zu sagen: Die historische Parade auf dem Roten Platz nahm den üblichen Verlauf. Sie zeigte eine Vergrößerung der motorisierten Artillerie und der Kraftschützen, jedoch keine Neuheiten. Auf den Bericht des Militärattachés darf hingewiesen werden. Die Ansprache des Verteidigungskommissars Marschalls Woroschilow an die versammelten Truppen enthielt nichts Besonderes und war eher auf einen defensiven Ton abgestimmt. 2 In einem Rundschreiben des Gestapa vom 1.11.1937 wurde verfügt, dass alle Reisenden nach Moskau namentlich erfasst werden sollten; vgl. RGASPI, f. 458, op. 9, d. 233, l. 27-27R. 3 Vgl. „Vozzvanie Ispolnitel’nogo Komiteta Kommunističeskogo Internacionala. K dvadcatiletiju Velikoj Oktjabr’skoj socialističeskoj revoljucii“ (Proklamation des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale. Zum zwanzigsten Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution). In: Pravda vom 6. November 1937, S. 1–2. 4 Vgl. „Sovetskij Sojuz i rabočij klass kapitalističeskich stran“ (Die Sowjetunion und die Arbeiterklasse der kapitalistischen Staaten). In: Pravda vom 7. November 1937, S. 2.
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Die Ausschmückung der Stadt war für die Feier eines XX-jährigen Jubiläums verhältnismäßig sehr mager. Volksbelustigungen, die in der letzten Zeit bei ähnlichen Feiern **in Erscheinung**5 traten und zu allerlei Schlussfolgerungen Anlass gaben, fehlten dieses Mal. Die Ausschmückung bestand hauptsächlich aus roten Fahnen und Abbildungen der gegenwärtigen Machthaber; die rote Farbe dominierte allgemein. Die Illumination der Stadt war eingeschränkt, dafür aber wirkungsvoller gestaltet. Die Plakate zeigten einen weniger aggressiven Charakter als sonst; auffallend viel Plakate waren dem glücklichen Leben der Kinder gewidmet. Bilder von Thälmann, die sonst nie fehlten, wurden dieses Mal nicht bemerkt. Die Ausschmückung wurde beherrscht von Plakaten, Statuen und Fotomontagen, die Lenin und Stalin zusammen zeigten. Desgleichen wiederholten sich Spruchbänder mit Hinweisen auf die Lenin/Stalin Partei. Diese Darstellungen sollten dem Publikum die Freundschaft und das Zusammenwirken Lenins und Stalins einhämmern. Dem gleichen Zweck diente auch ein Lenin-Film6, der in der Festsitzung im Großen Theater am Vortage der Revolutionsfeier vor geladenen Gästen gezeigt wurde. In diesem Film, der die bisher grandioseste Geschichtsfälschung des gegenwärtigen Regimes darstellt, wurde Lenin als ständig lavierend und schwankend in seinen Entschlüssen abgebildet, wohingegen Stalin groß, wuchtig, tatkräftig und festentschlossen erscheint. Stalin macht im Übrigen einen gealterten Eindruck. Er hat seinen Platz auf dem Lenin-Mausoleum wiederum nach Beendigung der militärischen Parade und vor Beginn des Vorbeimarsches der Werktätigen verlassen. Die Demonstrationszüge der Moskauer Bevölkerung vollzogen sich mit einer merklichen Hast. Die Menschen, die stumpf und müde, eher verschüchtert als freudig gestimmt aussahen, wurden an den Regierungstribünen wie eine Herde vorbeigetrieben. Die Absperrung, Kontrolle und Bespitzelung auf dem Roten Platz erreichten dieses Mal ein noch nie dagewesenes Ausmaß. In Abwesenheit von Litwinow und Potemkin hatten Herr und Frau Stomonjakoff zu dem üblichen Abendempfang des diplomatischen Korps am 7. November eingeladen. Das diplomatische Korps war vollzählig erschienen. Russischerseits waren nur amtliche Persönlichkeiten vertreten. Unter den wenigen Offizieren befanden sich die Marschälle Jegorow und Budenny. Die Russen hielten sich ängstlich zurück. Ein großer Teil des Abends war mit Musikdarbietungen ausgefüllt. Von irgendeiner festlichen Stimmung war nicht die Rede. gez. Graf von der Schulenburg RGASPI, f. 458, op. 9, d. 223, l. 39-40.
5 6
Im Original: in die Erscheinigung. Lenin v Oktjabre (Lenin im Oktober, Mosfil’m, 1937), Regie: Michail I. Romm; Uraufführung: 7.11.1937.
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9. 11. 1937 Nr. 151 Nr. 151 Runderlass des Auswärtigen Amtes Nr. 151 9. 11. 1937 9. 11. 1937 Berlin, den 9. November 1937 Pol. III 5330 Der Nichtmischungsausschuss in London hat in der Vollsitzung vom 4. Oktober1 d. J. beschlossen, den zur Erörterung stehenden Fragenkomplex (Zurückziehung der Freiwilligen, Zubilligung der Rechte Kriegführender und Wiedereinrichtung einer Kontrolle) den beiden spanischen Parteien zu unterbreiten und zunächst ihnen die Entscheidung über diese drei Grundfragen zu überlassen. Die vom Ausschuss angenommenen hier beigefügten Entschließungen lehnen sich in sachlicher Beziehung an den britischen Plan vom 14. Juli d. J.2 an, der gleichfalls die drei Punkte: Wiederherstellung eines Überwachungssystems, Zurückziehung der ausländischen Freiwilligen und Bedingungen für die Gewährung der Rechte Kriegführender in den Vordergrund stellte. Bekanntlich waren die Verhandlungen über die englischen Vorschläge im Sommer an der Obstruktion der Sowjetrussischen Regierung gescheitert, die sich weigerte, den Parteien, sprich Franco, die Rechte Kriegführender zuzuerkennen. Auch die am 16. Oktober d. J. wieder aufgenommenen Verhandlungen litten unter den fortgesetzten Störungsversuchen des Sowjetvertreters3, der auch jetzt wieder bemüht war, durch seine Gegnerschaft gegen den Gedanken der Zubilligung der Rechte Kriegführender aus dem Gesamtplan ein Kernstück herauszubrechen. Der Russe ging diesmal in seiner Obstruktion noch weiter. Er erklärte, seine Regierung betrachte die Nichteinmischungspolitik als gescheitert und lehne jede Verantwortung für eine Fortsetzung dieser Politik ab. Die Folgerungen aus dieser Erklärung zog er indes nicht. Er nahm vielmehr an den Beratungen des Ausschusses weiter teil und stimmte auch dem Entschließungsentwurf zu, abgesehen von diesen Teilen, die sich auf die Frage der Rechte Kriegführender bezogen. Insofern enthielt er sich der Stimme. Das sowjetrussische Verhalten war auch in einem anderen wesentlichen Punkte widerspruchsvoll. Der Sowjetvertreter stimmte dem Paragraphen über die Wiedereinführung der Land- und Seekontrolle vorbehaltlos zu, ungeachtet einer von ihm wenige Tage vorher dem Ausschussvorsitzenden4 überreichten Note der Sowjet-Regierung, die Kontrolle in der vorgesehenen Form als zwecklos und nur unnötige Kosten verursachend hinstellte. Die Sowjetregierung ist nur in einem Punkt folgerecht geblieben: sie weigert sich, die Beiträge, zu denen sie sich gemeinsam mit den anderen Nichteinmischungsmächten verpflichtet hat, weiterzuzahlen. Bei dieser Haltung der Sowjetregierung ergaben sich für unser weiteres Vorgehen folgende Möglichkeiten: 1 2
So im Dokument; richtig: November. Großbritannien hatte im Nichteinmischungsausschuss am 14.7.1937 einen Kompromissvorschlag eingebracht, demzufolge neutrale Beobachter in den spanischen Häfen die Flotten kontrollieren sollten. 3 Ivan Michajlovič Majskij. 4 Ivor Miles Windsor-Clive.
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festzustellen, dass mangels einer Einigung über wesentliche Punkte der ganze Plan gescheitert sei, oder die Nichteinmischungspolitik ohne Sowjetrussland fortzuführen, oder endlich Sowjetrussland als weiter zu dem Kreis der Nichteinmischungsmächte gehörend zu betrachten, es aber von der Verpflichtung, die Rechte Kriegführender anzuerkennen, zu befreien. Bei dem grundsätzlichen Bekenntnis der Deutschen Regierung zur Nichteinmischungspolitik musste die erste Möglichkeit ausscheiden. Von dem gleichen Grundsatz ausgehend, alles zu vermeiden, was die Nichteinmischungspolitik stören könnte, kam auch die zweite Möglichkeit nicht in Betracht; denn ein Zustand, der den Russen die Freiheit zu Einmischungsversuchen ließ, hätte die Gefahr schwerer internationaler Komplikationen in sich geschlossen. Es blieb daher nur die dritte Möglichkeit übrig. Russland weiter als Nichteinmischungsmacht anzusehen, die Frage der Rechte Kriegführender aber nur unter den übrigen Mächten zu behandeln. Die italienische Regierung befolgte die gleiche Linie, wie wir überhaupt mit den Italienern in dem ganzen Verlauf der Verhandlungen in enger Fühlung blieben und bemüht waren, unser wechselseitiges Verhalten aufeinander abzustimmen. Wir haben daher, ungeachtet des Verhaltens der Sowjetregierung unsere Zustimmung zu dem Entschließungsentwurf gegeben. Wir hätten es freilich für erwünscht gehalten, vor einer Befragung der Streitparteien im Ausschuss die Rechte und Pflichten zu umgrenzen, die die Russen für den Fall einer Annahme des Planes durch die beiden Parteien behalten würden. Denn es ist widersinnig, die Russen einerseits von einem ihnen lästigen Zugeständnis zu befreien und ihnen andererseits jede Möglichkeit zu Störungsmanövern im Ausschuss zu lassen. Auf alle Fälle ist damit zu rechnen, dass die Regierung Franco vom Ausschuss demnächst volle Aufklärung über die Rechte und Pflichten der Russen verlangen wird. Wir dagegen haben auf der vorherigen Klärung der russischen Haltung nicht bestanden, um nicht die Absendung der Entschließung an die beiden Parteien zu verzögern und um einen Beitrag zur Überwindung der schwierigen Lage zu liefern. Auf alle Fälle sieht die Entschließung auf unseren und der Italiener Wunsch, den sich auch die Regierungen Portugals, Österreichs, Ungarns und Albaniens zu eigen gemacht haben, vor, dass Maßnahmen zur Ausfüllung der durch das Ausbrechen Sowjetrusslands in der Frage der Rechte Kriegführender entstandenen Lücke getroffen werden sollen. Es ist auch daran gedacht, möglicherweise parallel zu den Erörterungen im Ausschuss, auf diplomatischem Wege eine Klarstellung der russischen Haltung zu erreichen. Um den Beweis ihrer Bereitwilligkeit zu geben, auf dem jetzt vorgezeichneten Wege möglichst bald zu praktischen Ergebnissen zu gelangen, hat die deutsche Regierung von Anfang an einer ursprünglich ins Auge gefassten symbolischen Geste, sofort auf beiden Seiten eine bestimmte Zahl von Freiwilligen zurückzuziehen, zugestimmt. Der Ausschuss hat diesen Gedanken leider fallen lassen, da sich herausstellte, dass sowohl die Sowjetrussen als auch die Franzosen nicht auf beiden Seiten eine gleiche, sondern eine dem Kräfteverhältnis der Parteien entsprechende Freiwilligenzahl zurückgezogen wissen wollten. Der in dieser Weise veränderte Gedanke hätte umfangreiche Feststellungen auf beiden Seiten erforderlich und daher das Wesen der symbolischen Geste illusorisch gemacht.
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9. 11. 1937 Nr. 152 Bis zum Eingehen der Antworten der beiden Parteien soll der Ausschuss die Erörterung über die Zusammensetzung und die Machtbefugnisse der nach Spanien im Hinblick auf die Zurückziehung der Freiwilligen zu entsendenden Kommissionen fortsetzen. Ich stelle anheim, die hier erörterten Gesichtspunkte gelegentlich zu verwerten. Ein weiterer Erlass bleibt vorbehalten. Im Auftrag Bismarck Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. III, Dok. 466, S. 430–432.
Nr. 152 Schreiben der Stellv. Volkskommissare für Außenhandel Merekalov und Čvjalev an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, den Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Molotov und den Stellv. Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Mikojan Nr. 152 9. 11. 1937 9. 11. 1937 GEHEIM Kopie Expl. Nr. 5 NKVT Nr. 1281 9.XI.37 An Gen. I.V. STALIN Gen. V.M. MOLOTOV Gen. A.I. MIKOJAN Betrifft das Handelsabkommen mit Deutschland für 1938 Die Konditionen des 1937 gültigen Handelsabkommens mit Deutschland sehen vor: a) die Tilgung unserer Wechsel mit der Zahlung im Jahr 1937 aus dem Erlös in Mark aus dem Export sowjetischer Waren nach Deutschland auf der Grundlage des mit der deutschen Regierung speziell abgestimmten Warenverzeichnisses (Manganerz, Apatit, Holz, Leinen, Schmieröle, Borsten, Tierhaare, Rauchwaren) in einem Volumen von ungefähr 57 Mio. Rubel; b) den Ausgleich der übrigen Zahlungen (für die Warenlieferungen in bar, die Zinsen für den 200-Millionen-Kredit und für sonstige Ausgaben) mit dem Erlös in Mark aus dem Export sowjetischer Waren nach Deutschland *nach unserem Ermessen, ohne Abstimmung des Warenverzeichnisses*1 mit der deutschen Regierung. (Der diesbezügliche Export wird 1937 ungefähr 80 Mio. Rubel betragen.)
1
Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen.
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Nr. 152
9. 11. 1937
Uns steht 1938 bevor, Wechselverbindlichkeiten in Deutschland in einem Volumen von 25,6 Mio. Rubel zu löschen. Außerdem sind Zinsen für den 200Millionen-Kredit in Höhe von 21,2 Mio. Rubel und die 1937 in Auftrag gegebenen Warenlieferungen in Höhe von ungefähr 16 Mio. Rubel zahlbar. Somit beträgt 1938 die Gesamtsumme unserer Zahlungen an Deutschland ungefähr 63 Mio. Rubel, die neuen Bestellungen 1938 nicht mitgerechnet. *Wir erachten es als zweckdienlich, eine Verlängerung des in Kraft befindlichen Handelsabkommens mit Deutschland für 1938 einzugehen.*2 Wir meinen jedoch, dass es erforderlich wäre, von der deutschen Regierung unser Recht zugesichert zu bekommen, die Bezahlung unserer Wechsel im Jahr 1938 mit dem Erlös in Mark aus dem Verkauf unserer Exportwaren in Deutschland zu den üblichen Bedingungen zu tätigen, d.h. ohne ein spezielles Warenverzeichnis abzustimmen. Zugleich erachten wir es für erforderlich zu informieren, dass am 24. Oktober d.J. bei einem Treffen mit dem Handelsvertreter der UdSSR in Deutschland, Gen. Nepomnjaščij, der Stellvertretende Reichsbankpräsident Brinkmann erklärte, dass die deutsche Regierung wegen *des Rückgangs des sowjetisch-deutschen Handels beunruhigt sei und zum Zwecke seiner Förderung der UdSSR die Möglichkeit einräumen wolle, in Deutschland Anlagen spezieller Zweckbestimmung zu bestellen (spezielle Werkzeugmaschinen, *Panzerstahl*3, schnell umlaufende Turbinen und Geräte von „Zeiss“ gemäß erweiterter Warenliste, davon ausgenommen sei zurzeit die Kanonenfrage)4.*5 Der Vorsitzende des Russland-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft Reyß teilte Gen. Nepomnjaščij genau das gleiche mit und fügte hinzu, dass die deutschen Industriellen die Frage *eines Kredits für sowjetische Bestellungen in Deutschland zu folgenden Konditionen aufgeworfen hätten: 50% des Bestellwertes werden in bar mit dem Erlös in Mark aus dem Verkauf sowjetischer Waren in Deutschland bezahlt und die übrigen 50% durch einen langfristigen Kredit abgedeckt. Die Deutschen erwarten eine Antwort auf die von ihnen ausgeworfenen Fragen.6 *7 Wir meinen, dass man auf die von den Deutschen unterbreiteten Vorschläge nicht antworten sollte. Falls jedoch die Deutschen die Initiative zu einer nochmaligen Anfrage zu diesen Fragen ergreifen sollten, erachten wir es für möglich, dem Handelsvertreter den Auftrag zu erteilen, zu antworten, dass wir einverstanden sind, die aufgeworfenen Fragen unter der Voraussetzung zu prüfen, dass die deutsche Regierung vorab die Beschränkungen hinsichtlich der Liste der sowjetischen Bestellungen bei deutschen Firmen aufhebt. Wir bitten, den beigefügten Beschlussentwurf zu bestätigen. DIE STELLVERTRETER DES VOLKSKOMMISSARS FÜR AUßENHANDEL DER UdSSR A. Merekalov 9.XI.37 2 3 4 5 6 7
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Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. Das Wort ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Vgl. Moskva- Berlin, Bd. 3, Dok. 169, S. 252; Dok. 132. Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. Vgl. Dok. 132. Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen.
E. Čvjalev
9. 11. 1937 Nr. 152 Für die Richtigkeit: Bogdanovič8 [Anhang] GEHEIM Entwurf Expl. Nr. 5 BESCHLUSS 1. Dem Volkskommissariat für Außenhandel ist zu gestatten, das in Kraft befindliche Abkommen über den Waren- und Zahlungsverkehr mit Deutschland für das Jahr 1938 zu verlängern, in dem unser Recht enthalten ist, 1938 die Bezahlung der Wechsel mit dem 1938 erzielten Erlös in Mark aus dem Verkauf sowjetischer Exportwaren in Deutschland zu den üblichen Konditionen zu tätigen, d.h. ohne ein spezielles Warenverzeichnis mit der deutschen Regierung abzustimmen. 2. Auf die von den Deutschen aufgeworfene Kreditfrage soll nicht geantwortet werden. Falls jedoch die Deutschen in dieser Frage die Initiative zu einer nochmaligen Anfrage ergreifen sollten, ist dem Handelsvertreter der UdSSR in Deutschland der Auftrag zu erteilen, zu antworten, dass wir damit einverstanden sind, die aufgeworfene Frage unter der Voraussetzung zu prüfen, dass die deutsche Regierung vorab die Beschränkungen hinsichtlich der sowjetischen Bestelllisten bei deutschen Firmen aufhebt.9 9.XI.37 Čvjalev
Merekalov
Vermerk von B.S. Stomonjakov mit rotem Farbstift: [an Gen.] Litvinov. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats Stomonjakovs mit der Eingangs-Nr. 6515 vom 10.11.1937. Oben rechts befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 3610 vom 13.11.1937. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 127, d. 3, l. 58–61. Kopie. Veröffentlicht in: Moskva-Berlin, Bd. 3, Dok. 171, S. 254–256.
8 Die Unterschrift ist mit Tinte ausgeführt. Eine beglaubigte Kopie wurde Litvinov geschickt. 9 Am 21.12.1937 fasste das Politbüro des ZK der VKP (B) den Beschluss in der von Merekalov und Čvjalev unterbreiteten Fassung. Vgl. SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 100, S. 163. Am 20.12.1937 wandte sich Litvinov im Zusammenhang mit dem Auslaufen der Gültigkeitsfrist des in Kraft befindlichen Abkommens und des Aufkommens von „großen Unannehmlichkeiten“, die durch einen „vertragslosen Zustand“ entstehen, an Stalin und betonte die Notwendigkeit, schnellstmöglich eine Entscheidung bezüglich der Verlängerung des Handelsabkommens mit Deutschland für 1938 zu treffen. In: AVP RF, f. 05, op. 17, p. 126, d. 1, l. 414.
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Nr. 153
11. 11. 1937
Nr. 153 Schreiben des Leiters der Presseabteilung im AA Aschmann an den Leiter des Ostwelt-Verlages von Voß Nr. 153 11. 11. 1937 11. 11. 1937 Berlin, den 11. November 1937 Abschrift Vertraulich! Pv. 504 Herrn Dr. von Voß, Leiter des „Ostwelt-Verlages“ Berlin SW 19 Jerusalemerstraße 3/4 Sehr geehrter Herr von Voß, Ich bestätige Ihnen gern auf diesem Wege, dass das Auswärtige Amt auf dem Standpunkt steht, unabhängig von der Entwicklung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und der Sowjetunion, sollten alle Anstrengungen gemacht werden [sic], dass vor allem die zuständigen amtlichen Stellen und die Wirtschaftsorganisationen ausreichend und sachverständig über die Lage und die weitere Gestaltung der Dinge in der Sowjetunion informiert bleiben. Gegenwärtig sind die deutschen Informationsmöglichkeiten über Sowjetrussland in bedenklicher Weise beschränkt. Die Deutsche Botschaft in Moskau ist, ebenso wie unsere konsularischen Vertretungen in der USSR, infolge der Überwachung aller ihrer Mitglieder durch die Agenten der Sowjetregierung und infolge der Furcht der Bevölkerung vor jeder Berührung mit Vertretern Deutschlands, weitgehend isoliert. Abgesehen von dem einen DNB-Vertreter1 ist nur noch ein Vertreter der deutschen Presse in der Sowjetunion tätig2, ständige deutsche Firmenvertretungen gibt es dort überhaupt nicht mehr und auch einzelne Reisen deutscher Firmenvertreter oder deutscher Staatsangehöriger nach Russland gehören zu den Seltenheiten. In dieser Lage ist der vom „Ostwelt-Verlag“ herausgegebene Nachrichtendienst „Der Ost-Express“ in besonderem Maße geeignet, wertvolle Dienste zu leisten, nicht nur, weil er seit vielen Jahren das Vertrauen der amtlichen Stellen genießt, sondern auch weil er als privater Informationsdienst in der Lage ist, besondere Maßnahmen zur Verbesserung der deutschen Berichterstattung aus der Sowjetunion zu treffen. Von einer solchen privaten und erfahrenen Nachrichtenorganisation könnten sogar Maßnahmen ergriffen werden, die geeignet wären, die deutsche Information über Sowjetrussland selbst für den Fall einer weiteren Erschwerung der Nachrichtenbeschaffung oder unvorhergesehener Zwischenfälle sicherzustellen. Solche Maßnahmen würden naturgemäß vom Ostwelt-Verlag erhöhte finanzielle Aufwendungen erfordern. Das Auswärtige Amt ist bereit, dem OstweltVerlage seine weitgehende, auch finanzielle Unterstützung angedeihen zu lassen, damit er in die Lage versetzt werde, die erwähnten Aufgaben auf breiterer Grundlage als bisher zu lösen. Das Auswärtige Amt würde es daher sehr begrüßen, wenn die übrigen zentralen Reichsbehörden, soweit sie daran interessiert sind, sich diesem seinem Vorgehen anschließen, dem Ostwelt-Verlage in gleichem Maße wie das 1 2
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Ernst Schüle. Hermann Pörzgen.
11. 11. 1937
Nr. 154
Amt ihre Unterstützung zuwenden und in ihrem Geschäftsbereich auf die in Frage kommenden amtlichen und privaten Stellen in geeigneter Weise dahin einwirken wollten, dass sie den „Ost-Express“ abonnieren. Es sollte hierdurch bewirkt werden können, den Ostwelt-Verlag auf eine so breite wirtschaftliche Grundlage zu stellen, dass er die erforderlichen Investitionen in Zukunft aus eigenen Kräften vornehmen könnte. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass das Auswärtige Amt den Ostwelt-Verlag veranlasst hat, im Rahmen des „Ost-Express“ eine neue, nicht für die Presse, sondern ausschließlich für die amtlichen Stellen und die Wirtschaftskreise bestimmte Ausgabe zu schaffen, die den Fragen des Fernen Ostens und Mittelasiens gewidmet sein soll. Das Amt würde es sehr begrüßen, wenn die übrigen zentralen Reichsbehörden auch dieser neuen unter dem Namen „Ostasiendienst“ erscheinende Ausgabe ihre tatkräftige Förderung angedeihen lassen wollten. Der Verwendung dieses Schreibens gegenüber der Dienststelle des Beauftragten für den Vierjahresplan, dem Reichskriegsministerium, Reichsluftfahrtministerium, Reichsverkehrsministerium, Reichsarbeitsministerium, der Reichswirtschaftskammer, dem Außenpolitischen Amt der NSDAP, Verbindungsstab der NSDAP stehen keine Bedenken entgegen. Abschrift dieses Schreibens erhält das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda. Der Reichsminister des Auswärtigen Im Auftrag gez. Aschmann BArch, N 2273/77, o. P., 4 Bl.
Nr. 154 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin Nr. 154 11. 11. 1937 11. 11. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 1 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Ausg.-Nr. 309/s1 Berlin, 11. November 1937 An den Stellv. Volkskommissar *Gen. POTEMKIN*2 In den vergangenen Jahren hat die Bevollmächtigte Vertretung Jahresbände mit Dokumenten zu den Beziehungen zwischen der UdSSR und Deutschland heraus1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der Name ist mit rotem Farbstift unterstrichen.
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Nr. 154
11. 11. 1937
gegeben. In diesem Jahr stellt sich die Zusammenstellung eines solchen Bandes als schwierigere Angelegenheit dar, denn wir müssten, wenn wir ihn nach dem exakt gleichen Plan wie die Bände der vergangenen Jahre zusammenstellen würden, einige Reden und Artikel der deutschen Presse aufnehmen, die ausgesprochen antisowjetische Formulierungen enthalten, deren Wiedergabe durch wiederholte Weisungen des NKID sogar im geheimen Schriftverkehr untersagt worden ist. Außerdem müssten Artikel von sowjetischen Autoren aufgenommen werden, deren Bücher der Entfernung aus den Bibliotheken unterliegen.3 Zudem ist mir überhaupt nicht klar, in welchem Maße dieser Sammelband für die operative Tätigkeit des NKID erforderlich ist. Wir warten deshalb Ihre Weisungen dazu ab, ob die Zusammenstellung eines solchen Bandes wünschenswert wäre und worin er sich von den in den vergangenen Jahren erschienenen Bänden unterscheiden müsste. Vielleicht sagt Ihnen ein Sammelband zu, der lediglich den offiziellen Schriftverkehr zwischen uns und dem Auswärtigen Amt umfasst.4 Geschäftsträger der UdSSR in Deutschland G. Astachov Vermerk mit blauem Farbstift: A[kte]. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 5727 vom 14.11.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Potemkin, das 2. an die 2. Westabteilung des NKID, das 3. zu den Akten. AVP RF, f. 011, op. 1, p. 3, d. 23, l. 126. Original.
3 4
Bücher von inhaftierten Autoren wurden aus den Bibliotheken entfernt. Astachov erhielt am 26.11.1937 von dem kommissarischen Leiter der 2. Westabteilung des NKID Antonov und dem Referenten der 2. Westabteilung Puškin die Antwort auf seine Anfrage. Darin wurde ausgeführt: „Die Zusammenstellung eines solchen Bandes ist zweifellos notwendig. In diesen Band sollten neben dem offiziellen Schriftverkehr der Bevollmächtigten Vertretung mit dem Auswärtigen Amt zugleich auch der Inhalt der Gespräche von Mitarbeitern der Bevollmächtigten Vertretung mit Personen aus dem Auswärtigen Amt aufgenommen werden. Reden und Artikel der deutschen Presse sind nicht aufzunehmen. Es wäre wünschenswert, dem Band einen Anhang mit einer chronologischen Jahresübersicht von Reden der Führungspersonen des jetzigen Deutschlands und von Artikeln der deutschen Presse, die die Sowjetunion betreffen, und mit einem knappen Resümee des Inhalts der Reden oder Artikel beizufügen.“ In: AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 2, l. 197.
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Nr. 155
Nr. 155 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an die II. Westabteilung von VOKS Nr. 155 11. 11. 1937 11. 11. 1937 GEHEIM Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Ausg. Nr. 3101 Berlin, 11. November 1937 An VOKS, II. Westabteilung Auf Nr. 961 vom 3.10.1937 Es hat wohl kaum einen Sinn, Komponisten und Musiker, die in Deutschland Erfolg haben, bei uns zu popularisieren. Selbst wenn es unter ihnen Komponisten gibt, die Aufmerksamkeit verdienen **(zum Beispiel Rich[ard] Strauss, Furtwängler und andere)**2, so verdienen sie schon dadurch, dass sie sich in Berlin befinden und Beachtung durch die faschistische Presse erfahren, wohl kaum eine Popularisierung bei uns. Es fällt mir schwer, Sie von hier aus auf jene deutschen Musikschaffenden aufmerksam zu machen, die sich in der Emigration befinden und bei uns in einem gewissen Maße popularisiert werden könnten. Erklären Sie dies, ohne sich dabei auf mich zu berufen, dem Allunionskomitee für Rundfunk und Radiofizierung. Geschäftsträger der UdSSR in Deutschland G. Astachov **P.S. Von den deutschen Künstlern in der Emigration mache ich Sie auf den Sänger Rich[ard] Tauber aufmerksam, der deutsche Volkslieder und Romanzen von Schubert u.a. singt. Es gibt viele Schallplatten.**3 Vermerk mit blauem Farbstift von V.F. Smirnov: an Gen. Korolev. 15/XI VS. Vermerke mit Bleistift: zu den Akten; Gen. Golub’ verständigen; Korolev hat damit nichts zu tun. 16/XI 37. AKu[…]. Vermerk mit blauem Farbstift: Verständigen Sie Korolev, da Gen. Golub’ in den Urlaub gefahren ist. AKu[…]. Oben links befindet sich der Stempel der Geheimabteilung von VOKS mit der EingangsNr. 430/s vom 15.11.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 2 Expl. Das 1. [Exemplar] an den Adressaten, das 2. zu den Akten. GARF, f. R-5283, op. 1a, d. 327, l. 32. Original.
1 2 3
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der Text ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. Der Text ist mit Tinte geschrieben.
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Nr. 156
11. 11. 1937
Nr. 156 Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Stomonjakov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin Nr. 156 11. 11. 1937 11. 11. 1937 Ganz geheim Expl. Nr. 1 Nr. 3331 11. November 1937 AN DEN GENERALSEKRETÄR DES ZK DER VKP (B) Gen. STALIN Kopien an: die Gen[ossen] MOLOTOV, KAGANOVIČ, VOROŠILOV, EŽOV *Soeben war Graf Schulenburg bei mir und teilte mit, dass die deutsche Regierung, unserem Wunsch1 entgegenkommend*2 und der Tätigkeit der Konsulate in der UdSSR keine größere Bedeutung beimessend, *grundsätzlich dazu bereit sei, die Anzahl ihrer Konsulate in der UdSSR bis auf zwei zu reduzieren – jedoch könne sie sich mit der Schließung des Konsulats in Leningrad aufgrund folgender Überlegungen nicht einverstanden erklären:* 1. Das Leningrader Konsulat sei das einzige aller deutschen Konsulate in der UdSSR, das tatsächlich eine umfangreiche Arbeit zu absolvieren habe, da pro Jahr einige Hundert deutsche Schiffe in Leningrad einlaufen würden. Selbst in diesem Jahr, bei verringerten Handelsbeziehungen, seien 240 bis 260 Dampfer eingelaufen; 2. in Leningrad gebe es ohne Ausnahme Konsulate aller Anrainerstaaten der Ostsee – somit wäre die Schließung des Deutschen Konsulats in Leningrad durch uns eine diskriminierende Maßnahme gegenüber Deutschland; 3. wir besäßen in den Hafenstädten Deutschlands zwei Konsulate (in Hamburg und in Königsberg), und wenn wir Deutschland das Recht absprächen, in Leningrad ein Konsulat zu besitzen, widerspräche dies den Prinzipien der Gegenseitigkeit und werfe objektiv die Frage auf, ob in diesem Fall die Fortexistenz unserer Konsulate in deutschen Häfen nicht unzulässig wäre. *Auf diese Weise, indem sie sich mit der Schließung von fünf ihrer Konsulate (in Vladivostok, Novosibirsk, Tiflis, Char’kov, Odessa) einverstanden erkläre, beharre die deutsche Regierung darauf, die Generalkonsulate in Kiev und in Leningrad beizubehalten.*3 Zum Abschluss teilte Schulenburg mit, dass die deutsche Regierung, die dieser Angelegenheit eine große Bedeutung beimesse, ihn beauftragt habe, im Falle einer Ablehnung um eine persönliche Zusammenkunft mit Gen. Molotov zu bitten, um ihm die Motive für die Weigerung Deutschlands darzulegen, sein Konsulat in Leningrad aufzugeben.4 Schulenburg bat um eine möglichst rasche Ant1 2
Vgl. Dok. 147. Der hier und im Folgenden so gekennzeichnete Text wurde von Poskrebyšev mit rotem Farbstift unterstrichen. 3 Der unterstrichene Absatz ist zusätzlich am linken Seitenrand angestrichen. 4 Vgl. ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 579, S. 1170.
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11. 11. 1937
Nr. 156
wort und erklärte, dass er nötigenfalls bereit wäre, Gen. Molotov noch heute aufzusuchen.5 Ich *hielte es für zweckmäßig, Deutschland hinsichtlich seines Konsulats in Leningrad nachzugeben*, und nicht allein deshalb, weil es in vollem Umfang unserer Forderung entsprochen hat, fünf seiner Konsulate zu schließen, und sachliche Argumente für die Beibehaltung seines Konsulats in Leningrad ins Feld führt, sondern insbesondere *deshalb, weil die Beibehaltung des deutschen Konsulats in Leningrad meiner Meinung nach weniger schlimm im Vergleich zur Alternative der Belassung eines deutschen Konsulats an einem der drei Punkte* (Novosibirsk, Tiflis, Char’kov) wäre, die in diesem Fall ins Gespräch kommen können. In der Tat wird es, wenn man schon auf unserem Territorium zwei deutsche Konsulate hat, weniger schädlich sein, sie in Orten wie Kiev und Leningrad zu haben, wo es ohnehin viele andere ausländische Konsulate gibt. Selbst wenn wir die Schließung des Leningrader deutschen Konsulats durchsetzen, wird die deutsche Spionage immer die Möglichkeit haben, genügend Agenten in den zahlreichen anderen ausländischen Konsulaten Leningrads (im polnischen, finnischen, estnischen, lettischen, italienischen, britischen, dänischen, schwedischen und norwegischen) zu finden. *Leningrad mit seinen zahlreichen Konsulaten und Kiev mit seinen vier Konsulaten* (dem polnischen, italienischen, tschechoslowakischen, deutschen), von *denen, wie bekannt, das polnische Generalkonsulat den größten Schaden anrichtet, sind auch ohne die Deutschen Punkte besonderer Aktivität ausländischer Nachrichtendienste*. Wenn wir dagegen die deutschen Konsulate in Char’kov, Tiflis und in Novosibirsk schließen, befreien wir Char’kov völlig von ausländischen Konsulaten, säubern Novosibirsk nach der Schließung des dortigen japanischen Konsulats von der letzten legalen Residentur der faschistischen Spionage6 (in Novosibirsk verbleibt danach nur das chinesische Konsulat) und schließlich erreichen wir das gleiche auch in Tiflis, wenn wir nach der Schließung des dortigen polnischen und des deutschen Konsulats auch die Schließung des italienischen Konsulats durchsetzen (danach wird in Tiflis einzig und allein das iranische Konsulat verbleiben). Andererseits ist zu berücksichtigen, dass *die von den Deutschen ins Feld geführten Argumente zur Beibehaltung ihres Konsulats in Leningrad nicht einer sachlichen Grundlage entbehren,* und falls ein Konflikt zwischen uns und Deutschland wegen der Schließung seines Leningrader Konsulats aufkommen sollte, so wäre die öffentliche Meinung in den bürgerlichen Ländern auf seiner Seite, da es allgemein üblich ist, in den Häfen Konsulate der Länder zu unterhalten, deren Schiffe in einer recht großen Anzahl diese Häfen anlaufen. Ich bitte, *den beigefügten Beschlussentwurf zu bestätigen*. B. Stomonjakov
5 Die Antwort der sowjetischen Führung wurde Graf von der Schulenburg am 14.11.1937 von Litvinov mitgeteilt. Vgl. Dok. 159. 6 Als Alternativvariante für das Konsulat in Leningrad schlug von der Schulenburg 11.11.1937 vor, das Konsulat in Novosibirsk beizubehalten, weil Militärattaché Köstring ihm „als Beobachtungsposten für Fernost“ eine besondere Bedeutung beimesse. Vgl. ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 579, Anm. 4, S. 1170.
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Nr. 156
11. 11. 1937 BESCHLUSSENTWURF
*In Abänderung von Punkt 1 des Politbüro-Beschlusses vom 4. November 1937, Nr. P/55/1087, ist der Bitte Deutschlands, sein Generalkonsulat in Leningrad beizubehalten, unter der Bedingung stattzugeben, seine Konsulate in Vladivostok, Novosibirsk, Char’kov, Tiflis und Odessa zu schließen.*8 B S[tomonjakov] Anordnung I.V. Stalins mit rotem Farbstift: Der frühere Beschluss ist zu bekräftigen9, die Deutschen aus Leningrad rauszuwerfen.10 Unterschrift V.M. Molotovs mit blauem Farbstift. Vermerk des Sekretärs mit Tinte zum Abstimmungsergebnis: Gen. Ežov – dafür, Gen. Kaganovič – dafür. Vermerk A.N. Poskrebyševs mit rotem Farbstift: Von Gen. Stomonjakov. Registraturstempel für den Beschluss des Politbüros des ZK der VKP (B): Prot[okol] P.B. Nr. 55 p. 192-op. *Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 10 Expl. [Die Exemplare] 1–6 an die Adresse, das 7. [Exemplar] an M.M., das 8. an V.P., das 9. an B.S., das 10. zu den Akten. Vermerk mit Bleistift: Expl. Nr. 2 ist verbrannt, dem Expl. für Gen. K[aganovič] ist das Pr[otokoll] beigefügt.*11 Auf Kopfbogen des Volkskommissariats für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR geschrieben. RGASPI, f. 17, op. 166, d. 582, l. 134–137. Original.
7 8 9
Vgl. Dok. 147, Anm. 12. Der Absatz ist am linken Seitenrand zweimal angestrichen. Das Politbüro des ZK der VKP (B) fasste am 11.11.1937 den Beschluss: „Der Beschluss des ZK vom 4.XI.37 über die Schließung von 5 deutschen Konsulaten, darunter das in Leningrad, ist zu bekräftigen.“ (Protokoll Nr. 55, Pkt. 192, Sondermappe) In: RGASPI, f. 17, op. 166, d. 582, l. 133. 10 Auf die dem Original beigefügte, für Kaganovič bestimmte Kopie hat der Sekretär mit rotem Farbstift vermerkt: „Genosse Stalin hat geschrieben: ‚Auf gar keinen Fall‘“. In: RGASPI, f. 17, op. 166, d. 582, l. 137. 11 Der Text ist mit Bleistift durchgestrichen.
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12. 11. 1937
Nr. 157
Nr. 157 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov Nr. 157 12. 11. 1937 12. 11. 1937 Ganz geheim Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Ausg.-Nr. 3191 Berlin, 12. November 1937 An den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Gen. M.M. LITVINOV Auf Nr. 375/l. Sehr geehrter Maksim Maksimovič, den Artikel Bockhoffs „Der Bolschewismus als Rechtsproblem“2 habe ich gelesen.3 Alle vom Autor aufgeworfenen Fragen zur Rechtsstellung des Sowjetstaates werden in dem Artikel in einem für uns negativen Sinne beantwortet. In Bezug auf die diplomatische Immunität ist Bockhoff wohl etwas weniger kategorisch. Es erhebe sich die Frage, wie er schreibt, „ob die Sowjetdiplomatie … die völkerrechtliche Exterritorialität beanspruchen, des Weiteren, ob die Immunität zur diplomatischen Tarnung krimineller politischer Ziele mißbraucht werden darf“4. Er weicht einer abschließenden Beantwortung dieser Frage aus, im Prinzip ist die Antwort aber eindeutig und lässt keine doppelte Interpretation zu. Im Zusammenhang damit komme ich nicht umhin zu bedauern, dass ich angesichts des Verbots des NKID nicht die Möglichkeit hatte, den Ball beim *Minister für Justiz5 zu besuchen*6, mit dem ich (oder mit einem seiner Gehilfen) es nicht versäumt hätte, *über diesen Artikel zu sprechen*7. Bei der ersten sich bietenden Gelegenheit beabsichtige ich dennoch, das Auswärtige Amt auf diesen Artikel aufmerksam zu machen. Doch völlig unabhängig davon, in welchem Maße dieser Artikel offiziösen und richtungsweisenden Charakters ist, sollten wir **immer auf das Schlimmste gefasst sein und die Aufbewahrung von jeglichen Geheimpapieren vermeiden, mit Ausnahme jener Dokumente, die für die unmittelbare operative Tätigkeit unerlässlich 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Vgl. E.H. Bockhoff: Der Bolschewismus als Rechtsproblem. In: Nationalsozialistische Monatshefte. Freiheit und Brot! Zentrale politische u. kulturelle Zeitschrift der NSDAP, Heft 70, September 1937, S. 792–815. 3 Litvinov machte am 25.10.1937 Astachov auf den Artikel von Bockhoff im Organ der NSDAP aufmerksam und wies darauf hin, dass „mit der Möglichkeit einer Verletzung der Exterritorialität zu rechnen ist und Maßnahmen zu ergreifen sind, die Safes der Bevollmächtigten Vertretung und der Handelsvertretung von überflüssigen Geheimpapieren zu säubern“. In: AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 1, l. 97. 4 Bockhoff, Bolschewismus, S. 813. 5 Franz Gürtner. 6 Der Text ist mit roter Tinte unterstrichen. 7 Der Text ist mit roter Tinte unterstrichen.
475
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sind. Insbesondere werden die Mappen mit den Geheimpapieren und den Chiffresachen der Bevollmächtigten Vertretung, ja und auch der Handelsvertretung, auf ein Minimum reduziert und können im Bedarfsfall in einigen Minuten (nicht mehr als 10) verbrannt werden. Jedoch sind in der hiesigen Situation die NPO8-Dokumente und generell die unverschlüsselten Dokumente, wie mir scheint, nicht weniger, wenn nicht gar gefährlicher, und können für eine Kompromittierung der Bevollmächtigten Vertretung mitunter von größerer Bedeutung sein als andere Dokumente vertraulichen Charakters. Außerdem gibt es davon sehr viele, sie sind platzraubend und ungenügend gesichert. Deren Anzahl ist ebenfalls auf ein Minimum zu reduzieren, was wir im Prinzip auch machen. In den nächsten Tagen werde ich mich speziell damit befassen und nach Möglichkeit alles das vernichten, was nur möglich ist. Im Zusammenhang damit bitte ich darum, *auf Gen. Pastuchov*9 einzuwirken und sein Einverständnis einzuholen, *31 Kisten alter (unverschlüsselter) Archivalien*10 nach Moskau zu schicken, mit denen sich frühere Mitarbeiter der Bevollmächtigten Vertretung befasst, dabei jedoch nicht alle dafür erforderlichen komplizierten Formalitäten erfüllt hatten. Ich möchte Sie noch einmal auf die leichtsinnige und engstirnige Haltung unserer Finanzorgane (Gosbank) aufmerksam machen, *die von uns verschiedene, den hiesigen Regeln widersprechende Spekulationen mit Deutscher Mark fordern*11. Darüber habe ich das NKID wiederholt informiert, jedoch bis jetzt ohne sonderliches Ergebnis.12 Diese Operationen figurieren in den Dokumenten völlig unverschlüsselt (anders geht es ja nicht), und falls die Deutschen uns in dieser ausgesprochen unrühmlichen Sache diskreditieren möchten, so können sie dies ohne sonderliche Mühe tun.**13 Mit kameradschaftlichem Gruß G. Astachov P.S. **Gen Rubinin hat ungeachtet seiner mir am 8. gemachten Zusicherung nicht den Tag Ihrer Durchreise durch Berlin14 mitgeteilt. Zum Glück ist *unser Fehlen auf dem Bahnsteig bei Ihrer Durchfahrt*15 in der Presse nicht erwähnt worden und hat anscheinend keine *Spekulationen*16 ausgelöst.17 Dagegen hat Ihr 8 9 10 11 12
Ne podležit oglašeniju = vertraulich, geheim. Der Text ist mit roter Tinte unterstrichen. Der Text ist mit roter Tinte unterstrichen. Der Text ist mit roter Tinte unterstrichen. Am 30.11.1937 kam Astachov erneut auf diese Operationen zu sprechen, indem er unter anderem in dem Telegramm bemerkte, dass „die Deutschen in letzter Zeit die Valutakombinationen unserer Organe verstärkt beobachten“, während zur gleichen Zeit Gosbank „zu Finanzoperationen auffordert, die den Gesetzesbestimmungen widersprechen“. In: SSSRGermanija: 1933–1941, Dok. 98, S. 162. 13 Der gesamte Text über die letzten drei Absätze wurde von Litvinov am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. 14 Litvinov fuhr zur Brüsseler Konferenz; vgl. Dok. 149, Anm. 1. 15 Der Text ist mit roter Tinte unterstrichen. 16 Das Wort ist mit roter Tinte unterstrichen. 17 In seinem Brief an Astachov vom 19.11.1937 erläuterte Litvinov die Gründe für sein Verhalten damit, dass er „selbst es nicht für wünschenswert hielt, vorzeitig per Telefon die deutschen Behörden indirekt über meine Durchreise in Kenntnis zu setzen“. In: AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 41, l. 39.
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Treffen mit Gen. Vinogradov in Warschau lebhafte „Kommentare“ ausgelöst. Aber hier wirkten Umstände besonderer Art.**18 G. Astachov Oben in der Mitte des Dokuments befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 3656 vom 14.11.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 2 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Litvinov, das 2. zu den Akten. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 43, l. 145–147. Original.
Nr. 158 Bericht des Marineattachés in Moskau von Baumbach an das Oberkommando der Kriegsmarine und das AA Nr. 158 14. 11. 1937 14. 11. 1937 Moskau, den 14.11.1937 B. Nr. 235/37 An das Oberkommando der Kriegsmarine M.Att., Auswärtiges Amt Berlin W. Die Sowjetmarine am Ende des Jahres 1937 I. Der Stand im Jahre 1931 II. Neue Kriegsschifftsypen seit 1931 III. Kriegsschiffneubau bis 1937 IV. Kriegsschiffbestand 1937 V. Verbindungswege zwischen den Flotten VI. Personal VII. Beurteilung der Kampffähigkeit Anlagen Anlage I Anlage II Anlage III Anlage IV
Neue sowjetrussische Kriegsschiffstypen Sowjetrussischer Kriegsschiffbestand 1931/1937/1941 Sowjetrussische U-Bootsflotte 1937 Operative Möglichkeiten der Sowjetflotten
Die Sowjetmarine am Ende des Jahres 1937 Die schweren Spannungen der inneren Lage der Sowjetunion werfen in diesem Jahre auch auf die Sowjetmarine ihre Schatten und stören und hemmen die ruhige Entwicklung. Der Wechsel einer Gruppe höchster Befehlshaber unter politischen Beschuldigungen kann für den Geist und die Moral des Offizierskorps und der Besatzungen nicht ohne Folgen sein. Auch die Einführung der Kriegsgeräte und der Kriegskommissare bedeutet ein störendes Element für die Befehlsführung, das 18
Der Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen.
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sich bei der Flotte ähnlich auswirken muss wie bei den Landtruppen. Hierüber ist an anderer Stelle ausführlich berichtet worden. Im heutigen Bericht soll eine Darstellung des jetzigen Standes der maritimen Rüstungen der Sowjetunion gegeben werden, ohne die derzeitigen, innerpolitischen und wirtschaftlichen Verhältnisse näher in Betracht zu ziehen. I. Der Stand im Jahre 1931 Um sich die Entwicklung der Sowjetmarine richtig vorzustellen, muss man sich vergegenwärtigen, dass noch im Jahre 1931 die Sowjetmarine ausschließlich aus Überresten der zaristischen Flotte bestand, die in langwieriger Arbeit wieder in Stand gesetzt und modernisiert worden waren. Die Bemühungen, neue Kriegsschiffstypen zu bauen und zu entwerfen, waren zwar seit 1929/1930 im Gange. Erst *seit 1932* wurden die ersten Musterfahrzeuge *neuer Kriegsschifftsypen* fertig gestellt und in die Flotte eingereiht. Seit dieser Zeit ist in den leichten Schiffstypen (U-Booten, Torpedobooten, Flottillenführern und Motortorpedobooten) etwa eine *Verzehnfachung*1 des damaligen Schiffsbestandes eingetreten, wie in der Anlage II dargestellt ist. II. Neue Kriegsschifftypen seit 1931 Die Fertigstellung neuer Kriegsschifftypen begann, wie erwähnt, im Jahre 1932. Weitergehende Pläne, die auf die Herstellung von U-Booten jeder Größe und auf den Bau von Flottillenführern zielten, müssen damals schon bestanden haben und der Vollendung nahe gewesen sein. Rückblickend ist deutlich zu erkennen, dass der Flottillenführerbau und der U-Bootsbau bereits 1933 im Frühjahr auf den Werften Leningrads in hohem Tempo anliefen, obwohl dies erst einige Zeit später voll erkannt werden konnte. Ab 1934 geht die Fertigstellung neuer Kriegsschifftypen rasch vor sich. Wie Anlage I zeigt, wurden in der Zeit von 1932–1937 14 verschiedene neue Kriegsschiffstypen auf sowjetrussischen Werften hergestellt und in der Sowjetmarine eingeführt. Neben diesen sowjetrussischen Neuschöpfungen, von denen nur einige wenige nachweislich mit ausländischer Hilfe entstanden sind, ist die Zahl der im Ausland für die Sowjetmarine gebauten Kriegsschiffe ganz unbedeutend (2 Kanonenboote, 1 Flottillenführer). III. Kriegsschiffsneubau bis 1937 In anderen Marinen beschränkt man sich bei der Entwicklung neuer Typen in der Regel darauf, eine beschränkte Zahl zu bauen, um nach deren Fertigstellung und Erprobung alsbald zu neuen, verbesserten Typen überzugehen. Die Sowjetmarine ist in ihrem Verfahren mehrfach grundlegend hiervon abgewichen, indem sie nach Fertigstellung und Erprobungen verschiedener Typen sofort größte Serien in Bau genommen und fertiggestellt hat. Auf diese Weise ist der außerordentlich hohe U-Bootsbestand der Sowjetmarine entstanden. Während die schweren U-Bootstypen die Zahl 6–9 nicht überschreiten, wurde ein mittlerer Typ („Linj“Typ) insgesamt 51-mal (seit 1935) – in der Ostsee 7 Mal, im Schwarzen Meer 10-mal, 1 Die Textstellen des Absatzes sind unterstrichen; außerdem ist der letzte Satz am Seitenrand angestrichen.
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im Fernen Osten 34-mal – gebaut und fertiggestellt. Ähnlich verhält es sich mit dem kleinen U-Bootstyp („Molodki“-Typ), von dem mindestens 55 Boote vorhanden sind. Auf diese Weise erklärt es sich, dass die Sowjetmarine mit rund *180 U-Booten* die zahlenmäßig *größte U-Bootsflotte*2 der Welt darstellt, mehr als doppelt so groß als die nächstgrößte. IV. Kriegsschiffsbestand 1937 Unter vorsichtiger Verwendung der vorhandenen Unterlagen ist der Kriegsschiffsbestand der Sowjetmarine (ohne Hilfskriegsschiffe, Minenfahrzeuge, Torpedoschnellboote und Kanonenboote) in der Anlage II dargestellt. Aus ihr ist ersichtlich, dass die Vermehrung in den großen Schiffsklassen bisher langsam vor sich gegangen ist. Von den Schlachtschiffneubauten wird gelegentlich in der Presse gesprochen, ohne dass bisher der Beginn eines derartigen Neubaus positiv festgestellt ist. Der *Kreuzer*bau ist seit 1935 gut in Gang gekommen. In auffallend kurzer Zeit *(1 ¾ Jahr)* vom Legen der Kielplatte bis zur ersten Probefahrt ist der *erste 8000t-Kreuzer* fertiggestellt. Die Zahl der U-Boote ist seit 1931 mindestens verzehnfacht, und zwar nicht nur durch zahlreiche kleine U-Boote, sondern auch durch viele U-Boote größerer Typen. Flottillenführer und kleine Torpedoboote sind neu eingeführt. Ohne Rechnung von Torpedoschnellbooten und sonstigen Kleinfahrzeugen sind 1932–1937 *mindestens 200 Kriegsschiffneubauten*3 von Stapel gelassen, von denen etwa 180 bereits in die aktiven Flotten eingetreten sind. V. Verbindungswege zwischen den Flotten Da das Hauptbauzentrum der sowjetrussischen Kriegsmarine in Leningrad liegt, wo sich drei Kriegsschiffwerften mit hoher Leistungsfähigkeit befinden, ist die Frage der Ablieferung von fertiggestellten Neubauten aus der Ostsee nach den anderen Meeren (Nördliches Eismeer, Stiller Ozean, Schwarzes Meer) ein Problem von grundlegender Bedeutung. Auf Grund der jetzt feststehenden Erkenntnis, dass bereits in den Jahren 1930 und 1931 der Wiederaufbau der Sowjetmarine in großzügigen Plänen vorbereitet wurde, wobei das Problem der Überführung der neuen Schiffe in die fernliegenden Meere sofort fühlbar wurde, kann heute als Tatsache angesehen werden, dass sowohl der im Jahre 1931 begonnene Bau des *Weißmeerkanales*, als auch die gleichzeitig begonnene Erforschung des *Nördlichen See*4 weges einzig und allein durch Rücksichten auf den Wiederaufbau der Sowjetmarine veranlasst worden sind. Der Weißmeerkanal zwischen dem Onega-See und dem Weißen Meer wurde in unglaublich kurzer Zeit in Granitfelsen gesprengt und war 1933 August fertiggestellt. Die Erforschung des Nördlichen Seeweges führte schon 1932 zu der erfolgreichen Passage des Dampfers „Sibirjakow“ und ist in den anschließenden Jahren je nach der Witterung mit mehr oder weniger großem Erfolg weiter durchgeführt worden. 2 Die Textstellen des Absatzes sind unterstrichen; außerdem ist der letzte Satz am Seitenrand angestrichen. 3 Die Textstellen des Absatzes sind unterstrichen. 4 Die Textstellen des Absatzes sind unterstrichen.
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Beide Wege – sowohl der Weißmeerkanal als auch der Nördliche Seeweg – waren früh genug fertig bzw. erforscht, um nach Ablieferung und Erprobung der ersten Kriegsschiffe sofort zum Abtransport zur Verfügung zu stehen. Für leichte Fahrzeuge kam außerdem die Eisenbahn zum Abtransport in zerlegtem Zustande in Frage. Auf diese Weise ist in der Zeit nach 1933 die Eismeerflotte (bestehend aus großen und mittleren U-Booten, Zerstörern und Torpedobooten) entstanden, und so wurde der Fernostflotte im Jahre 1936 nachweislich das erste Kriegsschiffmaterial schwimmend zugeführt, bestehend außer zwei älteren Zerstörern wahrscheinlich aus U-Booten und Torpedobooten. *Der letzthin festgestellte große U-Bootstyp (H-Klasse) in Wladiwostok ist mit großer Wahrscheinlichkeit auch über den Nördlichen Seeweg transportiert.*5 Wenn man sich vergegenwärtigt, welche ungeheuren Mittel an Geld und menschlicher Arbeit mit dem Bau des Weißmeerkanales und der Erforschung des Nördlichen Seeweges für die Sowjetmarine aufgewandt sind, kommt man zu dem Schluss, dass auch der gigantische Plan der Rekonstruktion der Wolga, der Bau des *Wolga-Don-Kanales*6 und die Erweiterung des Marien-Kanalsystems (zwischen Wolga und dem Onega-See) den gleichen Zwecken dient. Mit der Ausführung dieser ungeheuren Pläne hat es zwar noch gute Weile. Sind sie aber ihren Plänen entsprechend fertiggestellt, was bei ruhiger Fortentwicklung des Landes nur eine Frage der Zeit ist, so verfügt die Sowjetmarine über innere Verbindungswege, die ihr das Verlegen sämtlicher Streitkräfte bis zum Flottillenführer aufwärts zwischen allen Meeren gestatten, d. h. vom Fernen Osten in das Nördliche Eismeer und in die Ostsee schon heute und später von dort aus über die Wolga und den Don in das Schwarze Meer. Man hat also im Kriegsfalle mit einer Verwendung von Ostseestreitkräften im Eismeer bzw. im Fernen Osten und von Eismeerstreitkräften in der Ostsee zu rechnen. Auch können die Streitkräfte der Fernostflotte nach Europa gezogen werden. Dies alles ist, wie sich von selbst versteht, nicht ein Vorgang wie etwa die eintägige Durchfahrt eines deutschen Kriegsschiffes durch den Nord-Ostsee-Kanal, sondern kann zwischen dem Fernen Osten und der Eismeerflotte in einem Kriegsjahr nur einmal während der Sommermonate und zwischen dem Nördlichen Eismeer und der Ostsee im Laufe einer Sommerfahrperiode zwei- bis dreimal von den gleichen Fahrzeugen durchgeführt werden. Die Witterungsverhältnisse sind hierbei von ausschlaggebender Bedeutung. Die Passage durch den Nördlichen Seeweg ist nicht von dem Grad der Kälte, sondern von der Windrichtung abhängig. Bei länger anhaltendem Südwind schließt sich die Durchfahrt mit schweren Packeismassen, die bisher kein Eisbrecher bezwingen konnte. Im Weißmeerkanal ist die Niederschlagsmenge von Bedeutung. In Jahren der Dürre wie 1936 wird seine Passierfähigkeit erheblich herabgesetzt. *Diese Betrachtung soll zeigen, dass die sowjetrussische These, dass die Flotten der einzelnen Meere sich wegen räumlicher Trennung nicht gegenseitig aushelfen könnten, nicht mehr aufrechtzuerhalten ist, mithin alle auf ihr aufgebauten, bei Verhandlungen über Flottenverträge stets vorgebrachten Forderungen.*7 5 6 7
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Der Satz ist am Seitenrand angestrichen. Der Text ist unterstrichen. Der Absatz ist am Seitenrand zweifach angestrichen.
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VI. Personal Die sowjetrussische Marine hat infolge ihres außerordentlich schnellen Anwachsens mit den gleichen Personalschwierigkeiten zu kämpfen wie jede andere Marine bei ähnlich schneller Entwicklung. Da aber, wie oben dargelegt, der Flottenaufbau schon seit etwa 1930 eingeleitet war, sind auch die Maßnahmen zur Bereitstellung des erforderlichen Personals rechtzeitig getroffen und haben schon lange begonnen, sich auszuwirken. Wie 1934 berichtet wurde, war bereits damals eine auffallend hohe Zahl von Schülern der U-Bootsschule in Leningrad festzustellen. Durch rechtzeitige Inangriffnahme der Offiziers- und Mannschaftsbereitstellung sind die Schwierigkeiten auf dem personellen Gebiet gemildert worden. Man hat sich im Übrigen durch eine sehr weitgehende Spezialisierung innerhalb des Offizierskorps und der Mannschaften geholfen. Mancher U-Bootskommandant ist seit 15 Jahren an Bord von U-Booten, unterbrochen nur durch verschiedentlichen Kursusbesuch. Andere Offiziere sind 5, 7, ja 10 Jahre auf demselben Schiff. Das neben Marinefliegern, Küstenartillerie- und Ingenieuroffizieren bestehende Seeoffizierskorps setzt sich zusammen aus: a) Seeoffizieren, b) *Artillerieoffizieren,* c) *Nachrichtenoffizieren*8 (Signalwesen und FT). *Der Verzicht auf ein einheitliches in allen Spezialitäten vorgebildetes Seeoffizierskorps hat die Bereitstellung einer genügenden Zahl von Offizieren für die neuen Schiffseinheiten ermöglicht.*9 Bei den Unteroffizieren und Mannschaften wird Jahr für Jahr lebhaft für freiwillige Verlängerung der gesetzmäßigen dreijährigen Dienstzeit geworben. Hiermit soll ein möglichst zahlreicher Stamm von Berufsseeleuten gebildet werden. Eine Reihe von Handelsschiffoffizieren ist schließlich in das Offizierskorps der aktiven Kriegsoffiziere übergetreten. Einige von ihnen sind nach 3-4jährigem Kriegsmarinedienst jetzt U-Bootskommandanten. VII. Beurteilung der Kampffähigkeit Bei einer Gesamtbewertung der Sowjetmarine muss man die materielle von der personellen Beurteilung trennen. Rückschläge und anfängliche Misserfolge beim Bau neuer Kriegsschiffstypen kommen in allen Marinen vor und sind in der Sowjetmarine wahrscheinlich in höherem Maße aufgetreten als anderswo. Die Masse des vorhandenen neuen Kriegsschiffmaterials dürfte etwaige Schwächen der Qualität ausgleichen. Die neuen U-Boote sind nun seit 3–5 Jahren im Dienst und in der Erprobung. Das Erscheinen neuer verbesserter Typen zeigt, dass an der Fortentwicklung der Kriegsschiffstypen eifrig gearbeitet wird. Im Hinblick auf sonstige technische Höchstleistungen in der Sowjetunion und auf die Tatsache, dass für die Rüstungen *das beste Material und die ersten Fachleute eingesetzt und dass Millionen ausgegeben werden, muss angenommen werden, dass das sowjetrussische Kriegsschiffsmaterial nicht schlechter ist als das einer anderen durchschnittlichen Marine*10. 8 9 10
Die beiden Wörter sind unterstrichen. Der Absatz ist am Seitenrand angestrichen. Der Text ist am Seitenrand zweifach angestrichen.
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Bei der personellen Bewertung der Sowjetmarine ist zu berücksichtigen, dass in den Grenzen der Sowjetunion eine zahlreiche seefahrende Bevölkerung vorhanden ist und dass die ebenfalls stark angewachsene russische Handelsmarine eine reiche Personalreserve bietet. Es ist festzustellen, dass die einzelnen Flotten intensiv arbeiten und dass durch häufige Verbandsübungen und Einzelübungen die personelle Ausbildung energisch gefördert wird. Dieser Arbeit kann der Erfolg auf die Dauer nicht versagt bleiben. Die Schwarzmeerflotte gilt als bestausgebildet. Schwächend und moralisch zersetzend müssen sich die Folgen der schweren inneren Krise bemerkbar machen, die 1936 entstanden ist. War die Einführung der Kriegsräte für die obersten Befehlshaber (Flottenchefs) kränkend und eine Erschwerung der Flottenführung, so bewirkt die Einführung des Kriegskommissars als politisches Kontrollorgan und das ihr anhaftende Misstrauen eine weitere Unterhöhlung der Moral und Kameradschaft in den Verbandsstäben und auf den einzelnen Schiffen. Für die Frage, wie eine unter derartigem moralischem Druck stehende Flotte in der Schlacht kämpfen wird, fehlen Erfahrungen aus der Seekriegsgeschichte. An Bord der Schiffe wird sich aber die schädigende Wirkung der Einführung des Kriegskommissars im Gefecht etwas weniger bemerkbar machen wie in einem Regiment im Gefecht an der Landfront. *Da die Ausbildungstätigkeit vor allem der U-Boote bereits seit Jahren angespannt betrieben wird, wird man mit dieser Waffe als dem gefährlichsten Gegner in der Sowjetmarine rechnen müssen. Aber auch ganz allgemein wird es richtig sein, die materielle und personelle Beurteilung der Sowjetmarine nicht geringer einzuschätzen als diejenige einer durchschnittlichen fremden Marine. Berücksichtigt man noch die hohen Materialzahlen, so kommt man um die Feststellung nicht herum, dass in der Sowjetmarine in den letzten Jahren ein gefährlicher Gegner entstanden ist, der sich durch weiteres Anwachsen und weitere Auffüllung mit neuen Kriegsschiffen und Kriegsschiffstypen noch erheblich weiterentwickeln wird.*11 VIII. Operative Möglichkeiten der Sowjetflotten In der Anlage IV sind die operativen Betätigungsmöglichkeiten der Sowjetflotten kurz dargestellt. Sie zeigen, dass die Sowjetmarine in allen Randmeeren schon jetzt aussichtsreiche Möglichkeiten besitzt. Das vorherige Vermeiden jeden Einsatzes von sowjetrussischen *Seestreitkräften für die Spanienkontrolle oder zum Schutz der Sowjethandelsschiffe und die schwächliche Reaktion der Sowjetregierung auf die Versendung einer Reihe sowjetrussischer Schiffe im Mittelmeer rührt daher, dass die Sowjetmarine in ihrem Aufbau noch nicht fertig ist und dass sie im Mittelmeer vor allem Kreuzer gebraucht hätte, die ihr noch nicht zur Verfügung stehen*12. So stark und so rasch die Sowjetmarine im Übrigen angewachsen ist, so sehr ist ihr Einsatz bis auf weiteres noch gehemmt durch die schwierigen Verhältnisse der innersowjetischen Wirtschaft und Industrie und durch die schwere derzeitige, noch im Zunehmen begriffene innerpolitische Krise. Eine Erörterung der einzelnen hemmenden Faktoren würde im Rahmen dieses Berichtes zu weit führen und darf 11 12
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Der Absatz ist am Seitenrand angestrichen. Der Text ist am Seitenrand angestrichen.
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weiterer Berichterstattung vorbehalten bleiben. Zurzeit besitzen die Sowjetarmee wie die ganze Sowjetwehrmacht aus Gründen der inneren Lage, von der die Kriegführung völlig abhängt, nur eine sehr beschränkte Einsatzbereitschaft. Baumbach Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben Stempel: Geheim und Eingangsstempel des Oberkommandos der Marine sowie: Gesehen: Schulenburg [eigenhändige Unterschrift]. Zahlreiche, nicht entzifferte Kenntnisnahmen. BA MA, RM 12/II, 152, o. P., 11 Bl.
Nr. 159 Telegramm des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA Nr. 159 14. 11. 1937 14. 11. 1937 Telegramm (geh.Ch.V.) Moskau, den 14. November 1937, 20 Uhr 45 Ankunft: 14. November, 22 Uhr Nr. 253 vom 14.11. Auf Telegramm vom 12. Nr. 1421 und mit Bezug auf Fernspruch von Tippelskirch – Altenburg von heute Vormittag2 Litwinow erklärte mir heute, Molotow sei für mehrere Tage verreist, habe sich aber vor seiner Abreise noch einmal gründlich mit der *Frage* unseres *Konsularnetzes*3 befasst. Beschluss Sowjetregierung, Leningrad zu schließen, sei aufrechterhalten worden. Litwinow bemerkte dabei, dass römisches Antikominternprotokoll4 Lage erleichtert habe. Ich habe Litwinow trotzdem noch einmal alle unsere Argumente auseinandergesetzt. Litwinow erwiderte mir, dass diese Punkte ausnahmslos von Stomanjakoff auf Grund meiner Mitteilungen vorgetragen worden seien, an deren Entschluss jedoch nichts hätten ändern können. Litwinow drang zum Schluss auf Mitteilung *bis morgen Nachmittag*5, welche 2 Konsulate wir behalten wollen, sonst würde sich Sowjetregierung gezwungen sehen, für uns zu wählen. Erbitte Drahtweisung bis morgen Mittag.6 Italiener in gleicher Lage wie wir, haben heute Zulassung Sowjetkonsulats Neapel angeboten, um Odessa und Leningrad zu retten. Schulenburg 1 Telegramm Mackensens an Schulenburg vom 12.11.1937. In: PA AA, R 104371, Bl. E 019585. 2 Aufzeichnung von Altenburg vom 14.11.1937. In: PA AA, R 104371, Bl. E 019587019588. 3 Die beiden Wörter sind unterstrichen. 4 Am 6.11.1937 trat Italien dem Antikomintern-Abkommen zwischen Deutschland und Japan vom 25.11.1936 bei. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. 1, Dok. 17, S. 22–23. 5 Der Text ist unterstrichen. 6 Telegramm von Mackensen an Schulenburg vom 15.11.1937. In: PA AA, R 104371, Bl. E 019590. Darin teilte Mackensen dem Botschafter mit, dass das Generalkonsulat Kiev und das Konsulat Novosibirsk beibehalten werden sollten.
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Nr. 160
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Oben Stempel des AA: Pol V 7471, eing. 15. Nov. 1937. Am Seitenrand Verteilerschlüssel. Unten: H[errn] Schliep/v.Welck. PA AA, R 104371, Bl. E 019589. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 580, S. 1171-1172.
Nr. 160 Aufzeichnung der Unterredung des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 160 15. 11. 1937 15. 11. 1937 Geheim Expl. Nr. 1 [15.11.1937] TAGEBUCH M.M. LITVINOVS EMPFANG SCHULENBURGS, 15.XI.1937 Schulenburg teilte mit, dass seine Regierung die Konsulate in Kiev und Novosibirsk bestehen lassen wolle. Er sei jedoch beauftragt worden, uns zu erklären, dass das jetzige Gleichheitsprinzip verletzt worden sei, da wir in Hafenstädten unsere Konsulate hätten, die Deutschen aber nicht, und deshalb behalte sich die deutsche Regierung das Recht vor, uns aufzufordern, unsere Konsulate in andere Orte zu verlegen. Ich erinnerte Schulenburg daran, dass unsere Entscheidung, das Leningrader Konsulat zu schließen, nicht allein mit dem Gleichheitsprinzip begründet worden sei, sondern auch mit der ungesetzlichen Tätigkeit des Konsulats1. Ich riete dem Botschafter, nicht die Frage einer Verlegung unserer Konsulate aufzuwerfen, da ansonsten die Frage aufkommen könnte, ob es nicht besser wäre, die Konsulate beiderseits generell zu schließen. Wir bräuchten keine Konsulate irgendwo in Liegnitz oder Breslau. Schulenburg sprach folgende Fragen an: 1. Er sei aufgefordert worden, die Konsulate in einer Frist von zwei Monaten aufzulösen, hingegen sei den Polen eine Frist von drei Monaten gewährt worden. Er bitte darum, genau die gleiche Frist auch den deutschen Konsulaten zu gewähren. 2. Er verstünde, dass die Konsulate während der Auflösungsphase nicht mit sowjetischen Behörden verkehren sollten, jedoch sollten sie weiterhin das Recht behalten, sich mit der Botschaft und mit der Regierung in Verbindung setzen zu können, deutsche Staatsbürger zu empfangen und sämtliche erforderlichen Funktionen nicht nur hinsichtlich der materiellen, sondern auch der dienstlichen Auflösung der Konsulate zu erfüllen. 1 Im Oktober 1937 wurde der deutsche Generalkonsul in Leningrad Sommer nach Aufforderung der sowjetischen Regierung aus der UdSSR ausgewiesen. Vgl. Dok. 123. Ferner: Missija v Moskve. Donesenija latvijskich diplomatov iz SSSR. 1935–1937: Dokumenty i materialy (Mission in Moskau. Die Berichte lettischer Diplomaten aus der UdSSR), pod red. V.V. Simindeja, Moskva 2016, Dok. 103, S. 333–334.
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Nr. 161 3. In einigen Konsulaten gäbe es Autos, die unsere Behörden wahrscheinlich nicht kaufen würden. Wäre es dann nicht möglich, diese Autos an andere Mitglieder des diplomatischen Corps zu verkaufen? 4. Die deutschen Konsulate in Leningrad und Tiflis seien in Gebäuden untergebracht, die Eigentum der deutschen Regierung sind. Offensichtlich werde man jemanden für den Schutz dieser Häuser abstellen müssen; der Botschafter rechne damit, dafür unsere Genehmigung zu erhalten. 5. Einige Konsulatsmitarbeiter seien mit sowjetischen Bürgerinnen verheiratet. Der Botschafter bitte darum, der Ausreise dieser Frauen und, falls erforderlich, ihrem Austritt aus der sowjetischen Staatsbürgerschaft keine Hindernisse in den Weg zu legen. Ich sagte, ich könne mich nicht daran erinnern, welche Frist den Polen gegeben worden sei. Ich schlüge dem Botschafter vor, die Weisung zu erteilen, die Konsulate in zwei Monaten aufzulösen. Falls ein Konsulat dies nicht schaffen sollte, könne der Botschafter um eine Fristverlängerung nachsuchen. Ich müsse jedoch bereits jetzt vorab darauf aufmerksam machen, dass es für das Leningrader Konsulat keine Fristverlängerung geben werde. Ich sicherte Sch[ulenburg] zu, die übrigen Fragen zu prüfen und ihm über die zweite Westabteilung die Antwort zukommen zu lassen. LITVINOV Am Ende des Dokuments sind die Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. Das 1. [Exemplar] ins Archiv, [die Exemplare] 2-3 an Gen. Stalin, das 4. [Exemplar] an Gen. Molotov, das 5. an Gen. Ežov, das 6. an Gen. Stomonjakov, das 7. an die 2. Westabteilung, das 8. nach Berlin. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 127, d. 4, l. 89–90. Original. Veröffentlicht in: DVP, Bd. XX, Dok. 410, S. 607–608.2
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Nr. 161 Bericht des Botschaftsrats in Moskau von Tippelskirch an das AA Nr. 161 15. 11. 1937 15. 11. 1937 Moskau, den 15. November 1937 Tgb. Nr. B 88/37 An das Auswärtige Amt Berlin Auf den Erlass Nr. Pol. V 6195 vom 30. Oktober d. Js. und im Anschluss an den Bericht vom 3. November d. Js. Tgb. Nr. B 84/371 Inhalt: Meldepflicht der Angehörigen der deutschen diplomatischen und konsularischen Vertretungen in der UdSSR 2 Die Veröffentlichung in DVP erfolgte ohne Legende und nach eigenen Redaktionsrichtlinien. 1
Der Bericht ist in der Akte vorhanden.
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Nach Abgang des nebenbezeichneten Berichtes ist die in den letzten Monaten geübte Praxis der polizeilichen Meldepflicht des Personals der fremden Missionen wieder abgeändert worden. Nach Auskunft der Protokollabteilung greift nunmehr folgende Regelung Platz: a) die zum diplomatischen Corps gehörenden Botschaftsmitglieder erhalten Diplomatenkarten und unterliegen keiner Meldepflicht; den Anträgen auf Ausstellung der Diplomatenkarte sind künftig 5 Lichtbilder anstelle der bisher verlangten 3 Lichtbilder beizufügen. b) alle in den exterritorialen Botschaftsgebäuden wohnenden übrigen Beamten und Angestellten, auch die reichsdeutschen und sonstigen nichtsowjetischen Privatangestellten, werden in der Protokollabteilung des Außenkommissariats mit 4 Lichtbildern angemeldet und dort registriert. Die Pässe erhalten einen Registrationsstempel mit Gültigkeit von einem Jahr, der den polizeilichen Aufenthaltsschein für Ausländer ersetzt. Die Aus- und Wiedereinreisesichtvermerke werden von der Passstelle des Außenkommissariats erteilt. Bei Ausstellung des Ausreisesichtvermerks verliert der Registrationsstempel automatisch seine Gültigkeit. Nach der Rückkehr nach Moskau ist die Erneuerung des Registrationsvermerks zu beantragen. c) die außerhalb der exterritorialen Botschaftsgebäude wohnenden reichsdeutschen Angehörigen der Botschaft – gleichviel ob sie mit einem Dienstvisum eingereist sind oder nicht – sind in Zukunft gehalten, die für Ausländer üblichen Aufenthaltsscheine bei der Miliz einzuholen. Die Aufenthaltsscheine sind sechs Monate gültig und werden nach Ablauf der Frist jeweilig um 6 Monate verlängert. Pass und Aufenthaltsschein werden alsdann in der Protokollabteilung des Außenkommissariats registriert. Die Aus- und Wiedereinreisesichtvermerke erhalten diese Botschaftsangehörigen [gegebenen]falls in der Passstelle des Außenkommissariats. Bei der Ausreise wird der Aufenthaltsschein an der sowjetischen Grenzstelle abgenommen und bei der Einreise wieder ausgehändigt. Auf die Vorstellungen der Botschaft, dass die Ausstellung der Aufenthaltsscheine in der Miliz oft Wochen in Anspruch nehmen und bei dem dort üblichen Andrang die Beschaffung mit großem Zeitverlust verbunden sei, wurde in der Protokollabteilung erwidert, [dass] die Auslandsabteilung der Miliz jetzt eine besondere Weisung habe, die Aufenthaltsscheine für die Angehörigen der fremden Missionen in kürzester Frist auszufolgen. Die vorstehenden Richtlinien über die Anmeldung der Missionsangehörigen sollen nach Auskunft der Protokollabteilung auch auf die Angehörigen der Konsularvertretungen analoge Anwendung finden. Die Neuregelung sei vom Innenkommissariat erlassen und für die Sowjetunion gültig. Die Konsularbehörden haben Abschrift des Berichtes erhalten und sind gebeten, über die an Ort und Stelle geübte Praxis der Meldepflicht ihrer Angehörigen im Zusammenhange mit den neuen Bestimmungen zu berichten. Im Auftrag von Tippelskirch Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben Stemepl: Pol V 7566, eing. 18. NOV. 1937. Unten: H.Schliep [mit Abzeichnung] /v. Welck. In zwei Durchschlägen. Auf Kopfbogen der Deutschen Botschaft geschrieben. PA AA, R 104371, o. P., 2 Bl.
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Nr. 162
Nr. 162 Schreiben des kommissarischen Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Smolenskij an den Stellv. Volkskommissar für Außenhandel Merekalov Nr. 162 15. 11. 1937 15. 11. 1937 GEHEIM Ausgangs-Nr. 5941 15.11.1937 An den Stellv. Volkskommissar für Außenhandel Gen. *A.F. MEREKALOV*2 Kopie an:
den Handelsvertreter der UdSSR in Deutschland Gen. L.L. NEPOMNJAŠČIJ3
In Beantwortung des Schreibens des Wirtschaftsministeriums vom 11. November bezüglich der Zahlungsbedingungen für die Bestellungen, deren Lieferung nach dem 28. Februar 1938 beginnt, habe ich gemäß den mir erteilten Instruktionen vom 15. November geschrieben. Die Kopie meiner Antwort füge ich bei. Im letzten Brief habe ich Ihnen geschrieben, dass ich mir nicht ganz sicher sei, ob die zitierten Zahlungsbedingungen für die Bestellung von „Mašinoimport“ vom 29.10.37 an die F[irm]a „Hasenclever“ dessen Schöpfung ist. Wir erhielten einen an Ingenieur Michin gerichteten Brief mit der Anordnung der Importverwaltung als Anlage (Kopie ist beigefügt), aus der hervorgeht, dass den Vereinigungen4 empfohlen wird zu erläutern, dass wir bei Verwendung der Formulierung „Barzahlung in Reichsmark“ die Firmen in Mark bezahlen werden, die uns entweder zur Bezahlung deutscher Lieferungen oder auf der Grundlage der geltenden Valuta-Gesetzgebung oder aber auf der Grundlage eines Sonderabkommens zwischen der UdSSR und Deutschland zur Verfügung stehen wird, falls ein solches Abkommen zustande kommt. *Auf diese Weise beging „Mašinoimport“ *einfach ein Plagiat der Kommentare der Importverwaltung*5. Besonders bemerkenswert in diesem Kommentar ist das äußerst weitgehende Entgegenkommen gegenüber der deutschen ValutaGesetzgebung. Ich persönlich halte diese Kommentare für absolut schädlich und meiner Auffassung nach müsste man den Importvereinigungen erklären, dass sie sich bei diesen Kommentaren zurückhalten sollen*6, weil die deutsche ValutaGesetzgebung ein einseitiger für Deutschland bindender Akt, und auf keinen Fall uns gegenüber anzuwenden ist, da selbst bei Ausbleiben irgendeines Handelsabkommens für 1938 eine Sondervereinbarung zum Problem der Bezahlung unserer Lieferungen nicht ausgeschlossen ist, weil bei Anwendung der deutschen Valuta1 2 3
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der Name ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Nepomnjaščij war nach Moskau gerufen worden und kehrte nicht mehr nach Berlin zu-
rück. 4 5 6
Vgl. Dok. 27, Anm. 6. Der Text ist mit Bleistift unterstrichen. Der Text ist ab Absatzbeginn am linken Seitenrand mit Tinte angestrichen
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Gesetzgebung, abstrakt gesprochen, unser Exporterlös auf Sperrkonten eingezahlt wird, die Bezahlung für den Import aber in Devisen erfolgen wird. Diese Kommentare sind in jedem Fall derart unsinnig und schädlich, dass man sie aus den [Schriftstücken der] Vereinigungen unverzüglich entfernen sollte, weil als Folge derartiger Kommentare solche Formulierungen zur Bezahlung auch in der Bestellung von „Mašinoimport“ bei der Firma „Hasenclever“ diese – hier sicherlich ein Einzelfall – auftauchen konnten. Ich muss bemerken, dass diese Formulierung der Importverwaltung die Erwartungen der deutschen Seite übertroffen hat. Ich gehe Treffen mit dem Wirtschaftsministerium aus dem Wege, weil die erste an mich gerichtete Frage die bevorstehenden Handelsverhandlungen für 1938 betreffen wird. Ich bin in völliger Unkenntnis darüber, wie das NKVT zu dieser Frage steht und was in dieser Richtung unternommen wird – ob sich diese Frage im Stadium der Entscheidung befindet, wann sie entschieden sein wird und welche Zielsetzungen das NKVT hinsichtlich des Abkommens für 1938 hat. Mir ist ebenso nichts darüber bekannt, wie Narkomvneštorg auf das private Gespräch reagiert hat, das zwischen Gen. Nepomnjaščij und Herrn Brinkmann, dem engsten Vertrauten von Schacht, stattgefunden hat, der das Gespräch mit Gen. Nepomnjaščij auf Weisung der zuständigen Stellen geführt hat. Ich möchte sehr darum bitten, mich über die Fragen zu den bevorstehenden Verhandlungen zu informieren, damit ich in gebührendem Maße unterrichtet bin, um den Deutschen antworten zu können. Die Polemik zur Frage mit den ab dem 1. März 1938 beginnenden Zahlungen kann man natürlich als einen gewissen Prolog zu den bevorstehenden Handelsverhandlungen auffassen, jedoch muss man im Blick haben, dass kein einziger Auftrag bestätigt werden wird, solange diese Frage nicht endgültig geregelt ist. Ich befürchte, dass die Fristen, die die Firmen ursprünglich für die Aufträge gesetzt hatten, automatisch solange nach hinten verschoben werden, bis es eine vollständige Übereinkunft zur Zahlungsfrage geben wird; und damit bringen wir unsere Industrie hinsichtlich der Liefertermine in eine schwierige Lage. Heute, am 16. November 7 , suchte mich der Geschäftsführer des RusslandAusschusses Major Tschunke auf und erklärte, dass er im Auftrag des Wirtschaftsministeriums gekommen sei. Er teilte mit, dass meine Antwort zur Frage der Zahlungen eingegangen und das Wirtschaftsministerium der Auffassung sei, dass die in der Bestellung von „Mašinoimport“ verwendete Formulierung zur Bezahlung zweifellos das Ergebnis einer Direktive des NKVT darstelle und das Wirtschaftsministerium sich nicht vorstellen könne, dass einzelne Vereinigungen angesichts des Außenhandelsmonopols eigenständig grundlegende Formulierungen herausgeben können. Ich sah mich genötigt zu erklären, dass die von „Mašinoimport“ verwendete Formulierung mit niemandem abgestimmt gewesen und ein Fehler sei, und deshalb könnten wir aus diesem Fall keinen Präzedenzfall machen. Er äußerte als persönliche Auffassung, dass der Russland-Ausschuss und der Kreis um Schacht die Polemik um die Zahlungen für unnötig erachten, er aber noch nicht die Entscheidung kenne, zu der das Wirtschaftsministerium in Bezug auf mein letztes Schreiben gekommen sei. 7
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So im Dokument; richtig: 15. November.
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Danach kam er auf folgende Frage zu sprechen. *Er erklärte, dass **diese Erklärung eine offizielle sei*, und zwar: *An alle deutschen Firmen ist die Anordnung ergangen, mit uns keinerlei Verhandlungen* auf der Grundlage eines *Warenaustauschs* zu führen, und er sei bevollmächtigt, mir *Folgendes*8 zu erklären: Falls wir, ohne den *Beginn der Handelsverhandlungen abzuwarten, dem Wirtschaftsministerium* oder dem Russland-Ausschuss erklären würden, dass wir uns verpflichten, 1938 verschiedene Erzarten in einer Quantität zu liefern, über *die man* sich dann verständigen könnte – dann könnte an alle Firmen die Weisung ergehen, unsere Aufträge für den Werkzeugmaschinenpark**9 *für die Artillerie und für die Bearbeitung von Panzerplatten*10 unverzüglich anzunehmen. Auf meine Frage nach den Lieferfristen erklärte er mir, dass die *besten Lieferfristen* *für diese* Art von Ausrüstungen gewährt würden, selbst zu Lasten des Eigenbedarfs.*11 Darauf antwortete ich ihm, dass – im Zusammenhang damit, dass die zum Konzern der „Vereinigten Stahlwerke“ gehörende Firma „Wagner“ *die Lieferung von Werkzeugmaschinen an die Lieferung von Erzen koppele, und dass die Firma* „Erhardt & Sehmer“ ebenfalls *die Bestellung nicht bestätige und auf die deutschen Instanzen verweise*, die *ihr vor dem Eingang unseres Einverständnisses zur Lieferung von Erzen keine Genehmigung erteilen würden* – der Eindruck eines Ultimatums entstünde und dass das gesamte [Auftrags]Portefeuille im Wesentlichen in anderen Ländern platziert werde und wir kein Interesse mehr an der Platzierung dieser Aufträge hätten. Es sei aber möglich, dass sich im Portefeuille von „Stankoimport“ noch einige *neue Objekte finden ließen, und ich deshalb empfehle, um eine gewisse für die Lösung der Frage positive Atmosphäre zu schaffen, der Firma „Erhardt & Sehmer“ vorzuschlagen, uns vorbehaltlos den Auftrag zu bestätigen (obgleich ich nicht davon überzeugt sei, dass diese Werkzeugmaschinen nicht in anderen Ländern platziert worden seien)*; dann würde ich mich persönlich verpflichten, beim Volkskommissariat die Frage einer Beschleunigung des Beginns der Verhandlungen für 1938 zu stellen. Diese *Erklärung stellte Tschunke nicht zufrieden*, und er bat mich zu erklären, dass *ich alle Maßnahmen ergreifen würde, um zu einem Teilabkommen über die Lieferung* von Erzen zu kommen. Ich habe solch eine Erklärung abgelehnt und *ausgeführt, dass ich zu dieser Frage zum jetzigen Zeitpunkt keine Vollmachten hätte*. Damit endete im Wesentlichen unsere Besprechung. Nun zur Hauptsache. *Ich weiß nicht, ob die Platzierung der Aufträge für den Werkzeugmaschinenpark für die Artillerie* und für die Bearbeitung von Panzerplatten abgeschlossen ist. Wenn nicht, so scheint es mir zweckmäßig zu sein, sich mit dem Wirtschaftsministerium über Folgendes *zu verständigen*: dass die deutsche Seite sich verpflichtet (nach Klärung des Portefeuilles), den Firmen die Wei-
8 9
Die vier Textstellen sind mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Absatz ist ab „diese Erklärung“ am linken Seitenrand einige Male mit rotem Farbstift angestrichen und mit der Bemerkung „zur Kenntnis genommen“ versehen; der Text zwischen der 8. und 9. Anmerkung ist mit Bleistift unterstrichen. 10 Die Textstellen bis zum letzten Absatz des Dokuments sind mit rotem Farbstift unterstrichen. 11 Der Text ist ab „für die Artillerie“ bis zum Absatzende am rechten Seitenrand zweimal angestrichen.
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sung zu erteilen, unsere [Bestellungen] für spezielle Werkzeugmaschinen bedingungslos anzunehmen und sie in einer Frist, die nicht über 12 Monate hinausgeht, zu liefern, und dass wir als Kompensation für diese Verpflichtung garantieren, im Rahmen von 30 bis 40% des Kaufpreises für diese Werkzeugmaschinen verschiedene Erzarten (Manganerze, Apatite, Peroxid, Magnesit usw.) im Laufe des Jahres 1938 zu liefern. Dies kann natürlich noch präzisiert werden. Es geht um unser grundsätzliches Einverständnis, auch in Abhängigkeit vom Verlauf der Unterbringung [der Aufträge] für die Werkzeugmaschinen für Artillerie- und Panzerplattenzwecke. Jedenfalls bitte ich darum, diese Frage zu erörtern und mir telegrafisch Weisung zu erteilen. *Ich ersuche Sie nochmals, mich auch hinsichtlich des Abkommens für 1938 unbedingt zu informieren.*12 KOMMISSARISCHER HANDELSVERTRETER DER UdSSR IN DEUTSCHLAND S.A. Smolenskij ANLAGE: Das Erwähnte in 3 Blatt. Anordnung A.F. Merekalovs mit Tinte: an Gen. Kaminskij. Über die Werkzeugmaschinen ist zu sprechen. 27/XI. A. Merekalov. Vermerk mit Bleistift: 1) über die Absichten der Importverwaltung 2) über die Werkzeugmaschinen. Vermerk S. Andreevs mit Bleistift: zu den Akten. Oben rechts von der Mitte befindet sich der Stempel der Geheimgruppe des NKVT mit der Eingangs-Nr. 8034/260 vom 22.11.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. 2 an den Adressaten, 1 [Exemplar] zu den Akten. Auf Kopfbogen der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland geschrieben. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2510, l. 39–40. Original.
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Der Absatz ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen.
16. 11. 1937
Nr. 163
Nr. 163 Aufzeichnung des Telefongesprächs des kommissarischen Leiters der 2. Westabteilung im NKID Antonov mit dem Gesandtschaftsrat in Moskau Hensel Nr. 163 16. 11. 1937 16. 11. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 5 Aus dem Tagebuch K.V. ANTONOVS Nr. 157011 16. November 1937 AUFZEICHNUNG DES TELEFONGESPRÄCHS MIT DEM RAT DER DEUTSCHEN BOTSCHAFT HERRN HENSEL, 13. November 1937 Im Auftrag von Gen. Stomonjakov habe ich den Rat der Deutschen Botschaft Hensel auf seinem Haustelefon angerufen und ihm mitgeteilt, dass Gen. Stomonjakov sofort nach der von Schulenburg an ihn gerichteten Bitte, von Gen. Molotov empfangen zu werden2, diesen Empfangswunsch der Regierung zur Kenntnis gebracht habe. Heute habe das NKID den neuen Beschluss der Regierung in der Angelegenheit der deutschen Konsulate erhalten, der den der Deutschen Botschaft bereits früher mitgeteilten Beschluss bekräftigt3, und zwar, dass unter den beiden deutschen Konsulaten, die in der UdSSR erhalten bleiben, das Konsulat in Leningrad nicht figurieren dürfe. Zugleich teilte ich H[ensel] mit, dass die Angelegenheit bezüglich der Ausweisung des inhaftierten Mitarbeiters des Deutschen Konsulats in Tiflis 4 aus der UdSSR positiv entschieden worden sei. H. bedankte sich für die zweite Mitteilung und fragte, ob meine erste Mitteilung bezüglich der Bekräftigung des Beschlusses über die Konsulate durch die Regierung bedeute, dass die Bitte des deutschen Botschafters um eine Audienz bei dem Vorsitzenden des SNK von der sowjetischen Regierung abgelehnt sei. Gemäß der Direktive des Gen. Stomonjakov antwortete ich H., dass ich ihm dazu nichts mitteilen und ihm lediglich das übermitteln könne, was mir Gen. Stomonjakov soeben zu übermitteln aufgetragen habe. H. erklärte, er werde umgehend den Botschafter über unser Gespräch informieren und er könne bereits jetzt sagen, dass der Botschafter auf eine Antwort auf seine Bitte um einen Empfang bei Gen. Molotov warten werde. KOMMISSARISCHER LEITER DER 2. WESTABTEILUNG K. Antonov Vermerk K.V. Antonovs mit Tinte: an Gen. Puškin zur Kenntnisnahme. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Litvinov, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. nach Berlin, das 5. zu den Akten der 2. Westabteilung. 16.XI.37 AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 2, l. 189–190. Kopie. 1 2 3 4
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Vgl. Dok. 156. Vgl. Dok. 147. Der Mitarbeiter des Deutschen Konsulats in Tiflis Gilbert war im Oktober 1937 verhaftet worden.
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Nr. 164
17. 11. 1937
Nr. 164 Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Außenhandel Merekalov an den Stellv. Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Mikojan Nr. 164 17. 11. 1937 17. 11. 1937 GEHEIM Kopie Expl. Nr. 2 NARKOMVNEŠTORG Nr. 1307 17. November 1937 AN DEN STELLV. VORSITZENDEN DES SNK DER UdSSR Gen. A.I. MIKOJAN Zum Eindringen von faschistischer Propaganda in die UdSSR (Schreiben des Gen. Mechlis vom 4.XI. d.J.)1 Zu der von Gen. Mechlis in seinem Schreiben vom 4.XI. d.J. aufgeworfenen Frage teile ich mit, dass auf der Grundlage von Art. 123 des gültigen Zollgesetzes, das am 19. Dezember 1928 vom CIK und vom SNK der UdSSR bestätigt und am 28. August 1934 vom NKVT in Abstimmung mit dem Narkomfin veröffentlicht worden ist, die Regelung besteht, dass Frachtgut wie: Druckerzeugnisse, Klischees, Schriftsätze, Matrizen, phonografische Aufzeichnungen, Schallplatten, [Tonträger]Walzen, [Tonträger]Platten und Notenblätter zum automatischen Abspielen auf Musikinstrumenten, metallische Plaketten und Abzeichen, Wappen, Fahnen mit Schriftzügen, Skulpturen, Reliefs, Filmplakate, Kinofilme, fotografische Platten, Negative, lichtempfindliches Papier, Manuskripte, Dokumente, technische Zeichnungen, Zeichnungen, Gemälde, Ansichtskarten, Postkarten und Noten der Prüfung durch Vertreter der Hauptverwaltung für Literatur und Verlage unterliegen. Glavlit und die Zollämter sind verpflichtet, diese Frachten wie auch die persönlichen Briefe und den Briefwechsel von Passagieren den Organen von Glavlit zuzuführen und sie nur mit deren Genehmigung freizugeben, was von den Zollämtern auch ständig erfüllt wird. Die Funktionen von Glavlit in den Grenzstationen nehmen die Vertreter der Kontrollpunkte der Grenzwachen wahr, und für das Moskauer Zollamt ist es der Sonderbeauftragte der Hauptverwaltung der Grenztruppen und der Inneren Sicherheit des NKVD. Quellen für das Eindringen von Druckerzeugnissen in Form von Kalendern, Reklamematerialien, Preislisten usw. in die UdSSR können ausländische Botschaften sein, die diese Materialien nicht selten im schweren Diplomatengepäck mitführen, von ihnen können die Vertreter von ausländischen Firmen diese Materialien für die Verteilung an sowjetische Einrichtungen erhalten. In diesen Fällen können die Glavlit-Organe die an die ausländischen Botschaften adressierten Materialien nicht beschlagnahmen. 1
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Vgl. Dok. 145.
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So ist uns bekannt, dass die Deutsche Botschaft zu Beginn des laufenden Jahres in der schweren Diplomatenpost die Kalender von „Demag“ und „Krupp“ befördert hat. Der Zollhauptverwaltung war auch der Fall bekannt, dass der Vertreter von Glavlit beim Moskauer Postamt, der sich zu Beginn des Jahres 1937 unzureichend mit den Kalendern der Firma „Krupp“ vertraut gemacht hatte, einen Teil davon an sowjetische Organisationen freigab und erst später feststellte, dass die Kalender faschistische und agitatorische Aufschriften enthielten. Die nachfolgenden Pakete wurden bereits beschlagnahmt. Als Maßnahmen zur Bekämpfung des Eindringens von faschistischer Propaganda in die UdSSR schlage ich vor: 1) Die Behörden anzuweisen, dass die Leiter von Institutionen, wenn sie von ausländischen Firmenvertretern oder von Missionen oder von Korrespondenten Materialien dieser Art überreicht bekommen, diese vor deren Gebrauch zuerst den Glavlit-Organen vorzulegen haben. Erst nach Genehmigung von Glavlit könnten diese Materialien dem Apparat zur Nutzung zugeführt werden. 2) Die Aufmerksamkeit der Glavlit-Organe und der Hauptverwaltung der Grenztruppen und der Inneren Sicherheit des NKVD auf eine sorgfältigere Durchsicht derartiger Materialien zu lenken.2 Stellv. Volkskommissar für Außenhandel A. Merekalov Für die Richtigkeit:3 22.XI.37. GARF, f. R-9425, op. 1, d. 1, l. 20–20R. Beglaubigte Kopie.
2 Am 22.11.1937 schickte der Geschäftsführer des SNK der UdSSR Bol’šakov die Schreiben von Mechlis und Merekalov an Frinovskij (NKVD) und an den Beauftragten des SNK der UdSSR zum Schutz von Militär- und Staatsgeheimnissen in der Presse Ingulov zwecks Prüfung und Ergreifung dringender Maßnahmen „zur Gewährleistung einer sorgfältigeren Kontrolle von aus dem Ausland eintreffender ausländischer Literatur, von Katalogen, Preislisten, Nachschlagewerken, Kalendern usw.“. In: GARF, f. R-9425, op. 1, d. 1, l. 17. 3 Die Unterschrift ist nicht lesbar.
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20. 11. 1937 Nr. 165 Aufzeichnung der Unterredung des kommissarischen Leiters der 2. Westabteilung im NKID Antonov mit dem Botschaftsrat in Moskau von Tippelskirch
Nr. 165 20. 11. 1937 20. 11. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 6 Aus dem Tagebuch K.V. ANTONOVS Nr. 157191 20. November 1937 AUFZEICHNUNG DES GESPRÄCHS MIT DEM BOTSCHAFTSRAT TIPPELSKIRCH, 16. November 1937 T[ippelskirch] kam, um verschiedene Fragen zu besprechen, die im Zusammenhang mit der Auflösung der deutschen Konsulate stehen.2 1. Zu den Fristen der Auflösung. T. fragte, wieviel Zeit für die Auflösung der Konsulate eingeräumt werde und berief sich darauf, dass Schulenburg gegenüber Gen. Litvinov auf einer dreimonatigen Frist bestanden hätte.3 Ich antwortete T., dass für die Auflösung der Konsulate 2 Monate gewährt würden, wie dies Gen. Litvinov bereits Schulenburg gesagt hätte. T., der nichts gegen diese Frist einwandte, bat lediglich darum, der Botschaft für den Fall, dass aus irgendwelchen Umständen die Auflösung eines der Konsulate nicht in der vorgegebenen Frist abgeschlossen sei, das Recht einzuräumen, diese Frist um einen Monat zu verlängern. Ich antwortete ihm, dass die Botschaft um eine Fristverlängerung nachsuchen könne, es bestünde aber keine Notwendigkeit, diese Monatsfrist vorzeitig festzulegen. Vielleicht würde diese Frage bei Ablauf der gewährten zwei Monaten überhaupt nicht aktuell werden, und falls sie aufkommen sollte, so könnte sie in jedem konkreten Fall in Abhängigkeit von den Umständen entschieden werden. Für das Leningrader Konsulat werde es jedenfalls keine Fristverlängerung geben. 2. T. fragte, ob die Konsulate bis zur Auflösung die Möglichkeit hätten, ihre konsularischen Funktionen in vollem Umfang zu erfüllen (Chiffrierverkehr zu nutzen, deutsche Staatsbürger zu empfangen, wegen aufkommender Probleme bei den örtlichen Organen vorstellig zu werden). Ich antwortete, dass die Konsulate bis zu ihrer Auflösung die konsularischen Funktionen in vollem Umfang erfüllen könnten, wies jedoch darauf hin, dass es wünschenswert wäre, dass neu aufkommende Probleme bereits im Zentrum entschieden würden und die Konsulate sich nur damit befassten, frühere Angelegenheiten zu regeln. T. stimmte diesem Vorschlag zu. 3. T. fragte, ob der Leiter des Konsulats und das Konsulatspersonal die UdSSR zum Zeitpunkt des Auslaufens der für die Auflösung gewährten Frist verlassen haben müssten oder ob der Konsul und das Konsulatspersonal, die im Verlaufe der zwei Monate die Abwicklung der Geschäfte erledigt hätten, eine zusätzliche Frist für die Erledigung ihrer persönlichen Angelegenheiten und ihrer Ausreiseformalitäten nach Deutschland eingeräumt bekämen. Ich wies darauf hin, dass meiner An1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Vgl. Aufzeichnung von Tippelskirch vom 16.11.1937 über dieses Gespräch. In: PA AA, R 104371, Bl. E 019606–019608. 3 Vgl. Dok. 160.
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sicht nach der Konsul und das Konsulatspersonal den Ort des aufgelösten Konsulats am 16. Januar verlassen müssten, nachdem sie ihre persönlichen Angelegenheiten und ihre Ausreiseformalitäten bis zu dieser Frist erledigt hätten. T. bat jedoch darum, der Leitung des NKID die Frage vorzulegen, den Konsuln zu gestatten, nach dem 15. Januar für eine gewisse Zeit verbleiben zu können, um ihre persönlichen Angelegenheiten zu regeln. Ich antwortete, dass ich diese Bitte der Leitung des NKID übermitteln werde. 4. T. fragte, ob den Konsulaten die Möglichkeit eingeräumt werde, das in ihrem Besitz befindliche Eigentum in den Kommissionsgeschäften zu verkaufen. Dabei berief er sich darauf, dass die Kommissionsgeschäfte es ablehnten, ohne spezielle Anordnung dieses Eigentum für den Weiterverkauf anzunehmen. Ich antwortete, dass die Kommissionsgeschäfte angewiesen würden, das für den Verkauf in der UdSSR bestimmte Eigentum der deutschen Konsulate anzunehmen. 5. T. fragte, ob die Möglichkeit bestünde, die Autos, die den zur Auflösung bestimmten Konsulaten gehörten, in der UdSSR zu verkaufen. Ich antwortete, dass wir uns in dieser Angelegenheit mit unseren Zollorganen in Verbindung setzen müssten und bat T., sich diesbezüglich direkt an die Protokollabteilung zu wenden und ihr die Anzahl der zum Verkauf vorgesehenen Autos und die für eine Genehmigungserteilung seitens der Zollorgane erforderlichen Daten mitzuteilen. 6. T. bat darum, dem Personal der aufzulösenden Konsulate das Recht auf zollfreie Ausfuhr des ihm gehörenden persönlichen Eigentums zu gewähren. Ich antwortete, dass diese Frage in Übereinstimmung mit unserer Gesetzgebung entschieden werden müsse. 7. T. fragte, ob das Recht auf zollfreie Ausfuhr des in den Konsulaten befindlichen Staatseigentums gewährt werde. Ich antwortete, dass solch ein Recht gewährt werde, davon ausgenommen wären Gegenstände von antiquarischem Wert, deren Ausfuhr aufgrund der vom Gesetz festgelegten Ausfuhrbestimmungen für derartiges Eigentum geregelt werde. 8. T. bat um Unterstützung, den zur Schließung vorgesehenen Konsulaten die erforderlichen Verpackungsmaterialien und Transportmittel zur Verfügung zu stellen. Er bat darum, in dieser Angelegenheit unseren Beauftragten und diplomatischen Agenten vor Ort entsprechende Weisungen zu erteilen. Ich antwortete, dass ich diese Frage mit der Protokollabteilung besprechen würde. 9. T. bat darum, dem abreisenden Konsulatspersonal die Möglichkeit zu gewähren, Eisenbahnfahrkarten zu erwerben und das ihm gehörende Eigentum als Eisenbahnfrachtgut für den Transport ins Ausland aufzugeben. Ich äußerte Zweifel an der Notwendigkeit, spezielle Weisungen zu dieser Frage zu erteilen. T. wies jedoch darauf hin, dass bei der Auflösung der japanischen Konsulate diese Fragen aufgekommen wären, weil die örtlichen Organe es abgelehnt hätten, den Abreisenden Eisenbahnfahrtkarten zu verkaufen und ihr Gepäck als Eisenbahnfrachtgut anzunehmen. Ich antwortete, dass wir in diesem Fall über die Beauftragten und die diplomatischen Agenten des NKID den örtlichen Organen die erforderlichen Anweisungen erteilen würden. 10. T. fragte, ob wir die Exterritorialität der Gebäude in Leningrad und Tiflis, die der deutschen Regierung gehören, garantieren könnten. Ich fragte ihn, unter welchem Gesichtspunkt er die Garantiefrage stelle. T. erklärte zunächst, dass die Botschaft nicht wünsche, wenn diese Gebäude nach der Abreise der Konsulate von
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beliebigen unserer Einrichtungen in Beschlag genommen oder Hausdurchsuchungen usw. vorgenommen würden. Ich antwortete, da diese Gebäude nicht von konsularischen Einrichtungen genützt würden, könne jedenfalls nicht das Recht der Exterritorialität auf sie angewandt werden. Die Sicherungen dieser Gebäude vor Einbrüchen von Bösewichten, der Brandschutz usw. würden in dem Rahmen und in der gleichen Weise wie für beliebige andere Gebäude im Gebiet der jeweiligen Stadt gewährt. Ich verstünde nicht, welche Sondergarantien für die der deutschen Regierung gehörenden Gebäude T. zu erhalten wünsche. T. antwortete, dass während des Krieges die der russischen Regierung gehörenden Gebäude in Deutschland der speziellen Aufsicht des deutschen Außenministeriums unterstanden hätten, das deren Exterritorialität garantierte. Ich fragte T., indem ich darauf hinwies, dass ich seinen Vorschlag präzisieren wolle, ob er meine, dass im vorliegenden Fall das NKID in Bezug auf diese Gebäude so handeln müsste, als ob diese Gebäude von den deutschen Organen in der UdSSR im Ergebnis eines Abbruchs der diplomatischen Beziehungen zurückgelassen worden wären. T. wurde offenbar bewusst, dass sein Vergleich unangemessen war, und entgegnete lebhaft, dass man die Frage so nicht stellen dürfe und bat darum, diese Frage zu überdenken. 11.4 Zum Abschluss führte T. aus, die Deutsche Botschaft hoffe darauf, dass nach der Regelung der Stellung des deutschen Konsularnetzes in der UdSSR die sowjetischen Organe vor Ort sich etwas geduldiger gegenüber den deutschen konsularischen Einrichtungen in Kiev und in Novosibirsk verhalten würden. „Gegenwärtig“, erklärte T., „befinden sich beide Konsulate, und insbesondere das Konsulat in Novosibirsk, in einer äußerst misslichen Situation. Insbesondere kann sich das Novosibirsker Konsulat seit einigen Monaten nicht mit Trinkwasser versorgen, weil angesichts der Verhaftungen der Personen, die mit dem Konsulat zu tun hatten, kein einziger Wasserfuhrmann dazu bereit ist, das deutsche Konsulat jetzt mit Wasser zu beliefern (das Konsulat hat keine Wasserleitung). In Kiev gab es Schwierigkeiten bei der Versorgung mit Elektroenergie für die Beleuchtung des Gebäudes. Die Botschaft bittet, an diese Orte ein allgemeines Rundschreiben mit der Aufforderung zu schicken, die Haltung gegenüber den deutschen Konsulaten zu verändern“. Ich äußerte Zweifel, dass ein solches allgemeines Rundschreiben erforderlich wäre, und wies darauf hin, dass die Botschaft die Möglichkeit habe, die Fragen, die das Konsulat nicht an Ort und Stelle regeln könne, dem NKID vorzulegen. Nachdem T. gegangen war, rief mich Hensel an und bat, die Liste der von T. vorgetragenen Fragen noch um die des Exequaturs für den deutschen Konsul in Kiev zu ergänzen. Zum jetzigen Zeitpunkt sei im Exequatur festgeschrieben, dass zum Konsularbezirk des Generalkonsuls in Kiev die gesamte Ukraine gehöre, mit Ausnahme der Bezirke, die zum Einzugsbereich der deutschen Konsulate in Char’kov und Odessa gehören. Diese Einschränkung sei auf Bitte der Deutschen Botschaft vorgenommen worden, die für die Konsuln in Char’kov und Odessa eigenständige Konsularbezirke abgrenzen wollte. Die Botschaft bitte nun darum, diese Einschränkung aufzuheben und dem Konsul ein neues Exequatur zu erteilen, in dem die gesamte Ukraine zu seinem Konsularbezirk erklärt werde. Ich antwortete, dass wir diese Frage prüfen werden. 4 Zu diesem Punkt vermerkte Antonov mit Tinte am Seitenrand: Vortrag am 26/XI. MMLitv[inov] hat angewiesen, sich mit den Ersuchen zu den aufgezeichneten Fragen zu befassen.
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Am 17. November fand in der Abteilung eine Beratung mit Vertretern der Rechts-, der Konsular- und der Protokollabteilung statt, auf der unsere Haltung zu allen von T. aufgeworfenen Fragen festgelegt wurde. Als Ergebnis dieser Beratung wurde der Text der Weisung an die Beauftragten und diplomatischen Agenten des NKID verabschiedet. KOMMISSARISCHER LEITER DER 2. WESTABTEILUNG Antonov Entscheidung K.V. Antonovs mit Tinte: Gen. Puškin muss zu P. 11 zum Vortrag bei der Leitung. KA[ntonov]. Am Ende des Dokuments sind die Exemplare und der Verteiler vermerkt: 6 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Litvinov, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. an die Rechtsabteilung, das 5. nach Berlin, das 6. zu den Akten der 2. Westabteilung. 19.XI.37 AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 2, l. 191–196. Kopie.
Nr. 166 Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov Nr. 166 22. 11. 1937 22. 11. 1937 Geheim Expl. Nr. 3 Nr. 411/l. 22. November 1937 AN DEN GESCHÄFTSTRÄGER DER UdSSR IN DEUTSCHLAND Gen. ASTACHOV Ihr Schreiben Nr. 323/s1. Die Ihnen von mir in letzter Zeit erteilten Weisungen bezüglich deutscher Einladungen stellen keine Novelle dar und stehen nicht im Widerspruch zu den früher Gen. Suric erteilten Anordnungen. In Kraft bleibt die Weisung, den Kontakt mit Personen zu pflegen, von denen man nützliche Informationen bekommen kann. Daraus folgt jedoch nicht, dass man unbedingt alle Einladungen zu Versammlungen und Feierlichkeiten aller Art annehmen muss. Man 1 Astachov hatte in dem Brief vom 17.11.1937 an Litvinov geschrieben: „Ich möchte, um Missverständnisse und einen überflüssigen Schriftwechsel zu vermeiden, lediglich etwas konkreter wissen: 1) welche Einladungen kann man ohne Anfrage beim NKID ausschlagen (von Rosenberg, Goebbels und offenbar von einigen anderen Ministern?); [2)] zu welchen ist anzufragen (Göring, Schacht?) und 3) welche kann man ohne Anfrage annehmen und sich dabei von örtlichen Beweggründen leiten lassen (Auswärtiges Amt, diplomatisches Corps?). Wie ist insbesondere zu reagieren, wenn wider Erwarten eine Einladung von der Botschaft eines nicht gerade freundschaftlich gesonnenen Landes eintrifft und nicht genügend Zeit zur Verfügung steht, um bei Ihnen anzufragen?“ In: AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 43, l. 148–149.
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darf nicht auf die Anwesenheit bei Feierlichkeiten der Regierung oder des Staates verzichten, jedoch ist es durchaus nicht verpflichtend, zu Partei- und zu faschistischen Kulturveranstaltungen zu gehen, insbesondere nicht zu den von Rosenberg und Goebbels organisierten, und diese durch Ihre Anwesenheit aufzuwerten. Wenn es die Zeit erlaubt, ist immer in Moskau nachzufragen, weil in jedem Fall eine individuelle Herangehensweise erforderlich ist. Es versteht sich von selbst, dass das oben Dargelegte nicht auf das diplomatische Corps anzuwenden ist, mit dem Sie genau die gleichen Beziehungen unterhalten müssen, wie sie unsere Vertreter in den anderen Hauptstädten pflegen. Wünschenswert ist der Kontakt zum Doyen des diplomatischen Corps, dies betrifft jedoch den Bevollmächtigten Vertreter, nicht aber den Geschäftsträger. LITVINOV Vermerk mit Bleistift: an Gen. Antonov. Vermerk mit blauem Farbstift: an Gen. Puškin. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel der 2. Westabteilung des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2396 vom 23.11.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. an Gen. Stomonjakov, das 3. an Gen. Antonov, das 4. ins Archiv. AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 1, l. 102. Kopie.
Nr. 167 Vortrag des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg vor der Wehrmachtsakademie in Berlin Nr. 167 25. 11. 1937 25. 11. 1937 [25. November 1937] Abschrift zu Pol. I 163/ 38 g (V) Das Problem Sowjetunion, das ich heute vor Ihnen behandeln soll, ist so umfangreich und von einer so besonderen Art, dass ich es im Rahmen der mir für diesen Zweck zur Verfügung stehenden Zeit auch nicht annähernd erschöpfen kann. Ich muss mich darauf beschränken, die wichtigsten Seiten dieses Problems vor Ihnen aufzuzeichnen und die Teile zu beleuchten, die vom deutschen Standpunkte eine besondere Aufmerksamkeit verdienen. Die große Rolle, die das alte Russland in der preußisch-deutschen Geschichte der letzten zwei Jahrhunderte gespielt hat, brauche ich nicht besonders zu unterstreichen. Sie kennen die Bedeutung, die die Haltung Russlands für die Bismarcksche Politik in der Zeit der Reichsgründung gehabt hat, sowie die Rolle, die die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland bis zum Weltkrieg gespielt haben. Der Niederbruch des großen Krieges und der bolschewistische Umsturz von 1917 hatten Russland ungeheuer geschwächt, hatten es als politischen und wirtschaftlichen Machtfaktor in der Welt zunächst ausgeschaltet. Trotzdem und trotz erheblicher territorialer Verluste – Finnland, Baltische Staaten,
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Polen, Bessarabien – stellt die Sowjetunion gegenwärtig einen Machtfaktor dar, der dem alten Russland kaum nachstehen dürfte und mit dem die Welt und insbesondere Deutschland werden rechnen müssen. Allein die Tatsache, dass die Sowjetunion fast 1/6 der Erdoberfläche einnimmt und über eine Bevölkerung von rund 170 Millionen Menschen verfügt, gibt Anlass zum Nachdenken, insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass dieses Land unbegrenzte Bodenschätze besitzt und über nahezu sämtliche für ein Volk lebensnotwendige Rohstoffe verfügt. Seine wirtschaftliche Kapazität kann nur mit der der Vereinigten Staaten von Nordamerika oder des Britischen Imperiums verglichen werden. Auf der Grundlage dieser Rohstoffquellen und in Verfolg der im Weltkriege gemachten Erfahrungen führt die Sowjetregierung seit 1928 eine gewaltige Industrialisierung durch mit dem Ziel, die bisherige Abhängigkeit vom Auslande zu beseitigen und die Wehrkraft des Landes so weit zu steigern, um in einem gegebenen Augenblicke in der Lage zu sein, entscheidend in die Geschicke der Welt eingreifen zu können. Die für den Aufbau der sowjetischen Wirtschaft aufgestellten Fünfjahrespläne, von denen mit Schluss dieses Jahres der zweite sein Ende erreicht, dienten in allererster Linie dem Ziele, eine eigene Rüstungsindustrie zu schaffen. Zu diesem Zwecke ist die Sowjetregierung zielbewusst und ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der Bevölkerung an den Ausbau der Schlüsselindustrie herangegangen. Um das Ausmaß der Entwicklung zu kennzeichnen, beschränke ich mich auf den Hinweis, dass einer russischen Vorkriegserzeugung von 4,2 Mill. t. Roheisen für 1936 eine solche von 14 Millionen Tonnen gegenübersteht. Eine entsprechende Steigerung hat die Produktion von Stahl sowie die Gewinnung von Steinkohle und Naphtha erfahren. In der Goldgewinnung steht die Sowjetunion heute an zweiter Stelle in der Welt, nachdem ihre Jahreserzeugung bei etwa 500 Millionen Reichsmark angelangt sein dürfte. Ihre Auslandsverschuldung, die Anfang 1933 über 2 Milliarden RM betrug, hat die Sowjetregierung abgedeckt. Die aus den von Deutschland, England und der Tschechoslowakei nach 1935 gewährten Krediten entstandenen neuen Zahlungsverpflichtungen fallen bei der gegenwärtigen Finanzlage der Sowjetunion kaum ins Gewicht, zumal es der Sowjetregierung gelungen ist, nicht nur ihre Handels-, sondern neuerdings auch ihre Zahlungsbilanz aktiv zu gestalten. Angesichts des völlig autarken Charakters des inneren sowjetischen Finanzwesens spielt seine Lage für die Beurteilung der Zahlungsfähigkeit der Sowjetunion keine Rolle. Die von der Sowjetregierung jährlich aufgelegten inneren Anleihen sind reine Zwangsanleihen, die auf eine zusätzliche Besteuerung der Bevölkerung hinauslaufen. Ihre Gesamtsumme dürfte gegenwärtig etwa 15 Milliarden RM betragen. Im Verlaufe der letzten zehn Jahre sind in der Sowjetunion Industriezweige entstanden, die es bis dahin nicht gab. Hierzu gehören die Flugzeugindustrie, der Werkzeugmaschinenbau, die Automobil- und Traktorenfabrikation usw. Auf allen diesen Gebieten, besonders aber auf dem der Herstellung von Rüstungsmaterial hat die Sowjetunion in den letzten Jahren bemerkenswerte Leistungen verbracht, über die nicht hinweggesehen werden darf. Diese Feststellung behält auch dann ihre Richtigkeit, wenn man die sehr schweren Kinderkrankheiten in Rechnung stellt, an denen die Sowjetindustrie leidet, die vielfach in der erschreckenden Minderwertigkeit der Erzeugnisse zum Ausdruck kommen und die vor allem in dem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften und in einer schlechten Organisation der Pro-
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duktionsprozesse begründet sind. Nichtsdestoweniger bleibt die Tatsache, dass die Sowjetarmee zur Zeit über eine Flug- und Tankwaffe verfügt, die sie instand setzt, allein in Moskau bei den alljährlich stattfindenden Paraden nicht weniger als rund 1000 moderner Flugzeuge und viele Hunderte von Kampfwagen verschiedenster Art vorzuweisen. Der Wiederaufbau der Sowjetmarine ist jetzt so weit durchgeführt, dass die Sowjetunion mit 180 im eigenen Lande gebauten U-Booten über die größte U-Bootflotte der Welt verfügt. Die gegenwärtige Leistungsfähigkeit der Automobilfabriken beträgt rund 180 Tausend Lastwagen und etwa 20 Tausend Personenwagen pro Jahr. Wenn trotz dieser umfangreichen Vorbereitungen die Sowjetregierung zurzeit offensichtlich bemüht ist, kriegerischen Komplikationen aus dem Wege zu gehen, so spricht hierbei – neben innerpolitischen Gründen, auf die ich noch zu sprechen komme – die Erkenntnis eine Rolle, dass weder die junge Industrie noch das schwache Transportwesen in der Lage sind, den vielfach gesteigerten Anforderungen eines modernen Materialkriegs zu genügen. Außerdem fehlt es in der Sowjetunion an Betrieben, die in Friedenszeiten dem Bedarfe der Bevölkerung dienen, in Kriegszeiten auf die Bedürfnisse der Armee umgestellt werden können. Darüber hinaus macht die Industrie der Sowjetregierung gegenwärtig dadurch erhebliche und berechtige Sorgen, dass große Teile der Industrie nicht nur die für 1937 festgesetzten Pläne bei weitem nicht erfüllt haben, sondern dass darüber hinaus erstmalig die Produktion gegenüber dem Vorjahre nicht nur zugenommen hat, vielmehr in den wichtigsten Schlüsselindustrien sogar – wenn auch wenig – zurückgegangen ist. Die Gründe hierfür sind nicht allein technischer und wirtschaftlicher Art. Sie müssen vornehmlich in den innenpolitischen Spannungen gesucht werden, die zurzeit die Sowjetunion mehr als je ergriffen haben. Um Ihnen die Ursachen und die Art dieser Spannungen zu schildern, bin ich genötigt, auf die Geschichte der Entwicklung der machtpolitischen Stellung Stalins zurückzugreifen. In den 13 Jahren seit dem Tode Lenins hat sich Stalin mit Erfolg gegen alle Widersacher durchgesetzt, die ihm seine Machtstellung in materieller und ideologischer Hinsicht streitig zu machen versuchten. Der Kampf um das Erbe Lenins begann unmittelbar nach dessen Tode im Jahre 1924. Als Hauptexponenten dieses Kampfes standen sich damals Trotzki und Stalin gegenüber. Stalin wurde Sieger, da er es verstanden hatte, der zahlenmäßig überlegenen, aber heterogenen Anhängerschaft Trotzkis eine festgefügte eigene Organisation gegenüberzustellen und die Schlüsselstellungen im gesamten Parteiapparat mit ihm ergebenen Funktionären rechtzeitig zu besetzen. Stalin in seinem Streben nach einer wirtschaftlichen, militärischen und politischen Stärkung des Sowjetstaates und – letzten Endes – aus Gründen der Erhaltung seiner eigenen Macht war genötigt gewesen, eine Menge ideologischen Ballast über Bord zu werfen. Der unlösbare Gegensatz zwischen Staatsnotwendigkeiten und kommunistischer Parteidoktrin hat sich in den letzten Jahren auf allen Gebieten des staatlichen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens der Sowjetunion offenbart. Entgegen der Theorie vom allmählichen Absterben des Staates bei Verwirklichung der kommunistischen Gesellschaftsordnung greift der Sowjetstaat in immer steigendem Maße regelnd in alle Sphären der menschlichen Betätigung ein. Die Familie, deren Vernichtung in den Anfangszeiten des Kommunismus angestrebt wurde, wird nunmehr als kleinste Zelle des Staates anerkannt und als solche gepflegt. Die
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Abtreibung, die nach der Revolution in die freie Entscheidung der Mutter gestellt war, ist seit zwei Jahren verboten und unter Strafe gestellt, worauf sich die Geburtenzahl sichtlich erhöht hat. Homosexualität, die bis vor kurzem straflos war, wird neuerdings mit Gefängnis geahndet. Das von der kommunistischen Ideologie verkündete freie Verfügungsrecht des Individuums über den eigenen Körper ist den bevölkerungspolitischen Interessen des Staates geopfert worden. Die Ehescheidung ist zwar noch nicht an rechtliche Voraussetzungen geknüpft, aber durch Einführung progressiver Gebühren erschwert. Kinderreichtum wird als das größte Glück der Frau hingestellt. Kinderreichen Familien werden erhebliche Unterstützungen gezahlt. Rechte und Pflichten der Vaterschaft werden propagiert. Die Autorität der Eltern und ihre Verantwortlichkeit für die Handlungen und die Erziehung ihrer Kinder sind wiederhergestellt. Hauptträger der Erziehung soll wieder die Familie sein. Der Gedanke der ausschließlichen Erziehung der Kinder durch den Staat ist aufgegeben. Bezeichnenderweise soll nicht zuletzt das Interesse der Armee an einem zahlreichen und gesunden Nachwuchs diese Entwicklung beeinflusst haben. Die Tugenden einer guten Hausfrau werden hervorgehoben. Es wird auch darauf hingewiesen, dass die rechtliche Gleichstellung der Geschlechter nicht zu einer rücksichtslosen Behandlung der von Natur aus schwächeren Frau führen darf. Der sportlichen Ertüchtigung der Jugend widmet der Staat neuerdings größte Aufmerksamkeit. Das angeblich „glückliche Leben der Kinder“ ist eines der Hauptlosungsworte der Regierung. Auf derselben Linie liegen die zahlreichen organisatorischen Maßnahmen, die im Bildungswesen neu getroffen wurden. Gleich nach der Revolution trat durch ständige Experimente mit neuen Lern- und Lehrmethoden eine völlige Desorganisation des Schulwesens ein. Schüler und Studenten wurden Träger der „Schuldisziplin“, Prüfungen und Bewertungsnoten waren abgeschafft. Auf Gesinnungstüchtigkeit und proletarische Abstammung wurde mehr Wert gelegt als auf Leistung und die Wissenschaft galt nur als Funktion der marxistischen Lehre. Jetzt ist man dazu übergegangen, die altbewährten Erziehungs- und Lehrgrundsätze wieder anzuwenden. Den Lehrern ist die Disziplinargewalt zurückgegeben worden, Bewertungsnoten und Examina sind wieder eingeführt, der Eintritt in die Universität steht auch den Kindern der ehemaligen Bourgeoisie offen. Die Neuorganisation der Hochschulen ist dem vor dem Krieg bestehenden Aufbau angeglichen worden. Die Mitglieder der Lehrkörper müssen nicht nur ihre positive Einstellung zum herrschenden System, sondern auch ihre wissenschaftliche Befähigung nachweisen. Dem Komsomol, der kommunistischen Jugendorganisation, ist vor kurzem energisch bedeutet worden, er solle sich nicht mehr in politische und wirtschaftliche Fragen einmischen, sondern seine Tätigkeit der Erziehung, der Ausbildung und der militärischen Ertüchtigung seiner Mitglieder widmen. Alle diese Maßnahmen beruhen auf der Erkenntnis, dass die vom dem bisherigen streng marxistischem Erziehungs- und Unterrichtssystem geformten Menschen in der Praxis versagen, weil ihnen die notwendigsten Grundkenntnisse fehlen. Andererseits liegt es auf der Hand, dass diese Reformen vielfach nur auf dem Papiere stehen. Es fehlen überall die geeigneten Lehrkräfte, die Lehrmittel, ja selbst das Schreibpapier. Auch auf dem Gebiet der darstellenden und bildenden Künste greift die Sowjetregierung im Gegensatz zu ihrer früheren Praxis neuerdings immer mehr auf die
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alten Formen zurück. Anstelle des Experimentierens ist das Bestreben getreten, das Theater auch auf Kosten seines künstlerischen Niveaus volksnahe und verständlich zu machen. Vor einiger Zeit erhielten die Leiter zweier Moskauer Theater, Tairow und Meyerhold, schwere Verweise, weil ihre Aufführungen infolge ihrer gekünstelten Inszenierung nicht dem Geschmack des Publikums entsprächen. Die atonale Musik findet nicht mehr die amtliche Billigung. Den Malern, Bildhauern und Schriftstellern wird angeraten, bei den klassischen Meistern in die Lehre zu gehen und sich jeder gekünstelten, dem Volke unverständlichen Ausdrucksweise zu enthalten. Aus der Moskauer Bildergaleriesind die kubistischen und futuristischen Bilder mit der Begründung entfernt worden, dass man dem Publikum die Betrachtung derartiger Machwerke nicht zumuten könne. Am augenfälligsten ist die Wiederanknüpfung an die Tradition in der Architektur. Die Neubauten lehnen sich mit Vorliebe an den russisch-klassizistischen Säulenstil an. Die früher als bourgeoises Vorurteil verpönte Pflege der äußeren Erscheinung, des Körpers und der Wohnung wird jetzt als erstrebenswertes Ziel bezeichnet. Modegeschäfte verkünden, dass sie in der Lage sind, Damenkleider nach neuesten Pariser Modellen anzufertigen. In den großen Städten werden Cafés und Restaurants eröffnet, in denen Speisen und Getränke zu Preisen abgegeben werden, die nur für die Schicht der Hochbesoldeten erschwinglich sind. Jazz-Kapellen gelten als der neueste Kulturfortschritt. Die noch vor wenigen Jahren verpönten westeuropäischen Tänze werden von Staats wegen als geeignete Zerstreuung empfohlen und gelehrt. Hatte die Sowjetregierung zunächst alte Volkstänze und Trachten als Verkörperung rückständiger Tradition bekämpft, so bemüht sie sich heute wieder um ihre Wiederbelebung und Pflege. Die November- und Maifeierlichkeiten werden immer mehr zu Volksfesten umgestaltet, um sie für die Massen anziehender zu machen. Weihnachten 1935 wurde den Kindern der Weihnachtsbaum unter dem Namen „Neujahrsbaum“ zurückgegeben. Auch der russische Weihnachtsmann feierte seine Auferstehung. Lediglich die ablehnende Haltung gegenüber der Religion hat bisher nichts an Unversöhnlichkeit eingebüßt, besonders nachdem die Sowjetregierung die Entdeckung gemacht haben will, dass in Verbindung mit der neuen Verfassung in kirchlichen Kreisen eine stärkere Aktivität einsetzte und Hoffnungen auf eine Kursänderung gegenüber der Kirche entstanden waren. Begriffe wie „sozialistische Heimat“, „Heiligkeit der Sowjetgrenzen“, „Verteidigung des sozialistischen Vaterlandes“ werden in den Reden der sowjetischen Machthaber und in sonstigen Verlautbarungen immer häufiger verwendet und wirken auf das natürliche patriotische Empfinden der Bevölkerung. Es wird bewusst darauf hingearbeitet, den Stolz des russischen Volkes auf seine geschichtlichen Leistungen neu zu wecken. In diesem Zusammenhang verdient die Tatsache Erwähnung, dass ein Theaterdirektor und der „Hofdichter“ Demjan Bedny wegen eines Stückes scharf getadelt wurden, das die russischen legendären Nationalhelden und die Christianisierung Russlands ins Lächerliche zog. Bucharin, damals noch Chefredakteur der „Iswestija“ wurde heftig angegriffen, weil er sich absprechend über die zivilisatorische Rolle des russischen Volkes geäußert hatte. Während nach der Revolution die Schilderung soziologischer Entwicklungsphasen und nicht die Darstellung historischer Ereignisse das Ziel des Geschichtsunterrichts bildete, ist er
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jetzt wieder auf die Vermittlung wirklichen Wissens über geschichtliche Ereignisse und Persönlichkeiten abgestellt. In den kürzlich herausgegeben neuen Geschichtslehrbüchern werden sogar fürstliche Personen, wie Alexander Newski, der dem Deutschritterorden im Jahre 1242 am Peipussee eine Niederlage beibrachte und dem Freiheitskämpfer gegen Polen zu Beginn des XVII. Jahrhunderts, Fürsten Posharski, als Nationalhelden hingestellt. Peter der Große erscheint als ein „kluger und tätiger Zar“, dessen Reformen offensichtlich und mit Vorbedacht derart geschildert werden, dass Peter gewissermaßen als ein Vorläufer Stalins erscheint. Mit einem Wort, der Lehrstoff wird bewusst so gestaltet, dass das Denken der Jugend in eine ganz bestimmte, den imperialistischen Zielen des Sowjetstaates dienliche Richtung gelenkt wird. Die Angliederung der Ukraine und die Eroberung des Kaukasus durch die Zaren werden als eine für die eroberten Gebiete nützliche und kulturfördernde Tat hingestellt. Die 125-jährige Wiederkehr der Vertreibung Napoleons aus Russland wurde zum Anlass genommen, um den General Kutusow, einen Angehörigen der verhassten Kaste der zaristischen Generäle, als großen Feldherrn zu preisen und daran zu erinnern, dass jeder Angreifer, der Gelüste auf russisches Territorium verspüren sollte, das gleiche Schicksal wie Napoleon beschieden sein würde. Die letzte Sensation in dieser Richtung bildet ein neuer Film1, in dem Peter der Große als genialer Erneuerer Russlands dargestellt wird. Auch bei dieser Gelegenheit ist die Tendenz unverkennbar, Peter den Großen als eine Art Vorläufer von Stalin erscheinen zu lassen, indem Peter dem Großen Worte von unvermeidlichen Opfern, ohne die ein Fortschritt des Staates nicht erreicht werden könne, in den Mund gelegt werden. Sehr bezeichnend für diesen neuen Sowjetpatriotismus sind folgende Äußerungen der „Prawda“, des offiziellen Blattes der kommunistischen Partei der Sowjetunion: „In unserem Lande ist das Interesse für das Studium der historischen Vergangenheit außerordentlich gestiegen. Groß ist das Interesse für das neue sowjetische Geschichtslehrbuch, für historische Vorlesungen und für den historischen Roman. Man kann unmöglich bewusst am sozialistischen Aufbau teilnehmen und ein sowjetischer Patriot sein, ohne die heroische Vergangenheit unserer Heimat zu kennen.“ Auch auf wirtschaftlichem Gebiete hat sich im Laufe der letzten Jahre eine gründliche Wandlung vollzogen, nachdem die Sowjetregierung hat einsehen müssen, dass eine wirkliche Steigerung der Arbeitsleistung weder durch Überredungen noch durch sonstige propagandistische Tricks, sondern durch die Gewährung konkreter materieller Vorteile erzielt werden kann. Aus dieser Erkenntnis heraus hat die Sowjetregierung nicht davor zurückgeschreckt, die von kommunistischer Seite früher mit dem Schlagwort „Akkordlohn ist Mordlohn“ so viel geschmähten Akkordlöhne wieder einzuführen und sie durch ein ausgeklügeltes System von Prämien, Vorrechten, Geschenken, Ordensverleihungen und so weiter zu ergänzen. Mit Hilfe der berüchtigten Stachanow-Bewegung werden aus einer gewissen Schicht der Arbeiterschaft erhöhte Leistungen herausgepresst und daraufhin eine allgemeine Heraufsetzung der Arbeitsnormen vorgenommen, wodurch sich der Stücklohn entsprechend vermindert. Die allgemeine Steigerung der Produktion, die die Regierung von der Stachanow-Bewegung erwartete, ist ausgeblieben. Stattdessen hat dieser neue Versuch, aus dem Sowjetarbeiter höhere Leistungen herauszu1
Petr I., 1. Teil (Lenfil’m, 1937). Regie: Vladimir M. Petrov; Uraufführung: 31.8.1937.
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pressen, nur zu Desorganisationserscheinungen und insbesondere zu einem verstärkten Verschleiß der Maschinen durch Überbeanspruchung geführt. Diese Erscheinungen haben sich besonders deutlich im Eisenbahnwesen der Sowjetunion bemerkbar gemacht. Zwar rühmt sich das Eisenbahnkommissariat unter Führung seines letzten Leiters Kaganowitsch, der ein besonderer Vertrauensmann Stalins ist, die Zahl der täglich zur Verladung kommenden Wagen im letzten Jahr von 58.000 auf rund 90.000 täglich gesteigert zu haben, jedoch zeigt bei näherer Betrachtung der gesamte Betrieb ein technisch außerordentlich rückständiges Bild, wofür die große Zahl der Eisenbahnunfälle und der darauffolgenden Verhaftungen sowie Erschießungen von Eisenbahnern überaus bezeichnend ist. Wenn die sowjetischen Eisenbahnen unter diesen Umständen schon den gegenwärtigen Anforderungen der sowjetischen Wirtschaft nicht zu genügen vermögen, was soll erst werden, wenn im Kriegsfalle unvergleichlich höhere Ansprüche an das Eisenbahnwesen gestellt werden. Der Zustand der Eisenbahn muss als einer der stärksten Gründe dafür angesehen werden, dass die Sowjetunion sich zunächst aus kriegerischen Verwicklungen herauszuhalten sucht. Die Differenzierung der Löhne und Gehälter hat zur Folge, dass neben einer Arbeitermasse, die nach europäischen Begriffen Hungerlöhne erhält und sich kaum das Allernotwendigste für den Lebensunterhalt zu erwerben vermag, eine neue Oberschicht entsteht, die sich gegen Geld alle erreichbaren Annehmlichkeiten des Lebens verschafft, wenn diese nach unseren Begriffen auch nur äußerst gering sind. Die Verschiedenheiten der Gehälter und Löhne wurde für die Arbeiter und kleinen Angestellten auch dadurch fühlbarer, dass vor etwa zwei Jahren die Abgabe gewisser rationierter Lebensmittel wie Brot, Zucker, Tee, Fett und Fleisch aufgrund von Karten zu verbilligten Preisen eingestellt wurde. Gleichzeitig wurden die sogenannten „geschlossenen“ Fabrikläden, in denen an die Angehörigen bestimmter Unternehmen ebenfalls Bedarfsartikel des täglichen Lebens zu verbilligten Preisen abgegeben wurden, geschlossen. Auch die einzelnen Wirtschaftsunternehmen gehörenden landwirtschaftlichen und sonstigen Betriebe, die für eine bessere und billigere Versorgung der Werksangehörigen sorgten, wurden aufgelöst. Seit zwei Jahren erfolgt der Verkauf von Lebensmitteln und Bedarfsartikeln zu gleichen Preisen an sämtliche Bevölkerungskreise. Das Preisniveau ist außerordentlich hoch. Mit Hilfe der Umsatzbesteuerung wird neben der Landbevölkerung neuerdings in erhöhtem Maße auch das Arbeiterproletariat zur Tragung der Staatsausgaben, vor allem für die Aufrüstung, herangezogen. So kauft der Staat zum Beispiel die landwirtschaftlichen Produkte zu unverhältnismäßig niedrigen Zwangspreisen und gibt sie zu bis auf das zehnfache erhöhten Preisen an die Konsumenten weiter. Für die hier herrschenden Preise mögen folgende Beispiele dienen: ein Kilogramm Butter – 22 Rubel, ein Mantel 350 Rubel und so weiter. Dagegen verdient ein ungelernter Industriearbeiter durchschnittlich 110-130 Rubel, ein gelernter höchstens das Doppelte. Die Kaufkraft von 100 Rubeln beträgt 12 Reichsmark. Die vom Staat hergestellten Industrieerzeugnisse gibt dieser zu Preisen an die Bevölkerung ab, die das Vielfache der Gestehungskosten ausmachen. Die von der Regierung seit langem feierlich versprochene Preissenkung ist bisher kaum durchgeführt worden, da die Stachanow-Bewegung nicht die erhoffte Produktionssteigerung brachte und da die von Jahr zu Jahr vermehrten Rüstungsausgaben immer größere Staatsmittel in Anspruch nehmen.
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Während das durchschnittliche Einkommen eines sowjetischen Arbeiters und Angestellten etwa 200 Rubel pro Monat beträgt, werden den Stachanow-Arbeitern, die sich zu Werkzeugen des staatlichen Ausbeutungssystems hergeben, Monatsverdienste zugebilligt, die in vielen Fällen einige Tausend Rubel betragen. Erhebliche Verdienstmöglichkeiten ergeben sich für Schriftsteller, Bühnenkünstler, bekannte Ärzte, einzelne Ingenieure usw., sodass sich an Stelle einer klassenlosen Gesellschaft, die von der kommunistischen Partei als Endziel ihrer Bestrebungen hingestellt wird, in der Sowjetunion soziale Gegensätze herausbilden, die auch äußerlich stark in die Augen springen. So erfreuen sich die Herren Volkskommissare und sonstige hohe Beamte der Nutznießung luxuriöser Autos und schön gelegener Landhäuser, während die angeblich die Diktatur ausübenden Proletarier in langen Schlangen an den Haltestellen der öffentlichen Verkehrsmittel anstehen müssen und pro Kopf über eine durchschnittliche Wohnfläche von nur 4 qm verfügen. Die Abschaffung des Kartensystems, die Schließung der Fabrikläden, das hohe Preisniveau verbunden mit der starken Differenzierung der Löhne und Gehälter hat an die Stelle des bevorrechtigten Proletariates die Klasse der Gutbezahlten gestellt. Die Durchführung der Industrialisierung und die Aufrüstung erfolgten auf dem Rücken der großen Maße der Bevölkerung, insbesondere der Bauernschaft, die dadurch vollkommen ausgesogen worden ist. Trotz der Fortschritte, die die Sowjetregierung in den letzten Jahren auf dem Gebiete der Industrialisierung der Sowjetunion erreicht hat, ist und bleibt die Landwirtschaft noch auf lange Jahre hinaus das Rückgrat der sowjetischen Volkswirtschaft. Noch heute zählt bei einer Gesamteinwohnerzahl von rund 170 Millionen die ländliche Bevölkerung nicht weniger als 120 Millionen Köpfe. Die Politik der Sowjetregierung gegenüber der Bauernschaft hat im Laufe der Jahre viele und grundlegende Wandlungen durchgemacht. Um der Unterstützung der Bauernschaft beim bolschewistischen Umsturz von 1917 sicher zu sein, hat Lenin dem Landhunger des russischen Bauern Rechnung getragen und ihn aufgefordert, sich die Ländereien der Gutsbesitzer anzueignen. Die Folge war, dass der gesamte russische Grund und Boden in kleine und kleinste Stücke „zerfetzt“ wurde und dass im Jahre 1928 vor Beginn der Kollektivierung einer Anbaufläche von rund 100 Millionen ha rund 25 Millionen Einzelhöfe gegenüberstanden, d.h. auf jeden Bauernhof durchschnittlich 4 ha entfielen, die gerade dazu genügten, um den Bauern und seine Familie zu ernähren, jedoch keine Überschüsse für die Ernährung der Stadt, insbesondere der Industriearbeiterschaft, für das Heer, sowie für den Export abwarfen. Auf die Ausfuhr von Getreide war die Sowjetunion jedoch angewiesen, nachdem sie 1928 beschlossen hatte, durch die Industrialisierung des Landes seine Unabhängigmachung vom Auslande zu erreichen. Der Export landwirtschaftlicher Produkte bildete die entscheidende Quelle für die Bezahlung der aus dem Auslande importierten Maschinen. Zwei Wege standen damals der Regierung offen, um eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion zu erreichen. Sie konnte sich entweder auf den wirtschaftlich kräftigeren Bauern stützen und ihm Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen, indem sie die Zupachtung von Land und die Beschäftigung von ermieteten Arbeitskräften gestattete. Oder aber sie musste durch Zusammenfassung der Kleinbetriebe zu Staats-und Kollektivwirtschaften versuchen, dem Boden höhere Beträge abzuringen. Stalin schien anfangs nicht abgeneigt, den erstgenannten Weg zu beschreiten, d.h. dem dazu befähigten Teile der Bauernschaft
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Aufstiegsmöglichkeiten zu eröffnen. Dabei stieß er jedoch auf den erbitterten Widerstand von Seiten Trotzkis und seiner Anhänger, die Stalin des Verrates an den Errungenschaften der Revolution bezichtigten. Sie erklärten, dass sie nicht darum ihr Blut für den Sturz des Kapitalismus in den Städten vergossen hätten, um ihn auf dem Lande wieder erstehen zu lassen. In diesem Angriff gegen Stalin sah Trotzki – abgesehen von seiner grundsätzlichen Einstellung – die letzte Gelegenheit, Stalin seine Machtposition streitig zu machen. Stalin erkannte die ihm drohende Gefahr und setzte alle Mittel in Bewegung, um Trotzki zu stürzen. Weil Stalin, wie ich bereits zu Anfang erwähnte, den Parteiapparat fest in der Hand hatte, gelang es ihm, zu siegen und Trotzki in die Verbannung zu jagen. Trotzdem blieb ihm mit Rücksicht auf die ideologischen Momente nichts anderes übrig, als die von Trotzki erhobene Forderung der Kollektivierung der ländlichen Einzelbetriebe zu verwirklichen. Die darauffolgende Entwicklung ist bekannt: das Eigentum an Grund und Boden war, wie Sie wissen, bereits zu Anfang der Revolution beseitigt worden, dem Bauern blieb nur die Nutznießung. Anstatt sich nun auf die Schaffung von mehr oder weniger freiwilligen Gemeinschaften bäuerlicher Einzelbetriebe zum Zwecke der gemeinsamen Bodenbearbeitung mit vergesellschafteten Produktionsmitteln zu beschränken, schoss man weit über dieses Ziel hinaus und verprellte die Bauern dadurch, dass man sie zwangsweise in die Kollektive hereinpresste und ihnen dabei alles Gerät bis aufs Letzte, das gesamte Vieh, ja sogar die Hühner enteignete. Die Folge war, dass die Bauern vor Eintritt in die Kollektive ihre Geräte verkommen ließen, das Vieh abschlachteten und im Übrigen eine passive Resistenz übten. Die unausbleibliche Folge war die Hungersnot von 1932/1933, in der Millionen zu Grunde gingen. Die Regierung war insoweit zu einem Einlenken bereit, als sie einzelne allzu schlimme Übersteigerungen der Kollektivierungsmaßnahmen beseitigte. Sonst aber hielt sie an dem Prinzipe fest. Erst nachdem sich gezeigt hatte, dass die Bauernschaft anfing, sich an den Gedanken der Unvermeidlichkeit der neuen Wirtschaftsform zu gewöhnen, begann die Sowjetregierung ihrerseits Zugeständnisse zu machen. Den Kollektivwirtschaften wurde das von ihnen bearbeitete Land zur ewigen Nutzung übertragen, eine Maßnahme, die in erster Linie auf eine psychologische Wirkung abgestellt ist, da der Pachtzins in Gestalt der Zwangsabgabe von Getreide zu billigen Preisen an den Staat entrichtet wird. Dem einzelnen Kollektivbauern wurde außer dem Besitz seines Wohnhauses auch der Besitz einer Kuh sowie von Klein- und Federvieh und die individuelle Nutznießung eines angemessenen Stückes von Garten und Gemüseland zugestanden. Die Erträge hieraus darf er freihändig verkaufen. Die Erkenntnis, dass Leistungen nur durch die Gewährung konkreter materieller Vorteile erzielt werden können, hat sich somit auch in der Landwirtschaft durchgesetzt. Der Entlohnung des Kollektivbauern nach Maßgabe der tatsächlich von ihnen für das Kollektiv geleisteten Arbeit, liegt ein ausgeklügeltes System zugrunde, das den Fleißigen besser stellt. Die Gleichmacherei ist ebenso wie in der Industrie auch in der Landwirtschaft beseitigt worden und es ist ein Treppenwitz der Weltgeschichte, wenn Stalin die Gleichmacherei öffentlich mit den Worten brandmarkt, dass sie ein „widerwärtiges Requisit kleinbürgerlicher Ideologie“ darstelle. Die landwirtschaftliche Organisation beruht somit zurzeit auf einer großen Zahl von rein staatlichen Großlandgütern und auf etwa einer Viertelmillion Kollektivwirtschaften, in denen 98% der Bauernschaft zusammengeschlossen sind. Das
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Leben der Bauern in diesen Kollektivwirtschaften, in denen jedes Mitglied die ihm zugewiesene Arbeit zu verrichten hat, unterscheidet sich grundlegend von dem freien Wirken eines Bauern auf seiner Scholle. In der Sowjetunion ist der Bauer proletarisiert, er ist Arbeitssklave. Wenn er sich – langsam und widerwillig – in dieses Zwangssystem fügt, so ist dies zum Teil damit zu erklären, dass die Mehrzahl der russischen Bauern noch bis zum Jahre 1861 Leibeigene waren und dass später das Eigentumsrecht am Boden, vor allem in Zentralrussland, nicht dem Einzelbauern, sondern der Gemeinde, dem sogenannten „Mir“ zustand, wobei der Boden alle 15 Jahre unter den Angehörigen des „Mir“ neu aufgeteilt wurde. Der russische Bauer ist daher nicht annähernd so stark wie beispielsweise der Deutsche an die Scholle gebunden. Eins steht jedoch fest: der russische Bauer wird auch weiterhin die Hauptlast des wirtschaftlichen Aufbaus und der Aufrüstung des Landes tragen. Aus der vorhergegangenen Schilderung der von der Sowjetregierung auf dem Gebiete der Industrie und der Landwirtschaft getroffenen Maßnahmen werden Sie erkannt haben, dass diese Maßnahmen vornehmlich das Ziel im Auge haben, die jahrhundertealte Abhängigkeit Russlands von der übrigen Welt zu liquidieren und vor allem die Wehrkraft auf das höchstmögliche Maß zu steigern. Über den organisatorischen Aufbau der Armee und ihre technische Ausrüstung kann ich im Rahmen dieser Ausführungen hinweggehen, da ich annehme, dass Sie hierüber aus autoritativen Quellen, vor allem in Gestalt der Berichte unseres Militärattachés in Moskau, des Generals Köstring, bestens unterrichtet sind. Für das Entwicklungsstadium, in dem sich die Sowjetunion zur Zeit befindet, ist es überaus kennzeichnend, dass die Armee bei jeder Gelegenheit und in einer Weise in den Vordergrund geschoben wird, die den doktrinären Anhängern der Lehren von Marx und Lenin als ein Wiedererstehen des verhassten Militarismus erscheinen muss. Nicht nur die Aufgabe für die technische Aufrüstung der Armee vergrößert sich von Jahr zu Jahr, auch die soziale Stellung, das Standesbewusstsein und die materiellen Lebensverhältnisse der Soldaten und vor allem des Offizierskorps werden gefördert und gepflegt. In den letzten zwei Jahren wurden aus dem Genossen Kommandeur wieder der Leutnant, Hauptmann, Oberst und Marschall, die man in der Öffentlichkeit immer häufiger in langen Hosen mit Bügelfalte, Lackstiefeln und Sporen sieht. An die Stelle der Bluse ist bei feierlichen Gelegenheiten der Ausgehrock getreten. Gut gekleidete Offiziere, insbesondere der Flugwaffe, sind nicht mehr selten. Der Offizier ist ausreichend bezahlt und wird mit Kleidung, Wohnung und Essen gut versorgt. Während vor dem Kriege nur die Gardeoffiziere und die Offiziere einiger bekannter Provinzregimenter eine Rolle in der Gesellschaft spielten und die große Masse der Linienoffiziere ein bescheidenes und wenig geachtetes Leben führte, versucht die Sowjetunion das Offizierskorps zu einem von einheitlichem Geiste getragenen Stande zu machen, der in der Bevölkerung Ansehen genießt. Nachdem den politischen Kommissaren jede Mitwirkung bei der Ausübung der Kommandogewalt allmählich entzogen worden war und ihre Tätigkeit auf Fragen der politischen Aufklärung, Erziehung und Fürsorge für die Truppe beschränkt wurde, schien die Armee sich immer mehr der Kontrolle der politischen Leitung zu entziehen. Diese Entwicklung hat offenbar das ewigwache Misstrauen des Diktators Stalin hervorgerufen, der wohl befürchtete, dass die Armee zu einem Staat im Staate und seiner Machtposition gefährlich werden könnte. Die Folge dieses
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Misstrauens war die Wiedereinführung einer verstärkten Kontrolle der Armee durch die politische Leitung, indem den Truppenbefehlshabern in Gestalt von Militärräten politische zuverlässige Elemente zur Seite gestellt wurden, deren Befugnisse sich auch auf eine Beteiligung an der militärischen Kommandogewalt erstrecken. In diese Zeit fiel die Absetzung und Erschießung der bekannten 8 Generäle mit dem Marschall Tuchatschewski an der Spitze.2 Die Hintergründe dieses blutigen Dramas werden wohl noch lange Zeit in Dunkel gehüllt bleiben. Eins dürfte jedoch feststehen, dass eine so starke Persönlichkeit wie Tuchatschewski Stalin als ständige Gefahr für seine eigene Machtstellung verdächtig sein musste, zumal im Ausland Tuchatschewski verschiedentlich als der kommende Mann Russlands und eine Art Bonaparte hingestellt wurde. Es liegen keine konkreten Anzeichen dafür vor, dass Tuchatschewski und die übrigen, gleichzeitig mit ihm erschossenen Generäle eine Verschwörung gegen Stalin bzw. die herrschende Clique vorbereitet haben. Jedoch ist denkbar, dass die erschossenen Generäle mit vielen Maßnahmen des Diktators nicht einverstanden waren und ihrer Kritik in einzelnen Fällen Ausdruck gaben. Dies verbunden mit dem Misstrauen Stalins gegen fähige und populäre Persönlichkeiten war bei den in der Sowjetunion herrschenden Verhältnissen ausreichend, um deren Schicksal zu besiegeln. Was hinterher über den angeblichen Hochverrat der Generäle und insbesondere über ihre Verbindungen mit Deutschland der Öffentlichkeit bekannt gegeben wurde, gehört natürlich in das Reich der Phantasie. Stalin konnte nicht die wahren Gründe angeben, die ihn zu seinem Vorgehen gegen die Generäle bewogen haben. Um die Härte des Urteils zu rechtfertigen, griff er zu der schwersten Beschuldigung, die es heute in der Sowjetunion überhaupt gibt, zu der Beschuldigung des Landesverrats im Bunde mit dem Faschismus. Die Wirkung der Erschießung der Generäle auf die Armee darf nicht nach westeuropäischen Maßstäben gemessen d.h. nicht überschätzt werden. *Selbstverständlich bedeutet bei dem starken Mangel an fähigen Truppenführern der Ausfall von 8 der besten Armeeführer eine starke Schwächung.*3 Dagegen ist der Eindruck, den die Erschießungen in der Truppe hervorgerufen haben, weniger nachhaltig gewesen, als man es selbst bei Berücksichtigung der hiesigen Verhältnisse erwarten musste. Die im Anschluss daran erfolgten zahlreichen Versetzungen, Verabschiedungen und Verhaftungen von Offizieren aller Dienstgrade in Armee und Marine, wobei das Schicksal der Betroffenen *in vielen Fällen völlig ungewiss blieb, waren sicher nicht dazu angetan, die an sich schon geringe Verantwortungsfreudigkeit des Offizierskorps zu heben. Einige Militärbezirke haben im letzten halben Jahre mehrfach ihre Befehlshaber gewechselt.*4 In vielen Fällen sind ganz junge Offiziere in höhere, anscheinend durch die Reinigungsaktion frei gewordene Stellungen gekommen. *Der Mangel an Verantwortungsfreudigkeit und das Fehlen von Initiative bilden die Hauptschwächen der sowjetischen Armee. Eine weitere Beeinträchtigung liegt in der durch die wiedereingeführte Institution der Militärräte geschaffenen 2 3 4
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Vgl. Dok. 44, Anm. 10; Dok. 98, Anm. 2. Der Text ist am Seitenrand angestrichen. Der Text ist am Seitenrand angestrichen.
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kollektiven Verantwortung bei der Befehlserteilung.*5 Wozu das im Ernstfalle führen muss, bedarf Ihnen gegenüber keine besondere Erläuterung. *Ist somit die Sowjetunion gegenwärtig und wohl auf Jahre hinaus zu einem Angriffskrieg nicht fähig, so kommen ihr bei einem defensiven Kriege alle durch die geographischen Verhältnisse und durch den Volkscharakter bedingten Vorteile*6 zu Gute, die Russland im Verlaufe seiner Geschichte schon so oft zu Hilfe gekommen sind. Die besten Verteidigungsmöglichkeiten Russlands sind seine großen Entfernungen sowie die große Zahl, Zähigkeit, Anspruchslosigkeit und Indolenz seiner Bevölkerung. *Dazu kommt, dass die Sowjetregierung im Laufe der letzten Jahre den Begriff der Heimatliebe und des Sowjetpatriotismus in einem Umfang gefördert hat, der im Falle eines Verteidigungskrieges zu einer sehr wirksamen Waffe entwickelt werden kann. Was in diesem Zusammenhang die Ukraine betrifft*7, so darf nicht vergessen werden, dass ihre Bevölkerung zwar den gegenwärtigen Moskauer Machthabern keine Sympathien entgegenbringt, jedoch Polen vielleicht noch ablehnender gegenübersteht. Im Übrigen weist die Ukraine bei einer Gesamtbevölkerung von ungefähr 35 Millionen, besonders in ihren westlichen Gebieten, eine größere Bevölkerungsdichte auf als Frankreich. Die von mir bisher geschilderten einschneidenden Maßnahmen, die Stalin auf allen Gebieten des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens der Sowjetunion getroffen hat, bedeuten nicht etwa eine Evolution des sowjetischen Staatswesens im Sinne einer Verbürgerlichung, sondern nur eine zeitweilige Anpassung an die realen Anforderungen des Entwicklungsstadiums, in dem sich die Sowjetunion augenblicklich befindet. Stalin hat einsehen müssen, dass ein gesundes und kräftiges Staatswesen nicht auf den Boden kommunistischer Theorien aufgebaut werden kann. Er hat sich daher aus einem Staatsnotstand heraus, der durch die blinde Anwendung marxistischer Doktrinen hervorgerufen war, zu Recht weitgehenden Konzessionen an den menschlichen Individualismus bereitfinden müssen. Ob diese Politik von Dauer sein und wann ein Zurückgehen auf die alten kommunistischen Dogmen erfolgen wird, lässt sich im Augenblick nicht übersehen. In diesem Zusammenhange möchte ich daran erinnern, dass die Sowjetregierung bereits einmal unter Lenin von der kommunistischen Ideologie abgewichen ist und zu einer neuen Wirtschaftspolitik, der sogenannten „NEP“, ihre Zuflucht genommen hatte, als sie im Frühjahr 1921 keinen anderen Ausweg aus den damals entstandenen politischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten mehr wusste. Die der Bevölkerung bei dieser Gelegenheit gegebenen Versprechungen und angewandten Lockmittel hinderten die sowjetischen Machthaber nicht daran, alles rücksichtslos rückgängig zu machen, nachdem die NEP ihren Zweck erfüllt und dazu verholfen hatte, den schlimmsten Staatsnotstand zu überwinden. Auch heute besteht kein Anlass daran zu zweifeln, dass das letzte Streben Stalins auf das alte Ziel der Beherrschung der Welt mittels der kommunistischen Idee durch das Organ der Komintern und des Sowjetsystems gerichtet ist: Es darf nicht vergessen werden, dass das Regierungssystem der UdSSR auch heute noch auf den Säulen der marxis5 6 7
Der Text ist am Seitenrand angestrichen. Der Text ist am Seitenrand angestrichen. Der Text ist am Seitenrand angestrichen.
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tischen Weltanschauung beruht. Dies sind die Nationalisierung des Grund und Bodens, die Verstaatlichung der Produktionsmittel und die Ablehnung jeglichen Gottesglaubens. Große Teile der Partei erblicken trotzdem in den Methoden Stalins einen Verrat an den angeblichen Errungenschaften der Revolution, eine Gefährdung der kommunistischen Ideale und damit auch ihrer eigenen Stellung im Staats- und Parteiwesen der Sowjetunion. Ihr Bestreben musste daher darauf gerichtet sein, ihren eigenen Ideen in der Partei wieder Geltung zu verschaffen und notfalls Stalin zu beseitigen sowie die gegenwärtig herrschende Clique durch eigene Leute zu ersetzen. Dass derartige Versuche schon recht weit gediehen sein mussten, beweist der Umfang der Terrormaßnahmen, die von Stalin gegen alle die angewandt werden, die ihm aus irgendeinem Grunde verdächtig erscheinen. Hierzu gehören in erster Linie alle älteren Parteiangehörigen, die noch unter Lenin für die Errichtung eines kommunistischen Staates gekämpft haben und infolgedessen als lebendige Zeugen dafür auftreten können, in welcher Weise Stalin das ideologische Erbe Lenins verwirtschaftet hat. Um seiner Sache absolut sicher zu sein, kann er auch auf den untergeordneten Stellen im Partei- und Staatsapparat nur Leute gebrauchen, die unter allen Umständen die von ihm vorgeschriebene Politik als blinde Werkzeuge durchführen. In diesem Zusammenhange sind im Laufe des letzten Jahres fast sämtliche Funktionäre sowohl im Partei- als auch im Staatsapparat ausgewechselt worden. In vielen Fällen ist es nicht einmal möglich zu erfahren, ob sie abgesetzt, verschickt, verhaftet oder gar erschossen worden sind. So Krestinski, ehemaliger Botschafter in Berlin und stellvertretender Außenkommissar; Ljubimow, ehemaliger Handelsvertreter in Berlin und Volkskommissar für die Leichtindustrie. Andere, wie z.B. Kandelaki und Friedrichson, die längere Zeit die Handelsvertretung in Berlin leiteten und noch im April d. J. hohe Posten in Moskau erhielten, wurden über Nacht abgesetzt, ohne dass man es auch nur der Mühe für wert hält, die Öffentlichkeit über die Tatsache der Absetzung selbst, geschweige denn über deren Gründe zu unterrichten. Zu Beginn dieses Terrorregimes hat man solche Leute in Schauprozessen als Trotzkisten und deutsch-japanische Agenten gebrandmarkt, um ihre Ideen in der Öffentlichkeit zu diffamieren und ihre Anhängerschaft abzuschrecken. Heute hält man dies in vielen Fällen nicht mehr für notwendig und liquidiert die Opfer der Schreckensherrschaft unter der Hand. Es wirkt grotesk, dass alle diese Maßnahmen gerade jetzt erfolgen, nachdem Stalin sein Volk mit der angeblich demokratischsten Verfassung der Welt beschenkt und auf Grund dieser Verfassung Wahlen für den Obersten Sowjet der Sowjetunion auf den 12. Dezember ausgeschrieben hat. Die angeblich allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlen bedeuten jedoch nur, dass dem sowjetischen Wähler gestattet wird, für Kandidaten zu stimmen, die von der kommunistischen Partei und ihren Nebenorganisationen im Voraus aufgestellt werden. In dem Bestreben Stalins, aus der Partei ein unbedingt williges Instrument seiner Politik zu machen und zu erreichen, dass die Reihen der Partei auf seinen Befehl jederzeit in die von ihm gewollte Richtung einschwenken, besetzt Stalin sämtliche Posten mit jungen Leuten, die nicht auf die Dogmen der Partei, sondern auf ihn persönlich eingeschworen sind. Die Mehrzahl dieser jungen Leute, die an die Stelle der alten Kommunisten treten, steht im Alter von 30-35 Jahren, gehört der Partei erst seit einigen Jahren an und hat bisher nur untergeordnete Posten bekleidet. Diese Sowjetjugend kennt das vorrevolutionäre Russland überhaupt nicht,
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ist von der Berührung mit dem Auslande fast gänzlich abgeschlossen und glaubt nur zu leicht die von der Sowjetpropaganda gegebenen Schilderungen über die „fürchterlichen“ Zustände im zaristischen Russland und in der kapitalistischen Umwelt. Noch wichtiger aber ist: diese jungen Leuten kennen auch die Zeiten Lenins und des orthodoxen Kommunismus nicht oder kaum mehr aus eigener Anschauung. Aus ähnlichen Erwägungen wendet sich Stalin immer wieder an die breiten Volksmassen, denen er vortäuscht, dass das Land nur unter seiner Regierung zu immer größerem Wohlstand gelangen kann. Dabei kommt ihm die Tatsache zugute, dass zwei Jahrzehnte, die von Bürgerkrieg, fruchtlosen Experimenten und schrecklicher Not erfüllt waren, die Bevölkerung zermürbt und revolutionsmüde gemacht haben. Nur der Wunsch nach Ruhe ist übrig geblieben. Die meisten sind bereit, sich mit jedem System abzufinden, sofern es ihnen auch nur einen Funken von Hoffnung auf eine Verbesserung ihrer Lebenslage bietet. Die Stabilität des gegenwärtigen Systems in der Sowjetunion ist durch die Tatsache bedingt, dass die eigentlichen Machtmittel: Armee und Polizei sich fest in den Händen eines starken und willenskräftigen Diktators befinden, der von keiner Maßnahme zurückschreckt, um sich an der Macht zu halten. Die russische Geschichte zeigt mehrere Beispiele, in denen Männer wie Iwan der Schreckliche, Peter der Große und Nikolaus I. durch schonungslose Vernichtung ihrer Gegner ihre Machtposition mit Erfolg ausbauten und erhielten. Die Wandlung, die die Rolle Stalins im politischen Leben der Sowjetunion erfahren hat, ist überaus bemerkenswert. Während früher die Partei den Staat beherrschte und Stalin in seiner Eigenschaft als Generalsekretär der Partei dem Staate seinen Willen aufzwang, ist er heute der alleinige Beherrscher von Partei und Staat. *Bei der Schilderung der innenpolitischen, wirtschaftlichen und militärischen Verhältnisse in der Sowjetunion habe ich mich bemüht, Ihnen zu veranschaulichen, dass sich die Sowjetunion augenblicklich in dem Stadium einer *gewaltsamen Umformung* befindet und daher noch auf lange Zeit hinaus nicht in der Lage sein wird, einen Angriffskrieg mit Aussicht Erfolg zu führen.*8 *Die sowjetische Außenpolitik trägt diesem inneren Ruhebedürfnis Rechnung*9: sie bemüht sich, kriegerische Verwicklungen zu vermeiden. Dieser defensive Charakter der sowjetischen Außenpolitik trat zum ersten Mal im Jahre 1931 in die Erscheinung, als die Japaner die Mandschurei besetzten und auf einer Strecke von ungefähr 3.000 km an den Grenzen und in der Flanke des fernöstlichen Territoriums der Sowjetunion auftauchten. Damit war die Gefahr eines sowjetischjapanischen Zusammenstoßes in die Nähe gerückt. Die Sowjetunion musste mit der Möglichkeit rechnen, dass Japan seine strategisch günstige Stellung im AmurUssuri-Bogen dazu ausnutzen würde, um sich auf Kosten der Sowjetunion weiter auszudehnen. Dass derartige Befürchtungen nicht ganz unberechtigt sind, lehrt ein Blick auf die Karte. Die sowjetische fernöstliche Küstenprovinz mit dem Kriegshafen Wladiwostok schiebt sich zwischen das japanische Inselland und seine Festlandsbesitzungen. Die strategische Bedeutung für Japan der fernöstlichen Küsten8 Der Absatz ist am Seitenrand zweimal angestrichen, der gekennzeichnete Begriff außerdem unterstrichen. 9 Der Satz ist unterstrichen.
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provinz als Stützpunkt einer Luft- und U-Boot-Waffe kann bis zu einem gewissen Grade mit der Rolle Belgiens für England verglichen werden. Wladiwostok ist ein Dorn im Fleische Japans. *Seit dem Einbruche Japans in die Mandschurei glaubte die Sowjetunion mit der ständig drohenden Gefahr eines Zweifrontenkriegs rechnen müssen, bei dem zuerst Frankreich als der westliche Gegner angesehen wurde.*10 Die Sowjetunion hat versucht, dieser Gefahr zu begegnen. Sie hat ihre Beziehungen zu Polen und zu Frankreich bereinigt und durch Abschluss von Nichtangriffspakten mit diesen beiden Staaten im Jahre 1932 getrachtet, ihre Westgrenzen zu sichern. Die Machtergreifung des Nationalsozialismus in Deutschland im Jahre 1933, das Streben der deutschen Politik, sich mit anderen Staaten gegen den Kommunismus zusammenzuschließen, *das Antikomintern-Abkommen mit Japan und später mit Italien, der deutsch-polnische Ausgleich und vor allem die ständig steigende militärische Macht Deutschlands haben in der Sowjetunion von Neuem und in unvergleichlich stärkerem Maße als früher die Furcht vor einem Zweifrontenkriege wachgerufen. Heute ist die Angst vor Deutschland das Leitmotiv der sowjetischen Außenpolitik geworden. Deutschland ist in den Augen der Sowjetunion der gefährlichste Feind, gegen dessen Angriff es sich mit allen Mitteln zu rüsten gilt*11. Im Anfang mag die sowjetische Propaganda die deutsche Gefahr absichtlich erfunden und übertrieben haben, um die eigene Aufrüstung zu begründen. Heute besteht kein Zweifel, dass die sowjetischen Machthaber selbst ein Opfer dieser Propaganda geworden und von den aggressiven Tendenzen des nationalsozialistischen Deutschland fest überzeugt sind. Mit allen Mitteln der Propaganda werden der Bevölkerung tagtäglich Hass, Feindschaft und Misstrauen gegen das nationalsozialistische Deutschland eingehämmert. Die Bevölkerung ist vom Auslande völlig abgeschlossen und kann sich keine eigene Meinung bilden. So übt auf gewisse nicht unwichtige Schichten der Bevölkerung die antideutsche Propaganda mit der Zeit eine immer stärkere Wirkung aus. Die wachsende Furcht vor Deutschland hat dazu geführt, dass die Beziehungen der Sowjetunion zu den anderen Staaten in einem immer steigenden Maße zu einer Funktion des Verhältnisses zu Deutschland geworden sind. Jeder Machtgewinn Deutschlands wird in der Sowjetunion als eigener Misserfolg empfunden. Die Angst vor Deutschland hat die Sowjetunion und Frankreich zusammengeführt. Auch sonst fallen die außenpolitischen Interessen dieser beiden Staaten zusammen. Beide haben ein starkes außenpolitisches Ruhebedürfnis. Frankreich, weil es saturiert ist, die Sowjetunion wegen ihrer inneren Lage und mit Rücksicht auf die Gefahr des Zweifrontenkrieges. Kollektive Sicherheit, Unteilbarkeit des Friedens, Aufrechterhaltung des status quo und Pflege des Völkerbundgedankens sind die Thesen, von denen sich die sowjetische Außenpolitik ebenso leiten lässt wie die französische. Der sowjetisch-französische Beistandspakt von 193412 schafft ein Bündnisverhältnis zwischen den beiden Staaten und eröffnet der Sowjetunion die Möglichkeit zur Einmischung in die europäische Politik. 10 11 12
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Der Text ist am Seitenrand angestrichen. Der Text ist am Seitenrand angestrichen. So im Dokument; richtig: 1935.
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Die Sowjets setzten auf die Zusammenarbeit mit Frankreich weitgehende Hoffnungen. Diese Hoffnungen wurden bisher nicht erfüllt. Trotz wiederholter Bemühungen ist es der Sowjetunion nicht gelungen, den im Jahre 1934 abgeschlossenen sowjetisch-französischen Beistandspakt13 durch militärische Abreden auszubauen. Die militärische Fühlungnahme und Zusammenarbeit zwischen der sowjetischen und französischen Armee ist bis heute hinter den sowjetischen Erwartungen zurückgeblieben. Eine große Enttäuschung war es für Moskau, dass Frankreich die Wiederherstellung der deutschen Wehrhoheit, die Remilitarisierung der Rheinlande ebenso wie die anderen Aufkündigungen von Bestimmungen des Versailler Vertrages hinnahm, ohne wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, dass die Sowjets in allen diesen Fällen nach Kräften versucht haben, Frankreich zu militärischen Gegenmaßnahmen gegen Deutschland zu bewegen. Als unangenehm empfand man es in Moskau, dass Frankreich nach dem Besuch des Marschalls Rydz-Smigly in Paris Polen, mit dem sich die Sowjetunion schlecht steht, eine große Anleihe zur Verbesserung seiner Rüstungen gewährte. Auf wirtschaftlichem Gebiete hat die politische Annäherung zwischen der Sowjetunion und Frankreich zu keinerlei Ergebnissen geführt. Die reservierte Haltung Frankreichs gegenüber dem sowjetischen Liebeswerben lassen das französisch-sowjetische Verhältnis als eine kinderlose Vernunftehe erscheinen, die durch die gemeinsame Angst vor Deutschland zusammengehalten wird. Da die auf Frankreich gesetzten Hoffnungen sich bisher nicht erfüllten, war die Sowjetunion gezwungen, selber etwas zu tun. Das sowjetische Heeresbudget wurde von Jahr zu Jahr gesteigert. 1933 betrugen die Militärausgaben 2,2 Milliarden, 1934 2,8 Milliarden, 1935 8 Milliarden, 1936 14,8 Milliarden, 1937 20,1 Milliarden, d.h. eine Steigerung um das 10-fache in 5 Jahren. Die sowjetisch-englischen Beziehungen waren lange Zeit hindurch von gegenseitigem tiefem Misstrauen erfüllt. England sah in der kommunistischen Losung der Befreiung der kolonialen Völker eine gefährliche Wiederaufnahme der imperialistischen Expansionsziele des alten kaiserlichen Russlands in Asien mit anderen Mitteln, vor allem eine Bedrohung seiner Herrschaft in Indien von innen und außen. Auf Seiten der Sowjetunion bestand anfangs die Befürchtung, dass England eine Koalition zur Vernichtung des ersten kommunistischen Staates zustande bringen wolle. Seit einigen Jahren hat sich das sowjetisch-englische Verhältnis grundlegend gewandelt. Die Sowjetunion hat sich davon überzeugt, dass England nicht an eine Intervention denkt. Zwischen beiden Staaten bestehen zurzeit keine Interessengegensätze in Asien. Persien hat sich unter seinem jetzigen Schah14 von den früheren englischen und russischen Einflüssen frei gemacht und wacht eifersüchtig über seine Unabhängigkeit. England braucht nicht mehr zu befürchten, dass Persien sich zum sowjetischen Aufmarschgebiet gegen Indien hergibt. Auch Afghanistan verfolgt eine ähnliche Politik der Behauptung seiner Selbstständigkeit zwischen seinen beiden großen Nachbarn England und der Sowjetunion. In Sinkiang ist eine stillschweigende Aufteilung in Interessensphären zwischen England und der Sow13 So im Dokument; richtig: 2.5.1935. Vgl. Osteuropa 10 (1934/35), H. 9, S. 568–571; DVP, Bd. XVIII, Dok. 205, S. 309–312. 14 Reza Schah Pahlavi.
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jetunion in der Weise zu beobachten, dass die Sowjetunion den Norden von Sinkiang mit Urumtschi beherrscht, dagegen den südlichen, an Indien grenzenden Teil um Kaschgar und Yarkand nicht sichtbar unter ihren Einfluss zu bringen versucht. Während England in den Jahren 1926/27 in dem Bestreben der Sowjetunion, in China dem Kommunismus zum Siege zu verhelfen, – ich brauche Sie nur an die Tätigkeit der Sowjetrussen Blücher und Borodin zu erinnern – eine Gefährdung seiner großen wirtschaftlichen Interessen in China sah, wird heute Englands Stellung in China durch Japan, den machtpolitischen Gegner Russlands, bedroht. An Stelle der früheren Gegensätze ist im Fernen Osten eine Art von sowjetischenglischer Interessengleichheit getreten. Gestützt auf diese Gemeinsamkeit der Interessen hat es die Sowjetpropaganda – im Widerspruch zu der wirklichen Lage – verstanden, in England und in den Vereinigten Staaten Misstrauen gegen die Antikominternabkommen zu verbreiten und insbesondere zu behaupten, dass der Kampf gegen den Kommunismus nur ein Aushängeschild ist, das dazu dienen solle, die nicht nur gegen die Sowjetunion, sondern auch gegen England und Frankreich gerichteten imperialistischen Ziele der drei Unterzeichnerstaaten zu verschleiern. Auf dem Gebiet der europäischen Politik bemüht sich die Sowjetunion mit England möglichst gute und enge Beziehungen zu unterhalten. Die Sowjetunion legt vor allem deshalb so großen Wert auf ein gutes Verhältnis zu England, weil sie darin das beste Mittel sieht, um eine englisch-deutsche Annäherung zu verhindern. Aus denselben Erwägungen begrüßt die sowjetische Außenpolitik die englischfranzösische Entente, solange sich diese nicht im Sinne eines Ausgleiches mit Deutschland auswirkt. Eine französisch-englisch-sowjetische *Einheitsfront gegen die faschistischen Staaten ist das Ideal der sowjetischen Außenpolitik. Immer wieder versucht die Sowjetunion auf dieses Ziel hinzuarbeiten, indem sie England und Frankreich zu energischen Maßnahmen gegen die sogenannten Angreifer-Staaten Deutschland, Italien und Japan auffordert und dabei ihre Unterstützung zusagt.*15 Die Bestrebungen Englands, die bestehenden Gegensätze auszugleichen und bei allen Konflikten zu vermitteln sowie die ablehnende Haltung Englands gegenüber jeder Blockbildung in Europa rufen bei den Sowjets immer wieder Enttäuschung ja oft sogar die Befürchtung hervor, dass England einen Kompromiss mit den Gegnern der Sowjetunion schließen könnte. So verfolgt die Sowjetunion die Bemühungen Englands um das Zustandekommen eines neuen Westlocarnos mit starkem Argwohn, weil sie dadurch ihre Ausschaltung aus Europa befürchtet. Die englisch-sowjetischen Handelsbeziehungen haben durch die Gewährung eines 10-Millionen-Pfund-Kredites seitens Englands im Jahre 1936 eine starke Belebung erfahren. Eine noch größere Steigerung weist der Wirtschaftsverkehr zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion auf. Eine große Zahl von Sowjetwirtschaftlern und Ingenieuren befindet sich ständig zu Geschäfts- und Studienzwecken in den Vereinigten Staaten. Allgemein lässt sich sagen, dass die Vereinigten Staaten und England in erster Linie aus dem Rückgang des deutschsowjetischen Wirtschaftsverkehrs Vorteil gezogen haben. Im Hinblick auf den fernöstlichen Konflikt haben die Vereinigten Staaten an der Sowjetunion als Gegengewicht gegen die Expansion Japans im Raume des Stil15
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Der Text ist am Seitenrand angestrichen.
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len Ozeans erhebliches politisches Interesse. Im Übrigen beobachtet man in den Vereinigten Staaten die Entwicklung in der Sowjetunion vom Standpunkt eines interessanten Experimentes. Die Einstellung weiter Kreise in Amerika zu dem Problem Sowjetunion war bis vor kurzem sehr wohlwollend. Die Einführung der sogenannten demokratischen Sowjetverfassung und die Ankündigung geheimer Wahlen haben auf die liberalen Elemente Amerikas und ebenso auch Englands zweifellos zunächst eine starke propagandistische Wirkung zu Gunsten der Sowjetunion ausgeübt. Die Trotzkisten-Prozesse und die sich daran anschließende immer blutiger werdende Schreckensherrschaft Stalins haben dann sehr abkühlend gewirkt. Ganz allgemein möchte ich in diesem Zusammenhange darauf hinweisen, dass die Sowjetunion infolge der jüngsten Terrormaßnahmen in der ganzen Welt stark an spezifischem Gewicht verloren hat. Ich komme nun zur Haltung der Sowjetunion gegenüber Japan und China. Als die Japaner im Jahre 1931 in die Mandschurei eindrangen, hat die Sowjetunion dieses Vorgehen als einen Bruch der Verträge und als einen Gewaltakt bezeichnet, aber keinerlei Maßnahmen ergriffen, um den Japanern entgegenzutreten. Auch als es auf die vorwiegend der Sowjetunion gehörigen und von sowjetischem Personal betriebenen Ostchinesischen Eisenbahn zu immer zahlreicheren Zwischenfällen mit den japanischen Besatzungstruppen kam, wich die Sowjetunion nicht von ihrer nachgiebigen Haltung ab. Um einem Konflikt mit Japan auszuweichen, entschloss sich die Sowjetunion, die Ostchinesische Eisenbahn an Japan und Mandschukuo zu verkaufen. Durch Schaffung der von der Versorgung aus dem Innern Russlands unabhängigen Fernöstlichen Armee, durch Ausbau starker Feldbefestigungen an der mandschurischen Grenze, durch Anhäufung großer Mengen von Kriegsmaterial und Lebensmittelvorräten, Anlage von Eisenbahnen, Straße, Fabriken usw. sucht sich die Sowjetunion gegen einen möglichen japanischen Angriff zu schützen und sich die Freiheit des Handelns zu sichern. Der Abschluss eines Nichtangriffs- und Beistandspaktes mit der Äußeren Mongolei, die immer mehr zu einem Vasallenstaat Moskaus geworden ist, sollte der Flankendeckung der Sowjetunion gegen eine Expansion Japans in Richtung auf den Baikalsee dienen. Stalin erklärte hierzu ausdrücklich, dass jeder japanische Versuch, in die Äußere Mongolei einzudringen, den Krieg mit der Sowjetunion bedeuten würde. Die Sowjetunion schlug auch Japan den Abschluss eines Nichtangriffspaktes vor. Japan ging jedoch nicht auf dieses Anerbieten ein. Die zahlreichen Grenzzwischenfälle an der mandschurisch-sowjetischen Grenze, die zum Teil die Form von größeren Gefechten annahmen, wurden weder von der Sowjetunion noch von Japan dazu benutzt, um einen Krieg vom Zaune zu brechen. Dies war die Lage vor Ausbruch des gegenwärtigen chinesisch-japanischen Konfliktes. Die Frage drängt sich auf, ob die Sowjetunion auch weiterhin in Hinblick auf die veränderte Lage ihre defensive Haltung gegenüber Japan beibehalten oder aber die Gelegenheit benützt wird, um Japan auf dem asiatischen Festland zurückzudrängen. Die Sowjetunion hat stets die immerhin vorhandene Möglichkeit einer Einigung Japans mit China und der Einbeziehung Chinas in die antikommunistische Front als eine große Gefahr angesehen; China wäre damit zum Aufmarschgebiet gegen die Sowjetunion geworden, Japan hätte den Rücken freibekommen. Durch den Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen China und Japan ist
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diese Gefahr behoben. Der chinesisch-japanische Konflikt ist der Sowjetunion im höchsten Grade willkommen, da sich zwangsläufig der japanische Druck auf die Sowjetgrenzen vermindert. Die Sowjetunion glaubt, nunmehr auf lange Jahre hinaus nicht mit einem japanischen Angriff rechnen zu brauchen, da Japan selbst im Falle eines Sieges über China geschwächt und im Süden festgelegt sein wird. Die Sowjetunion ist aus machtpolitischen Erwägungen heraus daran interessiert, die Widerstandskraft Chinas nach Möglichkeit zu stärken, den Konflikt zu verlängern und Japan dadurch noch mehr zu schwächen. Da China nur dann mit Aussicht auf Erfolg dem japanischen Vorgehen Widerstand entgegensetzen kann, wenn es nicht zur selben Zeit gegen die kommunistischen chinesischen Truppen in seinem Rücken weiterkämpfen muss, hat die Sowjetunion einen Nichtangriffspakt mit China geschlossen.16 Dies hat dazu geführt, dass die roten chinesischen Truppen gemeinsam mit den Truppen der Nanking-Regierung unter dem Oberbefehl Chiang Kai-Sheks gegen Japan für die nationale Unabhängigkeit kämpfen. Anscheinend unterstützt die Sowjetunion China durch Kriegsmateriallieferungen. Welchen Umfang diese Lieferungen haben bzw. annehmen werden, ist besonders im Hinblick auf die Transportschwierigkeiten schwer abzuschätzen. Durch das Vorgehen der Japaner in Nordchina ist die Verbindung zwischen Äußerer Mongolei und China unterbrochen. Über Sinkiang dürfte zunächst nur die Lieferung von Flugzeugen und Piloten in Frage kommen. Im Übrigen steht für Waffensendungen wohl nur der Seeweg über Suez – nach dem englischen, der japanischen Blockade nicht unterworfenen – Honkong offen. Die chinesischen Banden in der Mandschurei, die den Japanern in letzter Zeit wieder erhebliche Schwierigkeiten bereiten, werden, wie auf der Hand liegt, von sowjetischer Seite unterstützt. Es ist aber einstweilen nicht anzunehmen, dass die Sowjetunion darüber hinaus in den fernöstlichen Konflikt aktiv eingreifen wird, da sie sich mit Rücksicht auf ihre innere Lage zur Führung eines auswärtigen Krieges zu schwach fühlt und befürchtet, dass ein kriegerisches Vorgehen gegen Japan Gefahren an ihren europäischen Grenzen *heraufbeschwören wird. Das Antikomintern-Abkommen wirkt sich hier zweifellos zu Gunsten Japans aus. Ein weiterer Grund für das Nichteingreifen der Sowjetunion liegt meiner Ansicht nach darin, dass die Sowjetunion keine eigentlichen Kriegsziele gegen Japan verfolgt, während die von ihr gewünschte Schwächung Japans schon durch den Krieg mit China in genügendem Maße herbeigeführt wird*17. Die Beziehungen der Sowjetunion zu Italien, die ursprünglich recht gute waren und von der Sowjetregierung mit Vorliebe als Beweis dafür angeführt wurden, dass die Sowjetunion auch zu den „faschistischen“ Staaten ein gutes Verhältnis anstrebe, haben sich im Verlaufe des abessinischen Krieges und dann vor allem infolge der spanischen Ereignisse immer mehr zugespitzt, bis jetzt der Anschluss Italiens an das deutsch-japanische Antikomintern-Abkommen zu einer weiteren Verschärfung geführt hat. Die sowjetisch-türkische Freundschaft ist in der Zeit entstanden, als beide Länder um ihre Unabhängigkeit kämpften. Ohne die sowjetische Rückendeckung 16 Vgl. Nichtangriffspakt zwischen China und der UdSSR vom 21.8.1937. In: Osteuropa 13 (1937/38), H. 1, S. 74–75; DVP, Bd. XX, Dok. 300, S. 466-468. 17 Der Text ist am Seitenrand angestrichen.
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wäre es der Türkei niemals gelungen, die Entente und Griechenland aus ihrem Lande herauszudrängen. Auch für die Sowjetunion war und ist noch heute ein gutes Verhältnis zur Türkei von außerordentlicher Bedeutung, da sich der Zugang zum Schwarzen Meer in den Händen der Türkei befindet und große Teile der Bevölkerung der an die Türkei grenzenden Transkaukasischen Sowjetrepubliken türkischer Abstammung sind. Die Freundschaft mit der Türkei ist für die Sowjetunion der wirksamste Schutz gegen eine türkische Politik der Irredenta in Transkaukasien. Im Verlaufe der letzten zwei Jahre trat eine merkliche Abkühlung in den freundschaftlichen Beziehungen der beiden Länder ein. Der Hauptgrund hierfür war das immer stärker hervortretende Bestreben der türkischen Außenpolitik nach größerer Unabhängigkeit. Dieser Drang zur Selbstständigkeit trat zum ersten Male in die Erscheinung, als die Türkei ohne vorherige Anfrage bei der Sowjetunion das auch vom sowjetischen Standpunkt so wichtige Meerengen-Problem aufwarf und auf der Konferenz von Montreux18 die Wiederherstellung ihrer Souveränität und militärischen Oberhoheit über die Meerengen erreichte. Die neue Freundschaft mit England hat der türkischen Politik eine stärkere Unabhängigkeit und Bewegungsfreiheit gegeben. Die Sowjetunion muss sich heute mit England in die türkische Freundschaft teilen und sich damit abfinden, dass die türkische Außenpolitik nicht mehr allein bei ihr Rückendeckung sucht. Jedes Anzeichen einer Vertiefung der deutsch-türkischen Beziehungen erweckt ebenso den Argwohn Moskaus wie die Bemühungen Italiens, die bestehenden italienisch-türkischen Streitfragen zu bereinigen. Trotz dieser Änderungen in der Struktur der türkisch-sowjetischen Freundschaft wird die Tatsache, dass angesichts der langen ungeschützten türkischsowjetischen See- und Landgrenze die Sowjetunion als Gegner eine Gefahr, als Bundesgenosse dagegen eine wertvolle Flankendeckung und gewichtige Hilfe im Konflikt mit anderen Mächten bedeuten kann, nach wie vor für das sowjetischtürkische Verhältnis maßgeblich sein. Auch im Donau-Raum und auf dem Balkan hat die Sowjetpolitik in letzter Zeit an Boden verloren. Die gemeinsam mit Frankreich verfolgten Pläne, die auf eine weitere Einkreisung Deutschlands in jenen Gegenden hinausliefen, scheiterten. Bekanntlich sind die Sowjetunion und Frankreich durch Beistandspakt verpflichtet, der Tschechoslowakei im Falle eines Angriffes Hilfe zu leisten, wobei an einen deutschen Angriff gegen die Tschechoslowakei gedacht ist. Die praktische Möglichkeit einer sowjetischen Hilfeleistung an die Tschechoslowakei ist dadurch eingeschränkt, dass die Sowjetunion mit der Tschechoslowakei keine gemeinsame Grenze besitzt. Die Bestrebungen Frankreichs und der Sowjetunion gingen daher darauf aus, diese fehlende Bindung durch die Einschaltung Rumäniens in das Paktsystem herzustellen. Dieses Ziel wollte man auf zwei Wegen erreichen. Einmal sollte Rumänien mit der Sowjetunion einen Nichtangriffs- und Beistandspakt abschließen und die Verpflichtung übernehmen, gegebenenfalls sowjetischen Trup18 Am 20.7.1936 wurde mit dem Vertrag von Montreux eine neue internationale Vereinbarung über die Nutzung der Meerengen des Schwarzen Meeres getroffen. Die Nutzungsrechte der Anrainerstaaten für die zivile Schifffahrt in Friedenszeiten wurden gestärkt. Die Türkei erhielt das Kontrollrecht über Militärschiffe in Friedenszeiten sowie die gänzliche Kontrolle der Meerengen im Falle eines Krieges.
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pen das Durchmarschrecht nach der Tschechoslowakei zu gewähren. Der rumänische Außenminister Titulescu war geneigt, auf diese Pläne einzugehen. Die Verhandlungen über einen derartigen Pakt waren bereits weit gediehen, als Titulescu gestürzt wurde. Vor allem unter dem Einfluss des rumänischen Königs19 hat Rumänien begonnen, sich von der Sowjetunion zu distanzieren und im Gegensatze zu der Politik Titulescus die alten, stark vernachlässigten Beziehungen zu Polen wieder zu beleben. Auch der zweite Weg – die Einbeziehung der Kleinen Entente in das sowjetisch-französisch-tschechoslowakische Paktsystem – führte zu keinem Erfolg. Die Mitglieder der Kleinen Entente – Rumänien, Jugoslawien, Tschechoslowakei – haben bekanntlich die Verpflichtung, sich im Falle eines Angriffes von Seiten Ungarns gegenseitig Hilfe zu leisten. Die Bemühungen Frankreichs, die von Benesch und Litwinow lebhaft unterstützt worden, liefen darauf hinaus, das Vertragsinstrument der Kleinen Entente zu einem allgemeinen Beistandspakt auszubauen, der die drei Mitglieder in jedem Falle eines Angriffs, nicht nur von Seiten Ungarns, sondern auch von Seiten eines dritten Staates zur Hilfeleistung verpflichtet. Praktisch würde dies bedeutet haben, dass im Falle eines deutschen Angriffs auf die Tschechoslowakei Rumänien und Jugoslawien zum Beistand verpflichtet gewesen wären. Wie Sie wissen, ist dieser Plan des Einbaues der Kleinen Entente in die Antideutsche-Front misslungen. Während somit die Sowjetregierung kein Terrain gewonnen hat, konnten die Beziehungen Deutschlands zu Jugoslawien und zu Rumänien – vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet – mit Erfolg ausgebaut und vertieft werden. Die Atmosphäre zwischen der Sowjetunion und Polen ist, wie auf der Hand liegt, von starkem Misstrauen erfüllt. Der deutsch-polnische Ausgleich, die Wiederbelebung des rumänisch-polnischen Bündnisses, das gespannte Verhältnis Polens zur Tschechoslowakei und zu Litauen, die freundschaftlichen Beziehungen zu Estland und das Kulturabkommen mit Japan hielten den traditionellen Argwohn der Sowjetunion wach. Trotzdem verdient die Tatsache, dass sowohl die Sowjetunion als auch Polen die Verbündeten Frankreichs sind, unsere ernsteste Aufmerksamkeit. Den Baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen gegenüber sucht die Sowjetunion die Rolle einer Schutzmacht zu spielen, um sie aus ihrer Politik der Neutralität auf die Seite der Sowjetunion hinüberzuziehen. Die Sowjetunion lebt in ständiger Furcht, dass die Baltischen Staaten in eine allzu große Abhängigkeit von Deutschland geraten und sich zum Aufmarschgebiet gegen die Sowjetunion hergeben könnten. Das mit Polen und Finnland befreundete Estland verhält sich diesen Versuchen gegenüber am ablehnendsten, Lettland hält zwar ebenfalls an dem Prinzip der Neutralität zwischen seinen beiden großen Nachbarn fest, im Verhältnis zur Sowjetunion tritt bei Lettland jedoch immer wieder die Tatsache in Erscheinung, dass weite Schichten Lettlands kulturell stark prorussisch beeinflusst sind und dass dort das Misstrauen und die Abneigung gegen alles Deutsche tief eingewurzelt sind. Während des Memelkonfliktes hatte es den Anschein, als ob es der Sowjetunion gelingen würde, gegenüber Litauen die Stellung einer Schutzmacht zu gewin19
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nen, da Litauen im Hinblick auf seine gespannten Beziehungen zu Polen und Deutschland auf die sowjetische Rückendeckung angewiesen war. Mit der Beilegung des Memelkonfliktes entfiel für Litauen die Notwendigkeit einer stärkeren Anlehnung an die Sowjetunion. Die Sowjetunion benutzt jede Gelegenheit, um die guten Beziehungen zwischen der Roten Armee und den Armeen der Baltischen Staaten zu betonen. Diesen Zwecke dienten die Besuchsreisen der Baltischen Generalstabschefs nach Moskau im Jahre 1936 und der kürzliche Gegenbesuch des Marschalls Jegorow in Kowno, Riga und Reval. Abordnungen der drei baltischen Armeen nahmen vor kurzem als Gäste an den großen Sowjetmanövern bei Minsk teil. Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es zwischen der Sowjetunion und den Baltischen Staaten und insbesondere zwischen der Sowjetunion und Litauen zu militärischen Abmachungen gekommen ist. Ob die Baltischen Staaten sich überhaupt jemals zu militärischen Abmachungen mit der Sowjetunion bereitfinden werden, ist unwahrscheinlich, da sie sich darüber im Klaren sind, dass – einmal zum sowjetischen Aufmarschgebiet geworden – sie die Geister, die sie riefen, nicht mehr los werden würden. Das sowjetisch-finnische Verhältnis war bis zum Frühjahr 1937 denkbar schlecht. Beide Seiten waren von einem tief eingewurzelten Misstrauen gegeneinander erfüllt, das nicht zuletzt auf die traditionelle Abneigung zwischen Finnen und Russen zurückzuführen ist; zahlreiche Zwischenfälle trugen dazu bei, die Lage weiter zu verschärfen. Als Folge der Reise des finnischen Außenministers Holsti nach Moskau im Februar d. J. trat eine gewisse Entspannung ein. Die Versuche der Sowjetunion, die skandinavischen Staaten für eine sogenannte aktive gegen Deutschland gerichtete Neutralitätspolitik zu gewinnen, blieben ohne jeden Erfolg. Die spanische Frage hat zum ersten Male die eigenartigen Überschneidungen in den Interessen der Sowjetregierung, der kommunistischen Partei der Sowjetunion und der Komintern in Erscheinung treten lassen. Vor allem ist der Gegensatz zwischen Stalin und der III. Internationale einerseits und Trotzki und der von ihm geschaffenen IV. Internationale andererseits in aller Schärfe zu Tage getreten. Die These Stalins von dem Aufbau des Sozialismus in einem Lande und die Trotzkis von der permanenten Revolution sind in Spanien zum ersten Male aus der Sphäre der theoretischen Erörterungen herausgetreten und haben sich in Kämpfe um die Macht umgesetzt, die besonders in Katalonien anscheinend noch immer nicht zum Abschluss gekommen sind. Um Ihnen diesen Gegensatz zwischen Stalin und Trotzki und seine inneren Gründe verständlich zu machen, muss ich weiter ausholen. In seinem Buche „La Revolution trahie“ beschuldigt Trotzki Stalin des Verrats an der russischen Revolution und an der Weltrevolution. Ähnlich wie die Oppositionellen in der kommunistischen Partei der Sowjetunion selbst wirft Trotzki Stalin die Einführung kapitalistischer Methoden und die Errichtung einer Diktatur aus persönlichem Machthunger vor; andererseits erklärt er, dass Stalin aus der Komintern ein Instrument sowjetischer Machtpolitik gemacht hat. Nach Trotzki hat der erste kommunistische Staat nämlich die „Sowjetunion“ mit allen Kräften dem einzigen Ziele der Komintern: der Weltrevolution zu dienen. Trotzki wirft Italien20 20
So im Text; richtig: Stalin.
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vor, dass er die Komintern zu einem willigen Werkzeug der selbstsüchtigen Außenpolitik der Sowjetunion „herabgewürdigt“ hat. War einst nach der Theorie Lenins die Sowjetunion nur ein Mittel zum Zwecke der Weltrevolution und verkörperte sie nur die erste Etappe auf dem Wege der Revolutionierung der Welt, so ist heute nach Trotzki die Komintern in Umkehrung des früheren Verhältnisses ihrerseits ein Mittel zum Zwecke der Machtvergrößerung der Sowjetunion geworden. Nach der Auffassung Trotzkis wird die Komintern von Stalin dazu missbraucht, um die kommunistischen Parteien des Auslandes für die Interessen der Sowjetunion einzuspannen, wobei die Parolen der Weltrevolution und des Schutzes der Sowjetunion als der Vorkämpferin der Weltrevolution geschickt zur Tarnung der egoistischen Ziele der Sowjetunion verwandt werden. Ebenso beschuldigt Trotzki Stalin, die Lehren Lenins und Marx‘ auf dem Gebiete der innersowjetischen Kultur- und Wirtschaftspolitik zu verraten und sie nur noch als Aushängeschild beizubehalten, um desto ungestörter seine eigene persönliche Diktatur an die Stelle der Diktatur des Proletariats zu setzen. Wie unangenehm Stalin diese Anschuldigungen von Seiten Trotzkis sind und für wie gefährlich er sie hält, zeigt der Verlauf der Trotzkisten-Prozesse mit aller Deutlichkeit. In ihnen schleudert Stalin die gegen ihn gerichteten Beschuldigungen verdoppelt und verdreifacht zurück. Wenn Trotzki ihn als einen Verräter an der Weltrevolution bezeichnet und ihm die Einführung kapitalistischer Methoden vorwirft, so brandmarkt Stalin Trotzki als gemeinsten Vaterlandsverräter, der mit Hilfe des Faschismus den Kapitalismus in der Sowjetunion wieder einführen will. Hier Verräter der Weltrevolution, dort Vaterlandsverräter. Wie eine Ironie des Schicksals mutet es an, wenn heute die Anhänger der IV., den Anschauungen Trotzkis nahestehenden Internationale gegen die III. Internationale ähnliche Anklagen erheben wie einst Lenin gegen die opportunistischen Führer der II. sozialdemokratischen Internationale. Die von der Komintern gepredigte Losung der Bildung von Volksfronten zum Kampfe gegen den Faschismus wird von Trotzki und den Anhängern der IV. Internationale als Verrat an der Weltrevolution angeprangert. Nach Abschluss des gegen Deutschland gerichteten französisch-sowjetischen Paktes hat Stalin – so argumentieren sie – aus Gründen der russischen Staatsraison ein Interesse daran, dass der französische Bundesgenosse in seiner politischen und militärischen Bedeutung nicht geschwächt wird. Darum erhielten die französischen Kommunisten von der Komintern die Order, die Regierung Blum und deren Militärpolitik zu unterstützen; dem Kreml liegt nichts an einer Schwächung der Schlagkraft der französischen Armee durch kommunistisch-pazifistische Verseuchung. Als ebensolchen Verrat bezeichnen die Anhänger der IV. Internationale die von Moskau ausgegebene Parole des Zusammenschlusses aller chinesischen Parteien zu einer nationalen Front im Kampfe gegen Japan. Nach ihrer Auffassung verzichtet Moskau auf die kommunistische Linie in China, um Japan, den machtpolitischen Gegner der Sowjetunion, durch die Bildung eines geeinten Chinas Schwierigkeiten zu bereiten und um dadurch den japanischen Druck auf die Sowjetgrenzen zu vermindern. Am stärksten aber ist die Empörung des Trotzkismus über das Verhalten der Sowjetunion in der spanischen Frage. Sie werfen Stalin vor, dass er die spanische Volksfrontregierung – eine „Kerenski-Regierung“ – unterstützt anstatt mit allen
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Mitteln auf ihren Sturz und die echt kommunistische Revolution hinzuarbeiten. Als ein Treppenwitz der Weltgeschichte wird es von ihnen bezeichnet, dass die Sowjetunion, auf deren Banner die Parole der Weltrevolution steht, das Londoner Nichteinmischungsabkommen unterzeichnet und in die Kontrolle der spanischen Grenzen eingewilligt hat. Inwieweit die Vorwürfe der Trotzkisten, dass Stalin Verrat an der Weltrevolution übt, gerechtfertigt sind oder nicht, mag dahingestellt bleiben, zumal Stalin die gleichen politischen Ziele wie Trotzki, nur mit anderen gefährlicheren Mitteln verfolgt; der von manchen Seiten geäußerte Gedanke, dass die Sowjetregierung eines Tages auf die Komintern verzichten wird, ist zweifellos nicht zutreffend. Die Sowjetregierung wird schon deshalb nicht verzichten, weil sie damit die Möglichkeit verlieren würde, durch die örtlichen kommunistischen Parteien die Politik anderer Staaten in ihrem Sinne zu beeinflussen. Die den Befehlen der Komintern folgenden ausländischen kommunistischen Parteien stellen im Kriegsfall einen nicht zu unterschätzenden Bundesgenossen im Rücken des Feindes dar. Welche Vorteile die Schaffung eigener Parteien in fremden Ländern bietet, lehrt die Geschichte. Richelieu und Mazarin griffen vermöge ihrer Parteigänger in Deutschland weitgehend in die Geschichte unseres Vaterlandes ein. Die preußischen, österreichischen und russischen Parteien auf den politischen Reichstagen bestimmten das Schicksal Polens. Abschließend möchte ich hervorheben, dass die Komintern als Organ Stalins heute ihre Hauptaufgabe in der Bekämpfung des Faschismus sieht, gleichzeitig aber in der Gestalt der IV. Internationale einen neuen Gegner erhalten hat. Zwangsläufig verlagert sich damit auch ihr Tätigkeitsfeld. Daher auch die veränderte Taktik der Komintern, die in der Volksfrontidee zum Ausdruck kommt. Ich fürchte, meine Herren, dass meine vorstehenden Ausführungen Ihnen ein wenig wie ein Mühlrad im Kopf herumgehen werden. Die mir gestellte Aufgabe umfasst einen so ungeheuren Stoff, dass es einfach unmöglich ist, in einem einstündigen Vortrag ein klares Bild zu geben. Ich will darum versuchen, zum Schluss in ein paar kurzen Sätzen Ihnen einen Leitfaden für das zu geben, was ich vorhin im Einzelnen mir auszuführen erlaubte. Die Sowjetunion hat aus dem Weltkriege und aus den sich daran anschließenden Interventions- und Bürgerkriegen zwei Erkenntnisse gewonnen. Ich möchte es dahingestellt sein lassen, ob diese Erkenntnisse sachlich begründet sind. Zweifellos liegen sie allem politischen Tun der Sowjetunion zu Grunde. Die erste Erkenntnis ist die, dass das kaiserliche Russland seine Niederlage im Weltkriege dem Mangel einer ausreichenden Kriegsindustrie verdankt hat. Pate bei dieser Erkenntnis hat die im Osten weit verbreitete Anschauung gestanden, dass die Überlegenheit der westeuropäischen Völker auf dem Besitz der Maschine beruht. Die zweite, halb aus Hochachtung, halb aus Furcht geborene Erkenntnis ist die von der unheimlichen Stärke des deutschen Volkes. Die erste Erkenntnis hat zu dem geschilderten Aufbau der sowjetischen Schwerindustrie geführt. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass auf diesem Wege in kurzer Zeit, allerdings auf Kosten des Wohlseins der Bevölkerung, sehr Erhebliches geleistet worden ist. Es ist ebenso sicher, dass noch unendlich viele Mängel bestehen und dass die Sowjetindustrie nicht in der Lage ist, den sehr erhöhten
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Bedürfnissen eines großen Krieges Genüge zu leisten. Ein Angriffskrieg der Sowjetunion wird daher von allen Sachverständigen für sehr unwahrscheinlich gehalten. Aus der Anbetung der Maschine erklärt sich im Wesentlichen auch die Umformung, d.h. Kollektivierung der sowjetischen Landwirtschaft. Man ist von der Anschauung ausgegangen, dass eine mechanisierte Landwirtschaft größere Erträge bringen muss als der primitive Ackerbau des russischen Muschiks. Mechanisierte Landwirtschaft kann nur auf größeren Grundflächen durchgeführt werden. Daher die Kollektivierung, d.h. die Zusammenfassung des gesamten Grund und Bodens einer Gemeinde zu einer landwirtschaftlichen Einheit, die natürlich gleichzeitig bezweckte, den Bauern zu proletarisieren und das Aufkommen jedes Kapitalismus auf dem Lande zu verhindern. Bisher sind die auf die Mechanisierung der Landwirtschaft gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt worden. Wesentlich höhere Ernteerträge als vor dem Weltkriege werden nicht erzielt. Daneben birgt die Kollektivierung zwei große Gefahren: Für den Kollektivbauern sind Kinder nicht mehr billige Arbeitskräfte, sondern unnütze Esser, sodass ein Rückgang der Landbevölkerung befürchtet werden kann. Ferner bedarf die mechanisierte Landwirtschaft bereits jetzt so große Mengen von Treibstoff, dass die eigene bedeutende Erdölproduktion des Landes der Nachfrage kaum noch Genüge leisten kann. Im Falle eines Krieges würden die Bedürfnisse des Heeres an Treibstoffen gewaltig wachsen. Dieser erhöhte Bedarf müsste vom Ausland eingeführt werden, da natürlich der Landwirtschaft, wenn man nicht verhungern will, der nötige Treibstoff belassen werden muss. Der als notwendig erkannte Aufbau einer Sowjetindustrie hat sehr bald bewiesen, dass das Ziel bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung sämtlicher marxistischer und kommunistischer Theorien unmöglich erreicht werden konnte. Man hat sich deshalb nicht gescheut, zahlreiche Grundsätze Karl Marx‘ und Lenins über Bord zu werfen. Dieses Über-Bord-Werfen hat wieder dazu geführt, dass eine deutlich sichtbare soziale Schichtung des Volkes entstanden ist. Es gibt wieder Reiche und Arme, Gebildete und Ungebildete, Mächtige und Bedrückte. Wird somit für das Auge vielfach der Eindruck hervorgerufen, dass sich die Sowjetunion auf dem Wege der Angleichung an westeuropäische Verhältnisse, auf dem Wege zu einer Verbürgerlichung befindet, so kann nicht stark genug unterstrichen werden, dass es sich bei alledem um minder Wichtiges handelt. Die 4 großen Grundpfeiler des Marxismus und des Kommunismus: die Gottlosigkeit, die Verstaatlichung sämtlicher Produktionsmittel, die Kollektivierung der Landwirtschaft und das Streben nach der Weltrevolution stehen unerschüttert da und kein Anzeichen besteht dafür, dass man beabsichtigt, sie umzustürzen. Das fünfte Dogma: Die Diktatur des Proletariats ist heutzutage wohl nur noch ein Aushängeschild; sie wird durch die Selbstherrschaft Stalins stark ausgehöhlt. Die zweite aus dem Weltkrieg gewonnene Erkenntnis, die von der Stärke des deutschen Volkes, hat zunächst auf die Politik der Sowjetunion geringeren Einfluss ausgeübt. Deutschland war waffenlos, von Feinden umgeben und zur Systemzeit der Sowjetunion nicht unfreundlich gesinnt. Das hat sich völlig geändert seit der Machtergreifung durch den Nationalsozialismus und seit dem Wiederaufbau unserer Wehrmacht. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Sowjetunion seitdem von starker Angst vor uns beherrscht wird. Es ist diese Angst gewesen, die zu dem sowjetisch-französischen und dem sowjetisch-tschechischem Beistandsvertrage geführt
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hat. Es ist diese Angst gewesen, die die Ihnen oben geschilderte gewaltige Erhöhung der sowjetischen Rüstungsausgaben veranlasst hat. Obwohl die Sowjetunion über sehr zahlreiche U-Boote, eine große Menge an Tanks und Flugzeugen verfügt, sollte nicht vergessen werden, dass die junge Sowjetindustrie den Anforderungen der so stark vergrößerten Wehrmacht noch wenig gerecht werden kann und dass die Sowjetunion wiederum auf den alten russischen Weg eingelenkt ist, durch die Quantität und nicht durch die Qualität zu wirken. Seit einiger Zeit bemerkt der Beobachter mit Erstaunen, dass wieder ein Sowjetpatriotismus gepflegt wird, der den internationalen Bestrebungen des Kommunismus zu widersprechen scheint. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass diese Wiedererweckung vaterländischer Gefühle in der Bevölkerung lediglich eine Maßnahme zur Stärkung des Wehrwillens der Nation ist und damit ebenfalls in das Aufrüstungsbestreben der Sowjetunion gehört. Die vorstehenden Dinge sind für das Auge des aufmerksamen Beobachters ohne weiteres erfassbar. Nicht so klar ist zu erkennen, worin die neue über die Sowjetunion dahingehende Terrorwelle ihren Ursprung hat und welches Ziel damit verfolgt wird. Die meisten Beobachter glauben, dass alle älteren Parteileute, die noch die Vorkriegszeiten und die Periode des reinen Kommunismus erlebt haben, sowie alle, die noch irgendwelche Beziehungen zu fremden Kulturen besitzen, sei es, dass sie als Ausländer in der Sowjetunion leben, sei es, dass sie Verwandte im Ausland haben – beseitigt oder unschädlich gemacht werden sollen. Der Zweck wäre, zu erreichen, dass dem sowjetischen Staatsangehörigen jede Vergleichsmöglichkeit genommen wird, sodass auch die geringste Besserung seiner schier unerträglichen Lage ihm als ein riesengroßes Gnadengeschenk des „gewaltigen“ Stalin erscheinen muss. Ob diese Auffassung zutrifft, kann nur die Zukunft lehren. Unleugbar aber ist, dass die noch immer andauernde Mord- und Verfolgungswelle den sowjetischen Staatsorganismus schwer erschüttert und das politische Gewicht der Sowjetunion schwächt. Es würde nicht weise sein anzunehmen, dass diese absteigende Entwicklung eine dauernde sein muss. Heute befindet sich die Sowjetunion politisch und wirtschaftlich auf dem Wege in ein Wellental. Was morgen sein wird, wird abgewartet werden müssen. Auf erstem Blatt oben Stempel: Geheim. PA AA, Moskau 215, Bl. 429977-430016. Kurzer Auszug veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. I, S. 729–730.
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Nr. 168 Rundschreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov Nr. 168 25. 11. 1937 25. 11. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 8 Nr. 157391 25.2 November 1937 AN DEN BEAUFTRAGTEN VERTRETER DES NKID BEI DER REGIERUNG DER GEORGISCHEN SSR3 DIPLOMATISCHEN AGENTEN DES NKID IN LENINGRAD4 „ „ IN ODESSA5 „ „ IN CHAR’KOV6 „ „ IN VLADIVOSTOK7 Im Zuge der abgeschlossenen Verhandlungen zwischen der Regierung der UdSSR und der deutschen Regierung zur Frage des Konsularnetzes8, schließt die deutsche Regierung die deutschen Generalkonsulate in Leningrad und Tiflis sowie die Konsulate in Char’kov, Vladivostok und Odessa. Alle genannten deutschen Konsulate beenden ihre Tätigkeit am 15. Januar 1938. Der Termin für die Auflösung der Konsulate ist zugleich auch der Termin für die Erledigung der persönlichen Angelegenheiten des Konsulatspersonals. Ab dem 15. Januar 1938 obliegt Ihnen die Aufgabe, die völlige Einstellung der Tätigkeit der oben aufgezählten fünf deutschen Konsulate zu gewährleisten. Insbesondere sind für diese fünf Konsulate die Versendung und der Empfang chiffrierter Korrespondenz zu unterbinden. Das Leitungspersonal der Konsulate und das gesamte Konsulatspersonal müssen am 16. Januar 1938 das Territorium der UdSSR verlassen haben. Ihr Verhalten gegenüber den aufzulösenden fünf deutschen Konsulaten sollte sich während der bevorstehenden zweimonatigen Frist dahingehend verändern, die Kontakte zu diesen fünf Konsulaten einzuschränken. Diese Kontakte sind vorrangig auf Angelegenheiten zu beschränken, die die Auflösung der Konsulate und die Beantwortung von Anfragen der Konsulate betreffen. Laut Vereinbarung mit der Deutschen Botschaft können die Konsulate ihren Besitz (Tische, Stühle, Schränke, Einrichtung usw.) über die Kommissionsgeschäfte verkaufen. Den örtlichen Behörden müssen Sie Weisung erteilen, diese Sachen in den Kommissionsgeschäften zum Verkauf entgegenzunehmen. 1 2 3 4 5 6 7 8
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Das Tagesdatum ist mit Tinte geschrieben. Marsel’ Izrailevič Rozenberg. Grigorij Isaakovič Vajnštejn. Im AVP RF konnten dazu keine Informationen ermittelt werden. Im AVP RF konnten dazu keine Informationen ermittelt werden. Aleksej Ivanovič Karpov. Vgl. Dok. 28, 66, 74, 76, 107, 117, 118, 120, 127, 147, 149, 156, 160, 165.
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Die Ausfuhr des persönlichen Eigentums des Konsulatspersonals wird durch unsere allgemeinen Zollbestimmungen geregelt. In dieser Hinsicht werden keinerlei Sondervergünstigungen gewährt. Davon ausgenommen ist lediglich das Eigentum, das seinerzeit ins Land mitgeführt worden ist. Dieses Eigentum kann ohne jegliche Einschränkung zurück ins Ausland mitgeführt werden, wie es in Artikel 7 des Konsularvertrages der UdSSR mit Deutschland vorgesehen und in der Sammlung der gültigen Verträge und Abkommen veröffentlicht ist.9 Sie müssen die Konsulate dabei unterstützen, Verpackungsmaterial, Lastkraftwagen, Benzin usw. zu bekommen und sie auch mit Eisenbahnfahrkarten zu versorgen. Hinsichtlich der Verkaufsprozedur bei den Automobilen der Konsulate wird die Protokollabteilung Sie zusätzlich informieren, die von der Zollverwaltung exakte Weisungen darüber erhalten wird, welche Kraftfahrzeuge zu welchem Preis und an wen verkauft werden können. Obgleich die Deutsche Regierung uns noch nicht mit der Frage der Ausfuhr des Geldes konfrontiert hat, das aus dem Verkauf der Sachwerte der Konsulate erzielt wird, erachten wir es für erforderlich, Ihnen für den Fall, dass diese Frage aufkommen sollte, mitzuteilen, dass die Ausfuhr der Valuta durch die Konsulate auf keinen Fall gestattet wird. Diese Frage wird durch unsere Valuta-Gesetzgebung geregelt werden. In sämtlichen Fällen, die über den Rahmen des vorliegenden Schreibens hinausgehen, berichten Sie der 2. Westabteilung des NKID. Es ergeht die Bitte, die zuständigen örtlichen Behörden vom Inhalt dieses Schreibens zu informieren. VOLKSKOMMISSAR
M. Litvinov
Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. [Die Exemplare] 1–5 an die Adressaten, das 6. [Exemplar] an Gen. Litvinov, das 7. an die Rechtsabteilung, das 8. zu den Akten der 2. Westabteilung. 22.XI.37. AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 1, l. 103–105. Kopie.
9 Vgl. Konsul’skij dogovor meždu Sojuzom Sovetskich Socialističeskich Respublik i Germaniej ot 12 oktjabrja 1925. In: Sbornik dejstvujuščich dogovorov, soglašenij i konvencij, zaključennych s inostrannymi gosudarstvami. Vypusk III: Dejstvujuščie dogovory, soglašenija i konvencii, vstupivšie v silu meždu 1 janvarja 1925 goda i 1 maja 1926, Moskva 1926, S. 21.
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Nr. 169 Aufzeichnung der Unterredung des kommissarischen Leiters der 2. Westabteilung im NKID Antonov mit dem deutschen Geschäftsträger in Moskau von Tippelskirch Nr. 169 26. 11. 1937 26. 11. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 1 Aus dem Tagebuch K.V. ANTONOVS Nr. 157421 26. November 1937 AUFZEICHNUNG DES GESPRÄCHS MIT DEM DEUTSCHEN GESCHÄFTSTRÄGER TIPPELSKIRCH, 22. November 1937 Ich ließ T[ippelskirch] kommen, um ihm die Antworten auf die von ihm im Gespräch am 16. November, Nr. 15719, aufgeworfenen Fragen2 mitzuteilen. 1. Ich teilte T. mit, dass der persönliche Besitz des Konsulatspersonals der aufzulösenden Konsulate gemäß unserer Zollbestimmungen und Artikel 7 der sowjetisch-deutschen Konsularkonvention aus der UdSSR ausgeführt werden kann.3 Es werden dem Konsulatspersonal keine Sondervergünstigungen für die Mitnahme des persönlichen Besitzes gewährt. T. nahm diese Mitteilung zur Kenntnis. 2. Ich teilte mit, dass das NKID die Beauftragten und diplomatischen Agenten des NKID vor Ort anweisen wird, den aufzulösenden Konsulaten bei der Bereitstellung von Verpackungsmaterialien und Transportmitteln für den Fall behilflich zu sein, falls die Konsulate mit ihren eigenen Kräften nicht in der Lage sein sollten, sich mit diesen Materialien und Mitteln zu versorgen. T. dankte für diese Mitteilung. 3. Ich teilte mit, dass den Beauftragten und diplomatischen Agenten vor Ort gleichfalls die Weisung erteilt werden wird, die aufzulösenden Konsulate bei der Beschaffung der erforderlichen Eisenbahnfahrkarten und bei der Abfertigung ihres Gepäcks für den Eisenbahntransport zu unterstützen. T. dankte für diese Mitteilung. 4. Zur Frage der Gebäude in Leningrad und Tiflis, die Eigentum der deutschen Regierung sind. Ich teilte T. mit, dass das NKID es nicht als zwingend erachte, der Botschaft irgendwelche Garantien hinsichtlich dieser Gebäude zu geben. Die Häuser verlören mit dem Auszug der Konsulate den Status exterritorialer Gebäude und würden in der gleichen Art und Weise unter Schutz genommen, wie dieser Schutz 1 2 3
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Vgl. Dok. 165. In Artikel 7 des Konsularvertrags vom 12.10.1925 heißt es u.a.: „Das Vermögen der nach Artikel 6 Abs. 1 befreiten Personen, soweit sie Angehörige des Entsendestaates sind, kann jederzeit und in jeder Form ein- und ausgeführt werden, es sei denn, dass es sich um Gegenstände handelt, deren Ein- und Ausfuhr nach der Gesetzgebung des Empfangsstaates verboten ist und für die Ein- und Ausfuhrbewilligungen nicht erteilt werden dürfen. […] Die Wiederausfuhr zulässigerweise eingeführter Gegenstände ist in jedem Falle gestattet.“ In: Reichsgesetzblatt 1926, Teil II, S. 63; Sbornik dejstvujuščich dogovorov, soglašenij i konvencij, zaključennych s inostrannymi gosudarstvami, Vyp. III: 1. Januar 1925-1. Mai 1926, Moskva 1932.
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jedem beliebigen Haus in dem jeweiligen Stadtgebiet gewährt werde. Die Botschaft könne selbst die Verwaltungsform für diese Häuser bestimmen (sie könne einem in der Stadt wohnhaften Deutschen oder sogar einem sowjetischen Staatsbürger eine Verwaltungsvollmacht ausstellen usw.). *Niemand habe die Absicht, das Eigentumsrecht der deutschen Regierung an diesen Häusern anzutasten. T. erklärte, dass es völlig ausreichend wäre, wenn wir das Eigentumsrecht der deutschen Regierung an diesen Häusern respektierten, weil durch den Tatbestand, dass diese Häuser der deutschen Regierung gehörten, für diese ein besonderes völkerrechtliches Statut geschaffen werde. Diese Häuser könnten nicht ohne das Einverständnis der deutschen Regierung enteignet, versteigert, an wen auch immer zur Nutzung überlassen werden. Da wir nicht beabsichtigten, das Eigentumsrecht der deutschen Regierung an diesen Häusern zu verletzen, erklärt T., dass er zu dieser Angelegenheit keine weiteren Forderungen hätte.*4 5. Ich teilte T. mit, dass in der zweimonatigen Frist, die für die Schließung der Konsulate gewährt werde, auch die Erledigung der persönlichen Angelegenheiten der Leiter der aufzulösenden Konsulate und ihres Personals eingeschlossen sei. Aus diesem Grund müssten die Konsuln und ihr Personal bereits am 16. Januar aus der UdSSR ausreisen. *T. erklärte, dass er diese Forderung zur Kenntnis nehme, jedoch mit ihr nicht einverstanden und der Ansicht sei, dass den Leitern der aufzulösenden Konsulate auf jeden Fall das Recht zugestanden werden müsse, nach der Auflösung der Konsulate für die Zeit in der UdSSR zu verbleiben, die für die Erledigung ihrer persönlichen Angelegenheiten unerlässlich wäre.* 6. T. fragte, wann und auf welche Weise der auszuweisende Mitarbeiter des Konsulats in Tiflis, Gilbert, der sich gegenwärtig in Haft befinde, aus der UdSSR ausreisen werde. T. gab vor, dass Gen. Stomonjakov angeblich zugesichert hätte, dass Gilbert aus der Haft entlassen werde und die gleiche Möglichkeit erhalte, wie dies im Fall von Krämer gehandhabt worden sei, aus der UdSSR ohne Bewachung auszureisen. Ich antwortete T., wenn Gen. Stomonjakov dies dem deutschen Botschafter5 zugesichert hätte, so werde dies auch so gemacht. T. erklärte jedoch, dass er es gern hätte, wenn ich überprüfen würde, ob unsere Organe, in deren Gewahrsam sich Gilbert befinde, in diesem Sinne instruiert worden wären. Ich sicherte zu, dies zu überprüfen. (Als T. gegangen war, rief ich Gen. Stomonjakov an und fragte ihn, ob er eine derartige Zusicherung dem deutschen Botschafter gegenüber abgegeben hätte. Gen. Stomonjakov erklärte, dass sich der deutsche Botschafter zweimal mit dieser Bitte an ihn gewandt hätte6, er ihm aber auf diese Bitten keine Antwort gegeben hätte. Die Antwort bezüglich der Ausreise Gilberts wurde der Deutschen Botschaft durch mich mitgeteilt.7 Somit hat T. mich in die Irre geführt.) 7. Ich teilte T. mit, dass das NKID der Einbeziehung der gesamten Ukraine in das Exequatur des Generalkonsuls in Kiev zustimme. 8. T. bat, die Entscheidung in der Sache des Austritts der Bürgerin Forner, der Ehefrau eines Mitarbeiters der Botschaft, aus der sowjetischen Staatsbürgerschaft zu beschleunigen. Ich wies T. darauf hin, dass ein Austritt aus der Staatsbürger4 Der hier und im Folgenden so gekennzeichneten Text wurde von Litvinov am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. 5 Friedrich Werner Graf von der Schulenburg. 6 Vgl. Dok. 127. 7 Vgl. Dok. 163.
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schaft mit einer ganzen Reihe von Formalitäten verknüpft sei, deren Ausführung recht viel Zeit erfordere. Ich versprach, die Abwicklung dieser Angelegenheit zu beschleunigen und mich mit der Konsularabteilung in Verbindung zu setzen. 9. T. beharrte darauf, die Erteilung des Einreisevisums für den Bürger Weiße, der für die Arbeit an der Botschaft abgeordnet sei, zu beschleunigen; seinen Worten zufolge ziehe sich die Visumerteilung bereits zwei bis drei Wochen hin. Ich sicherte zu, die Entscheidung dieser Angelegenheit durch die Konsularabteilung zu beschleunigen. 10. T. machte das NKID darauf aufmerksam, dass unsere Organe es in letzter Zeit ablehnten, das von der Botschaft für die in Haft befindlichen deutschen Staatsangehörigen gesandte Geld in Empfang zu nehmen. T. hinterließ zu dieser Angelegenheit eine Notiz8 zu einigen Fällen, in denen es abgelehnt wurde, das Geld auszuhändigen. T. frage, ob *dies eine Veränderung der bisherigen Praxis bedeute, die eine derartige Übermittlung von Geld erlaubt habe. Falls dies der Fall sein sollte, so bitte T. darum, Maßnahmen zur Beibehaltung der bisherigen Praxis zu ergreifen unter Hinweis darauf, dass sich eine Haftverschlechterung für deutsche Strafgefangene ungünstig auf die sowjetisch-deutschen Beziehungen auswirken könnte. T. deutete an, dass wir unsererseits auch daran interessiert wären, den in ausländischen Gefängnissen einsitzenden Strafgefangenen Unterstützung zu gewähren. Ich antwortete T., dass, soweit mir bekannt sei, von niemandem die Frage einer Änderung der bestehenden Praxis aufgeworfen worden sei. Die bestehende Praxis sehe die Möglichkeit vor, einzelne Bitten der Botschaft um Übermittlung von Geld abzulehnen und derartige Ablehnungen jedoch keine Ablehnung der bestehenden Praxis insgesamt bedeuteten. T. äußerte die Befürchtung, dass Ausnahmen das gesamte Prinzip zunichtemachen könnten, und bat für den Fall, dass sich solch eine Gefahr abzeichnen sollte, um ein Eingreifen des NKID in diese Angelegenheit.* Kommissarischer LEITER DER 2. WESTABTEILUNG, K. Antonov Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 3816 vom 26.11.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 Expl. *Das 1. [Exemplar] an Gen. Litvinov*9, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. nach Berlin, das 5. zu den Akten der 2. Westabteilung. 25.XI.37. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 44, l. 89–92. Original.
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Das Wort ist in Deutsch mit kyrillischen Buchstaben geschrieben. Der Text ist mit Tinte unterstrichen.
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Nr. 170 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov und an den Stellv. Volkskommissar Potemkin Nr. 170 28. 11. 1937 28. 11. 1937 GEHEIM Expl. 1 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Ausg.-Nr. 3321 Berlin, 28. November 1937 An den 1. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Gen. *LITVINOV*2 2. Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Gen. POTEMKIN Werte Genossen, da mich allerlei kleine Angelegenheiten in der Bevollmächtigten Vertretung (konsularische und wirtschaftliche Dinge usw.) in Beschlag nehmen, habe ich keine Möglichkeit, oft mit der Außenwelt zu kommunizieren. Hinderlich ist auch, dass ich, da ich fast nie an deutschen Empfängen teilnehme, mich nicht mit ausländischen Kollegen auf neutralem Boden treffen kann und so gezwungen bin, sie direkt aufzusuchen – womit jedoch kein Missbrauch betrieben werden darf. Die Abwesenheit des Presseattachés3 erschwert den Kontakt zu den ausländischen Korrespondenten. Aus diesem Grunde werde ich mich davor hüten, einen Bericht mit verallgemeinernden Schlussfolgerungen, die kaum zu überprüfen sind, in Angriff zu nehmen, und bin dazu genötigt, mich auf die Übermittlung von Rohmaterial in Form der in meinem Tagebuch festgehaltenen Gespräche zu beschränken. In diesem Brief will ich versuchen, die Eindrücke über die Ergebnisse des Besuchs von Halifax4 zusammenzufassen, die ich aufgrund von Gesprächen mit einzelnen „Kollegen“, mit Auslandskorrespondenten und dem Studium der Presse gewonnen habe. Dies ist der Versuch, die im Tagebuch festgehaltenen Informationen zu summieren und in eine Form zu bringen. *1) Die äußerlich etwas geringschätzige Haltung der Deutschen gegenüber dem Gast springt ins Auge. Ihm wurden nicht nur nicht die gebührenden Ehren und Aufmerksamkeiten erwiesen, sondern man erlaubte sich bisweilen einfach Taktlosigkeiten. Den Auftakt dazu machte das Parteiorgan „Nationalsozialistische Korrespondenz“*5, das sich in der Polemik mit dem „Evening Standard“ zu dem 1 2 3 4
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der Name ist mit Tinte unterstrichen. Andrej Andreevič Smirnov. Vgl. dazu Dok. 136, Anm. 5 sowie Dok. 176. Lord Halifax stattete in der zweiten Novemberhälfte 1937 auf Einladung von Göring Deutschland einen Besuch ab. Als offizieller Grund für den Besuch diente die Einladung zur Eröffnung der Internationalen Jagdausstellung in Berlin am 3.11.1937. 5 Der hier und im Folgenden so gekennzeichnete Text wurde von Litvinov am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen.
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Besuch einige äußerst scharfe Formulierungen erlaubte („wenn dem so ist, so wäre es für ihn besser gewesen, nicht zu kommen“, „Dschungel der britischen Politik“ usw.)6. Einen höchst ungehaltenen Leitartikel zu den Ergebnissen des Besuchs brachte der „Völkische Beobachter“ 7 . Über den Aufenthalt von Halifax wurde knapp informiert, ohne hinreichende Einzelheiten. Kein einziges großes Bankett wurde ihm zu Ehren gegeben, zu seiner Verabschiedung war keine offizielle Persönlichkeit auf dem Bahnhof erschienen. Doch die stärkste Brüskierung kam darin zum Ausdruck, dass man ihm zumutete, einen ganzen Tag für die Fahrt nach Berchtesgaden und zurück für ein zweistündiges Gespräch mit Hitler8 zu opfern, der es drei Tage nach der Abreise des Gastes für selbstverständlich hielt, nach Berlin zu fahren, um an dem Anti-Komintern-Bankett bei den Japanern teilzunehmen9. *2) Es wäre wohl kaum richtig, daraus auf irgendeine „Enttäuschung“ Berlins in Bezug auf die durchgeführte Aktion und die Politik Großbritanniens zu schließen. Als wichtigste Motive, die für eine solche Taktik in Betracht kommen, muss man das Bestreben ansehen, Italien zu beruhigen10, wo sich offenkundige Unzufriedenheit über den Besuch (der Artikel in der „Tribuna“ über die Annäherung an Frankreich) breitmachte, und auch einen beträchtlichen Teil der eigenen Parteikreise.* Der extreme Flügel (Goebbels, Rosenberg, Ribbentrop) brachte in dem propagandistischen Rausch im Zusammenhang mit dem Antikomintern-Pakt offen Unzufriedenheit mit dem *diplomatischen Zick-Zack-Kurs des Auswärtigen Amtes, das in Absprache mit dem Führer handelte, zum Ausdruck. Zur Beruhigung Italiens und um offenen Missstimmungen in den eigenen Reihen vorzubeugen, wurde offenbar auch entschieden, den äußeren Rahmen des Besuchs auf ein Minimum zu beschränken und ihm jeglichen Glanz zu nehmen. Dieser Methode sollte, so das Kalkül Berlins, auch auf London einen nützlichen pädagogischen Effekt ausüben* und den Deutschen eine günstigere psychologische Position bei dem bevorstehenden „Kuhhandel“11 verschaffen. Denkt bloß nicht, dass wir euch so nötig haben… *3) Es steht außer Frage, dass es den Deutschen und den Engländern dieses Mal gelungen ist, ihre Auffassungen über die Perspektiven ihrer Beziehungen in einer recht offenen Weise auszutauschen und einen Ausgangspunkt für weitere Gespräche zu sondieren. Einigen Äußerungen zufolge ist Halifax in der gleichen Stimmung abgereist, wie, soweit man dies beurteilen kann, die Stimmung auch bei den Deutschen ist. Was Italien betrifft, so konnten die Deutschen auch hier nicht besonders viel verlieren, im Gegenteil, sie strebten offenbar an, ihren Preis in die Höhe zu treiben und von Italien zusätzliche Zugeständnisse zu bekommen.* 6 Vgl. „Ungeeignete Methoden“. In: Nationalsozialistische Partei-Korrespondenz vom 16. November 1937, S. 4a-4b sowie „Reise oder Expedition?“ In: Nationalsozialistische ParteiKorrespondenz vom 17. November 1937, S. 1. 7 Wahrscheinlich ist gemeint: „Nach dem Halifax-Besuch“. In: Völkischer Beobachter vom 21. November 1937, S. 1. 8 Das Gespräch Hitlers mit Halifax fand am 19.11. statt. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. 1, Dok. 31, Anl. S. 46–56. 9 Am 28.11. fand in der Botschaft Japans in Berlin ein Empfang anlässlich des 1. Jahrestages der Unterzeichnung des Antikomintern-Paktes statt. 10 Am 20.11. empfing von Neurath den italienischen Botschafter Attolico, um ihn in groben Zügen über das Gespräch Hitlers mit Halifax zu informieren, und am 22.11. schickte Neurath dem deutschen Botschafter in Italien von Hassell eine ausführliche Information zwecks Weiterleitung an Mussolini. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. 1, Dok. 33, S. 56–59. 11 Das Wort ist in Deutsch mit kyrillischen Buchstaben geschrieben.
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*4) In diesem Zusammenhang erlangen die nicht enden wollenden und sich in letzter Zeit sogar verstärkenden Gerüchte über bevorstehende „Veränderungen“ in Österreich eine besondere Bedeutung im Sinne einer Annäherung Wiens an eine Situation, die mit derjenigen Danzigs vergleichbar ist. Hier gibt es verschiedene Varianten: Schuschnigg zu entfernen, ihn auf den Präsidentenposten zu setzen, einige Nazis in die Regierung aufzunehmen (worüber hier Anfang November der Österreicher Schmidt12 gesprochen hatte). Die Gerüchte reichen bis hin zu Vorhersagen über den Zeitpunkt der bevorstehenden „Veränderungen“ (Anfang bis Mitte Dezember).* Es ist noch zu früh, um auf deren völlige Glaubwürdigkeit schließen zu wollen, doch dass sie nach dem Besuch Mussolinis13 und verstärkt nach dem Gespräch von Halifax mit Hitler auftraten, spiegelt zweifellos in gewisser Weise die Gesprächsinhalte wider. *5) Weniger eindeutig sind die Gerüchte zur Tschechoslowakei. Hier überwiegt die Version, Halifax hätte Hitler angeblich mit der Erklärung eine Abfuhr erteilt, dass sich England in dieser Frage nicht von Frankreich loslösen könne. Dazu ist zu bemerken, dass die antitschechische Propaganda der Goebbels-Organe in letzter Zeit zwar nicht eingestellt, jedoch etwas leiser wurde.* *6) Die Kolonien nahmen, den Gerüchten nach zu urteilen, in den Gesprächen keinen besonders exponierten Platz ein (anfangs gab es Informationen, wonach überhaupt nicht beabsichtigt war, über die Kolonien zu sprechen). Über die Kolonien sprach mit Halifax nicht so sehr Hitler, als vielmehr Göring. Hitler kam auf dieses Thema in seiner Augsburger Rede14 zu sprechen, als er als Frist für die Rückgabe der Kolonien 6 Jahre ansetzte. Die Deutschen bezogen in dieser Frage offenbar eine Maximalposition nach dem Prinzip: das Recht auf alle Kolonien und Nachgiebigkeit in der Praxis (eine faktische Rückgabe wird auf eine mehr oder weniger lange Bank geschoben). Offenbar spielen die Kolonien eine Rolle als Köder* in der Argumentation der Engländer, um den Deutschen die Möglichkeit einer teilweisen Befriedigung ihrer Forderungen nach Kolonien als Kompensation für entsprechende Zugeständnisse anzudeuten. Umgekehrt neigen die Deutschen dazu zu bekräftigen, dass sie sich nicht mit einer teilweisen Rückgabe der Kolonien zufriedengeben und alle beanspruchen. Aber diese Forderung trägt im jetzigen Stadium eher den Charakter der Einschüchterung Englands als eines eigenständigen Anspruchs. *7) Eine wesentliche Rolle in den Gesprächen spielten offenbar Fragen allgemeiner Art: die Engländer beharrten auf dem Problem einer Rückkehr Deutschlands in den Völkerbund (indem sie eine Reform der Satzung, insbesondere in Teilen des Artikel 1615 in Aussicht stellten), auf Rüstungsbeschränkung, dem Ab12 13
Gemeint ist der Staatssekretär im Außenministerium Österreichs Guido Schmidt. Mussolini hielt sich vom 25. bis 29.9.1937 zu einem offiziellen Besuch in Deutschland auf. Vgl. ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 568; ebd., Ser. D, Bd. 1, Dok. 1, 2. 14 Am 21.11.1937 hielt Hitler eine Rede in Augsburg anlässlich der Feierlichkeiten zum 15jährigen Bestehen der Ortsgruppe der NSDAP. Vgl. „Der Führer bei seinen alten Mitkämpfern“. In: Völkischer Beobachter vom 22. November 1937, S. 1–2. 15 Artikel 16 der Satzung des Völkerbundes definierte die Maßnahmen, die die Mitglieder dieser Organisation gegenüber einem Bundesmitglied anwenden sollten, welches entgegen den Verpflichtungen der Satzung zum Kriege überging. In diesem Fall werde es „ohne weiteres so angesehen, als hätte es eine kriegerische Handlung gegen alle anderen Bundesmitglieder begangen“. In: Reichsgesetzblatt 1919, Friedensvertrag, S. 733–735, hier S. 733. Versal‘skij
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schluss eines Westpaktes usw.* Die Deutschen traten ihrerseits mit der Idee eines bilateralen Abkommens hervor und erreichten, dass England in gewisser Weise seine Solidarität mit der Antikomintern-These bekundete. Beide Seiten beschnupperten sich auf diesem Gebiet offenbar eher, als dass sie sich zu irgendetwas halbwegs Konkretem verständigt hätten. *8) Es bleibt unbekannt, was Halifax Hitler zu Osteuropa, und insbesondere zur UdSSR, geantwortet hat. Gespräche zu diesem Thema wurden geführt, und selbstverständlich in einer für uns ungünstigen Ausrichtung. Die hiesigen baltischen Kollegen zeigen die ganze Zeit offenkundige Besorgnis, obgleich sie, genau wie auch ich, nichts Konkretes wissen. Man kann sich jedoch ohne Mühe ausmalen, was Hitler erreicht hat. Halifax nahm die Wünsche Hitlers offenbar als diskussionswürdig zur Kenntnis und fuhr damit zurück nach London, ohne eine konkrete Antwort zu geben. Dies ist aber lediglich ein allgemeiner Eindruck, den man überprüfen muss. Das konkrete Vorgehen Deutschlands in Osteuropa zeugt jedenfalls von dessen verstärkter Aktivität in dieser Richtung: der fast vollendete Abschluss der Hitlerisierung Danzigs und die Zuspitzung der Beziehungen zu Litauen in der Frage der Gebietsabtretung im Memelgebiet sind die wahrnehmbarsten Symptome in dieser Hinsicht.* 9) In direktem Zusammenhang zu der andauernden Aktivität Deutschlands an der außenpolitischen Front und in Richtung einer beschleunigten Kriegsvorbereitung steht die schließlich doch vollzogene Entlassung von Schacht16. Eigentlich ist dies kein Ereignis und schon gar keine Neuigkeit, da bereits seit über 3 Monaten Gerüchte darüber im Umlauf waren. Ich habe diese, soweit ich mich erinnere, Anfang September (wenn nicht gar früher) in meinem Tagebuch vermerkt, wobei ich Funk als den wahrscheinlichsten Nachfolger benannte. Die Tatsache, dass nicht nur einfach die Entlassung stattfand, sondern anstelle von Schacht ausgerechnet Funk ernannt worden ist, beweist, dass der Beschluss zur Ablösung von Schacht längst gefasst war und auf Drängen Hitlers zunächst bis zur Ankunft Mussolinis und dann bis zur Beendigung der Aktion mit Halifax und den Ungarn17 verschoben wurde. Der Sinn dieser Veränderungen ist Ihnen klar und es ist nicht nötig, darauf einzugehen. *Weniger bestimmt, aber deshalb nicht weniger typisch, sind die in letzter Zeit erneut aufkommenden Gerüchte über eine mögliche Entlassung von Neurath18, dem angeblich die Mission zugefallen sei, „zerschlagenes Porzellan zu kitten“ (so seine eigene Formulierung) und der durch Ribbentrop ersetzt werden soll. Wenn es dafür noch keine konkreten Anzeichen gibt, so zeugt allein die Existenz derartiger Gerüchte davon, in welcher Richtung man hier die deutsche Außenpolitik in Zukunft zu sehen geneigt ist. Auf jeden Fall verbleibt nach der Beseitigung des Anflugs einer Selbständigkeit und des schwachen Widerhalls des alten Wirtschaftssysmirnyj dogovor (Der Versailler Friedensvertrag), pod. red. Ju.V. Ključnikova, A. Sabanina, Moskva 1925, S. 11–12. 16 Schacht wurde am 26.11.1937 von seinem Posten als Reichswirtschaftsminister entlassen. 17 Vom 19. bis 25.11.1937 besuchte eine ungarische Regierungsdelegation unter der Leitung von Premierminister Darányi Deutschland. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. V, Dok. 148, 149, 152. 18 Von Neurath wurde am 4.2.1938 von seinem Posten als Reichsaußenminister entlassen.
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2. 12. 1937 Nr. 171 tems, die es unter Schacht gab, vielleicht als einziges Ministerium (die Reichswehr lasse ich beiseite), dass sich ein gewisses Maß an alten Traditionen erhalten konnte und deshalb immer stärker in Konflikt mit der jetzigen Praxis gerät, das Auswärtige Amt. Man kann deshalb ohne sonderliche Mühe annehmen, dass sein Umbau im Geiste der Ideen von Goebbels und Ribbentrop immer mehr auf die Tagesordnung gesetzt werden wird. Aber dieses Problem ist nicht sonderlich akut, da sich Hitler selbst direkt in die Außenpolitik einmischt und die Rolle Neuraths in der Außenpolitik nicht mit dem Einfluss zu vergleichen ist, den Schacht in der Wirtschaft besaß.* Mit kameradschaftlichem Gruß G. Astachov Rechts befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 3888 vom 1.12.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. [Die Exemplare] 1 und 2 an die Adressaten, das 3. [Exemplar] zu den Akten. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 43, l. 161–166. Original.
Nr. 171 Aufzeichnung der Unterredung des kommissarischen Leiters der 2. Westabteilung im NKID Antonov mit dem deutschen Geschäftsträger in Moskau von Tippelskirch Nr. 171 2. 12. 1937 2. 12. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 1 AUS DEM TAGEBUCH K.V. ANTONOVS Nr. 157901 2. Dezember 1937 AUFZEICHNUNG DES GESPRÄCHS MIT DEM DEUTSCHEN GESCHÄFTSTRÄGER TIPPELSKIRCH, 1. Dezember 1937 1. Unter Hinweis darauf, dass ich im letzten Gespräch seinen Antrag abgelehnt hätte, *unseren Behörden ein allgemeines Rundschreiben zur Verbesserung der Lage der nach der Reduzierung des deutschen Konsularnetzes in der UdSSR verbleibenden deutschen Konsulate zuzustellen, und die Zusicherung aufgreifend, dass wir konkrete Beschwerden der Deutschen Botschaft hinsichtlich der Lage der Konsulate prüfen würden, erklärte T[ippelskirch], dass er vom Generalkonsul in Kiev2 eine Beschwerde darüber erhalten habe, dass unsere Organe in letzter Zeit alle Besucher, die im Kiever Generalkonsulat erschienen, verhaften und festhalten würden. So seien festgenommen worden: die Milchhändlerinnen, der Fleischer, 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Wilhelm Großkopf.
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der Frisör, die Arbeiter, die für die Reparatur des Daches gerufen worden seien, und die Ehefrauen von verhafteten deutschen Bürgern*3, die zum Konsulat gekommen wären, um die Ausreisemöglichkeiten nach Deutschland zu klären. T. bat darum, Maßnahmen zur Einstellung dieser Praxis zu ergreifen. Ich antwortete, dass ich mich in dieser Angelegenheit mit den zuständigen Behörden in Verbindung setzen würde.4 2. T. warf erneut die Frage der Ausweisung von Gilbert auf.5 Ich teilte T. mit, dass Gen. Stomonjakov– entgegen dem, was mir T. gesagt habe – gegenüber Schulenburg keinerlei Zusicherungen bezüglich des Ausreiseverfahrens für Gilbert abgegeben hätte. (Schulenburg hatte Gen. Stomonjakov darum gebeten, Gilbert auf die gleiche Verfahrensweise auszuweisen, wie dies bei Krämer gehandhabt geworden sei, d.h. dass er aus der Haft entlassen und ihm eine bestimmte Frist für die Ausreise aus der UdSSR gesetzt werde.6) T. bemerkte, dass Schulenburg ihn so über sein Gespräch mit Gen. Stomonjakov informiert hätte. T. bat um Aufklärung, wie es um die Ausweisung von Gilbert zum jetzigen Zeitpunkt bestellt sei. Ich sicherte ihm zu, dies zu tun. 3. Als T. über die Ausweisung von Krämer sprach, hob er zu einer Beschwerde wegen der schlechten Behandlung an, der die aus der UdSSR ausgewiesenen Gerndt7 und Krämer ausgesetzt gewesen wären, und erklärte, dass man bei den Verhören Gerndt ins Gesicht geschlagen und Krämer bei den Verhören mit dem Tod gedroht hätte. Ich unterbrach diese Beschwerden und sagte T., dass der Umgang der deutschen Behörden mit den Seeleuten der „Komsomol“ und der „Smidovič“, die man ungeachtet dessen, dass sie in Deutschland nicht wegen irgendwelcher Straftaten gegen den deutschen Staat verhaftet worden seien, durch deutsche Gefängnisse gezerrt habe, denselben negativen Eindruck auf unsere Behörden gemacht habe.8 T. erklärte, dass ihm darüber nichts bekannt wäre und begann sich damit zu rechtfertigen, dass die örtlichen Behörden nicht immer auf der Höhe der Situation stünden und sich angesichts der Lektüre in den Zeitungen über die zahlreichen Verhaftungen deutscher Staatsbürger möglicherweise gegenüber sowjetischen Staatsbürgern, die sich in ihrer Gewalt befänden, nicht richtig verhielten. 4. T. bat aufgrund einer Vollmacht darum, sich um die Rückgabe des Eigentums zu kümmern, das Gilbert gehöre. Ich sagte T. noch einmal, dass das Eigentum, das bei Gilberts Verhaftung beschlagnahmt worden sei, zugleich mit der Haftentlassung ausgehändigt werde, und über das Eigentum, das sich in der Wohnung Gilberts befinde, könne letzterer verfügen, indem er einer Person seines Vertrauens eine Vollmacht ausstellt. 5. T. sprach die Ausreise aus der UdSSR der in Odessa inhaftierten und der Spionage beschuldigten Bürgerin Elsa Liebmann9 an. Zu diesem Fall sagte ich T., dass nach den uns vorliegenden Informationen bereits 45 in der Ukraine inhaftierte deutsche Staatsangehörige aus Kiev ausgewiesen worden seien. Außerdem hätten 3 4 5 6 7 8 9
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Der Text ist mit blauem Farbstift angestrichen. Vgl. Dok. 180. Vgl. Dok. 163. Vgl. Dok. 113, 115. Vgl. Dok. 116, Anm. 4. Vgl. Dok. 138. Vgl. die Rückkehrer-Vernehmungsakte in: PA AA, R 152110A.
2. 12. 1937 Nr. 171 wir bereits 7 Pässe von auszuweisenden deutschen Staatsangehörigen an die Botschaft zur Visaeinholung geschickt, und heute würden wir noch 10 Pässe auszuweisender Deutscher an die Botschaft schicken. Somit hätten wir in den letzten 1 ½ bis zwei Wochen bereits mehr als 60 Ausweisungen inhaftierter deutscher Staatsangehöriger zu verzeichnen. T. erklärte, dass er über diese Tatsache sehr erfreut sei, erinnerte jedoch daran, dass nach den der Botschaft vorliegenden Informationen gegenwärtig ungefähr 520 Deutsche in sowjetischen Gefängnissen einsäßen. 6. T. bat um Unterstützung bei der Beseitigung der Schwierigkeiten, die im Zusammenhang mit der Auflösung des Konsulats in Vladivostok bestünden. Seinen Worten zufolge bestünden die Schwierigkeiten darin, dass das Deutsche Konsulat keine Möglichkeit hätte, seinen Besitz zu veräußern. Ich antwortete T., dass wir auf Antrag des diplomatischen Agenten in Vladivostok10 die Kommissionsgeschäfte angewiesen hätten, die dem Deutschen Konsulat gehörenden Dinge anzunehmen. 7. T. teilte mit, dass das Deutsche Konsulat in Vladivostok die Verfügungsvollmacht für drei Häuser besitze, die aus der UdSSR ausgereisten deutschen Staatsangehörigen gehörten, und diese Häuser vor der Auflösung des Konsulats zu verkaufen wünsche. Ich antwortete, dass in dieser Angelegenheit von uns entsprechende Weisungen für einen möglichen Erwerb dieser Häuser ergehen werden, sobald eine Abmachung über die Verkaufsmodalitäten vorliege. 8. Abschließend brachte T. erneut die sich häufenden Ablehnungen unserer Organe zur Sprache, für inhaftierte deutsche Staatsangehörige bestimmte Gelder entgegenzunehmen. Insbesondere in Char’kov gäbe es 21 Fälle von Ablehnung. T. bat erneut darum, die Frage der Beibehaltung der bisherigen Praxis der Entgegennahme von Geld aufzugreifen und hinterließ in dieser Angelegenheit eine Note. KOMMISSARISCHER LEITER DER 2. WESTABTEILUNG Antonov Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 3909 vom 2.12.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. *Litvinov*11, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. nach Berlin, das 5. zu den Akten der 2. Westabteilung. 1.XII.37. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 44, l. 93–95. Original.
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Aleksej Ivanovič Karpov. Der Name ist mit Tinte unterstrichen.
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Nr. 172
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Nr. 172 Aufzeichnung der Unterredung des kommissarischen Leiters der 2. Westabteilung im NKID Antonov mit dem Legationsrat in Moskau Hilger Nr. 172 7. 12. 1937 7. 12. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 5 Aus dem Tagebuch K.V. ANTONOVS Nr. 158191 7. Dezember 1937 AUFZEICHNUNG DES GESPRÄCHS MIT DEM RAT DER DEUTSCHEN BOTSCHAFT HILGER, 5. Dezember 1937 Auf dem Empfang bei Schulenburg trat H[ilger] an mich heran und bat darum, eine dringende Sachfrage besprechen zu dürfen. H. sagte, dass es um die letzte in der UdSSR verbliebene deutsche Konzession „Leo-Werke“ ginge. Der Kernpunkt der Angelegenheit bestünde in Folgendem: Die Konzession „Leo-Werke“, die in der UdSSR Zahnpasta produziere und verkaufe, besitze mit Glavkoncesskom2 einen Vertrag, der erst 1941 auslaufe. Die Konzession habe in Moskau ein kleines Werk, in dem 80 Personen beschäftigt seien. In den letzten drei Jahren seien der Tätigkeit der Konzession allerlei Hindernisse in den Weg gelegt worden. Insbesondere sei es den Konzessionären in diesen Jahren nicht gelungen, auch nur eine einzige Kopeke von dem erzielten Gewinn ins Ausland zu transferieren. Vor einem Jahr hätten die Konzessionäre Verhandlungen zur Liquidierung der Konzession aufgenommen 3 und dem Konzessionskomitee den Vorschlag unterbreitet, die Konzession gegen Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 500.000 Goldrubel, was dem Gegenwert von ungefähr 1 Million deutscher Mark entspräche, aufzulösen. Glavkoncesskom hätte sich zur Zahlung von lediglich 200.000 Goldrubeln (ungefähr 400.000 deutsche Mark) bereit erklärt. Die Konzessionäre hätten sich damit einverstanden erklärt, jedoch sei kein Vertrag in schriftlicher Form aufgesetzt worden und den Vertretern der Konzession sei zugesagt worden, einen Vertragsentwurf nach Berlin zu schicken. Jedoch hätten die Konzessionäre den Entwurf des Liquidationsvertrages bis jetzt nicht erhalten, und die Konzession sei im vergangenen Jahre neuen Belastungen ausgesetzt gewesen. Es seien zwei in Moskau wohnhafte Vertreter der Konzession verhaftet worden, von denen der eine bereits nach Deutschland ausgewiesen worden sei, der andere befinde sich aber, laut H., offenbar in Haft. Die Konzession sei von zwei deutschen Meistern geführt worden, die im Namen der Konzessionäre den Kontakt zu Glavkoncesskom aufrechterhalten hätten. In diesen Tagen sei beiden Meistern angeraten worden, aus der UdSSR abzureisen. Ein Meister sei bereits abgereist, der zweite, dessen Namen H. mir telefonisch durchgeben 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Glavnyj koncessionnyj komitet po razmeščeniju inostrannogo kapitala na territorii SSSR i zaključeniju vsjakogo roda koncessij pri Sovete Narodnych Komissarov = Hauptkomitee für Konzessionen zur Anlage von Auslandskapital in der UdSSR und zum Abschluss von Konzessionen aller Art beim Rat der Volkskommissare 3 Die Verhandlungen zur Liquidierung der Konzession „Leo-Werke“ begannen 1935. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 257, S. 761.
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7. 12. 1937 Nr. 172 werde, müsse am 11. Dezember abreisen. Die erste Bitte von H. bestünde darin, diesem Meister die Aufenthaltsfrist bis zur Liquidierung der Konzession zu verlängern. Anfang Dezember sei ein Vertreter der Konzession zwecks Verhandlungen mit Glavkoncesskom nach Moskau gekommen. Die Verhandlungen würden in allernächster Zeit aufgenommen. Laut den H. vorliegenden Informationen würde Glavkoncesskom, das sich bereit erklärt hatte, 200.000 Rubel zu zahlen, diese Rubel jedoch nach dem neuen Kurs berechnen; auf diese Weise würden die Deutschen ungefähr 90.000 Mark anstatt der Million erhalten, die sie gefordert hätten, und anstatt der 400.000, auf die sie sich geeinigt hätten. H. bemerkt, dass die sowjetischen Organe bei der Liquidierung der anderen deutschen Konzessionen ein Höchstmaß an gutem Willen gezeigt hätten und die Liquidierung der Konzessionen wäre vollkommen korrekt durchgeführt worden.4 H. erklärt, er wolle nicht, dass die Liquidierung der letzten deutschen Konzession von einem „Skandal“ begleitet werde. H. bemerkte beiläufig, dass ihn persönlich die momentanen Beziehungen zwischen Deutschland und der UdSSR schwer zu schaffen machen würden, weil er an den sowjetisch-deutschen Beziehungen in der Rapallo-Periode aktiven Anteil genommen hätte.5 Auf seinem Posten verbliebe er allein deshalb, weil er der Ansicht sei, dass die momentanen Beziehungen vorübergehender Natur wären, weil Deutschland und Russland aufgrund ihrer geografischen und wirtschaftlichen Lage dazu bestimmt wären, im besten Einvernehmen zu leben. In Erwartung einer Veränderung der jetzigen Situation sehe er seine Pflicht darin, alles zu tun, damit die Beziehungen nicht grundlos noch mehr verschärft würden. Auf die Konzessionsfrage zurückkommend bat H. das NKID darum, sich für den Verhandlungsverlauf zur Liquidierung der Konzession zu interessieren und die Regelung dieser Angelegenheit auf der Grundlage eines gütlichen Einvernehmens beider Seiten zu unterstützen.6 K. Antonov Entscheidung mit blauem Farbstift: Gen. Puškin hat den Fortgang der Angelegenheit zu verfolgen. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Litvinov, das 2. an Gen. Pot[emkin], das 3. an Gen. Stom[onjakov], das 4. nach Berlin, das 5. zu den Akten der 2. Westabteilung. 7.XII.37. AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 2, l. 217–218. Kopie.
4 Zum Verlauf der Liquidierung der deutschen Konzessionen in der UdSSR im Jahr 1933 vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 1, Dok. 62, 181, 276, 289, 413. 5 Gustav Hilger leitete seit Januar 1923 die Wirtschaftsabteilung der Deutschen Botschaft in der UdSSR. 6 Der Vertrag über die Liquidierung der deutschen Konzession „Leo-Werke“ (Laboratorium Leo) wurde am 14.1.1938 unterzeichnet. Vgl. AVP RF f. 82, op. 22, p. 73, d. 13, l.1.
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Nr. 173 Schreiben des Leiters des Sonderreferats Deutschland/Information der Auslandsvertretungen im AA Hinrichs an das Gestapa Nr. 173 8. 12. 1937 8. 12. 1937 Berlin, den 8. Dezember 1937 Geheim! Abschrift Angabe Auswärtiges Amt 84-48 7/12 An das Geheime Staatspolizeiamt Der hiesige Sowjetrussische Geschäftsträger1 hat im Auswärtigen Amt Folgendes zur Sprache gebracht: 1.) Bei dem Transport der Besatzung des Sowjetdampfers „Komsomol“ von Spanien nach Deutschland sei von der Geheimen Staatspolizei während des Aufenthalts der Russen in Deutschland (Lingen) versucht worden, zwei Mitglieder der Besatzung zu überreden, sich für Aufgaben der Geheimen Staatspolizei zur Verfügung zu stellen und zu diesem Zweck in Deutschland zu bleiben. 2.) Ein ähnliches Angebot sei kürzlich zwei weiblichen Angestellten der Handelsvertretung namens Mikadse und Nikulina-Popowa im Anschluss an eine Vernehmung im Polizeirevier Nr. 156 gemacht worden. Der Geschäftsträger bat, auf eine Abstellung solcher Einwirkungsversuche auf Sowjetstaatsangehörige hinzuwirken. Das Geheime Staatspolizeiamt darf ich um Mitteilung über den Sachverhalt bitten. Bei den Vorstellungen des Sowjetrussischen Geschäftsträgers handelt es sich vermutlich um eine sowjetrussische Gegenaktion gegen die deutsche Beschwerde wegen der von der GPU erpressten Verpflichtungserklärung des deutschen Maschinisten Karl Anders, auf die sich mein an Abteilung II des Geheimen Staatspolizeiamts gerichtetes Schreiben vom 21. Oktober d. J. – Pol. V 6578 – bezog. Im Auftrag gez. Hinrichs PA AA, Moskau 380, o. P., 1 Bl.
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Georgij Aleksandrovič Astachov.
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Nr. 174 Aufzeichnung der Unterredung des Leiters der Wirtschaftsabteilung im NKID Rozenbljum mit dem Legationsrat in Moskau Hilger Nr. 174 10. 12. 1937 10. 12. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 1 Wirtschaftsabteilung Nr. 301611 10. Dezember 1937 AUFZEICHNUNG DES GESPRÄCHS des Gen. Rozenbljum mit dem Handelsrat der Deutschen Botschaft Hilger vom 8. Dezember 1937 Ich empfing Hilger auf dessen Bitte in Anwesenheit des Gen. Reznik. *1. H[ilger] führte aus, dass sich die Deutschen sowohl in Berlin als auch in Moskau bereits im Juli an das NKVT und an die Handelsvertretung gewandt hätten, um auf die Notwendigkeit aufmerksam zu machen, in Verhandlungen zu einem Wirtschaftsabkommen für 1938 einzutreten.*2 Sowohl in Berlin als auch in Moskau (Nepomnjaščij und Levin) habe man ihnen mit dem Hinweis auf fehlende Weisungen geantwortet. In jüngster Zeit gäbe es in Berlin Schwierigkeiten bei der Unterbringung der Aufträge, deren Auslieferung 1938 abgeschlossen werden müsse (das Abkommen für 1937 sieht bekanntlich die Bezahlung in Mark nur bis Ende Februar **1938** 3 vor). Anfangs hätten die Deutschen auf Bezahlung derjenigen Aufträge, für die die Bezahlung ab März **1938**4 in Valuta vorgesehen ist, in Valuta bestanden. Wir hätten dies abgelehnt. Mašinoimport habe eine Formulierung bezüglich der Bezahlung für solche Aufträge in einer Markform vorgeschlagen (gemeint sind spezielle Markformen wie Scrip5, Sperrmark usw.), die unseren Organisationen zum Zeitpunkt der Zahlungsfrist zur Verfügung stünden. Nach einem gewissen Schwanken hätten die Deutschen diese Formulierung angenommen, jedoch habe der geschäftsführende Handelsvertreter in Berlin, Gen. Smolenskij, unlängst erklärt, dass er auch auf der **Basis**6 dieser Formulierung Verträge nicht abschließen könne. Was das Abkommen betreffe, so rede sich Gen. Smolenkij nach wie vor mit fehlenden Weisungen heraus. Im Zusammenhang damit habe Berlin bereits Anfang November H. beauftragt, Levin und Nepomnjaščij aufzusuchen und von ihnen Auskünfte zu unseren Vorschlägen sowohl zu den Verhandlungen als auch zu den laufenden Aufträgen einzuholen. H. könne jedoch weder Levin noch Nepomnjaščij im NKVT erreichen, man sage ihm, dass sie sich im Urlaub befänden.7 Gen. Kaminskij, bei 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der hier und im Folgenden so gekennzeichneten Text wurde von Litvinov am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. 3 Die Jahreszahl ist über die Zeile geschrieben. 4 Die Jahreszahl ist über die Zeile geschrieben. 5 Talon bzw. Gutschein als Ersatz für ein gesetzliches Zahlungsmittel. 6 Das Wort ist über die Zeile geschrieben. 7 Levin war am 22.10.1937 verhaftet worden, Nepomnjaščij war offensichtlich im November 1937 von seinem Posten als Handelsvertreter in Deutschland entlassen worden. Zu
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dem H. seit dem 11. November um ein Treffen nachsuche, lehne es bislang ab, ihn zu empfangen. Somit sei H. nicht in der Lage, seinen Auftrag im Vneštorg vorzutragen, weil er keinen Ansprechpartner habe. Er fahre in den nächsten Tagen nach Berlin und bitte, ihm bis dahin eine beliebige Antwort über mich oder im Vneštorg zu geben, da er doch nicht in Berlin berichten könne, dass er den Auftrag deshalb nicht ausgeführt habe, weil er in Moskau mit niemandem habe sprechen können. Ich sagte, da die Wirtschaftsverhandlungen mit Deutschland aufgrund ihres rein kommerziellen Charakters in den letzten Jahren ausschließlich vom NKVT und der Handelsvertretung geführt worden seien, sei ich über die Fragen, die bei diesen Verhandlungen eine Rolle spielten, nicht sonderlich im Bilde. Deshalb könnte ich H. keine Antwort zur Sache geben. Was die Frage bezüglich eines Treffens anbelange, so könne ich ihm sagen, dass Gen. Kaminskij in letzter Zeit außerordentlich beschäftigt sei und es deshalb selbst mir nur mit Mühe gelänge, mich hin und wieder mit ihm zu treffen. Auf jeden Fall würde ich Gen. Kaminskij anrufen und klären, ob er ihn in nächster Zeit aufsuchen könne.8 Falls Gen. Kaminskij bis jetzt noch keine Weisungen bezüglich der Verhandlungen haben sollte, könne er ihm natürlich nichts anderes antworten, als dass er keine Weisungen habe. *2. H. trug mir unter vielem Wenn und Aber (er verstehe, dass er mir keine offizielle Demarche vortragen könne, da wir keine vertraglichen Beziehungen bezüglich des Transits hätten) eine Mitteilung des Auswärtigen Amts Deutschlands vor, wonach wir, laut Information des deutschen Konsulats in Teheran, den Transit iranischer Waren durch die UdSSR nach Deutschland behindern würden.* H. fragte, ob man in dieser Angelegenheit nicht etwas unternehmen könnte. Ich sagte, dass mir nichts über diese Behinderungen bekannt sei, und selbst wenn ich etwas wüsste, würde ich selbstverständlich zu diesem Thema nicht in Gespräche mit der Deutschen Botschaft eintreten, da die Frage des Transits iranischer Waren durch die UdSSR nur in den sowjetisch-iranischen Beziehungen zur Sprache gebracht und erörtert werden könne. Rozenbljum Für die Richtigkeit Sekretär der Wirtschaftsabteilung im NKID:
Pavlova
Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 34007 vom 11.12.1937. diesem Zeitpunkt untersuchte die Parteikontrollkommission des ZK der VKP (B) seinen persönlichen Fall unter Hinzuziehung von Materialien, die sie von der 3. Abteilung (Spionageabwehr) des NKVD der UdSSR erhalten hatte. Vgl. Lubjanka. Sovetskaja ėlita na stalinskoj golgofe. 1937–1938 (Die sowjetische Elite auf dem Stalinschen Golgatha), Archiv Stalina: Dokumenty i kommentarii, hrsg. von V. N. Chaustov, Moskva 2011, S. 426. 8 Am 15.12.1937 informierte Rozenbljum auf Anweisung von Litvinov Hilger über sein Telefongespräch mit Kaminskij, der ihm mitteilte, dass es bezüglich der Verhandlungen über ein Handels- und Wirtschaftsabkommen im Jahr 1938 „noch keinen Regierungsbeschluss gibt und das Volkskommissariat für Außenhandel keine Anweisungen hat“ (AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 7, l. 27). Die Resolution des Politbüros des ZK der VKP (B) über die Verlängerung des Handels- und Zahlungsabkommens zwischen der UdSSR und Deutschland von 1938 für 1939 wurde am 6.12.1938 angenommen. Politbjuro CK RKP (b)-VKP (b) i Evropa, Dok. 273, S. 365.
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Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 6 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Litvinov, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an die 2. Westabteilung, das 4. an das NKVT, Gen. Kaminskij, das 5. an die Bevollmächtigte Vertretung in Berlin, das 6. zu den Akten der Wirtschaftsabteilung. 10.XII.37. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 44, l. 109–111. Beglaubigte Kopie.
Nr. 175 Schreiben des kommissarischen Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Smolenskij an den Stellv. Volkskommissar für Außenhandel Merekalov Nr. 175 11. 12. 1937 11. 12. 1937 GEHEIM Ausgangs-Nr. 6511 11.12.37 An den Stellv. Volkskommissar für Außenhandel *Gen. A.F. MEREKALOV*2 Kopie an:
den Sektor für Handelsvertretungen Gen. KAMINSKIJ
Aus der beigefügten Kopie des Aktenvermerks, in der das Gespräch des kommissarischen Leiters der Exportabteilung Gen. Nejmark mit dem Leiter der Unterfachgruppe3 für Teppiche Dr. Gerig festgehalten ist, geht hervor, dass sich besagter Gerig in einem offiziellen Gespräch verleumderische Ausfälle an unsere Adresse erlaubte und er außerdem den Kauf von Teppichen von einer Einreisegenehmigung in die UdSSR für Firmen abhängig machte, die diesem Faschisten genehm sind. In dieser Angelegenheit habe ich den Entwurf eines Protestes an das Wirtschaftsministerium verfasst, den ich ebenfalls beifüge.4 Ich bitte, sich mit der Protokollnotiz und unserem Briefentwurf vertraut zu machen. Wenn Sie zustimmen, dass in dieser Angelegenheit ein schriftlicher Protest an das Wirtschaftsministerium notwendig ist, und Sie mit dem Text unseres Briefes einverstanden sind, bitte ich Sie, mir dies umgehend mitzuteilen, damit ich diesen Brief im Wirtschaftsministerium übergeben kann. KOMMISSARISCHER HANDELSVERTRETER DER UdSSR IN DEUTSCHLAND S.A. Smolenskij Anlage: Das Betreffende in 3 Blatt. (nur für Gen. Kaminskij) 1 2 3 4
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der Name ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Das Wort ist in Deutsch mit kyrillischen Buchstaben geschrieben. Wird nicht veröffentlicht.
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Anweisung A.F. Merekalovs mit Bleistift: an Gen. Kaminskij. Legen Sie Ihre Überlegungen zum 21/XII vor. 19/XII Merekalov. Vermerk A.N.Kaminskijs mit Bleistift: zu den Akten. AK[aminskij]. 29/XII. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel der Geheimgruppe des NKVT der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 8084/297 vom 15.12.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. 2 an den Adressaten, 1 [Exemplar] zu den Akten.
[Anlage 1] Berlin, 6. Dezember 1937 AKTENVERMERK Gespräch mit dem Leiter der Unterfachgruppe für Teppiche Dr. Gerig (in Anwesenheit von Gen. Vejnger) Am 6. Dezember 1937 habe ich per Telefon den Leiter der Unterfachgruppe Herrn Gerig zu mir gerufen. In dem Gespräch mit ihm wurde ihm erklärt, dass mir bekannt geworden sei, dass die Firma Alfandary5, ungeachtet der Tatsache, dass sie ein Einreisevisum für die UdSSR für die Qualitätsabnahme von Ware erhalten habe, nicht ausreisen könne, weil ihr die Erteilung der Devisengenehmigung zum Einkauf der Teppiche verweigert worden sei. *Herr Gerig antwortete mir, man habe die Vermutung, dass jüdische Firmen bei der Erteilung von Einreisegenehmigungen in die UdSSR bevorzugt würden und man verstünde natürlich, dass dies unserer politischen Ausrichtung entspringe, und dass jüdische Firmen von Raznoėksport ebenfalls im Sinne quantitativ höherer Warenlieferungen bevorzugt würden, d.h. wir würden jüdischen Firmen eine größere Warenmenge als nichtjüdischen Firmen anbieten, und, wie oben ausgeführt, jüdischen Firmen die Möglichkeit verschaffen, durch die Einreise in die UdSSR bessere Waren zu ordern. Er sei gleichfalls davon überzeugt, dass Raznoėksport Reste von übriggebliebenen minderwertigen Teppichen habe, die es loswerden und nur nach Deutschland verkaufen wolle. Er erklärte uns zugleich, dass man Wareneinkäufe ohne Inaugenscheinnahme nicht zulassen könne und deshalb darauf bestehe, dass allen Firmen die Einreisegenehmigung in die UdSSR erteilt würde.*6 Herr Gerig begründete seine Erklärung damit, dass er ein Telefongespräch mit Raznoėksport, mit Gen. Monakov, gehabt und letzterer ihm erklärt hätte, dass anderen Firmen angeblich keine Einreisevisa erteilt werden würden, und den Vorschlag gemacht hätte, dass die Firmen, **die keine Visa erhalten hätten**7, **Raznoėksport**8 beauftragen sollten, die Qualitätskontrolle der Teppiche9 durchzuführen. Nachdem ich Herrn Gerig angehört hatte, legte ich kategorisch Protest gegen seine haltlosen Auslassungen ein und erklärte, dass sein Vorgehen, d.h. der Firma 5 Die Firma Alfandary besaß in der Zimmerstraße 79–80 in Berlin einen Orientteppichhandel. Von den vier Brüdern waren 1935 noch drei als Geschäftsführer verzeichnet, sodass nicht gesagt werden kann, welcher der Brüder eine Einreisegenehmigung für die UdSSR erhalten hatte. Vgl. https://www.gedenktafeln-in-berlin.de/gedenktafeln/detail/gebruederalfandary/100 (letzter Zugriff: 21.11.2022) 6 Der Absatz ist mit rotem Farbstift am linken Seitenrand angestrichen. 7 Die Textstelle ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. 8 Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. 9 Nachfolgend ist durchgestrichen: für Alfandary.
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Alfandary, die bereits das Einreisevisum erhalten hatte, keine Devisengenehmigung zu erteilen, vollkommen unzulässig sei. Zugleich wies ich darauf hin, dass sich weder die Handelsvertretung noch Raznoėksport mit der Erteilung von Visa befassen. Ich bestand darauf, der Firma Alfandary die Genehmigung zum Einkauf der Teppiche zu erteilen und ihr zu ermöglichen, zur Übernahme der Waren, zumindest in der von uns der Firma Alfandary vorgeschlagenen Menge, in die Sowjetunion zu fahren. Darauf erklärte Herr Gerig kategorisch, dass wir entweder mindestens drei Firmen die Einreisegenehmigung in die UdSSR erteilen müssten, die bevollmächtigt wären, die Qualitätskontrolle der Waren durchzuführen, oder sie würden anderenfalls keiner einzigen Firma die Berechtigung erteilen, bei uns Teppiche zu kaufen. Ich erklärte ihm, dass ich, da er diese Frage derart unbegründet aufwerfe, unseren Handelsvertreter10 über dieses Gespräch in Kenntnis setzen würde. Aufschlussreich ist, dass er mir auf meine Bemerkung, dass die Firma Alfandary keine jüdische Firma sei, antwortete, Herr Alfandary (der die Einreisegenehmigung für die UdSSR erhalten hat) sei Türke, jedoch jüdischer Herkunft. 12. 12. 1937
Kommissarischer Leiter der Exportabteilung A. Nejmark Auf Kopfbogen der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland geschrieben. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2510, l. 20–23, hier l. 20–21, Original, Kopie.
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Nr. 176 Aufzeichnungen des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov Nr. 176 12. 12. 1937 12. 12. 1937 GEHEIM Expl. 1 Ausg.-Nr. 3421 Berlin, 12. Dezember 1937 Tagebuch G. Astachovs [...]2 10. Dezember. War bei Schliep (im Auswärtigen Amt), dem ich die Gen. Nikolaev und Smirnov vorstellte. Nach dem allgemeinen Gespräch teilte ich ihm mit, dass Jurenev nicht zurückkehrt und an seiner statt bald ein neuer Botschafter ernannt werden wird.3 Für Sch[liep] war dies eine Neuigkeit, und er fragte deshalb noch10
Semen Abramovič Smolenskij.
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Ausgelassen sind die Aufzeichnungen der Gespräche mit Diplomaten und Journalisten verschiedener Länder in der Zeit vom 4. bis 9.12.1937 (l. 167–175). 3 Der neue Bevollmächtigte Vertreter der UdSSR in Deutschland Merekalov wurde am 5.5.1938 vom Politbüro des ZK der VKP (B) bestätigt.
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mals nach. Danach teilte ich ihm den Namen des Matrosen von der „Komsomol“ mit (Matveev), dem die Gefängnisverwaltung in Lingen besondere Aufmerksamkeit widme. Schliep erinnerte seufzend erneut daran, dass sich ungeachtet der Ausweisungen die Gesamtzahl der in der UdSSR verhafteten deutschen Staatsbürger nicht verringere (die ganze Zeit über ca. 500 Personen). Ich sagte, dass dies selbstverständlich traurig sei, zumal es unseren Behörden keinerlei Freude bereite, Verhaftungen vorzunehmen und sie dazu wegen bestimmter Vergehen deutscher Staatsbürger gezwungen wären. Schliep bemerkte melancholisch, dass das Limit an Verhaftungen offenbar von dem Limit der deutschen Staatsbürger, die sich in der UdSSR aufhielten, bestimmt werde. Ich antwortete, dass das Limit von dem Verhalten deutscher Staatsbürger gegenüber dem Sowjetland, in dem sie sich aufhalten, bestimmt werde. Dieser Austausch von Höflichkeiten endete dennoch mit der zum Ausdruck gebrachten Hoffnung, dass früher oder später alles in Ordnung kommen werde. Als das Gespräch darauf kam, wem die neuen Genossen vorzustellen wären, und ich dabei (was Gen. Smirnov betrifft) auf Schönberg von der Presseabteilung (der Mitarbeiter Aschmanns für die UdSSR und andere Länder Osteuropas) verwies, sagte Schliep, dass Schönberg in zwei Wochen nach Saloniki abreisen werde, wohin er zum Generalkonsul berufen worden sei. Auf seinen Posten in der Presseabteilung werde der uns bekannte Sommer (der Leningrader) berufen. Als ob er von meiner Seite einen „Einspruch“ befürchte, fügte Sch. eilig hinzu, dass die Frage schon definitiv entschieden sei. (Im Zusammenhang damit wäre es wünschenswert, von Ihnen Anweisungen darüber zu erhalten, wie wir uns gegenüber Sommer zu verhalten haben, nachdem er auf diesen Posten gelangt ist. Wir werden selbstverständlich Treffen mit ihm aus dem Wege gehen, was angesichts der insgesamt schwachen Kontakte zwischen uns und den Deutschen wohl kaum besonders schwierig werden dürfte. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass die Deutschen uns diesen „Kontakt“ aufzwingen und uns in allen Pressefragen usw. zu Sommer schicken werden. Für diesen Fall wäre es wünschenswert, exakte Anweisungen zu haben.) Nach Schliep stellte ich die Genossen Nikolaev und Smirnov von Welck vor. Auf meine Frage, ob man sie dem Chef des Protokolls4 vorstellen müsse, teilte von Welck nach Klärung der Frage (am nächsten Tag) mit, dass man dies tun könne, jedoch bestünde dazu keine spezielle protokollarische Notwendigkeit. 11. Dezember. Einige Auslandskorrespondenten riefen an und baten um Bestätigung der Information über die Abberufung Jurenevs5, worüber DNB eine Meldung gebracht hatte (auf der Grundlage meines Gesprächs im Auswärtigen Amt am Tag zuvor). Ich bestätigte dies. Viele baten speziell darum zu präzisieren, ob es um die Abberufung Jurenevs als Person oder um den Botschafter generell ginge. Ich antwortete, dass es um Jurenev als Person ginge. Die DNB-Meldung erschien in den Abendzeitungen in hinlänglich korrekter Form. Mit niederträchtigen Kommentaren trat die „Nachtausgabe“ hervor, die seit dem Frühjahr das Thema Jurenev monopolisiert hatte. Die übrigen Abendzeitungen
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Vicco von Bülow-Schwante. Jurenev war am 23.9.1937 verhaftet worden.
Nr. 177 haben in der Mehrheit auf spezielle Kommentare verzichtet, von einigen Sticheleien der „Börsen-Zeitung“6 abgesehen. G. Astachov Oben befindet sich der Vermerk mit blauem Farbstift: MM. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 4050 vom 15.12.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. 7 Expl. an Gen. Litvinov, 1 Expl. zu den Akten. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 43, l. 167–177, hier l. 175–177. Original.
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Nr. 177 Schreiben des Militärattachés in Moskau Köstring an die Wirtschaftsabteilung der Botschaft in Moskau Nr. 177 12. 12. 1937 12. 12. 1937 Moskau, den 12.12.1937 An die Deutsche Botschaft – Wirtschaftsabteilung Moskau Unter Bezugnahme auf meine mündlichen Besprechungen mit dem Leiter der Wirtschaftsabteilung1 über die Auswertung der wöchentlichen Wirtschaftsberichte der Botschaft seitens meiner Behörde lege ich meinen Standpunkt wie folgt fest: 1) Das Reichskriegsministerium ist entscheidend daran interessiert, über alle Einzelheiten der wirtschaftlichen Entwicklung der UdSSR auf dem Laufenden zu bleiben, denn nur dadurch wird es in den Stand gesetzt, sich von dem Wehrpotential der UdSSR ein Bild zu machen. 2) Ich selbst bin nicht in der Lage, die zahlreichen einschlägigen Sowjetpublikationen zu verfolgen. 3) Ich weiß, dass es bei hiesigen Verhältnissen in den meisten Fällen nicht möglich ist, Pressemeldungen über Neubauten von Fabriken, Neukonstruktionen von Maschinen und die Entdeckung von Rohstoffquellen nachzuprüfen. Trotzdem lege ich größten Wert darauf, dass alle einschlägigen Meldungen registriert und mir für Zwecke der Wehrmacht zur Verfügung gestellt werden.2 4) Ich bitte die Wirtschaftsabteilung der Botschaft daher, bei der Abfassung ihrer wöchentlichen Berichte auch in Zukunft den vorstehenden Gesichtspunkten Rechnung tragen zu wollen. Köstring Generalleutnant 6 „Wo ist der Berliner Sowjetbotschafter? Mitteilung an das Auswärtige Amt: ‚Jureneff kommt nicht zurück!‘ “ In: Berliner Börsen-Zeitung vom 11. Dezember 1937, Abendausgabe, S. 1. 1 2
Gustav Hilger. Die Reichsstelle für Außenhandel hatte in einem Schreiben vom 29.10.1937 an die Deutsche Botschaft Zweifel an den Aussagen in den Wirtschaftsberichten, die sich auf Pressemitteilungen stützen, geäußert und um eine Stellungnahme gebeten; vgl. PA AA, Moskau II 299, Bl. 112.
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Nr. 178
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Eigenhändige Unterschrift. Auf Kopfbogen des Militärattachés an der Deutschen Botschaft geschrieben. PA AA, Moskau II 299, Bl. 111.
Nr. 178 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 178 13. 12. 1937 13. 12. 1937 Geheim Nr. 4 AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS Nr. 1414 [13.12.1937] GESPRÄCH MIT DEM DEUTSCHEN BOTSCHAFTER SCHULENBURG, 11. Dezember 1937 1. Schulenburg begann mit der Erklärung, dass er mit der beschleunigten Ausweisung von einer Reihe inhaftierter deutscher Staatsangehöriger aus der UdSSR sehr zufrieden sei. Jedoch würden, **erstens,**1 weitere Verhaftungen nicht eingestellt und gegenwärtig betrage nach ungefähren Berechnungen der Deutschen Botschaft die Anzahl der Verhafteten 500 Personen; zweitens werde ungeachtet der beschleunigten Ausweisung nach wie vor diese Maßnahme nicht auf eine Reihe von Personen angewandt, für die sich die Botschaft einige Male eingesetzt hätte. Zu dieser Kategorie zähle Schulenburg Kaiser, der sich bereits ein Jahr in Haft befinde, Maier, der in Leningrad verhaftete Fachmann für Körperkultur, die Eheleute Futterknecht, Demisch und Parthy 2 . Der Botschafter erneuere das Gesuch zu deren schnellstmöglicher Ausweisung mit der Bemerkung, dass er insbesondere zu Kaiser von Gen. Litvinov – angeblich – von der Möglichkeit gehört hätte, ihn ohne jegliche Verzögerung nach Deutschland zu schicken. 2. Nachdem Schulenburg die Angelegenheit der Inhaftierten und ihrer Ausweisung beendet hatte, erkundigte er sich, wo sich Gilbert zurzeit befinde, der aus Tiflis ausgewiesen sein müsste.3 Der Botschafter erläuterte, dass Gilbert bereits nicht mehr in Tiflis sei, sich jedoch auch noch nicht in Deutschland befände. Ich antwortete dem Botschafter, dass nach unseren Erkenntnissen Gilbert am 6. aus Tiflis in Begleitung von Agenten des NKVD abgereist sei und heute oder morgen die Grenze der UdSSR in Šepetovka passieren müsste.4 1 2 3 4
Das Wort ist über die Zeile geschrieben. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 570, Anm. 1; Dok. 577. Vgl. Dok. 163. Am 19.12.1937 fragte Schulenburg erneut bei Potemkin wegen des Aufenthaltsortes von Gilbert nach. Nach einer telefonischen Anfrage beim NKVD teilte Potemkin dem Botschafter mit, dass sich der aus der UdSSR ausgewiesene Mitarbeiter des Deutschen Konsulats in Tiflis allem Anschein nach „noch auf dem Weg befindet“. Darauf äußerte Schulenburg „seine Verwunderung für solch eine langsame Fahrt Gilberts auf dem Schienenweg“. Vgl. die Auf-
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3. Schulenburg erkundigte sich weiter, ob nicht dem ausgewiesenen Generalkonsul Sommer die Rückreise nach Leningrad genehmigt werden könne5, der es noch nicht geschafft hätte, seine persönlichen Angelegenheiten zu erledigen und die Versendung seiner Sachen nach Deutschland zu organisieren. Ich erklärte Schulenburg, dass ich es für absolut unmöglich hielte, diese Frage zu stellen und dem Botschafter den Rat gäbe, diese Frage nicht offiziell aufzuwerfen. Darauf entgegnete Schulenburg, dass er meinen Rat zur Kenntnis nehme. 4. Sodann erkundigte sich Schulenburg danach, ob der persönliche Besitz des Personals der zu liquidierenden Konsulate bei der Rückkehr dieser Personen nach Deutschland von der Verzollung befreit werde. Dabei stützte er sich auf die angeblich positiven Zusicherungen, die ihm Gen. Stomonjakov in dieser Hinsicht gegeben hätte. Ich antwortete Schulenburg, dass diese Frage, meinen Informationen zufolge, bereits als in dem von der Botschaft gewünschten Sinne geregelt betrachtet werden könne. 5. Der Botschafter teilte mir mit, dass es in Leningrad zwei Unterkünfte für betagte Personen gebe, die auf Kosten der deutschen Regierung unterhalten werden. Eine der Einrichtungen sei bereits aufgelöst worden, und die in ihr betreuten deutschen Staatsangehörigen seien bereits in die Heimat abgereist. Es verbliebe die andere Einrichtung dieser Art, die jedoch für Personen eingerichtet worden sei, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besäßen, jedoch entweder Verwandte in Deutschland hätten oder irgendwelche Verdienste gegenüber der deutschen Regierung vorweisen könnten. Zurzeit befänden sich 20 derartige Personen in dieser Leningrader Zufluchtsstätte. Der Botschafter stellt die Frage, ob es nicht möglich wäre, all diesen Personen die Ausreise nach Deutschland zu gestatten.6 6. Der Botschafter sagte weiter, dass ihm das Schicksal des Botschaftsgebäudes in Leningrad, das ohne notwendige Aufsicht verbleibe, sowie die Unterbringung des Deutschen Konsulats in Kiev Sorgen bereite. Schulenburg bittet darum, dem Deutschen Konsulat entweder das Gebäude zur Verfügung zu stellen, in dem das italienische Konsulat untergebracht war, oder ein neues Gebäude zu finden, in dem alle Mitarbeiter des Kiever Konsulats zusammengefasst werden könnten, oder schließlich der deutschen Regierung zu gestatten, ein entsprechendes neues Gebäude auf einem neuen Grundstück zu bauen. Der Botschafter bittet das NKID eindringlich um Unterstützung für eine angemessene Entscheidung dieser Fragen. 7. Den Worten des Botschafters zufolge gibt es keine Informationen über den Aufenthaltsort von drei deutschen Staatsangehörigen, die sich vor einiger Zeit hier angesiedelt hätten. Es handelt sich dabei um folgende Personen: Eimecke, Hirschmann7 und Lutzmann. Der Botschafter bittet um Unterstützung bei deren Suche. 8. Zum Abschluss des Gesprächs erinnerte der Botschafter daran, dass am 31. Dezember die Frist des sowjetisch-deutschen Abkommens endet, das die von zeichnung der Unterredung Potemkins mit Schulenburg am 19.12.1937. In: AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 1, l. 116. 5 Vgl. Dok. 123 sowie das Telegramm von der Schulenburgs an das AA vom 13.10.1937. In: PA AA, R 104371, Bl. E 019570. 6 Vgl. Dok 185. 7 Vgl. Rückkehrer-Vernehmungsakte in: PA AA, R 151349.
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der UdSSR den deutschen Konsulaten zur Verfügung gestellte[n] […]8 regele und die bekannten Handelsoperationen zwischen der UdSSR und Deutschland vorsehe. Die deutsche Regierung erachte es als wünschenswert, in nach Möglichkeit kürzester Frist diese Frage mit dem Ziel des Abschlusses eines neuen Abkommens auf der Grundlage der bereits vorhandenen Erfahrungen zu prüfen. Der Botschafter ergänzte, dass sich der in Berlin befindliche stellv. Handelsvertreter Smolenskij in seiner Antwort auf die Erinnerung an die Notwendigkeit, die aufgeworfene Frage zu regeln, darauf berufe, dass er keine entsprechenden Direktiven aus Moskau hätte. Ich sicherte dem Botschafter zu, mich mit den von ihm aufgezählten Fragen zu befassen.9 Potemkin Vermerk mit Bleistift: 2. Westabteilung. Vermerk von F.S. Vejnberg mit Tinte: Gen. Puškin. Es sind Maßnahmen zur Erfüllung zu ergreifen. V[ejnberg]. Oben links befindet sich der Stempel der 2. Westabteilung des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2562 vom 14.12.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 Expl. Das 1. [Exemplar] zu den Akten, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. an die 2. Westabteilung, das 5. nach Berlin. 13.XII.37. AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 1, l. 111–113. Kopie.
Nr. 179 Schreiben des Konsuls in Novosibirsk Meyer-Heydenhagen an die Deutsche Botschaft in Moskau Nr. 179 13. 12. 1937 13. 12. 1937 Nowosibirsk, den 13. Dezember 1937 An die Deutsche Botschaft Moskau Nr. Haftliste Inhalt: Zentralasiatisches im Diplomatischen Verkehr Das hiesige Konsulat hat im November d. J. die hiesige Diplomatische Agentur um Auskunft und Beistand in fast allen hier schwebenden Haftfällen gebeten, und zwar je nach dem Einzelfalle um Angabe des Tages der Verhaftung, des Haftgrundes und des Gewahrsamsorts wie auch um Beschleunigung des Verfahrens und um die Besuchserlaubnis. Daraufhin hat der Diplomatische Agent mit Schreiben vom 30. November d. J. für 13 Fälle den Gewahrsamsort mitgeteilt, im Übrigen aber das Konsulat darüber belehrt, dass seine Bitten, „sowohl den Rahmen der Vertragsverpflichtungen als auch den der bestehenden Praxis überschritten“. Das Konsulat bitte in seinen Schreiben um Mitteilungen „über die verbrecherischen Handlungen, die die kriminelle Verfolgung der verhafteten deutschen Bürger veranlasst hätten“, 8 9
An dieser Stelle fehlt ein Wort. Graf von der Schulenburg sprach auch die Möglichkeit an, den verhafteten Nymann und dessen Frau auszuweisen. Vgl. Schulenburgs Aufzeichnung dieses Gesprächs vom 16.12.1937. In: PA AA, Moskau 419, o.P.
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ferner bitte es um Einflussnahme auf das Untersuchungsverfahren zum Zwecke seiner Beschleunigung. Die vom Konsulat erbetenen Auskünfte könnten aber erst nach Abschluss der Untersuchung dieser Fälle vor der entsprechenden Gerichtsinstanz erteilt werden, andererseits könne die Diplomatische Agentur sich nicht in das schwebende Untersuchungsverfahren einmischen, um es zu beschleunigen, die Frage der Besuchserlaubnis aber könne vom Konsulat überhaupt erst nach Abschluss der Untersuchung gestellt werden. Die diesem Bescheid vorausgegangenen Schreiben des Konsulats an die Diplomatische Agentur hatten lediglich den Zweck einer Kundgebung dessen, dass das Konsulat das Schicksal der in seinem Amtsbereich so sinnlos gefangengehaltenen Reichsdeutschen mit Interesse verfolgt und immer wieder daran erinnern wird, einen anderen Bescheid als den jetzt erteilten hat das Konsulat ohnehin nicht erwartet. Da der neue Diplomatische Agent Antipow mit der Ausrede, dass er über keinen Sekretär verfüge und die vielen Schreiben daher nicht schriftlich beantworten könne, fast alle Schreiben nur mündlich und bei Besuchen oder telefonisch beantwortet hatte, ist seine zitierte Note vom 30. November d. J. doch ein gewisser Fortschritt. Immerhin aber erscheint auch auf dieses Schreiben hin jede Polemik mit dem hiesigen Diplomatischen Agenten über die Berechtigung der Wünsche und Forderungen des Konsulats völlig sinn- und zwecklos. Eine Belehrung des Diplomatischen Agenten *bzw. der hiesigen NKWD-Stellen kann lediglich über die Moskauer Zentrale erfolgen, wenn diese ihre Provinzstellen darüber aufklärt, was von den deutsch-sowjetischen Abkommen und Abmachungen noch Geltung hat*1. *Zu dieser Belehrung würde auch die Aufklärung darüber gehören, dass ein ausländisches Konsulat nicht gegründet wird, damit die Staatspolizei ein Spielzeug für ihre Betätigungsgelüste habe und sogar die Zulassung von Ärzten zu erkrankten Konsulatsmitgliedern von ihrer Willkür abhängig machen dürfe.*2 Der ihrer Niederkunft entgegensehenden Gattin des chinesischen Vizekonsuls versagten die Ärzte den Beistand, bis das Chinesische Generalkonsulat durch den Diplomatischen Agenten die Genehmigung des NKWD für einen ärztlichen Besuch erwirkt hatte. Kein Arzt wagt einen Kontrollbesuch bei einem erkrankten Angehörigen des Konsularkorps, es sei denn, dass der Kranke diesen Besuch ein jedes Mal geraume Zeit im Voraus beim Diplomatischen Agenten beantragt. *Die Gattin des Chinesischen Konsuls wurde in ein Krankenhaus eingeliefert; sie entfloh daraus wegen der skandalösen Unterkunft.*3 Ist im Konsulat die Wasserapparatur, das WC, die Lichtleitung u.a. in Unordnung, so darf deswegen die Handwerksstätte nicht unmittelbar, sondern nur über den Diplomatischen Agenten angerufen werden. Der Dipagent ist über die Belästigung nicht sehr erfreut und nicht stets zu Hause, der Handwerker aber ist seines Lebens nicht sicher, wenn er unmittelbar zur Beseitigung eines Rohrbruches ins Konsulat kommt. *Das alles nennt sich Kulturleben und Diplomatische Beziehungen, und wenn diese naturvolklich-primitiven*4 Zustände vielleicht auf ihr zent1 Der Text ist am Seitenrand angestrichen und mit folgender Randbemerkung von der Schulenburgs versehen: Die Praxis ist oft die gleiche wie überall in der S.U. 2 Der Absatz ist am Seitenrand angestrichen und mit einem Ausrufezeichen versehen. 3 Der Satz ist am Seitenrand mit einem Ausrufezeichen versehen. 4 Die Textstelle ist am Seitenrand mit einem Ausrufezeichen versehen.
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Nr. 180
16. 12. 1937
ralasiatisches Milieu zurückzuführen sind5, – in Zentralafrika soll es sie nicht geben – eine gewisse Verantwortung dafür wird aber die Moskauer Zentralregierung doch nicht ablehnen können und *eine gewisse Aufklärung darüber dürfte sie dem diplomatischen Corps in Moskau doch schuldig sein*.6 In Nowosibirsk ist jedenfalls jeder Appell an die hiesigen Behörden gegen eine Wand gesprochen, zweckund aussichtslos. Zwei Durchdrucke des Berichts für das Auswärtige Amt liegen bei. Meyer-Heydenhagen Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben Eingangsstempel der Deutschen Botschaft: Eing. 23. DEZ. 1937. Tgb. Nr. b. IV a Verh. adh. T[ippelskirch] 21/12 auch H.v.Herwarth. Unten Paraphe von Sch[ulenburg] 21/12. In zwei Durchdrucken. Auf Kopfbogen des Deutschen Konsulats Nowosibirsk geschrieben. PA AA, Moskau 419, o. P., 3 Bl.
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Nr. 180 Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Stellv. Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Frinovskij Nr. 180 16. 12. 1937 16. 12. 1937 GEHEIM Expl. Nr. 3 Nr. 158851 16. Dezember 1937 AN DEN STELLV. VOLKSKOMMISSAR FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN Gen. FRINOVSKIJ Nach Informationen unseres Beauftragten in Kiev2 und des diplomatischen Agenten in Novosibirsk3 ist für die ausländischen Konsulate, und insbesondere für die deutschen, in diesen Städten ein außerordentlich hartes Regime errichtet worden, das deren normale Tätigkeit erschwert. Dies bezieht sich insbesondere auf Dienstleistungen für die Konsulate zu den Bedürfnissen des Alltags: medizinische Hilfe, Renovierung der Räumlichkeiten usw. So teilt man uns aus Kiev mit, dass das Deutsche Konsulat eine dringende Reparatur der Öfen nicht vornehmen lassen kann, weil die Ofensetzer es ablehnen, Arbeiten im Konsulat zu verrichten.4 Das Polnische Konsulat konnte 10 Tage lang keine ärztliche Hilfe für einen erkrankten 5 6 1 2 3 4
Dazu unten Anmerkung von der Schulenburgs: nein! Sie sind allsowietisch! Die Textstelle ist unterstrichen.
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Pavel Andreevič Brovcinov. Anton Ivanovič Antipov. Vgl. den Bericht des kommissarischen Leiters der 2. Westabteilung im NKID der UdSSR Antonov vom 10.12.1937 an Potemkin. In: AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 2, l. 220.
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18. 12. 1937
Nr. 181
Konsulatsmitarbeiter bekommen. In Novosibirsk haben die Wasserfuhrleute die Belieferung des Deutschen Konsulats mit Trinkwasser eingestellt. Die Ersuchen der Beauftragten des NKID an die örtlichen Organe des NKVD und an die zuständigen Abteilungen der Stadtsowjets erbrachten keine positiven Ergebnisse. Eine derartige Situation ist nicht als normal anzusehen. Nach Auffassung des NKID könnte diese Angelegenheit in folgender Weise geregelt werden: Die betreffenden ausländischen Konsulate wenden sich in allen Belangen an den Beauftragten des NKID. Der Beauftragten des NKID wendet sich seinerseits an die örtlichen Organe des NKVD, die den Bitten der Konsulate in der Weise nachkommen, dass sie ihnen zur Verfügung stehendes zuverlässiges Fachpersonen zu ihnen schicken. Wenn von Ihrer Seite keine Einwände gegen eine solche Verfahrensweise bestehen, bitte ich Sie, den örtlichen Organen des NKVD entsprechende Weisungen zu erteilen. Ich bitte, mich über den Fortgang der Angelegenheit zu informieren. STELLV. VOLKSKOMMISSAR V. Potemkin Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verkehr vermerkt: 3 Ex., das 1. – an den Empfänger, das 2. – an Gen. Potemkin, das 3. – zum Vorgang der 2. W[est]A[bteilung] 15. XII.37 AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 1, l. 114–115. Kopie.
Nr. 181 Aufzeichnung des Mitarbeiters des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Freiherr von Welck Nr. 181 18. 12. 1937 18. 12. 1937 Berlin, den 18. Dezember 1937 Aufzeichnung Heute teilte mir Herr von Marchthaler mit, dass Herr von Herwarth in Moskau ihn telefonisch von Nachstehendem in Kenntnis gesetzt hätte: Herr Generalkonsul Speiser, der am Donnerstag, den 16. Dezember 1937 zum Dienstantritt nach Moskau abgereist war, ist bei der Einreise in die Sowjetunion von den sowjetischen Grenzbehörden einer eingehenden Untersuchung, offenbar einer Leibesvisitation, unterzogen worden. Hierbei sind ihm sämtliche Schriftstücke, die er mit sich führte, abgenommen worden. Eine Grenzempfehlung besaß Herr Speiser nicht. Herr Botschafter Graf Schulenburg hat beim Außenkommissariat *gegen diesen Vorfall protestiert und die Herausgabe der beschlagnahmten Schriftstücke gefordert*1. 1 Der Text ist unterstrichen. Dazugehörig Anmerkung von Weizsäcker: Bitte mich zwischen Weihnachten u. Neujahr über Erfolg der Demarche u. evt. deutsche Maßnahmen unterrichten.
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Nr. 181
18. 12. 1937
Wie ich festgestellt habe, sind Herrn Speiser von der Kurierabfertigung keine Briefe mitgegeben worden. Dagegen hatte ich ihm drei Privatbriefe an Herrn Botschaftsrat von Tippelskirch, Herrn von Herwarth und Herrn von Heynitz mitgegeben. Es handelte sich bei dem Brief an Herrn von Tippelskirch und Herrn von Herwarth um die Beantwortung von Schreiben, die ich am Tag zuvor mit dem Kurier erhalten hatte, aber so spät, dass ich sie am Mittwoch, dem 15.12. vor Kurierschluss nicht mehr hatte beantworten können. Dass Herr Generalkonsul Speiser keine Grenzempfehlung hatte, habe ich nicht gewusst und auch nicht annehmen können. Ich hatte ihn vor Aushändigung der Briefe gebeten, gut auf sie zu achten. In dem Brief an Herrn von Tippelskirch behandelte ich zunächst die Frage der deutschen Verhafteten in der Sowjetunion. Ich stellte fest, dass die **Verhaftungen**2 in letzter Zeit nachgelassen hätten und dass die Russen ihre seinerzeit gegebene Zusage, alle im November v. J. verhafteten Reichsdeutschen freizulassen, noch nicht erfüllt hätten. Ferner bat ich ihn, sich der Haftfälle von Nymann und Futterknecht besonders anzunehmen. Ich teilte Herrn von Tippelskirch ferner noch mit, dass nach meinen Informationen mit einer Ausdehnung des Antikominternpaktes auf andere Staaten, insbesondere auf Brasilien, Portugal, Österreich und Ungarn vorläufig nicht zu rechnen sei. Der Brief an Herrn von Herwarth enthielt die Mitteilung, dass wir der Botschaft mit nächstem Kurier eine Aufzeichnung über den Verkauf eines Grundstücks in Leningrad, welches einem Reichsdeutschen Ahrend gehört, übersenden werden. (Herr Botschafter Graf Schulenburg hatte mich durch Herrn von Herwarth nach dem Stand der Angelegenheit fragen lassen.) Herrn von Herwarth teilte ich ferner noch mit, dass ich eine Bescheinigung für ihn besorgen und zwei Bücher durch die Bibliothek beschaffen lassen würde. Endlich enthielt der Brief einige private Mitteilungen. In dem Brief an Herrn von Heynitz ersuchte ich ihn, wegen des Verkaufs des Ahrend’schen Grundstücks bei dem diplomatischen Agenten vorzusprechen, falls dies noch nicht geschehen sein sollte. Die hiesige Sowjet-Botschaft hat sich in letzter Zeit wiederholt darüber beschwert, dass Sowjetbürger durch deutsche Grenzstellen unhöflich behandelt worden seien, dass sie auch Leibesvisitationen unterzogen worden seien. Wegen der schlechten Behandlung von Inhabern von Diplomatenpässen liegt bisher nur eine Beschwerde vor. Es handelt sich um **den**3 Bevollmächtigten des Außenkommissariats in Kiew, Herrn Petrowski, dessen Grenzempfehlung bei seiner vor einigen Monaten nach Deutschland erfolgten Einreise ungültig war. Bei ihm war das Handgepäck nachgesehen worden und er hatte einige Gegenstände verzollen müssen. *Dass Sowjetbürgern oder Sowjetdiplomaten durch die deutschen Grenzbehörden Schriftstücke abgenommen worden sind, ist bisher noch nicht vorgekommen.*4 Welck 2 3 4
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Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: Haftbefehle. Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: einen. Der Satz ist unterstrichen.
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Nr. 182
Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt am Seitenrand Abzeichnung von: St[aats]s[ekretär] M[ackensen] 21/12, Dir[ektor] Pol W[eizsäcker] 20/12 und Dir. Pers. D[ienstmann] i.V. 21/12. Auf letztem Blatt unten: Herrn Dg. Pol z.g.Ktn. vorgelegt Schliep 20/XII. PA AA, R 104371, o. P., 3 Bl.
Nr. 182 Schreiben des Militärattachés in Moskau Köstring an den Abteilungschef im Reichskriegsministerium von Tippelskirch Nr. 182 25. 12. 1937 25. 12. 1937 Moskau, den 25.12.1937 Geheim Lieber Herr von Tippelskirch! Auf Ihre Verfügung vom 25.8.1937 Nr. 359/37 geh. beziehe ich mich, um zu der „Übersicht Nr. 59 über außenpolitische Vorgänge“, Abschnitt Russland, Stellung zu nehmen. Da die Übersicht für „höhere Dienststellen“ bestimmt ist, halte ich die in der Union sich abspielenden Vorgänge und die möglichen Folgen für zu weittragend, als dass man sie nur mit einer „Umorganisation“ erklären und abtun kann. Daher möchte ich die Ereignisse der letzten 1 ½ Jahre zusammenfassend schildern und kurz beurteilen. Auch auf die Gefahr hin, schon öfters Gesagtes zu wiederholen. Scheller hatte mich s. Zt. auch gebeten, ihm meine Stellungnahme zu besonderen Vorkommnissen mitzuteilen, damit er schnell berichten kann. Nun kommen wir ja aus den „besonderen Vorkommnissen“ seit Jahresfrist nicht mehr heraus. Ihr Ziel und ihre Folgen sind, selbst für uns hier, erst nach einer gewissen Zeit zu übersehen, da jeder Verkehr mit sowjetischen Stellen und dadurch die Möglichkeit der Orientierung abgeschnitten ist. Es ist bei der Angst aller auch ausgeschlossen, dass einer sich offen äußert. Ich weiß nicht, ob Sie oder jemand von der Abteilung den Vortrag meines Botschafters vor der Wehrmachtsakademie1 gehört haben. Er sieht die Dinge hier von hoher Warte und ist auch für meine Ausführungen richtunggebend gewesen. In großen Zügen habe ich ihn auch über dieses Schreiben an Sie orientiert. Schellers Auffassung, dass die Grundzüge des Sozialismus Marx-Leninscher Prägung, wie Verstaatlichung der Produktionsmittel, Kollektivierung der Landwirtschaft und anderes, die in späterer Folge zum Kommunismus führen sollen, nicht verlassen werden, trifft zu. Ob der Gedanke der Weltrevolution zurückgestellt oder sie nur, wie die Gegner Stalins ihm vorwerfen, das Aushängeschild für seine imperialistischen Welteroberungsgedanken dient, kommt m. E. auf das Gleiche heraus. Moskau will herrschen. Da die Eroberung noch zu saure Trauben sind, begnügt es sich vorläufig *mit der Revolution, und hofft auf sie. Einziehen wird die Sowjetunion das Aushängeschild „Proletarier aller Länder vereinigt Euch“ niemals, schafft es ihr doch Millionen von Anhängern im Rücken der bürgerlichen Staaten,
1
Vgl Dok. 167.
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die an das Paradies hier glauben. An*2 Tradition wird angeknüpft, wo es für die Ziele der Weltrevolution oder -eroberung dienlich ist. Der neugebackene Sowjetpatriotismus und die „Liebe zum Vaterland“, beides doch ganz unkommunistische Begriffe; die „Rehabilitierung“ Peters I. und anderer geschichtlicher Persönlichkeiten können nach Bedarf zu einer nationalen Verteidigungswaffe im Kriege entwickelt werden. Ob die Methoden hier kommunistisch oder marxistisch sind, kann eine Streitfrage sein. Sicher ist, dass Stalin zunächst einmal von der Lehre MarxLenins abweicht, da ihre Theorien an den Forderungen des praktischen Lebens scheitern. Auf allen Gebieten von der Schule bis zur Planwirtschaft und Kollektivierung haben sie meist versagt. Sicher ist aber auch, dass diese Methoden asiatisch-russisch sind; sie sind bestimmt alte Tradition. Denn Iwan, der sogenannte Grausame, und Peter der Große und andere Herrscher, die Russland vorwärts getrieben und mächtiger gemacht haben, wandten dieselben Methoden an. Wenn man rückblickend die Ereignisse seit anderthalb Jahren – ihre erste zu Tage tretende Erscheinung war der Schädlingsprozess Sinowjew3 – bis heute überblickt, kann man feststellen: 1.) Die damals beginnende Aktion schien sich anfangs vornehmlich gegen die alten Parteigrößen zu richten. Die Wegräumung dieser Doktrinäre mit den Lehrbüchern Marx-Lenins unter dem Arm war notwendig, schon um jede leiseste Möglichkeit einer organisierten Opposition zu beseitigen. Die Konstitution und die „Wahlen“, damals von Hoffnungsvollen noch scheinbar ernst genommen, konnten doch Gefahrenmomente unter den „Prominenten“ zeitigen, die Hungersnot durch Missernte einen günstigen Nährboden für gefährliche Organisationen bei der Masse zu geben. Der Blütentraum eines Parlaments mit der Möglichkeit der Organisation von Unzufriedenen ist inzwischen ja von dem Raureif der Wahlkomödie zerstört. Auch über den sichersten der mehrfach durchgesiebten „immunen“ Abgeordneten schwebt das Damoklesschwert. „Immun“ ist europäisches Muster, genau wie der ein paar Tage vor der Wahl verkündete „Wahlblock“ der Kommunisten und Parteilosen. „Passt auf Eure gewählten Kandidaten auf, ruft sie ab, wenn sie ihre Pflicht nicht tun“, sagt Stalin in seiner „Wahlrede“. Wie leicht wird solche Abberufung eines immunen Abgeordneten durch „unzufriedene Wähler“ später zu inszenieren sein. 2.) Es folgt der zweite Schädlingsprozess4, wieder alte Garde der Partei. Radek und Genossen werden erledigt. Die ersten Belastungen der Armee (Putna, Tuchatschweski!) tauchen für Momente auf. Eine geschickte Regie zeigt die Verdächtigen, die Gerüchte als verhaftet bezeichnen, noch in der Öffentlichkeit. Einschläferung der angeblich Mitschuldigen, Beruhigung der Massen! Jetzt kommen auch 2 3
Der Text ist am Seitenrand angestrichen. Gemeint ist der Prozess gegen das „Antisowjetische vereinigte trotzkistisch-sinowjewistische Zentrum“. Die Gerichtsverhandlung gegen die 16 Angeklagten erfolgte vom 19. bis 24.8.1936 vor dem Militärkollegium des Obersten Gerichts der UdSSR in öffentlicher Sitzung im Oktobersaal des Hauses der Gewerkschaften in Moskau. Alle Angeklagten wurden zum Tod durch Erschießen verurteilt. 4 Der Prozess gegen die Teilnehmer des sogenannten „Parallelen antisowjetischen trotzkistischen Zentrums“ fand vom 23. bis 30.1.1937 im Oktobersaal des Hauses der Gewerkschaften in Moskau statt. Alle 17 Angeklagten wurden schuldig gesprochen, 13 von ihnen zum Tod durch Erschießen, 4 zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.
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Maßnahmen gegen das diplomatische Corps; zunächst nur kleine Unbequemlichkeiten. Die Massenverhaftungen von Angehörigen aller Nationen, besonders von Deutschen, beginnen, der Spitzeldienst um uns wird gesteigert. (Meine erste Fahrt unter Ehreneskorte der G.P.U!) Sind es Anzeichen einer Abwendung von Europa? Im „Faschistischen“ Deutschland ist der gefährlichste Gegner entstanden, die Hochachtung vor dem Wunderwerk der deutschen Armee weicht der Angst vor ihr. 3.) März 1937: die Rede Stalins5 unter der Losung „Verräter, Schädlinge überall, besonders unter den Leuten mit Parteibuch, darum Wachsamkeit“ und die schlimmste Gefahr, der räudige Hund und Verräter Trotzkij, der Zehntausende von Sendlingen in Russland hat. Der ist nicht zu fassen. Der jahrelang allmächtige Jude Jagoda, G.P.U.-Chef, kommt ins Loch; die Massen wird es herzlich erfreut haben. Aus dem Auslande wird die Beschuldigung lanciert, er hätte einen Millionenbesitz an Devisen und den besten Weinkeller, also gemeiner Verbrecher gegen das Proletariat, nicht etwa politischer Gegner. Sein rein russischer Erbe Jeschow, unbekannte jugendliche Parteigröße, lässt seine Meute los. Durchgesiebt auch diese Institution, verdient sie sich ihre Sporen, Orden und Villen, in denen bis jetzt die zu Erledigenden drin saßen. Es ist verdienstvoll, zur eigenen Rettung oft notwendig, „Schädlinge“, „Spione“, „Trotzkisten“ zur Strecke zu bringen, wie einst Christenhunde bei den Mohammedanern oder Skalpe bei den Indianern. Die Gerichte sind willfährig. Die zahllosen Urteile kommen meist nur in die Provinz-, nicht Zentralzeitungen. „Prawda“ und „Iswestija“ sind schon für das Ausland ziemlich sauber von diesen Nachrichten gehalten. Die Beschuldigungen sind phantastisch an Unglaubwürdigkeit. Angeberei, Drang zur Futtergrippe, Rachsucht feiern Orgien. Auch bei den Verhaftungen fehlt **wie bei allem hier**6 die Organisation – es ist keine Richtlinie zu erkennen, auf wen es nun eigentlich abgesehen ist. Es trifft alle unterschiedslos. Dutzende von Wohnungen in Arbeiterhäusern sind versiegelt. Die Kolchose, besonders ihre Leiter, stellen auch ihr starkes Kontingent Verhafteter. Die „Hinterbliebenen“ dürfen nichts von den Verhaftungen sagen. Ihr Verkehr mit den Verhafteten ist ausgeschlossen. Der größte Teil der Partei, des Staatsapparates, der Wirtschaftsführer ist ausgewechselt. Überall erscheinen junge, unbekannte Leute. Sie können noch nichts, sind aber vorläufig ungefährlich. Das Lehrgeld, das das Volk durch seine Leiden zur Ausbildung der „Liquidierten“ gezahlt hat, ist umsonst ausgegeben. Die Absicht, sich der lästigen Europäer zu entledigen, besonders wenn sie das Land kennen, tritt offener zu Tage. Die Verhaftungen treffen auch hier alle Nationen. Der Deutsche als am stärksten vertretenes Volk stellt viele Hunderte. Selbst das kleine und angeblich befreundete Litauen lancierte **dutzende**7 Schädlinge hierher. Einzelne, mir bekannt gewordene Protokolle von glücklich Ausgewiesenen geben ein Bild der seelischen Marter, durch die jedes Geständnis, auch das sinnloseste, erpresst wird. 5 I. Stalin: O nedostatkach partijnoj raboty i merach likvidacii trockistskich i inych dvurušnikov. Doklad i zaključitel’noe slovo na Plenume CK VKP (b), 3 – 5 marta 1937 g. (Über die Mängel der Parteiarbeit und die Maßnahmen zur Liquidierung der trotzkistischen und sonstigen Doppelzüngler. Bericht und Schlussrede auf dem Plenum des CK der VKP (B)), Moskva 1937; auch unter dem deutschen Titel Moskau 1937. 6 Der Text ist handschriftlich eingefügt. 7 Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: angeblich.
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Vor den diplomatischen Vertretungen machen die Verhaftungen nicht Halt. Der deutsche Generalkonsul Sommer, der lächerlichsten Verbrechen beschuldigt (Vergiftungsversuch von ganz Leningrad, Attentatsversuch auf einen Machthaber!), musste das Feld räumen.8 Mehrere Konsulatsbeamte konnten nur durch energisches Eintreten der Botschaft aus der Haft entlassen und ihre Ausweisung erreicht werden. Es kann jeden täglich treffen unter der Beschuldigung jeden Verbrechens. Denn von Verhafteten unterschriebene Aussagen und Anschuldigungen sind in jeder Aufmachung zu haben. Die kleinlichen Schikanen gegen das diplomatische Corps steigern sich derart, dass es sich zu Protestschriften aufgerafft hat (ich fürchte, es wird sich wieder zurückraffen!). Kein Arzt, Dachdecker, Milchfrau, Handwerker, Sprachlehrer, Waschfrau wagt es mehr, ins Haus zu kommen. Tun sie es doch, so sind sie sicher von der G.P.U. abgestempelt. Die Auflösung unserer Konsulate und die anderer Staaten ist ja bekannt. Der Ausländer verschwindet mehr und mehr. Reichsdeutsche bleiben kaum noch in der Sowjetunion. Asien schließt sich gegen Europa mit einer chinesischen Mauer ab. Aussiedlung von Nichtrussen aus allen Grenzgebieten sichert diese Mauer. Nichts Neues. Auch die Zaren taten ähnliches in gemilderter Form. 4.) Im Juni knallen die Schüsse gegen die bekanntesten Armeeführer – da horchte die Welt auf! Wie viele Offiziere schon vorher verschwunden waren oder die Waffe mit dem Spaten in den Tundren und Wäldern vertauschten, wird erst jetzt allmählich erkennbar, wenn die neuen Stellenbesetzungen durchsickern, **Armeen**9, die in ein paar Monaten mehrere Befehlshaber wechselten; Hauptleute als Regiments-, Leutnants als Bataillonskommandeure reden eine beredte Sprache. Es wurde allgemein angenommen, dass Stalin, sich zunächst auf die Armee stützend, die G.P.U. zerschlug. Dann erfolgte die Säuberung der Armee, angeblich unter Rückendeckung durch die G.P.U. Propheten sehen wieder Jeschow auch nicht den Strohtod sterben. Ich möchte rückblickend bezweifeln, dass beide, Armee und G.P.U., dabei eine entscheidende Rolle gehabt haben, indem man sie gegeneinander ausspielte. Wir gehen von europäischen Begriffen aus. Dort bilden die Armeen in jedem Land den innerpolitischen Rückhalt des Staates. Ein ehrgeiziger Politiker könnte sie für seine Zwecke verwenden. Hier hat die Armee noch lange nicht die bevorzugte Stellung im Volk. Ihre Führer sind keineswegs populär, nach unseren Begriffen. Zu politischen Zwecken durch einzelne Ehrgeizige ist sie kaum zu gebrauchen. Hat sich doch keine Hand gerührt, als nun die Besten der Armee, auch die der Truppe näherstehenden, unteren Führer verschwanden. Um die Truppe für einzelne Ehrgeizige zu gewinnen, muss ihr eine Idee gegeben werden, die sie gegen ihre bisherigen Führer aufstehen lässt. Frieden und Land hatte Lenin 1917 in die Massen gerufen, und der Soldat lief nach Hause. Die Propaganda muss wirken, die allgemeine Unzufriedenheit genügt nicht. Eine Idee war nicht vorhanden, die Propaganda war bei der Bespitzelung ausgeschlossen. Wie sollte andererseits die G.P.U., nur in einigen Städten zu größeren Einheiten vereinigt, sonst über ein Riesenland verstreut, trotz ihrer zahlenmäßigen Stärke (ihr Budget soll 50% desjenigen der Armee betragen) gegen die Armee eingesetzt werden? Ich glaube, beide, Armee und G.P.U., sind auf 8 9
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Vgl. Dok. 123. Das Wort ist handschriftlich hinzugefügt.
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den Mann dressiert; auf wen von oben befohlen wird, auf den wird geschossen. Der diesen Befehl Gebende braucht sich nicht zu sichern, dass ihm eines dieser beiden Gebilde in den Arm fällt. Russischer Volkscharakter; der Bauer-Soldat ist ja vor einigen Jahren gegen den Bauern gezogen und hat die, die sich gegen die Kollektivierung wehrten, auch erledigt. 5.) Vor anderthalb bis zwei Jahren waren sich alle Beobachter einig, dass das Land sich in langsamer Konsolidierung und gewissem Aufstieg befand, wenn auch die Hauptmasse der Bauern in uns unvorstellbarer Armut dahinlebte. Was kann Stalin bewogen haben, dann die zerstörende Hand selbst anzulegen? Was ist sein Ziel? Wissen wird es nur ein engster Kreis. Für Außenstehende bleibt nur die Deutung, dass Stalin als alter Revolutionär die besten Erfahrungen hat, wie *jede Gefahr im Keime erstickt wird. Sein orientalisches Misstrauen kommt dazu. Hier wird nicht Sühne für Schuld gegeben. Es wird präventiv gestraft. Vor längerer Zeit fiel von Litwinow die Drohung von*10 der politischen Autarkie der Union. Durch die Ereignisse ist die politische Bedeutung der Sowjetunion so stark gesunken, dass man auf den Gedanken kommen kann, man will sich diesem Ziele nähern. Vielleicht hat Stalin den Verlust der außenpolitischen Bedeutung in Rechnung gestellt und bewusst in Kauf genommen. Er pfeift auf die Meinung des Auslandes. Ob das feststellbare Sinken, zum Mindesten ein Stillstand auf dem Wirtschaftsgebiet, von ihm auch vorausgesehen ist, bezweifele ich. Sicher hat Stalin eins nicht richtig eingeschätzt in den Folgen seiner Maßnahmen – die Auswirkung auf die Armee in ihrer außenpolitischen Bedeutung. Im Inneren mag er mit der G.P.U. allein auskommen, für die Sicherheit gegen außenpolitische Feinde, für die politische Weltgeltung brauchte er sie. Den übertriebenen Nimbus um die Armee, geschaffen durch die dem Ausland oft gezeigte Masse an Menschen und Material, unterstützt durch eigene Propaganda des Auslandes selbst und die Absperrung von Kennern vor tieferem Einblick musste Stalin erhalten. Er hat die Armee selber auf längere Zeit geschwächt. Dass er das tun würde, konnten die pessimistischen Beobachter nicht vorausschauen. Es war auch nur in diesem Lande möglich. Die Folgen aller Vorgänge zusammenfassend: Ein Absinken der Sowjetunion von einer in der Weltgeltung erreichten Höhe. Ein Waffengang des Kolosses wird noch unwahrscheinlicher. Im Innern zeitweilige Stagnation, selbst Rückschritt. Es wird beides zum Stehen kommen, denn es ist vorläufig nicht zu erkennen, was dem etwas wankenden Bau den entscheidenden Stoß gibt, was an seine Stelle treten soll. Ich denke an Bilder aus meiner Jugend. Ich sehe die endlosen Kolonnen politischer Verbannter nachts durch den Schnee stapfen, Ketten klirren. Sie traten den Fußmarsch nach Sibirien an. Auch damals glaubten viele, ein Regime, das zu solchen grausamen Mitteln greifen muss, könnte sich nicht halten. Es bedurfte eines Krieges und eines Schwächlings auf dem Thron, um es stürzen zu können. Beides wird dem russischen Volk zunächst nicht beschieden sein. Heil Hitler! Ihr Köstring 10
Der Text ist am Seitenrand angestrichen.
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Nr. 183
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Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben Stempel: Geheim und geöffnet 29.XII. 6/1 T[ippelskirch]. Unten: zu 14/38 geh OKdH. Auf Kopfbogen des MilitärAttachés der Deutschen Botschaft geschrieben. BA MA, N 123/9, 9 Bl. Veröffentlicht in: General Ernst Köstring, S. 185–190.
Nr. 183 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov, an den Stellv. Volkskommissar Potemkin und an den Leiter der Verwaltungsabteilung im NKID Korženko Nr. 183 28. 12. 1937 28. 12. 1937 GEHEIM Expl. 1 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Ausg.-Nr. 3591 Berlin, den 28. Dezember 1937 An den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Gen. M.M. LITVINOV Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Gen. V.P. POTEMKIN Leiter der Verwaltungsabteilung des NKID Gen. KORŽENKO Werte Genossen, *Ich kann es nicht begreifen, dass das NKID die Entscheidung hinnehmen konnte, der Bevollmächtigten Vertretung zu verbieten, beliebige Summen für Einkäufe außerhalb Deutschlands auszugeben. Dieser Beschluss zeugt, wenn man ihn konsequent befolgen soll, vom völligen Unverständnis der Bedingungen, unter denen die Bevollmächtigte Vertretung in Deutschland arbeitet und unter denen die in diesem Land tätigen sowjetischen Bürger leben müssen. Konsequent befolgt schafft er völlig unnötige Schwierigkeiten in der Arbeit und untergräbt in erheblichem Maße deren Sinn. Ich erlaube mir, dafür einige Beispiele anzuführen.*2 1) Sie wissen, dass ein Essen oder ein Empfang in der Bevollmächtigten Vertretung ohne Kaviar für die Gäste jegliche Attraktivität verliert, da sie sich einen Empfang bei uns ohne Kaviar nicht vorstellen können. Kaviar ist außerdem das einzige lukrative Geschenk, das wir den Leuten machen können, die für uns von Interesse sind. Wegen Kaviar (auf Rechnung) wenden sich viele Kollegen an uns (Tschechen, Türken und andere), die ihn ohne uns nicht beschaffen können. In Berlin ist Kaviar für kein Geld der Welt zu kaufen (es gibt rumänischen für 200 Mark 1 2
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen.
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das Kilo). Gegen Rubel wird aus Moskau kein Kaviar versandt (es besteht solch eine Regelung). Die einzige Möglichkeit besteht darin, ihn aus unseren Lagern in London zu beziehen. Bis jetzt haben wir diesen Weg genutzt und so auch die Handelsvertretung und die Militärs versorgt. Im kommenden Jahr wird dieser Weg versperrt sein, und wir berauben uns eines der sehr wenigen „Kanäle“ zur hiesigen Welt. Ohne Kaviar wird es faktisch unmöglich werden, Empfänge zu geben und Geschenke zu machen. *Die Handelsvertretung hat übrigens die Genehmigung erhalten, eine bedeutende Summe an Valuta ins Ausland für Geschenke zu überweisen. Warum muss die Bevollmächtigte Vertretung auch hier benachteiligt werden?*3 2) Ebenso ist es unmöglich, Empfänge ohne ausländische Weine und Speisen zu geben. Man kann selbstverständlich ein Essen mit ausschließlich deutschen Produkten geben, aber dies würde nur der Eigenliebe der deutschen Politiker schmeicheln, die jedoch kaum in der Lage wären, in erforderlichem Maße die für sie unverständliche aufmerksame Haltung der Bevollmächtigten Vertretung gegenüber den Interessen des deutschen Zolls zu schätzen. 3) Absolut unhaltbar ist es um die Ernährung der Mitarbeiter bestellt. Die hiesige Butter (ein Gemisch aus Talg und Margarine) taugt zu nichts. Die Ärzte verbieten, kranke Kinder damit zu ernähren. Ab dem 1. Januar wird die Butterration für eine Person von 200 auf 100 Gramm pro Woche reduziert. Unsere gesellschaftlichen Organisationen nennen mir einige Beispiele, wonach Mitarbeiter und deren Familienmitglieder, die erkrankt sind und eine Diät benötigen, keine Butter und Eier bekommen können. Somit ergibt sich, dass unsere Finanzorgane die sowjetische Kolonie in Berlin dazu nötigt, gemäß der von Göring festgesetzten Verpflegungsration für deutsche Bürger zu essen. Und dies zu einer Zeit, in der unsere Mitarbeiter in anderen Ländern eine *normale Ernährung*4 erhalten. Bis jetzt haben wir uns mit den alten Beständen über Wasser gehalten, doch in der Handelsvertretung sind sie bereits aufgebraucht, bald werden sie auch bei uns aufgebraucht sein. Ich bitte Sie, dies mit der allergrößten Aufmerksamkeit zu behandeln. Ohne noch weitere Beispiele anzuführen, kann ich Folgendes hinzufügen. Ich bin fest davon überzeugt, dass *das bedingungslose Verbot*5, von hier Geld ins Ausland zu überweisen, eine *undurchdachte*6 Angelegenheit ist und früher oder später aufgehoben werden wird, oder es werden Ausnahmen gemacht. Ich bitte Sie, dies so schnell wie möglich durchzusetzen, indem Sie den Verantwortlichen den ganzen Unsinn der jetzigen Situation darlegen. Ich möchte keine Schwarzmalerei betreiben, denn die Bevollmächtigte Vertretung kann selbstverständlich auch ohne Geldüberweisungen ins Ausland auskommen. Man braucht keine Empfänge zu geben, keine Geschenke zu machen, man muss nicht mit amerikanischen Autos fahren **(für sie gibt es keine Ersatzteile)**7, man kann Anzüge aus Zellwolle8 tragen. Die Mitarbeiter werden schließlich nicht Hungers sterben (wenngleich sie krank werden). Wir können ohne die Lektüre von *englischen und 3 4 5 6 7 8
Der Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Das Wort ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. Das Wort ist in Deutsch mit kyrillischen Buchstaben geschrieben.
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Nr. 183
28. 12. 1937
französischen Zeitungen*9, die wir gegen Valuta abonnieren, auskommen und uns gänzlich von den Erzeugnissen von Goebbels „ernähren“. Doch kann ich den Sinn für ein derartiges Dahinvegetieren nicht erkennen. Und wenn wir monatlich 30 bis 40 000 Mark für den Unterhalt des hiesigen riesigen Apparates aufwenden, so ist es einfach absurd, seine Existenz wegen 3 bis 4000 Valutamark *sinnlos*10 werden zu lassen. Wenn wir derart arm sind, dass wir uns dies nicht erlauben können, so wäre es besser, den jetzigen Personalbestand um das 2fache oder 3fache zu verringern, in ein billigeres Gebäude umzuziehen, das nicht ein so zahlreiches Dienstleistungspersonal erfordert, doch dafür einer kleineren Bevollmächtigten Vertretung die Möglichkeit zu verschaffen, ein *würdiges Dasein*11 zu führen und effektiv zu arbeiten, und sie vor einem erniedrigenden und halbhungrigen Dahinvegetieren zu bewahren. Mir scheint, dass Sie dies bewerkstelligen können, indem Sie zum Beispiel London die Weisung erteilen, unsere Aufträge im Volumen *von etwa 200 Pfund pro Monat*12 (oder sogar weniger) zu erfüllen, die **wir**13 hier auf Ihr oder das Londoner Konto einzahlen könnten. Generell müssen wir einen Ausweg finden. Ich bringe Ihnen die entstandene, zutiefst anormale Lage zur Kenntnis, die äußerst negative (und nicht immer gleich sichtbare) Folgen für die Funktionsfähigkeit der Bevollmächtigten Vertretung nach sich ziehen kann. Ich werde mich bemühen, darüber nicht mehr zu schreiben, weil darüber genügend geschrieben worden ist. Dennoch bitte ich, mein Schweigen nicht als Zeichen der Normalisierung der entstandenen Situation zu betrachten Mit kameradschaftlichem Gruß G. Astachov Vermerk mit rotem Farbstift: mit V[ladimir] P[etrovič]14 [sprechen]. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 4293 vom 31.12.1937. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: die Expl. 1,2,3 an die Adressaten, das 4. [Exemplar] zu den Akten. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 43, l. 191–194. Original.
9 10 11 12 13 14
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Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Das Wort ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. Potemkin.
30. 12. 1937
Nr. 184
Nr. 184 Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov und des Stellv. Volkskommissars für Außenhandel Čvjalev an den Stellv. Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Mikojan Nr. 184 30. 12. 1937 30. 12. 1937 GEHEIM Expl. Nr.… Nr. 1003/6611 30. Dezember 1937 AN DEN STELLV. VORSITZENDEN DES RATES DER VOLKSKOMMISSARE DER SOWJETUNION Gen. A.I. MIKOJAN Deutschland entwickelt bekanntlich in letzter Zeit eine große Aktivität im Iran. Es ist ihm gelungen, beginnend mit 1935/36 des iranischen Jahres2, den zweiten Platz im iranischen Außenhandelsverkehr einzunehmen. Eine besondere Aktivität zeigt Deutschland beim Ausbau seiner Stellung im Bauwesen Irans. So nahm Deutschland beim Maschinen- und Technikimport des Irans den ersten Platz ein, mit ungefähr 65% des gesamten Imports. Von den in den letzten Jahren im Iran gebauten 153 Betrieben wurden 79 von deutschen Firmen ausgestattet. Firmen anderer Länder sind unter dem Druck der deutschen Konkurrenz zur Aufgabe gezwungen. Insbesondere die Tschechen, die mit ihrer Firma „Škoda“ bemüht sind, Verträge für eine Reihe von Bauvorhaben im Iran abzuschließen, können nicht mit ihren deutschen Konkurrenten mithalten, die unter Ausnutzung von ClearingVerrechnungen niedrigere Preise anbieten. Die Tschechen haben sich bereits wiederholt an uns mit der Bitte gewandt, sie im Kampf mit der deutschen Konkurrenz zu unterstützen. Sie weisen darauf hin, dass die Tschechen, wenn wir die Transittarife für die Tschechen ein wenig absenken und die bestehenden Tarife für die Deutschen beibehalten würden, den Deutschen einige Bauvorhaben abringen könnten. Nunmehr hat sich die tschechische Mission an das Narkomindel mit der Bitte gewandt, ermäßigte Transittarife für den Transit von ungefähr 11 Tsd. Tonnen Wasserleitungsröhren für den Bau einer Wasserleitung in Teheran zu gewähren. Dabei verweisen die Tschechen darauf, dass sie, wenn wir ermäßigte Transittarife ablehnen, nicht in der Lage wären, den Bau dieser Wasserleitung zu übernehmen. Wir erachten es als zweckmäßig, den Tschechen entgegenzukommen, um ihnen die Konkurrenz mit den Deutschen zu erleichtern und damit der weiteren Ausbreitung des deutschen Kapitals im Iran etwas entgegenzuwirken. Diese Angelegenheit ist auch für uns von Vorteil, da die Tschechen uns ihre Transittransporte in Valuta bezahlen.
1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. So im Dokument, 1935/36 entsprach dem Jahr 1314 nach iranischem Kalender.
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Nr. 185
30. 12. 1937
Wir bitten, den beigefügten Beschlussentwurf zu bestätigen.3 VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN Litvinov
STELLV. VOLKSKOMMISSAR FÜR AUßENHANDEL Čvjalev
Vermerk mit Tinte: Der [Beschluss-]Entwurf wurde an den SNK geschickt. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 1[Exemplar] an Gen. Stomonjakov, 1 an das NKVT, 1 zu den Akten. 29.XII.37. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2454, l. 13–14. Kopie. 3
Nr. 185 Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Stellv. Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Frinovskij Nr. 185 30. 12. 1937 30. 12. 1937 S[EHR] DRINGEND **Expl. Nr. 3**1 2 Nr. 36018 30. Dezember 1937 AN DEN STELLV. VOLKSKOMMISSAR FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN DER UdSSR Gen. FRINOVSKIJ Die Deutsche Botschaft hat bei uns wegen der Ausreise aus der UdSSR von 19 betagten Personen angefragt, die sowjetische Staatsbürger sind und in Leningrad im Altersheim in Lesnyj untergebracht sind.3 All diese Personen haben in Deutschland Verwandte und stehen mit ihnen in einem ständigen Kontakt und Briefwechsel. Sie werden zurzeit mit Mitteln der Deutschen Botschaft versorgt. Von unserer Seite bestehen keine Einwände gegen eine Ausreise dieser Personen aus der UdSSR. Ich bitte Sie, Ihren Standpunkt mitzuteilen. Bei einer positiven Entscheidung dieser Angelegenheit bitte ich zu berücksichtigen, dass das Deutsche Konsulat in Leningrad zum 15. Januar 1938 endgültig aufgelöst sein wird.4 Es wäre wünschenswert, dass diese Angelegenheit noch vor der Schließung des Deutschen Konsulats geklärt würde. Ich bitte Sie, mir Ihre Entscheidung umgehend mitzuteilen. STELLV. VOLKSKOMMISSAR Potemkin 3
In der Akte nicht vorhanden.
1 2 3 4
Der Text ist mit Tinte geschrieben. Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Vgl. Dok. 178. Vgl. Dok. 168.
562
31. 12. 1937
Nr. 186
Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an den Adressaten, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. zu den Akten. AVP RF, f. 082, op. 20, p. 86, d. 1, l. 119. Kopie.
Nr. 186 Aufzeichnungen des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov Nr. 186 31. 12. 193 31. 12. 1937 GEHEIM Expl. 1 Ausg. Nr. 3631 Berlin, 31. Dezember 1937 Tagebuch G. Astachovs 27. bis 31. Dezember. Wegen der Feiertagsstille gab es keine Treffen und Gespräche. Mit einigen offiziellen Deutschen (Meissner, Aschmann, Boltze, Bürgermeister Lippert und anderen) wurden Höflichkeiten ausgetauscht. Ich habe jedem von ihnen eine Büchse Kaviar (je ½ Kilo) mit Begleitschreiben zugeschickt. Als Antwort sind höfliche Dankesschreiben eingegangen. Von der traditionellen massenhaften Versendung von Kaviar, ähnlich der, wie sie von der Bevollmächtigten Vertretung in früheren Jahren gehandhabt wurde, habe ich eingedenk der Erfahrungen des letzten Jahres Abstand genommen. Damals haben fast alle offiziellen Deutschen, die Kaviar erhalten hatten, mit Briefen geantwortet, in denen sie mit dem Ausdruck der Dankbarkeit schrieben, dass sie den Kaviar an Krankenhäuser gespendet hätten. Um dies zu vermeiden, habe ich nunmehr nur an diejenigen Kaviar verschickt, die im Verlaufe des Jahres mir oder dem Bevollmächtigten Vertreter in irgendeiner Weise Gastfreundschaft angedeihen ließen. Dem Päckchen habe ich einen Brief beigelegt, in dem ich an die Begebenheit erinnerte, die mich dazu veranlasste, der betreffenden Person ein Geschenk zu machen. Außerdem wurden die Päckchen nicht an das Auswärtige Amt geschickt, wie im vergangenen Jahr, sondern an die jeweilige Privatadresse. Dieses Verfahren garantierte insgesamt einen glücklichen Ausgang der Operation. Den Personen, die im vergangenen Jahr demonstrativ den Empfang des Geschenks abgelehnt hatten (von Welck, Schliep und andere), wurde diesmal nichts zugeschickt. Außerdem wurden einige bekannte Diplomaten-Kollegen und Auslandskorrespondenten mit Kaviargeschenken bedacht, von denen Dankesbriefe und Gegengeschenke eingingen (Blumen und einige Kleinigkeiten, die dem Lebensmittellager der Bevollmächtigten Vertretung übergeben wurden). Auf die Anfrage des Nuntius2, ob ich beabsichtige, am 11. Januar zu dem Neujahrsempfang des Staatsoberhauptes3 zu gehen, wurde entsprechend der Weisung 1 2 3
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Cesare Orsenigo. Adolf Hitler.
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Nr. 187
5. 1. 1938
des NKID eine Zusage geschickt. Der Nuntius schickte das Programm für die Zeremonie. Ihm ist zu entnehmen, dass Hitler nur mit den Botschaftern und mit dem dienstältesten Gesandten (d.h. voraussichtlich mit dem norwegischen4) sprechen wird. Mit den Geschäftsträgern wird er nicht sprechen, ihre Beteiligung findet in den üblichen Verbeugungen und dem Handschlag mit dem Reichskanzler Ausdruck. *Die am 30.XII. erhaltene **klärende Information**5 von TASS zur Mitteilung aus Hankau (zur deutschen Vermittlerrolle usw.)6 haben wir ins Deutsche übersetzt und an die Botschaften der Pazifik-Länder (England, die USA, Frankreich, China) sowie an die Tschechoslowaken verschickt. Außerdem wurde sie über TASS einigen Auslandskorrespondenten zugestellt.*7 Der spezielle Austausch von Glückwünschen zum Neuen Jahr wurde in diesem Jahr durch Rundschreiben des Nuntius abgesagt. G. Astachov Oben rechts von der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 54 vom 4.1.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. 7 an Gen. Litvinov, 1 [Exemplar] zu den Akten. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 56, l. 1–2. Original.
Nr. 187 Schreiben des Stellvertretenden Chefs der Deutschen Sicherheitspolizei Best an das AA Nr. 187 5. 1. 1938 5. 1. 1938 Berlin, den 5. Januar 1938 Abschrift Pol. I 69 g (V) Der Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei Reichsministerium des Innern S-V 6 I/38-469-30 g. Abschrift An das Auswärtige Amt Betr.: Sowjetrussen in Deutschland Vorgang: Erlass des Geheimen Staatspolizeiamts II A 4 I792/36 vom 24. Oktober 1936
4 5
Arne Scheel. Der handschriftlich in lateinischen Buchstaben geschriebene Text wurde maschinenschriftlich in kyrillische Buchstaben übertragen. 6 Zur Vermittlerrolle der deutschen Diplomatie im japanisch-chinesischen Krieg im Dezember 1937 vgl. ADAP, Ser. D, Bd. I, Dok. 527–547. 7 Der Absatz ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen.
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5. 1. 1938 Nr. 187 Ich ersuche, die zur Anordnung von Reichsverweisungen zuständigen Landespolizeibehörden anzuweisen, sämtliche sowjetrussischen Staatsangehörigen in ihrem Bezirk, soweit sie Juden sind, auf Grund des § 2 Nr. 3 des Gesetzes über Reichsverweisungen vom 23. März 1934 – Reichsgesetzbl. I S. 2131 – ohne weitere Begründung aus dem Reichsgebiet mit einer Abzugsfrist von 10 Tagen auszuweisen. Einem etwa eingelegten Rechtsmittel ist die aufschiebende Wirkung zu versagen. Erfolgt die Ausreise nicht fristgemäß, ist die Ausweisung durch Abschiebung über die Reichsgrenze durchzuführen. Soweit im Bezirk einer Landespolizeibehörde mehrere jüdische sowjetrussische Staatsangehörige sich aufhalten, ist die Anordnung der Reichsverweisungen auf die Zeit bis zum 15. Februar 1938 angemessen zu verteilen. Inhaber von sowjetrussischen Dienst- und Diplomatenpässen sind von der Ausweisung auszunehmen.2 Über die Anordnung und Durchführung der Reichsverweisung ist dem Geheimen Staatspolizeiamt II A 3 durch Fernschreiben unter Angabe der vollständigen Personalien (Name, Vorname, Beruf, Geburtsdatum, Geburtsort, Wohnungsanschrift, Arbeitgeber) sowie des Datums der Ausweisungsverfügung und des Zeitpunkts der Ausreise aus Deutschland stets umgehend zu berichten. Zusatz für die Staatspolizeistelle Berlin: Der in Berlin-Wilmersdorf, Schaperstr. 34 wohnende Sowjetrusse Leo Arinstein (Arzt der Sowjetbotschaft Berlin), geb. 3.11.1872 in Kiew, bleibt von der vorstehenden Maßnahme vorläufig verschont. Im Auftrage: gez. Dr. Best Als Fernschreiben: An alle Staatspolizeileitstellen und Staatspolizeistellen. Abschrift übersende ich zur gefälligen Kenntnis. Im Auftrage: gez. Dr. Best Auf dem ersten Blatt oben Stempel: Geheim. PA AA, Moskau 215, Bl. 429970-429971. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. I, Dok. 611, S. 731.
1 Der angesprochene Artikel lautete: „Ein Ausländer kann aus dem Reichsgebiet verwiesen werden, […] 3. wenn er sich staatsfeindlich gegen das Reich betätigt oder betätigt hat, oder wenn sonst sein Verbleiben im Inland geeignet sein würde, die innere oder äußere Sicherheit des Reiches zu gefährden.“ In: Reichsgesetzblatt 1934, Teil I, S. 213–214, hier S. 213. 2 Das AA richtete am 5.2.1938 einen Schnellbrief an den Chef der deutschen Polizei mit der Bitte, auch sowjetische Ingenieure und Abnahmebeamte von der Ausweisungsverfügung auszunehmen; vgl. PA AA, R 101378, Bl. 237597.
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Nr. 188
7. 1. 1938
Nr. 188 Schreiben des Botschaftsrats in Moskau von Tippelskirch an den Leiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep Nr. 188 7. 1. 1938 7. 1. 1938 Moskau, den 7. Januar 1938. Tgb.Nr. A/9/38 Lieber Schliep! Vielen Dank für Ihren freundlichen Brief vom 29. Dezember v. Js. nebst der Aufzeichnung von Braun von Stumm1 sowie für die Übersendung des Jahresberichtes der deutsch-russischen Schule in Berlin, für die ich nach wie vor großes Interesse habe. Wir freuen uns sehr, dass Sie Ende Januar zu uns kommen werden. Der Herr Botschafter bittet Sie, möglichst bald den Tag Ihres Eintreffens und die Dauer Ihres Aufenthaltes hierher mitzuteilen. Es wäre gut, wenn Sie Ihren Frack mitbringen würden. Was die Aufzeichnung über die Generalserschießung anlangt, so möchte ich zu ihrem Inhalt folgendermaßen Stellung nehmen: Zunächst ist festzustellen, dass wir keinerlei Anhaltspunkte dafür haben, „dass die Sowjets den Franzosen Material gegeben haben, aus dem hervorgeht, dass die Beziehungen zwischen den maßgebenden deutschen Kreisen und sowjetrussischen militärischen Stellen noch bis jetzt sehr enge geblieben sind“. Wir glauben zu wissen, dass der hiesige französische Botschafter Coulondre nach der Erschießung der Generäle bei Litwinow Erkundigungen angestellt hat. Auf die Frage Coulondres, wie die gegen die Generäle erhobenen Anschuldigungen der Spionage zugunsten Deutschlands zu bewerten seien, hat Litwinow angeblich geschickt und ausweichend geantwortet, dies zu beurteilen sei natürlich Sache des Gerichts. Im Übrigen seien ihm über die Veröffentlichung des Gerichts hinausgehende Details nicht bekannt. Er brauche aber wohl kaum mehr besonders darauf hinzuweisen, dass die verurteilten Generäle durch ihre Schulung in Deutschland und durch ihre Sympathien eine germanophile Gruppe in der Führung der Roten Armee dargestellt hätten, deren Liquidierung logischerweise gerade auch den französisch-sowjetischen Beziehungen zu Gute kommen müsste. Die letztere Äußerung Litwinows entspricht im Wesentlichen der Darstellung, welche der bekannte, in dem Oktober-Heft (Band XVI Nr.1) der amerikanischen Revue „Foreign Affairs“ erschienene Artikel „The Russian Mystery. Behind the Tukhachevsky Plot“ von Balticus 2 (Bericht vom 8. November v. Js. – Tgb.Nr. A/2058) wiedergibt. Ich bemerke vertraulich, dass der Artikel angeblich von Professor Harper3 von der Universität in Chicago stammt und teilweise auf Mitteilungen eines Beamten des Außenkommissariats, Umanskis, beruht. Im Übrigen hat die Antwort Litwinows naturgemäß den Französischen Botschafter von der Richtigkeit der gegen die Generäle erhobenen Beschuldigung der Spionage zugunsten 1 2
Brief und Aufzeichnung sind in der Akte vorhanden. Balticus: „The Russian Mystery. Behind the Tukhachevsky Plot“. In: Foreign Affairs, Oktober 1937, S. 44–63. 3 Der Artikel stammte von Bruce Hopper.
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7. 1. 1938 Nr. 188 Deutschlands nicht überzeugen können. Wie ich zuverlässig weiß, sind im Gegenteil sämtliche in Moskau akkreditierten Botschafter der Überzeugung, dass der Spionage-Vorwurf gegen die Generäle unzutreffend ist. Allerdings ist zu beachten, dass Litwinows Antwort rein politisch aufzufassen ist. Es ist zwar richtig, dass die Mehrzahl der erschossenen Generäle vor längerer oder kürzerer Zeit mit Deutschland zu tun gehabt haben, dass jedoch Litwinows Antwort im Lichte der später erfolgten Säuberung in der Armee, von der auch zahlreiche Offiziere betroffen worden sind, die keinerlei Verbindung mit Deutschland hatten, nicht stichhaltig erscheint. Unsere Auffassung über die Umstände der Generalserschießung haben wir ausführlich berichtet. Die Berichte enthalten alles, was wir darüber wissen bzw. mit einiger Sicherheit dazu aussagen können. In der Zwischenzeit haben sich keine neuen Tatsachen ergeben, die geeignet wären die Hintergründe dieser Gewaltmaßnahme Stalins überzeugend aufzuklären. Auch die Auslassungen Jegorows und Kolzows (Bericht vom 16. Dezember 1937 – Tgb.Nr. A/22494) schaffen keine Klarheit, sondern können eher als Zweckmeldungen oder nachträgliche Unterstellungen, wenn nicht gar als Legendenbildung betrachtet werden. Wir halten daran fest, dass die Beschuldigungen gegen die Generäle (Spionage, Landesverrat usw.) nur ein Vorwand sind und dass eine akute oder konkrete Konspiration nicht bestanden hat. Wir glauben nach wie vor, dass Stalin die Generäle beseitigt hat, weil sie ihm wegen ihrer ganzen Einstellung verdächtig schienen, insoweit nämlich, als sie ihm gefährlich werden konnten durch ihren Einfluss auf die Gestaltung der Armee und als Kristallisationspunkte für eine Organisation, die Stalin bei der allgemeinen Unzufriedenheit im Lande fürchten zu müssen glaubte. Der akute Anlass zu dem Eingriff Stalins war zweifellos die Frage der Kriegsräte, deren Wiedereinführung Stalin aus Gründen der Sicherheit und der Kontrolle für notwendig hielt, die aber die Generäle aus ihrer persönlichen Einstellung heraus und aus Gründen der Aufrechterhaltung der militärischen Kommandogewalt als eine rein politische Maßnahme bekämpft haben werden. Sicherlich hat auch die bürgerliche Presse das ihre dazu beigetragen, das Misstrauen Stalins wachzuhalten und ihn in seinem Verdacht vor den Gefahren bonapartistischer Neigungen Tuchatschewskis und anderer Generäle zu bestärken. Neben diesen begründeten Erwägungen lassen sich selbstverständlich auch noch verschiedene Vermutungen anstellen. So ist es z.B. durchaus möglich, dass das Vorgehen gegen die Generäle das Werk oder die Folge von Machenschaften des Geheimdienstes irgendeines Landes ist. Auch ist denkbar, dass die allerdings nicht zur Ausführung gelangte Absicht des Generals Uborewitsch, bei der Durchreise durch Berlin im Herbst 1936 dem Generalfeldmarschall von Blomberg einen Besuch abzustatten, eine Rolle gespielt haben kann (ich möchte darauf aufmerksam machen, dass dieser Vorgang bisher streng geheim gehalten worden ist). Es ist uns aufgefallen, dass in hiesigen diplomatischen und journalistischen Kreisen wiederholt behauptet worden ist, dass Tuchatschewski auf seiner Reise von Paris nach Moskau im Herbst 1936 mit dem Generalfeldmarschall zusammengetroffen sei. Offenbar hat man irgendetwas läuten hören, man weiß aber nicht, wo die Glocken 4 Bericht der Deutschen Botschaft an das AA „Bemerkungen zur Frage der Generalserschießung“. In: PA AA, Moskau 187, o. P.
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Nr. 188
7. 1. 1938
hängen. Noch kürzlich hat der hiesige amerikanische Geschäftsträger5 bei uns angefragt, ob es richtig sei, dass Tuchatschewski in jener Zeit den Generalfeldmarschall besucht habe.6 Er fügte erläuternd hinzu, ein amerikanischer Journalist habe die Absicht, über die Generalserschießung eine Artikelserie zu schreiben, wobei er auch Obiges zur Sprache bringen wolle. Als wir den behaupteten Besuch Tuchatschewskis in Abrede stellten und als reine Erfindung bezeichneten, erklärte der amerikanische Geschäftsträger, dass er an diese Nachricht selbst nicht geglaubt habe, sich aber habe vergewissern wollen, um den Absichten des Artikelschreibers entgegentreten zu können. Bei dem außerordentlich großen Aufsehen, das die Generalserschießung in der ganzen Welt hervorgerufen hat, ist wohl anzunehmen, dass sie – zumal angesichts der sonstigen Vorgänge in der Sowjetunion – noch geraume Zeit das Interesse der Öffentlichkeit aller Länder finden wird. An sich wäre Deutschland durchaus berechtigt, seine bisherige Haltung fortzusetzen und die sowjetrussischen lügenhaften Beschuldigungen und Anwürfe als keiner ernsthaften Widerlegung wert zu behandeln, denn das Ziel, das uns politisch allein interessiert, nämlich die Beseitigung des französisch-sowjetischen Bündnisvertrages, würden wir mit solchen Widerlegungen nicht erreichen. Andererseits würde aber, falls Deutschland zu all diesen Beschuldigungen lediglich schweigt, die Öffentlichkeit in den verschiedenen interessierten Ländern schließlich doch zu der Überzeugung gelangen, dass an den sowjetrussischen Beschuldigungen irgendetwas Wahres ist. Es ist infolgedessen nicht verwunderlich, dass immer wieder von Zeit zu Zeit Nachrichten auftauchen und wohl auch geglaubt werden, dass Deutschland und Russland über kurz oder lang sich wieder vertragen werden. Andererseits würde eine sachliche und klare Stellungnahme aus amtlichem deutschen Munde in Anbetracht der sonstigen Vorgänge in der Sowjetunion, die in der ganzen Welt Abscheu erregen, und in Anbetracht der sowjetrussischen Erklärungen hierüber, von deren Unglaubwürdigkeit sich die Weltöffentlichkeit mehr und mehr überzeugt, sicherlich auf fruchtbaren Boden fallen und Glauben finden, da sie die größere Wahrscheinlichkeit für sich hat. Sie können sich denken, dass all diese Fragen uns hier außerordentlich beschäftigen, und ich möchte Ihnen daher auch auf Wunsch des Herrn Botschafters vorschlagen, dass wir diese überaus wichtige Angelegenheit bei ihrer Anwesenheit in Moskau eingehend durchsprechen. Mit herzlichen Grüßen bin ich Heil Hitler! wie stets Ihr getreuer [Tippelskirch] Auf erstem Blatt oben: vor Abg[ang] H[errn] Botschafter erg., H[errn] G[eneral]L[eutnant] Köstring mit deren Abzeichnungen vom 8.1. und Kl[einer] Umlauf mit verschiedenen Abzeichnungen. Unten: ab 10.I. Gü[nther] PA AA, Moskau 187, o. P., 5 Bl.
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Prentiss Bailey Gilbert. Zu Besuchen von Tuchačevskij oder Uborevič in Deutschland vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Einleitung, S. 23.
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8. 1. 1938 Nr. 189 Nr. 189 Meldung des Volkskommissars für Innere Angelegenheiten Ežov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin Nr. 189 8. 1. 1938 8. 1. 1938 GANZ GEHEIM Nr. 1001221 8.1.1938 AN DEN SEKRETÄR DES ZK DER VKP (B) Gen. STALIN Ich übersende die Kopie des Telegramms Nr. 6502 des Chefs des UNKVD für das Gebiet Novosibirsk Gen. *GORBAČ*2 VOLKSKOMMISSAR FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN DER UdSSR, GENERALKOMMISSAR DER STAATSSICHERHEIT EŽOV GANZ GEHEIM MEMORANDUM Nr. 490, 487 Aus Novosibirsk 4. Januar 1938 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN DER UdSSR Gen. EŽOV Im November haben wir in *Tomsk*3 Agenten der deutschen Spionage verhaftet und zur Verantwortung gezogen: den ehemaligen Direktor und Professor des Forschungsinstituts für Mathematik und Mechanik VIŠNEVSKIJ, Lev Aleksandrovič, und den Professor am gleichen Institut, den deutschen Staatsangehörigen und ehemaligen Artillerieoffizier der Reichswehr NOETHER, Fritz. VIŠNEVSKIJ sagte aus, dass er 1933 vom ehemaligen Leiter der Wissenschaftlich-Technischen Abteilung der GAU4 der RKKA ŽELEZNJAKOV, Jakov Alekseevič5, für Spionagetätigkeit für Deutschland angeworben worden sei. Laut Aussage VIŠNEVSKIJS sei ŽELEZNJAKOV im Auftrag der Aufklärungsverwaltung des NKO wiederholt nach Polen, Deutschland, in die Tschechoslowakei und in andere Staaten gereist, wo er bei einer dieser Reisen vom Nachrichtendienst des Generalstabes in Berlin angeworben worden sei. Laut Aussage von VIŠNEVSKIJ und NOETHER haben sich in der ArtillerieVerwaltung des NKO und den ihr unterstellten Einrichtungen, in wissenschaftlichen Forschungsinstituten, in der Artillerie- und in der Luftfahrtakademie umfang1 2 3
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der Name wurde von Ežov mit rotem Farbstift unterstrichen. Der hier und im Folgenden markierte Text wurde, wenn nicht anders vermerkt, von Stalin mit blauem Farbstift unterstrichen. 4 Glavnoe artillerijskoe upravlenie = Hauptverwaltung für Artillerie. 5 So im Dokument; richtig: Železnjakov, Jakov Moiseevič.
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Nr. 189
8. 1. 1938
reiche Spionage- und Diversionsorganisationen der deutschen Spionage gebildet. VIŠNEVSKIJ nannte als Beteiligte Oberst *KIRILLOV-GUBECKIJ, den Chef des Artilleriekomitees der Artillerieverwaltung und ehemaligen Militärattaché in Frankreich*, ŽELEZNJAKOV, den ehemaligen Chef der Wissenschaftlich-Technischen Abteilung der Artillerieverwaltung der RKKA, **ZACHODER, den Chef des Leningrader Artillerieinstituts6, UPORNIKOV, den Chef der Ersten Abteilung des gleichen Instituts, STRUSEL’B, den Chef des Wissenschaftlichen Forschungsinstituts der Abteilung der Artillerie-Akademie** 7 , *GRAVE* 8 , den Chef des Ballistik-Laboratoriums, *MEČNIKOV*9, den Chef der äußeren Ballistik, *DROZDOV*10, den Projektentwickler für Artilleriesysteme, *GLOBUS*11, den Chef der Wissenschaftlichen Forschungsabteilung der Artillerie 12 , *KARDE* 13 , den Ingenieur der ArtillerieAkademie und ehemaligen Ingenieur der deutschen Firma Krupp, *VEJNCEL’*14, den Professor an der Žukovskij-Akademie für Luftfahrt, *NUMEROV* 15 , den *ehemaligen Direktor des Leningrader Astronomie-Instituts*, *GERŠKOV*16, den ehemaligen Chef der Ersten Abteilung des NKO, *FRENKEL’, Professor* des Leningrader Instituts für Technologie17 und andere. Laut Aussagen von VIŠNEVSKIJ und auch von NOETHER erledigt das Mitglied der Organisation FRENKEL’, der über die Allunionsgesellschaft für *Kulturbeziehungen mit dem Ausland über Verbindungen zur *Gesellschaft zur Unterstützung für deutsche Wissenschaftler in ZÜRICH* verfügt, Spezialaufträge des deutschen Nachrichtendienstes zur Einschleusung ihrer Agentur auf das Territorium der UdSSR. Die Gesellschaft zur Unterstützung deutscher Wissenschaftler wird, wie dies VIŠNEVSKIJ aussagt, in einem breiten Umfang von der Aufklärungsabteilung der Reichswehr*18 mit dem Ziel der militärpolitischen Spionage in fast ausnahmslos allen Ländern genutzt. Der von uns verhaftete NOETHER sagte aus, dass er zwecks Aufklärungstätigkeit 1934 vom General der Reichswehr BECKER und von dem Major der Aufklärungsabteilung MÜLLER über die Gesellschaft zur Unterstützung deutscher Wissenschaftler unter aktiver Mitwirkung der Mitglieder der Organisation FRENKEL’ und ČERNYŠEV in die UdSSR eingeschleust worden sei. NEVATER19 hatte von der deutschen Spionage die Aufgabe bekommen, die Arbeit des Wehrinstitutes in Tomsk umfassend zu beobachten, *die Interessen der Armeeführung an der Artillerie zu er6 So im Dokument. Zachoder war bis März 1936 Chef des wissenschaftlichen Erprobungsinstituts der Artillerie. Zum Zeitpunkt seiner Verhaftung am 7.6.1937 war er Chef der Weiterbildungskurse für die Kommandeure für Flakartillerie und für Flakmaschinengewehreinheiten der RKKA. 7 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. 8 Der Name ist mit rotem Farbstift fett unterstrichen und mit blauem Farbstift umkringelt. 9 Der Name ist mit rotem und blauem Farbstift fett unterstrichen. 10 Der Name ist mit rotem Farbstift fett unterstrichen und mit blauem Farbstift umkringelt. 11 Der Name ist mit rotem und blauem Farbstift umkringelt. 12 Globus war bis zum Ausschluss aus der VKP (B) und der Entlassung aus der RKKA im Jahr 1935 Chef der Forschungsabteilung an der Artillerieakademie. 13 Der Name ist mit rotem Farbstift fett unterstrichen und mit blauem Farbstift umkringelt sowie mit einem Fragezeichen in rotem Farbstift versehen. 14 Der Name ist mit rotem Farbstift fett unterstrichen und mit blauem Farbstift umkringelt. 15 Der Name ist mit rotem Farbstift fett unterstrichen und mit blauem Farbstift umkringelt. 16 Der Name ist mit blauem Farbstift umkringelt. 17 So im Dokument. Frenkel’ war Professor am Leningrader Polytechnischen Institut. 18 Der gekennzeichnete Text ist ab dem Wort „Kulturbeziehungen“ am linken Seitenrand mit blauem Farbstift zweifach angestrichen. 19 So im Text; richtig: NOETHER.
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8. 1. 1938 Nr. 189 kunden und Einfluss auf das Institut zu nehmen mit dem Ziel, dass das Narkomat für Verteidigung eine falsche Richtung hinsichtlich der wissenschaftlichen Forschungstätigkeit auf dem Gebiet der Artillerie einschlägt. Mit dem Nachweis für die Absurdität der vom Narkomat für Verteidigung vorgeschlagenen Themen sollte die organische Verbindung des einen Themas mit dem anderen gestört werden*20. Über Vorschläge zu fingierten Experimenten der wissenschaftlichen Forschungsarbeit sollte das Volkskommissariat für Verteidigung genötigt werden, Aufträge von Rüstungsbetrieben für die Ausrüstung der Armee mit Munition und Waffen von minderer Qualität anzunehmen. Dem Generalstab sollten Informationen über die Tätigkeit des Instituts zu Artillerie in Ultrageschwindigkeit, mit übergroßer Reichweite und zu neuen Waffenmustern zugeleitet werden. NOETHER von der deutschen Spionage hatte ein geheimes Treffen mit ŽELEZNJAKOV sowie mit dem ehemaligen deutschen Konsul in Novosibirsk *GROßKOPF*21. Laut Aussage von NEVATER reiste er zweimal von Tomsk nach Berlin, um die Verbindung zur Nachrichtenabteilung des Generalstabes herzustellen. Von 1936 bis in die heutige Zeit wurde die Spionageverbindung über GROßKOPF und den Sekretär des Deutschen Konsulats in Novosibirsk *KRÄMER* unterhalten. *NEVATER* hat über VIŠNEVSKIJ für die Kontaktaufnahme die Verbindung zur Spionage- und Diversionsorganisation und zur Artillerieverwaltung des NKO hergestellt. Laut Aussagen von NOETHER und VIŠNEVSKIJ haben sie im *Tomsker Ballistikinstitut*22 eine Reihe von Personen aus dem antisowjetischen Kreis der Professoren und der Lehrkräfte für die Spionagetätigkeit gewonnen:*MOJIN23*, *ROMANO24*, *MALEEV*, *TRAPESNIKOV* und *andere*25. Die Organisation in Tomsk hat eine breitangelegte Spionage- und Diversionstätigkeit geleistet, um dem deutschen Nachrichtendienst Informationen über besonders wichtige Maßnahmen des NKO auf dem Gebiet der Bewaffnung der RKKA zu übermitteln und die wichtigsten Aufgaben auf dem Gebiet der Entwicklung neuester Waffenarten zu vereiteln mit dem Ziel, die Verteidigungsfähigkeit des Landes zu schwächen. Das Vernehmungsprotokoll schicke ich zu.26 GORBAČ 2.1.38 Nr. 6502 FÜR DIE RICHTIGKEIT: Leiter der 1. Abteilung des Sekretariats des NKVD der UdSSR Oberleutnant der Staatssicherheit27 Alencev 20 21 22 23 24 25
Der Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. Der Name ist mit blauem Farbstift halb umkringelt. Die Textstelle ist mit blauem Farbstift umkringelt. So im Text; richtig: Molin. So im Text; richtig: Romanov. Die in dieser Zeile gekennzeichneten Familiennamen und das Wort „andere“ sind mit blauem Farbstift umkringelt, gegenüber dem Wort „andere“ befindet sich mit blauem Farbstift die Randbemerkung: welche anderen? 26 In der Akte nicht vorhanden. 27 Funktion als Stempel.
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Nr. 190
10. 1. 1938
Vermerk I.V. Stalins auf dem Begleitschreiben N.I. Ežovs mit blauem Farbstift: Wichtig. Mit Savčenko ist zu sprechen. Vermerk des Sekretärs mit Bleistift: Zurück ans ZK. Das Begleitschreiben und der Bericht sind auf Kopfbogen des Volkskommissariats für Innere Angelegenheiten der UdSSR geschrieben. RGANI, f. 3, op. 58, d. 254A, l. 84–88. Original. Veröffentlicht in: Lubjanka, Stalin i Glavnoe upravlenie gosbezopasnosti NKVD, Dok. 275, S. 461–462.28
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Nr. 190 Aufzeichnung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Handelspolitischen Abteilung im AA Schnurre Nr. 190 10. 1. 1938 10. 1. 1938 Berlin, den 10. Januar 1938 Vertraulich 1) Die Besprechungen mit der hiesigen Sowjet-Handelsvertretung über die Verlängerung des Wirtschaftsvertrages für 1937 auf das Jahr 1938 sind bisher erfolglos geblieben. Im Jahre 1937 sind die während dieses Jahres fällig gewordenen russischen Wechselverbindlichkeiten vorzeitig durch Lieferung von solchen Waren abgedeckt worden, die für uns Devisenwert hatten. Wir sind bereit, den Russen die gleiche Regelung für 1938 zuzugestehen. Die Russen verlangen jedoch die Abdeckung der 1938 fällig werdenden Wechselverbindlichkeiten durch Lieferung von Waren nach ihrer Wahl, wollen sich also für die Abdeckung dieser Verpflichtungen nicht mehr an die Warenliste halten, die für das Jahr 1937 vereinbart war. Summenmäßig hat das Problem für das Jahr *1938*1 eine erheblich geringere Bedeutung, da nur Wechselverbindungen in Höhe von 12 Millionen RM fällig werden gegenüber 27 Millionen RM im Jahre 1937. Von diesen 12 Millionen RM werden 7 Millionen RM gegen Devisenverpflichtungen des Kalisyndikats verrechnet, sodass *nur 5 Millionen RM durch Rohstofflieferungen abzudecken*2 wären. Die Frage hat aber erhebliche grundsätzliche Bedeutung wegen der späteren Rückzahlungen der Russen aus dem letzten 200-Millionen-Kredit. 2) Um eine größere Rohstoffeinfuhr aus der Sowjet-Union im Jahre 1938 von vornherein festzulegen, haben wir die Russen jetzt ersucht, uns eine Bestellliste für diejenigen Waren vorzulegen, die sie im Jahre 1938 in Deutschland bestellen wollen und haben ihnen für die Bearbeitung einer solchen Liste weitgehendes Entgegenkommen zugesagt. Nach einer Stellungnahme des M.P.G.O. Göring ist man bereit, auch auf solchen Gebieten weiteres Entgegenkommen zu zeigen, auf denen man dies bisher abgelehnt hatte. Die von uns verlangte Bestellliste der Russen liegt noch nicht vor, ist wohl auch in Anbetracht der personellen Schwierigkeiten kaum bald zu erwarten.
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Das Dokument wurde in redaktioneller Bearbeitung veröffentlicht. Die Jahreszahl ist von Wiehl unterstrichen. Der Text ist von Wiehl unterstrichen.
10. 1. 1938 Nr. 190 3) Intern, also bisher nur innerhalb der Delegation, haben wir uns überlegt, ob auf dem Wege über einen neuen Kredit eine Erweiterung und Festlegung der deutschen Rohstoffbezüge aus Russland erfolgen könne. Es ist dabei folgender Plan erörtert worden: Den Russen vorzuschlagen, den erst 1940 und später fällig werdenden letzten 200-Millionen-RM-Kredit jetzt schon, also vorzeitig, durch Rohstofflieferungen abzudecken und ihnen die Abdeckung dieses Kredits durch Einräumung eines neuen 200-Millionen-Kredits schmackhaft zu machen. Es wurde heute besprochen, dass Min. Dirig. Spitta diesen Gedanken sobald als möglich dem M.P.G.O. Göring vorträgt und dessen Entscheidung einholt, ob wir den Russen einen solchen Vorschlag machen können. Zusagen hinsichtlich der russischen Bestellungen in Deutschland und Kreditaktionen sind die beiden einzigen Mittel, die Frage der Rohstofflieferungen aus Russland zu aktivieren, da die Russen nicht für einen Pfennig mehr liefern, als zur Abdeckung ihrer Bestellungen und Kreditverpflichtungen notwendig ist. Ob die Russen auf unsere Vorschläge überhaupt eingehen werden, lässt sich zurzeit noch nicht übersehen. Nachteilig dabei ist, dass der jetzige Leiter der Handelsvertretung, Smolensky, es kaum wagen kann, eine eigene Ansicht zu äußern und in allem von seinen Moskauer Auftraggebern abhängt. In Moskau selbst sind die personellen Verhältnisse in dem Außenhandelskommissariat völlig ungeklärt. gez. Schnurre Auf erstem Blatt oben Paraphe von W[iehl], unten: Durchschlag erhalten: Dir W (Durchschlag für die evtl. Vorlage an Herrn St.Sekr. liegt bei), stellv. Dir. W, Pol V. PA AA, R 106230, Bl. 452554-452556. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. I, Dok. 613, S. 732–733.
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Nr. 191
11. 1. 1938
Nr. 191 Schreiben des Volkskommissars für Verteidigungsindustrie Kaganovič an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov Nr. 191 11. 1. 1938 11. 1. 1938 GEHEIM Expl. Nr. 1 Nr. P-33/591 11. Januar 1938 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN DER UdSSR Gen. LITVINOV Kopie an: ZK VKP (B)
Gen. A.A. ANDREEV
Betrifft: *Reiseroute für Dienstreisende ins Ausland*2 In letzter Zeit häufen sich Fälle eines äußerst groben Verhaltens deutscher Beamter und der Polizei gegenüber Ingenieuren und Technikern des NKOP, die auf Dienstreisen in verschiedene Länder im Transit durch Deutschland reisen. Derartige Vorfälle setzten bereits im *Mai 1937*3 ein und haben seitdem nicht nur zahlenmäßig zugenommen, sondern schärfere Formen angenommen, bis hin zu physischer Gewaltanwendung. *Darüber sind Ihnen wiederholt entsprechende Materialien zusammen mit Bitten zugeleitet worden, Maßnahmen zu ergreifen, um eine derartige Situation abzustellen.*4 Zum jetzigen Zeitpunkt erachte ich es als unumgänglich, *eine Veränderung der Reiseroute*5 für von uns auf Dienstreise geschickte Mitarbeiter in der Weise vorzunehmen, dass sie auf ihrer Reise Deutschland umgehen können. Dies bietet den Dienstreisenden vor allem normale Reisebedingungen und entzieht, zweitens, den immer dreister werdenden faschistischen Beamten die Möglichkeit, gegen Bürger der UdSSR Gewalt anzuwenden. Wenn ich dazu drei Varianten für die Reiseroute nach Frankreich unterbreite, möchte ich Sie zugleich um Entscheidung bitten, welche von ihnen (eventuell mit von Ihnen angefügten Korrekturen) am ehesten annehmbar ist, und uns dies mitzuteilen, um sie künftig für Dienstreisende zu benutzen. 1. Moskau-Warschau-Wien-Innsbruck-Zürich-Paris. 2. Moskau-Riga und weiter auf dem Wasserweg bis nach Le Havre oder Cherbourg. 3. Moskau-Leningrad-Helsingfors oder Åbo-Stockholm-Kopenhagen-Le Havre oder Cherbourg. 1 2 3 4 5
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. Das Datum ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Der Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen.
11. 1. 1938 Nr. 192 Es versteht sich von selbst, dass man die Mitarbeiter im Sommer auf dem Wasserweg von Leningrad nach Le Havre oder Cherbourg auf sowjetischen Dampfern reisen lassen kann. M. Kaganovič6 Beschluss M.M. Litvinovs mit roter Tinte: V. P.7. Ich erinnere mich an ein ähnliches Schreiben vor einigen Monaten, jedoch weiß ich nicht, was von uns unternommen worden ist.8 ML. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 141 vom 13.1.1938. Unten links von der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats von V.P. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 247 vom 15.1.1938. Unten in der Mitte befindet sich der Stempel der 2. Westabteilung des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr.140 vom 16.1.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: Geschr. 3 Expl. 2 an die Adresse, 1 [Exemplar] zu den Akten. 7.1.38. Auf Kopfbogen des Volkskommissars für Verteidigungsindustrie der UdSSR geschrieben. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 60, l. 1. Original.
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Nr. 192 Verbalnote des NKID an die Deutsche Botschaft Moskau Nr. 192 11. 1. 1938 11. 1. 1938 [11.01.1938] Nr. 1001 DEUTSCHE BOTSCHAFT Moskau In Bestätigung des Eingangs der Verbalnote der Deutschen Botschaft unter der Nr. Gvd V/104/37 vom 23. Dezember 1937 beehrt sich das Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten, Folgendes mitzuteilen: Im Ergebnis einer gründlichen Untersuchung, die unverzüglich nach der Meldung eines Vertreters der Botschaft an den Milizposten in der Nacht vom 22. auf den 23. Dezember des vergangenen Jahres über das angebliche Eindringen von Übeltätern in den Hof der Botschaft durchgeführt wurde, konnte der in der oben erwähnten Note der Botschaft angeführte Tatbestand in keiner Weise erhärtet werden. Am 9. Januar 1938 um 12 Uhr nachts wurde das Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten von den zuständigen Behörden davon in Kenntnis gesetzt, 6 7 8
Zur Antwort Litvinovs an Kaganovič vgl. Dok. 198. Vladimir Petrovič Potemkin. Zu zwei Beschwerden des Volkskommissariats für Verteidigungsindustrie und dessen Mitarbeitern wegen des Vorgehens der deutschen Behörden beim Passieren der deutschen Grenze per Bahn durch sowjetische Dienstreisende und zu den daraufhin unternommenen Schritten des NKID und der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin vgl. die Information von Michel’s vom 16.1.1938 an Potemkin. In: AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 60, l. 2–4. 1
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben.
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Nr. 193
12. 1. 1938
dass der dritte Sekretär der Deutschen Botschaft, Herr Lamla, am 9. Januar d. J. um 23 Uhr 30 Min. dem Milizposten einen vermeintlich neuerlichen Versuch des Eindringens einer unbekannten Person in den Hof der Botschaft gemeldet habe. Daraufhin fuhr der Leiter der Protokollabteilung des NKID, Herr V. N. Barkov, in Begleitung des Vertreters der Moskauer Kriminalmiliz, Herrn Stepanov, umgehend in die Botschaft. Darüber hinaus traf auch der herbeigerufene Vertreter der Moskauer Stadtmiliz, Herr Poljakov, in der Botschaft ein. Besagte Personen stellten im Beisein Herrn Lamlas und des Wachmanns nach Besichtigung des Hofes der Botschaft sowie der angrenzenden Dächer und Höfe einhellig die Abwesenheit irgendwelcher Spuren des Aufenthalts unbefugter Personen im Hof der Botschaft fest. Die Untersuchung beider Meldungen der Botschaft vom 23. Dezember 1937 und 9. Januar 1938 ergab, dass die bestehende Bewachung der Deutschen Botschaft das Eindringen von Übeltätern in das Territorium der Deutschen Botschaft ausschließt. Angesichts des oben Dargelegten macht das Volkskommissariat die Botschaft auf das merkwürdige Verhalten des Wachmanns der Botschaft aufmerksam und bittet darum, für die Ergreifung von Maßnahmen zu sorgen, um einer Wiederholung völlig unbegründeter Alarme in Zukunft vorzubeugen. Moskau, 11. Januar 19382 AVP RF, f. 82, op. 22, p. 72, d. 11, l. 3–4. Kopie.
Nr. 193 Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA Nr. 193 12. 1. 1938 12. 1. 1938 Moskau, den 12. Januar 1938 Tgb.Nr. C IV a Verh.adh. 1 Anlage (vierfach) An das Auswärtige Amt in Berlin Inhalt: Ausweisungsaktion Bei einer Besprechung im Außenkommissariat hat der neue Stellvertretende Leiter der II. Westabteilung, Herr Michels, von sich aus die Frage auf die Ausbürgerungen von in der Sowjet-Union in Haft befindlichen Reichsdeutschen gebracht. Er führte aus, dass in mehreren Fällen die Pässe ausgewiesener Reichsdeutscher seitens der Botschaft und der Konsulate nicht zurückgeschickt worden seien, unter Hinweis darauf, dass die Inhaber inzwischen ausgebürgert wären und somit die betreffende deutsche Vertretung keine weiteren Schritte in der Angelegenheit tun 2 Eine Kopie der Note wurde zur Information an die Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland geschickt. In: AVP RF, f. 82, op. 22, p. 72, d. 11, l. 2.
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12. 1. 1938 Nr. 193 könne. Michels protestierte gegen ein solches Verfahren und fügte hinzu, dass alle Verantwortung für die Folgen dieses Verfahrens auf deutscher Seite lägen. Die Innenbehörden wären über diese Ausbürgerungen verärgert. Insbesondere wies er auf einen Fall hin, in dem dem Generalkonsulat Kiew am 11. Dezember eine Ausweisung mitgeteilt worden sei, worauf das Generalkonsulat am 12. Dezember geantwortet habe, der Betreffende sei am 11. Dezember ausgebürgert worden. Die Unterhaltung ergab den Eindruck, dass das Innenkommissariat in diesem Vorgehen ein selbständiges schikanöses Verhalten der Botschaft und der Konsulate sieht. Es wurde Herrn Michels erwidert, dass die Ausbürgerungen, die, wie den Sowjetbehörden bekannt sei, schon seit einigen Jahren in Deutschland durchgeführt würden, ein ordnungsgemäßes Verwaltungsverfahren seien, deren Ergebnis laufend im Reichsanzeiger veröffentlicht werde. Dem Außenkommissariat stehe es frei, sich durch die Sowjetbotschaft in Berlin über diese Ausbürgerungen unterrichten zu lassen. Es handle sich in den hier vorliegenden Fällen ausschließlich um ehemalige Kommunisten, die sich in Deutschland gegen die bestehende Staatsordnung aufgelehnt hätten. Die Deutsche Regierung müsse sich das Recht vorbehalten, diesen Elementen die Rückkehr nach Deutschland ebenso zu verweigern, wie die Sowjetregierung sich das Recht vorbehalte, russischen Emigranten, die ihr nicht passen, das Einreisevisum abzulehnen. Michels gab sich mit dieser Erklärung zunächst zufrieden, die er den inneren Behörden zur Kenntnis bringen wollte. *Die Haltung Michels bei der Besprechung dieser Frage legt die Befürchtung nahe, dass eine Komplizierung des Ausweisungsverfahrens durch Zurückhaltung der Pässe vor allem in schwebenden Ausbürgerungs- und anderen Fällen, und durch eine zu weite Ausdehnung des Rahmens der Ausbürgerung die gesamte Ausweisungsaktion in Frage stellt.*1 *Ich habe daher geglaubt, im Interesse der Gesamtheit der Gefangenen die Konsulate in Leningrad, Kiew und Nowosibirsk durch den in Abschrift mit der Bitte um Kenntnisnahme beigefügten Drahterlass2 anzuweisen, Pässe nur in denjenigen Fällen zurückzubehalten, in denen die Ausbürgerung bereits *durchgeführt* ist.*3 Schulenburg Eigenhändige Unterschrift. Auf dem ersten Blatt oben Stempel des AA: Pol. V 444, eing. 18. JAN 1938. Unten: Es liegt [doch] bereits eine ausdrückliche Weisung des Ref. D[eut]schl[an]d vor, dass bei schwebenden Ausbürgerungsverfahren Pässe nicht erteilt werden dürfen. [Pol V 7128/37] Gefertigt in drei Durchschlägen. Auf Kopfbogen der Deutschen Botschaft geschrieben. PA AA, R 104402, o. P., 2 Bl.
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Am Seitenrand steht an diesem Absatz ein Fragezeichen. Der Drahterlass ist in der Akte vorhanden. Der Absatz ist am Seitenrand angestrichen und mit einem Ausrufezeichen versehen. Zusätzlich ist das gekennzeichnete Wort unterstrichen.
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Nr. 194
13. 1. 1938
Nr. 194 Auszug aus den Aufzeichnungen des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov Nr. 194 13. 1. 1938 13. 1. 1938 GEHEIM Expl. 7 Ausgangs-Nr. 31 Berlin, 13. Januar 1938 Tagebuch G. Astachovs […]2 12. Januar. Ich nehme am Zeremoniell bei Hitler anlässlich des Austauschs der Glückwünsche zum Neuen Jahr teil. Die wichtigsten Momente: Wenn sich das Auto dem Eingangsportal nähert, ertönt ein Trommelwirbel (für Botschafter spielt das Orchester einen Marsch), die hier gleichfalls aufgezogenen Militärs salutieren. Im Vestibül erfolgt die Begrüßung durch den Protokollchef3, zugleich wird ein Blatt mit dem vorgesehenen Platz in der Reihe der Diplomaten ausgehändigt. Da ich unter allen Geschäftsträgern der Dienstälteste bin, war mein Platz der erste in der Reihe der letzteren. Hinter mir steht der Amerikaner4. Vor mir steht der Siamese als ständiger Geschäftsträger5. Der Ecuadorianer (ebenfalls ständiger)6 fehlt aus irgendeinem Grund, und vor dem Siamesen steht bereits der iranische Gesandte7. Die Gäste begeben sich nach dem Ablegen der Garderobe über eine Treppe in den Saal, in dem die Zeremonie erfolgt, und bilden ein Karree, indem sie die für sie vorgesehenen Plätze einnehmen. Um 12.05 Uhr erscheint Hitler in Begleitung Neuraths, Meissners, des Protokollchefs und anderen. Allgemeine Verbeugung, danach Redenaustausch mit dem Nuntius8. Danach ein drei- bis vierminütiges Gespräch mit den Botschaftern und dem Norweger9 als dem Dienstältesten der Gesandten. Händeschütteln mit den Gesandten und Austausch von ein paar Glückwünschen. Die Geschäftsträger werden mit einem Händedruck und irgendeinem unverständlichen Satz begrüßt. Als der Chef des Protokolls (nach dem Siamesen) zum Reichskanzler sagt, dass als nächster der sowjetische Geschäftsträger kommt, spürt man bei Hitler eine kaum bemerkbare innere Anspannung, er beherrscht sich aber augenblicklich und nimmt genau die gleiche Zeremonie wie auch mit den anderen vor. Bedeutend freundlicher blickt Neurath drein und spricht die Begrüßungsworte in einem recht freundlichen Ton. Zum Abschluss erfolgt eine allgemeine Verbeugung, und damit ist die Zeremonie beendet. Bei der Abfahrt der Autos erfolgt der gleiche Trommelwirbel und die militärische Ehrenbezeugung wie bei der Ankunft. 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Bleistift geschrieben. Ausgelassen sind die Aufzeichnungen von Gesprächen mit Diplomaten und Korrespondenten einer Reihe von Staaten in der Zeit vom 5. bis 9.1.1938 (l. 9 bis 8). 3 Vicco von Bülow-Schwante. 4 Prentiss Bailey Gilbert. 5 Prinz Pridi Debyabongs Devakula. 6 So im Dokument. Die Beziehungen zwischen Ecuador und Deutschland wurden auf der Ebene von Konsulaten unterhalten. 7 Nader Arasteh. 8 Cesare Orsenigo. 9 Arne Scheel.
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13. 1. 1938 Nr. 194 Als ich mich im Wartesaal befand, habe ich unter anderen den Nuntius begrüßt. Dieser fragte beiläufig, wie die Dinge in Russland stünden. Als er die Antwort bekam, dass alles gut sei, fragte er, wie es Jurenev ginge. Ich antwortete, dass er seinen Posten aufgegeben habe und nicht mehr Botschafter sei. Darauf bemerkte der Nuntius: „Ich hoffe, dass er in Freiheit ist“.10 *Als ich den neu ernannten japanischen Botschafter Togo begrüßte, kam er ebenfalls auf Jurenev zu sprechen11 und sagte: „Ich bedaure es sehr, ihn nicht in Berlin anzutreffen.“*12 […]13 13. Januar. Ich bin beim *Pressechef des Auswärtigen Amtes Aschmann*14, dem ich den neuen Presseattaché, Gen. Smirnov, vorstellte. Nach einem knappen allgemeinen Gespräch brachte ich die beleidigende Kampagne der deutschen Presse gegen die UdSSR zur Sprache. Ich verwies darauf, dass ich nicht vorhätte, auf die allgemeinpolitische Feindseligkeit der deutschen Presse gegenüber der UdSSR und den prinzipiellen Doktrinen einzugehen. Aber wir seien dennoch der Meinung, dass sich die systematischen beleidigenden Ausfälle der deutschen Presse gegen offizielle Persönlichkeiten der UdSSR, gegen unsere Auslandsvertreter, gegen die Rote Armee usw. uns als weit über die Grenzen der zwischen unseren Ländern bestehenden Beziehungen hinausgehend erschienen. Unsere Presse, deren Haltung zu den Doktrinen des Nationalsozialismus bekannt sei, enthalte sich dennoch nicht nur jeglicher Beleidigungen, sondern auch zum großen Teil persönlicher Charakteristiken offizieller Personen Deutschlands. Bei uns sei es nicht üblich, Karikaturen auf Hitler aufzunehmen und seinen Namen mit irgendwelchen beleidigenden Beiwörtern in Verbindung zu bringen. Unsere Presse vermeide jegliche Unkorrektheiten gegenüber von Neurath und deutschen Diplomaten. Bei uns werde die Reichswehr nicht beleidigt. Selbst solche Personen wie Dr. Goebbels würden nicht in der Presse beleidigt. Wir würden deutsche offizielle Persönlichkeiten mit ihrem offiziellen Namen bezeichnen, obgleich bei weitem nicht alle den Familiennamen trügen, mit dem sie geboren seien (dies wiederholte ich zweimal, indem ich auf Hitler anspielte, der bekanntlich den Familiennamen seiner Mutter trägt und nicht den weniger wohlklingenden Familiennamen seines Vaters15). Aschmann sei zweifellos besser als mir bekannt, dass sich die deutsche Presse völlig anders verhalte. Persönliche Beleidigungen, grobe Beiwörter, unzulässige Karikaturen, Doppelnamen, die eine offen beleidigende Bedeutung hätten, verschwänden nicht aus den Spalten der Zeitungen. Die Zeitschrift „Deutsche Wehr“ habe eine Sondernummer über die Rote Armee herausgebracht, die in einem unzulässig beleidigenden Ton gehalten sei. Zitate, die meine Ausführungen bestätigen, könne man in unerschöpflicher 10 11
Jurenev war am 23.9.1937 verhaftet worden. Jurenev war von 1933 bis 1937 Bevollmächtigter Vertreter der UdSSR in Japan gewe-
sen. 12 13
Der Absatz ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. Ausgelassen sind Aufzeichnungen von Gesprächen mit Diplomaten vor der Zeremonie, die keinen Bezug zu den sowjetisch-deutschen Beziehungen haben, sowie die Information über die Einladung seitens des Reichsverbands der deutschen Presse, die in der Bevollmächtigten Vertretung, adressiert an Jurenev, eingetroffen war (l. 7-6). 14 Der Text ist mit Tinte unterstrichen. 15 So im Dokument. Hitlers Vater Alois Schicklgruber trug ab 1876 den Familiennamen Hitler, sein Sohn Adolf wurde 1889 geboren. Der Mädchenname der Mutter lautete Pölzl.
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Nr. 194
13. 1. 1938
Anzahl anführen, und Aschmann habe dafür wohl kaum einen Bedarf, weil ihm die Sachlage bekannt sei. Ich stellte die Frage, ob mit einer Änderung der jetzigen Situation zu rechnen sei? Werde es besser sein, wenn sich unsere Presse nicht mit prinzipieller Kritik begnüge und sich mit persönlichen Charakteristiken offizieller Persönlichkeiten Deutschlands befasse, ihnen andere Familiennamen gebe usw.? Ich bäte A[schmann], alles in seinen Kräften stehende zu unternehmen, damit die deutsche Presse die oben beschriebene Taktik verändere. A. wies mit keinem Wort meine Argumente zurück, sondern hörte sie sich bis zum Schluss geduldig an. Er erinnerte nur ein einziges Mal daran, dass die sowjetische Presse Baldur von Schirach persönlich angegriffen habe. Ich antwortete, dass unsere Presse von Schirach wohl kaum eine persönliche Charakteristik habe geben können, allein schon deshalb nicht, weil er bis in die jüngste Zeit in der UdSSR völlig unbekannt gewesen sei und seiner Persönlichkeit bei uns überhaupt keine Bedeutung beigemessen werde. Die Kritik habe sich gegen die politischen Ziele seiner Reise gerichtet, was das verbriefte Recht der Presse in jedem Land sei. Außerdem sei von Schirach kein Regierungsmitglied. A. sagte, dass er sich bemühen werde, mit einem Verantwortlichen zu sprechen und alles Erdenkliche zu unternehmen, um die Situation zu verbessern. Ich verwies weiterhin auf die haltlose und beleidigende Meldung des DNB vom 29.XI. [1937] mit dem Vorschlag, keine Briefe in die UdSSR zu schicken. A. antwortete ausweichend, dass er nicht in der Lage wäre, sich darüber Klarheit zu verschaffen, worum es hier ginge. Zum Abschluss des Gesprächs bat ich A. zu erläutern, in welchem Maße die Gerüchte der Wirklichkeit entsprächen, die in englischen Zeitungen über eine bevorstehende Übergabe der Presse von Goebbels an Dietrich kolportiert würden. A. antwortete, dass [hier] keine Veränderungen vorgesehen seien. Es ginge vielmehr darum, Funk auf dem Posten des Reichspressechefs durch Dietrich zu ersetzen. Wie Funk werde Dietrich Goebbels unterstellt sein, einen Ministerposten bekomme er nicht. A. erwähnte die Ernennung Sommers anstelle von Schönberg16, der abreise, und deutete an, dass sich Gen. Smirnov mit ihm bekanntmachen sollte. Ich habe nicht darauf reagiert. [...]17 G. Astachov Vermerk mit blauem Farbstift: II. Westabteilung. Vermerk G.I. Vajnštejns mit Bleistift: **an Gen. Michel’s.**18 19/I 38. GV[ajnštejn]. Vermerk G.I. Vajnštejns mit Tinte: an Gen. Puškin. 21/I 38. Oben links von der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 145 vom 16.1.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. 7 an Gen. Litvinov, 1 Expl. zu den Akten. AVP RF, f. 082, op. 21, p. 89, d. 4, l. 9–3. Kopie. 16 Der Leiter des Ostreferats in der Presseabteilung des AA Fritz Schönberg war zum Konsul in Saloniki ernannt worden. 17 Im Folgenden sind die Aufzeichnungen ausgelassen, die keinen Bezug zum Gespräch Astachovs mit Aschmann haben (l. 4-3). 18 Der Name ist mit Bleistift durchgestrichen.
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13. 1. 1938 Nr. 195 Nr. 195 Übersicht der Presseabteilung der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Nr. 195 13. 1. 1938 13. 1. 1938 Vertraulich Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Presseabteilung Nr. 71/10 Berlin, 13. Januar 1938 DIE PRESSE DES FASCHISTISCHEN DEUTSCHLAND ÜBER DIE UdSSR Die faschistische Presse räumt der antisowjetischen Propaganda tagaus, tagein einen großen Platz ein, schüttet Kübel von Unrat über die Friedenspolitik der Sowjetunion aus, veröffentlicht trotz des Bestehens diplomatischer Beziehungen unzulässige Karikaturen über die Führer unseres Landes. Auf dem Feld der antisowjetischen Propaganda folgt die gesamte deutsche Presse dem vom Goebbels-Ministerium streng vorgegebenen Betrug. In allen deutschen Zeitungen, angefangen mit der „Deutschen diplomatisch-politischen Korrespondenz“ und endend mit einer x-beliebigen armseligen Zeitung in Ostpreußen, werden täglich vier bis fünf unterschiedliche antisowjetische Artikel veröffentlicht, und dadurch erreichen diese vier bis fünf in allen Zeitungen veröffentlichten Artikel jeden Winkel Deutschlands. Zeitungen wie „Der Angriff“ und „Völkischer Beobachter“ veröffentlichen komplette antisowjetische Rundschauen. Zum standardmäßigen Repertoire dieser Artikel gehören: „der Terror“, „Potjomkinsche Dörfer“, „die Krise der sowjetischen Wirtschaft“ (darüber wurde besonders viel nach der Veröffentlichung des Plans für 19381 geschrieben), „die Zerschlagung der Kirche“. Zu Fragen des internationalen Lebens fuhr die faschistische Presse natürlich fort, mit besonderer Vehemenz darüber zu wüten, dass „die Schuld“ für den Krieg in China und in Spanien nicht die allseits anerkannten Aggressoren tragen, sondern die Friedenspolitik der UdSSR. Im Dezember unternahm die faschistische Presse auf dem Gebiet der antisowjetischen Propaganda zwei besonders starke Angriffe. Der erste Angriff, der vom 1. bis 18.XII. dauerte, erfolgte im Zusammenhang mit den Wahlen zum Obersten Sowjet.2 Den Höhepunkt erreichte er am 12.XII., am Wahltag, als die gesamte faschistische Presse umfangreiche Leitartikel brachte.3
1 Vgl. „O programme proizvodstva promyšlennosti i o rabote železnych dorog na 1938 god i na pervyj kvartal 1938 goda. Postanovlenie Soveta Narodnych Komissarov Sojuza SSR“ (Zum Produktionsprogramm für die Industrie und zur Tätigkeit der Eisenbahnen für 1938 und für das 1. Quartal 1938. Beschluss des Rates der Volkskommissare der Sowjetunion). In: Izvestija vom 1. Dezember 1937, S. 1. 2 Aufgrund der am 5.12.1936 angenommenen neuen Verfassung der UdSSR wurde das höchste gesetzgebende Organ, der Sowjetkongress der UdSSR, durch den aus zwei Kammern bestehenden Obersten Sowjet der UdSSR ersetzt, zu dem am 12.12.1937 die Wahl der Deputierten stattfand. 3 Zum Beispiel: „Stalin ironisiert die Sowjetwahlen“. In: Völkischer Beobachter vom 12. Dezember 1937, Berliner Ausgabe, S. 4. „Kurz belichtet. Stalin befiehlt Wahl“. In: Der Angriff vom 12. Dezember 1937, S. 2.
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Da sie nicht in der Lage war, dem deutschen Volk die gewaltige politische Aktivität der werktätigen Wähler zu verheimlichen, und auch den Eindruck nicht zu verbergen vermochte, den die Wahlkampagne im Westen machte, übertraf die deutsche Presse sich selbst, um den Sieg des Blocks der Kommunisten und Parteilosen zu verleumden, um den Sieg der sowjetischen Demokratie zu verleumden. Am Wahltag machten die zentralen Zeitungen in ihren Leitartikeln den gewohnten Lärm „über den Terror“, über das zwangsweise Wahlverfahren, über „Regimenter der GPU, die auf den Straßen defilieren“. Sie brachten eine freche Lüge über das Verfahren bei der Stimmabgabe, indem sie folgendes Beispiel anführten: „Wenn ein Kandidat zur Wahl steht, so geht der Wähler, der mit „dafür“ stimmt, in eine Kabine und wirft seinen Stimmzettel ein, derjenige aber, der mit „dagegen“ stimmt, geht in eine andere Kabine.“ Viele Verleumdungen gab es auch hinsichtlich der Wahlbeteiligung. Besonders gehässig gebärdete sich die faschistische Presse darüber, dass die Wahllisten neue Namen der besten Stachanov-Arbeiter enthielten, indem sie sich bemühte, die neuaufgestellten und dann gewählten Deputierten auf jegliche Weise zu verunglimpfen. Begreiflicherweise war die faschistische Presse nicht in Lage, das offizielle Material der Zentralen Wahlkommission über die beispiellos hohe Wahlbeteiligung zu veröffentlichen4, aber dafür fälschte sie die Zahl 55,4 Prozent der Gesamtbevölkerung, die wahlberechtigt waren, und gab sie als Prozentzahl der Wahlbeteiligten an. 5 Den zweiten Angriff unternahm die faschistische Presse am 20.XII., dem Tag der Feierlichkeiten zum 20. Jubiläum von VČK-GPU-NKVD, und auch dieses Mal erging sich die gesamte Presse in gewohnter Verunglimpfung des sowjetischen Volkes und der Organe des NKVD.6 Es wäre selbstverständlich nicht richtig zu sagen, dass in der deutschen Presse nicht auch seriöse Artikel über die UdSSR erschienen. Solche Artikel kann man, wenn auch selten, in soliden Zeitschriften antreffen. Im Dezember brachte zum Beispiel die Zeitschrift „Der deutsche Volkswirt“ Artikel über die neuen Verteidigungszentren der UdSSR in West- und Ostsibirien. In letzter Zeit erschien eine Reihe von Artikeln über den Aufbau unserer Flotte im Norden und über die Rote Armee, insbesondere über deren Mechanisierung, wo darauf verwiesen wurde, dass die Rote Armee hinsichtlich der Mechanisierung alle anderen Armeen überholt hat. Vermerk mit rotem Farbstift: an Gen. Puškin. 20/I 387. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. n/31 vom 16.1.1938. Oben rechts befindet sich der Stempel der 2. Westabteilung des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 15 vom 17.1.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: Geschr. 8 Expl. 7 an Gen. Litvinov, 1 [Exemplar] zu den Akten. AVP RF, f. 82, op. 22a, p. 72, d. 5, l. 6–8. Kopie. 4 Vgl. „Soobščenie Central’noj izbiratel’noj komissii ob obščich itogach vyborov v Verchovnyj Sovet SSSR“ (Mitteilung der Zentralen Wahlkommission über die Endergebnisse der Wahlen zum Obersten Sowjet der UdSSR). In: Izvestija vom 15. Dezember 1937, S. 1. 5 Den Daten der Zentralen Wahlkommission zufolge nahmen 96,5% aller Stimmberechtigten an den Wahlen teil. 6 Zum Beispiel „Verhaftungen im Moskauer Offizierskorps durch die GPU“. In: Völkischer Beobachter vom 20. Dezember 1937, S. 2. 7 Die Unterschrift ist nicht lesbar.
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15. 1. 1938 Nr. 196 Nr. 196 Schreiben des Marineattachés in Moskau von Baumbach an das Oberkommando der Kriegsmarine Nr. 196 15. 1. 1938 15. 1. 1938 Moskau, den 15.1.1938 Deutsche Botschaft Der Marineattaché B.Nr. 13/38 An das Oberkommando der Kriegsmarine M.Att., Im Anschluss an hies. B.Nr. 244/37 v. 10.11.1937 und auf Ob.d.M[arine] M.Att 56 g v.7.1.1938 Gegen die Aushändigung des anliegenden Materials an den „Nauticus“1 bestehen diesseits *ernste Bedenken*2. Da in den letzten drei Monaten hier völlig neue Tatbestände aufgetreten sind, sei die diesbezügliche jüngste Entwicklung der hiesigen Lage kurz geschildert: Die Erschießung der acht Armee-Generale im Juni 19373, die wahrscheinlich aus innerpolitischen Motiven erfolgte, bedurfte einer populären Erklärung, und hierzu diente die Behauptung ihrer Spionagetätigkeit und ihres Landesverrats. Anknüpfend hieran ergoss sich über sämtliche Sowjetzeitungen eine wahre Flut von Artikelserien, in denen anhand zahlreicher Beispiele das Wesen der Spionage erklärt wurde, und die letzten Endes in nichts anderem als in der kaum verhüllten Behauptung gipfelten, alle Diplomaten, Militärattachés und Konsulate seien nichts anderes als Spionageagenturen. Gleichzeitig setzte eine ziemlich rücksichtslose Behandlung der fremdländischen Missionen und Konsulate und der Ausländer ein. Mehrere Mitglieder der ausländischen Vertretungen, deren Namen in hiesigen Prozessen genannt waren, wurden genötigt, das Land zu verlassen. Andere wurden teils sistiert, teils verhaftet. In der Sowjetunion wohnende Ausländer wurden massenhaft verhaftet, teils verurteilt, teils ausgewiesen. Ein erheblicher Teil der Konsulate Japans, Polens, Deutschlands und Italiens wurde auf hartnäckiges Verlangen der Sowjetregierung geschlossen. Auf das energischste wird versucht, den der Spionage besonders verdächtigen Handelsschiffsverkehr durch die Sowjetschifffahrt zu ersetzen. Ende Oktober 1937 trat plötzlich eine verstärkte Empfindlichkeit der Sowjetdienststellen hinsichtlich Leningrads in Erscheinung. Als erster Akt erfolgte eine kurzfristige Abreiseforderung für den deutschen Generalkonsul in Leningrad.4 Alsdann wurde plötzlich die Schließung des deutschen Generalkonsulats Leningrad strikt gefordert, während kurz zuvor uns noch die Wahl gelassen werden sollte, welche beiden von den sieben deutschen Konsulaten bestehen bleiben sollten. In diesen Tagen ist ein neuer Schritt der Sowjetregierung erfolgt, der die Forderung der Schließung weiterer fünf Konsulate in Leningrad enthält, und zwar derjenigen 1 Nauticus: Schiffahrt, Schiffbau, Marine, Meeresforschung, Herford/Bonn 1923 ff. Vorher unter dem Titel: Jahrbuch für Deutschlands Seeinteressen Berlin, 1899 ff. 2 Der Text ist unterstrichen. 3 Vgl. Dok. 44, Anm. 10. 4 Vgl. Dok. 123.
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Englands (!), Schwedens, Norwegens, Dänemarks, Estlands und Lettlands. Außerdem wird in anderen Landesteilen die Schließung des einzigen tschechischen (!) Konsulats und sämtlicher türkischen und persischen bis auf eines und aller afghanischen Konsulate verlangt. Von sich aus wird die Sowjetunion zehn eigene Konsulate in Persien schließen, was die Aufgabe eines erheblichen Teils des russischen Einflusses in Persien bedeuten dürfte. Dies alles mag zeigen, wie heftig die inneren Einflüsse sind, die auf eine völlige Abriegelung der Sowjetunion vom Auslande drängen und das Land mit einer chinesischen Mauer umgeben wollen. Jede Veröffentlichung über die Sowjetunion, die neues, bisher unbekanntes Material preisgibt, wird diesen Kräften neuen Antrieb geben und neue Maßnahmen auslösen, die in folgendem bestehen können: a) Maßnahmen gegen Handelsschiffkapitäne und Besatzungen (Verhaftungen u.a.) b) Sperrung Leningrad für ausländische Handelsschiffe c) Maßnahmen gegen die beiden letzten Konsulate in Leningrad (Finnland und Polen) d) Sperrung meiner Zeitungsabonnements (von ca. 16 Zeitungen sind mir schon drei gesperrt) 4) 100%ige Liquidierung und Abschiebung der restlichen Ausländer aus der Sowjetunion f) Maßnahmen gegen meine hiesige Tätigkeit (Verweigerung der Wiedereinreise nach einem Auslandsaufenthalt oder direkte Abreiseforderung). Der Herr Botschafter5 ist mit dem Herrn Militärattaché6 und mir der Auffassung, dass im Interesse der Nachrichtengewinnung und einer einwandfreien Urteilsbildung über die militärische Leistungsfähigkeit und Bereitschaft der Sowjetunion alle die angeführten Positionen bis zum letzten gehalten werden müssen. Geht eine der genannten Positionen erst verloren, ist ihre Wiedererringung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten (Repressalien sind höchstens hinsichtlich der Dampferkapitäne möglich). Dies alles sind ganz neue Tatbestände, die eine Überprüfung der bisher eingenommenen Einstellung erfordern. Angesichts der hier zur Zeit herrschenden Spionageempfindlichkeit bitte ich gehorsamst, folgenden Vorschlag einer künftigen Richtlinie der dortigen Entscheidung unterbreiten zu dürfen: 1.) Keine Text-, Rundfunk- oder Bildveröffentlichungen mehr in deutschen Druckschriften (auch nicht Marinerundschau), die über das bisher Veröffentlichte hinausgehen und vertraulich gewonnene Nachrichten enthalten. 2.) Wiedergabe und öffentliche Auswertung von sowjetrussischen Presseveröffentlichungen nur noch, soweit sie den Moskauer Zeitungen „Prawda, „Iswestija“, „Krasnaja Swesda“ und der „Deutschen Zentralzeitung“ bzw. amtlichen Mitteillungen oder der Tass entstammen, und dann mit Quellenangabe. Auch hierbei größte Zurückhaltung, weil sonst die sowjetrussischen Veröffentlichungen, die noch immer viel wertvolles Material enthalten, abgestellt werden. Ein Nachteil wird hierdurch kaum entstehen, da die stürmische Entwicklung der Sowjetmarine bereits weltbekannt ist und das bereits Bekannte ausreicht, um den deutschen Kriegsmarineaufbau in jeder Hinsicht zu begründen. 5 6
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Friedrich Werner Graf von der Schulenburg. Ernst Köstring.
Nr. 197 Das für den „Nauticus“ bestimmte Material enthält eine große Menge noch unbekannter Materialien. Es wird deshalb gehorsamst der dortigen Entscheidung der Vorschlag unterbreitet, von der Abgabe an „Nauticus“ absehen zu wollen bzw. es entsprechend zu kürzen, sodass es etwa über das im Weyer 19387 Enthaltene nicht mehr hinausgeht. In der Anlage ist im Einzelnen dazu Stellung genommen. gez. v. Baumbach Auf erstem Blatt Stempel: Ausland Eing. 26. JAN 1938 Nr. 351/38g sowie zahlreiche, nicht entzifferte Abzeichnungen und weitere Stempel, die das Weiterreichen des Berichtes dokumentieren. BA MA, RW 6/103, Bl. 1-5.
7
Nr. 197 Schreiben des Mitarbeiters des Geheimen Staatspolizeiamtes Heller an das AA Nr. 197 17. 1. 1938 17. 1. 1938 Berlin, den 17. Januar 1938 "Als geheim" Nr. 204/38 g. – II A 3 – An das Auswärtige Amt, z.Hd. des Herrn AR. und Hofrat Schimpke od. Vertreter im Amt, Berlin W8, Wilhelmstr. 74/76. Betr.: Personal der sowjetrussischen Institutionen in Berlin. Vorgang: Ohne. Anlagen: Keine. Nach Auskunft eines zuverlässigen V-Mannes1 beträgt das Gesamtpersonal aller in Berlin bestehenden sowjetrussischen, diplomatischen und sonstigen Vertretungen nur noch rd. 120 Kräfte. Bezeichnend ist, dass der Betrieb der Handelsvertretung so stark reduziert wird, dass er demnächst im Gebäude der „Garkrebo“ Unter den Linden untergebracht werden kann. In der Sowjetbotschaft sind nur noch drei Reichsdeutsche tätig. Alle anderen wurden kürzlich entlassen. Das Bestreben der Sowjetrussen geht dahin, die Reichsdeutschen aus sämtlichen Vertretungen zu entfernen. Es spricht für sich, dass sich die Sowjetbotschaft sogar einen Handwerker, nämlich einen Zimmermann aus der S.U. kommen ließ. Man hat also selbst zu deutschen Handwerkern kein Vertrauen mehr.
7
Weyers Taschenbuch der Kriegsflotten, München 1934ff.
1
In der Behördenaufzeichnung wird der V-Mann mit Schrö.3 bezeichnet; vgl. BArch, R 58/10078, Bl. 267-268, hier S. 267. Die Zahl der in der sowjetischen Vertretung arbeitenden Reichsdeutschen wird dort mit „2“ angegeben.
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Nr. 198
19. 1. 1938
Enge Verbindung hält die Sowjetbotschaft Berlin mit der Amerikanischen Botschaft. Bei den wirtschaftlich guten Beziehungen, die beide Länder unterhalten, wird dieser Umstand nicht überraschen. Der kürzlich hier zugereiste Sowjetrusse Smirnow nimmt das Amt eines Presse-Attachés wahr. Der ebenfalls zur hiesigen Botschaft versetzte Sowjetrusse Nikolajew hat die Stellung eines Konsuls und eines Bevollmächtigten für alle Wirtschaftsfragen inne. Außerdem scheint er mit Sonderaufträgen der GPU ausgestattet zu sein, denn er leitet den Abbau des Personals und die Neukommandierungen von Sowjetrussen. Da Vorstehendes auch dort interessieren wird, gebe ich davon Kenntnis. Im Auftrage: gez. Heller Beglaubigt: [Unterschrift] Kanzleiangestellte Auf erstem Blatt oben Stempel des AA: Pol I 192 g (V), eing. 21. JAN 1938, am Seitenrand Kenntnisnahmen von M[ackensen] 21 und W[eizsäcker] 22. Auf Kopfbogen des Gestapa geschrieben. PA AA, R 101378, Bl. 237573-237574.
Nr. 198 Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Volkskommissar für Verteidigungsindustrie Kaganovič Nr. 198 19. 1. 1938 19. 1. 1938 Geheim Expl. Nr. 5 5034/l. 19. Januar 1938 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR VERTEIDIGUNGSINDUSTRIE Gen. M.M. KAGANOVIČ Auf Nr. P/3359 vom 11.1.19381 Wir sind wiederholt bei der deutschen Regierung wegen der Beschwerden Ihrer Ingenieure über das Verhalten deutscher Zollbehörden vorstellig geworden, aber offenbar hinterlassen diese Vorstellungen nicht den erforderlichen Eindruck bei der deutschen Regierung. Ich habe heute unsere Bevollmächtigte Vertretung in Berlin angewiesen, energischere Vorstellungen mit der Androhung von Repressivmaßnahmen zu erheben.2 Eine analoge Vorstellung wird hier bei der Deutschen Bot1 2
Vgl. Dok. 191. Im Schreiben an Astachov vom 19.1.1938 führte Litvinov aus, dass gegenüber dem AA eine „nachdrücklichere Erklärung erforderlich ist. Machen Sie vorsorglich darauf aufmerksam, dass Sie die letzte Warnung aussprechen und dass, falls erneut Beschwerden bei uns eingehen sollten, wir einen Weg beschreiten werden, den wir selbst nicht wün-
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19. 1. 1938 Nr. 198 schaft erhoben werden. Ich möchte die Ergebnisse dieser neuen Demarche abwarten und möchte Sie aus diesem Grund bitten, vorerst weiterhin Leute nach Deutschland zu schicken. Zu berücksichtigen ist, dass die Zollkontrolle, und noch viel mehr eine Leibesvisitation, bei unseren Leuten nicht selten Unmut hervorruft. Es ist jedoch erforderlich, den von Ihnen auf Dienstreise geschickten Ingenieuren einzuschärfen, dass wir Deutschland oder einem anderen Staat nicht das Recht auf Zollkontrolle entziehen können, zumal wir selbst gegenüber den Deutschen und anderen Ausländern die Zollkontrolle sehr streng praktizieren. Wenn es Verdachtsmomente für den Transport von Schmuggelgut gibt, führen wir bisweilen sogar eine Leibesvisitation mit Entkleidung durch. Ferner ist das bestehende Ausfuhrverbot von Valuta aus Deutschland zu berücksichtigen, die nicht bei der Einreise deklariert worden ist. Festgestellte undeklarierte Valuta kann konfisziert werden. Einige Dinge, wie z. B. Damenartikel, unterliegen dem Einfuhrverbot. Die deutschen Zollbestimmungen müssen von unseren Bürgern genau beachtet werden. Es versteht sich von selbst, dass auf gar keinen Fall Grobheiten und Schikanen, schon gar nicht physische Gewalt, geduldet werden dürfen. Solche Fälle sind unverzüglich unseren Auslandsvertretern bei der ersten sich bietenden Gelegenheit mit exakten Angaben des Zollkontrollpunktes, des Datums der Reise und, falls möglich, der Namen der schuldigen Zollbeamten zu melden. Falls sich im Ergebnis der neuerlichen Demarche das Verhalten der deutschen Zollbehörden nicht ändern sollte, so ist über andere Transit-Reiserouten nachzudenken. Alle drei Reiserouten, die Sie vorgeschlagen haben, haben ihre Nachteile. Die Route über Riga-Le Havre oder Kopenhagen-Le Havre bedeutet einen erheblichen Zeitverlust, ganz zu schweigen davon, dass die Dampfer selten verkehren und in den Häfen aufgehalten werden können. Bequemer ist der Weg über Wien-Zürich, wobei in Warschau ein Aufenthalt von 5 Stunden anfällt, und man, falls man nicht mit dem Nordexpress reist, die ganze Nacht in Wien bleiben muss, außerdem in Wien ein Visum für die Schweiz besorgen muss, das nicht immer zu bekommen ist, jedenfalls nicht ohne erhebliche Verzögerung. Ich betrachte deshalb einen Wechsel zu neuen Reiserouten als äußerstes Mittel. Selbstverständlich hat das NKID auch jetzt nichts gegen die Nutzung einer der von Ihnen angeführten Reiserouten einzuwenden, wenn man die von mir aufgezeigten Unbequemlichkeiten beiseitelässt. LITVINOV Vermerk mit Bleistift: A[rchiv]. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. an Gen. Vajnštejn, das 5. ins Archiv. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 55, l. 3–4. Kopie.
schen und der den Deutschen kaum Vorteile versprechen wird.“ In: AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 55, l. 1–2.
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Nr. 199
20. 1. 1938
Nr. 199 Telegramm des Leiters der Handelspolitischen Abteilung im AA Wiehl an die Botschaft in Moskau Nr. 199 20. 1. 1938 20. 1. 1938 Berlin, den 20. Januar 1938 e.o. W IV O E 200/38 Diplogerma Moskau Telegramm in Ziffern (Geh.Chiffr.Verf.) Unter Bezugnahme auf dort vorliegende Aufzeichnung vom 10.1. – W IV O E 100/38 –1 Nachdem M.P.G.O. Göring zugestimmt, haben heute Spitta und Schnurre Smolensky Vorschlag gemacht, ausgenutzten 200 Millionen Kredit vorzeitig durch russische Warenlieferungen abzudecken und dafür neuen Kredit von 200 Millionen RM auf 5 Jahre **eingeräumt zu erhalten**2. Gleichzeitig ist Smolensky nochmals ersucht worden, russisches Bestellprogramm getrennt nach Kreditgeschäft und laufendem Geschäft hier vorzulegen, damit Liefermöglichkeiten deutscher Industrie überprüft werden. Smolensky nahm Vorschlag positiv auf, hinwies auf großen russischen Bestellbedarf. Auf Frage Smolenskys, ob auch höherer Betrag als 200 Millionen RM und längere Laufzeit Kredite in Frage käme, wurde ihm geantwortet, dass wir zunächst diesen Vorschlag machten, aber über Einzelheiten später sprechen könnten, wenn Instruktionen für ihn aus Moskau vorlägen. Smolensky wird Vorschlag wahrscheinlich brieflich nach Moskau weitergeben. Falls Hilger Möglichkeit dazu sieht, anheimstelle, bei neu ernanntem Außenhandelskommissar Tschwjalew und bei neu ernanntem Handelsvertreter für Berlin Dawidow im Sinne einer Beschleunigung russischer Entscheidung vorstellig zu werden. Erbitte in diesem Falle Drahtbericht. Wiehl Auf dem ersten Blatt oben: Frl. Busch. Am Seitenrand: Nach Abgang Pol V zur gefl. Kenntnis. PA AA, R 105998, Bl. H 001009-001010.
1 2
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Vgl. Dok. 190. Das Verb ist korrigiert; ursprünglich: einzuräumen.
21. 1. 1938 Nr. 200 Nr. 200 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 200 21. 1. 1938 21. 1. 1938 Geheim Expl. Nr. 4 AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS Nr. 6036 [21.1.1938] GESPRÄCH MIT DEM DEUTSCHEN BOTSCHAFTER SCHULENBURG, 21. Januar 1938 Schulenburg kam wegen folgender Angelegenheiten. 1. Die Verzollung des auszuführenden Eigentums von Sommer.1 Schulenburg erinnerte daran, dass weder die Botschaft noch Sommer selbst etwas gegen das Ausfuhrverbot der dem ehemaligen Konsul in Leningrad gehörenden Dinge einzuwenden hätte, die von musealem Wert seien. Die Zollbehörden forderten jedoch eine Zollgebühr in Höhe von 100% für die Dinge aus dem Besitz von Sommer, die nicht der erwähnten Kategorie zugerechnet werden können. Schulenburg bittet um Aufhebung dieser Zollgebühr. Ich antwortete, dass Gen. Vajnštejn, der nach Leningrad abgereist sei, von mir den Auftrag erhalten hätte, sich persönlich mit dem Stand hinsichtlich des Eigentums Sommers vertraut zu machen, damit wir die anstehende Angelegenheit so oder so regeln könnten. 2. Zu den Schikanen, denen sowjetische Staatsbürger beim Transit durch Deutschland unterzogen werden.2 Schulenburg informierte über das Gespräch, das Gen. Vajnštejn in dieser Angelegenheit mit Tippelskirch hatte3. Nach Auffassung des Botschafters lägen einige Vorfälle, die deutschen Behörden zur Last gelegt würden, relativ lange zurück. Neue Beschwerden seitens sowjetischer Staatsbürger lägen anscheinend nicht vor. Hingegen sollte dem NKID bekannt sein, dass deutsche Staatsangehörige in der UdSSR schweren Repressionen unterzogen würden und für sie mitunter eine überaus strenge Ordnung eingerichtet worden sei. Da in den Augen der deutschen Regierung die Verantwortung hierfür bekanntermaßen dem Botschafter zufalle, der angeblich nicht in der Lage wäre, seine Mitbürger vor den ihnen zugefügten Bedrückungen zu schützen, bitte Schulenburg darum, **nicht ihm den Schutz der Staatsbürger der UdSSR auf dem Territorium Deutschlands aufzuerlegen**4 und den sowjetischen Geschäftsträger in Berlin zu beauftragen, mit dem Auswärtigen Amt in der bezeichneten Angelegenheit zu verhandeln. 1 Auf Forderung der sowjetischen Seite gab der Generalkonsul in Leningrad Sommer am 19.10.1937 seinen Posten auf (vgl. Dok. 123), da seine Tätigkeit nach Auffassung eines Mitarbeiters der Deutschen Botschaft „für die Russen bereits seit langem ein Dorn im Auge war“. Vgl. Missija v Moskve. Donesenija latvijskich diplomatov iz SSSR, 1935–1937. Dok. 103, S. 333–334. 2 Vgl. Dok. 190, 198. 3 Vgl. Dok. 201. 4 Der Text ist über die Zeile geschrieben.
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Nr. 200
21. 1. 1938
Ich antwortete, dass Gen. Astachov bereits ein solcher Auftrag erteilt worden sei. 3. Zur Frage des Schutzes der Gebäude der deutschen Generalkonsulate in Leningrad und in Tiflis. Schulenburg übergab mir ein Schreiben, in dem die Personen benannt waren, denen die Deutsche Botschaft den Schutz der erwähnten Gebäude anzuvertrauen beabsichtigt. In Leningrad wären dies die deutschen Staatsangehörigen Bultemaier und Enkhusen, und in Tiflis Liedtke und seine Schwester. Ich antwortete Schulenburg, dass diese Angelegenheit eine Abstimmung mit den zuständigen Behörden erfordere. Meiner Auffassung nach wäre es zweckmäßiger, mit dem Schutz und der Nutzung der leerstehenden Gebäude, die der deutschen Regierung gehören, entweder örtliche sowjetische Behörden oder Privatpersonen aus dem Kreis sowjetischer Staatsbürger auf der Grundlage einer speziellen Vereinbarung zu beauftragen. 4. Vermisste deutsche Staatsbürger. Im nachfolgenden Teil des Gesprächs übergab mir Schulenburg ein Schreiben, das die Mitteilung über drei in der UdSSR vermisste deutsche Staatsangehörige – Lutzmann5, Schlageter und Eimecke – beinhaltete. Der Botschafter bat darum, Maßnahmen zur Ermittlung ihrer Aufenthaltsorte zu ergreifen. 5. Zur Ausweisung deutscher Staatsangehöriger. Zum Abschluss des Gesprächs übergab mir Schulenburg drei Listen mit 87 Namen von inhaftierten Deutschen, um deren schnellstmögliche Ausweisung die Botschaft nachsucht. Zusätzlich zu diesen Listen übergab er mir eine Liste von acht Personen, an deren Schicksal Schulenburg anscheinend persönlich interessiert ist. Der Botschafter bat um Unterstützung, diese in erster Linie auszuweisen.6 V. Potemkin Vermerk mit Bleistift: 2. Westabteilung. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel der 2. Westabteilung im NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 221 vom 24.1.1938. Im unteren Teil des Dokuments befindet sich der Stempel: FÜR DIE RICHTIGKEIT: Sekretär7. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 [Exemplare]. Das 1. [Exemplar] zu den Akten, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. an die 2. Westabteilung, das 5. nach Berlin. 24.I.38 AVP RF, f. 082, op. 21, p. 88, d. 1, l. 7–6. Beglaubigte Kopie.
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Vgl. Rückkehrer-Vernehmungsakte der Ehefrau in: PA AA, R 152180. Am 7.2.1938 schickte Potemkin an den Stellv. Volkskommissar des NKVD, Frinovskij, einen Brief, in dem es u.a. hieß: „Seitens des NKID gibt es keine Einwände, der persönlichen Bitte des deutschen Botschafters nachzukommen, falls beim NKVD keine speziellen Gründe gegen eine Ausweisung der genannten deutschen Staatsangehörigen vorliegen.“ In: AVP RF, f. 082, op. 21, p. 88, d. 1, l. 9. 7 Die Unterschrift ist nicht lesbar.
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21. 1. 1938 Nr. 201 Nr. 201 Aufzeichnung der Unterredung des kommissarischen Leiters der 2. Westabteilung im NKID Vajnštejn mit dem Botschaftsrat in Moskau von Tippelskirch Nr. 201 21. 1. 1938 21. 1. 1938 GEHEIM Expl. Nr. 5 Aus dem Tagebuch G.I. VAJNŠTEJNS Nr. 16704 21.1.371 21. Januar 1938 AUFZEICHNUNG DER UNTERREDUNG MIT DEM RAT DER DEUTSCHEN BOTSCHAFT TIPPELSKIRCH 20. Januar 1938 Auf Weisung des Volkskommissars Gen. M.M. Litvinov habe ich Botschaftsrat Tippelskirch zu mir einbestellt und ihn in aller Deutlichkeit auf die Unzulässigkeit der Schikanen und Drangsalierungen hingewiesen, denen die deutschen Zollbeamten unsere Staatsbürger bei der Durchreise durch Deutschland unterziehen. Nachdem ich ihn über die im April des verg[angenen] Jahres vorgekommenen Fälle in Kenntnis gesetzt hatte, bemerkte ich, dass nach dem von unserer Bevollmächtigten Vertretung beim Außenministerium eingelegten Protest die Einstellung der Schikanen gegenüber unseren Transitreisenden zu erwarten gewesen wäre. Dennoch sei es Ende September zu einem neuen Fall von Beleidigung, begleitet von Leibesvisitationen mit völliger Entkleidung, Schmähungen und provokativen Befragungen gekommen. Eine neuerliche Protestnote unserer Bevollmächtigten Vertretung sei ohne Antwort des Außenministeriums geblieben.2 Dies alles, sagte ich zu T[ippelskirch], zwinge mich dazu, ihn vor ernsthaften Folgen zu warnen, die ein derart empörender Umgang deutscher Zollbeamter mit unseren durchreisenden Staatsbürgern nach sich ziehen könne. Es könne die Situation entstehen, dass unsere Staatsbürger die Durchreise durch Deutschland vermeiden und ruhigere Routen, auch wenn es Umwege seien, nehmen würden. Dies müsse sich aber natürlich auch auf die Nutzung der Transitstrecke durch die UdSSR nach Fernost seitens deutscher Staatsbürger auswirken. Und während für unsere Bürger diese anderen, diese Umgehungsrouten, noch offen seien, so sei für deutsche Staatsbürger die Transitstrecke durch die UdSSR nach Fernost und zurück gewissermaßen der einzige Weg. Zur Vermeidung unerwünschter Folgen, sagte ich T. zum Abschluss, bestünde ich auf das Entschiedenste darauf, dass sich die Deutsche Botschaft beim Außenministerium um die unverzügliche Ergreifung energischer Maßnahmen zur Einstellung der Drangsalierungen seitens deutscher Zöllner und Grenzbeamter gegenüber unseren durchreisenden Staatsbürgern bemühe. 1 So im Dokument; richtig: 21.1.38. Die Ausgangsnummer und das Datum sind mit Tinte geschrieben. 2 Siehe die Auskunft von Michel’s an Potemkin vom 16.1.1938 über den Notenwechsel zwischen dem NKID und dem AA im Jahr 1937 betreffend die diskriminierenden Handlungen deutscher Beamter gegenüber sowjetischen Transitreisenden. In: AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 60, l. 2–4.
591
Nr. 201
21. 1. 1938
Nachdem er mich angehört hatte, äußerte T. seine Verwunderung darüber, dass meine Erklärung gegenüber der Deutschen Botschaft in Moskau und nicht gegenüber dem Außenministerium über unsere Bevollmächtigte Vertretung in Berlin erfolge. Er bezeichnete die von mir angeführten Vorkommnisse als Einzelfälle und sagte, sie seien keineswegs charakteristisch für den Umgang deutscher Zollbeamter mit unseren Transitreisenden, die zu Hunderten durch Deutschland führen. Deshalb, erklärte er, sei ihm die Drohung, die er aus dem Ton meiner Erklärung herausgehört habe, nicht ganz verständlich. Ich antwortete ihm, dass meine Erklärung ihm gegenüber als Vertreter der Deut[schen] Botschaft in Moskau die Schritte und Maßnahmen, die in Berlin ergriffen werden könnten und sollten3, nicht nur nicht ausschließe, sondern auch den Ernst der Angelegenheit unterstreiche. Des Weiteren, so fügte ich hinzu, wäre meine Erklärung auch dann völlig legitim, wenn es nur einen einzigen Vorfall gegeben hätte, aber es habe eine ganze Reihe gegeben, und sie hätten nach dem ersten Protest unserer Bevollmächtigten Vertretung nicht aufgehört. Und schließlich gehe es nicht um den Ton, sondern um den Kern meiner Erklärung und um die Entschiedenheit, mit der ich es für notwendig hielte, ihn vor den möglichen Folgen einer Fortsetzung der Beleidigungen gegenüber unseren Transitreisenden zu warnen. T. sagte, er werde natürlich alles von mir Dargelegte dem Botschafter zur Kenntnis bringen. Er könne jedoch nicht umhin anzumerken, dass er keineswegs erwartet hätte, dass unsere erste Begegnung mit diesen für ihn unangenehmen Gesprächen beginnen würde. Darauf antwortete ich ihm, dass auch ich diese Gespräche ohne sonderliches Vergnügen führte, die Vorwürfe seien jedoch denjenigen zu machen, die durch ihr unzulässiges Verhalten (in diesem Fall die deutschen Beamten) uns zu solchen Gesprächen nötigten. Kommissarischer LEIT[ER] DER 2. WESTABTEILUNG G. Vajnštejn Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Litvinov, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. nach Berlin, das 5. zu den Akten der 2. W[est]abt[eilung]. 21.1.38. AVP RF, f. 082, op. 21, p. 88, d. 2, l. 11–9. Kopie.
3 Am 19.1.1938 wurde Astachov von Litvinov angewiesen, gegenüber dem Außenministerium eine „energischere Erklärung“ abzugeben. Dies sei „die letzte Warnung und wenn bei uns weiterhin Beschwerden eingehen, muss ein Weg eingeschlagen werden, den wir selbst nicht wollen und der den Deutschen wenig Nutzen verspricht“. In: DVP, Bd. XXI, Dok. 17, S. 41.
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22. 1. 1938 Nr. 202 Nr. 202 Schreiben des Mitarbeiters des Geheimen Staatspolizeiamtes Heller an das AA Nr. 202 22. 1. 1938 22. 1. 1938 Berlin, den 22. Januar 1938 "Als geheim" Nr. II A 3 – 2052/38 g – An das Auswärtige A m t z. Hd. von Herrn Hof- und Amtsrat Schimpke – oder Vertreter im Amt – Berlin W 8, Wilhelmstr. 74/76 Betr.: Vorgang: Anlagen:
Sowjetbotschaft und Sowjethandelsvertretung in Berlin. Ohne. Keine.
Vertraulich ist bekannt geworden, dass bei der hiesigen Sowjetbotschaft seit der Abberufung des Botschafters1 eine gewisse Unsicherheit Platz gegriffen hat. In erster Linie fehlt es an einer einheitlichen Führung der Botschaftsgeschäfte. Außerdem kann man unter den alten Botschaftsangehörigen eine auf Misstrauen beruhende abwartende Haltung gegenüber den neuen, erst vor kurzer Zeit nach Berlin beorderten Kollegen wahrnehmen. Trotz dieser Verhältnisse verbrachte Botschaftsrat Astachow mit seiner Gattin und dem Presseattaché Smirnow die Weihnachtsfeiertage im Harz. Obwohl zunächst eine Rundreise durch den Harz geplant war, verblieben die Genannten schließlich doch mehrere Tage in Harzburg. Wie verlautet, sollen sie über den Verlauf der Reise sehr befriedigt gewesen sein. Presseattaché Smirnow scheint bei den Moskauer Machthabern ein gewisses Ansehen zu genießen. Er wird allgemein als ein kluger und politisch geschulter Kopf bezeichnet, der stets über politische Angelegenheiten gut unterrichtet ist. Aus ärmlichen Verhältnissen stammend, hat er sich dank seiner Fähigkeiten nach Absolvierung einer politischen Akademie und nach seiner Betätigung als Propagandist in mehreren großen Sowjetwerken zu seiner heutigen Stellung emporgearbeitet. Demgegenüber gilt der 2. Botschaftsrat Nikolaeff als ein typischer Parteiemporkömmling, der sehr überheblich und eingebildet ist. Man sagt, dass er sich heute schon Sorgen über sein Auftreten in Frack und Zylinder anlässlich seiner Vorstellung bei dem Führer und Reichskanzler macht. Sein anmaßendes Wesen soll vor allem bei seinem Umgang mit dem Gehilfen des Militärattachés Gerassimoff zum Ausdruck kommen, demgegenüber er sich als Respektsperson aufzuspielen beliebt. In diesem Zusammenhang wurde weiter bekannt, dass man jetzt der sprachlichen Ausbildung der Botschaftsangestellten mehr Beachtung schenkt. So mussten vor einiger Zeit mehrere Angestellte in deutscher Sprache verfasste Prüfungsarbeiten an das Außenkommissariat einsenden. Die Antwort aus Moskau soll jetzt der Botschaft vorliegen. Danach wurde das Gehalt des Portiers Bitkin wegen besonders guter sprachlicher Leistungen um 10%, ferner das Gehalt der Angestellten Denis1
Konstantin Konstantinovič Jurenev.
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Nr. 202
22. 1. 1938
sowa und Rachmanowa um 5% erhöht. Andererseits hielt man die Leistungen von Grischa Gertzowitsch für unbefriedigend. Wie verlautet, soll künftig über die Leistungen der Botschaftsangestellten laufend nach Moskau berichtet werden. Bei der Sowjetbotschaft ist heute nur noch eine deutsche Kraft – und zwar eine Lotte Vonberg als Stenotypistin tätig. Außerdem ist seit einiger Zeit ein neuer Portier, vermutlich Sowjetrusse, beschäftigt. Bei der hiesigen Sowjethandelsvertretung sind ebenfalls zwei neue Männer aufgetaucht. Der eine ist ein gewisser Kudjelskis, der schon vor 2 Jahren bei der Handelsvertretung war, dann aber wegen eines angeblichen Magenleidens Deutschland verließ. Er scheint über erhebliche Vollmachten zu verfügen. Der andere ist der neue Leiter des Sprachunterrichts Artemieff. Wie weiter bekannt wurde, soll der Rechtsstreit zwischen der Sowjetbotschaft und einer Jüdin Krohn wegen eines mit dem früheren Militärattaché abgeschlossenen langfristigen Mietvertrages beigelegt worden sein. Die Forderung der Krohn betrug RM 260.--. Gerichtlich wurde ihr Anspruch auf RM 160.-- festgesetzt. Hinzu kommen allerdings noch Anwaltskosten in Höhe von RM 100.--. Bezüglich des Einbruchsversuches bei der Deutschen Botschaft in Moskau2 erklärte Nikolaeff – wie ebenfalls vertraulich bekannt wurde –, dass es sich hierbei nicht, wie in der deutschen Presse behauptet wurde, um ein politisches, sondern kriminelles Vergehen gehandelt haben müsse, da ja das NKWD selbst zum Schutz der Botschaft Milizbeamte zur Verfügung gestellt habe. Schließlich wurde noch auf das höfliche, aber gerade deshalb verdächtige Verhalten der deutschen Fernsprechbeamtinnen hingewiesen, die bei der Vermittlung der Gespräche nach Moskau den Anrufenden fast stets in bestem Russisch geantwortet hätten. Man glaubt, dass hier die Gestapo ihre Hand im Spiele habe. Da Vorstehendes dort interessieren wird, gebe ich davon ergebenst Kenntnis, doch bitte ich es nur zu persönlichen Informationszwecken zu benutzen. Im Auftrage: Heller Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben Stempel des AA: Pol I 248/g (V), eing. 28. JAN 1938 und Stempel Geheim! Auf Kopfbogen des Gestapa geschrieben. PA AA, R 101378, Bl. 237591-237594.
2
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Vgl. Dok. 192.
25. 1. 1938 Nr. 203 Nr. 203 Rundschreiben des Stellvertretenden Chefs der Deutschen Sicherheitspolizei Best an alle Staatspolizeileit- und Staatspolizeistellen Nr. 203 25. 1. 1938 25. 1. 1938 Berlin, den 25. Januar 1938 Nr. 7358/37 g – II A 3 – 1.) NÜ1 gebe Fernschreiben „Als geheim“ An alle Staatspolizeileit- und Staatspolizeistellen Betr.: Vorg.:
Russlandrückkehrer Hiesiger Erlass II A 3 – 7358/37 g – vom 22.6.372
Um Zweifel auszuschalten, wird darauf hingewiesen, dass, falls Russlandrückkehrer andere Reichsdeutsche benennen, die ebenfalls in der SU waren, auch diese zu vernehmen sind. Halten sich derartige Russlandrückkehrer in anderen Staatspolizeibezirken auf, so sind die in Frage kommenden Staatspolizeistellen entsprechend zu benachrichtigen. Bei der Übersendung der Vernehmungsniederschriften ist dann jeweils zu vermerken, dass die Vernehmung der übrigen benannten Russlandrückkehrer veranlasst ist. Vorstehende Anordnung wird deshalb getroffen, um sicherzustellen, dass die Benachrichtigung der Staatspolizeidienststellen über die in ihrem Bezirk wohnenden Russlandrückkehrer möglichst ohne Verzögerung geschieht. Gleichzeitig ersuche ich, Russlandrückkehrer, die innerhalb des Staatspolizeibezirks ihren Wohnsitz ändern, der zuständigen Polizeibehörde mitzuteilen und, falls sie in einen anderen Staatspolizeibezirk hinüberwechseln, auch die andere Staatspolizeistelle entsprechend zu benachrichtigen, sodass in der Beobachtung des Russlandrückkehrers keine Unterbrechung geschieht. Die Bedeutung der Russlandrückkehrer wird in militärischer Hinsicht immer größer. Sowohl das Reichskriegsministerium als auch die Reichsmarineleitung und auch das Reichsluftfahrtministerium sind an jedem Russlandrückkehrer stark interessiert, da er für sie oft die einzige Nachrichtenquelle über militärische Dinge in der SU darstellt. Ich ersuche daher nochmals bei jeder Vernehmung darauf einzugehen, was der Russlandrückkehrer über die Land-Armee, Flotte und die Flugwaffe der S.U. sowie ihre Stützpunkte, die Kriegsindustrie usw. aussagen kann. Stellt sich heraus, dass der Russlandrückkehrer über militärische Kenntnisse verfügt, ist alsbald ein Vertreter der zuständigen militärischen Abwehrstelle hinzuzuziehen. Abgesehen von der militärischen Bedeutung, die der Russlandrückkehrer haben kann, ist aber noch folgendes zu beachten: Die S.U. rechnet mit der Möglichkeit eines kriegerischen Konflikts, den sie schon im Frühjahr dieses Jahres erwartet. Bis zu diesem Zeitpunkt will sie das 1 2
Vermutlich Nachrichtenübertragung. Vgl. Dok. 48.
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Nr. 204
25. 1. 1938
Land von unerwünschten Elementen säubern. Daraus erklärt sich die rigorose Ausweisung fast aller Reichsdeutscher aus der S.U. – Andererseits besteht kein Zweifel, dass sich unter den Ausgewiesenen auch überzeugungstreue Kommunisten befinden, die mit Erkundigungsaufträgen nach Deutschland geschickt werden, die ihre Tätigkeit vermutlich erst nach längerer Zeit beginnen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer sorgfältigen Überwachung der Russlandrückkehrer. In Vertretung: gez. Dr. Best Auf erstem Blatt oben Stempel: Geheim und Abschrift. BArch, R 58/269, Bl. 224-226.
Nr. 204 Telegramm des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Handelspolitischen Abteilung im AA Schnurre an die Botschaft in Moskau Nr. 204 25. 1. 1938 25. 1. 1938 Berlin, den 25. Januar 1938 Cito! e.o. W IV O E 236/38 Diplogerma Moskau Telegramm in Ziffern. (Geh.Chiffr.Verf.) Im Anschluss an Telegramm vom 20.d.M.- W IV O E 200 -1 Verhandlungen mit Russen gestern aus folgendem Grunde abgebrochen: Russen verlangen für 1938 Abdeckung ihrer Wechselverbindlichkeiten durch Warenlieferungen schlechthin. Wir hatten ihnen gleiche Regelung wie 1937 angeboten, also nur Lieferung von solchen Waren, die für uns besonders wichtig. Um über diesen Gegensatz hinwegzukommen und da für 1938 nur Betrag von 5 Millionen RM durch Warenlieferungen abzudecken ist, haben wir uns mit russischem Vorschlag einverstanden erklärt, jedoch mit Zusatz, dass dies kein Präjudiz für Zukunft sein dürfe, also dass Frage der Abdeckung künftiger russischer Wechselverbindlichkeiten durch Regelung 1938 nicht berührt werde. Smolensky hat diesen Zusatz rundweg abgelehnt und geht offenbar darauf aus, ein für alle Mal Präjudiz in seinem Sinne zu schaffen, dass sämtliche jetzigen und künftigen russischen Wechselverbindlichkeiten durch Warenlieferungen irgendwelcher Art abgedeckt werden können. Wir haben Smolensky erklärt, dass dies keine Grundlage für Verhandlungen sei und ihn ersucht, sich neue Instruktionen einzuholen. Frage ist von weitreichender Bedeutung auch im Hinblick auf unser neues Kreditangebot. Wir können vorzeitige Abdeckung ausgenutzten 200-Millionen1
596
Vgl. Dok. 199.
26. 1. 1938 Nr. 205 Kredits und Neueinräumung von Krediten Russen nur dann konzedieren, wenn Rückzahlung entweder in freier Reichsmark oder in solchen Waren geschieht, bei deren Auswahl wir mitzureden haben. Wenn Botschaft entsprechend Vortelegramm Schritte unternimmt, bitte diesen Gesichtspunkt als entscheidend hinzustellen. Schnurre Auf dem ersten Blatt am Seitenrand: Nach Abgang über Dir. W Herrn St.Sekr. vorzulegen. Dann Pol V zur gefl. Kenntnis. w.v. im Referat. Darunter: gel[esen] Schnurre mit Paraphe. PA AA, R 105998, Bl. H 001007-001008.
Nr. 205 Aufzeichnung der Unterredung des Leiters der Wirtschaftsabteilung im NKID Rozenbljum mit dem Legationsrat in Moskau Hilger Nr. 205 26. 1. 1938 26. 1. 1938 GEHEIM Expl. Nr.… Nr. 34677 1 26. Januar 1938 AUFZEICHNUNG DES GESPRÄCHS des Gen. Rozenbljum mit dem Handelsrat der Deutschen Botschaft Hilger vom 24. Januar 1938 Hilger erschien zu dem Zwecke, mich über die jüngsten Vorschläge der Deutschen in den laufenden Verhandlungen zum Wirtschaftsabkommen zu informieren. 1. Die Deutschen bestehen nicht darauf, in dem Abkommen die Konditionen des Abkommens vom vergangenen Jahr zu bewahren, wonach die Wechsel der alten Verbindlichkeit nur mit dem Erlös von bestimmten, im Abkommen aufgeführten Waren (Rohstoffe) getilgt werden können. Die Deutschen taten dies deshalb, weil sich die alte Verbindlichkeit auf insgesamt 12 Mio. Mark beläuft. Von diesen 12 Mio. werden 7 Mio. durch die Eingänge vom Kalisyndikat abgedeckt. Somit verbleiben lediglich 5 Mio. Mark, um die es sich nicht zu streiten lohnt. 2. Die Deutschen schlagen uns vor, die Wechsel zu dem letzten 200-MillionenKredit vorfristig zu tilgen. Die Tilgung sollte mit dem Erlös von Rohstoffwaren erfolgen, deren Liste vorab zwischen den Seiten abgestimmt werden müsste. Die deutsche Seite unterbreitet, soweit H[ilger] unterrichtet ist, keine Vorschläge zu den Fristen für diese Einlösung. Nach Auffassung von H. wird diese Frist Thema für die Verhandlungen sein. 3. Unter der Voraussetzung, dass wir den Vorschlag hinsichtlich einer vorfristigen Rückzahlung unserer Wechsel annehmen, sind die Deutschen bereit, uns einen neuen 200-Millionen-Kredit zu den früheren Konditionen (Laufzeit 5 Jahre) zu gewähren. 1
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben.
597
Nr. 205
26. 1. 1938
4. Die Deutschen bitten, ihnen eine gesonderte Liste der auf Kredit zu liefernden Aufträge für Ausrüstungen und eine gesonderte Liste für laufende Aufträge zur Verfügung zu stellen, um rechtzeitig Maßnahmen ergreifen zu können, die die Unterbringung dieser Aufträge ermöglichen. Der gesamte Vorschlag ist laut H. als komplex anzusehen und der 200-Millionen-Kredit ist an die vorfristige Tilgung unserer Wechsel des alten Kredits gebunden. Gen. Smolenskij ist bereits über diesen Vorschlag der Deutschen informiert worden und versprach, ihn zur Prüfung an das Zentrum zu schicken. Gen. Smolenskij selbst hat natürlich keine Antwort zum deutschen Vorschlag an sich gegeben und erkundigte sich lediglich, ob die Deutschen nicht auch eine größere Summe zu günstigeren Konditionen anbieten könnten.2 Ich sagte, dass ich vom Narkomvneštorg noch nicht über den jüngsten deutschen Vorschlag informiert worden sei und ich deshalb nichts zum Inhalt dieses Vorschlages sagen könnte. Soviel ich wisse, wären wir mit den Konditionen des deutschen 200-Millionen-Kredits nicht sonderlich zufrieden gewesen, insbesondere nicht mit der Laufzeit und den Kosten. Auch löse der Vorschlag einer Vorabstimmung der Waren, deren Erlös wir für die vorfristige Tilgung der Wechsel verwenden könnten, bei mir Zweifel aus. Jedoch habe ich an dieser Stelle sogleich den Vorbehalt vorgebracht, dass ich diese Überlegungen lediglich mündlich als Gedanken vortrüge und verständlicherweise keinerlei Stellungnahme zum deutschen Vorschlag abgäbe. Ich nähme an, dass diese Frage in allernächster Zeit **3 geprüft werde und Gen. Smolenskij und der neue Handelsvertreter die erforderlichen Weisungen erhalten würden, da diese Verhandlungen in Berlin geführt würden. H. äußerte den Wunsch, Gen. Merekalov und den neuen Handelsvertreter Gen. Davydov aufzusuchen, um sich mit ihnen bekanntzumachen und ihnen zugleich die jüngsten deutschen Vorschläge vorzustellen. Ich sicherte zu, mich in dieser Angelegenheit mit Gen. Merekalov in Verbindung zu setzen und ihm die Antwort des Gen. Merekalov in den nächsten Tagen mitzuteilen. **Bei dem Gespräch war der Referent der Wirtschaftsabteilung Gen. Barulin anwesend.**4 Rozenbljum Vermerk G.I. Vajnštejns mit Bleistift: an Gen. Michel’s, 27/I 38. V[ajnštejn]. Oben rechts von der Mitte befindet sich der Stempel der 2. Westabteilung im NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 242 vom 27.1.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 6 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Potemkin, das 2. an Gen. Merekalov, das 3. an Gen. Kaminskij, das 4. an die 2. Westabteilung, das 5. nach Berlin, das 6. zu den Akten. 25.I.38. AVP RF, f. 082, op. 21, p. 89, d. 5, l. 4–3. Beglaubigte Kopie.
2 3 4
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Vgl. Dok. 199. An dieser Stelle ist mit Tinte gestrichen: durch das Narkomvneštorg. Der Text ist mit Tinte geschrieben.
27. 1. 1938 Nr. 206 Nr. 206 Schreiben des kommissarischen Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Smolenskij an den Volkskommissar für Außenhandel Čvjalev Nr. 206 27. 1. 1938 27. 1. 1938 GEHEIM Ausgangs-Nr. 30/ss 29.1.381 Berlin, 27.1.38 An den Volkskommissar für Außenhandel Gen. E.D. ČVJALEV Kopie an:
den Stellv[ertretenden] Volkskommissar für Außenhandel *Gen. A.F. MEREKALOV*2
Am 20. Januar d.J. rief mich der Vorsitzende der deutschen Handelsdelegation, Dr. Spitta, an und bat mich, ins Ministerium zu kommen. Bei meiner Ankunft traf ich ihn, d.h. Dr. Spitta, und den Vertreter des Auswärtigen Amtes, Herrn Schnurre, an. Dr. Spitta und Herr Schurre eröffneten mir, dass sie im Auftrag von General Göring und des Auswärtigen Amtes folgenden Vorschlag zu unterbreiten hätten: Zum Zwecke einer Erweiterung des Warenumsatzes zwischen unseren Ländern schlagen sie vor, vorfristig unsere Verbindlichkeiten, die sich ungefähr auf *182 Mio.*3 Mark aus früheren Geschäften zu Lasten des 200 Mio. Kredits belaufen, im Verlaufe 1 Jahres oder von 1 ½ Jahren zu tilgen. Zugleich räumen sie uns einen neuen *200 Mio.* Kredit mit einer Laufzeit von 5 Jahren ein. Außer dem 200 Mio. *Kredit* sollen wir uns verpflichten, unsere laufenden Aufträge zu *Bedingungen* der Bargeldverrechnung zu platzieren. Zum Zwecke einer Erleichterung der *Platzierung der Aufträge auf Rechnung des 200 Mio.* Kredits bitten sie uns, eine *Liste jener Objekte vorzulegen*, an deren Lieferung wir interessiert sind. Was die Summe betrifft, so nehmen sie an, dass diese bei Ausschöpfung der 200 Mio. erhöht werden kann. Und schließlich als letztes: sie bringen mir zur Kenntnis, dass diese Erklärung streng geheim und vertraulich ist. Ich antwortete darauf, dass ich nicht beauftragt wäre, in eine Erörterung ihres Vorschlages zu treten und ich darüber den Volkskommissar für Außenhandel in Kenntnis setzen würde. Aber beiläufig bat ich zu präzisieren, ob die fünfjährige Laufzeit für den Kredit endgültig sei oder ob man über eine Ausweitung sprechen könne. Darauf antworteten sie mir, dass die Kreditlaufzeit von fünf Jahren das äußerste Angebot sei; was aber die Summe betreffe, so könnte diese präzisiert werden. Ebenso könnte auch der Zeitrahmen für eine vorfristige Tilgung unserer alten Ver1 2 3
Ausgangsnummer und -datum sind mit rotem Farbstift eingefügt. Der Name ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Die hier und im Folgenden so gekennzeichneten Textstellen sind mit Bleistift unterstri-
chen.
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Nr. 206
27. 1. 1938
bindlichkeiten aus dem 200 Mio.-Kredit präzisiert werden. Noch am selben Tag hatte ich Sie darüber in Kenntnis gesetzt, eine Antwort habe ich bislang nicht erhalten. Ich bin meinerseits der Auffassung, soweit ich **von hier aus**4 urteilen kann, dass ein derartiger Vorschlag für uns von einem gewissen Interesse ist. Wenn man tatsächlich von der Grundthese in unserer Friedenspolitik ausgeht, nämlich von dem Bestreben, für eine längere Zeitspanne die friedliche Koexistenz unseres Systems mit dem System des Kapitalismus zu erhalten, so ist dieser Kredit ein gewisses „Ansatzspünktchen“, das wir nutzen können. Zugleich halte ich es für notwendig – gerade auf der Grundlage dieses Wirtschaftsabkommens – die Forderung nach „Verbesserung“, natürlich einer relativen, auch der politischen Lage zu stellen, die sich unmittelbar aus ersterem ergibt. 1. Was kann sich denn tatsächlich positiv aus dem Abschluss eines 200-Mio.Kreditabkommens ergeben? Meiner Auffassung nach kann das nur die Festigung unserer Stellung sowohl in Deutschland als auch im Ausland sein, und zwar: a) Am Tag der Veröffentlichung der Meldung über die Unterzeichnung des Kreditabkommens wird **dies**5 die faschistische Presse in eine schwierige Lage bringen, und für eine gewisse Zeitspanne werden die Deutschen gezwungen sein, sich der Verleumdungen gegen die UdSSR zu enthalten. Allein die Veröffentlichung der Unterzeichnung dieses Abkommens für sich genommen desavouiert bereits die deutsche Presse im Lande, da dies im völligen Widerspruch zu jener Zeitungskampagne stehen wird, die Tag für Tag gegen uns geführt wird, und stellt damit die breite öffentliche Meinung vor die Frage, wie dieses antisowjetische Geschreibsel mit den Fakten in Übereinstimmung zu bringen ist. b) Außerdem werden wir damit die Stellung jener Gruppe der Bourgeoisie stärken, die nicht hinter der zügellosen und abenteuerlichen Politik des deutschen Faschismus steht und weiter für normale Wirtschaftsbeziehungen mit uns eintritt. c) Wir sprechen schon gar nicht von der positiven Wirkung, die es bei den Werktätigen Deutschlands und in liberalen Kreisen geben wird. d) Und schließlich werden ein Abkommen dieser Art und die gleichzeitige Unterzeichnung des Handelsabkommens für 1938 in den Ländern des Faschismus, und in erster Linie in Italien, Befremden auslösen. Allen wird augenfällig werden, dass der deutsche Faschismus uns den Kredit nicht wegen des Wohlstands gewährt, sondern aus seiner Schwäche heraus, was wiederum zu einer Stärkung der Front der Friedensanhänger führen muss. 2. Wie dies auch beim Abkommen vom 9. April 19356 der Fall war, darf der Abschluss eines Kreditabkommens über 200 Mio. uns nicht die Verpflichtung auferlegen, den Kredit unter allen Umständen zu realisieren, sondern soll uns nur dieses Recht einräumen. Bei der Wahrnehmung dieses Rechts müssen wir die Fehler von 1935 vermeiden, und mit der Unterzeichnung des Kreditabkommens muss zugleich auch ein Einverständnis über die Liste der Objekte erzielt werden, zu deren Umsetzung sich die deutsche Regierung verpflichtet. 4 5 6
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Der Text ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. Das Wort ist über die Zeile geschrieben. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 116, S. 422–428.
27. 1. 1938 Nr. 206 In Deutschland gibt es recht viele interessante Objekte, die für einzelne Zweige unserer Volkswirtschaft von Interesse sein können, darunter für das Volkskommissariat der Verteidigung, für das Kriegsmarine-Kommissariat und für das Volkskommissariat für die Verteidigungsindustrie. Zusätzliche Investitionen in unsere Volkswirtschaft und die Aufnahme einiger Muster in die Ausrüstung sind zweifellos ein positiver Faktor. 3. Die Forderung der Deutschen, dass mit der Realisierung des 200-Mio.Kredits zugleich auch Aufträge zu normalen *Bedingungen* auf der Basis von Barzahlungen platziert werden sollten, muss *uns nicht beunruhigen, weil* dies unserem *Ermessen anheimgestellt bleibt und wir planen können*, wie wir dies für *passend und möglich* erachten. 4. Ich halte eine vorfristige Tilgung unserer Wechselverbindlichkeiten zum 200-Mio.-Kredit in der Form, wie es die Deutschen vorschlagen, nicht für möglich, und zwar aus folgendem Grund: *Falls wir ihren Vorschlag annehmen sollten*, würde dies bedeuten, dass *die Tilgung unserer Verbindlichkeiten* früher eintreten würde, als sie *die Ausrüstungen* zulasten des neuen 200-Mio.-Abkommens *ausliefern*, und damit *wäre dies ein einseitiger Vorteil* für die deutsche Seite. Deshalb ist meine persönliche Ansicht, dass es zweckmäßig wäre, auf Folgendes einzugehen: Die Tilgung der Verbindlichkeiten sollte zugleich mit der Erfüllung der Aufträge *nach dem neuen 200-Mio.-Kredit* erfolgen. Mit anderen Worten, wenn per neuem 200-Mio.-Kredit, sagen wir, zum ersten eines Monats für X Mio. Mark geliefert wird, so ist gleichzeitig mit der Ausgabe der Wechsel für 5 Jahre für die Lieferung exakt die gleiche Summe aus unseren Verbindlichkeiten aus dem alten 200-Mio.-Kredit zu löschen. Somit ergibt sich, dass die Deutschen, falls sie an unseren Rohstoffen interessiert sind, umso größere Anstrengungen unternehmen werden, uns möglichst schnell neue Objekte zu liefern und damit schneller Rohstoffe zu bekommen, mit denen wiederum unsere alten Wechselverbindlichkeiten getilgt werden. Mit anderen Worten, die deutschen Regierungsorgane werden genötigt sein, alle von ihnen abhängenden Maßnahmen für eine möglichst schnelle Lieferung von Waren an uns zu ergreifen. Ich gehe davon aus, dass die Deutschen nichts gegen eine solche Argumentation einzuwenden haben können. Es ist festzuhalten, dass eine solche Konstellation ein gewisses politisches Interesse darstellt. 5. Falls der Beschluss gefasst wird, das Kreditabkommen abzuschließen, wird es notwendig sein, als eine der Bedingungen die Senkung des Diskontsatzes zu stellen, wenigstens bis *auf 5%*, was nicht nur von kommerzieller, sondern auch von politischer Bedeutung sein wird. 6. Falls der Beschluss gefasst wird, das Kreditabkommen abzuschließen, so muss der deutschen Regierung unbedingt die Forderung gestellt werden, dass sie das Obligo7 zu 100% übernimmt, und nicht zu 70%, wie dies im alten Kreditabkommen der Fall war. Dies wird unsere Arbeit mit den Firmen erleichtern und der Kredit würde einen stärkeren Finanzcharakter tragen, was unseren Interessen entsprechen wird. 7. Falls der Beschluss gefasst wird, das Abkommen über einen 200-Mio.-Kredit abzuschließen, so ist unbedingt in Betracht zu ziehen, dass unsere Wechselverbind7
Obligo (ital.) ist die Summe der gesamten Verbindlichkeiten im Wechselverkehr.
601
Nr. 206
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lichkeiten aus dem Kredit nach unserem Ermessen aus den Markeinnahmen der von uns in Deutschland verkauften Waren getilgt werden können, was im Abkommen vom 9. April 1935 nicht der Fall war. 8. Eventuellen Einwänden, dass ein derartiges Kreditabkommen zu einer Stärkung des Faschismus durch Lieferung unserer Rohstoffe führt, könnte mit folgenden Überlegungen begegnet werden: a) zu der Summe der vorfristigen Tilgung unserer alten Wechsel-Verbindlichkeiten kommt nach meiner Berechnung unsere Neuverschuldung in dem gleichen Rahmen hinzu, und damit verlängert sich die Tilgungsfrist des neuen 200-Mio Kredits um die Frist der Lieferung der neuen Ausrüstungen einerseits, und andererseits wird die vorfristige Tilgung, wie oben ausgeführt, durch neue Lieferungen kompensiert. Denn für den neuen 200-Mio.-Kredit werden wir, wie anzunehmen ist, keine Schinkenschneide- und Kartoffelputzmaschinen in Auftrag geben, sondern das, was für uns gegenwärtig von Interesse ist. Ein jegliches Interesse kostet Geld, d.h. Waren. Der deutsche Import, d.h. die Einfuhr von Waren nach Deutschland, beläuft sich in den letzten Jahren auf *über 4 Milliarden Mark*, und unser Anteil am *deutschen Import betrug 1932* - 5,8%; 1933 - *4,6%*; 1934 - *4,7%*; 1935 *5,2%* und 1936 - *2,2%*. Selbst wenn wir annehmen, dass die deutsche Wirtschaft das 200-Mio.Abkommen im Verlauf des Jahres 1939 erfüllt, müssen wir vorzeitig für die alte Wechselverschuldung 182 Mio. Mark plus die laufenden Ausgaben und sonstige kostenaufwendige Ausgaben bezahlen, was alles zusammen ca. 200 bis 210 Mio. Mark ausmacht, und folglich kann unser Anteil ungefähr 5% betragen, wenn man theoretisch für 1939 genau den gleichen Import aus anderen Ländern veranschlagt, wie dies 1935 oder 1936 der Fall war. Folglich sind diese 5% nicht so wesentlich und können insgesamt keinen bedeutenden Einfluss auf eine Verbesserung der Situation der deutschen Wirtschaft nehmen. Das ist alles, was ich für meine Pflicht halte, Ihnen zur Kenntnis zu bringen. KOMMISSARISCHER HANDELSVERTRETER DER UdSSR IN DEUTSCHLAND S.A. Smolenskij Maschinenschriftliche Anweisung A.F. Merekalovs: an Gen. KAMINSKIJ. Machen Sie Gen. Davydov damit vertraut. Verwenden Sie das in der Regierung bei der Frage der Verlängerung des Kredits.8 MEREKALOV, 2.II.38. Vermerk mit Tinte: Gelesen V. Davydov 3/II.38. Oben rechts befindet sich der Stempel der Geheimgruppe der Geheimen Chiffrierabteilung des NKVT mit der Eingangs-Nr. 1638/6 vom 2.2.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. 2 an die Adressaten, 1 [Exemplar] zu den Akten. Auf Kopfbogen der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland geschrieben. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2802, l. 193–197. Original. 8
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Vgl. Dok. 215.
27. 1. 1938 Nr. 207 Nr. 207 Bericht des kommissarischen Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Smolenskij an den Volkskommissar für Außenhandel Čvjalev Nr. 207 27. 1. 1938 27. 1. 1938 GEHEIM Expl. Nr. … Ausgangs-Nr. 33/ss 29.1.381 Berlin, 27.1.38 An den Volkskommissar für Außenhandel *Gen. E.D. ČVJALEV*2 Kopie: an den Stellv. des Volkskommissars Gen. A.F. MEREKALOV Am 24. Januar d.J. fand die turnusmäßige Sitzung zur Abstimmung der Vertragstexte für das Handelsabkommen 1938 statt. Angesichts der angespannten Lage fuhren Gen. Točilin und ich vor Beginn der Sitzung ins Wirtschaftsministerium und trafen uns mit dem Vorsitzenden der **3 Delegation Herrn Spitta. Ich erklärte ihm, bei welchen Fragen wir auf der Sitzung, die noch am gleichen Tag stattfinden soll, entgegenkommen werden. Ich machte ihn insbesondere darauf aufmerksam, dass es notwendig sei, die Forderung des Außenministeriums von der Tagesordnung zu streichen, der Deutschen Botschaft *in Moskau 600.000 Rubel, die sich auf*4 Konten deutscher Staatsangehöriger befinden, die aus der Sowjetunion ausreisen, zu überlassen. Ich erklärte ihm, dass diese Frage in keiner Beziehung zum Handelsabkommen stehe, dass man sich eingehend mit ihr befassen müsse und dass wir im Weiteren, wenn die deutsche Seite darauf bestünde, darauf zurückkommen würden. Ich erwähnte nicht die Absage deutscher Firmen, an der bevorstehenden Frühjahrs-Rauchwarenauktion in Leningrad teilzunehmen. Er war außerordentlich beunruhigt wegen des Umstandes, dass wir weiterhin darauf bestehen, Artikel II der Erklärung auszuschließen, wonach beide Seiten dafür Sorge tragen, dass der Handelsverkehr erweitert wird. Er erklärte mir, dass es nicht um eine Erweiterung des Warenumsatzes über den von 1934 oder von 1935 hinaus ginge, sondern lediglich um eine Erweiterung des Warenumsatzes, der 1937 stattfand, und dass er zu einer Änderung der Formulierung in dem Sinne, wie er sie verstehe, bereit sei. Dabei sagte er, dass, falls wir auf den Ausschluss dieser Erklärung bestünden, er gezwungen sein werde, uns zu eröffnen, dass die deutsche Seite den Brief aus dem Handelsabkommen auszuschließen gedenke, in dem es heiße, dass die deutsche Regierung die Bereitschaft erkläre, bei der Unterbringung und der Erfüllung unserer **Bestellungen**5 behilflich zu sein. Ungeachtet unse1 2 3 4 5
Die Ausgangsnummer und das Datum sind mit rotem Farbstift geschrieben. Der Name ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Das an dieser Stelle stehende Wort „Handels-“ ist durchgestrichen. Der Text ist mit Tinte unterstrichen. Das Wort ist mit Tinte korrigiert; ursprünglich: Verpflichtungen.
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res Hinweises, dass zwischen diesen beiden Fragen keine direkte Beziehung bestehe, erklärte er sich mit unseren Argumenten einverstanden, betonte jedoch, dass er dessen ungeachtet gezwungen sein werde, diese deutsche Verpflichtung, wenn auch deklarativer Art, aus dem Abkommen auszuschließen. Er fragte mich, ob ich eine Antwort bezüglich der Zulassung deutscher Rauchwarenhändler zur turnusmäßigen Leningrader Frühjahrsauktion hätte. Ich erklärte ihm, dass ich in ein paar Tagen in der Lage sein würde, auf diese Frage eine Antwort zu geben. Herr Spitta sagte, dass er es für die deutsche Seite für außerordentlich wichtig halte, das Schlussprotokoll6 unter allen Umständen zu unterzeichnen, in dem in deklarativer Form unsere Verpflichtungen für das Jahr 1938 im Umfang von 12 Mio. Mark dargelegt werden, und das heiße, dass auf Bitte der sowjetischen Regierung diese Verpflichtungen aus dem Warenerlös bezahlt würden und die deutsche Regierung darauf eingegangen sei, um die Unterzeichnung des Abkommens zu beschleunigen, dies solle aber kein Präzedenzfall für die Zukunft sein. Ich wiederholte erneut all unsere Argumente gegen seinen Vorschlag. Er antwortete mir, dass er **7 diesen Punkt für den toten Punkt halte, dessen Überwindung er sich nicht vorstellen könne. Außerordentlich beunruhigt war er ebenfalls wegen unserer abermaligen Ablehnung, das Limit der Nebenkosten für die deutsche Seite auf 4 Mio. Mark zu erhöhen. Er bat darum, dieses Problem zu überdenken, um eine Gleichstellung beider Seiten zu erzielen, und sagte, dass er zu einem Kompromiss bei der Abfassung dieses Punktes bereit wäre, jedoch müsse an der Gleichstellung beider Seiten festgehalten werden. Zum Ende fragte ich ihn, ob bereits eine Weisung ergangen sei, eine Anrechnung der 16 Mio. Registermark8 zu genehmigen. Er antwortete, dass diese Frage außerordentlich heikel sei und dass, wenn wir sie mit der Unterzeichnung des Handelsabkommens verknüpften, die Ansicht der deutschen Seite zu dieser Frage mitgeteilt würde. Auf meine Frage, wie die deutsche Seite dies zu entscheiden gedenke, gab er mir eine höchst ausweichende Antwort. Am Abend fand wie gewohnt die ordentliche Sitzung statt, auf der die Deutschen bereits einen neuen Entwurf des Abkommens präsentierten. Die Fragen, die vor Beginn der Sitzung Gegenstand der Erörterung zwischen mir und dem Vorsitzenden der Delegation gewesen waren, wurden erneut einer Erörterung unterzogen. Als wir zum Punkt bezüglich der Unterzeichnung des oben erwähnten Schlussprotokolls kamen und er auf kategorische Ablehnung meinerseits stieß, erklärte er, d.h. der Vorsitzende der deutschen Delegation, in scharfer Form, dass er diese Frage als Kardinalfrage betrachte, und falls wir die Unterzeichnung dieses Schlussprotokolls ablehnen, sehe er keinen Sinn darin, die Verhandlungen fortzuführen, und solange wir diesen Standpunkt nicht ändern würden, erachte er weitere Verhandlungen als überflüssig. Damit wurde die Sitzung abgebrochen. Aus dem Dargelegten ersehen Sie, dass die deutsche Seite die weitere Führung von Verhandlungen abgebrochen hat. 6 7 8
Das Wort ist in Deutsch mit kyrillischen Buchstaben geschrieben. Das an dieser Stelle stehende Wort „tatsächlich“ ist mit Tinte durchgestrichen. Die Registermark war ein banktechnischer Begriff, der im Zahlungsverkehr zwischen deutschen und ausländischen Banken angesichts des Mangels an Valutamitteln in Deutschland verwendet wurde. Das Zahlungsmittel befand sich auf Sonderkonten, die für zielgerichtete Ausgaben bestimmt waren.
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27. 1. 1938 Nr. 207 Was hat den Abbruch der Verhandlungen verursacht? Auf diese Frage kann man in zweierlei Hinsicht antworten: 1. Die Unterzeichnung des Schlussprotokolls könnte ein Beweggrund sein: die deutsche **9 Delegation hat vielleicht die Weisung gehabt, irgendeinen Vorwand zu finden, um weitere Verhandlungen zu unterbinden. Unter Berücksichtigung ihres Interesses an einer Arbeit mit uns und ihres Angebots hinsichtlich des 200 Mio. Kredits bin ich jedoch geneigt, diesen Umstand auszuschließen. 2. Die zweite Variante besteht im Folgenden: die deutsche **10 Delegation hat wahrscheinlich auf eigene Faust zugestimmt, unsere Wechselverpflichtungen mit all unseren sonstigen Ausgaben gleichzusetzen, ohne dafür die nötigen Vollmachten zu haben. Es ist möglich, dass Schacht nach seiner Rückkehr aus Basel das Zugeständnis der Delegation kritisiert hat, und von dem Wunsch getragen, sich rückzuversichern, fand man einen findigen Ausweg in der Abfassung des Entwurfs für das Schlussprotokoll, womit die Verantwortung für weitere Verhandlungen auf höhergestellte Personen übertragen wurde und zukünftig die Einberufung schon auf Weisung der Leiter mit höherer Verantwortung erfolgen sollte. Ich wiederhole nochmals, dass mir die zweite Variante wahrscheinlicher erscheint. Außerdem waren die Deutschen in der Tat verärgert, und zwar aus folgenden Gründen: 1) Sie waren außerordentlich daran interessiert, um formal das Handelsabkommen für die Zeit unserer Verhandlungen zu verlängern. Wir waren dazu prinzipiell bereit, jedoch machten wir eine Verlängerung des Abkommens von grundsätzlichen Veränderungen abhängig, was sich im Grunde genommen als das Kernproblem im Verlauf der Verhandlungen für 1938 herausstellte. 2) Die Deutschen baten uns, zwei Listen vorzulegen – *die erste Liste für Rüstungsgüter und die zweite Liste für alle sonstigen Ausrüstungen, um gemäß letzterer Liste für uns Produktionskapazitäten zu reservieren*11, und für die erste Liste die Objekte abzustimmen, die ohne besondere, zusätzliche Genehmigungen verschiedener Instanzen uns geliefert **werden**12 können. Wir haben nicht darauf geantwortet. 3) Die Deutschen unterbreiteten uns das Angebot, einen Kredit zu gewähren. Wir antworten nicht. Die deutsche Seite versuchte, den Vertrag so zu formulieren, dass die Handelsbeziehungen ausgebaut würden. Wir schlagen aber in der Antwort vor, die deklarative Formulierung zu löschen, wonach beide Vertragsseiten bestrebt sind, den gegenseitigen Warenaustausch zu erweitern, d.h. mit der Löschung dieser Formulierung verwerfen wir in jeder Hinsicht schon die Möglichkeit einer Entwicklung des Handelsverkehrs in der nächsten Zeit. In einer ganzen Reihe von zweitrangigen Punkten haben wir ebenfalls keine Zugeständnisse gemacht, d.h. wir sind den Deutschen bei gar nichts entgegengekommen, und die Deutschen sind verständlicherweise verärgert. Offenbar bedauern die Deutschen, dass sie am 15. Dezember das Sonderkonto13 „A“ bis zum 9 10 11 12 13
Das an dieser Stelle stehende Wort „Handels-“ ist durchgestrichen. Das an dieser Stelle stehende Wort „Handels-“ ist durchgestrichen. Der gekennzeichnete Text ist mit Tinte unterstrichen. Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. Das Wort ist in Deutsch mit kyrillischen Buchstaben geschrieben.
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28. Februar 1939 und das Konto der Aski-Mark14 ohne Zeitlimit verlängert haben, womit wir sämtliche bis zum 31. Dezember 1937 getätigten Lieferungen bezahlen können. Momentan ist es schwer zu sagen, ob die Deutschen erneut die Initiative ergreifen werden, um die fast abgeschlossenen Verhandlungen zum Abschluss zu bringen, oder ob sie abwarten werden, dass die Initiative dazu von uns ausgeht. Nachdem wir alle ihre Vorschläge abgelehnt und in unserer Antwort auf den Vorschlag, den gegenseitigen Warenumsatz zu erweitern, gefordert haben, aus dem Vertrag die Deklaration über den gegenseitigen Warenverkehr auszuschließen, werden die Deutschen wohl kaum **bald**15 eine Initiative zur Wiederaufnahme der Verhandlungen16 ergreifen. Mit Blick auf 1938 zeichnet sich, ausgehend von unseren Verhandlungen mit ihnen, ein noch geringerer Warenumsatz als derjenige ab, der 1937 stattgefunden hat. Bei den politischen Beziehungen, die zwischen uns bestehen, kann das Fehlen eines Abkommens die maßlosen Elemente des Faschismus in noch größerem Ausmaß beflügeln. Sind wir denn an einer Verschlechterung der Beziehungen mit den Deutschen interessiert? Mir scheint, dass dafür zweifellos keinerlei Bedarf besteht und wir deshalb ohne den Weg zu einer Vereinbarung vorzuentscheiden, die unterbrochenen Verhandlungen wieder aufnehmen und selbst die Initiative dazu ergreifen müssen. Wenn es eine prinzipielle Entscheidung bezüglich eines neuen Kredits gibt, so werden wir selbstverständlich auf keinerlei Schwierigkeiten stoßen, die Verhandlungen für 1938 zum Abschluss zu bringen. Dann entfällt aber natürlich die Notwendigkeit, die Erklärung über das Bestreben nach Erweiterung des Warenaustausches auszuschließen. Falls aber zu dem Zeitpunkt, da Sie den vorliegenden Brief erhalten, der Beschluss gefasst worden wäre, das Angebot der Deutschen bezüglich eines 200 Mio. Kredits abzulehnen, so scheint mir, dass man den Deutschen gegenüber einige Zugeständnisse machen sollte, und zwar: 1. nochmals zu überprüfen, ob die Absichtserklärung „Über die gegenseitige Erweiterung des Warenaustausches“ tatsächlich von großer politischer Bedeutung ist? Mir scheint, dass man es bei dieser Erklärung belassen kann, die uns zu nichts verpflichtet, und dies gibt gleichzeitig denjenigen eine Waffe an die Hand, die noch für eine Erweiterung der Wirtschaftsbeziehungen mit der UdSSR eintreten. Unter dieser Bedingung bleibt das Schreiben des Wirtschaftsministeriums mit der Erklärung in Kraft, dass es uns bei der Platzierung und Erfüllung unserer Aufträge unterstützen werde; dies umso mehr, als sich jetzt eine große Menge von Entfernungsmessern, Periskopen, **maschinellen**17 Ausrüstungen für die Artillerieproduktion, speziellen Kantenhobelmaschinen zur Bearbeitung von Panzerplatten, von Katapulten und sonstigen Gütern in der Produktion befindet. 14 15 16
Aski-Mark = Ausländer-Sonderkonten für Inlandszahlungen. Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. Die „Vereinbarung über den Handels- und Zahlungsverkehr zwischen der Deutschen Regierung und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken vom 1. März 1938“ verlängerte den Wirtschaftsvertrag vom 24.12.1936 bis zum 31.12.1938. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VII, Anhang III [Ergänzungen], S. 534–538; DVP, Bd. XXI, Dok. 59, S. 97–102. 17 Das Wort ist mit Tinte korrigiert; ursprünglich: Stahl-.
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27. 1. 1938 Nr. 207 Man muss im Blick haben, dass 1937 die Lieferung von Infanterie-Entfernungsmessern eingestellt worden war. Und erst nach unserer Erklärung, dass wir die Lieferung von Erdöl und Manganerzen einstellen würden, wurde die Lieferung von Infanterie-Entfernungsmessern erneut aufgenommen.18 Ebenso wenig darf man vergessen, dass die Deutschen 4 bis 5 Monate lang keine Bestellungen für Artillerie-Werkzeugmaschinen und für Werkzeugmaschinen zur Bearbeitung von Panzerplatten annahmen, und erst nach meiner Erklärung, dass wir auch 1938 Eisenerze unter der Bedingung liefern werden, dass Aufträge für derartige Werkzeugmaschinen angenommen würden, hoben sie ihr ursprüngliches Verbot bezüglich dieser Werkzeugmaschinen auf. Was haben wir zurzeit? Der Vertrag mit der Marine ist ausgelaufen und wir liefern ihr kein Erdöl. Den Vertrag mit dem Benzolverband über die Lieferung von Erdöl haben wir annulliert, und ein neuer Gerichtsprozess kündigt sich an. Andererseits liegen uns Bestellungen für zwei **Richt** 19 -maschinen für Panzerplatten vor, die außer den Deutschen niemand in der Welt herstellt, und außerdem hatten wir die Anfrage vom OVZ20 bezüglich der Lieferung einer neuen Charge von Entfernungsmessern im Umfang von 300 Einheiten. Ich habe selbstverständlich keine Anfrage bezüglich der 300 Einheiten unternommen, sondern nur über 150 Einheiten, und bislang hat der deutsche Stab **der Firma Zeiss**21 noch keine Antwort gegeben. Ich meine, dass man im Lichte all dieser Fakten auch den Partner berücksichtigen muss. Wenn wir uns mit den Deutschen verkrachen, sind alle diese Aufträge gefährdet und wir erhalten möglicherweise gar nichts. Außerdem läuft ab dem 1. März das Sonderkonto „A“ aus und bezüglich der Aski-Mark tritt ein Beschränkungsregime ein: die Wirtschaftsbeziehungen werden sich außerordentlich verschärfen und zu einem politischen Problem werden. Aus diesem Grund schlage ich, wie bereits oben ausgeführt, vor: 1) Die Absichtserklärung bezüglich einer Erweiterung des Warenaustausches in Kraft zu belassen. 2) Die Deutschen bei der Verwendung Deutscher Mark für Frachtkosten auf 5% von der Summe unseres Exports zu beschränken. 3) Die Deutschen zur Rauchwarenauktion zuzulassen, ihnen ein Limit von bis zu 1 Mio. Mark zu setzen, aber von ihnen die Verrechnung von 16 Mio. Registermark zu fordern. Ich denke, dass sich niemand in der Frage der 16 Mio. Registermark detailliert auskennt, und berücksichtigen Sie, dass die Deutschen auf der Grundlage des Schreibens der Direktion der Reichsbank vom 5.12.1933 und unseres Abkommens von 193722 von uns diese 16 Mio. Mark einfordern können. Zu dieser Frage habe ich keinerlei Weisungen erhalten und nehme deshalb an, dass hier eine Unterschätzung des Problems vorliegt. In diesem Fall scheint mir, dass es gelingen könnte, die Deutschen von einem Verzicht auf das Schlussproto18 19 20
Vgl. Dok. 7, 8, 11, 15. Das Wort ist mit Tinte korrigiert; ursprünglich: Biege-. OVZ = Otdel vnešnich zakazov Narkomata oborony SSSR = Abteilung für Auslandsaufträge des Volkskommissariats für Verteidigung der UdSSR. 21 Der Text ist mit Tinte eingefügt. 22 Vom 24.12.1936. Vgl. ADAP, Ser. C, Bd. VI/1, Dok. 129, Anlagen 1–3, S. 267–273.
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koll zu überzeugen, in dem sie feststellen, „dass die Bezahlung der Wechselverpflichtungen für 1938 kein Präzedenzfall für die folgenden Jahre ist“. Mich beunruhigt selbst die Lösung dieser Frage in der Weise nicht, dass man sich für den Fall, dass sie sich allzu sehr sträuben, mit einem Brief einverstanden erklärt, den sie uns nach Unterzeichnung des Vertrages einseitig zusenden und zu dem wir uns das Recht vorbehalten, ihn nach unserem Gutdünken zu beantworten. Ich halte es nicht für richtig, die Entscheidung dieser Fragen zu verzögern, und je eher sie entschieden werden, desto schneller werden wir ans Ziel kommen, wenn wir in dieser Sache die Initiative ergreifen. Die Initiative von unserer Seite zu ergreifen, wird nicht im Widerspruch zu unserer allgemeinen politischen Haltung stehen. Der Vertrag für 1938 wird trotz all dieser Umstände bei weitem besser aussehen, als dies in den zurückliegenden Jahren der Fall war. In Erwartung Ihrer Antwort KOMMISSARISCHER HANDELSVERTRETER DER UdSSR IN DEUTSCHLAND S.A. Smolenskij Vermerk A.F. Merekalovs mit blauem Farbstift: gel[esen] AM[erekalov]. Vermerk mit Tinte: Zu den Akten. 21/V. Oben rechts befindet sich der Stempel der Geheimen Chiffriergruppe des NKVT der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 1663/6 vom 1.2.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. 2 an die Adressaten, 1 [Exemplar] zu den Akten. Auf Kopfbogen der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland geschrieben. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2763, l. 28–33. Original.
Nr. 208 Auszug aus dem Rechenschaftsbericht der Abteilung für Auslandsaufträge des Volkskommissariats für Verteidigung Nr. 208 28. 1. 1938 28. 1. 1938 **Ganz**1 Geheim Expl. Nr. 1 Ausgangs-Nr. 463013s2 [28.1.1938]3 OPERATIVER RECHENSCHFATSBERICHT DER OVZ für 1937 1. KNAPPE KONJUNKTURÜBERSICHT Eine charakteristische Besonderheit der Arbeit der OVZ im Jahr 1937 besteht darin, dass die Hauptmasse der Aufträge auf Ausrüstung für die Luftfahrt entfällt, 1 2 3
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Das Wort ist mit Tinte geschrieben. Die Ausgangsnummer ist Tinte geschrieben. Das Dokument ist nach dem Eingangsstempel datiert.
28. 1. 1938 Nr. 208 darunter neueste Flugzeugtypen, Aggregate, Ersatzteile, Motoren und andere Ausstattung für den Flugzeugbau. Die Gegenstände gemäß Luftfahrt-Nomenklatur wurden in ihrer Mehrheit auf der Basis offener Lizenzen gekauft. Vom *allgemeinen Plan*4 für 1937 in Höhe von 59.521,6 Tsd. Rubel entfiel eine Summe von 41.019,9 Tsd. Rubel auf offene Lizenzen. Der Kauf auf Basis offener Lizenzen verlief schleppend, die Spezifizierungen wurden von Kommissionen der Kommittenten5 an Ort und Stelle erarbeitet, und sehr oft stieß man auf große Schwierigkeiten mit den Firmen, sowohl während der Ausarbeitung dieser Spezifizierungen als auch bezüglich der erarbeiteten Spezifizierungen zum Zeitpunkt der Auftragserteilung. Zum Beispiel stießen die für Flugzeuge in den USA erarbeiteten und mit den Firmen Consolidated und Glenn Martin vereinbarten Spezifizierungen zum Zeitpunkt der Auftragserteilung auf eine Reihe von Schwierigkeiten. Über ein Jahr ist in Frankreich die Kommission der 1. Hauptverwaltung des NKOP6 zur Platzierung von Aufträgen für Ersatzteile und Aggregate für Flugzeuge bei der Firma Renault tätig. Die Verhandlungen ziehen sich bis jetzt hin, jedoch ist die Bestellung noch nicht abgeschlossen. Nach den uns vorliegenden Informationen ist die Firma bestrebt, den Abschluss der Aufträge auf jegliche Weise hinauszuzögern und unterbreitet der Kommission unannehmbare Konditionen, sowohl hinsichtlich der Qualität der Materialien als auch hinsichtlich der technischen Bedingungen. Die Lage für die Platzierung anderer Gegenstände gemäß Nomenklatur der OVZ hat sich noch weiter verschlechtert als dies z.B. 1935 und 1936 der Fall war. DEUTSCHLAND: Die militärische Konjunktur und die Umstellung der gesamten deutschen Wirtschaft auf militärische Bedürfnisse hat sich selbstverständlich in erster Linie auf unsere bilateralen Beziehungen ausgewirkt und wir sind bei der Auftragsplatzierung auf große Schwierigkeiten gestoßen. Die deutsche Regierung hat ein Verfahren beschlossen, wonach sämtliche militärischen Bestellungen von der Regierung genehmigt werden müssen, bevor sie von den Firmen angenommen werden können.7 Außerdem war die deutsche Industrie bis Ende 1937 mit militärischen Aufträgen für ihre „Verbündeten “ Japan und Italien voll ausgelastet. Die Firmen waren bestrebt, die Vorlage der von uns angeforderten Angebote um 1 ½, zwei und bisweilen um drei Monate hinauszuzögern. Es kam vor, dass die deutsche Regierung die Ausfuhr der auf unsere Bestellung hin fertiggestellten Objekte untersagte, was die Intervention unseres Handelsvertreters 8 erforderlich machte, damit diese Gegenstände in die Sowjetunion ausgeliefert werden konnten. Die Stammfirma von Carl Zeiss, mit der wir seit Jahrzehnten im Geschäft sind, antwortete auf unsere Anfrage, Angebote für Befehlsgeräte und Visiereinrichtungen abzugeben, mit einer Ablehnung, da sie nicht damit rechne, die Genehmi4
Die hier und im Folgenden so gekennzeichneten Textstellen sind mit Bleistift unterstri-
chen. 5 Kommittent – die Seite oder Person, die im Kommissionsvertrag den Kommissionär (die andere Seite) beauftragt, Handlungen oder Geschäfte zum Verkauf von Waren, Operationen mit Wechseln, Obligationen, Aktien zu tätigen. 6 Narkomat oboronnoj promyšlennosti – Volkskommissariat für Verteidigungsindustrie. 7 Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 364, S. 998, Anm.1. 8 Semen Abramovič Smolenskij.
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gung des Ministeriums9 zu erhalten. Für Entfernungsmesser lehnte sie die Abgabe von Angeboten nicht ab, stellte jedoch die vollkommen unannehmbaren Bedingungen, nicht früher als in 2 Jahren mit der Auslieferung zu beginnen, und die Zahlung in der Währung eines anderen Landes bei Vorauszahlung von 50% zu tätigen. Die Firmen Elektro-Akustik und Atlas Werke, die uns früher elektroakustische Geräte **im Verlauf**10 von 3 bis 4 Monaten lieferten, nannten uns 1937 auf unsere Anfrage eine Lieferfrist von 12 bis 15 Monaten, der unser Kommittent nicht zustimmen konnte. Der empörende Vorfall mit der Firma Golzern-Grimma, die Anfang 1937 den Auftrag für eine Abfüllvorrichtung für Granaten annahm, kann nicht mit Schweigen übergangen werden. Nach der Annahme des Auftrages forderte die Firma technische Zeichnungen von unseren Granaten und trat, nachdem sie diese erhalten hatte, von dem von ihr angenommenen Auftrag zurück, wobei sie ihre Absage mit dem Fehlen von Rohstoffen begründete. Die Firma hatte von der Regierung faktisch das Verbot erhalten, die Montage fertigzustellen, und unser Handelsvertreter sah sich veranlasst, sich über das Wirtschaftsministerium in diese Angelegenheit einzuschalten. Die Angelegenheit wurde zwar geregelt, doch der Auftrag wurde erst am 25.6. angenommen und die Lieferfrist über ein Jahr hinausgeschoben. Die deutschen Firmen halten in der Regel die Lieferfristen nicht ein und wenn man berücksichtigt, was der rechtzeitige Erhalt der Ware für uns bedeutet, so betreibt die deutsche Regierung in dieser Hinsicht die klare Politik, Lieferungen an uns zu verzögern. Die Güter werden in *minderer Qualität* geliefert, was zu Reklamationen führt und oft auch die Rücksendung der gelieferten Gegenstände erforderlich macht, weil sie in einem beschädigten Zustand in der Sowjetunion ankommen und unbrauchbar sind. Es gab auch folgenden Fall: es wurden 7 Stück 6-Komponenten-Waagen für die Erprobung von Flugzeugmotoren gekauft. Die Firma verpackte die Fracht so, dass von den 7 Waagen 5 zerstört und völlig unbrauchbar waren. Allgemein ist zu anzumerken, dass es außer den Schwierigkeiten, auf die man bei der Auftragserteilung stößt, auch eine unverhüllte Schädlingstätigkeit seitens der Firmen sowohl bei der rechtzeitigen Projektierung und Fertigung als auch bei der Auslieferung der Güter für die UdSSR gibt. Außerdem ist unbedingt der Umstand zu berücksichtigen, dass für die Abnahme der bestellten Güter die rechtzeitige Entsendung der Abnahmebeauftragten erforderlich ist, was die OVZ in Person ihrer Kommittenten in der Regel nicht erfüllte. Für die Abnahmebeauftragten werden gewöhnlich die Papiere spät ausgestellt und sie reisen erst dann für die Abnahme an, wenn die Waren versandfertig sind. Dadurch entsteht eine Situation, bei der die Firma die Möglichkeit hat, qualitätsgeminderte Ware zu liefern. Aber auch mit dem Personalbestand der Abnahmebeauftragten, die in Deutschland die Ware abnehmen, traten Schwierigkeiten auf, weil für die Übergabe an unsere Abnahmebeauftragten von den Firmen vorwiegend Faschisten eingesetzt werden, die ihren Hass auf die UdSSR offen zum Ausdruck bringen. 9 10
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Gemeint ist das Kriegsministerium. Der Text ist über die Zeile geschrieben.
28. 1. 1938 Nr. 208 Die Mehrheit der Firmen verweigert unseren Abnahmebeauftragten den Zutritt zu den Werkhallen, und die Übergabe wird in extra für diese Zwecke hergerichteten Räumen durchgeführt. Es gab zum Beispiel folgenden Fall: in einem Werk der Firma *Junkers* wurden unsere Abnahmebeauftragten bei der Abnahme von Motoren nicht zugelassen. Es vergingen einige Tage, um Räumlichkeiten für die Übergabe zu finden. Die Übergabe erfolgte in Anwesenheit von zwei Angehörigen des polizeilichen Werkschutzes. Nach langen Auseinandersetzungen gelang es durchzusetzen, dass die Prüfung der Zylindermantel unter einem bestimmten Druck erfolgte. Es konnte durchgesetzt werden, dass den Abnahmebeauftragten der Zutritt zu einer Werkhalle gewährt wurde. Als die Abnahmebeauftragten mit den Prüfungen begannen, wurden sie von 8 Personen eingekreist, damit sie nicht zu sehen bekamen, was in der Halle produziert wird. Auf die Bemerkung der Abnahmebeauftragten, dass sie keinen solchen Geleitschutz benötigen, wurde ihnen erklärt, dass dies auf Anordnung höherer Instanzen erfolge. In Deutschland war die Situation sowohl hinsichtlich der Platzierung der Aufträge als auch hinsichtlich der Inspektion und der Übernahme höchst ungünstig. Nicht anders verhielt es sich beim Zugang zu Informationsmaterialien zu Neuheiten der Militärtechnik. 1937 war diese Möglichkeit fast ausgeschlossen. Es ist jedoch zu bemerken, *dass gegen Ende 1937 ein gewisser*, wenn auch nicht bedeutender, *Umschwung* zu verzeichnen war, der darin zum Ausdruck kam, dass einige Firmen, die vorher keine Aufträge von uns entgegennehmen und Angebote unterbreiten wollten, nun selbst eine gewisse Initiative an den Tag legten. Zwar haben diese Firmen uns bisher noch nichts Konkretes und Neues angeboten. Dieses Interesse seitens der Firmen an unseren Aufträgen erklärt sich in erster Linie damit, dass die Unternehmen die für den Eigenbedarf vorgesehenen Aufträge ohne die Einfuhr der notwendigen Rohstoffe, die Deutschland nicht besitzt, nicht komplett ausführen können. [...]11 Vermerke mit Tinte, mit Bleistift durchgestrichen: an Gen. Pichlak. Vermerk mit Bleistift: In die Berichtsmappe. 7.V.38 Oben rechts befindet sich der Stempel der geheimen Chiffrierabteilung des NKVT mit der Eingangs-Nr. 1412/51 vom 28.1.1938. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2707, l. 1–10, hier l. 1–5. Original.
11 Nachfolgend werden in der Konjunkturübersicht verschiedene Aspekte der Tätigkeit der Abteilung für Aufträge im Ausland für 1937 ausgelassen, darunter die Tätigkeit in Frankreich, England, Italien, der Tschechoslowakei, den USA (l. 5–10).
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Nr. 209 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin Nr. 209 1. 2. 1938 1. 2. 1938 GEHEIM Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Ausg. Nr. 251 Berlin, 1. Februar 1938 An den Stellv. Volkskommissar Gen. POTEMKIN [Kopie:] Gen. *LITVINOV*2 *Ich habe Sie telegrafisch knapp über die Mitteilungen über Stimmungen in der Reichswehr informiert, die ich erhalten habe. Sie ähneln fast einer „Verschwörung“. Ich gebe nun das ausführlicher wieder, was ich von meinem Gesprächspartner, der sich auf eine solide deutsche Quelle berief, zu hören bekam.*3 Einige Tage vor dem 30. Januar hat Hitler über Himmler Informationen über eine verstärkte Aktivität der deutschen Monarchisten, die sich insbesondere in der Reichswehr zusammengefunden hatten, erhalten. Zuverlässigster Rückhalt der Monarchisten waren die in Pommern und Ostpreußen stationierten Truppenteile. Das unzufriedene Offizierskorps unterhielt Kontakte zum Kronprinzen, den man auf dem Thron sehen wollte. Zum Jahrestag des Geburtstages von Wilhelm4 verzeichnete man vermehrte Aktivitäten. Hitler erfuhr die Namen von ungefähr 50 ranghohen Offizieren, die in diese Bewegung verwickelt waren. Blomberg befindet sich nicht darunter, da er, der schon früher loyal zum Führer stand, sich in völliger Abhängigkeit von diesem befand, weil Hitler ihn vor dem Offizierskorps wegen seiner Mesalliance-Ehe in Schutz nahm (Blomberg heiratete unlängst eine 20 Jahre jüngere Frau5 plebejischer Herkunft und vordem anscheinend seine Haushälterin). Der Chef der Flotte, Admiral Rederer6, gilt als Hitler völlig ergeben. Unter den in Misskredit geratenen hohen Militärs wird auch Beck genannt, der besonders gegen Blomberg wegen dessen Heirat zu Felde zog. Probleme des Vorgehens gegen das Regime wurden während der kürzlichen Hochzeit des griechischen Kronprinzen mit einer deutschen Prinzessin (einer Enkelin Wilhelms?)7 erörtert, die Anlass für die Zusammenkunft einer großen Anzahl von Angehörigen der ehemaligen kaiserlichen Familie bot. In Kontakt mit den hetzerischen Militärs standen einige führende Ruhr-Industrielle, die eine mögliche Nationalisierung von Großbetrieben befürchteten. Was die Motive für die Unzufriedenheit der Militärs betrifft, so spielte hier neben den persönlichen Verbindungen der Generalität mit der Monarchie die Unzufriedenheit mit der Politik der „Achse“, mit der Intervention in Spanien und 1 2 3 4 5 6 7
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der Name ist mit Bleistift unterstrichen. Der Absatz ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. Wilhelm II. wurde am 27.1.1859 geboren. Luise Margarethe Gruhn war 35 Jahre jünger als von Blomberg. So im Dokument; richtig: Raeder. Die Hochzeit des Kronprinzen Paul von Griechenland mit der Enkelin Wilhelms II., Friederike Luise Prinzessin von Hannover, fand in Athen am 9.1.1938 statt.
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1. 2. 1938 Nr. 209 mit dem allzu starken antisowjetischen Kurs eine Rolle. Was die Außenbeziehungen anbelangt, so rechneten die „Verschwörer“ mit England, wodurch der englische Militärattaché8 ernsthaft kompromittiert wurde. Als Hitler von der „Verschwörung“ erfuhr, schäumte er vor Wut. „Diese Leute haben vergessen, dass sie vor meiner Zeit auf den Straßen mit Zigaretten gehandelt haben! Ich habe ihnen alles gegeben!“ Die Festsitzung des Reichstages wurde buchstäblich am Tag zuvor abgesagt. Es wurde beschlossen, die beabsichtigte Rede zur Würdigung der Ereignisse vor fünf Jahren in Form einer Broschüre herauszugeben. In der Nacht auf den 31. beriet sich Hitler mit Heß, Göring, Goebbels und Himmler. Hitler war zu einer Wiederholung des 30. Juni bereit, nachdem er jedoch die Auffassungen der anderen angehört hatte, verzichtete er darauf. Auf welche Weise mit den Oppositionellen abgerechnet werde, bleibt unbekannt, dies umso mehr, als sich die Betroffenen alle größtenteils nicht in Berlin, sondern bei den Truppenteilen befinden. Für Blomberg hielt man es am besten, ihn vorerst nach Italien zu schicken9, um in seiner Abwesenheit die nötigen Maßnahmen zu treffen. Um diese Information indirekt zu überprüfen, habe ich mich an einen Diplomaten einer befreundeten Macht, der jedoch ausgesprochen germanophil ist, gewandt, der Zugang zu deutschen Quellen hat. Ich rechnete damit, dass er mir bedeutend weniger sagen wird, dafür aber jedes seiner Worte von weitaus größerer Bedeutung sein würde. Er sagte mir zu diesem Thema folgendes: „Die Gerüchte über eine Verschwörung sind als übertrieben zu betrachten. Man kann nicht von einer ernsthaften gegen die Regierung gerichteten Bewegung oder von Unzuverlässigkeit der Reichswehr sprechen. An der Ergebenheit solcher Leute wie Göring, Blomberg und Rederer zum Regime gibt es keine Zweifel. Da sie aber treu ergeben sind, werden auch die Reichswehr und die anderen bewaffneten Kräfte nicht gegen das Regime vorgehen. Allerdings ist erkennbar, dass in letzter Zeit die Aktivität der Monarchisten etwas zugenommen hat. Es fanden verschiedentlich halböffentliche Versammlungen und Konferenzen von Anhängern einer Restauration der Monarchie statt. Dabei spielen die Anhänger Ludendorffs in Berlin eine bedeutende Rolle. Was Beck und Fritsch betrifft, so gibt es Veranlassung, sie als weniger zuverlässig als Blomberg einzuschätzen. Sie hatten sich noch im vergangenen Jahr der Einführung von Parteiabzeichen für Reichswehrangehörige widersetzt, und diese Maßnahme wurde offenbar über ihren Kopf hinweg durchgesetzt. Der Grund für die Vertagung der Einberufung des Reichstages zum 3. Januar10 bleibt nach wie vor unklar. Anfangs war man fest entschlossen, den Reichstag einzuberufen, und der Direktor des Protokolls des Auswärtigen Amtes11 riet den Diplomaten in Gesprächen, zur Sitzung zu gehen und sicherte ihnen freie Plätze zu. Dann wurde diese Idee plötzlich aufgegeben oder, wie man sagt, vertagt. Es trifft zu, dass die Militärs und das Auswärtige Amt mit der Spanienpolitik der Regierung unzufrieden sind.“ Dies sind die zwei Versionen, die aus zwei mehr oder weniger entgegengesetzten Quellen stammen. Deshalb sollte man meinen, dass die Wahrheit irgendwo da8 9
Frank Noel Mason-MacFarlane. Am 4.2.1938 wurde Kriegsminister Generalfeldmarschall von Blomberg in den Ruhestand versetzt. 10 So im Dokument; richtig: 30. Januar. 11 Erich Boltze.
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Nr. 209
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zwischen liegt, umso mehr, als es in der Wertung keinen diametralen Gegensatz gibt, sondern lediglich einen gewissen Unterschied, der neben allem anderen damit zu erklären ist, dass die zweite Quelle nicht nur aufgrund ihrer politischen Natur, sondern auch aufgrund der bekleideten Position bedeutend diskreter ist (die erste Quelle ist ein Journalist, die zweite ein Botschafter). Allen Anzeichen zufolge hat sich der Prozess der Auseinanderentwicklung zwischen der offiziellen faschistischen Führung einerseits und den Elementen andererseits, die in einem gewissen Grade der Struktur des nationalsozialistischen Staates fremd sind, verstärkt und eine Phase erreicht, in der man die Frage nach der Vereinbarkeit dieser oppositionellen Ideologie mit der Treue zum Regime stellen kann. Erst unlängst habe ich anlässlich des Rücktritts von Schacht12 festgestellt, dass als in gewissem Sinne disharmonische Elemente im Staatsapparat des nationalsozialistischen Deutschlands nunmehr die Reichswehr und das Auswärtige Amt verblieben sind. Letzteres ist jedoch wohl kaum als aktive Oppositionskraft in Betracht zu ziehen; wahrscheinlich ist eher, dass Angehörige der Reichswehr und Anhänger einer Restauration in ihrer Kritik an der Außenpolitik Hitlers auf ein gewisses Wohlwollen im Auswärtigen Amt stießen, wo das Leitungspersonal in der Hauptsache aus Leuten besteht, die ihre Karriere unter den Hohenzollern begonnen haben. Es ist auch nicht in Zweifel zu ziehen, dass die Unzufriedenen in der Reichswehr mit den Industriellen, die sich zum Vierjahresplan negativ verhalten, wegen der Geld- und Steuerbelastung, des Rohstoffmangels usw. aufgebracht sind, eine gemeinsame Sprache fanden. Der klar oppositionelle Standpunkt von Schacht ist bekannt. Ebenso steht es außer Frage, dass agrarische Schichten, insbesondere in Pommern und Preußen, mit der Landwirtschaftspolitik der Regierung (Festpreise, Pflichtablieferungen, verschiedene Reglementierungen usw.) unzufrieden sein müssen. Die Motive für diese Unzufriedenheit können in der breiten Bevölkerung, die dem anhaltenden Druck der jetzigen Politik wie auch insgesamt dem faschistischen Regime ausgesetzt sind, teilweise Widerhall finden. In welchem Maße sich diese verschiedenen oppositionellen Stimmungen konsolidieren, eine gemeinsame Sprache finden und den Boden für gemeinsame Handlungen finden konnten, bleibt ungewiss. Es wäre deshalb verfrüht, von einer ernsten Bedrohung für das Regime zu sprechen. Dass Gerüchte wie die oben angeführten aufkommen, bedeutet jedoch, dass gewisse Risse im Regierungslager zu verzeichnen sind, obgleich wir für die Einschätzung ihrer Stärke und des weiteren Entwicklungstempos noch über keine Angaben verfügen.13 Geschäftsträger der UdSSR in Deutschland G. Astachov
12 13
Vgl. Dok. 170, Anm. 16. Zwei Tage später, am 3.2., schickte Astachov der Leitung des NKID eine Ergänzung zu diesem Schreiben, in dem er ausführte, dass er sich „ausführlicher Kommentare“ enthalte, „weil die Situation allgemein unklar ist und man wegen fehlender zuverlässiger Fakten leicht in eine Orientierungslosigkeit geraten kann. Man kann jedoch feststellen, dass die Krise von recht ernsthafter Natur ist und die Möglichkeit einschneidender Veränderungen im Staatsapparat Deutschlands heraufbeschwört.“ In: AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 56, l. 31–33, hier l. 33.
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Nr. 210 Vermerk mit Tinte: MM14. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats von V.P. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 567 vom 5.2.1938. Oben rechts befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 376 vom 7.2.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Potemkin, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. zu den Akten. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 56, l. 26–30. Kopie.
14
Nr. 210 Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Stellv. Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Frinovskij Nr. 210 5. 2. 1938 5. 2. 1938 GEHEIM Expl. Nr. 3 Nr. 168231 5. Februar 1938 AN DEN STELLVERTRETENDEN VOLKSKOMMISSAR FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN DER UdSSR Gen. FRINOVSKIJ Die seinerzeit in der UdSSR verhafteten deutschen Staatsangehörigen Kurt Rittwagen, Robert Franz und Georg Aurich wurden auf Beschluss der Sonderberatung beim Volkskommissar für Innere Angelegenheiten im Januar 1937 jeweils zu fünf Jahren administrativer Verbannung verurteilt. Seinerzeit hatte die Kommission der Direktivinstanz unter dem Vorsitz von Gen. Kujbyšev den Beschluss gefasst, dass eine administrative Verbannung deutscher Staatsangehöriger und generell von Bürgern westlicher Staaten vermieden werden müsse. Falls eine Überstellung an ein Gericht nicht möglich sei, sollten diese Staatsbürger laut Beschluss der Kommission ins Ausland ausgewiesen werden. Außerdem wurde in der an den deutschen Botschafter in Moskau BrockdorffRantzau adressierten Geheimnote des Gen. Litvinov vom 12. Oktober 1925 ausgeführt, dass „die Regierung der UdSSR in den Fällen, in denen die zuständigen Behörden der UdSSR es für notwendig erachten werden, gegen irgendeinen auf dem Gebiet der UdSSR lebenden deutschen Reichsangehörigen die Maßnahme der administrativen Verschickung anzuwenden, an Stelle der Verschickung dieser deutschen Reichsangehörigen in irgendwelche Orte im Gebiete der UdSSR ihre Ausweisung aus dem Gebiete der UdSSR anwenden wird.“2 14
Litvinov.
1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Vgl. Deutsch-sowjetische Beziehungen 1922–1925. Vom Rapallovertrag bis zu den Verträgen vom 12. Oktober 1925, Dokumentensammlung, hrsg. vom Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR und vom Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR, Bd. 2, Berlin 1978, S. 826; DVP, Bd. VIII, Dok. 343-9, S. 624.
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Nr. 211
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Auf der Grundlage der oben gemachten Ausführungen bitte ich darum, die Anweisung zur Überprüfung dieser drei Fälle zu erteilen und die obengenannten deutschen Staatsangehörigen aus der UdSSR auszuweisen. Ihre Entscheidung in dieser Angelegenheit bitte ich mir mitzuteilen. STELLV. VOLKSKOMMISSAR V. Potemkin Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an den Adressaten, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. zu den Akten der 2. Westabteilung. AVP RF, f. 082, op. 21, p. 88, d. 1, l. 8. Kopie.
Nr. 211 Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA Nr. 211 7. 2. 1938 7. 2. 1938 Moskau, den 7. Februar 1938 Tgb. Nr. C IV a Verh.adh. (Pol. V II19) An das Auswärtige Amt in Berlin Unter Bezugnahme auf den Bericht vom 22. Januar 1938 – C IV a Verh.adh.1 Inhalt: Haftfälle in der Sowjet-Union Nachdem die Ausweisungsaktion von der Sowjet-Union verhafteten Reichsdeutschen seit nunmehr drei Monaten im Gange ist, darf ich Gelegenheit nehmen, einen Überblick über die Entwicklung der Gefangenenfrage zu geben. Die letzte, vor Beginn der Ausweisungsaktion eingereichte Haftliste vom 8. Oktober v. J. schloss mit 382 Gefangenen ab, von denen 45 rechtskräftig verurteilt, 326 in Untersuchungshaft und 11 ungeklärter Staatsangehörigkeit waren. Im Laufe des Monats Oktober kamen noch weitere 78 Verhaftungen abzüglich 2 Ausweisungen hinzu, sodass der Stand der Haftliste am 1. November v. J. 458 Häftlinge aufwies. Hierzu sind noch etwa 50 Haftfälle zu rechnen, die zwar vor dem 1. November liegen, jedoch erst im November und Dezember bekannt wurden. Man kann also davon ausgehen, dass sich am 1. November 1937 etwa 508 reichsdeutsche Häftlinge in der Sowjet-Union befanden. Von diesen 508 Gefangenen haben im Zuge der Ausweisungsaktion, wie aus den Mitteilungen unserer Konsulate und der Sowjetbehörden hervorgeht, bereits 98 die Sowjet-Union verlassen, weitere 80 sind zur Ausweisung angemeldet; mit ihrer Ausreise in allernächster Zeit ist zu rechnen. 1 Bericht der Deutschen Botschaft an das AA vom 22.1.1939 über die „Ausweisung reichsdeutscher Häftlinge aus der Sowjetunion“. In: PA AA, Moskau 420, o. P., 2 Bl.
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7. 2. 1938 Nr. 211 Auf der anderen Seite sind in den Monaten November, Dezember und Januar 96, 38, 23 neue Verhaftungen hinzugekommen. Eine Gesamtübersicht ergibt die folgende Aufstellung: Stand der Haftliste am I.XI.1937 508 die Sowjet-Union verlassen haben – 98 410 zur Ausweisung angemeldet sind – 80 330 Es wurden der Botschaft als verhaftet gemeldet im November 1937 96 im Dezember 1937 38 im Januar 1938 23 1.-7. Februar 1938 7 164 davon waren bereits im November verhaftet – 50 114 Anderweitige Abgänge ausgebürgert Sowjetstaatsangehörigkeit angenommen aus der Haft entlassen Sonstige noch unerledigt in der Haftliste
+ 114 444
21 5 4 6 36
– 36 408
Diese Zahl gibt jedoch nur einen bedingt richtigen Eindruck. Die Ausweisungen haben gezeigt, dass sich eine ganze Reihe von reichsdeutschen Häftlingen in den Sowjetgefängnissen befindet, deren Verhaftung der Botschaft nicht bekannt geworden ist. Von einer Gesamtzahl von 263 zur Ausweisung gelangten und angemeldeten Häftlingen befanden sich nur 178 in der Haftliste. Man muss somit damit rechnen, dass außer den 408 der Botschaft bekannten Häftlingen noch eine größere Anzahl weiterer Reichsdeutscher in Sowjetgefängnissen ist. Die Botschaft schätzt die Zahl dieser unbekannten Häftlinge auf etwa 200. Es darf hier bemerkt werden, dass in dieser Berechnung nicht diejenigen Politemigranten enthalten sind, die auf falsche Pässe in die Sowjet-Union gekommen und inzwischen verhaftet sind. Derartige Fälle sind bisher der Botschaft nicht zur Ausweisung angemeldet worden. Wenn auch, wie aus der obigen Aufstellung hervorgeht, der Erfolg der Ausweisungsaktion nicht den ursprünglichen Erwartungen der baldigen Liquidierung der Gefangenenfrage entsprochen hat, so ist doch, nachdem durch Monate hindurch die Zahl der reichsdeutschen Häftlinge ständig zunehmend anstieg, zum ersten Mal ein merkliches Fallen der Zahlen festzustellen. Es kommt hinzu, dass im Augenblick offenbar auch das Tempo der Verhaftungen nachgelassen hat, sodass anzunehmen ist, dass in den nächsten Monaten bei gleichbleibenden Ausweisungszahlen die Zahl der Häftlinge noch stärker fallen wird.
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Nr. 212
8. 2. 1938
Ich habe außerdem die bereits in meiner Besprechung vom 21. Januar 19382 Herrn Potemkin ausgedrückten Wünsche um Beschleunigung der Ausweisungen bei meinem Besuch am 4. Februar 1938 nochmals wiederholt. Herr Potemkin sagte mir zu, dass er mit den inneren Behörden in Verbindung treten werde, und dass er auf eine günstige Wirkung dieser Schritte hoffe. Gez. Graf von der Schulenburg Auf erstem Blatt am linken Seitenrand: ab 7/2. Gefertigt in drei Durchschlägen. PA AA, Moskau 420, o. P., 3 Bl. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. I, Dok. 618, S. 739–741.
Nr. 212 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg 2 Nr. 212 8. 2. 1938 8. 2. 1938 Geheim Expl. Nr. 4 AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS Nr. 6087 [8.2.1938] GESPRÄCH MIT DEM DEUTSCHEN BOTSCHAFTER SCHULENBURG. 8. Februar 1938 Schulenburg teilte mir mit, dass er wegen des Führungswechsels im Außenministerium Deutschlands 1 seine Abreise um einige Tage verschoben habe. Er nehme an, dass er vielleicht aus Berlin neue Weisungen erhalte. Zu mir sei er gekommen, um sich zu erkundigen, ob es vielleicht etwas Neues hinsichtlich der Angelegenheiten gebe, über die er in letzter Zeit mit mir gesprochen habe.2 Schulenburg interessiert sich insbesondere für Folgendes: 1. *Die Ausweisung von Kaiser*.3 2. *Der Fall der drei vermissten deutschen Staatsbürger.* 3. Die Ausreisegenehmigung für den in Tiflis verhafteten *Nymann* und seine Frau.4 4. Die Lage des Generalkonsulats in Kiev, wo mindestens 10 sowjetische Ortskräfte und außerdem die Ehefrau des Mitarbeiters des Generalkonsulats Strecker5, eine Sowjetbürgerin, inhaftiert worden sind. Auf sämtliche Bitten des Ehemanns, 2 1
Vgl. Dok. 200.
Am 4.2.1938 wurde Joachim von Ribbentrop zum Reichsminister des Auswärtigen ernannt. 2 Vgl. Dok. 200, 211. 3 Die hier und im Folgenden so gekennzeichneten Textstellen sind mit rotem Farbstift unterstrichen. 4 Vgl. Dok. 70, Anm. 5. 5 Ljudmila Kadrina.
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8. 2. 1938 Nr. 212 ihr Geld, Sachen oder Lebensmittel zu übergeben, antworten die örtlichen Behörden mit entschiedener Ablehnung. Schulenburg ergänzt, dass er seiner Regierung empfohlen habe, sämtliche Konsulate in der UdSSR zu schließen. Berlin stimme dem nicht zu6, aber unter **den gegebenen**7 Bedingungen wäre es nicht ausgeschlossen, dass sich der Vorschlag Schulenburgs als der einzige Ausweg aus dieser Situation erweise. 5. Der Fall Izerlov, die auf dem Transitweg aus dem Fernen Osten zusammen mit ihrer minderjährigen Tochter nach Deutschland reiste und in Negoreloe allein deshalb festgehalten wurde, weil ihr Pass kein Passfoto dieses Kindes enthielt. Der Pass enthielt jedoch das Visum des sowjetischen Konsulats. 6. Die Angelegenheit bezüglich der Besteuerung des Vermögens von Sommer in Leningrad. Dazu sagt Schulenburg, dass die Sache mit diesem Vermögen allmählich vollkommen aussichtslos erscheine. Um aus dieser Situation herauszukommen, sei er bereit vorzuschlagen, sich auf eine globale Besteuerungssumme von 20 Tsd. Rubel zu einigen, und die Sachen Sommers für die Überführung ins Ausland freizugeben.8 Ich erklärte Schulenburg, dass die 2. Westabteilung unter meiner Leitung mit allen angeführten Fällen befasst und bemüht sei, sie im Einvernehmen mit den zuständigen Behörden zu regeln.9 V. Potemkin Vermerk G.I. Vajnštejns mit Bleistift: an Gen. Michel’s. 10/II 38. V[ajnštejn]. Vermerk G.I. Vajnštejns mit rotem Farbstift: an Gen. Puškin. V[ajnštejn]. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel der 2. Westabteilung des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 332 vom 9.2.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 Expl. Das 1. [Exemplar] zu den Akten, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. an die 2. Westabteilung, das 5. nach Berlin. 8.II.38. Expl. Nr. 4. AVP RF, f. 082, op. 21, p. 88, d. 1, l. 11–10. Beglaubigte Kopie. 6 7 8
Vgl. ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 579, S. 1170. Der Text ist korrigiert; ursprünglich: diesen. Am 21.2.1938 wandte sich Potemkin mit einem Schreiben an den Stellv. Volkskommissar für Außenhandel Merekalov. Darin hieß es unter anderem: „Laut Beschluss des P[olit]B[üros] vom 4. November 1937 wurde den deutschen Konsulaten in der UdSSR unter Beachtung der ihnen von unserer Regierung auferlegten Liquidierungsfristen das Recht auf zollfreie Mitnahme ihres Vermögens gewährt, mit Ausnahme von wertvollen antiquarischen Gegenständen. […] Dessen ungeachtet hat die Zollhauptverwaltung bis jetzt keine Möglichkeit gefunden, das Vermögen des ehemaligen deutschen Konsuls in Leningrad, Sommer, vom Ausfuhrzoll zu befreien. Das Vermögen wurde mit 44.975 Rubel bewertet und damit in die Kategorie des wertvollen antiquarischen Vermögens eingestuft. […] Angesichts der Daten bezüglich des Vermögens von Sommer, die uns von der Verwaltung für Angelegenheiten der Kultur beim Leningrader Sowjet übermittelt worden sind, erachtet das NKID es als angebracht, den Vorschlag des deutschen Botschafters anzunehmen, und erbittet dringend Ihre Weisung an den Leningrader Zoll, das Vermögen Sommers unter der Bedingung der Zahlung einer Zollgebühr von 20.000 Rubel freizugeben.“ In: AVP RF, f. 082, op. 21, p. 88, d. 1, l. 17–16. 9 Am 7.2.1938 richtete Potemkin an den Stellv. Volkskommissar des NKVD Frinovskij ein Schreiben, in dem es u.a. hieß, dass Botschafter von der Schulenburg insbesondere um die Ausweisung von 9 inhaftierten Personen nachsuche. „Seitens des NKID“, führte Potemkin aus, „bestehen keine Einwände, der persönlichen Bitte des deutschen Botschafters nachzukommen, falls es natürlich beim NKVD keine speziellen Einwände gegen die Ausweisung der erwähnten deutschen Staatsbürger gibt.“ In: AVP RF, f. 082, op. 21, p. 88, d. 1, l. 9.
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Nr. 213
10. 2. 1938
Nr. 213 Bericht des Generalkonsuls in Kiev Großkopf an die Deutsche Botschaft in Moskau Nr. 213 10. 2. 1938 10. 2. 1938 Kiew, den 10. Februar 1938 I. a. 2/J. Nr. 258 An die Deutsche Botschaft in Moskau Im Anschluss an die Berichte vom 2.2.1938 J.Nr. 191 (an das Auswärtige Amt) und vom 8.2.1938 – I.a.2/J.Nr. 252 –1 Inhalt: Schikanen gegen das Generalkonsulat Im November v. J. hatte ich von einer staatlichen Organisation 50 m² Holz gekauft. Aus Angst vor Verhaftung wollte kein Holzspalter das Holz auf dem Hof des Generalkonsulats zerkleinern. Ich wandte mich schließlich an den Bevollmächtigten des Außenkommissariats2 und bat ihn, eine Anordnung zu veranlassen, dass Holzspalter, die vom Generalkonsulat angenommen werden, von den NKWDAgenten unbehelligt bleiben, oder dass eine staatliche Organisation beauftragt würde, das Zerkleinern des Holzes zu übernehmen und auszuführen. Diesen Antrag habe ich erstmalig im November persönlich gestellt und ihn im Dezember und Januar zweimal dringend wiederholt. Obwohl der Bevollmächtigte mir wiederholt versprach, für Abhilfe zu sorgen, ist nichts geschehen. Es hat 2 Monate gedauert, bis schließlich Ende Januar 3 Hausknechte benachbarter Häuser, die mit dem inzwischen verhafteten Hausknecht des Generalkonsulats abwechselnd den Straßendienst versahen, sich für viel Geld bereitfanden, die Arbeit auszuführen. Wenige Tage später wurden alle drei verhaftet. Ständige jahrelange Lieferanten von Milch und anderen Lebensmitteln, die früher mit ihren Erzeugnissen täglich ins Haus kamen, wurden schon im November v. J. verhaftet und ihnen das Betreten des Generalkonsulats verboten. Auch darüber hatte ich mich beim Bevollmächtigten des NKID beschwert. Alle Fuhrleute, die für das Generalkonsulat Güter gefahren hatten, sind verhaftet worden. Kein Fuhrmann findet sich bereit, mit seinem Gespann auf den Hof des Generalkonsulats zu kommen. Im Büro des staatlichen Speditionsunternehmens „Sojustrans“ ist dem inzwischen verhafteten Hilfsamtsgehilfen Grischtschenko aufgegeben worden, zur Empfangnahme von Rechnungen und zur Bezahlung derselben zum „Sojustrans“ zu kommen, weil Kassenboten und Briefausträger dieser staatlichen Dienststelle nach dem Betreten des Generalkonsulats verhaftet wurden. Aus diesem Anlass hatte ich mich bei der Dienststelle des Außenkommissariats schriftlich beschwert. Der Kontrolleur des städtischen Elektrizitätswerks war seit November nicht mehr gekommen, um den Stromverbrauch festzustellen. Er war ebenfalls verhaftet 1 Der Bericht vom 8.2. sowie viele weitere Schreiben Großkopfs, in denen er die Behinderungen seiner Arbeit beschreibt, sind in der Akte vorhanden. 2 Pavel Andreevič Brovcinov.
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10. 2. 1938 Nr. 213 worden. Es hat dringender schriftlicher Vorstellungen bedurft, um diese Rechnungsarbeit in Ordnung zu bringen. Durch die Schneemassen war das Blechdach des Konsulatsgebäudes an einer Stelle über dem Speisezimmer schadhaft geworden. Bei eintretendem Tauwetter lief das Wasser so stark ins Zimmer, dass ein Eimer untergestellt werden musste. Die Decke ist total verdorben. Am 29.1.1938 bin ich dieserhalb persönlich beim Leiter der Dienststelle des Außenkommissariats vorstellig geworden. Der Bevollmächtigte versprach mir, den Stadtsowjet mit der Reinigung und Instandsetzung des Daches zu beauftragen. Bei diesem Versprechen ist es geblieben. Vom Stadtsowjet hat sich niemand um die Sache gekümmert. Der Friseur, der seit 2 Jahren regelmäßig ins Haus kam, ist bereits im November v. J. verhaftet worden. Seit Januar kamen die Postboten nicht mehr ins Haus. Die Post wurde zusammen mit dem Quittungsbuch an der Haustür dem Pförtner übergeben. Nachdem sich Unstimmigkeiten eingestellt hatten, weil nicht über alle im Buch eingetragenen Sendungen quittiert worden war, kommen die Postboten seit einigen Tagen wieder ins Haus, um die eingeschriebenen Postsachen einzeln zu übergeben. Die aus Odessa und Charkow eingetroffenen 4 Waggon Möbel und Sachen stehen heute noch unausgepackt. Es hatte sich ein Mann bereiterklärt, die Auspackung zu übernehmen. Nachdem er einen Tag gearbeitet hatte, blieb er weg ohne seinen Lohn für diesen Tag in Empfang zu nehmen. Er dürfte verhaftet sein. Im Oktober v. J. hat das Generalkonsulat nur an 4 Tagen Wasser gehabt. Gewöhnlich gab es überhaupt kein Wasser oder nur in den frühen Morgenstunden lief etwa ½ Stunde lang in dem am tiefsten belegenen [sic] Hofgebäude ein ganz schwacher Wasserstrahl. Baden oder Wäsche waschen kam gar nicht in Betracht. Wenn ein derartiger Zustand sich wiederholen sollte, stehen keine Leute mehr zur Verfügung, die das Wasser in Eimern nach der im dritten Stock belegenen Küche tragen können. Wiederholte mündliche und schriftliche Beschwerden waren nutzlos. Im Sommer hat Kiew regelmäßig unter derartigen Wasserkalamitäten zu leiden, in den übrigen Jahreszeiten aber nicht. Der Verdacht ist daher begründet, dass man uns im Oktober die Wasserleitung dadurch gesperrt hatte, dass man keinen Druck gab. Die an dieselbe Rohrleitung angeschlossenen Krankenhäuser und großen staatlichen Wohnkomplexe haben eigene Sauge- und Druckmotorpumpen. Sie werden nicht in Mitleidenschaft gezogen. Nachdem der Hausknecht Mereschko am 29.1.1938 verhaftet worden war, hatte ich am selben Tage die Dienststelle des Außenkommissariats schriftlich gebeten, durch die Miliz die Gestellung eines Hausknechts zu veranlassen, damit wenigstens die dem Generalkonsulat vertraglich obliegenden Reinigungsarbeiten auf der Straße und im Hof ausgeführt werden. Für andere Arbeiten kann ein solcher Mann sowieso nicht herangezogen werden. Der Hausknecht ist nicht gestellt worden. Bürgersteig und Straße vor dem Generalkonsulat werden seit dem 29.1.1938 nicht mehr gereinigt. Außer diesen krassen Vorfällen, über die bei der Dienststelle des Außenkommissariats regelmäßig und mehrfach, überdies meist auch noch schriftlich Beschwerde geführt wurde, bestehen zahlreiche Kleinigkeiten des täglichen Lebens,
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Nr. 214
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die durch die Zugriffe der Agenten des NKWD verursacht werden, um uns das Dasein unmöglich zu machen. Dem Auswärtigen Amt ist ein Durchdruck dieses Berichts vorgelegt worden. Großkopf Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben Stempel: Mit sicherer Gelegenheit. Dienstag Repr. T[ippelskirch] 14/2 und A 261, unten: A 2 Beiakten. In einem Durchdruck. Auf Kopfbogen des Generalkonsulats geschrieben. PA AA, Moskau 77, o. P., 3 Bl.
Nr. 214 Bericht des Russland-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft Nr. 214 10. 2. 1938 10. 2. 1938 Berlin, den 10. Februar 1938 Nicht für die Presse! Tätigkeitsbericht für das Jahr 1937 Auch im vergangenen Jahr sind wir bemüht geblieben, die dünnen Fäden der deutsch-sowjetrussischen Wirtschaftsbeziehungen nicht abreißen zu lassen und, soweit irgend möglich, die Ausfuhr nach der UdSSR zu fördern im Hinblick auf unsere Rohstoffversorgung. Noch mehr als im Jahre 1936 erschwerten unsere Arbeit und ließen trotz aller Bemühungen den Schrumpfungsprozess im Handelsumsatz sich fortsetzen: die politische Lage, die bekannte Umstellung der russischen Ein- und Ausfuhrpolitik, mitbestimmt durch die Abnahme der Schuldenverpflichtungen, ferner die sich fühlbar machende Konkurrenz Amerikas und Englands, die starke Inanspruchnahme der deutschen Industrie durch Inlandsaufträge und die damit verbundenen langen Lieferfristen. Gerade der letzte Umstand ist oft von größerer Bedeutung gewesen als die Preisfrage. Eine weitere Ursache der Umsatzbeschränkung war die durch das deutsch-russische Wirtschaftsabkommen vom 29.4.1936 bzw. Protokoll vom 24.12.1936 bedingte Wechselwirkung zwischen Auftragsplatzierung und Einfuhr. Es liegt auf der Hand, dass bei geringeren Bestellungen die Russen keinen Anreiz hatten, Rohstoffe einzuführen1, deren Erlöse unter Umständen totes Guthaben bedeuteten. Von der Außenhandelsleitung der UdSSR ist wiederholt erklärt worden, dass eine Ausfuhr nach Deutschland und anderen Ländern mit Devisenregelung nur in dem Umfang erfolgen kann, als die Ausfuhrerlöse dort für Zahlungen benötigt werden. Angesichts dieser so grundlegend veränderten Situation sei daran erinnert, dass von 1931 bis 1933 oft über eine Vermehrung des russischen Exports nach Deutschland verhandelt wurde. Damals hatte Deutschland wegen der Sicherstellung der russischen Zahlungen an einer Steigerung dieses Exports besonderes Interesse. Heute gewinnt die sowjetrussische Einfuhr nach Deutschland im Rahmen unserer Rohstoffversorgung an Bedeutung. 1
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So im Dokument.
10. 2. 1938 Nr. 214 Der Handelsumsatz mit der UdSSR im letzten Jahr entsprach wenig den Bedürfnissen beider Länder und muss als anormal bezeichnet werden. Nach Schätzungen, die auf vorläufigen Angaben der deutschen Handelsstatistik beruhen, ergeben sich für 1937 folgende Zahlen: Deutsche Ausfuhr nach der UdSSR etwa 117 Mill. RM Deutsche Einfuhr aus der UdSSR etwa 65 Mill. RM. (Im Jahre 1936 betrug die deutsche Ausfuhr nach der UdSSR 126 Mill. RM, die deutsche Einfuhr aus der UdSSR 93 Mill. RM.) In der Ausfuhr des Jahres 1937 sind zum großen Teil enthalten die infolge der langen Lieferfristen erst in diesem Jahr zur Auslieferung gelangten Objekte im Rahmen des 200-Mill.-RM-Kredits (Abkommen vom 9.4.1935). Die russischen Bestellungen im Jahre 1937 sind weit geringer. Einschließlich der noch bis zum Ablauf des genannten Kredits (30.6.37) vergebenen Aufträge in Höhe von 14 Mill. RM – wodurch der Kredit mit etwa 182 Mill. RM ausgeschöpft worden ist – dürfte nur für etwa 40–45 Mill. RM bestellt worden sein, vorwiegend also im Bargeschäft. Interessant ist es immerhin, dass, was den Anteil der einzelnen Länder an der Belieferung der Sowjetunion mit Maschinen im ersten Halbjahr 1937 anbetrifft, Deutschland 54 v. H. der sowjetischen Einfuhr an maschinellen Ausrüstungen gedeckt hat. Das ist angesichts aller eingangs erwähnten Schwierigkeiten bemerkenswert. Die Warenbezüge aus der UdSSR in Höhe von etwa 65 Mill. RM bestanden im Wesentlichen aus wichtigen Rohstoffen. Mit dieser Einfuhr wurde neben laufenden Zahlungen für Lieferungen aus dem Bargeschäft auch der größte Teil der im Jahre 1937 fällig gewesenen russischen Wechselverpflichtungen in Höhe von 27 Mill. beglichen. Am 31.12.1937 lief der deutsch-sowjetrussische Vertrag vom 24.12.1936 über den Waren- und Zahlungsverkehr für das Jahr 1937 ab. Verhandlungen über die Verlängerung des Abkommens schweben seit Jahresende. Für diese Verhandlungen haben wir fortlaufend dem Reichswirtschaftsministerium Anregungen im engsten Benehmen mit allen am Russlandgeschäft beteiligten Kreisen unterbreitet. Wir haben die Wünsche unserer Mitglieder mit Nachdruck vertreten, u. a. auch eine erneute Einflussnahme der Wirtschaftsführung in der Richtung erbeten, soweit irgend möglich, die Hereinnahme von Aufträgen der Russen zu bevorzugen. Der Geschäftsgruppe Devisen des Beauftragten für den Vierjahresplan haben wir wunschgemäß in einer Denkschrift eingehendes Material über den Stand der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen unterbreitet und konkrete Vorschläge für deren Ausweitung, insonderheit hinsichtlich der Einfuhr aus der UdSSR, gemacht. Bei unserem Studium der wirtschaftspolitischen Situation der UdSSR und der laufenden Orientierung aller unserer Mitglieder und Behörden haben wir unser besonderes Augenmerk gerichtet auf die Außenhandelspolitik der Sowjetunion und ihre Beziehungen zu unseren Konkurrenzländern, von denen in erster Linie Amerika und England weiter ihren Vorteil aus der deutsch-sowjetrussischen Lage ziehen. Der uns von der Reichsregierung gestellten Aufgabe entsprechend, standen bei allen unseren Arbeiten an oberster Stelle: Exportförderung und Rohstoffversorgung. Sitzungen unseres Vorstandes und unserer einzelnen Kommissionen
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mit Vorträgen, Unterrichtung über die Gesamtsituation der UdSSR und alle uns bewegenden Fragen, und vor allem unsere zahlreichen Rundschreiben sorgten für enge Zusammenarbeit und einheitliches Handeln. Schriftliche und mündliche Beratung der Firmen, Anbahnung von Geschäften, Beschaffung von Adressenmaterial und Übersetzungen, Schlichtung von Differenzen, bei denen in letzter Zeit Strittigkeiten wegen Konventionalstrafen im Vordergrund standen, Sorge um strikte Innehaltung der Lieferbedingungen vom 20.3.1935 seitens der sowjetischen Bestell- und Abnahmeorgane, Bekämpfung unerwünschten Vermittler- und Werbetums, dafür aber unbedingtes Eintreten für die im volkswirtschaftlichen Interesse unentbehrlichen Firmenvertreter – alles das war die tägliche, oft schwierige Einzelarbeit unserer Geschäftsführung. Verschiedene Missstände im deutsch-russischen Schiedsgerichtswesen konnten wir leider bis heute nicht beseitigen. Auch ist es immer noch nicht geglückt, die mit der Handelsvertretung der UdSSR vereinbarte neutrale Obmannsliste endgültig aufzustellen. In unserem Organ, der Monatsschrift „Die Ostwirtschaft“, die seit Jahren auch außerhalb des Kreises der am Russlandgeschäft interessierten Firmen Beachtung findet, suchten wir wie bisher Verständnis für die Bedeutung des Russlandgeschäfts für die deutsche Wirtschaft zu wecken und den deutschen Standpunkt in den beim Wirtschaftsverkehr mit der UdSSR auftretenden Fragen wirksam zu vertreten. Neben Mitteilungen informatorischen Charakters für unsere Mitgliedsfirmen wurden in unserem Organ die Wirtschaftsverhältnisse in der Sowjetunion, die Entwicklung des sowjetischen Außenhandels und die Gestaltung des Russlandgeschäfts unserer Konkurrenzländer laufend verfolgt. Nach den gleichen Gesichtspunkten wurde das Material ausgewählt, das unsere Zeitschrift über die Wirtschaft Polens, Finnlands und der baltischen Staaten und Deutschlands Wirtschaftsverkehr mit diesen Ländern brachte. Die oft an uns gestellte Frage nach der zukünftigen Entwicklung des Handelsverkehrs mit der UdSSR ist schwer zu beantworten. Viel wird von dem Ergebnis der neuen Wirtschaftsverhandlungen für 1938 abhängen und von der Möglichkeit, die deutsche Ausfuhr nach Sowjetrussland zu steigern. Anzeichen für größeren und dringenden Einfuhrbedarf der UdSSR sind vorhanden, sodass ein wieder regerer Warenaustausch nicht ausgeschlossen erscheint. Wir möchten unseren Jahresbericht nicht abschließen, ohne allen unseren Mitgliedern aufrichtigen Dank zu sagen für das Interesse an unseren Aufgaben, für die Mitarbeit und Unterstützung in jeder Beziehung und nicht zuletzt für das uns entgegengebrachte Vertrauen. Russland-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft Der Vorsitzende: gez.: Reyß
Der Geschäftsführer: gez.: Tschunke
Gedrucktes Exemplar. Abgelegt unter: F 7719 c 28 V. Auf erstem Blatt am Seitenrand zahlreiche Abzeichnungen. BArch, R 2/17297, o. P., 3 Bl.
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11. 2. 1938 Nr. 215 Nr. 215 Entwurf einer Weisung des Rates der Volkskommissare der UdSSR Nr. 215 11. 2. 1938 11. 2. 1938 Entwurf1 GANZ GEHEIM Expl. Nr. 5 11.II.19382 BESCHLUSS **Falls die Deutschen ihr Gen. Smolenskij mitgeteiltes Angebot bezüglich eines 200-Millionen-Kredits erneuern3, so**4 ist dem Narkomvneštorg zu gestatten, mit der deutschen Regierung über den 200-Millionen-Kredit auf folgender Grundlage in Verhandlungen zu treten: 1. Der deutsche Vorschlag einer vorfristigen Einlösung unserer Wechsel zum 200-Millionen-Kreditabkommen vom 9. April 19355 ist abzulehnen. 2. Folgende Grundkonditionen für ein 200-Millionen-Kreditabkommen sind zu gewährleisten: a) Kreditlaufzeit: 7 Jahre **6; b) Kreditzins: 4 ½ bis 5 Prozent p.a. c) eine Garantie der deutschen Regierung zu 100 bis 80 Prozent für die Wechsel der Handelsvertretung und für deren Verzinsung; d) die Inanspruchnahme des Kredits ist unser Recht, jedoch keine Verpflichtung; Einverständnis mit dem bestehenden Vorbehalt im Abkommen über den 200Millionen-Kredit vom 9. April 1935, demzufolge die auf der Grundlage des Kredits getätigten Aufträge für Investitionszwecke bestimmt sind; e) freie Auswahl der Firmen bei der Auftragserteilung; f) eine Klausel über normale Preise; g) Unterstützung der deutschen Regierung bei der Umsetzung der sowjetischen Aufträge; h) Bezahlung der Wechsel der Handelsvertretung und deren Zinsen mit dem Exporterlös der sowjetischen Waren in Deutschland zu den üblichen Konditionen (d.h. ohne Abstimmung der Warenliste); i) Gewährung des in Deutschland bestehenden Systems der Exportprämie für die Aufträge; j) Lieferfrist für die Aufträge: 1 ½ Jahre; k) zu vereinbaren, neben den Aufträgen à Konto des Kredits auch Aufträge auf Rechnung in bar **mit Mark**7 zu bezahlen. 1 Die Vorlage für den Beschlussentwurf des SNK der UdSSR war vom NKVT vorbereitet und am 10.2.1938 von Merekalov an Stalin und Molotov übergeben worden. Vgl. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2778, l. 18-21. 2 Das Datum ist mit Tinte geschrieben. 3 Am 15.2.1938 bekräftigte die deutsche Seite ihr Angebot, der UdSSR einen 200-Millionen-Kredit zu gewähren. Vgl. Moskva-Berlin, Bd. 3, Dok. 173, S. 259. 4 Der Text wurde eingefügt. 5 Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 116, S. 427. 6 Der folgende, an dieser Stelle stehende Text wurde gestrichen: notfalls ab dem Liefertermin. 7 Der Text ist mit Tinte über die Zeile geschrieben.
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3. Als verbindliche Vorbedingung für den Abschluss eines 200-MillionenKredits ist von der deutschen Seite das Einverständnis zu erwirken, dass deutsche Firmen Aufträge gemäß Spezialliste annehmen. **SONDERBESCHLUSS**8 4. Im Zusammenhang mit der Kreditrealisierung ist dem Narkomvneštorg zu gestatten, der deutschen Regierung den Verkauf von Mangan- und Apatiterzen, von Papierholz und von Erdölprodukten **(in geringen Mengen)**9 in den Quantitäten, die im Weiteren einer Vereinbarung bedürfen, zuzusichern. 5. Zur Absicherung der Aufträge zu den uns interessierenden Spezialobjekten ist dem Narkomvneštorg zu gestatten, **unabhängig von dem 200-MillionenKredit**10 für diese Aufträge **11 Zahlungen in Höhe **von 3 bis 4 Mio. Dollar in bar zu leisten**12. 6. Narkomoborony, Narkomvoenmorflot, NKOP, Narkomtjaž[prom], NKPS, NKSvjaz’ und Narkomlegprom sind zu verpflichten, in einer Frist von 15 Tagen eine Liste der Spezialobjekte für eine mögliche Realisierung à Konto des in Aussicht gestellten deutschen Kredits zu erstellen. Für die endgültige Erstellung der Liste der Spezialobjekte ist eine Kommission in der Zusammensetzung der Genossen **Kaganovič (Vorsitzender), Tevosjan, P.A. Smirnov, Kulik, Bondar’**13 zu bilden und sie anzuweisen, diese Liste in einer Frist von **17**14 Tagen der Regierung zur Bestätigung vorzulegen.15 11.II.38 (Čvjalev) (Merekalov) Oben in der Mitte befindet sich der Vermerk: Expl. Nr. 5 ins Archiv. Am Dokumentenende ist die Anzahl der Exemplare vermerkt: 5 Ex[emplare]. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2278, l. 15-17. Kopie. Veröffentlicht in: Moskva-Berlin, Bd. 3, Dok. 172, S. 257–258.16
8 Der Text wurde eingefügt. Ursprünglich gehörten die Punkte 4 und 5 nicht zu dem Sonderbeschluss. 9 Der Text ist korrigiert; ursprünglich: in den Mengen. 10 Der Text ist über die Zeile geschrieben. 11 Der an dieser Stelle stehende Text wurde gestrichen: in Weltwährung. 12 Der Text ist korrigiert; ursprünglich: bis zu 10 Mio. Mark. 13 Der Text ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. In der Endfassung des vom Politbüro des ZK der VKP (B) bestätigten Weisungsentwurfs für die Verhandlungen mit den Deutschen wurde der Name des Stellv. Volkskommissars für Verteidigungsindustrie, Vannikov, in die Kommission zur Festlegung der Liste der speziellen Objekte aufgenommen. Vgl. MoskvaBerlin, Bd. 3, Dok. 172, S. 258. 14 Die Zahl ist mit Tinte korrigiert; ursprünglich: 15. 15 Am 11.2.1938 bestätigte das Politbüro des ZK der VKP (B) den Weisungsentwurf für die Verhandlungen zu einem neuen Kreditabkommen mit Deutschland. Vgl. RGASPI, f. 17, op. 166, d. 996. 16 Auf dem veröffentlichten Exemplar befinden sich die Abzeichnungen von Molotov, Stalin und Vorošilov.
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11. 2. 1938 Nr. 216 Nr. 216 Aufzeichnung der Unterredung des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 216 11. 2. 1938 11. 2. 1938 *Geheim*1 Expl. Nr. 1 AUS DEM TAGEBUCH M.M. LITVINOVS [11.02.1938] EMPFANG SCHULENBURGS, 11.II. 1938 Schulenburg kam, um sich vor seiner Abreise in den Urlaub zu verabschieden. Er begann von sich aus über die umlaufenden Gerüchte im Zusammenhang mit seiner neuen Ernennung zu sprechen, von der er allerdings nichts wisse. Man habe ihm einen Monat Urlaub gewährt, den er in Italien zu verbringen beabsichtige. Ich sagte Sch[ulenburg], dass ich sehr betrübt wäre, sollten sich die Gerüchte über seinen Weggang bewahrheiten. Als er über die Ereignisse in Deutschland2 sprach, dementierte Sch. die Gerüchte über Unruhen in der Armee, die er persönlich für unmöglich halte. Von den diplomatischen Versetzungen überrasche ihn lediglich die Abberufung von Papens3. Die Versetzung Dirksens4 sei ohne jede politische Bedeutung, da Dirksen Neurath bereits im vergangenen Jahr gebeten habe, ihn aus Tokio abzuberufen, wo er stark unter Asthma leide. Neurath habe ihm dann erlaubt zu gehen, wann er selbst dies wolle. Schulenburg glaubt, dass Dirksen aufgrund erneuter Asthmaanfälle den jetzigen Zeitpunkt für seinen Weggang gewählt habe. Was Hassell5 betrifft, so ist Schulenburg geneigt, dies auf das nicht ganz zufriedenstellende Verhältnis zwischen ihm und Ciano zurückzuführen. Schulenburg erwähnte, dass er erst heute Post aus Berlin erhalten habe und darin nichts über seine neue Ernennung stehe. Dort werde **6 mitgeteilt, es sei nicht davon auszugehen, dass die Kanzlerrede im Reichstag am 20.7 irgendwelche neuen Richtlinien zur Außenpolitik enthalten werde. Der Kanzler werde sich in seiner Rede wahrscheinlich auf einen Überblick über fünf Jahre Politik beschränken. Sch. bat mich natürlich, mich für einige laufende Angelegenheiten zu interessieren, mit denen Gen. Potemkin befasst sei, insbesondere für die Frage des Kiever Konsulats, dessen Arbeit behindert werde.8 Er wiederholte erneut, dass, sollten wir den Wunsch haben, das Konsulat aufzulösen, es besser sei, dies direkt zu sagen, 1 Das Wort ist mit Tinte unterstrichen. 2 Vgl. Dok. 217. 3 Der Botschafter in Österreich von Papen wurde am 4.2.1938 abberufen und in die Reserve versetzt. 4 Am 31.3.1938 wurde von Dirksen zum Botschafter in Großbritannien ernannt. 5 Nach seiner Abberufung als Botschafter in Italien befand sich von Hassell im einstweiligen Ruhestand. 6 Das an dieser Stelle stehende Wort „jedoch“ ist mit blauem Farbstift durchgestrichen. 7 Am 20. Februar 1938. Vgl. Domarus, Hitler. Reden und Proklamationen, Bd. I/2, S. 792– 804. 8 Vgl. Dok. 171, 180.
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ohne zu indirekten Mitteln zu greifen. In diesem Fall müssten wir natürlich auch unsere Konsulate in Deutschland schließen. Ich bemerkte dazu, dass uns diese Aussicht kaum große Sorgen bereite. Sch. sprach auch über die Versuche, Sommer [mit Zoll] zu belegen9, und erwähnte die Vereinbarung, die von ihm in den Gesprächen mit Gen. Stomonjakov über die zollfreie Ausfuhr nicht nur von Konsulats-, sondern auch von persönlichem Eigentum getroffen worden sei. Während in allen anderen Städten die Auflösung völlig reibungslos verlaufen sei, verlange man in Leningrad vom Konsul aus irgendeinem Grund enorme Zollgebühren, unter anderem für einen Schrank mit Büchern, von denen 9/10 in Deutschland gedruckt worden seien. Sch. erzählte mir mit Befremden, dass sich Gen. Potemkin heute telefonisch wegen eines Visums für den Handelsvertreter Davydov an ihn gewandt habe. Der Botschafter stellte klar, dass wir die Botschaft nicht um ein Visum ersucht und den Pass Davydovs nicht vorgelegt hätten, und daher könne von einer Ablehnung oder Behinderungen keine Rede sein. Unmittelbar nach dem Gespräch mit Gen. Potemkin sei der Pass der Botschaft vorgelegt und das Visum erteilt worden. Im Gesprächsverlauf sagte ich dem Botschafter, dass laut den Berichten von Gen. Astachov man ihm in Berlin häufig die Frage nach unserem neuen Bevollmächtigten Vertreter in Berlin stelle, wobei die Mutmaßung geäußert werde, ob wir nicht überhaupt auf die Besetzung des Postens des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin verzichteten.10 Ich hielte es daher für notwendig, zu erklären, dass wir keine solche Absicht hätten, dass, wie schlecht die derzeitigen Beziehungen zu Deutschland auch sein mögen, wir keineswegs deren Verschlechterung anstrebten, und dass die Nichternennung eines neuen Bevollmächtigten Vertreters keinerlei politische Bedeutung habe und auf rein technischen Gründen beruhe. Sobald ich einen geeigneten Kandidaten hätte, würde ein Bevollmächtigte Vertreter ernannt.11 Laut Mitteilung von Sch. habe das deutsche Radio heute über die Bildung einer neuen rumänischen Regierung unter Führung des Patriarchen12 berichtet. In das Kabinett seien alle ehemaligen Ministerpräsidenten, mit Ausnahme von Goga und Maniu, ohne Geschäftsbereiche eingetreten, Tătărescu als Außenminister, Călinescu als Innenminister und Gen[eral] Antonescu als Minister für die Militär-, Seeund Luftstreitkräfte. Die übrigen Minister seien anscheinend von der liberalen Partei. Der König habe eine Proklamation herausgegeben, in der er quasi seine persönliche Diktatur erkläre, dass das Parlament nicht einberufen werde, und der König die Frage einer neuen Verfassung für Rumänien prüfe. LITVINOV Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 Expl. Das 1. [Exemplar] ins Archiv, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. an Gen. Vajnštejn, das 5. nach Berlin. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 138, d. 6, l. 10–12. Original.
9 10 11 12
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Vgl. Dok. 200. Vgl. Dok. 217, Anm. 39. Vgl. Dok. 258, Anm. 5. Patriarch Miron, weltlicher Name: Elie Cristea.
11. 2. 1938 Nr. 217 Nr. 217 Bericht des Gehilfen des Militärattachés in Berlin Gerasimov an die Aufklärungsverwaltung der RKKA Nr. 217 11. 2. 1938 11. 2. 1938 Ganz geheim [11.2.1938] ZU DEN EREIGNISSEN VOM 4.2.1938 IN DEUTSCHLAND1 Die Ereignisse vom 4.2. sind eine Etappe in dem sich Schritt für Schritt verschärfenden Kampf zweier Gruppen im Lager der deutschen Bourgeoisie: der konservativen Gruppe von Junkern und Industriellen, gemeinhin als „Reichswehrgruppe“ bezeichnet, und der faschistischen Partei (NSDAP). In diesem Kampf ragen die Vorgänge vom 30.6.19342 heraus, als es der „Reichswehrgruppe“ mit Unterstützung von Göring gelang, die „radikalsten Elemente“ der faschistischen Partei auszuschalten; diese Ereignisse werden als Sieg der Reichswehr gewertet. Die darauf folgenden Ereignisse (die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, der Ausbau der Armee, die Aufhebung der Beschränkungen des Versailler Vertrages) festigten die Stellung der Reichswehr und stellten das Offizierskorps zufrieden. Parallel dazu spitzten sich jedoch auch die Widersprüche in Fragen der Außenpolitik, des Aufbaus der Streitkräfte, der Durchführung des Vierjahresplans3, in religiösen Fragen usw. zu (dazu weiter unten). Diese Widersprüche führten nicht selten an die Grenze von Konflikten. So führten beispielsweise die Faschisten die Besetzung des Rheinlandes4 gegen die Einwände der Armeeführung durch; die Durchführung des Vierjahresplans stieß wiederholt auf Proteste von Großindustriellen, die sie über Schacht und über Fritsch bzw. Beck zum Ausdruck brachten (Beispiele sind Schachts Haltung gegen die Verschwendung staatlicher Mittel für den Unterhalt aufgeblähter faschistischer Organisationen und für die SA, seine Haltung 1937 in der Kolonialfrage). Die Annäherung an Japan, die Vorbereitungen für ein Militärbündnis mit Italien, die Intervention in Spanien, die Verschärfung in den Beziehungen zur UdSSR, zu England und Frankreich stießen ebenfalls auf wiederholte Proteste der „Reichswehrgruppe“. Seit Herbst 1937 überschlagen sich die Ereignisse. Im Juli/August legte eine Gruppe Industrieller Hitler ein schriftliches Memorandum zur Notwendigkeit einer radikalen Änderung der Wirtschaftspolitik vor (ist Ihnen zugesandt worden). Der Besuch Mussolinis und die damit einhergehenden Verhandlungen5 wurden von der 1 Am 16.2. stellte der Stellvertreter des Chefs der Aufklärungsverwaltung der RKKA, Brigadekommandeur Orlov, den Bericht von Oberst Gerasimov dem Volkskommissar für Verteidigung der UdSSR Vorošilov zu. Vgl. RGVA, f. 33987, op. 3, d. 1080, l. 21. 2 Gemeint ist die politische Entmachtung und Liquidierung der Führungsspitze der SA, der sogenannte Röhm-Putsch. 3 Gemeint ist der Vierjahresplan zur Entwicklung der deutschen Wirtschaft, dessen programmatische Grundlage die Denkschrift Hitlers „Über die Aufgaben eines Vierjahresplanes“ bildete. Vgl. Wilhem Treue: Hitlers Denkschrift zum Vierjahresplan 1936. In: VfZ, 1955, H. 2, S. 184–210, hier S. 204–210. 4 Am 7. März 1936. 5 Vom 25. bis 29.9.1937. Vgl. Dok. 122, Anm. 2.
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„Reichswehrgruppe“ sehr kühl aufgenommen (die Reise Blombergs nach Italien6, wo er sich mit den italienischen Streitkräften vertraut machte, die Kampfhandlungen in Spanien neben den Erinnerungen an die Schlacht von Caporetto im Ersten Weltkrieg7 – all das zeugte von der Unzuverlässigkeit der Italiener als Bündnispartner bei der Vorbereitung des großen Krieges durch den deutschen Faschismus). Der Chef des Generalstabes Beck ging Begegnungen mit italienischen Delegationsmitgliedern demonstrativ aus dem Wege. In der Folgezeit, als offenbar die Umsetzung der während des Besuchs von Mussolini vereinbarten Maßnahmen einsetzte, verschärfte sich der Kampf. Auf dem Gebiet der Wirtschaft führte dies schließlich zu einem scharfen Konflikt mit Schacht und zu seiner Entlassung als Wirtschaftsminister8; das Wirtschaftsministerium wurde zur dreimonatigen „Säuberung und Rekonstruktion“ dem Beauftragten für die Durchführung des Vierjahresplans, Göring, übertragen. Dies erwies sich bereits als Signal für die wachsende Stärke der „Radikalen“. Im militärischen Bereich war es Fritsch unter dem Vorwand eines Urlaubs in Ägypten9 gelungen, sich ein Bild vom tatsächlichen Zustand der italienischen Armee und von ihrem Generalstab zu verschaffen (darüber wurde seinerzeit berichtet). In Vorbereitung auf seine „Jubiläums“-Rede zum 30.1.10 führte Hitler einige Besprechungen mit führenden Personen aus Politik, Militär und Wirtschaft durch. Dies nutzte die von Großindustriellen und Junkern unterstützte „Reichswehrgruppe“ dazu, um Hitler einige ihrer Forderungen zu unterbreiten; dafür wurde als Vorwand die Heirat Blombergs11 genommen, den die „Reichswehrgruppe“ als unerwünscht betrachtete (vgl. unten). Die Methoden, die im Kampf der „Reichswehrgruppe“ in dieser Phase angewandt wurde, waren MINISTERIELL-BÜROKRATISCHEN Charakters: Memoranden, Erklärungen, Proteste, Rücktrittsdrohungen usw., Methoden also, die für jede beliebige bürgerliche Opposition typisch sind. Eine Sonderrolle in der sich verschärfenden Auseinandersetzung spielte Blomberg: von Hitler 1933 zum Kriegsminister ernannt (vom Posten des Kommandeurs der 1. Infanteriedivision12), zeigte er sofort seine Bereitschaft zum Kompromiss. Er bemühte sich, zwischen den beiden sich bekämpfenden Gruppen zu lavieren. Mit dieser Politik brachte er das Offizierskorps gegen sich auf; seine Anpassung an die Faschisten und sein Eintritt in die NSDAP13 führten dazu, dass sich die „Reichswehrgruppe“ dazu entschloss, ihn loszuwerden. Dafür bot sich seine Hochzeit als ein guter Vorwand an, zumal Hitler und Göring die Trauzeugen waren.
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Vom 2. bis 3.6.1937. Offensive österreichischer und deutscher Truppen bei der italienischen Stadt Caporetto während des Ersten Weltkrieges (Ende Oktober bis Anfang Dezember 1917). 8 Am 26. November 1937. 9 Werner von Fritsch unternahm im Dezember/Januar 1937/38 eine Reise nach Ägypten. 10 Am 30.1.1938 fand die geplante Reichstagssitzung zu Ehren des 5. Jahrestages der Machtergreifung Hitlers nicht statt. 11 Am 12.1.1938 heiratete von Blomberg in zweiter Ehe Luise Margarethe Gruhn. 12 Generalleutnant von Blomberg war Kommandeur der 1. Division der Reichswehr und zugleich Befehlshaber des Wehrkreises I in Königsberg gewesen. 13 Am 30.1.1937 wurde von Blomberg mit dem Goldenen Parteiabzeichen der NSDAP ausgezeichnet, was automatisch die Aufnahme als Mitglied in die Partei bedeutete.
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11. 2. 1938 Nr. 217 Die „Reichswehrgruppe“ wurde von Fritsch angeführt. Ihr gehörten Generäle aus dem alten preußischen Junkertum an: Beck, Leeb, Pogrell, Kressenstein, Kleist und andere (die sog. „Potsdamer Gruppe“). Fritsch war der Schwager des ehemaligen Befehlshabers der Reichswehr14 und Kriegsministers General Schleicher, den die Faschisten am 30.6.1934 in seiner Wohnung ermordet hatten. Diese Gruppe war über verwandtschaftliche und Geschäftsbeziehungen eng mit Großindustriellen und Junkern verbunden. Dieser Gruppe gehören an: Schacht, Neurath und eine Reihe weiterer Vertreter aus Wirtschaft und Diplomatie. In der Frage der Macht stand die „Reichswehrgruppe“ für die Wiedereinführung der Monarchie. Auf dem Gebiet der AUßENPOLITIK: 1) war sie nicht mit der Politik der Annäherung an Italien und Japan einverstanden. In Bezug auf Italien wurde dies mit der geringen Schlagkraft der italienischen Streitkräfte begründet, wie dies die Ereignisse in Spanien gezeigt hätten. Die Annäherung an Japan verschlechterte die Beziehungen zu England; 2) bestand sie auf Einstellung der Intervention in Spanien; 3) forderte sie, die Beziehungen zu England und Frankreich zu verbessern und die feindliche Politik gegenüber der UdSSR einzustellen; 4) bestand sie auf einer entschiedeneren Kolonialpolitik. Auf dem Gebiet der WIRTSCHAFT hielt es die Gruppe für falsch, den Vierjahresplan durchzuführen, der zu großen Komplikationen in der Wirtschaft geführt und eine Krise heraufbeschworen habe (vor allem die Rohstoffe und die Nahrungsmittel bereiteten den Generälen Sorge). Besondere Unzufriedenheit rief bei Industriellen die Gründung der staatlichen Göring-Vereinigung für den Erzbergbau15 (zur Gewinnung von Roheisen aus eisenarmen Erzen) hervor. Auf dem Gebiet der Innenpolitik vertrat die Gruppe die Ansicht, dass die von den Faschisten betriebene Politik zu religiösen, agrarischen und anderen Fragen massive Unzufriedenheit in großen Teilen der Bevölkerung hervorrufen werde, was sich auf die Kampffähigkeit der Armee auswirken werde. Die Rassentheorie der Faschisten stößt im In- und Ausland auf Unzufriedenheit. In diesem Zusammenhang ist es interessant, an einen Konflikt zu erinnern, der sich zwischen der Gestapo und dem Generalstab wegen des in der Zeitschrift „Militär-Wochenblatt“ vom 12.9.1937 veröffentlichten Artikels von General a.D. Marx16 zugetragen hatte. In ihm wurde nachgewiesen, dass die Ursache für die Niederlage der deutschen Armee im Jahr 1918 nicht die revolutionäre Bewegung, wie dies die offizielle faschistische Version behauptet, sondern der HUNGER war (darüber wurde berichtet). Die Gruppe trat insgesamt gegen die ihrer Ansicht nach ungeeigneten Methoden zur Vorbereitung des Faschismus auf den GROßEN KRIEG auf. Über die Ereignisse, die sich im Januar zutrugen, sind eine Vielzahl an Gerüchten und Mutmaßungen im Umlauf, sodass es schwer festzustellen ist, wo die Realität endet und die Phantasie einsetzt. Aus dieser Vielzahl stechen folgende glaubwürdige oder der Realität nahekommende Fakten hervor: 14 15 16
So im Dokument; von Schleicher war nicht Befehlshaber der Reichswehr. Gemeint sind die Reichswerke Hermann Göring. So im Dokument; gemeint ist: „Der Grund aller Gründe“, von Generalleutnant a.D. Marx. In: Militär-Wochenblatt vom 17. September 1937, S. 700–703.
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Nr. 217
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1) Im Dezember begab sich Fritsch nach Ägypten, um Urlaub zu machen. Ihn begleiteten 3 Offiziere des Generalstabes. Fritsch hielt sich 2 bis 3 Tage in Rom auf, er traf sich mit dem Chef des Generalstabes17, danach ließ er die Offiziere dort für die Arbeit zurück, reiste aber selbst weiter nach Ägypten. Auf der Rückreise machte Fritsch erneut in Rom Station, verbrachte dort einige Tage und kehrte nach Berlin zurück. Wie es scheint, waren seine Eindrücke und sein Bericht negativ: in dem an ihn gerichteten Schreiben vom 4.2. zu seiner Verabschiedung schrieb Hitler, dass er angesichts seines schlechten Gesundheitszustandes und weil „die Reise in den Süden auch nicht die gewünschten Ergebnisse erbracht hat“, seinen wiederholten Bitten um Rücktritt nachkomme. 2) Anlässlich der Anwesenheit von Fritsch Ende des vergangenen Jahres in Köln gab der Garnisonschef ihm zu Ehren einen Empfang, zu dem sämtliche Offiziere geladen wurden. Er war sich unschlüssig, ob er die Garnisonsgeistlichen einladen solle. Er beschloss, beim Gebietsparteileiter (Gauleiter18) um Rat nachzufragen; dieser sprach sich gegen eine Einladung aus. Offenbar erfuhr Fritsch davon; als er zum Empfang erschien, begrüßte er die Offiziere und fragte sogleich, wo die Geistlichen wären. Der Garnisonschef berichtete, dass sie nicht eingeladen worden seien. Fritsch fragte schneidend: „Wer hat das angeordnet?“ Der General antwortete, dass dies die Entscheidung des Gauleiters gewesen sei. Fritsch sagte darauf aufbrausend: „Ich habe die Ehre, meine Herren!“, und entfernte sich. Der Empfang fand somit nicht statt. 3) Am 21.1. fand im Kriegsministerium unter dem Vorsitz von Hitler eine Beratung von Generälen und Großindustriellen statt.19 Auf dieser Beratung nahmen Fritsch und Beck eine sehr feste Position in Bezug auf eine resolute Kolonialpolitik, die planmäßige Vorbereitung auf einen großen Krieg ein und sprachen sich kategorisch gegen eine Politik der Annäherung an Italien und für die Einstellung der Intervention in Spanien aus, da sie die Kraft Deutschlands schwäche. Sie wurden von den Großindustriellen unterstützt. Eine andere Variante dieses Vorfalls, der sich vielleicht auch parallel oder hintereinander abspielte: Nach der Hochzeit Blombergs organisierte Fritsch eine Delegation von 6 Generälen unter der Führung von Beck (nach einer anderen Version von ihm selbst) zu Hitler, die auf der Grundlage von Dokumenten, die die Ehefrau Blombergs kompromittierten, Hitler die Forderung nach Entlassung Blombergs präsentierte. In den darauf folgenden Gesprächen brachte Fritsch im Namen der Generalität zur Sprache: a) die Unzufriedenheit mit der Annäherung an Italien und Japan, b) die Forderung nach Einstellung der Intervention in Spanien, c) die Forderung nach Verbesserung der Beziehungen zu England, Frankreich und zur UdSSR, d) das Bestehen auf einer Änderung der Wirtschaftspolitik, e) die Forderung auf Einstellung der Einmischung in die Belange der Kirche und nach Verzicht auf die Einführung des sog. „Rosenbergschen“ (altgermanischen) Kultes, 17 18
General Alberto Pariani. Das Wort ist in Deutsch mit kyrillischen Buchstaben geschrieben. Gauleiter von KölnAachen war Josef Grohé. 19 Vgl. Aufzeichnung eines nicht identifizierten Offiziers über den Vortrag Hitlers vor den Generälen am 21.1.1938. In: K.-J. Müller: Armee und Drittes Reich: 1939–1939. Darstellung und Dokumentation. Paderborn 1987, Dok. 104, S. 243–244.
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11. 2. 1938 Nr. 217 f) die Einstellung der unsachgemäßen Vergeudung von Geld und Materialien für „nebensächliche“ Bautätigkeit, die nicht dem tatsächlichen Bedarf entspreche (z.B. die Umgestaltung Berlins). 4) Es gab auch Gerüchte um ein angeblich fehlgeschlagenes Attentat auf Hitler, das von 30 Offizieren vorbereitet und während seiner Reise nach München im Januar zur Eröffnung der Ausstellung20 erfolgen sollte, sowie über einen bevorstehenden „Putsch“ der „Reichswehrgruppe“. Diese Gerüchte haben sich bis jetzt nicht bestätigt. In der Führungsspitze der faschistischen Partei muss man Himmler, Heß, Goebbels, Rosenberg und Darré als schärfste Gegner der „Reichswehrgruppe“ ansehen. Es ist auf einige Konflikte zu verweisen, die sich in letzter Zeit zwischen Fritsch/Beck und Himmler zugetragen haben (die Verhaftungen des Chefredakteurs der Zeitschrift „Militär-Wochenblatt“, General a.D. Wetzell, und des Verfassers des Artikels über die tatsächlichen Ursachen für die Niederlage der Deutschen 1918, General Marx, sowie Fälle von Verhaftungen und Haussuchungen bei Offizieren). *Diese Ereignisse führten dazu, dass Hitlers traditionelle Rede am 30.1. nicht zustande kam. An diesem Tag beteiligten sich die Streitkräfte, anders als in früheren Jahren, nicht an den Straßenumzügen.*21 Im Januar versuchte die „Reichswehrgruppe“ in die Offensive überzugehen. Die Methoden, mit denen sie agierte, und das Fehlen einer Massenbasis führten jedoch zu für sie unerwarteten Ergebnissen, die in den Erlassen Hitlers vom 4.2.193822 und in der darauffolgenden „Säuberung“ der Armee ihren Niederschlag fanden. Eine nicht geringe Rolle spielte der Umstand, dass Göring, der am 30.6.1934 aktiv die Reichswehr „unterstützt“ hatte, sich nunmehr im gegnerischen Lager befand. __________ Am 4.2. ergriff Hitler folgende Maßnahmen: ZUM HEER UND ZUR LUFTWAFFE 1) Nachdem er Blomberg in den Ruhestand versetzt hatte, entließ er zusammen mit ihm auch Fritsch, übernahm selbst die Befehlsgewalt über die Streitkräfte (vgl. Anlage Nr. 1). 2) Zum Oberbefehlshaber des Heeres wurde der ehemalige Befehlshaber der 4. Heeresgruppe, General der Artillerie von BRAUCHITSCH, ernannt und zugleich zum Generaloberst23 befördert. 3) Zum Chef des Oberkommandos der Streitkräfte24 wurde der ehemalige Chef des „Wehrmachtsamtes“25, General der Artillerie KEITEL ernannt. 20 Am 22.1.1938 eröffnete Hitler im Haus der Deutschen Kunst in München die 1. Deutsche Architektur- und Kunsthandwerk-Ausstellung. 21 Der Text ist am linken Seitenrand angestrichen, der zweite Satz ist unterstrichen. 22 Vgl. Erlass über die Führung der Wehrmacht. In: Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht (Wehrmachtsführungsstab), Bd. 1. Zusammengest. u. erl. von Hans-Adolf Jacobsen, Frankfurt a. Main 1965, S. 121 E. 23 Das Wort ist in Deutsch mit kyrillischen Buchstaben geschrieben. 24 So im Dokument; gemeint ist: Oberkommando der Wehrmacht. 25 Das Wort ist in Deutsch mit kyrillischen Buchstaben geschrieben.
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4) Göring wurde zum Generalfeldmarschall befördert. 5) Es wurden 49 Generäle und Oberste befördert (vgl. Anl. Nr. 2) und 7 Generäle des Heeres und 6 Generäle der Luftwaffe in den Ruhestand versetzt, und zwar: 1. der Oberbefehlshaber der 2. Heeresgruppe, General der Artillerie von LEEB, 2. der General der Panzertruppen LUTZ, 3. der Befehlshaber der VIII. Heeresgruppe, General der Kavallerie KLEIST, 4. der Befehlshaber des XII. Armeekorps, General der Kavallerie KREß VON KRESSENSTEIN, 5. der Inspekteur der Kavallerie, General der Kavallerie POGRELL, 6. der Chef für Bewaffnung, General der Infanterie LIESE, 7. der Inspekteur der Kriegsschulen, Generalleutnant NIEBELSCHÜTZ, 8. der Befehlshaber der Luftwaffe des Heeres, General der Flieger WACHENFELD26, 9. der Kommandeur des Luftkreises IV, General der Flieger HALM27, 10. der Kommandeur des Luftkreises II, General der Flieger KAUPISCH, 11. der Kommandeur der Höheren Luftwaffenschule, Generalleutnant WILBERG28, 12. Generalleutnant zur besonderen Verwendung bei Göring KARLEWSKI29, 13. Generalleutnant zur besonderen Verwendung bei Göring NIEHOFF30. Diese Generäle waren angesehene Persönlichkeiten in der deutschen Armee: LIESE hatte unter Fritsch als Chef des Stabes der 1. Infanteriedivision in Ostpreußen31 in dessen Stab gedient. Karlewski, ein führender Artillerist, war an der Entwicklung der Kanone beteiligt war, mit der die Deutschen 1918 Paris unter Beschuss genommen hatten. Er war der Kommandeur der Lufttechnischen Akademie. Leeb gilt als einer der bedeutendsten Generäle der deutschen Armee; ich bin ihm persönlich bei den Manövern 1936 und 1937 begegnet und hörte seine Vorträge. Von ihm stammt eine Reihe von Artikeln in der Zeitschrift „Wehrwissenschaftliche Rundschau“. 1923 befehligte er in München das 7. Artillerieregiment32 und trat gemeinsam mit dem damaligen Stadtkommandanten von München, dem jetzigen Kommandeur des XII. Armeekorps Kreß von Kressenstein (ebenfalls in den Ruhestand versetzt) gegen Hitler auf, insbesondere befreiten sie ihren Kommandeur der 7. Infanteriedivision General von LOSSOW aus dem Gewahrsam der faschistischen Bierhalle in München33. 26 So im Dokument; General der Luftwaffe Edmund Wachenfeld war General z.b.V. der Luftwaffe beim Oberkommando des Heeres. 27 So im Dokument; vom 1.4.1936 bis 4.2.1938 war Generalmajor Hubert Weise Befehlshaber des Luftkreiskommandos IV, General der Flieger Halm war dies vom 1.4.1934 bis 1.7.1935. 28 So im Dokument; Generalleutnant Helmuth Wilberg war Kommandeur des Sonderstabes W im Oberkommando des Heeres, dieser Stab war die Planungsgruppe für den Einsatz der Legion Condor im Bürgerkrieg in Spanien. 29 So im Dokument; Generalleutnant Erich Karlewski war der Kommandeur der Lufttechnischen Akademie in Berlin-Gatow. 30 Generalleutnant Heinrich Niehoff war der Chef des Stabes der Luftwaffe und Vizepräsident des Reichsluftschutzbundes. 31 Von April 1924 bis Januar 1926. 32 So im Dokument; Oberstleutnant Wilhelm Ritter von Leeb war seit dem 1.10.1923 Chef des Stabes der 7. Division in München, seit 1924 Kommandeur der II. Abteilung des 7. Artillerie-Regiments. 33 Gemeint sind die Ereignisse des sogenannten Hitlerputsches in München im November 1923.
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11. 2. 1938 Nr. 217 KLEIST entstammt einem alten aristokratischen Geschlecht (aus ihm sind zwei deutsche Schriftsteller hervorgegangen34); er ist ein erklärter Monarchist. POGRELL arbeitete die ganze Zeit nach dem Weltkrieg mit Seeckt zusammen; er ist Monarchist. LUTZ entstammte einer bürgerlichen (nichtadligen) Familie, er besaß große Verdienste bei der Aufstellung von motomechanisierten Truppen. 6) Im Luftministerium35 wurden neue Dienststellen eingerichtet: der Chef der Luftabwehr, der Generalinspekteur der Luftwaffe, der Chef des Ministeramtes. Zugleich wurden die Luftkreise (angelehnt an die Armeekorps des Heeres) in drei Luftwaffengruppen zusammengefasst: 1. Ost – Berlin, 2. West – Braunschweig, 3. Süd – München. 7) Das Kriegsmarineamt war von den Maßnahmen nicht betroffen. ZUM AUSWÄRTIGEN AMT (zur Außenpolitik): Neurath wurde als Außenminister entlassen; damit hatte fast niemand gerechnet. Beispielsweise erfuhr der Chef des Protokolls Bülow-Schwante am 5.2. aus der Presse davon. Zum Außenminister wurde RIBBENTROP, der ehemalige Botschafter in London, ernannt, der zugleich als Leiter der Außenpolitik der NSDAP36 fungierte und der bis dahin als „zweiter, nebenamtlicher Außenminister Hitlers“ galt, der einige seiner speziellen, höchst vertraulichen und wichtigen Aufgaben ausführte, darunter auch den Abschluss des „Antikominternpaktes“ mit Japan und Italien. Abberufen wurden die Botschafter: aus Wien – Papen, aus Rom – Hassell, aus Tokio – Dirksen. Zu den Gründen für die Abberufung gibt es folgende Vermutungen: 1) PAPEN wird wegen des Scheiterns der Österreich-Politik Deutschlands abberufen. Insbesondere habe er angeblich zum Scheitern des für Ende 1937 vorgesehenen Putsches in Wien beigetragen. Dazu sind der österreichischen Regierung Dokumente in die Hände gefallen, die die deutsche Regierung diskreditieren. Schuschnigg wollte sie veröffentlichen, doch die Deutschen drohten damit, dass sie in diesem Fall den vollständigen Wortlaut des deutsch-österreichischen Abkommens37 veröffentlichen würden. 2) HASSELL wird deshalb aus Rom abberufen, weil er die Politik der Annäherung an Italien gebremst hat. Außerdem hatte er angeblich einen Konflikt mit Himmler: Hassell hatte sich an Hitler persönlich mit der Bitte gewandt, seinen im Konzentrationslager Dachau einsitzenden Neffen freizulassen. Hitler stimmte zu. Der Neffe kam frei, wurde jedoch nach ein paar Tagen
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Heinrich von Kleist und Franz Alexander von Kleist. So im Dokument; richtig: Reichsluftfahrtministerium. So im Dokument. Das im April 1934 geschaffene Büro Ribbentrop, 1935 dann Dienststelle Ribbentrop, war eine informelle Parteiinstitution, die Hitler zu außenpolitischen Fragen beriet. 37 Gemeint ist das vom Bundeskanzler Österreichs Kurt Schuschnigg und dem Botschafter in Wien Franz von Papen am 11.7.1936 unterzeichnete „Gentlemen’s Agreement“, das nicht zur Veröffentlichung vorgesehen war. Vgl. ADAP, Ser. C, Bd. V/2, S. 703–706.
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erneut von der Gestapo verhaftet und ins Gefängnis gesteckt, wo er bald darauf angeblich Selbstmord begangen haben soll.38 Es zeichnen sich weitere Veränderungen im Auswärtigen Amt ab: insbesondere ist der Botschafter bei uns, Schulenburg, als Botschafter in Tokio vorgesehen; zu uns wird vorerst kein Botschafter entsandt werden – als „Rache“ dafür, dass wir in Berlin keinen Botschafter haben.39 Die Stellung des Staatssekretärs im Ministerium, Mackensen40, ist nicht gesichert, weil er mit der Tochter Neuraths verheiratet ist41. Überhaupt zeichnet sich eine große Säuberung des Ministeriums von alten Beamten und deren Ersetzung durch für die Faschisten „zuverlässigen“ Leuten ab. Die Faschisten haben bereits früher zwecks Ausbildung von Diplomaten in BerlinDahlem ein Spezialinstitut eröffnet.42 Bei Hitler wurde als beratendes Organ zu Fragen der Außenpolitik der Geheime Kabinettsrat eingerichtet, ihm gehören an: 1. Außenminister Ribbentrop, 2. Generalfeldmarschall Göring, 3. der Stellvertreter Hitlers in der Partei Heß, 4. Propagandaminister Goebbels, 5. Minister und Chef der Staatskanzlei Lammers, 6. der Oberbefehlshaber des Heeres Generaloberst von Brauchitsch, 7. der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine von Raeder43, 8. der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, General der Artillerie Keitel. Zum Präsidenten dieses Geheimen Rates wurde Neurath berufen, der Chef der Staatskanzlei Lammers bekam die Erledigung der laufenden Angelegenheiten zugewiesen. Auf diese Weise lenkt Hitler über seinen Kanzleichef faktisch den Geheimen Rat, die Ernennung Neuraths ist hingegen als eine ehrenhalber zu betrachten. ZUM WIRTSCHAFTSMINISTERIUM Nach dem Weggang von Schacht im Oktober44 übernahm bekanntlich Göring bis zum 15.1. die Leitung des Wirtschaftsministeriums für dessen Reorganisierung. Diese Reorganisierung schloss er mit Verspätung ab und erst am 7.2. wurde der neue Wirtschaftsminister FUNK in das Ministeramt eingeführt. In diesem Ministerium wurden V Hauptabteilungen geschaffen: I – für Rohstoffe und Fabrikate mit dem Chef Generalmajor LÖB, II – für Bergbau, Eisen und Energetik, Chef ist Generalmajor von HANNEKEN, 38 So im Dokument. Ulrich von Hassells Neffe, Lorenz von Hassell, fiel im Januar 1942 an der Ostfront. 39 Nach der Verhaftung von Jurenev im September 1937 in Moskau blieb der Posten des Bevollmächtigten Vertreters der UdSSR in Deutschland fast ein Jahr unbesetzt. 40 Am 19.3.1938 wurde Hans Georg von Mackensen zum Botschafter in Italien ernannt. 41 Winifred von Mackensen, geb. Freiin von Neurath. 42 Gemeint ist die 1920 privat gegründete „Deutsche Hochschule für Politik“, die seit 1933 unter der Kontrolle des Reichsministeriums für Propaganda und Volksaufklärung stand und 1937 als Reichsanstalt unter dem Namen „Hochschule für Politik“ firmierte. 43 So im Dokument. Erich Raeder war nicht-adliger Herkunft. 44 So im Dokument; die Entlassung von Schacht als Reichswirtschaftsminister wurde offiziell am 26.11.1937 bekanntgegeben.
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11. 2. 1938 Nr. 217 III – für Wirtschaft, Handel, Handwerk, IV – für Geld und Kredite, V – für Außenhandel, Devisen, Export mit dem Leiter Major a.D. von JAGWITZ. Reichsstelle für Wirtschaftsausbau (Forschung, Planung und Durchführung des Vierjahresplans) mit dem Leiter Major CZIMATIS. Reichsamt für die Erkundung von Bodenschätzen, Leiter Ingenieur KEPPLER. Reichsstelle für die Verwertung von Altstoffen. Wie Göring bei der Einführung von Funk in das Ministeramt hervorhob, unterscheidet sich das neue Ministerium von dem alten dadurch, dass: 1) die Doppelgleisigkeit zwischen dem Wirtschaftsministerium und dem Stab für die Durchführung des Vierjahresplans beseitigt wurde (ein Teil der Abteilungen und des Personals wurden aus dem Stab ins Ministerium überführt); 2) das Ministerium jetzt sozusagen das Vollzugsorgan des Bevollmächtigten für die Durchführung des Vierjahresplans ist; 3) es in engem Zusammenwirken mit den im Stab des Bevollmächtigten für die Durchführung des Vierjahresplans verbliebenen Ressorts arbeiten muss: mit dem Kommissar für Preise, mit den Gruppen für die Ernährung, des Einsatzes der Arbeitskräfte, der Devisen, des Transports, der Forsten usw. sowie mit dem anderen, ebenfalls Göring unterstellten Ministerium, dem Ministerium für Ernährung45 (Darré). EINSCHÄTZUNG DER EREIGNISSE, DIE MIT DEM 4.2. IN VERBINDUNG STEHEN *Ich betrachte die Ereignisse als noch nicht abgeschlossen; es ist deren weitere Entwicklung abzuwarten. In dieser Hinsicht wird die Sitzung des Reichstages am 20.2.46 interessant werden, auf die sich Hitler in seiner Residenz in BERCHTESGADEN intensiv vorbereitet, wohin er der Reihe nach die ihm nötigen Personen einbestellt (unlängst war Ribbentrop dort).*47 Die wichtigsten Schlussfolgerungen der vollzogenen Veränderungen bestehen in Folgenden: 1) Die Ereignisse bestätigen die Existenz schwerwiegender Gegensätze und der Instabilität des Regimes. 2) Die Faschisten haben sich in Person Hitlers zu den unumschränkten Herren in der Armee, in der Außenpolitik und in der Wirtschaft aufgeschwungen. Es vollzieht sich ein zunehmendes Zusammenwachsen der faschistischen Partei mit dem Staatsapparat. 3) Mit der Niederlage der „Reichswehrgruppe“ wurde die bis zu einem gewissen Grade eigenständige Rolle der Armee und ihr Einfluss auf die faschistische Po-
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So im Dokument; gemeint ist das Reichsministerium für Ernährung und Landwirt-
schaft. 46 Vgl. Adolf Hitler: Führerbotschaft an Volk und Welt. Reichstagsrede vom 20. Februar 1938, München 1938. 47 Der Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen.
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litik liquidiert. Fritsch und seine Gruppe waren Leute, die sich nicht scheuten, die Politik der Regierung offen zu kritisieren und ihre Forderungen zu stellen. 4) FÜR DIE ARMEE bedeuten die Veränderungen folgendes: Hitler kann nunmehr die Armee direkt ohne jeglichen Vermittler (und sei es nur einen vom Typ Blombergs) befehligen. Die Faschisten können nun in der Armee schalten und walten. Zu diesem Zwecke begannen sie und werden sie die Säuberung fortführen. Diese Säuberung wird sich für eine bestimmte Zeit hinziehen. Es findet eine massenhafte Entlassung von für das Regime unzuverlässigen Offizieren *(es sind bereits fast 800 Offiziere entlassen worden)*48 und ihr Austausch durch „neutrale“ oder dem Regime treu ergebene Offiziere statt. Dies führt dazu, dass sich in der Armee, insbesondere bei den unteren Offiziersrängen, der Anteil von Mitgliedern der faschistischen Partei erhöht. In Zukunft wird die Armee Offiziersanwärter aus den 10 kürzlich eröffneten nationalsozialistischen Erziehungsinstituten (NS-Erziehungsanstalten) erhalten. Diese Institute sind nicht die Monopollieferanten an Kandidaten, aber sie werden ein bestimmtes Kontingent „ihrer Leute“ stellen. *Die vollzogenen Umgestaltungen und die weitere Säuberung des Offizierskorps werden für eine gewisse Zeit die ARMEE SCHWÄCHEN; es wird Zeit erfordern, um alles in Ordnung zu bringen.*49 Neben diesen Schlussfolgerungen sind folgende Tatsachen von Interesse: a) Beck blieb Chef des Generalstabes. b) Zum Chef des Oberkommandos der Streitkräfte50 (im Grunde genommen zum Chef des Hauptstabes der Streitkräfte) wurde General Keitel ernannt, der angeblich von Blomberg für diesen Posten empfohlen wurde (der Sohn Keitels51 ist mit der Tochter Blombergs52 verheiratet). Keitel genießt als Chef der Streitkräfte kein großes Ansehen, er wird lediglich als guter Generalstabsoffizier betrachtet. Er ist ein Mann des Kompromisses und ein Politiker, der der „Reichswehrgruppe“ nähersteht. c) Anstelle von Frisch als Oberkommandierender des Heeres ist General BRAUCHITSCH ernannt worden, ein preußischer Aristokrat, ein Junker, der der „Reichswehrgruppe“ nahesteht. Er ist ein willensstarker, tatkräftiger General, jedoch kein Politiker. Er hat, ebenso wie Blomberg und Fritsch, seine „Praxisbewährung“ in Ostpreußen absolviert (nach dem Weggang von Blomberg übernahm er den 1. Wehrkreis53 und wechselte im Frühjahr 1937 von dort auf den Posten als Kommandeur der 4. Armeegruppe54), d) Göring erhielt den Rang eines Generalfeldmarschalls, wurde aber nicht anstelle von Blomberg ernannt. Es ist möglich, dass er später noch ernannt werden wird und man es vorzieht, die Säuberung ohne seine Beteiligung durchzuführen. Es ist möglich, dass er als Generalfeldmarschall die Streitkräfte in der Kriegszeit befehligen wird. Es ist möglich, dass Hitler ihn als seinen Konkurrenten fürchtet: 48 49 50 51 52 53 54
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Der Text ist mit Tinte unterstrichen. Der Text ist am linken Seitenrand zweimal mit Tinte angestrichen. So im Dokument; gemeint ist: Oberkommando der Wehrmacht. Karl-Heinz Keitel. Dorothee Blomberg, geb. von Blomberg. Am 1. Februar 1933. Am 1. April 1937.
11. 2. 1938 Nr. 217 gegenwärtig ist Göring Herr über das Luftministerium und die Luftwaffe, er ist der Wirtschaftsdiktator und als Ministerpräsident Preußens ist ihm die gesamte Polizei, die Gestapo, die SS und SA unterstellt55. Mit einer Ernennung anstelle von Blomberg wären ihm auch die Streitkräfte unterstellt. Es ist möglich, dass seine Kandidatur eine noch größere Unzufriedenheit in der Armee ausgelöst hätte. e) Dem Geheimen Rat gehören die Oberkommandierenden des Heeres, der Flotte, der Luftwaffe und Keitel an. Damit erhielt die Armee das Recht, an der Erörterung von Fragen der Außenpolitik teilzunehmen, f) Eine der Armee feindselige Figur, Himmler, wurde nicht in den Geheimen Rat aufgenommen und erhielt auch keine Beförderung (es gibt Gerüchte über seine Ernennung zum Innenminister anstelle von Frick, der die Einrichtung eines Geheimen Rates für Inneres leitet). Aus der Gegenüberstellung dieser Fakten drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass es offenbar auch jetzt einen „Kompromiss“ gegeben hat, wenn auch nur als „Puffer“, um den Eindruck abzuschwächen, den die vollzogenen Veränderungen im Offizierskorps und bei den interessierten Kreisen hinterlassen haben. Es ist völlig klar, dass die Entlassung der Führungsspitze der Armee, die massenhafte Entlassung von Offizieren und andere Veränderungen eine große Unzufriedenheit beim Offizierkorps und in Teilen der Bevölkerung Deutschlands hervorgerufen haben, wenn auch nur verdeckt. Angesichts der jetzigen internationalen und inneren Situation kommt diese Unzufriedenheit den Faschisten ungelegen. 5) IN DER AUßENPOLITIK sind die durchgeführten Veränderungen von äußerst großer Bedeutung. In Bezug auf uns bedeuten sie, dass nach der von den Faschisten vorgenommenen Konzentration in der Führung der Armee, der Außenpolitik und der Wirtschaft und der Entfernung der Befürworter einer Annäherung an uns oder zumindest der Gegner einer uns gegenüber feindlichen Politik aus diesen Zweigen, die Faschisten mit Ribbentrop an der Spitze die antisowjetische Politik verstärken. In erster Linie wird der Antikomintern-Block aktiviert werden. Gegenüber anderen Ländern bedeutet dies ein entschiedenes Vorgehen in Österreich, eine noch stärkere Annäherung an Italien, eine Verschlechterung der Beziehungen zu England und Frankreich (?). In Bezug auf Spanien verstärken die Deutschen die Intervention (dies geschieht bereits seit Ende 1937). Das Außenministerium wird von allen unzuverlässigen, alten Beamten gesäubert, sie werden durch dem Faschismus ergebene Leute ersetzt. Die diplomatische Vorbereitung des Krieges wird beschleunigt vorangetrieben. Die Gefahr militärischer Abenteuer nimmt zu. 6) IN DER WIRTSCHAFT zeugen die Umwandlung des Wirtschaftsministeriums in ein Vollzugsorgan zur Durchführung des Vierjahresplans, die Entfernung von „Schacht-Elementen“ aus ihm und der vollzogene Umbau in der Wirtschaftsführung von ihrer endgültigen und völligen Unterordnung unter das Ziel der Vorbereitung des Faschismus auf einen neuen Krieg. Wie eine jegliche Opposition, die keine Massenbasis hat, konnte und wollte die „Reichswehrgruppe“ nicht als Anziehungs- und Sammlungspunkt für alle mit dem faschistischen Regime unzufriedenen Kräfte dienen. Sie diente lediglich als 55 So im Dokument; ab dem 17.6.1936 waren die Polizei und die SS dem Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei Heinrich Himmler unterstellt.
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ZÜGELUNGS-Element für die faschistische Regierung. Ihre Niederlage beseitigt jedoch nicht die Gegensätze, die ihr als Existenzgrundlage dienten. Die Ereignisse werden sich weiter entwickeln. **Die Befreiung**56 des deutschen Volkes vom faschistischen Regime kann nur durch eine revolutionäre Massenbewegung auf der Grundlage einer Volksfront erfolgen. ANLAGE:57 1) Übersetzung des Erlasses Hitlers vom 4.2.38. 2) Liste der Umbesetzungen. 3) Biographien und Fotos von Militärs und Politikern auf 10 Blatt nur zum Expl. Nr. 1. Gehilfe des Militärattachés der UdSSR in Deutschland Oberst A. Gerasimov 11.2.38 Berlin Oben rechts befindet sich der Stempel der Abteilung für Außenbeziehungen des Verteidigungskommissariats der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 397ss vom 15.2.1938. Am Ende des Dokuments ist die Anzahl der Exemplare vermerkt: Geschr. in 3 Expl. RGVA, f. 33987, op. 3, d. 1080, l. 22–37. Original. Veröffentlicht in: Glazami razvedki. SSSR i Evropa, Dok. 193, S. 474–48158.
Nr. 218 Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin 56 57 58 Nr. 218 14. 2. 1938 14. 2. 1938 Geheim Expl. Nr. 5 6101 14. Februar [1938] AN DEN GENERALSEKRETÄR DES ZK DER VKP (B) Gen. STALIN Kopien an:
Gen. MOLOTOV Gen. KAGANOVIČ Gen. VOROŠILOV Gen. EŽOV
Die Deutsche Botschaft in Moskau hat uns im Auftrag ihrer Regierung eine Verbalnote mit der Einladung zu dem in Berlin vom 15. bis 2. August1 stattfinden56 57 58
Das Wort ist mit Tinte korrigiert, ursprünglich: Doch die Befreiung. Wird nicht veröffentlicht. Das Dokument ist in redaktioneller Bearbeitung und mit einer ungenauen Datierung seiner Abfassung veröffentlicht worden. 1
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So im Dokument; richtig: vom 15. bis 20. August.
Nr. 218 den 7. Internationalen Entomologen-Kongress überreicht. Die Botschaft führt in dieser Note aus, dass die deutsche Regierung es begrüßen würde, wenn die Regierung der UdSSR der Teilnahme einer sowjetischen Delegation an dem erwähnten Kongress zustimmt. Eingedenk dessen, dass die Deutschen unsere Einladung, Delegierte nach Deutschland2 zu dem im vergangenen Jahr in Moskau abgehaltenen 17. Internationalen Geologen-Kongress3 zu entsenden, demonstrativ abgelehnt hatten, spreche ich mich dafür aus, die deutsche Einladung zum Entomologen-Kongress in Berlin abzulehnen. Den Beschlussentwurf füge ich bei. STELLV. VOLKSKOMMISSAR V. Potemkin BESCHLUSSENTWURF Das NKID ist zu beauftragen, die von der Deutschen Botschaft in Moskau überreichte Einladung für eine sowjetische Delegation zum 7. Internationalen Entomologen-Kongress abzulehnen.4 Unten links befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars für Verteidigung der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 633ss vom 14.2.1938. RGVA, f. 33987, op. 3, d. 1080, l. 12. Kopie.
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So im Dokument; richtig: aus Deutschland. Vom 21. bis 29.7.1937. Zu den möglichen Beweggründen für die Ablehnung, eine deutsche Delegation zum 17. Internationalen Geologen-Kongress nach Moskau zu entsenden, vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 178, S. 577–578. 4 Das Politbüro des ZK der VKP (B) fasste am 16. Februar 1938 den Beschluss, keine sowjetische Delegation zum Entomologenkongress nach Berlin zu entsenden. Vgl. RGASPI, f. 17, op. 162, d. 996 (Protokoll Nr. 58, Pkt. 48).
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15. 2. 1938 Nr. 219 Aufzeichnung des Geheimen Staatspolizeiamtes
Nr. 219 15. 2. 1938 15. 2. 1938 Berlin, den 15.2.1938 An SS-Obersturmführer Spengler i[m] Hause Betrifft: Beiträge zum Reichsleiterdienst Vorgang: Tel. Auftrag an SS-O’Stuf Spengler an II 112. Anliegend wird eine Meldung zum Reichsleiterdienst vorgelegt. 1 Anlage! II 112 Ausweisung sowjetrussischer Juden aus Deutschland Als Gegenmaßnahme gegen die vor einiger Zeit erfolgte Ausweisung von ca. 150 Staatsangehörigen aus der UdSSR hatte das Auswärtige Amt angeordnet, sämtliche Juden sowjetrussischer Staatsangehörigkeit aus dem Reichsgebiet auszuweisen. Von dieser Maßnahme wurden etwa 500 Juden betroffen. Die sowjetrussische Gesandtschaft in Berlin verweigerte jedoch diesen Juden die Einreise nach Sowjetrussland. Eine Ausreise nach anderen Ländern kann gleichfalls nicht erfolgen, da sich die zuständigen diplomatischen Vertretungen weigern, diesen Juden Sichtvermerke zu erteilen. Schließlich wurden diese Juden sowjetrussischer Staatsangehörigkeit bis zur Regelung ihrer Angelegenheit in die Konzentrationslager eingewiesen. Auf erstem Blatt oben: II 112/ 47 Dan., unten nicht entzifferte Abzeichnungen. BArch, R 58/979, Bl. 38-39.
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15. 2. 1938 Nr. 220 Nr. 220 Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda Nr. 220 15. 2. 1938 15. 2. 1938 15. Februar 1938 ZSg. 101/11/123/Nr. 234 sehr wichtig! Die heutige Abendpresse und die morgige Presse muss ganz im Zeichen des Stalin-Briefes1 stehen. In eigenen Kommentaren, die ja sehr leicht auf Grund des vorhandenen Archivmaterials zu schreiben sind, müssen Veröffentlichungen des DNB über diesen Stalin-Brief zu einer ganz großen Aktion ausgewertet werden. Für diese Aktion liegen bestimmte Gründe vor. Man will, wie vertraulich mitgeteilt wird, ablenken von dem Fall Österreich.2 Im Vordergrund haben selbstverständlich die weltrevolutionären Absichten der Sowjetunion zu stehen. In ebenfalls großer Aufmachung soll der DNB-Auszug aus dem Artikel des „V.B.“ zur Antinazi-Ausstellung in Paris3 erscheinen. Eigene Kommentare sind hier kaum möglich, da im Wesentlichen die Argumente des „V.B.“-Artikels Verwendung finden sollen. Das Prop.-Min. weist auf die außerordentliche Bedeutung dieses Ablenkungs-Manövers durch die deutsche Presse hin und fordert alle Zeitungen auf, dem Wunsche der Regierung vorbehaltlos Rechnung zu tragen. Veröffentlicht in: NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit, Bd. 6/I, S. 158.
1 Ein Propagandist aus dem Kursker Gebiet, Ivan Filippovič Ivanov, hatte auf einem Seminar gesagt, dass der endgültige Sieg des Sozialismus nur im Weltmaßstab möglich sei, woraufhin er des Trotzkismus beschuldigt wurde. In einem Brief an Stalin bat er im Januar 1938 um Klärung der Frage. Stalin antwortete u.a.: „Man muss die internationalen proletarischen Beziehungen der Arbeiterklasse der UdSSR mit der Arbeiterklasse der bourgeoisen Länder verstärken und festigen. Man muss die politische Hilfe der Arbeiterklasse der bourgeoisen Länder für die Arbeiterklasse unseres Landes für den Fall eines Kriegsüberfalls auf unser Land organisieren, desgleichen wie man jegliche Hilfe der Arbeiterklasse unseres Landes für die Arbeiterklasse der bourgeoisen Länder organisieren muss; man muss allseitig unsere Rote Armee, Rote Flotte, Rote Luftflotte, Ossoaviachim verstärken und festigen. Man muss unser ganzes Volk im Zustand der Mobilisationsbereitschaft angesichts der Gefahr eines Kriegsüberfalls halten, damit uns keinerlei ‚Zufälligkeit‘ und keinerlei Kunststücke unserer äußeren Feinde überrumpeln können.“ In: „Pis’mo t. Ivanova i otvet t. Stalina“ (Brief des Gen. Ivanov und Antwort des Gen. Stalin). In: Pravda vom 14. Februar 1938, S. 3. Vgl. auch: Brief des Genossen Iwanow und die Antwort des Genossen Stalin, Moskau (Verlagsgesellschaft ausländischer Arbeiter) 1938. 2 Am 12.2.1938 hatte Hitler den österreichischen Bundeskanzler Schuschnigg auf dem Obersalzberg empfangen und ihn durch die Drohung eines deutschen Einmarsches zu verschiedenen Konzessionen gezwungen. 3 Vgl. „Ein Skandal in Paris“. In: Völkischer Beobachter vom 15. Februar 1938, S. 1. Die Ausstellung „Fünf Jahre Hitlerdeutschland“ wurde von deutschen Emigranten gestaltet.
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Nr. 221 Aufzeichnung von Unterredungen des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov Nr. 221 16. 2. 1938 16. 2. 1938 GEHEIM Expl. Nr. 1 Ausg. Nr. 431 Berlin, 16. Februar 1938 Tagebuch G. Astachovs 12.–15. Februar (Gesprächsübersicht) Mir wurde mitgeteilt, dass Schuschnigg auf Einladung Hitlers nach Berchtesgaden gereist sei2 (am nächsten Tag erschien die Meldung darüber in der Presse). Den Worten meines Gesprächspartners zufolge wird dies als ein Anzeichen dafür interpretiert, dass Hitler in der Österreich-Frage zu Zugeständnissen bereit ist und Schuschnigg eingeladen hat, um sich darüber konkret zu verständigen. Die Möglichkeit einer Kapitulation Schuschniggs vor Hitler wird ausgeschlossen. Die Gründe, die Hitler zu Zugeständnissen bewegen, sind in der Schwächung des internationalen Ansehens Deutschlands zu suchen, die als Folge der jüngsten Ereignisse eingetreten ist. Die Kampagne, die deswegen in der Auslandspresse entfacht wurde, erreichte, ungeachtet des Übermaßes an offensichtlich unglaubwürdigen Informationen (über Kämpfe zwischen der SS und der Reichswehr, über eine Erstürmung von Gebäuden in der Wilhelmstraße durch Fritsch, über die Ermordung Görings, über die Flucht von monarchistischen Offizieren zusammen mit dem Sarg Ludendorffs ins Ausland usw.), ihr Ziel in der Hinsicht, dass sie die Legende von der Einheit und Geschlossenheit des nationalsozialistischen Regimes zerstreut und die Existenz scharfer Gegensätze in den herrschenden Schichten bloßgelegt hat. Das Ansehen Hitlers sowohl im In- als auch im Ausland hat dadurch stark gelitten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dieser Umstand Hitler dazu veranlasst, zu Beschwichtigungsmanövern zu greifen, wie es auch die Vorladung Schuschniggs darstellt. Die Säuberung der Reichswehr läuft auf vollen Touren und hat ihre schwierigste Phase längst noch nicht erreicht. Der Widerstand der Reichswehr ist nicht gebrochen, und die Regierung muss hierbei noch mit Hindernissen rechnen. Fritsch befindet sich offenbar in Arrest, da niemand Zutritt zu seinem Haus hat und die Telefonverbindung zu ihm unterbrochen ist. Die deutschen offiziellen Stellen lehnen es ab, die Gerüchte über seinen Arrest zu dementieren (obgleich sie sie auch nicht bestätigen). Es wurde eine aus Gefolgsleuten Himmlers zusammengesetzte Sonderkommission gebildet, die durch Deutschland reist, das Offizierskorps überprüft und eine Liste der unzuverlässigen, für die Entlassung vorgesehenen Offiziere erstellt und zum Teil auch deren Entlassung vornimmt.
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Am 12.2.1938. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. I, Dok. 295, S. 423–424.
16. 2. 1938 Nr. 221 Um die Gerüchte zu unterbinden, die in der Auslandspresse in reichlichem Maße kursieren, hat das Propagandaministerium am 11. Februar ungefähr 100 in Berlin befindliche Auslandskorrespondenten eingeladen. Sie wurden von Ministerialdirektor Berndt (Leiter der Presseabteilung des Ministeriums) empfangen. Er begann sogleich damit, die Korrespondenten dafür zu tadeln, dass sie ihre Zeitungen nicht richtig informieren und falsche Informationen, die in ihren Zeitungen über Deutschland erscheinen, nicht widerrufen würden. Als Beispiele führte er einige offenkundig falsche Meldungen an. Darauf baten die Auslandskorrespondenten in ihrer Entgegnung darum, nicht nur die falschen Meldungen anzuführen, sondern auch die zutreffenden. Berndt schlug vor, ihm konkrete Fragen zu stellen, die er jedoch nicht zu beantworten vermochte, nachdem er auf die Frage bezüglich des Arrests von Fritsch antwortete, dass ihm dies unbekannt und überhaupt unwichtig sei. Die Korrespondenten quittierten diese Antwort mit Gelächter. Auch einige andere Fragen vermochte er weder mit ja noch mit nein zu beantworten. Durch die Sticheleien der Korrespondenten, an denen sich die Holländer aktiv beteiligten, zu einem Wutausbruch getrieben, erklärte er, dass es viele Dinge gäbe, die weder erschöpfend widerlegt noch bestätigt werden könnten und bei denen jeder behaupten könne, was er möchte. „Könnte man denn zum Beispiel die Behauptung (so sie denn erschiene) erschöpfend widerlegen, dass das von Prinzessin Juliane geborene Kind nicht von Prinz Bernhard, sondern von irgendeinem anderen stamme?“ Diese Bemerkung löste einen Sturm der Entrüstung aus. Die holländischen Korrespondenten erklärten, dass sie es entschieden ablehnen, in solch einem Ton zu sprechen. Der holländische Gesandte3 schickte eine entsprechende Mitteilung über diesen Auftritt an seine Regierung, von deren Seite eine offizielle Demarche erfolgen könnte. Insgesamt führte diese Veranstaltung zu völlig anderen als den vom Propagandaministerium erhofften Ergebnissen. Überhaupt ist die Regierung äußerst beunruhigt wegen des Ausmaßes, das die antideutsche Propaganda im Ausland im Zusammenhang mit den Geschehnissen angenommen hat. Hier ist man der Auffassung, dass ein Effekt der Vorgänge im Sturz der Regierung Goga4 zu sehen ist. In den anderen Balkanländern hat das Ansehen Deutschlands ebenfalls einen empfindlichen Rückschlag erlitten. Die Beamten, die die Auslandspresse verfolgen, fürchten sich geradezu davor, der Regierung zu den Details dieser Kampagne Bericht zu erstatten. Der neue Pressechef, Dietrich, zu dessen Pflichten es gehört, täglich telefonisch einen Bericht über die Auslandspresse nach Berchtesgaden durchzugeben, begann seinen Bericht mit den Worten, dass er sich nicht entschließen könne, dem Führer die Formulierungen wörtlich vorzutragen, die in Bezug auf Deutschland in der Auslandspresse verwendet würden. Hitler hält sich nach wie vor in Berchtesgaden auf und kehrt erst am 15. nach Berlin zurück (am Abend dieses Tages gibt er für die Missionschefs ein Essen). Seine Stimmung in den letzten Tagen ist scheußlich. Er schläft zwei bis drei Stunden am Tag und isst fast nichts. Außerdem plagt ihn ein Leberleiden. Es wird darüber
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Carel Ridder van Rappard. Am 10.2.1938 trat die rumänische Regierung unter Octavian Goga zurück.
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gesprochen, dass er nach dem Besuch in Italien5 einen längeren Urlaub (für einige Monate) antreten und auf einer Jacht auf Reisen gehen werde. Während seiner Abwesenheit werde Göring ihn vertreten, dem für diesen Fall der Rang eines Generalfeldmarschalls verliehen wurde. In der Nähe des Gebäudes der Reichskanzlei in Berlin werden in Richtung Voßstraße eilig neue Gebäude (anstelle der abgerissenen alten Häuser) errichtet, die als Kasernen für die Schwarzhemden dienen werden. Es wird vermutet, dass alle 4500 Elite-SS-Leute, die Hitlers persönliche Leibstandarte bilden, hier zusammen mit ihren Familien einquartiert werden. Für Junggesellen und Familienväter sind gesonderte Gebäude vorgesehen. Bis jetzt haben lediglich 200 SS-Leute in der Reichskanzlei Quartier bezogen. Die restlichen SSLeute sind auf verschiedene Kasernen aufgeteilt, und die Familienväter wohnen im Allgemeinen zuhause. 14. Februar. Ich bin mit meiner Frau und den Genossen Nikolaev, Smirnov und Gerasimov beim ersten Empfang des japanischen Botschafters Tōgō. Den Empfang richtet, der hiesigen Tradition zufolge, der neu angekommene Botschafter aus, dem in Anwesenheit des Protokollchefs des Auswärtigen Amtes6 alle Missionschefs ihre diplomatischen Mitarbeiter vorstellen. Die Ehefrau Tōgōs ist eine Deutsche und spricht mit ihrem Gatten deutsch. In den überfüllten Sälen der Botschaft ist es nicht möglich, ein normales Gespräch zu führen. Die Gespräche drehen sich um den Besuch Schuschniggs und um die von ihm zu erwartenden Ergebnisse. 15. Februar. Ich bin mit meiner Frau zum ersten Empfang Ribbentrops, der alle Missionschefs zum Kennenlernen eingeladen hatte. Eine offizielle Notifikation oder ein offizielles Schreiben anlässlich des Dienstantritts des neuen Ministers hatte niemand erhalten, stattdessen bekamen alle am 12. die Einladung zum Empfang. Der Direktor des Protokolls stellt Ribbentrop und seiner Frau7 die eintreffenden Missionschefs vor. Neurath ist nicht anwesend. Die Gespräche beschränken sich auf einige allgemeine Floskeln (bei einigen dauert es etwas länger). Danach begibt sich R[ibbentrop] mit dem britischen Botschafter8 in den abgetrennten Teil des Saales, wo er ca. 15. Minuten mit ihm spricht. Gegen 7.00 Uhr verabschieden sich alle, da das Essen bei Hitler bevorsteht. Zu den Gesprächen: der chinesische Botschafter9 fragt, ob mir etwas über die sowjetisch-chinesischen Verhandlungen in Moskau bekannt wäre.10 Er meint, dass es um die Lage an der Front für die Chinesen nicht schlecht stünde; von entscheidender Bedeutung werde sein, in welch einem Maße China mit Waffen versorgt sei. Davon würden in einem bedeutenden Maße die Stimmung und die Nervenstärke abhängen. Der Botschafter beabsichtigt, bei Ribbentrop um ein Gespräch nachzusuchen, von dem er sich eine ausführlichere Darlegung der Haltung Deutschlands zum 5 6 7 8 9 10
Der offizielle Besuch Hitlers in Italien fand vom 3. bis 9.5.1938 statt. Der kommissarische Leiter der Protokollabteilung des AA Erich Boltze. Anneliese von Ribbentrop. Nevile Henderson. Tianfang Cheng. Den zugänglichen Informationen zufolge hat es keine sowjetisch-chinesischen Verhandlungen in Moskau gegeben. Es gab Kontakte zwischen der chinesischen Führung und Moskau, die über den Bevollmächtigten Vertreter der UdSSR in China Luganec-Orel’skij erfolgten.
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16. 2. 1938 Nr. 221 fernöstlichen Konflikt zu bekommen erhofft.11 Er spricht von der Doppelgleisigkeit dieser Haltung: Industrielle und viele Militärs sowie die Professorenschaft Berlins fühlten mit China. Der Handel werde fortgesetzt und über Kanton und Hongkong abgewickelt. Der lettische Gesandte12, der soeben aus Lettland zurückgekehrt ist, sagt zu der „Abessinien“-Ausführung von Munters: Wie man ihm in Riga erklärt habe, sei dieser Toast lediglich ein Akt der Höflichkeit gewesen, und ihn als eine Anerkennung der Annexion zu interpretieren, habe kein einziger Jurist das Recht. Jedenfalls habe Lettland nicht die Absicht gehabt, Abessinien anzuerkennen. Dies ist zumindest die offizielle Version. 15. Februar. Ich bin mit meiner Frau zu dem um 8.30 Uhr von Hitler gegebenen Essen gegangen. Alle Missionschefs sind anwesend (nur die Griechen fehlen, die in Trauer sind13). Der rumänische Gesandte14 fehlt, da er dringend abreisen musste, dafür sind seine Frau und der Geschäftsträger mit seiner Frau anwesend. Von deutscher Seite sind neben Hitler die gesamte Führungsspitze (Heß, Göring mit Gattin15, Goebbels mit Gattin16, Funk, Ribbentrop, Neurath, Himmler, Rosenberg, Meissner, General Brauchitsch) und eine große Anzahl von sonstigen Beamten, Militärs usw. vertreten. Es mögen insgesamt ungefähr 190 Personen sein. Den Platz der Hausherrin nimmt die Frau Görings ein. Nach der Begrüßung durch Hitler, Göring und einem in der Nähe befindlichen Minister (ich hatte Glück, nicht auf eine der spezifischen Figuren in Gestalt von Rosenberg, Goebbels oder Himmler zu stoßen) begeben sich die Gäste in den allgemeinen, überfüllten Saal, von wo sie sich nach einigen Minuten in den Bankettsaal begeben, jeder in Begleitung der für ihn bestimmten Tischdame. Mein Platz ist zwischen von Mackensen auf der einen und Frau Stieve (der Gattin des Leiters der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes) auf der anderen Seite. Der Saal, in dem der Tisch in Form eines Hufeisens aufgebaut und eingedeckt ist, befindet sich in dem neu errichteten Gebäude, das aus dem alten Gebäude des Reichskanzlers umgebaut wurde, wobei dessen alte Außenfassade unberührt geblieben ist. Die Umbauten seien, wie man später sagt, nach dem von Hitler persönlich erstellten Architekturplan vorgenommen worden. Bei dem Gespräch mit Frau Stieve (eine gebürtige Schwedin) geht es um historische Themen (über Alexander I., über Friedrich Barbarossa, Karl den Großen usw.). Wir erörtern die Frage nach der Vereinbarkeit der Tätigkeit eines Historikers mit der eines aktiven Politikers usw. (Stieve hat ein Buch zur Geschichte Deutschlands im Lichte der neuesten Ideologie geschrieben.17) Von Mackensen wendet sich an mich und sagt, er wolle in solch einer feierlichen Atmosphäre eigentlich keine unangenehmen Themen ansprechen, da wir aber nun einmal nebeneinander säßen, könne er nicht zu der unerträglichen Lage des deutschen Konsulats in Kiev schweigen. Das Konsulat werde buchstäblich in allem 11 12 13 14 15 16 17
Gemeint ist der japanisch-chinesische Krieg, der am 7.7.1937 begann. Hugo Celminš. Am 8.2.1938 verstarb Prinz Nikolaus von Griechenland. Nicolae Petrescu-Comnen. Emmy Göring. Magda Goebbels. Friedrich Stieve: Abriß der deutschen Geschichte von 1792 bis 1937, Leipzig 1938.
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behindert. Es hätte keine Möglichkeit, Benzin für das Auto zu kaufen. Das Dienstpersonal werde systematisch verhaftet, die Visa für neues Personal über Monate zurückgehalten. Der Konsul müsse sich von Konserven ernähren. M[ackensen] wolle mich nicht mit Einzelheiten erdrücken, die man allerdings in einer schier endlosen Anzahl anführen könne. Die Ersuchen an das NKID führten zu nichts.18 M. erkenne keinen Sinn in der Fortsetzung einer derartigen Taktik. Wenn die sowjetische Regierung die Schließung des Konsulats durchsetzen wolle, so müsste dies direkt gesagt und die Konsulate in beiden Ländern geschlossen werden. Ich entgegne ihm, dass ich die Konsulatsfrage in Kiev nur in sehr groben Zügen kenne und annähme, dass das NKID alle notwendigen Umstände in Betracht ziehe. Ich füge dem hinzu, dass wir an der Aufrechterhaltung unserer Konsulate in Deutschland nicht sonderlich interessiert sind. Mackensen fügt hinzu, dass er persönlich es nicht für erforderlich hielte, sich in der Kiev-Angelegenheit weiter an das NKID zu wenden, weil, so sein Eindruck, die Taktik der örtlichen Behörden in Bezug auf das Konsulat sehr wohl berechneten, und nicht zufälligen Charakters sei, und das NKID sicherlich kaum deren Änderung durchsetzen könne. In Novosibirsk sei die Situation weniger angespannt, aber er meine, dass die Behörden, nachdem sie die Schließung des Konsulats in Kiev durchgesetzt haben, damit beginnen würden, die gleiche Taktik auch in Novosibirsk anzuwenden. Es wäre besser, wenn die sowjetische Regierung die Schließung der Konsulate direkt zur Sprache brächte.19 Ich gebe ihm erneut zu verstehen, dass uns die Gefahr einer beiderseitigen Schließung der Konsulate nicht sonderlich schreckt, und damit ist das Gespräch beendet. „Lassen wir diese Themen beiseite und sprechen wir über die Schönheit dieses Gebäudes“, wirft Mackensen sarkastisch ein. (Wie sich aus späteren Bemerkungen ergibt, erfolgte diese Tirade von M. unter dem frischen Eindruck seines Gesprächs mit Schulenburg20, der soeben in Berlin eingetroffen war.) Gegen Ende des Essens bemerke ich, wenn neben mir Aschmann säße, so könnte ich ihm nicht wenige unangenehme Dinge über die beleidigende Kampagne der deutschen Presse gegen die UdSSR anführen. „Ich lese sie generell nicht“, wirft Mackensen ein. „Man gibt mir lediglich einzelne Ausschnitte.“ Und sich an den ihm gegenüber sitzenden Prof. Schlegelberger wendend, fragt er um dessen Meinung, ob denn die deutsche Presse sich derart schlecht gegenüber der UdSSR verhalte, wie ich behaupten würde. Der Professor antwortet etwas verlegen: „O, nein … 18 19
Vgl. Dok. 180. In der Aufzeichnung von Mackensens vom 16.2.1938 heißt es dazu u.a.: „Ich habe dem Russischen Geschäftsträger, der gestern auf dem Führer-Diner mein Tischnachbar war, in aller Offenheit meine Meinung über das Verhalten der Russischen Regierung in der Konsulatsfrage klargelegt. Herr Astachoff wollte zunächst den völlig Unorientierten markieren, berührte dann aber selbst die ihm offenbar bekannte letzte Unterhaltung des Grafen Schulenburg mit Litwinow und war merkwürdigerweise auch darüber orientiert, dass die Schikanen sich zur Zeit noch auf Kiew beschränken, denn er kam selbst mit der Bemerkung heraus, dass ja in Nowosibirsk alles in Ordnung sei. Ich habe ihm auf die letztere Bemerkung erwidert, dass es wohl richtiger sei zu sagen ‚noch in Ordnung sei‘.“ In: PA AA, R 104371, Bl. E 019624. 20 Am 8.2. hatte von der Schulenburg im Gespräch mit Potemkin die Situation für das Konsulat in Kiev zur Sprache gebracht, die, von allem anderen abgesehen, zur Verhaftung von über 10 Mitarbeitern sowjetischer Staatsangehörigkeit geführt hatte. Vgl. Dok. 212.
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16. 2. 1938 Nr. 221 Es gibt vielleicht einzelne unseriöse Veröffentlichungen...“. „Nun, sprechen Sie mit Aschmann, er sitzt nicht unweit“, bemerkt M. Darauf erwidere ich, dass ich bezweifle, dass A[schmann] die Möglichkeit habe, in dieser Hinsicht auf die deutsche Presse einen starken Einfluss zu nehmen. Nichtsdestotrotz verschafft mir dieses Gespräch die Gelegenheit, nach dem Essen A. erneut an meine früheren Gespräche zu diesem Thema zu erinnern. Dabei bitte ich ihn, seine Aufmerksamkeit auf den korrekten Ton der sowjetischen Zeitungen gegenüber den führenden offiziellen Persönlichkeiten Deutschlands (unbeschadet einer prinzipiellen Kritik) zu richten, insbesondere im Zusammenhang mit den jüngsten Vorgängen, und bitte ihn, dies mit der unablässig beleidigenden Kampagne gegen die UdSSR, insbesondere im Zusammenhang mit dem Fall Butenko21, zu vergleichen. Aschmann verspricht wie gewöhnlich, die Aufmerksamkeit der entsprechenden Personen darauf zu lenken usw. Die Gespräche mit den Diplomaten-Kollegen kreisen um österreichische Themen. Nach dem Essen begeben sich alle in einen anderen Saal, wo sich die Deutschen (abgesehen von einigen zweitrangigen Außenamtsmitarbeitern) separieren und keine Gespräche mit den ausländischen Gästen führen. Auch Hitler steht eine gewisse Zeit abseits (während des Essens saß er neben der Gattin von FrançoisPoncet22 und dem Nuntius23 gegenüber). Danach treten der Reihe nach einzelne Diplomaten auf ihn zu, mit denen er allein nacheinander spricht. Etwas länger dauert dies bei François-Poncet. Dieser wird von Mastný abgelöst. Dieses Gespräch behagt Hitler offenbar gar nicht – er ist nervös, kaut auf den Lippen; der neben ihm stehende Meissner nimmt eine Haltung ein, die dem Tschechen bedeuten soll, das Gespräch umgehend zu beenden und den Platz für den nächsten Gast freizugeben. Es folgen der Bulgare24, der Holländer25, irgendeine Dame und bald darauf beginnt die Verabschiedung. Alle treten der Reihe nach heran und verabschieden sich mit Handschlag. Der Österreicher26 steht fast bis zum Schluss neben Hitler, offenbar rechnet er damit, nach der Verabschiedung der übrigen mit ihm ins Gespräch zu kommen. Aufmerksamkeit erregte der Japaner, der sich die ganze Zeit über bescheiden abseits hielt und solange einsam dastand, bis sich der Direktor der Politischen Abteilung Weizsäcker seiner annahm. Neben den österreichischen Themen sprach ich mit dem Bulgaren (Karadschov) über die rumänische Krise. Der Gesandte hält die Regierung Cristea für instabil und vorübergehend. Er verheimlicht nicht seine Genugtuung über die Verwicklungen zwischen uns und Rumänien. Als er über die sowjetisch-deutschen Beziehungen spricht, behauptet er, dass die Deutschen, so eigenartig dies auch klingen mag, unablässig an eine Verbesserung der Beziehungen zur UdSSR dächten, jedoch nicht wüssten, wie dies zu machen wäre. Ihre Verbissenheit gegenüber der UdSSR erklärt er damit, dass die Hitlerleute, die einige Maßnahmen durchführen, 21 Der Geschäftsträger der UdSSR in Rumänien Butenko erklärte sich im Februar 1938 zum Nichtrückkehrer und fand einige Tage später Asyl in Italien. 22 Jacqueline François-Poncet. 23 Cesare Orsenigo. 24 Detschko Karadschov. 25 Vgl. Anm. 3. 26 Stephan Tauschitz.
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die eine zumindest äußerliche Ähnlichkeit mit den unseren aufwiesen, mit ihrer verbissenen Kampagne den Gedanken einer solchen Ähnlichkeiten gar nicht erst aufkommen lassen wollten. Die Versuche, mit ihm zu polemisieren, führten zu nichts. G. Astachov P.S. Das rumänische Thema erneut aufgreifend äußerte er Zweifel, dass Codreanu an die Macht gelangen werde, da er mit dem König zerstritten sei. Goga sei für den König annehmbarer gewesen, aber auch er stürzte. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 574 vom 20.2.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. 7 Expl. an Gen. Litvinov, 1 [Exemplar] zu den Akten. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 56, l. 49–57. Original.
Nr. 222 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov und den Stellv. Volkskommissar Potemkin Nr. 222 16. 2. 1938 16. 2. 1938 GEHEIM Expl. 1 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Ausg. Nr. 411 Berlin, 16. Februar 1938 An den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Gen. LITVINOV Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Gen. POTEMKIN Es ist wohl kaum erforderlich, eine detaillierte Analyse der Ereignisse in Deutschland in den letzten 2-3 Wochen vorzunehmen. Diese fanden in unserer Presse eine ausführliche und im Allgemeinen richtige Einschätzung, sodass sich ihre Wiederholung erübrigt. Speziell für uns, die Bevollmächtigte Vertretung, sind sie unter anderem insofern interessant, als sie die Einschätzung der allgemeinen Perspektive, die sich bei uns auf der Grundlage der Gespräche mit einzelnen Gesprächspartnern bereits vor einigen Monaten ergeben hatte, bestätigt haben. Bereits im Oktober, als ich über einen Rücktritt von Schacht sprach, habe ich geschrieben, dass nach dem Wirt-
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16. 2. 1938 Nr. 222 schaftsministerium grundlegende Veränderungen in der Reichswehr2 und im Auswärtigen Amt zu erwarten wären, die in gewissem Sinne Fremdelemente im nationalsozialistischen Staatsapparat blieben. Der Umstand, dass sich diese Voraussage als richtig herausgestellt hat, zeigt, dass die Mehrheit der Gesprächspartner, mit denen man sich trifft, bei aller Unterschiedlichkeit ihrer Standpunkte dennoch im Prinzip verlässliches Material liefern, das es erlaubt, mehr oder weniger zutreffende Perspektiven zu skizzieren. Der Unterschied besteht lediglich im Detail und im Tempo der sich abzeichnenden Entwicklung. So erwies sich der Rücktritt Neuraths nicht nur für diejenigen als unerwartet, die ihn vorher allgemein vorausgesagt hatten (ich berichtete Ihnen über diese Gerüchte, wie es scheint, im November/ Dezember), sondern auch für ihn selbst (dafür kann man die Geschichte mit dem bei ihm angesetzten Empfang ins Feld führen, der im allerletzten Moment abgesagt worden ist). Als ich im Zusammenhang mit den Gerüchten über eine Verschwörung die Vermutung äußerte, dass nicht nur Veränderungen in der Reichswehr, sondern auch im Auswärtigen Amt eintreten würden, tat ich dies nicht auf der Grundlage der allerneuesten Informationen, sondern aufgrund früherer Überlegungen, die sich somit in vollem Umfang bestätigt haben. Der Rücktritt Neuraths bedeutet den Beginn der Hitlerisierung des Auswärtigen Amtes. Die Versuche Schulenburgs und anderer, den Rücktritt der drei Botschafter3 mit Gründen personeller Art zu erklären, erscheinen lächerlich. Allein die Tatsache, dass dieser Rücktritt gleichzeitig mit der Mitteilung vom 4. Februar verkündet und mit keinen Pillen versüßt wurde, spricht für sich. Die grundsätzliche Frage, die die Beobachter beschäftigt, besteht darin, wie die Vorgänge zu interpretieren sind – ob als Sieg der Nationalsozialistischen Partei über Kreise der (im Grunde genommen) monarchistischen Opposition oder als Kompromiss. Sowohl das eine als auch das andere ist offenbar richtig. Es siegte natürlich die Partei, d.h. logischerweise Hitler, jedoch erwies sich der Sieg nicht als vollständig, eher als unvollendet. Hitler gelang es nicht, einen Nachfolger für Blomberg zu finden, außer sich selbst.4 Er traute sich nicht, auch Beck zu entfernen. Dafür setzte in der Armee eine Säuberung ein, die bei weitem nicht glatt verläuft und neue Schwierigkeiten verspricht, die jedoch nicht als unüberwindbar anzusehen sind. Vom Auswärtigen Amt, das sich völlig in den Händen des zuverlässigen hitlerischen Emporkömmlings Ribbentrop befindet, ist ein noch geringerer Widerstand zu erwarten. Die Auswechselung der alten Amtsträger in der Reichswehr und im Auswärtigen Amt verheißt für uns an sich natürlich nichts Gutes. Die Verstärkung des Einflusses von Ribbentrop und Himmler gibt kaum Veranlassung für irgendwelche Illusionen. Als einzig tröstliche Tatsache kann man den Umstand ansehen, dass der Apparat, da die in Angriff genommene Umgestaltung mit einer Reihe von Fehlern und Schwierigkeiten einhergehen wird, in eine gewisse Verunsicherung gerät und das Ansehen Deutschlands im Ausland abnimmt. Wenn sich Hitler unter diesen Umständen entschließen sollte, die Aktivität nach außen zu verstärken, so ge-
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Das Wort ist in Deutsch mit kyrillischen Buchstaben geschrieben. Gemeint sind Herbert von Dirksen, Franz von Papen und Ulrich von Hassell. Nach dem Rücktritt Blombergs wurde das Amt des Kriegsministers abgeschafft. Das Oberkommando der Wehrmacht übernahm Hitler.
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schieht dies jedenfalls in einer für ihn weniger günstigen Situation. Es wäre jedoch unvorsichtig, die Wirkung dieser Schwierigkeiten überzubewerten. Auch die außenpolitischen Perspektiven haben sich als richtig erwiesen, über die ich, angefangen mit den Besuchen von Mussolini5 und von Halifax6, geschrieben habe. Dies betrifft die verstärkte Aktivität gegenüber Österreich. Die „Optimisten“ im diplomatischen Corps bemühen sich wie immer, beruhigende Anzeichen zu suchen; und mit der Frage, ob Hitler Schuschnigg besiegt hat oder einen Kompromiss eingegangen ist, versuchen sie, das Berchtesgadener Abkommen7 im letzteren Sinne zu interpretieren. Hierauf ist wie auch auf die Frage bezüglich des Umbaus des Apparates zu antworten, dass sowohl das eine als auch das andere zutrifft. Hitlers Erfolg steht außer Frage – er übergab den Apparat des Inneren und vor allem die Polizei in die Hände seines Günstlings. Schmidt, dem er bereits seit dem Frühjahr eine Pufferrolle zugeschrieben hatte, wird Auß[en]min[ister]. Die österreichischen Nazis erhalten Handlungsfreiheit und Amnestie. Dies ist eben jener kalte Putsch oder die Vorbereitung auf ihn, in den allen Informationen zufolge Mussolini (obgleich in Form eines weder ja, noch nein), Halifax und, wie es scheint, Stojadinović8 bei ihren Besuchen eingewilligt haben. Hitler wollte selbstverständlich mehr. Man sagt, dass er Schuschnigg überzeugt hätte, dem Antikomintern-Pakt beizutreten und aus dem Völkerbund auszutreten, wofür Hitler keine Zustimmung erhalten habe. Angeblich hätte er auch auf der Aufnahme von Personen ins Kabinett bestanden, an denen ihm besonders gelegen sei. Durch die Niederschlagung des Putsches verlangsamte sich das Tempo der Hitlerisierung Österreichs; die Verhandlungen mit Schuschnigg mussten zudem unter weniger günstigen Bedingungen, beeinflusst von den inneren Ereignissen und dem dadurch recht angeschlagenen Ansehen Deutschlands im Ausland, geführt werden. Dessen ungeachtet sind aber die erzielten Ergebnisse nicht anders zu interpretieren, als dass sie einen spürbaren Ruck in Richtung Hitlerisierung Österreichs bedeuten, so sehr sich auch die „Optimisten“ im diplomatischen Corps Illusionen hingeben wollen. Zurzeit sind die Umstrukturierung des Apparates und die Druckausübung auf Österreich noch nicht abgeschlossen, sodass es verfrüht wäre, über weitere Perspektiven Mutmaßungen anzustellen. Natürlich ist eine Verschärfung des Konfliktes der Hitleristen mit den Großindustriellen und Junkern vorauszusehen, die sich auf dem wirtschaftlichen Kampffeld als bedeutend hartnäckigere und gefährlichere Gegner als ihre Vertreter in der Armee und im Staatsapparat erweisen könnten. In diesem Kontext ist die künftige Rolle Görings von Interesse, der größere Chancen als die alten Generäle der Reichswehr hat, Speerspitze dieser Kräfte zu werden. Andererseits könnten sich auch die verschiedenen enfant terribles vom Schlage eines Streichers oder Rosenbergs (die sich im weiteren Verlauf Goebbels und Himmler anschließen) für Hitler als ziemlich beunruhigende und kompromittierende
5 Mussolini hielt sich vom 25. bis 29.9.1937 in Deutschland auf. Vgl. ADAP, Ser. C, Bd. VI, Dok. 557, 568; Ser. D, Bd. I, Dok. 1, 2, S. 256. 6 Lord Halifax war von Göring zur Eröffnung der Jagdausstellung im November 1937 in Berlin eingeladen worden. Am 19.11. fand auf dem Obersalzberg sein Gespräch mit Hitler statt. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. I, Dok. 31, Anl. Dok. 33. 7 Gemeint sind die Verhandlungen Hitlers mit dem Kanzler Österreichs Schuschnigg am 12.2.1938 auf dem Obersalzberg. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. I, Dok. 295, S. 423–424. 8 Vgl. Dok. 122, Anm. 11.
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16. 2. 1938 Nr. 223 Verbündete erweisen, die es zu beschwichtigen gilt. Aber das ist bereits eine Frage der Zukunft, über die es zurzeit nicht zu rätseln lohnt. Der Geschäftsträger der UdSSR in Deutschland G. Astachov Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 575 vom 20.2.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. 1 [Exemplar] an Gen. Litvinov, 2 – an Gen. Potemkin, 3 – zu den Akten. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 56, l. 58-61. Original. Veröffentlicht in: DVP, Bd. XXI, Dok. 46, S. 79–819.
Nr. 223 Aufzeichnung des Mitarbeiters des Ref IV/Osteuropa der Handelspolitischen Abteilung im AA Baron von Behr Nr. 223 16. 2. 1938 16. 2. 1938 9 Berlin, den 16. Februar 1938 Gegenwärtiger Stand der deutsch-russischen Wirtschaftsverhandlungen Das Ergebnis der Besprechung, die Min.Dir. Dr. Spitta am 15. d. M. mit dem neuen Leiter der Handelsvertretung der UdSSR Davidow und seinem Stellvertreter Smolenski hatte, ist in der beiliegenden Tagesmeldung1 des Min.Dir. Dr. Spitta an den Herrn Reichswirtschaftsminister2 zusammengefasst. Herr Spitta ist der Auffassung, dass die Russen aller Voraussicht nach den Wirtschafts-Vertrag für 1938 in der beiliegenden Fassung schon in den nächsten Tagen zu unterzeichnen bereit sein werden. Da der Abschluss des Wirtschaftsvertrages für 1938 unabhängig von einer Einigung über den neuen 200 Mill. Wechsel-Kredit erfolgen soll und die an dem Russland-Geschäft interessierte deutsche Ausfuhr-Industrie auf eine möglichst sofortige Klarstellung der Vertragslage für 1938 dringt, möchte Herr Spitta den beiliegenden Vertrags-Entwurf3 möglichst noch morgen, den 17., der Handelsvertretung zur Stellungnahme übermitteln. In der Besprechung am 15. d. M. haben die Russen erklärt, sie hätten nunmehr die Liste der Bestellungen an die deutsche Industrie mitgebracht, es handele sich um sehr große Bestellungen für Investierungen.4
9 Die Veröffentlichung in DVP erfolgte ohne Legende und nach eigenen Redaktionsrichtlinien. 1 2 3 4
Nicht in der Akte vorhanden Walther Funk. Nicht in der Akte vorhanden. Vgl. Dok. 224.
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Ich habe weisungsgemäß Herrn Spitta erklärt, dass ich Ihnen über die heutige Besprechung im Reichswirtschaftsministerium Vortrag halten müsse, und dass ich nicht mit Sicherheit sagen könne, ob ich schon morgen früh ihm die erbetene Stellungnahme des Auswärtigen Amts zur Frage der Übermittlung des Vertragsentwurfs an die Handelsvertretung bekannt geben könne. Hiermit Herrn Min.Dir. Wiehl gehorsamst vorgelegt. von Behr Handschriftliche Unterschrift. PA AA, R 106230, Bl. E 041330-041331.
Nr. 224 Schreiben des Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Davydov und des Stellv. Leiters Smolenskij an den Volkskommissar für Außenhandel Čvjalev Nr. 224 16. 2. 1938 16. 2. 1938 GANZ GEHEIM Expl. Nr. 1 Ausg. Nr. 87/ss1 Berlin, 16.2.38 An den Volkskommissar für Außenhandel *Gen. E.D. ČVJALEV*2 den Stellv[ertretenden] Volkskommissar für Außenhandel Kopie an: Gen. A.F. MEREKALOV Am 15. Februar d[ieses] J[ahres] besuchten wir Herrn Spitta im Wirtschaftsministerium. Auf unsere Frage, ob das dem Gen. Smolenskij früher unterbreitete Angebot über den 200-Millionen-Kredit3 in Kraft bleibe, antwortete Herr Spitta bejahend. Hierauf erklärten wir, dass wir bevollmächtigt seien, Verhandlungen zu führen und fragten ihn, in welcher Zusammensetzung und von wem deutscherseits diese Verhandlungen geführt würden, worauf Herr Spitta antwortete, dass dieselbe Delegation, die unter seinem Vorsitz die Verhandlungen zum Abschluss des Abkommens für 1938 geführt habe, auch über den 200-Millionen-Kredit verhandeln werde. Er fügte sogleich hinzu, dass, wenn die Frage der finanztechnischen Ausgestaltung angeschnitten werde, er sich das Recht vorbehalte, Bankenvertreter in die Delegation aufzunehmen. Ferner erklärten wir unsere Bereitschaft, ihr Angebot zu erörtern, wobei wir folgende Bedingungen stellten: 1 Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. 2 Der Name ist mit blauem Farbstift unterstrichen. 3 Vgl. Dok. 206.
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16. 2. 1938 Nr. 224 1. Ablehnung der vorfristigen Tilgung unserer Schulden aus dem ersten Kredit, 2. Kreditfrist von 7 Jahren, 3. Kreditkosten höchstens 4½% Zinsen p.a. Herr Spitta antwortete, dass bezüglich der Frist und der Kosten des Kredits seiner persönlichen Meinung nach Verhandlungen geführt werden könnten. Was jedoch unsere Ablehnung der vorfristigen Tilgung der Wechselverbindlichkeiten aus dem 200-Millionen-Kredit betreffe, so werde dies große Schwierigkeiten hervorrufen, da dieser Umstand eine wesentliche Voraussetzung für den Abschluss des neuen Kreditabkommens sei. Er fügte sogleich hinzu – genau wie beim ersten Mal, als er den Vorschlag über einen neuen Kredit machte, – *dass die deutsche Seite von einer Deckung dieses Kredits durch Lieferung unserer Waren im Laufe von 1 bis 1½ Jahren ausgehe und dass, wie er sagte, dieser Umstand sozusagen auch die grundlegende Voraussetzung für den Abschluss des Kreditabkommens sei*4. Wir führten alle Argumente für unsere Gegenvorschläge an und machten ihm außerdem deutlich, dass bei Vorliegen eines Handelsabkommens für das Jahr 1938 und eines neuen Kreditabkommens, dessen Bestandteil eine von beiden Seiten abgestimmte fixe Auflistung von Objekten sein würde, die Aussicht auf eine Steigerung des Warenumsatzes geschaffen werde, und dass daher seine Befürchtung, ein derartiges Kreditabkommen werde nicht als Anreiz für das Wachstum des Warenumsatzes in naher Zukunft dienen, unbegründet sei. *Im Ergebnis eines weiteren Meinungsaustauschs zu dieser Frage erklärte uns Herr Spitta, dass er seinem Minister5 Bericht erstatten werde, und sobald er eine Weisung erhalten habe, uns unverzüglich davon in Kenntnis setzen werde.*6 HANDELSVERTRETER DER UdSSR IN DEUTSCHLAND V.G. Davydov STELLV[ERTRETENDER] HANDELSVERTRETER DER UdSSR IN DEUTSCHLAND S.A. Smolenskij Vermerk E.D. Čvjalevs mit rotem Farbstift: an den Stellv[ertretenen] Vors[itzenden] des SNK Gen. Mikojan EČvjalev Vermerk A.F. Merekalovs mit braunem Farbstift: Gel[esen] AM[erekalov] Oben in der Mitte befindet sich der Stempel der Geheimgruppe der Geheimen Chiffrierabteilung des NKVT der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 3019/6 vom 21.2.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. 2 [Exemplare] an die Adr[essaten], 1 [Exemplar] zu den Akten. Auf Kopfbogen der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland geschrieben. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2763, l. 34–35. Original.
4 Der Text ist unterstrichen sowie am linken Seitenrand zweimal mit rotem Farbstift angestrichen und mit einem Ausrufezeichen versehen. 5 Walther Funk. 6 Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen.
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Nr. 225
18. 2. 1938
Nr. 225 Entwurf eines Schreibens des Leiters der Handelspolitischen Abteilung im AA Wiehl an das Geheime Staatspolizeiamt Nr. 225 18. 2. 1938 18. 2. 1938 Berlin, den 18. Februar 1938 An das Geh. Staatspolizeiamt – Abt. II – Auf die **dortigen**1 Schreiben vom 13. und 22. Jan. d. J. – Nr. 1792/36 – II A 3 – Betr.: Reichsverweisung der Sowjetrussen aus Deutschland Das AA ist zu einer Nachprüfung der mit nebenbezeichneten Schreiben übersandten Listen von Sowjetbürgern jüdischer Abstammung nicht in der Lage, da aus den Listen nicht hervorgeht, welchen Beruf bzw. welche Stellung die Genannten haben und da sie hier nicht bekannt sind. Es darf deshalb auf die in dem Schreiben des Herrn Reichsführer SS u. Chef d. Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern vom 5. Jan. d. J.2 für die Ausweisung jüdischer Sowjetbürger aufgestellten Grundsätze **sowie auf das Ausfertigungsschreiben vom 5. Februar d. Js. Pol I 320 g**3 verwiesen werden. Insbesondere ist unbedingt zu vermeiden, dass Angehörige der Sowjetbotschaft, der Sowjetkonsulate, der Handelsvertretung oder anderer sowjetischer politischer und wirtschaftlicher Organisationen, die in Deutschland zugelassen sind, ausgewiesen werden. Ebenso ist zu vermeiden, dass Sowjetbürger, die sich in amtlichem Auftrag hier aufhalten, z. B. die bei der Firma „Demag“ befindlichen Sowjet-Ingenieure, von der Ausweisungsaktion betroffen werden. Soweit es sich nicht um derartige Persönlichkeiten handelt, hat das AA gegen die dort geplanten Ausweisungen keine Bedenken. Die in der Liste vom 13. Jan. als Mitglieder der Handelsvertretung bezeichneten **Personen sind als solche**4 von der Ausweisungsaktion auszunehmen. Da die Zahl der in Berlin lebenden jüdischen Sowjetbürger über 300 beträgt und damit erheblich größer ist als hier ursprünglich erwartet wurde, bittet das AA, die Ausweisungsaktion in Berlin auf mehrere Monate verteilen zu wollen, damit **sie**5 nicht zu deutlich den Charakter einer Repressalie annimmt, und damit nicht den Sowjetbehörden ein Vorwand geliefert wird, gegen die in der Sowjetunion lebenden Reichsdeutschen noch rücksichtsloser vorzugehen als bisher. In der Anlage werden 3 Verbalnoten der Sowjetbotschaft vom 17. Jan., 28. Jan. und 8. Febr.6 abschriftlich zur gefälligen Kenntnis ergebenst übersandt. Das AA hat sich bisher darauf beschränkt, der Sowjetbotschaft den Eingang dieser Verbalnoten zu bestätigen. Wie aus den Verbalnoten hervorgeht, muss die Sowjetbotschaft vor der Erteilung von Einreisesichtvermerken an Sowjetbürger die Zustimmung der Sowjetregierung hierzu einholen. Die Erteilung von Sichtvermerken wird durch 1 2
Das Wort ist durchgestrichen; daneben: Pol V 2767. Vgl. Dok. 187. Die ursprüngliche Nummer Pol I 320 g ist handschriftlich korrigiert in: SVb 1/38 – 469-38 g. 3 Der Text ist am Seitenrand eingefügt. 4 Der Text ist korrigiert; ursprünglich: Personen (Keimach, Saminsky und Pewsner) sind aus den vorbezeichneten Gründen. 5 Der Text ist korrigiert; ursprünglich: die Aktion. 6 Die Verbalnoten sind in der Akte vorhanden.
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18. 2. 1938 Nr. 225 dieses Verfahren voraussichtlich sehr erheblich, wahrscheinlich um Monate, verzögert werden. Unter diesen Umständen dürfte die **vorgeschriebene Ausweisungsfrist von 10 Tagen in vielen Fällen**7 zu kurz sein. Andererseits ist anzunehmen, dass die Beschaffung der notwendigen Sichtvermerke von den Auszuweisenden schneller durchgeführt wird, wenn ihnen eine Inhaftnahme angedroht wird. Es dürfte sich deshalb empfehlen, **die Ausweisungsfrist auf 3 bis 4 Wochen zu bemessen**8. Sollte die Sowjetbotschaft sich endgültig weigern, den ausgewiesenen Sowjetbürgern Einreisesichtvermerke zu erteilen, so würde das AA unter Hinweis auf die hierin liegende Verletzung völkerrechtlicher Grundsätze durch die Deutsche Botschaft in Moskau beim sowjetischen Außenkommissariat Vorstellungen erheben lassen. Was die in **den drei Verbalnoten erwähnten einzelnen**9 Fälle anlangt, darf das AA dem Geheimen Staatspolizeiamt eine Entscheidung darüber anheimstellen. Es wird ergebenst gebeten, das AA von der dortseits getroffenen Entscheidung in Kenntnis setzen zu wollen. *Endlich darf noch erwähnt werden, dass die hiesige Sowjetbotschaft, wie bereits telefonisch Herrn Kriminalkommissar Schröder mitgeteilt wurde, mündlich in dringlicher Form gebeten hat, den Ausweisungsbefehl gegen Frau Pauline Dawidowa in Oberschreiberhau, Villa Annemarie, rückgängig zu machen, da die Genannte seit vier Jahren krank zu Bett*10 liege. Das AA wäre dankbar, wenn in diesem Falle dem Ersuchen der Sowjetbotschaft stattgegeben würde, falls die von ihr gemachten Angaben zutreffen. I. A. gez. Schliep Auf erstem Blatt oben: Pol V 380, 458, 675, 800, 1108. Am Seitenrand: Ref.: L.S. Frhr v. Welck, Bzfg.: Je 1 Dop. der Eingänge Pol V 458, 800, 1108. Stempel abgesandt am 22.Feb. und Wiedervorgelegt am 4/4. PA AA, R 104402, o. P., 4 Bl.
7 Der Text ist korrigiert; ursprünglich: in Aussicht genommene Ausweisungsfrist von 10 Tagen in der Mehrzahl der Fälle. 8 Der Text ist korrigiert; ursprünglich: eine Ausweisungsfrist von 3 bis 4 Wochen zu stellen. Der Satz ist außerdem am Seitenrand angestrichen 9 Der Text ist korrigiert; ursprünglich: drei beigefügten Verbalnoten erwähnten. Daneben stehen nicht entzifferte Namen und Aktenzeichen. 10 Der Text ist am Seitenrand angestrichen. Daneben steht die Nummer: Pol V 2570/38.
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Nr. 226
21. 2. 1938
Nr. 226 Aufzeichnung des Leiters der Handelspolitischen Abteilung im AA Wiehl Nr. 226 21. 2. 1938 21. 2. 1938 Berlin, den 21. Februar 1938 Aufzeichnung über die deutsch-russischen Wirtschaftsverhandlungen I. Die vertragliche Grundlage des Handelsverkehrs mit der Sowjet-Union bildet das deutsch-russische Wirtschaftsabkommen vom 12. Oktober 1925. Neben dem normalen Warenaustausch wurde die deutsche Ausfuhr nach Russland von Anfang an dadurch gefördert, dass durch verschiedene aufeinanderfolgende Kreditaktionen der russischen Handelsvertretung in Berlin Kredite eingeräumt wurden zur Finanzierung zusätzlicher Bestellungen in Deutschland, wofür die Handelsvertretung Wechsel zu begeben hatte, die auf Reichsmark lauteten. Das letzte derartige Abkommen, die „4. Kreditaktion Sondergeschäft 1935“ wurde am 4. April 1935 abgeschlossen. Es eröffnete den Russen bis zum *30. Juni 1937* einen Wechselkredit von *200 Mill. RM*, der im Laufe der Jahre *1940-43* zurückzuzahlen ist. Dieser Kredit ist in Höhe von *183 Mill.*1 RM in Anspruch genommen worden. Die vorhergegangenen Kreditaktionen sind abgewickelt bis auf 5 Mill. RM, die im Laufe des Jahres 1938 zurückzuzahlen sind. Der normale und der durch die Kreditaktionen geförderte Handel mit Russland führte zu einem regen Warenaustausch, der seinen Höhepunkt im Jahre 1931 erreichte (Ausfuhr nach Russland 762 Mill., Einfuhr aus Russland 550 Mill. RM), seither zwar ständig sank, aber *1937 immer noch 117 Mill. RM Ausfuhr nach Russland und 65 Mill. RM Einfuhr aus Russland*2 betrug. Die Einfuhr aus Russland bestand dabei immer größtenteils aus devisengleichen Rohstoffen, noch 1937 betrug der Rohstoffanteil 95%. Ihren Wechselverbindlichkeiten sind die Russen stets pünktlich nachgekommen. Zu diesen Abmachungen traten nach Einführung der deutschen Devisenkontrolle kurzfristige Wirtschaftsverträge *(Verrechnungsabkommen) zur Regelung des deutsch-sowjetischen Waren- und Zahlungsverkehrs*3. Erstmals ist ein solches Abkommen für 1937 abgeschlossen worden, das im Dezember 1936 für das Jahr 1937 verlängert wurde. Dabei wurde u. a. vereinbart, dass die im Jahre 1937 fälligen Wechselverbindungen der Russen von ungefähr 27 Mill. RM durch die Erlöse aus dem Verkauf für uns besonders wichtiger Rohstoffe (Manganerze, Holz, Flachs usw.) bezahlt werden sollten. II. Der Wirtschaftsvertrag für 1937 konnte für 1938 nicht rechtzeitig erneuert werden, weil die Russen zunächst weder in Berlin noch in Moskau bevollmächtigte Vertreter für Verhandlungen zu stellen in der Lage waren. Die Lieferungen und Bestellungen aus Russland sind deshalb seit Ende 1937 in einer auch für die deutsche Wirtschaft nachteiligen Weise ins Stocken gekommen. Erst am 5. Januar 1938 erklärte sich die hiesige russische Handelsvertretung zu Verhandlungen bereit und 1 2 3
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Die vier Zahlenstellen sind unterstrichen. Der Text ist unterstrichen. Der text ist unterstrichen.
21. 2. 1938 Nr. 226 bevollmächtigt. Für uns kommt es angesichts unserer Rohstoff- und Devisenlage bei diesen Verhandlungen darauf an, die Rohstoffbezüge aus Russland ohne Aufwendung von Devisen aufrecht zu erhalten und nach Möglichkeit zu steigern. *Die Russen ihrerseits sind zu weiteren Lieferungen an uns nur insoweit bereit, als dies zur Abdeckung ihrer Kapitalverpflichtungen und zum Ausgleich ihrer Warenbezüge aus Deutschland erforderlich ist.*4 Unter diesen Umständen erklärten wir uns bereit, zur Abdeckung der 1938 fällig werdenden Wechsel, wie schon 1937, Waren anzunehmen, jedoch mit dem Vorbehalt, dass dies nicht als Präzedenzfall für die Einlösung der späteren Wechselfälligkeiten angesehen werden dürfe. Da es sich bei den 1938 fällig werdenden Wechseln nur um den verhältnismäßig geringen Betrag von 5 Mill. RM handelt, schlugen wir den Russen vor, die Abdeckung von 183 Mill. RM Wechselverbindlichkeiten aus der „4. Kreditaktion“ nicht erst 19401943, sondern schon 1938-1939 vorzunehmen, und zwar ebenfalls mit Waren unserer Wahl. Um den Russen dies schmackhaft zu machen, boten wir ihnen – nachdem dazu die Genehmigung des Herrn Gf. Göring eingeholt worden war – einen neuen Wechselkredit von 200 Mill. RM für zusätzliche (d. h. über die normalen unter dem zu erneuernden Verrechnungsabkommen zu beziehenden **hinausgehende**5) Bezüge aus Deutschland an. Wenn die Russen auf diesen Vorschlag eingehen, würden wir 1938 von ihnen an Waren, und zwar hauptsächlich an devisengleichen Rohstoffen erhalten a) für etwa 80 Mill. RM normale Einfuhr unter dem Verrechnungsabkommen, b) für 5 Mill. RM zur Abdeckung der 1938 fällig werdenden Wechsel, c) für den größeren Teil der 183 Mill. RM Wechsel aus der „4. Kreditaktion“. Nach dem gegenwärtigen Stand der Verhandlungen besteht Aussicht, bald zu einer Einigung zu gelangen über die Punkte a) und b), d. h. Erneuerung des Verrechnungsabkommens und Abdeckung der 5 Mill. RM Wechsel. Entsprechende Vertragsentwürfe wurden den Russen am 18. Februar von uns übergeben. Dagegen ist es zweifelhaft, ob eine Einigung über den Punkt c) erreicht werden kann. Die Russen haben sich zwar bereit erklärt, einen weiteren Kredit von 200 Mill. RM oder mehr entgegenzunehmen, *aber die vorzeitige Abdeckung des 183 Mill. RM Kredits abgelehnt*6, eine Lösung, die natürlich für uns nicht in Frage kommt. Die Verhandlungen gehen weiter. III. Auf Wunsch von Pg. Alfred Heß fand vor etwa 14 Tagen eine Besprechung über den Stand der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen und der Verhandlungen statt, an der auch Min.Dir. von Jagwitz und der Leiter des Außenhandelsamts der AO., Pg. Bisse, teilnahmen. Dabei wurden zunächst Zweifel daran geäußert, ob es bei der politischen Spannung mit Russland und im Hinblick auf mögliche Verwicklungen tatsächlich ratsam sei, den Russen einen weiteren Kredit einzuräumen. Nach Darlegung der Sachlage wurde jedoch die bei den Verhandlungen verfolgte Linie von allen Teilnehmern der Besprechung gebilligt. Im Rahmen der erwähnten Gedankengänge wurde auch die Frage einer Veräußerung der bei den deutschen Banken liegenden Russenwechsel an ausländischen Plätzen aufge4 5 6
Der Text ist am Seitenrand angestrichen. Das Wort ist hinzugefügt. Der Text ist unterstrichen.
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Nr. 227
21. 2. 1938
worfen. Eine solche Veräußerung wäre nach Auffassung des AA nicht zweckmäßig, da sie einmal einen definitiven Strich unter das von Deutschland immer noch vorteilhafte Russengeschäft bedeuten würde, und da außerdem die Wechsel an ausländischen Plätzen nur mit einem solchen *Disagio*7 verkauft werden könnten, dass die Transaktion, auch devisenmäßig gesehen, unvorteilhaft wäre. Über Herrn Staatssekretär8 dem Reichsminister9 vorgelegt. W[iehl] Auf erstem Blatt am Seitenrand: Pol V Sch[liep] 28/II. PA AA, R 104380, Bl. 213814-213817. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. I, Dok. 619, S. 741–742.
Nr. 227 21. 2. 1938 21. 2. 1938 Nr. 227 Schreiben des Dirigenten der Politischen Abteilung im AA von Bismarck an das Reichsfinanzministerium Berlin, den 21. Februar 1938 An das Reichs- und Preußische Finanzministerium Pol. V 7700/37 Ang. III 7
8
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Unter Bezugnahme auf das diesseitige Schreiben vom 30. Nov. v. J. – Pol. V 7700 –1 Ein Vertreter der hiesigen Sowjetbotschaft ist mündlich auf die mit nebenbezeichnetem Schreiben übersandte Verbalnote vom 23. November d. J.2 zurückgekommen und hat gleichzeitig behauptet, dass sowjetrussische Beamte, Ingenieure usw. auf der Durchreise durch Deutschland an den deutschen Grenzen nach wie vor einer außergewöhnlich strengen Kontrolle unterzogen würden, wobei häufig genaue Durchsuchungen der Koffer und Leibesvisitationen erfolgten. Die Kontrolle werde nicht immer unter Einhaltung höflicher Formen, sondern oft in ungebührlicher Weise vorgenommen. Die Sowjetbotschaft sei von ihrer Regierung beauftragt worden, die Aufmerksamkeit des Auswärtigen Amts auf diese Frage zu lenken und es zu bitten, Maßnahmen zu treffen, um diesen Beschwerden abzuhelfen. Anderenfalls werde sich die Sowjetregierung gezwungen sehen, für die Durchreise von 7 8 9 1 2
Das Wort ist unterstrichen. Hans Georg von Mackensen. Joachim von Ribbentrop.
In der Akte nicht vorhanden. Die sowjetische Verbalnote ist in der Akte nicht vorhanden. Das AA antwortete am 2.3.1938 auf die Note mit einer Verbalnote. Darin hieß es u.a.: „Die angestellten Ermittlungen haben ergeben, dass in der Zeit, in der die körperliche Durchsuchung der Sowjetingenieure Rwatsch, Golubeff und Wache stattgefunden hat, aus besonderem Anlass eine verschärfte grenzpolitische Prüfung gegenüber Reisenden aller Länder angeordnet war. […] Dass es sich um Sojwetbeamte gehandelt hat, war, soweit den Zollbeamten erinnerlich, aus den Pässen nicht zu ersehen. Hiernach war die Durchführung der körperlichen Untersuchung nicht zu beanstanden.“ In: PA AA, Moskau 213, Bl. 429364-429365.
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24. 2. 1938 Nr. 228 Sowjet-Staatsangehörigen neue Wege zu suchen, was die Aufhebung der Transitreisen durch die Sowjetunion für Reichsdeutsche zur Folge haben würde. Der Vertreter der Sowjetbotschaft wurde ersucht, konkrete Fälle zur Begründung seiner Beschwerde namhaft zu machen, was er in Aussicht stellte. Das Auswärtige Amt wäre dankbar, wenn ihm auf sein Schreiben vom 30. November bald eine Antwort erteilt werden würde. Wenn auch die von der Sowjetbotschaft ausgesprochene Drohung, Transitreisen deutscher Reichsangehöriger durch die Sowjetunion nicht mehr zuzulassen, vorläufig nicht sehr ernst gemeint sein dürfte, so darf doch nochmals darauf hingewiesen werden, dass erfahrungsgemäß alle Schwierigkeiten, die durch die deutschen Behörden den Sowjetbürgern bereitet werden, in verschärftem Maße von den Sowjetbehörden deutschen Reichsangehörigen gegenüber vergolten werden. Da Deutschland an dem Transitverkehr nach dem fernen Osten und nach Iran nach wie vor ein starkes Interesse hat, wird nochmals dringend gebeten, zu veranlassen, dass Sowjetbürger bei der Durchreise durch Deutschland *genauso entgegenkommend* behandelt werden wie die Staatsangehörigen anderer Länder. Im Auftrag gez. v. Bismarck Auf erstem Blatt oben: Durchdruck. Auswärtiges Amt. Unten: A 339/38. PA AA, Moskau 213, Bl. 429362-429363.
Nr. 228 Aufzeichnung des Stellv. Leiters der Personal- und Verwaltungsabteilung im AA Dienstmann Nr. 228 24. 2. 1938 24. 2. 1938 Berlin, den 24. Februar 1938 Mit den „Kurierreisen“ hat General Köstring die einmal im Monat stattfindende Kurierverbindung Berlin – Tokio und Tokio – Berlin im Auge gehabt1, an der das Kriegsministerium besonders interessiert ist, weil es den ständigen Kurierbegleiter stellt. Im Laufe des letzten Jahres waren von verschiedenen Stellen hinsichtlich der Sicherheit dieser Kuriere auf dem 12tägigen Weg über Sibirien Bedenken geäußert worden (nicht zuletzt auch deswegen, weil einzelne Kurierbegleiter trotz strenger Verwarnung unterwegs Aufzeichnungen und Niederschriften ihrer Beobachtungen gemacht und diese offen bei sich getragen hatten). Es war daher beabsichtigt, die Post künftig auf dem Flugwege über Bagdad nach Singapore und von da mit dem Schiff weiterzuleiten. Dieser Plan ist aber an der Kostenfrage gescheitert, da die Beförderung auf der Fluglinie erheblich teurer ist. Es ist daher bis auf weiteres nicht beabsichtigt, an der Einrichtung der Kurierverbindung über Sibirien etwas zu ändern. Die Botschaft Moskau hat berichtlich dahin Stellung genommen, 1 Dienstmann bezieht sich auf eine Aufzeichnung von Mackensens, in der dieser ein Gespräch mit Köstring wiedergibt. Köstring hat sich Mackensen gegenüber gegen die Einschränkung von Kurierreisen ausgesprochen. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. I, Dok. 620, S. 743.
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dass sie zurzeit keine Bedenken habe, den Kurierdienst beizubehalten; sollte sich die Lage ändern, so wollen sie rechtzeitig warnen. Hiermit über Herrn Ministerialdirektor Prüfer dem Herrn Staatssekretär2 gehorsamst vorgelegt. Dienstmann Eigenhändige Unterschrift. Paraphen von Prüfer und Mackensen. PA AA, R 29859, Bl. 472191. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. I, Dok. 621, S. 743.
Nr. 229 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov und den Stellv. Volkskommissar Potemkin 2 Nr. 229 26. 2. 1938 26. 2. 1938 GEHEIM Expl. 1 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Ausg.-Nr. 461 Berlin, 26. Februar 1938 An den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Gen. LITVINOV Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Gen. POTEMKIN Sie kennen die Rede Hitlers2, sie eingehend zu kommentieren ist nicht nötig: Sie spricht für sich selbst. Ihr gesamter außenpolitischer Teil ist genau in dem Geiste abgefasst worden, der in der Auswechslung Neuraths durch Ribbentrop besonders deutlichen Ausdruck gefunden hat. Das Bestreben, das Hauptaugenmerk auf die Politik der Dreier-„Achse“ zu legen, die Beseitigung von Elementen der Doppelgleisigkeit im Fernen Osten, die völlig eindeutige Haltung in Spanien, die Präzisierung der antisowjetischen Linie usw. – mit einem Wort, all jene Momente, zu denen es früher in Regierungskreisen irgendwelche Meinungsverschiedenheiten gegeben hat, wobei der Reichswehrführung sowie Schacht und Neurath eine gemäßigte Haltung zugeschrieben wurde – sie alle sind nunmehr völlig im Geiste der sogenannten radikalen Linie entschieden worden. Und wenn in den ersten Tagen nach dem 4. Februar bei den Berliner Optimisten, zu denen ex officio3 die Mehrheit der hiesigen Missionschefs gehört, eine zarte Hoffnung bestanden haben sollte, dass Hitler unter dem Ein2
Hans Georg von Mackensen.
1 2 3
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Am 20.2.1938. Vgl. Dok. 217, Anm. 46. Der Ausdruck ist in kyrillischen Buchstaben geschrieben.
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26. 2. 1938 Nr. 229 fluss der inneren Schwierigkeiten für eine gewisse Zeit seinen außenpolitischen Eifer zügelt, so ist jetzt diesen Hoffnungen ein empfindlicher Schlag versetzt worden. Aufgrund der Gespräche, die ich in diesen Tagen hatte (Franzosen, Tschechen, Amerikaner), kann man die Schlussfolgerung ziehen, dass der frühere „Optimismus“ in bedeutendem Maße verflogen ist. Alle stimmen überein, dass Hitler zumindest gegenüber Österreich schnell und entschlossen handeln wird. Was Österreich betrifft, so hegt niemand Illusionen, und es wird als verloren angesehen. Ich werde Sie nicht mit einer Liste von Gerüchten bedrängen, die diesen Standpunkt erhärten (der Besuch von Seyß-Inquart4 ohne Abstimmung mit Schuschnigg und sogar ohne dessen vorherige Benachrichtigung, die Abkommandierung einer großen Anzahl von Himmlers Leuten nach Wien „zur Unterstützung“ der österreichischen Polizei, die Entsendung von über 10.000 militärisch ausgebildeten Hitlerleuten nach Österreich, angeblich zwecks Reevakuierung ehemaliger Emigranten usw.). Man berichtet über die verächtliche und arrogante Manier, in der Ribbentrop die Demarchen von François-Poncet und Henderson zurückgewiesen hat: ersterem sagte er, dass Deutschland für die vergangenen und eventuellen Ereignisse in Österreich in dem gleichen Maße verantwortlich ist wie für Ereignisse in einem beliebigen Land, z.B. im Iran; dem zweiten sagte er, dass die deutsch-österreichischen Beziehungen eine Familienangelegenheit des deutschen Volkes wären, die Außenstehende nichts anginge. Ich habe diese letzten Gerüchte nicht auf ihre Authentizität überprüft, aber allein die Tatsache, dass es sie gibt, ist höchst aufschlussreich. Das eisige Schweigen, mit dem die deutsche Presse die jüngste Rede Schuschniggs5 bedachte, obgleich ihre Übertragung im Rundfunk zugelassen wurde, der Lärm, der wegen der „Tätigkeit der Komintern“ und wegen der von ihr vorbereiteten Ereignisse in Wien geschlagen worden ist – all diese Symptome sprechen dafür, dass Hitler nicht beabsichtigt, die Erfüllung seines heißersehnten Traums von der Einverleibung Österreichs, garniert mit einer beliebigen Soße, zu verzögern. Was die weitere Entwicklung betrifft, so überwiegt die Auffassung, dass nach Österreich die Tschechoslowakei das nächste Objekt der Aktivität sein wird. Die hiesigen Tschechen, die anfangs noch frohen Mutes waren, verbergen jetzt nicht ihre Nervosität: Mastný verkehrt verstärkt mit den ortsansässigen Henlein-Leuten, veranstaltet einen Empfang für sie und kündigt seine Teilnahme an ihren Aktionen zugunsten der Winterhilfe6 an, Prag überträgt die Rede Hitlers; Bemühungen, im Grenzstreifen einige Grundstücke von Reichsangehörigen für Befestigungsanlagen zu erwerben, stößt auf eine schroffe Einmischung Berlins, und Prag gibt nach. Ein Rat der Mission, der mir dies mitteilte, berichtete mit trauriger Ironie über sein Gespräch mit einem der Beamten des Auswärtigen Amts, der daran erinnerte, dass das hiesige Gebäude der Tschechoslowakischen Mission im Zuge der Rekonstruktion Berlins zum Abriss bestimmt ist. Darauf antwortete der Rat: „Oh ja, natürlich. Denn dieses Gebäude gehört leider nur dem tschechoslowakischen Minister und befindet sich in Berlin. Wenn es aber dem deutschen Bürger Müller gehören und sich im Grenzstreifen der Tschechoslowakei befinden würde, so würde die deutsche Regierung den Abriss nicht zulassen.“ Diese kraftlose Replik charakterisiert 4 Seyß-Inquart hielt sich am 17./18.2.in Berlin auf, wo er mit Hitler, Ribbentrop, Heß und Himmler zusammentraf. 5 Am 24. Februar 1938. 6 Das Wort ist in Deutsch mit kyrillischen Buchstaben geschrieben.
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am besten die Rat- und Mutlosigkeit der hiesigen tschechoslowakischen Diplomaten, die im Zuge vertraulicher Offenheit ihre Nachgiebigkeit mit dem Bestreben rechtfertigen, Frankreich und England „zu erschrecken“ und deren Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Was die Methoden der Hitlerisierung der Tschechoslowakei betrifft, so üben sich die hiesigen Journalisten sarkastisch in der Vorhersage (vorerst im Sinne eines Paradoxons), dass Henlein als Vertreter der Bevölkerung von drei Millionen Menschen, die Hitler formell unter seine Schirmherrschaft gestellt hat, in die tschechische Regierung eintreten wird…. Derartige „Vorhersagen“ tragen sicherlich noch nicht den Charakter einer seriösen politischen Prognose, sondern sie werden als eine Art Selbstgeißelung angestellt. Aber, so meinen diese Leute, hätte etwa irgendjemand vor einem Jahr erwartet, dass Schuschnigg seine Zustimmung dazu geben würde, dem Günstling Hitlers7 das Innenministerium und die Polizei anzuvertrauen? Wie dem auch sei, jedenfalls wurde Hitlers Formel vom Protektorat über die Auslandsdeutschen, in völliger Übereinstimmung mit den Vorhersagen zu diesem Thema (ich habe darüber noch im Dezember aufgrund meines Gesprächs mit Dodd8 berichtet) von den Tribünen des Reichstags verkündet. Es ist schwerlich anzunehmen, dass Hitler sie ohne die Absicht verkündet hat, sie im Bedarfsfall durch die Tat zu bekräftigen. Weniger eindeutig ist es um die deutschen Minderheiten in Polen und Litauen bestellt. Polen wurde einerseits in der Rede Hitlers mit bewusster Freundlichkeit gewürdigt. Diese Liebenswürdigkeit bezog sich nur auf die Danzig-Frage und war mit dem ziemlich plumpen Hinweis gewürzt, dass damals „an der Spitze Polens ein Marschall gestanden hat, dank dem...“9 usw. Dies muss in den Ohren der jetzigen Herrscher Polens, die zu erwähnen Hitler nicht für nötig erachtete, wie eine ziemliche Dissonanz geklungen haben. Die Presse bringt fast täglich lamentacii10 über allerlei Bedrängungen der deutschen Minderheit in Polen, auf die sich im Prinzip die Formel des Führers erstreckt. Recht dumpf äußerte sich FrançoisPoncet mir gegenüber hinsichtlich der Ernsthaftigkeit der Gespräche, die Beck in Berlin geführt hat11 und eventuell mit Göring während der Jagd führen wird. Wenn aber hinsichtlich Polens vorerst keine unmittelbar bevorstehende Aggression von Seiten Deutschland zu erwarten ist, so befindet sich Litauen in einer weitaus schlechteren Lage. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass die Gespräche Görings genau in diese Richtung (Danzig, Memel) gehen werden. Bei aller Schärfe der Formulierungen Hitlers in Bezug auf die 10 Mio. „Auslandsdeutschen“ (d.h. im Prinzip bezieht sich das auf Österreich und die Tschechoslowakei) liegt darin nichts Unerwartetes. Die Gespräche Hitlers mit Mussolini12, Halifax13 und Stojadinović14 drehten sich unablässig um diese Fragen, und die Ge7 8 9
Arthur Seyß-Inquart. Am 13.12.1937. Hitler hatte wörtlich gesagt: „Ich weiß ganz genau, daß dies in erster Linie dem Umstand zu verdanken war, dass sich damals in Warschau kein westlicher Parlamentarismus, sondern ein polnischer Marschall befand...“. In: Domarus, Hitler. Reden und Proklamationen, Bd. I/2, S. 802. 10 Das Wort ist in kyrillischen Buchstaben geschrieben. 11 Am 13./14.1.1938. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. V, Dok. 28 bis 30. 12 Vgl. Dok. 122, Anm. 2. 13 Vgl. Dok. 222, Anm. 6. 14 Vgl. Dok. 122, Anm. 11.
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26. 2. 1938 Nr. 229 spräche um eine Aktivierung der Politik Berlins in dieser Richtung (sowie in Bezug auf die Kolonien) sind seit Anfang September des vergangenen Jahres (der Besuch Mussolinis) nicht mehr verstummt. Jedoch ist anzumerken, dass die Vorgänge in England – der Rücktritt Edens15, von dessen Unvermeidbarkeit Hitler, wie man hier sagt, vor seiner Rede erfahren hat, auf den Führer in dem Sinne gewirkt haben, dass er angeblich entschieden hätte, einige besonders zugespitzte Formulierungen abzuschwächen, indem er z.B. den Absatz über die kategorische Nichtanerkennung des Artikels des Versailler Vertrages wegließ, in dem davon die Rede ist, Deutschland seine Kolonien zu entziehen.16 Da Halifax sich ja in seinem Gespräch mit Hitler gegen eine solche einseitige Annullierung ausgesprochen hatte (darüber habe ich Sie, wie mir scheint, in meinem Bericht über das Gespräch mit dem Türken informiert), wollte der Führer jetzt nicht die Lage seines britischen Partners erschweren, indem er besonders weit über den Rahmen der damaligen Abmachung hinausgegangen wäre. Doch haben andererseits der „Erfolg“ in England, ergänzt um die Rede Chamberlains17 und die optimistischsten Erwartungen Berlins übertreffend die Hitlerleute trunken gemacht und sie zu einer noch intensiveren Vorbereitung von Aktivitäten ermuntert mit dem Ziel, schnellstmöglich die günstige internationale Konjunktur auszunutzen. Das Gerücht über eine bevorstehende Verlängerung der Militärdienstzeit von zwei auf zweieinhalb oder sogar auf drei Jahre hat sich bis jetzt nicht bestätigt, es ist aber recht typisch. Falls es sich als wahr herausstellen sollte, so würde die „Friedens“stärke der deutschen Armee, wie mir mein Gesprächspartner mit Bitterkeit sagte, etwas geringer als die Stärke der französischen Armee zu Kriegszeiten ausfallen. Es ist kaum zu bestreiten, dass Deutschland zu einer solchen Maßnahme, die gewaltige zusätzliche Ausgaben nach sich zieht, nur dann greifen kann, wenn es zum Konflikt oder zu einem Bluff, der an einen Konflikt grenzt, entschlossen ist. Dieses Gerücht hat sich, ich wiederhole es, bis jetzt nicht bewahrheitet, aber die Erklärung von General Brauchitsch (der Nachfolger von Fritsch) gegenüber ausländischen Militärattachés zu der Absicht Deutschlands, den Personalbestand der Armee zu erhöhen, skizziert insgesamt die gleiche Tendenz, die aus entsprechenden Passagen der Rede des Führers hervorgeht, in welcher letzterer die bevorstehende Verstärkung der Streitkräfte Deutschlands skizzierte. Neben der verstärkten militärischen Vorbereitung werden die Säuberung der Armee und generell die Maßnahmen zur „Gesundung des Hinterlandes“ fortgeführt. Die Kommissionen zur Überprüfung des Kommandeursbestandes setzen ihre Arbeit fort, die jedoch in der Presse keinen unmittelbaren Widerhall findet. Fritsch, der ungeachtet des säuerlichen Kompliments, das der Führer an seine Adresse machte18, befindet sich nach sämtlichen Verlautbarungen in Isolation in einer der Festungen. Einige Schwarzhemden-Führer sind als Offiziere in die Reichswehr übernommen worden. Die Säuberung im Auswärtigen Amt ist bis jetzt noch nicht angelaufen. Ribbentrop hat dem König noch nicht seine Abberufungsurkunde über15 16
Am 20.2.1938. Gemäß Artikel 119 verzichtete Deutschland „auf alle seine Rechte und Ansprüche bezüglich seiner überseeischen Besitzungen“. In: Reichsgesetzblatt 1919, Teil I, S. 895. 17 Gemeint ist die Rede Chamberlains im Unterhaus am 21.2.1938. Vgl. Parliamentary Debates. House of Commons, Bd. 332, Nr. 58, London 1938, Sp. 52-64. 18 Vgl. die Rede Hitlers im Reichstag am 20.2.1938. In: Domarus, Hitler. Reden und Proklamationen, Bd. I/2, S. 797.
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Nr. 229
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reicht19 und sich bis jetzt noch nicht ernsthaft den Apparat vorgenommen – es steht noch seine Reise nach Rom bevor, um mit Ciano die Beziehungen zu England und die Kolonialfrage zu erörtern.20 Von dort reist er weiter nach London und danach, nach seiner Rückkehr nach Berlin, wird er sich ernsthaft an die Arbeit machen. Es wird erwartet, dass fast alle mehr oder weniger bedeutenden Beamte des Auswärtigen Amts ins Ausland versetzt oder direkt entlassen werden. Was den Staatssekretär von Mackensen betrifft, den Schwiegersohn Neuraths, hat Ribbentrop bereits eine entsprechende Entscheidung getroffen21, indem er ausführte, dass er im Auswärtigen Amt keine Person dulde, die tagtäglich Neurath über alles berichten werde, was in dessen ehemaliger Dienststelle vor sich geht. Ein ähnliches Los haben zweifellos auch Weizsäcker, Aschmann und einige andere zu erwarten. Ungefähr 40 Mitarbeiter des Büros Ribbentrop warten begierig auf ihre Ernennung. Zurzeit ist es jedoch so, dass man den Austausch noch nicht in Angriff genommen hat, man spricht lediglich über den Weggang des Referenten für England, der von einem Mitarbeiter des Büros ersetzt worden ist. Was die Umbesetzungen im Wirtschaftsapparat anbelangt, so bleibt das Schicksal von Schacht, der gänzlich von Ausländern isoliert ist, ungewiss. Mal ist von seiner Inhaftierung die Rede, mal von seiner Abreise in die Schweiz. Auf jeden Fall ist seine Rolle zum gegenwärtigen Zeitpunkt als ausgespielt zu betrachten. Den Absatz der Rede, in dem der Führer über die Bedeutung der Vereinigung „Göring & Co.“22 (zur Förderung von Eisenerz in Braunschweig) sprach, kann man als gänzlich gegen Schacht gerichtet ansehen, der sich in der Zeit, als er noch den Umgang mit Diplomaten pflegte, besonders scharf gegen dieses Vorhaben ausgesprochen hatte. Dies sind im Grunde genommen die Eindrücke, die man in letzter Zeit aus den Gesprächen mit Diplomaten und Auslandskorrespondenten gewinnen kann. Für die Glaubwürdigkeit aller Gerüchte kann man sich natürlich nicht verbürgen, zumal es schwierig ist, sie zu überprüfen, da sich meine Kontaktmöglichkeiten immer mehr verringern. Kollegen aufzusuchen (insbesondere befreundete) geschieht mit Bedacht und höchst selten, um sie nicht „zu kompromittieren“. Einige wenige (wenn man von den Masseneinladungen absieht) riskieren es, bei uns vorbeizuschauen, weil jeder Besuch bei uns in den Augen der Deutschen einen Schatten auf den Besucher wirft, und dies ist für niemanden angenehm. An den von den Deutschen ausgerichteten Empfängen nehme ich, Ihre Weisungen befolgend, kaum teil und deshalb ist der Kontakt zu den Deutschen völlig abgerissen. Es gibt allen Grund anzunehmen, dass sich diese Situation noch verschlechtern wird, weil die Deutschen hartnäckig unsere Isolierung anstreben und sowohl die Diplomaten als auch die Auslandskorrespondenten entsprechend unter Druck setzen werden. Die unmittelbare Verschlechterung der Beziehungen zu uns ist bis jetzt in der Verhängung eines Belagerungszustandes rund um unsere Konsulate und in der verstärkten antisowjetischen Agitation in der Presse, die im Vergleich zu früher viel gemeiner 19 20
Ribbentrop stattete König George VI. am 10.3.1938 seinen Abschiedsbesuch ab. Es konnte keine Information über eine Reise Ribbentrops nach Rom ermittelt werden. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. I, Dok. 144, S. 206. 21 Vgl. Dok. 217, Anm. 40. 22 Gemeint sind die Reichswerke AG Hermann Göring für Erzbergbau und Eisenhütten (HGW Salzgitter).
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26. 2. 1938 Nr. 230 und unverschämter ist, zum Ausdruck gekommen. Es ist wahr, dass die antisowjetische Kampagne (besonders was die Rote Armee, die GPU usw. betrifft) bis zu einem gewissen Grade von den inneren Gegebenheiten diktiert wird, um von den hier durchgeführten Säuberungen abzulenken. Dennoch liegt die Tatsache der Verstärkung des antisowjetischen Kurses auf der Hand, und er trägt alle Anzeichen einer Verstärkung nach dem endgültigen Amtsantritt von Ribbentrop. G. Astachov P.S. Ich hatte bis jetzt noch keine Gelegenheit, mit den „Kollegen“ über die Rede Schuschniggs zu sprechen und kann deshalb nicht beurteilen, ob sich ihre Ansichten, und wenn ja, in welch einem Maße, zur Situation in Österreich im Kontext zu dieser Rede verändert haben. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 674 vom 2.3.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Litvinov, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. zu den Akten. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 56, l. 62–69. Original. Veröffentlicht in: DVP, Bd. XXI, Dok. 54, S. 89–9323.
Nr. 230 Auszug aus dem Bericht über die Tätigkeit der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin für 1937 23 Nr. 230 26. 2. 1938 26. 2. 1938 [26.02.1938] II. DIE SOWJETISCH-DEUTSCHEN HANDELSBEZIEHUNGEN Die sowjetisch-deutschen Handelsbeziehungen im Jahr 1937 waren durch das Handelsabkommen vom 24.XII.1936 1 bestimmt, das eine Verlängerung des am 29. April 1936 geschlossenen Wirtschaftsvertrages2 darstellte. Das Abkommen vom 24. Dezember 1936 beinhaltete eine gewisse Modifikation des Vertrages vom 29. April 1936, was seinen Ausdruck in der vorfristigen Begleichung unserer Wechselverbindlichkeiten nicht in Gold und Devisen, wie dies 1936 der Fall war, sondern aus dem Erlös des Verkaufs von bevorzugten Waren in einem bestimmten Wert und zu bestimmten Fristen fand. Man muss sagen, dass hier allerdings keine besondere Errungenschaft vorliegt, denn unsere Wechselverbindlichkeiten im Jahr 1937 wurden auf etwa 27 Mio. Mark geschätzt, und die Waren, zu deren Lieferung wir uns den Deutschen gegen23
Die Veröffentlichung in DVP erfolgte ohne Legende und nach eigenen Redaktionsricht-
linien. 1 2
Vgl. ADAP, Ser. C, Bd. VI/1, Dok. 129, Anl. 1–3, S. 267–273. Vgl. ebd., Dok. 302, S. 453–458; DVP, Bd. XIX, Dok. 143, 144.
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über verpflichtet haben, waren nicht nur gleichwertig mit Gold, sondern unter den Bedingungen des äußerst akuten Rohstoffhungers für die deutsche Industrie notwendiger als Letzteres, und überdies mussten wir sie zu bestimmten Fristen liefern. Es handelte sich um folgende Waren: Manganerze etwa 5,5 M[illionen] Mark Apatite 2,0 “ Holz 10,0 “ Flachs 5,0 “ Schmieröle 0,5 “ Borsten 1,3 “ Rauchwaren 2,0 “ Tierhaare 0,7 “ Insgesamt
27,0 M[illionen] Mark
Alle diese Waren sollten zu drei Fristen an deutsche Firmen geliefert werden: a) für die Summe von 7 Mio. Mark – bis spätestens 31.III.1937; b) für die Summe von 10 Mio. Mark – bis spätestens 31.V.1937; c) die Lieferung der restlichen Waren sollte bis spätestens 31. Juli 1937 erfolgen. Darüber hinaus sah das Abkommen auch die Verwendung der 1937 vom Kalisyndikat eingehenden Beträge vor, und somit konnte die Gesamtsumme der oben genannten Waren, die zur Begleichung der Wechselverbindlichkeiten vorgesehen waren, entsprechend reduziert werden. In der Folge wurde der voraussichtliche Eingang von etwa 3 Mio. Mark vom Kalisyndikat berücksichtigt und dadurch die Zufuhr von Waren zur Begleichung der Wechselverbindlichkeiten auf 24 Mio. Mark festgelegt. Da unser Export nach Deutschland nur eine Funktion des Imports ist, hätte, unter Ausklammerung der politischen Voraussetzungen, ein Wachstum des Warenumsatzes stattfinden können, wenn die deutsche Industrie uns unbeschränkt mit all jenen Objekten, die für uns von Interesse sind, und in für uns akzeptablen Fristen beliefert hätte. Das war nicht der Fall, und zwar: Die Deutschen haben [uns erstens] nicht alles gegeben, was wir wollten, und zweitens völlig inakzeptable Lieferfristen genannt. Natürlich war der Hauptgrund hier, in unseren Beziehungen mit den Deutschen, nicht der Handelsvertrag. Dieses Verhältnis wurde vor allem durch unsere bilateralen politischen Beziehungen bestimmt. […] IV. DIE IMPORTTÄTIGKEIT DER HANDELSVERTRETUNG 1. Die allgemeine Lage für die Importtätigkeit in Deutschland war im Jahr 1937 ungleich schwieriger als in den vorangegangenen Jahren. Das hat ziemlich viele Gründe: da sind sowohl die spezifische militärische Konjunktur mit ihrer zügellosen Aufrüstung und die Verlegung der gesamten Wirtschaft des Landes im Wesentlichen auf die militärische Schiene, als auch die ausgesprochen feindselige Haltung uns gegenüber und eine Reihe anderer, nicht minder „klar“ ausgeprägter Ursachen. Diese Situation hat unsere Arbeit zweifellos stark behindert, nicht nur in Bezug auf die Realisierung neuer Bestellungen und Aufträge, sondern auch in Bezug auf die Abnahme von Ausrüstungen bei bereits realisierten Objekten.
668
26. 2. 1938 Nr. 230 Konkret wirkte sich dieser Umstand negativ auf die Arbeit in Folgendem aus: a) Weitgehend umgestaltete Betriebe, die mit militärischen Lieferungen in Verbindung stehen und mit Aufträgen auf dem heimischen und internationalen Markt ausgelastet sind, im ersten Fall hauptsächlich mit Aufträgen der Militärbehörde und im zweiten Fall mit Aufträgen von offenen und verdeckten „Verbündeten“; sie reagierten nicht nur unwillig auf unsere eingehenden Anfragen, sondern weigerten sich rundheraus, Angebote dafür abzugeben. Manchmal hingegen „manövrierten“ sie und gaben Angebote ab, behielten sich aber eine Reihe von Bedingungen vor, von denen sie im Voraus wussten, dass sie von unserer Seite unmöglich akzeptiert werden konnten. Diese „Manöver“ kamen in den Zahlungsbedingungen, den Lieferfristen, der Abhängigkeit von Zulieferern usw. zum Ausdruck. b) Errichtung einer staatlichen Kontrolle über unsere Anfragen mit dem Ziel, entweder eine Angebotsabgabe offen zu verhindern oder die Abgabe von Angeboten mit der Verpflichtung zu neuen Rohstofflieferungen, insbesondere von Manganerz (Kantenhobelmaschinen, Tiefbohrmaschinen, Metallen) zu verknüpfen. c) Kontingentierung von Grundstoffen. Hieraus erklärt sich die andauernde Verzögerung bei der Beantwortung unserer Anfragen, da sich die Firmen vor Abgabe eines Angebots erst das entsprechende Kontingent an notwendigem Material verschaffen und über dessen Bearbeitung verhandeln mussten. Diese Verzögerung belief sich auf mehrere Monate (ungefähr 2–3). d) Fälle von direkten staatlichen Ausfuhrverboten für von uns bestellte und abgenommene Ausrüstungen (stereoskopische Höhenmessgeräte der F[irm]a Zeiss), der Versuch, die Bestätigung für Katapulte der Firma Heinkel zu vereiteln, Erpressung mit Zeichnungen für eine Granatenfüllanlage der Firma Golzern-Grimma mit dem Ziel, dass wir auf die Anlage verzichten. e) Verschleppung der Auslieferung von Spezialobjekten an uns, natürlich mit Zustimmung der Regierungsorgane und in Abstimmung mit den interessierten Konzernen (Schiffbauplatten, Nitrose-Kompressoren usw.). f) Vorlage und in einigen Fällen auch Auslieferung von Material und Ausrüstungen minderer Qualität, was einen routinemäßigen und weit verbreiteten Charakter anzunehmen beginnt. g) Betrauung von unzureichend qualifiziertem Personal mit der technischen Bauleitung und Produktionsausführung unserer Aufträge – Peilgeräte der Firma Telefunken, Nitrose-Kompressoren und Turbodynamos der Firma BBC Baden3 und eine Reihe weiterer Objekte, deren Zahl sehr hoch und im Wesentlichen in den Berichten der Beauftragten an ihre Vereinigungen dokumentiert ist. All dies ist zweifellos nur ein kleines Themenspektrum, das 1937 in unserer Arbeit mit den deutschen Firmen besonders aktuell war. Es ist hier jedoch anzumerken, dass sich ab Ende Oktober 1937 die Situation etwas zu ändern begann, und dies vor allem in der Frage des Interesses an unseren Aufträgen. Zu Beginn war dieses Interesse sporadischer Natur und auch das nur in Andeutungen – es fand ein entsprechendes „Abtasten“ statt. Jetzt hat dieses Interesse einen etwas größeren Charakter angenommen. Dabei äußert es sich nicht nur in einer Verkürzung der Fristen für mögliche Objekte, sondern auch in einer gewissen 3
Brown, Boveri & Cie (BBC Baden).
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Reduktion des Preises. Darüber hinaus ändern eine Reihe von Maschinenbaufirmen, wie Schiess, Wagner, Ehrhardt [&] Sehmer u. a. in den früher den Allunions-Importvereinigungen unterbreiteten Angeboten die ursprünglich genannten Fristen in Richtung ihrer Verkürzung. Eine Reihe von Firmen, die vorher unsere Anfragen mit der Begründung ablehnten, dass sie keine Genehmigung des Kriegs- und Marineministeriums erhalten hätten, sind jetzt nicht nur bereit, Gespräche über diese Objekte zu führen, sondern verfügen auf ihre Initiative angeblich bereits über die Genehmigung der zuständigen Ministerien zur Lieferung uns früher verbotener Objekte. Einige Firmenvertreter, die anderen voraus sind (Atlas Werke), bestätigen ihre Zustimmung zur Beibehaltung der Preise von 1936 und einer gewissen Verkürzung der Lieferfristen (9 Monate anstatt der früheren 12). Das alles betrifft nicht nur Gegenstände spezieller Art wie elektroakustische Geräte, Kraftkompasse4, 12-Meter-Marine-Entfernungsmesser und Katapulte für schwere Flugzeuge, sondern auch solche Materialien, wie zum Beispiel Weißblech, das wir in Deutschland schon in den letzten 5 Jahren nicht mehr gekauft haben, und wenn wir es kaufen wollten, erhielten wir unter allen möglichen Vorwänden – Saisongebundenheit, Fehlen freier Quoten usw. – eine Absage. Jetzt wird uns Weißblech zu Preisen angeboten, die im Durchschnitt 15% unter dem Preis vom Juni 1937 liegen, bei einer Reduktion des Prozentsatzes von Verschnitt von 25 auf 18–15%. Wir denken nicht, dass aus allem oben Gesagten die pauschale Schlussfolgerung gezogen werden kann, dass sich die Haltung uns gegenüber endgültig zum Besseren geändert hat. Nein, zu einer derartigen Schlussfolgerung ist es noch weit, aber wir können die vorliegenden, sich abzeichnenden Veränderungen nicht übergehen. Wie lässt sich eine solche Veränderung erklären? Die Erklärung dafür finden wir in Folgendem: Es ist allgemein bekannt, dass die finanziellen Ressourcen des Landes, auf deren Kosten die Aufrüstung, sowohl die eigene als auch zum Teil diejenige der „Verbündeten“ erfolgt und die in hohem Maße die Auslastung vieler Industriezweige geschaffen hat, weitgehend erschöpft sind. Die im Zeitraum von [19]35 bis 37 umgestalteten und in Schwung gebrachten Betriebe können nicht ausreichend und dauerhaft mit Aufträgen hauptsächlich für den heimischen Markt ausgelastet werden, denn jetzt treten die Fragen der Rohstoffversorgung auf den Plan, deren Lösung für das Land mit seiner hochentwickelten Industrie in erster Linie vom Export seiner Produktion abhängt. Derzeit kommen die Industriellen angesichts der in Amerika bereits angekommenen und in einer Reihe von europäischen und asiatischen kapitalistischen Ländern einsetzenden Krise, deren Konturen auch in Deutschland immer schärfer hervortreten, nicht umhin, all dies wahrzunehmen, und sie sehen den Ausweg natürlich vor allem in einer Stärkung ihrer Position auf dem Ausfuhrmarkt durch einen breiteren Ausbau des Exports. Daher ist es durchaus naheliegend, eine mögliche Druckausübung ihrerseits auf die Führer der deutschen Wirtschaft in Richtung einer Ausweitung des Exports in die Sowjetunion zu vermuten. Mit dem oben Dargelegten haben wir kurz die Tendenz des deutschen Marktes und die Bedingungen beschrieben, unter denen unsere Beauftragten der Vereinigungen bei der Handelsvertretung die Importtätigkeit durchführen mussten. 4
670
Das Wort ist in kyrillischen Buchstaben geschrieben.
28. 2. 1938 Nr. 231 2. Realisierung der Aufträge Unter diesen Bedingungen überstieg der Gesamtumsatz aller unserer Importvereinigungen auf dem Markt für 1937 etwas die Zahl von 26.000.000 RM. Im Einzelnen ist dies aus der folgenden Tabelle ersichtlich: Vereinigung
Für Deutschland 200 Mio. Kr[edit]
Bar[geld]
Für Deutschland
Für die Schweiz
insgesamt
in Schw[eizer] Fr[anken]
Technoprom[import]
112.082,63
4.139.782,21
4.251.864,84
1.023.483,70
Mašinoimport
1.533.000,00
1.015.000,00
2.549.000,00
10.593.000,00
Stankoimport
6.815.680,15
4.250.748,50
11.066.428,65
5.306.320,00 . 14.480,00
Inženernyj
‒
.287.223,47
.287.223,47
Sojuzmetimport
‒
4.120.072,00
4.120.072,00
‒
Raznoimport
‒
3.236.528,00
3.236.528,00
.387.185,00
Promsyr’e
‒
.438.072,00
.438.072,00
‒
Torgkino
‒
.62.029,00
. 62.029,00
‒
17.549.455,18
26.010.217,96
17.324.468,70
8.460.762,78
Somit entfallen von der Gesamtsumme von 26.010.217 Mark der realisierten Aufträge in Deutschland 8.460.762 Mark auf den 200 Mio. Kredit und 17.549.455 Mark auf Bargeld. Außer der umgesetzten Summe der Aufträge an Deutschland wurden Aufträge an die Schweiz für 17.324.468 Schw[eizer] Fr[anken] realisiert. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2513, l. 23, 32–34. Original.
Nr. 231 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem deutschen Geschäftsträger in Moskau von Tippelskirch Nr. 231 28. 2. 1938 28. 2. 1938 Geheim Expl. Nr. 1 AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS Nr. 6122 [28.2.1938] GESPRÄCH MIT DEM GESCHÄFTSTRÄGER DEUTSCHLANDS TIPPELSKIRCH, 26. Februar 1938 Das Gespräch mit Tippelskirch berührte folgende Fragen: 1. Die Verzögerung der Ausweisung von deutschen Staatsangehörigen. Tippelskirch behauptet, dass in letzter Zeit bei der Ausweisung von deutschen Staats-
671
Nr. 231
28. 2. 1938
angehörigen aus der UdSSR ein spürbares Nachlassen zu beobachten sei. Jedenfalls sei von der von Schulenburg im November des vergangenen Jahres erstellten Liste nur einigen wenigen der inhaftierten Deutschen die Ausreise nach Deutschland genehmigt worden. Von der Liste, die uns Schulenburg vor seiner Abreise nach Berlin übergeben habe, sei nur eine Person ausgewiesen worden. Tippelskirch bittet darum, zu der Novemberliste zurückzukehren und nach Möglichkeit allen in ihr aufgeführten Personen die Ausreisegenehmigung zu erteilen. 2. Der Fall der Bürgerin Strecker. Tippelskirch macht darauf aufmerksam, dass die Ehefrau des Mitarbeiters des Generalkonsulats in Kiev, Strecker, eine sowjetische Staatsbürgerin, inhaftiert ist1 und die örtlichen Behörden ihr jegliche Möglichkeit verweigern würden, vom Ehemann Päckchen jedweder Art – Seife, Wäsche, einen warmen Mantel und anderes mehr – ausgehändigt zu bekommen. Tippelskirch bittet darum, auf die verhaftete Strecker die übliche Gefängnisordnung anzuwenden, die für die in Gefängnissen einsitzenden sowjetischen Bürgern gilt. 3. Das Verschwinden von drei deutschen Staatsangehörigen. Tippelskirch erinnert daran, dass das NKID der Deutschen Botschaft bislang keine Antwort auf die Anfrage nach dem Aufenthaltsort der drei deutschen Staatsangehörigen Lutzmann, Eimecke und Schlageter, die verschollen sind2, gegeben habe. Die Deutsche Botschaft habe allen Grund anzunehmen, dass die genannten Personen von sowjetischen Behörden inhaftiert worden sind. Tippelskirch bittet darum, die Antwort, auf die die Botschaft warte, zu beschleunigen. 4. Der Fall Bannmann. Tippelskirch macht auf das Schicksal des zweijährigen Kindes der vor einiger Zeit verhafteten deutschen Staatsangehörigen Bannmann3 aufmerksam. Es sei nicht bekannt, wo sich das Kind befinde. Die Deutsche Botschaft bitte darum, es zu suchen und der Botschaft zu übergeben, damit es zu den Verwandten der Bannmann nach Deutschland gebracht werden könne. 5. Der Verlust von drei Einschreibbriefen des Deutschen Konsulats in Vladivostok. Tippelskirch erinnert an die Anfrage der Deutschen Botschaft bezüglich des Verlustes von drei eingeschriebenen Paketen, versehen mit den Siegeln des Deutschen Konsulats in Vladivostok. Die vom Vladivostoker Postamt für die erwähnten Pakete ausgestellten Quittungen seien vom Konsulat vernichtet worden. Dennoch hätten die Pakete in Moskau an der Adresse der Deutschen Botschaft ankommen müssen. Sie seien bis jetzt nicht da und Tippelskirch bittet nachdrücklich darum, Nachforschungen darüber anzustellen, wo sich die Pakete befinden und warum sie nicht rechtzeitig zugestellt worden seien. 6. Der Film „Esli zavtra vojna“.4 Tippelskirch möchte mich auf den in Moskauer Kinos gezeigten Film „Esli zavtra vojna“ aufmerksam machen, der, seinen Worten zufolge, „militante Gefühle“ gegen die deutsche Armee wecke. Im Film 1 Ljudmila Kadrina (Strecker) hatte am 19.12.1937 in Kiev für sich und ihren Sohn aus erster Ehe das Gesuch auf Austritt aus der sowjetischen Staatsbürgerschaft eingereicht, sie wurde am 5.2.1938 verhaftet. Vgl. Schreiben Potemkins an Frinovskij vom 14.2.1938. In: AVP RF, f. 082, op. 21, p. 88, d. 1, l. 15. 2 Von der Schulenburg hatte im Gespräch mit Potemkin am 8.2.1938 die vermissten Staatsangehörigen Deutschlands zur Sprache gebracht. Vgl. AVP RF, f. 011, op. 2, p. 20, d. 205, l. 56–53. 3 Vgl. Rückkehrer-Vernehmungsprotokoll in: PA AA R 150122. 4 Esli zavtra vojna (Wenn Morgen Krieg ist, Mosfil’m, 1938). Regie: Efim L. Dzigan, Lazar‘ J. Anci-Polovskij, Georgij S. Berezko, Nikolaj N. Karmazinskij; Uraufführung: 23.2.1938.
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28. 2. 1938 Nr. 231 würden Kämpfe sowjetischer Truppen gegen deutsche Verbände gezeigt. Tippelskirch erachtet es als unerwünscht, bei sowjetischen Bürgern feindliche Gefühle gegenüber Deutschland zu wecken. Ich erkundigte mich bei Tippelskirch, ob die von ihm vorgetragenen Überlegungen zu dem neuen Film als eine offizielle Demarche der Deutschen Botschaft in Moskau zu betrachten seien. Tippelskirch antwortete umgehend, dass er nur seine persönliche Auffassung geäußert hätte. Außerdem habe er diesen Film noch nicht gesehen, sein Urteil gründe sich lediglich auf Mitteilungen einiger seiner Botschaftsmitarbeiter. Darauf entgegnete ich, dass eine jegliche Demarche der Deutschen Botschaft anlässlich des neuen Films von mir auf das Entschiedenste zurückgewiesen worden wäre. In Deutschland erfolgten nicht nur in den Kinos und in der Tagespresse, sondern auch in offiziellen Versammlungen von den Höhen der staatlichen Tribüne, von Führungspersonen aus der gesamten deutschen Politik, Aufrufe zu feindseligen Handlungen gegen die UdSSR und beleidigende Ausfälle gegen die sowjetische Regierung. Diese Angelegenheit beschränke sich nicht nur auf Worte. Die Völker der UdSSR wüssten, dass Deutschland der Organisator und aktives Mitglied des internationalen Dreierpaktes5 ist, der unverhohlen gegen die Sowjetunion gerichtet sei. Aus Deutschland träfen bedrohliche Signale ein, die bei der Bevölkerung der UdSSR natürlich Befürchtungen für den Frieden aufkommen lassen. Könne man sich deshalb wundern, dass im sowjetischen Film derartige Stimmungen ihren Niederschlag fänden? Jedoch könnte die Deutsche Botschaft auf keinen einzigen Artikel, auf keine Rede oder keinen Film in der Sowjetunion verweisen, die zum Überfall auf Deutschland aufriefen. Tippelskirch grummelte vor sich hin, sowjetische Zeitungen brächten ständig Karikaturen, die die jetzigen Führer Deutschlands darstellten. In dieser Sache enthalte sich die Botschaft jedoch jeglicher Demarchen. Darauf entgegnete ich, dass ich umso weniger Gründe sehe, zu diesem Film Gespräche zu führen, welcher Art sie auch sein mögen, den mein Gesprächspartner im Übrigen noch nicht gesehen habe. Tippelskirch sah sich genötigt zu schweigen. Potemkin Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 E[xemplare]. Das 1. [Exemplar] ins Archiv, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. an die 2. Westabteilung, das 5. zu den Akten. **28.II.38**6. AVP RF, f. 011, op. 2, p. 20, d. 205, l. 84–82. Original.
5 6
Gemeint ist der Antikomintern-Pakt. Das Datum ist mit Tinte geschrieben.
673
Nr. 232
1. 3. 1938
Nr. 232 Schreiben des Ministerialdirigenten im Reichswirtschaftsministerium Spitta an die sowjetische Handelsvertretung in Berlin Nr. 232 1. 3. 1938 1. 3. 1938 Berlin, den 1. März 1938 An die Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland Berlin W 15 Lietzenburger Str. 11 Anlässlich der heute erfolgten Unterzeichnung der Verlängerung des DeutschSowjetischen Wirtschaftsvertrages vom 24. Dezember 1936 legt die Deutsche Regierung Wert darauf, der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland zu Artikel IV Nr. 21 folgende Erklärung abzugeben: Im Jahre 1938 werden sowjetische Wechselverbindlichkeiten in Höhe von etwa 12 Millionen Reichsmark fällig. Nach den Bestimmungen der deutschsowjetischen Kreditverträge lauten die Wechsel auf Reichsmark und sind in Berlin zahlbar. Die UdSSR hat beantragt, ihr ebenso wie im Jahre 1937 zu gestatten, dass diese Wechselverbindlichkeiten durch den Erlös aus dem Verkauf sowjetischer Waren gezahlt werden.2 Um zu einem schnellen Abschluss der Verhandlungen über diesen Vertrag zu kommen, und ohne der Regelung ähnlicher Verpflichtungen für die Zukunft irgendwie vorzugreifen, hat sich die Deutsche Regierung mit dem sowjetischen Vorschlag einverstanden erklärt. gez. Spitta Auf erstem Blatt oben: Der Vorsitzende der Deutschen Delegation. PA AA, R 105998, Bl. H 000996.
1 Der Text lautet: „IV. Die auf die in Artikel III genannten Sonderkonten eingezahlten Beträge stehen der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland und der Staatsbank der UdSSR innerhalb Deutschlands frei zur Verfügung zur Bezahlung der im Jahre 1938 fällig werdenden Wechselverbindlichkeiten, sowie der gemäß Artikel II erfolgenden Warenlieferungen und Dienstleistungen, ferner zur Bezahlung der hiermit im Zusammenhang stehenden Finanzierungs- und Nebenkosten. Demgemäß können aus den Sonderkonten bezahlt werden: 1) Warenlieferungen aller Art; 2) Wechselverbindlichkeiten gemäß Absatz 1 dieses Artikels; […]“ Vgl. „Vereinbarung über den Handels- und Zahlungsverkehr zwischen der Deutschen Regierung und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken vom 1. März 1938“. In: ADAP, Ser. D, Bd. VII, Ergänzungen, S. 534–538; DVP, Bd. XXI, Dok. 59, S. 97–102. 2 Vgl. auch das Schreiben Davydovs an Spitta vom 2.3.1938; in: PA AA, R 105998, Bl. H 000984.
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2. 3. 1938 Nr. 233 Nr. 233 Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda Nr. 233 2. 3. 1938 2. 3. 1938 2. März 1938 ZSg. 102/9/7/101 Bei dem abendlichen Gespräch mit dem Propagandaministerium wurde gebeten, morgen mit sehr scharfen Kommentaren zum Moskauer Prozess1 herauszukommen – für uns ja wohl leider schon zu spät. Man müsse darin etwa sagen: Diese Leute sind ohne Zweifel Verbrecher, Mörder usw. Sie haben also einmal das russische Volk regiert. Oder sind sie es nicht? Sind es die anderen, die heute als Ankläger auftreten? Dann regieren diese Verbrecher und Mörder, niedrigste Kreaturen, Russland. Jede Verbindung mit Deutschland sei kindisch. Das sei ein Attentat auf die europäische Intelligenz, so etwas glauben zu sollen. Stalin müsse nicht versuchen, seine eigene Intelligenz als Maßstab für die der europäischen Völker zu betrachten. Peter der Große und Katharina hätten ja auch gewütet, aber sie hätten wenigstens niemals den Versuch gemacht, ihre Handlungen mit demokratischen Erklärungen zu bemänteln. Der herbeigezerrte Deckmantel der Humanität sei vielleicht das gefährlichste der jetzigen Ereignisse, weil er zu viele vernebeln [und] davon abhalten könnte, die Dinge zu sehen, wie sie wirklich sind. Die deutschen Arbeiter und die Arbeiter der Welt müssten aber sehen, was in Russland vorgeht, damit sie das wahre Gesicht der bolschewistischen Machthaber und Prinzipien erkennen. So etwa müssten die Kommentare aussehen. Gruß Sänger Veröffentlicht in: NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit, Bd. 6/I, S. 221–222.
Nr. 234 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem deutschen Geschäftsträger in Moskau von Tippelskirch Nr. 234 2. 3. 1938 2. 3. 1938 Geheim Expl. Nr.1 AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS Nr. 6126 [2.3.1938] GESPRÄCH MIT DEM DEUTSCHEN GESCHÄFTSTRÄGER TIPPELSKIRCH, 2. März 1938 Tippelskirch, der am Vormittag um ein Treffen mit mir zwecks Übermittlung einer dringenden Mitteilung gebeten hatte, erschien bei mir mit folgender Erklärung: 1 Gemeint ist der Prozess gegen den „Antisowjetischen rechtstrotzkistischen Block“ in Moskau vom 2. bis 13.3.1938.
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Nr. 234
2. 3. 1938
Ungeachtet der wiederholten Demarchen der Deutschen Botschaft in Moskau, mit denen das NKID auf die unnormale Lage aufmerksam gemacht wurde, die für die Tätigkeit der deutschen Konsulate in Novosibirsk und insbesondere in Kiev geschaffen wurde, ist nichts zur Normalisierung der bezeichneten Situation unternommen worden. Im Gegenteil, in letzter Zeit hat sich die Situation noch verschlechtert. Der deutsche Generalkonsul in Kiev, Großkopf, telegrafiert an die Botschaft, dass das Konsulat unter Beobachtung von außen durch mindestens acht Agenten gestellt worden ist, dass sich die Personen, die diese Überwachung ausführen, unmittelbar vor den Wohnungseingängen der Konsulatsmitarbeiter niedergelassen haben und dass als Krönung all dessen am 1. März die elektrische Beleuchtung abgeschaltet und bei zwei Konsulatsmitarbeitern die Klingelanlage zu den Wohnungen durchgeschnitten worden ist. Die Botschaft hat Berlin über alle diese Vorfälle unterrichtet.1 Von dort wurde Tippelskirch beauftragt, unverzüglich um ein Treffen mit mir nachzusuchen und mir auszurichten, dass die deutsche Regierung beschlossen hat, die Regierung der UdSSR zu bitten, die beiden sowjetischen Konsulate in Deutschland, und zwar in Hamburg und in Königsberg, zu schließen. Die deutsche Regierung ist ihrerseits damit einverstanden, ihre Konsulate in Kiev und Novosibirsk aufzulösen. Die Frist für die definitive Schließung der sowjetischen Konsulate in Deutschland und der deutschen Konsulate in der UdSSR sollte der 15. Mai sein. Die weitere Wahrnehmung der konsularischen Funktionen wird von den zuständigen Abteilungen der Deutschen Botschaft in Moskau und der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin übernommen werden. Ich erklärte Tippelskirch, dass ich die Mitteilung, die er im Namen der deutschen Regierung vorgetragen habe, zur Kenntnis nähme und den deutschen Vorschlag zur beiderseitigen Schließung der verbliebenen Konsulate zum 15. Mai der Regierung der UdSSR zur Kenntnis bringen würde.2 Die Deutsche Botschaft werde von mir unverzüglich über die von der Regierung der UdSSR **zu diesen oder jenen**3 getroffenen Entscheidungen zu der in Rede stehenden Frage informiert werden. Potemkin Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. Das 1. [Exemplar] zu den Akten, das 2. an Gen. Stalin (2 Expl.), das 3. an Gen. Molotov, das 4. an Gen. Litvinov, das 5. an Gen. Stomonjakov, das 6. an die 2. Westabteilung, das 7. nach Berlin. 2.III.284. AVP RF, f. 011, op. 2, p. 20, d. 205, l. 88–87. Original.
1 Vgl. auch das Gespräch Vajnštejns mit von Tippelskirch am 3.3.1938 mit Informationen über die Situation um das deutsche Konsulat in Kiev und über die Mitarbeiter, die in Privatwohnungen leben. In: AVP RF, f. 082, op. 21, p. 288, d. 2, l. 40-38. 2 Vgl. Dok. 235. 3 Der Text ist über die Zeile geschrieben. 4 So im Dokument; richtig: 2.III.38.
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3. 3. 1938 Nr. 235 Nr. 235 Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin Nr. 235 3. 3. 1938 3. 3. 1938 Geheim Expl. Nr. 5 Nr. 5090/l. 3. März 1938 AN DEN GENERALSEKRETÄR DES ZK DER VKP (B) Gen. STALIN Kopien an:
Gen. MOLOTOV Gen. KAGANOVIČ Gen. VOROŠILOV Gen. EŽOV
Die deutsche Regierung hat sich in den letzten Wochen in Berlin und in Moskau mehrfach über die Bedingungen beklagt, denen das deutsche Konsulat in Kiev ausgeliefert ist und die ihm die Funktionsfähigkeit rauben.1 Es ging dabei darum, dass sich sowjetische Bürger und Institutionen weigerten, technische und häusliche Dienstleistungen für das deutsche Konsulat zu verrichten, dass sogar die elektrische Beleuchtung und die Telefone abgeschaltet wurden, dass sich eine große Anzahl von Sicherheitsagenten in der Nähe des Konsulats befinde usw. Daraufhin wurden, offensichtlich als Repressivmaßnahmen, analoge Bedingungen für die sowjetischen Konsulate in Hamburg und Königsberg geschaffen.2 Gestern hat uns der Geschäftsträger Tippelskirch offiziell unterrichtet, dass seine Regierung beschlossen habe, ihre Konsulate in Kiev und Novosibirsk aufzulösen und uns vorgeschlagen, die letzten sowjetischen Konsulate in Hamburg und Königsberg zu schließen und dafür eine Frist bis zum 15. Mai setze.3 Ich schlage vor, den deutschen Vorschlag anzunehmen. LITVINOV BESCHLUSSENTWURF Der deutsche Vorschlag zur Schließung der deutschen Konsulate in Kiev und Novosibirsk und der sowjetischen Konsulate in Hamburg und Königsberg zum 15. Mai d.J. ist anzunehmen.4 Vermerk von A.N. Poskrebyšev mit Farbstift: ich bitte dringend um Abstimmung. Vermerk mit Farbstift: Dafür. K. Vorošilov. 1 Vgl. die Unterredungen Potemkins mit von der Schulenburg am 8.2. (Dok. 212); von Mackensens mit Astachov am 16.2. (PA AA, R 104371, Bl. E 019624); Potemkins mit von Tippelskirch am 26.2. (Dok. 231). 2 Vgl. Dok. 238. 3 Vgl. Dok. 234. 4 Der Beschluss des Politbüros des ZK der VKP (B) wurde am gleichen Tag im Umlaufverfahren angenommen. Vgl. RGASPI, f. 17, op. 166, d. 587, l. 28.
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Nr. 236
3. 3. 1938
Unten links befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars für Verteidigung der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 881/s vom 3.3.1938. Vermerk des Sekretärs (die Unterschrift ist nicht lesbar) mit Tinte: Von Gen. Kletkina am 3.III. um 23.30 Uhr mitgeteilt. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 10 Expl. [Die Exemplare] 1–6 an die Adresse, das 7. [Exemplar] an Gen. Potemkin, das 8. an Gen. Stomonjakov, das 9. an Gen. Litvinov, das 10. zu den Akten. RGVA, f. 33987, op. 3, d. 1080, l. 64. Kopie.
Nr. 236 Befehl des Volkskommissars für Innere Angelegenheiten der Ukrainischen SSR Uspenskij Nr. 236 3. 3. 1938 3. 3. 1938 GANZ GEHEIM Nr. 3761 Nr. 15042 [3.3.1938] AN ALLE CHEFS DER BEZIRKSVERWALTUNGEN DES NKVD Nur_______ Im Zuge der Ermittlungen in der deutschen Operation ist es bis jetzt nicht gelungen, Zentren organisierter Spionage- und Diversions- sowie Wühltätigkeit der deutschen **militärischen**3 Aufklärung in der Ukraine aufzudecken. **Ausländische** 4 Fachleute, die in den Ermittlungsmaterialien als Leiter von faschistischen Formierungen **5 erfasst sind, sind nicht die einzigen, die die faschistische Tätigkeit **6 koordinieren, allein schon deshalb nicht, weil die Deutschen ausgezeichnet begriffen haben und begreifen, dass diese **7 Verbindungslinien und **die Konsulate**8 in der Vorkriegsperiode ihre Existenz einstellen werden. Durch einige früher aufgedeckte Fälle und aufgrund von nachrichtendienstlichen Materialien ist bekannt, dass in der Rechtsufrigen Ukraine sogenannte „Bünde der Deutschen Südrusslands“, „Bund der Schwarzmeerdeutschen“, „Bund der Deutschen Kolonisten“, „Bund der Wolhyniendeutschen“, „Bund der deutschen Seeleute“ und andere deutsche Vereinigungen tätig waren.
1 2 3 4
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Die Eingangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Das Wort ist mit Bleistift über die Zeile geschrieben. Das Wort ist mit Bleistift korrigiert; ursprünglich: Deutsche Konsulate und ausländische. 5 Der an dieser Stelle stehende Text „bei uns“ ist mit Bleistift durchgestrichen. 6 Der an dieser Stelle stehende Text „durch Spionageherde“ ist mit Bleistift durchgestrichen. 7 Der an dieser Stelle stehende Text „Spionageherde und“ ist mit Bleistift durchgestrichen. 8 Der Text ist mit Bleistift unter die Zeile geschrieben.
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3. 3. 1938 Nr. 236 In der Linksufrigen Ukraine, insbesondere im Bezirk Dnepropetrovsk, gab es verschiedene Mennoniten-Vereinigungen und sonstige deutsche Bünde. Im Zuge der deutschen Operation haben wir die Kader des alten deutschen Spionagenetzes, die während des Imperialistischen Krieges von der zarischen Regierung in verschiedene Lager interniert wurden und danach zu ihren früheren Wohnorten zurückgekehrt waren, wobei deren Kader durch das deutsche Agentennetz unter den Kriegsgefangenen der deutschen und österreichischen Armee in einem bedeutenden Maße aufgefüllt worden sind, vollkommen unzureichend erfasst. ICH BEFEHLE: 1. Im Zuge der Ermittlungen der deutschen Angelegenheit und durch den Nachrichtendienst sind durch die Sichtung entsprechender Archivmaterialien vor Ort die **9 jetzt tätigen Zentren der deutschen faschistischen Tätigkeit in der Ukraine zu ermitteln. 2. Über offizielle Quellen und auf nachrichtendienstlichem Wege sind die Kader des deutschen Nachrichtendienstes zu ermitteln, die aus den Lagern und der Verbannung zurückgekehrt sind und weiterhin ihren Wohnsitz in der Ukraine haben. Diese sind zu verhaften. In Bezug auf ausländische Staatsbürger ist unsere Genehmigung einzuholen. Über die geleistete Arbeit und die Ergebnisse ist mir alle fünf Tage telegrafisch Bericht zu erstatten. VOLKSKOMMISSAR FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN DER USSR KOMMISSAR DER STAATSSICHERHEIT 3. RANGES USPENSKIJ 3. März 1938 Kiev Anweisung A.I. Uspenskijs mit blauem Farbstift: Per Draht, wo es VČ10 gibt, ansonsten durch Chiffre. AU[spenskij]. Maschinenschriftlicher Vermerk des Sekretärs: Übermittelt am 4.3.1938 um 10.10 Uhr. Es gibt weitere Geschäftsvermerke. OGA SBU, f. 16, op. 1, d. 313, l. 47–49. Original.
9 10
Der an dieser Stelle stehende Text „früher und“ ist mit Bleistift durchgestrichen. Das interne Hochfrequenztelefonsystem (Vysokaja Častota = Hochfrequenz) wurde in den 1930er Jahren als operative Telefonverbindung für die Organe der OGPU geschaffen.
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Nr. 237
3. 3. 1938
Nr. 237 Aufzeichnungen des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov Nr. 237 3. 3. 1938 3. 3. 1938 GEHEIM Expl. Nr. 1 Ausg.-Nr. 55/s1 Berlin, 3. März 1938 Tagebuch G. Astachovs Am 21. Februar fand bei uns ein Teeabend mit der Filmvorführung des Spielfilms „Peter I.“2 statt. Dazu wurden von jeder Mission, mit der wir offizielle Beziehungen unterhalten, jeweils die zwei ranghöchsten Personen eingeladen. Bei einigen Missionen wurden auch die Militärattachés eingeladen. Außerdem wurden einige Diplomaten von den Missionen eingeladen, mit denen wir keine offiziellen Beziehungen haben, jedoch persönliche und faktische Beziehungen pflegen. Es wurden gleichfalls Einladungen an einige Beamte des Auswärtigen Amtes und des Wirtschaftsministeriums und an einige deutsche Wirtschaftsfachleute verschickt. Zum Empfang erschienen ungefähr 100 Ausländer. Von den Botschaftern erschienen der Franzose3 und der Türke4. Der Japaner5 nahm zwar die Einladung an, doch im letzten Moment entschuldigte er sich per Telefon, und erschien nicht, ebensowenig wie sein Botschaftsrat. Auch der Chinese6 verfuhr fast ebenso, lediglich mit dem Unterschied, dass er sich nicht per Telefon, sondern über seinen Botschaftsrat, der gekommen war, entschuldigen ließ. Der Italiener7 erschien wegen Krankheit nicht, der Botschaftsrat kündigte an zu kommen, kam jedoch nicht, dafür schickte er ein Entschuldigungsschreiben, der Pole8 war abgereist. Die Gesandten und Geschäftsträger erschienen vollzählig, mit Ausnahme der Länder, die sich der „Achse“ angeschlossen haben – Österreich, Ungarn, Bulgarien (von den Bulgaren erschien der Sekretär). An die Griechen, die sich in Trauer9 befinden, wurde keine Einladung verschickt. Der norwegische Gesandte10 ließ ausrichten, dass er generell keine Einladungen zum Tee wahrnehme mit Ausnahme des ersten Empfangs eines neuen Botschafters. Von den Missionen, mit denen wir keine diplomatischen Beziehungen haben, waren erschienen: der Gesandte Iraks11, die Gattin des Gesandten Haitis, die Geschäftsträger Kubas und Perus mit Gattinnen, der Sekretär der Südafrikanischen Mission mit Gattin. Vom Auswärtigen Amt erschien lediglich der Referent für Wirtschaftsbeziehungen mit uns, Legationsrat Schnurre, vom Wirtschaftsministerium Spitta, der Leiter der Verhandlungsdelegation, und 4 bis 5 Industrielle 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Petr I., 1. Teil (Lenfil’m, 1937). Regie: Vladimir M. Petrov; Uraufführung: 31.8.1937. André François-Poncet. Mehmet Hamdi Arpağ. Shigenori Tōgō. Tianfang Cheng. Bernardo Attolico. Józef Lipski. Vgl. Dok. 221, Anm. 13. Arne Scheel. Prinz Zeid bin Hussein.
3. 3. 1938 Nr. 237 (Kalisyndikat und andere). Außerdem erschienen 10 bis 12 eingeladene Auslandsjournalisten. Der Film hatte großen Erfolg, obgleich die Vorführung ohne französische Untertitel erfolgte. Wir hatten lediglich ein Libretto in deutscher Sprache verfasst und verschickt. Alle Gäste haben sich unmittelbar nach der Filmvorführung wie auch bei späteren Treffen überaus lobend zum Film geäußert. Eine Bitte an die 2. Westabteilung und an die Presseabteilung: bei Intorgkino12, das uns mit Filmen versorgt, zu versuchen durchzusetzen, dass man uns wenigstens die Filme, bei denen im Ausland ein Interesse besteht, mit französischen oder englischen Untertiteln schickt. Die Vorführung in der Bevollmächtigten Vertretung bietet die einzige Möglichkeit, sowjetische Filme in Deutschland zu zeigen. 22. Februar. Bei mir war der norwegische Rat zur Visite. Die Visite war protokollarischen Charakters, das Gespräch drehte sich um die Filmvorführung am Vortag usw. 23. Februar. Meine Frau13 und ich sowie die Genossen Nikolaev und Smirnov nahmen auf Einladung des türkischen Botschafters am Ball der türkischen Kolonie teil. In einem kurzen Gespräch äußerte der Botschafter beiläufig die Annahme, dass im Zuge der englisch-italienischen Annäherung die „Achse“ wahrscheinlich auseinanderfallen werde. Nadolny, der zum Ball erwartet wurde, erschien nicht. G. Astachov P.S.: Die sonstigen Gespräche wurden in dem Bericht zusammengefasst, der mit der vorherigen Post abgeschickt worden ist. Vermerk mit rotem Farbstift: MM. Oben rechts von der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 742 vom 7.3.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. 7 Expl. an Gen. Litvinov, 1 [Exemplar] zu den Akten. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 56, l. 75–76. Original.
12 Vsesojuznaja avtonomnaja ėksportno-importnaja kontora pri ob-edinenii Sojuzkino (1930–1945) = Allsowjetisches selbstständiges Export-Import-Büro bei der Vereinigung Sojuzkino. 13 Natal'ja Vladimirovna Astachova.
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Nr. 238
3. 3. 1938
Nr. 238 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin Nr. 238 3. 3. 1938 3. 3. 1938 GEHEIM Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Ausg.-Nr. 57/s1 Berlin, 3. März 1938 An den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Gen. POTEMKIN Hochverehrter Vladimir Petrovič, 1) Ich übersende Ihnen den Brief des Malers Pasternak2, der die Antwort auf den Vorschlag des Gen. Nazarov enthält, den ich ihm übermittelt hatte. Wie Sie aus dem Brief ersehen (er hat mir dies auch mündlich ausführlich erklärt), kann er sich nicht dazu entschließen, nach Leningrad zu fahren und beteuert, dass er angesichts seiner Lungenkrankheit und seines Alters gar nicht in der Lage sei, das Leningrader Klima zu vertragen. Nach seinen Worten würde er den Vorschlag sehr gern annehmen, wenn die Rede von Moskau wäre. Ich weiß nicht, inwieweit wir ihm entgegenkommen können. Hier ist seine Situation als sowjetischer Staatsbürger und noch dazu Nichtarier perspektivlos. Er hat in Moskau zwei Söhne (einen Dichter und einen Architekten)3, in deren Nähe er sehr gerne wäre. *Es bleibt zudem noch die ungeklärte Frage bezüglich seiner Bilder, wir warten in dieser Hinsicht auf Ihre Weisungen. Die Versandkosten belaufen sich, wie ich Ihnen mitgeteilt habe, auf ungefähr 200 Mark. Im Falle Ihres Einverständnisses könnten wir den Versand zu Lasten der Transportsummen der Bevollmächtigen Vertretung laufen lassen, über die wir im Etat verfügen4.*5 2) Die Atmosphäre, die uns umgibt, verschlechtert sich zusehends. Unsere Konsulate befinden sich buchstäblich in einem Belagerungszustand. Auf uns ist dieses Regime noch nicht ausgedehnt worden, jedoch wird es wahrscheinlich bald errichtet werden. Selbst die befreundeten Diplomaten beginnen uns zu meiden, weil die Bekanntschaft und die Kontakte mit uns in den Augen der Deutschen als Delikt6 angesehen wird, und niemand hat Lust, wegen uns ins schlechte Licht zu geraten. Ich möchte Sie deshalb bitten, sich nicht zu wundern, wenn ich bei Ihnen bisweilen anfrage, ob Einladungen anzunehmen oder günstige Gelegenheiten zu nutzen sind, von denen ich unter normalen Umständen Abstand nehmen würde, ohne Sie zu bemühen. 1 2 3 4
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Leonid Osipovič Pasternak. Vgl. AVP RF, f. 011, op. 2, p. 12, d. 43, l. 64–62. Boris Leonidovič und Aleksandr Leonidovič Pasternak. Am 13.1.1938 hatte Astachov zum Schicksal von Pasternak an Potemkin geschrieben: „Man muss die Frage baldigst entscheiden, weil sie sich fast ein Jahr lang hinzieht.“ In: AVP RF, f. 011, op. 2, p. 12, d. 43, l. 10. 5 Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. 6 Das Wort ist in Deutsch mit kyrillischen Buchstaben geschrieben.
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3. 3. 1938 Nr. 238 3) Den heutigen Meldungen der hiesigen Zeitungen zufolge haben die Deutschen die Frage der gegenseitigen Schließung der Konsulate zum 15. Mai7 aufgeworfen. Falls wir darauf eingehen sollten, so könnten wir, wie ich meine, jetzt sofort das Generalkonsulat in Königsberg schließen, wo die dortige Anwesenheit des Gen. Cesarskij von keinerlei Nutzen ist, Unannehmlichkeiten dagegen jedoch möglich sind. Er muss unverzüglich nach Moskau abberufen und beauftragt werden, das Inventar hierher zu schicken. 4) Angesichts der allgemeinen Verschlechterung der Atmosphäre und möglicher Schikanen seitens der Deutschen zu einem beliebigen Zeitpunkt lenke ich nochmals **Ihre Aufmerksamkeit *auf das Risiko der von uns praktizierten Operationen mit Registermark8. Die Tatsache, dass wir hier nicht eine einzige „freie Mark“ ausgeben und keine „freie Mark“ aus Deutschland transferieren, dient als hinlänglicher Beweis dafür, dass wir Registermark, die wir für die Diplomaten erhalten, für absolut andere Zwecke, für den Unterhalt der Bevollmächtigten Vertretung, für die Auszahlung der Pensionen usw. ausgeben, da wir andere Einkommensquellen nicht haben*9 (wenn wir nicht die Möglichkeit in Betracht ziehen, Mark von der Handelsvertretung oder durch die diplomatische Post zu bekommen, was wiederum ungesetzlich ist). Ich bin deshalb der Auffassung, dass wir damit aufhören sollten, die Aufträge der Gosbank auszuführen und Registermark**10 für Zwecke auszugeben, die nichts mit der Tätigkeit der Bevollmächtigten Vertretung zu tun haben, d.h. für den Einkauf für andere Einrichtungen, für die Auszahlung von Pensionen usw. Wir sollten außerdem eine bestimmte Summe an „freier Mark“ bekommen, um einen minimalen Anstrich von Anstand aufrechtzuerhalten und nachweisen zu können, dass wir eine gesetzeskonforme Einnahmequelle besitzen. Anderenfalls, ich wiederhole es, riskieren wir es, zu einem beliebigen Zeitpunkt aus einem nichtigen Anlass bloßgestellt zu werden, indem man uns beschuldigt, *gegen die Valutabestimmungen zu verstoßen und den feierlichen Versicherungen nicht nachzukommen (vergessen Sie nicht, dass ich jeden Monat die dem Auswärtigen Amt zusendende Verpflichtung darüber unterschreibe, dass die für die Diplomaten bestimmten Markbeträge für keine anderen Zwecke verwendet werden). Der Umstand, dass sich Magalif in dieser Angelegenheit fahrlässig verhalten hat und bis jetzt alles glücklich verlaufen ist, sollte kein Argument dafür sein, auch weiterhin Sorglosigkeit an den Tag zu legen. In der jetzigen Situation muss man auf das Schlimmste gefasst sein und darf es nicht riskieren, unser Ansehen und unseren guten Namen wegen im Grunde genommen geringer Gewinne aufs Spiel zu setzen. Ich erachte es als meine Pflicht, Sie noch einmal darauf auf7 8 9 10
Vgl. Dok. 234; NS-Presseanweisungen, Bd. 6/I, S. 225. Vgl. Dok. 207, Anm. 8. Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Der Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen und mit der Bemerkung von Potemkin versehen: Die Deutschen machen das auch in Moskau. Auf diesen Einwand Potemkins antwortete Astachov am 12. März wie folgt: „Ich weiß, dass ausl[ändische] Diplomaten Červoncen in die Sowjetunion einführen, und gerade aus diesem Grunde möchte ich nicht in eine analoge Situation geraten und den Deutschen einen Vorwand für Verspottung liefern (wenn auch nur hinter den Kulissen), mit der wir ausl[ändische] Diplomaten bei uns bedenken. Ja, und außerdem erinnere ich mich daran, dass wir uns nicht immer mit Spott hinter dem Rücken beschränken, sondern bisweilen nutzen wir dieses Moment als Vorwand dafür aus, um Personen, die uns besonders unliebsam sind, loszuwerden.“ In: AVP RF, f. 011, op. 2, p. 12, d. 43, l. 43.
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Nr. 239
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merksam zu machen, weil meiner Auffassung nach die Organe des NKF11 in Deutschland (und nicht nur in dieser Angelegenheit) kurzsichtig handeln und das politische Risiko überhaupt nicht in Betracht ziehen, das mit derartigen Operationen verknüpft ist.*12 Mit kameradschaftlichem Gruß G. Astachov Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 1077 vom 7.3.1938. Am linken Seitenrand befindet sich der Vermerk des Sekretärs über die Anordnung V.P. Potemkins, die Abschrift des ersten Absatzes an Gen. Nazarov ins Komitee für Angelegenheiten der Kunst zu schicken. 15.3.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 2 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Potemkin, das 2. zu den Akten. AVP RF, f. 011, op. 2, p. 12, d. 43, l. 67–65. Original.
Nr. 239 Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov 11 12 Nr. 239 4. 3. 1938 4. 3. 1938 Geheim Expl. Nr. 5 Nr. 5094a/l. 4. März 1938 AN DEN GESCHÄFTSTRÄGER DER UDSSR IN DEUTSCHLAND Gen. ASTACHOV Sehr geehrter Georgij Aleksandrovič, wir hätten gern Informationen über die soeben aufgenommenen Verhandlungen zwischen England und Deutschland, falls man das Gespräch Hendersons mit Hitler1 als einen derartigen Auftakt ansehen kann. Weiterhin wäre es wünschenswert zu wissen, ob England und Frankreich tatsächlich Vorstellungen hinsichtlich Österreichs erhoben haben. Die Zeitungen schrieben, dass Paris noch vor dem Rücktritt Edens2 London eine gemeinsame Demarche vorgeschlagen habe, die dann nach dem Rücktritt Edens von Chamberlain abgelehnt worden sei. Bedeutet dies etwa, dass anstelle einer gemeinsamen Demarche nun parallele Vorstellungen in
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Volkskommissariat für Finanzen. Der Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen Am 3.3.1938. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. I, Dok. 138, S. 196–203. Der britische Außenminister Eden trat am 20.2.1938 zurück.
7. 3. 1938 Nr. 240 Berlin erhoben wurden, oder sind die Informationen über derartige Vorstellungen überhaupt zutreffend?3 Wir verstehen die Begrenztheit Ihrer Informationsquellen sehr gut. Ich meine, dass man auch nicht jeglicher Information nachjagen muss. Ich bezweifle, dass die Vertreter kleiner Mächte wie Litauen, Lettland usw. über die Verhandlungen zwischen den Großmächten tatsächlich im Bilde sein können. Am besten wäre es, von Zeit zu Zeit bei der Französischen Botschaft vorbeizuschauen, um dort Informationen aus erster Hand zu bekommen. Ich möchte mich nicht in die von Ihnen aufgeworfene Frage bezüglich der Kursunterschiede einmischen, weil ich damit nicht ganz vertraut bin. Mich verwundert lediglich die von Ihnen geäußerte Befürchtung, dass die Deutschen die Finanzquellen von TASS usw. erahnen könnten.4 Sie wissen sehr gut, dass weder die Deutsche Botschaft noch die deutschen Konsulate und Journalisten in unseren Banken Geld eintauschen. Wir wissen sehr gut, dass sie sich alle aus illegalen Quellen finanzieren, insbesondere durch illegale Einfuhr und durch Ankäufe von Goldrubel an der Schwarzbörse. Befürchtungen wie die unsrigen beunruhigen die deutsche Regierung offensichtlich in keiner Weise, und ich denke nicht, dass wir wegen möglicher Verdächtigungen durch die andere Seite besonders beunruhigt sein sollten. LITVINOV Vermerk mit Bleistift: A[rchiv]. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. an Gen. Vajnštejn, das 5. ins Archiv. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 55, l. 5–6. Kopie.
Nr. 240 Verbalnote der Deutschen Botschaft Moskau an das NKID Nr. 240 7. 3. 1938 7. 3. 1938 Moskau, den 7. März 1938 Tgb.Nr. C III e gen. An das Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten in Moskau Verbalnote Die Junkers-Flugzeugwerk-Aktiengesellschaft mit Generallizenz von Professor Dr. Hugo Junkers in Dessau hatte am 29. Januar 1923 mit der Regierung der RSFSR 3 Am 17.2. suchte François-Poncet und am 18.2. Henderson (vgl. ADAP, Ser. D, Bd. I, Dok. 310, S. 437–438) Ribbentrop auf. Sie brachten in ihren Gesprächen mit ihm den Wunsch ihrer Regierungen zum Ausdruck, Informationen zum Stand der Dinge in der Österreich-Frage zu bekommen. 4 Vgl. SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 98, S. 162; vgl. auch Dok. 238.
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Nr. 240
7. 3. 1938
einen Konzessionsvertrag über Herstellung von Metallflugzeugen und Motoren abgeschlossen. Die Herstellung der Vertragsgegenstände während der Vertragsdauer erfolgte auf dem Werk Fili bei Moskau. Laut § 26 des Vertrages verpflichtete sich die Regierung der RSFSR, den auf dem Werk angewandten Patenten bis zur gesetzlichen Regelung der Frage denselben Schutz zu gewähren, den sie in Deutschland genießen. Es wurde sogar bestimmt, dass, falls in der RSFSR Patentgesetze herausgegeben werden, die den Schutz der Rechte des Konzessionärs im Vergleich zu dem Schutz in Deutschland verschlechtern, der Konzessionär verlangen könne, dass in Ansehung seiner Patente das für ihn vorteilhaftere deutsche Recht angewandt wird. Als in der Sowjet-Union im Jahre 1924 ein Patentgesetz erlassen wurde, hat Herr Prof. Dr. Junkers für die Junkers’schen Erfindungen nach dem neuen Gesetz Patente erwirkt. Es handelt sich insbesondere um folgende Patente: Nr. 3115, 3571, 3980, 4037, 4059, 7022, 5408, 4913, 4680, 4678, 4683, 5136, 10.286. Der Konzessionsvertrag wurde durch Liquidationsabkommen vom 5. März 1927 gelöst. Lt. § 9 dieses Abkommens sollte die Auflösung des Konzessionsvertrages den Übergang der von Junkers in Fili benutzten Patente und Lizenzen an die Regierung der RSFSR nicht zur Folge haben. Die Regierung verzichtete auch ausdrücklich hinsichtlich dieser Patente und Lizenzen auf die Rechte aus der vorherigen Benutzung in Fili. Trotz dieser klaren Bestimmungen sind die Junkers’schen Patente, Konstruktionen und Grundsätze in der Folgezeit verwertet worden. Die Firma besitzt dafür Unterlagen, die bei Verhandlungen über die Einzelheiten vorgelegt werden könnten. Besonders zweifelsfrei wurden die Patente der Firma Nr. 5408, 4913, 4678 und 4680 verletzt, und zwar beispielsweise durch die sowjetischen Flugzeuge, die unter der Bezeichnung ANT bekannt sind, insbesondere ANT 3, ANT 4, ANT 9. Weiterhin kennt die Firma auch einen zweimotorigen Eindecker durch seinen bekannten Flug nach Amerika. Es wird ferner auf die Typen J 4 und R 3 hingewiesen. Die Angelegenheit wurde der Sowjetseite in offizieller Form durch ein Schreiben von Professor Junkers an den Botschafter der UdSSR in Berlin vom 19. Mai 1930 vorgetragen. Das Schreiben wurde am 28. Mai 1930 bestätigt. An die Weiterverfolgung der Sache erinnerte die Firma mit Schreiben vom 6. August 1930 und erhielt daraufhin am 13. August lediglich den Bescheid, dass noch keine Antwort aus Moskau eingegangen sei. Prof. Junkers richtete an den Botschafter dann ein weiteres ausführliches Schreiben vom 30. September 1930, auf das eine Antwort nicht einging. Die Angelegenheit wurde sodann seitens der Deutschen Botschaft im Januar 1932 im Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten zur Sprache gebracht; nach wiederholter Erinnerung teilte das Volkskommissariat im September 1932 mit, dass der zuständigen Organisation „Avioobjedinenije“ nahegelegt worden sei, sich wegen einer Einigung mit Herrn Prof. Junkers in Verbindung zu setzen. Diese Verhandlungen verliefen jedoch ergebnislos. Eine daraufhin erfolgte nochmalige Intervention der Deutschen Botschaft blieb ebenfalls ohne Wirkung. Nachdem Herr Prof. Junkers im Jahre 1935 verstorben ist, hat sich der Rechtsbeauftragte seiner Witwe nunmehr an die Deutsche Botschaft gewandt mit der Bit-
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9. 3. 1938 Nr. 241 te, an die Regierung der Sowjet-Union mit der Bitte um endliche Regelung dieser Frage heranzutreten.1 Die Deutsche Botschaft beehrt sich, die Aufmerksamkeit der zuständigen Sowjetbehörden nochmals darauf zu lenken, dass der § 9 des Auseinandersetzungsvertrages vom 5. März 1927 zwischen den Junkerswerken und der Regierung der UdSSR ausdrücklich feststellt, dass die Regierung der UdSSR auf alle Rechte aus der vorherigen Benutzung der Patente auf dem Werke in Fili verzichte. Trotz dieses klaren vertraglichen Verzichtes ist, wie bereits oben bemerkt wurde, durch die Junkerswerke immer wieder festgestellt worden, dass ihre Patente, Konstruktionen und Erfahrungen beim Bau sowjetischer Flugzeuge angewandt wurden. Die Deutsche Botschaft bittet daher das Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten ihr baldmöglichst mitzuteilen, mit welcher Stelle ein Vertreter der Botschaft bzw. der Rechtsbeauftragte der Frau Professor Junkers Verhandlungen aufnehmen kann, die die Festsetzung einer angemessenen Entschädigung für die Patentverwendungen zum Ziele haben müssten. Stempel In einem Durchdruck. PA AA, Moskau 447, o. P., 4 Bl.
Nr. 241 Schreiben des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Handelspolitischen Abteilung im AA Schnurre an die Botschaft in Moskau 1 Nr. 241 9. 3. 1938 9. 3. 1938 Berlin, den 9. März 1938 Abschrift W IV O E 797/38 Auswärtiges Amt An die Deutsche Botschaft in Moskau Mit Beziehung auf den Erlass vom 6. Januar v. J. – W IV O E 11/37 –1 Nach 2monatigen Verhandlungen mit der Handelsvertretung der UdSSR in Berlin wurde am 1. März d. J. eine Vereinbarung2 unterzeichnet, durch die der mit dem 31. Dezember 1937 abgelaufene deutsch-sowjetische Wirtschaftsvertrag vom 24. Dezember 1936 bis zum Dezember 1938 verlängert worden ist. Die Struktur des Vertrages als Waren- und Verrechnungsabkommen ist die gleiche geblieben wie 1 Ein Rechtsanwalt der Familie Junkers hatte sich in dieser Frage mehrmals an das AA gewandt. Die Botschaft erhielt am 7.2.1938 vom AA den Auftrag, sich um diese Angelegenheit zu kümmern. Tippelskirch schickte einen Durchdruck der Note am 7.3.1938 an das AA mit der Bemerkung, dass die Botschaft, „da eine Antwort kaum zu erwarten ist, nach einiger Zeit auf die Angelegenheit zurückkommen“ wird. Vgl. PA AA, Moskau 447, o. P. 1 2
Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 619, S. 1532–1533. Vgl. Dok. 207, Anm. 16.
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Nr. 242
9. 3. 1938
bisher. Die Einfuhr sowjetischer Waren nach Deutschland kann weiterhin in den Höchstwerten der Einfuhr der Jahre 1934 oder 1935 erfolgen. Sowjetischen Waren gleichgestellt sind solche Waren, die von sowjetischen Außenhandelsorganen herkömmlicherweise aus Afghanistan, der Mongolei, Nord- und West-China nach Deutschland ausgeführt werden. Die Erlöse werden auf bei deutschen Banken geführten sowjetischen Sonderkonten eingezahlt. Über die auf den Sonderkonten stehenden Beträge kann von sowjetischer Seite zur Tilgung der im Jahre 1938 fällig werdenden Wechsel und, zur Bezahlung deutscher Lieferungen nach der UdSSR, die bis zum 31. Dezember 1938 fest abgeschlossen sind, verfügt werden. Sämtliche Nebenkosten, die mit diesen Geschäften verbunden sind, können jetzt ohne ziffernmäßige Begrenzung über die Sonderkonten verrechnet werden. Die Hauptschwierigkeiten bei den Verhandlungen machten die Frage der Abdeckung der im Jahre 1938 fällig werdenden sowjetischen Wechselverbindlichkeiten. Wir haben unseren Standpunkt, dass die diesjährige Regelung – Bezahlung aus den Sonderkonten – kein Präjudiz für die Zukunft sein dürfe, in einem Brief an die Handelsvertretung niedergelegt, der den Texten beigefügt ist. Die Russen haben diesen Brief nicht widerspruchslos hingenommen. Es hat nach Abschluss des Vertrages hierüber noch ein Briefwechsel vom 2. und 4. März stattgefunden, der ebenso wie die vereinbarten Texte in der Anlage beigefügt wird.3 Die Frage der Abdeckung der künftig fällig werdenden russischen Wechselverbindlichkeiten ist also nach wie vor offen. Im Auftrag gez. Schnurre PA AA, R 106230, Bl. E 041346-041347. 3
Nr. 242 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem deutschen Geschäftsträger in Moskau von Tippelskirch Nr. 242 9. 3. 1938 9. 3. 1938 Geheim Expl. Nr. 1 AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS Nr. 6147 [9.3.1938] GESPRÄCH MIT DEM DEUTSCHEN GESCHÄFTSTRÄGER TIPPELSKIRCH, 5.III.38 Ich bat Tippelskirch zu mir, um ihm mitzuteilen, dass die sowjetische Regierung mit dem Vorschlag der Regierung Deutschlands einverstanden ist, die Konsulate der UdSSR in Deutschland und die deutschen Konsulate in der UdSSR zum 3
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Die beiden Briefe sind vorhanden in: PA AA, R 105998, Bl. H 000984-000985.
9. 3. 1938 Nr. 242 15. Mai aufzulösen.1 Nachdem ich Tippelskirch darüber informiert hatte, fügte ich dem hinzu, dass die Tätigkeit der Konsulate in Leningrad2 und Novosibirsk am 15. Mai endgültig eingestellt sein müsste und das Konsulatspersonal zusammen mit seinem Eigentum aus der UdSSR evakuiert sein müsste. Tippelskirch versuchte einzuwenden, dass es beim Personal der deutschen Konsulate Personen gebe, die die Deutsche Botschaft nicht zwingen könne, zum 15. Mai aus der UdSSR abzureisen. Dazu gehöre beispielsweise Strecker vom Kiever Generalkonsulat. Seine Frau sei bekanntlich inhaftiert, man dürfe ihn nicht gewaltsam von ihr trennen. Darauf entgegnete ich, dass die Ehefrau Streckers sowjetische Staatsbürgerin und aufgrund der gegen sie erhobenen Anklage faktisch bereits von ihrem Ehemann getrennt sei. Aus diesem Grunde könnten wir für Strecker keine Ausnahme machen, und ich bestünde darauf, dass nach dem 15. Mai in Leningrad und in Novosibirsk weder die deutschen Konsulate noch deren Personal noch deren **bewegliches**3 Eigentum verblieben. In gleicher Weise würden wir mit unseren Konsulaten in Deutschland verfahren. Zum Abschluss des Gesprächs mit Tippelskirch brachte ich meine Verwunderung darüber zum Ausdruck, wie die Nachrichtenagentur HAVAS an die Information über die Verhandlungen der Deutschen Botschaft mit mir bezüglich der gegenseitigen Schließung von Konsulaten gelangt sei. Dabei sei die Angelegenheit von der Nachrichtenagentur so dargestellt worden, als ob die Regierung Deutschlands von der Regierung der UdSSR die Schließung der betreffenden Konsulate „gefordert“ hätte. Ich erinnerte Tippelskirch daran, dass er mir gegenüber lediglich von einer Bitte oder einem Vorschlag der deutschen Regierung gesprochen habe. Dem fügte ich hinzu, dass es bei diplomatischen Verhandlungen üblich sei, sich einseitiger Informationen an die Presse über deren Inhalt zu enthalten. Ich bedauerte es sehr, dass die Deutsche Botschaft von dieser Regel abgewichen sei. Nichtsdestotrotz wolle ich der Botschaft nicht mit gleicher Münze heimzahlen. Aus diesem Grund informiere ich Tippelskirch vorab, dass wir morgen beabsichtigten, in der Presse eine knappe Mitteilung bezüglich der erzielten Vereinbarung zwischen der Regierung der UdSSR und der Regierung Deutschlands zur gegenseitigen Schließung der Konsulate zum 15. Mai zu veröffentlichen.4 Tippelskirch antwortete, dass die Nachrichtenagentur Havas die Information über unsere Verhandlungen zur Schließung der Konsulate wahrscheinlich vom Korrespondenten des DNB5 erhalten habe. Diesen Journalisten habe Tippelskirch tatsächlich über den Vorschlag der deutschen Regierung informiert. Tippelskirch sei der Auffassung, dass wir der Botschaft wegen der einseitigen Information der Presse keinen Vorwurf machen sollten, weil wir selbst, ohne Abstimmung mit Schulenburg, in der Presse eine Mitteilung über die Schließung von einigen deutschen Konsulaten in der UdSSR veröffentlicht hätten. V. Potemkin
1 2 3 4 5
Vgl. Dok. 234. So im Dokument; richtig: Kiev. Das Wort ist mit blauem Farbstift über die Zeile geschrieben. Vgl. die Meldung in der Rubrik „Chronik“. In: Izvestija vom 6. März 1938, S. 4. Ernst Schüle.
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Nr. 243
12. 3. 1938
Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 Expl. Das 1. [Exemplar] zu den Akten, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. an die 2. Westabteilung, das 5. nach Berlin. 9.III.38 AVP RF, f. 011, op. 2, p. 20, d. 205, l. 102–101. Original.
Nr. 243 Schreiben des deutschen Geschäftsträgers in Moskau von Tippelskirch an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg [z.Z. in Berlin] Nr. 243 12. 3. 1938 12. 3. 1938 Moskau, den 12. März 1938 Sehr verehrter Herr Botschafter! Ich bitte um Entschuldigung, dass ich Ihnen bisher noch nicht geschrieben habe. Ich hatte nicht angenommen, dass Sie so lange in Berlin bleiben würden; auch waren die Ereignisse hier mehr oder weniger im Fluss. Über den Verlauf meiner Demarche betreffend Schließung der Konsulate werden Sie unterrichtet sein. Potemkin hat sich mit dem von uns vorgeschlagenen Termin einverstanden erklärt1, sodass die Konsulate, falls nichts Unvorhergesehenes passiert, am 15. Mai schließen. Die Sowjetregierung wünscht jedoch, dass das gesamte Konsulatspersonal nach Liquidierung unserer Konsulate die Sowjetunion verlässt. Ich habe gegen diese Forderung keine Einwendungen erhoben, da ich mir sagte, dass die Sowjetregierung es in der Hand hat, durch Verweigerung der Aufenthaltserlaubnis die Beamten zum Verlassen des Landes zu zwingen. Wir sind danach nicht in der Lage, Beamte von Kiew oder Nowosibirsk an die Botschaft zu übernehmen. Die erste Folge hiervon ist, dass uns anstelle von Herrn Wirth, der nicht in Moskau bleiben will, ein Beamter vom Auswärtigen Amt überwiesen werden muss, da der in Aussicht gestellte Ersatzmann aus Kiew wegfällt. Am 9. März habe ich von Herrn Prüfer folgendes Telegramm erhalten: „Kommissorium Speiser bis Eintreffen Großkopf verlängert. Über weitere Verwendung noch nichts Endgültiges bestimmt.“ Ich verstehe dies so, dass das Auswärtige Amt beabsichtigt, Herrn Großkopf an die Botschaft in Moskau zu versetzen. Dies ist aber angesichts des Verlangens der Sowjetregierung, dass kein Beamter von den liquidierten Konsulaten in der Sowjetunion bleiben soll, nicht zu verwirklichen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie, sehr verehrter Herr Botschafter, diese Frage mit Herrn Prüfer besprechen und klären könnten. Eine weitere Schwierigkeit hat sich dadurch ergeben, dass die Protokollabteilung des Außenkommissariats abgelehnt hat, die Pässe von Herrn Kopp, Herrn und Frau Eisenhart und Herrn Bretschneider zu registrieren. Nachdem die Pässe 6 Wochen bei der Protokollabteilung gelegen haben und trotz wiederholter Erinnerung nicht registriert worden sind, ist uns nunmehr mitgeteilt worden, dass die Pässe
1
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Vgl. Dok. 234, 242.
12. 3. 1938 Nr. 243 nicht registriert werden würden und abgeholt werden sollen. Ich werde morgen Nachmittag dieserhalb eine Besprechung mit Barkow haben. Nach meinen Eindrücken muss ich befürchten, dass das Außenkommissariat verlangen wird, dass die Genannten die Sowjetunion verlassen. Ich werde mein Möglichstes tun, den Verbleib von Kopp, Eisenhart und Bretschneider durchzusetzen. Ich weiß aber nicht, ob ich damit durchdringen werde, da auch den Italienern gegenüber das Außenkommissariat ein ähnliches Verlangen gestellt hat. Die Russen wollen offenbar nicht zulassen, dass Beamte, die früher an einem Konsulat gearbeitet haben, nach der Liquidierung bei der Botschaft beschäftigt werden. Sollten die Genannten abreisen müssen, so wäre es unbedingt notwendig, dass das Auswärtige Amt sofort der Botschaft Ersatz schickt. Das Personal der Botschaft ist nunmehr derart reduziert, dass ich den Dienstbetrieb nicht mehr durchführen kann. Auch habe ich vom Auswärtigen Amt Weisung, einen Amtsgehilfen unverzüglich nach Kiew zu entsenden. Dies kann erst Ende des Monats geschehen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie auch diese Frage mit der Personalabteilung besprechen könnten. Herr Großkopf ist zur Zeit in Moskau und wir besprechen die geradezu unglaublichen Verhältnisse in Kiew. Es wird schließlich nichts anderes übrig bleiben, **als dass er die Beamten in das Gebäude des Generalkonsulats umquartiert und versucht**2, das Generalkonsulat sobald als möglich zu liquidieren. Mit der Bitte freundlichst zu entschuldigen, dass ich Sie mit diesen Fragen behellige, und in der Hoffnung, dass es Ihnen persönlich recht gut geht, bin ich, sehr verehrter Herr Botschafter, Heil Hitler! wie stets Ihr Ihnen aufrichtig ergebener von Tippelskirch Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben: Eing. 17.3.38 Berlin. Auf Kopfbogen der Deutschen Botschaft geschrieben. BArch, N 2273/136, o. P., 3 Bl.
2 Der Text ist korrigiert; ursprünglich: dass wir die Beamten in das Gebäude des Generalkonsulats umquartieren und versuchen.
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Nr. 244
12. 3. 1938
Nr. 244 Bericht des deutschen Geschäftsträgers in Moskau von Tippelskirch an das AA Nr. 244 12. 3. 1938 12. 3. 1938 Moskau, den 12. März 1938 Tgb.Nr. C IV a Verh.adh. Durchschlag An das Auswärtige Amt Berlin Unter Bezugnahme auf den Bericht vom 7. Februar 1938 – C IV a Verh.a.dh. –1 Inhalt: Haftfälle in der Sowjet-Union Die seit dem 7.2.38 stattgefundenen Ausweisungen haben trotz einiger neuer Haftfälle eine weitere Verminderung der Gesamtzahl der in der Haftliste aufgeführten Fälle zur Folge gehabt. Die nachstehende Zusammenstellung, bei der, um eine bessere Vergleichsmöglichkeit herbeizuführen, wieder wie in der im nebenstehenden Bericht aufgeführten Liste, vom Stand am 1. November 1937, ausgegangen wurde, gibt einen Überblick über die Entwicklung der Gefangenenfrage: Stand der Haftliste am 1.XI.1937 508 Ausgewiesene, die die Sowjet-Union verlassen haben – 138 370 Verhaftete, die zur Ausweisung angemeldet sind – 86 284 Es wurden der Botschaft als verhaftet gemeldet: im November 1937 96 im Dezember 1937 38 im Januar 1938 23 im Februar 1988 17 vom 1.-10. März 1938 1 175 Davon waren bereits vor + 125 dem November verhaftet – 50 125 409 Anderweitige Abgänge: ausgebürgert Sowjetstaatsangehörigkeit angenommen aus der Haft entlassen sonstige
26 6 4 6 42
– 42 367
Die Gesamtzahl der noch unerledigt in der Haftliste geführten Fälle ist also gegen den Vormonat um 41 Fälle zurückgegangen. 1
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Vgl. Dok. 211.
14. 3. 1938 Nr. 245 Auch in dieser Aufstellung sind nur diejenigen Häftlinge berücksichtigt, die in der Haftliste aufgeführt sind. Die insgesamt zur Ausweisung angemeldeten Reichsdeutschen betragen 357. Hiervon sind 230 in der Haftliste gewesen, 8 sind ausgebürgert worden, sodass die Gesamtzahl der der Botschaft nicht bekannten ausgewiesenen Häftlinge 119, d. h. etwa 50% der der Botschaft bekannten beträgt. Von den 357 Ausgewiesenen sind bereits 194 nach Deutschland zurückgekehrt. Unter den zur Ausweisung angemeldeten Häftlingen befinden sich 14 Personen, deren Ausweisung der Herr Botschafter, Graf von der Schulenburg, in einer Unterredung mit Herrn Potemkin vom 21.1.19382 als besonders erwünscht bezeichnet hatte; vier von diesen haben die Sowjet-Union bereits verlassen. Außerdem wurde inzwischen die Ausweisung des Ehepaars Futterknecht in Aussicht gestellt. Die Botschaft dringt auch weiterhin im Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf Beschleunigung der Ausweisungen. gez. von Tippelskirch Auf erstem Blatt am Seitenrand: ab 12/3. In drei Durchschlägen gefertigt. PA AA, Moskau 420, o. P., 2 Bl.
2
Nr. 245 Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Ežov Nr. 245 14. 3. 1938 14. 3. 1938 Geheim Expl. Nr. 4 5115/l. 14. März [1938] AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN DER UdSSR Gen. N.I. EŽOV Im Zusammenhang mit dem Beschluss der Weisungsinstanz bezüglich des Deutschen Konsulats in Kiev1 bitte ich Sie, der Verwaltung des NKVD in Kiev Weisung zu erteilen, damit sie sich bei unserer Agentur2 über den Kern der deutschen Beschwerden kundig macht. Im Prinzip laufen diese Beschwerden darauf hinaus, 2
Vgl. Dok. 200.
1
Vgl. Schreiben Litvinovs an Stalin vom 13.3.1938. In: AVP RF, f. 05, op. 18, p. 137, d. 1, l. 117. Darauf fußend fasste das Politbüro des ZK der VKP (B) am gleichen Tag den Beschluss, in dem es hieß: „Das Narkomvnudel ist anzuweisen, sich zu den Beschwerden, die von der Deutschen Botschaft beim NKID wegen der Existenzbedingungen des Konsulats in Kiev eingehen, aufmerksam zu verhalten und Maßnahmen zu ergreifen, um Anlässe für berechtigte Beschwerden zu beseitigen.“ In: RGASPI, f. 17, op. 162, d. 22, l. 150 (Protokoll Nr. 59, Pkt. 156, Sondermappe). 2 Gemeint ist der Apparat des diplomatischen Agenten des NKID.
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Nr. 246
14. 3. 1938
dass sowjetische Bürger und Organisationen es ablehnen, für das Deutsche Konsulat Dienstleistungen zu verrichten, sodass die Räumlichkeiten des Konsulats und der Mitarbeiter wegen fehlender Heizer nicht beheizt werden, das elektrische Licht und die Telefone abgeschaltet sind, die Wohnungen wegen defekter Wasserleitungen, die niemand reparieren will, unter Wasser stehen usw. Da das Deutsche Konsulat in zwei Monaten schließen muss, ist es erforderlich, ihm für diese Zeitspanne erträgliche Existenzbedingungen zu verschaffen. Dies ist umso notwendiger, als Deutschland damit **begonnen**3 hat, gegen unsere Konsulate in Hamburg und Königsberg analoge Repressionen anzuwenden.4 LITVINOV Vermerk mit rotem Farbstift: NKVD. Vermerk mit Bleistift: A[rchiv]. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. ins Archiv. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 138, d. 7, l. 11. Kopie.
Nr. 246 Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin Nr. 246 14. 3. 1938 14. 3. 1938 Geheim Expl. Nr. 10 Nr. 5114/l. 14. März 1938 AN DEN GENERALSEKRETÄR DES ZK DER VKP (B) Gen. STALIN Kopien an:
Gen. MOLOTOV Gen. KAGANOVIČ Gen. VOROŠILOV Gen. EŽOV
Die Einverleibung Österreichs ist das bedeutendste Ereignis nach dem Weltkrieg und geht mit den größten Gefahren einher, nicht zuletzt für unsere Union. Dieses Ereignis mit Schweigen zu übergehen und völlige Passivität an den Tag zu 3 4
Das Wort ist über die Zeile geschrieben. Am 23.3.1938 richtete Litvinov erneut ein Schreiben an Ežov. Darin stellte Litvinov fest: „Mit Beschluss des ZK vom 13. März, Nr. P 59/156, wurde das Narkomvnudel angewiesen, Maßnahmen zur Beseitigung der Anlässe für die berechtigen Beschwerden des Deutschen Konsulats in Kiev zu ergreifen. Unser diplomatischer Agent teilt uns mit, dass Ihr Beauftragter in Kiev diesen Beschluss überhaupt nicht kennt, und er demzufolge nicht erfüllt wird und das Deutsche Konsulat nach wie vor in der gleichen Lage verbleibt.“ In: AVP RF, f. 05, op. 18, p. 138, d. 7, l. 13.
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14. 3. 1938 Nr. 246 legen, ist mit unserer Friedenspolitik und unserer Haltung im Völkerbund unvereinbar. Ich hielte es für überaus nützlich, mit einer Erklärung den Mächten unsere Haltung darzulegen, und der Entwurf für eine solche Erklärung, die ich England, Frankreich und die Tschechoslowakei zu unterbreiten vorschlagen würde, ist in der Anlage beigefügt. Ich erwarte keinerlei offizielle Reaktionen auf unsere Erklärung, insbesondere nicht von England, das nicht gewillt ist, sich durch irgendwelche praktischen Erklärungen zu binden **1. Somit ergeben sich für uns aus dieser Erklärung keinerlei neue Verpflichtungen, um unser Ziel zu erreichen. Und dieses Ziel besteht in Folgendem: 1. Die pazifistischen Kreise aufzurütteln und zu mobilisieren und sie zum Sturm gegen die Regierung Chamberlain zu bewegen. 2. Die neue Volksfrontregierung in Frankreich zu stärken. 3. Der Tschechoslowakei, die von uns eine Reaktion erwartet (Frankreich hat in letzter Zeit einige Male seine Entschlossenheit zum Ausdruck gebracht, der Tschechoslowakei zu Hilfe zu eilen), Mut zuzusprechen, ebenso wie anderen kleinen Staaten, die anderenfalls im Rachen des deutschen Haifischs landen können. 4. Die Verantwortung für den weiteren Gang der Ereignisse England aufzuerlegen. 5. Eine Antwort auf die Insinuation über die Schwächung unseres Staates infolge der Prozesse2 zu geben. 6. Die weltweite Aufmerksamkeit von dem Hexentanz, den die Auslandspresse rund um den soeben beendeten Prozess aufführt, wegzuführen. LITVINOV Vermerk mit Bleistift: A[rchiv]. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 10 Expl. [Die Exemplare] 1–6 an die Adresse, das 7. [Exemplar] an Gen. Potemkin, das 8. an Gen. Stomonjakov, das 9. an Gen. Litvinov.
ANLAGE: Das Vorgenannte. Zu Nr. 5114/l. ENTWURF EINER ERKLÄRUNG Die sowjetische Regierung, die seit den ersten Tagen ihrer Existenz eine Politik betreibt, die auf die Gewährleistung eines dauerhaften Friedens für alle Völker gerichtet ist, war und ist stets der Auffassung, dass mit einer allgemeinen Abrüstung die beste effektive Garantie für einen solchen Frieden gegeben wäre. Diesem Ziel folgend hat sie bereits 1927 in der Vorbereitungskommission für die Abrüstungskonferenz einen Vorschlag zur vollständigen allgemeinen Abrüstung vorgelegt, der leider von den anderen Kommissionsmitgliedern abgelehnt wurde. Dies ist umso 1 2
Der an dieser Stelle stehende Text ist gestrichen: die ihm in Zukunft die Hände binden. Gemeint sind die Schauprozesse, die in der UdSSR von 1936 bis 1938 stattfanden (der Prozess gegen das „Antisowjetische vereinigte trotzkistisch-sinowjewistische Zentrum“, Moskau, vom 19. bis 24. August 1936; der Prozess gegen das „Parallele antisowjetische trotzkistische Zentrum“, Moskau, 23. bis 30. Januar 1937; der Prozess gegen den „Antisowjetischen rechtstrotzkistischen Block“, Moskau, 2. bis 13. März 1938).
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Nr. 246
14. 3. 1938
mehr zu bedauern, als man damals noch damit hätte rechnen können, dass sich jene Staaten der Konferenz über vollständige Abrüstung anschließen könnten, die heute die Gewaltandrohung und den Waffeneinsatz zum Dreh- und Angelpunkt ihrer Außenpolitik gemacht haben, und denen gegenüber es jetzt äußerst naiv wäre, irgendwelche effektiven Abrüstungspläne vorzuschlagen. Als die sowjetische Regierung dem Völkerbund beitrat mit dem Ziel einer organisierten Zusammenarbeit mit den anderen friedliebenden Staaten, nutzte sie jede sich bietende Gelegenheit, um andere, obgleich weniger effektive Garantien für den Frieden zu empfehlen, die sie in der Schaffung eines Systems der kollektiven Sicherheit im Rahmen des Völkerbundes sowie in regionalen Beistandspakten sah. Die sowjetische Regierung beschritt diesen Weg in der Praxis und schloss mit Frankreich3 und der Tschechoslowakei4 solche Pakte, die keinen einzigen Staat bedrohten, da es keine Aggressionsabsichten gab. Die in den letzten vier Jahren erfolgten Verstöße gegen die im Völkerbundpakt und im Pariser Briand-Kellogg-Pakt5 fixierten internationalen Verpflichtungen und der Überfall von einigen Staaten auf andere waren für die sowjetische Regierung Veranlassung, nicht nur ihre negative Haltung zu diesen internationalen Verbrechen zum Ausdruck zu bringen, sondern auch ihre Bereitschaft zu erklären, sich an allen auf die kollektive Abwehr eines Aggressors gerichteten Maßnahmen zu beteiligen, ungeachtet einer unausweichlichen Verschlechterung ihrer Beziehungen zum Aggressor. Dabei warnte die sowjetische Regierung davor, dass internationale Passivität und Straffreiheit für die Aggression in nur einem Fall in fataler Weise eine Wiederholung und Vervielfachung dieser Fälle nach sich ziehen würde. Die Vorfälle im internationalen Leben bestätigen leider die Richtigkeit dieser Warnungen. Eine erneute Bestätigung erfuhren sie in dem in diesen Tagen vollzogenem Einmarsch in Österreich und in der gewaltsamen Beseitigung der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Unabhängigkeit des österreichischen Volkes. Wenn sich früher Fälle von Aggression in mehr oder weniger weit von Europa entfernten Kontinenten oder am Rande Europas abspielten, wo, neben den Interessen des Aggressionsopfers lediglich die Interessen einiger der nächstgelegenen Länder beeinträchtigt wurden, so spielt sich dieses Mal die Gewalt mitten in Europa ab, und stellt zweifelsfrei eine Bedrohung nicht nur für alle 11 derzeit an den Aggressor angrenzenden Staaten, sondern auch für alle europäischen Staaten, und nicht nur für die europäischen, dar. Es ist eine Bedrohung in erster Linie für die territoriale Integrität und auf jeden Fall für die politische, wirtschaftliche und kulturelle Unabhängigkeit der kleinen Völker entstanden, deren zwangsläufige Unterjochung die Voraussetzung für Druck und sogar für Überfälle auch auf große Staaten bildet. Die entstandene Situation konfrontiert alle friedliebenden Staaten, und insbesondere die Großmächte, mit der Frage ihrer Verantwortung für das weitere Schicksal der Völker Europas, und nicht nur Europas. Im Bewusstsein ihres Anteils an dieser Verantwortung, im Bewusstsein der Verpflichtungen, die sich für sie aus dem Völkerbundstatut, aus dem Briand-Kellogg-Pakt und aus den mit Frankreich 3 4 5
Am 2.5.1935. Am 16.5.1935. In dem Kriegsächtungspakt wurde in Art. 1 beschlossen, auf den Krieg als Werkzeug nationaler Politik zu verzichten. Der Pakt wurde am 27.8.1928 in Paris von 15 Staaten unterzeichnet.
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15. 3. 1938 Nr. 247 und der Tschechoslowakei abgeschlossenen Beistandspakten ergeben, erachtet es die sowjetische Regierung für erforderlich zu erklären, dass sie nach wie vor bereit ist, sich an allen kollektiven Maßnahmen zu beteiligen, die gemeinsam mit ihr beschlossen werden und zum Ziel haben, eine Ausweitung der Aggression aufzuhalten und die sich verschärfende Gefahr eines neuen Weltkrieges zu beseitigen. Morgen könnte es bereits zu spät sein, aber heute gibt es dafür noch Zeit, wenn alle Staaten, insbesondere die Großmächte, eine feste und unzweideutige Haltung zu den Problemen der kollektiven Rettung des Friedens durch kollektives Handeln einnehmen.6 Vermerk mit Bleistift auf der ersten Seite der Anlage: veröffentlicht am 17.III.38.7 Am Ende der Anlage ist die Anzahl der Exemplare vermerkt: 10 Expl. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 137, d. 1, l. 118–122. Kopie.
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Nr. 247 Bericht des Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Davydov und des Stellv. Leiters Smolenskij an den Volkskommissar für Außenhandel Čvjalev Nr. 247 15. 3. 1938 15. 3. 1938 Ganz geheim Kopie HANDELSVERTRETUNG DER UdSSR IN DEUTSCHLAND Nr. 4323/6 15.III.19381 An den Volkskommissar für Außenhandel Gen. E.D. ČVJALEV Kopie an: den Stellv. Volkskommissar für Außenhandel Gen. A.F. MEREKALOV Das Treffen mit dem Stellvertreter des Ministers Herrn Brinkmann, das für den 28.II. und für den 4.III. anberaumt war, wurde aus Gründen, die angeblich nicht 6 Stalin änderte den Text der Erklärung sowohl inhaltlich als auch stilistisch, indem er den ersten Absatz strich und einen neuen vor dem letzten Absatz einfügte: „In erster Linie entsteht eine Bedrohung für die Tschechoslowakei, und aufgrund der ansteckenden Wirkung der Aggression droht dann die Gefahr in neue internationale Konflikte auszuufern, was sich bereits in der beunruhigenden Situation äußert, die an der polnisch-litauischen Grenze entstanden ist." Vgl. „V Narkomindele“ (Im Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten). In: Izvestija vom 18. März 1938, S. 1. 7 So im Dokument; richtig: 18.III.38. Der Standpunkt der sowjetischen Regierung zu der durch den Anschluss Österreichs entstandenen internationalen Lage wurde von Litvinov am 17.3.1938 bei einem Treffen mit ausländischen und sowjetischen Journalisten dargelegt. 1 Das Dokument ist nach der Kopie datiert, die auf Weisung von Čvjalev am 15.3. an Mikojan geschickt wurde, der seinerseits entschied, es Molotov zuzuschicken. Zum Original des Schreibens an die Leitung des NKVT der UdSSR vom 11.3.1938 vgl. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2808, l. 14-14R.
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Nr. 247
15. 3. 1938
von ihm abhingen, vertagt. Dieses Treffen fand nun am 11. März im Wirtschaftsministerium statt. Von unserer Seite nahmen daran ich und Gen. Smolenskij teil; von ihrer Seite war außer Herrn Brinkmann Herr Spitta zugegen. Das Gespräch drehte sich ausschließlich um ein neues Kreditabkommen.2 Herr Brinkmann erklärte, dass die Grundvoraussetzung für ein Kreditabkommen, ohne in eine Erörterung von Details eintreten zu wollen, darin bestünde, die Lieferung der von Deutschland benötigten Rohstoffe zu erhöhen. Obgleich er eingangs klarstellte, dass eine vorfristige Tilgung unserer Wechselverbindlichkeiten zum 200Millionen-Kredit3 Voraussetzung für den Abschluss eines neuen Kreditabkommens sein müsse, führte er im weiteren Gesprächsverlauf aus: Dies bedeute nicht, dass wir lediglich die Rohstoffe, die die deutsche Seite benötige, zu absolut exakten, vorher vereinbarten Fristen liefern müssten. Er verstehe, dass es einen verbindlichen Exportplan gebe und dieser Plan von uns nicht verletzt werden könne. Es ginge lediglich darum, dass wir ihrem Bedarf an Rohstoffen Rechnung trügen und ihren Wünschen wohlwollend nachkämen, und dass eine derartige Warenlieferung zusätzlich zu dem Umfang erfolgen müsste, der für das laufende Abkommen für 1938 beabsichtigt ist. Ferner erklärte er, dass er, da er von uns überhaupt nichts Konkretes habe, es nicht für möglich erachte, seine Regierung zu einem Kreditabkommen zu bewegen. Er gehe selbstverständlich davon aus, wie er erklärte, dass der [Waren]Umsatz auf dieser Grundlage bedeutend größer als der von 1937 ausfallen müsse. Er meine sogar, dass der [Waren]Umsatz von 1937 keine Größe darstelle, die man als Vergleichsgröße heranziehen sollte. Was die von uns realisierten Exportpreise betreffe, so sehe er hier keine Schwierigkeiten voraus, da man, wie immer in der Vergangenheit, zu einer vernünftigen Vereinbarung gelangen könne. Er erklärte, dass er jetzt nicht in eine Erörterung von Details eintreten werde und zu diesem Zwecke Herrn Spitta bevollmächtige, die weiteren Verhandlungen zu führen. Dabei sprach er die Zuversicht aus, dass er bestrebt sein werde, dass ein solches Abkommen zum Vorteil für beide Seiten zustande komme. Auf unsere Bemerkung zur Warenliste, die wir für die Abstimmung mit der deutschen Seite vorlegen müssten, antwortete er, dass dies natürlich solche Waren sein sollten, die generell für den Export freigegeben wären. Was jedoch die Kreditlaufzeit (7 Jahre) und den Kreditzins (wir nannten 4,5% p.a.) betreffe, so wären diese Fragen nicht von grundsätzlicher Natur und könnten nicht als Hinderungsgrund für den Abschluss des Abkommens dienen. Er beauftragte Direktor Spitta, eine Liste der Waren zu erstellen, die für sie von Interesse sind, und letzterer erklärte, dass Mitte nächster Woche, d.h. ungefähr am 16. März, uns eine solche Liste vorgelegt werde. Zugleich bat er darum, dass wir unsererseits eine Liste der von uns erwünschten Ausrüstungen erstellen mögen, worauf wir antworteten, dass wir sie zu diesem 2 Gemeint ist der Vorschlag von deutscher Seite vom 20.1.1938 über einen Kredit an die UdSSR in Höhe von 200 Mio. RM mit einer Laufzeit von 5 Jahren (siehe Dok. 198, 205), über dessen Bedingungen Mitte Februar 1938 die Verhandlungen aufgenommen wurden. Vgl. Dok. 214, 226. 3 Laut Abkommen vom 9.4.1935 gewährte Deutschland der UdSSR einen 200-MillionenWechselkredit mit einer Laufzeit von 5 Jahren. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933– 1941, Bd. 2, Dok. 116, S. 422–428.
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15. 3. 1938 Nr. 247 Termin, d.h. am 16. März, nicht vorlegen könnten, wir aber auf jeden Fall dafür Vorarbeiten durchführen würden. Auf unseren Vorschlag eingehend versprach Direktor Spitta, die Frage einer Kreditlaufzeit von 7 Jahren und eines Kreditzinses von 4,5% p.a. parallel zu bearbeiten. Ergebnisse der heutigen Verhandlungen sind: erstens: die neuerliche Bekräftigung des uns unterbreiteten Kreditvorschlages, wobei Brinkmann unterstrich, dass dazu das Einverständnis von Feldmarschall Göring und von Wirtschaftsminister Funk vorliege; zweitens: die Deutschen verzichteten auf das Prinzip einer langfristigen Tilgung unserer Wechselverbindlichkeiten, und im Gegenzug wünschen sie eine Liefererweiterung unserer Rohstoffe nach einer zwischen den Seiten abgestimmten Liste; drittens: bei einer vertraglichen Vereinbarung über zusätzliche Lieferungen stellen alle sonstigen Fragen des Abkommens keine sehr großen Schwierigkeiten dar.4 Über den weiteren Fortgang werden wir Sie in Kenntnis setzen.5 HANDELSVERTRETUNG DER UdSSR IN DEUTSCHLAND V. DAVYDOV SMOLENSKIJ Für die Richtigkeit:6 **Nr. 17/s 20/III-38**7 Vermerk A.I. Mikojans mit Bleistift: an Gen. Molotov. A. Mikojan.8 Vermerk V.M. Molotovs mit Bleistift: M. RGASPI, f. 82, op. 2, d. 721, l. 18–20. Beglaubigte Kopie. Veröffentlicht in: Moskva-Berlin, Bd. 3, Dok. 175, S. 261–262.
4 Vgl. die Aufzeichnung Schnurres vom 12.3.1938 über eine interne Sitzung, bei der über das Gespräch vom 11.3. informiert wurde. In: PA AA, R 106230, Bl. 452563-452564. 5 Vgl. Dok. 253. 6 Die Unterschrift ist nicht lesbar. 7 Der Text ist mit Tinte eingefügt. 8 Auf dem veröffentlichten Dokument, das im Präsidentenarchiv verwahrt wird, befindet sich die Bemerkung Mikojans, dass eine Kopie an Stalin geschickt wurde; vgl. Moskva-Berlin, Bd. 3, Dok. 175, S. 262.
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Nr. 248
20. 3. 1938
Nr. 248 Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin Nr. 248 20. 3. 1938 20. 3. 1938 Geheim Expl. Nr. 5 Nr. 5135/l. 20. März 1938 AN DEN GENERALSEKRETÄR DES ZK DER VKP (B) Gen. STALIN Kopien an:
Gen. MOLOTOV Gen. KAGANOVIČ Gen. VOROŠILOV Gen. EŽOV
Es ist unumgänglich, die Schlussfolgerungen aus der Liquidierung Österreichs als selbständiger Staat zu ziehen und unsere Wiener Bevollmächtigte Vertretung aufzulösen. Dies beabsichtigen auch andere Staaten zu tun, jedoch gedenken einige von ihnen, ihre diplomatischen Missionen in Generalkonsulate umzuwandeln. Uns fällt dies natürlich schwerer, da wir beschlossen haben, zum 15. Mai zwei deutsche Konsulate in der Sowjetunion zu schließen.1 Wien ist und bleibt jedoch ein wichtiges Zentrum im Herzen Europas, und dort ein Konsulat einzurichten, erscheint mir zweckmäßig. Falls dies als wünschenswert angesehen wird, könnte der deutschen Regierung vorgeschlagen werden, im Gegenzug für unser Konsulat in Wien ihr Konsulat in Kiev zu belassen. In diesem Fall müssten selbstverständlich normale Existenzbedingungen für das Deutsche Konsulat gewährleistet werden. Erbitte Weisungen. LITVINOV BESCHLUSSENTWURF 1. Angesichts der Liquidierung Österreichs als selbständiger Staat ist die Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Wien aufzulösen. Bei einer positiven Entscheidung ist zu ergänzen: 2. Bei der deutschen Regierung ist die Möglichkeit zu sondieren, im Gegenzug für die Beibehaltung des Deutschen Konsulats in Kiev ein sowjetisches Generalkonsulat in Wien zu eröffnen.2
1 Vgl. Beschluss des Politbüros des ZK der VKP (B) vom 4.3.1938 (Protokoll Nr. 59, Pkt. 50, Sondermappe). In: RGASPI, f. 17, op. 12, d. 22, l. 142. 2 Am 27.3.1938 fasste das Politbüro des ZK der VKP (B) auf der Grundlage des Schreibens Litvinovs folgenden Beschluss: „Angesichts der Liquidierung Österreichs als selbständiger Staat ist die Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Wien aufzulösen, ohne dort ein Konsulat einzurichten.“ In: RGASPI, f. 17, op. 162, d. 22, l. 159 (Protokoll Nr. 59, Pkt. 294, Sondermappe).
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22. 3. 1938 Nr. 249 Unten rechts befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars für Verteidigung der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 1179s vom 21.3.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 10 Expl. [Die Exemplare] 1–6 an die Adresse, das 7. [Exemplar] an Gen. Potemkin, das 8. an Gen. Stomonjakov, das 9. an Gen. Litvinov. RGVA, f. 33987, op. 3, d. 1080, l. 69. Kopie.
Nr. 249 Bericht des deutschen Geschäftsträgers in Moskau von Tippelskirch an das AA Nr. 249 22. 3. 1938 22. 3. 1938 Moskau, den 22. März 1938 Geheim Durchschlag Deutsche Botschaft An das Auswärtige Amt Berlin E/71 Auf den Erlass H 1243/37 vom 30.11.37 und unter Bezugnahme auf den Bericht […] vom 26.3.37 (vgl. auch Bericht […] vom 30.3.37) sowie auf die Schreiben OE/270 vom 7.10.37 an Herrn Legationsrat Schwager und E/30 vom [..]3.1.38 an Herrn Generalkonsul Buttmann. Inhalt: Aufwendungen für kultur- und kirchenpolitische Zwecke und Unterstützung von Volksdeutschen Im Hinblick auf die gegenwärtigen Verhältnisse in der Sowjetunion und den Charakter der deutsch-sowjetischen Beziehungen sieht die Botschaft von Anforderungen für kulturpolitische Zwecke für das Rechnungsjahr 1938/39 ab. Was die Unterstützung der kirchlichen Kreise sowie der Volksdeutschen Konfessionen betrifft, so werden die Möglichkeiten hierfür immer geringer, da der hier herrschende Terror einen unmittelbaren Kontakt zwischen der Botschaft und den unterstützungsbedürftigen Personen nahezu völlig ausschließt. Mit der Liquidierung der deutschen konsularischen Vertretungen in der UdSSR verschwinden weitere Möglichkeiten, an die notleidenden kirchlichen und volksdeutschen Kreise heranzukommen. Die hiesige Delegation des Internationalen Roten Kreuzes, die sich bisher in dankenswerter Weise in den Dienst dieser humanitären Aufgabe gestellt und Geldüberweisungen für unterstützungsbedürftige Volksdeutsche vermittelt hat, wird demnächst aufgelöst, sodass auch diese Möglichkeit bald nicht mehr bestehen wird. Trotz alledem will die Botschaft auf die Unterstützung der notleidenden Volksdeutschen in der UdSSR nicht ganz verzichten und wird auch in Zu3 Berichts-Nummern und Datum sind auf der Kopie nicht vollständig zu erkennen. Neben der Aufzählung sind handschriftlich folgende Aktenzeichen notiert: Kult E 507/37, Kult E 1591/37, Kult E 182/38.
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Nr. 250
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kunft darauf bedacht sein, unter Wahrung der erforderlichen Vorsicht, Mittel und Wege ausfindig zu machen, um zum Ziel zu gelangen. Die Botschaft wird dabei die Restbestände verwenden, die ihr aus früheren Jahren und aus Spenden einiger ausländischer Missionen verblieben sind. Von einem Antrag um Bewilligung neuer Mittel für das Rechnungsjahr 1938/39 für kirchenpolitische und Unterstützungszwecke sieht die Botschaft daher unter den obwaltenden Umständen ebenfalls ab. Was die dort noch befindlichen restlichen Summen aus der Sammlung „Brüder in Not“ betrifft, so darf gebeten werden, dieselben für die Unterstützung von in der UdSSR zurückgebliebenen Reichsdeutschen und deren Angehörigen gegebenenfalls bereithalten zu wollen. gez. von Tippelskirch Gefertigt in drei Durchschlägen. RGVA, f. 1357k, op. 1, d. 9, l. 268-269.
Nr. 250 Notiz des Mitarbeiters des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Freiherr von Welck Nr. 250 23. 3. 1938 23. 3. 1938 Berlin, den 23. März 1938 Der sowjetische Geschäftsträger Astachoff hat mich zum 5. April ds. Js. zum Diner eingeladen. Herrn Dr. Pol. über Herrn VLR Schliep1 mit der Bitte um Entscheidung erg. vorgelegt. Welck **Über H[errn] Dir. Pol [und] H[errn] St.S.2 Büro *R.M.*3 vorgelegt mit der Bitte die Entscheidung des H[errn] R[eichs]M[inisters] einzuholen. B[ismarck] 24/3**4 Nach der bisherigen Regelung war nur dem jeweiligen Referenten für Sowjetrussland (z. Zt. VLR Schliep) gestattet, um seinen Dienstverkehr mit der hiesigen Botschaft nicht unnötig zu erschweren, Einladungen des russischen Missionschefs anzunehmen. Ein Anlass zu einer Änderung dieser Regelung liegt, besonders im Hinblick auf die Sowjethaltung in der Konsulatsfrage, nicht vor.5 M[ackensen] 24/3 1 2 3 4 5
Abzeichnungen von Weizsäcker und Schliep vom 23.3. Abzeichnungen von Weizsäcker und Mackensen vom 24.3. Die Abkürzung ist unterstrichen. Der Text ist handschriftlich notiert. Am 29.3.1938 antwortete Erich Kordt: „Der Herr Reichsminister ist damit einverstanden, dass es bei der bisherigen Regelung hinsichtlich des Verkehrs mit der Sowjetbotschaft verbleibt.“ Auf dieser Antwort befindet sich die handschriftliche Anmerkung von Mackensen vom 29.3.: „Also kann Frh. v. Welck, da er z. Zt. H[errn] Schliep vertritt, die Einladung annehmen.“ Vgl. PA AA, R 104356, Bl. E 017811.
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24. 3. 1938 Nr. 251 Eigenhändige Unterschrift von Welck. Oben Stempel des AA: Pol V 2387. PA AA, R 104356, Bl. E 017810.
Nr. 251 Auszug aus der Vorlage des Chefs des Generalstabes der RKKA Šapošnikov an den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov Nr. 251 24. 3. 1938 24. 3. 1938 Ganz geheim Nur persönlich Geschrieben in einem Exemplar 24. März 1938 b/n I. Die wahrscheinlichsten Gegner Die sich entwickelnde politische Lage in Europa und im Fernen Osten rückt als wahrscheinlichsten Gegner den faschistischen Block – Deutschland und Italien, unterstützt von Japan und Polen – in den Vordergrund. Diese Staaten setzen sich das Ziel, die politischen Beziehungen zur UdSSR bis zu einem bewaffneten Zusammenstoß voranzutreiben. Jedoch haben Deutschland und Italien zurzeit noch keine freie Hand gegenüber der UdSSR, und Japan führt einen aufreibenden Krieg gegen China und ist gezwungen, auf die Kriegsvorräte der Mob-Reserve zurückzugreifen und große finanzielle Ausgaben zu tätigen. Polen befindet sich in der Einflusssphäre des faschistischen Blocks und ist bestrebt, eine scheinbare Selbständigkeit seiner Außenpolitik zu bewahren. Die stark schwankende Politik Englands und Frankreichs erlaubt es dem faschistischen Block, im Falle eines Krieges gegen die UdSSR in Europa eine Abmachung zu finden, um den größten Teil seiner Streitkräfte gegen die UdSSR einzusetzen. Diese Politik Englands und Frankreichs bestimmt gleichermaßen auch die Politik und den Charakter der militärischen Situation in Finnland, Estland und Lettland, in Rumänien sowie auch in der Türkei und Bulgarien. Es ist möglich, dass die genannten Staaten die Neutralität bewahren und das Ergebnis der ersten Zusammenstöße abwarten, jedoch ist auch ihr direktes Eingreifen in den Krieg auf der Seite des faschistischen Blockes nicht ausgeschlossen, insbesondere bei solchen Staaten wie Finnland und Estland. Lettland könnte ebenfalls in den Konflikt hereingezogen werden, Litauen aber wird von den Deutschen und Polen in den ersten Kriegstagen besetzt werden. Rumäniens Kriegseintritt wird in Abhängigkeit von der Politik Frankreichs und insbesondere dann erfolgen, wenn der faschistische Block einen Schlag gegen die Tschechoslowakei führt und mit seinen Hauptkräften südlich Polesiens operieren wird. Die Türkei und Bulgarien werden unter Wahrung der Neutralität die Operationen der Kriegsmarine Italiens und Deutschlands im Schwarzen Meer gegen unsere
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Nr. 251
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Küsten nicht behindern. Die Türkei tritt möglicherweise sogar in einen bewaffneten Konflikt gegen die UdSSR ein in dem Bestreben, die Armenische Sowjetrepublik und in erster Linie Nachičevan und Batumi einzunehmen. Iran und Afghanistan, die ihre Streitkräfte verstärken, werden ihre bewaffnete Neutralität beibehalten. Was Japan betrifft, so ist es gegenwärtig wegen des Krieges gegen China einerseits geschwächt, hat aber andererseits seine militärische Lage stabilisiert. Die Schwächung Japans ergibt sich aus der Verausgabung eines Teils der menschlichen und materiellen Ressourcen im Krieg gegen China und aus dem erzwungenen Einsatz eines Teils der Divisionen in dem besetzten chinesischen Territorium, andererseits besitzt Japan bereits eine mobilgemachte Armee, die fast vollständig auf das Festland verlegt worden ist, d.h. es hat die kritische Phase des Übersetzens auf dem Seewege ungehindert bewältigt. Selbst wenn Japan im Krieg gegen China empfindliche Verluste erlitten haben sollte, so wird Japan dennoch im Falle eines bewaffneten Konflikts in Europa zwischen dem faschistischen Block und der UdSSR von diesem Block zum Krieg gegen die UdSSR gezwungen werden, weil die Chancen zur Umsetzung seiner Eroberungspolitik im Fernen Osten im weiteren Verlauf immer problematischer werden. Somit muss die Sowjetunion zum Kampf an zwei Fronten bereit sein: im Westen gegen Deutschland und Polen und zum Teil gegen Italien in einem möglichen Verbund mit seinen Anrainern und im Osten gegen Japan. Italien wird höchstwahrscheinlich mit seiner Flotte am Krieg teilnehmen, die Entsendung eines Expeditionskorps an unsere Grenzen ist kaum zu erwarten. II. Die Streitkräfte der voraussichtlichen Gegner Die wahrscheinlichsten Gegner im Westen – Deutschland und Polen – werden in der Kriegszeit in erster Linie zum Einsatz bringen: Deutschland: 96 Infanteriedivisionen, 5 Kavalleriedivisionen, 5 motorisierte Divisionen, 30 Panzerbrigaden und 3000 Flugzeuge. Polen: 65 Infanteriedivisionen, 16 Kavalleriebrigaden, 1450 Panzer und Kleinpanzer, 1650 Flugzeuge. Zusammen: 161 Infanteriedivisionen, 13 Kavalleriedivisionen, 7250 Panzer und Kleinpanzer, 4650 Flugzeuge. Deutschland und Polen werden genötigt sein, von diesen Kräften einen Teil an ihren Westgrenzen zu belassen, und möglicherweise wird ein Teil für den Kampf gegen die tschechoslowakische Armee abgestellt werden. Man kann wahrscheinlich damit rechnen, dass Deutschland gegen die tschechoslowakische Armee bis zu 26 Infanteriedivisionen, 1 Kavalleriedivision, 1 motorisierte Division und mindestens 800 Flugzeuge einsetzen wird. An der französischen Grenze werden die Deutschen 10 bis 20 Infanteriedivisionen belassen. Somit wird Deutschland von den 96 Infanteriedivisionen 26 bis 46 Infanteriedivisionen an den West- und Südgrenzen belassen, und 60 bis 65 Infanteriedivisionen, 4 Kavalleriedivisionen, 4 motorisierte Divisionen, bis zu 20 Panzerbataillone und bis zu 2100 Flugzeuge werden gegen unsere Grenzen gerichtet. Was Polen betrifft, so wird es von seinen 65 Infanteriedivisionen offenbar bis zu 5 Infanteriedivisionen gegen die Tschechoslowakei einsetzen und die übrigen
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24. 3. 1938 Nr. 251 Kräfte, d.h. bis zu 60 Infanteriedivisionen, 16 Kavalleriebrigaden, bis zu 1300 Panzer und Kleinpanzer und bis 1600 Flugzeugen an unseren Grenzen in Stellung bringen. Somit muss man an unseren Grenzen mit 120 bis 125 Infanteriedivisionen, 12 Kavalleriedivisionen, 6400 Panzern und Kleinpanzer sowie 3700 Flugzeugen rechnen. Finnland, Estland und Lettland werden 20 Infanteriedivisionen, 80 Panzer und 436 Flugzeuge aufbringen. Rumänien kann bis zu 35 Infanteriedivisionen, 200 Panzer und 639 Flugzeuge aktivieren. Im Osten hat Japan, das jetzt Krieg gegen China führt, fast seine ganze Armee eingesetzt: 43 Infanteriedivisionen, 4 Sicherungsbrigaden, 5 Kavalleriebrigaden, 4 motorisierte Brigaden, insgesamt 1553 Panzer und 1420 Flugzeuge. […] Japan wird bei einem bewaffneten Zusammenstoß mit der UdSSR gezwungen sein, einen großen Teil seiner Streitkräfte in die Nordmandschurei zu beordern und in China zur Führung der Operationen oder allein für die Besatzung der eingenommenen Gebiete 10 bis 15 Infanteriedivisionen zu belassen. Somit kann man in der Nordmandschurei und in Korea sowie bei den Expeditionen auf Sachalin und Kamčatka 27 bis 33 Infanteriedivisionen, 4 Sicherungsbrigaden, 2827 Geschütze, 1400 Panzer und 1000 Flugzeuge (ohne Marineflieger) erwarten. Die Armee Mandschukuos ist wegen ihrer zweitrangigen Bedeutung nicht in der Berechnung berücksichtigt. Bei einem Krieg an zwei Fronten muss die UdSSR an ihren Grenzen mit folgender Truppenkonzentrierung rechnen: 157 bis 173 Infanteriedivisionen, 7780 Panzer und Kleinpanzer, 5136 Flugzeuge. III. Voraussichtliche Operationspläne der Gegner Der Generalstab der RKKA verfügt weder für den Westen noch für den Osten über dokumentarische Daten zu den Operationsplänen. Deshalb gründen sich die folgenden Ausführungen zum strategischen Aufmarsch der voraussichtlichen Gegner auf Annahmen. Im Westen. Deutschland und Polen können ihre Hauptkräfte nördlich oder südlich Polesiens konzentrieren. Diese Frage wird von den genannten Staaten in Abhängigkeit von der Situation in Mitteleuropa entschieden werden und schließlich davon, inwieweit sich diese beiden Staaten in der ukrainischen Frage einigen. Unveränderlich bleibt allein, dass wir, wie sehr auch immer die Deutschen den Polen Operationen ihrer Hauptkräfte nördlich Polesiens garantieren werden, auch dort einen Teil der polnischen Streitkräfte antreffen werden, weil es schwer vorstellbar, dass Polen sein Territorium ohne seine Truppen belassen wird. Das gleiche wird sich auch bei einem Aufmarsch der Hauptkräfte der polnischen und deutschen Armeen südlich Polesiens ergeben – ein Teil der deutschen Streitkräfte wird sicherlich nördlich Polesiens eingesetzt werden. Litauen wird, wie oben ausgeführt wurde, durch deutsche und polnische Streitkräfte neutralisiert werden.
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Was hingegen Lettland, Finnland und Estland betrifft, so ist bei einem Angriff ihrerseits oder der Verletzung ihrer Neutralität durch Deutschland mit dem Erscheinen deutscher Truppen auf ihren Territorien zu rechnen. Obgleich die Deutschen momentan Lettland beim Bau von Eisenbahnverbindungen helfen, so ist der Eisenbahntransport dieses Staates dennoch nicht in der Lage, auf seinem Territorium große Truppeneinheiten umzusetzen. Dennoch ist damit zu rechnen, dass in Lettland 10 bis 12 deutsche Divisionen stationiert werden. Die Verlegung dieser Kräfte kann sowohl über das Eisenbahnnetz als auch auf dem Seeweg erfolgen. Im imperialistischen Krieg war das deutsche Oberkommando bestrebt, die Armeen der Verbündeten durch die Eingliederung eigener Truppenteile zu festigen. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass in Estland und in Finnland deutsche Divisionen auftauchen. Die Armeen dieser Staaten werden höchstwahrscheinlich vom deutschen Oberkommando für einen konzentrierten Schlag gegen Leningrad und generell zur Abtrennung des Leningrader Gebietes vom übrigen Territorium der UdSSR eingesetzt werden. Die Lage auf den Meeren zeichnet sich wie folgt ab: a) im Nordmeer sind möglicherweise deutsche Operationen von Kreuzern und der Einsatz von U-Booten zur Blockade unserer Häfen in Murmansk und Archangelsk zu erwarten; b) in der Ostsee geht das Bestreben der deutschen Flotte wahrscheinlich in die Richtung, die Initiative in der Ostsee zu erringen und unsere Flotte zu zwingen, sich in den Osten von Gotland zurückzuziehen; e) im Schwarzen Meer sind nicht nur U-Boote Italiens und vielleicht Deutschlands zu erwarten, sondern auch Überwasserstreitkräfte der italienischen Flotte, was die Meerengenkonvention1 nicht untersagt. Obgleich wir keine dokumentarischen Daten über den strategischen Aufmarsch der deutschen und polnischen Armee besitzen, zeichnet er sich dennoch folgendermaßen ab. Variante I – Aufmarsch der Hauptkräfte der deutschen und der polnischen Armee nördlich Polesiens. In diesem Fall ist der Einsatz von 56 deutschen, 20 polnischen, 4 lettischen, d.h. insgesamt von 80 Infanteriedivisionen, 4 deutschen Kavalleriedivisionen, 4 polnischen Kavalleriebrigaden, 4 motorisierten deutschen Divisionen zu erwarten. Insgesamt: 5500 Geschütze, 3800 Panzer und Kleinpanzer, 2700 Flugzeuge. Südlich Polesiens kommen zum Einsatz: 40 Infanteriedivisionen und 13 polnische Kavalleriebrigaden, insgesamt 2000 Geschütze, 2500 Panzer und Kleinpanzer, 1000 Flugzeuge. Variante II – Aufmarsch der Hauptkräfte der deutschen und polnischen Armee südlich Polesiens. In diesem Fall ist nördlich Polesiens folgender Truppenaufmarsch zu erwarten: 12 deutsche, 25 polnische, 4 lettische, insgesamt 41 Infanteriedivisionen, 1 deutsche Kavalleriedivision, 3 polnische Kavalleriebrigaden. Insgesamt: 2168 Geschütze, 1400 Panzer und Kleinpanzer, 900 Flugzeuge. Südlich Polesiens kommen zum Einsatz: 44 deutsche, 35 polnische, insgesamt 79 Infanteriedivisionen, 3 deutsche Kavalleriedivisionen, 13 polnische Kavallerie1
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Vgl. Dok. 167, Anm. 18.
24. 3. 1938 Nr. 251 brigaden, 4 deutsche motorisierte Divisionen. Insgesamt: 5332 Geschütze, 4700 Panzer und Kleinpanzer, 2800 Flugzeuge. Der ungefähre Zeitraum für den Aufmarsch der deutschen und der polnischen Armee bei Variante I wird 14 bis 16 Mobilisierungstage, eher aber 20 Tage betragen; und bei Variante II wird die Zusammenziehung der Hauptkräfte südlich Polesiens sich bis zu 28 bis 30 Tagen hinziehen. Was Finnland und Estland betrifft, so wird deren Truppenaufmarsch höchstwahrscheinlich folgendermaßen erfolgen: Finnland wird zum Einsatz bringen: 1) auf der Landzunge zwischen den Seen 2 Infanteriedivisionen und 1 Kavalleriebrigade; 2) auf der Karelischen Landenge 3 Infanteriedivisionen. Estland wird zum Einsatz bringen: 1) in Richtung Kingisepp 7 Infanteriebrigaden; 2) in Richtung Pskov 3 Infanteriebrigaden. In der gleichen Richtung werden 2 lettische Divisionen in Stellung gebracht. Insgesamt werden Finnland und Estland mit Unterstützung der lettischen Armee 16 Infanteriedivisionen zum Einsatz bringen. Der Einsatz der rumänischen Armee wird angesichts einer möglichen Neutralität dieses Staates nicht berücksichtigt. Im Osten sind, wie oben ausgeführt, 27 bis 33 japanische Infanteriedivisionen, 4 Sicherungsdivisionen und 3 Kavalleriebrigaden zu erwarten. Insgesamt: 2827 Geschütze, 1400 Panzer und 1000 Flugzeuge. Gegen unsere Küsten und Häfen wird gleichfalls die starke Kriegsmarine Japans eingesetzt werden. Die japanische Armee hat ihr kritisches Moment – die Landung ihrer Hauptmasse auf dem Festland – bewältigt. Jedoch müssen die gesamte Versorgung und selbst Truppenverschiebungen nach wie vor auf dem Seeweg erfolgen. Davon zeugen die Erfahrungen der Kriegführung Japans gegen China, als zuerst Truppen in die Mandschurei verlegt und danach auf dem Seeweg nach Nordchina oder nach Schanghai transportiert wurden. Gegenwärtig verfügt das japanische Oberkommando in der Nordmandschurei und in Korea über 12 Infanteriedivisionen, 700 Panzer und 500 Flugzeuge. Ohne die chinesische Front zu vernachlässigen, kann das japanische Oberkommando noch 11 Infanteriedivisionen aus der Metropole abziehen, mit denen dann in Korea und in der Mandschurei 23 Infanteriedivisionen sein werden. Das japanische Oberkommando muss aber, um entschlossene Kampfhandlungen führen zu können, die chinesische Front um 4 bis 10 Infanteriedivisionen schwächen. Die Ausstattung des nordmandschurischen Kriegsschauplatzes mit Eisenbahnlinien-Verbindungen und dem Bau von Flugplätzen zeigen, dass als Aufmarschgebiet für die Hauptkräfte der japanischen Armee das Gebiet von Girin, Mulin, Czjamusy, Luntschen, Zizikar, Taoan, Mukden vorgesehen ist. Im Zusammenhang mit der Einnahme von Kalgan und Baotou ist jedoch zurzeit aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem Aufmarsch und Angriff eines Teils der Streitkräfte in der MVR2 zu rechnen. Wenn auch keine dokumentarischen Daten über den Aufmarsch der japanischen Armee in der Nordmandschurei vorliegen, so ist jedoch, dem Bau von Eisen2
MVR = Mongolische Volksrepublik.
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bahnlinien nach zu urteilen, ihr Hauptschlag höchstwahrscheinlich in Richtung Primorje und Iman sowie auch gegen Blagoveščensk zu erwarten. Im Westen werden die Japaner eine aktive Verteidigung unter Nutzung des Großen Hinggan-Gebirges führen und im Südwesten ist aus Richtung Dono-Nor und Kalgan vermutlich ein Angriff beweglicher Truppenverbände (Kavallerie und Panzer), unterstützt von 1 bis 2 Infanteriedivisionen, zu erwarten. Schließlich sind Teiloperationen von Landungstruppen sowohl auf dem Festland als auch auf Kamčatka und Vorstöße aus dem Südteil Sachalins in Richtung Norden höchstwahrscheinlich. Die erste Staffel von 12 japanischen Divisionen, die sich momentan in der Nordmandschurei und in Korea befindet, ist für die Führung von aktiven Kampfhandlungen zu schwach, jedoch sind derartige Versuche seitens des japanischen Oberkommandos nicht ausgeschlossen. Die allgemeine Zusammenziehung der 33 Infanteriedivisionen wird 22 bis 25 Tage dauern, wenn man die Einwirkung unserer Luftflotte auf die Truppenverschiebungen nicht berücksichtigt. IV. Grundlagen unseres strategischen Aufmarsches Die Hauptaufgabe der RKKA in dem bevorstehenden Zusammenstoß muss darin bestehen, die Gegner sowohl im Westen als auch im Osten vernichtend zu schlagen. Der strategische Aufmarsch an zwei Fronten ist grundsätzlich als zwingend anzusehen. Die Hauptgegner und der Hauptkriegsschauplatz werden im Westen sein, deshalb müssen hier auch unsere Hauptkräfte zusammengezogen werden. Jedoch müssen im Osten gegen Japan solche Kräfte vorhanden sein, die uns Überlegenheit und Erfolge in der Nordmandschurei garantieren könnten. Unsere sonstigen Grenzen müssen mit minimalen Kräften gesichert werden, und zwar: a) zum Schutz der Nordküste verbleiben Reservetruppen und der Grenzschutz; b) zum Schutz der Küste des Schwarzen Meeres von Odessa bis Kerč verbleiben neben der Schwarzmeerflotte die Küstenverteidigung, Reservetruppen und der Grenzschutz; c) zum Schutz der Küste des Schwarzen Meeres von Kerč bis Suchumi wird ausschließlich der Küstenschutz mit 28 Schützendivisionen eingesetzt; d) der Kaukasus wird durch 4 Gebirgsschützen- und 1 Gebirgskavalleriedivision und den Grenzschutz gesichert; e) die Grenzen in Mittelasien werden durch 1 Gebirgsschützen-, 3 Gebirgskavalleriedivisionen und den Grenzschutz gesichert. Insgesamt bestehen die Feldtruppen aus: 6 Gebirgsschützendivisionen und 5 Gebirgskavalleriedivisionen. Für die Kampfhandlungen im Osten gegen Japan sind einzusetzen: 40 Schützendivisionen (davon 2 Gebirgsdivisionen), und zusammen mit der besonderen Sachaliner Berggrenzdivision sind es 41 Divisionen; 5 Kavalleriedivisionen; 7 Panzerbrigaden, insgesamt 3525 Panzer, 2898 Flugzeuge zusammen mit den Marinefliegertruppen der Pazifikflotte.
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25. 3. 1938 Nr. 252 Von den 40 Schützendivisionen werden zwei Divisionen am 30. Tag der Mobilmachung ihre volle Gefechtsbereitschaft erreicht haben und in die Frontreserve überführt werden. Für die Kampfhandlungen im Westen sind vorgesehen: 124 Schützendivisionen, von denen 5 am 30. Tag der Mobilmachung ihre Gefechtsbereitschaft hergestellt haben werden, 16 Kavalleriedivisionen, 26 Panzerbrigaden, insgesamt 10255 Panzer, 5867 Flugzeuge (zusammen mit der Kriegsmarineluftflotte). Wenn wir auch bei den Schützendivisionen unterlegen sind, so haben wir bei Panzern und Luftstreitkräften die Überlegenheit, wobei die Angaben zur materiellen Ausstattung den anteilmäßigen Lieferungen laut Bestellplänen für das Jahr 1938 entnommen worden sind, mit der Erfüllung des Plans wird unsere Überlegenheit in der materiellen Ausstattung steigen. [...]3 Chef des Generalstabes, Komandarm 1. Ranges B. Šapošnikov Veröffentlicht in: 1941 god, Bd. 2, Dok. P 11, S. 557–571, hier S. 557–562.
3
Nr. 252 Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Ežov Nr. 252 25. 3. 1938 25. 3. 1938 Geheim Expl. Nr. 4 5146/l. 25. März [1938] AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN DER UdSSR Gen. N.I. EŽOV Ich erhielt heute von der Deutschen Botschaft zwei Noten, in denen mitgeteilt wird: 1) das Generalkonsulat1 ist ohne Brennholz zum Heizen und zum Kochen, weil die Holzarbeiter erklärten, dass es ihnen verboten sei, das Konsulat zu betreten; 2) die Wohnungen der Konsulatsmitarbeiter sind seit dem 1. März ohne elektrisches Licht, und am 3. und 7. März war es unmöglich, die Toiletten zu benutzen; 3) vom 9. bis 20. März war die Wasserleitung abgestellt; 4) das Telefon ist abgeschaltet; 5) infolge der Verstopfung der Abflussrohre macht sich in den Wohnungen Unrat breit und die Hausverwaltung fordert eine unverzügliche Säuberung der Wohnungen, da Verwahrlosung droht. 3 Ausgelassen wurden folgende Kapitel: V. Grundlagen des strategischen Aufmarsches im Westen (S. 562–568); VI. Grundlagen des strategischen Aufmarsches im Osten (S. 568–571). 1
Gemeint ist das Generalkonsulat in Kiev.
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Ich bitte Sie, Kiev unverzüglich anzuweisen2, Maßnahmen zur Beseitigung der beanstandeten, absolut unhaltbaren Situation zu ergreifen. Es ist dringend nötig, entsprechende Handwerker in das Generalkonsulat und in die Wohnungen der Mitarbeiter zu schicken, wobei dies im Namen des diplomatischen Agenten des NKID3 gemacht werden könnte. Die Handwerker müssen aber dafür die Order vom NKVD bekommen, sonst gehen sie nicht dorthin. LITVINOV Vermerk mit rotem Farbstift: NKVD. Vermerk mit rotem Farbstift: A[rchiv]. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an Gen. Vajnštejn, das 4. ins Archiv. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 138, d. 7, l. 18. Kopie.
2
3
Nr. 253 Schreiben des Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Davydov und des Stellv. Leiters Smolenskij an den Volkskommissar für Außenhandel Čvjalev Nr. 253 25. 3. 1938 25. 3. 1938 GANZ GEHEIM Expl. Nr. … Ausg. Nr. 127/ss1 25.3.38 An den Volkskommissar für Außenhandel Gen. E.D. ČVJALEV Kopie an: den stellv. Volkskommissar für Außenhandel *Gen. A.F. MEREKALOV*2 In Weiterverfolgung unserer Verhandlungen mit Herrn Brinkmann, über die wir Sie unterrichtet haben3, erhielten wir am 17. März d. J. vom Wirtschaftsministerium eine Liste von Exportwaren über eine Gesamtsumme von 150 Mio. Mark, deren Lieferung in den Jahren 1938 und 1939 von den Deutschen erwünscht ist.4 In der genannten Summe sind auch die üblichen Lieferungen enthalten, die in unseren Plänen vorgesehen sind. 2 3 1 2 3 4
Vgl. auch Dok. 245. Pavel Andreevič Brovcinov.
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der Name ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Vgl. Dok. 247. So im Dokument. Die von Deutschland vorgelegte Warenliste bezog sich auf Einfuhren aus der UdSSR im Wert von 150 Mill. RM im Jahr 1938. Am Ende der Liste wurde vermerkt, dass für 1939 ähnliche Wünsche bezüglich der Summe gelten. Vgl. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2802, l. 105–108.
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25. 3. 1938 Nr. 253 Am 21. März d. J. besuchten wir das Wirtschaftsministerium und stellten zur Klärung eine Reihe von Fragen, auf die wir folgende Antworten erhielten: 1) Die Summe von 150 Mio. Mark ist kein fester Betrag. 2) Die von ihnen angegebene Warennomenklatur ist nicht absolut fest und soll von uns nur als ihr Wunsch betrachtet werden. Wir haben eine Reihe von Positionen abgelehnt, etwa: Golderz, Kupfererz, Kupferkonzentrate, Silberschrott und Tieröl. Die Deutschen wiederholten erneut, dass es sich bei dieser Liste um eine Wunschliste handele und sie nicht erwarteten, dass die gesamte Nomenklatur vollständig von uns akzeptiert werde. Wir wiederholten, dass alle diese Verhandlungen nicht den Charakter irgendwelcher Verpflichtungen unsererseits trügen. Wir betonten, dass wir lediglich den Standpunkt der deutschen Seite für die weiteren Lieferungen klären wollten. Wir haben die deutsche Seite auch darauf aufmerksam gemacht, dass die Lieferfristen für die Waren für uns wahrscheinlich inakzeptabel wären und dass in dieser Frage, sollte ihr Vorschlag grundsätzlich annehmbar sein, ausführliche Verhandlungen geführt werden müssten. Wir stellten den Deutschen folgende Frage: Wie gedächten sie, sollte ihr Vorschlag angenommen werden, die Verwendung des Erlöses aus den zusätzlich gelieferten Waren, sozusagen als Gegenleistung für die Gewährung eines Sonderkredits, mit den Lieferfristen für unsere Aufträge in Einklang zu bringen. Darauf konnten sie uns keine positive Antwort geben, außer der allgemeinen, deklarativen Aussage, wonach sie sich darum bemühen würden, unseren Aufträgen gegenüber inländischen Aufträgen und gegenüber zweitrangigen Importeuren hinsichtlich der Fristen einen gewissen Vorrang einzuräumen. Aber sie fügten sogleich hinzu, dass es ohnehin eine Situation geben werde, in der sich auf unseren Konten freie Mittel befinden würden, und dann hätten wir die Möglichkeit, einen gewissen Teil unserer Wechselverbindlichkeiten aus dem alten 200 Mio. Kredit vorzeitig zu begleichen. Dagegen protestierten wir und erklärten, dass dieser Vorschlag bereits zu Beginn unserer Verhandlungen abgelehnt worden sei.5 Wir baten sie daher, sich Gedanken darüber zu machen, wie sie die Verwendung des Erlöses sicherstellen könnten. Die Deutschen entgegneten darauf, dass die deutsche Exportnomenklatur auch Güter mit außerordentlich geringen Lieferfristen enthalte, was aber natürlich nicht für Spezialausrüstungen gelte. Im Zusammenhang damit gaben wir folgende Erklärung ab: dass die Existenz eines Kreditabkommens mit einer 70%igen Garantie seitens der Regierung uns bei einer Reihe von Firmen keine Gewährleistung dafür bieten würde, dass diese bereit seien, unsere Aufträge auszuführen, und dass daher Bedingungen geschaffen werden müssten, unter denen die Firmen überhaupt nichts mit dem Kredit zu tun hätten, d. h. wir warfen die Frage der Notwendigkeit einer 100%igen Garantie auf. Die Deutschen räumten ein, dass dieses Argument Beachtung verdiene und versprachen, diese Frage speziell zu erörtern. Wir erwähnten beiläufig, dass wir auf unseren Gegenvorschlag eines 7-jährigen Kredits und jährlichen Kosten von 4,5% keine Antwort erhalten hätten. Herr Spitta sagte, dass er aufgrund der österreichischen Ereignisse6 sehr beschäftigt ge5 6
Vgl. Dok. 215. Gemeint ist der ‚Anschluss‘ Österreichs am 13.3.1938.
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wesen sei, dass er jedoch versuchen werde, im Laufe dieser Woche eine Antwort auf alle drei Fragen – Laufzeit des Kredits, Kreditkosten und 100%ige Garantie – zu geben. Zum Abschluss wurden wir von der deutschen Seite gebeten, die Vorlage der Liste der Spezialausrüstungen unsererseits zu beschleunigen. Damit waren unsere Verhandlungen dann auch zu Ende. Um zur Analyse der vorgelegten Warenliste überzugehen: Wir sind der Ansicht, dass die von den Deutschen angegebene Summe von 150 Mio. Mark für 1938 und 150 Mio. Mark für 1939 maßlos und von ihnen bewusst überhöht ist. Wir nehmen an, dass wenn wir einer Einfuhr über jeweils 100 Mio. Mark für die Jahre 1938 und 1939 zustimmen, diese Summe die Deutschen zufriedenstellen könnte. Wenn wir davon ausgehen, dass wir 1938 normalerweise wahrscheinlich Waren im Wert von etwa 50 Mio. Mark und, wie angenommen werden kann, 1939 annähernd im gleichen Umfang verkaufen werden, dann ergibt sich, dass es um eine zusätzliche Belieferung für jeweils 50 Mio. Mark in den Jahren 1938 und 1939 geht, wofür wir als Gegenleistung einen Kredit über 200 Mio. Mark hätten. Praktisch würde dies Folgendes bedeuten: dass wir im Laufe der Jahre 1938 und 1939 neben der Kreditaktion den Import gegen Barzahlung erhöhen müssten. Natürlich dürfen wir auf keinen Fall darauf eingehen, den Überschuss aus dem Exporterlös als totes Kapital auf den laufenden Konten liegen zu lassen, und deshalb müssen wir, falls wir mit den Deutschen ins Geschäft kommen, diesen Erlös, koste es, was es wolle, verwenden. Hier sollten wir uns nicht der Illusion hingeben, dass wir innerhalb kürzester Zeit Ausrüstungen gegen Barzahlung kaufen werden können, und daher müssen diese Mittel hauptsächlich für den Erwerb von Halbfabrikaten (Röhren, Eisenmetallen, Qualitätsstahl, Weißblech usw.), zu einem sehr geringen Teil von Geräten verschiedener Art und zu einem noch geringeren Teil von Ausrüstungen verwendet werden. Dies bezieht sich vor allem auf das Jahr 1938; was das Jahr 1939 betrifft, so wird es angesichts der Lieferfristen notwendig sein, bereits 1938 Aufträge gegen Barzahlung mit Lieferung im Jahr 1939 vorzusehen und zu vergeben. Unter diesem Gesichtspunkt scheint der Vorschlag der Deutschen daher gar nicht so unannehmbar zu sein, und wir denken, dass auf dieser Grundlage weitere Verhandlungen geführt werden könnten. Wir bitten, die von den Deutschen übermittelte Warenliste zu prüfen und eine Antwort darauf zu geben: a) ob der deutsche Vorschlag einer zusätzlichen Belieferung mit Rohstoffen in den Jahren 1938 und 1939 als Gegenleistung für die Kreditgewährung grundsätzlich annehmbar ist; b) im Fall der Zustimmung, wie hoch sich der Lieferumfang 1938 und 1939, die Nomenklatur und die Fristen gestalten sollen. Wir erwarten eine Antwort mit der nächsten Post.7 HANDELSVERTRETUNG DER UdSSR IN DEUTSCHLAND V. Davydov Smolenskij 7
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Bis zum 16.4.1938 war keine Antwort des NKVT eingegangen; vgl. Dok. 263.
27. 3. 1938 Nr. 254 ANLAGE: Schreiben des Wirtschaftsministeriums vom 17.3.38 mit Warenliste.8 Anweisung mit Tinte: an Gen. Kaminskij Dringend zum Vortrag bei Gen. Merekalov Term[in] 2.IV9 Anweisung A.F. Merekalovs mit Tinte: an Gen. Kaminskij Erstellen Sie einen Bericht an die Reg[ierung] mit dem Entwurf einer Direktive. 2/IV. A. Merekalov Oben rechts befindet sich der Stempel der Geheimgruppe der Geheimen Chiffrierabteilung des NKVT der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 5140/28 vom 31.3.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Dokumente und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. 2 [Exemplare] an die Adresse, 1[Exemplar] zu den Akten. Auf Kopfbogen der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland geschrieben. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2802, l. 102–104. Original.
8
9
Nr. 254 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov Nr. 254 27. 3. 1938 27. 3. 1938 GEHEIM Expl. Nr. Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 771 Berlin, 27. März 1938 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN Gen. LITVINOV Meinen Tagebüchern ist zu entnehmen, dass nach dem Anschluss Österreichs das Grundproblem für die hiesigen ausländischen Beobachter die Frage nach dem nächsten Objekt der deutschen Aggression darstellt. Die Auffassungen sind geteilt: die einen halten die Tschechoslowakei für das nächste Objekt, die anderen den *Korridor*2 (im *Austausch für Litauen*3). Alle diesbezüglichen Mutmaßungen werden von den Diplomaten verständlicherweise in sehr vorsichtiger und vorbehaltlicher Form geäußert und mit der üblichen Prise Optimismus versehen, wonach vielleicht alles glücklich ausgehen werde usw. Kategorischer äußern sich Journalisten, da dies Personen sind, die durch ihre Stellung nicht in dem Maße gebunden sind wie Diplomaten. Mir fällt es schwer zu entscheiden, welche der zwei 8 9
Vgl. Anm. 4. Die folgende Unterschrift ist nicht lesbar.
1 2 3
Die Ausgangsnummer ist mit Bleistift geschrieben. Das Wort ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen.
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Versionen eine größere Nähe zur Wahrheit hat; es ist möglich, dass dies auch die Deutschen selbst nicht wissen, da auch sie nicht in der Lage sind, all die Faktoren zu berücksichtigen, von denen der Gang der Ereignisse abhängen wird (die Haltung Englands, die Situation in Frankreich, unsere Haltung im Falle eines Überfall Polens auf Litauen usw.). 1) Nichtsdestotrotz ist die Gefahr für die Tschechoslowakei höchst aktuell. Die Deutschen arbeiten dort methodisch und unbeirrt ihren Aktionsplan vorerst ausschließlich über Henlein ab und greifen nicht unmittelbar in das Spiel ein. Sie werden, nachdem sie die Vereinigung der deutschen Parteien unter der Leitung von Henlein vollzogen und ihre Agenten in die tschechisch-deutsche Sozialdemokratie eingeschleust haben, aus dem Munde von Henlein immer neue Forderungen aufstellen, selbst im Schatten bleiben und gegenüber den Mächten und den Tschechen die friedfertigsten Beteuerungen abgeben. Die bevorstehende Aufrüstung Ungarns und die zunehmende Agitation der Slowaken schwächen die Stellung der Tschechen im Süden und stellen die Regierung Beneš-Hodža vor eine Reihe von Schwierigkeiten, in deren Gefolge sie gezwungen sein wird, vor den Henlein-Leuten zu kapitulieren, deren Forderungen vollständig zu befriedigen und sie in die Regierung aufzunehmen. Darauf wird in der Tschechoslowakei ein „Chaos“ ausbrechen, das den Deutschen den Grund dafür liefert, gemeinsam mit den Ungarn und Polen dorthin Truppen einmarschieren zu lassen, ohne sonderlich das internationale Dekorum zu verletzen und jedenfalls in einer Form, die für London annehmbar ist und vielleicht auch für Paris. Es fällt nicht schwer zu begreifen, dass die Berechnungen der Deutschen auf annähernd diese Variante der Eroberung der Tschechoslowakei oder zumindest ihres Sudetenteils bauen, ohne Krieg und ohne scharfen internationalen Konflikt, zu dem Deutschland bis jetzt allen Anzeichen nach nicht bereit ist und den es vorerst vermeiden möchte. Das Tempo dieses Spiels, das nach der Einverleibung Österreichs eingesetzt hat, ist recht hoch. Die hiesigen Pessimisten halten die Sache Prags für hoffnungslos verloren, und sehen vorher, dass Beneš bald zurücktreten muss, um kein Hindernis für die „Annäherung“ an Berlin darzustellen. Man sagt, dass es Hodža nicht gelingen wird, wenigstens einen Teil der Sudetendeutschen auf seine Seite zu ziehen, selbst dann nicht, wenn er jedem Deutschen ein Haus mit einem Auto schenken würde, weil Berlin in die Sudeten so große Geldsummen steckt und in ganz Tschechien eine derartig intensive Propaganda führt, gegen die Prag nicht anzukommen in der Lage ist, zumal in einer Situation des „Demokratismus“. Der tschechoslowakische Gesandte4 versucht natürlich, sich Mut zu machen, ich kann jedoch nicht vergessen, dass sich auch der hiesige Österreicher5 bis zur letzten Minute Mut gemacht hat. Die Lage bleibt außerordentlich ernst, die Dinge entwickeln sich in einem sehr schnellen Tempo, obgleich die Deutschen, ich wiederhole es, alles auf eine „schmerzlose“ Einverleibung Tschechiens setzen, die durch die inneren Sprengkräfte vollzogen werden soll, und nicht sonderlich heucheln, wenn sie davon sprechen, dass sie keinen Krieg wünschen. Eine Veränderung der internationalen Lage in einem für Berlin ungünstigen Sinne könnte es deshalb dazu veranlassen, mit der Durchführung dieses Plans zu warten. 4 5
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Vojtech Mastný. Stephan Tauschitz.
27. 3. 1938 Nr. 254 2) Weniger klar ist die Korridor-Frage, obgleich die Version, den Korridor gegen Litauen auszutauschen, ebenfalls recht populär ist. Es ist anzunehmen, dass sich die Deutschen darauf vorbereitet haben, diese Operation in einem schnellen Tempo durchzuführen, aber die Sache wurde durch unsere Haltung gebremst (ich meine damit Ihre Erklärung gegenüber Grzybowski6, wovon Berlin zweifellos erfahren hat). Vielleicht verzögert gerade dieser Umstand die Umsetzung des beabsichtigten Plans, dessen Existenz, trotz aller polnischen Dementis, mehr als wahrscheinlich bleibt. Anderenfalls sind die polnisch-deutschen Zärtlichkeiten, die kürzlichen Besuche von Beck7 und Göring8 usw. kaum zu erklären. Ebenfalls von Interesse ist, wodurch die bevorstehende Reise Aschmanns nach Warschau ausgelöst wurde, über die er mich informierte, als er die Einladung zum Essen ausschlug. Er wird wahrscheinlich über einen Pressepakt oder etwas in der Art sprechen. Doch vor dem Hintergrund der sonstigen Erscheinungen ist auch diese Reise symptomatisch. Den hiesigen Aufenthalt des finnischen Stabschefs Österman9 und die Aufmerksamkeit, die ihm die Luftwaffe entgegenbrachte, muss man der Kategorie von Faktoren der gleichen Ordnung zurechnen. Es ist festzuhalten, dass auch die deutsche Presse hartnäckig wiederholt, dass der polnischlitauische Konflikt noch nicht beigelegt sei, seine endgültige Beilegung erst noch bevorstehe usw. 3) Als dritte Erscheinung, die sich infolge der Einverleibung Österreichs ergibt, ist die verstärkte deutsche Aktivität im Osten anzusehen, d.h. (neben Ungarn) in Jugoslawien, auf dem Balkan und in der Türkei. Die umfangreiche Reklame für eine deutsche Militärflotille auf der Donau und die Aufmerksamkeit, die dem Donauproblem gewidmet wird, die Gerüchte über eine bevorstehende Reise Ribbentrops auf den Balkan und nach Ankara, über die Berufung von Papens nach der Türkei10, der sich verstärkende Flirt mit Jugoslawien – dies sind vorerst vereinzelte Anzeichen. Nach dem Plebiszit, dem heute die größte Aufmerksamkeit Hitlers und seiner Umgebung gilt, werden diese Pläne zweifellos ihre umfassendere und eindeutigere Ausprägung finden. Mir ist nicht bekannt, was wir unternehmen, um derartigen Bestrebungen entgegenzuwirken. Wir sind seinerzeit, soweit ich mich erinnere, einer Teilnahme an den Donau-Angelegenheiten ausgewichen, und wir haben, wie es scheint, sogar unser Desinteresse an den Fragen der Schifffahrt auf der Donau erklärt. Ich weiß nicht, wie energisch wir politisch und wirtschaftlich in den Balkanländern und in der Türkei tätig sind, doch es steht außer Frage, dass die entstandene Situation allen Gegnern Deutschlands das Erfordernis diktiert, in einem außergewöhnlichen Grade diese Tätigkeit sowohl in der Türkei als auch auf 6 Gemeint ist die Erklärung Litvinovs gegenüber dem Botschafter Polens Grzybowski am 16.3. im Zusammenhang mit der Verschärfung der polnisch-litauischen Beziehungen. Vgl. DVP, Bd. XXI, Dok. 83, S. 129; Polskie Dokumenty Dyplomatyczne 1938, Warszawa 2007, Dok. 55, S. 139–140. 7 Beck hielt sich vom 13. bis 14.1.1938 in Berlin auf, wo er Gespräche mit Neurath, Göring und Hitler hatte. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. V, Dok. 28, 29; Polskie Dokumenty Dyplomatyczne 1938, Warszawa 2007, Dok. 9, S. 22–25. 8 Göring hielt sich vom 23. bis 25.2.1938 zu einem inoffiziellen Besuch in Polen auf, wo er Treffen mit dem Premierminister Sławoj-Składkowski, mit dem Generalinspekteur der Streitkräfte Rydz-Śmigły und mit Beck hatte. 9 So im Dokument; richtig: Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Österman hielt sich in der zweiten Märzhälfte 1938 zu einem offiziellen Besuch in Deutschland auf. 10 Von Papen wurde am 18.4.1939 zum Botschafter Deutschlands in der Türkei ernannt.
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dem Balkan wie auch im Baltikum zu verstärken. Davon werden in einem bedeutenden Grad das Tempo und die künftige Richtung der deutschen Aggression abhängen. G. Astachov P.S. Ich bitte zu berücksichtigen, dass ich, wenn ich mit dem türkischen Botschafter11 spreche, ihn in hohem Maße als porte-parole12 der deutschen Regierung, als Sprachrohr deutscher Kreise betrachte. Mit ihm zu streiten und ihn zu überzeugen, ist meiner Ansicht nach völlig hoffnungslos. Im Gespräch mit ihm befolge ich deshalb einen spezifischen Ton, und seine Informationen sind mit Bedacht aufzunehmen. Ich bitte dies beim Lesen meiner Aufzeichnungen der Gespräche mit ihm zu berücksichtigen. G. A. Vermerk mit blauem Farbstift: VP[otemkin]. Oben links befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 1099 vom 31.3.1938. Oben rechts befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 1517 vom 1.4.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. 2 [Exemplare] an Gen. Litvinov, 1 [Exemplar] zu den Akten. AVP RF, f. 011, op. 2, p. 12, d. 43, l. 56–53. Kopie. Veröffentlicht in: DVP, Bd. XXI, Dok. 108, S. 158–16013.
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Nr. 255 Aufzeichnung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Handelspolitischen Abteilung im AA Schnurre Nr. 255 30. 3. 1938 30. 3. 1938 Berlin, den 30. März 1938 W IV O. E. 1017 Aufzeichnung In der Frage des Russenkredites fand gestern Vormittag eine Ressort-Besprechung bei dem Delegationsführer für die Russenverhandlungen Min. Dirig. Dr. Spitta statt. Gegenstand der Besprechung waren die Vorschläge des Bankenkonsortiums, die in dem Schreiben der Deutschen Bank an den Herrn Reichs- und Preußischen Wirtschaftsminister1 vom 28. März 19382 niedergelegt sind. Insbesondere wurden die Fragen der Höhe der Reichsgarantie und der Zinsen besprochen. 11 12 13 1 2
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Mehmet Hamdi Arpağ. Das Wort ist in kyrillischen Buchstaben geschrieben. Die Veröffentlichung in DVP erfolgte ohne Legende. Walther Funk. Nicht in der Akte vorhanden.
30. 3. 1938 Nr. 255 1. Reichsgarantie: Gegen eine Ausdehnung der Reichsgarantie über die bisherigen 70% hinaus wurde seitens des Reichsfinanzministeriums (Min. Rat Niemetz) Einspruch erhoben. Verlangt wurde die 100%ige Reichsgarantie insbesondere vom Russlandausschuss der Deutschen Wirtschaft und von Banken; von beiden mit der Begründung, dass die Ausschöpfung eines neuen Kredites auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen würde, wenn die Lieferfirmen mit einem eigenen Risiko in Höhe von 30% belastet blieben. Wie Herr Dr. Spitta mitteilte, ist mit den Russen die Frage der Höhe der Reichsgarantie noch nicht vertieft worden. Die Russen haben mehr gesprächsweise diese Forderung aufgestellt, sodass bisher noch nicht zu erkennen ist, ob sie diese Frage zu einer Conditio sine qua non für die Verhandlungen machen werden. Ich stellte mich auf den Standpunkt, dass es aus politischen Gründen unerwünscht wäre, durch Gewährung der 100%igen Reichsgarantie dem Begriff eines Staatskredites an die Russen nahe zu kommen. Wenn es irgend möglich wäre, sei dies zu vermeiden. Die Bedenken des Russlandausschusses und der Banken seien nicht so durchschlagend, da ja auch bei dem letzten 200-Millionen-Kredit eine Ausnutzung bis auf einen kleinen Teilbetrag stattgefunden hätte, trotzdem auch dafür nur die 70%ige Reichsgarantie gegolten hätte. Das Auswärtige Amt würde seine Bedenken gegen die Reichsgarantie von 100% erst dann zurückstellen können, wenn klargestellt wäre, dass die Russen ohne eine solche Regelung den Kredit nicht abschließen würden. Dies wäre zunächst in den Verhandlungen noch zu klären. Die Ressorts schlossen sich dieser Auffassung an, sodass der Ausgangspunkt für die nächsten Verhandlungen zunächst die alte Regelung der Reichsgarantie ist. 2. Zinsfrage: Es wurde vorgeschlagen, den Russen einen Zinssatz von 6% p. a. anzubieten. Der Zinssatz bei dem letzten deutschen Kredit betrug 2% über dem jeweiligen Reichsbank-Diskont. Der Zinssatz bei der vorjährigen englischen Russenanleihe war 5½%. Schnurre Eigenhändige Unterschrift. Am Ende des Dokuments: Durchdruck der Aufzeichnung an: Dir W [mit Paraphe von Wiehl], stellv. Dir. W, Pol. V, Handakten. PA AA, R 106230, Bl. 452565-452566.
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Nr. 256
3. 4. 1938
Nr. 256 Rundschreiben des Volkskommissars für Innere Angelegenheiten der Ukrainischen SSR Uspenskij an die Leiter der Bezirksverwaltungen für Innere Angelegenheiten der Ukrainischen SSR Nr. 256 3. 4. 1938 3. 4. 1938 GANZ GEHEIM 765/sn1 [3.4.1938] AN DIE CHEFS DER BEZIRKSVERWALTUNGEN DES NKVD DER USSR Nur_______ Ich übersende die Kopie meines an den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten der Sowjetunion und Generalkommissar für Staatssicherheit Gen. N.I. EŽOV gesandten Berichtes über die deutsche Operation. Auf der Grundlage des in dem Bericht dargelegten Materials ergibt sich, dass: 1. die Zerschlagung des deutschen faschistischen militär-aufständischen Untergrundes in der Ukraine in außerordentlich langsamem Tempo erfolgt; 2. in der Ukraine bedeutende faschistische militärische Aufstandsformationen noch nicht aufgedeckt worden sind, die von ehemaligen Angehörigen des deutschen „Selbstschutzes“2, von deutschen Kommandanturen und Besatzungstruppen sowie von Mitgliedern politischer Banden und weißgardistisch-kulakischer Aufstände geführt werden; 3. in den Bezirken Kiev, Vinnica und Doneck die faschistischen militärischen Aufstandsformationen gar nicht aufgedeckt worden sind; 4. bei der Zerschlagung des konterrevolutionären deutschen Untergrundes eine Reihe [von Organen] des UNKVD von dem falschen Verständnis ausgeht, dass die Basis für die deutschen militärischen Aufstandsoperationen nur von Deutschen gebildet wird. Der Aufdeckung des faschistischen militärischen Aufstandsuntergrundes aus der Vielzahl der antisowjetischen Verbindungen deutscher Faschisten zu anderen Nationalitäten wird keine Aufmerksamkeit geschenkt; 5. die führende Rolle ehemaliger Offiziere und anderer Ränge der deutschen Besatzungsarmee3, die speziell zu diesem Zweck in der Ukraine zurückgelassen und in den letzten Jahren über legale und illegale Kanäle verteilt wurden, bei der Bildung von faschistischen Sturmabteilungen durch Ermittlungstätigkeit unzureichend aufgedeckt wird; 6. die Kanäle für die illegalen Verbindungen der faschistischen Formationen zum Ausland noch unzureichend aufgedeckt sind; 7. bei den deutschen Fällen die Konfiszierung von Waffen, insbesondere von Waffen deutscher Herkunft, die von den deutschen Besatzungstruppen in der Ukraine zurückgelassen worden sind, außerordentlich ungenügend erfolgt.
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Die Ausgangsnummer ist mit Bleistift geschrieben. Das Wort ist in Deutsch mit kyrillischen Buchstaben geschrieben. Die Besatzungszeit dauerte von Februar bis November 1918.
4. 4. 1938 Nr. 257 ICH WEISE AN: Mit allen Mitteln die nachrichtendienstliche und sonstige Ermittlungstätigkeit zur vollständigen Zerschlagung des faschistischen militärisch-aufständischen Untergrunds in der Ukraine und der deutschen Spionage- und Diversionsgruppen zu verstärken. Ergreifen Sie energische Maßnahmen, um die Waffen aus allen deutschen Kolonien herauszupressen. VOLKSKOMMISSAR FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN DER USSR KOMMISSAR DER STAATSSICHERHEIT III. RANGES USPENSKIJ Nr. 765/sn4 **3.**5 April 1938 Kiev OGA SBU, f. 16, op. 1, d. 313, l. 75–77. Kopie. Veröffentlicht in: „Bol’šoj terror“ v Ukraine, S. 919–920.
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Nr. 257 Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Bevollmächtigten Vertreter in Paris Suric Nr. 257 4. 4. 1938 4. 4. 1938 GEHEIM 6200 4. April [1938] AN DEN BEVOLLMÄCHTIGTEN VERTRETER DER UdSSR IN FRANKREICH Gen. SURIC Lieber Jakov Zacharovič, 1. Ungeachtet der äußersten Spannung der internationalen Lage ändert die französische Regierung nicht ihre Haltung der Unentschlossenheit, der Tatenlosigkeit und der Leichtgläubigkeit angesichts von Ereignissen, die eine unmittelbare Gefährdung für den allgemeinen Frieden und eine direkte Gefährdung für Frankreich selbst heraufbeschwören. Weder die Einverleibung Österreichs durch Deutschland noch die kritische Situation für die Tschechoslowakei, noch das polnische Ultimatum gegenüber Litauen1, noch die Verlagerung neuer deutscher und 4 5
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Die Zahl ist mit Tinte korrigiert; ursprünglich: 2.
1 Am 17.3.1938 stellte die polnische Regierung Litauen ein Ultimatum. Eine der Hauptforderungen bestand darin, dass die litauische Regierung ihr Einverständnis dazu geben
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italienischer Truppen unmittelbar an die spanisch-französische Grenze und schließlich auch nicht die anmaßende Erklärung Mussolinis2, der Europa mit einem großen Krieg drohte, bewegte die Franzosen dazu, aufzuwachen, zur Besinnung zu kommen und etwas zu unternehmen, wenigstens zur Selbstverteidigung. Sie wiederholen, buchstäblich wie ein Beschwörungsritual, ihre Formel der „Nichteinmischung“. Sie wenden, wie auch früher, nicht die Augen von England ab, in England sehen sie den zuverlässigen Schutz. Sie wollen, wie gewohnt, nicht begreifen, dass doch das erste Anzeichen von Entschlossenheit, Festigkeit und Unabhängigkeit der französischen Außenpolitik, wie dies bei Louis Barthou der Fall gewesen war, die jedes Maß vergessenden Aggressoren unverzüglich zur Vernunft bringen, England an die Gefahr seiner eigenen Isolierung erinnern und alle gesunden Kräfte des demokratischen Europa im Kampf um den Frieden ermuntern könnte. Paul-Boncour, von dem man mehr Entschlossenheit und Selbständigkeit hätte erwarten können, setzt im Grunde genommen die Linie von Delbos fort. Die Aufrufe Lloyd Georges, der zwecks aktiven Widerstands der Großmächte Europas gegen den militanten Faschismus in Paris erschien, verhallen wie die Stimme des Rufers in der Wüste. Eine unvergleichlich größere Aufmerksamkeit und Sympathie genießt Churchill, der Frankreich beharrlich vor einer Hilfeleistung für Spanien warnt und unverblümt deutlich zu verstehen gibt, dass England nicht mit der französischen Volksfront-Regierung konform geht.3 Pro forma werden nach der vollzogenen Einverleibung Österreichs durch die Truppen Hitlers in Berlin verspätet diplomatische Vorstellungen erhoben. Nur widerstrebend und auf Drängen von Beneš wird das bestätigt, was längst allen bekannt ist, aber Hitler leider eine Hintertür offenlässt, das ist die Verpflichtung, der Tschechoslowakei in dem Fall Beistand zu gewähren, wenn sie einem offenen Überfall durch Deutschland ausgesetzt ist. Auch Polen, das seinen Ausfall gegen Litauen abgeschlossen hat, leistet keinen ernsthaften Widerstand. Nur kraftlos die Arme ausbreitend gesteht François-Poncet im Gespräch mit unserem Geschäftsträger in Berlin4 ein, dass Polen Hitler in seinen gegen die Tschechoslowakei gerichteten Handlungen offenbar hilft. Die Franzosen selbst unternehmen rein gar nichts. Sie wollen, dass andere für sie tätig werden. Und siehe da, mit allergrößter Unverschämtheit geben sie gewissen Leuten zu verstehen, dass die Sowjetunion, wenn sie denn wollte, bedeutend mehr für Spanien tun könnte. Paul-Boncour redet über den Gesandten Cesianu den Rumänen zu; der Tschechoslowakei beizustehen, indem sie den sowjetischen Truppen den Durchmarsch durch ihr Territorium gestatten. Coulondre und Léger sprechen aber mit Ihnen darüber, worin unsere Hilfe für die Tschechoslowakei bestehen könnte. müsse, bis Ende März 1938 die diplomatischen und konsularischen Beziehungen in vollem Umfang wiederherzustellen (Frist des Ultimatums: 48 Stunden). Bei einer Ablehnung des Ultimatums wurde eine Gewaltanwendung nicht ausgeschlossen. Vgl. Polskie Dokumenty Dyplomatyczne 1938, Warszawa 2007, Dok. 56, S. 140–141. Am 19.3. nahm die litauische Regierung das polnische Ultimatum an. 2 Zur Rede Mussolinis am 30.3.1938 im Senat Italiens vgl. „Ugrozy Mussolini po adresu Francii“ (Mussolinis Drohungen an die Adresse Frankreichs). In: Pravda vom 1. April 1938, S. 5. 3 Über die Eindrücke von Majskij zur Reise Churchills nach Paris vgl. DVP, Bd. XXI, Dok. 111, S. 164–165. 4 Georgij Aleksandrovič Astachov.
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4. 4. 1938 Nr. 257 Mit solchen Leuten und mit einer derartigen Regierung geht Frankreich unweigerlich einer Katastrophe entgegen. Es kann sich nur durch eine jähe Wende in seiner gesamten Politik retten. Wann wird diese vollzogen und tritt sie noch ein? Jedenfalls wird dies weder durch die Regierung Blum noch durch das voraussichtliche Kabinett Daladier geschehen. Frankreich auf den Weg einer Außenpolitik der Erneuerung zu führen, vermag nur die organisierte Demokratie des Landes, die fähig ist, mit starker Hand den Widerstand der jetzigen „Herren“ Frankreichs zu brechen und zum Bündnis mit all den in Europa Lebenden aufzurufen, die bereit sind, den Ansturm des Faschismus abzuwehren. 2. Im Lichte der ängstlichen und passiven Außenpolitik der jetzigen französischen Regierung stellt sich die Lage für die Tschechoslowakei als höchst alarmierend dar. Zwar haben im letzten Gespräch des Gen. Aleksandrovskij mit Beneš und Krofta beide Gesprächspartner des Bevollmächtigten Vertreters versucht, diesem zu versichern, dass ihrem Land keine unmittelbare Gefahr drohe. 5 Jedoch ist der Optimismus bei Beneš bekanntlich seine physiologische Besonderheit. Was Krofta betrifft, so dient er dem jetzigen Präsidenten der Republik lediglich als Sprachrohr. Wie dem auch sei, Beneš bemühte sich, Aleksandrovskij zu beweisen, dass Deutschland noch nicht zu einem ernsten Krieg bereit sei. Dafür sei die tschechoslowakische Armee der Heimat und dem Präsidenten ergeben und werde sich tapfer für das Vaterland schlagen. Frankreich werde der Tschechoslowakei selbstverständlich militärischen Beistand leisten. Für England stelle die Erklärung Chamberlains einen großen Schritt nach vorne dar, dass es Frankreich nicht ohne seinen Beistand lassen werde.6 In dem kollektiven Sicherheitsplan für die Tschechoslowakei gegen die faschistische Aggression könnte auch Rumänien eine höchst bedeutungsvolle Rolle spielen. Beneš ist der Auffassung, dass die Gewährung des freien Durchmarsches für die sowjetische Armee durch rumänisches Territorium von entscheidender Bedeutung für die Zügelung Deutschlands sein würde. Deshalb müssten Frankreich und sogar England in entsprechender Weise auf die rumänische Regierung einwirken, um sie zum Einverständnis zu einer eventuellen Öffnung ihrer Grenzen für die Rote Armee zu bewegen. Genau der gleiche unheilbare Optimismus kommt auch in der Einschätzung der inneren Lage der Tschechoslowakei durch Beneš und Krofta zum Ausdruck. Beneš versichert kategorisch, dass es den oppositionellen Elementen weder gelingen werde, Henlein in die Regierung zu bringen, noch eine Kabinettsbildung ohne Beteiligung der Sozialisten durchzusetzen. Beneš werde im Bedarfsfalle an das Volk appellieren und sich um Unterstützung an die Armee wenden, die ihm ergeben sei. Von der von der Partei Henleins für die Sudetendeutschen geforderten Autonomie könne keine Rede sein. Die Regierung Beneš werde nicht über die Zugeständnisse für die deutsche Minderheit hinausgehen, die die geltende Verfassung vorsehe. Krofta ging sogar so weit, Gen. Aleksandrovskij zu versichern, dass Frankreich der Tschechoslowakei seinen Beistand angeblich selbst für den Fall garantiere, dass die Henlein-Leute mit eigenen 5 Am 30.3.1938 führte Aleksandrovskij mit Krofta ein Gespräch, in dessen Verlauf der Außenminister der Tschechoslowakei beteuerte, dass „in nächster Zeit kein Überfall durch Deutschland zu erwarten ist“. Vgl. DVP, Bd. XXI, Dok. 110, S. 161–164, hier S. 162. 6 Vgl. die Rede Chamberlains im Unterhaus am 24.3.1938. In: Parliamentary Debates. House of Commons, Bd. 333, Nr. 81, London 1938, Sp. 1401–1415.
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Kräften Front gegen die Regierung machen sollten, ohne sich auf eine deutsche Intervention zu stützen. Es erübrigt sich zu zeigen, dass all diese Erwägungen äußerst haltlos sind. Die Opposition in der Tschechoslowakei mobilisiert und konsolidiert fieberhaft ihre Kräfte. Die vereinigte deutsche Front tritt in Koalition mit den Agrariern, der reaktionären Partei von Kramář, mit den chauvinistischen und klerikalen Elementen der Slowaken. Die Henlein-Leute propagieren offen die Separatismus-Losung. Der hinlänglich bekannte Kahánek, der Beck und Rosenberg nahesteht und jetzt das Zentralorgan der Agrarier „Venkov“ redigiert, führt eine wüste Propaganda zur Ablösung der Regierung. Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir in allernächster Zeit Zeugen von äußerst ernsten inneren Komplikationen in der Tschechoslowakei sein werden. Es ist nicht daran zu denken, dass die französische Regierung ihrem Verbündeten Beistand leisten wird. Selbst wenn die Tschechoslowakei Opfer eines offenen Überfall Hitlers werden sollte, könnte die Hilfe Frankreichs in einer „symbolischen“ Mobilmachung der Armee an der Ostgrenze entlang der Linie MulhouseStrasbourg-Metz bestehen. Aber genau an dieser Linie haben die Deutschen nach der Remilitarisierung des Rheinlandes gewaltige Befestigungsanlagen errichtet. Sie stellen für die Franzosen ein unüberwindbares Hindernis dar und verdammen sie bestenfalls zu einem Stellungskrieg. Ich wiederhole, dass ich diesen „besten Fall“ für höchst unwahrscheinlich halte. 3. In seinen letzten Gesprächen mit Gen. Astachov hat François-Poncet behauptet, dass Polen Hitler aktive Hilfe gegen die Tschechoslowakei leisten werde. Das gleiche bestätigen auch ausländische Journalisten in Berlin. Bekanntlich hat die polnische Regierung die Tschechoslowaken bereits daran erinnert, dass sie für die in der Tschechoslowakei lebenden Polen entsprechende Rechte fordert. Laut Berechnung des tschechoslowakischen Gesandten Fierlinger ist die polnische Minderheit im Teschener Gebiet mit nicht mehr als 80.000 Seelen zu beziffern. Dies stört Oberst Beck nicht. Im Vorgefühl, dass der Verlust des Polnischen Korridors, Oberschlesiens und vielleicht Posens unabwendbar ist, dient er sich eilig Hitler an, um Polen nach Möglichkeit die bestmögliche Kompensation im Nordosten zu garantieren. Es zirkulieren Gerüchte über polnisch-deutsche Verhandlungen zur Aufteilung des Baltikums. Deutschland hofft auf Danzig und das Memelland, Polen auf Litauen, Lettgallen7 und sogar Libau. Es ist völlig glaubwürdig, dass Hitler bewusst diesen Appetit Polens anstachelt. Seine Rechnung ist hinlänglich klar. Darüber hat Gen. Stalin seinerzeit mit Laval gesprochen, als dieser in Moskau weilte.8 Deutschland stachelt Polen zu einem bewaffneten Konflikt mit der Sowjetunion an. Hitler rechnet mit der unvermeidlichen Zerschlagung Polens durch unsere Truppen. Wenn wir einige Gebiete Polens einnehmen, wird Deutschland das Gleiche tun. Indem es faktisch Deutschlands Plan ausführt, bereitet Polen selbst seine vierte Teilung und den Verlust seiner Unabhängigkeit vor.
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Lettgallen – eine der kulturhistorischen Landschaften Lettlands. Laval hielt sich vom 13. bis 15.5.1935 zu einem offiziellen Besuch in der UdSSR auf. Vgl. DVP, Bd. XVIII, Dok. 224, S. 336–338. Die Aufzeichnungen seiner Verhandlungen mit Litvinov, Molotov und Stalin sind bis jetzt nicht in russischer Sprache veröffentlicht worden. Das AVP RF kann deren Existenz nicht bestätigen.
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4. 4. 1938 Nr. 257 Es wäre nicht schlecht, wenn unsere freundschaftlichen Kontakte zu Journalisten wie Pertinax, Buré, Tabouis und anderen9 genutzt würden und sie eine antipolnische Kampagne in der französischen Presse organisieren könnten, in der die verräterische Rolle Becks und das Schicksal, das Polen erwartet, wenn es weiterhin den von Hitler vorgezeichneten Weg beschreitet, beleuchtet wird. Insbesondere hat mich Fierlinger unlängst darum gebeten, die Polen über die autorisierte Presse daran zu erinnern, dass sie, wenn sie die Frage einer verschwindend kleinen Gruppe ihrer Minderheit in der Tschechoslowakei zuspitzen, mit dem Feuer spielen. Polen vergisst, dass es selbst nur ein erzwungenes Zusammenleben von verfeindeten Nationalitäten darstellt.10 Es genügt, allein auf die Millionen von Ukrainern hinzuweisen, die am wenigsten geneigt sind, unter der Herrschaft der polnischen Pans zu verbleiben. Dieses Thema ist höchst aktuell. Ich nehme an, dass es auch von der französischen Presse gern aufgegriffen werden wird. Mit kameradschaftlichem Gruß V. Potemkin Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 E[xemplare]. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. an Gen. Astachov, das 3. an Gen. Majskij, das 4. an Gen. Aleksandrovskij, das 5. an Gen. Litvinov, das 6. an Gen. Stomonjakov, das 7. an Gen. Vejnberg, das 8. zu den Akten. Expl. Nr. 8. 4.IV.38. **1 zusätzliches Expl. für die 2. Westabteilung. 5.IV.**11 AVP RF, f. 011, op. 2, p. 17, d. 165, l. 75–70. Beglaubigte Kopie.
9 Als Potemkin noch als Bevollmächtigter Vertreter in Frankreich war, hatte er darauf aufmerksam gemacht, dass „die Bevollmächtigte Vertretung größere Finanzmittel benötigt, um die Presse zu lenken, zu inspirieren und regelmäßig mit für uns wichtigen Materialien zu versorgen. […] Es gibt sehr einflussreiche Journalisten, die nur dann eine Sondierung übernehmen, wenn sie die Gewissheit haben, dass ihre Forderungen befriedigt werden“. Auszüge aus dem Brief Potemkins führte Litvinov in dem Schreiben an Stalin vom 22.2.1936 an, in dem er für die Unterhaltung der Geschäftskontakte mit einigen Presseorganen Frankreichs und einzelner ihrer Vertreter es als erforderlich erachtete, Finanzmittel „in einem Umfang von mindestens 35.000 Franc pro Monat zu bewilligen“. In: AVP RF, f. 05, op. 16, p. 114, d. 1, l. 56–60, hier l. 59. 10 Laut der Volkszählung von 1931 hatte Polen eine Bevölkerung von 31.970 Millionen, darunter waren: Polen – 68,91%, Ukrainer – 10,10%, Juden – 8,56%, Russinen – 3,82%, Weißrussen – 3,10%, Deutsche – 2,32%, andere – 3,19 Prozent. 11 Der Text ist mit Tinte geschrieben.
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Nr. 258
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Nr. 258 Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin Nr. 258 4. 4. 1938 4. 4. 1938 Geheim Expl. Nr. 5 Nr. 5176/l. 4. April 1938 AN DEN GENERALSEKRETÄR DES ZK DER VKP (B) Gen. STALIN Kopien an: Gen. MOLOTOV, Gen. KAGANOVIČ, Gen. VOROŠILOV, Gen. EŽOV Zum Bevollmächtigten Vertreter in Berlin Von den von der deutschen Regierung unlängst vorgenommenen Umbesetzungen diplomatischer Vertreter1 ist der deutsche Botschafter in Moskau Schulenburg noch nicht betroffen. Er hält sich jedoch in Deutschland auf und kehrt, wie die Deutschen uns erklärten, bis zu unserer Ernennung eines Bevollmächtigten Vertreters in Berlin2 nicht nach Moskau zurück. Falls der jetzige Zustand andauert, so wird Schulenburg wahrscheinlich eine neue Berufung erhalten. Zudem ist Schulenburg nicht Mitglied der Nationalsozialistischen Partei3, deren Außenpolitik er nicht teilt, und deshalb hat er die zwischen uns und Deutschland aufgetretenen Konflikte nicht nur nicht verschärft, sondern vielmehr alles unternommen, um sie abzuschwächen und beizulegen. Auf seinen Posten könnte ein Erzfaschist berufen werden, mit dem zu arbeiten schwerer fallen wird. Um dem vorzubeugen, hielte ich es für angebracht, die Ernennung des Bevollmächtigten Vertreters für Berlin zu beschleunigen. In diesen Tagen habe ich auf die Frage, ob dafür nicht Gen. Astachov geeignet sei, ausweichend geantwortet. Er hat in der Tat einige Schwächen4, ich befürchte jedoch, dass wir derzeit keinen besseren finden werden, und möchte vorschlagen, falls Gen. Malenkov keinen geeigneteren Kandidaten vorschlägt, Gen. Astachov dennoch aufgrund der oben dargelegten Überlegungen als Bevollmächtigten Vertreter zu bestätigen.5 LITVINOV 1 Am 4.2.1938 wurde von Ribbentrop zum Reichsaußenminister ernannt (bis zum 27.12.1937 war er Botschafter in Großbritannien); am 6.2. wurde von Dirksen zum Botschafter in Großbritannien ernannt; am 19.3. wurde der Militärattaché Generalmajor Ott zum Botschafter in Japan ernannt; am 19.3. wurde Mackensen anstelle des zeitweilig in den Ruhestand versetzten von Hassell als Botschafter in Italien ernannt. 2 Nach der Verhaftung Jurenevs am 23.9.1937 blieb der Posten des Bevollmächtigten Vertreters der UdSSR in Deutschland vakant. 3 Graf von der Schulenburg war seit 1934 Mitglied der NSDAP. 4 Zwei Tage zuvor hatte Litvinov Äußerungen Astachovs kritisiert, die dieser im Gespräch mit dem Botschafter der Türkei in Deutschland Arpağ gemacht hatte. Vgl. Brief von Litvinov an Astachov vom 2.4.1938. In: AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 55, l. 10–11. 5 Am 5.5.1938 wurde Merekalov als Bevollmächtigter Vertreter in Deutschland bestätigt. Vgl. Beschluss des Politbüros des ZK der VKP (B) (Protokol Nr. 61, Pkt. 80). In: RGASPI, f. 17, op. 3, d. 999, l. 17.
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8. 4. 1938 Nr. 259 Das Dokument trägt unten den Stempel des Sekretariats des Volkskommissariats für Verteidigung der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 1358s vom 4.4.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 10 Expl. [Die Exemplare] 1–6 an die Adresse, das 7. [Exemplar] an Gen. Potemkin, das 8. an Gen. Stomonjakov, das 9. an Gen. Litvinov, das 10. ins Archiv. RGVA, f. 33987, op. 3, d. 1080, l. 79. Kopie. Veröffentlicht in: Moskva-Berlin, Bd. 3, Dok. 177, S. 264.
Nr. 259 Schreiben des Mitarbeiters des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Freiherr von Welck an das Geheime Staatspolizeiamt Nr. 259 8. 4. 1938 8. 4. 1938 Berlin, den 8. April 1938 Pol. V 2539 An das Geheime Staatspolizeiamt Auf das Schreiben vom 26.3.1938 – 2129/36 – II A 3 –1 Betrifft: Erfassung aller Reichsdeutschen, die nach dem Kriege in die Sowjetunion ausgewandert sind Das Auswärtige Amt macht dem Geheimen Staatspolizeiamt Mitteilung über sämtliche verhafteten deutschen Reichsangehörigen in der Sowjetunion und über alle reichsdeutschen Rückwanderer, soweit die deutschen Vertretungen in der Sowjetunion von ihnen Kenntnis erhalten. Außerdem fragen die deutschen Vertretungen in der Sowjetunion vor der Erteilung von Pässen an deutsche Reichsangehörige in allen Zweifelsfällen beim Geheimen Staatspolizeiamt an. In allen vorstehend genannten Fällen werden dem Geheimen Staatspolizeiamt Personalien, frühere Adresse, politische Einstellung usw. der betr. Reichsdeutschen mitgeteilt. Darüber hinaus Angaben über sämtliche Reichsdeutschen, die nach dem Kriege in die Sowjetunion abgewandert sind, zu machen, ist leider nicht möglich, da die Deutsche Botschaft in Moskau, die ab Mai d. J. die gesamte konsularische Tätigkeit für die Sowjetunion auszuüben hat, bereits so überlastet ist, dass ihr die mit den dortseits erbetenen Angaben verbundene Mehrarbeit nicht zugemutet werden kann. Praktisch erhält das Geheime Staatspolizeiamt jedoch schon jetzt fast über alle der Botschaft bekannt werdenden Reichsdeutschen, die sich jetzt noch in der Sowjetunion aufhalten, Mitteilung. Bei den dort bekannten Verhältnissen in der Sowjetunion ist die Zahl der frei in der Sowjetunion lebenden Reichsdeutschen im Übrigen auf ein Minimum zusammengeschrumpft. Es darf noch darauf hingewiesen werden, dass soweit bekannt sowohl die Antikomintern wie auch das Rückwandereramt der Auslands-Organisation der NSDAP reichhaltiges Material über die nach der Sowjetunion ausgewanderten 1
In Akte vorhanden.
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Nr. 260
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Reichsdeutschen besitzt. Es wird ergebenst anheimgestellt, mit diesen beiden Stellen in Verbindung zu treten. Im Auftrag gez. v. Welck Abschrift. PA AA, R 104378, o. P., 2 Bl.
Nr. 260 Aufzeichnung des Ministerialrats im Reichsfinanzministeriums Niemetz Nr. 260 9. 4. 1938 9. 4. 1938 Berlin, 9. April 1938 Geheim! F 7719- 5 -V Betr. Gewährung eines 200 Mill. Kredits an Sowjetrussland 1. Vermerk: 1) Am 22. März 1938 fand auf Einladung des Reichswirtschaftsministers1 eine Besprechung statt, in der Min.Dirig. Spitta mitteilte, dass zurzeit mit der russischen Handelsvertretung zwecks Steigerung der russischen Lieferungen an wichtigen Rohstoffen über die Einräumung eines weiteren Kredits von 200 Mill. RM durch ein deutsches Bankenkonsortium, Verhandlungen geführt werden. Im bisherigen Verlauf der Verhandlungen hätten die russischen Vertreter erklärt, dass ihnen eine Ausgestaltung des Kredits in der Art des Schemas 1935 nicht genüge, sondern dass sie in drei Punkten Änderungen verlangen müssten: a) Die Laufzeit des Kredits müsse 7 Jahre sein, b) der Zinsfuß dürfe nicht variabel, sondern müsse fest auf 4½% bestimmt sein, c) das Reich müsse den deutschen Firmen eine 100%ige Ausfallbürgschaft für die entstehenden Lieferungsforderungen einräumen. Die russischen Bestellungen auf diesen Kredit sollen zusätzlich neben den üblichen Bargeschäften laufen. Demgegenüber seien die Russen bereit, in den Jahren 1938/39 für je 150 Mill. RM Rohstoffe gemäß einer deutschen Bestellliste (insbesondere Naphtha, Erz, Öl, Felle) zu liefern. Die ihnen aus diesen Lieferungen erwachsenden Guthaben wollen sie auf Verrechnungskonten stehen lassen. Offenbar ist es der Wunsch der Russen, von Deutschland einen Kredit (möglichst sogar einen Staatskredit) unter sehr günstigen Bedingungen zu erhalten, um sich darauf anderwärts berufen zu können (Prestigegründe). Das Verlangen nach einer 100%igen Reichsgarantie dürfte darüber hinaus aus dem Grund gestellt worden sein, um von den deutschen Lieferanten, die in diesem Fall kein Risiko mehr ein1
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Walther Funk.
9. 4. 1938 Nr. 260 zugehen brauchten, günstige Preise zu erreichen, da es sich in der Vergangenheit gezeigt hat, dass die Russen das 30%ige Restrisiko vielfach auf ihre Preise aufgeschlagen haben. An angemessenen deutschen Preisen besteht aus Gegenseitigkeitsgründen auch deutscherseits ein Interesse, weil wir von den Russen Fakturierung ihrer Lieferungen in Weltmarktpreisen verlangen wollen. Die Russen beabsichtigen offenbar ferner, die aus ihren Lieferungen in den Jahren 1938/39 entstehenden Guthaben dazu zu benutzen, den früheren 200 Mill. Kredit vorschnell zurückzuzahlen und dabei einen nachträglichen Preisdruck auf die deutschen Lieferanten auszuüben; zum anderen wollen sie weitere Lieferungen gegen Barzahlung damit finanzieren. In der Besprechung bestand Einmütigkeit darüber, dass eine Kreditgewährung an Sowjetrussland nur erwogen werden kann, wenn die Behebung unserer Rohstoffknappheit 1938 und 1939 dies dringend geboten erscheinen lässt. Unter diesem Gesichtspunkt müssen auch die besonderen Wünsche der Russen auf Änderung des Kreditschemas behandelt werden. Grundsätzlich muss auf Beibehaltung der früheren Bedingungen bestanden werden. Nur wenn es zum Abschluss der Verhandlungen unumgänglich nötig sein sollte, Zugeständnisse zu machen, sollen sie in folgender Art in Betracht gezogen werden: a) die Kreditlaufzeit könnte bis zu 6 Jahren erstreckt werden, b) es könnte ein fester Zinssatz von 6% zugestanden werden, wenn hierüber mit dem Bankenkonsortium und der Reichsbank eine Verständigung möglich wäre, c) eine 100%ige Reichsgarantie kommt dagegen nicht in Frage. Von dem Vertreter des RFM wurde eine abschließende Stellungnahme vorbehalten. Über die Frage des Zinssatzes im Besonderen sollte in einer späteren Besprechung mit den Banken verhandelt werden. 2) Die Besprechung mit den Banken fand am 24. März 1938 bei der Treuhandgesellschaft statt. Es waren außer den Ressorts (BWiM, AA, RFM), der Treuhandarbeit und einem Vertreter des Russlandausschusses der Deutschen Wirtschaft Vertreter der Dedibank, der Dresdner Bank, der Compribank und der Erka anwesend. Die Einzelfragen wurden unter Vorsitz von Min.Rat Soltau durchgesprochen. a) In der Frage der Laufzeit des Kredits kam man zu demselben Ergebnis wie in der voraufgegangenen Ressortbesprechung. b) In der Zinsenfrage sind die Banken dagegen nicht geneigt, von einem variablen Zinssatz abzugehen, da sie das Risiko des veränderlichen Diskontsatzes der Reichsbank bei der Rediskontierung der Russenwechsel nicht übernehmen wollen. c) Die 100%ige Reichsgarantie wurde dagegen (– verständlicherweise – ) sowohl von den Bankenvertretern als auch von dem Vertreter des Russlandausschusses der Deutschen Wirtschaft nachdrücklichst gefordert mit der Begründung, dass nur so eine Lieferbereitschaft bei der deutschen Industrie zu erzielen sei. Bei dieser Lösung sehen die Banken auch eine Möglichkeit, zu einer Einigung in der Zinsfrage zu kommen. Die näheren Bedingungen, die von den Banken für den Kredit gestellt werden, ergeben sich aus dem Schreiben der Deutschen Bank vom 28. März 1938 F 7719 – 5 – V.
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3) Die Angelegenheit wurde am 29. März 1938 dem Herrn Min.2 vorgetragen. Er entschied dahin, dass, wenn den Russen überhaupt, in Rücksicht auf die Rohstofflage, ein weiterer langfristiger Kredit gewährt werden soll, dies grundsätzlich nur im Rahmen der früheren Bedingungen geschehen sollte. Äußerstenfalls könne in der Frage der Kreditlaufzeit eine Nachgabe bis zu 6 Jahren gemacht werden, keinesfalls könne aber die Reichsgarantie über den bisherigen Rahmen (70% + 22½% Bankenzusatzgarantie) hinaus erweitert werden. 4) Diese Entscheidung des Herrn Min. wurde am 29. März 1938 in einer weiteren Besprechung bei Min.Dirig. Spitta im RWiMin bekanntgegeben.3 Ergebnis dieser Besprechung war, dass mit den Russen in diesem Sinne weiter verhandelt werden soll. 5) Zwischenzeitlich rief Min.Dirig. Spitta an und teilte mit, dass die Russen in der Frage der Laufzeit des Kredits und der Zinsen anscheinend geneigt seien, ihre Forderungen zurückzustecken. Dagegen bestünden sie auf der 100%igen Reichsgarantie und hätten erklärt, dass bei Verweigerung dieser Garantie die Verhandlungen scheitern müssten. Demgegenüber hat Min.Dirig. Spitta ebenso ausdrücklich an seiner Ablehnung festgehalten. Die Russen werden zunächst nach Moskau berichten und dann wieder von sich hören lassen. Der weitere Verlauf ist abzuwarten. I. A. gez. Niemetz 2. Herrn Dir. 5 und Dirig. 5 3. Z.d.A. BArch, R 2/17297, o. P., 5 Bl.
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Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk. Vgl. Dok. 255.
9. 4. 1938 Nr. 261 Nr. 261 Schreiben des Volkskommissars für Außenhandel Čvjalev an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, den Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Molotov und den Stellv. Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Mikojan Nr. 261 9. 4. 1938 9. 4. 1938 GANZ GEHEIM Expl. Nr. 3 NKVT Nr. 538 9. IV.38 An Gen. I.V. STALIN Gen. V.M. MOLOTOV *Gen. A.I. MIKOJAN*1 Betrifft die Verhandlungen zum deutschen Kredit Den letzten Informationen der Genossen Davydov und Smolenskij zufolge machen die Deutschen die Gewährung eines neuen 200-Millionen-Kredits von unserer Verpflichtung abhängig, 1938 und 1939 den Export auf 150 Mio. Mark pro Jahr anzuheben, noch dazu nach einer Sonderliste unter Angabe der Summe für jede einzelne Ware.2 Laut dieser Liste sind für den Export nach Deutschland vorgesehen: landwirtschaftliche Erzeugnisse (Brotgetreide, Ölfruchtkuchen, Öl) für 37 Mio. Mark im Jahr; Holzmaterialien (Papierholz, Grubenhölzer, Schnittholz und anderes) für 53,2 Mio. Mark; Industriewaren (Erdölprodukte, Asbest, Phosphate, Manganerz, Rauchwaren, Borsten, Golderz, Platin, Leinen und anderes) für 59,8 Mio. Mark. Zugleich erklären sich die Deutschen zu einer 6jährigen Kreditlaufzeit bereit, doch bezüglich der Kreditkosten gehen sie nicht auf unsere Bedingungen ein.3 Die Anrechnung von Exportprämien auf Bestellungen à Konto des Kredits und eine Erhöhung der Regierungsgarantie über 70% hinaus lehnen die Deutschen gleichfalls ab.4 Da ich die von der deutschen Seite gestellten Bedingungen für unannehmbar erachte, bitte ich darum, den beigefügten Text des Telegramms an Gen. Davydov zu bestätigen. E. Čvjalev Entwurf GANZ GEHEIM AN DAVYDOV, Berlin Teilen Sie dem Wirtschaftsministerium mit, dass weitere Kreditverhandlungen nur dann zweckdienlich sind, wenn die Gewährung des neuen Kredits nicht in 1 2 3 4
Der Name ist mit Tinte unterstrichen. Vgl. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2778, l. 6–9. Vgl. Dok. 215. Vgl. Dok. 255.
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Abhängigkeit davon gestellt wird, dass wir die Verpflichtung eingehen, Waren nach Wahl der deutschen Seite entsprechend einer von ihnen aufgestellten Liste zu exportieren. Sie können hinzufügen, dass der Abschluss des Kreditabkommens eine Steigerung unseres Exports nach sich zieht, wir den Umfang dieser Zunahme jedoch nicht im Voraus festlegen können. Vermerk A.I. Mikojans mit blauem Farbstift: an Gen. Molotov. AM[ikojan]. Vermerke mit Bleistift: von Gen. Čvjalev. Zurück an Gen. Čvjalev. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare, der Verteiler und die Vernichtung von Exemplaren laut Beschluss vermerkt: 6 E[xemplare], **an Gen. Stalin 2 Expl. geschickt**5 RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2778, l. 4–5. Original. Veröffentlicht in: Moskva-Berlin, Bd. 3, Dok. 178, S. 265–266.
Nr. 262 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an die 2. Westabteilung im NKID 5 Nr. 262 12. 4. 1938 12. 4. 1938 GEHEIM Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Ausg. Nr. 87/s1 Berlin, 12. April 1938 AN DIE ZWEITE WESTABTEILUNG Am 9. April habe ich Einladungen und Platzkarten für die Parade am 20. April anlässlich des Geburtstages von Hitler erhalten. Im Falle einer Nichtteilnahme wird darum gebeten, die Billetts an die Protokollabteilung zurückzusenden. Da wir bis jetzt Einladungen des Staatsoberhauptes angenommen haben, liegen auch in diesem Fall keine speziellen Gründe vor, die Einladung nicht wahrzunehmen. Wenn das NKID aus irgendeinem Grund dennoch meint, dass meine Anwesenheit bei der Parade unerwünscht ist, so bitte ich, dies zu telegrafieren. Falls es zudem erwünscht ist, dass meine Abwesenheit keinen demonstrativen Charakter erhält, könnte ich mich für zwei Tage außerhalb Deutschlands aufhalten, wohin ich mit Genehmigung des Volkskommissars2 im Begriff bin, zu den Osterfeiertagen abzureisen. Ich bitte, [mir] die Entscheidung mitzuteilen. Geschäftsträger der UdSSR in Deutschland Astachov 5
Der gekennzeichnete Text ist mit Tinte geschrieben.
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Maksim Maksimovič Litvinov.
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16. 4. 1938 Nr. 263 Vermerk V.P. Potemkins mit rotem Farbstift: am 15.IV. geantwortet. VP[otemkin]. Oben rechts von der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 1776 vom 15.4.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an Gen. Potemkin, das 4. zu den Akten der Bevollmächtigten Vertretung. 12.IV.38. AVP RF, f. 011, op. 2, p. 12, d. 43, l. 57. Kopie.
Nr. 263 Schreiben des Stellv. Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Smolenskij an den Volkskommissar für Außenhandel Čvjalev Nr. 263 16. 4. 1938 16. 4. 1938 GEHEIM Expl. Nr.… Ausg. Nr. 152/s1 Berlin, 16.4.38 An den Volkskommissar für Außenhandel Gen. E.D. ČVJALEV Am *1. April*2 d[ieses] J[ahres] fand die *Sitzung der Handelsdelegation zur Erörterung des neuen Kreditabkommens* statt. Von unserer Seite waren Gen. Davydov und ich anwesend. Der Vorsitzende der Delegation, Herr *Spitta*, erklärte zu dem zuvor von uns gemachten Gegenvorschlag Folgendes: 1. Die deutsche Seite ist bereit, *uns einen Kredit* mit einer Laufzeit von *6 Jahren* gegenüber 7, wie unsererseits beantragt, zu gewähren; 2. Die *Kosten* des Kredits *bleiben unverändert*, d. h. Diskontsatz der Reichsbank + 2, sollten wir allerdings auf einem festen Diskontsatz bestehen, so ist keineswegs die *Möglichkeit ausgeschlossen*, dass es gelingt, sich auf einen *festen Diskontsatz von 6%* zu einigen. Und schließlich 3. Die deutsche Regierung *kann sich nicht einlassen * auf eine Ausweitung der Regierungs*garantie* über *70%* hinaus. Im Ergebnis des stattgefundenen Meinungsaustauschs erklärte Spitta, die deutschen Banken seien der Ansicht, dass – ausgehend vom Niveau der Kreditkosten in Deutschland und England – *der uns vorgeschlagene Satz den englischen Diskontsatz nicht überschreite und dass*, wie er sagte, in *Zukunft eine Senkung des Diskontsatzes möglich sei, und wenn wir* der Formel „Diskontsatz +2“ zustimmen würden, dann könnten wir nur einen Vorteil daraus ziehen. Spitta erklärte, er *verstehe* die Berechtigung unserer Forderung *nach einer 100%igen Regierungsgarantie*, jedoch werde sich das Ministerium keinesfalls auf eine Erhöhung dieser Garantie einlassen, und wenn wir *auf der 100%igen Garantie* bestünden, könne diese Angelegenheit dem *Kabinett zur Erörterung* vorgelegt werden, da die Ressortverhandlungen – zwischen dem Wirtschaftsministerium 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der hier und im Folgenden so gekennzeichnete Text ist mit Farbstiften unterstrichen.
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und dem Finanzministerium – erschöpft seien. Er erklärte, wenn wir glaubten, dass die Frage des *Umfangs der Garantie die einzige Diskrepanz sei, dann sei er bereit, dieses Thema im Kabinett zur Sprache zu bringen*. Übrigens wurde im Verlaufe der Verhandlungen über die Kreditkosten, die sich aus dem Diskontsatz +2 (wie dies die Deutschen vorschlagen) + einem *versteckten Zuschlag für die Gewährung eines Firmenkredits* in Höhe von 30% bei Vorliegen einer Regierungsgarantie von 70% und bei Bezahlung eines bestimmten Prozentsatzes für die Gewährung der 70%igen Garantie an die Regierung durch die Firmen zusammensetzen, auch die Frage aufgeworfen, das sogenannte *Zusatzausfuhrverfahren*3, d. h. die *Angleichung der Preise*, wie dies im Abkommen vom 1. März 1938 vorgesehen ist, auf dieses Kalenderjahr auszuweiten.4 Dazu erklärte die *deutsche Delegation, dass die Angleichung der Preise ausschließlich für Geschäfte gegen Barzahlung* gelte und keinesfalls auf Kreditabkommen ausgeweitet werden könne und werde, zumal im Sinne der *Vorverhandlungen über das Kreditabkommen vorgesehen sei*, Sonderaufträge zu vergeben, auf die sich das *sogenannte Preisausgleichssystem*5 – auch bei Barzahlung – nicht erstrecke. Somit ist der gesamte Komplex der Grundfragen im Wesentlichen geklärt und im Vergleich zum letzten Kreditabkommen vom 9. April 19356 *haben wir folgende Vorteile*: Erstens: Gegenüber dem 5-jährigen Kreditabkommen haben wir die Zustimmung der deutschen Seite zur Gewährung eines Kredits *auf 6 Jahre*; Zweitens: Wir können ohne besondere Mühe im *ungünstigsten Falle* einen festen *Diskontsatz* haben, freilich in einem *Umfang von 6% per annum*; Und schließlich drittens: Die Vergabe von Aufträgen à Konto des Kreditabkommens wird *in einem gewissen Prozentsatz zur Gesamtsumme des Kreditvertrags durch eine fest vereinbarte Liste garantiert*. Da wir gegenüber den Deutschen eine vorzeitige Einlösung unserer Schuldscheinverpflichtungen aus dem alten Kreditabkommen abgelehnt haben, werden wir wohl unseren Export, wie ich mir ungefähr vorstelle, *in einem Umfang* von 50–60 Mio. Mark für dieses Jahr und ebenso viel für das nächste Jahr erhöhen müssen, ein Betrag, der nicht durch unsere Zahlungsverpflichtungen für diese Jahre bedingt ist. Was die Lieferung von Waren für 50–60 Millionen Mark im Jahr 1939 über unsere Zahlungsverpflichtungen hinaus betrifft, so ist diese Frage sehr leicht dadurch geregelt, dass wir die Möglichkeit haben, *à Konto künftiger Lieferung* von Waren nach Deutschland in Höhe dieser Summe *bereits jetzt mit der Vergabe von Aufträgen mit Lieferfristen von 12–18 Monaten zu beginnen*. Und auf diese Weise kann das *Jahr 1939 durch vorgezogene Exporte garantiert werden*. In *Bezug auf das Jahr 1938* ist die Sache etwas schwieriger: Für diese 50–60 Millionen Mark werden wir Waren über unsere Zahlungsverpflichtungen hinaus liefern müssen; Ausrüstungen können wir nicht unterbringen – einerseits, und andererseits dürfen wir 3 4
Das Wort ist in Deutsch mit lateinischen Buchstaben geschrieben. Vgl. Artikel VII des Abkommens über den Zahlungs- und Handelsverkehr zwischen der Regierung Deutschlands und der Regierung der UdSSR vom 1.3.1938. In: DVP. Bd. XXI, Dok. 59, S. 102; ADAP, Ser. D, Bd. VII, Anhang III [Ergänzungen], S. 538. 5 Der Text ist unterstrichen und am linken Seitenrand mit einem Frage- und einem Ausrufezeichen versehen. 6 Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 116, S. 422–428.
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16. 4. 1938 Nr. 263 keinesfalls zulassen, dass sich eine so große Summe bei uns auf den laufenden Konten bildet und als totes Kapital verbleibt. Hier gibt es nur einen Ausweg – *mit diesem Betrag könnten wir Weißblech, Röhren, Draht, Qualitätsstähle, zum Teil Messgeräte usw.* bestellen. Es scheint mir jedoch, dass man diesem Betrag eine *Zweckbestimmung geben* müsste, wie zum Beispiel Rohrleitungen für Raffineriezwecke in diesen oder jenen in Bau befindlichen Abschnitten. Wir hier wissen das nicht, diese Frage sollte von den entsprechenden interessierten Organisationen erörtert werden. Von diesen Gesprächen haben wir Sie umgehend telegrafisch in Kenntnis gesetzt und Ihnen auch rechtzeitig eine Liste derjenigen Exportwaren geschickt, deren Zufuhr für die Deutschen wünschenswert wäre.7 *Zu beiden Fragen haben wir von Ihnen keine Antwort.* Ich persönlich meine, dass in diesem Stadium der Verhandlungen die *Hauptund Kardinalfrage die Frage nach dem Umfang der Garantie sein sollte*. Wenn wir eine 100%ige Garantie erreichen könnten, würde dies im Grunde einerseits eine erhebliche Verbilligung des Kredits und andererseits volle Sicherheit bei der Realisierung unseres Kredits bedeuten. Um den Deutschen in dieser Angelegenheit eine Antwort in dem Sinne zu geben, *dass wir auf einer Vorlage dieser Frage im Kabinett bestehen, brauchen wir Ihre Zustimmung*, und daher haben wir bei den Verhandlungen über diese Angelegenheit *manövriert*. Mir scheint, dass diese Angelegenheit keine untergeordnete Frage, sondern eine Frage von politischer Bedeutung ist. Wenn die zuständigen Instanzen das Aufwerfen dieser Frage als Lackmustest für die Bestimmung der Haltung der deutschen Regierung zur Kreditaktion mit uns benutzen wollen, dann sollte diese Frage gestellt werden. Meiner Meinung nach ist dies von Interesse. In jedem Fall erwarten wir von Ihnen Direktiven. STELLV[ERTRETENDER] HANDELSVERTRETER DER UdSSR IN DEUTSCHLAND S.A. Smolenskij Vermerk E.D. Čvjalevs mit rotem Farbstift: an Gen. Merekalov EČvjalev 27/IV38 Vermerk A.F. Merekalovs mit Farbstift: an Gen. Kaminskij f[ür]/Vermerk an die Reg[ierung] 5/V AMerekalov Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 2 Expl. 1 [Exemplar] an den Adr[essaten], 1 [Exemplar] zu den Akten. Vermerk mit Bleistift: Zu den Akten 17/V Oben rechts befindet sich der Stempel der Geheimgruppe der Geheimen Chiffrierabteilung des NKVT mit der Eingangs-Nr. 6408/6 vom 20.04.1938. Auf Kopfbogen der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland geschrieben. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2802, l. 73–74a. Original.
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Vgl. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2778, l. 6–9.
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Nr. 264
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Nr. 264 Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Stellv. Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Frinovskij Nr. 264 20. 4. 1938 20. 4. 1938 Geheim Expl. Nr. 2 5210/l. 20. April [1938] AN DEN STELLV. VOLKSKOMMISSAR FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN DER UdSSR Gen. FRINOVSKIJ In den Anfragen von den Chefs der Abteilungen des NKVD in Bezug auf Verhaftungen von ausländischen Staatsbürgern dient als Begründung einer solchen Maßnahme oft der Kontakt dieser Bürger zur Botschaft, zum Konsulat, zu anderen Ausländern, zum Ausland, die soziale Herkunft, die Tätigkeit in der Vergangenheit, die Äußerung dieser oder jener politischen Ansichten. Ich erachte es als erforderlich, darauf aufmerksam zu machen: 1. dass Ausländer nicht wegen ihrer Kontakte zu ausländischen Konsulaten, Botschaften oder zum Ausland beschuldigt werden dürfen, da wir, wenn wir sie in die UdSSR hereinlassen, von ihnen nicht fordern und auch nicht fordern können, dass sie generell ihre ausländischen Kontakte und sogar mit den eigenen Konsulaten oder Botschaften abbrechen müssen; 2. dass wir Ausländer in die UdSSR hereinlassen, unabhängig von ihrer Denkungsart und ihren politischen Ansichten. Wir können ihnen nicht einmal zur Last legen, wenn sie faschistische Ansichten vertreten, weil wir anderenfalls allen Ausländern außer Kommunisten den Zutritt in die UdSSR verweigern müssten. Die oben angeführten Sachverhalte können den Grund für eine Ausweisung von Ausländern als unerwünschte Elemente abgeben, aber auf **keinen**1 Fall für eine Verhaftung und Strafverfolgung. Ich möchte Sie bitten, dies den Abteilungsleitern und den Beauftragten des NKVD vor Ort zu erläutern. LITVINOV Vermerk mit rotem Farbstift: Schriftverkehr mit dem NKVD. Vermerk mit blauem Farbstift: A[rchiv]. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 2 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. ins Archiv. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 138, d. 7, l. 37. Kopie.
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Das Wort ist über die Zeile geschrieben.
21. 4. 1938 Nr. 265 Nr. 265 Schreiben des Leiters der Abteilung Osten im Außenpolitischen Amt der NSDAP Leibbrandt an den Leiter des Außenpolitischen Amtes der NSDAP Rosenberg Nr. 265 21. 4. 1938 21. 4. 1938 21. April 1938 Abt. Osten Dr. L./Ef. Herrn Reichsleiter Rosenberg im Hause In der Anlage folgt eine Aufzeichnung von Dr. Weiß über das Schrifttum über die Sowjetunion, die sich mit grundsätzlichen Fragen befasst mit der Bitte um Stellungnahme. Heil Hitler! Leibbrandt [Anlage] In unserem *Schrifttum über Russland*1 sind noch immer die Arbeiten einer propagandistischen Kampfhaltung am zahlreichsten vertreten. Das ist verständlich, da es die dringende Aufgabe unserer politischen Arbeit ist, in den Massen des Volkes einen entschiedenen Widerstand gegen den Bolschewismus wachzuhalten. Diese Aufgabe behält ihre Gültigkeit auch heute, wo für alle Zeiten die Wiederbelebung eines organisierten Kommunismus ausgeschlossen ist. Die Dokumentierung dessen, was die ungestörte Auswirkung des Bolschewismus auf einem gesicherten riesigen Machtgebiete unvermeidlich nach sich zieht, wird für die Masse die Bestätigung der Richtigkeit einer kompromisslosen Gegnerschaft zu Moskau sein. Der Fanatismus der bolschewistischen Machthaber, ihre schier unbegrenzten wirtschaftlichen und militärischen Reserven: die Gefährlichkeit des Bolschewismus erzwingt aber seine ständige Beobachtung, eine Aufgabe, für die auch die Volksmassen interessiert werden müssen. Die dauernde und das gesamte Volk erfassende politische Schulung wird die Anteilnahme an den Bewegungen unseres größten Gegners mit sich bringen. Diese Anteilnahme immer wieder anzuregen, ist Sache der Propaganda. Zahlreich sind auch die persönlichen Erinnerungen von Russlandreisenden. Eine größere Bedeutung darf solchen Arbeiten nicht zugemessen werden, besonders nicht für die politische Arbeit. Die Wiedergabe von Elendsbildern, wie sie die Sowjetunion in nie zu erschöpfender Menge bietet, mag erschütternd sein; solche Schilderungen kranken aber daran, dass sie, ohne einen Vergleich mit der Zarenzeit auch nur zu versuchen, allzu leicht mit westeuropäischen Maßstäben messen. Die Berichte z. B. von Fachleuten über den Stand der sowjetischen Technik – derselbe Fehler wird auch hier offenbar – sagen nichts darüber aus, ob es der wilden Energie der Bolschewiki gelingen wird, die technische Traditionslosigkeit des Russen zu überwinden. 1
Der Text ist unterstrichen.
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Musterbeispiele dafür, wie es nicht gemacht werden darf, sind „Bauern unter Hammer und Sichel“ von Peter Nikolajew2 und „Vier Soldaten der Roten Armee“ von Hans Zuchhold3. Dass derlei Werke, deren Unwahrhaftigkeit bereits das erste Kapitel offenbart, überhaupt erscheinen können, ist nicht zuletzt Schuld unserer Presse, die ausnahmslos jedes antibolschewistische Buch als eine wertvolle Bereicherung unserer politischen Literatur begrüßt. (So der ‚Angriff‘ vom 3. Juni 19374 und der ‚Völkische Beobachter‘ in einer Februar-Ausgabe desselben Jahres). Ebenso abzulehnen sind die kleinen, sehr zahlreichen Broschüren, die längst bekanntes Material, meist in einer wenig guten Zusammenfassung, wiederholen. Die Propaganda, der sie dienen wollen, verlangt in Darstellung und Stoffauswahl eine Geschmeidigkeit, die unser volkstümliches Schrifttum leider vermissen lässt. Brauchbar sind geschichtliche Untersuchungen. Davon liegt eine Reihe guter Werke vor. Vor allem ist die Arbeit Nikolaus Sokoloffs zu nennen: „So begann der Bolschewismus. Leidensweg und Ermordung der Zarenfamilie“5. Weiter: Sir Samuel Hoare, „Das Vierte Siegel. Das Ende eines russischen Kapitels“6, George Popoff, „Sowjetherrschaft in Europa. Die Rigaer Kommunistenzeit und ihre Lehren“7. Desgleichen gut sind Arbeiten, die Fragen der Großen Politik behandeln, z. B. Julius Sturm, „Europa brennt. Moskau am Werk“8. Daneben finden sich wissenschaftliche Arbeiten: K[onstantin] Michael, „Die Agrarpolitik der Sowjetunion und deren Ergebnisse“ 9 , E[rwin] Haudan, „Das Motorisierungspotential der Sowjetunion“ 10 , E[rnst] H[ermann] Bockhoff, „Völkerrecht gegen Bolschewismus“11. In unserem Sowjetschrifttum tritt eine eigentümliche Erscheinung zutage. Soweit es sich um wissenschaftliche Einzelwerke handelt, ist die Verpflichtung vor unserer wissenschaftlichen Vergangenheit, mit derselben Gründlichkeit und wägenden Sorgfalt zu prüfen und zu werten, lebendig. Geht es aber darum, eine nationalsozialistische Russlandforschung selbst zu begründen, so ergeben sich – wie bei dem Schrifttum der Propaganda insgesamt – mancherlei Bedenken. Grundsätzlich lässt sich Folgendes sagen: Unser antibolschewistisches Schrifttum beschränkt sich auf die Darstellung der sowjetrussischen Gegenwart (und in der Hauptsache auf einen Teil davon). Das ist bei Propagandaschriften verständlich und auch notwendig; sie sollen dem antisowjetischen Kampfe durch einen nachhaltigen Widerhall in den Massen einen genügenden Halt verschaffen. Nur sollte darauf geachtet werden, dass in den mannigfaltigen Arbeiten mitunter auch Neues gesagt wird; es ist zwecklos nur das zu wiederholen, was durch Zeitungen und Zeitschriften allgemein bekannt geworden ist. Die Broschüre J[ean] de Bivort de la Saudée’s über „Sowjetrussland und die Gottlosenbewegung“12 z. B. enthält nichts Neues, bringt dafür systemlos unwichti2 3 4
Berlin/Leipzig: Nibelungen-Verlag 1936. Nürnberg: Sebaldus-Verlag 1937. „Das neue Buch: Vier Soldaten der Roten Armee“. In: Der Angriff vom 4. Juni 1937,
S. 10. 5 6 7 8 9 10 11 12
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Berlin: Deutsche Verlagsgesellschaft 1936. Berlin/Leipzig: Nibelungen-Verlag 1936. Bern: Gotthelf-Verlag 1935. Bayreuth: Gauverlag Bayerische Ostmark 1936. So im Dokument; richtig: Robert Sturm. Berlin/Leipzig: Nibelungen-Verlag 1936. Hamburg: Hanseatische Verlagsanstalt 1937. Berin/Leipzig: Nibelungen-Verlag 1937. Kevelaer: Butzon & Bercker 1937.
21. 4. 1938 Nr. 265 ges Material ohne eine politische Wertung, eine Stoffbehandlung, wie sie aus der Anteilnahme des besorgten Geistlichen verständlich ist. Generalleutnant [Konstantin] v. Sakharow, der sich durch seine Arbeit über die tschechischen Legionen einen Namen gemacht hat, bringt eine Broschüre über die „Bolschewisierung der Welt“13. Er schreibt selbst, „über all dieses“ seien „schon Bände geschrieben worden, die Tagespresse“ bringe „ständig die erschütterndsten Nachrichten und Einzelheiten …“ Sakharow hat aber nichts hinzuzufügen; er begnügt sich mit einem wütenden Wettern, ohne sachlich etwas anderes zu sagen als die antibolschewistische Literatur der Partei seit Jahren lehrt. Seine Arbeit – wie auch die Saudée’s – ist daher überflüssig. Man kann erwarten, dass Broschüren dieses Stiles kein Echo mehr finden; die Leserschaft ist bereits übersättigt. Unsere Russlandliteratur soll Aufklärung bringen. Es fragt sich aber, ob wir auf dem Wege, den wir seit Jahren unverändert einhalten, zum Ziele kommen. Was ist von der Flut der Broschüren und auch der größeren Arbeiten über den Bolschewismus geblieben? Daran, dass weitaus den meisten dieser Schriften nur ein Tagesdasein beschieden war, mag man ihre Wirkung auf die Öffentlichkeit ermessen. Wir sind glücklich soweit gekommen, dass auch die erregendsten Schilderungen etwa der Leiden von GPU-Gefangenen kaum noch Eindruck machen. Unser Schrifttum ist in eine Sackgasse geraten, aus der nur schwer herauszukommen sein wird: die Erzeugung einer ständigen Erregung erzwingt die Verabreichung von immer stärker werdenden Dosen des Erregungsstoffes. So werden fantastische Angaben über die Zahl der Opfer, die die Tscheka forderte, eine Gewohnheit, die zu ihrer Bekräftigung noch weitere *und allmählich höhere Zahlen verlangt, bis solche Angaben schließlich einem Misstrauen begegnen. Es ist auch nicht richtig zu glauben, dass mit der fortwährenden Schilderung der Vorgänge in den*14 GPU-Kellern auf die Dauer der gewünschte Eindruck erzielt werden kann. Wir dürfen annehmen, dass die instinkthafte Gegnerschaft der breiten Masse gegen die Sowjetunion so gefestigt ist, dass die Grundlage unseres Schrifttums verbreitert werden kann. Es muss erreicht werden, dass das Hauptmerkmal unseres antibolschewistischen Kampfes nicht mehr die Zahl der Erschossenen und der Verhungerten oder die Untersuchung ist, ob möglichst jeder führende Bolschewist Jude oder jüdisch versippt ist. (Als ob es mit dem Wesen der Tscheka und der GPU irgendetwas zu tun hätte, dass ihr Gründer und sein Nachfolger – Dsershinski und Menshinski – Polen und nicht Juden waren!) Es muss die Überzeugung durchzusetzen sein, dass z. B. die Rolle Lenins als des willensstärksten Vollstreckers eines jüdischen Gedankens genügend gekennzeichnet war – den kann auch ohne die (in ihrer Krampfhaftigkeit mitunter komische) Prüfung, ob der Wolgatartare vielleicht doch von der Mutter her mit dem Judentum blutsmäßig in Verbindung steht. (Schon die einmalige Entdeckung, dass ein zum Juden gestempelter Bolschewistenführer ein waschechter Russe ist, kann verheerend wirken.) Auf diese Weise kann unsere Aufklärungsarbeit – bei der unverminderten weltanschaulichen Kompromisslosigkeit – wesentlich vertieft werden. Dann ist es möglich, neben der Rolle des Judentums auch die anderen Faktoren, die den revolutionären Ausbruch im Jahre 1917 erzwangen oder beschleunigten, zu beachten 13 14
Herrsching: Deutscher Hort-Verlag 1937. Der Text ist am Seitenrand angestrichen.
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(die 200jährige Tartarenherrschaft und ihre Auswirkungen, das Freiheitsstreben der Fremdvölker, die seelische Haltung des herrschenden Großrussentums, die Agrarfrage u. a. m.) Dann verliert zum Heile unserer Arbeit unser literarisches Schaffen jene hoffnungslose Einseitigkeit, die es heute kennzeichnet. Es wird dann auch nicht mehr möglich sein, aus einer Weltanschauung ein konjunkturpolitisches Kapital zu schlagen, eine Versuchung, der selbst ein E[dwin] E[rich] Dwinger erliegen konnte („Und Gott schweigt?“)15. Es ist unvermeidlich, dass in der Menge der Schriften, die ein aktuelles politisches Thema wie Sowjetrussland hervorruft, auch weniger gute Arbeiten zu finden sind. Soweit es sich um Propagandaschriften handelt oder um Versuche, Fragen des Bolschewismus volkstümlich zu erörtern, ist die Wirkung solcher weniger guten Arbeiten zwar unerwünscht, aber für den politischen Kampf insgesamt doch erträglich; mag auch bei der Leserschaft eine Ermüdung eintreten, so ist doch auf die Dauer die einzige Wirkung die, dass auch der guten Literatur über Sowjetrussland der Weg versperrt wird. Die Gegnerschaft des Volkes gegen den Bolschewismus bleibt dadurch grundsätzlich unberührt. Viel ernster wird die Frage, wenn das Problem wissenschaftlich angefasst wird. Der Politiker, der zur Einschätzung der eigenen und der gegnerischen Kräfte mit Gegebenheiten zu rechnen hat, kann nicht auf eine sachliche Kenntnis von Tatsachen verzichten. Diese Kenntnisse zu vermitteln, ist Aufgabe der wissenschaftlichen Arbeit, die in der leidenschaftslosen Feststellung dessen, was geschah, was vorhanden ist und in der Prüfung der Kausalzusammenhänge die vermutliche künftige Entwicklung erkennen will. Die Verwertung dieser Forschungsergebnisse ist Sache des Politikers, der auf sie zurückgreifen muss, soll ein Wunschbild vermieden werden, das allzu leicht eine fehlerhafte Wertung der tatsächlichen Kräfteverhältnisse verschuldet. Bei der Bedeutung der Sowjetforschung für die Politik wird die Frage, welcher Weg zum Ziele führe, erst recht dringend. Die Sowjetforschung des Liberalismus, die in der Räteunion eine interessante neue Lösung alter Probleme sah, hat jede Wirkungsmöglichkeit verloren; gerade das Fehlen einer klaren weltanschaulichen Haltung trieb Wissenschaft und Politik der Systemzeit in eine hoffnungslose Defensive. Welcher Forschungsart unsere Wissenschaft sich zu bedienen hat, will Hermann Greife in seiner „Sowjetforschung“16 aufzeigen, in dem „Versuch einer nationalsozialistischen Grundlegung der Erforschung des Marxismus und der Sowjetunion“. Greifes Buch ist aber ein Musterbeispiel für eine Forschung, die durch die Vermengung der streng zu trennenden Methoden der wissenschaftlichen und der politischen Arbeit sich selbst die Voraussetzung eines fruchtbaren Wirkens nimmt. Greife begnügt sich mit der Darlegung der politischen und rassischen Struktur der Sowjetunion, schafft also für den politischen Kampf nur die Ausgangsstellung, die um des Enderfolges willen irgendwie ausgebaut werden muss. Das heißt: Die Festlegung einer weltanschaulichen Haltung gegenüber der Sowjetunion und den sie tragenden Kräften gibt noch keine Auskunft über die Erfolgsaussichten der roten Machthaber. Und danach fragt der Politiker ebenfalls. Die Forschungsmethoden der Systemzeit, in der Sowjetunion nur ein wirtschaftliches 15 16
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Jena: Eugen Diederichs Verlag 1936. Berlin/Leipzig: Nibelungen-Verlag 1936.
21. 4. 1938 Nr. 265 Experiment zu sehen, schlagen nunmehr in das andere Extrem um; die Sowjetforschung wird zu einer ausschließlichen Beschäftigung mit der Judenfrage, ohne dass sie eine ernste Forschung zu sein braucht. Damit aber übernimmt der Wissenschaftler – und als ein solcher will Greife schreiben – Aufgaben des Politikers, vermengt beider Arbeitsmethoden und erreicht weiter nichts als die Züchtung eines Dilettantismus weiter nichts als dass eine Vogel-Strauß-Politik getrieben wird, die in der beruhigenden Überzeugung, dass mit der Erkenntnis, wer Russland beherrsche, alles in Ordnung sei, einer Überprüfung gerade der politisch entscheidenden Fragen aus dem Wege geht. Ein Beispiel: Wir kennen den oft bewiesenen Fanatismus der Sowjets und ihren Willen, ihr Ziel ohne Rücksicht auf unvorstellbare Opfer durchzusetzen. Den Politiker interessiert es vor allem, wieweit die Räte imstande sind, aus eigener Kraft die Weltrevolution vorwärtszutreiben. Dazu gehört eine Untersuchung der russischen Ökonomie, dazu gehören: eine gewissenhafte Darstellung z. B. der Verkehrswege und ihres Zustandes, zuverlässige Angaben über Menge und Art der Metallerzeugung usw. Greife sieht in dieser Forschungsweise eine liberalistische Verirrung; es gehe nicht an, sagt er, die Kanalbauten Sowjetrusslands nur auf ihre wirtschaftliche und strategische Bedeutung hin zu untersuchen, es müssten auch die Leiden der Zwangsarbeiter geschildert werden. Damit befasst sich der Sozialpolitiker (der aber durch einen Vergleich mit der 300 Jahren der Zarenzeit festzustellen hat, was an dem gegenwärtigen Sklavensystem typisch bolschewistisch ist und was nicht). Der Politiker hat sich um die (menschlich erschütternden) Leiden der Verbannten nicht zu kümmern; soll unsere Politik wiederum von sentimentalen Empfindungen abhängig gemacht werden? Außerdem: wird nach dem Zustande eines Wirtschaftszweiges oder eines Abschnittes des kulturellen Lebens Sowjetrusslands gefragt, so ist eine Angabe, in welchem Maße das entsprechende Volkskommissariat verjudet ist, keine befriedigende Antwort. Greife wehrt sich geradezu gegen eine Forschungsmethode, die allein Erfolg verspricht. Für die Untersuchung der sowjetrussischen Wirtschaft weiß er keine anderen Themen anzugeben als die Fragen, ob „es der Sowjetregierung gelungen ist 100 oder 110.000 von Ausschuss-Glühbirnen herzustellen“ oder „ob es ihr gelungen ist, 3 oder 4 Maschinentypen den gestohlenen westeuropäischen Mustern nachbilden“. Diese Art, Wissenschaft zu treiben, führt zwangsläufig dazu, eine sachliche Feststellung von Leistungen oder Leistungsmöglichkeiten in der Räteunion als ein probolschewistisches Bekenntnis anzunehmen. Welcher Dienst der Politik erwiesen wird, ist nicht recht einzusehen. 11.IV.38 Dr. Helmut Weiß Eigenhändige Unterschriften. IfZ, MA 255, Bl. 000360-000366.
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27. 4. 1938 Nr. 266 Schreiben des Geheimen Staatspolizeiamtes an das AA
Nr. 266 27. 4. 1938 27. 4. 1938 Berlin, SW 11, den 27. April 1938 Abschrift Pol. V 3373 Geheime Staatspolizei Geheimes Staatspolizeiamt B.Nr. II A 3 – 1033/37 – An das Auswärtige Amt Berlin Betr.: Propaganda, für eine Reise nach der Sowjetunion Bezug: Mein Schreiben vom 17.8.37 –1 Anlg.: 2, diese unter Rückerbittung2 Wie mir bekannt geworden ist, betreibt das Unter den Linden 58 befindliche sowjetrussische Reisebüro Intourist trotz der zwischen Deutschland und der Sowjetunion bestehenden Spannungen und der Massenausweisungen Reichsdeutscher aus der Sowjetunion nach wie vor eine umfangreiche Propaganda, um deutsche Volksgenossen von den Schönheiten Sowjetrusslands zu überzeugen und sie zu einer Reise nach der Sowjetunion zu bewegen. So ist erst am 14.4.38 von Intourist ein Rundschreiben an alle deutschen Reisebüros versandt worden, indem darauf hingewiesen wurde, dass in diesem Jahre 26 Pauschalreisen nach den touristisch interessantesten Gebieten Sowjetrusslands veranstaltet würden. Außerdem wurde in dem Rundschreiben auf die am 1. August in Moskau stattfindende Große Landwirtschaftliche Ausstellung aufmerksam gemacht, die größte ihrer Art, die hinsichtlich der räumlichen Ausdehnung noch die Pariser Weltausstellung übertreffen werde. Inzwischen sind nach einer mir zugegangenen Mitteilung dem Reisebüro Intourist von Moskau noch 100 in englischer Sprache verfasste, reich illustrierte Prospekte zugesandt worden, die gleichfalls verteilt werden sollen. Derartige Prospekte sollen angeblich demnächst auch in deutscher Sprache erscheinen. Da eine derartige Sowjetpropaganda als durchaus unerwünscht bezeichnet werden muss, halte ich es zunächst für notwendig, die deutschen Reisebüros anzuweisen, die ihnen von Intourist zugesandten Prospekte und Werbeschreiben nicht auszulegen. Außerdem dürfte es zweckmäßig sein, die deutschen Volksgenossen erneut durch eine entsprechende Pressenotiz auf die Gefahren aufmerksam machen zu lassen, die ihnen für den Fall einer Reise nach der Sowjetunion drohen. Schließlich bliebe zu erwägen, diejenigen Reichsdeutschen, die dennoch beabsichtigen, sich nach Sowjetrussland zu begeben, aus Gründen ihrer persönlichen Sicherheit an der Ausreise zu hindern.
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In der Akte nicht vorhanden. In der Akte nicht vorhanden.
27. 4. 1938 Nr. 267 Ich rege an, durch Einwirkung auf die Sowjetrussische Botschaft den Vertrieb der Propagandaschrift zu unterbinden. Für eine Mitteilung über die dortige Auffassung wäre ich dankbar. Im Auftrage Unterschrift PA AA, Moskau II 333, Bl. 43-44.
Nr. 267 Auszug aus der Aufzeichnung von Unterredungen des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov mit Mitarbeitern des AA Nr. 267 27. 4. 1938 27. 4. 1938 GEHEIM Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 981 Berlin, 27. April 1938 TAGEBUCH G. ASTACHOVS 14/IV. Ich erhielt die Weisung des Volkskommissars2, das Agrément für Gen. Merekalov einzuholen. Ich rief am Vormittag um 11.00 Uhr von Welck an und bat ihn, mir zu diesem Zwecke ein Treffen mit dem Minister zu arrangieren. Von Welck rief mich nach einigen Minuten zurück und teilte mir mit, dass Ribbentrop über die Osterfeiertage in den Urlaub fahre, aber Staatssekretär Weizsäcker (der Vertreter) könne mich um 18.00 Uhr empfangen. Als ich bei Weizsäcker erschien, sagte ich, dass ihm sicherlich der Grund meines Besuches bereits bekannt wäre. Er antwortete, dass es, wie ihm mitgeteilt worden sei, um das Agrément für den neuen Botschafter ginge. Ich bestätigte, dass meine Regierung mich beauftragt habe, das Agrément für Gen. A. V. Merekalov3 zu erbitten, der für den Posten des Bevollmächtigten Vertreters der UdSSR in Deutschland ernannt worden ist. Dazu überreichte ich Weizsäcker einen in deutscher Sprache abgefassten Text mit den wichtigsten biografischen Daten des Bevollmächtigten Vertreters. Weizsäcker äußerte den Wunsch nach zusätzlichen Exemplaren dieses Textes, um sie anderen Instanzen zu übergeben; ich händigte ihm noch zwei Kopien aus. Nachdem Weizsäcker den Text gelesen hatte, fragte er, ob ich Gen. Merekalov persönlich kennen würde, was ich verneinte, aber ich fügte hinzu, dass der Handelsvertreter4 mit ihm bekannt sei. Sodann fragte W[eizsäcker], ob Gen. Merekalov verheiratet sei und ob er die deutsche Sprache beherrsche. Ich antwortete, dass ich dazu über keine exakten Informationen verfüge, worauf Weizsäcker bemerkte: „Es ist vorstellbar, dass er die Sprache kennt.“ Worauf ich bestätigend ant1 2 3 4
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Maksim Maksimovič Litvinov. So im Dokument; richtig: A.F. Merekalov. Vasilij Gavrilovič Davydov.
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wortete und zugleich wiederholte, dass ich dies jedoch nicht genau wisse.5 Danach erinnerte ich daran, dass Gen. Merekalov als Stellvertreter der Volkskommissars für Außenhandel eine große Affinität zu den sowjetisch-deutschen Angelegenheiten gehabt hätte, da über ihn der gesamte Komplex der Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland gelaufen sei. Ich fügte dem hinzu, dass der Rang eines Stellvertretenden Volkskommissars auf Unionsebene bei uns ungefähr dem Rang eines Botschafters entspreche. Weizsäcker fragte, ob der Bevollmächtigte Vertreter in nächster Zeit anzureisen beabsichtige. Ich antwortete, da wir das Agrément erbäten, werde der Anreisetermin in bedeutendem Maße von der deutschen Regierung abhängen. Weizsäcker sagte, dass er alles unternehmen werde, was von ihm abhinge, damit die Agrément-Frage in normalen Bahnen verlaufe. Danach fragte ich ihn, wie die Dinge um Schulenburg stünden. Er antwortete, dass die Informationen über dessen Ernennung für andere Staaten unbegründet gewesen wären, zumal die Posten in Tokio und Warschau, über die ausländische Zeitungen berichtet hätten, besetzt seien. Er wisse, dass Schulenburg bald nach Moskau zurückzukehren beabsichtige. Da im weiteren Gesprächsverlauf die Konsulate zur Sprache kamen, erwähnte ich, dass unsere Konsulate in Hamburg und Königsberg übermorgen die Liquidierung beenden würden. Die Schließung in Wien sei noch nicht abgeschlossen, obgleich der Beschluss dazu bereits gefasst worden sei.6 Weizsäcker interessierte sich dafür und fragte, ob wir das Auswärtige Amt darüber offiziell in Kenntnis gesetzt hätten. Ich sagte, ich hätte dies von Welck am 2. April ganz offiziell mitgeteilt, worauf wir Gen. Nikolaev mit einem Mitarbeiter nach Wien zur Klärung der Details für die Schließung geschickt hätten. W. sagte, dass ihm darüber nichts bekannt gewesen sei, obwohl ihn die Haltung aller Länder zum Schicksal der Vertretungen in Wien sehr interessiere. Er zeigte mir ein Dossier, das eine Liste aller Länder enthält, die ihre Haltung zu dieser Frage dargelegt haben. Ich sagte, dass wir dazu nichts in schriftlicher Form mitgeteilt hätten, da von Welck nach meinem Eindruck mit der mündlichen Mitteilung vollauf zufrieden gewesen sei und nicht den Wunsch nach einer Dokumentation geäußert hätte. W. notierte sorgfältig das von mir genannte Datum des 2. April und sagte, dass die deutsche Regierung den Beschluss gefasst habe, allen Diplomaten der geschlossenen Missionen die diplomatischen Privilegien für eine gewisse Zeit weiterhin zu gewähren. Die deutsche Regierung hoffe selbstverständlich, dass den Diplomaten klar sei, dass diese Frist nicht unbegrenzt wäre. Ich sagte, dass wir nicht beabsichtigen, uns lange in Wien festzusetzen und die deutsche Regierung in dieser Hinsicht beruhigt sein könne, jedoch besitze unsere Bevollmächtigte Vertretung dort ein großes Gebäude mit umfangreichem Inventar, und dessen vollständige Liquidierung beanspruche eine gewisse Zeit. Das Gespräch endete nach einigen allgemeinen Floskeln. 21/IV. Nach den Osterfeiertagen brachte die Presse die Mitteilung über unseren Beschluss, die Bevollmächtigte Vertretung in Wien aufzulösen. Offenbar hat entweder von Welck unsere frühere Erklärung nicht in die Wege geleitet oder die deutsche Regierung wollte sie solange nicht veröffentlichen, bis nicht ähnliche Er5 6
Vgl. Dok 272. So im Dokument. Gemeint ist die Schließung der Bevollmächtigten Vertretung der UdSSR in Wien. Vgl. Dok. 248, Anm. 2.
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27. 4. 1938 Nr. 267 klärungen von den übrigen Missionen eingegangen wären. Es ist auch möglich, dass das Auswärtige Amt mit der ersten Erklärung wegen mangelnder Feierlichkeit unzufrieden war und sie deshalb nicht in vollem Umfang als offiziell betrachtete. 22/IV. Über von Welck wurde ich gebeten, von Bismarck (als kommissarischen Leiter der Politischen Abteilung) aufzusuchen. Er begann mit der Darlegung des Falls der Ehefrau des Mitarbeiters des Kiever Generalkonsulats Strecker7 und endete mit der Bitte, alles Erdenkliche zu unternehmen, damit die Ehefrau Streckers aus der Haft entlassen werde und ihr 16jähriger Sohn aus erster Ehe (**Čavčavadze**8) mit ihr zusammen (und ihrem Ehemann) nach Deutschland ausreisen könne. Noch während der Darlegung Bismarcks wandte ich ein, dass es, wie ich klarstelle, um Sowjetbürger ginge, worauf Bismarck antwortete, dass die Ehefrau Streckers nach sowjetischem Recht in der Tat Sowjetbürgerin sei, aber nach deutschem Recht sei sie, da sie mit einem Deutschen die Ehe eingegangen ist, deutsche Staatsbürgerin. Außerdem habe sie eine Austrittserklärung aus der sowjetischen Staatsbürgerschaft eingereicht. Aus diesem Grunde sei es richtig, sie als eine Person mit doppelter Staatsbürgerschaft zu betrachten. Der Sohn sei hingegen sowjetischer Staatsbürger. Ich sagte, dass in solch einem Fall die deutsche Seite ihre Bitte wohl kaum als formal begründet betrachten könne, worauf sich von Bismarck anschickte ausführlich zu erklären, dass ihm die juristische Kompliziertheit dieser Frage für die deutsche Seite klar wäre. Aus diesem Grund wolle er die Frage auch nicht unter formaljuristischem Aspekt aufwerfen (obgleich ihm scheine, dass auf die Bürgerin **Strecker**9 für die Zeit ihrer Gefängnishaft zumindest die Punkte der Niederlassungskonvention angewandt werden müssten10). Das Auswärtige Amt bestehe im Übrigen nicht auf der formalen Seite der Angelegenheit, hoffe aber darauf, dass die sowjetische Regierung dennoch entgegenkomme, um die Konflikte beizulegen, die im Zusammenhang mit der Konsulatsfrage aufgekommen seien. Zum 16. Mai würden die deutschen Konsulate geschlossen und damit sollten zugleich alle in diesem Zusammenhang entstandenen Missverständnisse ausgeräumt sein. Er hoffe, dass der Fall der Bürgerin Strecker nicht von der Art ist, dass sie es verdiene, von ihrem Mann getrennt zu werden und dass er insgesamt einen bitteren Beigeschmack hinterlasse. Da die sowjetische Regierung die Absicht zum Ausdruck gebracht habe, einen Botschafter zu ernennen, wäre sie sicherlich daran interessiert, dass letzterer in einer Atmosphäre eintreffe, die frei sei von den unangenehmen Konflikten der Vergangenheit und er nicht zwangsläufig zu dieser Vergangenheit zurückkehren müsse. Auf meine Bemerkung, dass die deutsche Seite zu derartigen Fragen die Verhandlungen gewöhnlich in Moskau führe, antwortete B[ismarck], dass die Verhandlungen dazu seit langem mit dem NKID geführt würden, jedoch bis jetzt keine konkrete Antwort vorliege. Er spreche deshalb mit mir, um die Schritte, die die 7 8 9 10
Vgl. Dok. 231. Der Name ist mit Tinte korrigiert; ursprünglich: Čivgavadze. Der Name ist mit Tinte korrigiert; ursprünglich: Strefer. Laut Artikel 1 des Abkommens über Niederlassung und allgemeinen Rechtsschutz zwischen Deutschland und der UdSSR vom 12.10.1925 war festgelegt, das die darin vorgesehenen Rechte der Staatsangehörigen jeder der vertragschließenden Seiten sich nur auf die Staatsangehörigen „mit den entsprechenden Ausweispapieren über ihre Person und ihre Staatsangehörigkeit“ erstreckten. In: DVP, Bd. VIII, Dok. 342, S. 584; Reichsgesetzblatt 1926, Teil II, S. 6.
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Botschaft in Moskau unternehme, zu ergänzen und die Bedeutung zu unterstreichen, die die deutsche Seite diesem Fall beimesse. Ich betonte noch einmal, dass mir, obgleich ich mit dem Fall nicht vertraut sei, dennoch klar sei, dass die rechtliche Position des Auswärtigen Amtes vollkommen hoffnungslos erscheine, weil es sich um sowjetische Staatsbürger handele. Von Bismarck wiederholte erneut, dass er keineswegs auf einer formalen Fragestellung beharre, die deutsche Seite jedoch an einer faktischen Regelung dieses Problems aus rein humanitären Erwägungen interessiert sei. Ich sagte, dass ich den Inhalt seiner Bitte unverzüglich nach Moskau übermitteln werde. Er bedankte sich und bat, ihn umgehend nach Erhalt einer Antwort des NKID zu informieren. Da B. den Bevollmächtigten Vertreter erwähnt hatte, fragte ich ihn, wie lange das Verfahren für die Erteilung des Agrément gewöhnlich dauere. Er antwortete, dass ihm zu dem aktuellen konkreten Fall nichts bekannt sei, jedoch würden gewöhnlich 2 bis 3 Wochen für eine Antwort benötigt.11 Dabei fielen die Ostertage kaum ins Gewicht. Als er sich nach der Person des Bevollmächtigten Vertreters erkundigte, antwortete ich, dass er 38 Jahre alt und verheiratet sei. Danach fragte ich, indem ich den Zweck dieser Frage andeutete, ob ein genaues Datum für die Reise des Reichskanzlers nach Italien festgesetzt sei und ob er von dort nach Berlin zurückkehre. B. antwortete, dass noch kein konkretes Datum festgelegt sei, die gesamte Besuchsdauer aber wohl kaum mehr als 10 Tage betragen werde.12 Der „Führer“ kehre nach Berlin zurück, und es werde deshalb für die Übergabe des Beglaubigungsschreibens keine Schwierigkeiten geben. […]13 G. Astachov Vermerk M.M. Litvinovs mit rotem Farbstift: MM. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 1588 vom 3.5.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. 7 an Gen. Litvinov, das 8. [Expl.] zu den Akten der Bevollmächtigten Vertretung. 28/IV.38. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 56, l. 126–134, hier l. 126–130, 134. Original.
11 Das Agrément für Merekalov wurde am 30.4.1938 erteilt. Vgl. AVP RF, f. 011, op. 2, p. 12, d. 43, l. 70, 69. 12 Vgl. Dok. 221, Anm. 5. 13 Im Folgenden sind Informationen ausgelassen mit dem Untertitel „Aus der journalistischen Gerüchteküche“, die das Thema der deutsch-sowjetischen Beziehungen nicht berühren (l. 131–133) sowie eine Gesprächsmitschrift mit dem polnischen Geschäftsträger Malhommé (l. 133–134).
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28. 4. 1938 Nr. 268 Nr. 268 Aufzeichnung des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov Nr. 268 28. 4. 1938 28. 4. 1938 GEHEIM Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 1011 Berlin, 28. April 1938 Die für ausländische Kommentatoren aktuellste Frage der Außenpolitik Deutschlands bleibt das Problem: Wer ist der nächste (nach Österreich). Wenn noch vor Kurzem die Auffassung überwog, dass Berlin mit dem Sudeten-Problem zumindest bis zum Frühjahr des nächsten Jahres abwarten werde, so sind in den letzten Wochen Absichten zu Tage getreten, diese Aktion in einem schnelleren Tempo durchzuführen. Sofort nach **Beendigung**2 der relativen österlichen Ruhe eröffnete (genauer: erneuerte) die Presse ein intensives Feuer gegen die Tschechoslowakei, indem sie die Karlsbader Rede Henleins3 als Ausgangspunkt nahm. Es begann mit einer dreispaltigen Darlegung des „Angriff“ zu einem Artikel in „Gringoire“, sodann begründete die „Diplomatisch-politische Korrespondenz“ die These, wonach die Sudetendeutschen keine Minderheit wären, sondern die „überwältigende Mehrheit in den Grenzen des von ihnen bewohnten Territoriums“ stellten, und deshalb würden sie nicht „die Rechte einer nationalen Minderheit“ fordern , sondern völlige „Gleichberechtigung“ (über die Absicht, eine derartige These zu verkünden, habe ich in einem früheren Tagebuch geschrieben). Die Rede Henleins stieß natürlich auf völlige Zustimmung und fand in Schlagzeilen der Zeitungen ihren Niederschlag, die gegenüber Prag geradezu ultimativen Charakters waren („letzte Warnung“ usw.); die Kampagne wird seither mit unverminderter Energie geführt, wobei die Angelegenheit als ein umfassender Kampf aller in der Tschechoslowakei lebenden Nationen (selbstverständlich außer den Tschechen) gegen die Prager Regierung dargestellt wird, und bereitet sozusagen den Boden für die künftige Rolle Hitlers als „Befreier“ von der „tschechischen Tyrannei“, die alle Völker unterdrücke und mit der Komintern unter eine Decke stecke. Hier erzählt man sich, dass die verstärkte Aktivität auf Druck von Henlein zustande gekommen sei, der vor Ostern nach Berlin4 gekommen sei und auf energischerem Vorgehen bestanden hätte, da die Situation, wie er meinte, recht günstig wäre. Selbst Mastný, der ex officio5 Optimist zu sein hat, unterstrich im heutigen Gespräch mit mir, dass er die Lage lediglich zum jetzigen Zeitpunkt nicht für bedrohlich halte, dasselbe jedoch nicht für die Zukunft, nicht einmal für die nahe Zukunft, sagen könnte. Er hat in dem Sinne recht, dass man selbstverständlich nicht erwarten darf, dass Hitler irgendein Abenteuer vor seiner Rückkehr aus Italien und vor Beendigung der Kommunalwahlen in
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Das Wort ist mit Tinte korrigiert; ursprünglich: Belebung. Am 24.4.1938 auf dem Parteitag der Sudetendeutschen Partei in Karlsbad. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. II, Dok. 135, S. 192. 4 Am 28.3.1938 wurden Henlein und Frank von Hitler in Anwesenheit von Heß, von Ribbentrop und Lorenz empfangen. In: ebd., Dok. 107, S. 158–159. 5 So in kyrillischen Buchstaben geschrieben.
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der Tschechoslowakei6 riskieren wird. Es ist vielmehr anzunehmen, dass er über Henlein diese Wahlen (von denen er annimmt, dass sie für ihn günstig ausfallen werden) als neues Argument für Druck auf Prag benutzen wird. Mit Mussolini gedenkt er selbstverständlich Absprachen zu dieser Frage zu treffen. Es steht außer Frage, dass diese Aktivität in unvermindertem Tempo und wahrscheinlich mit zunehmender Progression fortgeführt werden wird, falls keine grundlegende Veränderung in der internationalen Lage stattfinden sollte. Nach all dem zu urteilen, heucheln die Hitlerleute nicht sonderlich, wenn sie über ihren „Unwillen zum Krieg“ sprechen. Auf den Krieg sind sie, vielen Äußerungen zufolge, noch nicht völlig vorbereitet, und auch die Stimmung der Bevölkerung ist in dieser Hinsicht noch nicht reif. Jedoch sind sie davon überzeugt, ihre Ziele „auf friedlichem Wege“ erreichen zu können. Nachdem sie die deutsche Bevölkerung der Sudeten organisiert und alle übrigen Nationalitäten gegen Prag aufgehetzt und sich den aktiven Beistand Polens und Ungarns unter Beteiligung Italiens gesichert haben, rechnen sie damit, die Tschechoslowakei im Innern zu zersetzen und sie an einem Sonnabend mit der Abtrennung der Sudeten mit Unterstützung der „Befreiertruppen“ aus Deutschland, die Henlein herbeirufen wird, zu konfrontieren. Sie rechnen damit, dies in solch einem schnellen Tempo zu vollziehen, dass ein Eingreifen der Mächte nicht zum Tragen kommt. Es ist selbstverständlich schwierig, alle Details ihres Plans vorauszusehen, doch allen Anzeichen nach geht ihr Gedankengang genau in diese Richtung. In einer gesonderten Aufzeichnung habe ich meine Reiseeindrücke durch das Sudetengebiet zusammengefasst. *Wie oberflächlich sie auch gewesen sein mögen, so ist mir doch das Wesentliche klar: 1) Die deutsche Bevölkerung ist im Ergebnis der energischen Tätigkeit der Henleinleute und der Passivität der Tschechen und der Anti-Henlein-Gruppen fast vollständig überzeugt worden und bereit, Hitler als Befreier zu empfangen, der die Rettung aus der Agrarkrise und der Arbeitslosigkeit bringen wird.*7 (Fast alle Deutsche, die wir trafen, hoben beim Anblick unseres Autos, das ein deutsches Kennzeichen hat, die Hand zum Hitlergruß, und manchmal sprangen junge Burschen auf das Trittbrett und schrien: „Heil Hitler!“.) Nach allgemeiner Auffassung ist die Stimmung (zusammen mit dem Kurs der Mark) nach den Ereignissen in Österreich gestiegen – in der Bevölkerung hat sich die Überzeugung breitgemacht, dass die Einverleibung der Sudeten genauso ungestraft vollzogen werden könne. *2) Es ist nicht zu sehen, dass Prag versuchen würde, Henlein den Boden zu entziehen, und die Bevölkerung durch wirtschaftliche Maßnahmen (durch Aufkauf von Agrarerzeugnissen, durch Inbetriebnahme von stillgelegten Betrieben usw.) auf seine Seite zu ziehen. Stattdessen geht Prag den Weg politischer Zugeständnisse an die Henleinleute, was nur deren Stellung stärkt und ihren Einfluss bei den Massen festigt.*8 *3. Die Henleinleute nutzen die legalen Möglichkeiten der demokratischen Ordnung in vollem Umfang, und die deutsche Bevölkerung (Partei, Jugend, Tourismus, Sport, „Winterhil-
6 Die Kommunalwahlen in der Tschechoslowakei fanden in drei Etappen statt: am 22. und 29.5. sowie am 12.6.1938. 7 Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen und mit der Ziffer 1 versehen. 8 Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen und mit der Ziffer 2 versehen.
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28. 4. 1938 Nr. 268 fe“ usw.) ist im Prinzip bereits nach deutschem Muster organisiert.* 9 *4. Die Tschechen (ich urteile aufgrund der Gespräche in Berlin) verlassen sich vollkommen auf die Stärke ihrer Armee und auf den Beistand durch Frankreich und durch uns. *Die Deutschen meinen **nicht**10, dass Frankreich, das kalt überrascht und vor vollendete Tatsachen gestellt werden wird, nicht in Erscheinung treten wird, und folglich auch wir nichts tun werden.*11 Sie rechnen damit, mit den Tschechen dank der Unterstützung durch die deutsche und ungarische Bevölkerung ohne Krieg fertig zu werden.*12 Hinzu kommt die Version von der Schwäche der Roten Armee, die im diplomatischen Corps verstärkt kursiert (darüber berichtete mir Mastný). Falls sich die Lage in diese Richtung entwickeln sollte, so ist nicht daran zu zweifeln, dass die Sudeten (wenn nicht gar Tschechien insgesamt) in nicht allzu ferner Zukunft das Schicksal Österreichs teilen wird. *Deutsche Bauern eines kleinen Dorfes zeigten mir die Linie*13, wo künftig die „Grenze“ zwischen Deutschland und Tschechien in ihrem Gebiet verlaufen wird (zwischen den Dörfern Bezděz und Bělá). Ein derartiger Gang der Ereignisse kann nur dann verhindert werden, wenn man den Deutschen mit unmissverständlicher Klarheit zu verstehen gibt, dass jedwede Veränderungen ihrer Grenzen mit Tschechien, mit welcher Soße dies auch immer garniert werden mag, ohne einen Weltkrieg nicht möglich sind. Ihrer Einschätzung der Lage in Frankreich nach zu urteilen, ist damit kaum zu rechnen. Ein anderes Faktum, welches bis zu einem gewissen Grade diese Tendenz verändern oder zumindest stark verlangsamen könnte, bestünde in einer fühlbaren Verbesserung der wirtschaftlichen Lage des Sudetengebietes in **Verbindung**14 mit einer energischen Aufklärungsarbeit und mit repressiven Maßnahmen gegen die Henleinleute. Diese wirtschaftliche Verbesserung (Inbetriebnahme von Glas- und Textilfabriken, Aufkauf von Agrarerzeugnissen) würde natürlich gewisse Opfer sowohl von den Tschechen selbst als eventuell auch von den Mächten, die an einer Abwendung des Krieges mit Deutschland interessiert sind, verlangen. Diese Opfer würden jedenfalls geringere Ausgaben nach sich ziehen als ein Krieg und würden sogar im Falle eines Krieges von Nutzen sein. Vorläufig ist nicht zu spüren, dass Prag in diesem Sinne etwas unternehmen würde, sondern es beschreitet im Gegenteil den Weg politischer Abmachungen mit den Henleinleuten. Ich weiß nicht, ob wir energisch genug in Prag das ganze Unheil dieser Linie, die exakt den Absichten Berlins entspricht, verdeutlichen. Es ist nicht daran zu denken, dass die Sudeten-Frage die einzige ist, die die Aufmerksamkeit der Deutschen beansprucht. Der Presse nach zu urteilen, ist eine bestimmte Aktivität in Bezug auf die deutsche Bevölkerung in anderen an Deutsch9 Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen und mit der Ziffer 3 versehen. 10 Dieses Wort ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Da Zweifel an der korrekten Übermittlung des Sinns dieser Passage bestanden, wandte sich der Gehilfe des Chefsekretärs des NKID, A. Roš, am 9.5.1938 an Astachov. Vgl. AVP RF, f. 011, op. 2, p. 12, d. 43, l. 80. In dem Antwortbrief vom 11.5. präzisierte Astachov, dass die Passage so zu lesen sei: „… die Deutschen meinen aber, dass Frankreich ...“. In: ebd., l. 83. 11 Der Satz ist mit rotem Farbstift in eckige Klammern gesetzt. 12 Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen, mit der Ziffer 4 und NB versehen. 13 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. 14 Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: Besonderheit.
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land angrenzenden Ländern zu verzeichnen. **Deutlich mehr „Aufmerksamkeit“ erfährt die Lage der deutschen Minderheit in Polen. Die letzte *Nummer der Zeitschrift „Ostland“ (Organ des Bundes der sogenannten Ostdeutschen) ist fast komplett gegen Polen gerichtet.*15 Antipolnische Kurzmeldungen erscheinen fast täglich in der Presse (im Zusammenhang mit dem Problem der deutschen Minderheit, die auch in Polen ihr Haupt erhebt). Aber dieser Umstand hat anscheinend keine Auswirkungen auf die deutsch-polnischen Beziehungen.**16 Mir ist es nicht gelungen, konkrete Informationen über die Pläne Hitlers in Rom17 in Erfahrung zu bringen. Und es wird kaum jemanden geben, der diese Informationen besitzt (wenn man nicht die Deutschen und Italiener mitzählt). Doch der Zusammensetzung der Teilnehmer und dem Ton der Presse nach zu urteilen, ist eine nicht geringe Wirkung in Vorbereitung. Berlin ist offenbar daran gelegen, Gerüchte über eine Schwächung der „Achse“ zu zerstreuen und mit Mussolini Vereinbarungen über eine Koordinierung des Vorgehens im Falle eines Konflikts mit der Tschechoslowakei und ihren Verbündeten zu treffen. Ob es zu einem offenen Kriegsbündnis kommen wird, ist nicht abzusehen, jedoch wird alles unternommen werden, um die Festigkeit der „Achse“ zu demonstrieren und diesen Effekt für die Umsetzung der nächsten Pläne auszunutzen. G. Astachov Oben rechts von der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 2025 vom 3.5.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Litvinov, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. zu den Akten. AVP RF, f. 011, op. 2, p. 12, d. 43, l. 77–73. Original. Veröffentlicht in: DVP, Bd. XXI, Dok. 151, S. 219–22218.
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Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen und mit NB verse-
hen. 17 18
linien.
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Vgl. Dok. 221, Anm. 5. Die Veröffentlichung in DVP erfolgte ohne Legende und nach eigenen Redaktionsricht-
29. 4. 1938 Nr. 269 Nr. 269 Schreiben des Mitarbeiters der Zentralabteilung des Sicherheitshauptamtes Ohlendorf an den Persönlichen Stab des Reichsführers SS Nr. 269 29. 4. 1938 29. 4. 1938 29. April 1938 GEHEIM II 2111-4 /AZ 3948/38 Tu/Rn An den Reichsführer SS Persönlicher Stab Berlin SW 11 Prinz-Albrecht-Str. 8 Betr.: Austausch wissenschaftlicher Arbeiten mit *sowjetrussischen Universitäten*1 Vorg.: Dort. Schr. Tgb.Nr. *AR/106*2 vom 17.II.19383 Der Erlass des Reichserziehungsministeriums, auf dem im dortigen Schreiben vom 17.2.38 Bezug genommen wurde, und der den wissenschaftlichen Austauschverkehr mit Russland verbietet, wurde bereits auf Grund einer Vereinbarung zwischen der hiesigen Dienststelle und dem REM weiter ergänzt und ein wissenschaftlicher Schriftverkehr mit der Sowjetunion bei strenger Kontrolle durch die Reichstauschstelle des REM und die hiesige Dienststelle wieder gestattet. Die Änderung wurde im Hinblick auf die Notwendigkeit einer vollen Unterrichtung der Staatsstellen über die Vorgänge in Sowjetrussland getroffen. Der Reichstauschstelle, Berlin, Unter den Linden 8, können sich also auch die in dem vorerwähnten Brief genannten Vorgeschichtler bedienen. Sämtliche Bestellungen und der wissenschaftliche Schriftwechsel gehen von dort aus über die Buchhandlung „Köhler & Volksmann, Leipzig“ an die „Gesellschaft für kulturelle Verbindung mit dem Ausland“ in der Sowjetunion, wo sie von der GPU kontrolliert werden. Ein anderer Weg ist zurzeit auch deshalb nicht möglich, weil die Sowjetforscher über alle Eingänge die GPU in Kenntnis setzten, schon aus Furcht, dabei in den Spionageverdacht zu kommen. Der sogenannte „wissenschaftliche“ Austausch, von sowjetrussischer Seite auf Propaganda eingestellt, hat daher für uns in wissenschaftlicher Hinsicht nur einen sehr begrenzten Wert. Der Chef des Sicherheitshauptamtes i. A. Der Leiter der Zentralabteilung II 2 i.V. Ohlendorf SS-Sturmbannführer und Stabsführer 1 2 3
Der Text ist unterstrichen. Die Tagebuch-Nummer ist unterstrichen. Das Schreiben ist in der Akte vorhanden, die in diesem Schreiben angegebene Anlage jedoch nicht; vgl. NS 19/2403, Bl. 1.
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Handschriftliche Unterschrift. Auf erstem Blatt Stempel: Geheim sowie weitere, nicht entzifferte Stempel. Auf Kopfbogen des Reichsführers SS und Chef des Sicherheitshauptamtes geschrieben. BArch, NS 19/2403, Bl. 2-3.
Nr. 270 Beschluss des Politbüros des ZK der VKP (B) Nr. 270 29. 4. 1938 29. 4. 1938 [29.4.1938] Zu Nr. 5220/l BESCHLUSS*ENTWURF*1 1. Die Verpflichtung des NKVD zur strengen Befolgung der gültigen internationalen Abkommen über die Benachrichtigung ausländischer Botschaften, Missionen und Konsulate über Verhaftungen unter Einbeziehung des NKID ist zu bekräftigen. Diese Benachrichtigungen an das NKID müssen unverzüglich nach der vollzogenen Verhaftung erfolgen. 2. Gen. Ežov ist anzuweisen, einen seiner Stellvertreter damit zu beauftragen, **ständige Verbindungen**2 zum NKID zu halten und ihm die Verantwortung für die fristgemäße Beantwortung von dessen Anfragen zu übertragen. 3. Falls die ausländische Staatsbürgerschaft der zur Inhaftierung und zur Ausweisung vorgesehenen Bürger angefochten wird, ist das NKVD verpflichtet, dem NKID die exakten Daten zum nationalen Pass mitzuteilen, mit dem die bezeichneten Personen in die UdSSR eingereist sind, sowie die **Kopien ihrer Erklärungen**3 zum Übertritt in die sowjetische Staatsbürgerschaft und der **Beschlüsse**4 des CIK oder des Obersten Sowjets über die Verleihung der sowjetischen Staatsbürgerschaft zu übergeben. 4. Den aus der UdSSR auszuweisenden ausländischen Staatsbürgern, insbesondere denjenigen, die lange Zeit in der UdSSR gelebt haben, und noch mehr den hier Gebürtigen, ist in Abstimmung mit dem NKID eine angemessene Zeitspanne für die Regelung ihrer Angelegenheiten zu gewähren. Litvinov **5. Dem Vertreter der Englischen Botschaft ist ein Besuch der Rose Cohen5 zu genehmigen.**6 Vermerke A.N. Poskrebyševs mit Bleistift: Bestätigt. P[oskrebyšev]. O.P. Frage des NKID. Paraphe A.N. Poskrebyševs mit blauem Farbstift: P[oskrebyšev]. 1 2 3 4 5 6
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Das Wort ist mit Bleistift durchgestrichen. Der Text ist mit Tinte korrigiert; ursprünglich: die ständige Verbindung. Der Text ist mit Tinte korrigiert; ursprünglich: die Kopie ihrer Erklärungen. Der Text ist mit Tinte korrigiert; ursprünglich: die Beschlüsse. Rose Cohen war am 28.11.1937 erschossen worden. Der Text wurde von Poskrebyšev mit Bleistift geschrieben.
1. 5. 1938 Nr. 271 Vermerk des Sekretärs: P 61/48. 29.IV.38. Auszüge an Litvinov, Ežov. Geschäftsvermerk: Akte: England; NKVD. RGASPI, f. 17, op. 166, d. 589, l. 16. Original. Veröffentlicht in: Lubjanka. Stalin i Glavnoe upravlenie gosbezopasnosti NKVD, Dok. 322, S. 5277.
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Nr. 271 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin Nr. 271 1. 5. 1938 1. 5. 1938 GEHEIM Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 1051 Berlin, 1. Mai 1938 AN DEN STELLV. VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN Gen. POTEMKIN Kopie an: Gen. LITVINOV 1) Die Deutschen haben am 30. April das Agrément für Gen. Merekalov erteilt2, d.h. noch vor Ablauf der zweiwöchigen Frist nach den Osterfeiertagen, diese Frist hatte mir Bismarck als Minimum genannt. Da ich keinen Ruf ins AA erhalten hatte, befürchtete ich, dass sich die Erteilung des Agréments bis zur Rückkehr Hitlers (und Ribbentrops) aus Rom3 verzögern könnte, und beauftragte Gen. Nikolaev, bei von Welck beiläufig die Lage zu sondieren, dem aber bis zum Mittag des 30. April in der Agrément-Angelegenheit nichts bekannt war. Doch gegen Abend des gleichen Tages wurde mir im Namen des Protokollchefs4 in schriftlicher Form die Mitteilung zugeschickt (die Kopie ist beigefügt5). Ich beabsichtige (ebenfalls schriftlich), ihren Erhalt zu bestätigen und mitzuteilen, dass ich Ihnen eine entsprechende Nachricht übermittelt hätte. 2) Ich weiß nicht, wie ernst man die Andeutung Bismarcks nehmen muss, als er die Frage nach dem Bevollmächtigten Vertreter mit der Bitte verband, die Ehefrau Streckers aus der Haft zu entlassen und sie mit ihrem Sohn nach Deutschland ausreisen zu lassen (vgl. mein letztes Tagebuch). Ich habe bis jetzt von Ihnen keine Antwort zu dieser Angelegenheit erhalten. Wie es scheint, geht den Deutschen diese Sache sehr nahe, weil dies, soweit ich mich erinnere, während meines Hierseins 7
Das Dokument wurde in redaktioneller Bearbeitung veröffentlicht.
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Vgl. Dok. 267, Anm. 11. Vgl. Dok. 221, Anm. 5. Vicco von Bülow-Schwante. Vgl. AVP RF, f. 011, op. 2, p. 12, d. 43, l. 70, 69.
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bereits der zweite Fall ist, dass mich das AA speziell zur Frage einer in der UdSSR verhafteten Person hat rufen lassen (das erste Mal wurde ich im vergangenen Jahr von Prüfer für ein Gespräch über den Sekretär des Novosibirsker Konsulats6 einbestellt). Auffällig ist auch, dass mich dieses Mal nicht von Welck und auch nicht Schliep (unsere üblichen Gesprächspartner) ins AA rufen ließen, sondern der in der Rangordnung weit höherstehende Bismarck. Ich weiß nicht, was Strecker darstellt, jedoch ist klar, dass die Deutschen wegen dieses Falls sehr verstimmt sind und man ihnen doch eine Antwort geben muss. 3) Da Gen. Merekalov, wie Sie schreiben, die deutsche Sprache ungenügend beherrscht, *ist es unabdingbar, mit ihm zugleich einen persönlichen Sekretär mitzuschicken*7, der die Sprache gut beherrscht. Jetzt, nachdem Sie die Genossin Denisova abberufen haben, gibt es in unserem Apparat keinen einzigen Mitarbeiter mehr, der die Sprache gut beherrscht. Dem Bevollmächtigten Vertreter sollte unmittelbar eine Person zugeteilt sein, die ihn ständig begleitet, für ihn Telefonate führt, ihm die Korrespondenz und die Zeitungen vorliest und außerdem sein Dolmetscher bei Gesprächen mit Besuchern, auf Reisen, bei Spaziergängen usw. ist. Anderenfalls gestaltet sich die Lage äußerst schwierig. Für die Abfassung von Protokollen und sonstigen Schreiben gibt es in der Tat eine Deutsche, doch sie ist nicht für die sonstigen Arbeiten geeignet und räumlich entfernt untergebracht. Ich bitte Sie, einen solchen Mitarbeiter nach Möglichkeit im Eilverfahren vorzubereiten, anderenfalls gerät der Bevollmächtigte Vertreter nach seiner Ankunft in eine äußerst unangenehme Lage. Was die Sprache generell betrifft, so befinden wir uns in einer ausgesprochen heiklen Situation, weil im vergangenen Jahr nach der Abberufung des bisherigen Personals nicht eine einzige Person hierher geschickt worden ist, die die Sprache anständig beherrscht (wenn man Gen. Smirnov nicht mitrechnet, der bei TASS beschäftigt ist und die Sprache keineswegs fließend beherrscht). Das gesamte Dienstleistungspersonal (mit Ausnahme von 2 Genossen, die sich irgendwie verständigen können) hat überhaupt keine Sprachkenntnisse. *Ich bitte, die Frage eines sprachkundigen persönlichen Sekretärs für den Bevollmächtigten Vertreter (wünschenswert wäre nicht nur die deutsche Sprache, sondern auch die französische und englische) als äußerst dringend zu behandeln.*8 4) In Ihrem Tagebuch ist übrigens die Bemerkung Schulenburgs zu der Version aufschlussreich, dass die Deutschen Schuschnigg korrumpiert hätten. Genau das gleiche hat mir der hiesige türkische Botschafter9 im letzten ausführlichen Gespräch gesagt (das war im Tagebuch vermerkt). Die Tatsache, dass die Deutschen auf ihn Einfluss genommen haben, springt direkt ins Auge, sie machten ihn zum direkten Sprachrohr für deutsche Kreise. Astachov **Anlage: Kopie des Schreiben von Bülow-Schwante in 2 Exemplaren.**10
6 Gemeint ist Wilhelm Krämer. Er war der Gehilfe des Sekretärs des Deutschen Konsulats in Novosibirsk. 7 Der Text ist mit Bleistift unterstrichen. 8 Der Text ist mit Bleistift unterstrichen. 9 Mehmet Hamdi Arpağ. 10 Der Text ist mit Tinte geschrieben.
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4. 5. 1938 Nr. 272 Oben rechts von der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 2104 vom 5.5.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. zu den Akten der Bevollmächtigten Vertretung. AVP RF, f. 011, op. 2, p. 12, d. 43, l. 72–71. Original.
Nr. 272 Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov Nr. 272 4. 5. 1938 4. 5. 1938 Geheim Expl. Nr. 7 Nr. 5240/l. 4. Mai 1938 AN DEN GESCHÄFTSTRÄGER DER UdSSR IN DEUTSCHLAND Gen. ASTACHOV Sehr geehrter Georgij Aleksandrovič, Schulenburg besuchte mich heute nach seiner Rückkehr nach Moskau. Er teilte mir nichts Interessantes mit, doch verdient beachtet zu werden, dass er es dieses Mal nicht für angebracht hielt, wie er dies früher bei ähnlichen Anlässen getan hat, über eine gewisse Entspannung der Beziehungen oder über neue Strömungen zu sprechen. Hitler hat er nicht gesehen und es versteht sich von selbst, dass von Ribbentrop keine Weisungen für eine Verbesserung der Beziehungen zu erwarten waren. Die Verzögerung bei der Erteilung des Agréments für Gen. Merekalov1 erklärte Schulenburg mit der in Berlin festgelegten Praxis, niemandem früher als nach 2 bis 3 Wochen das Agrément zu erteilen. Es habe Fälle gegeben, bei dem entweder dem mexikanischen oder einem anderen Gesandten das Agrément nur mit einer gewissen Verzögerung erteilt worden sei, weil es erforderlich gewesen sei, über diesen Erkundigungen einzuholen, wogegen die entsprechende Regierung Protest eingelegt hätte. Aus diesem Grunde sei entschieden worden, das Verfahren zu vereinheitlichen und bei allen das Agrément für einige Wochen zurückzuhalten. Mir ist noch unbekannt, wann Gen. Merekalov beabsichtigt, nach Berlin abzureisen. Wahrscheinlich hat es für ihn keinen Sinn, vor der Rückkehr Hitlers aus Italien2 dort einzutreffen, aber auch danach müsste man wissen, wenigstens annähernd, wann er von Hitler empfangen werden könnte. Ich befürchte, dass Hitler ihn absichtlich lange warten lassen wird, und deshalb würde ich persönlich Gen. Merekalov nicht drängen wollen, aber mir scheint, dass er selbst so bald wie möglich vor Ort sein möchte, um die Sprache zu erlernen, die er gar nicht beherrscht. 1 2
Vgl. Dok. 267. Am 9. Mai 1938.
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Nr. 273
11. 5. 1938
Wir erhielten aus Kabul die Mitteilung, dass laut Information des afghanischen Botschafters in Berlin3 eine deutsche Zeitung eine provokative Meldung über Konflikte an der sowjetisch-afghanischen Grenze gebracht hat. Der afghanische Botschafter wäre angeblich beauftragt worden, wegen dieser Meldung Protest zu erheben und auf die enge Freundschaft zwischen Afghanistan und der UdSSR hinzuweisen. Nach Informationen aus Ankara wird zum deutschen Botschafter in der Türkei entweder Aschmann oder aber der Leiter der Personalabteilung des Auswärtigen Amtes4 ernannt werden.5 Aus Rom haben wir Meldungen, dass Chamberlain angeblich vor einigen Tagen bei Mussolini wegen dessen Haltung in der tschechoslowakischen Frage angefragt habe. Mussolini hätte geantwortet, dass er in dieser Frage vollkommen die Haltung Englands teile, jedoch zwinge die komplizierte Situation der Sudetendeutschen und die freundschaftliche Verbundenheit der italienisch-deutschen Beziehungen Italien dazu, sich reserviert zu verhalten. Mussolini hätte die Hoffnung auf eine friedliche Politik Deutschlands gegenüber der Tschechoslowakei zum Ausdruck gebracht. Ich hoffe, bei meiner Durchreise nach Genf am 7. abends mit dem NordExpress Sie in Berlin auf dem Bahnhof zu sehen. LITVINOV Vermerk mit Bleistift: A[rchiv]. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 7 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. an Gen. Vajnštejn, das 5. nach Paris, das 6. nach London, das 7. ins Archiv. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 55, l. 14–15. Kopie.
Nr. 273 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 273 11. 5. 1938 11. 5. 1938 Geheim Expl. Nr. 1 AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS Nr. 6248 [11.5.1938] GESPRÄCH MIT SCHULENBURG, 11. Mai 1938 Schulenburg eröffnete sein Gespräch mit mir mit der Frage, ob es dem NKID gelungen wäre, die Genehmigungen für die in Kiev befindlichen Ehefrauen der 3 4 5
Allah Nawaz Khan. Curt Prüfer. Der Botschafter in der Türkei von Keller ging im November 1938 in den Ruhestand, zu seinem Nachfolger wurde im April 1939 von Papen ernannt.
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11. 5. 1938 Nr. 273 deutschen Staatsangehörigen Strecker und Schmidt zu erwirken, ihren Ehemännern nach Deutschland zu folgen.1 Schulenburg erinnerte daran, dass die Strecker sowjetische Staatsangehörige sei, die Schmidt aber die deutsche Staatsangehörigkeit besitze. Ich antwortete dem Botschafter, dass wir die ihn interessierende Frage ordnungsgemäß eingereicht, jedoch noch keine Genehmigung erhalten hätten. Danach teilte Schulenburg mit, dass der deutsche Staatsangehörige Fuchs, der wegen Spionage verurteilt worden sei, im Gefängnis von Jaroslavl' die Strafe verbüße.2 Der Botschafter stelle nicht in Abrede, dass sich Fuchs in der Tat auf eigene Initiative mit Dingen beschäftigt hätte, derentwegen er vom Gericht zur Verantwortung gezogen worden sei. Jedoch wollten die Verwandten von Fuchs in Deutschland über sein Schicksal informiert werden. Dem Botschafter würde es genügen zu wissen, dass er lebe und sich nach wie vor in Jaroslavl' befinde.3 Bei dieser Gelegenheit erwähnte der Botschafter einen gewissen Pausch, einen deutschen Staatsangehörigen, der im Gefängnis von Novosibirsk einsitze.4 Er bat, die Botschaft nach Möglichkeit auch über dessen Schicksal zu informieren. Sodann brachte Schulenburg seine Genugtuung darüber zum Ausdruck, dass dank der Unterstützung des NKID die Angelegenheit der Ausweisung der in Odessa verhafteten deutschen Staatsangehörigen Liebmann eine günstige Entscheidung erfahre. Zum Abschluss des Gesprächs teilte Schulenburg mit, dass der Militärattaché der Deutschen Botschaft Köstring, der zugleich auch in Litauen diese Position innegehabt habe, von letzterer Dienststellung entbunden worden sei und als Militärattaché nur in der UdSSR verbleibe. Potemkin Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 Expl. Das 1. [Exemplar] zu den Akten, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. an die 2. Westabteilung, das 5. nach Berlin. AVP RF, f. 011, op. 2, p. 20, d. 206, l. 151. Original.
1 Am 28.4.1938 hatte von der Schulenburg im Gespräch mit Potemkin um die Genehmigung für die verhaftete Ehefrau des Mitarbeiters des Generalkonsulats in Kiev, Strecker, nachgesucht, zusammen mit ihrem Ehemann zum 15.5. die UdSSR zu verlassen. Vgl. AVP RF, f. 011, op. 2, p. 20, d. 206, l. 168. 2 Kurt Fuchs war im Herbst 1934 zu 8 Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 1, Dok. 509, Anm. 14, S. 1341. 3 Im Januar 1936 suchte der Mitarbeiter der Deutschen Botschaft Hensel in Begleitung des Gehilfen des Leiters der 2. Westabteilung im NKID, Levin, den Häftling Fuchs im ITL in Jaroslavvl' auf. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 362, 378. 4 Pausch war in der Nacht vom 10. zum 11.7.1937 verhaftet und am 14.11.1937 durch Beschluss der auswärtigen Sitzung des Obersten Gerichts zu 20 Jahren Lagerhaft verurteilt worden.
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Nr. 274
11. 5. 1938
Nr. 274 Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA Nr. 274 11. 5. 1938 11. 5. 1938 Moskau, den 11. Mai 1938 E/108 An das Auswärtige Amt Berlin Auf Erlass Kult E 548/38 vom 29.4.381 Inhalt: Veranstaltung einer Ausstellung über das „Deutschtum in Russland“ Der in der UdSSR zur Zeit herrschende Terror ist neben den innerpolitischen Schwierigkeiten, denen die Politik Stalins bei einem Teil der Partei begegnet, vornehmlich bedingt durch die Furcht der Sowjetregierung vor einem Angriff von außen. Diese Furcht hat mit der Zeit den Charakter einer Psychose angenommen, die u. a. in zahlreichen Maßnahmen ihren Ausdruck findet, die gegen die in der UdSSR lebenden Ausländer, insbesondere Reichsdeutsche, sowie gegen die Kreise der Bevölkerung der Sowjetunion gerichtet sind, die im Verdachte stehen, mit Deutschland zu sympathisieren. Die Lage der Deutschstämmigen in der UdSSR hat sich infolgedessen im Laufe der *letzten 5 Jahre immer mehr verschlimmert* und es ist kaum abzusehen, wohin die Verfolgungen des deutschen Elements schließlich führen werden. Bei der Bedrückung der Volksdeutschen benutzt die Sowjetregierung mit Vorliebe den Vorwand, dass die deutschen Kolonisten aus ihren Sympathien für das *„imperialistische“* Deutschland schon während des Weltkrieges *kein Hehl gemacht*2 haben und die deutschen Okkupationsarmeen in der Ukraine und im Kaukasus bei den deutschen Kolonisten immer eine freundliche Aufnahme fanden. Hieraus werden dann Schlussfolgerungen in Gestalt von Verhaftungen, Ausweisungen u. a. m. gezogen. Es liegt unter solchen Verhältnissen auf der Hand, dass die Sowjetregierung sich die Gelegenheit einer *Ausstellung* über das Deutschtum in Russland nicht entgehen lassen wird, um sie für ihre auf eine Diffamierung der hiesigen Volksdeutschen gerichteten Bestrebungen auszuwerten. Hierzu werden ihr *einzelne Teile* der Ausstellung, wie u. a. die beabsichtigte Darstellung *„Deutsche Truppen in den Kolonien während der Besatzungszeit*3 Südrusslands 1918)“ zweifellos eine willkommene Handhabe bieten. Der großen kulturpolitischen Bedeutung der beabsichtigten Ausstellung steht somit die *Befürchtung*4 entgegen, dass ihre Veranstaltung zu einer weiteren Verschlimmerung und Erschwerung der Lage der Deutschstämmigen in der UdSSR wird. Andererseits ist aber nicht zu verkennen, dass in Deutschland an einer anschaulichen geschichtlichen Zusammenfassung der kolonisatorischen Leistungen 1 In dem Schreiben übersandte das AA einen Ausstellungsentwurf des Verbandes der Deutschen aus Russland über die Russlanddeutschen und fragte an, ob es seitens der Botschaft Bedenken dagegen gebe. Vgl. PA AA, R 60479, o. P. 2 Die drei Textstellen des Absatzes sind unterstrichen. 3 Die drei Textstellen des Absatzes sind unterstrichen. 4 Das Wort ist unterstrichen, zusätzlich ist der erste Satz am Seitenrad angestrichen.
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11. 5. 1938 Nr. 275 des Deutschtums in Russland ein berechtigtes Interesse besteht und dass die *Sammlung des einschlägigen Materials weitgehend gefördert werden müsste*5. Wenn sich daher aus den von mir angeführten Gründen vielleicht empfiehlt, von der Veranstaltung einer großen öffentlichen Ausstellung in Berlin abzusehen, so dürfte immerhin *in Erwägung gezogen werden, etwas ähnliches in Stuttgart*6, der Stadt der Auslandsdeutschen, ins Leben zu rufen, wo die Veranstaltung auf die unmittelbar interessierte Kreise beschränkt bleiben könnte. Schulenburg Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben Stempel des AA: Kult E 819, eing. 16. MAI 1938. In zwei Durchschlägen gefertigt. Auf Kopfbogen der Deutschen Botschaft geschrieben. PA AA, R 60479, o. P., 2 Bl.
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Nr. 275 Rundschreiben des Stellvertretenden Chefs der Deutschen Sicherheitspolizei Best an alle Staatspolizeileit- und Staatspolizeistellen Nr. 275 11. 5. 1938 11. 5. 1938 Berlin, den 11. Mai 1938 B.Nr. 7358/37 g – II A 3 – „Als geheim“ An alle Staatspolizeileit- und Staatspolizeistellen, auch in Österreich Betrifft: Russlandrückkehrer Vorgang: Hiesiger Erlass vom 22.6.37 – B.Nr. 7358/37 g1 Anlagen: keine Die Deutsche Botschaft in Moskau, der die dortigen Protokolle über die Vernehmung deutscher Rückwanderer aus der Sowjet-Union zur Kenntnis übersandt worden waren, hat gebeten, bei der Vernehmung deutscher Rückwanderer in Zukunft die folgenden Gesichtspunkte mehr als bisher zu berücksichtigen. 1.) Mit wem sind die Verhafteten im Gefängnis zusammengetroffen, insbesondere mit welchen sowjetrussischen Persönlichkeiten? 2.) Nach welchen Mitgliedern der deutschen Auslandsvertretungen und über welche Punkte sind die Gefangenen befragt worden? 3.) Welches waren die Methoden, die die Untersuchungsrichter zur Erpressung von Geständnissen anwandten? Ich ersuche, dem Wunsche der Deutschen Botschaft in Moskau, dem sich das Auswärtige Amt angeschlossen hat, zu entsprechen und die vorstehend wieder5 6
Der Text ist unterstrichen. Der Text ist unterstrichen.
1
Vgl. Dok. 48.
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Nr. 276
11. 5. 1938
gegebenen Gesichtspunkte bei der Vernehmung der Rückkehrer so erschöpfend wie möglich zu behandeln. In Vertretung gez. Dr. Best Beglaubigt: [Unterschrift] Kanzleiangestellte BArch, R 58/269, Bl. 83-84.
Nr. 276 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers Astachov und des Presseattachés der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Smirnov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin Nr. 276 11. 5. 1938 11. 5. 1938 Kopie GEHEIM BEVOLLMÄCHTIGTE VERTRETUNG DER UdSSR IN DEUTSCHLAND Nr. 114 Berlin, 11. Mai 1938 AN DEN STELLVERTRETENDEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN Gen. V.P. POTEMKIN Wir lenken Ihre Aufmerksamkeit auf folgende völlig unhaltbare Situation, und zwar: Die Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland hat in Berlin 16 Jahre lang die Zweiwochenzeitschrift „Sowjetwirtschaft und Außenhandel“ herausgegeben. Dies war das einzige legale Organ, das in einer Stückzahl von 800 ‒ 1000 Exemplaren an deutsche Firmen, die zudem die wichtigsten Abonnenten der Zeitschrift waren, verteilt wurde. Seit Januar 1938 hat die Handelsvertretung kein einziges Heft mehr veröffentlicht. Infolgedessen kommen viele Briefe von Firmen mit Anfragen zur Versendung der Zeitschrift und zu deren Schicksal, und in der deutschen Presse gibt es hin und wieder Artikel über die dauernden Verzögerungen beim Erscheinen von Zeitschriften in der UdSSR. Die Handelsvertretung hat aus Gründen, über die man zwar spekulieren, die man aber nicht als triftig ansehen kann, die gesamten Arbeiten zur Vorbereitung des Materials, der Redaktion und der Herausgabe der Zeitschrift an Moskau – an das NKVT – übergeben, und dies führte letztlich zur faktischen Einstellung der Zeitschrift. Es ist erforderlich, dem NKVD und vielleicht auch dem ZK der VKP (B) gegenüber die Frage nach der Ergreifung dringender Maßnahmen anzusprechen, die ein regelmäßiges Erscheinen dieser Zeitschrift sicherstellen. Die politische Bedeutung der Herausgabe dieser Zeitschrift in Berlin ist unbestritten. Sie ist das einzige legale Organ, durch das die deutschen Firmen in unverzerrter Weise von den wichtigsten Entscheidungen der Regierung und den Errungenschaften unserer Wirtschaft erfahren. Wenn die Sache richtig organisiert wird, könnte diese Zeitschrift auch zur Widerlegung der faschistischen Verleumdungen eingesetzt werden. Dazu müssten wir
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Nr. 277 die deutsche Presse, die den Zustand und die Entwicklung unserer Wirtschaft lügenhaft beleuchtet, aufmerksam verfolgen und in der Zeitschrift entsprechende Artikel aus unserer Presse, die ein reales Bild vermitteln, abdrucken. Es erscheint uns unzweckmäßig, diese Zeitschrift zu schließen; mit einer solchen Aktion taten1 wir Deutschland einen Gefallen und gingen selbst den Weg des geringsten Widerstands. Im Interesse der Sache und der Beschleunigung des Erscheinens der Zeitschrift wäre es zweckdienlich, sie nicht zweiwöchentlich, sondern monatlich zu machen, sie nicht in Moskau, sondern in Berlin zu redigieren und die Verantwortung für die Herausgabe dem Handelsvertreter2 oder dem Stellv[ertreter] des Handelsvertreters3 zu übertragen.4 Geschäftsträger der UdSSR in Deutschland Astachov Attaché Smirnov Für die Richtigkeit:5 Oben befindet sich die maschinenschriftliche Wiedergabe der Stempelinformation des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 2322 vom 16.05.1938. Am Ende des Dokuments ist der Verteiler vermerkt: 1 Expl. an Gen. Čvjalev. 20.V.38. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2802, l. 70–70R. Beglaubigte Kopie.
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Nr. 277 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Leiter der Pressabteilung im NKID Gnedin Nr. 277 11. 5. 1938 11. 5. 1938 GEHEIM Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 1171 Berlin, 11. Mai 1938 AN DEN LEITER DER PRESSEABTEILUNG DES NKID Gen. GNEDIN Sehr geehrter Evgenij Aleksandrovič, 1) Schüle versucht auf schon ziemlich primitive Weise uns Sand in die Augen zu streuen, wenn er sagt, dass die Deutschen nicht gewillt seien, die Sudeten anzugliedern, u.a. mit der Begründung, dass die Sudeten ein „armes Gebiet“ wären. Dort gibt es ein Übermaß an agrarischen Produkten, Wälder, Fabriken, Kurorte von 1 2 3 4 5
So im Dokument; richtig: täten. Vasilij Gavrilovič Davydov. Semen Abramovič Smolenskij. Vgl. Dok. 283. Die Unterschrift ist nicht lesbar.
1
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben.
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Nr. 277
11. 5. 1938
Weltgeltung usw. Es ist nicht nötig, sich über die politische und militärische Bedeutung der Sudeten auszulassen. Aber Schüle hat recht, wenn er davon spricht, dass es nicht wünschenswert sei, die Sudeten ohne die Tschechoslowakei anzugliedern. Die Deutschen gedenken, unter dem Vorwand des Schutzes für die Sudeten-Deutschen die gesamte Tschechoslowakei anzugliedern, unter Abzug der Territorien, auf die die Polen und Ungarn Ansprüche erheben. Im Übrigen glaube ich, dass Ihnen dies auch selbst klar ist. 2) In letzter Zeit hat die große Presse Deutschlands (insbesondere Berlins) etwas (allerdings unbedeutend) den antisowjetischen Schwung gedrosselt, die Ausfälle besonders beleidigender Art überlässt man dem „Stürmer“, den Karikaturenzeitschriften und anderen Blättern. Die wichtigsten Zeitungen ziehen es indes vor, die antisowjetische Kampagne unter Verwendung von Zitaten aus der Auslandspresse zu führen (vor allem aus der polnischen Presse sowie aus dem „Daily Express“, „Gringoire“, „Le Matin“ und anderen). Mir scheint deshalb, dass wir nicht auf dem Standpunkt verharren sollten, dass die Zitierung von ausländischen Quellen an sich eine loyale Form der Informationsvermittlung ist, sondern man muss zu verstehen geben, dass die Deutschen kein Recht haben, uns gegenüber Forderungen hinsichtlich der Verwendung von Zitaten aus der Emigranten- und kommunistischen Presse zu erheben, wenn sie selbst ihre Informationen über die UdSSR auf der Grundlage von Zitaten aus antisowjetischen Auslandsblättern erstellen. Dennoch ist es angenehm, dass Schüle auf Ausfälle unserer Presse reagiert. Mir scheint, man muss ihm in der einen oder anderen Form zu verstehen geben, dass, *falls die beleidigenden Ausfälle der deutschen Presse gegen die UdSSR nicht eingestellt werden, unsere Presse dies nicht teilnahmslos hinnehmen wird. Wenn Sie es wünschen, kann ich Ihnen die schlimmsten Seiten aus zweitrangigen Zeitschriften schicken.*2 *3) Ich bitte, die Versendung des Prozessberichtes einzustellen.3 Ich habe an bekannte Diplomaten eine gewisse Anzahl verteilt, doch es gibt niemanden mehr, dem ich das zustellen kann.*4 An die Deutschen können wir nichts schicken, von vereinzelten Ausnahmen abgesehen, und es hat auch keinen Sinn, weil sie alles, was wir ihnen zuschicken, gegen uns verwenden. Teilen Sie im Übrigen mit, *ob Sie an jemanden die vorjährigen Berichte über den Prozess gegen das trotzkistische Zentrum*5 (Radek, Pjatakov)6 verschickt haben? Hier sind sie in einer derartig großen
2 3
Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. Gemeint ist Sudebnyj process po delu „Antisovetskogo pravo-trockistskogo bloka“, rassmotrennom Voennoj kollegiej Verchovnogo Suda SSSR 2–13 marta 1938 goda: Polnyj tekst stenografičeskogo otčeta (Gerichtsverfahren in der Sache des „Antisojewtischen rechtstrotzkistischen Blockes“, verhandelt vor dem Militärkollegium des Obersten Gerichts der UdSSR am 2.-13. März 1938: vollständiger stenografischer Bericht), Moskva 1938. Der Bericht wurde ins Englische, Französische und Deutsche übersetzt und in einer Auflagenhöhe von mehreren Tausend Exemplaren gedruckt und Ende März 1938 ins Ausland verschickt. Vgl. das Schreiben von Steckij an Stalin vom 26.3.1938. In: RGASPI, f. 17, op. 171, d. 342, l. 111. 4 Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. 5 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen, am linken Seitenrand zweifach angestrichen und mit dem Kürzel NB versehen. 6 Vgl. Process antisovetskogo trockistskogo centra (23–30 janvarja 1937 goda). Sudebnyj otčet (Prozess gegen das antisowjetische trotzkistische Zentrum (23.-30. Januar 1937). Gerichtsbericht), Moskva 1937.
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11. 5. 1938 Nr. 278 Menge übriggeblieben, sodass der Eindruck entsteht, dass sie niemandem zugestellt worden sind. Astachov Oben links befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 2324 vom 16.5.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an Gen. *Potemkin*7, das 4. an Gen. Vajnštejn, das 5. zu den Akten der Bevollmächtigten Vertretung. 11. Mai 1938. AVP RF, f. 011, op. 2, p. 12, d. 43, l. 82–81. Kopie. 7
Nr. 278 Schreiben des kommissarischen Leiters der 2. Westabteilung im NKID Vajnštejn an den sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov Nr. 278 11. 5. 1938 11. 5. 1938 Vertraulich Expl. Nr.… NKID UdSSR 2. Westabteilung Nr. 211 11. Mai 1938 AN DEN GESCHÄFTSTRÄGER DER UdSSR IN DEUTSCHLAND Gen. G.A. ASTACHOV Sehr geehrter Georgij Aleksandrovič, Sie haben sicherlich die vom Volkskommissar2 unterzeichnete „Instruktion für die Erstellung und Führung von Charakteristiken von Politikern“, Nr. N/1, erhalten. Die Arbeit zur Erstellung und Führung der mit dieser Instruktion beabsichtigten Kartothek entfällt in der Hauptsache auf die operativen Abteilungen des NKID. Es versteht sich jedoch von selbst, dass unsere Abteilungen (und insbesondere die 2. Westabteilung) nicht in der Lage sein werden, die ihnen auferlegte Aufgabe der Umstrukturierung, Aktualisierung und Führung der Kartothek im Sinne der von uns erhaltenen Instruktion zu bewältigen, wenn unsere Bevollmächtigten Vertretungen uns in dieser Angelegenheit nicht sehr aktiv helfen und unterstützen. Die Hilfe stellen wir uns so vor, dass uns die Bevollmächtigten Vertretungen ständig und systematisch jegliche Materialien (Fotokärtchen, biografische Angaben, Reden zu der einen oder anderen wichtigen Frage inner- und außerhalb des 7
Der Name ist mit rotem Farbstift unterstrichen.
1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Maksim Maksimovič Litvinov.
761
Nr. 279
17. 5. 1938
Parlaments, Erklärungen, Charakteristiken usw.) zu jedem einzelnen Politiker zuschicken. In erster Linie möchten wir von Ihnen entsprechende Materialien (einschließlich Charakteristiken) zu Regierungsmitgliedern und führenden Persönlichkeiten der Parteien, der Gesellschaft, des Militärs und der Industrie Ihres Landes erhalten. Ich bitte Sie sehr, diese Angelegenheit nicht auf die lange Bank zu schieben, weil die Arbeit, die unseren Abteilungen zur Umstrukturierung der Kartothek auferlegt worden ist, von höchster Dringlichkeit ist.3 Kommissarischer LEITER DER 2. WESTABTEILUNG G. Vajnštejn Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 2 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. an die 2. Westabteilung. 11.V.38. AVP RF, f. 82, op. 22, p. 73, d. 16, l. 14. Kopie.
3
Nr. 279 Schreiben des Leiters des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep an das Geheime Staatspolizeiamt Nr. 279 17. 5. 1938 17. 5. 1938 Berlin, den 17. Mai 1938 Auswärtiges Amt (Durchdruck) Pol. V 3525 Auf die Schreiben vom 27.4.1 und 5.5.382 – II A 3/1033/37 Die Frage der Aufrechterhaltung des Intourist-Büros ist hier noch in letzter Zeit eingehend geprüft worden. Von einer Schließung soll bis auf Weiteres abgesehen werden, nachdem die zuständigen deutschen Wirtschaftsstellen – insbesonde3 Da auf das Schreiben vom 11.5. keine Antwort erfolgt war, wandte sich Vajnštejn am 11.6.1938 mit einem Brief an Astachov, in dem er insbesondere darauf hinwies, dass „sich die in der Westabteilung befindliche Kartothek zu Deutschland in einem bedauernswerten Zustand befindet: die Materialien sind spärlich und veraltet. Dies erklärt sich damit, dass weder die Abteilung noch die Bevollmächtigte Vertretung dieser Angelegenheit bislang die erforderliche Aufmerksamkeit entgegengebracht haben. Es muss unter allen Umständen und in kürzester Frist dieser Mangel abgestellt werden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass wir eine vollständige und sorgfältig erarbeitete Kartothek sowohl für die Arbeit der Abteilung als auch für die Erteilung von Auskünften brauchen, mit denen sich andauernd hochgestellte Organisationen und Genossen an die Abteilung wenden.“ In: AVP RF, f. 82, op. 22, p. 73, d. 16, l. 16. Am 4.7.1938 erinnerte Vajnštejn an den dringenden Bedarf an Materialien „für die Kartothek der Politiker“ und führte dazu aus: „Ich bitte eindringlich darum, sich dieser Angelegenheit anzunehmen und durch Ihr Schweigen die II. Westabteilung nicht in eine schwierige Lage zu bringen.“ In: ebd., l. 17. Am 12.7.1938 teilte Astachov Vajnštejn mit, dass er wegen Arbeitsüberlastung im Zusammenhang mit der Ankunft von Merekalov und dem Fehlen einer Schreibkraft und einer Stenografin nicht an der Zusammenstellung der Kartothek mitwirken könne. In: AVP RF, f. 082, op. 21, p. 89, d. 4, l. 194. 1 2
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Vgl. Dok. 266. Vgl. PA AA, Moskau II 333, Bl. 45.
17. 5. 1938 Nr. 279 re im Hinblick auf die zurzeit schwebenden, sehr schwierigen Wirtschaftsverhandlungen mit der Sowjetunion – Bedenken erhoben haben. Was die Tätigkeit des Intourist-Büros betrifft, so kann selbstverständlich eine kommunistische Propaganda derselben nicht geduldet werden. Andererseits wird es, solange das Büro noch besteht, schwerlich angängig sein, ihm eine Werbung für Reisen nach der Sowjetunion, die sich auf das reisetechnische Gebiet beschränkt, zu untersagen (vgl. dortiges Schreiben vom 3.3.1937 – Nr. II. P. 1 – 1240/B – und diesseitiges Schreiben vom 11.3.1937 – Pol. V 1258 –). Die mit den nebenbezeichneten Schreiben übersandten Prospekte *sind so vorsichtig gefasst, dass sie kaum eine Unterlage bieten, um bei der hiesigen Sowjetbotschaft wirksame Vorstellungen erheben zu können*3.4 Zur Unterbindung dieser unerwünschten Propaganda dürfte es jedoch genügen, wenn – dem dortigen Vorschlage entsprechend – die deutschen Reisebüros angewiesen werden, die ihnen von Intourist zugesandten Prospekte und Werbeschreiben nicht auszulegen. Gegen eine Pressenotiz, in der die deutschen Volksgenossen auf die Gefahr einer Reise nach der Sowjetunion aufmerksam gemacht werden, wird von Seiten der deutschen Wirtschaft das Bedenken erhoben, dass es ihr dadurch noch mehr erschwert werden würde, Techniker, Monteure usw. zu Reisen nach der Sowjetunion zu bewegen. Im Übrigen ist das Auswärtige Amt damit einverstanden, dass Reichsdeutsche, die *Vergnügungsreisen* nach der Sowjetunion unternehmen, aus Gründen ihrer persönlichen Sicherheit an der Ausreise *gehindert*5 werden. Die Anlagen der dortigen Schreiben sind wunschgemäß wieder beigefügt. Im Auftrag gez. Schliep PA AA, Moskau II 333, Bl. 46-47.
3 4
Der Text ist unterstrichen. In einer Unterredung Schlieps mit dem 2. Botschaftsrat der Bevollmächtigten Vertretung Nikolaev, die dieser mit ihm am 16.5.1938 geführt hatte, äußerte Schliep die Ansicht, dass das Innenministerium auf einem Verbot solcher Prospekte bestehen würde, falls das NKID auf einer Unterbindung von faschistischen Stempelzeichen auf Briefen in die UdSSR beharren würde. Vgl. Tagebuch von Nikolaev vom 16.6.1938; in: AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 56, l. 179–180. 5 Die beiden Wörter sind unterstrichen.
763
Nr. 280
26. 5. 1938
Nr. 280 Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov Nr. 280 26. 5. 1938 26. 5. 1938 Geheim Expl. Nr. 5 Nr. 5265/l. 26. Mai 1938 AN DEN GESCHÄFTSTRÄGER DER UdSSR IN DEUTSCHLAND Gen. ASTACHOV Ich stimme Ihnen zu, dass es unlogisch ist, in Wien die Handelsvertretung zu belassen, die ein Bestandteil der Bevollmächtigten Vertretung war, die bereits aufgelöst worden ist.1 Zur Rechtfertigung für das weitere Bestehen der Handelsvertretung kann man das Erfordernis anführen, die vorher in Österreich eingeleiteten Handelsangelegenheiten abzuwickeln. Die Existenz der Handelsvertretung beunruhigt die Deutschen offenbar nicht, und deshalb sehe ich keinen Bedarf, vorzupreschen. Es versteht sich von selbst, dass die Handelsvertretung die Zweifelhaftigkeit ihrer diplomatischen Privilegien und ihrer Exterritorialität berücksichtigen muss. Falls sich die Deutschen in dieser Sache melden, ist ihnen zu erklären, aus welchem Grunde die Handelsvertretung verbleibt, und zugleich ist zu sagen, dass sie, wenn man darauf besteht, vollständig aufgelöst oder als Teil der Berliner Handelsvertretung reorganisiert werden kann. Ich meine, dass Sie aus eigener Initiative nichts unternehmen und den Handelsvertreter in Wien2 lediglich auf die gebotene Vorsicht hinweisen sollten. LITVINOV Anweisung E.D. Čvjalevs mit Bleistift: an Gen. Kaminskij. In diesem Sinne sind die Handelsvertreter in Berlin3 und in Wien zu informieren. EČv[jalev]. 1/VI 38. Vermerk [Kaminskijs] mit Tinte: Ausgeführt und Angelegenheit an Gen. Andreev verwiesen. 11.VII. Oben links befindet sich der Stempel der Sondergruppe des NKVT mit der Eingangs-Nr. 8595/38 vom 27.5.1938. Am Endes des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 6 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. an Gen. Vajnštejn, das 5. an Gen. Čvjalev, das 6. ins Archiv. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2799, l. 12. Kopie.
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Vgl. Dok. 248, Anm. 2. Lev Nikolaevič Rubinštejn. Vasilij Gavrilovič Davydov.
27. 5. 1938 Nr. 281 Nr. 281 Aufzeichnung von Unterredungen des Rates der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Nikolaev mit dem Leiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep Nr. 281 27. 5. 1938 27. 5. 1938 GEHEIM Expl. Nr. 11 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 129/s Berlin, 27. Mai 1938 TAGEBUCH DES 2. RATES DER BEVOLLMÄCHTIGTEN VERTRETUNG DER UdSSR IN DEUTSCHLAND M.V. NIKOLAEV 18. Mai. Im Zusammenhang mit der bevorstehenden Ankunft des Bevollmächtigten Vertreters Gen. Merekalov haben wir beschlossen, im Auswärtigen Amt den Zeitpunkt in Erfahrung zu bringen, wann Hitler nach Berlin zurückkehrt und den ungefähren Zeitraum zu erfahren, in dem Gen. Merekalov damit rechnen könnte, von Hitler zur Übergabe des Beglaubigungsschreibens empfangen zu werden. Zu der von Legationsrat Schliep angesetzten Zeit erschien ich im Auswärtigen Amt. Nach der Begrüßung fragte Schliep sogleich, wann wir die Ankunft des Gen. Merekalov erwarten. Damit wurde das Gespräch eröffnet. Schliep wurde zu verstehen gegeben, dass der Bevollmächtigte Vertreter Gen. Merekalov in Berlin zu einem Zeitpunkt anzukommen beabsichtige, zu dem er sicher sein könnte, dass er das Beglaubigungsschreiben überreichen könnte, ohne allzu lange auf eine Audienz warten zu müssen.2 Schliep antwortete, dass er den Zeitpunkt der Rückkehr Hitlers nach Berlin und den Termin, an dem Hitler Gen. Merekalov empfangen würde, in Erfahrung bringen müsse. Schliep sicherte zu, darüber unverzüglich Mitteilung zu machen. Danach machte ich Schliep darauf aufmerksam, dass Briefe, die aus Deutschland in die UdSSR versandt werden, nach wie vor mit faschistischen Symbolen abgestempelt seien, und dass derartige Briefe nach Deutschland zurückgeschickt würden. Schliep bat, ihm einige solcher Briefe vorzulegen. Schlieps Bitte wurde erfüllt: es wurden zwei Couverts mit faschistischen Symbolen zugeschickt. Die Antwort in dieser Angelegenheit, so erklärte Schliep, werde uns in schriftlicher Form gegeben. Die nächste Frage betraf den Fall der Handelsvertretung und Sklarz3. Schliep wurde 1 2 3
Der Text ist mit Tinte geschrieben. Merekalov traf am 27.6.1938 in Berlin ein. Die Deutsch-Russische Film-Allianz AG, Derussa, wurde im Oktober 1927 in Berlin auf der Grundlage eines Abkommens zwischen dem Unternehmer Sklarz und Sovkino zu dem Zwecke gegründet, die sowjetische Filmproduktion auf dem deutschen Markt zu etablieren und eigene Filme zu produzieren. Wegen finanzieller Veruntreuung ging die Filmgesellschaft 1930 Bankrott, was seitens der Aktionäre Forderungen auf dem Gerichtsweg gegenüber den Gründern der Gesellschaft und deren Nachfolgern sowie Forderungen der Gründer gegeneinander zur Folge hatte. Die gerichtliche Untersuchung dieses Falles erstreckte sich über mehrere Jahre.
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Nr. 281
27. 5. 1938
mitgeteilt, das der Zeuge für Sklarz, ein gewisser Corer, ein Nichtrückkehrer sei und seine Aussage deshalb zweifellos tendenziös sein werde. Aus diesem Grunde hielten wir es für erforderlich, dass die Aussagen des Corer nicht vom Gericht zugelassen werden. Wir hielten es nicht für möglich, Corer als Zeuge in dem bezeichneten Fall zuzulassen. Schliep, der sich offenbar dieser Angelegenheit nicht annehmen wollte, berief sich darauf, dass in dieser Angelegenheit die Rechtsabteilung kompetenter wäre, er könne sich jedoch mit diesem Fall befassen, wenn wir die Geschichte dieses Falls in schriftlicher Form darlegen könnten. Die Handelsvertretung wurde beauftragt, eine knappe Darlegung zu verfassen, in der das Wesentliche des Falls mit Sklarz geschildert wird. Schliep wurde schließlich davon in Kenntnis gesetzt, dass wir unsere Bevollmächtigte Vertretung in Wien als aufgelöst betrachten. *Eine diesbezügliche Note würden wir später überreichen.*4 Was die Handelsvertretung betreffe, so benötige sie für die Auflösung eine etwas längere Zeitspanne, die in bestimmtem Maße vom kommerziellen Charakter der Tätigkeit der Handelsvertretung bestimmt werde. Danach fragte er, ob damit meine Fragen an ihn erschöpft wären. Nachdem Schliep eine bejahende Antwort erhalten hatte, bat er mich darum, eine positive Entscheidung in der Angelegenheit der Bürgerin Strecker5 zu beschleunigen. Damit endete das Gespräch. 19. Mai. Schliep bat mich per Telefon, zu Gesprächen ins Auswärtige Amt zu kommen. Beim Treffen erklärte Schliep, dass er mir mitteilen könne, dass Hitler in der zweiten Junihälfte in Berlin sein werde. Nach dem 15. Juni könne er den Bevollmächtigten Vertreter Gen. Merekalov empfangen. Früher könne er dies nicht machen, da er sich Anfang Juni auf Reisen begebe. Inwiefern diese Absicht glaubhaft ist, wird die Zukunft zeigen.6 Nachdem ich Schliep für seine Mitteilung gedankt hatte, beendeten wir das Gespräch. 2. Rat der Bevollmächtigten Vertretung MNikolaev Vermerk M.M. Litvinovs mit rotem Farbstift: MM. Oben rechts von der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 1910 vom 29.5.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 7 Expl. 77 an Gen. Litvinov, 1 [Exemplar] zu den Akten der Bevollmächtigten Vertretung. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 56, l. 166–168. Original.
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Der Text wurde von Litvinov mit rotem Farbstift unterstrichen. Vgl. Dok. 267. Merekalov überreichte am 13.7.1938 in Berchtesgaden Hitler sein Beglaubigungsschreiben. Vgl. Dok. 301. 7 So im Dokument.
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28. 5. 1938 Nr. 282 Nr. 282 Rundschreiben des Chefs der Deutschen Sicherheitspolizei Heydrich Nr. 282 28. 5. 1938 28. 5. 1938 Berlin SW 11, den 28. Mai 1938 Abdruck S.V.7 Nr. 780/38 – 509 – 30 Der Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Innern Prinz-Albrecht-Str. 8 An a) sämtliche außerpreußischen Landesregierungen – Innenministerien – (ohne Österreich) b) xx c) xx d) xx1 Nachrichtlich sämtlichen Staatspolizeileit- u. Staatspolizeistellen Betrifft: Ausweisung der sowjetrussischen Juden aus dem Reichsgebiet Im Anschluss an die Runderlasse vom 17. Febr. 1938 S V 7.2/38 – 509 – 30 und vom 9. Mai 19382 – S V 7 Nr. 608/38 – 509 – 30 –. Nach den vorliegenden Berichten haben die bisherigen Maßnahmen gegen die sowjetrussischen Juden im Reichsgebiet nicht zu dem gewünschten Erfolg ihrer alsbaldigen Entfernung aus dem Reichsgebiet geführt. Ich bestimme daher für die Weiterbehandlung folgendes: I. Alle sowjetrussischen Juden, die bisher trotz zweimaliger Verlängerung der sechswöchigen Abzugsfrist das Reichsgebiet nicht verlassen haben, sind in Ausweisungshaft zu nehmen, die in einem Konzentrationslager zu vollziehen ist. Der Runderlass vom 26. Mai 1937 – S V 6 Nr. 888/37 – 465 –, betreffend Vollziehung der Ausweisungshaft in Konzentrationslagern, ist entsprechend anzuwenden. Von der Verhängung der Ausweisungshaft sollen verschont bleiben Jugendliche, weibliche Personen, ferner solche sowjetrussischen Juden, die wegen Alters, Krankheit oder Gebrechlichkeit nicht in einem Konzentrationslager untergebracht werden können. Ferner sollen ausgenommen werden die sowjetrussischen Juden, deren Ausreise aus dem Reichsgebiet nachweislich unmittelbar bevorsteht. Die Ausweisungshaft ist aufzuheben, sobald die betreffenden Juden erklären, das Reichsgebiet unverzüglich zu verlassen. Die Ausreise ist zu überwachen. II. Um einen verstärkten Druck zum Verlassen des Reichsgebiets auf sowjetrussische Juden auszuüben, ist in geeigneten Fällen das Vermögen solcher Juden, die die 1 2
So im Dokument. BArch, R 58/270, Bl. 142-143.
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Nr. 283
29. 5. 1938
Ausweisung bisher nicht befolgt haben, auf Grund § 1 der Verordnung zum Schutz von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 (RGBl. I S. 83) durch die zuständige Behörde ganz oder teilweise beschlagnahmen zu lassen. Die Beschlagnahme ist vor der Ausreise aus dem Reichsgebiet wieder aufzuheben. III. Wenn der Besitz eines deutschen Fremdenpasses, Nansenausweises3 oder Wiedereinreisesichtvermerks die einzige Möglichkeit bietet, den ausgewiesenen sowjetrussischen Juden auf legalem Weg und vielleicht dauernd aus dem Reichsgebiet zu entfernen, kann ausnahmsweise ein deutscher Fremdenpass oder Nansenausweis ausgestellt oder ein Wiedereinreisesichtvermerk erteilt werden. Als Staatsangehörigkeit kann „früher Russland“ oder „ungeklärt“ angegeben werden. In Vertretung gez. Heydrich BArch, R 58/270, Bl. 149-149 RS.
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Nr. 283 Schreiben des Volkskommissars für Außenhandel Čvjalev an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin Nr. 283 29. 5. 1938 29. 5. 1938 GEHEIM Expl. Nr. 2 8010/4680 29/V.381 [29.05.1938] AN DEN STELLV[ERTRETENDEN] VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN GEN. POTEMKIN Betr[ifft] die von der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland herausgegebene Zeitschrift Im Zusammenhang mit dem Schreiben des Gen. Astachov2, das Sie mir am 20. Mai d[ieses] J[ahres]3 geschickt haben, teile ich mit, dass die Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland die Zeitschrift „Sowjetwirtschaft und Außenhandel“ nicht geschlossen hat. Da es in Ermangelung spezieller Mitarbeiter für diese Aufgabe mit den Kräften der Handelsvertretung nicht möglich ist, die Zeitschrift 3 Der Nansen-Pass, benannt nach dem Hochkommissar des Völkerbundes für Flüchtlingsfragen Fridtjof Nansen, war 1922 als Reisepass für russische Emigranten eingeführt worden und galt später auch für andere staatenlose Flüchtlinge. 1 2 3
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Die Ausgangsnummer und das Datum sind mit Tinte geschrieben. Vgl. Dok. 276. Vgl. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2802, l. 69.
29. 5. 1938 Nr. 283 herauszugeben, verlegte das NKVT in Abstimmung mit der Presseabteilung des ZK der VKP (B) die Arbeiten zur Vorbereitung des Materials für die Zeitschrift und zur Vorredaktion nach Moskau. Dies wurde getan, um die Herausgabe der Zeitschrift nicht einzustellen. Das Erscheinen der ersten Nummern der Zeitschrift geriet wegen Verzögerungen bei der Suche nach einem Redakteur und einem Übersetzer ins Stocken. Das NKVT ergreift Maßnahmen zur Beschleunigung der Herausgabe der Zeitschrift. Ein Teil des Materials wurde an die Handelsvertretung versandt. Ich würde dem Vorschlag des Gen. Astachov zustimmen, die Zeitschrift nicht in Moskau, sondern in Berlin für den Druck vorzubereiten, wenn sich die Bevollmächtigte Vertretung an diesen Arbeiten beteiligt. In der Zwischenzeit hat sich die Bevollmächtigte Vertretung von der Herausgabe der Zeitschrift zurückgezogen, was ich für absolut falsch halte. Ich bitte Sie daher, Gen. Astachov anzuweisen, der Handelsvertretung bei der Herausgabe der Zeitschrift maximale Unterstützung zu gewähren.4 Die Zweckmäßigkeit der Veröffentlichung der Zeitschrift ist offenkundig. Es kommt nur darauf an, eine entsprechende Qualität bei Artikeln und Material in der Zeitschrift und deren Erscheinungsfristen zu gewährleisten. Die Zeitschrift wurde von uns bereits zu Beginn des Jahres von zweiwöchentlich auf monatlich umgewandelt5 und der Handelsvertreter6 zum verantwortlichen Schriftleiter ernannt. VOLKSKOMMISSAR FÜR AUßENHANDEL DER UdSSR E. Čvjaljev Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 2 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adr[esse], 1 Kopie. 25.V.38. Am Ende des Dokuments befindet sich der Stempel des Sekretärs des Sektors für Handelsvertretungen: Für die Richtigkeit.7 RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2802, l. 71–72. Beglaubigte Kopie.
4 Astachov teilte am 12.6.1938 Michel’s mit: „Čvjalevs Angaben, die Bevollmächtigte Vertretung habe sich ‚von der Unterstützung bei der Herausgabe der Zeitschrift zurückgezogen‘, beruhen auf einer Art Missverständnis. Erstens wurde die Zeitschrift immer ausschließlich von der Handelsvertretung erstellt, die uns nie um ‚Hilfe‘ gebeten hat und sie auch nie brauchte, weil wir keine Wirtschaftsfachleute sind und kein Wirtschaftsmaterial haben und alles in der Handelsvertretung konzentriert ist. Der stellvertretende Handelsvertreter, Genosse Smolenskij, bestätigte, nachdem er Ihren Brief gelesen hatte, in Anwesenheit des Handelsvertreters, dass die Zeitschrift keine Hilfe von der Bevollmächtigten Vertretung benötigt.“ In: AVP RF, f. 082, op. 21, p. 89, d. 4, l. 176. 5 Die Herausgabe der Zeitschrift wurde 1938 eingestellt; insgesamt sind in dem Jahr fünf Nummern erschienen. Vgl. Schreiben Skosyrevs an S. Andreev vom 28.12.1938. In: RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 3259, l. 30. Als die Handelsvertretung die Anweisung der Zeitung des NKVT über die Einstellung erhalten hatte, informierte sie Ende Januar/Anfang Februar 1939 die Firmen, die sie abonniert hatten, über diese Tatsache; vgl. ebd., l. 83. 6 Vasilij Gavrilovič Davydov. 7 Die Unterschrift ist nicht lesbar.
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Nr. 284
2. 6. 1938
Nr. 284 Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov Nr. 284 2. 6. 1938 2. 6. 1938 Geheim Expl. Nr. 5 Nr. 5278/l. 2. Juni 1938 AN DEN GESCHÄFTSTRÄGER IN DEUTSCHLAND Gen. ASTACHOV Sehr geehrter Georgij Aleksandrovič, angesichts Ihrer Mitteilung, dass es Hitler nicht möglich ist, unseren neuen Bevollmächtigten Vertreter1 vor dem 15. Juni zu empfangen2, haben wir die Abreise des letzteren vorläufig für den Zeitraum vom 12. bis 15. Juni angesetzt. In dieser Zeit wird er verstärkt die Sprache erlernen. Ich nehme an, dass Hitler in nächster Zeit keine Abenteuer in der Tschechoslowakei unternehmen wird. Er hat in der englischen Diplomatie eine höchst nützliche Vermittlerin erworben, die aus Beneš ein Maximum an Zugeständnissen zugunsten der Sudeten-Deutschen herauspressen wird. Wenn **auch** 3 diese Zugeständnisse nicht dem Endziel Hitlers entsprechen, so verschaffen sie ihm dennoch günstige Positionen für die weitere Offensive und für die Erlangung der Endziele. Zurzeit wird Beneš im Sinne einer Neutralisierung der Tschechoslowakei nach dem Muster der Schweiz bearbeitet. Darüber hat sowohl der englische Gesandte in Prag4 als auch der italienische5 mit Krofta gesprochen. Mir hat hier Coulondre zwar gesagt, dass sich Frankreich einem solchen Plan entschieden widersetzen werde, aber wir wissen ja, dass London dem französischen Widerstand Grenzen setzt. Eine Neutralisierung der Tschechoslowakei bedeutet natürlich, dass die Pakte mit Frankreich6 und der UdSSR7 und die Völkerbundsverpflichtungen hinfällig werden, wobei, was sich von selbst versteht, die UdSSR aus dem Kreis der Neutralitätsgaranten ausgeschlossen wird. Dies ist bereits kein Zugeständnis an die deutsche Minderheit mehr, sondern die Aufgabe von politischen Positionen Hitler gegenüber. Mich hat Ihre Anfrage (s. Tagebuch Nr. 131) zum sowjetisch-deutschen „Nichtangriffspakt“, dessen Gültigkeitsfrist von fünf Jahren angeblich auslaufe, etwas erstaunt. Mich wundert, dass Ihnen nicht bekannt ist, dass es zwischen uns und 1 2 3 4 5 6
Aleksej Fedorovič Merekalov. Vgl. Dok. 281. Das Wort ist über die Zeile geschrieben. Basil Cochrane Newton. Domenico De Facendis. Der Bündnis- und Freundschaftsvertrag zwischen Frankreich und der Tschechoslowakei wurde am 25.1.1924 in Paris unterzeichnet. 7 Der sowjetisch-tschechoslowakische Beistandspakt wurde am 16.5.1935 in Prag unterzeichnet. Vgl. DVP, Bd. XVIII, Dok. 223, S. 333–335; Handbuch der Verträge 1871–1964, S. 276.
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7. 6. 1938 Nr. 285 Deutschland keinen Nichtangriffspakt, sondern lediglich einen Neutralitätspakt8 gibt, der solange in Kraft bleibt, bis er mit einer einjährigen Kündigungsfrist aufgekündigt wird9. *Ich sehe keine Notwendigkeit, dem Auswärtigen Amt die Schließung der Wiener Bevollmächtigten Vertretung zu notifizieren (Tagebuch Nr. 129). Die tatsächliche Aufhebung der Bevollmächtigten Vertretung10 ist eine Sache, die Notifizierung eine andere, die als formelle Anerkennung der Annexion Österreichs durch uns interpretiert werden könnte. Warum sollten wir solch eine Anerkennung ohne jegliche Not aussprechen?*11 Mit Gruß LITVINOV Vermerk mit Bleistift: A[rchiv]. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an Gen. Stomonjakov, das 4. an Gen. Vajnštejn, das 5. ins Archiv. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 55, l. 17–18. Kopie.
Nr. 285 Denkschrift des Leiters des Außenpolitischen Amtes der NSDAP Rosenberg Nr. 285 7. 6. 1938 7. 6. 1938 Berlin, den 7. Juni 1938 Der Stand der Bearbeitung des bolschewistischen Problems Denkschrift des Beauftragten des Führers für die weltanschauliche Erziehung der NSDAP Seit der Führer für den Parteitag 1936 eine eindeutige Kampfstellung der NSDAP und des Reiches gegen den Weltbolschewismus angeordnet hatte, steht die Behandlung des Bolschewismus mit im Zentrum der Arbeit der Bewegung des Staates, sei es in allgemeiner politisch-weltanschaulicher Beziehung, sei es in der Bearbeitung aktueller Fragen. Es ist der Zustand eingetreten, dass die Beurteilung des bolschewistischen Problems und seiner Auswirkungen heute von so vielen Dienststellen mit Anspruch auf Totalität abhängt, dass von einer einheitlichen Haltung nicht mehr gesprochen werden kann. 8 Gemeint ist der am 24.4.1926 in Berlin unterzeichnete Neutralitätsvertrag (Berliner Vertrag) zwischen Deutschland und der UdSSR. Vgl. DVP, Bd. IX, Dok. 141, S. 250–252; Reichsgesetzblatt 1926, Teil II, S. 359–362. 9 Der Punkt über die Kündigung war enthalten im Protokoll über die Verlängerung des am 24.4.1926 zwischen Deutschland und der UdSSR abgeschlossenen Vertrages und in der Konvention über die Abstimmungsprozedur vom 25.1.1929, die in Moskau am 24.6.1931 unterzeichnet und am 13.4. in Berlin und am 4.5.1933 in Moskau ratifiziert wurde. Vgl. DVP, Bd. XIV, Dok. 191, S. 395–396; Reichsgesetzblatt 1933, Teil II, S. 311–312. 10 Das Politbüro des ZK der VKP (B) fasste am 27.3.1938 den Beschluss zur Auflösung der Bevollmächtigten Vertretung in Wien. Vgl. Dok. 248. 11 Der Text wurde mit Bleistift in eckige Klammern gesetzt.
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Nr. 285
7. 6. 1938
Da der Führer mir Ende 1936 von sich aus mitteilte, dass er mich zu seinem Beauftragten in der Bearbeitung dieser Fragen ernennen wolle, und da ich glaube, im Laufe von 18 Jahren dieses Problem nächst ihm wohl am eingehendsten bearbeitet zu haben, so möchte ich im Nachstehenden einige Hinweise auf den geschichtlichen Werdegang dieser Frage geben und die gegenwärtige Situation kurz zu schildern mich bemühen, wobei einige, das Sachliche kennzeichnende Einzelheiten angeführt werden müssen. […] Im Laufe der Zeit haben naturgemäß eine Menge von parteilichen und staatlichen Dienststellen sich in jeder Weise mit dem bolschewistischen Problem befasst und sehr verschiedene Menschen zur Bearbeitung dieser Fragen herangezogen. Nach der Anlage vieler dieser Mitarbeiter und nach ihrer Urteilsfähigkeit kann man heute von einer Einheit nicht mehr sprechen; vielmehr ist es so, dass hier verschiedenste Einflüsse sich bemerkbar machen, zum Teil mit staatlichen Exekutiven Ansichten und Menschen gefördert werden, die meiner tiefsten Überzeugung nach verhängnisvoll für das Deutsche Reich werden könnten und nur zeigen, dass wir schon viele Jahre verloren haben, weil die heutige Arbeit keine planmäßige Linie aufweist, sondern von allen möglichen Zufällen persönlichster Art abhängig ist. Es kann nicht meine Aufgabe sein, irgendeine Stelle namentlich in ihrer Haltung zu kritisieren; es dürfte aber genügen, wenn einiges – das Grundsätzliche – ohne Nennung aller einzelnen Persönlichkeiten, hier angeführt wird. Eine Dienststelle des Reiches1 hat zur Bekämpfung des Bolschewismus ein Zentrum geschaffen und dafür Mitarbeiter geworben. Dieses Zentrum wurde von meinem Amte aus zunächst kameradschaftlich unterstützt, bis sich dann im Laufe der Zeit sonderbare Widerstände zeigten, nachdem eine Anzahl von Persönlichkeiten sich staatlich eingearbeitet und festgesetzt hatten. Von allem Persönlichen abgesehen, stellte sich heraus, dass diese staatliche Stelle zwar durchaus antikommunistisch gesinnt ist, aber dass als positives Ziel im Hintergrunde nicht etwa eine Schwächung der östlichen Gefahr ihr vorschwebt, sondern, ganz im Gegenteil, irgendeine Wiederherstellung des vorrevolutionären russischen Zustandes. Das Wort von einem einigen und unteilbaren nationalen Großrussland als Ergebnis des antikommunistischen Kampfes ist das mehr oder weniger klar ausgesprochene Bestreben dieser staatlichen Gruppierung. Nachträglich stellte sich heraus, dass eine besonders aktive Persönlichkeit noch nach der Machtübernahme ein Buch herausgegeben hatte, in dem der Standpunkt eingenommen wurde, dass man die Nation nicht vergötzen dürfe, dass sie aus dem „Worte Gottes“ die „Verheißung ihrer unverdienten Erlösung“ empfange, dass man von einer unserer Weltanschauung stehenden kirchlichen Haltung auch eine „partielle Opposition“ gegen den Nationalsozialismus anmelden müsse. Auch wurde versteckt die Warnung ausgesprochen, die Kommunistische Partei zu verbieten, weil die sonst legalen kommunistischen Anhänger in das illegale Lager des „volkstümlichen Otto Strasser“ laufen würden. Mit der Machtübernahme durch die NSDAP hätten „sich die Gegebenheiten für eine verstärkte Vorwärtsentwicklung des Nationalbolschewismus zunächst noch günstiger gestaltet“. 1
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Gemeint ist hier das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda.
7. 6. 1938 Nr. 285 Diese und andere Persönlichkeiten erblickten nun in der von mir in all den Jahren verteidigten Haltung eine grundsätzliche Gegnerschaft. Ich war und bin der Anschauung – und glaube damit eine europäische Notwendigkeit zu vertreten –, dass die zweifellos bestehenden antibolschewistischen und zugleich antimoskovitischen Nationalbestrebungen innerhalb des riesigen Sowjetreiches nicht übersehen werden dürfen: die 30 Millionen Ukrainer, die Kaukasier, die turkestanische Bewegung u. a. m., über die ich anhand eines großen Kartenmaterials eine Denkschrift bereits vor längerer Zeit übergeben habe. Diese Bestrebungen und die Moskauer Prozesse – so sehr diese auch vielfach verlogen sind – haben doch auch ihren sehr realen Hintergrund und zeigten, dass hier immer wieder separatistische Führer der einst von Moskau unterjochten Völkerschaften erschossen werden. Die Arbeit der vorhergenannten Zentrale äußerte sich dann in diesen Jahren auch fortlaufend darin, möglichst Mitarbeiter von mir, die die östlichen Verhältnisse sehr genau kannten und ähnlich dachten, persönlich zu diskreditieren; es ist wohl kaum ein Mittel unterblieben, um hier jegliche nach dieser Richtung systematisch eingestellte Arbeit zu durchkreuzen. Geäußerte Anschauungen, dass meine Haltung im bolschewistischen Problem „überlebt“ sei, sind nicht selten gewesen und haben vielfach verhindert, dass eine vorsichtige und zielklare Arbeit in der Behandlung östlicher Fragen durchgeführt werden konnte. Eine andere staatliche Dienststelle wieder glaubte, obgleich sie mit Wissenschaft amtlich nichts zu tun hatte, sich nun auch der wissenschaftlichen Behandlung osteuropäischer Fragen bemächtigen zu müssen2, beschlagnahmte mit Hilfe ihrer Exekutive einfach in Breslau ein Ost-Institut und – wie sich herausstellte – verbot dem Leiter3, nach jeder Richtung hin irgendwie mit einer anderen Stelle zusammenzuarbeiten. Eine dritte staatliche Stelle bemüht sich naturgemäß, Menschen in den Dienst einer nun einmal im Auslande notwendigen Arbeit zu stellen. Diese notwendigen Agenten sind aber in Deutschland in der Lage, nicht nur als Agenten betrachtet zu werden, sondern beanspruchen auch als politische Persönlichkeiten zu gelten. Auch das hat nicht zu einer Einheit geführt. Und zum Schluss glaube ich, dass, wenn es notwendig erscheinen sollte, bestimmte Broschüren, Flugblätter und ähnliches Material für eine eventuelle Zukunft bereitzustellen, dass hier nicht Persönlichkeiten autoritativ mitwirken, die, vielleicht militärisch ausgezeichnet, für die Kenntnis der Psyche des Ostens nicht immer autoritativ angesehen werden. Meine Mitarbeiter für die bolschewistischen Fragen haben in dieser Zeit die führenden Persönlichkeiten der partikularistischen Bewegungen verschiedenster Nationalitäten gesprochen. Über diese gehen noch manche Nachrichtenquellen in die Sowjetunion. Von dieser Seite wird nur immer die eine Bitte geäußert, doch eine vor der politischen Welt bekannte Persönlichkeit mit der Bearbeitung dieser Fragen zu betrauen und nicht kleine Beamte, die keinen Einblick in den ganzen geschichtlichen und politischen Verlauf hätten. Wie weit manchmal eine ablehnende Haltung gehen konnte, möge folgendes Beispiel erweisen: Nach dem Parteitag 1936 wurde von einer dazu befugten amtlichen Stelle mitgeteilt, sie sei in der Lage, die antibolschewistischen Reden des Par2 3
Gemeint ist das Wannsee-Institut des Sicherheitsdienstes des Reichsführer SS. Michail Achmeteli.
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Nr. 285
7. 6. 1938
teitages auch nach Russland zu vermitteln. Zu diesem Zweck wurde die Übersetzung der antibolschewistischen Ausführungen des Führers, von Dr. Goebbels und mir angeregt. Die Übersetzungen wurden angefertigt, 6.000 Exemplare sollten vom Propaganda-Ministerium finanziert werden, um dann nach Russland geschmuggelt zu werden. Bald darauf aber erschien ein Vertreter des Propaganda-Ministeriums mit der Mitteilung, dass diese Übersetzung ganz allgemein nicht finanziert werden könne; man sei zwar bereit, nicht 6.000, sondern 10.000 Exemplare drucken zu lassen, aber nur mit der Rede von Dr. Goebbels; für andere Übersetzungen stünde kein Geld zur Verfügung. – Die Übersetzungen der Führer-Rede und von mir sind dann auf Kosten des Außenpolitischen Amtes hergestellt und der genannten Stelle zum Vertrieb übergeben worden. Ich darf wohl bemerken, dass mir hier von einer Seite die Verbreitung nationalsozialistischer Ansichten zu unterbinden versucht wurde, die ich elf Jahre früher selbst erst mit großer Mühe über den Bolschewismus hatte aufklären müssen. Um in der russisch lesenden Welt das sowjet-russische Problem entgegen den einseitigen Einflüssen der von der Entente finanzierten russischen Presse richtigzustellen, unterstütze ich hier in Verbindung mit amtlichen Stellen eine russische Wochenzeitung4. Diese hat steigenden Absatz in verschiedenen Ländern gefunden, alle antibolschewistischen Reden von den Nürnberger Parteitagen sind auf diese Weise in die Hände von Menschen in der ganzen Welt gelangt, die davon durch die Landespresse nur ungenügend Kenntnis erhielten. Augenblicklich steht erneut das Problem, diesmal einer russischen Tageszeitung, zur Debatte. Wenn die obengenannten Dienststellen ihren Willen durchsetzen, dann könnte eine nationalrussische, antikommunistische Zeitung entstehen, die den Eindruck erwecken würde, als stünde Deutschland auf dem Standpunkt einer Wiederherstellung eines einheitlichen russischen Großreiches, sei es nun unter monarchistischer oder einer anderen diktatorisch nationalen Führung. Ich halte eine derartig einseitige Stellungnahme für schädlich und untragbar. Um hier eine neutrale Haltung zu sichern, wäre höchstens zu diskutieren, ob man gestatte, eine allgemeine russische Zeitung ohne ausgesprochene Tendenz obiger Art etwa in Berlin und eine ukrainische in Wien erscheinen zu lassen. Das wäre dann nach jeder Richtung hin neutral und würde keiner Möglichkeit der Entwicklung entgegenstehen. Wir wissen nicht, welche Kräfte endgültig im Osten einmal zum Siege gelangen werden. Wir dürfen aber niemals die Möglichkeit eines Zerfalls der Sowjetunion außer Acht lassen und haben alle Pflicht, an irgendeiner nichtamtlichen Stelle jene Elemente zu sammeln, die eine antimoskovitische Einstellung bekunden. Die Behandlung dieser Fragen erfordert zweifellos Kenntnis der geschichtlichen Entwicklung, Persönlichkeiten, die die entsprechenden Sprachen beherrschen und eine einheitliche Leitung. Es darf nicht sein, dass, wenn eine Persönlichkeit an einer oder an der zweiten Stelle abgelehnt wird, sie an der dritten oder vierten Unterschlupf und Förderung findet. Die Entscheidung über diese delikaten Fragen kann, wenn man überhaupt von einer Ostarbeit sprechen will, nur an einer Stelle liegen, ohne dass damit die notwendigen staatlichen Sonderfunktionen anderer Stellen in ihrer Arbeit behindert werden sollen. Wenn die Dinge so weitergehen wie bisher, kann nur zu leicht der Zustand 4
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Gemeint ist „Novoe Slovo“.
10. 6. 1938 Nr. 286 eintreten, dass am Ende exekutiv und entscheidend über Probleme und Persönlichkeiten des Ostens Menschen bestimmen, die entweder eine durchaus nicht genehme Planung des Ostens verfolgen, oder aber Beamte sind, die von den inneren Zusammenhängen östlicher Probleme keine tiefere Kenntnis besitzen. Dann wäre am Ende eine 18jährige Arbeit vertan, oder aber es würde eine neue jahrelange Arbeit brauchen, um alte Erfahrungen nochmals zu machen. Es entsteht die Frage, ob das Deutsche Reich so viel Zeit hat, alle diese Experimente und Erfahrungen immer wieder zu wiederholen. Das Problem erscheint mir eindeutig und klar zu liegen: Im Interesse der einheitlichen Bearbeitung und Bewertung der östlichen mit dem Bolschewismus verbundenen Probleme muss diese im Interesse von Bewegung und Staat zentral in eine Hand gelegt werden. Gleich, wen der Führer damit beauftragt, das heutige Durcheinander erscheint auf keinen Fall als ein zu duldender Zustand, sondern trägt in sich die Keime weiterer Verwicklung und eines vielleicht nicht mehr einzubringenden Zeitverlustes. Eine Regelung erscheint umso notwendiger, als etwa Italien und Polen die Probleme des Ostens bereits viel klarer und einheitlicher bearbeiten und somit schon heute zweifellos einen Vorsprung vor Deutschland haben, das doch eigentlich berufen wäre, aus tieferer Erkenntnis als jene Völker die Fragen des Weltbolschewismus zu bearbeiten. [Rosenberg] Auf erstem Blatt oben mit Bleistift: Für den Führer und 7.6.38. BArch, NS 8/50, Bl. 152-163. Veröffentlicht in: Jacobsen, Mißtrauische Nachbarn, S. 111–118.
Nr. 286 Bericht des Flottenchefs Carls an das Oberkommando der Kriegsmarine Nr. 286 10. 6. 1938 10. 6. 1938 Kiel, den 10. Juni 1938 Abschrift! Flottenkommando B.Nr. G.Kdos. 490 Al An das Oberkommando der Kriegsmarine Berlin W 35 Betrifft: Vorgang:
*Grundsätzliche Fragen der Ostseekriegführung*1 Kriegsspiele und Planstudien des Winters 37/38 1.) O.K.M. A I a 1162/37 GKdos. vom 2.6.38 2.) Flotte GKdos.460 A 1 vom 2.6.38
1.) Studien und Kriegsspiele des zurückliegenden Winters gingen befehlsgemäß von der vom O.K.M. mit Vorgang I ausgegebenen Lage aus. 1
Der Text ist unterstrichen.
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Diese Lage war im Wesentlichen durch die Voraussetzung gekennzeichnet, dass die Ostseeanliegerstaaten neutral blieben, und dass ihre Hoheitsrechte von Deutschland solange geachtet wurden, als dies auch von Seiten Russlands geschah. Aus dieser Voraussetzung ergab sich die Aufgabenstellung für die Marine. Die Voraussetzung legte ferner die deutschen Überlegungen und Entschlüsse in ganz bestimmten Richtungen fest. Trifft diese Voraussetzung aber nicht oder nur teilweise zu, so sind einschneidende Änderungen sowohl der Kriegsaufgabe der Marine wie auch ihres Einsatzes die Folge. Dem Flottenkommando erscheinen daher operative Überlegungen für den Fall notwendig, dass ein Teil der Ostsee-Anliegerstaaten nicht neutral bleiben will oder nicht neutral bleiben kann. Die nachstehenden Ausführungen umreißen die Folgen einer solchen nicht außer Acht zu lassenden Lage in großen Zügen. Sie zeigen, dass dadurch die beiden Hauptaufgaben der Ostseekriegführung (Sicherung der Seeverbindungen Reich – Ostpreußen und der Seeverbindungen Deutschland – Schweden), geändert werden. 2.) In einem Kriege Russland – Deutschland kann Russland deutsches Gebiet – bei Achtung der neutralen Hoheitsrechte – unmittelbar nur in den Sommermonaten über See angreifen. Dieser theoretisch mögliche Fall hat den Studien und Kriegsspielen des zurückliegenden Winters zu Grunde gelegen. Ein russischer Angriff ist im Übrigen ohne Verletzung des zwischen Russland und Deutschland liegenden Raumes nicht möglich. Um überhaupt wirkungsvoll gegen Deutschland Krieg führen zu können, muss sich Russland über die Rechte der dazwischenliegenden Staaten hinwegsetzen. Es wird dies, soweit die Luftkriegführung in Frage kommt, nach Auffassung des Flottenkommandos gegenüber Lettland, Litauen, Rumänien und der Tschechoslowakei auf jeden Fall, gegenüber Polen höchstwahrscheinlich tun. Auch hinsichtlich des Landkrieges kann hiesigen Erachtens nicht damit gerechnet werden, dass Russland darauf verzichten wird, Verbände durch das Gebiet dieser Staaten gegen Deutschland vorzuschieben. Aber selbst wenn im Landkrieg zunächst keine offene Verletzung der Hoheitsrechte dieser Pufferstaaten erfolgt, werden [sic] doch das Überfliegen durch russische Kampfverbände notgedrungen zu Gegenmaßnahmen unsererseits führen müssen. Sie werden sich nicht nur darauf erstrecken, dass auch wir diese Gebiete überfliegen, sondern zum allermindesten einen Schutz vor Überraschungsangriffen unserer Ostgrenzen durch vorgeschobene Flugmelde- und Abwehrtätigkeit erfordern. Selbst wenn man voraussetzt, dass die Pufferstaaten ursprünglich neutral bleiben wollten, so werden sie doch so stark in die Kriegshandlungen hineingezogen werden, dass an ein Neutralbleiben auf die Dauer nicht zu glauben ist. Sie werden sich nach kurzer Entwicklungsperiode entscheiden müssen, ob sie mit Russland gegen Deutschland oder mit Deutschland gegen Russland gehen wollen. Erkennt man eine solche Entwicklung allein als möglich an, so liegt die Notwendigkeit, unsere operativen Überlegungen auch auf diese Möglichkeiten abzustellen, auf der Hand. Ich persönlich glaube, dass vorstehende Gedanken zudem
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10. 6. 1938 Nr. 286 den Begriff der Wahrscheinlichkeit mehr in sich haben als nur den der Möglichkeit. Wir müssen daher unsere operativen Weisungen für den Ernstfall auch darauf abstellen, dass eine Achtung der Rechte der Neutralen überhaupt nicht oder doch nur teilweise erforderlich ist. 3.) Es bedarf keiner weiteren Ausführung darüber, dass die der Marine zu stellende Aufgabe und die Möglichkeiten zu ihrer Lösung sich wesentlich ändern, wenn Polen sich entscheiden muss, ob es mit oder gegen uns geht. a) Wenn Polen mit uns geht, so entfällt damit sofort die Sorge um die Sicherung der Seeverbindung Reich – Ostpreußen, sie wird auf jeden Fall aber wesentlich erleichtert. Für diesen Fall gewinnen die Überlegungen des F.d.M. für die Sicherung dieser Seeverbindung in Form eines „war chanel“, und zwar mit Einbeziehung Polens, an Bedeutung. Auf die Frage der Sicherung der Seeverbindung Schweden – Reich wird daher weiter unten noch eingegangen werden. b) Wenn Polen sich Russland anschließt, erscheint eine aussichtsreiche Möglichkeit, die Seeverbindung Ostpreußen – Reich zu sichern, zunächst nicht gegeben. Das Flottenkommando sieht die einzige Möglichkeit für die deutsche Gesamtkriegführung darin, dass die anderen Wehrmachtsteile durch Besetzung des Korridors die Landverbindung Ostpreußen – Reich herstellen und in Verbindung mit der Marine die polnische Marine und ihre Stützpunkte ausschalten. Die deutsche Marine wird hierzu nicht von Pillau aus, sondern aus dem Raum westlich von Bornholm zu operieren haben. Die wichtigste Aufgabe der Marine wird zunächst in einer Absperrung der Danziger Bucht liegen, nicht aber in einer Abriegelung der mittleren Ostsee in der Linie Öland – Brüsterort. c) Solange die Entscheidung Polens nicht gefallen ist, erscheint ein Abziehen von Heereskräften aus Ostpreußen völlig undenkbar. Bei der Schwierigkeit, Verstärkung nach Ostpreußen über See zu sichern, erscheint es als unzweckmäßig bei den operativen Vorüberlegungen mit den Transporten vom Reich nach Ostpreußen zu rechnen. Ostpreußen wird sich so lange aus eigner Kraft zu halten haben, bis die Landverbindung zum Reich hergestellt ist. d) Auf Grund der vorstehenden Überlegungen rückt also eine andere Form der Minensicherung der Ostsee durchaus in den Bereich erfolgversprechender Erwägung. Dabei ist zunächst an eine Sperre Sandhammaren – Bornholm – Jershöft in Verbindung mit Sperrmaßnahmen in der allgemeinen Linie von Brüsterort – nördlich Rixhöft – Stolpe Bank gedacht. 4.) Die Entscheidung Litauens und Lettlands, auf welcher Seite sie sich am Kriege beteiligen, ist hinsichtlich der Fragen betr. zweckmäßigster Minensicherung nicht von der gleichen Bedeutung wie die Entscheidung Polens. Das Flottenkommando beschränkt sich daher, darauf hinzuweisen, dass die Minensicherung der Ostsee von vornherein auch hier auf zwei Möglichkeiten abgestellt werden muss.
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5.) Bei Schweden ist auch das Flottenkommando der Auffassung, dass dieses Land versuchen wird, neutral zu bleiben und dass ihm dies im Wesentlichen auch gelingen kann. Dies bedeutet aber nicht, dass die deutschen Schiffe, welche Erz von Lulea bringen, in schwedischen Hoheitsgewässern gegen russische Angriffe gesichert sind. Es ist im Gegenteil damit zu rechnen, dass die russischen U-Boote deutsche Schiffe nicht nur an denjenigen Stellen angreifen werden, wo sie schwedische Hoheitsgewässer verlassen müssen, sondern auch an anderen Stellen, wo diese Schiffe theoretisch durch das schwedische Hoheitsgewässer geschützt sein sollten. Es besteht lediglich eine gewisse Aussicht, dass Russland bei Schiffen der Neutralen, insbesondere bei Schiffen starker Neutraler die Hoheitsrechte achten wird. Es erscheint daher durchaus zweifelhaft, ob und in welchem Umfang auf der Strecke Lulea – Südspitze Öland mit einer sicheren Erzzufuhr auf deutschen Schiffen gerechnet werden kann. Ist dies in nennenswertem Umfang nicht der Fall, so wird den für das Auslegen der Sperre Öland – Brüsterort angeführten Gründen eine wesentliche Voraussetzung entzogen. Eine Erzzufuhr nach Ostpreußen kommt, soweit hier bekannt, nicht oder nur für den provinziellen Eigenbedarf in Frage. Der östlichste Einfuhrhafen ist Stettin. Unser Ziel muss es daher sein, das nordschwedische Erz entweder auf neutralen Dampfern (bzw. deutschen Dampfern, die als neutrale getarnt sind) unter der schwedischen Küste bis Bornholm zu bringen oder aber, was unbedingt vorzuziehen ist, auf den Landwegen nach südschwedischen Häfen. Zur Überführung von dort nach Deutschland würde es dann nicht der Seeherrschaft in der mittleren Ostsee bis zur Linie Öland – Brüsterort bedürfen, die wie das Wehrmachtsmanöver und die Kriegsspirale gezeigt haben, kaum zu behaupten ist. Es würde vielmehr genügen, wenn wir die Seeverbindungen von Südschweden und den Ostseezugängen nach Swinemünde unbedingt sichern könnten. Diesen Zweck aber würde die bereits erwähnte Sperre Sandhammaren – Bornholm – Jershöft, welche leichter auszulegen und zu bewachen ist und wegen ihrer geringen Länge wirkungsvoller gemacht werden kann, besser erfüllen als die Sperre Öland – Brüsterort, die nach Auffassung des Flottenkommandos einen wirksamen Schutz nicht geben kann. Für die Bornholm-Sperre sprechen außer den Überlegungen über den reinen Ostseekrieg aber weiter auch die Überlegungen über den Nordseekrieg. Diese haben gezeigt, dass unsere Seeverbindungen durch das Skagerrak eine umso größere Bedeutung gewinnen, je größer die Gefahr einer Minensperrung der Nordsee durch UBoote und Minen und zwar insbesondere durch Grundminen wird. Es kann daher bei den Überlegungen über die Minensicherung der Ostsee die Frage des Schutzes der lebenswichtigen Seeverbindung Sund – Swinemünde nicht außer Acht gelassen werden. 6.) Es wurde bereits ausgeführt, dass im Kriegsfall Deutschland – Russland für den Land- und Luftkrieg die Frage der Neutralitätsbeachtung nach Auffassung des Flottenkommandos kaum eine ins Gewicht fallende Rolle spielen wird. Dies kann auf den parallel laufenden Seekrieg nicht ohne Rückwirkung bleiben. In dem zur Prü-
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10. 6. 1938 Nr. 286 fung stehenden Kriegsfall wird daher d[iesseitigen] E[rachtens] den Hoheitsrechten der Anliegerstaaten kaum die gleiche Beachtung geschenkt werden können, wie in anderen möglichen Fällen eines Seekrieges. Es besteht nach Auffassung des Flottenkommandos die Gefahr, dass derjenige entscheidend ins Hintertreffen gerät, der damit rechnet, dass der Gegner die neutralen Hoheitsgewässer respektiert, und der seine Maßnahmen auf diese Annahme abstellt. Die einzig aussichtsreichen Operationsmöglichkeiten bestehen d. E. für uns darin, Russland ohne Rücksicht auf neutrale Rechte mit Minen und U-Booten unmittelbar an seiner Basis und im finnischen Meerbusen anzugreifen, um dadurch ein russisches Eindringen in die Ostsee überhaupt zu verhindern. Es wird für möglich gehalten, dass bei der besonderen oben dargelegten Lage eines deutsch-russischen Krieges ein derartiges Vorgehen auch politisch zu vertreten ist. Unberührt hiervon kann der Versuch bleiben, zu den erwähnten Sperrmaßnahmen im neutralen Küstengebiet das Einverständnis der betreffenden Staaten zu erlangen. Es wird mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit erteilt werden, wenn der betreffende Staat uns zuneigt. Es wird nicht erteilt werden, wenn der betreffende Staat mehr auf Russlands Seite steht. Dann ist es aber umso notwendiger sich über den Einspruch hinwegzusetzen, weil sonst Russland der Nutznießer wäre. 7.) Zusammenfassung: Unter der Voraussetzung, dass die vorstehenden Gedankengänge richtig sind, ergibt sich zusammengefasst: a) Um der russischen Flotte ein Operieren in der mittleren Ostsee zu erschweren, sind sofort einsetzende Maßnahmen gegen die russische Basis und den Finnen-Busen die einzig erfolgversprechenden Operationen. Die Voraussetzungen dafür, diese Maßnahmen wirksam zu gestalten, sind günstiger als bisher angenommen. b) Der Seeraum zwischen den Linien Öland – Brüsterort und Bornholm – Jershöft unterscheidet sich, soweit es sich um die Wichtigkeit und Art der dort laufenden Seeverbindungen handelt, nicht wesentlich vom Seeraum östlich der Linie Öland – Brüsterort. Deutsche Schutzsperren sind also nicht an die Linie Öland – Brüsterort gebunden, sondern können westlicher liegen, wo sie 1.) leichter auszulegen sind, leichter zu bewachen sind, 2.) bei gleicher Minenzahl wirkungsvoller gestaltet werden können, 3.) Streitkräfte und Minenmaterial für andere Zwecke freigeben. c) Der Flotte erscheint daher die Prüfung der Kriegführung gegen Russland von den skizzierten Voraussetzungen ausgehend von entscheidender Wichtigkeit. gez. Carls Auf erstem Blatt oben Stempel: Geheime Kommandosache und weitere, nicht entzifferte Abkürzungen. BA MA, RM 7/2255, Bl. 302-310.
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Nr. 287
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Nr. 287 Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA Nr. 287 13. 6. 1938 13. 6. 1938 Moskau, den 13. Juni 1938 Tgb. Nr. A/836 *Vertraulich!*1 An das Auswärtige Amt Berlin Auf den Erlass vom 3. d. Mts. – Pol. V 3937 –2 Durchschlag Inhalt: Sowjetisches Personal in der Botschaft In den Haushaltungen der Mitglieder der Deutschen Botschaft in Moskau wird eine größere Anzahl von Personal sowjetischer Staatsangehörigkeit beschäftigt. Es handelt sich im Wesentlichen um Wolgadeutsche, d. h. um Volksgenossen. Eine Änderung dieses Zustandes ist schwer möglich, da Personal aus Deutschland nicht zu beschaffen ist und die sowjetischen Hausangestellten verhaftet werden, wenn sie entlassen werden würden. In Verfolg des dortseits beabsichtigten Vorgehens gegen Reichsdeutsche Angestellte von Sowjet-Institutionen in Deutschland sind Maßnahmen gegen das Hauspersonal der Botschaftsmitglieder zu befürchten. Unter diesen Umständen, zumal ich auch keinen wesentlichen Nachteil in der Beschäftigung von reichsdeutschen Angestellten bei Sowjet-Institutionen erkennen kann, bitte ich dafür Sorge zu tragen, dass von den beabsichtigten Maßnahmen Abstand genommen wird. gez. Graf von der Schulenburg Auf dem Blatt unten: Kl[einer] Umlauf mit Abzeichnungen und zdA sowie ab 13.6.38 Gü[nther]. Gefertigt in zwei Durchschlägen. PA AA, Moskau 213, Bl. 429374.
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Das Wort ist nochmals unterstrichen. Schliep hatte am 3.7. eine Anfrage des Gestapa vom 19.5.1938 weitergeleitet, ob es außenpolitische Bedenken gebe, wenn die in sowjetischen Institutionen in Berlin tätigen Reichsdeutschen zu einer Aufgabe ihrer Stellung veranlasst würden; vgl. PA AA, Moskau 213, Bl. 429370-429373.
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16. 6. 1938 Nr. 288 Nr. 288 Schreiben des Presseattachés der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Smirnov an den Gehilfen des Leiters der 2. Westabteilung im NKID Michel’s Nr. 288 16. 6. 1938 16. 6. 1938 Geheim UdSSR Bevollmächtigte Vertretung in Deutschland Nr. 1481 Berlin, 16.6.1938 An die 2. Westabteilung Gen. *MICHEL’S*2 In Beantwortung Ihrer Anfrage bezüglich der Empfangsqualität der Moskauer fremdsprachigen Rundfunksendungen teile ich Ihnen folgendes mit: Wie ich den Gesprächen mit den Genossen, die regelmäßig Moskau hören, entnehmen konnte, ist die Empfangsqualität der Sendungen in englischer, tschechischer und französischer Sprache zufriedenstellend. Was Sendungen in deutscher Sprache anbelangt, so sind sie kaum zu hören. Deutsche Rundfunksender stören stark. Darüber beklagte sich übrigens ein Ausländer bei mir und bat, ob es denn nicht möglich wäre, auf diplomatischem Wege etwas zu unternehmen, damit die Deutschen die Moskauer Sendungen in deutscher Sprache nicht stören. Offenbar ist ein Empfang mit leistungsstarken Empfängern dennoch möglich, was durch die Tatsache bestätigt wird, dass die Mai-Nummer der Zeitschrift „Deutsche Justiz“ einen Kommentar zur Strafverfolgung wegen Abhörens des Moskauer Rundfunks und zum „Strafmaß wegen Hochverrats“3 brachte. **Ich füge eine Liste unserer Eindrücke zur Empfangsqualität der Moskauer Sendungen sowohl in russischer Sprache als auch in Fremdsprachen bei.**4 SMIRNOV [Anlage] 1. Auf Langwelle ist der Empfang des Senders „Komintern“, Sendebeginn um 21.30 Uhr Ortszeit (23.30 Uhr Moskauer Zeit) sehr gut. Die Abendausgabe der Nachrichten in russischer Sprache ist in der Regel sehr gut zu hören. Nur ab und an treten Schwankungen auf, die offenbar dadurch zu erklären sind, dass die Deutschen unsere Sendungen zu überlagern versuchen. 2. Auf der gleichen Wellenlänge sind beginnend ab 10 Uhr abends Ortszeit bis 1 Uhr nachts die Übertragungen in französischer, englischer und spanischer Sprache gut zu hören. In diesen Stunden sind nie Schwankungen oder Unterbrechungen zu verzeichnen. 1 2 3
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der Name ist mit Bleistift unterstrichen. Vgl. „Entscheidungen deutscher Gerichte. Vorbereitung zum Hochverrat durch Anhören des Moskauer Senders“. In: Deutsche Justiz vom 27. Mai 1938, S. 828–829. 4 Der Text ist mit Tinte geschrieben.
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3. Schlechter ist es um die Tagesausgabe der Nachrichten (10 Uhr vormittags Ortszeit) bestellt, da fast täglich die Übertragung mit Tönen, wahrscheinlich Morsezeichen, überlagert wird und fast nichts zu hören ist. Hier kann man neben atmosphärischen Störungen und der Überlastung des Netzes auch Unregelmäßigkeiten bei der Übertragung in unserer Rundfunkstation annehmen. Das gleiche, wenn auch etwas weniger, trifft auch auf die Abendausgabe der Nachrichten zu (um 4 Uhr Ortszeit). In diesen Stunden ist die Übertragung ebenfalls so stark gestört, dass nur mit großer Mühe der Inhalt erfasst werden kann. Besser ist es um die Morgenausgabe der Nachrichten (6 Uhr Moskauer Zeit) bestellt, aber dies ist nach Ortszeit (4 Uhr) zu früh. 3.5 Bei der Verlesung der Nachrichten in russischer Sprache beeilen sich die Sprecher mitunter zu sehr, und das **Paar**6 der Sprecherinnen liest verschiedene Nachrichten oft vollkommen monoton vor und geht unvermittelt von einem Thema zum anderen über. Dies erschwert das Verständnis der Übertragung. 4. Die Sendungen in spanischer Sprache (in den Nachtstunden Moskauer Zeit) sind sehr gut zu empfangen, und die Sprecher lesen deutlich vor, jedoch gibt es grundsätzliche Mängel bei den Sendungen: die Nachrichten in spanischer Sprache über die Sowjetunion und aus dem Ausland werden in der Regel mit großer Verspätung ausgestrahlt, ungefähr 2 bis 3 Tage, nachdem diese Nachrichten in der sowjetischen und ausländischen Presse erschienen sind und nachdem diese Nachrichten schon 1 bis 2 Tage zuvor in (unserem) Rundfunk in russischer Sprache gesendet worden sind. Auf Kurzwelle gelingt es selten, Informationssendungen, insbesondere Nachrichten, zu empfangen. 5. Die Sendungen in deutscher Sprache des Senders „Komintern“ sind sehr unregelmäßig. In den letzten Monaten ist es schwierig, einigermaßen rechtzeitig die Tage und Uhrzeiten dieser Sendungen in Erfahrung zu bringen, es gibt keinen festen Sendeplan. Dann aber, wenn die Sendungen vom Radiosender „Komintern“ (Langwelle, in den Nachtstunden Moskauer Zeit) ausgestrahlt werden, ist die Empfangsqualität gut und Versuche, diese Sendungen zu stören, sind oft erfolglos. **6. 15.VI. Die Empfangsqualität der Moskauer Sendung in deutscher Sprache war vorzüglich. Wünschenswert wäre, die Sendezeiten in deutscher Sprache genau zu bestimmen, damit sie immer zur festgelegten Zeit erfolgen. 16.VI.38. A. Smirnov**7 Anweisung von G.I. Vajnštejn mit Bleistift: Teilen Sie dem Rundfunkkomitee den Inhalt dieser zwei Briefe mit. 20/VI. 38 V[ajnštejn]. Vermerk von V.A. Michel’s mit rotem Farbstift: an Gen. Bergman. VM[ichel’s]. 24/VI. 38. Am Ende des Hauptdokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: **2 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. zu den Akten**8. Auf Kopfbogen der Bevollmächtigten Vertretung der UdSSR in Deutschland geschrieben. AVP RF, f. 082, op. 21, p. 92, d. 20, l. 52–50. Original.
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So im Dokument. Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. Der Text ist mit Tinte geschrieben. Der Text ist mit Tinte geschrieben.
17. 6. 1938 Nr. 289 Nr. 289 Rundschreiben des Chefs der Reichskanzlei Lammers an alle Reichsminister Nr. 289 17. 6. 1938 17. 6. 1938 Berlin, W 8, 17. Juni 1938 Abschrift Der Reichsminister und Chef der Reichskanzlei Geheim An sämtliche Herren Reichsminister! Betrifft: Dienstlicher und persönlicher Verkehr mit Mitgliedern hiesiger fremder Missionen Der Führer und Reichskanzler hat mich beauftragt, Ihnen davon Kenntnis zu geben, dass er dienstliche Besuche von Beamten und Angestellten deutscher Behörden bei den hiesigen Missionen fremder Staaten grundsätzlich nicht wünscht. Den Mitgliedern des diplomatischen Corps würde nämlich sonst durch unmittelbaren dienstlichen Verkehr mit innerdeutschen Stellen unter Umgehung des diplomatischen Weges, d.h. des Auswärtigen Amtes, eine Informationsquelle geöffnet, die deutschen Diplomaten im Auslande regelmäßig verschlossen ist. Es soll daher im Einzelfall künftig eine Beteiligung deutscher Behördenvertreter an einer dienstlichen Besprechung in einer fremden Mission nur erfolgen, wenn der zuständige Ressortchef dies im Benehmen mit dem Auswärtigen Amt besonders angeordnet hat. Auch über die persönlichen Beziehungen von Angehörigen hiesiger diplomatischer Vertretungen zu deutschen Beamten und Behördenangestellten muss das Auswärtige Amt unterrichtet sein. Der Führer und Reichskanzler hat deshalb ferner angeordnet, dass künftig Beamte und Behördenangestellte auch ihren gesellschaftlichen Verkehr mit Angehörigen der hiesigen diplomatischen Vertretungen ihren Vorgesetzten in regelmäßig wiederkehrenden Zeitabschnitten im Einzelnen schriftlich zu melden haben. Die obersten Dienststellen sollen diese Meldungen sodann dem Herrn Reichsminister des Auswärtigen1 im April und Oktober jeden Jahres in übersichtlicher Zusammenstellung unmittelbar zuleiten. Ob und in welchem Umfang es nötig ist, unterstellte Behörden und Dienststellen in diese Regelung einzubeziehen, ist dem Ermessen der Empfänger dieses Rundschreibens anheimgestellt. Ich bitte die hiernach erforderlichen Maßnahmen zu treffen. gez. Dr. Lammers BArch, NS 43/1, Bl. 7.
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Joachim von Ribbentrop.
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Nr. 290
17. 6. 1938
Nr. 290 Schreiben des Mitarbeiters der Abteilung Osten im Außenpolitischen Amt der NSDAP Dürksen an den Leiter der Abteilung Osten Schickedanz Nr. 290 17. 6. 1938 17. 6. 1938 17. Juni 1938 Abt. Osten Vertraulich! Herrn Stabsleiter Schickedanz im Hause Betrifft: Teilnahme einer sowjetischen Delegation an der am 24. d. M. in Berlin beginnenden Tagung der Internationalen Luftsportvereinigung (F.A.I.) Auftragsgemäß habe ich im Auswärtigen Amt Erkundigungen über die Teilnahme einer sowjetischen Delegation an der obengenannten Tagung eingezogen.1 Konsul Meyer-Heydenhagen, der die Leitung des Referates Sowjetunion übernimmt, ist bis Mitte Juni in Urlaub. Konsul Ehrt, mit dem ich verbunden wurde, konnte mir keine hinreichende Auskunft geben und verwies mich an den Luftfahrtreferenten im Auswärtigen Amt, Legationsrat Schultz-Sponholz, der mich bereitwillig über die Angelegenheit informierte. Die Internationale Luftsportvereinigung stellt eine private Organisation dar, in der die meisten Länder der Welt vertreten sind. An der Tagung in Berlin ist Deutschland staatlich nicht beteiligt, doch werden die Teilnehmer des Kongresses zu verschiedenen offiziellen Empfängen und Veranstaltungen eingeladen werden. Die Deutsche Botschaft in Moskau informierte das Auswärtige Amt über die Absicht der Sowjetregierung eine Delegation zu der Berliner Tagung zu entsenden und empfahl der sowjetischen Delegation hier keine Schwierigkeiten in den Weg zu legen. Heute Vormittag sei vom Luftfahrtministerium mitgeteilt worden, dass Staatssekretär Milch sich entschieden habe die sowjetische Delegation „honorig“, d. h. wie alle anderen Delegationen zu behandeln und sie zu allen Empfängen miteinzuladen. Legationsrat Sch.-S. erwiderte auf meine Rückfrage betreffend Besichtigungen von Flugzeugfabriken durch die Teilnehmer der Tagung, dass das Luftfahrtministerium es zu verhindern wissen werde, dass die Sowjetdelegation an den Besichtigungen teilnimmt. Die Gestapo sei ebenfalls informiert und wird der sowjetischen Delegation keine Schwierigkeiten bereiten, sie aber selbstverständlich genauestens beobachten. Wie mir Dr. Maurach vom Propagandaministerium heute Vormittag mitteilte, hat er beim Aero-Club von Deutschland festgestellt, dass die Teilnahmemeldung der Sowjetdelegation erst in diesen Tagen telegrafisch eingetroffen ist. Es stellt sich 1 Die 38. Konferenz der Internationalen Aeronautischen Vereinigung (FAI) bzw. Internationalen Luftssportvereinigung fand vom 24. bis 25.6.1938 in Berlin statt. Zu dem Deutschland-Aufenthalt und der Konferenz-Teilnahme von fünf sowjetischen Piloten, von denen drei, die im Juli 1937 am Nonstop-Flug Moskau–Nordpol–San Jacinto (Kalifornien) mitgewirkt hatten und mit der Goldmedaille der FAI für die beste Leistung des Jahres 1937 ausgezeichnet worden waren, vgl. den Bericht des Delegationsleiters Spirin. In: RGAĖ, f. 248, op. 1, d. 40, l. 1–16. Das Reichspropagandaministerium erteilte der Presse zweimal die Anweisung, die Teilnahme der sowjetischen Piloten an der Konferenz nicht zu erwähnen. In: NS-Presseanweisungen, Bd. 6/II, S. 582, 593.
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18. 6. 1938 Nr. 291 so also heraus, dass die „Izwestija“ und „Prawda“ die Nachricht von der Beteiligung der Sowjetdelegation mehrere Tage vor der offiziellen Teilnahmemeldung veröffentlichten, d. h. am 12. Juni.2 [Dürksen] Unterschrift als Paraphe. BArch, NS 43/9, Bl. 581-582.
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Nr. 291 Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA Nr. 291 18. 6. 1938 18. 6. 1938 Moskau, den 18. Juni 1938 Vertraulich! Tgb. Nr. A/872 An das Auswärtige Amt Berlin Inhalt: Neuernannter Sowjetbotschafter Merekalow Der neuernannte Sowjetbotschafter in Berlin, Alexej Merekalow, hat mir am 16. d. Mts. in Begleitung des Vizedirektors der II. Westabteilung des Außenkommissariats, Michels, einen Besuch gemacht, worauf ich für ihn am folgenden Tag ein Frühstück gab, an dem außer einigen Herren der Botschaft der Direktor1 und der Vizedirektor der II. Westabteilung des Außenkommissariats sowie der Protokollchef2 teilnahmen. Merekalow erwähnte im Laufe des Gesprächs, dass er in der nächsten Woche mit seiner Frau und seinem 14-jährigen Sohn nach Berlin abreisen wolle.3 Merekalow ist bisher noch niemals im Ausland gewesen und spricht keine fremde Sprache; er erklärte jedoch, dass er dabei sei, deutsch zu lernen und hoffe, dies in fünf bis sechs Monaten bewerkstelligt zu haben. Obwohl er noch jung und gesellschaftlich unerfahren ist, macht er bei aller Zurückhaltung einen selbstsicheren Eindruck. Bei seinem Antrittsbesuch bei mir bemerkte Merekalow, er sei über das Vertrauen seiner Regierung erfreut, die ihn in ein so großes Land – wie Deutschland – als Botschafter entsende. Nachdem ich beim Frühstück auf sein Wohl getrunken und ihm gute Reise gewünscht hatte, erwiderte Merekalow mit den Worten, er hoffe, dass die deutsch-sowjetischen Beziehungen wachsen und sich festigen würden. gez. Graf von der Schulenburg 2
Vgl. „Na konferenciju FAI“ (Auf der FAI-Konferenz). In: Izvestija vom 12. Juni 1938, S. 4.
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Grigorij Isaakovič Vajnštejn. Vladimir Nikolaevič Barkov. Zum Antrittsbesuch Merekalovs im AA und zur Übergabe des Beglaubigungsschreibens vgl. Dok. 300, 301.
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Nr. 292
22. 6. 1938
Auf dem Blatt oben: Kl[einer] Umlauf und z.d.A. T[ippelskirch] 21/6 mit Abzeichnungen. Am linken Seitenrand Paraphe von Sch[ulenburg] 20/6. Unten: ab 20.6.38 Gü[nther] und A9 gen. Gefertigt in vier Durchschlägen. PA AA, Moskau 213, Bl. 429378. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. I, Dok. 624, S. 745–746.
Nr. 292 Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA Nr. 292 22. 6. 1938 22. 6. 1938 Moskau, den 22. Juni 1938 Tgb.Nr. A/907 An das Auswärtige Amt Berlin Politischer Bericht. **Unter Bezugnahme auf die Berichte A No. 773, 780, 796 vom 23. und 30. Mai 1938**1 Inhalt: Verhalten der Sowjetregierung während der tschechoslowakischen Krise Während der tschechoslowakischen Krise hat die Sowjetpresse in Moskau sich Folgendermaßen verhalten: Am 23. Mai meldete Iswestija aus Paris vom 22. Mai (Havas)2, dass Bonnet mit Osusky gesprochen habe. „Bonnet bestätigte mit Entschiedenheit die frühere Haltung Frankreichs hinsichtlich der Tschechoslowakei.“ Zwischen dem 23. und 25. Mai erschienen in Moskauer Blättern zwei Artikel über die Tschechoslowakei, in denen sich kein Hinweis auf die sowjetischen Vertragspflichten fand. Am 26. Mai brachte Iswestija einen Artikel ihres außenpolitischen Mitarbeiters Alexandrow.3 Darin wurden als Faktoren, die Hitler und seine Ratgeber zumindest zu einer Vertagung des geplanten Abenteuers veranlasst hätten, genannt: 1) die rechtzeitigen Verteidigungsmaßnahmen der Tschechoslowakei; 2) das Bekanntwerden der Tatsache, dass Frankreich erneut klar seine Entschlossenheit erklärt habe, die Verpflichtungen aus dem französisch-tschechischen Vertrage zu erfüllen, wobei aus den französischen Erklärungen hervorgegangen sei, 1 Der Text wurde von Tippelskirch handschriftlich hinzugefügt. Die Berichte sind in der Akte vorhanden: Nr. 773 vom 23.5.: o.P. 1 Bl. (Brief Schulenburg zu der Moskauer Presse); Nr. 780 vom 30.5.: o.P. 3 Bl. (Bericht von Wilm Stein: Moskauer Presse zu den Ereignissen in der Tschechoslowakei); Nr. 796: Bl. 212891-212893 (Bericht Schulenburgs zu den sowjetischtschechoslowakischen Beziehungen). 2 Vgl. „Besedy francuzskogo ministra inostrannych del“ (Gespräche des französischen Außenministers). In: Izvestija vom 23. Mai 1938, S. 1. 3 Vgl. E. Aleksandrov: „Čechoslovackaja respublika – bastion mira“ (Die tschechoslowakische Republik – eine Bastion des Friedens) In: Izvestija vom 26. Mai 1938, S. 4.
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22. 6. 1938 Nr. 292 dass im Falle der Notwendigkeit Frankreich nicht vor der Mobilmachung zurückschrecken werde; 3) **wörtlich:**4 „eine erhebliche Rolle spielte natürlich der Umstand, dass niemand an der Loyalität der Sowjetunion hinsichtlich der von ihr übernommenen Verpflichtungen zweifelt“; 4) warnende Vorstellungen der englischen Regierung in Berlin. Am 30. Mai hieß es in einem Artikel der Zeitung der Roten Armee „Krassnaja Swesda“5, ein ernstes Hindernis für den deutschen Faschismus sei die Existenz des tschechoslowakischen Bündnisvertrages mit Frankreich und des Hilfeleistungspaktes mit der Sowjetunion. Das Blatt zitierte dabei aus dem Unterzeichnungsprotokoll des Hilfeleistungspaktes den Satz: „Gleichzeitig anerkennen beide Regierungen, dass die Verpflichtung gegenseitiger Hilfeleistung zwischen ihnen wirksam sein wird nur soweit einer Seite – dem Opfer eines Angriffs – Hilfe seitens Frankreich geleistet wird.“ Weiter hieß es, es bestehe kein Zweifel, dass die Existenz eines Hilfeleistungspaktes zwischen der Sowjetunion und der Tschechoslowakei abkühlend auf die deutschen Regierenden gewirkt habe. Am 3. Juni schrieb „Prawda“: „Die Haltung der Sowjetunion, die ihren Verpflichtungen treu ist, hat niemals Zweifel beim tschechischen Volke hervorgerufen.“6 Aus diesen, auf amtliche Weisungen zurückgehenden Veröffentlichungen ist zu entnehmen, dass die Sowjetpresse sich in den ersten Tagen der Krise, d. h. vom 20.-25. Mai jeglicher Hinweise auf die eigene Stellungnahme der Sowjetregierung zur tschechoslowakischen Frage enthalten hat. Nachdem am 23. Mai ein Pariser Havas-Telegramm vom 22. Mai über die Unterredung zwischen dem französischen Außenminister Bonnet und dem tschechoslowakischen Gesandten in Paris veröffentlicht worden war, ließ die Sowjetregierung noch drei Tage verstreichen ehe sie sich entschloss, in der „Iswestija“ vom 26. Mai ihre eigene Einstellung im Konfliktsfall zum Ausdruck zu bringen. Dabei bediente sie sich der eigentümlich anmutenden Form, dass niemand an der Loyalität der Sowjetunion hinsichtlich der von ihr übernommenen Verpflichtungen zweifele. Dass diese Ausdrucksweise nicht zufällig ist, ergibt sich daraus, dass auch die „Prawda“ vom 3. Juni ebenfalls diese Formulierung benutzt. Die auffallende Zurückhaltung der Sowjetpresse darf jedoch nicht zu der Annahme verleiten, als ob die Sowjetregierung in den Tagen der Mai-Krise untätig geblieben sei. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die Sowjetdiplomatie in Paris, London und Prag alle Anstrengungen gemacht hat, um die dortigen Kabinette zu beeinflussen. Die Sowjet-Diplomatie wird ihrer bekannten Einstellung entsprechend ein energisches Vorgehen und eine feste Haltung gegenüber Deutschland empfohlen haben. Dabei wird sie aber ihr eigenes Verhalten von dem Vorgehen der französischen und englischen Regierung abhängig gemacht haben. Dementsprechend ist sie mit ihrer eigenen Stellungnahme erst hervorgetreten, nachdem die französische Haltung aus dem Gespräch Bonnet-Osusky bekannt geworden war, 4 5
Das Wort wurde von Tippelskirch eingefügt. Vgl. I. Alov: „Čechoslovakija – bar’er na puti germanskoj agressii“ (Die Tschechoslowakei als Barriere gegen die deutsche Aggression). In: Krasnaja Zvezda vom 30. Mai 1938, S. 2. 6 Vgl. „Obozrevatel’. Meždunarodnoe obozrenie“ (Berichterstatter. Internationale Übersicht). In: Pravda vom 3. Juni 1938, S. 5.
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**oder wenn man so will, nachdem die drohende Kriegsgefahr vorüber zu sein schien**7. Dieser Annahme entspricht **durchaus die Beobachtung**8, dass der hiesige tschechoslowakische Gesandte Fierlinger sich in den ersten Tagen der Krise gedrückt und beunruhigt gezeigt hat. Erst nach Ablauf mehrerer Tage, d. h. nachdem in der Zwischenzeit die Haltung der Französischen Regierung bekannt geworden war und die Einstellung der Sowjetregierung sich **,wie geschildert,**9 geklärt hatte, trug er ein optimistisches und beruhigtes Wesen zur Schau. Der Tschechoslowakische Gesandte hat mit Litwinow, der sich über die kleinsten Einzelheiten der Vorgänge in der Tschechoslowakei unterrichten ließ, in ständigem Kontakt gestanden. Es hat den Anschein, dass Litwinow in diesen Gesprächen sowie durch den Sowjetgesandten in Prag der tschechoslowakischen Regierung zwar zu einem festen und entschlossenen Auftreten geraten hat, jedoch mit dem Ziel, eine Einigung mit den Minderheiten zu suchen. Die Ratschläge Litwinows gingen dabei weniger darauf aus, den berechtigten Forderungen der Minderheiten Genüge zu tun, als vielmehr eine Situation zu schaffen, in der die Sudetendeutschen isoliert und ins Unrecht gesetzt wurden. **Angeblich soll er in Prag geraten haben, allen Minderheiten das Gleiche zu geben und mit den Sudetendeutschen zuletzt zu verhandeln. Das Auftreten von England und Frankreich lag durchaus auf der Litwinowschen Linie. Anscheinend war dies aber der Sowjet-Regierung nicht weitgehend und wegen des Druckes auf Prag nicht konsequent genug, denn die Sowjetpresse hackte weiter auf England und Frankreich herum, und sogar auf der Tschechoslowakei, weil diese Franco anerkannt hatte, in Wirklichkeit aber wohl, weil Prag sich den Moskauer Ratschlägen nicht gefügig genug zeigt.**10 Im Verlauf der Krise sind Gerüchte aufgetaucht, die von kriegsmäßigen Vorbereitungen an der westlichen Grenze der Sowjetunion wissen wollten. Die Gerüchte betrafen **das Klarmachen von**11 Flugzeugformationen bei Leningrad und in Weißrussland und die Dislozierung von Truppen an der polnischen und rumänischen Grenze. Es hat sich bisher nicht feststellen lassen, dass diese Gerüchte zutreffen. **Ein hiesiger Militärattaché hat in letzter Zeit festgestellt, dass keine Truppenansammlungen an der polnischen und rumänischen Grenze stattgefunden haben.**12 Das Verhalten der Sowjetregierung während der Mai-Krise hat somit gezeigt, dass die Sowjetregierung im Falle eines kriegerischen Konfliktes zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei sich zunächst nicht zu binden und nicht zu exponieren wünscht. Es besteht zwar zwischen der Tschechoslowakei und der Sowjetunion der bekannte Vertrag über gegenseitige Hilfe. Die Sowjetregierung hat jedoch jegliche konkrete Erörterung über die Realisierung ihrer Bündnisverpflichtungen bisher peinlich und systematisch vermieden. Dazu kommen die aus der geographischen Lage der Tschechoslowakei herrührenden Schwierigkeiten. Litwi7 8 9 10
Der Text ist von Tippelskirch hinzugefügt. Der Text ist korrigiert; ursprünglich: es durchaus. Der Text ist von Tippelskirch hinzugefügt. Der Text ist von Tippelskirch hinzugefügt worden; ursprünglich: sowie Deutschland einen Prestigeverlust beizubringen. 11 Der Text ist von Tippelskirch hinzugefügt. 12 Der Text ist von Tippelskirch hinzugefügt.
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23. 6. 1938 Nr. 293 now hat sich immer auf den Standpunkt gestellt, dass die an den Bündnisverpflichtungen der Sowjetunion **interessierten Mächte**13 die Voraussetzungen für ihre Verwirklichung schaffen müssten. Nicht zuletzt anlässlich des polnisch-litauischen Konfliktes hat Litwinow einem Pressevertreter auf dessen Frage, auf welche Weise die Sowjetunion der Tschechoslowakei Hilfe leisten könne, ausweichend erklärt: „Nun, es wird sich schon ein Weg finden.“ Da die Sowjetregierung in Anbetracht der **eigenen innerpolitischen Lage und aus Angst vor einem Zweifrontenkrieg kriegerischen Unternehmungen zur Zeit abhold sein dürfte und die für Zwecke der eigenen Verteidigung und**14 der Weltrevolution geschaffene Rote Armee kaum zur Verteidigung eines bürgerlichen Staates marschieren lassen wird, verfolgt sie die bewährte Taktik, andere Mächte, insbesondere Frankreich, gegen ihre Feinde zu mobilisieren und entstehende Konflikte, – wie die Beispiele Spanien und China zeigen, – durch Lieferung **von Kriegsmaterial**15 zu schüren und durch Wühlerei und Intrigen aller Art möglichst zu verbreitern. gez. Graf von der Schulenburg
Konzept. Auf erstem Blatt: 4 Durchschläge (Davon 1 Durchschlag an den Herrn Direktor der Politischen Abteilung persönlich). Auf letztem Blatt unten Paraphe von T[ippelskirch] 22/6. PA AA, Moskau 553, Bl. 212883-212888. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. II, Dok. 261, S. 336–339.
Nr. 293 Auszug aus der Rede des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov auf der Bezirkswahlversammlung des Petrograder Wahlbezirkes in Leningrad Nr. 293 23. 6. 1938 23. 6. 1938 [23.06.1938] […] Es bedarf keines speziellen Studiums der internationalen Beziehungen, es genügt die Lektüre einer beliebigen Tageszeitung, um den alarmierenden und unheilverkündenden Charakter der jetzigen internationalen Lage zu sehen und zu verstehen. Wir sind es gewohnt, zwischen Kriegs- und Friedenszeiten zu unterscheiden, ohne uns darüber Rechenschaft abzulegen, dass bei Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems ein dauerhafter, stabiler Friede unmöglich ist. Das, was üblicherweise als Friedenszeit bezeichnet wird, wäre richtiger als eine mehr oder weniger lange Zwischenzeit zwischen zwei Kriegen oder, anders formuliert, als Waffenstillstand zu betrachten. Ich habe in meinen Reden im Völkerbund bereits 13 14
Der Text ist von Tippelskirch hinzugefügt. Der Text ist korrigiert; ursprünglich: sowjetrussischen innerpolitischen Lage kriegerischen Unternehmen zur Zeit abhold sein dürfte und die für Zwecke. 15 Der Text ist korrigiert; ursprünglich: von Flugzeugen und Kriegsmaterial.
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mehrfach ausgeführt, dass ein jeglicher Krieg nach einer bestimmten Zwischenzeit unweigerlich einen neuen Krieg hervorbringt und ein jeglicher Friedensvertrag zwischen kapitalistischen Ländern die Keime für einen neuen Krieg in sich trägt. Jetzt kann man völlig zu Recht sagen, dass der von 1914 bis 1918 dauernde Weltkrieg nicht mit Versailles, St. Germain und anderen in dieser Zeit abgeschlossenen Verträgen beendet worden ist und die seitdem vergangenen 20 Jahre lediglich als Waffenstillstand anzusehen sind. […] Wir beteiligen uns nicht am Kampf der imperialistischen Interessen. Uns ist jeglicher Gedanke nach Eroberung eines beliebigen fremden Territoriums fremd und deshalb ist es für uns natürlich unerheblich, welche Macht diese oder jene Kolonie ausbeuten, diese oder jene Auslandsmärkte erobern und sich diesen oder jenen schwachen Staat unterordnen wird. Doch die Sache ist die, dass Deutschland nicht nur danach strebt, seine Rechte wiederherzustellen, die es mit dem Versailler Vertrag verloren hat, nicht nur die Reichsgrenzen der Vorkriegszeit wiederzuerlangen sucht, sondern seine Außenpolitik auf uneingeschränkter Aggression aufbaut und sich sogar darauf versteigt, alle übrigen Rassen und Völkerschaften der sogenannten germanischen Rasse unterzuordnen. Es betreibt besessen eine offen antisowjetische Politik, die verdächtig an die Zeiten erinnert, als der Deutsche Orden im Baltikum schaltete und waltete, und es gibt sich öffentlich dem Traum nach der Ukraine und sogar nach dem Ural hin. Und wer weiß, was man dort noch so träumt? […] In ihrem Bestreben, durch internationale kollektive Zusammenarbeit auf jede Weise an der Erhaltung des Friedens mitzuwirken, und in dem Wissen, dass ohne die Sowjetunion kein Kräftegleichgewicht in Europa und in der Welt geschaffen werden kann, vor dem die Aggression zurückweichen würde, hat sich die sowjetische Regierung bereit erklärt, sich an regionalen Beistandspakten zu beteiligen. Als der vorgeschlagene regionale Ostpakt durch Deutschland1 und Polen torpediert wurde, hat die Sowjetunion mit Frankreich 2 und der Tschechoslowakei 3 Beistandspakte abgeschlossen. […] Unsere Pakte mit Frankreich und der Tschechoslowakei haben, neben der Hilfeleistung im Kriegsfall, auch das Ziel, die Gefahr eines Krieges in bestimmten Teilen Europas abzuwenden oder zu verringern. Angesichts der Drohung, die jetzt über der Tschechoslowakei liegt, sollte der ganzen Welt klar sein, dass der sowjetisch-tschechoslowakische Pakt diese seine Funktion erfüllen wird, dass er ein sehr starker, wenn nicht gar der einzige Faktor ist, der die Atmosphäre rund um die Tschechoslowakei entspannen kann. Es muss festgestellt werden, dass die sowjetische Regierung, wenn sie dem Opfer einer Aggression Beistand zusichert, diesen Beistand nicht als Druckmittel gegen dieses Opfer nutzt, um es zu veranlassen, vor dem Aggressor zu kapitulieren und so aufzutreten, als ob es keines Beistandes bedürfe. Unsere Friedenspolitik lässt uns natürlich hoffen, dass die Konflikte der Tschechoslowakei mit ihren Nachbarn auf friedli1 Zur Haltung der deutschen Diplomaten zum Vorhaben eines Ostpaktes vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 1–2. 2 Am 2.5.1935; vgl. Osteuropa 10 (1934/35), H. 9, S. 568–571; DVP, Bd. XVIII, Dok. 205, S. 309–312. 3 Am 16.5.1935; vgl. DVP, Bd. XVIII, Dok. 223, S. 333–335.
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23. 6. 1938 Nr. 293 chem Wege beigelegt werden, doch wir enthalten uns konsequent ungebetener Ratschläge an die tschechoslowakische Regierung, weil wir an ihre Friedensliebe glauben und der Auffassung sind, dass sie selbst über die Fragen zu entscheiden vermag, die die innere Ordnung ihres Staates betreffen, dass sie selbst gangbare Zugeständnisse finden wird, die mit dem Ansehen, der Souveränität und der Unabhängigkeit des Staates vereinbar sind, dass die Tschechoslowakei unter internationalem Gesichtspunkt die sich verteidigende Seite ist und dass die Verantwortung für die Folgen die angreifende Seite zu tragen haben wird. […] [D]ie sowjetische Regierung verhält sich zu den Vorgängen keineswegs unbeteiligt, sie ist vielmehr bereit, ihre Pflicht zur internationalen Solidarität in vollem Umfang zu erfüllen und erfüllt sie auch als konsequente und leidenschaftliche Verteidigerin des Friedens. Sie deckt unermüdlich die Fehlerhaftigkeit der Politik anderer Länder auf, die zur Loslösung und Entfesselung der Aggression geführt hat, indem sie den Weg aufzeigt, diese Aggression abzuwenden und zu zerschlagen. Noch unlängst hat sie die friedliebenden Mächte an die Notwendigkeit erinnert, dringend kollektive Maßnahmen zur Rettung der Menschheit vor einem neuen und blutigen Krieg zu ergreifen.4 Dieser Aufruf fand kein Gehör, doch die sowjetische Regierung entledigte sich zumindest der Verantwortung für den weiteren Verlauf der Ereignisse. Es muss jedoch vermerkt werden, dass die Sowjetunion nichts für sich erbittet, bei niemandem um Partner- und Bündnispartnerschaft anfragt, sondern sich nur zu einer kollektiven Zusammenarbeit bereiterklärt, weil sich die Situation nicht für sie selbst als höchst gefährlich entwickelt hat, sondern in erster Linie für die kleinen Staaten und in zweiter Linie für die Staaten, die für die Nachkriegsordnung verantwortlich sind. […] Der Übermut der einen und die Ängstlichkeit der anderen, die ihrerseits diesen Übermut beflügelt, schaffen zweifellos eine sehr alarmierende internationale Lage. Bei unserem leidenschaftlichen Wunsch, den allgemeinen Frieden nirgends gestört zu sehen, können wir selbstverständlich ebenfalls von Unruhe erfasst werden. Wir haben jedoch keine Veranlassung zu besonderer Sorge um unsere eigenen Interessen, um unsere eigenen Grenzen. Welche Geschäfte die kapitalistischen Staaten untereinander auch eingehen mögen und welche Kombinationen sie sich auch ausdenken, die Aggressoren werden stets neue Beute in den Besitzungen suchen, deren Herren ihre Wankelmütigkeit und ihre Unfähigkeit gezeigt haben, ihre Positionen zu verteidigen. Die jetzigen Aggressoren benötigen angesichts ihrer Schwäche im Innern und ungenügender Ressourcen schnelle militärische Erfolge. Sie benötigen kurze Entfernungen und Territorien, die schwach verteidigt werden. Indem wir eine Friedenspolitik betreiben, die frei von jeglichen Provokationen ist, unsere Verteidigungsfähigkeit unermüdlich festigen, unsere Erfolge auf allen Gebieten des Wirtschaftslebens ausbauen, alle Völker der Sowjetunion immer mehr zusammenschließen, rechtzeitig und entschlossen die sogenannte fünfte Kolonne, d.h. die Spionage- und Diversionsnetze der uns feindlichen Staaten, zerschlagen, werden wir diese Staaten an unsere Fähigkeit, und zwar die starke Fähigkeit zur Ver4 Gemeint ist die Erklärung Litvinovs vom 17.3.1938 gegenüber Vertretern der Auslandspresse im Zusammenhang mit dem Anschluss Österreichs. Vgl. „V Narkomindele“ (Im Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten). In: Izvestija vom 18. März 1938, S. 1.
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teidigung jeden Fußbreits sowjetischen Bodens erinnern und sie damit auf Abstand zu unseren Grenzen halten.5 […] Leningradskaja pravda vom 24. Juni 1938, S. 1–2.
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Nr. 294 Schreiben des Presseattachés der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Smirnov an den Gehilfen des Leiters der 2. Westabteilung im NKID Michel’s Nr. 294 27. 6. 1938 27. 6. 1938 GEHEIM Berlin, 27. Juni 1938 II. Westabteilung im NKID Gen. *MICHEL’S*1 Auf Ihre Bitte nach Mitteilung von Einzelheiten zur Einweihung der Kathedrale in Berlin durch russische Weißgardisten, zur Teilnahme deutscher Amtspersonen an den Feierlichkeiten und zu den Quellen, aus denen der Bau dieser Kirche finanziert wurde, geben am besten die in der in Berlin herausgegebenen weißgardistischen Zeitung „Novoe Slovo [Das Neue Wort]“2 veröffentlichten Artikel Antwort, sowie die Ausschnitte aus der Zeitung „Völkischer Beobachter“, die *die Anwesenheit offizieller deutscher Vertreter bei der Einweihung der Kirche bestätigen*3, darunter auch Vertreter des Außenministeriums4. Dass dort die *alte zarische Flagge*5 wehte, daran besteht keinerlei Zweifel. Dies wird sowohl durch einen Bericht in den „Aktuellen Meldungen“ der „Times“ als auch dadurch bestätigt, dass der Komsomolze K. Bokač, der Sohn unseres Chauffeurs, und V. Gerasimov, der Sohn des Militärattachés, die an diesem Tag mit dem Fahrrad vorbeifuhren, die Einweihungszeremonie der Kirche und die an der Kirche wehende Staatsflagge Deutschlands und die alte russische Trikolore sahen. Der Nachweis ist schwierig, dass Vertreter des Außenministeriums bei der Einweihung anwesend waren, und somit bestehen darüber Zweifel. Das Übrige ist ganz offensichtlich. Ich empfehle Ihnen, neben all diesem, dem Artikel Beachtung zu schenken, der im „Völkischen Beobachter“ am 28. Juni unter dem Titel „Die Russische Emig-
5 Ein ausführlicher Bericht von der Schulenburgs über die Rede Litvinovs und eine ergänzende Aufzeichnung von ihm dazu; vgl. ADAP, Ser. D, Bd. I, Dok. 627, 630. Eine Fassung der Rede in Deutsch erschien unter dem Titel „Die internationale Lage“ in der Deutschen Zentral-Zeitung vom 3. Juli 1938, S. 2. 1 2
Der Name ist mit Bleistift unterstrichen. „Osvjaščenie kafedral’nogo sobora“ (Einweihung der Kathedrale). In: Novoe slovo vom 19. Juni 1938, S. 4. 3 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. 4 „Einweihung der russisch-orthodoxen Kirche in Wilmersdorf“. In: Völkischer Beobachter vom 13. Juni 1938, S. 5. In dem über die Zeremonie publizierten Artikel findet sich keine Erwähnung von Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes. 5 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen.
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27. 6. 1938 Nr. 294 ration am Scheideweg“ von einem E. Dürksen veröffentlicht wurde.6 Der Verfasser dieses Artikels ist allem Anschein nach ein in Berlin gastierender gewisser Solonevič, der in Bulgarien die antisowjetische Zeitung „Golos Rossii [Stimme Russlands]“ herausgibt. In letzter Zeit hat er in deutschen Städten auf Versammlungen russischer Weißgardisten eine Reihe von antisowjetischen Vorträgen gehalten, und mir scheint, dass er der Autor des Artikels ist. In diesem Artikel wird die Notwendigkeit der Vereinigung aller russischen Emigranten zum Kampf gegen die Sowjetunion propagiert und auf die günstigen Bedingungen verwiesen, die dafür in Deutschland herrschen. In dem Artikel ist auch der Aufruf zum Studium bestimmter Fachgebiete enthalten, um nach dem „Sturz“ der Sowjetmacht führende Positionen einzunehmen. Ich denke, dass über die Frage der Vereinigung der russischen weißgardistischen Exilkräfte durch deutsche Regierungskreise ernsthaft nachgedacht werden sollte; zumal dies auf den Seiten der offiziellen deutschen Presse propagiert wird. Was die Vorführung antisowjetischer Filme in letzter Zeit angeht, so habe ich dies nicht bemerkt und nicht gehört. Allerdings sah ich im Dezember [1937], als ich im Harz war, dort ein Plakat für den Film „Shanghai“7 – ein weißgardistischer, antisowjetischer Film. In Berlin wird er nicht gezeigt. Natürlich findet man hier nicht wenig antisowjetisches Material, das in der einen oder anderen Form in der Wochenschau gebracht wird. Auf jeden Fall werden wir uns das in Zukunft genau ansehen. Ich bitte Sie, sich in der Presseabteilung über das Verhalten der deutschen Presse in Bezug auf die sowjetischen Piloten während ihres Aufenthalts in Deutschland bei der FAI-Konferenz zu informieren.8 Mit der nächsten Post sende ich Ihnen eine neue Liste der Mitarbeiter des Außenministeriums. *Übrigens fehlt Sommer, der ehem[alige] Konsul in Leningrad, der in der Presseabteilung für Bearbeitung der UdSSR vorgesehen war, auf der Liste9.*10 Seinerzeit wurde mir nicht empfohlen, mich an ihn zu wenden. Presseattaché der Bevollmächtigten Vertretung Smirnov Vermerk G.I. Vajnštejns mit Bleistift: an Gen. Michel’s 29/VI.38 V[ajnštejn] Anweisung G.I. Vajnštejns mit Bleistift: Gen. Pošemanov vorzutragen GV[ajnštejn] Vermerk von V.A. Michel’s mit blauem Farbstift: Zu den Akten An Gen. Pošemanov geschrieben Michel’s 26/VII. 38. Oben links von der Mitte befindet sich der Stempel der 2. Politischen Westabteilung des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 1561 vom 1.7.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 2 Ex[emplare] Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. zu den Akten. AVP RF, f. 082, op. 21, p. 89, d. 4, l. 193–193R. Original.
6 Dieser Artikel konnte im „Völkischen Beobachter“ weder unter diesem Tag noch unter einem anderen Datum aufgefunden werden. 7 Moskau – Shanghai (Badal-Filmproduktion, 1936), Regie: Paul Wegener; Uraufführung: 8.10.1936. 8 Vgl. Dok. 290, Anm. 1. 9 Rudolf Sommer befand sich seit Ende März 1938 im einstweiligen Ruhestand. 10 Der Text ist mit Bleistift unterstrichen.
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Nr. 295
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Nr. 295 Aufzeichnung des Staatssekretärs im AA Freiherr von Weizsäcker Nr. 295 28. 6. 1938 28. 6. 1938 Berlin, den 28. Juni 1938 Geheim! Der Japanische Militär-Attaché, General Oshima, war heute bei mir zur Erörterung einer Abrede zwischen der deutschen und der japanischen Armeeleitung. Er legte den in der Anlage enthaltenen Vorschlag vor. Das Ergebnis unserer Besprechung war die anliegende als Fassung vom 28. Juni bezeichnete Niederschrift. Wir vereinbarten, dass wir uns zur Festlegung des genauen Textes noch einmal zu treffen hätten, nachdem auch ich mit dem Oberkommando der Wehrmacht Fühlung genommen hätte. Beanstandet habe ich in dem von Oshima vorgeschlagenen Text, dass die Kriegsmarine auf beiden Seiten in die Vereinbarung nicht einbezogen werden soll. Oshima erklärte das mit den besonderen japanischen Zuständigkeitsverhältnissen. Er übernahm es, den japanischen Marine-Attaché1 zur Einholung von Instruktionen aus Tokio aufzufordern, sodass gegebenenfalls eine Parallel-Abrede für die deutsche Marine mit der japanischen Marine stattfinden könnte. Immerhin werden solche Instruktionen nach Vermutung Oshimas etliche Wochen auf sich warten lassen. Um den Weg für die Einbeziehung von Marine-Abreden, für welche wir vielleicht besonderes Interesse haben, offenzuhalten, habe ich dem General Oshima gesagt, vielleicht würden wir Wert darauf legen, die Abrede für die Armee (einschließlich Luft) gleichzeitig mit einer solchen für die Marine zu unterschreiben. Er würde von mir bei unserem nächsten Zusammensein Näheres hören. gez. Weizsäcker Herrn Dg. Pol.2 Herrn Dir. Recht3 Herrn von Heyden-Rynsch (bitte um Rücksprache) Streng geheim!
Vorschlag General Oshima
Nach dem Geist des Antikomintern-Abkommens vom 25. November 19364 haben die Deutsche Wehrmacht (ausschließlich der Kriegsmarine) und die Japanische Armee Folgendes vereinbart: 1. Die Beiden tauschen die eingelaufenen Nachrichten über die russische Armee und Russland aus. 2. Die Beiden wirken bei der Zersetzungsarbeit gegen Russland mit. 1 2 3 4
Hideo Kojima. Otto Fürst von Bismarck. Friedrich Gaus. Deutsch-Japanisches Abkommen gegen die Kommunistische Internationale, 25.11.1936 sowie Geheimes Zusatzabkommen zum Abkommen gegen die Kommunistische Internationale, 25.11.1936. In: ADAP, Ser. C, Bd. VI/1, Dok. 57, 58. Vgl. auch Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 588. S. 1464–1465.
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5. 7. 1938 Nr. 296 3. Die Beiden halten jährlich mindestens einmal eine gemeinsame Beratung ab mit dem Zweck, die Durchführung des obengenannten Nachrichtenaustausches und der Zersetzungsarbeit zu erleichtern sowie den Geist des Zusatzprotokolls des Antikomintern-Abkommens hervorzuheben. Der Zeitpunkt der gemeinsamen Beratung ist im … vorgesehen und deren Ort, Teilnehmer sowie Gegenstände werden vorher zwischen den Beiden vereinbart. PA AA, R 29827, Bl. 46718-46719.
Nr. 296 Aufzeichnung von Unterredungen des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 296 5. 7. 1938 5. 7. 1938 Moskau, den 5. Juli 1938 Aufzeichnung Ich habe heute Herrn Litwinow und Herrn Potemkin vor Antritt meines Urlaubs Abschiedsbesuche gemacht. Herr Litwinow meinte, es werde noch eine ganze Zeit lang dauern, bis der englische Plan zur Liquidierung der spanischen Angelegenheit durchgeführt sei. Nach Zurückziehung der ersten Freiwilligen – vielleicht sogar früher – würde der englisch-italienische Pakt1 in Kraft gesetzt werden. Die Lage in China hielt er für Japan nicht günstig. Es sei den Japanern nicht gelungen, die chinesische Armee zu vernichten. Es würde noch sehr lange dauern, bis der Krieg in China zu einem Ende gelangen würde. Bei Herrn Potemkin habe ich unsere Schmerzenskinder zur Sprache gebracht und zwar: 1.) die vier Verschollenen, Eimecke, Lutzmann, Schlageter und Wieser; 2.) den weit über ein Jahr lang verhafteten Konsulatsangestellten Pausch aus Nowosibirsk. Zu beiden Fällen habe ich Notizen nach Anlage übergeben. Herr Potemkin versprach sich erneut für die Fälle zu interessieren. 3.) Ich habe wiederum an die Freilassung von Herrn und Frau von Nymann erinnert. – Herr Potemkin meine, dass sich in der Sache vielleicht etwas machen ließe, wenn der in Aussicht genommene spanische Austausch gut ablaufe. 4.) Zum spanischen Austausch meinte Herr Potemkin, das Außenkommissariat wisse zum mindesten, wo die noch übrig gebliebenen Komsomol-Leute2 früher im Gefängnis gewesen seien. Herr Michels würde Herrn von Walther entsprechend verständigen. Im Übrigen sei der sowjetische Geschäftsträger in Barcelona3 beauf1 Die Abmachungen von Rom zwischen Großbritannien, Italien und Ägypten vom 16.4.1938 umfassten eine Reihe von Themen (Austausch militärischer Informationen, Abstimmung bezüglich von Gebieten im Mittleren Osten und in Afrika bzw. zum Suez-Kanal, Propagandafragen usw.). 2 Gemeint sind die Besatzungsmitglieder des Dampfers „Komsomol“. 3 Sergej Grigor’evič Marčenko.
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tragt worden, zu versuchen, durch das dortige Rote Kreuz den Aufenthaltsort der Gesuchten festzustellen. Auf meine Frage erklärte Herr Potemkin, die Barcelonaer Machthaber hätten sich mit einem Vorschlag, die noch in Haft befindliche sowjetische Schiffsbesatzung gegen eine entsprechende Zahl in rot-spanischen Händen befindlicher deutscher Zivilgefangener auszutauschen, einverstanden erklärt. Es handelt sich nunmehr lediglich darum, den Austausch wirklich in die Tat umzusetzen.4 gez. Graf von der Schulenburg Auf erstem Blatt oben: Doppel von A 967/38. PA AA, Moskau 239, o. P., 2 Bl.
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Nr. 297 Telegramm des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov an das NKID Nr. 297 6. 7. 1938 6. 7. 1938 Streng geheim Expl. Nr. 6 Nr. 13139 Berlin 6. Juli 1938 Heute war ich mit Astachov bei Ribbentrop und Weizsäcker. Nach allgemeinen Begrüßungsworten interessierte sich Weizsäcker speziell dafür, ob ich irgendwelche konkreten Pläne, Vermutungen bezüglich einer Erweiterung der wirtschaftlichen Annäherung zwischen der UdSSR und Deutschland hätte. Ich antwortete, dass wir keinerlei besondere Gründe hätten, die einer Ausweitung unserer Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland im Wege stünden, und falls die deutschen Industriekreise und das Wirtschaftsministerium auf unsere Bedingungen eingehen würden, die wir in Beantwortung auf das deutsche Kreditangebot unterbreitet hätten1, so wären wir bereit, eine Ausweitung dieser Beziehungen zu unterstützen. In dieser Frage müsse zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Initiative von der deutschen Seite ausgehen, da die letzten von den Deutschen dazu unterbreiteten Vorschläge für uns nicht annehmbar seien.2 Weizsäcker interessierte sich auch dafür, ob die Verhandlungen zu diesem Thema in Moskau geführt würden oder ob ich hier direkt damit befasst sein werde. Darauf antwortete ich, dass an dem gewohnten Verfahren unverändert festgehalten werde, und dass natürlich Entscheidungen zu allgemeinwirtschaftlichen Problemen zwischen den beiden Ländern nicht ohne Beteiligung der Bevollmächtigten Vertretung getroffen würden. Das Gespräch mit Ribbentrop beschränkte sich auf einige allgemeine Sätze und auf Fragen zu meiner 4 Vgl. auch die Aufzeichnung Potemkins über dieses Gespräch in: AVP RF, f. 011, op. 2, p. 20, d. 206, l. 99–100. 1 2
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Vgl. Dok. 215. Vgl. Dok. 261.
8. 7. 1938 Nr. 298 früheren Tätigkeit. Der Protokollchef3 und Weizsäcker versprachen, den Termin für seinen4 Empfang bei Hitler mitzuteilen. Hitler hält sich zurzeit in Bayern auf. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch mir vorgeschlagen wird, nach Berchtesgaden zu fahren. Für diesen Fall wäre Ihre Entscheidung wünschenswert, um bei Bedarf nicht die Antwort hinauszuzögern. Aus dem TASS-Telegramm kennen Sie die von der Presse anlässlich des Jahrestages der Ermordung Mirbachs5 geführte Kampagne. Ich hielte es für angebracht, in diesem Zusammenhang über Astachov die Deutschen auf die Unzulässigkeit der gegen die sowjetische Regierung gerichteten Verleumdung hinzuweisen. Falls Sie aber der Auffassung sind, dass es unpassend wäre, dies in Berlin zu tun, da ich noch nicht das Beglaubigungsschreiben überreicht habe6, wäre es vielleicht besser, dass Sie das in Moskau tun. Telegrafieren Sie. 6.VII.38 Bevollmächtigter Vertreter Veröffentlicht in: SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 103, S. 165.
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Nr. 298 Rundschreiben des Geschäftsführers des Russland-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft Tschunke Nr. 298 8. 7. 1938 8. 7. 1938 Berlin, den 8. Juli 1938 Tgb.-Nr. 1710/R An die 1.) Mitglieder des R.-A., 2.) Geschäftsführungen der Spitzenorganisationen, 3.) Wirtschaftsgruppen der Reichsgruppe Industrie, 4.) Industrieabteilungen der Wirtschaftskammern, 5.) an sämtliche Industrie- und Handelskammern, 6.) Außenhandelsstellen, 7.) an den Bund der österreichischen Industriellen. Betr.: Gegenwärtiger Stand des Russlandgeschäfts Die deutsch-sowjetischen Handelsumsätze haben sich in der ersten Hälfte des laufenden Jahres wenig befriedigend gestaltet. Aus Gründen, die auf der Sowjetseite gelegen haben, konnte das Abkommen über den Waren- und Zahlungsverkehr im Jahre 1938 erst am 1. März d. J. abgeschlossen werden1, d. h. zu einem Zeitpunkt, 3 4 5
Alexander Freiherr von Dörnberg. So im Dokument; richtig: meinen. Der Botschafter Deutschlands in Sowjetrussland Graf Mirbach wurde am 6.7.1918 im Gebäude der Botschaft von Mitgliedern der Partei der linken Sozialrevolutionäre ermordet. 6 Merekalov überreichte am 13.7.1938 Hitler das Beglaubigungsschreiben. Vgl. Dok. 301. 1
Vgl. Dok. 207, Anm. 16.
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Nr. 298
8. 7. 1938
zu dem die sowjetischen Ausfuhrorgane bereits über einen großen Teil der Ausfuhrbestände für das laufende Jahr verfügt haben mussten. Hierauf dürfte es zum Teil zurückzuführen sein, dass die sowjetischen Warenverkäufe nach Deutschland auf verschiedenen Warengebieten geringer als im Vorjahre und teilweise einseitig orientiert gewesen sind. In der Zeit vom 1.1.1938 bis 30.6.1938 sind Verkäufe nach Deutschland in Höhe von ca. 35 Mill. RM erfolgt, hauptsächlich Sperr- und Schnittholz (ca. 18 Mill. RM), ferner Erze, Rauchwaren, Tabak, Apatitkonzentrate, Kola-Phosphate usw. Die sowjetische Ausfuhr nach Deutschland wurde aber vor allem durch den starken Rückgang der sowjetischen Aufträge in Deutschland gehemmt. Da die Erlöse für die sowjetischen Waren nur für Zahlungen in Deutschland für Waren und Dienstleistungen verwendet werden können, hat die sowjetische Außenhandelsleitung ein Interesse an den Verkäufen nach Deutschland nur soweit die Erlöse für Zahlungen in Deutschland benötigt werden. Im ersten Halbjahr 1938 sind Aufträge an die deutsche Industrie in Höhe von nur 7 ½ bis 8 Mill. RM erteilt worden. Die wichtigste Ursache der beschränkten Auftragserteilung liegt in den außerordentlich langen Lieferfristen, die gegenwärtig von der deutschen Industrie gerade bei den Waren genannt werden, die von sowjetischen Stellen in erster Linie gefragt werden. Auch in England sind seit längerer Zeit die Lieferfristen sehr ausgedehnt, aber die geringe Beschäftigung der Industrie in USA ermöglicht den dortigen Firmen, mit verhältnismäßig sehr kurzen Lieferfristen zu liefern, was die Verlegung zahlreicher sowjetischer Aufträge nach Amerika zur Folge hat. Es besteht aber kein Anlass, auch die Zukunftsaussichten des deutschen Russlandgeschäfts pessimistisch zu beurteilen. Die UdSSR hat nach wie vor großen Einfuhrbedarf an hochwertigen Maschinen, elektrotechnischen, optischen, feinmechanischen und chemischen Erzeugnissen, die von der einheimischen Industrie nicht oder nicht in ausreichenden Mengen hergestellt werden können. Namentlich für die deutschen Maschinen und Ausrüstungen besteht auch gegenwärtig großes Interesse, was u. a. die in letzter Zeit zu beobachtende intensive Anfragetätigkeit der sowjetischen Einkaufsorgane in Deutschland erkennen lässt, die sich auf folgende Erzeugnisse erstreckt: Werkzeugmaschinen Druckluft-, Maschinen-, Werkzeuge- und Pumpen Nähmaschinenteile Prüfmaschinen Zigarettenmaschinen Turbinen- und Kesselanlagen Anlagen für die chemische Industrie Walzwerkanlagen Elektrische Öfen für verschiedene Zwecke Elektrische Antriebe Elektrische Messgeräte Transformatoren Schaltanlagen Elektrolytische Anlagen
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8. 7. 1938 Nr. 298 Feinmechanische und optische Geräte (Augen- und Feinoptik, Fototechnik, Feinmechanik und Messtechnik) Chemikalien und Farben Automobile. Bemerkenswert ist ferner die Tatsache, dass der Ende Juni in Deutschland eingetroffene neue Botschafter der UdSSR A. Merekalow bisher Stellvertreter des Außenhandelskommissars und Leiter der Exportabteilung des Außenhandelskommissariats gewesen ist. Seine Ernennung zum Botschafter in Deutschland dürfte darauf hinweisen, dass für die Frage der Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland und der UdSSR nach wie vor großes Interesse besteht. Im Hinblick auf unsere Rohstoffversorgung ist der weitestmögliche Ausbau der Ausfuhr auch nach der UdSSR dringend erforderlich. Die Bedeutung, die dem Liefergeschäft nach der UdSSR beigemessen wird, ist u. a. daraus zu ersehen, dass erst kürzlich die Ausfallbürgschaft auch bei Lieferungen nach der UdSSR mit Barzahlung eingeführt worden ist, um auch denjenigen Firmen, die das Risiko des Russlandgeschäfts angesichts der bekannten Vorgänge in der UdSSR höher als bisher einschätzen, die weitere Beteiligung am Russlandgeschäft zu ermöglichen. Die Schwierigkeiten, mit denen das Liefergeschäft nach der UdSSR verbunden ist, und die oft berechtigte Verärgerung der deutschen Lieferfirmen über die kleinliche Handhabung der Vertragsbestimmungen durch die sowjetischen Bestellorgane dürfen nicht dazu führen, dass wir den russischen Markt unseren Konkurrenzländern überlassen, von denen England und USA sich neuerdings besonders um den Absatz nach der UdSSR bemühen, obwohl das Liefergeschäft nach der UdSSR für diese Länder mit den gleichen oder noch größeren Schwierigkeiten als für Deutschland verbunden ist. Im Interesse unserer Gesamtwirtschaft halten wir es daher für notwendig, keine Absatzmöglichkeit nach der UdSSR ungenutzt zu lassen. Den Schwierigkeiten des Russlandgeschäfts muss nicht durch Verzicht darauf aus dem Wege gegangen werden, sondern durch besonders vorsichtige Gestaltung der Vertragsbestimmungen und insbesondere durch genaue Beachtung der Allgemeinen Lieferbedingungen. Wir verweisen dieserhalb auf unser Rundschreiben vom 1.6.1938 (Tgb.-Nr. 1450/R) und stehen unseren Mitgliedsfirmen für Auskunft und Rat jederzeit gern zur Verfügung. Heil Hitler! Russland-Ausschuss der deutschen Wirtschafts Der Geschäftsführer Tschunke Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben Datum: 11.7.38 und F 7003 Ru – 3 V sowie verschiedene Paraphen. Auf Kopfbogen des Russland-Ausschusses geschrieben. BArch, R 2/16467, o. P., 3 Bl.
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Nr. 299
11. 7. 1938 Nr. 299 Bericht des Militärattachés in Moskau Köstring
Nr. 299 11. 7. 1938 11. 7. 1938 Moskau, den 11.7.38 Nicht in der Presse verwerten Anlage 1 zum Bericht Nr. 22/38 geh.1 Betr.:
Reise durch Kama-Wolga-Gebiet Sommer 19382 Karte 1 : 1.050.000
Zweck, Reiseweg Zur Einsichtnahme in Gegenden, die bisher von militärischen Reisenden selten berührt wurden, habe ich, in Verbindung mit einer Schiffsreise die Kama-Wolga abwärts, eine Fahrt mit Kraftwagen von Stalingrad (Zarizyn) nach Moskau unternommen. Der Reiseweg führte mit Bahn von Moskau nach Perm. Von dort ab mit Flussdampfer die Kama und Wolga abwärts bis Astrachan. Zurück mit Schiff bis Stalingrad, weiter mit Kraftwagen über Michailowka – Borisoglebsk – Uwarowo – Tambow – Mitschurinsk (Koslow) – Rjasan – Kolomna – Moskau. Um bei dieser Gelegenheit auch andere Gegenden zu erkunden, war mein Hilfsoffizier3 mit Wagen über Tula – Jelez – Woronesh – Kalatsch – Stalingrad gefahren. Beschreibung der Wege siehe Anlage 2. Es sind insgesamt zurückgelegt mit Eisenbahn 1 800 km Dampfer 4 600 km Kraftwagen 2 600 km, davon 700 km auf Chausseen, der Rest auf Landwegen. Zusammen rd. 9 000 km. Reine Fahrtdauer 19 Tage. Ich darf auf meinen Reisebericht 1937 Bezug nehmen (Anl. 1 Bericht 26/37 v. 2.7.38 [sic]). Wenn auch die militärischen Feststellungen bei den hiesigen Verhältnissen und da nur Gebiete berührt wurden, die weit von der Westgrenze militärisch schwach belegt sind, wenig ergiebig sein konnten, so halte ich die Reisen doch für dringend erforderlich. Mit landeskundigen Augen gesehen, können nur persönliche Fahrten eine Beurteilung der Verhältnisse ermöglichen, einen für die Entwicklung des Landes geeigneten Eindruck vermitteln. Besonders da, nach Auflösung der Konsulate und Verschwinden aller Deutschen in der Union, fast jede Nachrichtengewinnung im Lande fehlt. Festlegung des Geschehenen, auch Unbedeutenden, scheint erforderlich, um Vergleichsmöglichkeiten für spätere Reisen zu haben. Es kann in der Zukunft militärisch von Nutzen sein. Die Reichweite der Luftwaffe wächst täglich.
1 Die Berichte des Militärattachés aus Moskau sind ab Februar 1936 nur noch bruchstückhaft überliefert. Dieser Bericht konnte nicht ermittelt werden. 2 Köstring kam am 24.6.1938 von der Reise zurück und kündigte Kurt von Tippelskirch diesen Bericht in seinem Brief vom 25.6.1938 an. Darin heißt es u.a. „Sensationelle Nachrichten kann ich nicht bringen, es erwies sich aber aufs Neue, dass ein persönlicher Blick in das Innere des Landes einem mehr gibt als alle Zeitungs- und diplomatischen Nachrichten. […] Militärisch waren wenig Beobachtungen zu machen – in den Gegenden tiefer Frieden.“ In: General Ernst Köstring, S. 200. 3 Wladimir Schubuth.
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11. 7. 1938 Nr. 299 Überwachung, Bespitzelung Es entspricht der seit 1 ½ Jahren tobenden Spionenfurcht und Schädlingssuche, wenn meine Überwachung, d. h. der offizielle „Schutzdienst“ besonders zahlreich und aufdringlich war. Ab Gorki (Nishni-Nowgorod) hatte ich auf dem Schiff 2–4 „Beamte“. Zahl anscheinend je auch der Bedeutung der einzelnen durchfahrenen Gebiete wechselnd, um schließlich in Rjasan mit 6 (!) von der Sorte in 3 Autos zu landen. Auf den breiten Steppenwegen fuhr sogar ein Auto meist neben mir, auf dem Schiff befand sich ein Vertreter dauernd in nächster Nähe. Zahlreich waren die Versuche von Mitreisenden bei der langen gemeinsamen Flussfahrt in ein Gespräch mit mir zu kommen. Besonderes Interesse erweckten bei ihnen die Photoapparate und das Fernglas. Nach kurzer Zeit mieden mich alle bei der Begegnung – die GPU hatte ihre aufklärende Tätigkeit eingesetzt. Dass bei der Wagenfahrt die nach dem Wege im Vorbeifahren kurz befragten Einwohner sofort durch meine „Begleiter“ verhört wurden, ist eine bekannte Erscheinung. Wenn Brücken über die Wolga-Kama in Sicht kamen, mussten alle Reisenden, auch höhere Offiziere, unter Deck verschwinden. Schifffahrt. Wenn diese Belästigung nicht gewesen wäre, könnte die 14-tägige Dampferfahrt durch die Urwälder der Kama und auf der Wolga ab Stalingrad als interessant bezeichnet werden. Von diesem Ort ab ergießt sich der Strom aus dem Hügelland in die Steppen in einer Mächtigkeit, die mit dem Yangtse vergleichbar ist. Wie eine Fata Morgana tauchten Tempel indischer Bauart am Ufer auf, die hier lebenden Baschkiren und Kalmücken sind Buddhisten. Noch schwerer zu ertragen war das dauernde Krächzen des Radios. Aus allen Gegenden des Reiches vermittelte es stundenlang die Wahlreden, sämtlich fast gleichen Inhalts: Nach Versicherung, dass das jetzige Leben glücklich und schön wäre, nur müsste der Rest der trotzkistisch-faschistischen Spione und Schädlinge vernichtet werden, wurde der Block der Kommunisten und Parteilosen empfohlen, des „Vaters und Führers der Völker“ mit Hurras und der Internationale gedacht. Das einige hundert Mal hören zu müssen, kostete Nerven. Scheinbar auch dem mitreisenden „Volk“ – so waren etwa 500 Zwischendeckpassagiere an Bord, dauernd wechselnd. Denn ich habe nirgends eine zahlreiche Gruppe von Zuhörern gesehen. Auch sonst nichts von einer „Wahlbegeisterung“, trotzdem Städte, Landestellen, Schiffe von Spruchbändern mit Schlagworten bedeckt waren. Meistens in den Sprachen der Nationalitäten der Uferbewohner. In Marxstadt, der ehemaligen deutschen Kolonie Jekaterinenstadt, berührten bolschewistische Losungen in Deutsch eigenartig. Die benutzten und zahlreich beobachteten Flussdampfer mit geringem Tiefgang waren fast durchweg älterer Bauart. Sauber, ziemlich pünktlich den Fahrplan einhaltend. Sie sollen 1940 durch größere, moderne Dampfer ersetzt werden, die sogar ein Schwimmbassin an Deck haben. Verpflegung sehr reichlich, aber schlecht. Bezeichnend für die sowjetische Planwirtschaft war, dass bei der ganzen Fahrt auf den fischreichsten Flüssen der Welt nie frischer Fisch zu haben war. Selbst in Astrachan, das einst ganz Russland mit Fisch versorgte, konnte ich auf den Märkten nur Heringe entdecken, dafür aber einige neue, sehr große Fischkonservenfabriken. Die Fahrrinne ziemlich begrenzt. Nächte durch Petroleumlampen
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(!) gekennzeichnet, die auf primitiven Kojen schwammen – hier konnte das Heer der zur Bedienung erforderlichen Flusswächter noch nicht durch die angebliche Elektrifizierung des ganzen Landes ersetzt werden. Auch die Dörfer waren dunkel, während Städte und meist auch die Anlegestationen elektrische Beleuchtung hatten. Die bei allen größeren Orten befindlichen Landestellen für Postdampfer – etwa eine auf jede 100–200 km, auch die in großen Städten – bestanden aus mehrstöckigen Holzkähnen, die in den waldreichen Oberläufen der Flüsse hergestellt werden. Sie enthielten Warte- und Lagerräume, einschließlich des auch auf allen Bahnhöfen vorhandenen „Zimmer für Mutter und Kind“, öfters auch Kinderheime. Diese Art der Landestellen, die in den beleuchteten Städten durch stationäre größere Verkehrseinrichtungen ergänzt werden, sind bedingt durch den geringen Tiefgang der Flüsse und ihre stark wechselnde Höhe des Wasserstandes vom Frühjahrshochwasser bis zum tiefsten Stand im Herbst. Der Tiefstand geht so weit, dass oberhalb Gorki im Laufe des Sommers die Schifffahrt oft eingestellt wird. Gemauerte oder mit Holzbekleidung versehene Kaie waren nur in einigen größeren Umschlaghäfen wie Gorki, Stalingrad, Astrachan vorhanden, sie waren nur einige hundert Meter lang. Ausstattung mit Ladevorrichtungen, Ladekränen äußerst primitiv, von letzteren waren in Stalingrad 4, in Astrachan die größte Zahl – 8 – vorhanden. Z. B. in Perwo-Maisk bei Sysran erfolgte die Verladung der Asphaltblöcke aus der sehr großen Fabrik durch Handkarren! Der Güterverkehr mit den typischen großen Barken und Holzflößerei stromabwärts, beiden mit Schleppdampfern, war sehr rege. Erfahrungen mit Kraftwagen und Straßen. Nach der Überholung meines Kraftwagens in Deutschland, besonders nach Verstärkung der Federn, sind größere Mängel nicht mehr hervorgetreten. Der größte Teil der mit Wagen zurückgelegten Strecke ging in Steppen- oder Schwarzmeergebiet über sogenannte „[Greterwege]“ (siehe Bericht 1937 Anl. 1). Bei Trockenheit waren sie mit jeder Geschwindigkeit befahrbar, nach Regen lagen Personenkraftwagen (darunter der neue M 1 der sowjetischen Massenfabrikation) und Lastkraftwagen hoffnungslos fest. Nur der jetzt in die Provinz verbannte frühere leichte Serienwagen (Ford, GAS) konnte folgen, die anderen warteten, bis die Straße trocknete, was allerdings im Sommer in wenigen Stunden erfolgt. In Ergänzung meiner vorjährigen Beurteilung, muss ich auch für diese Gegend auf die Schwierigkeit eines Verkehrs motorisierter Truppen, die den geschilderten Möglichkeiten in der Ukraine etwa entspricht, hinweisen. Bei trockenem Wetter ist dieses Steppen- und Schwarzerdegebiet für alle motorisierten Teile überall gangbar. Bei nassem Wetter, besonders Herbst und Frühjahr, ist der Verkehr mit Personen-. Lastkraftwagen und Motorrädern zu mindesten sehr schwierig, wenn nicht überhaupt in Frage gestellt. Allgemeine Beobachtungen. Militärisches Die militärisch wichtigeren Beobachtungen sind in Anlage I zusammengefügt, sie konnten nur allgemeiner Art sein. Eines konnte ich feststellen: dass an keiner Stelle irgendein Anzeichen für militärische Maßnahmen, die über das Übliche hinausgingen, zu beobachten war. Es ist berücksichtigt, dass um diese Zeit sich alle Truppenteile auf den Übungsplätzen, den „Lagern“, befinden, nur kleine Teile zu-
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11. 7. 1938 Nr. 299 rückbleiben. Aber auch dann müssten, bei besonderen Maßnahmen, irgendwelche Vorbereitungen in den durchfahrenen Garnisonsstädten zu beobachten sein. Übungsplätze selbst konnten nur 2 von kleinen Ausmaßen beobachtet werden. Auffallend war die geringe Anzahl der in der Luft beobachteten Fahrzeuge. Ich meldete schon die Gerüchte aus japanischer Quelle, dass in den Wolgagegenden (Kuibyschew (?)) sich große Niederlagen der Armee befinden sollen. Sie müssten doch in Höhe der wenigen Bahnen liegen, selbst bei geschickter Tarnung in den Steppen etwas zu merken sein. Ich konnte nur einen, nach der Größe wohl eins der Hauptdepots, für die Neuversorgung der Armee an der Kama erkennen, sowie eine große Niederlage bei Sarepta, die militärischen Zwecken dienen kann. Dagegen sind an den Haltestellen der Bahn Stalingrad – Foworino – Grjasi eine größere Anzahl sehr umfangreicher neuer staatlicher Kornspeicher (Elevatoren) errichtet. Diese staatlichen Kornspeicher mögen mit den großen Erträgen des fruchtbaren Schwarzerdegebiets zusammenhängen. Nur musste auffallen, dass ich in der reichen Ukraine keine annähernd so große Anzahl und von diesen Ausmaßen beobachtet habe. In Weißrussland gibt es sie kaum. Die Ernte 1937 und 1938. Der Ausfall der Ernte ist immer noch das ausschlaggebendste Moment für das wirtschaftliche Ergehen der Sowjet-Union. Auch bei der kollektivierten Landwirtschaft. Trotz der hohen Abgaben und sonstigen Leistungen (Traktorstationen, Betriebskosten u.a.) bleibt dann bei guter Ernte oft noch ein zur Verteilung kommender Rest übrig. Dass die Ernte von 1937 sehr gut war, ist nicht nur durch die Statistiken der Regierung bestätigt. Das Anstehen an den Brotläden ist restlos fortgefallen, im Gegensatz zu den vorjährigen Erfahrungen. Brot war überall in beliebigen Mengen käuflich. Die Ernte 1938 verspricht wieder eine gute zu werden. Persönliche Feststellung in den durchreisten Gebieten, Berichte von einwandfreien Zeugen aus Westsibirien, Ukraine, Nordkaukasus. Besonders gut soll das Wintergetreide stehen, während die Sommerfrucht unter dem zu spät einsetzenden Regen teilweise gelitten hat. Textil- und Warenhunger Die Front der „Anstehenden“ ist von den Bäckereien an die Läden mit Gebrauchsgegenständen und besonders an die Textilläden verlegt (bekanntlich ist die erste Frage den im Himmel erscheinenden Sowjetbürgers: „Wo steht man hier an?“!). Ich konnte in großen Städten „Anstehende“ beobachten, die die Nacht durch die Läden belagerten. Ob die Angabe richtig ist, die mir von städtischen Arbeitern gesagt wurde, dass der Mangel an Gebrauchsgegenständen besonders groß ist, weil der Kolchosbauer durch die gute Ernte hohen Naturallohn erhalten hat, kann ich für weitere Gegenden nicht nachprüfen. M.E. ist der Mangel bedingt durch fehlende Produktion, vor allem durch die schlechte Organisation der Verteilung bei den Zentralstellen. Über den Mangel an Stoffen darf auch nicht das im Sommer in den Städten – besonders den industriellen – äußerlich oft ganz ansprechende Bild der in Sommerfähnchen gekleideten Frauen und der Männer in weißen Blusen hinwegtäuschen. Der Eindruck in den Dörfern, die Lumpenbekleidung der Hafenarbeiter und die Schuhe aller beweisen anderes.
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Ein Kalmücke, „Direktor“ einer Viehfarm, einige hundert km hinter Astrachan, fasste, nachdem er durch mein Fernglas gesehen hatte, Zutrauen. Als ich ihm dieses, mit dem er seine Herden aus seiner Jurte behauptete beaufsichtigen zu können, nicht verkaufen wollte, blinzelten die Mongolenäuglein mich an: „Hast Du Textil? Brot habe ich, dass ich nicht weiß, wohin damit – kein Textil.“ Bezeichnend. Leider war der sympathische Bursche nach ein paar Stunden wohl auch über mich aufgeklärt und flüchtete. Städte. Dörfer. Trotz der Verschiedenartigkeit der durchfahrenen Gegenden, von dem durch Waldreichtum und Kornbau schon früher wohlhabenderen Gebieten des Kamaund Wolgabassins, den Schwarzerdedistrikts und den Steppen der Astrachaner Niederung, lässt sich das Urteil doch dahin zusammenfassen: Die kleineren Städte, besonders ohne Industrie, vegetieren dahin. Mit ihren zerschundenen Kirchen, vielen verwahrlosten Häusern, als einzigen Schmuck der Platz mit künstlerischen Anpflanzungen an dem üblichen Lenin in Bronzeimitation auf dem Hauptplatz, machen sie meist einen trostlosen Eindruck. Auch bei größeren Städten – ohne nennenswerte Industrie – hat man den gleichen Eindruck, dass hier höhere Stellen nicht helfend eingreifen. Von Kasan sagte ein mich begleitender „Prominenter“: „Dieser Stadt muss man sich schämen!“ In Tambow (100 000 Einwohner) war es selbst der GPU nicht möglich, uns auch im Massenquartier eine Unterkunft zu besorgen. Die größeren Städte mit Industrie kann man im Allgemeinen auf folgenden Nenner bringen: Einige „Prunkstraßen“, Asphalt, leidlich erhaltene ältere Gebäude, dazwischen oder an der Peripherie neue vielstöckige Mietskasernen, die in den letzten Jahren geschmackvoller geworden sind, auch von soliderer Bauart, z.B. Gorki, Kuibyschew (Samara), Saratow, das sonst sehr rückständige Astrachan, Rjasan (alter Sitz gewesenen reichen Adels), Kolomna. Letztere ist wohl als bedeutende Industriestadt in der Nähe Moskaus für ausländische Besucher besonders zurechtgemacht. Vor allem aber Stalingrad. Ich sehe ab von dem Museum, das allein dem Zweck dient, Stalin als den größten Strategen des Bürgerkrieges zu schildern. Die Stadt könnte man als Beweis der Flucht der Industrie an die Wolga anführen, durch ihre neuen großen Fabrikanlagen und recht ordentlichen Aufbau. Die neuentstandene Fabrikstadt um das Traktorwerk, mit Arbeiterkasernen und Einzelhäusern im Grünen, könnte auch westeuropäischen Ansprüchen genügen. Die Länge der Stadt wird mit 60 km offiziell angegeben. Ist Bluff. Es ist eine Ufersiedlung, mit Dörfern und Feldern dazwischen, an breitester Stelle 7 km, die sich dann allerdings auf etwa die angegebene Länge an der Wolga erstreckt. Die schützende Hand ihres Namenpatrons ruht sichtbar über ihr. Zusammenfassend: An vielen Stellen ist der Beginn eines neuzeitlichen Städtebaus bemerkbar. Die Parteipaläste sind nirgends vergessen. Aber es wird noch Jahrzehnte dauern, bis die Masse der Städter der Segnungen einer abgeschlossenen Wohnung teilhaftig wird. Hoffen wir in ihrem Interesse, dass die baufälligen kleinen Holzhäuser aus alter Zeit so lange vorhalten. An Massenquartiere ist das Volk vom Dorfe her gewöhnt. Von den Dörfern kann ich im Großen mein vorjähriges Urteil wiederholen: Seit 1914 ist kein Nagel mehr eingeschlagen. Bis auf einige bessere Dörfer von früher her in der fruchtbaren Schwarzerde der Woronesher, Tambo-
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11. 7. 1938 Nr. 299 wer Rayons, und solche, die in der Nähe von Industriestädten liegen, und den soliden Holzbauten einiger Gegenden der Kama, war die Masse nur als elend und arm zu bezeichnen. Hier werden noch viele Jahrzehnte keinen Wandel schaffen können. Wiederum fiel die geringe Zahl der jungen männlichen Arbeiter auf, eine Folge der Abwanderung in die Städte, besonders nach schlechten Ernten. Ebenso die vielen leer stehenden Höfe. Bevölkerung. Von den finnisch-ugrischen Völkern, Tschuwaschen, Mordwinen des Nordens, über die Tataren, Großrussen, Deutschen und den mongolischen Baschkiren, Kalmücken, Zigeunern, der unteren Wolga flutete auf den Landestellen eine Völkerkarte der Tausende von Verkehrsreisenden in und aus dem Dampfer. Sie waren vielfach für die Reise in ihrer besseren Kleidung, also der staatlich gelieferten. Das machte das graue Bild nicht armselig. Der durch das System allen aber aufgedrückte Stempel der proletarischen Gleichmäßigkeit doch recht hässlich. Rein äußerlich gesehen könnte der unkundige Reisende auf eine einheitliche Bevölkerung schließen. Die propagierten alten Nationalkostüme sind doch nur in Zeitungen und im Theater zu sehen. Anfänge sonst in manchem: eine Reihe von Erholungsheimen an den Ufern, Dampfer mit Touristen, an einigen sah ich ein Schild Moskau-Astrachan. Einzelne gemeinsame Ausflüge auf Dampfern von Eisenbahnern, Fabriken. (Die Hauptreisezeit soll noch kommen). Die Kinderheime erwähnte ich schon. Es wird auch hier noch lange dauern, bis nicht nur eine Oberschicht der Führenden und industriellen Arbeiter dieser versprochenen Wohltaten teilhaftig wird. Die Stimmung ist, da jedes längere Gespräch unmöglich war, nicht leicht zu beurteilen. In der 1. und 2. Klasse des Dampfers als Vergnügungsreisende Fahrende sind „Prominenz“, also meistens zufrieden und besonders vorsichtig in ihren Äußerungen. Die Terrorwelle hat die untere Masse, die Zwischendeckler, weniger berührt. Dass auch hier die Angst, sich zu kompromittieren, das Misstrauen gegeneinander herrschte, vor allem gegen den Fremden, war klar erkennbar. Von allen Nachrichten abgeschnitten, ohne jede Vergleichsmöglichkeiten, trat oft ein an Überheblichkeit grenzendes Selbstbewusstsein über „unsere Erfolge“ zu Tage. Brot, eine Gurke und gar gezuckerter Tee, wie in der Schiffskantine zu haben, machen die Masse dieser primitiven Leute schon zufrieden. Gelingt so den Regierenden, ihr und besonders dem flachen Lande bei einigen guten Ernten dieses zu geben, dann noch das „Textil“ und ein Kochtopf, so brauchte sie 100 Millionen Menschen vorläufig nicht zu fürchten. Bis auch von diesen einst das Ideal der kulturellen Bedürfnisse nicht mehr in einem Grammophon gesehen werden wird. Wenn aber die Machthaber eine politische Gegnerschaft in den gehobeneren Schichten glauben feststellen zu können, so werden sie auch in Zukunft vor Anwendung der erprobten Terrormaßnahmen nicht zurückschrecken. Anlage 1 : Militärische Beobachtungen [Anlage] 2:4 Straßen, Eisenbahnen, Wasserwege gez. Köstring 4
Die Anlagen sind in der Akte nicht vorhanden.
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Auf erstem Blatt oben: von H. G.Lt. Köstring zur Verfügung gestellt. Z.d.A vT[ippelskirch] 13/7 und Geheim. Auf letztem Blatt unten: Verteiler: RKM 4, RLM 5, Ausw. Amt 1. PA AA, Moskau 188, o. P., 12 Bl.
Nr. 300 Aufzeichnungen von Unterredungen des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov und des Rates der Bevollmächtigten Vertretung Astachov im AA Nr. 300 11. 7. 1938 11. 7. 1938 GEHEIM Expl. Nr. 11 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 165/s1 Berlin, 11. Juli 1938 TAGEBUCH G. ASTACHOVS 6. VII. Der Bevollmächtigte Vertreter2 und ich waren im Auswärtigen Amt bei Weizsäcker und Ribbentrop. Als wir um 12.10 Uhr im AA ankamen, wurden wir von dem kommissarischen Direktor des Protokolls Boltze empfangen, der uns zu Weizsäcker führte. Nach einigen allgemeinen Floskeln fragt W[eizsäcker], ob der Bevollmächtigte Vertreter spezielle Vorhaben, Pläne und konkrete Entwürfe für eine Ausweitung der Handelsbeziehungen zwischen der UdSSR und Deutschland hätte. In seiner Antwort führt Gen. Merekalov aus, da sich die bekannten, **von den Deutschen**3 unterbreiteten Kreditvorschläge für die sowjetische Regierung als unannehmbar4 erwiesen hätten, läge die Initiative in dieser Frage bei der deutschen Seite. Er meine, dass keine besonderen Motive vorlägen, die einer Ausweitung unserer Wirtschaftsbeziehungen im Wege stehen könnten. Falls deutsche Industriekreise und das Wirtschaftsministerium annehmbare Vorschläge unterbreiten würden, so wäre er bereit, eine Ausweitung der Wirtschaftsbeziehungen zu unterstützen. Weizsäcker antwortete, dass er mit Genugtuung die Bereitschaft des Bevollmächtigten Vertreters vernehme, an der Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen mitzuwirken und fragte, ob in Zukunft die Gespräche zu diesem Thema in Moskau geführt würden oder der Bevollmächtigte Vertreter in Berlin mit diesen Angelegenheiten befasst sein werde. Der Bevollmächtigte Vertreter antwortete, dass die übliche Verfahrensweise unverändert bestehen bleibe, die unmittelbar operativen Fragen würden zudem von der Handelsvertretung entschieden. Selbstverständlich könne aber die Lösung allgemein-ökonomischer Probleme zwischen beiden Staaten nicht ohne Beteiligung der Bevollmächtigten Vertretung vorgenommen werden. Der Bevollmächtigte Vertreter fragte seinerseits, ob das Auswärtige Amt über die Kre1 2 3 4
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Aleksej Fedorovič Merekalov. Der Text ist mit Tinte korrigiert; ursprünglich: über die Deutsche Botschaft in Moskau. Vgl. Dok. 261.
11. 7. 1938 Nr. 300 ditgespräche, die **in Berlin**5 geführt worden seien, im Bilde sei. Darauf antwortete W., dass er persönlich darüber nicht informiert sei, weil er sich nicht mit Wirtschaftsfragen befasse, die Beamten der Wirtschaftsabteilung des Auswärtigen Amtes wären zweifellos darüber informiert worden. Sodann fragte er, wann die Audienz bei Hitler vorgesehen sei. Darauf antwortete ich, dass wir gerade dies im Auswärtigen Amt zu erfahren hofften, zumal eine ungefähre Terminvereinbarung zwischen der Bevollmächtigten Vertretung und dem Auswärtigen Amt bereits früher, noch vor der Ankunft des Bevollmächtigten Vertreters erzielt worden sei.6 W. beeilte sich zu versichern, dass er keine Zweifel habe, dass die Audienz bald stattfinden und er selbst alles in dieser Hinsicht klären werde. Er betonte, dass sich Hitler noch in Berchtesgaden befinde. Zum Abschluss hieß W. den Bevollmächtigten Vertreter nochmals willkommen und unterstrich, dass die deutsche Regierung insbesondere davon angetan sei, dass sie in seiner Person, neben anderen Dingen, auf einen großen Kenner der Wirtschaftsfragen treffe. W. begleitete uns in das Dienstzimmer von Ribbentrop. Die Fragen R[ibbentrops] waren höchst primitiver Natur: wo habe der Bevollmächtigte Vertreter früher gearbeitet, stand er im diplomatischen Dienst und war er überhaupt im Ausland. Als er hört, dass der Bevollmächtigte Vertreter der Stellvertreter des Volkskommissars für Außenhandel gewesen sei, fragt er anscheinend verständnislos, was dies bedeute. Er hört sich eine knappe Darlegung zum Wesen des Außenhandelsmonopols an und was diesem Posten entspricht. Er fragt, ob der Bevollmächtigte Vertreter mit Schulenburg bekannt sei, und als er eine bejahende Antwort erhält, wirft er die Bemerkung ein: „Schulenburg ist bereits vier Jahre in Moskau, es scheint, dass er einer unserer dienstältesten Diplomaten ist.“ Auf meinen Hinweis, dass Schulenburg vor dem Krieg in Russland gewesen sei7, bemerkte er: „Ach so, das habe ich nicht gewusst.“ Er fragt, wann der Bevollmächtigte Vertreter dem Führer vorgestellt werde. Wir antworten das gleiche, was wir Weizsäcker dazu gesagt hatten. Bei der Verabschiedung gibt er dem Bevollmächtigten Vertreter recht demonstrativ die Hand und begleitet uns bis zur Tür des Dienstzimmers. 7. VII. Anstelle von Gegenbesuchen schickten R. und W. [Visiten]Karten. Boltze teilt mir telefonisch mit, dass die Audienz beim Führer für den 13. Juli in Berchtesgaden anberaumt ist, weil dieser nicht beabsichtige, in nächster Zeit nach Berlin zurückzukehren. Am selben Tage werde der ägyptische Gesandte8 das Beglaubigungsschreiben überreichen. Falls wir nichts dagegen einzuwenden hätten, bitte Boltze darum, ihm die Namen der Angehörigen der Bevollmächtigten Vertretung mitzuteilen, die mit dem Bevollmächtigten Vertreter mitreisen werden, damit er die Abfahrt aus Berlin am 12. um 20.20 Uhr vorbereiten könne. Ich antwortete, dass ich das alles dem Bevollmächtigten Vertreter vortragen werde. 8.VII. Ich bin bei Boltze, um die Details für die Audienz abzusprechen. Boltze versichert, dass alles so wie im vergangenen Jahr, ohne die geringste Abweichung, 5
Der Text ist mit Tinte korrigiert; ursprünglich: mit dem deutschen Botschafter in Mos-
kau. 6 7
Vgl. Dok. 281. Graf von der Schulenburg war von 1907 bis 1914 Vizekonsul in Warschau und von 1911 bis 1914 Konsul in Tiflis. 8 Mourad Sid-Ahmed Pascha.
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11. 7. 1938
ablaufen werde. Die Reden werden ohne Übersetzung gehalten werden, entsprechend wiederholter Präzedenzfälle. So hält der englische Botschafter seine Rede stets auf Englisch, der Führer antwortet dagegen auf Deutsch. Der Gesandte Guatemalas9 hielt seine Rede auf Spanisch und ebenfalls ohne Übersetzung. Es ist vollkommen in Ordnung, dass der Botschafter seine Rede in seiner Landessprache vorträgt. Im Gespräch nach der Rede wird Staatsminister10 Meissner der Dolmetscher11 sein, der bei der Zeremonie die Funktion Ribbentrops wahrnehmen werde (so wie auch im vergangenen Jahr12). Boltze macht eine Bemerkung zu den linguistischen Fähigkeiten Meissners, der die russische Sprache beherrsche (er hat, wie sich herausstellte, in Odessa gelebt) und frei italienisch spreche, wie sich während des Besuchs des Führers in Rom13 zeigte. Boltze erwähnt Nadolny, den er dieser Tage getroffen habe und der sich an Suric und an mich erinnerte. Ich teilte B. mit, dass mit dem Bevollmächtigten Vertreter ich und Gen. Davydov sowie als Mitarbeiter für Aufträge Gen. Glebskij reisen werden (letzterer wird selbstverständlich nicht bei der Zeremonie zugegen sein). Wir beabsichtigen, einen Wagen nach Berchtesgaden zu schicken, da es durchaus sein kann, dass der Bevollmächtigte Vertreter auf der Rückreise Pausen einlegt, um einige auf dem Wege liegende Städte zu besichtigen. Auf meine Frage nach der Antwortrede antwortet B., dass uns ihr Text auf der Reise nach B[erchtesgaden] ausgehändigt werde, sie werde im Einklang mit der Rede des Bevollmächtigten Vertreters abgefasst sein. Astachov Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2618 vom 14.7.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: Geschr. 3 Expl. 2 an Gen. Litvinov, 1 Expl. zu den Akten. 11.7.1938. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 56, l. 196–198. Original.
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Adam Manrique Rios. Das Wort ist in Deutsch mit kyrillischen Buchstaben geschrieben. Das Wort ist in Deutsch mit kyrillischen Buchstaben geschrieben. Gemeint ist die Prozedur bei der Übergabe des Beglaubigungsschreibens durch Jurenev, vgl. Dok. 71. 13 Vgl. Dok. 221, Anm. 5.
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16. 7. 1938 Nr. 301 Nr. 301 Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov Nr. 301 16. 7. 1938 16. 7. 1938 GEHEIM Expl. Nr. 1 BEVOLLMÄCHTIGTE VERTRETUNG DER UdSSR IN DEUTSCHLAND Nr. 171/s1 16. Juli 1938 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN Gen. M.M. LITVINOV Zur Übergabe des Beglaubigungsschreibens an Hitler Die Übergabe des Beglaubigungsschreibens fand in Berchtesgaden am 13. Juli um 12.00 Uhr unter folgenden Umständen statt: Am 12. Juli kam um 20.00 Uhr (wie es vorher vereinbart war) der Stellvertreter des Leiters des Protokolls BOLTZE (der Direktor des Protokolls2 befindet sich im Urlaub) zu mir in die Bevollmächtigte Vertretung gefahren und nach einer zehnminütigen Begrüßungsprozedur fuhr ich im Auto des Auswärtigen Amtes zum Bahnhof, um nach Berchtesgaden abzureisen. Ich nahm Gen. Astachov, Gen. Davydov und Gen. Glebskij mit, um sie Hitler vorzustellen. Als wir auf dem Bahnhof eintrafen, wurden wir von dem Bahnhofsvorsteher und der Polizei (einer verstärkten Eskorte) empfangen und durch die Empfangsräume des Bahnhofs zum Eisenbahnwaggon geleitet. Im Zug begleitete uns Boltze. Im Coupé des Waggons wurde ein Abendessen gereicht, bei dem sich das Gespräch um allgemeine Themen mit einem gewissen Schwerpunkt zu speziellen Fragen der deutschen Wirtschaft drehte. Am 13. Juli kamen wir um 8.00 Uhr in der Frühe in Berchtesgaden an, wo wir von Staatsminister Meissner und seinem Stellvertreter empfangen und ins Hotel begleitet wurden. Nach dem Frühstück im Hotel, das offenbar Meissner ausrichten ließ, kam um 11.40 Uhr Meissner ins Hotel, um mich zur Audienz bei Hitler zu begleiten. Die Residenz Hitlers befindet sich in den Bergen, 15 km von Berchtesgaden in dem Flecken Obersalzberg. Die Bergstraße verläuft recht kurvenreich, wobei unsere Autos an zwei Wegstellen Schwarzhemden-Wachposten passierten. Das Haus Hitlers steht auf einem steilen Berg, 1000 m über dem Meeresspiegel, mit einem sich weit öffnenden Horizont und einer an das Haus angrenzenden kahlen Gegend, die die nötige Einsicht in die Zugangswege sicherstellt. Das zweistöckige Haus Hitlers ist von recht bescheidener Außen- und Innenarchitektur, jedoch gut und durchdacht gestaltet. 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Alexander Freiherr von Dörnberg.
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Als wir aus dem Auto ausstiegen, wurden wir von 7 bis 8 Schwarzhemden und Militärs empfangen, die uns in das Gebäude geleiteten. Kurz darauf bat mich Meissner in den großen Saal, in dessen Mitte ich Hitler erblickte, wir begrüßten uns, danach trug ich die Rede auf Russisch vor und händigte ihm das Beglaubigungsschreiben aus. Nachdem Hitler die Urkunde entgegengenommen hatte, trug er die Antwortrede auf Deutsch vor und bat mich dann, Platz zu nehmen. Sodann erkundigte er sich nach dem Datum meiner Ankunft, ob ich allein oder mit der Familie hier sei usw. Er bedauerte, dass das Wetter nicht so günstig für meine Reise gewesen sei (ab und an hatte es in der Tat leicht genieselt). Ich bestätigte dies und verwies darauf, dass die Berglandschaft, die seine Residenz umgebe, **dennoch**3 für die Unbilden des heutigen Wetters entschädige. Auf eine Bemerkung über die Schönheit der Landschaft antwortete ich, dass sie mich an viele Gebiete in der UdSSR erinnere, an den Kaukasus, den Ural, den Altaj und andere. Bei dem Gespräch mit Hitler fungierte Meissner als Dolmetscher, der die russische Sprache etwas beherrscht, da er während der Okkupation4 in Odessa gewesen war. Nach einem knappen Austausch von Höflichkeiten erhoben wir uns, und Meissner bat die Genossen Astachov und Davydov in den Saal, um sie Hitler vorzustellen. Mit der Vorstellung war die Zeremonie beendet, wir verließen das Gebäude, setzten uns ins Auto und fuhren ins Hotel. Es begleiteten uns die gleichen Personen, die uns empfangen hatten. 20 Minuten nach unserer Abfahrt empfing Hitler den ägyptischen Gesandten5 in ungefähr der gleichen knappen Weise. Hitler gab sich während des Empfangs liebenswürdig, er machte einen frischen, erholten Eindruck, sein Gesicht trug keinerlei Spuren staatsmännischer Besorgnis. Um 13.30 Uhr wurde für uns im Hotel ein Festessen gegeben. An dem Essen nahmen teil: Meissner mit seiner Frau und Tochter, dem Aussehen nach 20 Jahre alt, Reichsminister Lammers mit Frau und Tochter, der Gehilfe Meissners, Kobic (der ebenfalls die russische Sprache etwas spricht, da er in Rumänien und auf dem Balkan zu tun hatte), zwei Adjutanten Hitlers und der ägyptische Gesandte. Nach Astachovs Ansicht verlief das Essen etwas lebhafter als das im vergangenen Jahr6, an dem außer Meissner und Boltze kein weiterer Deutscher teilgenommen hatte. Während des Essens ist es zu keinem ernsthaften Gespräch gekommen. Nach dem Essen fuhren wir um 17.00 Uhr aus Berchtesgaden nach München ab. Die Genossen Davydov und Glebskij fuhren von dort nach Berlin, Gen. Asta3 4
Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. Es ist wahrscheinlich die Besetzung Odessas von März bis November 1918 durch deutsche und österreichische Truppen gemeint. 5 Mourad Sid-Ahmed Pascha. 6 Gemeint ist das Frühstück, das Meissner am 21.7.1937 für Jurenev nach der Übergabe des Beglaubigungsschreibens an Hitler gegeben hatte. Vgl. AVP RF, f. 05, op. 17, p. 130, d. 43, l. 62.
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16. 7. 1938 Nr. 301 chov und ich übernachteten, um am 14. und 15. Juli mit dem eigenen Auto Nürnberg, Leipzig und andere Kleinstädte auf dem Wege nach Berlin zu besichtigen. Unsere Unterkunft in München war in demselben Hotel, in dem die italienische Delegation mit dem Chef der italienischen faschistischen Miliz, General Russo, an der Spitze untergebracht war. Die Anwesenheit dieser „Gäste“ war in der Stadt deutlich zu spüren, auf den Straßen patrouillierten verstärkt Polizeistreifen und der normale Autoverkehr war stark beeinträchtigt. Man kann sagen, dass wir uns im Hotel in einer völligen Einkreisung durch Braun- und Schwarzhemden befanden, die die Italiener bedienten. Um 15.00 Uhr des 14.7. fuhren wir nach Nürnberg ab, und nach einer flüchtigen Stadtbesichtigung um 20.00 Uhr weiter nach Leipzig. Am 15. Juli besichtigten wir Leipzig und am Abend kehrten wir nach Berlin zurück. Auf der Fahrt fielen uns der gute Zustand der Straßen und insbesondere die Autobahnen auf. Auf der Strecke zwischen München und Bayreuth war uns ein motorisierter Truppenverband begegnet. Bis zu unserer Abreise aus München befanden wir uns unter Beobachtung von zwei Autos, die uns (inoffiziell) folgten, es ist schwer zu sagen, ob sie uns auch auf den übrigen Wegstrecken gefolgt sind, da wir auch nichts unternahmen, um dies festzustellen. In Leipzig ist es uns gelungen, neben anderen Sehenswürdigkeiten das Bibliotheksgebäude und das Büchermagazin zu besichtigen. Der Mitarbeiter, der uns begleitete, antwortete auf die Frage nach der Anzahl der Besucher, dass diese sich fast um das Dreifache verringert habe, von 1000 auf 300 Personen pro Tag, und dass die Verringerung sich mit der Umorientierung der Jugend auf den Militärdienst und auf den Arbeitsdienst erklären lasse. Diesem Schreiben füge ich den Text meiner und Hitlers Rede nicht bei, da Ihnen beide aus der TASS-Meldung bekannt sind. Diesen Bericht habe ich lediglich zu dem Zweck verfasst, um die Atmosphäre zu beschreiben, in der die Überreichung des Beglaubigungsschreibens stattgefunden hat. Als Grundlage für politische Schlussfolgerungen irgendwelcher Art kann diese Mitteilung natürlich nicht dienen. BEVOLLMÄCHTIGTER VERTRETER DER UdSSR IN DEUTSCHLAND A. Merekalov Vermerk mit Bleistift: M.M. [Litvinov] Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2690 vom 20.7.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: Geschr. 8 Expl. 7 Expl. an Gen. Litvinov, 1 Exemplar zu den Akten. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 56, l. 199–201. Original.
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Nr. 302
18. 7. 1938
Nr. 302 Bericht des Pressebeirats der Deutschen Botschaft in Moskau Stein an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda Nr. 302 18. 7. 1938 18. 7. 1938 18. Juli 1938 Tgb. Nr. A/10211 An das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda – über das Auswärtige Amt – Berlin Betr.: Dortiges Geschäftszeichen IV B 4239/27.6.38/44-26.122 Alle Zeitungen der Sowjetunion sind in einer sonst nirgends geübten Art von den zuständigen Stellen der Kommunistischen Partei soweit abhängig, dass man sagen darf, sie werden von den entsprechenden Parteistellen „gemacht“. Die Arbeit der Redaktionen in der Provinz beschränkt sich vielfach auf die Anordnung des Fruckes [sic] der aus der Hauptstadt z. T. mit Flugzeug übersandten Matern [sic]3. Die Nachrichten der allein existierenden amtlichen Telegrafenagentur TASS und jede Zeile der Zeitungen unterliegen einer Präventivzensur; redaktionelle und sonstige Artikel werden je nach Thema von den zuständigen Ämtern und Parteistellen geprüft und gegebenenfalls geändert. Der sowjetische Leser liest über innere Verhältnisse und über die Vorgänge im Auslande nur, was der Kommunistischen Partei geeignet erscheint und nur in Formulierungen, die deren Tendenzen entsprechen. Zur Einwirkung auf andere Länder hat die Sowjetpresse das „Zitiersystem“ außerordentlich entwickelt. Die Sowjetmachthaber sind sich klar über den geringen Wirkungsgrad ihrer eigenen Presse auf das Ausland. Sie übernehmen daher – mit Hilfe der Lektoren der Presseabteilung, der Korrespondenten und der Presseattachés im Auslande – alles, was ihnen politisch zweckdienlich scheint und alles, was ein gutes Licht auf die Sowjetunion werfen kann, aus kommunistischen, marxistischen, liberalen, jüdischen oder sonstigen (in Polen z. B. rechtsoppositionellen) Blättern aller Welt und zitieren es hier unter Totschweigen der anderen Stimmen der Weltpresse. Weiter werden zum Zwecke des Zitierens zweifellos Komintern- und sonstige Sowjetnachrichten oder Hetzmeldungen zunächst an ausländische, vorwiegend französische, amerikanische, englische, gelegentlich auch türkische Blätter gegeben. Diese aus Moskau stammenden Nachrichten tauchen hier dann als Zitat aus der ausländischen Presse auf. Dies geschieht in der Hoffnung auf erneute Verbreitung durch hiesige ausländische Korrespondenten. Die Fäden dieser Verbindung zu Auslandsblättern laufen, soweit es sich um Hetzmeldungen und Sensationen handelt, somit nicht über die hiesigen Auslandskorres1 2
Darüber ist die das Zeichen A 974/38 notiert. Am 27.6.1938 ersuchte der Pressechef der Reichsregierung Dietrich unter anderen Pressebeirat Stein um einen zusammenfassenden Bericht „über den Einfluss der Sowjets und ihrer Handlanger auf die Presse des Landes Ihres Arbeitsbereichs“. Dabei sollten nur feststehende Tatsachen mitgeteilt und durch Beweismaterial erhärtet werden. In: PA AA, Moskau 269, o. P. 3 Wahrscheinlich gemeint: Anordnung des Druckes der […] übersandten Materialien.
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18. 7. 1938 Nr. 302 pondenten, sondern über sowjetische Vertreter (Presseattachés, Handelsvertreter, Sowjetjournalisten) am Sitze der betreffenden Blätter. Eine beweiskräftige Aufdeckung derartiger Lancierungen ist in Moskau nahezu unmöglich; nur ganz schwere Fehler der im Allgemeinen recht guten Regie könnten das einmal im Einzelfalle ermöglichen. Im Allgemeinen fehlen hier alle Voraussetzungen dazu, die in anderen Ländern gegeben sind, handele es sich nun um Zeitungsprozesse, um Wahlkämpfe, um Parteizwist, um Konkurrenzkampf, um Aktienverschiebungen und Zeitungsfinanzierungen oder auch nur um die „Skandalchronik“. Die Wahrscheinlichkeit, ja Sicherheit von Lancierungen der erwähnten Art folgt logisch aus den Grundlinien der sowjetischen Pressepolitik. Die Indizien, d. h. in diesem Falle Form, Inhalt und Häufigkeit der Zitate, sprechen für besonders intime Verbindungen Moskaus zu den Blättern Oeuvre und L’Ordre, News Chronicle, Manchester Guardian, New York Times sowie den Prager Links- und Emigrantenblättern – abgesehen natürlich von den Organen der Kommunistischen Parteien der einzelnen Länder. Bei der letzten deutschfeindlichen Hetzmeldung des News Chronicle hat die Lancier- und Zitierregie hier nicht so geklappt wie gewöhnlich. Und wenn nicht schon die in der deutschen Presse erwähnte frühere Moskauer Rundfunksendung und die Veröffentlichungen im L’Ordre und Oeuvre die Moskauer Hand unverkennbar gemacht hätten, so würde sich aus dem hiesigen „Zitat“ gleichfalls der allerdringendste Verdacht einer Lancierung aus Moskau ergeben. Der News Chronicle-Fall lag hier folgendermaßen: während News Chronicle – soweit sich hier feststellen ließ – am 12.7. über den angeblichen „Vortrag eines sehr hochstehenden deutschen Offiziers“ berichtete, „zitierte“ Iswestija vom 12.7. (früh)4 lange Auszüge aus dem Vortrag unter Nennung des Generals von Reichenau, und zwar in einem Eigentelegramm aus Paris, datiert vom 11.7. mit der Einleitung: „Ordre publizierte den vollen Text eines vertraulichen Vortrages … Die Zeitung bestätigt die absolute Glaubwürdigkeit dieses heute Morgen auch in London durch die Zeitung News Chronicle publizierten Dokuments“. Gesetzt selbst, dass die News ChronicleMeldung schon am 11.7. zu haben war und hierher gegeben werden konnte, so wäre bei der hiesigen eingangs geschilderten Präventivzensur und Kontrolle eine Publikation am 12.7. früh nahezu unmöglich – oder vielmehr eben nur dann, wenn der Text in Moskau schon bereitlag. Das „Zitat“ der Iswestija zeigt, dass man hier über den früher auch im L’Ordre publizierten Text verfügte und zugleich Kenntnis hatte, dass News Chronicle eine entsprechende Veröffentlichung am 12.7. bringen würde. Man hat dann über den Text mechanisch den Vermerk „Paris, 11. Juli“ gesetzt, ohne das „heute Morgen“ im Text zu beachten, das sich auf den 12.7. bezieht. Diese Auffassung wird dadurch bestärkt, dass die TASS – nachdem offenbar die Verdächtigkeit der Pariser Iswestija-Meldung (unaktuelle Zitierung von L’Ordre, Verlegung des Erscheinungsdatums in News Chronicle auf den 11.7.) hier bemerkt worden war – unter dem 13.7. die Hetzmeldung nochmals aus London „zitierte“. In dieser Meldung, hier publiziert am 13.7. war von L’Ordre und dem „vollen Text“ keine Rede mehr, sondern es hieß: „London, 12. Juli. Die Zeitung News Chronicle publizierte Auszüge aus einem vertraulichen Vortrage …“ Übrigens wurde dabei – 4 Vgl. „Fašistskie interventy bez maski“ (Faschistische Interventen ohne Maske). In: Izvestija vom 12. Juli 1938, S. 2.
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hiesigen Wissens im Gegensatz zu News Chronicle – wieder General von Reichenau als Vortragender genannt. Zur Frage des Moskauer Einflusses auf Nachrichtenagenturen deutet die Fülle und die Art der hiesigen Zitate auf enge Verbindungen mit der Agentur Espania hin. Was von Moskau aus nach Rotspanien lanciert wird, ist von hier aus nicht festzustellen. Letzteres gilt auch für die Agenturverbindungen mit der Tschechoslowakei. Es erscheinen hier täglich Hetz- und Lügenmeldungen über die Sudetendeutschen, über deutsche Truppenkonzentrationen und „Provokationen“ sowie Gräuelberichte über die Zustände in Wien, die überwiegend als TASS-Meldungen aus Prag datiert werden. Der tschechische Ursprung dieser Meldungen ist klar – aber ob und aus welchen Quellen der Prager TASS-Korrespondent 5 sie in Prag erhält oder das Tschechoslowakische Telegrafen-Büro diese Nachrichten hierher gibt, ist nicht feststellbar. Eine wichtige in Moskau selbst zu beobachtende Agenturverbindung zur Unterbringung sowjetfreundlicher Nachrichten besteht zur Associated Press. Es ist dabei zu bemerken, dass es hier infolge des Nachrichtenmonopols der TASS und einer sehr strengen Telegrammzensur, die nur durchlässt, was aus Zeitungen oder TASS-Meldungen zu belegen ist, Agenturnachrichten in der Regel nur durch die TASS gibt. Dabei hat sich entgegen den internationalen Agentur-Vereinbarungen eine deutliche Differenzierung der Behandlung der Agenturvertreter herausgebildet: schlecht bedient werden der deutsche, der italienische und der japanische Agenturvertreter, die übrigen werden normal behandelt, der Vertreter der Associated Press aber bevorzugt. Es sei dahingestellt, ob – wie ausländische Journalisten behaupten – ein „geheimer Zusatzvertag“ zum Agenturabkommen mit Associated Press vorliegt oder ob sich einfach ein Usus entwickelt hat. Jedenfalls werden nach den Beobachtungen anderer Agenturvertreter wichtigere TASS-Nachrichten für das Ausland dem Vertreter der Associated Press so viel früher gegeben, dass er einen bedeutenden zeitlichen Vorsprung hat. Der Vorteil für Moskau liegt darin, dass Associated Press dieses Material ohne Kommentierung und unverändert weitergibt. So hat sich hier Moskau – wohl ohne eigene Kosten und vielleicht zahlt sogar Associated Press noch für diese Sonderbehandlung – einen sicheren Weg geschaffen, um in einer Fülle amerikanischer Blätter die Sowjetnachrichten in der Fassung der TASS zu verbreiten, ehe andere kommentierte Nachrichten zum gleichen Thema kommen. Die Unterbringung sowjetfreundlicher Nachrichten und Artikel wird auch durch einen Teil der Moskauer ausländischen Korrespondenten besorgt. Einige von ihnen werden höchstwahrscheinlich von hiesigen Auftraggebern geschmiert, andere dienen der prosowjetischen Propaganda aus privaten Gründen. So trifft bei W. Duranty (New York Times) ein gewisser journalistischer Snobismus zusammen mit dem dringenden Wunsche, seine Einreise- und Aufenthaltsbewilligung nicht zu gefährden, da er sowohl in Paris wie hier verheiratet ist und Familie hat. Gleichfalls ohne Bezahlung, aber aus Sympathie den Sowjeteinflüssen leicht zugänglich ist der Reutervertreter Schapiro, ein Jude aus Rumänien mit amerikanischem Pass. Sympathien für die Sowjets sind auch als Motiv der prosowjetischen Berichterstat5
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David D. Monin.
18. 7. 1938 Nr. 302 tung von J. Barnes (New York Herald Tribune) anzunehmen, während der tschechische Vertreter Waschek ein sehr leicht beeinflussbarer Mann ist und es für seine politische Pflicht hält, alles zu loben, was die Sowjetunion betrifft. Finanzielle oder sonstige materielle Vorteile dürften für die folgenden Träger der Sowjetpropaganda mitsprechen: Magidow (Nowy Mir – russisch geschriebene Zeitung amerikanischer Ostjuden), Jude; Stevens (Daily Herald), Halbrusse mit russischer Frau, von den Sowjets offenbar hierhergezogen, um die Labour-Party-Leser im Sowjetsinne zu unterrichten; Cachin (News Chronicle, offiziell nur für Exchange Telegraf hier), amerikanischer Jude, russisch verheiratet; Wendrow (jüdische Telegrafenagentur), Sowjetstaatsbürger, vorher Amerikaner; Angela Rohr (offiziell, aber wohl nur fiktiv Vertreterin von „Schweizer Zeitungen“), Jüdin, tschechoslowakische Staatsangehörige, offenbar eingesetzt zur Beeinflussung („Gerüchte aus bester Quelle“, „internationale Materialien“) der ausländischen Pressevertreter.6 Die Literaten-Emigranten aus Deutschland werden von Moskau offenbar als geeignete Verbreiter sowjetfreundlicher Stimmung angesehen; denn man lässt sich ihre Unterstützung ziemlich viel Geld kosten. Der sowjetische Staatsverlag hat, um ihnen finanziell beizuspringen – die literarischen Honorare sind in Moskau hoch – die bekannte Zeitschrift „Das Wort“7 (in deutscher Sprache) für sie geschaffen. Die Redaktion führen Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger und Willi Bredel. Unter den Mitarbeitern finden sich Heinrich, Thomas und Klaus Mann, Manfred Georg, Oskar Maria Graf, Hans Jacob, Balder Olden, Rudolf Olden, Kurt Kersten, Egon Erwin Kisch, Ernst Toller, Erwin Piscator und viele andere. Von Lion Feuchtwanger haben die Sowjets dieser Tage das Vorabdrucksrecht des Romanes „Die Vertreibung“ gekauft, der 1939 erscheinen soll und hier ab August in den Zeitschriften „Internationalnaja Literatura“ 8 und „Snamja“ veröffentlicht werden wird. Mit Heinrich Mann ist vor einiger Zeit ein Vertrag des Staatsverlages über eine russische Ausgabe seiner Werke geschlossen worden. gez. Stein Auf erstem Blatt oben: 1. Pr[esse]-Abt. führt keine Akten 2. zdA bei A. mit Abzeichnungen, am Seitenrand: ab am 18.7.38. Auf dem letzten Blatt unten: gesehen. gez. von Tippelskirch. PA AA, Moskau 269, o. P., 7 Bl.
6 Angaben zu den Journalisten finden sich in der „Liste der ausländischen Korrespondenten, akkreditiert bei der Presseabteilung des NKID am 17.4.1937“. In: GARF f. 4459 (Agentur TASS), op. 17, d. 47, l. 10-13. Die Angaben verdanken wir Alexander R. Schejngeit. 7 Die Zeitschrift „Das Wort“ wurde in den Jahren 1936 bis 1939 in Moskau herausgegeben. Vgl. auch: Das Wort. Moskau 1936–1939. Bibliographie einer Zeitschrift, Berlin/Weimar 1975. 8 Die Zeitschrift „Internationale Literatur“ wurde in den Jahren 1931 bis 1945 in Moskau herausgegeben. Der erste Teil von Feuchtwangers Roman „Exil“ erschien in Nr. 8 (August) 1938. Vgl. auch: Internationale Literatur. Moskau 1931–1945. Bibliographie einer Zeitschrift, Berlin/Weimar 1985.
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Nr. 303
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Nr. 303 Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Bevollmächtigten Vertreter in Berlin Merekalov Nr. 303 26. 7. 1938 26. 7. 1938 GEHEIM Expl. Nr. 2 UdSSR NKID Nr. 63411 26. Juli 1938 AN DEN BEVOLLMÄCHTIGTEN VERTRETER DER UdSSR IN DEUTSCHLAND Gen. MEREKALOV Sehr geehrter Aleksej Fedorovič, wie es scheint, muss ich Ihnen per Telegraf auf Ihre Fragen, die Sie in Ihren Schreiben aufwerfen, antworten. Diese sind hier erst am 23. Juli eingetroffen, und sie mit den zuständigen Abteilungen oder Genossen zu beraten, ist uns in diesen Tagen nicht gelungen. Deshalb beschränke ich mich auf einen knappen Brief, der eher persönlicher Art ist. Es ist sehr gut, dass Sie sich sofort an die Arbeit gemacht, einen genauen Tagesablauf festgelegt und es bereits geschafft haben, in einige Tätigkeitsgebiete vorzudringen. In den nächsten Tagen werden Sie viel Zeit für offizielle Visiten und für den Empfang von Gegenbesuchen aufbringen müssen. Dies wird ein, zwei Wochen in Anspruch nehmen, und danach wird es Ihnen bereits leichter fallen, die reguläre, wesentliche Arbeit aufzunehmen. Bis dahin wird, wie ich hoffe, das NKID auch jene Fragen geklärt haben, die Sie uns bereits zu stellen vermochten. Vorerst antworte ich auf eine Ihrer Fragen, sie betrifft den Alltag. Sie möchten sich eine Datscha außerhalb Berlins verschaffen. Der Wunsch ist legitim, insbesondere, wenn man die momentane Hitze berücksichtigt. Doch dazu habe ich einige Zweifel. Dass Ihre Vorgänger ohne Datschen ausgekommen sind, ist vielleicht nicht so wichtig. Schließlich fällt es dem einen leichter, dem anderen schwerer, sich mit dem Leben in der Stadt zur Sommerzeit abzufinden. Wesentlicher ist etwas anderes. Sie sind, erstens, selbst davon überzeugt, dass Ihnen der Arbeitstag nicht ausreicht, um die Arbeit zu bewältigen, die auf Sie zukommt. Ist es angesichts dieser Bedingungen angebracht, auf die Datscha zu fahren? Es kommt hinzu, dass Sie all das aufmerksam im Blick haben müssen, was in der Bevollmächtigten Vertretung und in der Kolonie geschieht: Es ist erforderlich, dass in Berlin zu jeder Minute die Anwesenheit des Bevollmächtigten Vertreters zu spüren ist. Berücksichtigen Sie, dass vielleicht irgendjemand auch direkt daran interessiert sein könnte, dass sich hier die Situation ohne Hausherren, die bereits über einen recht langen Zeitraum in der Berliner Kolonie bestand, fortsetzen möge. Schließlich sollten Sie ernsthaft überdenken, ob auf der Datscha Ihre persönliche Sicherheit, die Telefonverbindung zur Bevollmächtigten Vertretung, die Unversehrtheit Ihres Schriftverkehrs usw. in 1
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben.
4. 8. 1938 Nr. 304 einem ausreichenden Maße gewährleistet sein kann. All dies muss gründlich abgewogen werden. Beraten Sie sich mit den zuständigen Genossen und teilen Sie mir die Ergebnisse mit. Zum Abschluss füge ich hinzu, dass uns nur noch wenige Tage vom Monat August trennen, in dem die Hitze merklich abzunehmen beginnt. Da Autos zur Verfügung stehen, kann man auf diesem Wege, sogar auch täglich, außerhalb der Stadt frische Luft atmen. Mehr schreibe ich jetzt nicht. Es ist bereits spät, und es muss noch einiges an andere unserer Bevollmächtigten Vertretungen geschrieben werden. Mit kameradschaftlichem Gruß V. Potemkin Für die Richtigkeit: [Für den] Sekretär:2 Vermerk mit Bleistift: M.M. [Litvinov] Oben rechts befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2786 vom 27.7.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. Das 1. [Exemplar] an den Adressaten, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an die 2. Westabteilung, das 4. zu den Akten. 26.VII.38. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 55, l. 19–20. Kopie.
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Nr. 304 Schreiben des Pressebeirats der Botschaft Moskau Stein an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda Nr. 304 4. 8. 1938 4. 8. 1938 Moskau, den 4. August 1938 Tgb. Nr. A/1100/381 Durchschlag An das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda – über das Auswärtiges Amt – Berlin Auf das Rundschreiben vom 19. v. Mts. IV B 4200/7.7.38/63-63.102 Betrifft: Informationsquellen Zur Widerlegung plötzlich auftauchender Hetz- und Lügenmeldungen über Deutschland stehen hier außer dem amtlichen Informationsmaterial und dem deut2
Die Unterschrift ist nicht lesbar.
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Handschriftlich darüber: A 1062/38. In dem Rundschreiben des RMVP wurde gefragt, welche Informationsquellen aus Deutschland zur Verfügung ständen und ob sie schnell genug und in ausreichendem Maße vorhanden seien. In: PA AA, Moskau 269, o. P.
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4. 8. 1938
schen Rundfunk der Hellschreiberdienst3 des DNB und sodann die deutschen Zeitungen und die DNB-Nachrichten zur Verfügung. Sowohl die Zeitungen wie die DNB-Briefe brauchen drei bis vier Tage Beförderungszeit. Die Aufnahme des DNBHellschreiberdienstes ist in der Regel auf die Dienststunden beschränkt sowie wegen der im Sommer häufig auftretenden atmosphärischen Störungen lückenhaft. Es kann daher nicht immer mit Sicherheit damit gerechnet werden, dass die in Frage kommenden amtlichen deutschen Kommentare oder Richtigstellungen hier aufgenommen werden. Eine regelmäßige Aufnahme der deutschen Rundfunknachrichten ist infolge der ungünstigen Empfangsverhältnisse nicht immer gewährleistet. Dagegen sind Sendungen mit Richtstrahler meist gut zu hören. Wenn auch bei den hiesigen Verhältnissen keine Berichtigungen in die Sowjetpresse gebracht werden können und keine Einflussnahme auf die SowjetPropaganda besteht, so wäre doch eine rasche Information über Gräuel- und Tendenzmeldungen wichtig, um durch Aufklärung der hiesigen ausländischen Pressevertreter einer Weiterverbreitung oder Neuaufwärmung derartiger Nachrichten auf Grund ihres Abdruckes in der Sowjetpresse nach Möglichkeit vorbeugen zu können. Angesichts der besonderen Verhältnisse, die in Moskau hinsichtlich der Informationen aus Berlin vorliegen, möchte ich bitten, den Vorschlag zu prüfen, bei Tendenz- und Gräuelmeldungen ernsteren Charakters eine amtliche bzw. DNBInformation telegraphisch an mich zu geben, was in der Regel in offener Sprache geschehen könnte. gez. Stein Auf erstem Blatt am Seitenrand: ab am 4.8.38. Oben Paraphe vT[ippelskirch] 5/8 und zdA. Gefertigt in drei Durchschlägen. Am Ende: Gesehen: Gez. von Tippelskirch. PA AA, Moskau 269, o.P., 2 Bl.
3 Der 1929 patentierte Hellschreiber ist ein über Funk- oder Kabelübertragung entwickeltes Fernschreibgerät, das insbesondere für Pressenachrichten benutzt wurde.
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8. 8. 1938 Nr. 305 Nr. 305 Bericht des deutschen Geschäftsträgers in Moskau von Tippelskirch an das AA Nr. 305 8. 8. 1938 8. 8. 1938 Moskau, den 8. August 1938 Tgb. Nr. C IV a Verh. adh. An das Auswärtige Amt Berlin Auf den Erlass vom 26. Juli d.J. – Pol. V 5318 –1 Inhalt: Angaben über deutsche Fachleute Die Zahl der in den letzten Jahren in die Sowjetunion eingewanderten deutschen Fachleute kann leider hierorts nicht genau festgestellt werden, da sich viele von ihnen auf der Botschaft nicht gemeldet haben und daher statistisch nicht erfasst werden konnten. Die Einwanderung setzte stärker im Jahre 1928 ein, um in den Jahren 1931 und 1932 ihren Höhepunkt zu erreichen und ist nach dieser Zeit fast zum Stillstand gekommen. Nach einer hier vorgenommenen annähernden Schätzung dürften 5000–6000 deutsche Facharbeiter in die Sowjetunion gekommen sein. Von diesen sind in den letzten zwei Jahren, infolge des äußerst verschärften Kurses gegen alle hier lebenden Ausländer, wohl alle bis auf ca. 800, die die Sowjetstaatsangehörigkeit angenommen haben und ca. 300, die sich in der Sowjetunion noch in Haft befinden, in die Heimat zurückgekehrt. In den Jahren 1937 und 1938 sind der Botschaft 730 Verhaftungsfälle deutscher Reichsangehöriger, von denen ungefähr 70% Facharbeiter sind, bekannt geworden. Die wirkliche Zahl der Verhafteten muss aber um 40–50% höher eingeschätzt werden, da von vielen Verhaftungen die Botschaft keine Kenntnis erhalten hat. Erschießungen sind, soweit bekannt, nicht vorgekommen; 12 deutsche Reichsangehörige sind aber während der Haft gestorben, mehrere andere sind oft knapp vor der Abreise in die Heimat oder auf der Durchreise durch die Sowjetunion spurlos verschwunden. Die Zahl der Ausweisungen durch Verweigerung der Aufenthaltsgenehmigung kann auch nicht annähernd angegeben werden, weil sich die Ausgewiesenen nur dann an die Botschaft oder die vor kurzem noch bestandenen Konsulate wandten, wenn ihre Pässe verlängert werden mussten oder sie sonst bezüglich der Liquidierung ihres Eigentums die Hilfe der Botschaft in Anspruch nahmen. Von den verhafteten deutschen Reichsangehörigen sind bisher 560 zur Ausweisung verurteilt worden und größtenteils bereits in der Heimat eingetroffen. Über die Rückwanderung im Allgemeinen wird das Rückwandereramt bei der NSDAP in Berlin genaue Auskünfte erteilen können. gez.: von Tippelskirch
1 Das RMVP hatte am 9.7.1938 an das AA die Anfrage gerichtet, einen Bericht über die Anzahl der in die UdSSR ausgewanderten Fachleute zu erstellen mit den Angaben, wieviel davon zurückgekehrt, ausgewiesen, verhaftet oder erschossen wurden. Das AA leitete diese Anfrage am 26.7.1938 an die Botschaft weiter. In: PA AA, Moskau 421, o. P.
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Nr. 306
11. 8. 1938
Auf erstem Blatt oben Stempel: Pol V 6155/38 und Russland allg. (Statistik). In drei Durchschlägen gefertigt. PA AA, R 67245, o. P., 2 Bl.
Nr. 306 Aufzeichnung der Unterredung des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg [z.Zt. in Berlin] Nr. 306 11. 8. 1938 11. 8. 1938 GEHEIM Expl. Nr. 2 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 1891 Berlin, 11. August 1938 TAGEBUCH G.A. ASTACHOVS [...]2 10.8. *Botschafter von [der] Schulenburg*3 stattet dem Bevollmächtigten Vertreter einen Besuch ab. Auf die Frage des Bevollmächtigten Vertreters, *ob es stimme, dass sich Regierungskreise Deutschlands negativ zum Gedanken einer möglichen Verbesserung der Beziehungen zur UdSSR* verhalten, *antwortet der Botschafter: im Großen und Ganzen, kurz gesagt – ja*. Jedoch gebe es dabei *zwei Ausnahmen: Hitler und Göring*. Für sie sei der jetzige Zustand der Beziehungen kein dauerhafter Zustand, der keiner Veränderung unterliege. Insbesondere *Göring messe den Wirtschaftsbeziehungen* mit der UdSSR bei der Umsetzung des 4-Jahresplans eine große Bedeutung bei. Der Botschafter erwähnt ferner, dass bei seinen Begegnungen mit Hitler die ganze Zeit über letzterer spreche und er selber keine Möglichkeit habe, auch nur ein Wort zu sagen. Er sagt, dass Hitler über die UdSSR nach den Eindrücken urteile, die er über die deutschen Kommunisten gewonnen habe, mit denen er sich Kämpfe geliefert habe, und die Situation bei uns sei ihm kaum bekannt. Insbesondere wies er, der Botschafter, hier darauf hin, dass die Ausstellungsstücke der negativen Kunst, die in Berlin gezeigt werden4, in ihrer Mehrheit auch in der UdSSR missbilligt würden. Auf die Frage nach den Perspektiven der Ereignisse in der Tschechoslowakei antwortet er: „Bei uns will niemand einen Krieg, auch die Mehrheit der Tschechen will ihn nicht. Aber dort gibt es eine Gruppe, die meint, dass jetzt der günstigste Moment für einen Krieg gegen Deutschland gekommen sei. Die Spannung ist derart 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Ausgelassen sind die Aufzeichnungen der Gespräche mit Diplomaten einiger Länder im Rahmen der protokollarischen Besuche und der Gegenbesuche von Merekalov vom 2. bis 9.8. (Blatt 212–209). 3 Der hier und im Folgenden so gekennzeichnete Text wurde von Litvinov mit rotem Farbstift unterstrichen. 4 Die Ausstellung „Entartete Kunst“ wurde am 19.7.1937 in München eröffnet und dauerte dort bis Ende November. Eine gleichnamige Wanderausstellung wurde 1938 im „Haus der Kunst“ in Berlin gezeigt.
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11. 8. 1938 Nr. 306 groß, dass man für nichts garantieren kann. Wenn in der Tschechoslowakei 15 bis 16 Deutsche erschlagen würden, könnte sich Deutschlands Geduld erschöpfen. Wir hoffen, dass England und Frankreich die Tschechen zur Vernunft bringen werden.“ Zum Beweis dafür, dass Deutschland keinen Krieg will und dass selbst die Einverleibung Österreichs vollkommen unbeabsichtigt war, führt Sch[ulenburg] die hinfällige Version an (sie verbreitet gewöhnlich der Türke5), dass der Führer erst bei der Ankunft in Linz6 beschlossen habe, den Anschluss Österreichs zum Abschluss zu bringen7. Auf die vom Bevollmächtigten Vertreter zur Sprache gebrachte antisowjetische Kampagne der deutschen Presse und die dabei praktizierte Praxis, sowjetische Regierungsmitglieder persönlich zu beleidigen, **insbesondere** 8 im Zusammenhang mit dem Jahrestag der Ermordung Mirbachs9 usw., bringt Sch. seine Empörung über derartige Erscheinungen zum Ausdruck, bittet jedoch zu berücksichtigen, dass im Grunde genommen unsolide Organe diese Kampagne führen würden. Die Karikaturen der Zeitschrift „Kladderadatsch“ würden ihn besonders unangenehm berühren, der Zeitschrift sei jedoch untersagt worden, innenpolitische Themen zu behandeln, und sie winde sich mit antisowjetischen Themen heraus. Zum Konflikt im Ferner Osten10 erklärt Sch., dass er, nachdem er sich mit den Karten und übrigen Fakten befasst habe, der Auffassung sei, dass die sowjetische Regierung eine völlig begründete Haltung in der Čan-Ku-Fen11- Angelegenheit einnehme. Ihm scheine sogar, dass es angebracht wäre, die Grenze bis an den Fluss Tjumen’ zu verlegen, um damit die Unklarheit in der Grenzfrage endgültig auszuräumen. Sch. fragt beiläufig, wie es um die Hausangelegenheit der Garkrebo12 bestellt sei, und nachdem er von uns gehört hat, dass der wichtigste Streitpunkt die Frage bezüglich des Charakters der Mark (wir fordern ein Sonderkonto) sei, erklärt er, dass er unsere Forderung als berechtigt erachte und hoffe, dass die Angelegenheit beigelegt werde. Fast alle Gesprächspartner interessierten sich in den oben erwähnten Gesprächen13 für Informationen über die Ereignisse in Primor’e, worauf sie vom Bevollmächtigten Vertreter entsprechende Erläuterungen erhielten. 1. RAT DER BEVOLLMÄCHTIGTEN VERTRETUNG DER UdSSR IN DEUTSCHLAND G. Astachov 5 6 7
Mehmet Hamdi Arpağ. Hitler traf in der zweiten Tageshälfte gegen Abend des 12.3.1938 in Linz ein. Die Weisung Nr. 1 des OKW (Einmarschbefehl) mit der Unterschrift Hitlers wurde am 11. März um 20.45 Uhr ausgegeben. 8 Der Text wurde mit Bleistift über die Zeile geschrieben. 9 Der Botschafter Deutschlands in Sowjetrussland, Wilhelm Graf von Mirbach-Harff, war am 6.7.1918 von linken Sozialrevolutionären in Moskau ermordet worden. 10 Vgl. Dok. 311, Anm. 5. 11 So die japanische Bezeichnung für die Bergkuppe Zaozernaja. 12 Gemeint sind die Verhandlungen zum Verkauf des Hauses der Garkrebo in Berlin, in dem die Konsularabteilung der Bevollmächtigten Vertretung untergebracht war; nach Abschluss der Verhandlungen wurde die Konsularabteilung in das Gebäude der Handelsvertretung überführt. Vgl. Dok. 397. 13 Gemeint sind die im Dokument enthaltenen Aufzeichnungen der Gespräche während der Besuche und der Gegenbesuche.
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Nr. 307
13. 8. 1938
Vermerk M.M. Litvinovs mit rotem Farbstift: VP[otemkin] II. W[est]abt[eilung]. Vermerk G.I. Vajnštejns mit Bleistift: an die Gen. *Puškin*14, Bergman15, Buchvalov und **16. 20/VIII 38. GV[ajnštejn]. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 3063 vom 14.8.1938. Oben rechts befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 3781 vom 15.8.1938. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel der 2. Politischen Westabteilung mit der Eingangs-Nr. 1785 vom 20.8. 1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare vermerkt: geschrieben 3 Expl. AVP RF, f. 082, op. 21, p. 89, d. 4, l. 212–208, hier l. 209–208. Original.
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Nr. 307 Aufzeichnung der Unterredung des kommissarischen Leiters der 2. Westabteilung im NKID Vajnštejn mit dem deutschen Geschäftsträger in Moskau von Tippelskirch und dem Legationsrat Schwinner Nr. 307 13. 8. 1938 13. 8. 1938 GEHEIM Expl. Nr. 2 Aus dem Tagebuch G.I. VAJNŠTEJNS Nr. 181211 13. August 1938 AUFZEICHNUNG DES GESPRÄCHS MIT DEM DEUTSCHEN GESCHÄFTSTRÄGER TIPPELSKIRCH UND DEM RAT DER DEUTSCHEN BOTSCHAFT SCHWINNER, 11. August 1938 T[ippelskirch] bat mich, ihn gemeinsam mit dem Rat der Deutschen Botschaft Schwinner (Rat der ehemaligen Österreichischen Mission in Moskau) zu empfangen. Ich gab dazu mein Einverständnis, und sie erschienen zu zweit. T. eröffnete das Gespräch damit, dass er gekommen sei, um mit mir über einen unangenehmen Zwischenfall zu sprechen, der sich am Tag zuvor mit Schwinner zugetragen habe und bat sogleich letzteren zu berichten, was passiert sei. Schwinner berichtete Folgendes: Am 10. August, gegen 16.00 Uhr, habe er sich nach einem Frühstück in der Polnischen Botschaft zu Fuß auf den Weg nach Hause begeben. Auf der Spiridonovka sei er von einem Mann eingeholt und angehalten worden, der ihn in kategorischer Form aufgefordert hätte, ihm zu folgen. Auf die Frage von Sch[winner], wer er sei, hätte dieser nicht geantwortet, sondern Sch. am Arm gepackt. Sch. habe sich zur Wehr gesetzt. Sogleich sei noch ein Mann hinzu gesprungen und habe ihn am anderen Arm gepackt; beide hätten versucht, ihn in einen Hausdurchgang zu zerren.
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Der Name ist mit Bleistift durchgestrichen. Der Name ist mit Bleistift durchgestrichen. Ein an dieser Stelle stehender Name ist mit Tinte durchgestrichen. Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben.
13. 8. 1938 Nr. 307 Da Sch. angenommen habe, dass ihn Diebe überfallen hätten, habe er laut nach der Miliz um Hilfe gerufen. Schnell sei ein Milizionär aufgetaucht, dem sich Sch. zu erkennen gegeben und das Vorgefallene berichtet habe. Der Milizionär habe in überaus korrekter Form erklärt, dass er keine Möglichkeit hätte, auf der Straße den Zwischenfall zu klären, und alle aufgefordert, sich in das nächstgelegene Milizrevier zu begeben. Sch. habe sich einverstanden erklärt, und beim Betreten des Reviers den Wunsch geäußert, mit dem Revierleiter zu sprechen. Doch sei ihm gesagt worden, dass der Leiter höheren Ortes wäre, jedoch bald zurückkehre, und falls Sch. den Leiter zu sprechen wünsche, so möge er sich etwas gedulden. Unterdessen wären die ihm unbekannten Personen, die ihn auf der Straße festgehalten hatten, durch eine Tür gegangen und hätten sich nicht mehr blicken lassen. Der Revierleiter habe nicht lange auf sich warten lassen, Sch. empfangen und gesagt, nachdem er ihn angehört hatte, dass in diesem Fall ein unangenehmes Missverständnis passiert sei, da die Leute, die Sch. festzuhalten versucht hätten, Ermittler der Kriminalpolizei wären. Der Leiter habe umgehend seine Entschuldigung für die entstandene Unannehmlichkeit ausgesprochen. Als Sch. dies alles darlegte, unterstrich er nachdrücklich die Korrektheit und Höflichkeit der Miliz, indem er das Verhalten der letzteren der „Taktlosigkeit und Grobheit“, wie er sich ausdrückte, jener Personen gegenüberstellte, die der Revierleiter als Ermittler der Kriminalpolizei bezeichnet hatte. Nachdem ich Sch. angehört hatte, äußerte ich die Vermutung, dass die Ermittler der Kriminalpolizei ihn fälschlicherweise als verdächtige Person angesehen hätten, die sie zu dieser Zeit offenbar verfolgt hätten. Ich sagte, dass solche Fehler insbesondere dann passieren, wenn eine zufällige Ähnlichkeit des vorläufig Festgenommenen mit dem Gesuchten bestünde, und sprach ihm mein Bedauern über diesen Vorfall aus.2 Nach Sch. nahm Tippelskirch wieder das Gespräch auf. Er betonte seine Sorge hinsichtlich des Zwischenfalls mit Schwinner und führte dazu aus, dass diesem Zwischenfall bereits ein ähnlicher Fall mit zwei Mitarbeitern der Deutschen Botschaft – mit Königseder und Vogel – vorausgegangen sei, die von irgendwelchen Personen unter Drohungen dazu gebracht werden sollten, ihnen Informationen über die Deutsche Botschaft und ihre Mitarbeiter zu liefern (vgl. die Aufzeichnung meines Gesprächs mit Tippelskirch vom 31. Juli3 und die des Gen. Michel’s mit Schwinner vom 5. August4 dieses Jahres). T. zufolge sei die Person, die Vogel auf der Miliz vernommen hatte, nach einigen Tagen in dessen Wohnung erschienen und habe erneut versucht, ihn dazu zu bringen, Informationen über die Deutsche Botschaft zu liefern, und hätte ihm dafür Geld angeboten. Ich sagte T., dass, wie sich Schwinner selbst überzeugen konnte, der Zwischenfall mit ihm Folge eines Missverständnisses gewesen sei, was jedoch den Fall Königseder betreffe, so könn2 Am 14.8.1938 richtete Vajnštein an den Stellv. Chef der 1. Verwaltung des NKVD, Nikolaev, ein Schreiben, über derartige Vorfälle unverzüglich das NKID in Kenntnis zu setzen. In dem Begleitschreiben zu dem geschilderten Vorfall hieß es: „Ich bitte Sie sehr, mich in Zukunft über derartige Vorfälle unverzüglich zu informieren, andernfalls sehe ich mich einer Lage ausgesetzt, in meinen Gesprächen mit Vertretern ausländischer Botschaften zu derartigen Vorfällen mit einseitigem Material zu tun zu haben, das ausschließlich von diesen Vertretern stammt.“ Vgl. AVP RF, f. 082, op. 21, p. 92, d. 20, l. 68. 3 Vgl. AVP RF, f. 082, op. 21, p. 88, d. 2, l. 133-132. 4 Vgl. ebd., l. 136-134.
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Nr. 307
13. 8. 1938
ten laut der Information, die ich von den zuständigen Behörden erhalten hätte, Mitarbeiter des NKVD in keinerlei Beziehungen zu diesem Fall stehen, weil von den Behörden überhaupt keine Order für eine Haussuchung in der Wohnung der Paschina am 28. Juli für den Zeitpunkt gegeben worden sei, als sich Königseder dort aufgehalten habe. Auch die Geschichte mit Vogel, fügte ich hinzu, erscheine mir zu durchsichtig zu sein, weil Vogel keinerlei Angaben zur Person machen könne, die ihn auf der Milizwache vernommen und angeblich in der Wohnung aufgesucht hätte. Zum Ende des Gesprächs machte mich T. erneut auf die fortgesetzte Praxis aufmerksam, das persönliche Gepäck deutscher diplomatischer Kuriere zu kontrollieren, was seinen Worten zufolge viele Unbequemlichkeiten schaffe. Dabei wiederholte er seine während des Gesprächs am 31. Juli vorgetragene Bitte, dass es wünschenswert wäre, zu der früheren Praxis zurückzukehren, als das persönliche Gepäck der diplomatischen Kuriere in der Regel nicht kontrolliert worden sei. (Zur letzten Frage sprach ich mit den zuständigen Mitarbeitern der GUPVO5 des NKVD. Diese bemühten sich, einer mehr oder weniger konkreten Antwort auszuweichen, indem sie darauf verwiesen, dass diese Angelegenheit vollständig in die Kompetenz der Zollhauptverwaltung falle. Doch als ich darauf aufmerksam machte, dass die Deutschen auf die systematische Kontrolle des persönlichen Gepäcks der diplomatischen Kuriere mit der Anwendung genau der gleichen Maßnahmen auf unsere diplomatischen Kuriere antworten könnten, versprachen sie mir, diese Frage nochmals zu überdenken und einen für uns gangbaren Ausweg aus der entstandenen Lage zu finden.) KOMMISSARISCHER LEITER DER 2. WESTABTEILUNG G. Vajnštejn FÜR DIE RICHTIGKEIT SEKRETÄR: LPavlova Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 3055 vom 14.8.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. Die [Exemplare] 1 – 2 an die Westabteilung, das 2. [Exemplar] an Gen. Litvinov6, das 3. an Gen. Potemkin, das 4. nach Berlin, die Absätze 1,2,3,4, an die 1. Verwaltung des NKVD, Gen. Nikolaev. 13.VIII.38. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 56, l. 219–221. Beglaubigte Kopie.
5 Glavnoe upravlenie pograničnoj i vnutrennej ochrany = Hauptverwaltung der Grenzund Innensicherung. 6 Hinter dem Namen steht ein Häkchen.
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16. 8. 1938 Nr. 308 Nr. 308 Schreiben des Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Davydov und des Stellv. Leiters Smolenskij an den Volkskommissar für Außenhandel Čvjalev Nr. 308 16. 8. 1938 16. 8. 1938 GEHEIM Expl. Nr. … Ausg. Nr. 267/s 17/VIII1 Berlin, 16.8.38 An den Volkskommissar für Außenhandel Gen. E.D. ČVJALEV Dieser Tage besuchte mich einer der Direktoren der F[ir]ma „Otto Wolff“, ein gewisser Gasper, der ehemalige Generaldirektor der F[ir]ma „Humboldt Deutz“. Er äußerte den Wunsch, die Zusammenarbeit zwischen uns und der F[ir]ma „Otto Wolff“ auszubauen und sprach insbesondere davon, dass die F[ir]ma „Otto Wolff“, bereit sei, uns einen Kredit in Höhe von 50 Mio. d[eutschen] Mark mit einer Laufzeit von 6 Jahren für die Nomenklatur, an der er interessiert sei, zu gewähren, d. h in Bezug auf Walzgut, Stähle, Röhren und eine gewisse Anzahl von Maschinen, wie zum Beispiel Bohrgeräte, einige von der F[ir]ma „Wirth“ hergestellte Werkzeugmaschinen, Schaufelbagger usw. Natürlich interessieren ihn vorwiegend nicht Maschinenausrüstungen, da diese Nomenklatur, die unter seiner Kontrolle steht, äußerst begrenzt ist, sondern die Sache läuft im Wesentlichen auf Röhren hinaus. Ich fragte ihn, ob sein Angebot offiziell sei. Er antwortete darauf bejahend und machte den Vorbehalt, sofern natürlich nicht während dieser Zeit Kriegshandlungen zwischen uns und Japan beginnen würden – zum ersten, und zum zweiten bat er mich, die Angelegenheit vorerst nicht öffentlich zu machen. **Er**2 fragte seinerseits, ob sein Angebot für uns von Interesse sein würde. Ich versprach, dieses Angebot weiterzuleiten und ihm das Ergebnis der Antwort mitzuteilen. Natürlich ist es für uns sehr schwierig zu beurteilen, inwiefern dieses Angebot – aus nomenklatorischer Sicht – zur Zeit von Interesse ist, aber es verdient es auf jeden Fall, erörtert zu werden. Vielleicht, dies nur als Fragestellung, würde es für uns interessant sein, binnen kürzester Zeit, sagen wir Eisenbahnschienen, Röhren für Erdölleitungen usw. zu erhalten. Aber auch sozusagen unter dem Gesichtspunkt des weiteren Ausbaus der Handelsbeziehungen, d. h., genauer gesagt aus Sicht der Politik kann dies von Interesse sein, da es gleichsam ein Sprungbrett sein würde, um die deutsche offizielle Seite dazu zu zwingen, beim Abschluss des Abkommens über den neuen 200 Mio. Kredit Zugeständnisse zu machen. Wir bitten Sie, Evgenij Denisovič, dieser Frage Ihre Aufmerksamkeit zu widmen und sie mit den entsprechenden leitenden Genossen zu erörtern3, um in dieser Angelegenheit eine gewisse Klarheit zu haben. 1 2 3
Die Ausgangsnummer und das Datum sind mit Tinte geschrieben. Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: Und. Vgl. Dok. 323.
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Nr. 309
17. 8. 1938
HANDELSVERTRETUNG DER UdSSR IN DEUTSCHLAND Davydov
Smolenskij
Vermerk E.D. Čvjalevs mit grünem Farbstift: Information versandt an Gen. Molotov und Gen. Mikojan EČ[vjalev] 13/IX.38. Vermerke E.D. Čvjalevs mit rotem Farbstift: Ablehnen4 EČ[vjalev]. A[kte] EČ[vjalev]. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel der Geheimgruppe der Geheimen Chiffrierabteilung des NKVT der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 1014/13493/6 vom 22.8.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 2 Expl. 1 [Exemplar] an den Adr[essaten], 1 zu den Akten. Auf Kopfbogen der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland geschrieben. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2763, l. 16–17. Original.
4
Nr. 309 Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov an den Volkskommissar für Außenhandel Čvjalev Nr. 309 17. 8. 1938 17. 8. 1938 GEHEIM Expl. Nr. 1 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 1921 Berlin, 17. August 1938 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUßENHANDEL DER UdSSR Gen. E.D. ČVJALEV Sehr geehrter Evgenij Denisovič, Obwohl vielfach angenommen wurde, dass die Arbeit in der Bevollmächtigten Vertretung wie Urlaub sein würde, ist dies jedoch in Wirklichkeit nicht der Fall. Es sammeln sich so viele Fragen, Probleme, Empfänge und Besuche jeglicher Art an, dass die Zeit nicht ausreicht. Natürlich arbeiten wir hier in Berlin nicht in der Nacht, aber der Tag und der Abend sind immer voll, man hat nicht einmal Zeit, einen Brief zu schreiben und seine Eindrücke zu teilen. Ich verschiebe das alles auf das nächste Treffen, das wohl im September stattfinden wird. Du hast von der Handelsvertretung bereits ein Telegramm über das Ergebnis der letzten Gespräche über die Ausdehnung des Vertrages von 1938 2 auf Österreich erhalten; diese Angelegenheit kann als in der Abschlussphase befindlich betrachtet werden.3 Es steht die Frage der Ausdehnung des Vertrages von 4 Es ist unklar, wann dieser Vermerk gemacht wurde. Zu den nachfolgenden Verhandlungen mit Vertretern der Firma „Otto Wolff“ vgl. Dok. 329, 351. 1 2 3
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Am 1.3.1938. Vgl. Dok. 207, Anm. 16. Am 31.5.1938 richteten Litvinov und Čvjalev eine Aufzeichnung über die Notwendigkeit, in dieser Angelegenheit Verhandlungen mit Deutschland aufzunehmen, an Stalin, Molotov und Mikojan. In: RGASPI, f. 17, op. 166, d. 590, l. 153–154. Im Juni 1938 begannen
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17. 8. 1938 Nr. 309 [19]254 und 19325 an, zu der ich auf die erforderlichen Weisungen des NKID und des NKVT warte, da die Deutschen eine Antwort erwarten. Was die Kreditfrage betrifft, so schweigen die Deutschen bisher, und es ist schwer zu sagen, worauf die Sache hinauslaufen wird; es ist nicht ausgeschlossen, dass sie wie eine Seifenblase zerplatzt. Ich wollte das NKVT auf die Notwendigkeit aufmerksam machen, die in der Handelsvertretung angesammelten Markerlöse zu verwerten. Sie können mühelos für die Erfüllung des Grundsatzplans für das IV. Quartal verwendet werden und insbesondere Raznoimport, Sojuzmetimport und and[ere] Vereinigungen in die Lage versetzen, in Deutschland zu Preisen, die sicherlich niedriger sind als in anderen Ländern, chem[ische] Erzeugnisse, Reagenzien, Farbstoffe, Schellack, Kugellager, Röhren, Metallerzeugnisse, Qualitätsstahl, Ersatzteile, Optik, Kulturerzeugnisse, Gesundheitsartikel und andere Waren zu kaufen. Politisch ist daran ebenfalls nichts Nachteiliges, sogar im Gegenteil, denn in diesem Jahr wird das Arbeitsvolumen mit Deutschland besonders gering sein. Ganz kurz zur Frage des Personals in der Handelsvertretung: Es ist erforderlich, zuallererst und ohne langen Aufschub die Gen. Nejmark, Gorodinskij und Lev6 Pevzner – das sind die schillerndsten Figuren, zu ersetzen; man muss jedoch auch an Gen. Michin, Gen. Točilin und andere denken. Noch zum Rat der Handelsvertretung: Kürzlich schrieb mir Gen. Davydov einen Brief mit der Bitte, Gen. Točilin als Mitglied des Rates der Handelsvertretung einen Diplomatenpass anlässlich **seines**7 Besuches zur Liquidierung der Angelegenheiten in Wien zu geben. (Er hat einen einfachen Dienstpass). Ich antwortete ihm, dass nur der Volkskommissar die Mitglieder des Rates der Handelsvertretung bestätigen und ernennen kann, nicht jedoch der Handelsvertreter, damit er das beachtet, da er solche Dinge etwas auf die leichte Schulter nimmt. Ich schreibe dies für den Fall, dass er sich an Dich wendet. Es könnte nicht schaden, sich überhaupt nach dem Stand der Zusammensetzung der Räte in den Handelsvertretungen zu erkundigen Zur Frage der Zeitschrift der Handelsvertretung8: Die Zeitschrift erscheint nicht; das ist im Grunde genommen unsere einzige legale Möglichkeit, unter den deutschen Bedingungen die Verleumdung der UdSSR zu widerlegen, und leider nutzen wir sie nicht. Ich würde vorschlagen, Gen. Davydov die Direktive zu geben, die Herausgabe der Zeitschrift mit den Kräften der Handelsvertretung zu gewährleisten und die Übersetzungsarbeit in Moskau rückgängig zu machen, da dies lediglich Bürokratismus und eine unverantwortliche Situation bei ihrer Herausgabe hervorruft.
Vorgespräche zwischen Mitarbeitern der Handelsvertretung und dem Reichswirtschaftsministerium; vgl. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2802, l. 47–50. 4 Vom 12.10.1925. Vgl. Reichsgesetzblatt 1926, Teil II, S. 2–59; DVP, Bd. VIII, Dok. 342, S. 582–617. 5 Es handelt sich um das Abkommen zwischen der Reichsbank und der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland vom 3.5.1932. Vgl. ADAP, Ser. B, Bd. XX, Dok. 72, Anlage 3, S. 157–158; DVP, Bd. XV, Dok. 200, S. 294–296. 6 So im Dokument; richtig: Roman. Vgl. Dok 504. 7 Das Wort ist über die Zeile geschrieben. 8 Zur Lage der Zeitschrift „Sowjetwirtschaft und Außenhandel“ vgl. Dok. 276, 283.
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Nr. 310
17. 8. 1938
Als ich von der Ernennung des Stellvertreters9 erfuhr, war ich erfreut, dass er [Dich] zumindest in einem gewissen Maße von einigen Angelegenheiten entlasten wird. Ich bitte Dich, Gen. Kušarov meinen Gruß zu übermitteln. Evgenij Denisovič! In meinen nächsten Schreiben werde ich auf andere Fragen der Tätigkeit der Handelsvertretung eingehen. Gruß von E.S.10 Ich würde mich freuen, wenn Du Zeit findest, mir ein paar Worte zu schreiben. Solltest Du bei Anastas Ivanovič11 sein, grüße ihn von mir. Mit Gruß A. Merekalov Vermerk E.D. Čvjalevs mit blauem Farbstift: A[kte] EČ[vjalev] Oben in der Mitte befindet sich der Stempel der Geheimgruppe der Geheimen Chiffrierabteilung des NKVT der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 1014/18331/6 vom 9.11.1938. Am Ende des Dokuments ist die Anzahl der Exemplare vermerkt: 2 Expl. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2763, l. 1–2. Original.
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Nr. 310 Schreiben des Rates der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov Nr. 310 17. 8. 1938 17. 8. 1938 GEHEIM Expl. Nr. 1 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 1941 Berlin, 17. August 1938 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN DER UdSSR Gen. M.M. LITVINOV Einige Fakten der letzten Zeit zeugen davon, dass die Vorbereitung Deutschlands auf aktive Handlungen sich in einem schnellen Tempo vollzieht. Große Militärmanöver (ohne Einladung von ausländischen Militärattachés), die in einigen Regionen durchgeführt werden, die offizielle Bekanntgabe der Einrichtung sogenannter Sperrzonen für Militärs entlang der französischen, tschechoslowakischen und der Ostgrenze (dies sind Zonen, wo neue Befestigungsanlagen errichtet werden), die Einführung der Arbeitsdienstpflicht – dies sind allgemein bekannte Tat9 Gemeint ist die Ernennung Kušarovs zum Stellv. Volkskommissar für Außenhandel der UdSSR am 7.8.1938. 10 Evgenija Semenovna Merekalova. 11 Mikojan. 1
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben.
17. 8. 1938 Nr. 310 sachen, die die deutsche Regierung selbst in der Presse veröffentlicht hat. Allein der anhaltende Kursverlust an der Berliner Börse ist ein charakteristisches Symptom für die sich verstärkende Nervosität. Dies kann durch **andere**2 Tatsachen ergänzt werden, an deren Glaubwürdigkeit kaum Zweifel aufkommen können, als da sind: die Verlegung einer sehr großen Anzahl von Arbeitern (es wird eine Zahl von 300.000 genannt) in die Grenzregionen zum Bau von Befestigungsanlagen, die Einziehung von Lastkraftwagen, die Urlaubssperre im Sommer in einigen Unternehmen (darunter auch in der Polizei). Verstärkt wird auch von einer Einberufung von Reservisten im Alter von bis zu 50 Jahren, über die Entnahme aller staatlichen Benzinreserven usw. gesprochen. Aufschlussreich ist, dass einige Informationen, die nicht in der deutschen Presse erscheinen (über die Einberufungen, über Arbeiten an Befestigungsanlagen und andere), von hiesigen Auslandskorrespondenten in der Auslandspresse veröffentlicht werden, ohne dass das Auswärtige Amt oder das Propagandaministerium etwas unternehmen, um die Verbreitung derartiger Informationen zu verhindern, obgleich diese einen Schatten auf die „Friedenspolitik“ Deutschlands werfen. Wie man sich erzählt, habe man im Propagandaministerium den Auslandskorrespondenten auf die Frage, ob die deutsche Regierung derartige Informationen nicht dementieren könne, geantwortet: „Warum sollten wir dementieren, wenn dies der Quai d’Orsay für uns besorgt“ (Anspielung auf das Pariser „Beschwichtigungs“kommuniquė vom 13.VIII.). All das zeugt nicht nur davon, dass in den letzten Wochen die Vorbereitung auf irgendwelche Operationen in einem außerordentlichen Maße vorangetrieben wurden, sondern auch davon, dass die deutsche Regierung selbst überhaupt nicht beabsichtigt, die Tatsachen an sich zu verschweigen (es werden lediglich Details verschwiegen), sondern im Gegenteil sogar bereit ist, ein wenig an der Verbreitung der Gerüchte mitzuwirken, die in einer Atmosphäre der Nervosität rund um die nächsten Absichten Deutschlands aufkommen. Es besteht kein Zweifel, dass die Tschechoslowakei das Objekt dieses Abenteuers ist. Alle Quellen sprechen darüber, dass dieses Problem in naher Zukunft gelöst werden wird. Wie man sagt, besteht dieses Problem im Verständnis Hitlers nicht im Problem der Sudeten-Deutschen – es stellt sich die Frage der Tschechoslowakei insgesamt, weil man hier sehr gut versteht, dass eine allein auf die Sudeten bezogene Fragestellung schon nicht mehr realistisch ist. Die Presse setzt beim geringsten Anlass oder auch grundlos die ungestüme und äußerst verbissene Kampagne gegen Prag fort. Nicht nur FRANÇOIS-PONCET und MASTNÝ brachten in Gesprächen mit dem Bevollmächtigten Vertreter3 ihre diesbezüglichen Befürchtungen zum Ausdruck, sondern auch Schulenburg verschwieg im Prinzip nicht, dass die Lage äußerst gespannt sei und falls keine Entspannung eintrete, könne für nichts garantiert werden, insbesondere dann nicht, „wenn einige Deutsche in der Tschechoslowakei getötet werden...“. Was den Zeitpunkt für die beabsichtigte Aktion betrifft, so liegt, wie zu hören ist, die Antwort hauptsächlich bei Runciman. Berlin will nicht offen gegen England irgendetwas unternehmen, da die Möglichkeit zu einem aktiven Vorgehen gegen die Tschechoslowakei als ausgeschlossen angesehen wird, solange sich Runci2 3
Das Wort ist mit Tinte korrigiert; ursprünglich: genaue. Aleksej Fedorovič Merekalov.
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man4 dort aufhält. Die Deutschen verbreiten überhaupt verstärkt die Version (laut Aussage eines bekannten Auslandskorrespondenten, dem Wiedemann dies vertraulich mitteilte), dass sie damit rechnen, ohne Krieg auszukommen, den sie ausdrücklich nicht wollen, und dass sie, weil sie die Fehler des 21. Mai5 nicht wiederholen wollen, alles unternehmen, um sich mit England zu verständigen und sich von dieser Seite abzusichern. Frankreich beunruhigt sie anscheinend wenig, weil es sich, wie der erwähnte Wiedemann sagte, nach dem Besuch des Königs6 völlig an England gebunden hat. Außerdem sollen die Errichtung neuer Befestigungsanlagen an der Grenze zu Frankreich und Gerüchte über neue militärische Erfindungen (es sind angeblich fliegende Raketentorpedos vorhanden, die mit Giftgas gefüllt sind und über London und Paris abgeworfen werden können) Frankreich nach dem Kalkül Berlins einschüchtern und dessen Hilfeleistung für die Tschechen paralysieren. Es erübrigt sich darauf hinzuweisen, dass die Unterstützung durch Ungarn als gesichert gilt und in den bevorstehenden Gesprächen mit Horthy7 vertraglich untermauert wird. Es verwundert nicht, dass die Deutschen, weil sie auf die psychologische Wirkung dieser Einschüchterungstaktik sowohl in Paris als auch in Prag setzen, nicht nur die Verbreitung von höchst alarmierenden Informationen über ihre Maßnahmen nicht behindern, sondern diese Gerüchte aller Wahrscheinlichkeit nach selbst breittreten. Es ist in diesem Zusammenhang anzunehmen, dass die Deutschen beim Empfang des heute mit einer großen Gruppe von Offizieren eingetroffenen Generals Vuillemin mit einer Kraftdemonstration ihrer Luftwaffe prahlen werden.8 Um auf die Frage nach dem Zeitpunkt zurückzukommen, kann lediglich gesagt werden, dass bis Mitte September wohl kaum irgendwelche entscheidenden Ereignisse eintreten werden. Noch ist Runciman in Prag, Berlin beendet die Manöver, es empfängt Horthy, und danach folgt der Parteitag9. Danach (d.h. gegen Ende September) beginnt dann jene unheildrohende Periode mit den alarmierenden Möglichkeiten, deren Anzeichen bereits im Frühjahr zu vernehmen waren. Eine Entspannung kann im Grunde genommen nur im Falle gravierender Veränderungen in England eintreten, gegen das Berlin anscheinend nicht vorgehen will. Erster Rat der Bevollmächtigten Vertretung der UdSSR in Deutschland G. Astachov 4 5
Lord Walter Runciman hielt sich vom 3.8. bis 16.9.1938 in der Tschechoslowakei auf. Es handelte sich um die so genannte Maikrise von 1938, die durch die Verbreitung von Informationen über die Konzentration von Wehrmachtseinheiten in Sachsen und Niederösterreich ausgelöst wurde und zu einer Reihe von Gegenmaßnahmen der Tschechoslowakei führte, die eine Teilmobilisierung der Armee erklärte, und die auch zu Demarchen von London und Paris an das AA führte. 6 Der offizielle Besuch von George VI. und seiner Gattin, Königin Elizabeth, in Frankreich fand vom 19. bis 22.7.1938 statt. 7 Der offizielle Besuch der ungarischen Regierungsdelegation unter der Leitung von Horthy in Deutschland fand vom 22. bis 26.8.1938 statt. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. II, Dok. 383, 390, 395. 8 Der Chef des Generalstabes der Luftstreitkräfte Frankreichs General Vuillemin hielt sich vom 16. bis 18.8.1938 auf Einladung Görings in Deutschland auf. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. II, Dok. 385, S. 488–489. 9 Der 10. Parteitag der NSDAP wurde in Nürnberg abgehalten. Vgl. Der Parteitag Großdeutschland vom 5. bis 12. September 1938. Offizieller Bericht über den Verlauf des Reichsparteitages mit sämtlichen Kongreßreden, München 1938.
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20. 8. 1938 Nr. 311 P.S. Heute wurde mir das Gerücht zugetragen, dass Runciman angeblich den Wunsch geäußert hätte, sich mit Hitler zu treffen und Wiedemann in unbekannter Richtung abgereist sei (Anspielung auf Prag!), um diesbezügliche Absprachen zu treffen. In den nächsten Tagen wird sich der Wahrheitsgehalt dieser Gerüchte aufklären. G. A. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 3157 vom 22.8.1938. Am Ende des Dokuments ist die Anzahl der Exemplare vermerkt: 3 Expl. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 56, l. 229–231. Original. Veröffentlicht in: DVP, Bd. XXI, Dok. 301, S. 438–44010.
10
Nr. 311 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 311 20. 8. 1938 20. 8. 1938 GEHEIM Expl. Nr. 1 AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS Nr. 6365 [20.8.1938] GESPRÄCH MIT DEM DEUTSCHEN BOTSCHAFTER SCHULENBURG, 20. August 1938 Schulenburg erschien, um mitzuteilen, dass er in den nächsten Tagen erneut nach Deutschland fahren müsse. Ihm wurde, erstens, empfohlen, an den Feierlichkeiten der Auslandsdeutschen in Stuttgart teilzunehmen, die fast 10 Tage andauern würden.1 Danach sei er zum Parteitag der Nationalsozialistischen Partei in Nürnberg eingeladen.2 Schulenburg verhehlt nicht, dass die Lage in Mitteleuropa erneut eine äußerst gespannte Entwicklung genommen habe. Die Tschechoslowaken würden eine durch nichts gerechtfertigte Starrköpfigkeit an den Tag legen. Äußerst rechte Elemente und Militärkreise, die Reserveoffiziere nicht ausgeschlossen, drängten die Regierung zu einem bewaffneten Konflikt mit Deutschland. Schulenburg erachte die Behauptung, wonach diese Strömung die Zustimmung und Unterstützung durch Beneš selbst finde, als falsch. Der Präsident der Tschechoslowakischen Republik sei zweifellos viel zu vernünftig und auch flexibel. Jedoch könne auch er 10
Die Veröffentlichung in DVP erfolgte ohne Legende und nach eigenen Redaktionsricht-
linien. 1
Die 6. Reichstagung der Auslandsdeutschen fand vom 28.8. bis 4.9.1938 in Stuttgart
statt. 2
Der Parteitag der NSDAP fand vom 5. bis 12.9.1938 in Nürnberg statt.
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mit der Tatsache eines bewaffneten Konfliktes seines Landes mit Deutschland in Folge einer „provokanten Politik“ der militanten Patrioten konfrontiert werden. Im Übrigen setze Schulenburg seine Hoffnungen auf Runciman.3 Er halte ihn für einen objektiven und erfahrenen Menschen mit genügend Autorität. Falls sich jedoch die Bemühungen Runcimans als vergeblich herausstellen und die Tschechoslowaken nicht auf die von ihnen geforderten Zugeständnisse eingehen sollten, könnten wohl oder übel an die Stelle von Faktoren der Überzeugung solche des Zwangs treten. In diesem Fall, so erklärt Schulenburg, wäre der Übergang Deutschlands zum Angriff keinesfalls als ein „unprovozierter Angriff“ auf die Tschechoslowakei zu betrachten. Ich entgegnete Schulenburg, wenn Deutschland die Lage in Mitteleuropa als derart bedrohlich ansehe und die Möglichkeit eines bewaffneten Konflikts mit der Tschechoslowakei nicht ausschließe4, erscheine die Meldung der ausländischen Presse als völlig glaubwürdig, wonach Deutschland Japan zu verstehen gegeben haben soll, dass es keine Möglichkeit sehe, Japan mit Waffen zu unterstützen, falls aus dem sowjetisch-japanischen Grenzkonflikt 5 ein tatsächlicher Krieg erwachse. Darauf breitete Schulenburg seltsam die Arme aus und erklärte, dass der japanische Botschafter in Berlin6 völlig unerwartet Hals über Kopf Ribbentrop aufgesucht hätte. Er hätte seine Visite nicht vorab angekündigt, ihn auf der Datscha aufgesucht und ihm in einem sehr erregten Ton den sowjetisch-japanischen Konflikt dargelegt. „Was blieb Ribbentrop übrig“, fragt Schulenburg, „als dem Botschafter einen Whisky-Soda anzubieten und ihm zu versichern, dass die Sympathien Deutschlands auf der Seite Japans sind?“ Schulenburg fügte hinzu, dass er, als er sich zum Zeitpunkt des sowjetischjapanischen Grenzkonfliktes in Berlin befand, es nicht habe fassen können, was Japan zu diesem Abenteuer getrieben hatte, da es ohnehin schon all seine Kräfte im Krieg gegen China anspannen musste. Dazu bemerkte ich, dass Japan einigen Informationen zufolge die Erschöpfung seiner Streitkräfte befürchte und deshalb erneut nach einer Möglichkeit suche, sich mit China zu verständigen. Dabei stützte ich mich auf das in der Pariser Zeitung „Ordre“ veröffentlichte Telegramm aus London, in dem interessante Details über die Vermittlerrolle der italienischen Diplomatie in den Verhandlungen der japanischen Regierung mit der projapanischen Gruppe einflussreicher Politiker Chinas gemeldet wurden. Schulenburg interessierte sich sehr für diese Bemerkung. Er erkundigte sich bei mir, ob ich die besagte Londoner Meldung als zutreffend erachte. Ich antwortete, dass ich nichts Unglaubwürdiges darin sähe, wenn man einerseits die Müdigkeit Japans und [andererseits] das allen bekannte Bestreben der italienischen Diplomatie in Betracht ziehe, politisches Kapital aus der Einmischung und Vermittlung in internationalen Konflikten zu schlagen. Ich fügte dem hinzu, dass die Italiener der Londoner Mel3 4
Vgl. Dok. 310, Anm. 4. Schulenburg führte in seiner Gesprächsaufzeichnung dazu aus: „Potemkin hat mir im Wesentlichen zugehört, ohne eine eigene Meinung zu äußern. Er hat so getan, als ob die tschechoslowakische Frage die Sowjet-Regierung zwar lebhaft interessieren, sie aber nicht besonders angehe.“ In: ADAP, Ser. D, Bd. II, Dok. 380, Anl. S. 480. 5 Gemeint ist der japanisch-sowjetische Grenzkonflikt am Chassan-See, auch Changkufeng-Zwischenfall genannt, zwischen dem 29.7. und 11.8.1938 infolge eines ungeklärten Grenzverlaufs des von Japan abhängigen Staates Manschukuo. Nach anfänglichen Erfolgen der japanischen Armee musste am Ende der japanische Botschafter um Frieden bitten. 6 Shigenori Tōgō.
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20. 8. 1938 Nr. 311 dung zufolge darum bemüht seien, ihre Verhandlungen in Hankau, Shanghai und Hongkong vor den Engländern geheim zu halten. Es sei durchaus möglich, dass sie auch die befreundete deutsche Diplomatie nicht in diese Angelegenheit einweihen. Dazu bemerkte Schulenburg, dass sich der deutsche **diplomatische Vertreter**7 in China8 in letzter Zeit in Hongkong aufhalte. Die ernste Erkrankung seiner Frau nehme ihn voll in Anspruch, deshalb sei er anscheinend nicht in der Lage, im erforderlichen Maße die Ereignisse, die sich auf dem Gebiet der japanisch-chinesischen Beziehungen vollziehen, zu verfolgen. Der nachfolgende Teil des Gesprächs mit Schulenburg trug konkreteren, praktischeren Charakter. 1. Gestützt auf eine telegrafische Information aus Berlin teilte Schulenburg mit, dass sich sieben Besatzungsmitglieder der „Komsomol“ nicht in Deutschland befinden. Die deutsche Botschaft in San Sebastian wurde beauftragt, bei deren Suche mitzuwirken. 2. Die am 30. Mai der Deutschen Botschaft in Moskau übergebene Liste der Besatzungsmitglieder der „Smidovič“, die sich in Gefangenschaft bei Franco befinden, enthielt 21 Namen. 16 Personen dieser Liste sind bereits gegen deutsche Staatsangehörige ausgetauscht worden und befinden sich in Freiheit. Die Freilassung von vier Personen von den verbliebenen fünf Personen steht in den nächsten Tagen bevor. Die Verhandlungen zum Austausch von Kapitän Glotov schreiten sehr erfolgreich voran.9 Das Auswärtige Amt teilt mit, dass die deutsche Regierung bereits jetzt alle Anstrengungen zur Freilassung der sowjetischen Seeleute unternimmt und in lebhaftester Weise an einem Austausch gegen deutsche Staatsangehörige, die sich in Gefangenschaft bei den Republikanern befinden, interessiert ist.10 3. Die Deutsche Botschaft bittet das NKID, seine Aufmerksamkeit auf die Verzögerung bei der Ausweisung von inhaftierten deutschen Staatsangehörigen zu lenken, die in den letzten Monaten zu beobachten ist. Im April wurden 112 Personen ausgewiesen. Im Mai und Juni wurden jeweils 26 Personen ausgewiesen, im Juli waren es 16. Die Botschaft bittet das NKID um Unterstützung für eine erneute Beschleunigung der Ausweisungen. Die Botschaft erinnert an einige ihrer Anfragen zum Schicksal von deutschen Staatsangehörigen in der UdSSR. Bis jetzt ist keine Antwort auf diese Anfragen eingegangen. Schulenburg hat in dem mir überreichten Schreiben alle entsprechenden Fälle aufgelistet.11 V. Potemkin 7 8 9
Der Text ist über die Zeile geschrieben. Martin Fischer. Zu den Bemühungen um die Freilassung der in Gefangenschaft bei den FrancoTruppen befindlichen sowjetischen Besatzungsmitglieder vgl. Dok. 17, 36, 46, 96, 138. 10 Schulenburg hatte im Gespräch mit Potemkin am 9.6.1938 bereits die Bedingungen für die Freilassung der inhaftierten sowjetischen Seeleute zur Sprache gebracht: „Ihre Freilassung ist in kürzester Frist möglich, wenn sich die sowjetische Regierung damit einverstanden erklärt, Einfluss auf die republikanischen Behörden Spaniens zu nehmen, damit im Austausch gegen 28 Personen der Besatzungen der ‚Komsomol‘ und der ‚Smidovič‘ exakt die gleiche Anzahl deutscher Staatsangehöriger, die von den spanischen Republikanern inhaftiert sind, freigelassen werden.“ In: AVP RF, f. 011, op. 2, p. 20, d. 206, l. 128–129. 11 Schulenburg hat in der Aufzeichnung dieser Unterhaltung, die mit einem Begleitschreiben an Woermann ging, deren außenpolitische Seite beleuchtet. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. II, Dok. 380, Anl. S 480–481.
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Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. Das 1. [Exemplar] zu den Akten, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an die 2. Westabteilung, das 4. nach Berlin. 20.VIII.38. AVP RF, f. 011, op. 2, p. 20, d. 206, l. 22–25. Original. Veröffentlicht in: DVP, Bd. XXI, Dok. 302, S. 440–44212.
12
Nr. 312 Aufzeichnung der Deutschen Botschaft in Moskau Nr. 312 20. 8. 1938 20. 8. 1938 Moskau, den 20. August 1938 Tgb.Nr. C IV a Verh. adh. Notiz1 a) Der Botschaft sind gegenwärtig etwa noch 300 Verhaftungen deutscher Reichsangehöriger bekannt. In 150 Fällen liegt der Zeitpunkt der Verhaftung vor dem August 1937. In diesen Fällen hatte die Botschaft das Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten um Mitteilung über den Stand des Verfahrens, den derzeitigen Gewahrsamsort der Verhafteten und ihren Gesundheitszustand gebeten. Die Verbalnoten der Botschaft sind trotz Erinnerung unbeantwortet geblieben. In einer Reihe von Haftfällen liegt der Zeitpunkt der Festnahme sogar mehr als zwei Jahre zurück. b) In den letzten Monaten ist zahlenmäßig ein auffälliger Rückgang bei der Ausweisung verhafteter deutscher Reichsangehöriger eingetreten. Es ergibt sich statistisch folgendes Bild: November 1937 Dezember 1937 Januar 1938 Februar 1938 März 1938 April 1938 Mai 1938 Juni 1938 Juli 1938
59 Ausweisungen 88 ˮ 103 ˮ 70 ˮ 75 ˮ 112 ˮ 26 ˮ 26 ˮ 16 ˮ
c) Bemerkenswert ist ferner, dass bisher von den im westsibirischen Gebiet verhafteten 31 deutschen Reichsangehörigen erst ein einziger Fall durch Ausweisung erledigt worden ist, obwohl sich allein 28 Verhaftete länger als 1 Jahr in Haft befinden. Aus den Gebieten Rostow am Don, Saratow u. a., in denen sich ebenfalls 12 Die Veröffentlichung in DVP erfolgte ohne Legende, nach eigenen Redaktionsrichtlinien und mit Kürzungen, die von den Herausgebern nicht gekennzeichnet wurden (Punkt 3). 1 Die Notiz ist einem Bericht vom 20.8.1938 angefügt, der von Tippelskirch an das AA geschickt wurde; vgl. PA AA, R 104403, o.P.
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22. 8. 1938 Nr. 313 mehrere Reichsangehörige in Haft befinden, sind Ausweisungen überhaupt noch nicht erfolgt. d) In den Haftfällen Gottlieb Ave2 und Wilhelm Strübing3 war der Botschaft von dritter Seite mitgeteilt worden, dass die Verhafteten verstorben seien. Die Botschaft hatte mit Verbalnoten vom 23.5., 7.6. und 28.7.1936 bzw. vom 30.4., 5.6. und 28.7.1938 das Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten um Nachprüfung der Angaben und Mitteilung des Ergebnisses gebeten. Den um das Schicksal sehr besorgten Angehörigen konnte bisher keine Auskunft erteilt werden, da die Verbalnoten der Botschaft unbeantwortet geblieben sind. e) In den Fällen Wilhelm Eimecke, Albert Lutzmann, Gustav Schlageter und Hans Wieser, in denen dem Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten am 2. Juli d. J. eine Notiz überreicht worden ist, ist auch in der Zwischenzeit keine Antwort erfolgt. Der Botschaft sind ferner noch eine Anzahl Fälle bekannt, in denen deutsche Reichsangehörige in der Sowjetunion verschwunden sind und über deren Verbleib eine Auskunft vom Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten bisher nicht zu erhalten war. In diesem Zusammenhang darf auf die Fälle Fritz Donnebaum (Verbalnote der früheren Österreichischen Gesandtschaft vom 11.2.1938) und Arthur Zehle (Verbalnote vom 12.5. und 6.7.1938) verwiesen werden. Auf erstem Blatt oben: Abschr. aus A 1194/38., PA AA, Moskau 380, o. P., 2 Bl.
Nr. 313 Schreiben des Militärattachés in Moskau Köstring an den Chef der 3. Abteilung im Generalstab des Heeres von Tippelskirch Nr. 313 22. 8. 1938 22. 8. 1938 Moskau, den 22.8.38 Der Militär- und Luftattaché Lieber Herr v. Tippelskirch! Zu meinem Telegramm vom 17.8.38 über Regelung der Sprache möchte ich bemerken: Nach der Anweisung zur Regelung der Sprache der Militärattachés über die militärischen Maßnahmen in Deutschland v. 20.6. werden diese Maßnahmen doch so dargestellt, dass sie Vorgänge betreffen, die im Rahmen unserer Aufrüstung selbstverständlich sind. Ausgehend von dem Ausfall der Herbstübungen im Gelände, um eine Verschleppung der Maul- und Klauenseuche zu verhüten, muss der Erlass doch so aufgefasst werden, dass die besonderen Maßnahmen mit der augenblicklichen politischen Lage nichts zu tun haben. 2 3
Vgl. Rückkehrer-Vernehmungsakte der Ehefrau in: PA AA, R 150086. Vgl. Rückkehrer-Vernehmungsakte des Sohnes in: PA AA, R 153719.
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Nr. 313
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Dieser Tage wurde mir die Regelung der Sprache des Auswärtigen Amts betreffs der tschechischen Frage bekannt gegeben, die doch eine andere Tendenz zeigte. Sie wird sicher auch bekannt sein. Darin wird unter Betonung unserer Bereitschaft zum Frieden darauf hingewiesen, dass die tschechischen Provokationen einen Umfang annehmen können, die wir uns nicht gefallen lassen werden. Die Richtlinien dieser Sprachregelung gehen doch weiter als die des RKM vom 20.6. Durch das zeitliche Auseinanderliegen von 2 Monaten der beiden Anweisungen und die Entwicklung der Dinge ist das ja erklärlich. Bei den sehr zahlreichen Anfragen, Anspielungen über die militärischen Maßnahmen bei uns, hielt ich mich doch für verpflichtet, um eine neue Sprachregelung zu bitten, wenn es mir auch gelungen ist, unter Zugrundelegung der beiden Anweisungen mich unbequemen Fragen zu entziehen. „Ich weiß nicht“ als Antwort, was für mich ja das Leichteste und Harmloseste wäre, halte ich aber bei der jetzigen Lage für bedenklich. Hinter diesen Worten des deutschen Militärattachés wird das Gefährlichste vermutet. In der angeführten Anweisung des Auswärtigen Amtes zur Sprachregelung wird die SU etwa mit den Worten abgetan „Russland kann und will nicht“, m. E. zumindestens militärisch als nicht in Rechnung zu stellender Faktor betrachtet. Wie weit die SU politisch in Rechnung zu stellen ist, ist nicht meine Sache zu beurteilen. Dagegen warnte ich schon öfters davor, die Vorgänge in der SU in ihren Auswirkungen auf die Armee und auch auf anderen Gebieten zu überschätzen. Vorigen Herbst habe ich den damaligen Botschafter v. Ribbentropp, der mich zu sich bat, in diesem Sinne orientiert, bei meinem kurzen Vortrag anlässlich der Attachébesprechung im Februar ihm gesagt, dass ich meine Beurteilung der SU in dieser Hinsicht nicht geändert habe. Die gleiche Auffassung habe ich, wie Sie ja wissen, dem Ob[erbefehlshaber] d. H[eeres]1 und dem Chef des Gen.Stabes2 gegenüber vertreten. Ich möchte meine Auffassung nochmals kurz zusammenfassend dahin festlegen: Durch die Beseitigung der weitaus größten Anzahl von höheren Offizieren, die durch ein Jahrzehnt der Übung und des theoretischen Lernens ihr Handwerk teilweise recht gut beherrschten, ist die Rote Armee in ihrem operativen Können gesunken. Das Fehlen älterer und erfahrener Kommandeure wird sich auch auf die Ausbildung der Truppe noch längere Zeit ungünstig auswirken. Der schon stets bestehende Mangel an Verantwortung wird jetzt noch nachteiligere Auswirkungen haben. Die besten Führer fehlen. Es lässt sich durch Nichts erkennen und belegen, dass die Schlagkraft der Masse soweit gesunken ist, dass die Armee nicht einen sehr beachtenswerten Faktor bei einer kriegerischen Auseinandersetzung darstellt. Wehrwirtschaftlich wäre zu sagen: Organisation, Weiterentwicklung der Wehrwirtschaft sind ebenso wie die Industrie stark beeinflusst worden, eine zeitweilige Stagnation erkennbar gewesen. Bei der „Beratung“ des Budgets wurde bekannt, dass von den voriges Jahr bewilligten etwa 20 Milliarden für den Militäretat nur 17 Milliarden ausgegeben sind. Diese Einsparung bei dem Wehrwillen der Regierenden könnte zu dem Schluss führen, dass die Rüstungsindustrie nicht in der Lage 1 2
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Walther von Brauchitsch. Ludwig Beck.
22. 8. 1938 Nr. 313 gewesen ist, die Anforderungen der Armee zu befriedigen. Ich glaube nicht daran. Denn bei Beobachtung der wirtschaftlichen Entwicklung hat man den bestimmten Eindruck, dass das zeitweise Stagnieren weniger auf das Fehlen der abgewürgten alten Leiter, als auf die Mängel des Systems im Ganzen zurückzuführen ist. Die Produktionszahlen bleiben kaum hinter dem Plan zurück. Der Gedanke an eine Zerrüttung der Wirtschaft ist abwegig. Mängel und Fehler überall, von der Belieferung der Bevölkerung mit Gemüse bis zu den Bauten der Fabrikgiganten. Trotzdem muss angenommen werden, dass die Versorgung der Armee im Kriegsfalle, wenn auch knarrend, so doch ausreichend erfolgen wird. Ein Wort noch über die inneren Schwierigkeiten: Einem Hundertmillionenvolk von unzufriedenen, aber duldenden Menschen steht ein Dutzend Millionen Nutznießer des Systems, jetzt meist jüngere Menschen, gegenüber. Geleitet, kontrolliert von einer Halbmillionenarmee GPU, die an keinen Kriegshandlungen teilnehmen, nur bestimmt zur Bändigung in der Heimat einer unorganisierten Masse. Letztere wird den Krieg begrüßen, da es ihre Hoffnung auf eine Änderung gibt, den Wunsch zur Sabotage und Schädigung haben. Das Können wird ihr fehlen. Vielleicht könnte man sich ein Urteil über die Kampftüchtigkeit der Roten Armee nach den Vorfällen am Chassan-See3 bilden – wenn man nicht nur auf japanische Nachrichten angewiesen wäre. Bei den angegebenen Zahlen der Toten, Verwundeten und Beute lügen meine Freunde, die Japaner, ebenso wie die Russen. Die Meldung der Japaner von Überläufern, Totschießen eines Tankkommandeurs nach verfehlter Unternehmung, Einschließung der Besatzung in den Tanks, die geringe Treffsicherheit der roten Flieger und die Blindgänger der Fliegerbomben sind nicht nachzuprüfen. Aber bei allen Armeen hebt es doch das Selbstbewusstsein der Truppe, wenn man den Gegner als minderwertig darstellt. Ich will deshalb dem Japaner diese berechtigte Kriegsmaßnahme nicht verübeln. Ich kann sie aber für Beurteilung der Kampffähigkeit der R.A. des F.O. nicht für ausschlaggebend bezeichnen, solange ich sie nicht nachprüfen kann. Wir haben ja im Weltkriege auch häufig behauptet, dass die russischen Truppen nur durch eigene M.G.4 und die Peitsche der Kosaken zum Angriff gebracht werden konnten. Deutsche/Russen 1 : 2 waren sie doch immer ein recht beachtlicher Gegner, wenn auch damals schon Versorgung und Nachschub nicht klappte. Man kann verschiedener Meinung sein, ob nun der japanische Botschafter5 oder Litwinow den politischen Sieg in der Mandschurei davongetragen hat. Eines steht aber fest: In den vielen Zwischenfällen an der mandschurisch-russischen Grenze hat die SU noch kein Mal mit solcher Hartnäckigkeit und Zähigkeit ihre politische Stellung verteidigt. Rücksichtslos mit ihren Bombern und Fliegern „im Frieden“ auf das Hinterland des Gegners übergegriffen. Sei es nun, ob Asien, besonders China gegenüber das Gesicht zu wahren, sei es, um sein in der letzten Zeit doch gesunkenes Prestige zu heben. Sie hätte es nicht getan, wenn die Armee ihr nicht zuverlässig erschienen wäre. Der Bluff hat hier eine Grenze. Nach deutschen Zeitungsmeldungen stehen die Japaner jetzt hinter dem Tjumen’-Fluss. 3 4 5
Vgl. Dok. 311, Anm 5. M.G. = Maschinengewehre. Mamoru Shigemitsu.
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Nr. 314
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Zusammenfassend: Die erfahrensten Köpfe der Armee sind fort. Die Masse unter junger Führung und die wehrwirtschaftlichen Möglichkeiten bleiben bestehen. Die Bereitstellung dieser Masse an der Grenze allein werden auf benachbarte und andere Länder ihren Eindruck nicht verfehlen, Gegenmaßnahmen jedes Gegners, also auch bei uns, auslösen müssen.6 Heil Hitler Ihr Köstring Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben: 26/8 T[ippelskirch]. BA MA, N 123/9, 5 Bl. Veröffentlicht in: General Ernst Köstring, S. 201–204.
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Nr. 314 Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA Nr. 314 26. 8. 1938 26. 8. 1938 Moskau, den 26. August 1938 Tgb.Nr. A/1254 Im Anschluss an den Drahtbericht Nr. 158 vom 22. d. M.1 Politischer Bericht Inhalt: Sowjetunion – Tschechoslowakei Nach meiner Rückkehr nach Moskau habe ich mich wie üblich zu einem Besuch beim Außenkommissar Litwinow anmelden lassen. Litwinow empfing mich am 22. d. M. Über den Verlauf meiner Unterredung mit ihm habe ich telegraphisch berichtet. 2 Nach einigen einleitenden Worten kam die Rede sehr bald auf die tschechoslowakische Frage und es kam nach und nach eine längere Unterhaltung zustande, bei der ich mich an die Richtlinien des Erlasses Pol. I 1770 g (IV) vom 3. d. M.3 hielt. Ich fasse die wesentlichsten Punkte der Ausführungen Litwinows in Folgendem zusammen: Litwinow erklärte, die Sudetendeutschen wollten innerhalb der tschechoslowakischen demokratischen Republik den Nationalsozialismus einführen. Es sei unmöglich, in einem Staate verschiedene Regierungssysteme, z. B. Monarchie und Republik, zu vereinigen. Als ich widersprach und neben geschichtlichen Bei6 Von Tippelskirch antwortete am 29.8.1938 auf diesen Brief; vgl. General Ernst Köstring, S. 204. 1 Vgl. Telegramm Nr. 158 von Schulenburg an das AA vom 22.8.1938. In: PA AA, Moskau 553, Bl. 212861-212862. Das Telegramm wurde abgefangen und von Ežov am 21.9.1938 an Vorošilov geschickt. In: RGVA, f. 33987, op. 3, d. 1080, l. 167-168, 161. 2 Außer dem in Anm. 1 genannten Telegramm berichtete Schulenburg am 22.8.1938 an Woermann u.a. über das Treffen und fertigte eine Aufzeichnung über das Gespräch an; vgl. ADAP, Ser. D, Bd. II, Dok. 380, 381. 3 Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. II, Dok. 331, S. 420–422.
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26. 8. 1938 Nr. 314 spielen auf Danzig hinwies, wo sich alles beruhigt habe, seitdem dort der Nationalsozialismus herrsche, bemerkte Litwinow, Danzig sei seitdem für Polen verloren; es habe die Stadt längst „abgeschrieben“; sie sei jetzt ohne Bedeutung für Polen. Ich wies Litwinow darauf hin, dass die Tschechen durch die Reden der britischen und französischen Staatsmänner und durch die Zusicherungen von Hilfe zu der hartnäckigen Ablehnung der sudentendeutschen Forderungen ermuntert worden seien. Litwinow bemerkte hierzu, die Sowjetunion betrachte die sudetendeutsche Frage als innere Angelegenheit der Tschechoslowakei. Die Sowjetunion habe sich in keiner Weise eingemischt und der Tschechischen Regierung keinerlei Ratschläge gegeben, weder in der einen noch in der anderen Richtung. Sie werde dies auch in der Zukunft nicht tun. Litwinow erklärte im weiteren Verlauf des Gesprächs, die Tschechoslowakei werde unter keinen Umständen Deutschland angreifen. Ich erwiderte ihm, es drehe sich hier nicht um einen Angriff schlechthin, sondern darum, ob der Angriff provoziert oder nicht provoziert ist. Wir könnten und würden uns nicht alles gefallen lassen. Vor allem aber wünschten wir eine friedliche Lösung der sudetendeutschen Frage. Litwinow entgegnete, selbst die wildesten tschechischen Heißsporne wollten keinen Krieg und keinen Angriff auf Deutschland und würden sich schwer hüten, Deutschland zu provozieren. Ihre Forderung sei lediglich, dass man sich gegen einen deutschen Angriff energisch verteidige und nicht nachgebe. Das sei ihr gutes Recht. In Wirklichkeit lägen die Dinge aber ganz anders: Deutschland sorge sich gar nicht so um die Sudetendeutschen; es erstrebe die Vernichtung der gesamten Tschechoslowakei, es wolle das Land erobern. Natürlich ziehe Deutschland es vor, sein Ziel mit friedlichen Mitteln zu erreichen. Ein Krieg sei immer ein Risiko. Jeder werde versuchen, einen Krieg zu vermeiden, wenn er ohne ihn seinen Zweck erreichen könne. Solle es aber zum Kampfe kommen, so sei es klar, dass Deutschland der unprovozierte Angreifer sei. Es stehe fest, dass Frankreich dann mobilmachen und England Frankreich folgen werde. Die Britische Regierung könne nicht mehr zurück, selbst wenn Chamberlain es wollen sollte. Die Sowjetunion habe der Tschechoslowakei ihre Unterstützung zugesagt; sie werde ihr Wort halten und ihr Bestes tun. Auf meine Frage, ob Litwinow wirklich glaube, dass die Mächte einen großen europäischen Krieg der Tschechen wegen vom Zaune brechen würden, erwiderte der Volkskommissar, es handele sich weniger um die Tschechen, als um Machtfragen. Die Sowjetunion trage keinerlei Verantwortung für die Schaffung und Zusammensetzung des tschechoslowakischen Staates; sie habe nicht in Versailles gesessen; dagegen müsse sie jeden Machtzuwachs des gewalttätigen angriffslustigen nationalsozialistischen Deutschlands bekämpfen. Litwinow bemerkte dazu: wenn noch das alte demokratische Deutschland vorhanden wäre, hätte die tschechoslowakische Frage für die Sowjetunion ein ganz anderes Gesicht. Die Sowjets seien stets für das Selbstbestimmungsrecht der Völker eingetreten. Aus meinen Eindrücken von der Unterhaltung mit Litwinow möchte ich anführen, dass, wenn Litwinow auch nur davon sprach, Frankreich werde „mobilmachen“, es für mich nicht zweifelhaft ist, dass er mit diesem Ausdruck gemeint hat, Frankreich werde Deutschland angreifen. Bemerkenswert ist ferner, dass die Äußerungen Litwinows wiederholt Spitzen gegen die britische Politik enthielten.
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Obwohl die Unterredung verhältnismäßig eingehend und langdauernd war, war Litwinow nicht ohne Mühe zum Reden zu bewegen. Meine Anstrengungen, Litwinow zu einer Äußerung darüber zu bringen, wie eine eventuelle Hilfe der Sowjetunion an die Tschechoslowakei aussehen werde, sind vergeblich gewesen. Der Außenkommissar ist einer Beantwortung dieser Frage immer wieder ausgewichen. In Anbetracht der Bedeutung des Ausspruches Litwinows, die Sowjetunion habe der Tschechoslowakei ihre Unterstützung zugesagt, sie werde ihr Wort halten und ihre Bestes tun, habe ich die Möglichkeiten, die der Sowjetunion hierfür zu Gebote stehen, einer Prüfung unterzogen. Das Ergebnis ist in der beigefügten Aufzeichnung4 niedergelegt, deren Inhalt im Benehmen mit dem Herrn Militärattaché5 und dem Herrn Marineattaché6 ausgearbeitet ist. Die Untersuchung kommt zu folgenden Schlüssen: 1.) Während die Sowjetunion bestrebt ist, Frankreich und England gegen Deutschland vorzuschicken, wird sie sich selbst zurückhalten. Das schließt nicht aus, dass sich Frankreich und die Tschechoslowakei mit der Sowjetunion über die Art der Hilfeleistung verständigen oder verständigt haben. 2.) Die Sowjetunion wird nicht gegen Deutschland marschieren, weil sie keine gemeinsame Grenze mit Deutschland hat. Sie wird aber zumindest die westlichen Wehrkreise mobil machen. 3.) Die Sowjetunion kann Deutschland aus der Luft angreifen. 4.) Die Sowjetunion kann durch Einsatz von U-Booten, leichten SeeStreitkräften und See-Flugzeugen sowie durch Minenuntersuchungen die deutschen Erzverschiffungen von Schweden und Nord-Norwegen erheblich stören. 5.) Die Sowjetunion kann mit See- und Landflugzeugen über die Ostsee Ostpreußen angreifen und auch durch U-Boote die Seeverbindung zwischen dem Reich und Ostpreußen stören. 6.) Die Sowjetunion wird unter Ausnutzung aller Möglichkeiten die Tschechoslowakei weitgehend mit Kriegsmaterial vor allem mit Flugzeugen beliefern. Die Entsendung von Truppenformationen nach der Tschechoslowakei ist schwer zu bewerkstelligen und liegt auch nicht im sowjetischen Interesse. Die Entsendung von militärtechnischem Personal ist nicht ausgeschlossen. 7.) Die Sowjetunion wird, wo immer es Deutschland Schaden bringt, die Arbeiter gegen Deutschland aufwiegeln. Sowjetpropaganda und Sowjetgeld werden in allen Ländern und auf allen Gebieten, auch mit Hilfe der marxistischen und jüdischen Presse, in verstärktem Maße gegen Deutschland eingesetzt werden. Abschließend möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass die überwiegende Überzeugung des hiesigen diplomatischen Corps dahin geht, dass im Falle eines deutsch-tschechischen bewaffneten Konflikts Frankreich Deutschland angreifen und England an der Seite Frankreichs stehen werde. Dies haben die Herren der hiesigen Englischen Botschaft und der Französischen Botschaft wiederholt uns gegenüber geäußert. Was die Sowjetunion anlangt, so glauben meine hiesigen Kollegen, 4 Vgl. Durchdruck ohne Unterschrift und Datum. In: PA AA, Moskau 553, Bl. 212806212813. 5 Ernst Köstring. 6 Norbert von Baumbach.
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29. 8. 1938 Nr. 315 dass sie so wenig wie möglich tun wird, damit sie am Schluss des Krieges über eine intakte Armee verfügt. Infolgedessen würde die Sowjetunion schließlich der einzige Nutznießer sein. Bezeichnend hierfür ist die folgende Bemerkung meines hiesigen französischen Kollegen7: „Ich hoffe von Herzen, dass es zu keinem deutschfranzösischen Konflikt kommt. Sie wissen ebenso gut wie ich, für wen wir arbeiten, wenn wir uns in die Haare geraten.“ gez. Graf von der Schulenburg Auf erstem Blatt oben: 4 Durchschläge (davon 1 an Herrn Direktor der politischen Abteilung im Auswärtigen Amt – persönlich); 1 Abdr(uck) an Gen. Köstring 3/9, 1 Abdr. an Mar.Att. v. Baumbach 7/9. Darunter: H. Schwinner [mit Abzeichnung] zgk und z.d.A. von T[ippelskirch] 30/8. Unten: ab 29.8.38 Gü[nther] (1 Durchschlag liegt dem Herrn Botschafter vor). PA AA, Moskau 553, Bl. 212800-212805. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. II, Dok. 396, S. 501–503.
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Nr. 315 Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an den Leiter der Politischen Abteilung im AA Woermann Nr. 315 29. 8. 1938 29. 8. 1938 Moskau, den 29. August 1938 Sehr geehrter Herr Woermann! Unter Bezugnahme auf mein Telegramm Nr. 167 vom 27. d. M.1 möchte ich Ihnen zu meiner zweiten Unterredung mit Herrn Litwinow2 Folgendes mitteilen: Als ich die Bemerkung fallen gelassen hatte, Polen und Rumänien würden sowjetischen Truppen kaum das Durchmarschrecht gestatten, hat mir Herr Litwinow erwidert, Rumänien mache sich ernsteste Sorgen wegen der Zukunft; es fürchte selber an die Reihe zu kommen, wenn die Tschechoslowakei durch Deutschland erledigt sein werde. – Ich habe mich nicht dem Eindruck entziehen können, dass Herr Litwinow mit seiner Bemerkung über die rumänischen Ängste bei mir den Eindruck erwecken wolle, als ob es keinesfalls ausgeschlossen sei, dass Rumänien den sowjetischen Durchmarsch **gestatten werde**3. Ich bezweifle auch weiter, dass der König von Rumänien4 jemals sowjetische Truppen in sein Land hinein lassen wird. Aber Herr Litwinow liebt es ja, bei anderen falsche Eindrücke zu schaffen, soweit es ihm gelingt. In der Anlage übersende ich Ihnen zwei Aufzeichnungen5. Die eine betrifft eine Unterredung des Botschaftsrats von Tippelskirch mit seinem italienischen 7
Robert Coulondre.
1 2
Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. II, Dok. 397, S. 504. Eine sowjetische Aufzeichnung über dieses zweite Gespräch wurde in den durchgesehenen Akten des AVP RF nicht gefunden. 3 Der Text ist korrigiert; ursprünglich: gestattet. 4 Carol II. 5 Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. II, Dok. 403, S. 522–524.
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Kollegen6; die anderen Gespräche des Herrn von Herwarth mit einer ganzen Anzahl jüngerer hiesiger Diplomaten. Diese Unterhaltungen bringen im Wesentlichen nichts Neues, aber viele recht interessante Einzelheiten, u. a. die Erklärung eines britischen Diplomaten, die Rumänische Regierung habe der Englischen Regierung offiziell erklären lassen, dass sie sowjetischen Truppen den Durchmarsch durch Rumänien nicht gestatten werde. Bemerkenswert erscheint mir auch die Äußerung eines französischen Diplomaten, der ebenso wie Herr Litwinow behauptete, die Tschechoslowakei könne Deutschland überhaupt nicht provozieren; das sei bei einem kleinen Staate gegenüber einer Großmacht ausgeschlossen. Spätestens werden wir uns in Nürnberg sehen. Inzwischen darf ich Ihnen meine besten Grüße übersenden. Mit Heil Hitler! bin ich, sehr geehrter Herr Woermann, Ihr stets ganz ergebener [Schulenburg] Auf erstem Blatt oben: Unterstaats-Sekr. Dr. W. Bln. AA, zdA v. T[ippelskirch] 31/8. Unten: ab 29.8.38 Gü[nther]. PA AA, Moskau 553, o. P., 2 Bl. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. II, Dok. 403, S. 521–522.
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Nr. 316 Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin Nr. 316 29. 8. 1938 29. 8. 1938 Geheim Expl. Nr. 6 Nr. 5453/l. 29. August 1938 AN DEN GENERALSEKRETÄR DES ZK DER VKP (B) Gen. STALIN Kopie an: Gen. MOLOTOV Die Auslandspresse schreibt in den letzten Tagen viel über die angebliche Demarche des deutschen Botschafters in Moskau, Schulenburg, mit der wir unter Hinweis auf die Nichteinmischung Deutschlands in den Changhufeng-Zwischenfall1 überredet werden sollten, uns nicht in den deutsch-tschechoslowakischen Konflikt einzumischen. Ich halte es für notwendig mitzuteilen, dass diese Meldung eine Erfindung ist. Schulenburg hat keine Demarche vorgetragen, er hat sich in letzter Zeit mit keiner6
Vincenzo Berardis.
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Vgl. Dok. 311, Anm. 5.
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31. 8. 1938 Nr. 317 lei Aufträgen an mich gewandt. Vor seiner Abreise zum Nürnberger Parteitag2 kam er zu mir und nahm dies zum Anlass, um mir sein Weh und Ach wegen des heraufziehenden Krieges zu klagen.3 Auf seine Initiative oder im Auftrag der Regierung war er klar bestrebt, in Erfahrung zu bringen, welche Stimmungen in dieser Hinsicht in Prag und in Paris vorherrschen. Ich hielt es für angebracht, ihm zu sagen, dass das tschechoslowakische Volk im Falle eines deutschen Überfalls erbitterten Widerstand leisten und Frankreich gezwungen sein werde, ihm zur Hilfe zu eilen. Dazu hat Schulenburg keinerlei Bitten oder Vorschläge an mich herangetragen. LITVINOV Vermerk mit Bleistift: A[rchiv]. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 6 Expl. [Die Exemplare] 1–3 an die Adresse, das 4. [Exemplar] an Gen. Potemkin, das 5. an Gen. Litvinov, das 6. ins Archiv. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 138, d. 2, l. 135. Kopie. Veröffentlicht in: SSSR-Germanija: 1932–1941, Dok. 119, S. 204.
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Nr. 317 Auszug aus dem Bericht des Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Davydov an den Volkskommissar für Außenhandel Čvjalev und den Stellv. Volkskommissar Kušarov Nr. 317 31. 8. 1938 31. 8. 1938 GEHEIM1 Ausg. Nr. 281/s 31/VIII2 Berlin, 31.8.1938 An den Volkskommissar für Außenhandel *Gen. Čvjalev*3 Stellv[ertretendenden] Volkskommissar für Außenh[andel] Gen. Kušarov Zum Zwecke der Beseitigung der Folgen der Schädlingstätigkeit haben wir eine Reihe von Verträgen und Aufträgen zu einer Analyse herangezogen, in deren Ergebnis ich Ihnen Material über den geleisteten Teil übersende. Bitte lassen Sie 2 3
Der Parteitag der NSDAP fand vom 5. bis 12.9.1938 in Nürnberg statt. Gemeint ist das Gespräch von Schulenburgs mit Litvinov am 22.8.1938; vgl. Dok. 314. Die sowjetische Aufzeichnung dieses Gesprächs ist bis jetzt im AVP RF nicht auffindbar. Über den Inhalt des Gesprächs unterrichtete Litvinov noch am gleichen Tag in einem Telegramm Merekalov und Aleksandrovskij. Vgl. DVP, Bd. XXI, Dok. 305, S. 447. 1 2 3
Das Wort ist mit blauem Farbstift geschrieben. Die Ausgangsnummer und das Datum sind mit Tinte geschrieben. Der Adressat ist mit rotem Farbstift unterstrichen.
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uns Ihre Überlegungen zu diesem Material zukommen und informieren Sie uns auch über das bei Ihnen über die Handelsvertretung in Deutschland vorhandene Material, das jedoch der Nachbearbeitung vor Ort bedarf. HANDELSVERTRETER Davydov […] Die gestellte Aufgabe einer schnellsten Beseitigung der Folgen von Schädlingstätigkeit im Außenhandelssystem schlug verständlicherweise auch das Kollektiv der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland, wo lange Zeit Volksfeinde und Spione verschiedener Couleur ihrer verräterischen Sache nachgingen, in ihren Bann. Die vom Kollektiv der Handelsvertretung durchgeführte Arbeit zur Aufdeckung konkreter Fakten von Schädlingstätigkeit wird zweifellos ein positives Moment darstellen: hinsichtlich der Mobilisierung des Kollektivs der Handelsvertretung zur Offenlegung der kriminellen Methoden der Volksfeinde; zur Erhöhung der Wachsamkeit bei der täglichen Arbeit; sie wird dabei helfen, sowohl offensichtliche als auch noch versteckte Möglichkeiten für Machenschaften und Versuche von Schädlingstätigkeit der noch unentdeckten Schädlinge und Spione besser zu erkennen. Die konkreten Fakten oder Annahmen von Schädlingstätigkeit, die von uns nachstehend dargestellt werden, gehen im Wesentlichen in drei Richtungen, und zwar: 1) in Bezug auf den Abschluss von Handelsverträgen, die von der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland mit Deutschland geschlossen wurden; 2) in Bezug auf die operative Exporttätigkeit und 3) in Bezug auf die operative Importtätigkeit. Nimmt man die Frage der Handelsverträge (obwohl dies bereits bekannt ist, da darüber seinerzeit ausführlich an das NKVT geschrieben wurde) – so verfolgten die Volksfeinde, nachdem sie sich bei deren Abschluss ein Monopol gesichert hatten, hier *eine Politik der Versorgung des faschistischen Deutschland mit den benötigten Rohstoffen für die Aufrüstung des Faschismus*4. Die abgeschlossenen Verträge spiegelten größtenteils die Interessen des Faschismus wider, da sie konkrete Verpflichtungen der UdSSR enthielten, Deutschland die benötigten Waren in genau festgelegten Mengen und innerhalb bestimmter Fristen zu liefern. Die deutsche Seite hingegen, und folglich die deutschen Firmen, hatten keine Verpflichtungen uns gegenüber und waren daher frei bei der Lieferung oder Nichtlieferung der Ausrüstungen, an denen wir interessiert waren, sowie bei den Lieferfristen, die den Firmen eingeräumt wurden und die für uns eindeutig nicht akzeptabel waren. Daher waren wir bei der Auswahl der von uns benötigten Objekte stets eingeschränkt und folglich nicht imstande, unsere Industrie mit den Neuheiten der Technik zu versorgen. Darüber hinaus, neben der Abgabe der benötigten Rohstoffe und ohne irgendwelche Zusagen von der Gegenseite zu erhalten, wurden die Handelsverträge so 4
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Der Text ist mit Bleistift unterstrichen und am linken Seitenrand angestrichen.
31. 8. 1938 Nr. 317 abgeschlossen, dass *wir unsere Wechselverbindlichkeiten in Gold und Devisen bezahlen*5. Auf diese Art wurde der Vertrag für das Jahr 19366 geschlossen. Das heißt, es liegt die klare Tatsache vor, dass der Devisenbestand des faschistischen Deutschland unterstützt wird, der für die Vorbereitung eines Krieges verwendet wird. Hier muss darauf hingewiesen werden, dass der von uns mit *Deutschland für das Jahr 19387 geschlossene Vertrag bereits das Dokument ist, mit dem wir die Schädlingspraxis in diesem Bereich unserer Arbeit beseitigt haben*8. Wir haben keinerlei Verpflichtungen hinsichtlich der Einfuhr irgendwelcher genau vereinbarter Waren übernommen. Wir sind frei bei der Auswahl der Einfuhr von Waren nach Deutschland und haben auch die Bezahlung durchgesetzt – die Begleichung unserer Wechselverbindlichkeiten mit dem Erlös aus dem Verkauf dieser Waren, anstelle der schädlichen Praxis der Begleichung dieser Verbindlichkeiten mit Gold, Devisen oder, wie dies im Jahr 1937 war9, mit bevorzugten Waren. Was wurde von uns in Bezug auf den schädlichen Export und Import aufgedeckt? Zu Beginn dieser Arbeit bildeten wir in jedem Bereich Brigaden, die einzelne konkrete Transaktionen untersuchten und ihre Schlussfolgerungen abgaben, die in Folgendem bestanden: Zum Export: Von der Vereinigung Sojuznefteėksport wurde der *Vertrag vom 19.V.36 mit dem Benzolverband geschlossen, laut dem von unserer*10 Seite die Lieferung von Erdölprodukten im Laufe von 3 Jahren, d. h. bis Ende 1938, und zu den Preisen amerikanischer Notierungen vereinbart war. *Wir halten es grundsätzlich für falsch, einen Vertrag über einen so langen Zeitraum zu schließen, und besonders sollte dies für strategische Güter gelten, zu denen Erdölprodukte gehören.*11 Dies war eindeutig ein Schädlingsakt, und der Vertrag wurde im Interesse des faschistischen Deutschland geschlossen, für das Erdölprodukte eine grundlegende Rolle bei der Vorbereitung auf einen Krieg, bei der Anlage von Vorräten spielen. Im gleichen Interesse wurden auch die Preise für Erdölprodukte festgelegt, und zwar: Wie oben von uns erwähnt, waren sie auf der Grundlage der amerikanischen Tagesnotierungen vorgesehen, mit der Klausel, dass, sollten in irgendwelchen Ausgaben gleichzeitig 2 Notierungen stehen, für Benzin und Gasöl die niedrige Notierung genommen wird, während für Petroleum und Schmieröl der Durchschnittspreis der beiden Notierungen herangezogen wird. Diese Vorgehensweise bei der Festsetzung der Preise zum Verkauf unserer Waren auf dem deutschen Markt ist eindeutig falsch. Die Sache ist die, dass wir für die von uns zu verkaufenden Waren unter den in Deutschland entstandenen Bedingungen *in den letzten Jahren höhere Gewinne als auf anderen Märkten erzielen und erzielen müssen*12. Diese Bedingungen brauchen hier nicht beschrieben zu werden, sie sind 5 6
Der Text ist mit Bleistift unterstrichen und am linken Seitenrand angestrichen. Vom 29.4.1936. Vgl. DVP, Bd. XIX, Dok. 143, S. 250–252; ADAP, Ser. C, Bd. V/1, Dok. 302, S. 453–458. 7 Vgl. Dok. 207, Anm. 16. 8 Der Text ist am linken Seitenrand mit Bleistift angestrichen. 9 Am 24.12.1936. Vgl. ADAP, Ser. C, Bd. VI/1, Dok. 129, Anlagen 1–3, S. 267–273. 10 Der Text ist am linken Seitenrand zweimal mit Bleistift angestrichen. 11 Der Text ist von Čvjalev mit grünem Farbstift unterstrichen. 12 Der Text ist mit Bleistift unterstrichen und am linken Seitenrand angestrichen.
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bekannt. Daher ist das bei der Festlegung der Preise herangezogene Kriterium unserer Ansicht nach eindeutig schädlich und im Interesse Deutschlands geschaffen worden. Aber die Schädlingstätigkeit hört hier nicht auf. Sie wird folgerichtig bis zum Ende weitergeführt. Im Vertrag wird diese Linie konsequent bis zur Vollendung durchgezogen, und zwar ist die Bestimmung vorgesehen, dass, sollte Sojuznefteėksport über einen Vertrag *mit irgendeiner anderen deutschen Firma über den Verkauf von Erdölprodukten zu für Sojuznefteėksport schlechteren Bedingungen verfügen, diese Bedingungen automatisch auf die Firma Benzolverband angewandt werden.* 13 Darüber hinaus übernahm Sojuznefteėksport laut Vertrag *die Verpflichtung, bis Ende 1944 keinen Einzelhandelsverkauf seiner Produkte zu organisieren, und bis Ende 1939 auch keine Erdölprodukte in Deutschland*14 an andere Unternehmen zu verkaufen. Folglich sind wir wegen der angeführten grundlegenden Bestimmungen des Vertrages der Ansicht, dass dieser Vertrag einzig und allein die Interessen der Firma und nicht von Sojuznefteėksport widerspiegelt und dass das alles zu Schädlingszwecken gemacht wurde. 2) Neben dem oben erwähnten Vertrag mit der Firma Benzolverband *wurde mit ihr im gleichen Zeitraum auch ein Vertrag über den Verkauf des Eigentums der „Derunapht“ geschlossen*15; als da sind: Lager, Behälter, Fässer und anderes Lagergut, dessen Wert auf 1.342.000 Mark geschätzt wurde. Laut Vertrag war am 2.6.36 die Zahlung einer Summe von lediglich 270.000 Mark vorgesehen, hinsichtlich des Restbetrages von 1.072.000 Mark waren keine festen Zahlungsfristen im Vertrag vorgesehen. Die Firma verpflichtete sich, den Restbetrag 1936/37 zu zahlen, jedoch in Abhängigkeit von unseren Lieferungen von Erdölprodukten und unter der Bedingung, dass die Firma für jede von uns gelieferte Warentonne zwischen 1,60 bis 2 Mark abzahlt. Somit *band uns die Verwertung des veräußerten Eigentums an die Lieferung von Erdölprodukten* 16 . *Schlussfolgerung: Das Fehlen einer festen Zahlungsbedingung im Vertrag nahm uns die Möglichkeit, etwa 400.000 Mark für das veräußerte Eigentum zu erhalten, da Sojuznefteėksport die Lieferung von Erdölprodukten einstellte.*17 Unsere Meinung – dieser Vertrag wurde ebenfalls im Interesse der Firma zu Schädlingszwecken erstellt. 3) Vertrag mit der deutschen Marine, abgeschlossen *von Sojuznefteėksport am 25.6.36 über die Lieferung von 65 Tsd. Tonnen Gasöl*18 zu den Preisen amerikanischer Tagesnotierungen. Wir sind der Ansicht, dass es grundsätzlich falsch war, Gasöl an eine deutsche Militärorganisation zu verkaufen, die mit dieser Ware ihre Kriegsflotte sicherstellte, ohne eine gleichwertige Kompensation zu erhalten. Besondere Aufmerksamkeit verdient die schädliche Ausrichtung in der Frage der Preisfestsetzung, bei der bei zwei unterschiedlichen Notierungen die Lieferung des Gasöls zum niedrigeren Preis erfolgen sollte. Es ist klar, dass diese Bedingungen nur die Interessen des Käufers widerspiegeln. 13 14 15 16 17 18
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Der Text ist am linken Seitenrand mit Bleistift angestrichen. Der Text ist am linken Seitenrand mit Bleistift angestrichen. Der Text ist am linken Seitenrand zweimal mit Bleistift angestrichen. Der Text ist mit Bleistift unterstrichen und am linken Seitenrand angestrichen. Der Satz ist am linken Seitenrand mit Bleistift angestrichen. Der Text ist am linken Seitenrand zweimal mit Bleistift angestrichen.
1. 9. 1938 Nr. 318 Abschließend möchten wir sagen, dass die hauptsächliche Schädlingstätigkeit beim Verkauf von Erdölprodukten darin besteht, dass die Bedingungen der Verträge im Interesse der Firmen formuliert wurden und wir als Kompensation für den Verkauf dieser für Deutschland äußerst wertvollen Waren nichts erhielten und den Verkauf nicht in Verbindung mit uns interessierenden Ausrüstungsobjekten durchführten. Anweisungen E.D. Čvjalevs mit grünem Farbstift: an Gen. Men’šikov. Bearbeiten Sie das Material bezüglich des Exports und teilen Sie Ihre Schlussfolgerungen hinsichtlich der Maßnahmen dem Kollegium mit (13/IX 38) EČ[vjalev]. 5/IX 38. an Gen. Gračev. Auch zum Import. EČ[vjalev]. 5/IX 38. Vermerk mit Bleistift: an Gen. Gračev. M[en’šikov]. 9/IX. Vermerk mit rotem Farbstift: an Gen. Babaev. 14/IX 38. IGrač[ev]. Vermerk mit blauem Farbstift: Zu den Akten. 26//X 38. IGračev. Oben rechts befindet sich der Stempel der Geheimgruppe der Geheimen Chiffrierabteilung des NKVT der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 14289/6 vom 5.9.1938. Unten in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars Nr. 10: „Zur Kontrolle“. Am Ende des Begleitdokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: Geschr[ieben] 4 Expl. 3 an die Adressaten, 1[Exemplar] zu den Akten. Auf Kopfbogen der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland geschrieben. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 3039, l. 10–28, hier l. 10–14. Original.
Nr. 318 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem französischen Geschäftsträger in Moskau Payart Nr. 318 1. 9. 1938 1. 9. 1938 Geheim Expl. Nr. 8 AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS Nr. 6387 [1.9.1938] GESPRÄCH MIT DEM FRANZÖSISCHEN GESCHÄFTSTRÄGER PAYART, 1. SEPTEMBER 1938 Nachdem er telefonisch darum gebeten hatte, ihn unverzüglich zu empfangen, erschien bei mir der französische Geschäftsträger Payart, um folgende offizielle Mitteilung zu machen. Am 25. August habe Bonnet Suric gegenüber höchst wichtige Erklärungen zur Situation um die Tschechoslowakei und zur Haltung der französischen Regierung in dieser Frage abgegeben. Bonnet sei überzeugt, dass Suric den Inhalt seines Gesprächs mit ihm bereits nach Moskau weitergeleitet habe. Nichtsdestotrotz erachte er es als angebracht, die französische Botschaft in Moskau zu beauftragen, seine Erklärung dem NKID gegenüber unmittelbar und in offizieller Form zu wiederholen.
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Die Lage, die sich um die Tschechoslowakei herausgebildet habe, schätze Bonnet als kritisch ein. Die militärischen Vorbereitungen Deutschlands zeugten davon, dass es zu einem bewaffneten Konflikt bereit sei. Die französische Regierung habe ihre Haltung gegenüber der Tschechoslowakei, der ein Angriff durch Deutschland drohe, hinreichend festgelegt. Diese Haltung sei in öffentlichen Reden Daladiers exakt formuliert worden, durch den französischen Botschafter in Berlin, Poncet, offiziell bekräftigt und erst kürzlich vom Chef der französischen Luftstreitkräfte Vuillemin in einem Gespräch mit Göring geltend gemacht worden.1 Die Generalstäbe Frankreichs und der Tschechoslowakei seien wegen der jetzigen Situation höchst beunruhigt und dabei, eine eventuelle Abstimmung ihrer operativen Handlungen zu beraten. Es sei dringend notwendig zu klären, auf welche Weise die UdSSR der Tschechoslowakei bei einem Überfall durch Deutschland Hilfe leisten könnte. Bonnet habe bereits auf der letzten Ratstagung des Völkerbundes Gen. Litvinov diese Frage gestellt. Der Volkskommissar habe geantwortet, dass **alles von dem Vorgehen Frankreichs abhängen werde. Wenn es der Tschechoslowakei zur Hilfe eilt, so werde auch**2 die Sowjetunion ihre Vertragsverpflichtungen gegenüber der Tschechoslowakei erfüllen. Gen. Litvinov habe dem hinzugefügt, da die Hilfeleistung der UdSSR für die Tschechoslowakei von der Haltung Rumäniens und Polens abhängig sei, obliege es der französischen Regierung, auf diese ihre Bündnispartner Einfluss zu nehmen und bei ihnen den ungehinderten Durchmarsch der sowjetischen Streitkräfte sicherzustellen.3 Bonnet beauftrage die Botschaft, Gen. Litvinov darüber zu informieren, dass die Bemühungen der französischen Regierung, den erwähnten Einfluss auf Polen und Rumänien zu nehmen, kein positives Ergebnis erbracht hätten. Besonders kategorisch seien die von Polen geltend gemachten Einwände. Unter diesen Bedingungen kehre Bonnet zu seiner Frage zurück, auf welche Hilfe von Seiten der UdSSR die Tschechoslowakei rechnen könne, wenn man die Schwierigkeiten berücksichtige, die es seitens Rumäniens und Polens gebe.4 Bonnet fügte hinzu, dass er mit einer schnellstmöglichen Antwort rechne, weil die Situation unverzügliche Entscheidungen erfordere. Er denke nicht, dass für eine solche Antwort Konsulta-
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Vgl. Dok. 310, Anm. 8. Der Text fehlt in der Veröffentlichung. Am 13.5.1938 hatte Litvinov zu der von Bonnet angesprochenen Hilfeleistung, die die UdSSR der Tschechoslowakei erweisen könnte, folgende Antwort gegeben: „… wir können selbstverständlich keine ausreichende diplomatische Einflussnahme auf die angrenzenden Staaten ausüben, was jedoch die militärischen Maßnahmen beträfe, so sei ich nicht befugt, sie zu erörtern. Ich denke, dass die militärischen Maßnahmen gemeinsam mit den Tschechen erörtert werden sollten. Bonnet verwies darauf, dass Frankreich in Moskau seinen Militärattaché habe, der diese Frage mit unserem Generalstab erörtern könnte. Ich antwortete, dass es in Moskau weder einen französischen noch einen tschechoslowakischen Generalstab gebe.“ In: DVP, Bd. XXI, Dok. 182, S. 263. 4 Im Begleitschreiben zu der Aufzeichnung dieses Gesprächs schrieb Potemkin an Stalin, Molotov, Kaganovič, Vorošilov und Ežov: „Bonnets besondere Hervorhebung der Schwierigkeiten, auf die die militärische Hilfeleistung der Sowjetunion für die Tschechoslowakei durch Polen und Rumänien stoßen könnte, lässt den Gedanken aufkommen, dass die von den Franzosen an die sowjetische Regierung gerichtete Frage provokativen Charakter trägt. Bonnet rechnet offenbar damit, von uns ein zusätzliches Argument geliefert zu bekommen, das die französische Regierung dafür verwenden könnte, um ihre eigene Ablehnung einer Hilfeleistung für die Tschechoslowakei zu rechtfertigen.“ In: RGVA, f. 33987, op. 3a, d. 1146, l. 125.
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1. 9. 1938 Nr. 319 tionen technischen Charakters erforderlich wären, weil die von ihm aufgeworfene Frage in erster Linie von politischer Bedeutung sei. Ich erklärte Payart, dass die von ihm vorgetragene Erklärung unverzüglich der Regierung der UdSSR zur Kenntnis gebracht werde.5 V. Potemkin Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 3358 vom 2.9.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 10 E[xemplare]. Das 1. [Exemplar] zu den Akten, [die Exemplare] 2–3 an Gen. Stalin, das 4. [Exemplar] an Gen. Kaganovič, das 5. an Gen. Vorošilov [...]6. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 149, d. 161, l. 81–82. Kopie. Veröffentlicht in: Novye dokumenty iz istorii Mjunchena, Moskva 1958, Dok. 25, S. 67–697.
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Nr. 319 Meldung des Chefs der 8. Abteilung der 1. Verwaltung des NKVD Grigor’ev an den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Ežov Nr. 319 1. 9. 1938 1. 9. 1938 Ganz geheim Nr. 1064261 [1.9.1938] SONDERMELDUNG Auf der Grundlage von nachrichtendienstlichen und Ermittlungsergebnissen der 8. Abteilung der 1. Verwaltung des NKVD wurde *eine terroristische Gruppe aus dem Kreis der in der Gummi-Industrie bestehenden rechtstrotzkistischen Organisation entlarvt*2. Die Terrorgruppe beabsichtigte, am Tag der Luftflotte, dem 18. August d.J., auf dem Flugplatz von Tušino einen Terroranschlag zu verüben. 5 Am 2.9.1938 stattete Payart Litvinov einen Besuch ab und stellte ihm die gleiche Frage bezüglich der Hilfeleistung der UdSSR für die Tschechoslowakei. Im Verlaufe des Gesprächs, das nach der Erörterung dieser Frage im Kreml in der Nacht vom 1.9. auf den 2.9. unter Beteiligung einiger Politbüromitglieder und Litvinovs stattgefunden hatte (vgl. Na prieme u Stalina, S. 239), sagte der Volkskommissar Payart, dass „Frankreich verpflichtet sei, der Tschechoslowakei zu helfen, unabhängig von unserer Beistandsleistung, während unsere Beistandsleistung von der der französischen abhängig sei und wir deshalb ein größeres Recht hätten, uns für die Beistandsleistung Frankreichs zu interessieren. Dazu ergänzte ich, dass wir bei einer Beistandsleistung durch Frankreich fest entschlossen seien, all unsere Verpflichtungen zu erfüllen, die sich aus dem sowjetisch-tschechoslowakischen Pakt ergäben, und dafür sämtliche uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen würden … Was die Festlegung der konkreten Beistandsleistung betreffe, so erachteten wir es als unabdingbar, dazu eine Beratung von Vertretern der sowjetischen, französischen und tschechoslowakischen Armee einzuberufen.“ In: DVP, Bd. XXI, Dok. 324, S. 470. 6 Bei dem vorliegenden Exemplar ist die Verteilerliste unvollständig. 7 Das Dokument wurde ohne Legende, mit redaktionellen Eingriffen und nicht angegebenen Kürzungen veröffentlicht. In DVP fehlt die Aufzeichnung dieses Gesprächs. 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der hier und im Folgenden so gekennzeichnete Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen.
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Nr. 319
1. 9. 1938
Die Gruppe *war auf Initiative eines der Leiter der rechtstrotzkistischen Organisation*, des ehemaligen *Volkskommissars für Maschinenbau BRUSKIN gegründet worden und wurde von dem Mitglied* der antisowjetischen Organisation, dem *ehemaligen Chefingenieur von Glavrezina KOMAROV* geleitet. Der Terrorgruppe gehörten an: KAMINER, ehemaliger Leiter der Technikabteilung von Glavrezina, POLUNIN, Ingenieur der Sonderabteilung3 von Glavrezina, JANC, nach Kujbyšev administrativ verbannt, und der TASS-Mitarbeiter KUZNECOV. Im Mai d.J. erteilte BRUSKIN LUKAŠIN den Auftrag, geeignete Leute aus dem Kreis der antisowjetischen Organisation für die Verübung eines Terroranschlages auf Gen. Stalin auszuwählen. Zu diesem Zwecke zog LUKAŠIN KOMAROV heran, der seinerseits die unmittelbaren Vollstrecker des Terroranschlags anwarb. Sodann brachte LUKAŠIN KOMAROV mit BRUSKIN zusammen. Laut der ersten von KOMAROV erarbeiteten Planvariante war vorgesehen, den Terroranschlag durch Bombenwürfe zu verüben. Die Bomben sollte BRUSKIN beschaffen, doch aufgrund seiner Verhaftung4 entfiel diese Variante. Darauf verständigte sich KOMAROV, der schon früher durch Spionage mit dem Mitarbeiter der Deutschen Botschaft WALTHER Verbindung hatte, über die Waffen. *Da KOMAROV befürchtete, wegen der oftmaligen Abwesenheit aus Moskau für konspirative Treffen mit WALTHER Verdacht zu erwecken, brachte er ihn mit dem Mitglied der Terrorgruppe JANC zusammen, der keiner geregelten Beschäftigung nachging*5 und keinen ständigen Wohnsitz hatte. JANC traf sich dreimal mit WALTHER und informierte ihn über den Vorbereitungsstand des Terroranschlages. WALTHER vereinbarte mit JANC, sich am 18. August, dem Tag des Terroranschlags, zwischen 6 und 7 Uhr morgens auf dem Bahnhof in Puškino zu treffen, um ihm zwei Revolver zu übergeben. Aus Konspirationsgründen nannte WALTHER JANC nicht seinen richtigen Namen, sondern stellte sich als LEMKE vor. JANC sollte nach Empfang der Revolver unverzüglich nach Moskau fahren und die Wohnung von KAMINER aufsuchen, wo die übrigen Teilnehmer der Terrorgruppe auf ihn warten sollten, um sich zu bewaffnen und gemeinsam zum Flugplatz von Tušino zu fahren. Am Morgen des 17. August suchte KAMINER JANC auf dem Bahnhof von Puškino speziell zu dem Zweck auf, um den Zeitpunkt für die Lieferung der Waffen zu vereinbaren. Die Eintrittskarten zum Flugplatz erhielt KAMINER am selben Tag über seinen Bekannten KUZ’MIN. *Gegen Abend des 17. August versammelten sich die Mitglieder der Terrorgruppe (mit Ausnahme von JANC)*6 in der Wohnung von KAMINER, um für jeden Einzelnen das Vorgehen zu präzisieren, hier wurden sie auch verhaftet. 3 4 5 6
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So im Dokument. Richtig: Stellvertretender Leiter der technischen Abteilung. Bruskin wurde am 29.6.1938 verhaftet. Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen.
8. 9. 1938 Nr. 320 *Alle Teilnehmer der Terrorgruppe sind geständig. Ihre Aussagen sind durch die Vernehmungen des ehemaligen Leiters von Glavrezina LUKAŠIN und des ehemaligen Leiters von Glavkaučuk BELOV bestätigt worden.*7 Die Ermittlungen werden fortgesetzt. DER CHEF DER 8. ABTEILUNG DER 1. VERWALTUNG DES NKVD DER UdSSR MAJOR DER STAATSSICHERHEIT GRIGOR’EV Vermerk N.I. Ežovs mit blauem Farbstift: an Gen. Stalin, an Gen. Frinovskij. 1/IX 38. Vermerk Stalins mit Bleistift: NB. Walther (Deutscher), (Walther ist zu verprügeln) NB. RGASPI, f. 17, op. 171, d. 366, l. 1–4. Original. Veröffentlicht in: Lubjanka. Stalin i Glavnoe upravlenie gosbezopasnosti NKVD, Dok. 338, S. 546–5478.
Nr. 320 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem deutschen Geschäftsträger in Moskau von Tippelskirch Nr. 320 8. 9. 1938 8. 9. 1938 Geheim Expl. Nr. 3 AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS Nr. 6403 [8.9.1938] GESPRÄCH MIT DEM DEUTSCHEN GESCHÄFTSTRÄGER TIPPELSKIRCH, 8. SEPTEMBER 1938 1. Tippelskirch erschien mit Beschwerden wegen der übermäßig lang andauernden und seiner Auffassung nach durch nichts zu rechtfertigenden Beschlagnahme des deutschen Trawlers „Bahrenfeld“, über dessen Aufenthaltsort und Schicksal die Deutsche Botschaft bislang keine exakten Informationen habe. Tippelskirch legte dar, dass das Schiff außerhalb der 12-Meilen-Zone der sowjetischen Gewässer aufgebracht worden sei. Das Hauptargument Tippelskirchs bestand jedoch darin, dass der Trawler mit Dokumenten ausgestattet gewesen sei, die ihm das Recht zum Fischfang innerhalb der 3. und 12. Meile der sowjetischen Zone auf der Grundlage des am 12. Oktober 1925 zwischen der UdSSR und dem Verband der deutschen Fischindustriellen Bremens abgeschlossenen Vertrages bescheinigten. Ich erklärte Tippelskirch, dass die „Bahrenfeld“ erstens innerhalb der 12-Meilen-Grenzzone der Barentssee aufgebracht worden sei; zweitens der Hauptgrund für ihre Aufbringung in dem Versuch des Schiffs bestanden habe, sich dem Küsten7 8
Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. Das Dokument wurde ohne Legende und in redaktioneller Bearbeitung veröffentlicht.
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Nr. 320
8. 9. 1938
wachschiff zu entziehen, das ihm mehrmals Signale zum Stopp gegeben hätte1; und drittens, dass das Recht des Trawlers zum Fischfang in den Hoheitsgewässern der UdSSR auf der Grundlage des Konzessionsvertrages von 1925 von den zuständigen Organen angefochten werde, weil über viele Jahre hinweg die deutsche Seite ihren Zahlungsverpflichtungen laut diesem Vertrag nicht nachkomme. Die Entgegnungen Tippelskirch liefen darauf hinaus, dass wir den Konzessionsvertrag nicht annulliert hätten und deshalb nicht von seiner Außerkraftsetzung die Rede sein könne. *Dieser Vertrag sehe indes die Entscheidung aller Streitfälle zwischen den Vertragsparteien durch ein Schiedsgericht vor. Dieses Verfahren müsse auch im Fall der „Bahrenfeld“ angewandt werden anstatt eines Arrestes, der bereits 16 Tage andauere und den materiellen Interessen der Schiffseigner großen Schaden zufüge.*2 Ich teilte Tippelskirch mit, dass die zuständigen Behörden darauf bestünden, den Kapitän der „Bahrenfeld“ dem Gericht zu überstellen. Nichtsdestotrotz, so erklärte ich, würde ich den Text des Konzessionsvertrages anfordern und mich eingehend mit der Geschichte seiner Handhabung vertraut machen.3 2. Tippelskirch erinnerte daran, dass es dank der Unterstützung der deutschen Regierung gelungen sei, fast alle Besatzungsmitglieder der *„Komsomol“*4 und der „Smidovič“ aus der Gefangenschaft Francos zu befreien. Die Deutsche Botschaft rechne berechtigter Weise damit, dass die Bemühungen der deutschen Regierung in der erwähnten Angelegenheit in gebührender Weise gewürdigt werden. Unterdessen habe sich, worauf Schulenburg hingewiesen hätte, in den letzten Monaten das Tempo der Ausweisungen von inhaftierten deutschen Staatsangehörigen aus der UdSSR stark verlangsamt.5 Es wäre wünschenswert, mit Unterstützung des NKID diese Angelegenheit erneut zu beleben. Die Deutsche Botschaft kehre insbesondere auf ihr Gesuch zurück, den ehemaligen **Angestellten**6 des Deutschen Konsulats in Tiflis, Nymann, mit Frau aus der UdSSR auszuweisen.7 Ich entgegnete Tippelskirch, dass die Anzahl der deutschen Staatsangehörigen, deren Verhaftung und Überstellung ans Gericht durch die Ausweisung aus der UdSSR ersetzt worden sei, um ein Mehrfaches die Anzahl der Besatzungsmitglieder der „Komsomol“ und der „Smidovič“ übertreffe, die aus der Gefangenschaft der spanischen Meuterer befreit worden seien. Nichtsdestotrotz lehne das NKID die Unterstützung bei der weiteren Ausweisung der noch in Haft befindlichen deutschen Staatsangehörigen nicht ab. Was Nymann betreffe, so erschwere sich die
1 Vgl. Bericht des Oberreferenten der 2. Westabteilung im NKID Puškin, der von Potemkin am 16.9.1938 an Berija weitergeleitet wurde. Vgl. AVP RF, f. 082, op. 21, p. 91, d. 17, l. 25 –24. 2 Der Text ist mit Bleistift unterstrichen. Am linken Seitenrand befindet sich ein Vermerk mit Bleistift: Die Frage bezüglich der Befolgung der Regeln für die Seeschifffahrt durch uns unterliegt keinem Schiedsgericht. 3 Zum Schriftverkehr des NKID in dieser Angelegenheit mit anderen Dienststellen vgl. AVP RF, f. 082, op. 21, p. 91, d. 17. 4 Der Schiffsname ist mit Bleistift unterstrichen. Am linken Seitenrand befindet sich der Vermerk mit Bleistift: 7 Personen der „Komsomol“ wurden nicht zurückgebracht. 5 Vgl. Dok. 312 sowie Aufzeichnung der Unterredung Graf von der Schulenburgs mit Potemkin am 20.8.1938. In: PA AA, R 104403. 6 Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. 7 Vgl. Dok. 18.
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10. 9. 1938 Nr. 320 Angelegenheit durch den Umstand, dass er und seine Frau sowjetische Staatsbürger seien. V. Potemkin Vermerk mit blauem Farbstift: 2. Westabteilung. Vermerk G.I. Vajnštejns mit Bleistift: *an die Genossen Puškin und Bergman*8. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel der 2. Westabteilung des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 1898 vom 8.9.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. Das 1. [Exemplar] zu den Akten, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an die 2. Westabteilung, das 4. nach Berlin. 8.IX.1938. AVP RF, f. 082, op. 21, p. 88, d. 1, l. 69–67. Beglaubigte Kopie.
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Nr. 321 Bericht des Gehilfen des Militärattachés in Berlin Gerasimov an den Stellv. Chef der Aufklärungsverwaltung der RKKA Orlov Nr. 320 10. 9. 1938 10. 9. 1938 Ganz geheim. Kopie Zu Nr. 30ss. BERLIN, 10.9.1938 AN DEN CHEF DER VERWALTUNG Über die Vorbereitung Deutschlands zum Überfall auf die Tschechoslowakei Die allgemeinpolitische Lage bleibt nach wie vor angespannt. Die militärischen Vorbereitungen Deutschlands (die Einberufung von Reservisten, die Einziehung von Pferden und von Autotransportmitteln, der verstärkte Bau von Befestigungen entlang der Westgrenze, die Verlagerung von Truppen an die Westgrenze, die Ablehnung der tschechischen Vorschläge und anderes) bewirkten, dass Frankreich eine Reihe militärischer Maßnahmen ergriff. Aus der Proklamation Hitlers bei der Eröffnung des Parteitages in Nürnberg1 wurde, wie viele behaupten, angesichts dieser Handlungen Frankreichs der Abschnitt über die Außenpolitik herausgenommen. Auf dem Treffen der Parteibeamten (Politischen Leiter2) in Nürnberg am 9.9. ging Hitler wieder nicht auf die Lage ein: er sprach von „Wolken am Firmament“, über den blinden Glauben an sich selbst und darüber, dass Deutschland niemals und vor niemandem kapitulieren werde.3 Zur gleichen Zeit führt die deutsche Presse eine Kampagne gegen die ČSR und verschweigt gleichzeitig die diplomatischen Vorstellungen Englands, Frankreichs und der UdSSR; zum Beispiel hat 8
Der Vermerk ist mit rotem Farbstift durchgestrichen.
1 2 3
Vgl. Der Parteitag Großdeutschland, S. 44-57. Das Wort ist auf Deutsch in kyrillischen Buchstaben geschrieben. Vgl. Der Parteitag Großdeutschland, S. 208–213, hier S. 212.
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Nr. 320
10. 9. 1938
am 9.9. der englische Botschafter in Berlin4 Ribbentrop angeblich eine Note mit der Erklärung überreicht, dass England im Falle eines Überfalls Deutschlands auf die ČSR nicht neutral bleiben werde. Zugleich herrscht in Kreisen der Militärattachés die Überzeugung vor, dass Deutschland „in großem Maßstab blufft“, und man begründet dies damit, dass es nicht gelungen sei, irgendwelche Maßnahmen militärischen Charakters festzustellen, die auf die Vorbereitung eines unmittelbar bevorstehenden Überfalls der Deutschen auf die ČSR hinweisen würden. Die Manöver, die Einberufung von Reservisten, die Einziehung von Pferden und von Autotransportmitteln, der Bau von Befestigungsanlagen usw. – all dies überschreite nicht den Rahmen der geplanten Maßnahmen der Deutschen für die Verstärkung der Streitkräfte zwecks Vorbereitung auf einen großen Krieg. Zu solch einem Krieg sei aber Deutschland bei weitem noch nicht in der Lage, von der schwierigen innenpolitischen Lage ganz zu schweigen. Diese „planmäßigen“ militärischen Maßnahmen sind angeblich von dem Amt von Goebbels für die Führung eines „Krieges ohne Waffen“ gegen die ČSR und für den „Bluff“ genutzt worden. Einer solchen Interpretation der jüngsten Ereignisse stimmten die Franzosen nicht zu, insbesondere nachdem bei ihnen Meldungen über massive Truppenbewegungen an der Westgrenze eintrafen. Die Lageeinschätzung der hiesigen Franzosen hat zweifellos die jüngsten Entscheidungen der französischen Regierung beeinflusst. Von den jüngsten, aus unterschiedlichen Quellen stammenden Informationen sind Folgende von Interesse: 1) in Bayern hat die „zweite Welle“ der Einberufung von Reservisten, der Einziehung von Pferden und von Autotransportmitteln eingesetzt; 2) die Dauer des Militärdienstes für Reservisten beträgt 3 Monate (Pressemeldung); 3) für die altgedienten Soldaten, die im Oktober entlassen werden sollten, verlängert sich die Frist bis zum 3. November. 4) der Lehrbetrieb an der Militärakademie ist vom Oktober auf den November verlegt worden; 5) in Bayern beginnen in den nächsten Tagen Korps-Manöver; daran nehmen zwei Panzer- und eine motorisierte Division sowie komplett aufgefüllte Einheiten und Einrichtungen der Korps teil; 6) in den übrigen Militärbezirken sind die Divisionsmanöver bereits beendet (XIV. Armeekorps, II. Armeekorps) oder noch im Gange. Es haben die Manöver der Reservedivision des III. Armeekorps (Jüterbog) begonnen; 7) Firmenvertreter, die unsere Handelsvertretung aufsuchten, berichteten, dass die Reserveoffiziere, die gerade erst von den Manövern zurückgekehrt waren, den Befehl erhalten hätten, am 20.9. in „voller Marschausrüstung“ bei den Einheiten zu erscheinen; 8) der Chauffeur Gen. SAUTIN hat die Benachrichtigung erhalten, dass er das Motorrad für die Zeit vom 9.9. bis 24.10. an das 62. Nachrichtenbataillon in Zossen abzugeben habe;
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Nevile Henderson.
10. 9. 1938 Nr. 320 9) *es wurden keinerlei [Truppen]Verschiebungen im Raum der tschechoslowakischen Grenze beobachtet.*5 Ich stimme nicht der Auffassung zu, dass die jüngsten Maßnahmen der Deutschen lediglich ein „Bluff“ seien, der zudem aus dem „Amt Goebbels“ stamme. Offensichtlich bereiten die Faschisten das nächste, große Abenteuer vor, zu dessen baldiger Entfesselung sie auch durch die innenpolitische Lage getrieben werden. Sie versuchten und versuchen, sich das Sudetengebiet „ohne Blutvergießen“ anzueignen, wie dies mit Österreich der Fall war, durch Zersetzungsarbeiten in der ČSR, durch Erpressung und Androhung eines Waffenganges. Dabei nutzen sie die „Nachgiebigkeit“ seitens Englands und Frankreichs aus und haben der ČSR sehr große Zugeständnisse abgerungen. In ihrem „Handel“ mit der ČSR gehen sie immer weiter und weiter, lediglich in letzter Zeit stießen sie, offenbar für sie selbst überraschend, auf den Widerstand und eine festere Haltung seitens Englands und Frankreichs. Dies dämpfte etwas ihren Eifer, jedoch liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass sie von ihren Plänen Abstand genommen hätten, das Sudetengebiet in Besitz zu nehmen. In dieser Situation ist es nicht unbedingt erforderlich, bereits jetzt Truppen in Richtung tschechische Grenze in Marsch zu setzen oder neue Truppenverbände zusammenzuziehen. Erstens gibt es sie dort ohnehin schon und in großer Zahl (das VIII., IV., XIII., VII., XVII., XVIII. und fast das komplette XVI. Korps); zweitens können sie angesichts des reichlich vorhandenen Verkehrsnetzes (Eisenbahnlinien, Autobahnen und Fernstraßen) schnell zusätzliche Truppen an die Grenze verlegen, und drittens können sie für den Erstschlag Luftstreitkräfte einsetzen, deren Konzentrierung in Grenznähe nicht unbedingt erforderlich ist; die Konzentrierung der Luftstreitkräfte zu bewerkstelligen ist generell schwieriger als bei den Bodentruppen. Der allgemeine Eindruck ist hier der, dass die gesamte Bevölkerung jetzt mit militärischen Fragen befasst ist: dem Erscheinen in den Sammelstellen oder der Begleitung dorthin, der Bereitstellung von Pferden und Transportmitteln, der Mobilisierung zu verschiedenen militärischen Arbeiten, der Erfüllung von Aufträgen des Kriegsamtes, der Arbeit der Betriebe auf Hochtouren (die Mehrheit der Betriebe ist auch tief in der Nacht beleuchtet), der Durchführung von Unterweisungen und Übungen zum Luftschutz usw. Die Bevölkerung ist beunruhigt, sie befürchtet einen Krieg; es wächst die Unzufriedenheit über die jüngsten Maßnahmen der Faschisten.6 P.p. Gehilfe des Militärattachés der UdSSR in Deutschland Oberst GERASIMOV Die Kopie stimmt mit dem Original überein: KOMMISSARISCHER CHEF DER ABTEILUNG FÜR INTERNATIONALE VERBINDUNGEN BEIM NKO MAJOR OSETROV Am Ende des Dokuments ist der Eingang des Dokuments vermerkt: Eing.-Nr. 1932 bei der OVS vom 16.9.38. Am Ende des Dokuments ist die Anzahl der Exemplare vermerkt: Geschr. in einem Exemplar. 5 6
Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Orlov schickte am 17.9.1938 eine Kopie des Schreibens von Gerasimov an den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov. In: RGVA, f. 33987, op. 3, d. 1080, l. 156.
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Nr. 322
10. 9. 1938
RGVA, f. 33987, op. 3, d. 1080, l. 157–160. Beglaubigte Kopie. Veröffentlicht in: Glazami razvedki. SSSR i Evropa, Dok. 213, S. 498–4997.
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Nr. 322 Bericht des Marineattachés in Moskau von Baumbach an das Oberkommando der Kriegsmarine Nr. 322 10. 9. 1938 10. 9. 1938 Moskau, den 10. September 1938 Deutsche Botschaft Der Marineattaché B.Nr. 215/38 Mantelbericht Gesehen: **v. Tippelskirch**1 An das Oberkommando der Kriegsmarine M.Att., Auswärtige Amt Berlin W. Betr.: Sowjetunion/Tschechoslowakei Die militärpolitische Lage in Mitteleuropa ist z. Z. der ständige Gegenstand der Unterhaltungen im Militärattaché-Korps. Von der Erwartung ausgehend, dass Frankreich und England der Tschechoslowakei militärische Hilfe leisten werden, falls es zu einem kriegerischen Konflikt zwischen ihr und Deutschland kommen würde, wird die Frage diskutiert, was die Sowjetunion im Falle eines solchen Krieges tun würde. Die Äußerung Litwinows, die Sowjetunion werde das der Tschechoslowakei gegebene Unterstützungsversprechen halten und ihr Bestes tun, ist vielseitig und kann alles, aber auch nur sehr wenig bedeuten. *Bei dem gesamten Entwicklungsstand der Sowjetunion mit den schweren Krisenerscheinungen des letzten Jahres kann die Verstrickung des Landes in einen europäischen Krieg nicht erwünscht sein.*2 Dies bedeutet aber nicht, dass die Sowjetunion nicht einen Krieg in Europa als wünschenswert ansieht, bei dem ihr Hauptgegner Deutschland geschwächt wird, während sie selbst ihre militärische Macht bis zum Schluss unvermindert erhält, um sie dann in die Waagschale zu werfen. So erklären sich die Versuche der Sowjetunion, Frankreich und England gegen Deutschland vorauszuschicken. Das Fehlen gemeinsamer Grenzen mit Deutschland und der Tschechoslowakei gibt der Sowjetunion die Möglichkeit, ihre – vertraglich nicht näher festgelegte – 7 Das veröffentlichte Dokument ist nicht nach dem Zeitpunkt seiner Erstellung datiert, sondern nach dem Datum, an dem es den Volkskommissar für Verteidigung übermittelt wurde. 1 2
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Der Name ist handschriftlich eingefügt. Der Text ist unterstrichen.
10. 9. 1938 Nr. 322 Hilfeleistung auf ein Mindestmaß zu beschränken und es z. B. bei einer Mobilmachung der westlichen Wehrkreise zu belassen, ohne Truppen in Marsch zu setzen. Während Polen einem Durchmarsch von Sowjettruppen Widerstand leisten würde, gilt die einzige Eisenbahnverbindung nach Rumänien über Dnjestr bei Tigina als zu schwach und wenig leistungsfähig. Während man im Kreise der hiesigen Militärattachés demzufolge nicht mit der Entsendung von Truppenkörpern zur Hilfeleistung in die Tschechoslowakei rechnet, wird eine Hilfeleistung der Sowjetluftstreitkräfte in Betracht gezogen. Es ist bekannt, dass sowjetische Flugzeuge in diesem Jahr mehrfach nach der Tschechoslowakei geflogen sind, wobei rumänisches und auch polnisches Gebiet passiert wurde. Die große Zahl der sowjetischen Militärflugzeuge ermöglicht die Abgabe erheblicher Flugzeugbestände. Solange die Sowjetunion in den Krieg nicht formell eingetreten ist, wird ein aktives Vorgehen der Sowjetmarine in der Ostsee – für das die Möglichkeiten zwar gegeben sind – im Kreise der hiesigen ausländischen Militärs für wenig wahrscheinlich gehalten. Man hat die Vorstellung, dass die Sowjetmarine – wenn sie etwa mit U-Booten gegen die deutschen Handelsverbindungen in der Ostsee in ähnlicher Art vorgehen würde, wie es 1937 im Mittelmeer gegen die sowjetspanischen Zufuhren geschah – ein gefährliches Spiel wagt, dessen Auswirkungen unübersehbar sind und das die Entscheidung über den Eintritt in den Krieg der Sowjetregierung möglicherweise aus der Hand nimmt, sodass infolge deutscher Gegenmaßnahmen die Sowjetunion viel stärker und viel früher in den Konflikt hineingezogen werden könnte, als es den Sowjets im Anfang eines deutsch-tschechischen Konflikts vielleicht erwünscht ist. Ist die Sowjetunion dagegen in einen Krieg auf Seiten der Tschechoslowakei eingetreten, so versteht es sich von selbst, dass mit vollem Einsatz der Sowjetmarine gerechnet werden muss. In diesem Zusammenhang mag es auch interessieren, dass das allgemeine Urteil von Landeskennern über die *wirtschaftliche Kriegsfähigkeit der Sowjetunion dahingeht, dass der Apparat mit seinen zahlreichen Krisen und Störungen zwar schwerfällig arbeiten, seine Aufgaben aber trotz vieler unvermeidlicher Versager im Großen und Ganzen – jedenfalls bei nicht zu langer Kriegführung – erfüllen wird*3. In der Verfassung der Armee sind trotz der vorjährigen Säuberungsaktionen schwere innere Störungen (Disziplin, Moral usw.) bisher nicht festgestellt. Die Schwächung infolge Ausfalls und Dezimierung der Führer beurteilt der Herr Militärattaché4 der hiesigen Botschaft in einer Niederschrift folgendermaßen: „Durch die Beseitigung der weitaus größten Anzahl von höheren Offizieren, die durch ein Jahrzehnt der Übung und des theoretischen Lernens ihr Handwerk teilweise recht gut beherrschten, ist die Rote Armee in ihrem operativen Können gesunken. Das Fehlen älterer und erfahrener Kommandeure wird sich auch auf die Ausbildung der Truppe noch längere Zeit ungünstig auswirken. Die besten Führer fehlen. Es lässt sich aber durch nichts erkennen und belegen, dass die Schlagkraft der Masse so weit gesunken ist, dass die Armee nicht einen sehr beachtenswerten Faktor bei einer kriegerischen Auseinandersetzung darstellt… 3 4
Der Text ist unterstrichen, außerdem am linken Seitenrand angestrichen. Ernst Köstring.
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Nr. 323
11. 9. 1938
Die Masse unter junger Führung und wehrwirtschaftlichen Möglichkeiten bleiben bestehen. Die Bereitstellung dieser Masse an der Grenze allein wird auf benachbarte und andere Länder ihren Eindruck nicht verfehlen, Gegenmaßnahmen jedes Gegners, also auch bei uns auslösen müssen.“5 Somit ist die Kriegsfähigkeit der Sowjetunion trotz aller Krisenerscheinungen nicht soweit herabgesunken, dass man sie im Falle eines europäischen Konflikts vernachlässigen darf. Mit wohlberechneter Zurückhaltung werden die Sowjets den Fehler vermeiden, sich zu Beginn eines kriegerischen Konflikts militärisch-wirtschaftlich zu verausgaben und über ihre Kräfte hinaus einzusetzen. Mit jedem Tag eines solchen Konflikts, mit fortschreitender Schwächung der kämpfenden Parteien, wächst dann die relative Bedeutung der sowjetischen Wehrmacht. Mag die militärische Kapazität der Sowjetunion auch zu Beginn eines Krieges strittig sein: Am Ende, wenn die kämpfenden Parteien militärisch und wirtschaftlich geschwächt sind, wird die Sowjetwehrmacht einen gefährlichen Faktor darstellen. gez. v. Baumbach Auf erstem Blatt oben: 2. von drei Ausfertigungen, darunter Stempel: Geheim und Botensache. Weitere, nicht entzifferte Weiterleitungen. BA MA, RM 12/II/160, Bl. 12-15.
5
Nr. 323 Schreiben des Volkskommissars für Außenhandel Čvjalev an den Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Molotov und den Stellv. Vorsitzenden Mikojan Nr. 323 11. 9. 1938 11. 9. 1938 GEHEIM Expl. Nr. 3 NKVT Nr. 14411 11. September 1938 AN DEN VORSITZENDEN DES SNK DER UdSSR Gen. V.M. MOLOTOV STELLV. VORSITZENDEN DES SNK DER UdSSR Gen. A.I. MIKOJAN Über unseren Handelsvertreter in Deutschland, Gen. DAVYDOV, hat uns die deutsche Firma „Otto Wolff“ einen Kredit in einem Volumen von 50 Mio. Deutscher Mark mit einer Laufzeit von 6 Jahren angeboten, um unsere Einkäufe bei dieser Firma zu erweitern.2 „Otto Wolff“ ist die größte Handelsfirma Deutschlands, ist eng mit faschistischen Kreisen verbunden und besitzt einen großen Einfluss auf den Staatsapparat. Die Firma ist ungefähr an 30 Industrieunternehmen beteiligt. 5
Zitate aus dem Schreiben von Köstring vom 22.8.1938; vgl. Dok. 313.
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Vgl. Dok. 308.
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11. 9. 1938 Nr. 323 Die Handelsbeziehungen der Firma mit unseren Importvereinigungen waren früher bedeutend: so war „Otto Wolff“ 1932 der Hauptlieferant von Erzeugnissen für Sojuzmetimport und lieferte 70 000 Tonnen Röhren für eine Summe von 40 Mio. Deutscher Mark zu Konditionen eines 48-monatigen Kredits. Dies war der erste große Geschäftsabschluss, der von der Sowjetunion in Deutschland zu Konditionen eines langfristigen Kredits getätigt wurde. Der Kredit war mit 6% p.a. verzinst, jedoch beliefen sich die tatsächlichen Kosten des Kredits auf bis zu 35 bis 40 Prozent und waren in den Verkaufspreisen versteckt. In den letzten Jahren wurden die Handelsbeziehungen der Firma mit Sojuzmetimport bereits auf der Grundlage von Bargeldverrechnungen fortgesetzt, die jährlichen Ankäufe bei der Firma beliefen sich ungefähr auf 2 Mio. Deutsche Mark.3 Die Firma bietet kurze Lieferfristen an und ihre Preise für Röhren sind um 8% niedriger als die Konkurrenzpreise (von tschechoslowakischen und französischen Firmen). Die von der Firma gelieferten Handelsröhren (indizierte) sind von zufriedenstellender Qualität, jedoch waren die von der Firma 1936 für unser Marineamt gelieferten Kesselröhren Ausschuss, wodurch eine Betrügerei der Firma aufgedeckt wurde, die, um den Ausschuss zu vertuschen, die Röhren mit einem speziellen Anstrich versah, um die defekten Stellen der Röhren zu überdecken. Die wichtigsten der von der Firma hergestellten Waren bestehen aus Röhren, Walzwerkerzeugnissen, Bohranlagen und Straßenfahrzeugen. Da der Vorschlag der Firma „Otto Wolff“ den Rahmen eines gewöhnlichen kommerziellen Vorschlages übersteigt und einer speziellen Prüfung bedarf, erbitte ich Ihre Weisungen. VOLKSKOMMISSAR FÜR AUßENHANDEL DER UdSSR ČVJALEV Am Ende des Dokuments ist die Anzahl der Exemplare vermerkt: Geschr. 2 Expl. 11.IX.38. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2741, l. 11–11R. Beglaubigte Kopie.
3 Zur Zusammenarbeit mit der Firma „Otto Wolff“ seit 1930 und zur Qualität ihrer nach der UdSSR gelieferten Waren vgl. die Auskunft der Allunionsvereinigung „Sojuzmetimport“. In: RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2763, l. 18–19.
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Nr. 324
12. 9. 1938
Nr. 324 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin Nr. 324 12. 9. 1938 12. 9. 1938 GEHEIM Expl. Nr. 1 Nr. 205/s1 Berlin, 12. September 1938 AN DEN STELLVERTRETENDEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN DER UdSSR Gen. POTEMKIN Im Zusammenhang mit den neuen Gesetzen gegen Juden und jüdische Unternehmen (zusätzliche Steuern, Erkennungszeichen an den Fenstern usw.) *wenden sich verschiedene deutsche Institutionen an unsere Wirtschaftsorganisationen*2 (Intourist, Centrosojuz und andere) mit *Fragen zu dem Zwecke, den arischen Charakter dieser Organisationen festzustellen*. Es ergeht die Bitte um Mitteilung, *ob Sie es für möglich erachten, wenn auf solche Fragen als Antwort die Versicherung abgegeben wird, dass das betreffende Unternehmen ein „sowjetrussisches“ ist (Centrosojuz, Intourist) *und* deshalb *alle gegen „Nichtarier“ gerichteten Maßnahmen* auf dieses nicht angewandt werden dürfen. Von dringender Aktualität ist jetzt eine derartige Anfrage in Hinblick auf Centrosojuz (ist bereits aufgelöst)3, zu dessen Bestand das Haus in der Kurfürstenstraße zugerechnet wird. Für dieses wollen die Steuerbehörden eine Zusatzsteuer in dem Fall erheben, dass keine Versicherung bezüglich des „arischen“ Charakters seines Vermögens entsprechend der hiesigen Gesetze abgeben wird. Angesichts der Dringlichkeit der Frage *bitte ich, die Antwort telegrafisch durchzugeben*. GESCHÄFTSTRÄGER DER UdSSR IN DEUTSCHLAND Astachov Vermerk mit Bleistift: per Telegraf geantwortet. 16/IX. Oben rechts von der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 4210 vom 14.9.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: Geschr. 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an den Adressaten, das 2. an die Rechtsabteilung, das 3. zu den Akten. AVP RF, f. 011, op. 2, p. 12, d. 43, l. 104. Original.
1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der hier und im Folgenden so gekennzeichnete Text ist mit blauem Farbstift unterstri-
chen. 3 Offensichtlich ist das Auslandsbüro von „Centrosojuz“ gemeint, dessen außenwirtschaftliche Tätigkeit von den sowjetischen Direktivorganen gegen Ende 1935 völlig untersagt worden war.
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20. 9. 1938 Nr. 325 Nr. 325 Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin Nr. 325 20. 9. 1938 20. 9. 1938 Ganz geheim Expl. Nr. 1 Nr. 6440 20. September 1938 AN DEN GENERALSEKRETÄR DES ZK DER VKP (B) Gen. STALIN Kopien an: die Genossen Molotov, Kaganovič, Vorošilov, Ežov Mit dem Telegramm außer der Reihe vom 19. September unter der Nummer 17732, das heute Morgen eingegangen ist, übermittelt Gen. Aleksandrovskij die Bitte von Beneš an die sowjetische Regierung, umgehend eine Antwort auf zwei Fragen zu geben: 1) Wird die UdSSR vertragsgemäß der Tschechoslowakei unverzüglichen und tatsächlichen Beistand leisten, wenn Frankreich letzterer gegenüber seine Vertragsverpflichtungen erfüllt? 2) Hilft die UdSSR der Tschechoslowakei als Mitglied des Völkerbundes auf der Grundlage der Artikel 16 und 17 der Satzung des Völkerbundes1, wenn sich Beneš im Falle eines deutschen Überfalls an den Völkerbund mit der Bitte wendet, die erwähnten Artikel in Anwendung zu bringen? Ich bitte noch heute zu beraten, was Beneš zu antworten ist, der damit rechnet, unsere Antwort bis zum 21. zu erhalten. Meinerseits nehme ich an, dass wir auf die beiden uns von Beneš gestellten Fragen keine andere als eine positive Antwort geben können. Dazu würde ich vorschlagen, Beneš mitzuteilen, dass wir den Inhalt unserer an die tschechoslowakische Regierung übermittelten Antwort zugleich auch der französischen Regierung zur Kenntnis bringen. Den Entwurf des Antworttelegramms an Gen. Aleksandrovskij2 füge ich bei. STELLV. VOLKSKOMMISSAR V. Potemkin Vermerk mit Bleistift: 20.IX. Auf Kopfbogen des Stellvertretenden Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten geschrieben. RGASPI, f. 17, op. 166, d. 592, l. 47. Original. Veröffentlicht in: SSSR-Germanija: 1932–1941, Dok. 122, S. 207. 1 2
Vgl. Reichsgesetzblatt 1919, Friedensvertrag, S. 733–737. Das Politbüro des ZK der VKP (B) bestätigte den Vorschlag Potemkins und fasste am 20.9. den entsprechenden Beschluss; vgl. Politbjuro CK RKP (b)–VKP (b) i Evropa, Dok. 271, S. 363. Am selben Tag schickte Potemkin das Telegramm mit dem Antworttext der sowjetischen Regierung nach Prag an Aleksandrovskij (vgl. DVP, Bd. XXI, Dok. 356, S. 500), der Beneš den Inhalt des Telegramms um 19.00 Uhr mitteilte.
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Nr. 326
21. 9. 1938 Nr. 326 Rundschreiben des Stellvertretenden Chefs der Deutschen Sicherheitspolizei Best
Nr. 326 21. 9. 1938 21. 9. 1938 Berlin, den 21. September 1938 Vertraulich! S V 7. Nr. 1689/38 – 537 Russland An die Landesregierungen – Innenministerien – den Reichskommissar für das Saarland in Saarbrücken, die Herren Regierungspräsidenten, den Herrn Polizeipräsident in Berlin. Nachrichtlich den Herren Oberpräsidenten, der Geheimen Staatspolizei – Geheimes Staatspolizeiamt – dem Reichskriminalpolizeiamt. den Staatspolizeileit- und Staatspolizeistellen den Kriminalpolizeileit- und Kriminalpolizeistellen Betr.: Verkehr mit der Konsularabteilung der Botschaft der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken in Berlin in polizeilichen Angelegenheiten. Die selbständigen konsularischen Vertretungen der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken in Deutschland sind aufgehoben worden. Als konsularische Vertretung der Union im Deutschen Reich besteht daher zur Zeit allein die Botschaft der UdSSR (Konsularabteilung) in Berlin. Ein unmittelbarer Geschäftsverkehr der Polizeibehörden mit dieser soll künftig nicht mehr stattfinden. Anfragen der Konsularabteilung der Botschaft der UdSSR sowie für sie bestimmte Mitteilungen sind künftig ausschließlich mir mit Bericht vorzulegen. Das gilt namentlich auch von den Mitteilungen über die Festnahme von Sowjet-Staatsangehörigen und Ersuchen der Konsularabteilung um Besuchserlaubnis bei ihren Landesangehörigen gemäß Artikel 11 des Niederlassungsabkommens zwischen dem Deutschen Reich und der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken vom 12. Oktober 1925 und dem Schlussprotokoll hierzu (Reichsgesetzbl[att] 1926 II S. 1, 10, 52, 138) sowie den dazu erlassenen Ausführungsbestimmungen. Ich ersuche, die Polizeibehörden mit entsprechender Weisung zu versehen. Im Auftrage gez. Dr. Best Beglaubigt: [Unterschrift nicht entziffert] Verw.-Sekretär Oben: Stempel und Abzeichnungen [nicht entziffert]. BArch, R 58/270, Bl. 191.
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23. 9. 1938 Nr. 327 Nr. 327 Auszug aus der Rede des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov in der Sitzung der 6. Politischen Kommission des Völkerbundes Nr. 327 23. 9. 1938 23. 9. 1938 [23.9.1938] Nach meiner in der Vollversammlung abgegebenen Erklärung über die Haltung der sowjetischen Regierung zur tschechoslowakischen Frage1 hörte ich Bemerkungen, dass die sowjetische Regierung, indem sie ihren Beistand für die Tschechoslowakei von der Bedingung abhängig mache, dass Frankreich den gleichen Beistand leiste, gewissermaßen auch dem sowjetisch-tschechoslowakischen Beistandspakt zuwiderhandele. Die Leute, die derartige Bemerkungen in die Welt setzen, wissen offenbar nicht oder tun so, als ob sie nicht wüssten, dass der sowjetisch-französische und sowjetisch-tschechoslowakische Pakt über gegenseitigen Beistand das Ergebnis der Bemühungen sind, einen auf der kollektiven Hilfeleistung fußenden regionalen Beistandspakt unter Teilnahme von Deutschland und Polen zu schaffen.2 Infolge der Ablehnung dieser beiden Staaten zogen es Frankreich und die Tschechoslowakei vor, anstelle eines sowjetisch-französisch-tschechoslowakischen Paktes zwei bilaterale Pakte abzuschließen. Da gerade die tschechoslowakische Regierung dabei darauf bestand, den sowjetisch-tschechoslowakischen Beistand durch den Beistand Frankreichs vertraglich abzusichern, fand dies seinen Niederschlag in dem betreffenden Vertrag.3 Somit ist die sowjetische Regierung von jeglichen Verpflichtungen gegenüber der Tschechoslowakei in dem Falle befreit, dass sich Frankreich bei einem Angriff gegen die Tschechoslowakei tatenlos verhält. Die sowjetische Regierung kann somit der Tschechoslowakei nur auf dem Wege einer freiwilligen Entscheidung oder im Rahmen eines Beschlusses des Völkerbundes zur Hilfe eilen, aber niemand hat das Recht, diese Hilfe von Rechts wegen einzufordern; und die tschechoslowakische Regierung hat in der Tat nicht die Frage unseres Beistandes unabhängig von einem französischen Beistand gestellt, und dies nicht nur aus formalen, sondern auch aus praktischen Gründen. Nachdem sie das deutsch-englischfranzösische Ultimatum4 bereits angenommen hatte, fragte sie bei der sowjetischen Regierung an, wie die Haltung letzterer ausfallen werde, anders formuliert, ob sie sich noch an den tschechoslowakisch-sowjetischen Pakt gebunden fühle, falls Deutschland neue Forderungen stellen, die englisch-deutschen Verhandlungen scheitern und die Tschechoslowakei sich entschließen sollte, ihre Grenzen mit der Waffe in der Hand zu verteidigen.5 Diese nochmalige Anfrage ist völlig verständlich, 1 2
Am 21.9.1938. Vgl. DVP, Bd. XXI, Dok. 357, S. 508–509. Vgl. DVP, Bd. XVII, Dok. 254, S. 480–482; Politbjuro CK RKP (b)–VKP (b) i Evropa, Dok. 207, 214. 3 Vom 16.5.1935. Vgl. DVP, Bd. XVIII, Dok. 223, S. 333–336, hier S. 336. 4 Es geht um die Reaktion der Regierungen Englands und Frankreichs auf die Ablehnung des englisch-französischen Memorandums vom 19.9. durch die Regierung der Tschechoslowakei, das die Forderung beinhaltete, das Sudetengebiet an Deutschland abzutreten. Darin wurde insbesondere auf das Erfordernis verwiesen, „die englisch-französischen Vorschläge anzunehmen, was die einzige Möglichkeit darstellt, eine unmittelbare Aggression durch Deutschland zu verhindern“. Vgl. Dokumenty po istorii mjunchenskogo sgovora. 1937–1939, Moskva 1979, S. 245–246. 5 Vgl. das Telegramm Aleksandrovskijs an das NKID vom 21.9.1938. In: Nakanune i posle Mjunchena. Archivnye dokumenty rasskazyvajut. K 80-letiju „Mjunchenskogo sgovora“, Dok. 246, In: http://munich.rusarchives.ru.
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Nr. 328
23. 9. 1938
da die sowjetische Regierung nach der Annahme des Ultimatums durch die Tschechoslowakei6, das eine eventuelle Kündigung des sowjetisch-tschechoslowakischen Paktes beinhaltet, unbestreitbar das moralische Recht hat, sich gleichfalls unverzüglich von diesem Pakt loszusagen. Ungeachtet dessen hat die sowjetische Regierung, die keine Vorwände suchte, um sich ihrer Verpflichtungen zu entledigen, Prag geantwortet, dass bei einem Beistand durch Frankreich zu den von der tschechoslowakischen Regierung genannten Bedingungen der sowjetisch-tschechoslowakische Pakt in Kraft tritt.7 Ich habe mir diese Abschweifung angesichts der Überlegung erlaubt, dass hier, wie ich es tue, nur der Vertreter einer Regierung eine Rede halten kann, der ein reines Gewissen und saubere Hände bei der Erfüllung der internationalen Verpflichtungen hat. Ich muss vor allem jegliche gegen die sowjetische Regierung gerichteten haltlosen, auf Unwissen oder Bösartigkeit beruhenden Vorwürfe zurückweisen und zugleich erklären, dass die sowjetische Delegation nicht dem Bericht der Kommission zustimmen kann, in dem dem Plenum vorgeschlagen wird, „die Situation, die hier infolge einseitiger Erklärungen entstanden ist, zur Kenntnis zu nehmen“. Ich bin überzeugt, dass in diesem Fall die sowjetische Delegation im Interesse des Völkerbundes und im Interesse aller Völker, im Interesse des Friedens handelt. Veröffentlicht in: DVP, Bd. XXI, Dok. 368, S. 517–520, hier S. 519–520.
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Nr. 328 Telegramm des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an das NKID Nr. 328 23. 9. 1938 23. 9. 1938 Streng geheim AUSSER DER REIHE [23.9.1938] Obgleich sich Hitler dermaßen festgelegt hatte, dass ein Zurückweichen schwierig für ihn geworden wäre, denke ich dennoch, dass er zurückgewichen wäre, wenn er von vornherein von der Möglichkeit eines sowjetisch-französischenglischen Vorgehens gegen ihn überzeugt gewesen wäre. Irgendwelche Erklärungen, selbst gemeinsame, oder Konferenzen beeindrucken ihn jetzt nicht. Es sind schlagkräftigere Beweise erforderlich. Da ich meine, dass ein europäischer Krieg, in den wir hineingezogen werden, zum jetzigen Zeitpunkt nicht in unserem Interesse ist und alles für dessen Abwendung getan werden muss, stelle ich die Frage, *ob wir nicht wenigstens eine Teilmobilmachung verkünden müssen* 1 und in der 6 Die Regierung der Tschechoslowakei fasste am 21.9.1938 den Beschluss, die englischfranzösischen Vorschläge anzunehmen. Vgl. Dokumenty po istorii mjunchenskogo sgovora, Dok. 158, S. 250–251. 7 Vgl. Aufzeichnung der Unterredung Potemkins mit dem Gesandten der Tschechoslowakei in der UdSSR Fierlinger vom 22.9.1938. In: DVP, Bd. XXI, Dok. 361, S. 512–513. 1 Der Text wurde von Stalin mit rotem Farbstift unterstrichen und mit einem „Nein!“ versehen.
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24. 9. 1938 Nr. 329 Presse eine diesbezügliche Kampagne führen sollten, was Hitler und Beck dazu veranlassen könnte, an die Möglichkeit eines großen Krieg mit unserer Beteiligung zu glauben. De La Warr sagte mir, dass sich die Stimmung in Paris festige. Es ist möglich, dass sich auch Frankreich damit einverstanden erklären könnte, jetzt gleichzeitig mit uns eine Teilmobilmachung zu verkünden. Es gilt, schnell zu handeln.2 23.IX.38 Litvinov Am Anfang des Dokuments ist der Verteiler vermerkt: Expl. Nr. 1–2 an Potemkin, Nr. 3–4 an Stalin, Nr. 5 an Molotov, Nr. 6 an Vorošilov, Nr. 7 an Kaganovič, Nr. 8 an Ežov, Nr. 9 an Roš, Nr. 10 an Vajnštejn.3 Veröffentlicht in: DVP, Bd. XXI, Dok. 369, S. 5204.
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Nr. 329 Aufzeichnung des Mitarbeiters der Firma „Otto Wolff“ Gasper von einer Besprechung in der Firma „Otto Wolff“ Nr. 329 24. 9. 1938 24. 9. 1938 Köln, den 24.9.1938 Aktennotiz. Besprechung im Hause Wörthstrasse, anwesend: die Herren Davidow1, Russische Handelsvertretung, Berl., Skosyress2, Gorodinski, Wolff, Siedersleben, Gasper. Die russischen Herren kamen, um Herrn Wolff ihre Aufwartung zu machen und vor allen Dingen die Verhandlungen weiterzuführen, die über den Abschluss eines größeren Kreditgeschäftes in Berlin angeworfen waren. Auf ihre Frage, zu welchen Bedingungen und auf welche Waren sich ein solches Kreditabkommen erstrecken könne, führte Herr Wolff ausführlich aus, dass er die Absicht habe, ein solches Geschäft als rein kaufmännisches Geschäft aufzuziehen. Er wünsche also keinerlei Vermittlung irgendwelcher Staatsstellen, sondern er glaube, dass, wenn man den gegenseitigen Warenverkehr nach rein kaufmännischen Grundsätzen als Unterlage für ein Geschäft macht, ein solcher Abschluss für 2 Am 26.9.1938 sandte Potemkin an Litvinov nach Genf ein Telegramm, in dem es u.a. hieß: „Die Frage einer Teilmobilmachung erachten wir angesichts der ungenügenden Klarheit der internationalen Lage als verfrüht […]“. In: SSSR-Germanija: 1932–1941, Dok. 128, S. 214. 3 Der Text und die technische Beschreibung des Dokuments wurde präzisiert und erfolgte nach: Nakanune i posle Mjunchena. Archivnye dokumenty rasskazyvajut. K 80-letiju „Mjunchenskogo sgovora“, Dok. 271. In: http://munich.rusarchives.ru. 4 Die Veröffentlichung in DVP erfolgte ohne Legende, nach eigenen Redaktionsrichtlinien und mit einer Kürzung, die nicht gekennzeichnet wurden. 1 Davydov fertigte einen Bericht über dieses Treffen am 27.9.1938 an; in: RGAĖ, f. 413, op.12, d. 3040, l. 9–10. 2 So im Dokument; richtig: Skosyrev.
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Nr. 329
24. 9. 1938
beide Teile der richtige sein würde. Er denke z. B. an RM 50 Millionen, wobei man ja die bekannten Einrichtungen (Kessel und Turbinen der Deschimag) unter einen solchen Vertrag fallen lassen könne. Der überschießende Betrag könne etwa abgedeckt werden in Röhren, hochwertigen Blechen, legierten Stählen etc. Wenn man das Geschäft so betrachte, würden sich etwa folgende Gruppen ergeben, die lieferungsmäßig unter das Geschäft fallen könnten: 1. Veredelte Handelsartikel, also wie oben gesagt, Röhren, hochwertige Bleche, legierte Stähle etc. 2. Große Maschinenanlagen, die die Firma „Otto Wolff“ aus ihrem Freundeskreise liefert, wie oben gesagt, die bestimmten Turbinen- und Kesselanlagen. 3. Könnten über diesen Kredit auch direkte Geschäfte, die die Russische Handelsvertretung mit anderen Firmen macht, geleistet werden. In einem solchen Falle verlange O[tto] W[olff] für meine Arbeiten nur eine Provision, über deren Höhe man sich leicht werde verständigen können. Die Frage der Laufzeit des Kredites sei wohl am besten so zu lösen, dass man an eine 5jährige Laufzeit denke mit jährlichen Abzahlungen von 20%, dabei mit gegenseitiger Zinsverrechnung in gleicher Höhe. Da grundsätzlich gegen dieses Kreditabkommen Einfuhrgeschäfte der Russen nach Deutschland laufen sollen, würde also Russland vielleicht öfter mit einer Spitze voraus sein und dafür Zinsen zu erhalten haben, während umgekehrt, wenn Deutschland mit Lieferungen voraus sei, die gleichen Zinsen ihm zu vergüten sein würden. Auf die Frage, wie hoch diese Zinsen sein würden, wurde geantwortet, dass es sich dabei um einen bankmäßigen Zinssatz handeln müsse, weil OW nicht die Absicht habe, an den Zinsen zu verdienen. Die Verhandlungen wurden beiderseits als außerordentlich interessant bezeichnet und es ist vorgesehen, sie weiter zu führen. Herr Wolff hat den Herren mitgeteilt, dass er Dienstag, den 11.10.1938, in seinem Berliner Hause zu einer weiteren Besprechung zur Verfügung stehen würde. [Gasper] D[urch]d[druck]: Herrn Wolff, *Herrn Siedersleben*3, Ausland Köln, Ausland Berlin, Sekr. Gasper Paraphe von Gasper als Unterschrift. Auf erstem Blatt unten: Russland allgemein und Paraphe von S[iedersleben] 24/9. RWWA, 72-45-2, o. P., 2 Bl.
3
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Der Name ist unterstrichen.
26. 9. 1938 Nr. 330 Nr. 330 Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov Nr. 330 26. 9. 1938 26. 9. 1938 Geheim Expl. Nr. 3 UdSSR-NKID RECHTSABTEILUNG Nr. 327551 26. September 1938 An die Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Gen. ASTACHOV Auf Nr. 205 vom 12/IX.382 In Ergänzung zu der bereits erfolgten Weisung teilen wir mit, dass Ihr Vorschlag, den Deutschen zu erklären, dass unsere Betriebe „sowjet-russische“ sind, Befremden hervorruft. So zu antworten würde bedeuten, sich auf der Linie der von deutschen Einrichtungen gebrauchten Formulierungen zu bewegen. Außerdem würde dies dem tatsächlichen Sachverhalt widersprechen, da diese Betriebe auf der Grundlage sowjetischen, nicht aber russischen, ukrainischen oder sonstigen Kapitals tätig sind. Schon das Aufwerfen der Frage zur rassischen Zugehörigkeit dieser Betriebe, deren geltender Status und deren Herkunft den Deutschen gut bekannt ist, kommt nicht in Frage, und jegliche Versuche der faschistischen Behörden, uns in welcher Form auch immer mit dieser Frage zu konfrontieren, müssen kategorisch zurückgewiesen werden. Die Bevollmächtigte Vertretung muss das Ministerium3 auf die Unzulässigkeit sowohl der Fragestellung an sich als auch ähnlich gelagerter Anfragen deutscher Behörden an unsere Betriebe aufmerksam machen. Es versteht sich, dass von unserer Seite gegen die Versuche, auf unsere Betriebe ein besonderes, diskriminierendes Regime im Sinne der Rassengesetzgebung anzuwenden, entschieden Protest einzulegen ist. Stellvertreter des Volkskommissars POTEMKIN Vermerk mit Bleistift: **an die Genossen Puškin und Buchvalov. 5/X 38. V[ajnštejn]**4 Oben in der Mitte befindet sich der Stempel der 2. Westabteilung im NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2066 vom 5.10.1938. 1 2 3 4
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Vgl. Dok. 324. Das Auswärtige Amt. Der Text ist mit Bleistift durchgestrichen.
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Nr. 331
26. 9. 1938
Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. das 1. [Exemplar] an den Adressaten, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an die 2. Westabteilung, das 4. zu den Akten. AVP RF, f. 082, op. 21, p. 91, d. 17, l. 35. Beglaubigte Kopie.
Nr. 331 Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA Nr. 331 26. 9. 1938 26. 9. 1938 Moskau, den 26. September 1938 Tgb. Nr. A/1427 2 Anlagen1 Durchschlag An das Auswärtige Amt Berlin Inhalt: Haltung der Sowjetunion in der tschechoslowakischen Frage Die sowjetische Presse behandelte bis in die letzte Zeit die tschechische Frage im Allgemeinen mit Zurückhaltung und begleitete Meldungen über die Ereignisse nur mit wenigen Kommentaren. In diesen fand sich kein Wort über die russische Unterstützung der Tschechoslowakei. Bald nach Beginn des Konfliktes, d.h. Ende Mai, wurde in einem Artikel der Krassnaja Swesda2 auf den Text des sowjetischtschechoslowakischen Hilfeleistungspaktes3 hingewiesen, der besagt, dass die Sowjetunion zur Unterstützung der Tschechoslowakei nur dann verpflichtet sei, wenn Frankreich den Tschechen Hilfe leiste.4 Während der Verhandlungen Lord Runcimans in Prag5 bezeichnete die Moskauer Presse dessen Mission als eine Einmischung in innere Angelegenheiten der Tschechoslowakei, die durchaus abwegig sei. In der letzten Phase des Konfliktes nach dem Besuche des Ministerpräsidenten Chamberlain in Berchtesgaden ging aus den russischen Presse-Meldungen und insbesondere aus den von Litwinow inspirierten Genfer Telegrammen der „Iswestija“ hervor, dass Moskau auf eine ablehnende Haltung Prags gegenüber dem Londoner Plan hoffte. Wenn erst Blut fließe, hieß es in einer Genfer Meldung, werde Frankreich, eventuell nach einem Kabinettswechsel, seinen Vertragspflichten doch wohl nachkommen. Dadurch, hieß es in anderen Kommentaren weiter, würde auch das Eingreifen Englands ausgelöst werden. Nach Annahme des englisch-französischen 1 Ein beiliegender leerer Briefumschlag deutet darauf hin, dass es sich dabei um zwei Zeitungsartikel aus der Deutschen Zentral-Zeitung gehandelt hat. 2 Vgl. I. Alov: „Čechoslovakija – bar’er na puti germanskoj agressii“ (Die Tschechoslowakei als Barriere gegen die deutsche Aggression). In: Krasnaja Zvezda vom 30. Mai 1938, S. 2. 3 Am 16.5.1935 wurde der Vertrag zwischen der UdSSR und der Tschechoslowakei unterzeichnet. Vgl. DVP, Bd. XVIII, Dok. 223, S. 333–335; Handbuch der Verträge 1871–1964, S. 276. 4 Zu der Einschätzung von der Schulenburgs zur sowjetischen Hilfeleistung Ende Mai 1938 vgl. seinen Bericht an das AA. In: ADAP, Ser. D, Bd. II, Dok. 222, S. 285–286. 5 Vgl. Dok. 310, Anm. 4.
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26. 9. 1938 Nr. 331 Ultimatums durch Prag6 hob die Sowjetpresse hervor, dass die Bevölkerung der Tschechoslowakei mit der Haltung der Regierung keineswegs einverstanden sei und dass die Regierung Hodža kein Recht habe, im Namen der Bevölkerung zu sprechen. Die diplomatische Aktivität der Sowjetregierung lässt sich aus Folgendem erkennen: Litwinow führte in seiner Rede vor der Genfer Vollversammlung am 21. d. Mts.7 u.a. aus, dass die Französische Regierung einige Tage vor Litwinows Abreise nach Genf erstmalig in Moskau wegen der sowjetischen Haltung im Falle eines Angriffs auf die Tschechoslowakei angefragt habe. Er, Litwinow, habe geantwortet, die Sowjetregierung werde ihre Vertragspflichten erfüllen und zusammen mit Frankreich der Tschechoslowakei Hilfe leisten „auf den uns erreichbaren Wegen“. Die sowjetische Armeeleitung sei bereit, unverzüglich in Beratungen über die notwendigen Maßnahmen mit den französischen und tschechischen Militärstellen einzutreten. Unabhängig davon sei es erwünscht, die Frage vor den Völkerbund zu bringen, etwa gestützt auf Artikel 118, um die öffentliche Meinung zu mobilisieren und um die Position einiger Staaten zu klären, deren passive Unterstützung außerordentlich wertvoll wäre. Zur Vermeidung eines Waffenkonfliktes wäre es weiter notwendig, sofort eine Beratung der europäischen Großmächte und anderer interessierten Staaten einzuleiten, um eine kollektive Demarche vorzubereiten. Litwinow sagte ferner, dass die Tschechische Regierung „vor drei Tagen“ (also am 18. oder 19. September) erstmalig die Sowjetregierung gefragt habe, ob sie eine unmittelbare und wirksame Hilfe vertragsmäßig leisten werde, wenn Frankreich, seiner Verpflichtung getreu, der Tschechoslowakei Hilfe leiste. Hierauf habe die Sowjetregierung eine klare und positive Antwort erteilt. Aus diesen Äußerungen Litwinows geht hervor, dass die Sowjetunion ihre Hilfeleistung nach wie vor von einer vorangehenden französischen Hilfeleistung abhängig macht. Ebenso erhellt daraus, dass man in Moskau noch keine festen Abmachungen mit Rumänien hat, und zugleich zeigen Litwinows Ausführungen den russischen Wunsch, sich in die diplomatischen Verhandlungen über die tschechische Frage einzuschalten. Wie aus hier veröffentlichten Prager Meldungen vom 21. September hervorging, bestand zu dieser Zeit in Prag offenbar keine Hoffnung mehr auf eine Hilfe seitens der Sowjetunion. In einer Tass-Meldung hieß es, die tschechische Telegraphen-Agentur verbreite eine von der tschechischen Agrar-Partei lancierte Falschmeldung, um die Sowjetunion zu kompromittieren, nämlich eine Falschmeldung des Sinnes, dass man auf keinerlei Hilfeleistung seitens Moskaus rechnen könne. Die Meldung der tschechischen Telegraphen-Agentur betonte zugleich, dass die von der Sowjetunion vorgeschlagene Prozedur bei der heutigen Lage in Genf eine hoffnungslose Angelegenheit sei. Am 22. d. Mts. kam Litwinow in einer Genfer Kommissions-Sitzung nochmals auf die tschechische Frage zurück.9 *Es werde der Vorwurf erhoben, führte er aus, dass die Sowjetregierung ihre Vertragspflichten gegenüber der Tschechoslowakei verletze. Das sei keineswegs der Fall.*10 Die Moskauer Regierung hätte sich zwar 6 7 8 9 10
Vgl. Dok. 327, Anm. 6. Vgl. DVP, Bd. XXI, Dok. 357, S. 501–509. Vgl. Reichsgesetzblatt 1919, Friedensvertrag, S. 727. So im Dokument; gemeint ist wahrscheinlich die Rede vom 23.9.1938; vgl. Dok. 327. Der Text ist am Seitenrand angestrichen.
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Nr. 332
29. 9. 1938
nach der Annahme des englisch-französischen Ultimatums durch Prag von dem Hilfeleistungspakt lossagen können, sie habe das aber nicht getan, weil sie auf die Erfüllung internationaler Verpflichtungen Wert lege. Auf eine nach der Annahme des Ultimatums erfolgte tschechische Anfrage, ob die Sowjetunion sich durch den tschechoslowakisch-sowjetischen Vertrag gebunden fühlen würde, wenn Deutschland neue Forderungen stelle, wenn die deutsch-englischen Besprechungen scheiterten und wenn die Tschechoslowakei sich zum Schutze ihrer Grenzen mit der Waffe in der Hand entschlösse, habe er, Litwinow, geantwortet, der tschechoslowakisch-sowjetische Vertrag werde in Kraft treten, wenn unter den genannten Bedingungen Frankreich Hilfe leiste. Diese erneute Stellungnahme Litwinows zeigt, dass die Haltung der SowjetRegierung in der tschechoslowakischen Frage sich nicht verändert hat. Was die vorerwähnten „Bedingungen“ in der tschechoslowakischen Anfrage angeht, so bleibt Litwinow bei seiner alten Auffassung, dass die Tschechoslowakei Deutschland überhaupt nicht provozieren könne. Wie der von der Sowjetpresse zitierte Genfer Korrespondent der New York Times zu der Erklärung Litwinows schreibt, macht Litwinow alle Anstrengungen, um von Frankreich die Erfüllung der von ihm in dem französisch-tschechoslowakischen Pakt auf gegenseitige Hilfe übernommenen Verpflichtungen zu erreichen. gez. Graf von der Schulenburg Auf erstem Blatt oben: Kl. Umlauf z.d.A. vT[ippelskirch] 27/9 mit Abzeichnungen. Unten: ab 26.9. Gü[nther]. Gefertigt in drei Durchschlägen. PA AA, Moskau 553, Bl. 212769-22772. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. II, Dok. 620, S. 575–579
Nr. 332 Aufzeichnung der Unterredung des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg mit dem Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin Nr. 332 29. 9. 1938 29. 9. 1938 Moskau, den 29. September 1938 Pol. IV 6893 Ich habe heute Herrn Potemkin, gegenwärtig Leiter des Außenkommissariats, aufgesucht, um laufende Angelegenheiten mit ihm zu besprechen.1 P. kam sofort auf die tschechoslowakische Frage zu sprechen; seine Verärgerung über den Gang der Ereignisse war deutlich erkennbar. P. meinte, es sei eigentlich eine Unmöglichkeit, dass man eine Konferenz über das Schicksal eines Landes abhalte, ohne dass dieses Land vertreten sei. Was jetzt geschehe, sei die Wiedergeburt des „berühmten“ Vier-Mächte-Pakts, der Europa seinen Willen aufzwingen wolle und dessen erster Materialisierung er – damals vor
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Die Aufzeichnung von Potemkin zu diesem Gespräch vgl. Dok. 334.
29. 9. 1938 Nr. 332 mehreren Jahren in Rom – beigewohnt habe.2 Die Sowjet-Regierung halte daran fest, dass die tschechische Streitfrage durch eine allgemeine Konferenz gelöst werden solle. Einen solchen Vorschlag habe die Sowjet-Union bereits im März d. J. (nach dem österreichischen Anschlusse!) gemacht. Jetzt werde die Meinung der Sowjet-Union in glücklicher Weise durch die Anregung des Präsidenten Roosevelt ergänzt.3 P. fuhr fort: die jetzt an der Zerstörung der Tschechoslowakei beteiligten Mächte würden ihr Zurückweichen vor dem militanten Nationalismus bitter bereuen. Zuerst Polen, denn es gebe in Polen „sehr viele“ Deutsche; vor allem aber dürfe man nicht vergessen, dass in Polen mehrere Millionen Ukrainer lebten, die sich bereits zu „regen“ begännen. Auch Italien werde daran glauben müssen und sein Süd-Tirol verlieren. P. behauptete dann, der polnische Gesandte Papée habe vorgestern – also am 27. 9. – in Prag ein Ultimatum überreicht, wonach Warschau gefordert habe, die Tschechen sollten innerhalb von 48 Stunden das Gebiet von Teschen räumen; sonst werde die polnische Armee einrücken.4 Ich habe Herrn P. reden lassen und habe nur darauf hingewiesen, dass der Führer in seiner Montag-Rede5 auf alle weiteren Absichten auf Landerwerb in Europa verzichtet habe und dass danach Herr Litwinow seine Ängste um die „von uns zu erobernde“ Ukraine begraben könne. Herr P. hat geantwortet, es sei nicht sicher, dass die nationalsozialistische Doktrin die Sowjet-Union und die sowjetische Ukraine zu Europa rechne. Herr P. fragte mich dann noch, warum wohl Herr Mussolini sich so stark für die Ansprüche Polens und Ungarns auf tschechisches Gebiet interessiere; seine letzten Reden zeigten das deutlich. Ich habe erwidert, ich sei nicht unterrichtet; vermutlich werde Herr Mussolini der Meinung sein, dass eine endgültige Regelung der Tschechischen Minderheitsfragen für die Tschechoslowakei selber das Beste sei. P. meinte darauf, der wahre Grund für die Haltung des Duce sei, dass er seine „Stützpunkte“ in Mitteleuropa nicht ganz an uns verlieren wolle. Wir sollten uns vor Herrn Mussolini in Acht nehmen! Schulenburg Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. II, Dok. 667, S. 799–800.
2 Auf Initiative Mussolinis unterzeichnetes Abkommen zwischen Italien, Frankreich, Großbritannien und Deutschland, das am 15.7.1933 in Rom unterzeichnet, jedoch nie ratifiziert wurde. Potemkin war zu dieser Zeit Bevollmächtigter Vertreter der UdSSR in Italien. 3 Roosevelt schickte am 26.9.1938 an die an den Münchener Verhandlungen beteiligten Staaten Telegramme, den Konflikt friedlich zu beseitigen; vgl. das Telegramm an Hitler in: ADAP, Ser. D, Bd. II, Dok. 632, S. 767–768. 4 Am 30.9.1938 stellte Polen der Tschechoslowakei ein Ultimatum mit der Forderung, das Teschener Gebiet an Polen abzutreten, das im Oktober 1938 besetzt und Polen einverleibt wurde. Vgl. Polskie Dokumenty Diplomatyczne 1938, Warszawa 2007, Dok. 353, S. 640–642. 5 Rede Hitlers im Berliner Sportpalast am 26.9.1938; vgl. Domarus, Hitler. Reden und Proklamationen, Bd. I/2, S. 924–934, hier S. 932: „Ich habe ihm [Chamberlain] weiter versichert und wiederhole es hier, dass es – wenn dieses Problem gelöst ist – für Deutschland in Europa kein territoriales Problem mehr gibt!”
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Nr. 333
30. 9. 1938 Nr. 333 Meldung eines Informanten an das Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten
Nr. 333 30. 9. 1938 30. 9. 1938 GANZ GEHEIM 30.IX.1938 Nachrichtendienstliche Meldung
Quelle: „Pervyj“ Aufgenommen: GOLUBEV Die Alarmstimmung in der Deutschen Botschaft hat sich gelegt. Die Anweisung der Botschaft zur Abreise der Kinder und Ehefrauen von Mitarbeitern der Deutschen Botschaft aus Moskau nach Deutschland ist aufgehoben worden. Es wurde die Weisung erteilt, dass die Angestellten der Botschaft den Besitz, den sie für die Abreise bereits verpackt hatten, wieder auspacken. In der Botschaft wird darüber gesprochen, dass sich die persönliche Auffassung des deutschen Botschafters Graf Schulenburg zum tschechoslowakischen Konflikt als pessimistischer als die Wirklichkeit erwiesen habe. Schulenburg betrachtete die Ereignisse als hoffnungslose Bemühungen, einen allgemeinen Krieg zu vermeiden.1 Für die Richtigkeit: Vermerk mit Bleistift: Akte Schulenburg. Auf Kopfbogen der Dritten Abteilung der Ersten Verwaltung des NKVD der UdSSR geschrieben. BArch, N 2273/29, Bl. 63. Kopie.
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Zur Stimmung Schulenburgs vor und nach dem Münchener Abkommen vgl. Dok. 332, 335.
1. 10. 1938 Nr. 334 Nr. 334 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 334 1. 10. 1938 1. 10. 1938 Geheim Expl. Nr. 1 AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS Nr. 6481 [1.10.1938] GESPRÄCH MIT DEM DEUTSCHEN BOTSCHAFTER SCHULENBURG, 29. September 1938 Schulenburg teilte mir mit, dass er unlängst aus Berlin zurückgekommen sei und sich angesichts der gespannten internationalen Lage beeilt hätte, in die UdSSR zurückzukehren. Schulenburg hoffe jedoch, dass sich diese Lage im Zuge der Verhandlungen Frankreichs und Englands mit der Tschechoslowakei1 und Deutschland entspannen möge. Schulenburg konnte sich jedoch nicht entschließen, diesen Gedanken weiter zu entwickeln. Er endete, seiner Gewohnheit folgend, damit, dass er, ehrlich gesagt, selbst nicht wisse, womit dieses ganze internationale Durcheinander enden werde.2 Im geschäftlichen Teil des Gesprächs beklagte sich Schulenburg wie immer wegen der Tempoverschleppung bei der Ausweisung von inhaftierten deutschen Staatsangehörigen aus der UdSSR, wegen der Fälle von Vermissten, wegen der Zurückhaltung der Ehefrauen in der UdSSR nach der Abreise der Männer nach Deutschland, wegen der vergeblichen Gesuche der Botschaft um die Ausreise aus der UdSSR für den ehemaligen Angestellten des Generalkonsulats in Tiflis Nymann mit Ehefrau3. Zu all diesen Fragen hat mir Schulenburg Notizen der Botschaft hinterlassen. Ferner wies er darauf hin, dass viele der in die Heimat abgereisten deutschen Staatsangehörigen in der UdSSR ihre Immobilien, Bankeinlagen, Wertpapiere zurückgelassen hätten. Die Botschaft hätte mehrere Male versucht, eine Privatperson sowjetischer Staatsbürgerschaft oder einen sowjetischen Rechtsanwalt zu beauftragen, diesen Besitz aufzulösen. Jedoch hätten diese Bemühungen zu nichts geführt, weil niemand die Erledigung deutscher Angelegenheiten auf sich nehmen wolle. Schulenburg bitte das NKID, eine Person zu empfehlen, am besten einen Juristen, dem die Botschaft die erwähnten Angelegenheiten anvertrauen könnte. Ich antwortete Schulenburg, dass es praktischer wäre, wenn die Botschaft dafür selbst einen Beamten beauftragen könnte, sich mit den Vermögensangelegenheiten der in die Heimat abgereisten deutschen Staatsangehörigen zu befassen. Dieser
1 So im Dokument. In München fanden die Verhandlungen zwischen Deutschland, Italien, England und Frankreich statt. 2 Vgl. Dok. 333. 3 Die Frage der Ausreise Nymanns aus der UdSSR wurde von der Deutschen Botschaft seit Juni 1934 wiederholt beim NKID zur Sprache gebracht. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 1, 2.
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Nr. 335
3. 10. 1938
Vertreter der Botschaft könnte durch entsprechende Verbindungen zu den örtlichen Behörden leichter Ergebnisse erwirken. Schulenburg erklärte, dass er diesen Gedanken annehmbar finde. Zum Abschluss teilte Schulenburg mit, dass Informationen zufolge, die die Deutsche Botschaft aus Spanien erhalten habe, die dort befindlichen Besatzungsmitglieder der „Komsomol“4 tatsächlich irgendwo von den Behörden Francos festgehalten würden, jedoch am Leben und gesund seien. Die Botschaft unternehme alles, um ihren Aufenthaltsort zu ermitteln und von den Behörden das Einverständnis für deren Austausch zu erwirken.5 V. Potemkin Am Endes des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. Das 1. [Exemplar] zu den Akten, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an die 2. Westabteilung, das 4. nach Berlin. 1.X.38. AVP RF, f. 011, op. 2, p. 20, d. 207, l. 65–64. Original.
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Nr. 335 Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA Nr. 335 3. 10. 1938 3. 10. 1938 Moskau, den 3. Oktober 1938 Tgb.Nr. A/1473 An das Auswärtige Amt Berlin Inhalt: Sowjetische Stellungnahme zur Vereinbarung von München Anschluss an Bericht vom 29. September d. J. – Tgb.Nr. A/14421 Die Zusammenkunft der vier Staatsmänner in München und die dortige Vereinbarung sind in der Sowjetpresse – entsprechend dem Verfahren in der letzten Zeit der Krise – lediglich in Genfer Telegrammen der ‚Iswestija‘ kommentiert worden, *die den*2 Standpunkt Litwinows zum Ausdruck brachten. Es zeigte sich in diesen Telegrammen, dass Litwinow bereits auf die Nachricht hin, dass der Duce, Chamberlain und Daladier sich zum Führer begeben würden, jegliche Hoffnung auf eine kriegerische Wendung der Krise aufgegeben hat. Sein Genfer Kommentar zeigte, schon bevor die Ergebnisse von München bekannt wurden, keinerlei Zweifel, dass es dort zu einer Einigung im Sinne des deutschen Standpunktes kommen würde.
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Vgl. Dok. 311. Zur Aufzeichnung Schulenburgs über dieses Gespräch vgl. Dok. 332.
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Dieser Bericht konnte nicht ermittelt werden. Der Text ist unterstrichen und am Seitenrand angestrichen.
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3. 10. 1938 Nr. 335 Die von der ‚Iswestija‘ veröffentlichen Kommentare – datiert vom 29. September 3 , vom 1. Oktober 4 und 2. Oktober 5 – bewegen sich daher in den gleichen Gedankengängen und zeichnen die sowjetische Einstellung folgendermaßen: 1.) Die Münchener Zusammenkunft bedeutet eine neue Kapitulation Englands und Frankreichs nach der „Kapitulation“ von Berchtesgaden und dem Londoner Plan. Chamberlain und Daladier wollen den „Frieden um jeden Preis“; sie verraten und verkaufen daher die Tschechen und sind völlig blind für die Tatsache, dass sie damit auch die eigenen nationalen Interessen Englands und Frankreichs verraten und die Voraussetzungen für den Krieg schaffen, den sie vermeiden wollen. 2.) Durch die Münchener Konferenz ist die Kriegsgefahr nicht beseitigt, sondern nur kurzfristig aufgeschoben. Die Forderungen der „Aggressoren“ werden sich steigern. Frankreich und England werden sich in Kürze neuen Ansprüchen gegenübersehen, handele es sich dabei um europäische Territorien oder um Kolonien. Sie werden dann vor der gleichen Kriegsgefahr stehen wie am 28. September – aber unter unvergleichlich schlechteren Bedingungen. *3.) Die Haltung der englischen und der französischen Regierung ist nur aus der Furcht der „herrschenden Klasse“ von den etwaigen Ansprüchen und Forderungen der „bewaffneten Massen des Volks“ zu verstehen, die im Falle eines heutigen „totalen“ Krieges in Erscheinung treten würden.*6 4.) Frankreich wird eingekeilt zwischen den Pyrenäen, jenseits derer die italienisch-deutschen Interventen herrschen, und die Maginot-Linie, *östlich von der Adolf Hitler der unumschränkte Herr sein wird. Frankreich hat seine Bedeutung als Großmacht des europäischen Kontinents verloren*7. 5.) Es ist zu befürchten, dass die spanische Frage Gegenstand eines ähnlichen „Abkommens“ werden wird wie die tschechische Frage. Es ist anzunehmen, dass Chamberlain die englisch-italienische Vereinbarung in Kraft setzen, die Annexion Abessiniens anerkennen und den Interventen, insbesondere Mussolini, bedingungslos freie Hand in Spanien lassen wird. 6.) Der Völkerbund, der sich „auf abschüssiger Ebene“ befindet, hat bedauerlicherweise in drei Wochen der schärfsten Krise, wo es um Krieg oder Frieden ging, faktisch nicht existiert. Er fand keine innere Kraft für Organisation eines kollektiven Widerstandes gegen die „Aggressoren“ und hat durch seine Passivität und seinen Verzicht auf irgendwelche Einflussnahme objektiv deren Sache unterstützt. 7.) Das Versagen des Völkerbundes darf die „aufrichtigen Verteidiger des Friedens“ nicht irre machen: die Organisation „kollektiven Widerstandes gegen Aggressoren und Aggression“ muss fortgesetzt werden.
3 Vgl. „Očerednaja popytka ublažit‘ agressora“ (Ein neuer Versuch, den Aggressor zu umschmeicheln). In: Izvestija vom 29. September 1938, S. 1. 4 So im Dokument; richtig: Izvestija vom 30. September 1938, S. 1, „Očerednaja anglofrancuzskaja kapituljacija“ (Die nächste englisch-französische Kapitulation). 5 Vgl. „Posle mjunchenskogo soglašenija“ (Nach dem Münchener Abkommen). In: Izvestija vom 2. Oktober 1938, S. 2. 6 Der Absatz ist am Seitenrand angestrichen. 7 Der Text ist unterstrichen.
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Nr. 336
3. 10. 1938
Während die Sowjetpresse sich somit einstweilen darauf beschränkt, die politische Lage nach der Münchener Vereinbarung zu analysieren, enthält sie noch keine greifbaren Angaben darüber, welche praktischen Schlussfolgerungen die Sowjetpolitik aus der veränderten Situation zu ziehen beabsichtigt. gez. Graf von der Schulenburg Auf erstem Blatt oben Abzeichnungen von Schliep und Meyer-Heydenhagen. Gefertigt in vier Durchschlägen. Dieser Durchschlag ist für Pol V. PA AA, R 104356, Bl. 212242-212244.
Nr. 336 Schreiben des Botschaftsrats von Tippelskirch an den Leiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep Nr. 336 3. 10. 1938 3. 10. 1938 Moskau, den 3. Oktober 1938 Lieber Schliep! Vielen Dank für Ihren freundlichen Brief vom 28. d. Mts., den ich mit großem Interesse gelesen habe. Auf der Botschaft herrscht großer Jubel über den gewaltigen, unvorstellbaren Erfolg, den der Führer für Deutschland errungen hat. *Bei den Russen* scheint aber eine *ziemlich gedrückte Stimmung* zu herrschen, wie sich aus der Haltung der Sowjetpresse ergibt. Entsprechend der Ihnen bekannten Einstellung der Sowjets will man hier auch *jeden Anschein einer direkten oder indirekten Beteiligung an dem Münchener Übereinkommen vermeiden*. Dies ergibt sich aus der *beigefügten Tass-Meldung1.*2 Besondere Beobachtungen sind in den kritischen Tagen hier von uns nicht gemacht worden. Während andere Regierungen vorbereitende Mobilmachungsmaßnahmen trafen, hat die Sowjet-Regierung anscheinend nichts dergleichen getan. Soweit dies militärisch von Interesse ist, hat General Köstring seine Feststellungen berichtet und ich darf auf diesen Bericht hinweisen. *Über die politische Auswirkung der Münchener Vereinbarung wird die Botschaft noch berichten, sobald wir die erforderlichen Anhaltspunkte haben.*3 Dass die Litwinow’sche Politik ein völliges Fiasko erlitten hat, der Krieg, von dem man das Chaos und die Schwächung Deutschlands erwartet, nicht ausgebrochen ist, die Pakt- und Bündnispolitik versagt hat, der Kollektivismus zusammengebrochen ist und der Völkerbund die in ihn gesetzten Erwartungen getäuscht hat, kann m.E. nicht ohne Folgen für die Sowjetpolitik bleiben. Angesichts dieses Trümmerfeldes richtet der Kreml anscheinend
1 In der TASS-Meldung wird eine Meldung der Agentur United Press dementiert, wonach die sowjetische Regierung Daladier auf der Münchener Konferenz ermächtigt hätte, im Namen der UdSSR aufzutreten. Vgl. Mitteilung der TASS. In: Izvestija vom 2. Oktober 1938, S. 1. 2 Die vier Textstellen des Absatzes sind unterstrichen. 3 Der Satz ist unterstrichen und am Seitenrand angestrichen.
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3. 10. 1938 Nr. 336 seine *Hoffnungen mehr auf die internationalen Volksmassen*4. Die **Sowjetpresse**5 konstruiert einen Gegensatz zwischen den guten Volksmassen, die den Krieg verhindern wollten, und den bösen Regierungen, die den Aggressor unterstützten, und will behaupten, dass die Volksmassen allein Verständnis hätten für die merkwürdige These der Sowjetpolitik, dass der Krieg das einzige Mittel ist, um den Frieden zu erhalten. Bei dieser Einstellung der Sowjetmachthaber ist es verständlich, dass jetzt hier die *Rückkehr zur revolutionären Komintern-Linie proklamiert*6 wird und die Intensivierung der Parteiarbeit aber auch des ideologischen Kampfes in der ganzen Welt empfohlen wird. Man klammert sich an die Möglichkeit einer Beeinflussung der fremden Regierungen, vor allem wohl Frankreichs unter dem Motto „Proletarier aller Länder vereinigt Euch zum Schutze der Sowjetunion“. Dass Stalin aus dem Misserfolg der Sowjetpolitik auch *personelle Schlussfolgerungen* ziehen wird, erscheint mir nach unseren Erfahrungen wahrscheinlich. Dabei denke ich naturgemäß in erster Linie an *Litwinow*, der im Verlauf der Krise in Genf nutzlose Anstrengungen gemacht hat. Wir haben gewisse Nachrichten darüber, dass die Sowjetmachthaber im Verlauf der Krise ständig langandauernde Besprechungen abgehalten haben. Es soll Besorgnis und Unsicherheit geherrscht haben. Der oft behauptete Hader und das Intrigenspiel unter den Sowjetgrößen wird wohl in dieser Zeit geruht haben, dürfte aber nach der Krise in verstärktem Umfange einsetzen. Stalin wird jetzt wieder zu der bewährten Methode greifen, *für Misserfolge Sündenböcke zu finden*7. Ich persönlich glaube, dass die Sowjetunion auf Grund der gemachten Erfahrungen *noch mehr wie bisher* darauf bedacht sein wird, ihre *militärische Kraft zu stärken*. Da die sowjetische Industrie bereits bis zur maximalen Leistungsfähigkeit angespannt ist, könnte dies nur auf Kosten der schon an sich unzureichenden Bedarfsdeckung der Bevölkerung geschehen. Eine Folge hiervon wäre der *weitere forcierte Ausbau der Industrie*8 und die Schaffung neuer Fabrik-Anlagen. Wenn dies aus eigener Kraft nicht gehen sollte, wird man wieder mehr Produktionsmittel importieren. Will man sich auf das Gebiet der politischen Spekulation begeben, so ist der Gedanke unausweichlich, dass die Sowjetunion ihre Außenpolitik wird überprüfen müssen. In erster Linie käme hier das Verhältnis zu Deutschland, Frankreich und Japan in Betracht. Was uns anlangt, so wäre *gegebenenfalls eine positivere Einstellung der Sowjetunion zu Deutschland möglich*9 und zwar aus der Erwägung heraus, dass Frankreich als Bundesgenosse entwertet ist und eine aggressivere Haltung Japans zu gewärtigen steht. Dass die Sowjetregierung aus dem Völkerbund austreten wird, halte ich einstweilen für wenig wahrscheinlich, da Genf als PropagandaTribüne auch unter den veränderten Umständen seinen Wert in Sowjetaugen behalten wird. Immerhin möchte ich die Annahme nicht als abwegig halten, dass die
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Der Text ist unterstrichen. Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: Sowjetregierung. Der Text ist unterstrichen. Die drei Textstellen des Absatzes sind unterstrichen. Die drei Textstellen des Absatzes sind unterstrichen. Der Text ist unterstrichen.
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Nr. 337
4. 10. 1938
gegenwärtigen Umstände *für ein neues größeres deutsches Wirtschaftsabkommen mit der Sowjetunion günstige Möglichkeiten bieten*10. **Mit herzlichen Grüßen Heil Hitler! stets Ihr getreuer von Tippelskirch**11 Auf erstem Blatt oben Stempel des AA: Pol V 7785, eing. 17 OKT. 1938 und Herrn Dg Pol, U.St.S., LGR Schnurre, Ges. Aschmann m.d.B. um Kenntnisnahmen Sch[liep] 10/X und deren Abzeichnungen; am Seitenrand zdA Pol V Sch[liep] 17/X. Auf Kopfbogen der Deutschen Botschaft geschrieben. PA AA, R 104356, Bl. 212253-212255. Veröffentlicht in: ADAP; Ser. D, Bd. IV, Dok. 476, S. 529–530.
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Nr. 337 Entwurf eines Runderlasses des Chefs der Deutschen Polizei im Reichsinnenministerium Himmler Nr. 337 4. 10. 1938 4. 10. 1938 Berlin, am 4. Oktober 1938 S-PP (II A) – 6377/38 – […]1 4.) Entwurf2 eines Runderlasses für die Landespolizeibehörden und Regierungen der Länder: (Abschriftlich an Stapoleit- und Stapostellen) Betr.:
Reisen von Reichsdeutschen nach der Sowjetunion
Im politischen und polizeilichen Interesse muss in Zukunft verhindert werden, dass Reichsdeutsche die Möglichkeit zur Durchführung einer Studienreise nach der Sowjetunion erhalten, die nicht hinreichend über die Verhältnisse in der Sowjetunion unterrichtetet sind und bei denen die Gefahr besteht, dass sie sich während ihres Aufenthaltes in der UdSSR falsche Vorstellungen über die wirkliche Lage des Landes zu eigen machen. 10 11
Der Text ist am Seitenrand angestrichen. Grußformel und Unterschrift sind handschriftlich verfasst.
1 In den Punkten 1-3 der Abschrift wird dargelegt, dass das AA, das RMVP und der Stellvertreter des Führers sich mit den vorliegenden Vorschlägen einverstanden erklärt hätten. Zudem lege das APA Wert darauf, dass sich in die Sowjetunion reisende Personen vorher dem APA vorstellen; eine diesbezügliche Einwirkung seitens des Chefs der Deutschen Polizei wurde dem APA zugesichert. Der Stellvertreter des Führers, Heß, hat außerdem gebeten, ihm den Erlass vor Herausgabe zur abschließenden Stellungnahme zuzuleiten. Vgl. RGVA, f. 500k, op. 3, d. 237, l. 471-471R. 2 Im Dezember fragte das RMVP nach, ob der Erlass verfügt worden sei, was am 22.12.1938 verneint wurde. Als Begründung wurde in einem Schreiben vom 30.1.1939 angeführt, dass die „aufgeworfenen Fragen […] in passtechnischer Hinsicht einer eingehenden Prüfung [bedürfen], für die eine Besprechung mit den beteiligten Dienststellen erforderlich ist. Angesichts der häufigen Abwesenheit des Referatsleiters aus Anlass von internationalen Verhandlungen ist diese Besprechung bis jetzt noch nicht möglich gewesen.“ RGVA, f. 500k, op. 3, d. 237, l. 474-474R, hier 474R.
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5. 10. 1938 Nr. 338 Aus diesem Grunde ordne ich folgendes an: I. Reichsdeutsche, die nach der Sowjetunion zu reisen beabsichtigen, haben vor Ausstellung eines deutschen Reisepasses eine Erklärung über den Zweck, den Zeitpunkt, die Dauer und das Ziel ihrer Reise abzugeben. a) Falls die Reise aus geschäftlichen oder beruflichen Gründen erfolgen soll, ist dies durch Beibringung von Unterlagen nachzuweisen. b) Soll die Reise Studienzwecken dienen, ist in allen Fällen von dem Passantragsteller eine Begründung der Notwendigkeit der Reise durch seine vorgesetzte Dienststelle – oder falls es sich um Privatpersonen handelt – von einer Körperschaft der jeweiligen Fachrichtung, für die die Reise von Wert ist, beizubringen. Zur Person des Reisenden und zum Reiseantrag ist von der infrage kommenden Staatspolizei sowie dem zuständigen Hoheitsträger eine Stellungnahme zu erbitten. c) Falls die Reise aus familiären Gründen beabsichtigt ist, hat der Reisende ebenfalls die Notwendigkeit der Reise zu begründen. Auch in diesem Falle ist die Einholung einer Stellungnahme der zuständigen Staatspolizeistelle und des Hoheitsträgers der Partei erforderlich. II. Vor Ausstellung des Passes sind die Gesamtvorgänge dem Gestapa II A 3 zur Einverständniserklärung zuzuleiten. Erst nach Zustimmung des Gestapa darf der Reisepass behändigt werden. Das Gestapa ist berechtigt, die Gesuchsteller aufzufordern, sich persönlich vorzustellen. III. Anträge auf Passausstellung zur Durchführung von Privatreisen nach der UdSSR sind grundsätzlich ohne Begründung abzulehnen. [Himmler] RGVA, f. 500k, op. 3, d. 237, Bl. 471R–473.
Nr. 338 Schreiben des Geheimen Staatspolizeiamtes an das AA Nr. 338 5. 10. 1938 5. 10. 1938 Berlin SW 11, den 5. Oktober 1938 Nr. 5984/37 g – II A 3 – An das Auswärtige Amt z. H. des Herrn AR und Hofrat Schimpke – oder Vertreter im Amt – Berlin W 8 Wilhelmstr. 74/76 Betr.: Vorgang: Anlagen:
Kaukasische Vertrauensstelle Mein Schreiben v. 12.11.37 – II A 3 – 5984/37 g und dort. Schreiben v. 23.12.37 – Pol I 6087 g – ohne
Im April ds. J. wurde in der Keith-Str. 19/20 in Berlin eine Georgische Vertrauensstelle eingerichtet. Als ihr Leiter wurde mit Zustimmung des Oberkommandos
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Nr. 338
5. 10. 1938
der Wehrmacht, Auswärtigem Amtes, Ministeriums für Volksaufklärung und Propaganda sowie des Außenpolitischen Amtes der Georgier Fürst Abchazi bestätigt. Inzwischen stellte sich jedoch die Notwendigkeit heraus, auch die im Reich wohnenden Emigranten aus den übrigen Kaukasus-Gebieten – Aserbeidschan, Armenien und dem Nordkaukasus – der ständigen Betreuung zuzuführen. Um die Gründung weiterer Vertrauensstellen zu vermeiden, entstand der Entschluss, die hier lebenden Angehörigen dieser Völkerschaften gemeinsam mit den georgischen Emigranten durch dieselbe Stelle vertreten zu lassen. Aus diesen Gesichtspunkten heraus wurde im Laufe des Monats September die Georgische Vertrauensstelle in eine umfassendere Kaukasische umgewandelt Als Leiter der Kaukasischen Vertrauensstelle habe ich den früheren georgischen Gesandten Dr. Wladimir Achmeteli, am 10.3.1875 in Tiflis geboren, Berlin wohnhaft, der als guter Kenner der den Kaukasus betreffenden Fragen gilt und deshalb von dem Oberkommando der Wehrmacht für die Vertretung der kaukasischen Emigration besonders empfohlen wurde, anerkannt und bestätigt. Dr. Achmeteli ist der Begründer der Georgischen Kolonie, der zurzeit einzigen georgischen Emigrantenorganisation in Deutschland. Außerdem verfügt er durch seine frühere diplomatische Tätigkeit über weitgehende Verbindungen zu Emigrantenkreisen des In- und Auslandes. Dr. Achmeteli gilt als eine der in der Behandlung von Emigrantenfragen erfahrensten Persönlichkeiten unter den in Deutschland lebenden Flüchtlingen aus den Kaukasusgebieten. Stellvertreter von Dr. Achmeteli ist der bisherige Leiter der Georgischen Vertrauensstelle Fürst Alexander Abchazi. In Vertretung Klein Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben Stempel: Schnellbrief und Eingangsstempel des AA: Pol. I 2347/g (V), eing. 7. OKT. 1938, am Seitenrand: LR Meyer Heydenhagen erg. (z. vgl auf Pol V 7554) Schl[iep] 10/X. PA AA, R 101378, Bl. 237827-237828.
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6. 10. 1938 Nr. 339 Nr. 339 Aufzeichnung der Unterredung des 2. Rates der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Nikolaev mit dem Leiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep Nr. 339 6. 10. 1938 6. 10. 1938 GEHEIM Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 2201 Berlin, 6. Oktober 1938 TAGEBUCH DES 2. RATES DER BEVOLLMÄCHTIGTEN VERTRETUNG DER UdSSR IN DEUTSCHLAND Gen. M.V. NIKOLAEV Am 29. September 1938 begab ich mich ins Auswärtige Amt und hatte mit dem Vortragenden Legationsrat Schliep in folgender Angelegenheit eine Unterredung: Auf Anordnung deutscher Behörden wurde am 28. September d.J. die Verschiffung von 20 Entfernungsmessern und einem Periskop über Hamburg auf dem sowjetischen Motorschiff „F. Dzeržinskij“ untersagt, die von der Firma „Zeiss“ an die Sowjetunion geliefert werden sollten. Wie uns die Handelsvertretung mitteilte, geht das Verbot von den Militärbehörden aus. Die genannten Instrumente wurden nicht an Bord des Motorschiffes verladen und verblieben im Hamburger Hafen. Das Motorschiff musste ohne die Ladung der Instrumente aus Hamburg auslaufen. Ich teilte Schliep den Vorfall des Auslieferungsverbotes der von der Firma „Zeiss“ laut Vertrag zu liefernden Geräte mit und betonte, dass aufgrund dessen, dass das Motorschiff ohne Befrachtung aus Hamburg ausgelaufen sei und die genannten Geräte nicht fristgemäß geliefert wurden, unseren Wirtschaftsorganisationen ein materieller Schaden zugefügt worden sei und derartige Maßnahmen generell die normale wirtschaftliche Tätigkeit der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland behindern.2 Schliep sicherte zu, „sich dieser Sache anzunehmen“ und nach Klärung aller Umstände uns das Ergebnis mitzuteilen. Bereits im Mai des laufenden Jahres hatte mir Schliep erklärt, dass die Intourist–Abteilung in Berlin Reklamematerialien über die Landwirtschaftsausstellung in Moskau in Deutschland verbreite, die das Innenministerium als Propaganda betrachte, und darum gebeten, deren Verbreitung „zu verhindern“.3 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Potemkin hatte am 4.10.1938 mit von der Schulenburg ein Gespräch, in dessen Verlauf auf Anweisung Stalins die Frage angesprochen wurde, dass ein Teil des von der UdSSR bereits bezahlten Auftrages an die Firma „Zeiss“ von der Gestapo zurückgehalten wurde (AVP RF, f. 082, op. 21, p. 88, d. 1, l. 74). Noch am selben Tag wurde der Deutschen Botschaft eine Denkschrift mit der Bitte um Unterstützung bei der Aufhebung des Verbots für die zurückgehaltenen Waren übergeben (AVP RF, f. 82, op. 22, p. 73, d. 13, l. 37). Am 15.10.1938 teilte Potemkin Stalin mit, dass die deutschen Behörden das Verbot der Lieferung von ZeissProdukten an die UdSSR aufgehoben hätten (AVP RF, f. 05, op. 18, p. 138, d. 3, l. 265). 3 Vgl. Aufzeichnung des Gesprächs Nikolaevs mit Schliep am 16.5.1938. In: AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 56, l. 180.
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Nr. 339
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Damals hat uns Intourist auf unsere Anfrage schriftlich erklärt, dass kein Material über die Landwirtschaftsausstellung in Moskau innerhalb Deutschlands verbreitet worden sei. Unter Bezugnahme auf diese Erklärung hatte ich Schliep erklärt, dass seine Befürchtungen unbegründet seien, weil das in Rede stehende Material von ausländischen Touristenorganisationen außerhalb Deutschlands versandt worden sei. Bei meinem letzten Besuch im Auswärtigen Amt kam Schliep erneut auf diese Angelegenheit zu sprechen und machte mich darauf aufmerksam, dass Intourist in Berlin tatsächlich Reklamematerial über die Landwirtschaftsausstellung in Moskau versandt habe und nannte mir das Bayerische Reisebüro, an das Intourist dieses Material geschickt hätte. Ich sagte Schliep zu, mich der von ihm aufgeworfenen Angelegenheit anzunehmen, aber aller Wahrscheinlichkeit seien Materialien über die Landwirtschaftsausstellung verteilt und wir von Intourist in die Irre geführt worden. Danach zog Schliep die 4. Nummer unserer Zeitschrift „Sowjetwirtschaft und Außenhandel“, die von der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland in deutscher Sprache herausgegeben wird, aus der Tischschublade und bat darum, solche Artikel wie „Der große Plan wird verwirklicht“4 „zu verhindern“, weil das Innenministerium derartige Artikel als Propaganda betrachte. Ich sicherte Schliep zu, dieser Frage nachzugehen. Zum Schluss teilte Schliep mit, dass die Frage einer Steuererhöhung für das Gebäude von Centrosojuz bis zur Beibringung „von Belegen über die arische Herkunft des im Haus angelegten Kapitals“ in dem Sinne positiv entschieden worden sei, dass die städtische Steuerbehörde angewiesen worden sei, von der Hausverwaltung keinen „Ariernachweis“ einzufordern.5 Die Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland erhielt aus Moskau die Weisung, die Intourist-Abteilung in Wien zu schließen. Da mir Schliep seinerzeit die Bitte deutscher Behörden um Schließung der Intourist-Abteilung in Wien vorgetragen hatte, hielten wir es für erforderlich, Schliep darüber in Kenntnis zu setzen, dass Intourist in Moskau den deutschen Behörden entgegenkomme und beschlossen habe, die Intourist-Abteilung in Wien zu schließen. [...]6 M. Nikolaev Vermerk mit blauem Farbstift: MM. [Litvinov] Oben rechts von der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 3777 vom 17.10.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. 7 an Gen. Litvinov, 1 [Exemplar] zur Akte Bevollmächtigte Vertretung. 6.X.1938. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 57, l. 13–15. Original.
4 Vgl. „Ein großer Plan wird verwirklicht“; in: Sowjetwirtschaft und Außenhandel, Nr. 4/ 1938, S. 2–6. 5 Vgl. Dok. 324. 6 Ausgelassen ist die Aufzeichnung über den Besuch der Schwedischen Mission in Berlin am 3.10.1938 (l. 15).
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7. 10. 1938 Nr. 340 Nr. 340 Aufzeichnung des Gesandtschaftsrats I Kl. in Moskau Schwinner Nr. 340 7. 10. 1938 7. 10. 1938 Moskau, den 7. Oktober 1938 Aufzeichnung Auftragsgemäß begab ich mich heute zum Direktor der II. Westabteilung, Herrn Wainstein und brachte eingehend und nachdrücklich die Frage der Ausweisung der in der Sowjet-Union verhafteten reichsdeutschen Staatsangehörigen zur Sprache. Ich wies darauf hin, dass seit Juli d. J. trotz der im Gang befindlichen Ausweisungsaktion die Zahl der verhafteten Reichsdeutschen sich nicht vermindert habe. Es wären zwar 20 Verhaftungsfälle durch Ausweisung erledigt worden, aber ebenso viele neue Verhaftungsfälle hinzugekommen. Das Tempo der Ausweisungen habe sich daher in den letzten 3 Monaten sehr verlangsamt und von dem neuen Impuls, den Herr Potemkin der Ausweisungsaktion zu geben versprach 1 , sei vorläufig nichts zu merken. Dieses erschien umso bedauerlicher als von deutscher Seite den Wünschen der Sowjetregierung bereits weitgehend Rechnung getragen wurde. Die gesamte Besatzung des Sowjetdampfers Smidowitsch habe auf deutsche Intervention hin bereits ihre Freiheit wiedererlangt und heute könne ich ihm die angenehme Mitteilung machen, dass auch der Kapitän der Smidowitsch – Glotow – von der spanischen Regierung Franco freigegeben wurde. Es sei nun an der Sowjetregierung den guten Willen zu zeigen und unsere beiderseitigen Beziehungen, die durch die zahlreichen Verhaftungen deutscher Reichsangehöriger schwer belastet waren, zu normalisieren. Ich beklagte mich insbesondere auch darüber, dass wir seit dem Monat März d. J. keine Antwort mehr auf alle unsere Verbalnoten, Verhaftungsfälle betreffend, erhalten haben. Ich erinnerte meinen Mitredner daran, dass der Stellvertretende Außenkommissar Potemkin vor einigen Tagen erst dem Herrn Deutschen Botschafter die Zusage gemacht habe2, diese ganze Angelegenheit bei Jeshow persönlich zu betreiben. Ich bäte ihn nun, mir bald ein Ergebnis mitzuteilen. In der Folge wies ich, hauptsächlich zur näheren Illustration der ganzen Frage, auf eine Reihe von Einzelfällen hin, in denen deutsche Staatsangehörige sich bereits seit mehr als 2 Jahren in Untersuchungshaft befinden (Heinrich Schäfer3 u. a.) und dass überhaupt keine Auskunft über die Gründe dieser Verhaftungen, über den Gewahrsamsort und über das Ergehen der Betroffenen zu erhalten wäre; ich wies ferner darauf hin, dass sogar junge Mädchen verhaftet wurden (Frl. Hoeldtke u. a.), dass Deutsche in der Haft gestorben seien (Ave, Strübing), dass andere spurlos verschwunden seien (Wieser, Schlageter, Lutzmann, Eimecke u. a.) und dass in allen diesen Fällen keinerlei Auskunft seitens des Außenkommissariats erteilt wurde. Herr Wainstein versprach, sich dieser Sache mit allen Kräften anzunehmen, sie sogleich eingehend mit Potemkin zu besprechen und mir sowohl Auskunft über die einzelnen Fälle sowie auch über den ganzen Fragenkomplex in allernächster Zeit zu erteilen. Er dankte für unsere Bemühungen bei der Befreiung des Kapitäns 1 2 3
Vgl. Dok. 320. Vgl. Dok. 334. Vgl. Rückkehrer-Vernehmungsakte in: PA AA, R 153122.
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Glotow und gab vor, keine richtige Vorstellung davon gehabt zu haben, dass die Ausweisungsaktion sich so sehr verlangsamt habe. Er hätte ja erst vor zwei Tagen 7 Ausweisungsfälle positiv erledigt. Er werde weiterhin in dieser Richtung sehr bemüht sein. Ich besprach anschließend daran neuerdings wieder den Fall v. Nymann und bat Herrn Wainstein feststellen zu lassen, wo sich das Ehepaar befinde und wie sein Gesundheitszustand wäre. Herr Wainstein erklärte, dass Herr v. Nymann und seine Frau bestimmt nicht wegen ihrer Tätigkeit am Deutschen Generalkonsulat in Tiflis verhaftet worden wären. Daraus würde ihnen niemand einen Vorwurf machen. Die Verhaftung sei aus anderen Gründen erfolgt, die nicht das Mindeste mit der Tätigkeit Nymanns im Konsulate zu tun hätten. *Die ganze Behandlung dieser Frage hätte sich Herr Potemkin selbst vorbehalten.*4 Ich übergab Herrn Wainstein schließlich noch mehrere Notizen5 betreffend die Ausbürgerung von Sowjetbürgerinnen, die deutsche Reichsangehörige geheiratet haben und ersuchte ihn, auf eine Beschleunigung der Ausbürgerungen hinzuwirken. Herr Wainstein machte auf mich heute einen sehr bedrückten Eindruck. Er war offensichtlich bestrebt, jede Frage, die nicht streng dienstlichen Charakter hatte, zu vermeiden und beantwortete meine Fragen nach seinen Referenten sehr kurz und ausweichend. Herr Bergmann, den er mir erst vor kurzem vorgestellt hatte, sei auf Urlaub, Herr Michels sei noch immer auf Urlaub, seine Rückkehr vom Urlaub sei noch unbestimmt. Hiermit dem Herrn Botschafter über Herrn Botschaftsrat v. Tippelskirch gehorsamst vorgelegt. Schwinner Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben: zu A 1482/38. Auf letztem Blatt Paraphen von S[chulenburg] 8/10 und T[ippelskirch] 7/10 sowie die Bemerkung von letzterem: Nach diesem Resultat darf ich erg[ebenst] vorschlagen, dass Sie, Herr Botschafter, sich von Neuem an Potemkin wenden. PA AA, Moskau 558, Bl. 191719-191721.
Nr. 341 Schreiben des Botschaftsrats in Moskau von Tippelskirch an den Leiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep Nr. 341 10. 10. 1938 10. 10. 1938 Moskau, den 10. Oktober 1938 Lieber Schliep! Vielen Dank für Ihren freundlichen Brief vom 5. d. M. nebst den Anlagen, die wir mit Interesse gelesen haben. 4 5
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Der Satz ist am Seitenrand von Schulenburg mit einem Ausrufezeichen versehen. Die Notizen liegen der Akte nicht bei.
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Die hiesige Englische Botschaft hat die beiden von den Sowjets aufgebrachten englischen Fischerboote ziemlich schnell freibekommen. Offenbar liegt es daran, dass wir durch unsere Vorstellungen wegen Bahrenfeld1 den Weg bereits geebnet haben. Was Marschall *Blücher* anlangt, so ist sein *Schicksal in der Tat ungewiss*. Wir hatten bereits vor einiger Zeit gehört, dass er nicht mehr im Fernen Osten weilt, hatten uns aber gedacht, dass mit Rücksicht auf die Ereignisse in Westeuropa Stalin vorhätte, ihn an der Westgrenze zu verwenden.2 Nun ist aber die kürzlich geschaffene *„fernöstliche Front“ wieder aufgehoben und in zwei selbständige Armeen geteilt*3 worden, die dem Oberkommando Moskau, d. h. Woroschilow direkt, unterstehen sollen. Es sieht nun so aus, dass die „fernöstliche Front“ damals nur geschaffen worden ist, um Blücher aus dem Sattel zu heben. Dass Woroschilow selbst nach dem Fernen Osten gefahren ist, scheint nicht zuzutreffen. Im *Außenkommissariat* scheint eine *neue Säuberung*4 vor sich zu gehen. Der Direktor einer der Westabteilungen ist bereits abgesägt, ferner sind einige Referenten der Westabteilungen verschwunden. Der Leiter der Presseabteilung, *Gnedin, ist vom Urlaub bisher nicht zurückgekehrt.*5 Auch gibt es Gerüchte über den Protokollchef Barkow. Nach unseren Beobachtungen herrscht im Außenkommissariat zurzeit dieselbe *gedrückte Stimmung*6, die bereits bei früheren Säuberungsaktionen in Erscheinung getreten ist. Über die Stellung *Litwinows* liegen Beobachtungen bisher nicht vor. Auch waren bisher keine Tendenzen festzustellen, die auf eine Änderung der Sowjetpolitik schließen lassen. Ich bin daher noch *nicht in der Lage, den Ihnen in meinem Brief vom 3. Oktober7 in Aussicht gestellten Bericht erstatten zu können*. Man nimmt hier an, dass Litwinow nach seiner Rückkehr aus Genf der Sowjetregierung über die politische Lage im Zusammenhang mit der Münchener Vereinbarung Bericht erstattet hat, dass es jetzt darauf ankommt, ob und welche Entschlüsse Stalin daraufhin fassen wird und dass *einstweilen* die Sowjetpolitik den *gleichen Kurs wie bisher*8 steuern wird. Litwinow wird bestimmt versuchen, die Sowjetregierung davon zu überzeugen, dass seine bisherige Politik die einzig richtige war und auch in Zukunft fortgesetzt werden müsse. **Er wird dabei sicherlich davon ausgehen, dass Frankreich und England aus dem Verlauf der tschechoslowakischen Frage die Lehre ziehen werden und Vorkehrungen treffen werden, damit sie sich nicht noch einmal gezwungen sehen, vor deutschen Machtansprüchen zurückzuweichen. Litwinow wird sicherlich auch damit operieren, dass der Versicherung des Führers, keine weiteren territorialen Forderungen in Europa zu haben, kein Glauben zu schenken sei. Es ist bezeichnend, dass die Sowjets offenbar der Meinung sind, dass die *Versicherung des Führers nicht für die Ukraine gelte, da die 1 2
Vgl. Dok. 320. Bljucher wurde am 6.10.1938 als Befehlshaber der Fernöstlichen Armee abgesetzt und am 22.10.1939 verhaftet. 3 Die drei Textstellen des Absatzes sind unterstrichen. 4 Die beiden Textstellen sind unterstrichen. 5 Der Text ist von Bismarck unterstrichen und am Seitenrand mit einem Ausrufezeichen versehen. 6 Der Text ist unterstrichen. 7 Vgl. Dok. 336. 8 Die vier Teststellen sind unterstrichen.
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Sowjetunion nach nationalsozialistischer Auffassung nicht zu Europa gehöre*. Falls ich Litwinow richtig beurteile, so wird er seine *Politik des Kollektivismus9 auch weiterhin verteidigen* in der Überzeugung, dass der Machtzuwachs Deutschlands und insbesondere die Zerschlagung der Tschechoslowakei eine Gleichgewichtsverlagerung in Europa zur Folge haben werden, bei der über kurz oder lang der Sowjetunion eine bestimmte Rolle ganz von selbst zufallen muss. Infolgedessen wird Litwinow nicht daran denken, von sich aus eine Änderung seiner Politik vorzunehmen. Er wird *weder aus dem Völkerbund austreten, noch den Bündnisvertrag mit Frankreich kündigen, noch auf seine Versuche verzichten, sich in die europäische Politik einzuschalten. Er wird mit anderen Worten fortfahren, Maßnahmen gegen die Aggressoren zu empfehlen*10 in der Hoffnung, beim nächsten Mal mehr Erfolg zu haben.**11 Wenn hier bezeichnenderweise nur einmal und zwar nur im Journal de Moscou der Wert des französisch-sowjetischen Bündnispaktes in Zweifel gezogen worden ist, so wurde damit lediglich bezweckt, einen Druck auf gewisse Kreise in Frankreich auszuüben. Der *Appell an die Volksmassen*12 ist neben den in meinem Brief vom 3. Oktober erwähnten Gründen aus der Hoffnung entstanden, dass die Volksmassen in Frankreich und England eine Haltung einnehmen würden, die zur Ablehnung der Politik Chamberlains und Daladiers führen würde. Die verschiedentlichen Versuche der Sowjetrepublik, sich in das europäische Konzert wieder einzuschalten, zeigen, *dass man sich hier über die Isolierung der Sowjetunion durchaus im Klaren ist*13. Über diese Isolierung ist man einerseits besorgt, andererseits aber auch erfreut, weil man jeglicher Verantwortung an der politischen Entwicklung ledig ist, was gegenüber dem internationalen Kommunismus ein Vorteil ist, und weil man ungehindert gegen die Politik Chamberlains und Daladiers wettern kann, was der Sowjetpropaganda zugutekommt. Wenn man hier der Meinung sein sollte, dass der *Krieg nur verschoben* ist und dass die Sowjetunion in der Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird, so ergibt sich daraus die Schlussfolgerung, dass Stalin bestrebt sein wird, das potentiel de guerre der Sowjetunion weiter zu stärken. Auf welche Weise dies geschehen kann, möchte ich im Augenblick nicht weiter untersuchen. Es ist insbesondere schwierig, sich vorzustellen, wie dieses Ziel bei Fortsetzung der „Personal-Politik“ Stalins erreicht werden soll. Auch wird die stärkere Heranziehung der Industrie zu Rüstungszwecken und die dadurch hervorgerufene Verknappung der Bedarfsdeckung der Bevölkerung der Hebung der allgemeinen Stimmung nicht förderlich sein. *Wie wenig die Machthaber der Zuverlässigkeit der Bevölkerung in der Zeit der tschechoslowakischen Krise getraut haben*14, geht daraus hervor, dass die Zeitungen die wichtigsten Ereignisse in verhältnismäßig kleiner und unauffälliger Aufmachung, meist unter der Rubrik „letzte Nachrichten“ und ohne weitere Kommentierung veröffentlicht haben. Hierher gehört auch die Tatsache, dass die Sowjetunion auch solche vorbereitenden Mobilmachungs-Maßnahmen unterlassen hat, 9 10 11 12 13 14
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Gemeint ist die Politik der kollektiven Sicherheit. Die drei Textstellen sind unterstrichen. Der Text ist am Seitenrand angestrichen. Der Text ist unterstrichen. Der Text ist unterstrichen. Die beiden Textstellen des Absatzes sind unterstrichen.
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wie sie z. B. Holland, Belgien und die Schweiz für notwendig erachtet haben. In Anbetracht dessen, dass die Sowjetunion zur Hilfeleistung an die Tschechoslowakei verpflichtet war, muss diese Haltung besonders auffallen. Nachträglich behaupten die Sowjets, dass sie in Anbetracht der nachgiebigen Politik Frankreichs und Englands gegenüber den Aggressoren an den Ausbruch eines Krieges niemals ernstlich geglaubt hätten. Man kann jedoch nicht umhin, aus dem Verhalten der Sowjetregierung beim polnisch-litauischen Konflikt und während der tschechoslowakischen Krise bestimmte Schlussfolgerungen zu ziehen. *Es ist auch zu bemerken, dass die Sowjetregierung anlässlich des Vorgehens Polens gegenüber der Tschechoslowakei und der Besetzung Teschens durch polnische Truppen sich völlig ruhig verhalten hat und es bei der bedeutungslosen Aktion der Warnung vor einer Kündigung des polnisch-sowjetischen Nichtangriffsvertrages15 hat bewenden lassen.*16 Die Reise des Reichswirtschaftsministers Funk nach Ankara und die Gewährung eines 150-Millionen-Kredits an die Türkei17 bestärkt mich in meiner Auffassung, dass *der gegenwärtige Augenblick günstig ist, mit der Sowjetregierung ein neues Wirtschaftsabkommen* abzuschließen, das von Herrn Schnurre seit langem vorbereitet wird. Ich möchte daher erneut vorschlagen, diese Frage sogleich einer entsprechenden Prüfung zu unterziehen. Ich darf hinzufügen, dass der Herr Botschafter meine Auffassung teilt *und mich zu dieser Anregung ausdrücklich ermächtigt hat*18. In der Hoffnung, dass es Ihnen gut geht, bin ich mit herzlichen Grüßen Heil Hitler! wie stets Ihr getreuer von Tippelskirch Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben: Pol V 8024 und Dg.Pol, U.St.S., Dir W zur Abschrift erhalten Sch[liep] 12/X und zdA Sch[liep] 26/X. Auf Kopfbogen der Deutschen Botschaft geschrieben. PA AA, R 104355, Bl. 202440-202444. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 477, S. 530–532.
15 Der sowjetisch-polnische Nichtangriffsvertrag war am 25.7.1932 geschlossen worden und wurde zuletzt am 26.11.1938 bestätigt. 16 Der Text ist am Seitenrand angestrichen. 17 Der Vertrag wurde am 7.10.1938 abgeschlossen. 18 Die beiden Textstellen des Absatzes sind angestrichen.
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Nr. 342 Schreiben des Militärattachés in Moskau Köstring an den Chef der 3. Abteilung im Generalstab des Heeres von Tippelskirch Nr. 342 10. 10. 1938 10. 10. 1938 Moskau, den 10.10.1938 Der Militär- und Luftattaché Lieber Herr von Tippelskirch! Bevor ich Ihnen einen Bericht über die politischen Folgen und Aussichten der letzten Vorgänge für die Sowjetunion sowie die militärischen Schlüsse, die daraus zu ziehen sind, einreiche, muss ich noch einen gewissen Zeitabstand von den Ereignissen gewinnen. In Asien verlaufen Ereignisse nicht so sturmartig wie in Europa. Für Entschlüsse lässt man sich mehr Zeit, abgesehen davon, dass hier ja alles bekanntlich nur allmählich durchsickert. Lässt man sich Zeit, kann man trotz aller Schwierigkeiten doch Beurteilungen geben, die den Tatsachen fast genau entsprechen, wie durch spätere Kenntnis oft bestätigt wird. In letzter Beziehung waren die Aussagen des Überläufers nach Japan, Ljuschkow, mir in vielen Fällen doch eine freudige Bestätigung der vor vielen Monaten geäußerten Beurteilung. Wie überall ist natürlich auch hier die zukünftige Gestaltung der europäischen Politik das Hauptthema aller Gespräche und der Presse. Dass die Sowjetunion aus der großen Politik Europas ziemlich ausgeschaltet ist, erscheint fast allen als sicher. Es gehörte kein Seherblick dazu, dieses nach der Köpfung der Armee schon vorauszusagen. In München ist es erfreuliche Wirklichkeit geworden. Die Erkenntnis, dass die Sowjetunion für seine Freunde Litauen und Tschechei außer dem Genfer Geschimpfe Litwinows nichts unternommen hat, wird selbst seine Freunde im Auslande ihm nicht wohlgesinnter machen. Nicht einmal mit dem Säbel hat die Sowjetunion gerasselt, nur in weinerlichem Tone sich beklagt, dass sie an den Entschlüssen nicht beteiligt wurde. Wird eine Lösung der Pakte mit der Tschechei und Frankreich erfolgen? Von russischer Seite aus m. E. sicher nicht, sie werden stillschweigend beerdigt. Mit der Drohung der Lösung gegenüber Polen haben sie ja Pech gehabt. Eines glaube ich: England werden sie noch mehr als bisher nachlaufen. Nach russischer Auffassung ist ja unser Krieg mit dem ganzen Kontinent, vor allen Dingen mit England, doch nur verschoben. Hilfe dafür gefällig? wird Litwinow England zuflüstern. Warum soll er es nicht versuchen, bevor er sein Bündel mit Kollektivpakten, Unteilbarkeit des Friedens, Aggressorenhetze und anderen Völkerbundsrequisiten in Europa schnürt und seine Nase und Tätigkeit nach Osten wendet. Welch letzter Gedanke, wie Sie ja wissen, meine ganz private Anschauung ist. Nach unserer letzten politischen Erstarkung und Demonstration der militärischen Kraft werden dem Fuchs Stalin die europäischen Trauben noch saurer scheinen, nach München sind die Aussichten für Volksfront- und Kominternintrigen stark gesunken. Natürlich kursieren wieder Gerüchte, dass Litwinow die kalte Hand der GPU schon im Nacken säße. Vorläufig glaube ich noch nicht daran, wenn er vielleicht auch schon auf der Liste der zu Erledigenden steht. Ljuschkow hat ja ausgeplaudert, dass Litwinow einer der Geldgeber Trotzkijs war. Dieser Tage haben zwei seiner Abteilungschefs, Herr Weinstein und Herr Weinberg, die m. W. die Ressorts
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England und Deutschland bearbeiteten, sich anscheinend in Jehovas Himmel begeben. Aber alle diese Ereignisse haben ja die hiesigen Politiker zu deuten und zu bearbeiten, nicht ich. Vorläufig kann ja auch unsere Botschaft kein bestimmteres Urteil haben. Militärische Schlüsse aus den letzten Ereignissen: Die Gründe, weshalb die Sowjetunion nicht mobil gemacht hat, habe ich in meinem Bericht 34/38 g. Anl. 1 dargelegt. Neues zu dieser Frage kann ich vorläufig nicht bringen. Ich bin aber nach wie vor der Auffassung, dass zu mindestens innere politische Schwierigkeiten die Mobilmachung nicht gefährdet hätten, erst im Laufe eines längeren Krieges wären sie bestimmt gekommen. Der Behauptung mancher, dass Russland jetzt seine Aufrüstung verstärken und beschleunigen wird, kann ich mich zunächst nicht anschließen. Denn: Die quantitative materielle Ausrüstung hat ihre zeitliche Grenze an der Unmöglichkeit, aus der Rüstungsindustrie in kurzer Zeit mit den vorhandenen mangelhaften Facharbeitern und bei voller Beschäftigung der Werke noch mehr herauszupressen. Manche sehen als Grund für den unvorstellbaren Mangel an allen Bekleidungs- und Bedarfsartikeln die noch stärkere Beschäftigung der Werke für Kriegsindustrie. Letzteres halte ich für kaum noch möglich. Nachdem es vor Monaten den Anschein hatte, dass der merkbare Stillstand wieder einer langsamen Aufwärtsbewegung zu weichen schien, sind in letzter Zeit doch wieder gewisse Krisenerscheinungen bemerkbar. Mitbestimmend, wenn auch nicht ausschlaggebend für letztere mögen die Neubesetzungen der Stellen sein. Die Hauptgründe liegen aber, wie schon oft erwähnt, im System. Sie sind ja bekannt. Von dem Fehlen einer klaren Linie oben bis zu den Folgen der Stachanowbewegung unten, der es gelungen ist, die immer schon schwache Organisation, sowie mangelhafte Qualität der Produktion und Zustand der Maschinen ziemlich restlos zu versauen. Wenn so die Quantität in der Rüstungsindustrie nur schwer schnell zu heben ist, so ist diese Möglichkeit noch viel geringer bezüglich der Qualität der Armee. Die Quantität kann man vielleicht durch Ausdehnung der Kriegsindustrie erweitern. Die Hebung der Qualität der Armee kann nicht durch Befehl und Kapitalsanlage geleistet werden. Sie erfordert Zeit, viele Jahre, zumal, wenn dazu noch das Institut der Kriegskommissare verdaut werden soll. Wie ein roter Faden geht es durch die Presse, dass die Bedeutung und der Einfluss der Kommissare gehoben werden soll. Am Chassan-See1 waren sie die Helden Ia. Dass der politische Gewaltige der Armee, Mechlis, auf seinen Wanderfahrten bei den verschiedenen Armeen dauernd die Notwendigkeit der Disziplin predigte, lässt auf keinen guten Erfolg des Befehlsdualismus – Kommandeur/Kommissar – schließen. Welches sind nun die unmittelbaren militärischen Erfahrungen der letzten Wochen? Hier ist vor allem die Frage zu stellen: wie kann der Attaché in der Lage sein, Mobilmachungsvorbereitungen mit einer gewissen Sicherheit und Schnelligkeit festzustellen, wie in anderen Ländern? Die Antwort hierfür ist keine erfreuliche, sie muss leider lauten: er ist dazu kaum in der Lage. Die seit 2 Jahren restlos durchgeführte Isolierung aller Ausländer, besonders der Militärattachés, das Fehlen unserer Konsulate und jeglicher Quellen im Innern, die vorbildliche Geheimhaltung militärischer Dinge tragen ihre für uns nachteilige Folgen. Die kritischen Tage 1
Vgl. Dok. 311, Anm 5.
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waren bei der Verantwortung unter diesen Umständen keine angenehmen. Außer den geringen Möglichkeiten des persönlichen Sehens (Fahrt und Flug nach Kowno auf 2 Wegen), Autofahrten in die Umgebung Moskaus, Zusammenarbeit auf diesem Gebiet mit den befreundeten Attachés, wüsste ich keine weiteren Erkundungsmöglichkeiten. Nur die genaue Kenntnis des „Gesichts“ des Landes hilft mir über die Sorgen hinweg. Ich war aber doch froh, als ich am 28.9.38 von Kowno über die Grenze wieder auf meinen Posten hineingelassen wurde, fast ebenso froh wie am 29.7.14, damals mit der Nachricht über die erkannte Mobilmachung noch aus Asien herausschlüpfen zu können. Heil Hitler! Ihr Köstring Eigenhändige Grußformel und Unterschrift. Auf erstem Blatt oben Stempel: Geheim und 14/10 sowie zdA 18/10 T[ippelskirch] Links Stempel: Abt U.R. Chef Genstb. d. H und Ob. d. H. jeweils mit Abzeichnungen. BA MA, N 123/9, 5 Bl. Veröffentlicht in: General Ernst Köstring, S. 206–208.
Nr. 343 Rundschreiben des Chefs des Oberkommandos der Wehrmacht Keitel Nr. 343 13. 10. 1938 13. 10. 1938 Berlin, den 13. Oktober 1938 Abschrift 3 b 19.11/Ausl[and] (IIa) 5444/38 Betr.: Dienstlicher und persönlicher Verkehr mit Mitgliedern hiesiger fremder Missionen. Die Verfügung „Wehrmacht Nr. 1574/38 Ausl IIa vom 19.5.371“ wird aufgehoben. Für den Bereich des Oberkommandos der Wehrmacht ordne ich Folgendes an: A. Dienstlicher Verkehr: Dienstliche Besuche bei den hiesigen Missionen fremder Staaten sind nicht statthaft. Ist eine dienstliche Besprechung bei einer fremden Mission im Ausnahmefall unerlässlich, so hat dieselbe nur auf Anordnung des zuständigen Amtsgruppenchefs (siehe auch unter B Ziffer 4), der sich vorher mit dem Auswärtigen Amt ins Benehmen zu setzen hat, zu erfolgen. B. Außerdienstlicher Verkehr: 1. Die Amtsgruppenchefs und Chefs der einzelnen Abteilungen bedürfen für den außerdienstlichen Verkehr mit fremdländischen Offizieren und Diplomaten keiner besonderen Erlaubnis. 1
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Vgl. BA MA, RW 19/849, Bl. 91.
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2. Den Chefs der Abt. Ausland, Abw I, II und III wird die Befugnis der selbständigen Regelung des außerdienstlichen Verkehrs mit Mitgliedern hiesiger fremder Missionen innerhalb ihrer Abteilungen erteilt. 3. Alle übrigen Angehörigen des OKW bedürfen für den außerdienstlichen Verkehr mit Mitgliedern hiesiger fremder Missionen von Fall zu Fall der Genehmigung des zuständigen Amtsgruppenchefs. 4. Diesbezügliche Anträge von Angehörigen der mir unmittelbar unterstellten Abteilungen sind an Chef Ausl, der in zweifelhaften Fällen meine Entscheidung einholt, zu richten. 5. Bemerkenswerte Äußerungen von Seiten der Ausländer und etwaige besondere Vorkommnisse sind stets umgehend an Chef Ausl zu melden. 6. Die dem Ausländer gegenüber stets gebotene weitgehende Zurückhaltung in militärischen und politischen Fragen mache ich jedem Einzelnen zur besonderen Pflicht. Der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht I. A. gez. Keitel Für die Richtigkeit der Abschrift: [Unterschrift nicht lesbar] BA MA, RW 19/849, Bl. 83.
Nr. 344 Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin Nr. 344 13. 10. 1938 13. 10. 1938 Vertraulich Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 1211 Berlin, 13.X.1938 AN DEN STELLVERTRETENDEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN Gen. POTEMKIN **V.P.**2 Sehr geehrter Vladimir Petrovič! Ich bringe Ihnen zur Kenntnis, dass der allgemeine Empfang für das diplomatische Corps am 25. Oktober 1938 von 17.00 bis 20.00 Uhr stattfindet. Dieses Datum ist mit dem Protokoll des Auswärtigen Amtes abgestimmt, wobei das Protokoll uns offenbar morgen eine Liste der Deutschen schickt, die wir ihrer Ansicht nach zu diesem Empfang einladen könnten. 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Die Initialen sind mit Tinte eingefügt.
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Nr. 344
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Wir haben beschlossen, den Empfang im Gebäude der Bevollmächtigten Vertretung zu geben und Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, die darin bestehen, dass die gefährdetsten Empfangssäle geschlossen sein werden und ich außerdem eine gleichmäßige Verteilung der Besucher im Empfangssaal vornehmen werde. Hinsichtlich des Feiertags am 7./8. November befinde ich mich in einer schwierigen Lage. Wenn wir einen guten Spielfilm hätten, wäre es nicht schlecht, am 7./8. November für einen engen Kreis von 60 bis 80 Personen anlässlich des 21. Jahrestages der Oktoberrevolution einen Empfang zu organisieren, jedoch ist von den uns zur Verfügung stehenden Filmen leider kein einziger für diesen Zweck geeignet. Könnten Sie nicht, falls Sie diese Maßnahme als sinnvoll erachten, die nötigen Anordnungen treffen, um uns einen geeigneten Film zu schicken? Wünschenswert wäre es, Ihre Auffassung zu erfahren, ob Sie einen Empfang am 7./8. November ohne eine Filmvorführung für zweckdienlich erachten. Zwei Worte zur Vorbereitung der Bevollmächtigten Vertretung auf den Jahrestag der Oktoberrevolution. Ich habe den gesamten Personalbestand der Bevollmächtigten Vertretung mobilisiert, um in der gesamten Vertretung Ordnung zu schaffen. Dazu wurden fünf Brigaden gebildet, von denen jede eine spezielle Aufgabe hat, deren Erfüllung sich nicht auf die normale Tätigkeit der Bevollmächtigten Vertretung auswirken darf. Das gesamte Inventar der Bevollmächtigten Vertretung, das sich in verschiedenen Gebäuden befindet, wird nach folgenden Gesichtspunkten bewertet: was ist aufzubewahren, was muss repariert werden, was ist als überflüssig und für die Bevollmächtigte Vertretung von keinem Wert zum Verkauf bestimmt, was unterliegt der Vernichtung. Zugleich wird eine Sichtung der Archive und der Bücher vorgenommen und das, was von Bedeutung ist, wird mit dem nächsten Dampfer nach Moskau geschickt. Der Rest wird in der Bevollmächtigten Vertretung aufbewahrt oder vernichtet werden. Ich meine, dass wir uns mit dieser Maßnahme schließlich endgültig von dem unnötigen alten Plunder trennen können. Außerdem verschafft uns eine Grundreinigung schließlich die Möglichkeit, eine Inventarisierung unseres Vermögens in Angriff zu nehmen.3 Mit Gruß **!**4 Bevollmächtigter Vertreter der UdSSR in Deutschland Merekalov Oben rechts befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. N/318 vom 17.10.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Potemkin, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an die II. Westabteilung, das 4. zu den Akten der Bevollmächtigten Vertretung. 13.X.38. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 57, l. 2–3. Original.
3 Zur Reaktion des diplomatischen Corps und des AA auf den Staatsfeiertag der UdSSR sowie zu den in der sowjetischen Kolonie in Berlin durchgeführten Maßnahmen vgl. die Aufzeichnung Astachovs vom 12.11.1938 in: AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 57, l. 56. 4 Das Ausrufezeichen ist mit Tinte geschrieben.
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Nr. 345
Nr. 345 Aufzeichnung des Rates der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Astachov Nr. 345 14. 10. 1938 14. 10. 1938 GANZ GEHEIM Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 2211 Berlin, 14. Oktober 1938 ERGÄNZUNGEN ZUM TAGEBUCH G. ASTACHOVS Mir wurden folgende Informationen über die nächsten Pläne Deutschlands zugetragen, die ich bislang nicht überprüfen konnte, die aber in der Presse eine indirekte Bestätigung finden. Die deutsche Regierung hat angeblich den drei baltischen Staaten wichtige Vorschläge unterbreitet, die auf der Dezemberkonferenz in Kovno2 erörtert werden. Der Kern dieser Vorschläge besteht darin, diese Länder zwecks Einkreisung Polens in den deutschen Einflussbereich einzubeziehen. In dessen Süden beabsichtigt Berlin ähnlich vorzugehen, indem es seinen Einfluss in der Tschechoslowakei und insbesondere in der Karpato-Ukraine festigt, wohin alle ukrainischen Weißgardisten aus Deutschland versetzt werden sollen. Diese Karpato-Ukraine soll zu einem Rammbock gegen Polen werden, die dessen Umkreisung im Süden vollendet. Danach ist beabsichtigt, von Polen die Rückgabe des Korridors, Schlesiens und anderer Gebiete und die Abtretung ukrainischen Territoriums an die Karpato-Ukraine zu fordern. Berlin zweifelt nicht daran, dass Polen all diese Forderungen erfüllen und ein völliger Vasall Deutschlands wird. Letzteres wird über den Untervasallen „Ukraine“ auf diese Weise zu einem direkten Nachbarn der UdSSR. Dann wird die Frage nach den Beziehungen zu uns aufkommen. Als der bekannte Hauptmann Wiedemann über diese Perspektive sprach, soll er angeblich gesagt haben: „Dann wird sich zeigen, ob es einen Krieg gegen die UdSSR geben wird oder nicht, aber ich nehme an, dass es keinen Krieg geben wird.“ Berlin beabsichtigt, all diese Pläne in einem relativ zügigen Tempo umzusetzen und dafür die Regierung Chamberlain zu nutzen. Diese Informationen habe ich von einem französischen Journalisten erhalten, der sich dabei auf eine direkte Quelle, die Kanzlei des Führers, beruft. Diese Tendenzen finden indirekt ihre Widerspiegelung in einem Artikel der Rosenbergschen Zeitschrift „Ostland“ vom 1.X.3. In dem Artikel wird die Idee einer unabhängigen „Karpato-Ukraine“ entwickelt, die als Ausgangspunkt für den „Kampf gegen den Bolschewismus“ und für die „Pflichterfüllung“ gegenüber der „Familie von Millionen polnischer Ukrainer“ dienen würde. Der Artikel erinnert daran, dass sich in Zukunft diese „Ukraine“ „bis nach Kiev“ erstrecken müsse, **um den „Bolschewismus Prags zu entlarven“**4 und verweist auf die Erklärung Masaryks gegenüber Gillerson im Jahr 1920 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Die 9. Außenministerkonferenz der baltischen Länder (Baltische Entente) fand am 1./2.2.1939 in Kovno statt, auf der die Neutralitätspolitik der drei Staaten gebilligt wurde. 3 Vgl. „Selbstbestimmung für die Karpathen-Ukraine“. In: Ostland. Halbmonatsschrift für Ostpolitik, Nr. 19 vom 1. Oktober 1938, S. 397–413. 4 Der Text ist mit Tinte über die Zeile geschrieben.
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über die Absicht, „bei der ersten sich bietenden Gelegenheit“ die Karpato-Ukraine an Russland zurückzugeben5. Astachov P.S.: Wiedemann hat angeblich hinzugefügt: „Um die jetzige Taktik des Führers zu verstehen, lesen Sie die Bücher von Seeckt. Sie spiegeln die Lage besser als ‚Mein Kampf‘ wider.“ Vermerk mit blauem Farbstift, der mit blauem Farbstift durchgestrichen ist: VP6. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 3776 vom 17.10.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Litvinov, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. zu den Akten der Bevollmächtigten Vertretung. 14.X.38. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 57, l. 9–10. Original.
Nr. 346 Schreiben des Ministerialdirektors a.D. Köpke an den Teilhaber der Firma „Otto Wolff“ Siedersleben Nr. 346 14. 10. 1938 14. 10. 1938 Berlin-Charlottenburg 4, 14. Okt. 38 Vertraulich! Teilabschrift/B. Sehr geehrter Herr Siedersleben! Ich habe sehr bedauert, Ihnen bei Ihrer letzten Anwesenheit in Berlin nicht Vortrag halten zu können. Da Sie, wie ich eben höre, hier erst am Donnerstag nächster Woche wieder erwartet werden, möchte ich Ihnen das Ergebnis meiner verschiedenen Besprechungen in der Wilhelmstraße doch lieber unverzüglich auf diesem Wege mitteilen. 1.) … 2.) Bei diesem Anlass erfuhr ich auch, dass die seitens des Wirtschaftsministeriums an die Wirtschaft ergangene Weisung, mit Russland erneut und intensiver als bisher die Geschäftsverbindung aufzunehmen, auf eine unmittelbare Anregung des Auswärtigen Amtes zurückzuführen ist. Es hat vorher gewisser Kämpfe und Auseinandersetzungen, vor allen Dingen mit den Parteistellen, bedurft, bis diese Weisung im Einvernehmen sämtlicher beteiligen Reichsbehörden das Licht der Welt erblickte. Besonders wirksam ist das Auswärtige Amt von Herrn v. Ribbentrop persönlich und von Generalfeldmarschall Göring in dieser Richtung unterstützt worden. Im Amt geht man, wie mir vertraulich gesagt wurde, mit dem Gedanken um, noch einen erheblichen Schritt weiter zu gehen und ein neues Kreditabkommen mit den 5 Über das Gespräch mit Masaryk telegrafierte Gillerson am 14.8.1920 an Čičerin. Vgl. AVP RF, f. 04, op. 43, p. 273, d. 53929, l. 10. 6 Vladimir Petrovič Potemkin.
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Russen zu schließen. Die Aussichten hierfür seien nach Abschluss des deutschpolnischen Kreditabkommens7 günstig. Die bisherigen Schwierigkeiten, die in der mangelnden oder beschränkten Reichsgarantie und in dem gleitenden Zinssatz lagen, könnten nunmehr behoben werden, da man den das russische Geschäft betreibenden deutschen Firmen eine 100prozentige Reichsgarantie und einen Zinssatz von etwa 5 ½ anbieten könnte. Natürlich seien das Objekte zum Aushandeln, die während der Verhandlungen vielleicht noch gewissen Modifizierungen unterzogen werden könnten. Auf meine Frage, wann mit solchen Verhandlungen zu rechnen sei, zuckte der Referent die Achseln und meinte, man müsse im Hinblick auf die vorerwähnten inneren Widerstände außerordentlich behutsam zu Werke gehen und den richtigen Zeitpunkt abpassen. Ich hatte aber den Eindruck, dass man im Amt entschlossen ist, solche Verhandlungen anzubahnen, und überzeugt ist, dass dies allen Widerständen zum Trotz gelingen wird. 3.) … Hoffentlich kann ich Ihnen am Donnerstag mehr berichten. Bis dahin bin ich mit verbindlichstem Gruß und Heil Hitler! Ihr gez. Köpke Auf letztem Blatt unten: HA Russland-Neugeschäft, HA [Russland]-Kredit. RWWA, 72-44-2, o. P., 2 Bl.
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Nr. 347 Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov Nr. 347 14. 10. 1938 14. 10. 1938 Vertraulich Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 118 Berlin, 14. Oktober 1938 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN Gen. M.M. LITVINOV Sehr geehrter Maksim Maksimovič! Ich sehe mich genötigt, Sie um Ihre Hilfe zu bitten. Es geht darum, dass die Entsendung eines TASS-Korrespondeten nach Deutschland nach wie vor nicht ge-
7 Gemeint ist das deutsch-polnische Warenkreditabkommen vom 30.9.1938. Vgl. Ostland 19 (1938), S. 475–476.
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regelt ist.1 Diese Tätigkeit nimmt seit über 9 Monaten der Presseattaché der Bevollmächtigten Vertretung Gen. Smirnov nebenamtlich wahr. Man braucht nicht eigens darüber zu sprechen, dass sich diese Nebentätigkeit auf die Pressearbeit der Bevollmächtigten Vertretung auswirkt. Wegen der Überlastung unseres Mitarbeiters durch TASS sind wir nicht in der Lage, rechtzeitig und in einer annähernden Vollständigkeit die deutsche Presse zu verfolgen. Wir haben bereits früher darauf hingewiesen, dass die Zusammenlegung der Tätigkeit des Attachés und des Korrespondenten von TASS große Unannehmlichkeiten verursacht. Seitens des Auswärtigen Amtes gab es wiederholte Anfragen zum Termin der Ankunft eines TASSKorrespondenten. Bei Treffen mit ausländischen Korrespondenten wird immer diese Frage gestellt. Ich möchte Sie bitten, die zuständige Stelle anzurufen und auf die Notwendigkeit hinzuweisen, die Entsendung eines TASS-Vertreters nach Berlin zu beschleunigen. Mit Gruß **!**2 Bevollmächtigter Vertreter der UdSSR in Deutschland A. Merekalov Oben rechts befindet sich der Stempel des Sekretariats Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. N/317 vom 17.10.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 2 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Litvinov, das 2. an **Gen. Potemkin**3. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 57, l. 1. Original.
1 Die Frage der Entsendung eines TASS-Korrespondenten nach Berlin stellte sich Ende März 1938, als nach der Ablösung der bisherigen Leitung der Berliner TASS-Abteilung im Juni 1937 der Presseattaché der Bevollmächtigten Vertretung Smirnov die Pflichten eines Korrespondenten übertragen bekam und somit die Bevollmächtigte Vertretung „faktisch ohne Presseattaché verblieb“. Befürchtungen rief auch der Umstand hervor, dass während des Journalistenkonfliktes 1933 ein Präzedenzfall geschaffen wurde, als dem Presseattaché an der Deutschen Botschaft Moskaus die Möglichkeit entzogen worden war, zugleich eine Nachrichtenagentur zu vertreten (vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 1, Dok. 224, S. 691–692), was in der entstandenen Situation „uns eine große diplomatische Unannehmlichkeit bereiten kann“. Vgl. das Schreiben Astachovs an Gnedin vom 31.3.1938. In: AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 56, l. 107. Im Zusammenhang damit schrieb Litvinov am 19.4.1938 an Astachov, dass „der neue Korrespondent für Berlin vorbereitet wird, doch nimmt, wie Sie wissen, diese Prozedur jetzt recht viel Zeit in Anspruch“. In: AVP RF, f. 082, op. 21, p. 88, d. 1, l. 46. Der neue Leiter der Berliner TASS-Abteilung Filippov nahm im Mai 1939 seine Tätigkeit auf; vgl. Dok. 463. 2 Das Ausrufezeichen ist mit Tinte geschrieben. 3 Der Text ist korrigiert; ursprünglich: zur Akte der Bevollmächtigen Vertretung.
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Nr. 348 Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov an den kommissarischen Leiter der 2. Westabteilung im NKID Vajnštejn Nr. 348 14. 10. 1938 14. 10. 1938 Vertraulich Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 1201 Berlin, 14. Oktober 1938 AN DEN LEITER DER II. WESTABTEILUNG Gen. VAJNŠTEJN Sehr geehrter Grigorij Isaakovič! Wie Sie dem von uns erhaltenen Material entnehmen können, ergreifen wir alle Maßnahmen, um die uns zu einzelnen Arbeitsgebieten der Bevollmächtigten Vertretung erteilten Weisungen zu erfüllen.2 Ich habe seinerzeit angewiesen, Ihnen Kopien von allen Materialien zuzustellen, die an die Presseabteilung des NKID gehen. Ihrem Brief vom 10.X.1938 entsprechend habe ich Gen. Smirnov die nötigen Weisungen erteilt, damit er seine Aufmerksamkeit der Sammlung von Materialien **zu den von Ihnen aufgeworfenen Fragen**3 und ihrer Wiedergabe in den nächsten zusammenfassenden Berichten zuwendet.4 Seinerzeit haben Sie darum gebeten, Ihnen eine politische Karte Deutschlands zuzuschicken. Diese habe ich Ihnen noch vor meiner Abreise nach Genf zugeschickt, haben Sie sie erhalten **?**5 Große Schwierigkeiten bereitet uns die Sammlung von Materialien zu einzelnen Politikern Deutschlands, wir bemühen uns dennoch darum, auch in dieser Richtung etwas zu sammeln und Ihnen zuzuschicken, sobald sich etwas angehäuft hat. Als Anlage zu diesem Brief schicken wir einige Daten zu den neu in Berlin eingetroffenen Diplomaten (dem chinesischen6 und belgischen7 Botschafter, dem lettischen Gesandten8 und dem deutschen Botschafter in Belgien9).10 1 2 3 4
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Vgl. Dok. 278. Der Text ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. Vajnštejn hatte in dem Brief vom 10.10.1938 folgende Probleme angeführt: „1) Die deutsch-tschechoslowakischen Verhandlungen (im Zusammenhang mit den Reisen tschechoslowakischer Politiker und Finanzexperten nach Berlin) und die Entwicklungsperspektiven der Beziehungen zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei. 2) Die Reisen von Ley auf den Balkan und von Funk in die Türkei und die Ergebnisse dieser Reisen. 3) Die Forderungen Deutschlands nach Kolonien und die englisch-deutschen Beziehungen. 4) Deutschland und der Ferne Osten. 5) Die innere Situation Deutschlands (die Lage der Arbeiterklasse und der Bauern, die antifaschistische Bewegung, Stimmungen in Industrie- und Handelskreisen und deren Beziehungen zur nationalsozialistischen Partei, die Finanzsituation)“. In: AVP RF, f. 82, op. 22, p. 73, d. 16, l. 20. 5 Das Fragezeichen ist mit Tinte geschrieben. 6 Chen Jie. 7 Jacques Davignon, bis November 1938 Gesandter, danach Botschafter. 8 Edgars Krieviņš. 9 Vicco von Bülow-Schwante, bis November 1938 Gesandter, danach Botschafter. 10 In der Akte nicht vorhanden. Vermerk mit Tinte: Die Anlage wurde für die Kartothek der Politiker entnommen.
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Ich möchte Sie bitten, mit der Presseabteilung zu vereinbaren, dass sie *uns ab und an Presseübersichten anderer Bevollmächtigter Vertretungen zuschicken möge*11, weil die uns im August von der Presseabteilung übermittelten Übersichten mir als neuem Mitarbeiter von Nutzen waren, da ich sie mit den unseren vergleichen konnte und somit in der Lage war, die erforderlichen Weisungen für die Verbesserung unserer eigenen Übersichten zu erteilen. Überhaupt bitte ich darum, uns jegliches Material zuzuschicken, welches Sie – von den gleichen Überlegungen ausgehend – als geeignet erachten, wofür ich Ihnen sehr verbunden wäre. Mit Gruß! Bevollmächtigter Vertreter der UdSSR in Deutschland Merekalov Vermerk G.I. Vajnštejns mit rotem Farbstift: an die Genossen *Šaprov*12, Puškin und *Buchvalov*13. 19/X 38. V[ajnštejn]. In der Mitte befindet sich der Stempel der 2. Westabteilung mit der Eingangs-Nr. 305 vom 19.10.1938. AVP RF, f. 82, op. 22, p. 73, d. 16, l. 29. Original.
Nr. 349 Schreiben des Botschaftsrats in Moskau von Tippelskirch an den Leiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep Nr. 349 17. 10. 1938 17. 10. 1938 Moskau, den 17. Oktober 1938 Lieber Schliep! Vielen Dank für Ihnen freundlichen Brief vom 12. Oktober nebst den Anlagen, von denen uns besonders der Bericht des Botschafters von Moltke vom 6. v. Mts. interessiert hat. Die schwankende Haltung, die Polen uns gegenüber im Verlauf der tschechoslowakischen Krise eingenommen hat, spricht nicht gerade für die Zuverlässigkeit der polnischen Politik. Man wird nicht umgehen können, aus dieser Haltung gewisse Lehrern für die Zukunft zu ziehen. Die Demarche des Sowjetbotschafters Maisky in London anlässlich der Rede Lord Wintertons und die Verlautbarung der TASS über die „loyale“ Haltung der Sowjetregierung in der Frage der Beistandspflicht gegenüber der Tschechoslowakei sind insofern von Interesse, als sich daraus gewisse Rückschlüsse auf die Sowjetpolitik ergeben. Jedenfalls ist auch daraus nicht zu entnehmen, dass in der grundsätzlichen Einstellung der Sowjetpolitik eine Änderung eintreten wird. Andererseits hat die Sowjetpresse jedoch die Anzapfungen englischer Kabinettsmitglieder, die auf eine Beteiligung der Sowjetunion an einer Garantie für die Tschechoslowakei
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Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Name ist mit Tinte durchgestrichen. Der Name ist mit Tinte durchgestrichen.
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gerichtet waren, bisher mit Stillschweigen übergangen. Irgendeine amtliche Stellungnahme zu den Ereignissen in Europa ist auch in der Zwischenzeit nicht erfolgt. Wir müssen also davon ausgehen, dass die *Sowjet-Außenpolitik an dem Paktsystem, dem Völkerbund und dem Kollektivismus bis auf weiteres festhält*. Da neuerdings trotz der Rückschläge auch der Volksfront-Gedanke von der Sowjetpresse weiter propagiert wird, *muss für die Komintern-Politik das gleiche gelten*1. Übrigens ist auch der interessante Artikel des „Völkischen Beobachters“ vom 9. Oktober, betitelt „Panbolschewismus – Panslawismus“2, der sich mit den Minderheiten in der Sowjetunion und besonders mit der Ukraine beschäftigt, von der Sowjetpresse bisher ignoriert worden. Die Sowjetpresse beschäftigt sich zur Zeit hauptsächlich mit der Rettung der auf einem Fluge nach den Fernen Osten notgelandeten drei Fliegerinnen3; die Veröffentlichungen hierüber überdecken die politischen Ereignisse, woraus eine gewisse Absicht zu sprechen scheint. Ungeachtet der in der Sowjetpresse fortgesetzt proklamierten wirtschaftlichen Produktionserfolge sind sich alle hiesigen Beobachter darin einig, dass seit etwa einem Jahr eine *ständige Verschlechterung hinsichtlich der Bedarfsdeckung der Bevölkerung*4 festzustellen ist. Insbesondere fällt in letzter Zeit auf, dass die Moskauer Läden immer weniger Waren enthalten. Im großen Mostorg sind zahlreiche Regale völlig leer. Anderweitige Beobachtungen entsprechen diesem Bild. Forscht man nach den Gründen, so ist zunächst festzustellen, dass ganz allgemein mehr gekauft wird, weil die Bevölkerung mehr Geld hat und weil die Menschen hamstern, aus Sorge vor der Zukunft. Dazu kommen die Aufkäufer aus der Provinz, wo es noch schlechter sein soll wie in Moskau. Ein weiterer Grund ist die *„Personalpolitik“*5 Stalins. Die Schäden der Erschießungen, Verhaftungen, Verschickungen und Verfolgungen müssen sehr viel größer und tiefgehender sein als wir bisher schon angenommen haben. Wir haben kürzlich die Gelegenheit gehabt, festzustellen, dass in einer unweit von Moskau gelegenen Fabrik seit Weihnachten bereits der 5. Direktor die Leitung hat, dass seit Weihnachten sämtliche Ingenieure gewechselt haben und dass in einem zur Fabrik gehörigen Arbeiterhause kein Arbeiter mehr von denen vorhanden ist, die Weihnachten dort gewohnt haben. Die Produktion muss zweifellos zurückgegangen sein, und zwar nicht nur infolge der „Personalpolitik“, sondern auch wegen des Stachanow-Systems, das eine stärkere Abnutzung der Maschinen zur Folge hat. Bei der gegenwärtigen Lage hat sicherlich auch mitgesprochen, dass die Industrie mehr für die *Bedürfnisse der Armee*6 produzieren musste. Es ist z. B. bekannt, dass eine Fingerhutfabrik – übrigens die einzige in der ganzen Sowjetunion – auf die Herstellung von Kriegsmaterial umge1 2
Die beiden Textstellen sind unterstrichen und zusätzlich am Seitenrand angestrichen. „Panbolschewismus – Panslawismus. Neue Unterdrückung der Fremdvöler Russlands“. In: Völkischer Beobachter vom 9. Oktober 1938, S. 1–2. 3 Am 24.9.1938 startete eine dreiköpfige Frauencrew zu einem Langstreckenflug von Moskau nach dem Fernen Osten und stellte mit einer zurückgelegten Strecke von 6450 km einen internationalen Rekord für Frauen auf. Infolge von Treibstoffmangel musste das Flugzeug in der Taiga notlanden. Sowohl die Besatzung (Grizodubova, Osipenko, Raskova) als auch das Flugzeug wurden nach intensiver Suche gefunden; auch Raskova, die aus Sicherheitsgründen vorher mit dem Fallschirm abgesprungen war und nach zehn Tagen gerettet wurde. 4 Der Text ist unterstrichen. 5 Das Wort ist unterstrichen. 6 Der Text ist unterstrichen.
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stellt worden ist und dass Fabriken, die Ersatzteile für Traktoren herstellten, zur Fabrikation von Tanks herangezogen worden sind. Wenn man somit feststellen muss, dass die Dinge hier sich weder nach Außen noch im Inneren wunschgemäß entwickeln, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass *irgendeine Reaktion* erfolgen wird. Die gegenwärtige Lage in Moskau ist durch eine gewisse *Unsicherheit und Ratlosigkeit*7 charakterisiert. Ich glaube aber, dass man sich davon nicht täuschen lassen sollte. *Es liegt irgendetwas in der Luft und ich würde mich nicht wundern, wenn wir in Kürze irgendeine Aktion Stalins erleben werden.*8 Dass dies etwas besonders Sensationelles sein wird, vermag ich aber nach allem, was wir hier erlebt haben, nicht zu glauben, auch nicht, dass dadurch ein Umschwung eingeleitet werden würde, denn die *vorhandenen Möglichkeiten sind beschränkt*9. Meine Frau hat ein Bübchen bekommen. Sie ist im Franziskus-Krankenhaus. Sie können mir gratulieren. Mit herzlichen Grüßen Heil Hitler! wie stets Ihr getreuer von Tippelskirch Eigenhändiger Unterschrift. Auf erstem Blatt: Herrn Dg. Pol., Ges. Aschmann, V. LR Schnurre mit deren Abzeichnungen Sch[liep] 25/X und zdA Sch[liep] 27/X. Auf Kopfbogen der Deutschen Botschaft geschrieben. PA AA, R 104355, Bl. 202436-202439.
Nr. 350 Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA Nr. 350 20. 10. 1938 20. 10. 1938 Moskau, den 20. Oktober 1938 Tgb.Nr. A/1560 An das Auswärtige Amt Berlin Inhalt: „Moralische Mobilisierung“ der Bevölkerung der Sowjetunion Die Bemühungen der sowjetischen Behörden um die Hebung der Stimmung der Bevölkerung im Sinne einer „moralischen Mobilisierung“ sind in letzter Zeit verstärkt zu beobachten. Wenn auch die Vorbereitung der Bevölkerung auf den sowjetischerseits seit Jahren als unvermeidlich bezeichneten Krieg nicht neu ist, fällt doch die Häufigkeit der letzthin aus verschiedenen Teilen der Sowjetunion eingehenden Meldungen über Luftschutzübungen, Gasmaskenmärsche, neu eröffnete Luftschutzkurse und die Veranstaltung von „Wehrtagen“ auf. Bezeichnend für 7 8 9
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Die beiden Textstellen sind unterstrichen. Der Satz ist unterstrichen und zusätzlich am Seitenrand angestrichen. Der Text ist unterstrichen.
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den Umfang der Wehrpropaganda ist ein in der Iswestija veröffentlichtes Bild1, das die Unterweisung einer Gruppe von jungen Moskauer Balletttänzerinnen im Gebrauch des Maschinengewehrs zeigt. Bemerkenswert ist auch das lebhafte Interesse, das die Sowjetpresse neuerdings den Kopfarbeitern entgegenbringt. Sie betont dabei vor allem, dass die Kopfarbeiter keine „Bürger zweiter Klasse“ seien, sondern ebenso wichtige und ehrenvolle Arbeit leisteten wie die Handarbeiter und Kolchosbauern. Die Bedeutung der Intellektuellen für den Staatsaufbau, ihre einwandfreie politische Haltung und ihre aktive Teilnahme an der Verwirklichung des kommunistischen Systems werden eifrig unterstrichen. Die Zeitungen wenden sich dagegen, dass diese Tatsachen manchmal noch verkannt würden und dass immer noch die Tendenz zu bemerken sei, die Geistesarbeiter und staatlichen Angestellten als eine minderwertige Bevölkerungsschicht zu betrachten. Das auffällige Eintreten für die Intellektuellen und die Betonung ihrer wichtigen Rolle im Sowjetstaate soll offenbar bei den Kopfarbeitern, die – besonders soweit sie Staatsangestellte sind – vielfach recht schlecht bezahlt werden, eine bessere Stimmung für die Sowjetsache herbeizuführen. Das plötzlich entdeckte Interesse für die Intellektuellen im Sinne einer Hebung ihres Ansehens im Staat dürfte mit zu den Maßnahmen für die „moralische Mobilisierung“ der Bevölkerung für den Fall eines Krieges gehören. In der gleichen Linie der „moralischen Mobilisierung“ und des Einwirkens auf die allgemeine Stimmung liegt wohl auch die am 17. Oktober erfolgte Stiftung von zwei Medaillen, „Für Tapferkeit“ und für „Verdienste im Kampf“. Die erste Medaille wird verliehen an Angehörige der Armee, der Flotte und der Grenztruppen für persönlichen Mut und Tapferkeit in den Kämpfen mit den Feinden der Sowjetmacht auf dem Kriegsschauplatz, beim Schutz der Staatsgrenzen oder im Kampf mit Diversanten, Spionen und sonstigen Feinden des Sowjetstaates. Mit der zweiten Medaille werden nicht nur Heeresangehörige und Angehörige der Grenztruppen, sondern auch Zivilisten ausgezeichnet, die im Kampf mit den Feinden des Sowjetstaates durch geschickte, initiativreiche und kühne Aktionen, verbunden mit einem Risiko für ihr Leben, zum Erfolge der Kampfhandlungen an der Front beigetragen haben. Die Medaillen werden an Teilnehmer der Kämpfe am Chassan-See2 verliehen, die in Artikeln und Gedichten gefeiert werden, aber auch eine sichtbare Auszeichnung erhalten sollten. Da hierfür eine größere Anzahl von Rotarmisten und jungen Offizieren in Frage kommen dürfte, wollte man wohl die Bedeutung der beiden bestehenden Militärorden „Rote Fahne“ und „Roter Stern“ nicht durch allzu zahlreiche Verleihungen herabmindern und entschloss sich zur Schaffung von Verdienstmedaillen. Die zweite Kategorie von Personen, die mit den neugestifteten Medaillen dekoriert werden sollen, sind Angehörige des Innenkommissariats (GPU), die sich um die Bekämpfung der „Feinde der Sowjetunion“ verdient gemacht haben. Schulenburg
1 2
Vgl. Izvestija vom 16. Oktober 1938, S. 4. Vgl. Dok. 311, Anm. 5.
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Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben Stempel des AA: Pol V 7942, eing. 24. OKT. 1938. Unten: OKW, Promi, Gestapa, Luftfahrtm[inisterium] Schliep, lb Heydenhagen. In drei Durchschlägen gefertigt. Auf Kopfbogen der Deutschen Botschaft geschrieben. PA AA, R 104373, o. P., 2 Bl.
Nr. 351 Schreiben des Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Davydov an den Volkskommissar für Außenhandel Čvjalev Nr. 351 25. 10. 1938 25. 10. 1938 GEHEIM Ausg. Nr. 313/s 27/X.1 Berlin, 25.X.38 An den Volkskommissar für Außenhandel Gen. E.D. Čvjalev Moskau Kopie an: den Stellv[ertretenden] Volkskommissar für Außenhandel Gen. V.I. Kušarev2 Moskau Wie ich Ihnen bereits geschrieben habe, hat Otto Wolff bei dem ersten Gespräch mit der Firma „Otto Wolff“ über den von ihm angebotenen 50 Mio. Kredit ersucht, diese Gespräche als vorläufig3 und nicht zur Veröffentlichung bestimmt zu betrachten, und es wurde ein zweites Treffen für den 11. Oktober angesetzt, wozu ich meine Zustimmung gegeben hatte. Davon ausgehend hielt ich es für unpassend, nicht zu diesem Treffen zu erscheinen. Von unserer Seite waren anwesend: ich selbst, Gen. Skosyrev und der Leit[er] der Ing[enieur]abteilung Gen. Michin. Seitens „Otto Wolff“ waren Otto Wolff selbst, Gen[eral]direktor Gasper und Swieykowski da. Im Verlauf des Gesprächs wiederholte Otto Wolff das früher von ihm unterbreitete Angebot über die Gewährung eines Kredits in Höhe von 50 Mio. Mark mit einer Laufzeit von 5 Jahren (mit einer jährlichen Abzahlung von 1/5). 4Das Wesentliche des Angebots besteht nach Ansicht Otto Wolffs darin: a) den Kredit unabhängig von den existierenden politischen Beziehungen zwischen den Ländern zu machen, b) den Kredit dynamisch, d. h. flexibel zu gestalten. Praktisch beide Leitlinien würden folgendermaßen umgesetzt: a) den Kredit gewährt die Privatfirma „Otto Wolff“ unter ihrer eigenen Garantie, 1 2 3 4
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Die Ausgangsnummer und das Datum sind mit Tinte geschrieben. So im Dokument; richtig: V.I. Kušarov. Vgl. Dok 308. Am Seitenrand des folgenden Absatzes befindet sich der Vermerk mit Tinte: хх) 2).
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b) der Kredit kann auf Wunsch der Vertragspartner systematisch erneuert werden. Zum Bespiel: Die UdSSR kauft bei „Otto Wolff“ à Konto des Kredits Waren (im ersten Jahr) für 50 Mio. Mark. Laut Kreditbedingungen muss die UdSSR im ersten Jahr 10 Mio. Mark an „Otto Wolff“ zurückzahlen. Nach Ablauf des ersten Jahres verbleibt ein Kredit von 40 Mio. Mark. Otto Wolff stockt mit Zustimmung der UdSSR den Kredit um weitere 10 Mio. Mark auf, usw. Auf diese Weise zahlt die UdSSR an die Firma „Otto Wolf“ jährlich 10 Millionen Mark zur Tilgung des Kredits, erhält aber gleichzeitig jährlich einen zusätzlichen Kredit von 10 Millionen Mark. Die Tilgung des Kredits erfolgt in Mark, die aus dem Verkauf sowjetischer Waren auf dem deutschen Markt erlöst werden. Der Erlös aus dem Verkauf der Waren wird bei der Deutschen Bank auf das Konto von Otto Wolff eingezahlt. In dem Fall, dass durch den Verkauf der Waren mehr Geld erlöst wurde, als für die Zahlung der Jahresrate zur Tilgung des Kredits erforderlich ist und in dem Fall, dass dieser Betrag auf das Konto von Otto Wolff überwiesen wird, zahlt Letzterer der UdSSR Zinsen auf den Betrag, der die Höhe der Jahresrate übersteigt. Otto Wolff glaubt, dass der 50-Millionen-Kredit erst der Anfang ist. Seiner Meinung nach müsse man beweisen (er selbst habe daran keinen Zweifel), dass ein solcher Kredit von entscheidender Wichtigkeit sei. Danach werde es möglich sein, über einen größeren Kredit zu sprechen. Otto Wolff gibt die Zusicherung, dass die UdSSR ein halbes Jahr nach Abschluss des Abkommens über den 50 Mio. Kredit von „Otto Wolff“ und anderen deutschen Firmen einen Kredit von 500 Mio. Mark erhalten könne. Die Lieferungen à Konto des Kredits gliedern sich *in drei Teile*5, und zwar: a) Eisen und Stahl (Draht, Eisenblech, Röhren u. a.), dazu gehört auch Panzerstahl, für dessen Lieferung eine Genehmigung vorliegt (Lieferbeginn frühestens in einem Jahr). b) Kessel und Turbinen der Firma Deschimag6 (diese Firma macht Turbinen nach der Konstruktion von Prof[essor] Bauer). c) Verschiedene andere Objekte. Die Lieferung von Objekten der Gruppe c) erfolgt durch verschiedene Firmen unter der Garantie von Otto Wolff. Die UdSSR erteilt Aufträge direkt an diese Zulieferfirmen. Für die Garantie, die diesen Firmen gegeben wird, erhält Otto Wolff *einen bestimmten Prozentsatz von der UdSSR*7. Bei Abschluss des Kreditabkommens übergibt die UdSSR eine Liste von Ausrüstungen, deren Bezug wünschenswert ist. Dabei erklärte er [Otto Wolff], dass es ihm gelingen werde, bei den zuständigen Behörden die Genehmigung zu erhalten, uns *einige* Ausrüstungen *militärischer*8 Art zur Verfügung zu stellen. Zum Abschluss erklärte Otto Wolff, er habe lediglich die Idee vorgetragen, die er für den Ausbau der Handelsbeziehungen am geeignetsten halte. Er beharre nicht auf seiner Idee und sei bereit, *jeden unserer Vorschläge zu dieser Frage zu diskutieren*9. 5 6 7 8 9
Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Deutsche Schiff- und Maschinenbau Aktiengesellschaft Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Die beiden Wörter sind mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit Tinte unterstrichen und am linken Seitenrand befindet sich der Vermerk: bisher 2.
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Nr. 351
25. 10. 1938
*Ich sagte Otto Wolff, dass wir seinen Vorschlag überdenken würden, und da mir in nicht allzu ferner Zukunft eine Dienstreise nach Moskau bevorstehe, würde ich dem Volkskommissar für Außenhandel darüber Bericht erstatten. Otto Wolff machte den Vorschlag, dass sein Generaldirektor, Herr Gasper, im Bedarfsfall in dieser Angelegenheit nach Moskau reisen könne. Ich meinerseits glaube, dass – auch wenn Otto Wolff erklärt hat, dass sein Vorschlag nicht in der deutschen Regierung erörtert worden sei, dass er die Bevoll[mächtigte Vertret]ung angeblich erst nach dem Abschluss des Abkommens (falls es zustande komme) in Kenntnis setzen werde und dass er zweifellos eine Zustimmung erhalten werde – sein Vorschlag dennoch mit dem 200 Mio. Kredit in Verbindung steht, der früher von der Regierung angeboten wurde10, und ich denke, dass er sowohl mit der Regierung als auch mit einigen bedeutenden Industriekreisen abgestimmt ist. Bei dieser Schlussfolgerung stütze ich mich darauf, dass Otto Wolff sich positiv über die Möglichkeit äußert, in einem halben Jahr einen 500 Mio. Mark Kredit zu erhalten und auch das Versprechen gibt, uns à Konto des Kredits Ausrüstungen militärischer Art zu liefern. Der Kredit von Otto Wolff unterscheidet sich von dem von der deutschen Regierung angebotenen Kredit dadurch, dass seine Tilgung nicht an eine bestimmte Nomenklatur von Exportwaren geknüpft ist – das ist seine positive Seite. Die negative Seite hingegen ist, dass Otto Wolff offenbar annimmt, uns à Konto des Kredits einen großen Teil der Ausrüstungen/Waren aus der Produktion seiner Fabriken, d. h. der Nomenklatur von Metallimport, zu verkaufen, obwohl diese Frage noch nicht präzisiert wurde.*11 HANDELSVERTRETER
Davydov
Anweisung V.I Kušarovs mit Bleistift: an Gen. Andreev Für Vor[trag] an den Volkskommissar. K[ušarov] 2/XI Vermerk Andreevs mit Bleistift: an Gen. Špindler Gen. Davydov hat diese Angelegenheit dem Volkskommissar vorgetragen. Erkundige dich nach der Entscheidung des Volkskommissars. Ich habe in dieser Frage weder mit Gen. Davydov noch mit dem Volkskommissar gesprochen 8/XI. Andreev Vermerk mit rotem Farbstift auf der Rückseite: Gen. Davydov teilte am 11/XI. mit, dass bei Gen. Čvjalev der Entwurf eines Schreibens an Gen. Mikojan liegt Vermerk mit rotem Farbstift: A[kte] 8010 14. XI. Oben rechts befindet sich der Stempel der Geheimgruppe der Geheimen Chiffrierabteilung des NKVT mit der Eingangs-Nr. 1776/6 /vom 31.10.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. 2 [Exemplare] an den Adressaten, 2 zu den Akten. Auf Kopfbogen der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland geschrieben. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2808, l. 66–68. Original.
10 11
Vgl. Dok. 206. Der Text der vier Absätze ist am linken Seitenrand mit Tinte angestrichen und mit dem Vermerk versehen: nicht nötig. Offenbar ist damit die Ausarbeitung eines Berichts an den Volkskommissar gemeint.
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Nr. 352
Nr. 352 Aufzeichnung des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 352 26. 10. 1938 26. 10. 1938 Moskau, den 26. Oktober 1938 Geheim Tgb. Nr. A/1601/381 Aufzeichnung Ich beabsichtige, mich in nächster Zeit an den Vorsitzenden des Rats der Volkskommissare Molotow zu wenden, um zu versuchen, zu einer Regelung der die deutsch-sowjetischen Beziehungen erschwerenden Fragen zu gelangen. Die günstigste Gelegenheit für diesen Schritt wäre der Beginn der Verhandlungen betreffend die deutsch-sowjetische Vereinbarung über Handels- und Zahlungsverkehr 1939 und die Gewährung eines größeren Warenkredits an die Sowjetunion. Unter der Voraussetzung würde sich etwa folgendes Programm ergeben: A. 1.) Da die letzte deutsch-sowjetische Vereinbarung über Handels- und Zahlungsverkehr Ende des Jahres abläuft, müsste unverzüglich mit den Verhandlungen über eine neue Vereinbarung für das Jahr 1939 mit der Sowjetregierung begonnen werden.2 2.) Die Umstände für den Abschluss eines Warenkredits erscheinen günstig. Möglicherweise lässt sich der Umfang des Kredits dieses Mal auf 300 Millionen Reichsmark steigern. Die Hindernisse in den früheren Verhandlungen (z. B. 100%ige Ausfallbürgschaft) scheinen behoben.3 3.) Etwaige Sowjetwünsche betreffend die Behandlung von Sonderkonten bzw. Transferierung in begrenztem Umfange sollten mit ähnlichen Wünschen unsererseits in der Sowjetunion verkoppelt werden (zu vergl. C 2, 3, 4). B. 1.) Regelung der bei der Durchfuhr deutscher Waren durch die Sowjetunion nach dem Iran entstandenen Streitfälle. 2.) Regelung der von deutschen Firmen abhängig gemachten, jedoch sowjetischerseits verschleppten Schiedsgerichtsverfahren sowie Einigung über die für die Schiedsgerichtsverfahren geltenden Obmänner. 3.) Entgegenkommende Behandlung von Einreiseanträgen deutscher Wirtschaftler. C. 1.) Bereinigung von etwa 400 Haftfällen deutscher Reichsangehöriger in der Sowjetunion. 2.) Entschädigung für den in der Sowjetunion zurückgelassenen Hausbesitz abgewanderter oder ausgewiesener deutscher Reichsangehöriger durch eine Pauschalabfindung (ca. 60 Häuser). 1
Die Jahreszahl ist handschriftlich hinzugefügt und die Nummer insgesamt unterstri-
chen. 2 Am Seitenrand Bemerkung Schulenburgs: Soll alsbald geschehen (Ende November!) Schnell ohne Belastung mit anderen Dingen! 3 Am Seitenrand Bemerkung Schulenburgs: Zinssatz und Garantie geregelt. Russ. Käufe zu 150 Mill. Im Jahre Zusatz/ 50 laufend + 100.
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3.) Erlaubnis zum Transfer der von abgewanderten oder ausgewiesenen Reichsdeutschen bei Sowjetbanken zurückgelassenen Sparguthaben (ca. 600.000 Rubel). 4.) Erlaubnis zum Transfer der von abgewanderten oder ausgewiesenen Reichsdeutschen bei der Deutschen Botschaft in Moskau zurückgelassenen Rubel-Depots (ca. 1 Million Rubel). 5.) Zusage beschleunigter Entlassung aus der Sowjetstaatsangehörigkeit von Ehefrauen abgewanderter oder ausgewiesener Reichsdeutscher. 6.) Vereinbarung über die Sicherstellung der Versorgung des Personals der Deutschen Botschaft in Moskau mit Lebensmitteln und Bedarfsartikeln. gez. Graf von der Schulenburg Auf erstem Blatt oben: ZdA Hi[lger] PA AA, Moskau 485, Bl. 69863-69864. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 478, S. 533.
Nr. 353 Aufzeichnungen des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov Nr. 353 27. 10. 1938 27. 10. 1938 GEHEIM Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 2371 Berlin, 27.X.38 AUSZUG AUS DEM TAGEBUCH DES BEVOLLMÄCHTIGTEN VERTRETERS DER UdSSR IN DEUTSCHLAND A.F. MEREKALOV Über den ersten protokollarischen Empfang für das diplomatische Corps Am 25. Oktober fand im Gebäude der Bevollmächtigten Vertretung der erste protokollarische Empfang für das diplomatische Corps statt.2 Zu dem Empfang waren fast 300 Personen erschienen. Alle Botschaften und Missionen der Länder, mit denen die UdSSR diplomatische Beziehungen unterhält, waren mit Ausnahme Ungarns vertreten. Außerdem waren von den Ländern, zu denen keine Beziehungen bestehen, vertreten: die Mexikaner, Siamesen, Guatemala, Iran und die Südafrikanische Union. Anwesend waren 15 Auslandskorrespondenten. Der Empfang verlief insgesamt gut. Es ist anzumerken, dass es mir als demjenigen, der sich dem diplomatischen Corps vorstellte, nicht in ausreichendem Maße gelungen ist, den Empfang für einen Meinungsaustausch zu einzelnen aktuellen Fragen zu nutzen, da ich 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Merekalov schickte am 25.10.1938 an das NKID ein Telegramm mit einer Zusammenfassung des Protokollempfangs, das in Kopie auch an Stalin, Molotov, Vorošilov, Kaganovič und Ežov ging. Vgl. Moskva-Berlin 1920–1940, Bd. 3, Dok. 185, S. 270.
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buchstäblich den ganzen Abend damit befasst war, die Gäste liebenswürdig zu begrüßen und auch zu verabschieden. Bei den Gesprächen, an denen ich teilzunehmen vermochte, drehte es sich um folgende Fragen. Über den angeblich bevorstehenden Besuch von Beck in Deutschland.3 Die Deutschen dementieren diese Meldungen, doch wird diesen Dementis keine ernsthafte Bedeutung beigemessen. Die Franzosen sprechen darüber, dass Beck in 3–4 Tagen kommen werde. Die Engländer sagen, dass das Treffen in Frankfurt an der Oder stattfinde, wohin sich Hitler begeben werde. Es wird angenommen, dass das Thema der Verhandlungen zwischen Beck und Hitler die Frage der polnisch-ungarischen Grenze sein werde. Man schließt ebenfalls nicht aus, dass in den Verhandlungen auf Danzig und auf Memel, d.h. auf die Aufteilung Litauens, eingegangen wird. Die Danzig-Problematik nimmt anscheinend ernste Formen an – ein Teil der englischen und französischen Korrespondenten fuhr jetzt nach Danzig und Memel. Einige Auslandskorrespondenten berichteten von einer komischen Geschichte, die sich im Zusammenhang mit der Abschiedsvisite von François-Poncet bei Hitler zugetragen hat.4 Poncet traf im vollen Ornat in München ein. Am Bahnhof erwartete ihn eine geschlossene Limousine mit Angehörigen der Leibwache Hitlers, ebenfalls in voller Uniform und mit Orden. Poncet nahm an, dass er nach Berchtesgaden fahren würde. Auf dem Wege überzeugte er sich jedoch davon, dass die Straße nicht dorthin führt. Es geht durch einen Wald. Poncet ist nervös. Dann fahren sie vor ein großes Eisentor vor, das sich automatisch öffnet, und das Auto fährt geradewegs auf einen Turm zu. Poncet stieg aus dem Auto aus und betrat einen Fahrstuhl, im 6. Stock öffnete sich die Fahrstuhltür und er stieß direkt auf Hitler. Hitler mit vor der Brust verschränkten Armen stellte Poncet ohne eine Begrüßung die Frage: „Warum hat man sich in Frankreich so feindselig zur Reise Görings nach Paris verhalten?“ François-Poncet antwortete, dass diese Reise zum gegenwärtigen Zeitpunkt gefährlich wäre. Sie käme zur unrechten Zeit. In Frankreich wäre die öffentliche Meinung noch nicht darauf vorbereitet. Göring werde als die treibende Kraft angesehen, die gegen Frankreich rüste. Einige Auslandskorrespondenten (Butler – **Times**5) sagten, dass sich die Dinge derart schnell entwickeln würden, dass im Frühjahr große Ereignisse zu erwarten wären, die in der Hauptsache offenbar gegen Sie gerichtet sein werden! Im Gespräch mit den Litauern stellte sich heraus, dass ihre Stimmung außerordentlich deprimiert ist. Der Erste Sekretär sagte unumwunden: „Unsere Lage ist es jetzt schlimm. Die Deutschen drängen, die Polen führen sich außerordentlich frech auf, und nach der tschechoslowakischen Frage6 glauben wir an keinerlei Hilfe.“ Der Rat der tschechoslowakischen Gesandtschaft sagte, dass jetzt die Säuberung des Personalbestandes der Mission einsetzt. Einige Mitarbeiter werden abberufen und durch neue ersetzt. 3 Beck hielt sich vom 5. bis 6.1.1939 in Berlin auf. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. V, Dok. 119– 121; Polskie Dokumenty Dyplomatyczne 1939, Warszawa 2005, Dok. 5, S. 17–18. 4 Am 18.10.1938. Vgl. A. François-Poncet: Botschafter in Rom 1938–1940, Berlin/Mainz 1962, S. 395–402. 5 Das Wort ist mit Tinte über der Zeile korrigiert; ursprünglich: Toins. 6 Gemeint sind die auf der Münchener Konferenz zur Tschechoslowakei gefassten Beschlüsse.
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29. 10. 1938
Der türkische Botschafter7 äußerte den Wunsch, mir beim nächsten Treffen mit ihm die Eindrücke seiner Reise mit Funk in die Türkei8 mitzuteilen. Er äußerte sein Bedauern, dass er das für den 29. Oktober, den Feiertag der Türkischen Republik, anberaumte Essen wegen der Erkrankung seines Präsidenten9 vertagen musste. Bevollmächtigter Vertreter der UdSSR in Deutschland A. Merekalov P.S. Von deutscher Seite waren vertreten: der Stellv[ertreter] Ribbentrops, Weizsäcker (Ribbentrop war nicht in Berlin), Bismarck, der Direktor des Protokolls – Dörnberg, Schliep und Schnurre.10 A. Merekalov Vermerk mit rotem Farbstift: MM. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 3930 vom 29.10.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. 7 an Gen. Litvinov, 1 [Exemplar] zu den Akten der Bevollmächtigten Vertretung. 27.X.38. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 57, l. 46–48. Original.
Nr. 354 Aufzeichnung der Unterredung des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 354 29. 10. 1938 29. 10. 1938 Geheim Expl. Nr. 3 [29.10.1938] AUS DEM TAGEBUCH DES Gen. M.M. LITVINOV EMPFANG SCHULENBURGS, 29.X.1938 Sch[ulenburg] teilte mit, dass er in persönlicher Angelegenheit nach Berlin reisen müsse und es bedaure, am 7. November nicht bei uns zu sein. Nach seiner Be7 8
Mehmet Hamdi Arpağ. Walther Funk stattete Anfang Oktober 1938 der Türkei einen offiziellen Besuch ab. Es wurde mit der Türkei ein Kreditabkommen in Höhe von 150 Mio. Reichsmark abgeschlossen. 9 Kemal Atatürk. 10 Als der Mitarbeiter der Protokollabteilung des AA, Schubert, Astachov am 20.10.1938 die Liste der Beamten des AA, der Minister, Staatssekretäre und weiterer leitender Personen anderer Behörden, an die zu ähnlichen Empfängen Einladungen verschickt werden, aushändigte, sagte er, dass das AA „nicht dafür bürgen kann, dass all diese Personen zum Empfang kommen werden. Sie verstehen“, fügte er hinzu, „dass die Anzahl der Personen, die zu Ihnen kommen werden, ungefähr der Anzahl sowjetischer Personen entsprechen wird, die zum Empfang in der Deutschen Botschaft in Moskau erscheinen.“ In: AVP RF, f. 05. op. 18, p. 142, d. 57, l. 36.
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29. 10. 1938
Nr. 355
merkung, dass er nach mir bei Gen. Potemkin11 sein werde, mit dem er eingehender sprechen werde, machte er auf folgende Angelegenheiten aufmerksam: 1. In der UdSSR befänden sich noch ungefähr 400 inhaftierte Deutsche. Deren Ausweisung sei in letzter Zeit fast zum Erliegen gekommen. Könnte man nicht alle auf einen Schlag in die Heimat schicken? 2. Die Interessen des Botschaftspersonals würden sehr stark beschnitten. Man verbiete den Verkauf von Autos an andere Angehörige des diplomatischen Corps, es sei nicht gestattet, Päckchen zu empfangen und schließlich würden bei der Mitnahme von Valuta, die für den Erwerb von Eisenbahnfahrkarten und Platzkarten in Polen benötigt würden, große Schwierigkeiten bereitet. 3. Ich beschränkte mich auf die Bemerkungen, dass es unter den inhaftierten Deutschen sicherlich nicht wenige Personen gebe, die überaus stark kompromittiert seien, und dass das Recht, zollfreie Päckchen zu bekommen, auch in anderen Ländern lediglich den Missionschefs zustehe. Letzteres verneinte Schulenburg, indem er auf Deutschland als Beispiel verwies. Ich sagte, da sich der Botschafter in dieser Angelegenheit an Gen. Potemkin gewandt hätte und sich auch noch an ihn wenden werde, werde von letzterem alles im Rahmen des Möglichen unternommen werden. LITVINOV AVP RF, f. 082, op. 21, p. 88, d. 1, l. 79. Kopie
11
Nr. 355 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 355 29. 10. 1938 29. 10. 1938 GEHEIM Expl. Nr. 1 AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS Nr. 6550 [29.10.1938] GESPRÄCH MIT DEM DEUTSCHEN BOTSCHAFTER SCHULENBURG, 29. Oktober 1938 Schulenburg, der von Gen. Litvinov zu mir kam1, händigte mir einige Noten aus, in denen an die bis auf den heutigen Tag ungelösten Fälle von Inhaftierungen und spurlosem Verschwinden von deutschen Staatsangehörigen erinnert wird. Dem Narkomindel wären all diese Fälle seit langem bekannt. Schulenburg äußerte den Wunsch, dass sich, erstens, die Ausweisung von Inhaftierten aus der UdSSR nicht verzögere, wie dies in letzter Zeit zu beobachten wäre, sondern zumindest in dem gleichen Tempo vorgenommen werde, wie dies im vergangenen Jahr der Fall gewe11
Vgl. Dok. 355.
1
Vgl. Dok. 354.
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sen sei. Nach Auffassung Schulenburgs wäre es noch besser, eine „großzügige Geste zu machen“ und von den zuständigen Organen die Genehmigung zur Massenausweisung dieser Personen zu erwirken, mit Ausnahme derjenigen, gegen die besonders schwere Anschuldigungen erhoben worden wären. Schulenburg versichert, dass die von ihm empfohlene Geste von Berlin in gebührender Weise gewürdigt werden würde. Mit Nachdruck brachte Schulenburg die Frage bezüglich der Kinder von inhaftierten deutschen Staatsangehörigen zur Sprache. Der Botschafter übergab mir eine Liste dieser Kinder, die sich mehrheitlich vorübergehend in örtlichen Kinderheimen befinden. Schulenburg erklärt im Namen der Botschaft, dass diese darum ersuche, sie nach Deutschland zu überführen, und für diese Operation sämtliche Unkosten übernehme. Schulenburg erinnerte sodann daran, dass der Kapitän des Dampfers „Smidovič“, Glotov, nicht ohne die Unterstützung der deutschen Botschaft in Burgos freigelassen worden sei. Die Botschaft berichtete auch nach Berlin, dass sie damit rechne, bald die Freilassung der letzten sieben Seeleute der Besatzung der „Komsomol“ zu erwirken. Schulenburg wiederholt seine mehrfach geäußerte Bitte, dass eingedenk der Unterstützung, die von der deutschen Regierung zur Freilassung der genannten Besatzungen gewährt worden sei, die inhaftierten deutschen Staatsangehörigen von den sowjetischen Behörden so schnell wie möglich aus den Gefängnissen entlassen und nach Deutschland ausgewiesen würden2, insbesondere der allseits bekannte Nymann mit Ehefrau. Eine der mir von Schulenburg übergebenen Aufzeichnungen wirft die Frage auf, ob die Gesuche einiger sowjetischer Staatsbürgerinnen, die die Ehe mit deutschen Staatsangehörigen, darunter auch mit Angestellten der deutschen Botschaft, eingegangen sind, möglichst bald genehmigt werden. Sie bitten um die Erlaubnis, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen, damit sie das Recht erhalten, mit ihren Ehemännern nach Deutschland abzureisen. Zum Abschluss des Gesprächs kam Schulenburg auf das weitere Schicksal der zahlreichen, fast 60 Immobilien zu sprechen, die deutschen Staatsangehörigen gehörten und sich in einem verwaisten Zustand befänden, trotz der wiederholten Versuche der Deutschen Botschaft, sich mit den örtlichen Behörden in Verbindung zu setzen, und, falls erforderlich, die Verfahrensweise zur Besteuerung dieser Immobilien zu regeln – um zu verhindern, dass dieses Eigentum für herrenlos erklärt und in die endgültige Verfügung der lokalen Behörden überführt wird. Schulenburg bittet darum, die Botschaft in dieser Angelegenheit zu unterstützen. Er fragt, ob es nicht möglich wäre, nachdem die Anzahl und der Standort dieser Immobilien ermittelt worden sei, sich über deren gleichzeitigen Verkauf an die örtlichen Behörden zu verständigen. Im Zusammenhang damit kommt Schulenburg erneut auf die Häuser zu sprechen, die der deutschen Regierung gehören und sich in Leningrad und Tiflis befinden. Der Botschafter bittet, in Leningrad die Person zu benennen, mit der die Botschaft offizielle Verhandlungen zum Verkauf ihrer Immobilien führen könnte. V. Potemkin 2
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Vgl. Dok 311.
4. 11. 1938 Nr. 356 Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. Das 1. [Exemplar] zu den Akten, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an die 2. Westabteilung, das 4. nach Berlin. 29.X.38. AVP RF, f. 011, op. 2, p. 20, d. 207, l. 122–120. Original.
Nr. 356 Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Stellv. Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Berija Nr. 356 4. 11. 1938 4. 11. 1938 GEHEIM Expl. Nr. 4 Nr. 184951 4. November 1938 AN DEN STELLVERTRETENDEN VOLKSKOMMISSAR FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN DER UdSSR KOMMISSAR FÜR STAATSSICHERHEIT 1. RANGES Gen. BERIJA Mit meinem Schreiben vom 4. Juni d. J. mit der Nr. 17660 habe ich das NKVD gebeten, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass seine zuständigen Abteilungen das Verfahren der Ausweisung inhaftierter deutscher Staatsangehöriger hinauszögern. In der Regel vergehen vom Zeitpunkt der Verkündung des Ausweisungsbeschlusses durch die Sonderberatung beim Volkskommissar für Innere Angelegenheiten bis zur diesbezüglichen Information an das NKID einige Monate. In einigen Fällen zieht sich diese Zeitspanne bis zu fünf und mehr Monaten hin. So wurden die deutschen Staatsangehörigen Ziaja2 und Passet3 bereits im Dezember 1937 zur Ausweisung verurteilt, ihre Dokumente wurden jedoch erst am 2. September d.J. zur Bearbeitung an das NKID geschickt. Aber auch nachdem das NKID die von der Deutschen Botschaft ausgestellten Dokumente der Auszuweisenden dem NKVD zugestellt hat, wird die Ausweisung faktisch verzögert und wir sind gezwungen, uns ein zweites, mitunter auch ein drittes Mal, an die Botschaft mit der Bitte zu wenden, die Transitvisa für die Auszuweisenden zu verlängern. Es gibt Fälle, dass deutsche Staatsangehörige, die zur Ausweisung verurteilt, aber nicht ausgewiesen worden sind, infolge der unnötigen Verschleppung dieser Angelegenheit in der Haft verstarben, wie dies bei Bruno Lotze der Fall war (vgl. unser Schreiben vom 4. Juni d. J. unter Nr. 17660). Außerdem ist anzumerken, dass die zuständigen Abteilungen des NKVD uns äußerst ungenügend und nicht rechtzeitig über die Verhaftung von deutschen Staats1 2 3
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Vgl. die Rückkehrer-Vernehmungsakte in: PA AA, R 154315. Vgl. die Rückkehrer-Vernehmungsakte in: PA AA, R 152664.
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angehörigen informieren. In einer Reihe von Fällen erhalten wir überhaupt keine Antwort auf unsere Anfragen zu derartigen Fällen. Indes sind wir laut dem am 12.X.1925 mit Deutschland geschlossenen Niederlassungsvertrag verpflichtet, die Deutsche Botschaft binnen kürzester Frist – innerhalb von 3 bis 7 Tagen – über die Daten der Verhaftung von deutschen Staatsangehörigen, über die Verhaftungsgründe (der entsprechende Artikel des Strafgesetzbuches, der dem Verhafteten mitgeteilt wurde) und über die Haftanstalt, in der der Verhaftete festgehalten wird, zu informieren.4 In letzter Zeit erhalten wir diese Informationen überhaupt nicht. Die Mitteilungen des NKVD über Verhaftungen von deutschen Staatsangehörigen treffen bei uns mit großer Verspätung ein und beschränken sich in der Regel auf die stereotype Formulierung, dass der und der verhaftet worden ist, jedoch ohne Angabe des Datums der Verhaftung und einiger anderer laut Vertrag geforderter Angaben, und im Falle einer Verurteilung erfolgt ebenfalls eine allgemeine Formulierung, dass jemand aufgrund eines bestimmten Artikels des Strafgesetzbuches verurteilt worden ist, ohne Nennung der Maßnahme des sozialen Schutzes, die gegen den Verurteilten verhängt wurde. Dass die Deutsche Botschaft nicht in der vom Vertrag vorgesehenen Frist Informationen über die Verhaftung deutscher Staatsangehörige erhält, nimmt sie ihrerseits zum Anlass für eine Reihe von Klagen und Beschwerden, dass wir den Vertrag nicht erfüllen. Dazu erhalten wir von der Deutschen Botschaft zahllose Noten und AideMemoires, auf die zu antworten uns die Möglichkeit genommen ist, da wir nicht über die für eine Antwort erforderlichen Informationen verfügen. Ich möchte Sie deshalb sehr bitten, die 1. Sonderabteilung des NKVD anzuweisen, uns rechtzeitig über sämtliche Fälle von Verhaftungen und Verurteilungen deutscher Staatsangehöriger unter Nennung aller im Vertrag vorgesehenen Daten und Informationen mitzuteilen. Im Zusammenhang mit den Angelegenheiten, die deutsche Staatsangehörige betreffen, möchte ich auch auf Folgendes aufmerksam machen: Die Deutsche Botschaft beklagt sich bei uns über die Verschleppung der Ermittlungsverfahren gegen inhaftierte deutsche Staatsangehörige und wegen der deutlichen Verringerung der Ausweisungen im Vergleich zu den ersten Monaten des laufenden Jahres. Nach Angabe der Botschaft befinden sich in unseren Haftanstalten ungefähr 500 deutsche Staatsangehörige in Untersuchungshaft, von denen sich ungefähr 40 Personen seit über zwei Jahren, die übrigen mehr als ein Jahr in Haft befinden. Die Botschaft ist bislang noch nicht über die Ergebnisse der Ermittlungsverfahren in diesen Fällen informiert worden. Die Anzahl der Ausweisungen in den letzten Monaten reduziert sich auf einige wenige Fälle. Unter Berufung auf die Vermittlungstätigkeit bei der Befreiung unserer Seeleute aus dem Gewahrsam Francos5 befindet die Deutsche Botschaft, dass sie das Recht hätte, von uns eine aufmerksamere Haltung zu ihren Bitten zu erwarten, die Ermittlungen gegen die Inhaftierten zu beschleunigen und das Tempo der Ausweisungen von deutschen Staatsangehörigen zu erhöhen. 4 Die Ergänzung zu Artikel 11 des Schlussprotokolls des sowjetisch-deutschen Vertrages vom 12.10.1925 bestimmte, dass die Benachrichtigung des Konsuls über eine Verhaftung „binnen höchstens sieben mal vierundzwanzig Stunden, in größeren Städten einschließlich der Kreisstädte binnen höchstens drei mal vierundzwanzig Stunden“ erfolgen müsse. In: Reichsgesetzblatt 1926, Teil II, S. 52; DVP, Bd. VIII, Dok. 342, S. 612. 5 Vgl. Dok. 311.
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4. 11. 1938 Nr. 357 Ich gehe davon aus, dass es angebracht wäre, diesen Bitten der Deutschen Botschaft so weit wie möglich nachzukommen. STELLV. VOLKSKOMMISSAR V. Potemkin Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. Das 1. [Exemplar] an den Adressaten, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an Gen. Potemkin, das 4. zu den Akten der 2. Westabteilung. 3.XI.38. AVP RF, f. 082, op. 21, p. 88, d. 1, l. 82–80. Kopie.
Nr. 357 Aufzeichnung des Leiters der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Wiehl Nr. 357 4. 11. 1938 4. 11. 1938 Berlin, den 4. November 1938 e. o. W IV 3762/38 Ref. V.L.R. Schnurre Aufzeichnung Mit der UdSSR wurde Anfang d. J. über ein neues Kreditabkommen mit einem Kreditrahmen von 200 Millionen RM verhandelt, um auf diese Weise die deutschen Rohstoffbezüge aus Russland steigern zu können.1 Vorbedingung sollte sein, dass Russland sich unabhängig von der Abwicklung der Kreditlieferungen zu sofortigen größeren Rohstofflieferungen an Deutschland verpflichtet. Die Verhandlungen kamen damals wegen sachlicher Meinungsverschiedenheiten auf einen toten Punkt und wurden infolge der politischen Ereignisse der letzten Monate nicht wieder aufgenommen. Die deutsche Rohstofflage ist jedoch so, dass von Seiten der Dienststellen des Generalfeldmarschalls Göring und der übrigen beteiligten Ressorts mit Nachdruck die Forderung erhoben wird, wenigstens noch einmal den Versuch zu machen, das Russlandgeschäft, insbesondere soweit die Einfuhr russischer Rohstoffe in Frage steht, wieder zu beleben. Auch die Deutsche Botschaft in Moskau hat sich mehrfach dafür ausgesprochen und den jetzigen Zeitpunkt als geeignet bezeichnet. Da in kurzer Zeit auf alle Fälle mit der russischen Handelsvertretung in Berlin wegen der Verlängerung der am 31. Dezember 1938 ablaufenden und jeweils nur für ein Jahr geltenden deutsch-russischen Wirtschaftsvereinbarungen verhandelt werden muss, würde sich dabei zwanglos die Gelegenheit zu einer Sondierung der Russen ergeben, ob sie an der Fortführung der Kreditverhandlungen auf der im Frühjahr besprochenen Grundlage interessiert sind. Viel Erfolg verspricht eine solche Sondierung wegen eines Kreditabkommens nicht, da die Russen sich schwerlich verpflichten werden, sofort größere Mengen an Rohstoffen an Deutschland zu liefern, zumal sie infolge der zu langen Lieferfristen der deutschen Industrie erhebliche Schwierigkeiten haben würden, über die Erlöse aus diesen Lieferungen durch Warenbezüge zu verfügen. 1
Vgl. Dok. 199, 205.
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6. 11. 1938
Hiermit über den Herrn Staatssekretär2 dem Herrn Reichsminister3 mit der Bitte um Weisung vorzulegen, ob auf dieser Grundlage mit der Handelsvertretung der UdSSR in Berlin gesprochen werden kann. gez. Wiehl PA AA, R 106230, Bl. 452573-452574. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 479, S. 534.
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Nr. 358 Auszug aus dem Vortrag des Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Molotov auf der Festsitzung des Moskauer Stadtsowjets Nr. 358 6. 11. 1938 6. 11. 1938 [6.11.1938] […] Ich gehe zu den internationalen Fragen über. Alles Grundsätzliche, was für das Verständnis der gegenwärtigen internationalen Lage erforderlich ist, finden Sie im letzten Kapitel der soeben erschienenen „Istorija VKP (b)“1. […] Kommen wir auf die jüngsten Ereignisse in Europa zu sprechen. Die Lehren der jüngsten Ereignisse im Zusammenhang mit der Tschechoslowakei sind in mehrfacher Hinsicht instruktiv. Die Regierungschefs Englands und Frankreichs stellen das Münchener Abkommen zwischen England, Deutschland, Frankreich und Italien gern als einen großen Sieg für die Sache des Friedens und sich selbst als große Friedensstifter dar. Es ist indes so, dass bei Weitem nicht alle dies glauben und dafür vielleicht schwerwiegende Gründe haben. Wie haben sich die Ereignisse rund um die Tschechoslowakei tatsächlich zugetragen? Wer ging aus diesen Ereignissen tatsächlich als Sieger hervor und wer war der Besiegte? Schauen Sie sich die Fakten an und es wird klar, dass man zumindest von zwei „Siegen“ sprechen muss. Als erstes ist als entscheidendes Ereignis in der tschechoslowakischen Frage der „Sieg“ anzuerkennen, den die Regierungen Englands und Deutschlands mit vereinten Kräften errungen haben, und zwar nicht über irgendjemanden, sondern … über die Regierung Frankreichs. Zwei Regierungen – die Regierung Englands und die Regierung Deutschlands – „besiegten“ die Regierung Frankreichs, indem sie Frankreich dazu brachten, sich von seinem Beistandsvertrag mit der Tschechoslowakei2 loszusagen. Dies war der erste „Sieg“ im Gang dieser Ereignisse. 2 3
Ernst von Weizsäcker. Joachim von Ribbentrop.
1 Vgl. Istorija Vsesojuznoj kommunističeskoj partii (bol’ševikov). Kratkij kurs. (Geschichte der Kommunistischen Partei (Bolschewiki). Kurzer Lehrgang), Moskva 1938, S. 316–320. 2 Gemeint sind der französisch-tschechoslowakische Bündnis- und Freundschaftsvertrag vom 25.1.1924 und das bilaterale Garantieabkommen in Zusammenhang mit dem LocarnoPakt vom 16.10.1925, wonach sich beide Staaten verpflichteten, aneinander unverzüglich Hilfe und Beistand für den Fall zu leisten, dass Deutschland unprovoziert durch bewaffnetes
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6. 11. 1938 Nr. 358 Damit war auch schon die letzte Etappe zur Entscheidung über die Tschechoslowakei vorentschieden. Es verblieb eine einfache Sache: die Regierungen der vier Staaten – Englands, Deutschlands, Frankreichs und Italiens – mussten sich lediglich verständigen und die Regierung der Tschechoslowakei „besiegen“. Die vier stärksten imperialistischen Staaten Europas haben in der Tat ohne sonderliche Mühe auch die kleine Tschechoslowakei „besiegt“. Das Komplott der faschistischen und der sogenannten demokratischen Mächte Europas fand in München statt und der „Sieg“ über die Tschechoslowakei war vollkommen. Alles Übrige verlief wie geschmiert. Der deutsche Imperialismus ergatterte von der Tschechoslowakei mehr, als er selbst erhoffen konnte. Polen zog als Bündnispartner des deutschen Faschismus aus der Zerschlagung der Tschechoslowakei seinen Vorteil.3 Gierig heimste Ungarn sich ein solides Stück ein.4 Dies bedeutet nicht, dass der Appetit der kleinen und großen Raubtiere Europas gestillt wäre. Im Gegenteil, dieser Appetit wurde nur noch größer und befeuerte einen verstärkten Kampf um neue Teile, nicht nur der Tschechoslowakei, sondern auch einiger anderer europäischen Länder. Die Sowjetunion beteiligte sich nicht und konnte sich auch nicht an dem Komplott der Imperialisten der faschistischen und der sogenannten demokratischen Regierungen auf Kosten der Tschechoslowakei beteiligen. Die Sowjetunion beteiligte sich nicht, und konnte sich auch nicht an der Zerschlagung der Tschechoslowakei beteiligen, um den Appetit des deutschen Faschismus und seiner Verbündeten zu stillen. Doch es konnten bei niemanden Zweifel darüber aufkommen, an welcher Politik die Sowjetunion in dieser Frage festhielt. Wenn sich die französische Regierung von ihrem Vertrag mit der Tschechoslowakei in einer Zeit ihrer schwersten Prüfung lossagte und das Komplott Englands mit dem deutschen Faschismus zu Lasten der schließlich demokratischen Tschechoslowakei ermöglichte, so zeigte die Sowjetunion, dass ihre Haltung zu internationalen Verträgen eine ganz andere ist. Die Sowjetunion zeigte und demonstrierte der ganzen Welt, dass ihre Treue zu abgeschlossenen Verträgen zur Bekämpfung der Aggression unerschütterlich ist. Trotz aller, darunter auch äußerst betrügerischer Versuche, die sowjetische Haltung in der tschechoslowakischen Frage als unaufrichtig und unbestimmt hinzustellen, gelang dies selbst sehr geschickten Leuten nicht. Hingegen opferten die französische und die englische Regierung nicht nur die Tschechoslowakei, sondern auch ihre eigenen Interessen zugunsten der Abmachung mit dem Aggressor. Haben die Regierungen Frankreichs und Englands damit die Achtung ihrer Rechte in den Augen des deutschen und italienischen Faschismus erhöht? Vorerst ist dies nicht ersichtlich, eher hat im Gegenteil ihre internationale Autorität in bedeutendem Maße Schaden genommen. Bekanntlich ist in letzter Zeit in Wien die Aufteilung des tschechoslowakischen Territoriums bereits ohne ihre Beteiligung Eingreifen seine Verpflichtungen zur Erhaltung des Friedens verletzten sollte. Vgl. Handbuch der Verträge 1871–1964, S. 249. 3 Vgl. Dok. 332, Anm. 4. 4 Laut Erstem Wiener Schiedsspruch vom 2.11.1938 musste die Tschechoslowakei die südlichen Gebiete der Slowakei und die südwestlichen Gebiete der Karpato-Ukraine in einer Gesamtfläche von ca. 12.000 km² und mit einer Bevölkerung von mehr als 1 Million Menschen an Ungarn abtreten. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 99, S. 106–114.
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durch einfache Absprache des deutschen und italienischen Faschismus durchgeführt worden. Aber eines ist klar: die Sowjetunion ließ sich nicht durch die Drohungen der faschistischen Länder einschüchtern, was man von einigen der sogenannten demokratischen Ländern nicht sagen kann. Dagegen demonstrierte die Sowjetunion der ganzen Welt ihre Treue zu den abgeschlossenen Verträgen und internationalen Verpflichtungen und ihre Bereitschaft zum Kampf gegen die Aggression. Diese Tatsache ist nicht nur für den gegenwärtigen Zeitpunkt von gewaltiger internationaler Bedeutung, sondern auch für den gesamten weiteren internationalen Kampf gegen den Faschismus und die faschistische Aggression. Nur die Sowjetunion, das Land des Sozialismus, stand und steht unerschütterlich auf der Position des Kampfes mit der faschistischen Aggression, auf der Position der Verteidigung des Friedens, der Freiheit und der Unabhängigkeit der Völker gegen einen faschistischen Überfall. Sowohl die Ereignisse am Chassan-See5 als auch die Ereignisse rund um das Schicksal der Tschechoslowakei haben einen direkten Bezug zur Frage eines Zweiten Weltkrieges, an dessen Entfachung die Kriegsbrandstifter, die Faschisten Deutschlands, Japans und Italiens, „arbeiten“. Kann es denn Zweifel geben, dass der japanische Überfall im Gebiet Primorje die Probe für die Entfesselung des Krieges im Fernen Osten war? Wenn die Sowjetunion nicht in der Praxis die Festigkeit ihrer Außenpolitik und ihre unbeirrbare Linie beim Schutz ihrer Grenzen durch die Rote Armee gezeigt hätte, so hätte dies nicht anders denn als Vorwand dienen können, neue militärische Abenteuer anzustacheln, neue militärische Überfälle zu entfesseln, die Rahmenbedingungen für einen zweiten imperialistischen Krieg zu erweitern. Unsere feste Haltung zu diesen Vorgängen veranlasste die hemmungslosen Abenteurer sowohl in Tokio als auch in Berlin, zur Besinnung zu kommen, veranlasste sie, einen Schritt zurückzuweichen und sie wichen zurück. Es ist unstrittig, dass die Sowjetunion damit der Sache des Friedens einen überwältigenden Dienst erwiesen hat. Der Sowjetstaat demonstrierte, dass seine Grenzen unantastbar sind, dass er in der Lage ist, die Interessen seines Volkes zu schützen, dass der Kampf für diese Interessen zugleich der Kampf für die Interessen aller Völker, im Interesse des allgemeinen Friedens ist. Die mit der Tschechoslowakei verknüpften Ereignisse erzeugten eine Atmosphäre von Kriegsfieber in ganz Europa. Es genügt zu sagen, dass zum Zeitpunkt dieser Ereignisse nur in vier europäischen Ländern – in Deutschland, Frankreich, Polen und der Tschechoslowakei – die zahlenmäßige Stärke der Armeen, nach sehr vorsichtigen Berechnungen, in sehr kurzer Zeit um mehr als das Doppelte, um mehr als 2 Mio. Mann, anwuchs. Ungeachtet der angeblich friedliebenden Vereinbarung in München sind alle Beteiligten des Münchener Abkommens jetzt damit beschäftigt, die Rüstungen weiter zu erhöhen, ihre Armeen zu vergrößern, die Militärhaushalte zügellos aufzustocken. Die Abmachung der faschistischen Regierungen mit den Regierungen der „demokratischen“ Länder verringerte keineswegs die Gefahr der Entfachung eines zweiten imperialistischen Kriegs, sondern goss im Gegenteil Öl ins Feuer. Die aggressiven Länder Europas entwickelten nicht nur weit5
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Vgl. 311, Anm. 5.
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gehende Pläne zur Umgestaltung der Staatenkarte Europas, sondern auch ihre Forderungen nach Aufteilung der Kolonien. In solch einer Situation ist es nicht angebracht, die Abwendung oder Unterdrückung eines zweiten imperialistischen Krieges zu erwarten. Im Gegenteil, die Gefahr der Entstehung neuer Kriegsherde und ihrer weiteren Ausbreitung liegt auf der Hand. Nun denn, wir kennen unsere Pflichten. Wir werden auf jegliche provokativen Ausschreitungen seitens der Kriegsbrandstifter, seitens der Aggressoren gegen die Sowjetunion – sei es im Westen oder im Osten – antworten, wir werden jeden Schlag mit zwei- und dreifachen Schlägen gegen die Kriegsbrandstifter und -provokateure beantworten. Nur der starke Sowjetstaat, stark durch seine richtige Außenpolitik und seine Bereitschaft zu beliebigen äußeren Prüfungen, nur solch ein Staat ist fähig, eine konsequente und unerschütterliche Friedenspolitik, eine Politik der unerschütterlichen Verteidigung seiner Grenzen und der Interessen des Sozialismus zu betreiben. Wer sich davon überzeugen möchte, wie stark und mächtig diese Kräfte sind, möge es auf die Probe stellen. Wir müssen sämtliche Schlussfolgerungen aus dieser Situation ziehen. […] Izvestija vom 10. November 1938, S. 1–2.
Nr. 359 Meldung des Stellv. Volkskommissars für Innere Angelegenheiten Berija für den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov Nr. 359 10. 11. 1938 10. 11. 1938 GANZ GEHEIM Nr. 1094581 10. November 1938 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR VERTEIDIGUNG DER UdSSR MARSCHALL DER SOWJETUNION Gen. VOROŠILOV Am 8. November d. J. sind Informationen darüber eingegangen, dass um 20.00 Uhr des gleichen Datums alle Rundfunksender Deutschlands eine Rede HITLERS übertragen werden.2 Im Zusammenhang damit haben wir Maßnahmen zur Störung aller 28 deutschen Rundfunkstationen, die die Rede HITLERS übertragen, getroffen. Im Zuge dieser Störmaßnahmen ist die Empfangsmöglichkeit in Moskau auf allen Frequenzen verhindert worden. In allen übrigen Zentren (Minsk, Kiev, Tiflis, Leningrad, Rostov und andere) sind die wichtigsten Rundfunksender gestört worden. 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Zum Wortlaut vgl. „Adolf Hitlers Rede an Großdeutschland“. In: Völkischer Beobachter vom 10. November 1938, S. 4–5.
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Eine flächendeckende Störung für das gesamte Gebiet der Sowjetunion war angesichts der Kapazitätsverhältnisse (Deutschland – 1070 Kilowatt, unsere Störungen – 400 Kilowatt) und im Zusammenhang mit dem Erfordernis, zugleich die italienischen konterrevolutionären Sendungen in russischer Sprache zu stören, nicht möglich. Der von der Empfangsstation außerhalb Moskaus abgefangene Text der Rede ist beigefügt.3 STELLVERTRETER DES VOLKSKOMMISSARS FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN DER UdSSR BERIJA Unten links befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars für Verteidigung der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 4819ss vom 16.11.1938. Auf Kopfbogen des NKVD der UdSSR geschrieben. RGVA, f. 33987, op. 3, d. 1080, l. 200. Original.
Nr. 360 Auszug aus dem Bericht des Stellv. Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Skosyrev an den Stellv. Volkskommissar für Außenhandel Kušarov 3 Nr. 360 12. 11. 1938 12. 11. 1938 GEHEIM1 Expl. Nr. 12 Ausgangs-Nr. 317/s3 Berlin, 12. November 1938 AN DEN STELLVERTRETENDEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUßENHANDEL Gen. KUŠAROV In Ergänzung zu meinem Telegramm über die Gründe für die Verzögerung bei einigen Aufträgen kann ich Ihnen, nachdem ich mich eingehend mit diesen Aufträgen befasst habe, Folgendes mitteilen: Wie ich bereits im Telegramm geschrieben habe, sind die Verzögerungen auf folgende Ursachen zurückzuführen: Die erste und vorherrschende Ursache besteht darin, dass Firmen in einer Reihe von Fällen uns Erzeugnisse zur Abnahme anbieten, die wir *beanstanden*4 müssen.5 Dies führt natürlich zu einer Verschiebung der Lieferfristen, weil viel Zeit 3 1 2 3 4
In der Akte nicht vorhanden.
Das Wort ist mit Tinte geschrieben. Die Exemplarnummer ist mit Tinte geschrieben. Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Die hier und im Folgenden so gekennzeichneten Textstellen sind mit blauem Farbstift unterstrichen. 5 Vgl. die Information der Außenhandelsvereinigung „Sojuzmetimport“ vom 10.9.1938 zur Qualität unterschiedlichen Röhrentypen, die von der Firma „Otto Wolff“ geliefert werden sollten. In: RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2763, l. 19.
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für Verhandlungen mit den Firmen verloren geht und *noch mehr Zeit vergeht mit Warten, bis die Vereinigung* (oder der Auftraggeber) eine Stellungnahme zu *unseren Abnahmeprotokollen* abgibt. Eine nicht weniger wichtige Ursache besteht in der nachlässigen Haltung von Firmen hinsichtlich der Erfüllung unserer Aufträge. In der Regel erklären die Firmen dies mit einer Überlastung ihrer Werke, mit dem Fehlen qualitätsgerechter Materialien, auf die sie lange zu warten gezwungen wären und vieles mehr. *Meiner Auffassung nach besteht die Ursache jedoch darin, dass der Importapparat der Handelsvertretung wegen seiner zahlenmäßige Beschränkung und der außerordentlichen Überlastung keine Möglichkeit hat, **tagtäglich**6 die Erfüllung unserer Aufträge zu verfolgen, die Firmen rechtzeitig zu inspizieren und nachzuhaken.*7 Die zweite Ursache für die Verzögerung unserer Aufträge besteht darin, dass die Vereinigungen in sehr vielen Fällen die Firmen nicht **rechtzeitig**8 mit **technischen Materialien**9 entsprechend dem Vertrag ausstatten. Infolgedessen ändern die Firmen nach eigenem Ermessen die Termine. Es gibt viele Fälle, in denen die Vereinigungen die veränderten Termine *nicht bestätigen, sondern schweigend hinnehmen*10, ohne gleichzeitig entsprechende Hinweise zu geben, wodurch sie die Handelsvertretung bezüglich der Lieferfristen im Unklaren lassen. Bei dieser Sachlage hat die Handelsvertretung natürlich keine Möglichkeit, die Tätigkeit der Firmen tagtäglich zu verfolgen und in entsprechender Weise auf sie einzuwirken. Ich habe dem Volkskommissar11 wiederholt geschrieben, dass wegen des begrenzten Kontingents ständiger Abnahmebeauftragter die Handelsvertretung nicht in der Lage ist, die qualitätsgerechte Inspektion und die qualitätsgerechte Abnahme zu gewährleisten. Die Abnahmebeauftragten sind buchstäblich gezwungen, im Galopp von Firma zu Firma zu hasten, sich nicht lange mit den Abnahmeobjekten zu befassen, sondern sich nur oberflächlich mit den Abnahmeobjekten zu beschäftigen. Dies bezieht sich insbesondere auf Abteilungen von **Mašinoimport**12 *und Technoimport*. Der Mangel an Abnahmebeauftragten ist zudem auch eine Ursache für Verzögerungen bei einigen Aufträgen. *Das Fehlen von technischen Vereinbarungen* in den Aufträgen und deren Unvollständigkeit führt dazu, dass die Firmen es unseren Abnahmebeauftragten verweigern, erforderliche Tests und eine Überprüfung der Montage von Maschinen vorzunehmen. 6 7
Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. Der gekennzeichnete Absatz ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestri-
chen. 8 9 10
Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. Die Wörter sind mit Tinte über die Zeile geschrieben. Am linken Seitenrand ist gegenüber der unterstrichenen Textpassage mit blauem Farbstift vermerkt: Frachten? 11 Evgenij Denisovič Čvjalev. 12 Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben und mit blauem Farbstift unterstrichen.
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Dieser Umstand führt zu Konflikten, und in Verbindung mit der Notwendigkeit zur Klärung zusätzlicher Fragen verzögert sich die Auslieferung. Eine nicht weniger wichtige Ursache für die verspätete Lieferung von Ausrüstungen besteht in der nicht abgestimmten und ohne vorherige Benachrichtigung des Spediteurs erfolgenden Zuteilung der Frachttonnage. Im Jahr 1938 gab es viele Fälle, dass der Spediteur erst 1 bis 2 Tage vor dem Einlaufen des Schiffes informiert wurde und ihm damit die Verfrachtung des Transportgutes nicht möglich war. Man kann auch noch auf eine Reihe anderer Ursachen verweisen, die die Verzögerung der Aufträge bewirken. Man muss in Betracht ziehen, dass nicht immer die Firmen schuld sind. In sehr vielen Fällen sind sowohl die Vereinigungen als auch der Apparat der Handelsvertretung13 schuld. [...]14 SKOSYREV Anweisung V.I. Kušarovs mit Tinte: Gen. Gračev, treffen Sie Maßnahmen, informieren Sie die Handelsvertretung. 17/XI. VKuš[arov]. Vermerk mit Tinte15: Allen Vereinigungen wurden Weisungen erteilt, Gen. Skosyrev wurde geantwortet. 1/XII.38. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 2 Expl. 1 [Exemplar] an die Adresse, 1 zu den Akten. Auf Kopfbogen des Stellvertretenden Handelsvertreters der UdSSR in Deutschland geschrieben. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 3014, l. 39–46, hier 39–40. Original.
13 In dem Bericht des stellvertretenden Handelsvertreters der UdSSR in Deutschland Smolenskij an Čvjalev und Merekalov vom 2.5.1938 wurde auf die Mängel des bestehenden Bestellsystems von Ausrüstungen bei deutschen Firmen aufmerksam gemacht, das nicht sicherstellte, dass die Wahl der vom Auftraggeber benötigten Ausrüstungen und der zugrundeliegenden Zusammenstellung der technischen Dokumentation korrekt war. Vgl. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 3040, l. 11. 14 Nachfolgend ist die Auflistung der Firmen ausgelassen, die die Aufträge verzögerten: 10 Firmen von Stankoimport, 2 Firmen der Abteilung für auswärtige Aufträge, 7 Firmen von Sojuzmetimport (l. 40–45). Außerdem wurde eine Bewertung des Apparates von Technopromimport in Berlin abgegeben (l. 45–46). 15 Die Unterschrift ist nicht lesbar.
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Nr. 361 Auszug aus dem Stenogramm einer Beratung bei dem Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin Nr. 361 13. 11. 1938 13. 11. 1938 Geheim [13.11.1938] STENOGRAMM BERATUNG BEI Gen. POTEMKIN mit dem BEVOLLMÄCHTIGTEN VERTRETER DER UdSSR IN DEUTSCHLAND Gen. MEREKALOV, 10. NOVEMBER 1938 [...]1 Gen. MEREKALOV: … Ich möchte ferner auf die Informationstätigkeit zu sprechen kommen. Es geht darum, dass man, um ein Gespräch zu führen, über ein gewisses Material verfügen und auf dem Laufenden sein muss, zumindest zu den Fragen, über die der Botschafter des anderen Landes im Bilde ist. Es kann sein, dass wir Sie schlecht informieren, aber auch Sie informieren uns schlecht. Ein Beispiel: ich habe wegen Tōgō angerufen. In unserer Presse war nichts darüber zu lesen, dass er als Botschafter ernannt worden war. Es stellte sich die Frage des Visums. Er stattete mir einen Besuch ab und sagte, dass er sich in drei Tagen nach Moskau begeben werde; und ich entschied, Sie anzurufen. Wenn Sie mir rechtzeitig gesagt hätten, dass es um das Agrément geht, so hätte ich ihm vertraulich sagen können, dass das Agrément bevorsteht. Gen. POTEMKIN: Darüber muss man mit der Abteilung2 sprechen. In vielen Fällen muss man informieren, bisweilen sogar auch per Telegraf. Gen. VAJNŠTEJN: Aber **die Abteilung**3 hat in der Angelegenheit Tōgō buchstäblich nichts gewusst. Gen. POTEMKIN: Wir erhielten das Agrément4 am 4., und am 6., 7. oder am 8. sollte uns mitgeteilt werden, dass das Agrément vorliegt. Doch diese Angelegenheit zog sich furchtbar hin. Ich habe an die Instanz geschrieben, aber dort beeilte man sich nicht, ihm das Agrément zu erteilen. Gen. VAJNŠTEJN: Ich muss sagen, dass sehr oft Post nach Berlin geschickt wird. So kommt es vor, dass es bisweilen **fast**5 nichts zu schreiben gibt; natürlich hätte man die Post nutzen und schreiben können. Doch die Sache ist die, dass die Abteilung in dieser Angelegenheit nicht auf dem Laufenden war. Gen. POTEMKIN: Die Sache ist die, dass das NKID früher ein Bulletin6 herausgegeben hat. Aber dann stellte sich heraus, dass wir das Bulletin nicht immer so verwendet haben, wie es eigentlich sein sollte, und manchmal auch missbräuch1 Ausgelassen sind die Texte, die sich auf die Situation in der sowjetischen Kolonie in Berlin und insgesamt in Deutschland (l. 17–13), auf die Haltung des diplomatischen Corps gegenüber der Bevollmächtigten Vertretung (l. 13–11), auf den Mangel an nichtdiplomatischem Personal für die Bevollmächtigte Vertretung und auf das Erlernen der deutschen Sprache durch die Mitarbeiter, einschließlich des Bevollmächtigten Vertreters (l. 11–8), beziehen. 2 Gemeint ist die 2. Westabteilung im NKID. 3 Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: hier. 4 Gemeint ist die Bitte um Erteilung des Agréments. 5 Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. 6 Zu diesem Bulletin konnten keine Informationen ermittelt werden.
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lich verwendeten. Es erging die Weisung, diese Angelegenheit einzustellen. Die normale Form, den Bevollmächtigten Vertreter zu informieren, ist natürlich der direkte Schriftverkehr. Sie in Berlin müssen wissen, was im Fernen Osten geschieht, wie die englisch-französischen Beziehungen sind usw. Das war die unmittelbare Aufgabe des Volkskommissars, der auch die Tätigkeit des Stellvertretenden Volkskommissars koordinierte. Doch die auswärtige Situation ist jetzt sehr schwierig, und **obgleich**7 M.M.8 sehr gern die Information übernimmt, ist er jetzt jedoch sehr eingespannt und gibt größtenteils Informationen nur zu aktuellen Fragen. Wir sind nur zu zweit. Es gibt keinen 2. Stellvertretenden Volkskommissar.9 Es gab Zeiten, da saß ich allein da.10 Aber in dem Fall, dass es irgendwelche Treffen entweder bei mir oder in der Abteilung gibt, die einen direkten Bezug zur Tätigkeit der Bevollmächtigten Vertretung haben, darf man nicht die Post abwarten, sondern muss per Telegraf informieren. So zum Beispiel den Vorschlag der Deutschen, ihre Dienste für die Freilassung von 7 Besatzungsmitgliedern der „Komsomol“ anzubieten.11 Da diese Angelegenheit über die dortige Regierung geht, muss man natürlich A.F.12 über diesen Vorschlag informieren, damit er diese Angelegenheit an Ort und Stelle verfolgen kann. Es gab auch folgende Momente. Wir lesen nicht immer die Sammlung der Verordnungen13. Man schickt uns diese Sammlung der Verordnungen, dort ist die Absetzung von Stomonjakov14 veröffentlicht. Sie wussten das nicht, und wir bekamen dies zuerst in Gesprächen mit dem diplomatischen Corps mit. Wir wussten zwar etwas darüber, doch hatten wir keine Veranlassung, eine Mitteilung zu machen. Und zu uns15 ist das nicht vorgedrungen. So gibt es kleine Mängel im Mechanismus. Gen: MEREKALOV: Ich möchte um Materialien bitten, die große Aufmerksamkeit verdienen, insbesondere zu den Vorgängen im Fernen Osten, und darum, uns zu informieren. Zu den Vorgängen im Fernen Osten konnten wir überhaupt nichts sagen, danach erhielten wir TASS-Telegramme, aber das war im Prinzip bereits in der Presse erschienen. Außerdem wäre es nicht schlecht, wenn uns die Presseübersichten zu einzelnen Ländern zugestellt würden. Irgendwann wurden mir 2 Presseübersichten zu Frankreich zugeschickt. Ich rief Smirnov zu mir und sagte ihm, dass seine Presseübersichten Mängel hätten, und in Anlehnung an die Presseübersichten zu Frankreich haben wir angefangen, unsere Übersichten zu verbessern. Gen. POTEMKIN: Ich weiß nicht, vielleicht sollte man Ihnen die Übersichten der größten Bevollmächtigten Vertretungen zuschicken, in denen allgemeine politische Vorgänge behandelt werden, die Übersichten aus China zum Beispiel sind sehr schwach. Interessanter sind folgende Übersichten: aus Amerika, Paris und Ja7 8 9
Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. Litvinov. Stomonjakov wurde am 7.8.1938 vom Posten des Stellvertretenden Volkskommissars entlassen. 10 Gemeint sind die längeren Aufenthalte Litvinovs im Ausland. 11 Vgl. Dok. 334. 12 Merekalov. 13 Gemeint sind staatliche Erlasse, die Gesetzeskraft hatten. 14 Vgl. Beschluss des SNK SSSR Nr. 892 vom 7.8.1938. In: Sobranie postanovlenij i rasporjaženij pravitel’stva SSSR (Sammlung von Beschlüssen und Verfügungen der Regierung der UdSSR), 1938, Nr. 38, Moskva 1938, S. 531. 15 So im Dokument; richtig ist: zu euch.
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pan. Ich meine, dass es für Sie interessant wäre, Übersichten zu bekommen, wenn auch nur aus Paris. Gen. MEREKALOV: Nun zu TASS und zum Korrespondenten. Wenn es keine zwei Personen gibt – einen Vertreter von TASS und einen Korrespondenten – so ist es erforderlich, wenigstens eine Person anstelle von zwei Personen zu entsenden. Gen. Smirnov ist überlastet. Er wird als Pressattaché geführt, verrichtet aber die Arbeit des TASS-Korrespondenten. Für uns ist es sogar schwierig, eine Reihe von Dingen mitzuteilen. Gen. POTEMKIN: Seine Telegramme gehen in Kopie an das Auswärtige Amt? Gen. MEREKALOV: Ja. Er schreibt ununterbrochen, er hat einen selbstschreibenden Apparat und dort gibt es alle seine Telegramme. Gen. POTEMKIN: Ich sage dies deshalb, weil es schwierig ist, dass der Presseattaché zugleich auch der Korrespondent von TASS ist. Gen. ŠAPROV: Die Deutschen haben uns erklärt, dass ihnen dies unangenehm ist. Gen. MEREKALOV: Ich habe an Maksim Maksimovič16 geschrieben, dass er wenigstens irgendjemanden anrufen soll. Das ist einfach ein Skandal. Außerdem verwenden wir ihn nicht in seinem eigentlichen Aufgabengebiet. Smirnov ist überlastet und *befindet sich unter keiner großen Kontrolle*17. Nehmen wir die hiesigen deutschen Korrespondenten, sie fahren in die Kolchosen, in den Kaukasus, stehen häufig in den Geschäften in der Schlange, mit einem Wort, sie liefern lebendiges Material. In letzter Zeit haben sie fünf Keller-Artikel18 veröffentlicht, aber wir können das nicht machen. Zur nächsten Frage, sie betrifft die Unterbringung für die Mitarbeiter der Bevollmächtigten Vertretung. Es muss festgelegt werden, was wir wollen: Wollen wir, dass die Mitarbeiter in der Bevollmächtigten Vertretung wohnen oder nicht. Wenn wir wollen, dass die Mitarbeiter [in der Bevollmächtigten Vertretung] wohnen, dann muss man den Bau eines Hinterhauses in Betracht ziehen. Gen. POTEMKIN: Es ist in jeder Hinsicht bequem, die Mitarbeiter in seiner Nähe zu haben. Gen. MEREKALOV: Man muss den Mitarbeitern eine Wohnmöglichkeit geben. Denn es ist zu berücksichtigen, dass die Mitarbeiter in Deutschland sehr isoliert sind, und man sollte es so machen, dass sie wenigstens unter guten Bedingungen leben. Gen. POTEMKIN: Wie haben Sie den Empfang19 gestaltet? Gen. MEREKALOV: Der Empfang fand in dem großen weißen Saal statt. Dort gibt es einige gesunde Balken, ein Teil ist verfault. Wir haben keine sehr gründliche Untersuchung des Gebäudes vorgenommen, und ein umfassendes Gutachten dazu können wir nicht geben. Aber es gibt schlechte Balken. Was [das Gebäude] zusammenhält, das ist die Raumaufteilung. Man kann nicht sagen, dass es eine echte Katastrophe wäre, vielleicht hält das Gebäude noch zwei bis drei Jahre. Wenn man aber die Standards für Bauwerke nimmt, so sind sie [die Statikwerte] sehr schlecht. 16 17
Litvinov. Vgl. Dok. 347. Der Text ist am linken Seitenrand mit einem Fragezeichen versehen. Vgl. dazu auch Dok. 202. 18 Gemeint sind die Artikel in der unteren Hälfte der Zeitungsseite. 19 Am 25.10.1938. Vgl. Dok. 353.
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Gen. POTEMKIN: Wir sind jetzt in einer Vorkriegszeit und es hat keinen Sinn, im Ausland Kapital anzulegen. Haben Sie einen Kostenvoranschlag für die Sanierung erstellt? Gen. MEREKALOV: Einen exakten Kostenvoranschlag haben wir nicht, aber ich werde hier mit OKS20 sprechen, diese Frage präzisieren und dann die genauen Kennziffern zuschicken. Ungefähr kenne ich sie, doch in den Kostenvoranschlag wurden sie nicht aufgenommen. Gen. POTEMKIN: Wir hatten die Richtlinie, vorerst von großen Kapitalinvestitionen Abstand zu nehmen. Gen. MEREKALOV: Nun zu unserem Handel. Unsere diesbezügliche Tätigkeit verringert sich zusehends. Schon 1938 machte er 100 Mio. Rubel aus, vielleicht auch 120. 1937 waren es 300 Mio. Rubel, 1936 – 425, 1934 – **55**21 Mio., 1932 – **1 Milliarde 800 Mio., 1931 – 2 Milliarden 300 Millionen**22. Der Rückgang ist für die Deutschen tödlich. Warum geschieht das so? Erstens, weil jeder angesichts unserer Beziehungen mit Deutschland Angst hat. Zum Zeitpunkt der tschechoslowakischen Ereignisse gab es an die Sowjetunion zu liefernde Entfernungsmesser. Sie wurden zurückgehalten, im Moment der Verwicklungen war die Lieferung ausgesetzt. Als sich dann die Kriegsgefahr gelegt hatte, wurden sie freigegeben.23 In Deutschland gibt es Leute, die ein Interesse an einem Ausbau der Handelsbeziehungen mit uns haben. Insbesondere ist es Otto Wolff, er ist sogar zu einer Kreditgewährung bereit.24 Aber die Verringerung unseres Warenumlaufs zwingt die Deutschen immerhin dazu, in einer Reihe von Ländern Fuß zu fassen, um sich andere Quellen zu sichern. Bei Manganerzen zum Beispiel schleichen sich die Deutschen in Südafrika ein. Wenn sie in der Vergangenheit dort für 2 Mio. Mark Manganerze eingekauft haben, so sind es jetzt 7 Mio. Mark. Wir liefern dagegen Daunen, Federn, Lumpen, insgesamt ins Lächerliche gehende strategische Rohstoffe. Gen. POTEMKIN: Auf Beschluss des SNK werden wir jetzt unseren Export überprüfen. Sie sollten hier Überlegungen äußern, ob es sich für uns lohnt, mit Deutschland mehr oder weniger lebhafte Handelsbeziehungen zu unterhalten. Gen. MEREKALOV: Deutschland unterbietet bei einer Reihe von Waren die europäischen Preise zu 20 bis 30 Prozent, die Qualität der Waren entspricht den Anforderungen. Man sagt allerdings, dass die Deutschen Metall ersetzen, aber dennoch werden beliebige Aufträge mit einer Beschreibung der technischen Bedingungen angenommen; unsere Aufgabe besteht darin, unsere Forderungen zu stellen, doch die Frage läuft darauf hinaus, die Qualität der Abnahme zu verbessern, um eine mögliche Sabotage auszuschließen.
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Otdel kapital’nogo stroitel’stva = Abteilung für Investitionsbauten. Über diese Zahl wurde mit Tinte ein Fragezeichen gesetzt. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich hier um einen Schreibfehler. 1934 betrug das Handelsvolumen der UdSSR mit Deutschland 343 Mio. Rubel. 22 Diese Textstelle ist am linken Seitenrand mit einem mit Tinte geschriebenen Fragezeichen versehen. 23 Potemkin hatte am 4.10.1938 Graf von der Schulenburg ein Aide-Memoire wegen des Ausfuhrverbots, das deutsche Behörden am 28.9.1938 über die Ausfuhr von 20 von der Firma Zeiss hergestellten Entfernungsmessern und Periskopen verhängt hatten, überreicht. Vgl. AVP RF, f. 82, op. 22, p. 73, d. 13, l. 37. Nach 10 Tagen wurde das Verbot aufgehoben, worüber Potemkin am 15.10. berichtete. Vgl. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 138, d. 3, l. 265. 24 Vgl. Dok. 323.
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Gen. POTEMKIN: Zu den Industrieausrüstungen. Ich hörte von verlässlichen Quellen, dass, wenn wir uns rechtzeitig auf amerikanische Ausrüstungen festgelegt hätten, unsere Arbeitsproduktivität bedeutend höher wäre. Nehmen wir zum Beispiel die Werke im Ural, die mit deutschen Werkbänken ausgestattet worden sind, sie entsprachen nicht den Anforderungen. Gen. MEREKALOV: Ja, Vladimir Petrovič, die Deutschen erfüllen einige Aufträge ausgezeichnet. Ich verstehe, dass man in Amerika moderne oder modernisierte Werkbänke bekommen kann, aber wir zahlen dort viel mehr. Aber dies kann nicht als Hindernis gegen die Absenkung des Warenumlaufs dienen. Wir können von ihnen einzelne Stahlsorten und sehr viele Chemikalien beziehen. Die Angebotsliste ist sehr umfangreich. Präzisionsgeräte, technische Hilfe usw. Gen. POTEMKIN: Was können wir ihnen anbieten? Gen. MEREKALOV: Für den Vertrag für 193825 vermochten sie es nicht, den Punkt über unsere Lieferungen nach einer vorab abgestimmten Angebotsliste durchzusetzen. Wir erreichten, dass wir die Lieferungen ohne eine Abstimmung der Warennomenklatur tätigen werden. Wir werden irgendetwas liefern, und zwar Gutes. Soviel zu den Handelsfragen. Die letzte Frage bezieht sich auf die allgemeine Lage in Deutschland. Ich sagte bereits, dass die Schwierigkeiten bei der Lebensmittelversorgung spürbar sind – es mangelt an Fetten, von den Märkten verschwinden einzelne Waren, bis hin zu Zwiebeln. Ich möchte zum Beispiel auf Benzin hinweisen. Benzin wird im Wesentlichen importiert, aber im ganzen Land gibt es hunderte Tankstellen, und nirgends gibt es Schlangen. Gen. POTEMKIN: Sagen Sie etwas zur Versorgung für die Bevollmächtigte Vertretung – eine Frage, die Astachov stark beschäftigt hat – mit hochwertigen ausländischen Erzeugnissen. Gen. MEREKALOV: Um diese Frage ist es schlecht bestellt. Ich würde darum bitten, sie in folgender Weise zu lösen. Genehmigen Sie der Bevollmächtigten Vertretung, einen bestimmten Prozentsatz an Valuta einzusetzen. Uns wurde die Valuta dazu gesperrt, ohne sie können wir nicht auskommen, manchmal gibt es dringende Ausgaben – für einen Empfang usw. Gen. POTEMKIN: Wie haben Sie den Empfang gestaltet? Haben Sie die Einkäufe am Ort getätigt? Gen. MEREKALOV: Wir sind mit dem ausgekommen, was vorhanden war und was ich vorher aus der Sowjetunion bestellt hatte. Von Suric sind noch einige Zigarren und türkische Zigaretten übrig geblieben. Es gibt aber Personen, denen wir verpflichtet sind, die zu uns kommen und denen man eine Schachtel Zigaretten anbieten muss, die wir aber nicht haben. Schließlich zu den Textilien. Kommt ein neuer Genosse hierher, muss er eingekleidet werden. Die deutsche Oberbekleidung kommt dafür nicht in Betracht, da sie schlecht ist. Gen. POTEMKIN: Ich verstehe, aber das Narkomfin ist dagegen. Gen. MEREKALOV: Es geht hier um eine geringe Summe. Zum Beispiel muss man Zeitungen abonnieren. 25
Vgl. Dok. 207, Anm. 16.
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Gen. POTEMKIN: In bestimmten Fällen haben Sie geschrieben, dass eine Bestellung von Lebensmitteln bevorsteht, und um Genehmigung gebeten, dafür Valuta einzusetzen. Erhalten Sie irgendeine Währung? In Mark? Gen. MEREKALOV: Ja. Der Rest sind Devisen. Das NKID transferiert das automatisch. Gen. POTEMKIN: Wir werden dies überdenken, aber bis jetzt wird diese Angelegenheit sehr streng gehandhabt. Gen. MEREKALOV: Hier geht es nicht um große Summen. Gen. POTEMKIN: Wann gedenken Sie abzureisen? Gen. MEREKALOV: In 6 bis 8 Tagen. Gen. POTEMKIN: Wir werden versuchen, etwas zu unternehmen. Wir klären das mit Chavinson26, vielleicht ist es möglich, bis zu Ihrer Abreise irgendetwas zu erreichen. Die Beratung muss jetzt aber vertagt werden. Vermerk mit Tinte: an Gen. Potemkin. Oben links befindet sich der Stempel der 2. Westabteilung im NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2321 vom 19.11.1938. Oben rechts befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 257 vom 15.1.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: **1 [Exemplar] an Gen. Potemkin, 1 an die 2. Westabteilung**27. 13.XI. 38. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 61, l. 17–1, hier l. 8–1. Original.
26
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Nr. 362 Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA Nr. 362 18. 11. 1938 18. 11. 1938 Moskau, den 18. November 1938 Tgb. Nr. A/1749 An das Auswärtige Amt Berlin Politischer Bericht Inhalt: Sowjetpolitik nach der tschechoslowakischen Krise Unter Bezugnahme auf die Berichte vom 11. d. Mts. Tgb. Nr. A 17171 und vom 19. d. Mts. Tgb. Nr. A 15862
26 Der Antrag auf Bestätigung eines Leiters der TASS-Abteilung in Berlin und seines Stellvertreters wurde vom kommissarischen Leiter von TASS Chavinson im Sommer 1938 an das ZK der VKP (B) geschickt. Vgl. RGASPI, f. 17, op. 114, d. 882, l. 251–256. 27 Der Text ist mit Tinte geschrieben. 1 2
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Vgl. www.germandocsinrussia.org, Bestand 458/9/223, Bl. 157-166. Laut ADAP ist vermutlich der 19.10.1938 gemeint.
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Die anlässlich der November-Feier der bolschewistischen Revolution erfolgten Reden, Presseartikel und sonstigen Verlautbarungen geben Gelegenheit zu einer Beurteilung der sowjetischen Innen- und Außenpolitik. Der allgemeine Eindruck ist der, dass nach der tschechoslowakischen Krise eine Änderung in den Ansichten des Kreml nicht eingetreten ist. Eine Prüfung der Losungen des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und der Reden des Vorsitzenden des Rats der Volkskommissare, Molotow, sowie des Volkskommissars für Landesverteidigung, Woroschilow, u. a. ergibt im Einzelnen folgendes Bild: Oberster Grundsatz der sowjetischen Politik ist die Bekämpfung des Faschismus und die Stärkung der Machtmittel des Sowjetstaates. Bei der Schilderung der internationalen Lage wird der Schwerpunkt auf das Vordringen der AggressorStaaten gelegt, wodurch Frankreich, England und Amerika bedroht und die Basis für die Auslösung eines Krieges zwischen den imperialistischen Mächten geschaffen werde. Nach Stalin hat der zweite imperialistische Krieg tatsächlich schon begonnen. Die demokratischen Mächte konnten gegen die faschistischen Mächte keine Einheitsfront bilden; sie wichen zurück aus Angst vor der Arbeiterbewegung in Europa und der Befreiungsbewegung in Asien. Demgegenüber verteidige der Sowjetstaat seine Grenzen und die Interessen seines Volkes; er werde jeden Ausfall der Aggressoren, sei es im Westen oder im Osten, mit einem dreifachen Gegenschlag beantworten. Nur der starke Sowjetstaat, stark durch seine richtige Außenpolitik und seine Bereitschaft zu allen beliebigen äußeren Prüfungen sei hierzu imstande. Zum Beweise wird die Haltung der Sowjet-Regierung in den Kämpfen am ChassanSee3 und bei der tschechoslowakischen Krise angeführt. Die Kämpfe am ChassanSee werden zu einem großen Sieg über die Japaner umgeformt. Dabei wird durch die Behauptung, der japanische Überfall zur Entfesselung eines Krieges im Fernen Osten sei weniger in Tokio als in Berlin beschlossen worden, auch ein Erfolg über Deutschland hinzugedichtet, wohl um den Mut der Sowjets gegenüber diesem gefährlichsten Gegner unter Beweis zu stellen. Der Verlauf der tschechoslowakischen Krise wird in erster Linie als eine Niederlage Frankreichs und Englands hingestellt. Die Sowjet-Union habe sich durch die Drohungen der faschistischen Staaten nicht einschüchtern lassen, sondern habe vor allen Ländern ihre Treue den abgeschlossenen Verträgen und internationalen Verpflichtungen gegenüber und ihre Bereitschaft zum Kampf gegen die Aggressoren bekundet. – Hieraus lässt sich entnehmen, dass die Sowjet-Regierung nicht daran denkt, die Beistandspakte mit Frankreich und der Tschechoslowakei von sich aus aufzugeben. Die Steigerung der Rüstungen in Europa, weitere Pläne der aggressiven Länder zur Umgestaltung der Landkarte und die Forderung einer Aufteilung der Kolonien lasse die Entstehung neuer Kriegsherde und die Fortsetzung des ImperialistenKrieges erwarten. Indem die Sowjets ihre Außenpolitik als die allein richtige zur Erhaltung des Friedens anpreisen und gleichzeitig die Gefahr neuer Verwicklungen durch die Aggressoren enthüllen, versuchen sie auf die kleinen Staaten Eindruck zu machen und sich selbst in das europäische Konzert wieder einzuschalten. Offenbar rechnet Moskau damit, dass die Regierungen und die Völker nicht gewahr werden, dass die Verwirklichung der Richtlinien der Sowjetpolitik und die Befol3
Vgl. Dok. 311, Anm. 5.
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gung der Ratschläge der Sowjetdiplomatie geradewegs zum Kriege und damit zu dem von der Weltrevolution herbeigewünschten Chaos führen. Weit entfernt davon, eine „Isolierung der Sowjetunion“ zuzugeben, behaupten die Sowjets eine weitere Festigung der internationalen Autorität der Sowjetunion, von der die anderen Länder sich zu ihrem Schaden selbst isoliert hätten. Diese Bilanz der internationalen Lage und das Bewusstsein der kapitalistischen Umkreisung der Sowjetunion führen den Kreml erneut zu der Schlussfolgerung der Schaffung einer starken Roten Armee. Die Forderung der Stärkung der Machtmittel des Staates, die Stalin’sche Forderung, das ganze Volk im Zustand der Mobilisierungsbereitschaft zu halten und insbesondere die ständig wiederkehrende Aufforderung, noch beharrlicher an der Festigung der Wehrmacht zu arbeiten, bringt die Erkenntnis des Kreml, dass alles auf die eigene Stärke ankommt, jedoch zugleich auch die Besorgnis zum Ausdruck, dass die Rüstung des Sowjetstaates noch unvollkommen ist. Diese Tatsache versuchen die Redner und Artikelschreiber vergeblich durch große Worte und phantasievolle Übertreibungen und Verdrehungen zu verdecken; man merkt deutlich, dass all ihr Bemühen darauf gerichtet ist, dem Gegner Angst zu machen, dem eigenen Volk aber Mut und Zuversicht einzuflößen. Das mangelnde Vertrauen zur eigenen Stärke im Vergleich zu den anderen, insbesondere den gegnerischen Mächten lässt die Sowjetunion ihre Blicke auf die Arbeiterklasse der bürgerlichen Länder richten. Mindestens so wichtig wie die Stärkung der staatlichen Machtmittel ist daher nach der unveränderten Ansicht der Sowjetmachthaber die Festigung der internationalen proletarischen Verbindung der Arbeiterklasse der Sowjetunion mit der Arbeiterklasse der bürgerlichen Länder und die Organisierung der politischen Hilfe der Arbeiterklasse der bürgerlichen Länder für den Sowjetstaat im Falle eines Überfalles auf die Sowjetunion. Daher müssten die Arbeiter und Werktätigen der ganzen Welt zum Kampf für den vollen Sieg des Kommunismus mobilisiert werden. Zu diesen bekannten Gedankenvorgängen des Kreml tritt das sonstige Rüstzeug der Sowjetpolitik, das – soweit man sehen kann – ebenfalls unverändert ist. So meint Dimitrow in seinem Artikel4, durch das gemeinsame Vorgehen der dem Völkerbund angehörenden Staaten, die an der Erhaltung des Friedens interessiert sind, hätten die faschistischen Aggressoren gebändigt werden können. Gemäß Artikel 16 des Völkerbundstatuts 5 hätten kollektive Aktionen und wirtschaftliche Sanktionen gegen den Friedensbrecher zur Anwendung gebracht werden müssen. Wenn die anderen Staaten die Vorschläge der Sowjet-Regierung für die kollektive Abwehr des Aggressors angenommen hätten, so wäre der Frieden erhalten geblieben. Solche Aktionen zugunsten der Erhaltung des Friedens hätten alle Völker mit Enthusiasmus unterstützt. Die mächtige Bewegung der Völker wäre das wirksamste Mittel gegen die Kriegstreiber gewesen. Im Sinne des Volksfrontgedankens hält Dimitrow Regierungen für notwendig, die sich auf die Volksmassen stürzen und bereit sind, gegen den faschistischen Feind zu kämpfen. Kollektivismus, Völkerbund und Volksfrontgedanke gehören somit nach wie vor zu den Grundlinien der
4 „La Capitulation Continue“ (ohne Autor). In: Le Journal de Moscou vom 15. November 1938, S. 1. 5 Vgl. Artikel 16 der Völkerbundssatzung. In: Reichsgesetzblatt 1919, Friedensvertrag, S. 733, 735.
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Außenpolitik der Sowjets, die auf ihre Stunde warten und die Hoffnung nicht aufgeben, dass die Methoden von gestern erneut zur Anwendung gelangen. Die innerpolitischen Maßnahmen der letzten Jahre (Generalserschießungen, Säuberungsaktion u. dgl.), die im Wesentlichen auf die Sicherung der persönlichen Machtstellung Stalins gerichtet waren, hatten bekanntlich eine erhebliche Schädigung der staatlichen Belange der Sowjetunion zur Folge. Trotzdem erklärten alle Redner des 7. Novembers, dass der Kampf gegen die Überreste der Volksfeinde, Agenten des Auslandes und Spione fortgesetzt werden müsse. Daher geht die Säuberungsaktion weiter, mit der Wirkung, dass Männer wie der Marschall Blücher plötzlich spurlos verschwinden und von den seit Anfang des Jahres ernannten Volkskommissaren der UdSSR zur Zeit nur noch etwa die Hälfte im Amt ist. Die Folgen dieser Personalpolitik sind Misstrauen, Scheu vor Verantwortung und allgemeine Unsicherheit, was sich in mangelhaften Leistungen auf allen Gebieten ausdrückt. In der Industrie ist allenthalben ein Zurückbleiben hinter den Planziffern und ein Absinken der Qualität feststellbar. Molotow dagegen spricht von einer allgemeinen Steigerung der Warenumsätze und beschränkt sich lediglich auf die Bemerkung, dass sich bei manchen Industriewaren ein nicht unbedeutender Mangel geltend mache. Tatsächlich ist der Mangel an Industriewaren und Lebensmitteln jedoch so groß, dass er eine allgemeine Notlage darstellt. Zur Steigerung der Produktion wird die bekannte Antreibermethode des Stachanow-Systems weiterhin propagiert. Um einen Anreiz zur Hebung der Leistung zu schaffen, werden einzelne Rekordleistungen wie der Flug von drei Frauen nach dem Fernen Osten6 als Heldentaten gefeiert. Über die Kämpfe am Chassan-See ergießt sich ein überreicher Ordenssegen. Zum Zwecke der Zusammenfassung aller lebendigen Kräfte des Volkes greift die Sowjet-Regierung neuerdings auf Bevölkerungsschichten zurück, die sie bisher vernachlässigt hat und die sie jetzt unter der Bezeichnung „Sowjet-Intelligenz“ heranzuziehen sucht. Nach der gegenwärtig geltenden Sowjetterminologie gehört hierzu sowohl der Professor als der auch Verkäufer hinter dem Ladentisch. Ihre bolschewistische Schulung im Sinne der Parteiideologie wird gefordert, offensichtlich zu dem Zweck, um die durch den inneren Vernichtungsfeldzug entstandenen Lücken auszufüllen. Der Schaffung eines zuverlässigen Nachwuchses dient die Forderung an die Jugendverbände, unablässig an der Erziehung neuer Kaders zu arbeiten. Besonders treten die Bestrebungen hervor, die darauf gerichtet sind, der Bevölkerung der Sowjetunion die Kenntnis gewisser ruhmvoller Vorgänge aus der geschichtlichen Vergangenheit zu vermitteln, einen Stolz auf die Leistungen des russischen Volkes großzuziehen und damit patriotische Gefühle zu wecken. Dabei wird mit Vorliebe auf Ereignisse zurückgegriffen, bei denen das russische Volk erfolgreich gegen das Deutschtum aufgetreten ist (Schlacht auf dem Eise des PeipusSees und Ukraine 1918). Selbstverständlich wird auch in allen Verlautbarungen des 7. November die Bedeutung des neuen, unter maßgeblicher persönlicher Mitarbeit Stalins zustande 6
Vgl. Dok. 349, Anm. 3.
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gekommenen Buches über die Geschichte der kommunistischen Partei der Sowjetunion7 hervorgehoben. Nach der Beseitigung der alten Parteitheoretiker und der Außerkraftsetzung ihrer Lehren hielt es Stalin für erforderlich, ein neues Instrument für die ideologische Ausrichtung des Volkes zu schaffen. Das Studium dieser Parteigeschichte wird jedem einzelnen Sowjetbürger zur Pflicht gemacht. Kein Redner und kein Presseartikel hat es verabsäumt, die Rote Armee und ihre Leistungen zu glorifizieren und die Stärkung der Wehrkraft des Landes zu fordern. Tatsächlich werden durch den Ausbau der Rüstungsindustrie und die Verstärkung der Armee die wirtschaftlichen Kräfte der Sowjetunion in einem außerordentlichen Umfange in Anspruch genommen; die mangelhafte Versorgung der Bevölkerung hängt im Wesentlichen damit sowie mit einer intensiv betriebenen Vorratswirtschaft für den Ernstfall zusammen. Alle diese Anstrengungen werden fraglos mit der Zeit einen gewissen Erfolg haben; es darf aber nicht übersehen werden, dass durch die Beseitigung des überwiegenden Teils des höheren Kommandobestandes, seine Ersetzung durch nicht genügend ausgebildete jüngere Kräfte und durch die Wiedereinführung der Politkommissare eine nicht unerhebliche Schwächung der Schlagkraft der Roten Armee eingetreten ist. Bei dem aufs äußerste angespannten Rüstungswettbewerb unter den Großstaaten erscheint es daher fraglich, dass die Rote Armee eine entsprechende Einsatzfähigkeit in absehbarer Zeit wiedergewinnt. Schulenburg Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben Stempel des AA: eing. 23. NOV. 1938 und Pol V 8721. Am Seitenrand Abzeichnung von St.S. W[eizsäcker] 23[11] und Stempel: v. St.S. 23. NOV.1938. Gefertigt in vier Durchschlägen. Auf Kopfbogen der Deutschen Botschaft geschrieben. PA AA, R 104355, Bl. 202446-202452. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 480, S. 534–537.
7 Vgl. Istorija Vsesojuznoj kommunističeskoj partii (bol’ševikov). Kratkij kurs, Moskva 1938; Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bolschewiki): Kurzer Lehrgang, Moskau 1939.
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Nr. 363 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov Nr. 363 19. 11. 1938 19. 11. 1938 GEHEIM Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 2501 Berlin, 19.XI.38 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN Gen. LITVINOV Die Pogrome gegen Juden2 und die Reaktionen in England und in den USA darauf haben den Gang der Ereignisse um einiges verkompliziert und die sich wieder anbahnenden Beziehungen zu England zerrüttet. Die Presse stellte ihr Wohlverhalten gegenüber Chamberlain ein und die Ausfälle gegen England in Form der Herausstellung der Vorgänge in Palästina, der Probleme Indiens, Zyperns, Maltas usw. wurden zur alltäglichen Normalität.3 Jedoch kann diese Kampagne leicht eingestellt werden, sobald die durch die Pogrome hervorgerufene antideutsche Reaktion in England abebbt. Im Wesentlichen wird die Lage durch die Entwicklung der Ereignisse in England selbst bestimmt werden. Für die Ausländer setzen die Hitlerleute unter der Hand die Version in Umlauf, wonach der „Führer nichts von den Pogromen gewusst“ hätte und darüber unzufrieden sei. Doch diese Version ist ganz für den Export bestimmt. Die Zeitungen hingegen lobpreisen weiterhin die verübten Pogrome, wobei sie unumwunden hervorheben, dass an ihnen die SS, SA und „politische Führer“ aktiv beteiligt gewesen wären (der Artikel der Göringschen „National-Zeitung“4, von TASS übermittelt). Die größte Verbitterung bei den Deutschen ruft jedoch die Haltung der USA hervor. Im Zusammenhang mit der antideutschen Kampagne der letzten Zeit rangiert in den letzten Leitartikeln des „Völkischen Beobachters“5 die Feindseligkeit gegenüber Deutschland an erster Stelle. Nunmehr kann als völlig gesichert angesehen werden, dass die Rückberufung des amerikanischen Botschafters nach Washington6 ein demonstrativer Akt als Antwort auf die Vorgänge war (obgleich amerikanische Juden in Berlin wenig zu Schaden gekommen sind – insgesamt zwei bis drei und zudem keine gebürtigen Amerikaner, sondern nur formal Staatsangehörige). Nach den ersten Meldungen über den Rück1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Gemeint sind die Ereignisse um die Reichspogromnacht vom 9. bis 10. November
1938. 3 Als Beispiel vgl. „An der Themse sprechen sie von Humanität. In Palästina triefen sie von Blut“. In: Völkischer Beobachter vom 16. November 1938, S. 3; „Englands Angst vor der Wahrheit. Schärfste Nachrichtenzensur und Entstellung der Presseberichte aus Palästina“. In: Völkischer Beobachter vom 18. November 1938, S. 1; 4 Vgl. „‘Organisierter‘ Volkswille“. In: National-Zeitung vom 18. November 1938, S. 1–2. 5 Als Beispiel vgl. „Franklin gegen Roosevelt“. In: Völkischer Beobachter vom 19. November 1938, S. 1. 6 Am 14.11.1938 wurde Hugh Wilson zu Konsultationen nach Washington gerufen. Vgl. Foreign Relations of the United States, Washington 1955, 1938, Bd. 2, S. 398–399.
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ruf Wilsons bemühten sich die Deutschen deren Eindruck abzuschwächen, indem sie den Anschein gaben, die Version von der nicht-demonstrativen Bedeutung seiner Abreise zu übernehmen. Der jetzige Rückruf von Dieckhoff aus Washington7 zeigt, dass diese Taktik aufgegeben wurde und der Konflikt nicht geleugnet wird. Dagegen bleibt der Ton der Presse gegenüber Frankreich völlig korrekt, Daladier genießt weiterhin deren Sympathie und die Ankunft von Coulondre8, die sich einige Tage verzögerte, wird nachdrücklich begrüßt, wie auch alle Postenänderungen von François-Poncet9. *Was die auswärtigen Objekte der hitlerischen „Dynamik“ betrifft, so sind dies gegenwärtig Memel und die Kolonien.*10 Memel erfährt zwar quantitativ keine große Aufmerksamkeit, aber es scheint verloren zu sein. Die Litauer selbst fühlen sich absolut hilflos und sind bereit, alle Zugeständnisse zu machen (dies hat mir ihr Rat direkt gesagt) und hoffen lediglich darauf, dass Deutschland Memel „nicht braucht“. Im Auswärtigen Amt wird den Balten erklärt, dass Deutschland nicht beabsichtigt, Memel zu erobern, sondern lediglich die völlige Autonomie wünscht. Indessen wird in der letzten Rede des Memel-Führers Neumann, der erklärte, dass der „Kampf eben erst beginnt“, klar das weitere Vorgehen abgesteckt, das zur Abtretung Memels führen muss. Es bleibt weiterhin unklar, ob sich die Deutschen auf die Einverleibung Memels beschränken oder ob sie Litauen insgesamt als Objekt zur Lösung des Korridorproblems betrachten. Die hiesigen Litauer besitzen Informationen, wonach die Deutschen beabsichtigen, den Polen ein „Weihnachtsgeschenk“ zu bereiten, indem sie ihnen Litauen schenken wollen (offenbar im Austausch für den Korridor). Dies ist jedoch als nicht völlig geklärt zu betrachten, da sich Deutschland und Polen in den letzten Wochen wegen der Karpato-Ukraine zweifellos verkracht haben. Eine gewisse Abkühlung zeigte sich auch im Zusammenhang mit der jüdischen Frage (Versuche, polnische Juden gewaltsam auszusiedeln). Was die Kolonien betrifft, so wurde und wird um diese Frage mit allen Mitteln (Artikel, Bücher, Filme, Vorlesungen, Versammlungen, Demonstrationen) stärkste Propaganda betrieben. Der Grundtenor lautet: die Kolonien müssen vollzählig und vollständig zurückgegeben werden. Selbst die fernöstlichen Kolonien, die von Japan erobert worden sind, werden davon nicht ausgenommen. Es besteht kein Zweifel, dass die Deutschen hinter den Kulissen die Japaner in dieser Hinsicht beruhigt haben, es wird aber nicht offen darüber gesprochen, und die Inseln am Äquator sowie Tsingtau11 sind in den zur Begründung der Kolonie-Forderungen herausgegebenen Karten weiterhin besonders gekennzeichnet. Ich besitze keine direkten Informationen, aber aufgrund rein abstrakter Beurteilung gelange ich zu der Schlussfolgerung, dass Deutschland in der Kolonie-Frage stark auf eine italienische Aktivität zählt, wobei Italien selbst einen bedeutenden Teil der Beute zugesprochen bekommen soll. Die Politik der „Achse“ bescherte Deutschland im letzten Jahr ausnahmslos Vorteile. Es erhielt Österreich, die Tschechoslowakei und ist dabei, das Wirtschaftsmonopol in ganz Südosteuropa, ein7 8 9 10 11
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Am 18.11.1938. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 505, Anm. 1, S. 569. Coulondre händigte am 22.11.1938 sein Beglaubigungsschreiben aus. François-Poncet war im November 1938 zum Botschafter in Italien ernannt worden. Der gekennzeichnete Text ist am linken Seitenrand mit Bleistift angestrichen. Hafenstadt in China, von 1897 bis 1914 eine Kolonie Deutschlands.
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schließlich des Balkans, zu errichten. Diese Politik hat Italien im letzten Jahr überhaupt nichts eingebracht (wenn man von der „Anerkennung“ der Eroberung Abessiniens absieht). Es ist schwer vorstellbar, dass sich Mussolini damit zufriedengeben wird, dass alle Vorteile der „Achse“ Deutschland zufallen, und es ist anzunehmen, dass er sich die Zusage einer aktiven Unterstützung Hitlers in anderen Richtungen gesichert hat. Da es diese in Europa nicht gibt, ergibt sich zwangsläufig die Annahme, dass in Afrika Aktionen vorbereitet werden, wo Mussolini seine Ansprüche auf einen Teil der französischen Besitzungen erhebt und Hitler auf die ehemaligen Kolonien. Dies sind aber, ich wiederhole es, lediglich Annahmen. Vorerst kann man konstatieren, dass die anglo-amerikanische Reaktion auf die Berliner Pogrome das Spiel Berlins stark gestört hat. Die hitlerfreundlichen Elemente in den anderen Ländern gerieten in eine unangenehme Lage und verstummten etwas, die deutsche Propaganda sah sich veranlasst, den neuen Expansionsobjekten bedeutend weniger Aufmerksamkeit zu widmen und sich mit der undankbaren Polemik in der jüdischen Frage zu befassen. Bei einigen Dingen war man gezwungen, von der Offensive zur Verteidigung überzugehen, die exakte Dynamik und Aktivität der deutschen Politik der ersten Wochen nach München bröckelte und wurde schwächer. Astachov Vermerk mit Tinte: an Gen. Litvinov. Vermerk mit blauem Farbstift: MM. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 4213 vom 22.11.1938. Am Ende des Dokuments befinden sich am linken Seitenrand mit Tinte geschriebene handschriftliche Vermerke zur Anzahl der Exemplare und zum Verteiler: 4 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Litvinov, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an die II. Westabteilung, das 4. zu den Akten. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 57, l. 60–62. Kopie. Veröffentlicht in: God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 54, S. 105–107.
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Nr. 364
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Nr. 364 Entwurf eines Schreibens des Leiters der Abteilung Osten im Außenpolitischen Amt der NSDAP Leibbrandt an den Chef der Deutschen Sicherheitspolizei Heydrich Nr. 364 25. 11. 1938 25. 11. 1938 Berlin, den 25. November 1938 Entwurf Dr. L. / Nü. Herrn Gruppenführer Heydrich Chef des Sicherheitshauptamtes Berlin Sehr geehrter Gruppenführer! Bezugnehmend auf Ihr Schreiben vom **1 teile ich Ihnen im Auftrage von Herrn Reichsleiter Rosenberg mit, dass Herr Reichsleiter selbstverständlich ein Interesse an den Arbeiten über die Sowjetunion hat. Ihr freundliches Angebot, für uns Arbeiten zu machen, die in unserem Interesse bezüglich der Ostpolitik liegen, nehmen wir bestens dankend an. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie einen Termin festsetzen, an dem der Unterzeichnete mit Ihnen bzw. einem Ihrer Beauftragten diese Angelegenheit näher besprechen könnte. Heil Hitler! [Leibbrandt] Oben handschriftlich: nicht abgegangen. BArch, NS 43/3, Bl. 47.
1
Nr. 365 Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an Leiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep Nr. 365 28. 11. 1938 28. 11. 1938 Moskau, den 28.XI.1938 Sehr geehrter Herr **V.L.R. Dr.**1 Schliep! In Abwesenheit des Herrn von Tippelskirch vertrete ich ihn in dem löblichen Tun, alle acht Tage eine Aufzählung der hiesigen Ereignisse mitzuteilen.
1 Der Raum für ein Datum ist an dieser Stelle offengelassen. Ein diesbezügliches Schreiben wurde nicht ermittelt. 1
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Der Text ist handschriftlich eingefügt.
28. 11. 1938
Nr. 365
Die Sensation des Tages ist die gestrige Mitteilung der TASS2 über das polnisch-sowjetische Verhältnis. Die in unserem Telegramm von gestern mitgeteilte Auffassung der hiesigen „diplomatischen Kreise“ stellt auch meine Meinung dar. Es ist zweifellos, dass Polen sich gegen eine Gefahr den Rücken decken will. Leider wissen wir nicht – und können daher die Tragweite der Angelegenheit auch nicht in vollem Umfange übersehen –, worin diese Gefahr besteht. Der in der heutigen „Iswestija“ erschienene Leitartikel3, den wir hierneben einreichen, lässt deutlich durchblicken, dass Polen sich vor Deutschland fürchtet und dies umso mehr, als Frankreich sich immer mehr und mehr in Osteuropa desinteressiert. Wir haben bereits in Berlin darüber gesprochen, dass Polen sowohl in England wie in Frankreich eine schlechte Presse hat und in Regierungskreisen wenig beliebt ist. So mag Polen tatsächlich gezwungen sein, anderswo Stütze zu suchen, wenn eine Gefahr im Anzuge ist. Aber ist das tatsächlich der Fall? Leider wissen wir darüber nichts Bestimmtes und bitten Sie sehr, uns wenigstens privatbrieflich zu orientieren. Hier ist man allgemein der Überzeugung, dass wir uns wegen Memel und Danzig und der Karpato-Ukraine mit Polen zerstritten haben oder zerstreiten werden. Was sagt man in Berchtesgaden zu der ganzen Sache? Übrigens möchte ich darauf aufmerksam machen, dass auch mein italiensicher Kollege4 letzthin sehr tätig gewesen ist. Sollte er bei dem Zustandekommen des Communiqués mitgeholfen haben??? Ich möchte Sie auf die russische Ausfuhrstatistik hinweisen, die in einem Bericht des Herrn Hilger eingehend behandelt wird. Insbesondere erscheint beachtenswert, dass die Ausfuhr der Sowjetunion nach Spanien im ersten Halbjahr 1938 um mehr als 70% gegenüber der Ausfuhr im gleichen Zeitraum des Jahres 1937 zurückgegangen ist. Das erscheint mir ein klarer Beweis dafür zu sein, in wie hohem Grade die Sowjets sich aus der spanischen Affäre herauszuwinden suchen und in welch weitem Umfang sie ihre Hilfe eingestellt haben. Vielleicht könnten Sie Herrn Schwendemann auf diesen Rückgang aufmerksam machen. Letzten Mittwoch sind Lord und Lady Chilston, der englische Botschafter und seine Gattin, endgültig abgereist. Seitdem bin ich – Gott sei es geklagt – Doyen. Ich fürchte, diese „Ehrenstellung“ wird mir viel Unannehmlichkeiten und argen Ärger bringen. Haben Sie das Buch „Verrat am Sozialismus“ gelesen? Der Verfasser ist ein gewisser Albrecht5, der hier lange Jahre im Forstwesen leitend tätig gewesen und dann ausgewiesen worden ist. An einer Stelle schreibt Herr Albrecht, dass Kossarew, der Leiter des Komsomol, sich stets als Nachfolger Stalins betrachtet habe. Ich habe das leise Gefühl, dass diese Behauptung dem Genossen Kosssarew seine Stellung gekostet hat. Wie Sie wissen, ist er vor einigen Tagen „verschwunden“. – Ganz allgemein gesprochen nutzten derartige Bücher unseren Landsleuten nicht, die hier noch festsitzen. Ich fürchte, dass diese und ähnliche Propagandaschriften mit der Grund dafür sind, dass unsere Ausweisungen stocken: die Sowjetunion will niemand mehr hinauslassen, wenn die Leute nach ihrer Rückkehr derartige Bücher schreiben. 2 Am 27.11.1938 wurde die Gültigkeitsdauer des polnisch-sowjetischen Nichtangriffspaktes von 1932 bis 1945 verkündet. Vgl. Soobščenie TASS (TASS-Meldung). In: Izvestija vom 27. November 1938, S. 1. 3 Vgl. „SSSR i Pol’ša“ (Die UdSSR und Polen). In: Izvestija vom 28. November 1938, S. 1. 4 Augusto Rosso. 5 Karl Albrecht: Der verratene Sozialismus, Berlin/Leipzig (Nibelungen-Verlag) 1938.
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28. 11. 1938
Das Wetter ist scheußlich hier; merkwürdigerweise haben wir bisher weder Frost noch Schnee. Für die Gesundheit ist es wenig zuträglich. Mit den allerbesten Grüßen an Sie und Herrn von Tippelskirch und mit Heil Hitler! bin ich, sehr geehrter Herr Schliep Ihr stets ganz ergebener gez. Graf von der Schulenburg Auf erstem Blatt oben: Bln AA, unten: ab 28.XI.38 Gü[nther] PA AA, Moskau 560, Bl. 178445-178448.
Nr. 366 Schreiben des Volkskommissars für Außenhandel Čvjalev an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin, den Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Molotov und den Stellv. Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Mikojan Nr. 366 28. 11. 1938 28. 11. 1938 G[ANZ] GEHEIM Expl. Nr. __ [28.11.1938] AN Gen. I.V. STALIN Gen. V.M. MOLOTOV Gen. A.I. MIKOJAN Das geltende Abkommen über den Handels- und Zahlungsverkehr zwischen der UdSSR und Deutschland läuft am *31.XII.*11938 aus. Der Inhalt des Abkommens läuft darauf hinaus, dass: 1. die UdSSR das Recht hat, Waren im Wert von etwa 430 Mio. Rub[el] zu exportieren und nicht verpflichtet ist, ihre Nomenklatur mit den Deutschen abzustimmen; 2. alle Exportwaren in Mark bezahlt werden; 3. der Markerlös in die Bezahlung von Warenlieferungen, Wechseln und Wechselzinsen, einschließlich der Kreditzinsen, Eisenbahnfrachten und für andere Zwecke fließt. Im Jahr 1938 wird unser Export etwa 85 Mio. Rubel betragen, ausgeführt wurden: Holz, Borsten, Gänsefedern, Teppiche, Tabak, Apatiterze und -konzentrate, Rizinusöl, Flockenbast, Turbinenschrott, Manganerz, Fohlenleder, Fehfell und Polarhasenfell. Unsere Zahlungen für dieses Jahr werden 92 Mio. Rub[el] erreichen, hiervon etwa 55 Mio. Rub[el] für den Import 1938, der sich [wie folgt] zusammensetzte: Katapulte, Periskope, Entfernungsmesser, Groß- und Spezialwerkzeugmaschinen, Mo1
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Das Datum ist mit Bleistift unterstrichen.
3. 12. 1938 Nr. 367 toren, Kompressoren, verschiedene optische Geräte und Messinstrumente, verschiedene Röhren, Stahlseile und Drahtseile. Für das Jahr 1939 haben wir für Deutschland 56 Millionen Rub[el] an Zahlungsverpflichtungen, zu deren Deckung, aber auch zur Zahlung möglicher Importe im Jahr 1939 wir unseren Export ausbauen müssen. Da ich das Abkommen von 1938 für akzeptabel halte, bitte ich um die Erlaubnis, es für 1939 zu verlängern.2 ANLAGE:3 1. Information über den Handels- und Zahlungsverkehr. 2. Beschlussentwurf. *E. Čvjalev*4 Vermerk mit Bleistift und Tinte: Deutschl[and] 1939. Am Ende des Dokuments ist die Anzahl der Exemplare vermerkt: 4 Expl. 28.XI.38. RGAÉ, f. 413, op. 12, d. 3130, l. 7. Kopie.
Nr. 367 Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin Nr. 367 3. 12. 1938 3. 12. 1938 Geheim Expl. Nr. 1 Nr. 5600/l. 3. Dezember 1938 AN DEN GENERALSEKRETÄR des ZK der VKP (B) Gen. STALIN Kopie an: Gen. MOLOTOV Zu Chiffre Nr. 22363 des Gen. Majskij Attlee erkundigt sich formal nach unserer Haltung zum Problem der deutschen jüdischen Flüchtlinge. Wir können ihm keine Antwort geben, die ihn befriedigen könnte, aber wir könnten ihm dennoch unsere Haltung erläutern. Wir könnten auf folgende Momente aufmerksam machen. 2 Auf der Grundlage einer Aufzeichnung Mikojans beschloss das Politbüro des ZK der VKP (B) am 6.12.1938, das Abkommen über den Handels- und Zahlungsverkehr zwischen der UdSSR und Deutschland für 1939 zu verlängern (vgl. Moskva – Berlin 1920–1941, Bd. 3, Dok. 186, S. 271–272). Das Abkommen über den Handels- und Zahlungsverkehr für 1939 wurde nach einem entsprechenden Briefwechsel zwischen der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland und dem Reichswirtschaftsministerium am 19.12.1938 geschlossen. Vgl. „Soobščenie TASS“ (TASS-Meldung). In: Izvestija vom 23. Dezember 1938, S. 1. 3 Wird nicht veröffentlicht. Vgl. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 3130, l. 8–9. 4 Der Name ist mit Bleistift durchgestrichen. Am 28.11.1938 wurde Čvjalev seines Postens als Volkskommissar für Außenhandel der UdSSR enthoben.
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Nr. 367
3. 12. 1938
1. Wir machen die Regierungen, die am Münchener Abkommen beteiligt waren, politisch verantwortlich für die Situation sowohl der sudetendeutschen als auch der deutschen Flüchtlinge. **Auf ihnen lastet auch die moralische Verantwortung für das weitere Schicksal dieser Flüchtlinge. 2. Für uns ist es schwierig, Leute bürgerlicher Klassen, die die Verhältnisse der kapitalistischen Wirtschaft gewohnt sind, massenhaft in unsere sozialistische Wirtschaft zu assimilieren. 3. Wir haben der tschechoslowakischen Regierung unlängst unser prinzipielles Einverständnis gegeben, 2.000 Antifaschisten aus dem Sudetengebiet anzusiedeln. Das gleiche Einverständnis gaben wir gegenüber dem Londoner Kommissar für Flüchtlinge aus Deutschland1, forderten jedoch, vorab Auskünfte hinsichtlich der Qualifikation der Leute mitgeteilt zu bekommen. 4. Wir mussten bereits traurige Erfahrungen mit einigen Kategorien von Flüchtlingen aus Deutschland und Österreich machen, die von der Gestapo zu uns als Spione und Schädlinge geschickt wurden, was uns zu einer vorsichtigen Herangehensweise zwingt. Andere Argumente fallen mir nicht ein. *Erbitte Weisungen.*2 **3 LITVINOV Anweisung Stalins mit rotem Farbstift: Den Engländern ist zu sagen, dass wir aufgrund der Verfassung nur den Ausländern das Asylrecht gewähren können, „die wegen der Verteidigung der Interessen der Werktätigen oder wegen wissenschaftlicher Tätigkeit oder wegen des nationalen Befreiungskampfes verfolgt werden″, aufgrund dessen können wir von den deutschen Juden nur Wissenschaftler aufnehmen. I. Stalin. Unterschrift von V.M. Molotov mit Bleistift: V. Molotov. Am Seitenrand mit Tinte: Nr. 95/3.XII.38. Oben befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 4449 vom 7.12.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 6 Exemplare. 1–3 an die Adressaten, das 4. an Gen. Potemkin, das 5. an Gen. Litvinov, das 6. ins Archiv. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 138, d. 2, l. 244. Original. Veröffentlicht in: SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 109, S. 170.
1 2 3
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Neill Malcom. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der gesamte Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen.
4. 12. 1938 Nr. 368 Nr. 368 Aufzeichnung von Unterredungen des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 368 4. 12. 1938 4. 12. 1938 Geheim Expl. Nr. 5 [4.12.1938] TAGEBUCH des Bevollmächtigten Vertreters der UdSSR in Deutschland Gen. A.F. Merekalov Nr. 186901 4/XII 38 Am 15. November war ich gemeinsam mit dem Leiter der 2. Westabteilung Gen. Vajnštejn zum Frühstück bei Schulenburg.2 Im Gespräch äußerte Schulenburg die Sorge, dass die Laufzeit des Abkommens über den Waren- und Zahlungsverkehr der UdSSR mit Deutschland3 am 31. Dezember 1938 ende. Der Handelsvertreter Gen. Davydov befinde sich in Moskau und es sei nicht bekannt, wann er nach Berlin zurückkehre. Somit könne eine vertragslose Zeit eintreten (wie dies in diesem Jahr bereits der Fall gewesen wäre), die unseren Wirtschaftsbeziehungen abträglich werden könnte. Ich antwortete, dass das NKVT mit dieser Frage befasst sei, und da bis zu diesem Termin noch anderthalb Monate verblieben, gebe es in dieser Frage keinen Grund zur Beunruhigung. Danach kam Schulenburg darauf zu sprechen, dass *Sojuznefteėksport die Entscheidung der schiedsgerichtlichen Angelegenheit mit der deutschen Gesellschaft „Benzolverband“4 sehr verzögere*5 und dass die deutsche Seite bereit sei, *auf einen Kompromiss in beliebiger Form einzugehen, nur um die sich so lange hinziehende Angelegenheit zu einem Ende zu bringen.*6 Ich antwortete, dass die angesprochene Frage nicht in meine Kompetenz falle und sie ihre konkreten Vorschläge an Sojuznefteėksport oder an das NKVT richten müssten. Schulenburg beklagte sich wegen des sehr langsamen Bearbeitungstempos bezüglich der Freilassung und Ausweisung von Deutschen auf der Grundlage der von ihnen bereits eingereichten Gesuche.7 Ich antwortete, dass ich in dieser Angelegenheit nicht im Bilde sei, und schlug vor, sich in dieser Sache direkt an das NKID zu wenden; wegen der **ebenfalls**8 zur Sprache gebrachten Frage des iranischen Transits möchten sie sich gleichfalls dorthin wenden. 1 2 3 4 5 6 7 8
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Merekalov hielt sich vom 1.11. bis 26.12.1938 in Moskau auf. Vgl. Dok. 207, Anm. 16. Vgl. Dok. 375. Der gekennzeichnete Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Der gekennzeichnete Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Vgl. Dok. 320, 334, 354, 355. Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben.
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Nr. 368
4. 12. 1938
Am 2. Dezember war ich gemeinsam mit dem Leiter der Protokollabteilung des NKID Gen. Barkov bei Schulenburg zum Frühstück. An dem Frühstück nahm außer den Deutschen der Lette9 teil. In dem Gespräch äußerte Schulenburg, wie auch beim letzten Mal, seine Besorgnis bezüglich der Verzögerung des Beginns der Verhandlungen über den Waren- und Zahlungsverkehr zwischen der UdSSR und Deutschland für das Jahr 1939. Die Laufzeit des Abkommens ende am 31. Dezember, der Dezember habe bereits begonnen, der Handelsvertreter sei in Moskau und es sei nicht bekannt, wann er abreise, „Berlin ist wegen dieser Frage beunruhigt und fragt bei uns nach“. Ich antwortete, dass das NKVT in dieser Hinsicht die erforderlichen Maßnahmen treffe, und der Handelsvertreter werde voraussichtlich in der zweiten Dezemberhälfte die Verhandlungen aufnehmen können. Im verbleibenden Teil des Gesprächs bemühte sich Schulenburg, mit den Gästen lediglich ein allgemeines Gespräch zu führen; bei meiner Verabschiedung erkundigte er sich nach dem Tag meiner Abreise, worauf ich antwortete, dass ich, sobald ich hier meine Angelegenheiten erledigt hätte, abreisen würde, was, wie ich glaubte, Mitte Dezember erfolgen könnte. BEVOLLMÄCHTIGTER VERTRETER IN DEUTSCHLAND Merekalov Anweisung mit blauem Farbstift: Klären Sie diese Angelegenheit10, geben Sie eine Stellungnahme ab. 16/XII 38. VK[ušarov]. Liste der Personen, geschrieben mit rotem Farbstift, an die sich die Anweisung richtet: Firsov, Nižnik, Frolkin. Vermerk V.I. Kušarovs mit blauem Farbstift: an Andreev zur Kenntnis. Anweisung Andreevs mit Tinte: an Gen. Špindler. Gib Auszüge aus diesem [Dokument] und meinem Gespräch11 an die Genossen Firsov, Nižnik und Frolkin zur Benzolverband-Frage, fordere sie auf, eine Stellungnahme anzufertigen12. 19/XII. Andreev. Vermerk mit blauem Farbstift: Zu den Akten. Nr. 8010. 22/XII. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel der Geheimgruppe der Geheimen Chiffrierabteilung des NKVT mit der Eingangs-Nr. 20195 vom 4.12.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 Expl. Das 1. [Exemplar] zu den Akten, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an Gen. Potemkin, das 4. an die 2. Westabteilung, das 5. an das NKVT. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2808, l. 33–34. Original.
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Der Gesandte Lettlands in der UdSSR Fricis Kocinš. Gemeint ist der Benzolverband. Gemeint ist das Gespräch mit Hilger am 13.12.1938. Vgl. Dok. 375. Vgl. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 3059, l. 73.
5. 12. 1938 Nr. 369 Nr. 369 Schreiben des Militärattachés in Moskau Köstring an den Oberquartiermeister IV im Generalstab des Heeres von Tippelskirch Nr. 369 5. 12. 1938 5. 12. 1938 Moskau, den 5. Dezember 1938 Lieber Herr v. Tippelskirch! 1.) Anliegenden politischen Bericht übersende ich Ihnen für persönlichen Gebrauch, da er Ihnen vielleicht nicht zugegangen ist. Er enthält Hinweise, wie sich die Sowjetunion wieder in das große politische Geschäft einschalten möchte, die von Interesse sind. 2.) Zu diesen Bestrebungen gehört m. E. auch die in meinem letzten Schreiben behandelte offizielle Note über das Verhältnis zu Polen.13 Nach unseren Zeitungen zu urteilen, scheint man dieser Note weiter keine Bedeutung beizulegen. Hier im diplomatischen Corps wird sie stark erörtert. Meine polnischen Kollegen äußern sich so „gleichgeschaltet“ über die Bedeutungslosigkeit, dass hier die Regelung der Sprache von der polnischen Botschaft aus nicht zu verkennen ist. Ohne mich über polnische Absichten und Hoffnungen äußern zu können, möchte ich vom sowjetischen Standpunkt aus für die Aussichten doch Folgendes anführen: a) Die Sowjetunion wird den Anlass, sich in der großen Politik wieder zu präsentieren, dankbarst begrüßt haben, wenn – wie behauptet wird – die Anregung von den Polen ausgegangen ist. Für die aus ihren Kombinationen ausscheidenden Frankreich und Tschechei wird Ersatz gesucht. b) Trotz des Gegensatzes zu Polen ist der Sowjetunion jedes Mittel recht, um das gefürchtete Deutschland zu schädigen. Absichten auf Treiben eines Keils zwischen das deutsch-polnische Verhältnis; Hoffnungen auf Ausnutzung der unseren Interessen entgegenstehenden Wünsche Polens, die Sie mir bei meiner letzten Anwesenheit andeuteten (Litauen, Karpato-Russland), werden mitgesprochen haben. c) Ein als Pufferstaat zwischen dem gefürchteten Deutschland und der Sowjetunion befindliches, nicht feindliches Polen erhöht die Sicherheit der Sowjetunion, hindert auch insofern angeblichen Expansionsdrang nach dem Baltikum und nach der Ukraine. d) Wie schnell sich in der Politik Hass und Liebe wandeln können: Ende September drohte die Sowjetunion noch Polen mit Kündigung des Angriffsvertrages, wenn es nicht die Hände von der Tschechei ließe. Polen antwortete grob, dass das die Sowjetunion den Dreck was anginge. Jetzt wird dieser Ladenhüter hervorgeholt und liebevoll neuaufgeputzt. e) Wegen der Handelsbeziehungen beider Länder, die ich letztes Mal noch skeptisch betrachtete: Textil will Sowjetunion von Polen kaufen. Ihnen zu Liebe bedeckt die Sowjetunion die arge Blöße ihrer Proletarier mit feinem Tuch aus Lodz. Was tut man nicht alles in den Flitterwochen politischer Liebe! Heil Hitler! Ihr Köstring 13
Vgl. Dok. 365, Anm. 2.
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Nr. 370
10. 12. 1938
Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben: 8/12 T[ippelskirch] und weitere Kenntnisnahme. BA MA, N 123/9, 2 Bl. Veröffentlicht in: General Ernst Köstring, S. 213–214.
Nr. 370 Aufzeichnung des Militärattachés in Moskau Köstring Nr. 370 10. 12. 1938 10. 12. 1938 Moskau, den 10. Dezember 1938 Es liegt auf der Hand, dass die laufende Berichterstattung der Botschaft über die wirtschaftliche Lage der UdSSR und über die der Beobachtung zugänglichen wirtschaftlichen Vorgänge maßgeblich von wehrwirtschaftlichen Gesichtspunkten beeinflusst ist. Infolgedessen hat sich die Wirtschaftsabteilung der Botschaft von jeher zur Pflicht gemacht, wehrwirtschaftlichen Problemen im Rahmen der Gesamtwirtschaft der UdSSR ihre besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden, wie dies u. a. die kürzlich von der Botschaft erstatteten Berichte über das Eisenbahnwesen und die Zustände der Eisenbahnbrücken der UdSSR beweisen. Die Bearbeitung aller einschlägigen Probleme erfolgt vonseiten der Wirtschaftsabteilung der Botschaft im engsten Einvernehmen, in ständiger Zusammenarbeit und in regem Gedankenaustausch mit dem der Botschaft zugeteilten Militär- und Luftattaché1. Wenn nicht der Militär- und Luftattaché, sondern die Wirtschaftsabteilung der Botschaft hinsichtlich der Berichterstattung zur Zeit die federführende Rolle spielt, so hängt dies mit der Tatsache zusammen, dass die Botschaft in der Person des Leiters ihrer Wirtschaftsabteilung2 über einen besonders erfahrenen Sachverständigen verfügt, dem außerdem zwei Hilfskräfte zur Verfügung stehen. Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass ich auch außerstande bin, neben meiner reinen militärischen Berichterstattung die gewaltige Menge von russischem gedrucktem Material zu verarbeiten, aus dem allein die wehrwirtschaftlichen Informationen geschöpft werden können, da lebendige Nachrichtenquellen nicht zur Verfügung stehen. Bei der außerordentlichen Geheimhaltung, die in der UdSSR herrscht, gehört oft ein wochenlanges Studium des einschlägigen Materials, um daraus nur eine einzige für unsere Zwecke versendbare Information herauszuholen. In diesem Zusammenhange möchte ich erwähnen, dass die Wirtschaftsabteilung ständig nicht weniger als 34 Zeitungen und Zeitschriften verarbeitet, um hieraus mühselig das Material zu schöpfen, das als Grundlage ihrer Berichterstattung sowohl über allgemeine wirtschaftliche als auch über wehrwirtschaftliche Probleme dient. Ich stelle daher anheim, es bei dem bisherigen Zustand bewenden zu lassen, der sich in der Praxis infolge der engen Zusammenarbeit zwischen dem Militär- und Luftattaché und der Wirtschaftsabteilung der Botschaft bewährt hat.3 [Köstring] PA AA, Moskau II 299, Bl. 3-4. 1 2 3
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Ernst Köstring. Gustav Hilger. Vgl. Dok. 177.
12. 12. 1938
Nr. 371
Nr. 371 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Leiter der 2. Westabteilung im NKID Vajnštejn Nr. 371 12. 12. 1938 12. 12. 1938 GEHEIM Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 261/s 1 Berlin, 12.XII.38 AN DEN LEITER DER II. WESTABTEILUNG Gen. VAJNŚTEJN Den Deutschen die Forderung zu präsentieren, für die Schäden aufzukommen, die sowjetische Staatsbürger durch die Pogrome erlitten haben, erweist sich aufgrund der Tatsache als schwierig, dass sich die geschädigten Bürger (davon sind uns zwei bekannt, tatsächlich hat aber nur einer dies aktiv gemeldet) hartnäckig weigern, ihre Forderungen zu konkretisieren und wenigstens eine annähernde Schadenssumme zu benennen. Die Gründe für ein derartiges Verhalten sind verständlich. Da sie ohnehin nicht damit rechnen, eine Entschädigung zu bekommen, befürchten sie neuerliche Repressionen. Sie hüllen sich deshalb in Schweigen und vermeiden es sogar, in der Konsularabteilung zu erscheinen. Wie Sie wissen, haben wir gegenüber dem Auswärtigen Amt eine vorbehaltlose Erklärung abgegeben, mit der wir uns unser Recht ausbedingen, Ersatz für die Schäden, sobald diese präzisiert worden sind, zu fordern. Jetzt erhebt sich die Frage: Soll Schadensersatz für einen geschädigten Bürger gefordert werden, ohne eine Summe zu nennen, und ohne sich davon abhalten zu lassen, dass dieser sich nicht einmal dazu entschließen kann, uns eine schriftliche Erklärung darüber vorzulegen, oder sollen keine konkreten Forderungen gestellt werden? In dem Falle, dass Sie sich für letztere Alternative entscheiden, könnte dem Auswärtigen Amt eine Note zugestellt werden, dass es unseren Erkenntnissen zufolge sowjetische Staatsbürger (mit Namen) gibt, die durch die Pogrome zu Schaden gekommen sind und dafür keine Entschädigung oder eine Versicherungssumme erhalten haben, und wir es als notwendig erachten, besonders darauf hinzuweisen, dass dieser Umstand der Niederlassungskonvention2 widerspricht. Wenn ein solches Vorbringen der Frage den Geschädigten auch nicht zu helfen vermag, so kann es uns vielleicht als ein zusätzliches Argument für den Fall von Nutzen sein, dass von deutscher Seite in Bezug auf die Lage ihrer Bürger in der UdSSR Forderungen erhoben werden. Um Mitteilung Ihrer Stellungnahme wird gebeten. 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Gemeint ist Artikel 10 des Abkommens über Niederlassung und allgemeinen Rechtsschutz des Vertrages zwischen der UdSSR und Deutschland vom 12.10.1925: „Die Angehörigen jedes vertragsschließenden Teils genießen nach Maßgabe des Völkerrechts im Gebiete des anderen Teils in Ansehung ihrer Person und ihres Vermögens dasjenige Maß gerichtlichen oder behördlichen Schutzes, welches den eigenen Staatsangehörigen oder den Staatsangehörigen der meistbegünstigten Nation zuteil wird.“ In: Reichsgesetzblatt 1926, Teil II, S. 9; DVP, Bd. VIII, Dok. 342, S. 586.
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Nr. 372
12. 12. 1938
Geschäftsträger der UdSSR in Deutschland Astachov Vermerk mit Tinte: an Gen. Litvinov. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 4599 vom 15.12.1938. Am Ende des Dokuments befinden sich am linken Seitenrand handschriftliche Vermerke zur Anzahl der Exemplare und zum Verteiler: 4 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an Gen. Potemkin, das 4. an die Rechtsabteilung. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 57, l. 89. Kopie.
Nr. 372 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov Nr. 372 12. 12. 1938 12. 12. 1938 12/XII-38 Hochverehrter Maksim Maksimovič, ich bin Ihnen für die verstärkte Übersendung von Informationsmaterialien (Tagebücher, Schreiben usw.) sehr verbunden, die uns in bisweilen nicht ganz eindeutigen Momenten bei der Orientierung helfen. Doch bei all dem muss ich sagen, dass die allgemeine Situation für unsere Arbeit im Ausland, soweit ich das aufgrund der Lage des hiesigen Arbeitsabschnittes beurteilen kann, bei weitem nicht zufriedenstellend ist. Wir haben in Berlin einen großen Apparat, doch er ist vorrangig *mit sich selbst befasst*1 (Finanz-, Verwaltungs- und Schulangelegenheiten, gesellschaftliche Arbeit usw.) **Darin liegt vielleicht auch die Wurzel der uns aufreibenden Streitereien .**2 Für die Außentätigkeit, für Kontakte zu Ausländern, zur Auswertung von Literatur und Presse, um das Land kennenzulernen usw. gibt es in diesem Apparat, von wenigen Ausnahmen abgesehen, keine *geeigneten Leute*3, diejenigen aber, die es gibt, arbeiten unter Bedingungen, die es ihnen nur in einem minimalen Grade erlauben, Aufgaben dieser Art zu erledigen. Wir geben gewaltige Mittel für den Unterhalt des Gebäudes aus, wir haben eine Schule **(ich bin nicht dagegen!)**4, an der für 12 Kinder vier Pädagogen (plus Betreuung) tätig sind, **5 wir beabsichtigen, Hunderttausende für den Umbau des Gebäudes und für den Bau von neuen Häusern (!) auszugeben, unternehmen aber nichts, um den Mitarbeitern, die in der Lage sind, Außenbeziehungen zu pflegen, die Möglichkeit zu geben, **jetzt**6 diese Aufgabe wahrzunehmen (Wohnung, Dienstpersonal, d.h. all das, was selbst die niedrigsten Dienstränge der unbedeutendsten Missionen besitzen). Zum Höhepunkt der Saison und in einem überaus wichtigen politischen Zeit1 2 3 4 5 6
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Der Text ist mit Bleistift unterstrichen. Der Text ist über die Zeile geschrieben. Der Text ist mit Bleistift unterstrichen. Der Text ist über die Zeile geschrieben. Das an dieser Stelle stehende Wort „aber“ ist durchgestrichen. Das Wort ist über die Zeile geschrieben.
12. 12. 1938
Nr. 372
abschnitt haben wir hier weder einen Bevollmächtigten Vertreter noch einen Handelsvertreter; wir haben hier bereits seit über einem Jahr keinen Vertreter **unserer**7 Presse, obgleich er bedeutend bessere Möglichkeiten für Außenkontakte hätte als ein beliebiger Diplomat. Hier gibt es bereits seit 1 ½ Jahren keinen Militärattaché, und der einzige militärische Mitarbeiter (der Gehilfe des Militärattachés8) weilt bereits seit zwei Monaten in Moskau, obgleich die militärischen „Empfänge“ und **Routs**9 in vollem Gange sind und alle Länder hier viele Leute haben. Obgleich wir eine zugelassene Zeitschrift besitzen, die gedruckte Informationen über die UdSSR bringen könnte, erscheint sie nicht (weil sich die Handelsvertretung nach wie vor nicht mit dem NKVT darüber verständigen kann, wer sie gestalten soll und wer für sie verantwortlich ist). Ich zähle nicht die *Defekte*10 **11 geringerer **Art**12 auf, weil dies zu viel Zeit und Platz beanspruchen würde. Eine derartige Situation lässt keinerlei Möglichkeit, die Arbeit normal zu verrichten und sie wenigstens in ein annäherndes Verhältnis zu den Aufgaben zu bringen, die zu bewältigen sind und erfüllt werden müssten. Ich hoffe, dass Sie mir mit der Ankunft des Gen. Merekalov13 die Möglichkeit geben, nach Moskau *zu kommen*14. In der jetzigen Situation ist meine Arbeit hier äußerst wenig produktiv und ich würde eine Umsetzung vorziehen, **selbst**15 für eine weniger verantwortungsvolle, dafür aber tatsächlich effektive Tätigkeit in der Sowjetunion auf beliebigem Posten. Ich könnte noch Vieles sagen, doch ich möchte mich nicht mit *„frommen Wünschen“*16 befassen, ohne etwas Bestimmtes zu äußern.17 Mit kameradschaftlichem Gruß G. Astachov Auf Kopfbogen der Bevollmächtigten Vertretung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken in Deutschland geschrieben. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 57, l. 107–106. Original. Handschriftlich. 7 8
Das Wort ist über die Zeile geschrieben. Der Gehilfe des Militärattachés Gerasimov war nach Abberufung des Militärattachés Orlov nach Moskau im September 1937 mit der Wahrnehmung der Geschäfte betraut worden. Vgl. AVP RF, f. 011, op. 1, p. 3, d. 24, l. 1. 9 Das Wort ist über die Zeile geschrieben. 10 Das Wort ist mit Bleistift unterstrichen. 11 Das an dieser Stelle stehende Wort „mehr“ ist durchgestrichen. 12 Das Wort ist über die Zeile geschrieben. 13 Merekalov hielt sich vom 1.11. bis 26.12.1938 in Moskau auf. 14 Der Text ist mit Bleistift unterstrichen. 15 Das Wort ist über die Zeile geschrieben. 16 Der Text ist mit Bleistift unterstrichen. 17 Litvinov schrieb am 19.12.1938 in seinem Antwortbrief an Astachov: „Ich antworte Ihnen auf Ihren handschriftlichen Brief vom 12. All die traurigen Erscheinungen, über die Sie schreiben, sind uns sehr wohl bekannt. Wir unternahmen und unternehmen Maßnahmen zu deren Beseitigung, doch ich kann Ihnen hinsichtlich der Ergebnisse keine Hoffnungen machen. Es gibt offenbar objektive Gründe, die nicht nur außerhalb des NKID, sondern auch der übergeordneten Organe liegen. Gen. Merekalov bereitet in der Tat seine Abreise vor, und wir drängen ihn auch. Ich betrachte Ihre Abreise aus Deutschland zumindest als verfrüht, weil es Gen. Merekalov ohne Sie schwer haben wird, dort zu arbeiten. Für die hiesige Arbeit fällt es uns leichter, Leute zu finden, als für die Tätigkeit im Ausland, und ich kann mir nicht vorstellen, wie wir Sie jetzt im zentralen Apparat einsetzen könnten.“ In: AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 55, l. 32.
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Nr. 373
12. 12. 1938
Nr. 373 Protokoll einer interministeriellen Sitzung im Reichswirtschaftsministerium Nr. 373 12. 12. 1938 12. 12. 1938 Berlin, den 12. Dezember 1938 V Ld. 38984/38 Sitzungsvermerk über die Besprechung vom 6. Dezember 1938 betreffend Russenkredit über 200 Mill. RM An der Sitzung nahmen teil: Vom RWM
Vom Aus. Amt Vom RFM
Reichsbank: Dego2:
Staatssekretär Brinkmann Min.Rat Dr. Soltau ORR Dr. Ter-Nedden Ger.Ass. Dr. O. R. Fischer Vortr. Leg.Rat Dr. Schnurre Min.Dir. Nasse Min.Rat Niemetz Min.Rat Preuse1 Reg.Rat Dr. Krauss Reichsbankdir. Blessing, Mitglied des Reichsbankdirektoriums Reichsbankdir. Junne
ORR. Dr. Ter-Nedden berichtete über den Stand der Verhandlungen mit den Russen betr. die Gewährung eines Warenkredites in Höhe von 200 Mill. RM. Er wies u. a. darauf hin, dass ein starkes deutsches Interesse an dem Fortgang der Verhandlungen bestünde, denn Bedingung für die Gewährung des Kredits sei deutscherseits, dass die Russen für 200 Mill. RM zusätzlich bestimmte devisenwerte Rohstoffe liefern. Er wies ferner darauf hin, dass die Besprechungen bisher insbesondere deshalb erfolglos geblieben seien, weil der Wunsch der Russen auf Gewährung einer 100%igen Reichsgarantie für die liefernden Firmen habe abgelehnt werden müssen. Es sei nicht damit zu rechnen, dass die Russen von dieser Forderung abgehen würden. In verschiedenen Ressortbesprechungen sei grundsätzliche Einigung darüber erzielt worden, welche neuen Kreditbedingungen den Russen angeboten werden könnten. Es sei lediglich noch offen geblieben, ob eine 100%ige Reichsgarantie gegeben werden könne. In einer früheren Besprechung bei Herrn Staatssekretär Brinkmann habe die Reichsbank sich grundsätzlich bereit erklärt, neben dem Reichsfinanzministerium, das in Höhe von 75% zu garantieren bereit sei, für die restlichen 25% Rückbürgschaft über die Dego zu übernehmen. In der letzten Ressortbesprechung habe die Reichsbank jedoch erklärt, die Rückbürgschaft in Höhe von 25% nicht übernehmen zu können. – Es sei beabsichtigt, in der kommenden Woche mit den Russen über 1 2
So im Dokument; wahrscheinlich ist Curt Prause gemeint. Die Deutsche Golddiskontbank, 1924 gegründet, sollte vor allem Exportunternehmen mit Krediten unterstützen.
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die Verlängerung des deutsch-sowjetischen Wirtschaftsvertrages für das Jahr 1939 zu sprechen. Bei dieser Gelegenheit soll auch die Gewährung des Kredits mit den Russen erörtert werden. Es sei dringend erforderlich, bis zu diesem Zeitpunkt eine Entscheidung über die Gewährung der 100%igen Garantie in positivem Sinne Klarheit zu erlangen. Vortr. Leg.Rat Schnurre betonte ebenfalls, dass die Zusage der 100%igen Reichsgarantie unbedingt notwendig sei. Für die ersten Besprechungen mit den Russen sei es ferner erforderlich zu wissen, in welcher Weise die Finanzierung vor sich gehen solle, ob über ein Bankenkonsortium oder nach dem Polen-Schema über die Dego. Reichsbankdir. Blessing erklärte, dass die Dego entsprechend der von ihr in der früheren Besprechung bei Herrn Staatssekretär Brinkmann eingenommenen Haltung bereit sei, Warenkreditabkommen bis zu 400 Mill. RM zu finanzieren und eine Rückbürgschaft bis zu 100 Mill. RM zu übernehmen. Die Einschränkung bezüglich des Russenkredits sei nur deshalb gemacht worden, weil die Dego kürzlich gebeten worden sei, einen *Kredit an Bulgarien* in Höhe von 45 Millionen RM zu finanzieren und ihn teilweise zu garantieren. Der *Polenkredit*, der *Türkenkredit*, der *Bulgarenkredit* und der *Russenkredit*3 überstiegen insgesamt wertmäßig die Summe von 400 Mill. RM. Es wurde festgestellt, dass die *Gewährung eines Kredits an Bulgarien höchst zweifelhaft* 4 sei. Von einer Einrechnung dieses Kredits in das Volumen von 400 Mill. RM könne daher zunächst abgesehen werden, Reichsbankdir. Blessing erklärte, dass unter diesen Umständen für die Übernahme der 25%igen Rückbürgschaft im Russenkredit nur noch Voraussetzung sei, dass der Dego entsprechend ihrem Antrage vom Reichsfinanzministerium Steuerfreiheit für die staatlichen Rahmengeschäfte gewährt werde. Anderenfalls sei sie bei dem vorgesehenen Zinssatz nicht in der Lage, die entsprechenden Unkosten zu decken. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Dego und die Reichsbank durch die Zusage, in weiterem Umfange als bisher Kurssicherungen zu gewähren, ein erhöhtes Risiko auf sich genommen hätten. Min.Dir. Nasse erklärte, dass nach der Meinung seines Hauses eine Reichsgarantie in dem gewünschten Umfange nur gegeben werden könne, wenn sichergestellt sei, dass die deutsche Wirtschaft rohstoff- und kapazitätsmäßig in der Lage sei, die erforderlichen Lieferungen auszuführen. Staatssekretär Brinkmann stellte fest, dass diese zur Zuständigkeit des Reichsfinanzministeriums gehörende Frage geprüft werde. Vom Reichswirtschaftsministerium würde veranlasst werden, dass im Falle des Abschlusses des Kredits auch die erforderlichen Lieferungen geleistet werden könnten. Im Übrigen *wies Staatssekretär Brinkmann darauf hin, dass es dringend erforderlich sei, die Verhandlungen mit den Russen trotz ihres zweifelhaften Ausgangs weiter fortzusetzen, um die sich hier ergebende Möglichkeit, zusätzlich Rohstoffe zu erhalten, auszunutzen*5. Er bat die Vertreter des Reichsfinanzministeriums, sich in ihrem Hause dafür einzusetzen, dass die Frage der Steuerfreiheit für die Dego in einem positiven Sinne und mög3 Die fünf Textstellen sind unterstrichen; außerdem ist die Stelle zusätzlich am Seitenrand angestrichen. 4 Der Text ist unterstrichen. 5 Der Text ist am Seitenrand angestrichen.
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lichst bald entschieden werde. Auch müsse das Erforderliche veranlasst werden, um einen Zinssatz von 5% zu ermöglichen. Als Finanzierungsweg komme nur die Finanzierung über die Dego in Betracht. Im Hinblick darauf, dass die Besprechungen mit den Russen voraussichtlich in der nächsten Woche beginnen werden, sagten die Vertreter des Reichsfinanzministeriums eine beschleunigte Stellungnahme ihres Hauses zu. PA AA, R 106230, Bl. 452584-452587.
Nr. 374 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 374 14. 12. 1938 14. 12. 1938 GEHEIM Expl. Nr. 1 AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS Nr. 6604 [14.12.1938] EMPFANG SCHULENBURGS, 13.XII.38 Im Gespräch mit mir brachte Schulenburg folgende Fragen zur Sprache. 1. Am 31. Dezember endet die Frist für das jährliche Zahlungsabkommen zwischen Deutschland und der UdSSR.1 Die deutsche Regierung ist an einer Verlängerung dieses Abkommens interessiert. Jedoch ist der Handelsvertreter Gen. Davydov nicht in Berlin, der als Vertreter der sowjetischen Seite das Dokument über die Verlängerung unterzeichnen müsste. Schulenburg bittet darum, falls möglich, die Rückkehr des Gen. Davydov nach Berlin zu beschleunigen oder im Bedarfsfall dem Bevollmächtigten Vertreter der UdSSR in Deutschland, Gen. Merekalov, das Recht zu übertragen, das Dokument über die Verlängerung des Zahlungsabkommens zu unterzeichnen. 2. Schulenburg kommt auf die Bitte der Botschaft zurück, die Ausreise der Kinder von in der UdSSR inhaftierten deutschen Staatsangehörigen zu genehmigen.2 Insbesondere erinnert der Botschafter an die Kinder von Marsmann, deren Mutter sich in Haft befindet, der Vater aber in Deutschland lebt.3 Schulenburg äußert Unverständnis, welches Interesse die sowjetischen Behörden haben könnten, minderjährige Kinder von deutschen Staatsangehörigen zurückzuhalten, die der elterlichen Fürsorge entzogen worden sind.4 1 Der Beschluss für 1939 zur Verlängerung des Handels- und Zahlungsabkommens mit Deutschland, das am 1.3.1938 abgeschlossen worden war, wurde vom Politbüro des ZK der VKP (B) am 6.12.1938 gefasst. Vgl. Politbjuro CK RKP (b)-VKP (b) i Evropa, Dok. 273, S. 365. 2 Vgl. Dok. 355. 3 Zur Familie Marsmann vgl. Rückkehrer-Vernehmungsakte in: PA AA, R 152234 sowie Mensing, Von der Ruhr, S. 145–154. 4 Potemkin hatte sich am 5.11.1938 an den Stellv. Volkskommissar des NKVD Berija mit der Bitte gewandt, die Entscheidung dieser Angelegenheit als vorrangig zu behandeln. Vgl. AVP RF, f. 082, op. 21, p. 88, d. 1, l. 87–86.
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3. In dem gleichen Zusammenhang bittet der Botschafter um Unterstützung für einige Sowjetbürgerinnen, die mit deutschen Staatsangehörigen, die sich bereits in Deutschland befinden, verheiratet sind, den schnellstmöglichen Austritt aus der sowjetischen Staatsbürgerschaft und die Ausreisegenehmigung nach Deutschland zu erwirken. Der Botschafter händigte mir eine Liste dieser Bürgerinnen aus, nach deren Durchsicht ich den Botschafter darauf aufmerksam machte, dass die Mädchennamen der aufgelisteten Bürgerinnen fehlten und sie nur nach ihren Vornamen und nach den Familiennamen der deutschen Ehemänner aufgeführt seien. Schulenburg sagte zu, mir umgehend die fehlenden Informationen mitzuteilen. 4. Der Botschafter übergab mir eine Liste mit einem Verzeichnis der deutschen Staatsangehörigen, die der Haft und der nachfolgenden Ausweisung aus der UdSSR unterlegen hätten und denen dabei ihr bewegliches Eigentum entzogen worden sei. In der Regel würden alle persönlichen Sachen der auszuweisenden deutschen Staatsangehörigen spurlos in der UdSSR verschwinden. Der Botschafter bittet das NKID, die zuständigen Behörden darauf aufmerksam zu machen und den auszuweisenden deutschen Staatsangehörigen das Eigentum, das nicht einem Ausfuhrverbot unterliege, zurückzugeben. 5. Zum Abschluss bat mich der Botschafter darum, die Einladung zu einem Mittagessen in der Botschaft anzunehmen, das für den 20. Dezember vorgesehen ist. Ich bedankte mich, sagte jedoch dem Botschafter, dass ich demnächst in meinen Wahlbezirk fahren würde und zu dem genannten Termin nicht zurück sein könnte. Schulenburg antwortete, dass er in diesem Fall das Mittagessen auf Ende Dezember oder Anfang Januar verlegen werde. V. Potemkin Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. Das 1. [Exemplar] zu den Akten, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an die II. Westabteilung, das 4. nach Berlin. 14.XII.38. AVP RF, f. 011, op. 2, p. 20, d. 207, l. 174–173. Original.
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Nr. 375 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Leiters des Sektors für Handelsvertretungen im NKVT Andreev mit dem Legationsrat in Moskau Hilger Nr. 375 14. 12. 1938 14. 12. 1938 GEHEIM Expl. Nr. 1 8010/10384 14/XII. 381 [14.12.1938] AUFZEICHNUNG der Unterredung, die am 13. Dezember 1938 zwischen dem Stellv[ertretenden] Leit[er] des Sektors für Handelsvertretungen Gen. ANDREEV und dem Wirtschaftsrat der Deutschen Botschaft in Moskau HILGER stattgefunden hat (begonnen um 16 Uhr, beendet um 16.30.) HILGER beginnt damit, dass er früher sehr häufig im Volkskommissariat gewesen sei. Das letzte Mal habe er im August 19372 ein Gespräch geführt. Danach betont er, dass die Ernennung einer so bedeutenden Persönlichkeit (die Rede ist von Gen. A.I. Mikojan3) zum Chef des Volkskommissariats für sie von großem Interesse sei. Die Deutschen seien über die Abwesenheit des Handelsvertreters Gen. Davydov von Deutschland beunruhigt (und er fragt unter anderem, wann Gen. Davydov nach Berlin zurückkehren werde), da die deutsche Seite das Handelsabkommen für 1939 vor Ablauf des geltenden Abkommens abschließen wolle. Sodann interessiert sich Hilger für die Haltung der sowjetischen Seite in dieser Frage. Gen. ANDREEV fragt Hilger, wie die Position der Deutschen bezüglich des Abkommens für 1939 aussehe, und erhält von Hilger die Antwort, dass es jetzt notwendig sei, die Erfüllung der formalen Seite sicherzustellen. Die Deutschen, sagt er, seien bereit, aber in der Handelsvertretung sei niemand, dort berufe man sich auf das Fehlen des Handelsvertreters und von Instruktionen. Gen. ANDREEV verweist darauf, dass der Handelsvertreter Gen. Davydov in den nächsten Tagen nach Berlin abreise.4 Was das Abkommen betreffe, so werde, soweit er informiert sei, davon ausgegangen, das Abkommen vom 1. März 1938 für 1939 zu verlängern.5 HILGER sagt etwas vorwurfsvoll, dass Gen. Davydov während seines Aufenthaltes in Moskau nicht in die Deutsche Botschaft gekommen sei und somit keinen persönlichen Kontakt pflege. Von sich selbst sagt Hilger, dass er bei seinen Aufenthalten in Berlin, angeblich aus geschäftlichen Erwägungen, stets die Handelsvertretung besuche. Danach geht er auf das Problem ein, dass die deutschen Fabriken schrecklich überlastet gewesen seien und daher die Annahme einer Reihe von sow1 2 3
Die Ausgangsnummer und das Datum sind mit Tinte geschrieben. So im Dokument; richtig: Oktober 1937. Vgl. Dok. 131. Der Stellv. Vorsitzende des Rates der Volkskommissare Mikojan wurde am 28.11.1938 zusätzlich zum Volkskommissar für Außenhandel ernannt. 4 Davydov war durch das NKVT zur Arbeit nach Moskau versetzt worden. 5 Vgl. Dok. 366, Anm. 2.
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jetischen Aufträgen aufgrund der langen Lieferfristen nicht möglich gewesen sei. Nach seiner Rückkehr nach Berlin werde Gen. Davydov mitgeteilt, dass die Fristen verkürzt würden, und durch diese Tatsache werde die Möglichkeit der wirtschaftlichen Zusammenarbeit erneut demonstriert. Gen. ANDREEV erklärt unverzüglich, dass wir der soeben getroffenen Aussage hinsichtlich der Beseitigung der Gründe, die unsere Arbeit erschwert hätten, Rechnung tragen würden. HILGER kommt nochmals auf die Frage der Rückkehr des Gen. Davydov nach Berlin zurück und fragt sogleich, ob Smolenskij in der Handelsvertretung arbeiten werde und wo er sich derzeit befinde. Letztere Frage interessiere ihn angeblich von daher, weil Gen. Davydov schlecht Deutsch spreche. Gen. ANDREEV wiederholt in Bezug auf die Rückkehr des Gen. Davydov das oben Dargelegte und was Smolenskij betreffe, so ruhe sich Letzterer aus, da er von seinem Urlaub schon seit mehreren Jahren keinen Gebrauch gemacht habe.6 Darüberhinaus sei als stellvertretender Handelsvertreter Gen. Skosyrev tätig, der die deutsche Sprache in einem solchen Maße beherrsche, dass er in den entsprechenden Instanzen Verhandlungen führen könne. HILGER fragt sodann, ob sich Gen. Andreev mit Gen. Merekalov getroffen habe und ob er über den Inhalt des Gesprächs Bescheid wisse, das zwischen Gen. Merekalov und Hilger geführt worden sei. Gen. ANDREEV bestätigt, dass er Gen. Merekalov getroffen habe, aber nicht wisse, welches Gespräch Hilger meine. HILGER erläutert, dass Sojuznefteėksport und die deutsche Firma „Benzolverband“ wegen der Nichtlieferung von Öl im Streit lägen. Von sowjetischer Seite sei Gen. Čuvikov zum Schiedsrichter ernannt worden. Zum Zeitpunkt der Wahl des Oberschiedsrichters seien zwei der vier Oberschiedsrichter-Kandidaten bereits tot gewesen. Die sowjetische Seite habe eine Ergänzung der Liste in der Weise verlangt, dass die fehlenden beiden Kandidaten sowjetische Staatsbürger sein sollten. Aber das, sagt er, widerspreche dem Vertrag. Der Vorschlag der Deutschen zur Wahl eines Oberschiedsrichters an einem neutralen Ort sei ebenfalls abgelehnt worden. Die sowjetische Seite beharre auf ihrer Meinung und wolle keinen Kompromiss eingehen. In diesem Fall könnten die Deutschen das Schiedsverfahren auch ohne Beteiligung der sowjetischen Seite durchführen, hielten dies jedoch nicht für wünschenswert. Hilger teilt mit, dass er sich mit Gen. Merekalov über diese Frage unterhalten habe. Letzterer habe empfohlen, über dieses Thema mit Gen. Andreev zu sprechen.7 Als Kompromiss macht Hilger den Vorschlag, die Schiedsrichter und Experten beider Seiten sollten sich zur Erörterung der entstandenen Situation in irgendeinem neutralen Land (er nennt Warschau, Riga und Tallinn) treffen. Zum Abschluss wiederholt Hilger, der deutsche Wunsch laufe darauf hinaus, dass das Volkskommissariat in entsprechender Weise auf Sojuznefteėksport einwirke und Letzteres anweise, den Kompromissvorschlag des „Benzolverbandes“ zur Einberufung eines Treffens in irgendeinem neutralen Land anzunehmen. Der „Ben6 Smolenskij war in der zweiten Oktoberhälfte 1938 auf Anweisung Stalins nach Moskau einbestellt und verhaftet worden. Vgl. Lubjanka. Stalin i Glavnoe upravlenie gosbezopasnosti NKVD, Dok. 352, S. 563–564. 7 Vgl. Dok. 368.
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zolverband“ könne seinen Vorschlag gegenüber Sojuznefteėksport noch einmal wiederholen. Gen. ANDREEV sagt, dass er diese Frage prüfen werde. ANMERKUNG: In der jur[istischen] Abteilung des NKVT wurde mitgeteilt (Gen. Lebedev), dass alle Unterlagen in der Angelegenheit des „Benzolverbandes“ gegen Sojuznefteėksport berichtsreif seien. Aufgezeichnet von N. Špindler Paraphe S. Andreevs mit blauem Farbstift: Andreev. Vermerk mit Tinte: Zu den Akten. Am Ende des Dokuments ist die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 [Exemplare]. 1 [Expl.] an *Gen. A.I. Mikojan*8, 2 an Gen. V.I. Kušarov, 3 [zur] Akte 8010/Sektor für Handelsvertretungen. 14.XII.3[8]. Erl[edigt] Špindler RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2808, l. 15–18. Original.
8
Nr. 376 Aufzeichnung des Attachés der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schmid Nr. 376 15. 12. 1938 15. 12. 1938 Berlin, den 15. Dezember 1938 Aufzeichnung Unsere Haltung gegenüber Russland in der Frage der Eingliederung Österreichs ist unverändert geblieben. Im Folgenden werden nochmals die Grundsätze skizziert: Mit der Eingliederung Österreichs ist dieses als völkerrechtliche Rechtspersönlichkeit untergegangen. Damit sind alle österreichisch-russischen Verträge fortgefallen und an ihre Stelle sind automatisch die deutsch-russischen Vertragsvereinbarungen getreten. Soweit aus bestimmten Gründen noch jetzt alte zwischen Österreich und dritten Staaten abgeschlossene Vereinbarungen ganz oder teilweise gelten, handelt es sich um eine rein fiktive Aufrechterhaltung gewisser Bestimmungen. Die Verhandlungen mit Russland über die Ausdehnung gewisser Zahlungsvereinbarungen auf Österreich (Notenwechsel vom 1. September 1938)1 ist ein Sonderfall. Auf Verhandlungen über diese Fragen haben sich die Russen nur eingelassen, weil sie selbst ein Interesse an der Ausdehnung hatten. Im Übrigen würden die Russen sich in Verhandlungen über eine Ausdehnung der reichsdeutsch-russischen Verträge auf Österreich schon aus dem Grunde nicht einlassen, weil sie damit zumindest de facto die territorialen Veränderungen Deutschlands anerkennen würden. 8 1
Der Name ist mit blauem Farbstift unterstrichen.
Vgl. „Ausdehnung der deutsch-sowjetischen Vereinbarung über die Regelung des Waren- und Zahlungsverkehrs auf das Land Österreich“. In: Die Ostwirtschaft. Organ des Russland-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Nr. 9 (September) 1938, S. 125–126.
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Soweit noch irgendwelche Schritte zur Ausdehnung deutsch-sowjetischer Vereinbarungen auf Österreich erforderlich sind, werden die erforderlichen Maßnahmen von uns autonom getroffen, da eine Bestätigung der Russen doch nicht zu erlangen wäre. Die einzige jetzt noch erforderliche Maßnahme ist die einseitige Mitteilung an die Russen über den Wegfall der aus bestimmten Gründen zwischen dem Altreich und Österreich noch aufrecht erhaltenen Zollgrenze. gez. Schmid Auf erstem Blatt oben: Direktor W mit Abzeichnung von Wiehl. PA AA, R 106230, Bl. D 532821-532822.
Nr. 377 Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda Nr. 377 17. 12. 1938 17. 12. 1938 17. Dezember 1938 ZSg. 102/13/141/55 (2) Gestern ist nicht zum ersten Mal gesagt worden, dass in der ukrainischen Frage Vorsicht notwendig ist. Trotzdem ist inzwischen das Kind in den Brunnen gefallen. In einer Zeitung im Osten ist einem Artikel „Die ukrainische Frage“ auch noch eine Karte beigefügt worden, auf der die Ukraine von westlich Lemberg bis weit östlich Charkow reicht, bis zur Krim. In dem Artikel wird darauf hingewiesen, wie stark das Zusammengehörigkeitsgefühl in diesem Raum ist. Es trat ein, was eintreten musste: Die französische Presse hat den Aufsatz zitiert, die englischen Nachrichtenbüros haben ihn übernommen, und eine große Zahl von Rundfunksendern hat Meldungen daraus gemacht des Inhalts, dass mit dieser Veröffentlichung die Gerüchte über deutsche Pläne dort unten bestätigt würden. Noch einmal wird dringend davor gewarnt, sich politisch polemisch mit dem ukrainischen Problem zu beschäftigen. (Schlesische Zeitung) Die Sache war deshalb besonders unangenehm, weil die Auslandspresse sie in Verbindung gebracht hat mit der Reise des russischen Thronprätendenten Wladimir nach Deutschland. Über diese Reise sollen nur zwei oder drei Zeitungen in ihrer Gesellschaftsspalte berichten, die anderen überhaupt nicht. Wladimir und sein Onkel1 haben bereits betont, dass die Reise nicht politisch ist und dass er vom Führer nicht empfangen wird. Der Sinn der ausländischen Kampagne ist, einen Keil zwischen Deutschland und Polen zu treiben. Das muss immer beachtet werden. Veröffentlicht in: NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit, Bd. 6/III, S. 1199-1200.
1
Andrej Vladimirovič Romanov.
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Nr. 378 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov Nr. 378 17. 12. 1938 17. 12. 1938 GEHEIM Expl. 11 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 266/s2 Berlin, 17.12.38 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN Gen. LITVINOV Hochverehrter Maksim Maksimovič, in meinem Tagebuch sind sämtliche Gerüchte aufgelistet, die zurzeit in Berlin über die nächsten Vorhaben Deutschlands kursieren. Am meisten wird über die „ukrainische“ Variante gesprochen, wobei hier die Meinungen auseinandergehen: Die einen neigen dazu, dass diese Angelegenheit Schritt für Schritt verwirklicht und anfangs nicht darüber hinausgehen wird, eine Ukraine aus Gebieten der Karpaten mit einem eventuellen Einschluss polnischer und rumänischer Gebietsteile zu bilden. Die anderen (darunter Coulondre) meinen, dass die Deutschen nicht lange auf dieser Etappe verharren werden und auch zu Operationen gegen die Sowjetukraine übergehen werden.3 Eines bleibt klar: die Deutschen wollen bei den ausländischen Beobachtern den Eindruck erwecken, dass das ukrainische Problem auf der Tagesordnung steht. Jedoch betreiben sie diese Kampagne nicht offen, sondern lancieren diese Gerüchte über ausländische Beobachter und über die ausländische Presse. Der belgische Botschafter4 machte mich darauf aufmerksam, dass das „ukrainische Problem“ nicht so sehr in der deutschen als vielmehr in der ausländischen Presse (darunter auch auf den Seiten solch solider Zeitungen wie „Le Temps“, „Times“ und anderer) erörtert wird. Einige der hiesigen amerikanischen Korrespondenten erhielten Aufträge, Artikel über die Ukraine zu schreiben. Unterdessen wird in der deutschen Tagespresse dieses Thema relativ wenig behandelt. Eine Karte der „Ukraine“ (mit der Einbeziehung aller Teile) habe ich ausschließlich in der „Schlesischen Zeitung“ gesehen. Deshalb erhebt sich natürlich die Frage, ob *dieses Getöse nicht eine Desinformation*5 darstellt, mit der die Vorbereitung einer Aggression auf anderem Ge1 2 3
Der Text ist mit Tinte geschrieben. Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Laut Telegramm Astachovs über das Gespräch mit Coulondre am 15.12.1938 nahm der französische Botschafter an, dass „es nicht so sehr um einen militärischen Überfall geht, sondern vielmehr um die Schaffung von inneren Wirren in der Sowjetukraine“. In: God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 86, S. 145. 4 Jacques Davignon. 5 Der Text ist mit Tinte unterstrichen.
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biet verschleiert werden soll, oder ein *Mittel der psychologischen Einwirkung auf Polen und Rumänien*6 **gerade**7 mit dem Ziel, sowohl auf diesem Gebiet als auch auf einigen anderen (Korridor, Danzig, Wirtschaft usw.) Zugeständnisse zu erzwingen. Meine Eindrücke reichen nicht aus, um eine mehr oder weniger fundierte Antwort auf diese Frage zu geben. Diese müssten durch Fakten militärischen Charakters oder durch Informationen über die Tätigkeit der verschiedenen weißukrainischen Organisationen ergänzt werden, was ich nicht machen kann. Im Zusammenhang damit muss ich nochmals Ihre Aufmerksamkeit auf die unnormale Situation lenken, dass jetzt, zum Höhepunkt der dipl[omatischen] Saison und angesichts einer derart interessanten Situation in Berlin der sowjetische militärische Vertreter8 fehlt. Ebenso gibt es keinen Korrespondenten, der sich für jene sensiblen Bereiche interessieren könnte, für die sich ein Diplomat nicht immer angemessen interessieren kann. Eine andere Variante ist die englische. Man spricht jetzt von einer Zuspitzung der Beziehungen zu England und über Drohungen der Deutschen, im Februar irgendeine Aktion gegen England zu unternehmen. Was den momentanen Zeitpunkt anbelangt, so ist der Ton gegenüber England, soweit man dies anhand der Presse beurteilen kann, tatsächlich noch niemals so scharf wie jetzt gewesen. Das Aufbauschen der Ereignisse in Palästina9, die Hervorhebung des „Buren“-Problems, offizielle Bankette mit Hindus, schließlich der absolut ungehörige Ton der Ausfälle, wenn auch nicht gegenüber Chamberlain selbst, so doch gegenüber der Opposition (Eden, Duff Cooper und anderen), dazu kommen solch allgemein bekannten Tatsachen wie der Boykott der Rede Chamberlains in London usw. – all dies zeugt davon, dass die Deutschen einen regelrechten „psychologischen“ Angriff gegen London entfaltet haben. Mir erscheint es dennoch als wenig wahrscheinlich, dass sie damit irgendwelche weitreichenden Ziele verfolgen. Es ist naheliegender zu vermuten, dass sie London einschüchtern wollen, um es dazu zu bringen, auf jegliche Einflussnahme auf die europäischen Angelegenheiten und auf die Unterstützung für Frankreich zu verzichten, und man damit die Position Mussolinis in den bevorstehenden Gesprächen mit Chamberlain stärken will.10 Deshalb scheint mir, dass sowohl die „ukrainische“ als auch die „antienglische“ Version (wobei jede für sich genommen von einer bestimmten Bedeutung ist) zugleich auch einem dritten Zweck dient, nämlich im Bunde mit Italien, das dabei die Rolle des Wortführers spielen wird, das Kolonien-Problem zu lösen. Indem sie die italienischen Ambitionen in Afrika sekundieren, rechnen die Deutschen damit, auch ihren Gewinnanteil in Form aller (oder einiger) afrikanischer Kolonien zu bekommen. England will man mittels Einschüchterung und Erpressung neutralisieren. Mit der Hervorkehrung des „ukrainischen“ Problems wollen sie in erster Linie Polen und Rumänien in Angst versetzen und ihnen eine Reihe von Zugeständnissen wirtschaftlicher und territorialer Art (vielleicht in Richtung Baltikum und Korridor) 6 7 8 9
Der Text ist mit Tinte unterstrichen. Das Wort ist am linken Seitenrand mit Tinte geschrieben. Vgl. Dok. 372. Gemeint ist der arabische Aufstand, der in Palästina von 1936 bis 1939 während des britischen Mandats stattfand. 10 Chamberlain und Lord Halifax führten vom 11. bis 14.1.1939 mit Mussolini und Ciano Verhandlungen in Rom. Vgl. Documents on British Foreign Policy 1919–1939, 3. Ser., Bd. III, London 1950, Dok. 500, S. 517–530.
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abringen. Die Deutschen rechnen wohl kaum damit, uns einzuschüchtern, obgleich es nicht ausgeschlossen ist, dass sie, indem sie die „ukrainische“ Version lancieren, den Japanern „helfen“ wollen (vgl. mein Gespräch mit Coulondre). Dies alles sind selbstverständlich lediglich Vermutungen. Ich verfüge, und dies wiederhole ich, nicht über ausreichende Informationen, um fundiertere Schlussfolgerungen ziehen zu können. Ich erlaube mir, eine Überlegung mit Ihnen zu teilen, die ich keineswegs als wohldurchdachten Vorschlag vorbringe. Wäre es nicht angebracht, um dieses Getöse über die Ukraine abzustellen11, irgendwo in unserer Presse folgenden Gedanken zu äußern: Wenn man nun schon diese Frage stelle, müsse man den Knopf an die Jacke nähen und nicht umgekehrt, und wenn die anderen dies wollten, lehne die UdSSR die Idee einer Vereinigung der Ukraine nicht ab, indem der U[krainischen] SSR die übrigen Territorien mit ukrainisch-russischer Bevölkerung, und in erster Linie das Karpatengebiet, angeschlossen würde. Dies würde sicherlich die Polen erschrecken, doch wir könnten ihnen den taktischen Gedanken dieses Vorgehens erläutern. Bei den Deutschen aber, die sich durchaus nicht durch besondere Tapferkeit auszeichnen, könnte dies letzten Endes eventuell zu einer nüchterneren Handlungsweise führen, obgleich sie anfangs wahrscheinlich darauf mit einem Tobsuchtsanfall reagieren würden. Jedenfalls würden sie damit daran erinnert werden, dass unsere Friedfertigkeit nicht grenzenlos ist und man uns nicht ohne Risiko reizen darf. Ich wiederhole, dass dieser Vorschlag *nicht durchdacht ist*12 und ausschließlich die hiesigen Momente berücksichtigt. Deshalb bitte ich, mit ihm nicht streng ins Gericht zu gehen. Mit kameradschaftlichem Gruß Astachov **Vgl. die R[ückseite]**13 **P.S. Soeben bin ich vom Presseball zurückgekehrt, wo mir folgende Episode berichtet wurde, die die oben gemachte Vermutung bekräftigt. Kürzlich hat sich Hitler in München im engen Kreis von 4 bis 5 Personen ironisch zur Ukraine-Kampagne geäußert, und gesagt: Warum lärmen sie? Dies wird doch nicht früher als in 5 bis 6 Jahren geschehen. Aber ich werde das ohne Krieg machen.**14 GA[stachov] Auf dem ersten Blatt befindet sich eine nicht entzifferbare Paraphe. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 4679 vom 21.12.1938. 11 Astachov machte im Telegramm vom 14.12.1938 an Litvinov darauf aufmerksam, dass die Korrespondenten englischer und amerikanischer Zeitungen in Gesprächen mit ihm ihre Verwunderung darüber geäußert hätten, „weshalb unsere Presse nicht auf diese Kampagne, die ihre Widerspiegelung auch in deutschen Zeitungen findet, reagiert. Wir könnten mit einer viel größeren Berechtigung das Recht der UdSSR auf die Karpato-Ukraine nachweisen, als dies letztere auf unsere tut.“ In: God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 84, S. 144. 12 Der Text ist mit Tinte unterstrichen. 13 Der Text ist mit Tinte geschrieben. 14 Der Absatz ist auf der Rückseite mit Tinte geschrieben.
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Am Ende des Haupttextes des Dokuments befindet sich am linken Seitenrand der mit Tinte geschriebene Vermerk über die Anzahl der Exemplare und den Verteiler: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. zu den Akten. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 57, l. 109–111R. Veröffentlicht in: Čemu svideteli my byli… Perepiska byvšich carskich diplomatov 1934–1940. Sbornik dokumentov v dvuch knigach (Wovon wir Zeugen waren…Briefwechsel ehemaliger zarischer Diplomaten 1934-1940. Dokumentenband in zwei Büchern), Bd. 2: 1938–1940, Moskva 1998, Anhang III, Dok. 25, S. 539–54115.
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Nr. 379 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov Nr. 379 17. 12. 1938 17. 12. 1938 GEHEIM Expl. Nr. 11 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 263/s2 Berlin, 17.XII.38 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN Gen. LITVINOV Hochverehrter Maksim Maksimovič! Eines Ihrer Rundschreiben enthielt das Verbot, von Ausländern Geschenke anzunehmen. Ich würde gern wissen, ob sich das Verbot nur auf wertvolle Geschenke (wie dies in Japan gewöhnlich der Fall ist) bezieht, oder auch auf kleine Zeichen der Aufmerksamkeit in Form von Blumen, Konfekt usw.? Es geht darum, dass ich angesichts der bevorstehenden Feiertage der hiesigen, seit langem bestehenden Tradition folgend beabsichtige, kleine Geschenke (in der Hauptsache Kaviar, Wodka, Zigaretten und Blumen) an einige Diplomatenkollegen und vereinzelt an Deutsche zu schicken. Von einigen der Diplomaten könnten im Gegenzug Kleinigkeiten (etwa Blumen oder Konfekt) eintreffen. Wenn man sie nicht annehmen darf, so muss man sich auch der Versendung von Geschenken enthalten, was gegen die langjährige Tradition verstößt und sich auch auf die gegenseitigen Beziehungen auswirken kann. Ich bitte Sie, mir telegrafisch die Klärung dieser Angelegenheit mitzuteilen. Falls eine solche nicht erfolgen sollte (es verbleibt wenig Zeit), werde ich es dennoch riskieren, Geschenke in der Hoffnung darauf zu versenden, dass, falls es einem der Ausländer in den Sinn kommt, ein Geschenk zu machen (die Deutschen 15 1 2
Das Dokument ist in Auszügen veröffentlicht worden. Der Text ist mit Tinte geschrieben. Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben.
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tun dies nicht), es sich um solche Kleinigkeiten handeln wird, die nicht im Widerspruch zu dem Geiste Ihres Rundschreibens stehen werden, zumal ich diese eventuellen Eingänge an unsere Kantine weiterleiten oder zu einer beliebigen (nicht zur persönlichen) Verwendung umlenken kann. Mit kameradschaftlichem Gruß Astachov Oben rechts von der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 4677 vom 21.12.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 1 Expl. 1 an Gen. Litvinov. 17.XII.38. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 57, l. 108. Original.
Nr. 380 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an die Konsularabteilung des NKID Nr. 380 17. 12. 1938 17. 12. 1938 GEHEIM Expl. Nr. 21 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 262/s2 Berlin, 17.XII.38 AN DIE KONSULARABTEILUNG DES NKID Wir haben bei Ihnen wegen der Möglichkeit nachgefragt, für den sowjetischen Staatsbürger Johann Tensov (er ist 58 Jahre alt) ein Einreisevisum in die UdSSR auszustellen. Er wurde unlängst aus dem Hamburger Gefängnis entlassen nach Verbüßung einer Haft, im April 1935, der er wegen angeblicher Verbreitung kommunistischer Flugblätter unterworfen worden war. Im Gefängnis wurde er verprügelt, weshalb seinerzeit der Konsul in Hamburg3 und die Bevollmächtigte Vertretung bei den deutschen Behörden Protest erhoben hatten und mit dem Auswärtigen Amt einen umfangreichen Schriftwechsel führten usw.4 Jetzt haben wir von der Konsularabteilung die Mitteilung darüber erhalten, dass erwogen wird, Tensov die sowjetische Staatsbürgerschaft zu entziehen. Ich verstehe die praktische Absicht dieser Fragestellung (Tensov nach Möglichkeit nicht in die UdSSR einreisen zu lassen), doch es erhebt sich die Frage, ob damit nicht die Bedeutung der zahlreichen Demarchen untergraben wird, die die Bevollmächtigte Vertretung und das Konsulat zum Schutz von Tensov als sowjetischem 1 2 3 4
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Der gekennzeichnete Text ist mit Tinte geschrieben. Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Izrail’ Markovič Terleckij. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 140, 164, 165, 305.
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Staatsbürger unternommen haben. Wenn wir ihm jetzt die Staatsbürgerschaft ohne offensichtliche Grundlagen entziehen (er ist eben erst aus dem Gefängnis entlassen worden), würden wir alle früher von uns unternommenen Demarchen annullieren. Ich betrachte diese Angelegenheit nicht unter dem Aspekt unserer Gesetze und ich weiß nicht, ob wir über ausreichende Rechtsmittel verfügen, um Tensov die sowjetische Staatsbürgerschaft zu entziehen, jedoch komme ich nicht umhin, Ihre Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Ich bin mir über die Motive vollkommen im Klaren, von denen wir uns leiten lassen, wenn wir Tensov **nicht**5 in die UdSSR einzulassen wünschen, aber dennoch wird eine plötzliche Entziehung der Staatsbürgerschaft Tensovs unmittelbar nach seiner Entlassung (unter Bewährung) aus dem Gefängnis ein außergewöhnlicher Vorgang sein. Ich möchte, bevor die eine oder andere Entscheidung getroffen wird, darum bitten, all diese Momente abzuwägen. Geschäftsträger der UdSSR in Deutschland Astachov Oben rechts von der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 4678 vom 21.12.1938. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an Gen. Potemkin, das 4. zu den Akten. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 57, l. 100. Kopie.
Nr. 381 Aufzeichnung des Legationsrats in Moskau Hilger Nr. 381 23. 12. 1938 23. 12. 1938 Berlin, den 23. Dezember 1938 Abschrift zu W IV 4528 Am 22. Dezember 1938 fand im Auswärtigen Amt unter Vorsitz des V.L.R. Schnurre eine Besprechung mit dem derzeitigen Leiter der Handelsvertretung der UdSSR in Berlin statt. An dieser Besprechung nahmen von deutscher Seite L. R. Hilger von der Deutschen Botschaft Moskau, O.R.R. Ter-Nedden, R.R. Erdmann vom Reichswirtschaftsministerium und Attache Schmid vom Auswärtigen Amt teil; von sowjetischer Seite war der stellvertretende Handelsvertreter der UdSSR Skossyreff mit einer Sekretärin anwesend. 1. Zunächst erklärte V.L.R. Schnurre, dass nach deutscher Ansicht die Verrechnung über die Sonderkonten gemäß den zwischen Deutschland und der UdSSR getroffenen Vereinbarungen nunmehr auch für die sudetendeutschen Gebiete gelte. Er bäte die Handelsvertretung hiervon Kenntnis zu nehmen. Da besondere Vereinbarungen hierüber nicht erforderlich seien, würde die Deutsche Regierung entsprechende Anweisungen an die Devisenstellen unverzüglich erteilen. 5
Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben.
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Herr Skossyreff erklärte hierzu als seine persönliche Ansicht, dass eine solche Regelung auf Sowjetseite keinen Hindernissen begegnen würde, zumal er, Skossyreff, vor einiger Zeit beim Reichswirtschaftsministerium von sich aus bereits angeregt habe, dass die sowjetischen Zahlungen an sudetendeutsche Firmen künftig in Reichsmark auf die Sonderkonten erfolgen sollten. Für eine amtliche Stellungnahme seinerseits bedürfe es jedoch einer Rückfrage in Moskau, auf die eine Antwort binnen drei bis vier Tagen erfolgen dürfte. Herr Ter-Nedden bemerkte abschließend, dass er die Herausgabe der Weisungen an die Devisenstellen der Ordnung halber bis zu diesem Zeitpunkt zurückstellen würde. 2. Unter Bezugnahme auf die im März d. J. geführten Besprechungen1 über die Gewährung eines neuen deutschen Warenkredits an die Sowjet-Union teilte V.L.R. Schnurre Herrn Skossyreff mit, dass man deutscherseits bereit sei, die seinerzeitigen Besprechungen im Interesse der Erweiterung des deutsch-sowjetischen Warenverkehrs wiederaufzunehmen. Sodann setzte er Herrn Skossyreff den bekannten deutschen Vorschlag über die Gewährung eines 200 Millionen RM Kredits auseinander, ohne dabei jedoch die von deutscher Seite in Aussicht genommenen Zugeständnisse auf dem Gebiete der Verzinsung und der Erteilung der Reichsausfallgarantie näher zu präzisieren. Herr Schnurre unterstrich, dass die Erhöhung der sowjetischen Rohstofflieferungen nach Deutschland in den nächsten zwei Jahren bis auf eine Summe von etwa 150 Millionen Reichsmark jährlich die Voraussetzung für die Gewährung des Warenkredits darstelle und überreichte Herrn Skossyreff die entsprechende von deutscher Seite ausgearbeitete Warenliste. Hinsichtlich der deutschen Lieferungen an die Sowjet-Union stellte V.L.R. Schnurre eine Verkürzung der Lieferfristen in Aussicht und legte Herrn Skossyreff nahe, uns recht bald eine Liste der in Aussicht genommenen Bestellungen zu übergeben, damit die Leistungskapazität der in Frage kommenden deutschen Industriezweige entsprechend übersehen werden könne. Herr Skossyreff erwiderte, dass er die deutsche Anregung als eine Fortsetzung der im März ins Stocken geratenen Besprechungen betrachte. *Auch die Sowjetseite wünsche eine Belebung und Erweiterung der Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland*2 und begrüße jedes hierfür geeignete Mittel. Er würde über den deutschen Vorschlag nach Moskau berichten und Instruktionen von dort einholen. Die Tatsache, dass der Handelsvertreter Dawydow durch eine Erkrankung in Moskau zurückgehalten sei, käme jetzt insofern sehr gelegen, als Dawydow sich nunmehr an der Ausarbeitung der Instruktionen in Moskau beteilige und diese persönlich nach Berlin mitbringen könne. Bis dahin würde auch die Liste mit den sowjetischen Bestellungen fertiggestellt werden. Was die deutsche Warenliste betreffe, so werde er sie mit seinem Bericht nach Moskau einsenden, da er wohl verstehe, dass sie einen integrierenden Bestandteil des deutschen Kreditangebots darstelle. 3. V.L.R. Schnurre erklärte sodann, dass deutscherseits der Wunsch bestehe, in Verbindung mit dem Kreditabkommen eine Reihe von Fragen zu bereinigen, die sich bisher als eine Belastung der gegenseitigen Beziehungen gezeigt hätten. Nach1 2
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Vgl. Dok. 247, 253, 255. Der Text ist unterstrichen.
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dem Herr Schnurre Herrn Skossyreff die nachstehend aufgeführten Punkte bekannt gegeben hatte, erklärte dieser, dass ihm der deutsche Vorschlag, eine allgemeine Bereinigung vorzunehmen und sozusagen „reinen Tisch“ zu machen, außerordentlich gefalle und er gern bereit sei, an diesem Ziel mitzuarbeiten. a) Rückwandererguthaben. Herr Skossyreff wurde daran erinnert, dass von deutscher Seite schon bei früheren Verhandlungen der Transfer von deutschen Rückwandererguthaben nach Deutschland gefordert worden sei. Diese beliefen sich zur Zeit über 2 Millionen Rubel, von denen rund 600 000 Rubel auf gesperrte Guthaben deutscher Rückwanderer bei sowjetischen Kreditanstalten und Sparkassen entfielen und etwa 1,5 Millionen Rubel bei der Deutschen Botschaft deponiert seien. Zu diesem Betrag würden Erlöse aus dem Verkauf deutschen Hausbesitzes noch hinzukommen. Hier könnte evtl. eine Verbindung mit den sowjetischen Wünschen auf den Transfer gewisser Guthaben und Grundstückserlöse hergestellt werden. Ein etwa sich ergebender Mehrbetrag würde gegebenenfalls durch Lieferung deutscher Waren nach der UdSSR verrechnet werden können. Herr Skossyreff erwiderte, dass ihm diese Frage nur in allgemeinen Zügen bekannt sei. Er würde sich jedoch unterrichten und gegebenenfalls um zusätzliche Erläuterungen bitten. In Verbindung mit der von uns aufgeworfenen Guthabenfrage wolle er seinerseits darum bitten, dass 100.000 RM, die bei der Wiener Kreditanstalt lägen und aus Exporterlösen der Sowjet-Union stammten, alsbald freigegeben würden, zum mindesten aber der Betrag von 68.000 RM, der nach dem Anschluss entstanden sei. O.R.R. Ter-Nedden erklärte hierauf, dass er nach nochmaliger Rückfrage in Wien diese Frage mit Herrn Skossyreff unmittelbar besprechen wolle. b) Zahlungen deutscher Syndikate für Ätzkali und Schwefelnatrium. Deutscherseits wurde der Wunsch geäußert, dass diese Zahlungen in den Verrechnungsverkehr eingeschlossen und genau so wie die Kalisyndikat-Zahlungen durch Einzahlung auf die Sonderkonten verrechnet werden sollen anstelle der von deutscher Seite bisher geleisteten Devisenzahlungen. Es handele sich um einen Betrag von rund 11.000 englischen Pfund, und es sei nicht einzusehen, warum für diese Zahlungen ein anderer Modus gelten solle als für die übrigen Syndikats-Zahlungen. Herr Skossyreff erklärte seine Bereitwilligkeit, die Angelegenheit zu prüfen. c) Rauchwarenauktionen in Leningrad. Deutscherseits wurde erneut gefordert, dass deutschen Firmen bei den Rauchwarenauktionen in Leningrad der Kauf von Rauchwaren gegen Reichsmark (Verrechnung über die Sonderkonten) ermöglicht werden solle. Der gleiche Wunsch gelte für den Ankauf gewisser Schmieröle, für die von Sowjetseite in einzelnen Fällen Zahlung in Devisen verlangt worden wäre. Herr Skossyreff erwiderte, dass die Sowjet-Regierung Devisen nur für solche Waren verlange, die wieder ausgeführt würden. O.R.R. Ter-Nedden wies darauf hin, dass es sich bei den Schmierölen um Waren handele, die in Deutschland verarbeitet würden und erst dann ins Ausland gingen, sodass auf Schmieröle das von Herrn Skossyreff ins Feld geführte Argument keine Anwendung finden dürfe.
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d) Schiedsgerichtsverfahren. Herrn Skossyreff wurde eindringlich vor Augen geführt, dass sich bei der Durchführung der zwischen dem Russlandausschuss der Deutschen Wirtschaft und der Handelsvertretung der UdSSR im Jahre 1935 vereinbarten Schiedsgerichtsbestimmungen in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten ergeben hätten. Die Schiedsgerichtsverfahren würden in den meisten Fällen von sowjetischer Seite verschleppt. Eine Einigung über die Liste der Obmänner sei bisher auch nicht zustande gekommen. Herr Skossyreff erwiderte, dass die Schuld nicht allein auf Sowjetseite liege, worauf V.L.R. Schnurre den Wunsch aussprach, dass der Russlandausschuss und die Handelsvertretung versuchen sollten, die bestehenden Schwierigkeiten zu bereinigen. e) Deutsche Monteure in der UdSSR. Zu der von Herrn Skossyreff vorgebrachten Beanstandung, dass deutsche Firmen sich weigerten, Monteure in die UdSSR zu entsenden, bevor man diesen nicht Garantien für ihre persönliche Sicherheit gebe, erklärte der Unterzeichnete, dass deutsche Monteure in der UdSSR erfahrungsgemäß sehr starken Beschränkungen unterworfen seien und mit Recht über unerträgliche Lebensbedingungen klagten. Eine Besserung in dieser Beziehung müsse unbedingt herbeigeführt werden. Herr Skossyreff versprach, sich für diese Frage zu interessieren. gez. Hilger PA AA, R 106230, Bl. 452588-452592. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 482, S. 539–542.
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Nr. 382 Bericht des Geheimen Staatspolizeiamtes an den Ministerpräsidenten Preußens Göring Nr. 382 24. 12. 1938 24. 12. 1938 Berlin, den 24. Dezember 1938 B.-Nr. 3847/38 – II A 3 – 1.) Bericht: An den Herrn Ministerpräidenten Generalfeldmarschall Göring, z. H. des Chefs des Stabsamtes Min.Direktor Dr. Gritzbach – o.V.i.A.1 – Berlin W 8 Leipziger Str. 3 Betrifft:
Sowjetrussische Schiffsbesatzungen in deutschen Häfen, deutsche Schiffsbesatzungen in sowjetrussischen Häfen Vorgang: Mündl. Anordnung des Herrn Ministerpräsidenten Generalfeldmarschall Göring im November 1938 Anlagen: ohne
Auf Grund mündlich erteilter Anordnung des Herrn Ministerpräsidenten Generalfeldmarschall Göring ist über: a) Verhalten der sowjetrussischen Matrosen in deutschen Häfen, b) Verhalten der Sowjetrussen gegenüber den deutschen Matrosen in sowjetrussischen Häfen zu berichten. Außerdem ist c) ein gangbarer Vorschlag zur Verhütung von Gefährdungen deutscher Matrosen in sowjetrussischen Häfen und zur **Sicherung**2 sowjetrussischer Schiffsbesatzungen in deutschen Häfen zu machen. A. Über das Verhalten sowjetrussischer Matrosen in deutschen Hafenstädten können deswegen keine Klagen geführt werden, weil es diesen grundsätzlich verboten ist, in deutschen Häfen an Land zu gehen. Lediglich in Hamburg, wo sich ein eigenes Heim der Handelsvertretung der UdSSR befindet, werden die Schiffsbesatzungen geschlossen zu Kameradschaftsabenden in dieses Heim geführt und auch geschlossen von dort wieder zurückgeführt. B. Den Matrosen deutscher Schiffe in sowjetrussischen Häfen wurde bisher von den Schiffsleitungen gestattet, an Land zu gehen. In letzter Zeit mehren sich die Fälle, in denen die GPU versucht, deutsche Seeleute als ihre Agenten anzuwerben. Die äußeren Anlässe, mit denen die Fühlungnahme zwischen GPU-Beamten und den deutschen Seeleuten begründet wird, 1 2
o.V.i.A. = oder Vertreter im Amt. Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: Absicherung.
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sind verschiedenartiger Natur. Entweder wird behauptet, dass die Seeleute sich irgendeine strafbare Handlung haben zu Schulden kommen lassen (angeblich Spionageversuche, verbotene Ansprache von Dirnen, verbotenes Betreten angeblicher Truppenübungsplätze usw.) oder es müssen vorgeschobene Passunstimmigkeiten oder behauptete Differenzen bei der Aufstellung der Schiffsladung dazu herhalten, die Seeleute zu den beabsichtigen Verhören durch die GPU zu bringen. In der Auswahl des betroffenen Personenkreises konnte anhand der hier bekannten Fälle eine bestimmte Tendenz nicht erkannt werden. Es **wurden**3 sowohl Offiziere wie auch Angehörige des Mannschaftsstandes der infrage kommenden deutschen Dampfer betroffen. In den Vernehmungen, die gewöhnlich 5–6 Stunden dauerten, wurden den angeblich Beschuldigten Fragen politischer und militärischer Art vorgelegt, durch welche versucht werden sollte, die deutschen Seeleute zum Landesverrat zu bringen. Fälle, in denen diese Versuche geglückt sind, sind hier nicht bekannt geworden. Um die vernommenen Deutschen durch ein Druckmittel in die Hand zu bekommen, hat man ihnen Fragen über die genauen Personalien ihrer näheren Verwandten vorgelegt, die in die aufgenommenen Protokolle mit hineingeschrieben worden sind. Man hat sie ferner gefragt, wer nach ihrer Kenntnis von den übrigen Mitgliedern der Schiffsbesatzung Angehöriger der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen sei. Die darüber gemachten Aussagen mussten auf besonderen Schriftstücken unterzeichnet werden, sodass die Aussagenden, welche in vielen Fällen ihre Angaben ohne Gefährdung ihrer Person nicht umgehen konnten, befürchten mussten, wegen ihrer Unterschriftsleistungen unter die erwähnten Protokolle späterhin von deutschen Gerichten zur Rechenschaft **gezogen zu werden**4. Schließlich verlangte man von den Vernommenen schriftliche oder ehrenwörtliche Erklärungen darüber, dass sie über den Inhalt ihrer Vernehmungen durch die GPU zu keinem Menschen sprechen würden. Wenn die auf die geschilderte Art und Weise unter Druck gesetzten Seeleute schließlich dem Verlangen des vernehmenden GPU-Beamten, in Zukunft zu Gunsten der Sowjet-Union zu arbeiten, scheinbar nachgegeben hat, wurden ihnen Deckadressen angegeben, an die sie unter einem gleichfalls mitgeteilten Decknamen ihre erledigten Anträge berichten sollten. Hin und wieder wurden ihnen auch kleinere Geldbeträge angeboten. Bei den Aufträgen handelte es sich stets um solche der Spionage auf politischem oder militärischem Gebiet zu Ungunsten Deutschlands. Beim Einlaufen deutscher Schiffe in ihre Häfen lassen die Sowjetrussen grundsätzlich die gesamte Mannschaft bis auf je einen Mann im Kessel- und Maschinenraum an Deck antreten und dort stehen, bis die Prüfung der Mannschaftslisten sowie deren Vergleich mit den Seefahrtsbüchern und eine gründliche Überholung des gesamten Schiffes stattgefunden hat. Die Seefahrtsbücher werden dann zwecks Ausstellung der Landgangsausweise mitgenommen, wobei anzunehmen ist, dass Fotokopien von den Lichtbildern der Schiffsbesatzung angefertigt werden. Bei den scharfen Durchsuchungen kann ferner jeweils leicht festgestellt werden, welche Besatzungsmitglieder Angehörige der Partei oder ihrer Gliederungen sind. 3 4
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Der Text ist korrigiert; ursprünglich korrekt: waren. Der Text ist korrigiert: ursprünglich: gezogen werden zu können.
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**Beim Anlandgehen deutscher Matrosen bemühen sich die Sowjetrussen, sie zum Besuch des Interclubs (des Internationalen Seemannheims) zu verleiten. Daselbst wird ihnen dann bolschewistische Literatur vorgelegt und außerdem werden ihnen „Propagandamädchen“ beigegeben. Diese Mädchen haben die Aufgaben, die deutschen Matrosen – denen sie sexuelle Erlebnisse in Aussicht stellen – im probolschewistischen Sinne zu beeinflussen. Da auch an Getränken nicht gespart wird, ist klar, dass der Verkehr der Matrosen im Interclub bzw. mit sowjetrussischerseits gestellten Personen eine politische Gefährdung unserer Matrosen bedeutet.**5 C. Zur Verhütung von Gefährdungen deutscher Matrosen in sowjetrussischen Häfen und zur Sicherung sowjetrussischer Schiffsbesatzungen in deutschen Häfen werden folgende Vorschläge unterbreitet. 1.) Den Besatzungen deutscher, sowjetrussische Häfen anlaufender Schiffe wird unter ausdrücklichem Hinweis auf die ihnen bevorstehenden Unannehmlichkeiten verboten, einzeln an Land zu gehen. Das Betreten sowjetrussischer Hafenstädte in geschlossenen Gruppen dürfte nur unter Führung eines Offiziers erfolgen. Gegenstände, deren Besitz als Vorwand für die Festnahme eines Seemannes durch die GPU dienen können, sind vor dem Einlaufen in den Hafen unter Zollverschluss zu nehmen (z. B. Fotoapparate, Filme, Fotokassetten, nationalsozialistisches Schrifttum oder Bilder, Abzeichen, Waffen usw.). 2.) Sowjetrussische, deutsche Häfen anlaufende Schiffe werden in Zukunft denselben langwierigen und eingehenden Durchsuchungen unterworfen, wie es in umgekehrten Fällen in der SU üblich ist. Bei diesen Kontrollmaßnahmen, welche durch die Hafen- oder Wasserschutzpolizei verantwortlich durchzuführen sind, haben in allen Fällen Beamte der Geheimen Staatspolizei mitzuwirken. Die Seefahrtsbücher der sowjetrussischen Seeleute sind unmittelbar nach dem Anlegen des Schiffes einzuziehen. An ihrer Stelle sind den Besatzungsmitgliedern Landgangsausweise auszustellen, welche kurz vor der Weiterfahrt des Schiffes gegen Rückgabe der **Seefahrtsbücher**6 wieder einzuziehen sind. Während des Liegens des betreffenden Schiffes in einem deutschen Hafen wird dieses durch 1–2 uniformierte Beamte der Hafen- oder Wasserschutzpolizei unter Gewehr bewacht. Diese Beamten haben gleichzeitig die Aufgabe, die Landgangsausweise der an Land gehenden Besatzungsmitglieder zu kontrollieren, die Dauer des Landaufenthaltes der einzelnen Seeleute festzustellen und das Anlandgehen sofort **der zuständigen Überwachungsstelle**7 zu melden. Deutschsprachige kommunistische Literatur, Waffen und Fotoapparate, Bilder ehemaliger deutscher Kommunistenführer und sonstige Gegenstände, mit denen in Deutschland Propaganda im kommunistischen Sinne betrieben werden kann, sind vor dem Einlaufen in deutsche Häfen unter Zollverschluss zu nehmen. Ich bitte um Weisung, ob den deutschen Reedereien im Sinne obiger Vorschläge Verpflichtungen auferlegt und die infrage kommenden Polizeidienststellen entsprechend angewiesen werden sollen. 5 6 7
Der Text wurde am Seitenrand handschriftlich eingefügt. Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: Landgangsausweise. Der Text ist korrigiert; ursprünglich: den zuständigen Überwachungsstellen.
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2.) Registratur II A 3 zum Vermerk. 3.) Absendestelle. 4.) Wv bei II A 3 (Unterrichtung von AA und S V /, II D, Zoll, Stapo, Wasserschutz). Auf erstem Blatt oben Stempel: Abgesandt 4. JAN. 1939 Gestapa. Auf dem letzten Blatt mehrere, nicht entzifferte Paraphen. RGVA, f. 500k, op. 4, d. 269, l. 2-4.
Nr. 383 Auszug aus dem Lagebericht des Geheimen Staatspolizeiamtes Nr. 383 31. 12. 1938 31. 12. 1938 [31. Dezember 1938] Geheime Staatspolizei Geheimes Staatspolizeiamt – II A – Lagebericht 1938 über die illegale kommunistische und marxistische Bewegung Deutschlands […]1 III. Abwehr sowjetrussischer Betätigung A) Die Russische Emigration 1.) Allgemeines Die politische Orientierung der in der Emigration lebenden National-Russen ist recht verschieden. Sie richtet sich in der Regel nach der politischen Überzeugung der Bewohner des Gastlandes. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich die in Deutschland ansässigen russischen Emigranten in ihrer Mehrheit nationalsozialistische Gedankengänge, die sie jedoch oft mit monarchistischen Ideen mischen, zu eigen machen. Im Gegensatz zu den in Deutschland lebenden, vertreten die russischen Emigranten in einem Teil der Deutschland benachbarten demokratisch regierten Staaten sozialistisch- oder volksfront-freundliche oder gar bolschewistische Anschauungen. Andere sind auf Grund der gemeinsamen Waffenbrüderschaft im Weltkrieg auch heute noch entente-freundlich und daher gegnerisch zu Deutschland eingestellt. Diese Emigranten sowie ihre Organisationen werden oft von Juden, Freimaurern sowie ihren Hintermännern finanziell unterstützt und dafür von diesen Kreisen vielfach in den Kampf gegen das nationalsozialistische Deutschland eingespannt. 1 Ausgelassen sind die Abschnitte I (Kommunistische Bewegung, S. 1–80 des Berichts) und II (Marxistische Bewegung, S. 81–159). Der Abschnitt III umfasst die Seiten 160–187 des Berichts. Hiervon sind ausgelassen: F) Deutsche in den internationalen Brigaden in Spanien (S. 180–181) und G) Wichtige Begebenheiten in der Sowjetunion (1. Die Maifeier in der Sowjetunion, 2. Die Wahl für den Obersten Rat der RSFSR, 3. Die Feier des 20. Jahrestages des Lenin-Stalin’schen Komsomols, 4. 21. Jahrestag der Oktoberrevolution, 5. Personelle Veränderungen in der Sowjetunion, S. 183–187).
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Sie bilden ohne Frage ein erhebliches Störungsmoment, insbesondere deshalb, weil viele von ihnen mit den in Deutschland lebenden russischen Emigranten in Verbindung und Gedankenaustausch stehen. Berücksichtigt man, dass die Emigranten in Deutschland in ständiger Berührung mit deutschen Volksgenossen leben und sich unter den russischen Emigranten selbst entwurzelte, demoralisierte und kriminell veranlagte Elemente befinden, bei denen es leicht ist, sie durch Geld oder Versprechungen für den kommunistischbolschewistischen Propaganda-Apparat sowie den ausländischen Nachrichtendienst zu gewinnen, so ergibt sich zwingend, dass die russische Emigration in Deutschland einer ständigen Beobachtung und Überwachung bedarf. Wie sehr die russische Emigration oft politisch unzuverlässig ist, beweist die Tatsache, dass erst vor Kurzem von der jugoslawischen Polizei zwei bis dahin angesehene Emigrantenführer, die Kosakenatamane Bily und Kudinoff, der Zusammenarbeit mit bolschewistischen Stellen, die sie über alle bedeutenden Ereignisse innerhalb der russischen Emigration unterrichtet hatten, überführt werden konnten. Zur Vorsicht mahnt ferner das Treiben der Jungrussischen Partei, die ihren Sitz in Paris hat. Diese Partei hat in ihrem Presseorgan „Bodrostj“2 offen das nationalsozialistische Deutschland angegriffen und deutschfreundlich gesinnte russische Emigranten beschimpft, um gleichzeitig die Rote Armee und ihren Führer Stalin als die Garanten eines künftigen nationalen Russlands zu verherrlichen. Ein anschauliches Bild, in welcher Weise sich die GPU der weißrussischen Organisationen zur Erreichung ihrer Ziele bediente, vermittelte der dieser Tage in Paris zu Ende gegangene Prozess gegen die Ehefrau des weißrussischen Generals Skobline, die unter dem Künstlernamen Plevitzkaja bekannt war und im dringenden Verdacht stand, bei der Entführung des letzten Leiters des Allrussischen Militärverbandes, General a.D. Miller, mitgewirkt zu haben. In diesem Zusammenhang sei auch auf die von dem Französischen Senator Lémery ins Leben gerufene Gesellschaft der Freunde des neuen Russland3 verwiesen, bei der es sich um ein Sammelbecken für alle deutschfeindlich eingestellten russischen Emigranten handelt. Diese Gesellschaft verfolgt das Ziel, die alte französisch-russische Freundschaft, wie sie während des Weltkrieges im Kampf gegen Deutschland bestanden hat, wieder herzustellen. Ähnliche Ziele verfolgt die von General a.D. Glasenapp in Danzig gegründete Russische nationale aktive Bewegung, ein rein jüdisch-freimaurerisches Unternehmen. Um die russischen Emigranten in Deutschland vor den bolschewistischen, jüdischen, freimaurerischen und sonstigen fremdländischen Einflüssen zu bewahren, mussten deshalb verschiedene Abwehrmaßnahmen getroffen werden. a) Zunächst wurde die bereits im Jahre 1937 begonnene Überprüfung der russischen Emigrantenorganisationen fortgesetzt. Unzuverlässige Elemente wurden aus den Verbänden entfernt. Die Leitung der Emigrantenorganisationen wurde einwandfreien und deutschlandfreundlichen Persönlichkeiten übertragen. Hand in 2 Die Wochenzeitung „Bodrost‘! = Courage!“ wurde 1934 bis 1940 in Paris herausgegeben und erschien zweisprachig in Russisch und Französisch. 3 So im Dokument; richtig: Gesellschaft der Freunde des nationalen Russlands (Société des Amis de la Russie nationale), die im Februar 1938 als Gegenorganisaion zur Gesellschaft der Freunde des neuen Russlands gegründet wurde, und der Henry Lémery vorstand.
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Hand mit der Säuberung ging eine Reduzierung der Zahl der Emigrantenorganisationen. Unbedeutende Verbände wurden verboten und aufgelöst bzw. zum Zusammenschluss mit einer anderen Organisation veranlasst. Organisationen, die einer im Ausland befindlichen Zentrale unterstellt waren, wurden zur Lösung der Beziehungen zu dieser ausländischen Zentrale aufgefordert. b) Die Gründung neuer russischer Emigrantenorganisationen wurde unterbunden. Eine Eintragung neuer großrussischer Emigrantenverbände in das Vereinsregister wird übrigens in Zukunft nur noch mit ausdrücklicher Zustimmung der Aufsichtsbehörde erfolgen. c) Politisch unzuverlässige russische Emigranten, ferner solche, die kriminell veranlagt sind, einer Freimaurerloge angehört haben oder jüdischer Abstammung sind, wurden ausgewiesen und, soweit es wegen ihrer Staatenlosigkeit möglich gewesen ist, in das benachbarte Ausland abgeschoben. d) Für die Betreuung der in Deutschland ansässigen friedlich gesinnten und anständigen russischen Emigranten ist die Russische Vertrauensstelle unter ihrem Leiter General a.D. v. Biskupsky tätig, die ihre Aufgaben in Anlehnung an das Geheime Staatspolizeiamt erfüllt. Sie ist eine konsulatsähnliche Einrichtung, die dazu dient, die Emigranten zu registrieren, vor Behörden zu vertreten und von sich aus das Erforderliche für eine ständige Befriedung der Emigration zu veranlassen. e) Sämtliche von den russischen Emigranten durchgeführten Veranstaltungen, gleichgültig ob es sich um Mitgliederversammlungen irgendwelcher Emigrantenverbände, politische Vorträge oder Wohltätigkeitsabende handelte, wurden staatspolizeilich überwacht, um Aufschluss über das Treiben der hiesigen Emigranten zu erhalten. f) Russischen Emigranten, die ihren Wohnsitz im Ausland haben, wurde nur in Ausnahmefällen die Einreise nach Deutschland gestattet und auch nur dann, wenn die Gesuchsteller als politisch zuverlässig galten und sie sich verpflichteten, sich während ihres Aufenthaltes im Reich jeder politischen Betätigung zu enthalten. Emigranten, die sich an das Betätigungsverbot nicht hielten, wurden entweder ausgewiesen und über die Reichsgrenze abgeschoben oder ihnen wurde nahegelegt, Deutschland umgehend wieder zu verlassen. g) Aus Sicherheitsgründen wurde der Einstellung von staatenlosen russischen Emigranten in geschützte Betriebe, sowie die Emigranten bei der Erledigung der ihnen übertragenen Aufgaben mit geheimhaltungsbedürftigen Dingen in Berührung gekommen wären, widersprochen. h) Die Einfuhr verschiedener im Ausland gedruckter russischer Emigrantenzeitungen jüdisch-freimaurerisch-marxistischer Tendenz wurde unterbunden, um diese Pressezeugnisse von der russischen Emigration in Deutschland fernzuhalten. 2.) Organisation und Kirche Wie bereits kurz dargelegt, gehen die hiesigen Bestrebungen darauf hinaus, die russischen Emigranten in Deutschland organisatorisch zusammenzufassen. Ziel aller Bemühungen ist, die russische Emigration zu einer Einheit zusammenzuschmelzen, um sie durch entsprechende Führung, Beeinflussung und Schulung politisch und moralisch auszurichten, dass sie eine Zelle der Ordnung im Gastland Deutschland wird.
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Um dieses Ziel zu erreichen, ist es zunächst erforderlich, die Zahl der heute noch bestehenden russischen Emigrantenorganisationen weiter zu reduzieren. Die Erfahrung hat gezeigt, dass eine Befriedung und eine einheitliche politische Erziehung der russischen Emigranten solange nicht möglich sind, als noch eine größere Anzahl sich gegenseitig befehdender Emigrantenorganisationen vorhanden ist. Während des Jahres 1938 gelang es wiederum, teils mit Unterstützung der Russischen Vertrauensstelle, die Zahl der Emigrantenverbände entweder durch Auflösung oder durch Eingliederung in eine andere Emigrantenorganisation zu vermindern. Aufgelöst wurden insgesamt 20 Verbände. Unter diesen befinden sich u.a. der „Russische Pfadfinderbund“, der „Verein für russische kulturpolitische Studien“, die deutsche Abteilung des „Nationalen Bundes der Neuen Russischen Generation“, die Ortsgruppe Berlin, Wien und Hamburg der in Amerika zentralisierten „Allrussischen Nationalsozialistischen Partei“ sowie einige Militärorganisationen. Da sich der Plan, in Deutschland eine Einheitsorganisation der russischen Emigranten ins Leben zu rufen, wegen der noch innerhalb der russischen Emigration herrschenden Widerstände ohne weiteres nicht verwirklichen lässt, ist zunächst beabsichtigt, auch im kommenden Jahre die Reduzierung der russischen Emigrantenverbände fortzusetzen. Vorläufiges Ziel ist bis zu einer späteren anderweitigen Regelung, nur einige zahlenmäßig starke Emigrantenorganisationen weiterbestehen zu lassen, von denen jede eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen haben wird. So soll es in Zukunft nur noch eine politische russische Organisation, einen russischen Militärverband, eine russische Jugendorganisation, eine russische Wohlfahrtsorganisation usw. geben. Entsprechende Vorarbeiten zur Verwirklichung dieses Planes sind bereits geleistet worden. Als politische Organisation kommt die von dem Obersten Skalon geleitete „Russische Nationale und Soziale Bewegung“ infrage. Bei ihr handelt es sich um die zurzeit stärkste russische Emigrantenorganisation. Sie hat im Laufe des letzten Jahres ihren Mitgliederbestand bedeutend erhöhen können, und zwar dadurch, dass sich viele im Gau Ostmark und im Sudetenland ansässige russische Emigranten in die RNSB eingereiht haben. Schließlich sind auch der Beauftragte der „Allrussisch Faschistischen Partei für Österreich“, Graf Mussin-Puschkin, sowie der Leiter des „Vereins für kulturpolitische Studien“, Meller-Sakomelsky, mit ihren Anhängern geschlossen zur RNSB übergetreten. Die RNSB hat im Jahre 1938 eine recht lebhafte Propagandatätigkeit entfaltet und vielfach durch öffentliche Versammlungen, bei denen der russische Emigrant Solonewitsch Vorträge hielt, aufklärend über die Verhältnisse in der Sowjet-Union gewirkt. Es ist zu erwarten, dass die RNSB, die dahin dirigiert werden soll, dass sie erkennt, dass die Lösung des Problems Russland nicht nur auf antibolschewistischer, sondern auch auf völkischer Basis erfolgen muss, auf die in Deutschland ansässigen russischen Emigranten einen noch größeren Einfluss wird ausüben können, sobald die geplante Verlegung der Zentrale der RNSB von Dresden nach Berlin durchgeführt ist. Auch die Schaffung eines einheitlichen russischen Militärverbandes ist nahezu abgeschlossen. General von Lampe, der bekanntlich bis vor kurzem Leiter der II. Abteilung des „Russischen Militärverbandes“ war, hat inzwischen die Loslösung der II. Abteilung von der früher in Paris, jetzt in Brüssel befindlichen Zentrale des Militärverbandes durchsetzen können. Er führt seitdem von Berlin aus die bisherige II.
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Abteilung des Militärverbandes als selbstständige Organisation unter der Bezeichnung „Verband der nationalen russischen Militärverbände“ weiter. In diesen Verband haben sich nunmehr sämtliche bisher noch in Deutschland bestehenden Militärverbände, wie die „Traditionsgruppe der freiwilligen russischen Westarmee“, der „Verband der Monarchisten“, der „Verband zur gegenseitigen Unterstützung der Offiziere der ehemaligen russischen Armee und Flotte“ usw. eingegliedert. Wesentlich schwieriger gestaltete sich die Gründung einer weißrussischen Jugendorganisation, da es lange Zeit nicht möglich war, eine geeignete Person, der die Führung der russischen Jugendlichen hätte übertragen werden können, ausfindig zu machen. Aus diesem Grunde wurde zunächst bei der Sportabteilung der Russischen Vertrauensstelle eine Jugendgruppe eingerichtet. Diese hat durch die Auflösung des „Russischen Pfadfinderverbandes“ und der deutschen Abteilung des „Nationalen Bundes der Neuen Russischen Generation“ in kurzer Zeit einen bedeutenden Mitgliederzuwachs zu verzeichnen gehabt. Diese Jugendgruppe führt seit einigen Monaten die Bezeichnung „Russische Jugendschar in Deutschland“. Um ihre einheitliche politische Ausrichtung sowie die körperliche Ertüchtigung der Mitglieder zu gewährleisten, ist beabsichtigt, die Jugendschar in irgendeiner Form durch die Reichsjugendführung beaufsichtigen und betreuen zu lassen. Die entsprechenden Verhandlungen mit der Reichsjugendführung, auch hinsichtlich der Frage, ob den Angehörigen der Jugendschar das Tragen einer Uniform zu gestatten ist, sind noch nicht abgeschlossen. Mit der Schaffung einer russischen Wohlfahrtsorganisation kann in Kürze gerechnet werden. Die beiden russischen Wohlfahrtsverbände in Wien „Otschag“ und „Objedenenie“ haben sich bereits dem Leiter der Russischen Vertrauensstelle gegenüber bereit erklärt, sich aufzulösen und ihre Vermögen der neuen Wohlfahrtsorganisation zur Verfügung zur stellen. Die russische Wohlfahrtsorganisation wird vor allem den Frauen der russischen Emigranten Gelegenheit geben, sich auf caritativem Gebiet für die Belange in Not geratener Landsleute einzusetzen. Auf kirchlichem Gebiet hat die Abberufung des bisherigen Berliner Erzbischofs der griechisch-orthodoxen Kirche Tychon, der von einem Großteil der russischen Emigranten angefeindet wurde, eine merkliche Entspannung gebracht. Außerdem haben die in den letzten Jahren beobachteten erbitterten Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern des Metropoliten Anastasius und des Pariser Metropoliten Eulogius nachgelassen, was hauptsächlich darauf zurückzuführen sein dürfte, dass sich viele griechisch-orthodoxen Kirchengemeinden in Deutschland, die sich bisher zu Eulogius bekannten, inzwischen der Anastasius-Kirche unterstellt haben. Im Juni 1938 wurde die Weihe der neuen russischen Kathedrale am Fehrbelliner Platz in Berlin-Wilmersdorf vorgenommen. Vertreter der deutschen Regierung, Metropolit Anastasius aus Belgrad nahmen u.a. an dieser Feier teil. Die Anerkennung der Russischen Emigrantenkirche in Deutschland durch die deutsche Regierung hat die Deutschfreundlichkeit der russischen Emigranten erheblich vergrößert. 3.) Festnahmen und Ausweisungen Zwölf russische Emigranten mussten während des Jahres 1938 aus verschiedenen Gründen festgenommen werden. Fünf Emigranten wurden wegen politischer Unzuverlässigkeit in Schutzhaft genommen. Gegen elf Emigranten wurde die Einleitung eines Ausweisungsverfahrens beantragt. Ein russischer Emigrant, der zum
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Verlassen des Reichsgebietes aufgefordert worden war, beging aus bisher nicht bekannten Gründen Selbstmord. B) Sowjetrussische Institutionen in Deutschland. Die diplomatischen Beziehungen zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjet-Union haben sich während des Jahres 1938 weiter verschlechtert. Diese Tatsache kommt schon äußerlich dadurch zum Ausdruck, dass Deutschland auf Druck der Sowjetregierung hin seine Konsulate in Leningrad, Odessa und Tiflis schließen musste. Vermutlich wurde die Schließung dieser deutschen Konsulate auch deshalb gefordert, weil in den Städten Leningrad, Odessa, Tiflis, die sämtlich in der Grenzzone liegen, sowjetrussische Befestigungsanlagen errichtet werden sollten. Im Zusammenhang mit dem Abbau der Deutschen Konsulate in der Sowjet-Union wurden dann auch die Sowjet-Konsulate in Hamburg und Königsberg liquidiert. Die diplomatischen und konsularischen Geschäfte werden somit seit geraumer Zeit nur noch von der Deutschen Botschaft in Moskau bzw. der Berliner Sowjetbotschaft wahrgenommen und erledigt. Auch der Betrieb bei den sonstigen in Deutschland bestehenden SowjetInstitutionen ist in letzter Zeit erheblich eingeschränkt bzw. ganz eingestellt worden. So wurde die bisherige Sowjetgesandtschaft in Wien aufgelöst. Die Wiener Sowjet-Handelsvertretung befindet sich in Liquidation und die Zweigstelle Wien des „Intourist-Büros“ soll demnächst geschlossen werden. In Berlin befindet sich die „TORGPROM“ in Liquidation. Die Räume, in denen die Telegraphenagentur „TASS“ untergebracht war, sind gekündigt worden. Das Haus Unter den Linden 62 wurde erst vor einigen Wochen verkauft, sodass die dort untergebrachte „GARKREBO“ sowie das Sowjet-Konsulat nach der Kurfürstenstraße 33 verlegt werden mussten. Hand in Hand mit der Betriebseinschränkung geht eine ständige Reduzierung des Personals. Reichsdeutsche werden bei der Sowjetbotschaft, der Handelsvertretung und den sonstigen Sowjet-Institutionen nur noch in geringem Umfange beschäftigt; das sowjetrussische Personal unterliegt einem ständigen Wechsel. So wurde u.a. der bisherige Sowjetbotschafter Jureniew nach Moskau zurückberufen und durch Alexej Merekalow ersetzt. Auch der bisherige Sowjethandelsvertreter in Berlin wurde im Februar 1938 abberufen. An seine Stelle wurde der Sowjetrusse Wassili Dawidow nach Berlin entsandt. Wie verlautet, soll Dawidow demnächst durch Totschilin ersetzt werden, der zurzeit die Liquidierung der Sowjethandelsvertretung in Wien leitet. Den Bemühungen des derzeitigen Handelsvertreters Dawidow soll es zu verdanken sein, dass die Gültigkeit des zwischen Deutschland und der Sowjet-Union abgeschlossenen Wirtschaftsabkommens auch für das Jahr 1939 verlängert wurde. Es hat somit den Anschein, dass der Sowjet-Union im Interesse des Exportgeschäfts viel an der Aufrechterhaltung der Wirtschaftsbeziehungen zum Deutschen Reiche gelegen ist. C) Reiseverkehr von und nach der Sowjet-Union. Um zu verhindern, dass politisch verdächtige Elemente von der Sowjet-Union nach Deutschland einreisen und hier mit staatsfeindlich eingestellten Kreisen Verbindung aufnehmen, wurden sämtliche aus der Sowjet-Union zureisenden Perso-
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nen beim Passieren der Reichsgrenzen einer eingehenden Passkontrolle unterzogen. In gleicher Weise wurden die nach der Sowjet-Union fahrenden Personen behandelt. Hierbei konnte über die Entwicklung der Reisetätigkeit von bzw. nach der SU während des Jahres 1938 folgendes festgestellt werden: Im Vergleich zum Jahre 1937, in dem insgesamt 9.669 Reisen gezählt wurden, was einem Durchschnitt von 805 Reisen pro Monat entspricht, hat sich die Zahl der im Laufe des Jahres 1938 durchgeführten Reisen um nicht ganz 50% vermindert. 1938 wurden nur insgesamt 5.100 Reisen oder 430 pro Monat registriert. Der stärkste Reiseverkehr war während der Monate Januar und April mit 727 bzw. 708 Reisen, der schwächste während der Monate Oktober und November mit 298 bzw. 244. Bemerkenswert ist insbesondere, dass verhältnismäßig wenige ausländische Delegierte an der Maifeier und an den Feierlichkeiten aus Anlass der 21. Wiederkehr der Oktoberrevolution in Moskau teilnahmen. Zu den Maifeiern haben sich nur 17 Franzosen über deutsches Reichsgebiet nach der SU begeben. Als Teilnehmer an den Oktoberrevolutionsfeierlichkeiten wurden lediglich 20 Franzosen, 20 Engländer sowie je 5 Belgier und Norweger als durchreisende Delegationsmitglieder registriert. Diese haben auch sämtlich die Rückreise über deutsches Reichsgebiet durchgeführt. Von den Sowjetstaatsangehörigen wurden während des Jahres 1938 allein 1.665 Reisen ausgeführt, was einem Durchschnitt von monatlich etwa 150 Reisen entspricht. Unter den Reisenden befanden sich eine größere Anzahl Diplomaten, ferner Ingenieure und Techniker, die sich namentlich in den ersten Monaten des Jahres nach Rotspanien begaben. Aus der Sowjet-Union sind im Jahre 1938 ca. 1100 Reichsdeutsche zurückgekehrt. Die Zahl der nach der SU ausreisenden Reichsdeutschen war dagegen sehr gering; sie betrug im Durchschnitt nur 2 Personen monatlich. Bei diesen Personen handelte es sich zumeist um Handwerker, die im Auftrage einer deutschen Firma nach der S.U. bzw. nach dem Iran fuhren, um dort von der deutschen Industrie gelieferte Maschinen aufzustellen. D) Sowjetrussen in Deutschland. Wegen der grausamen Verfolgungen, denen die in Sowjetrussland weilenden Reichsdeutschen ausgesetzt gewesen sind, und wegen der namentlich zu Beginn des Jahres 1938 beobachteten Massenausweisungen Reichsdeutscher aus der Sowjet-Union wurden von hier im Februar Vergeltungsmaßnahmen gegen die in Deutschland ansässigen Sowjetstaatsangehörigen angeordnet. 4 Betroffen wurden von diesen Maßnahmen zunächst die im Reich lebenden Sowjetstaatsangehörigen jüdischer Rassenzugehörigkeit. Ihnen wurden sämtlich Ausweisungsverfügungen zugestellt. Unter gleichzeitiger Androhung von Zwangsmaßnahmen wurden sie aufgefordert, binnen einer kurzbemessenen Frist das Reichsgebiet zu verlassen. Der Ausweisungsverfügung haben bis zum 31.12.1938 insgesamt 204 Sowjetjuden Folge geleistet. Von den Ausgewanderten begaben sich nach Amerika 57, nach Frankreich 39, nach der Tschecho-Slowakei 25, nach Palästina 14, nach Italien 9, nach Belgien und Lettland je 8, nach England 6, nach Luxemburg 5, nach Holland 4, 4
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Vgl. Dok. 187, 219, 225, 282.
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nach der Schweiz 2, nach der Türkei, Dänemark und Litauen je 1. Bezeichnend dürfte sein, dass nur 3 Sowjet-Juden den Mut aufbrachten, nach der Sowjet-Union zurückzukehren. Über den Verbleib der sonst noch abgewanderten Personen ist hier Näheres nicht bekannt geworden. Wenn das bisherige Ergebnis der Ausweisungsaktion als unbefriedigend bezeichnet werden muss, so liegt das vor allem daran, dass es sehr schwer ist, für Sowjetjuden Einreisevisen nach einem anderen Land zu beschaffen. So lehnen es beispielsweise verschiedene südamerikanische Staaten ab, Einreisevisen an Sowjetstaatsangehörige zu erteilen; andere Staaten wieder verlangen, dass der Zureisende im Besitz größerer Geldmittel ist. Sehr bemerkenswert dürfte in diesem Zusammenhang sein, dass sich die Sowjetbehörden um ihre in Deutschland wohnenden Untertanen in keiner Weise gekümmert haben. Die Sowjetbehörden sind den Ausgewiesenen weder bei deren Bemühungen, eine Auswanderungsmöglichkeit ausfindig zu machen, behilflich gewesen, noch haben sie ihnen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – Sichtvermerke zur Rückkehr nach der Sowjet-Union erteilt. Um dennoch die Abwanderung der ausgewiesenen Sowjetjuden weiter zu fördern und durchzusetzen, sind vielfach deutsche Fremdenpässe ausgestellt sowie Wiedereinreisesichtvermerke erteilt und diese an die Sowjetjuden ausgehändigt worden. Darüber hinaus sind eine größere Anzahl Sowjetjuden in Ausweisungsoder Schutzhaft genommen worden. In Kürze wird auch mit der Ausweisung der in Deutschland ansässigen staatenlosen russischen Juden begonnen werden. Hand in Hand mit der Ausweisungsaktion gegen Sowjetjuden geht eine Überprüfung der übrigen im Reichsgebiet wohnenden Sowjetstaatsangehörigen. Diese sind von den Ortspolizeibehörden aufgefordert worden, den Nachweis zu erbringen, dass sie die Erlaubnis zur jederzeitigen Rückkehr nach der Sowjetunion besitzen. Sollten sie die Einreiseerlaubnis nach Sowjetrussland nicht erhalten, werden sie künftig nicht mehr als Sowjetbürger, die die Vorteile des deutsch-russischen Niederlassungsabkommens genießen und dem Schutz der Berliner Sowjetbotschaft unterstehen, behandelt. Sowjetstaatsangehörige, die auf Grund der Überprüfung als politisch unzuverlässig, kriminell veranlagt oder auch sonst als lästige Ausländer gelten, werden gleichfalls aus dem Reichsgebiet verwiesen. E) Russlandrückkehrer und Deutsche in der Sowjetunion 1.) Russlandrückkehrer Im weiteren Verlauf der bereits im Jahre 1937 begonnen Massenverfolgungen und Ausweisungen aller Ausländer aus der Sowjetunion sind auch im Jahre 1938 zahlreiche Reichsdeutsche nach Deutschland zurückgekehrt. Von den Grenzstellen konnten im Berichtsjahre insgesamt 1100 Reichsdeutsche bei ihrer Einreise aus der SU – also 85 mehr als 1937 – erfasst werden, worin die Zahl der nach Österreich und dem Sudetengau eingereisten Russlandrückkehrer noch nicht enthalten ist. Betrug in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres die Zahl der freiwilligen Rückkehrer noch 5%, so ist in den letzten Monaten kaum noch 1% der Rückwanderer freiwillig ins Reichsgebiet zurückgekehrt. Dies mag ein Beweis dafür sein, dass es sich bei denjenigen Reichsdeutschen, die sich heute
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noch in der Sowjetunion aufhalten, um mehr oder minder kommunistisch und marxistisch vorbelastete Personen handelt. Im Berichtsjahre konnten ferner rund 900 Russlandrückkehrer staatspolizeilich erfasst werden, die bereits vor 1933 oder unmittelbar nach der Machtübernahme aus der Sowjetunion nach Deutschland zurückgekehrt waren. Von den etwa 800 österreichischen Schutzbündlern, die nach dem FebruarAufstand 1934 über die Tschechoslowakei nach Russland ausgewandert sind, sind bisher nach der Wiedervereinigung Österreichs mit dem Reich 21 ins Reichsgebiet zurückgekehrt. Von den im Jahre 1938 erfassten Russlandrückkehrern mussten 88 Personen, darunter 19 Frauen, in Schutzhaft genommen werden. Es handelt sich bei diesen Reichsdeutschen in der Mehrzahl um solche, die sich in Deutschland vor der Machtübernahme und auch während ihres Aufenthaltes in der Sowjetunion für die KP betätigt oder in irgendeiner Weise für die Ziele der Komintern eingesetzt haben. U.a. hatten sie Spitzeldienst für das NKWD geleistet oder deutschfeindliche Hetzartikel für die „Deutsche Zentralzeitung“ in Moskau verfasst. Wiederholt konnte im Vorjahre festgestellt werden, dass Russlandrückkehrer auch nach längerem Aufenthalt in Deutschland ihre kommunistische Einstellung und Gesinnung nicht geändert haben. So hatten mehrere Rückkehrer auf ihren Arbeitsstätten kommunistische Mundpropaganda getrieben und auch wiederholt ihre Arbeitskameraden zu ungerechtfertigten Lohnforderungen oder zur Arbeitsverweigerung aufgewiegelt; in einem Reichsautobahnlager hatten fünf Russlandrückkehrer zusammen mit anderen Gesinnungsgenossen die Arbeit niedergelegt. Die meisten aus der Sowjetunion ausgewiesenen Reichsdeutschen, die in der Sowjet-Industrie als Facharbeiter beschäftigt und vor ihrer Ausweisung wegen angeblicher Schädlingsarbeit, Sabotage oder Spionage verhaftet worden waren, haben sich aus Furcht vor körperlichen Misshandlungen und zum Teil auch erst nach qualvollen Vernehmungsmethoden bereit erklärt, in Deutschland für das NKWD zu arbeiten und auch eine entsprechende Verpflichtungserklärung unterschrieben. 2.) Deutsche in der SU. In der letzten Zeit musste wiederholt die Beobachtung gemacht werden, dass Reichsdeutsche, die sich längere Zeit dienstlich in der Sowjetunion aufhalten, ebenfalls für Spionagezwecke eingespannt werden. Es handelt sich hierbei in erster Linie um Ingenieure, Konstrukteure und Monteure, die von ihrer Firma zu Montagezwecken nach der Sowjetunion gesandt werden. Diese Personen wurden grundlos von Beamten des NKWD verhaftet, wobei man ihnen Zettel in russischer Schrift mit Aufzeichnungen von Rüstungsbetrieben zusteckte, um sie dann später auf Grund des vorgefundenen Materials der Spionage zu bezichtigen. Nachdem man dem Festgenommenen eine hohe Strafe wegen Spionage androhte, eröffnete man ihm, dass er sofort freigelassen wird, wenn er Spitzeldienste in Deutschland für das NKWD leistet. Der größte Teil aller heute noch in der Sowjetunion aufhältlichen Reichsdeutschen ist illegal oder mittels Sammeltransports durch Vermittlung sowjetischer Stellen nach Sowjetrussland ausgewandert und hat sich bei den dortigen deutschen Vertretungen nicht gemeldet. Viele von ihnen befinden sich zurzeit in Haft des NKWD. Nur durch die ständige Befragung von Russlandrückkehrern über an-
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dere Reichsdeutsche in der Sowjetunion konnte eine Benachrichtigung der Deutschen Botschaft in Moskau über diese Personen und damit eine Intervention bei den sowjetischen Behörden erfolgen. Die deutschen Häftlinge sind während ihrer oft Jahre dauernden Untersuchungshaft den ärgsten Schikanen und Folterungen durch die jüdischen Vernehmungsrichter ausgesetzt. Verhöre von über 100 Stunden ohne Unterbrechung sind keine Seltenheit. Immer wieder versuchen die jüdischen Untersuchungsrichter durch ihre zermürbende Vernehmungstaktik aus den Deutschen Geständnisse zu erpressen, dass die Deutsche Botschaft in Moskau als Auftraggeberin für alle sowjetfeindlichen Aktionen in Frage komme. Durch niederträchtige, seelische und körperliche Folterungen völlig willenlos gemacht, haben sich einige Häftlinge dazu bewegen lassen, die unsinnigsten Protokolle zu unterschreiben, in welchen sie bezichtigt werden, von der Deutschen Botschaft in Moskau den Auftrag erhalten zu haben, Terrorgruppen zu bilden, Agitation und Werkspionage zu betreiben und die Rote Armee zu zersetzen. Fast alle Reichsdeutschen, die die Deutsche Botschaft aufsuchen, werden nach Verlassen derselben von Beamten des NKWD angehalten, ausgefragt und in vielen Fällen hinterher wegen Spionage festgenommen und ausgewiesen. BArch, R 58/3057, Bl. 165-184.
Nr. 384 Schreiben des Botschaftsrats in Moskau von Tippelskirch an den Leiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep Nr. 384 31. 12. 1938 31. 12. 1938 Moskau, den 31. Dezember 1938 Lieber Schliep! Ich komme zurück auf Ihren freundlichen Brief vom 22. Dezember. Sie wünschten meine Meinung zu wissen zu dem Bericht der Deutschen Botschaft in Paris vom 15. Dezember – Tgb.Nr. A/4958 – betreffend die Ukraine1. In diesem Bericht war die Meldung eines „im Allgemeinen zuverlässigen Vertrauensmannes“ wiedergegeben über eine Zusammenarbeit zwischen Polen und Sowjetrussland im Hinblick auf angeblich deutsche Pläne auf Errichtung einer Großukraine. Im Einzelnen handele es sich um 1.) einen Schritt Polens zur Annäherung an Sowjetrussland zwecks außenpolitischer und wirtschaftspolitischer *Zusammenarbeit*2; 2.) eine gleichzeitige Anfrage des Pariser Polnischen Botschafters und des Pariser Sowjetbotschafters bei dem französischen Außenminister Bonnet, welche Stellungnahme Frankreich im Falle eines aktiven Hervortretens Deutschlands in der Ukraine-Frage einnehmen werde, sowie die Möglichkeit, dass zu diesem Zweck
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Der Bericht ist vorhanden in: PA AA, R 104130, Bl. 338455-338456. Das Wort ist unterstrichen.
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sowohl Moskau wie Warschau nach vorherigem Einvernehmen *gleichlautende Weisungen*3 an ihre Botschafter in Paris erteilt haben; 3.) eine Einwirkung des Polnischen Botschafters in Moskau, damit die Sowjetregierung die Unterdrückungsmaßnahmen gegen die russische *Intelligenz*4, die das sowjetrussische Kriegspotenzial schwächen, einstelle und im Interesse der Abwehr der deutschen Gefahr diese Politik revidiere; 4.) die Absetzung des Innenkommissars *Jeshow*5, die mit auf die Einwirkung seitens des Polnischen Botschafters zurückzuführen sei. Der Inhalt der Meldung des Vertrauensmannes erinnert stark an die politischen Zusammenstellungen der bekannten „Stoika“-Korrespondenz. Nach der langjährigen Erfahrung, die wir auf diesem Gebiete haben, ist gegenüber solchen Mitteilungen größte Vorsicht am Platze. Die Mitteilungen sind das Produkt zum Teil sehr geschickter Kombination auf Grund der in der Tagespresse veröffentlichten Vorgänge. Die „Stoika“-Korrespondenz erschien in Wien; aus Warschau kommen Nachrichten, die auf dieselbe Weise fabriziert werden. Nun scheint sich in Paris eine ähnliche Quelle aufzutun. Zu den einzelnen Angaben darf ich kurz Folgendes anmerken: ad 1.) Über den Annäherungsschritt Polens an Sowjetrussland (Polnisch-sowjetische Erklärung vom 27. November 19386) und seine Auswirkungen besteht inzwischen **einigermaßen**7 Klarheit. Der Schritt ist aus der politischen Konjunktur und aus einer gewissen polnischen Verärgerung entstanden. Eine Analysierung der näheren Umstände erübrigt sich. Anlass zu der Aktion hat der polnischen Regierung die Demarche Potemkins wegen des polnisch-sowjetischen Nichtangriffspaktes8 anlässlich der tschechoslowakischen Krise gegeben. Dass die sich hierbei bietende Gelegenheit benutzt worden ist, um einer Belebung des Warenverkehrs und zu einer Regelung gewisser schwebender Fragen zu gelangen, ist sehr natürlich. Ein solches Verfahren im Verkehr mit der Sowjetunion ist üblich und auch von uns wiederholt angewandt worden. *Für eine weitergehende polnisch-sowjetische Annäherung oder für eine außenpolitische Zusammenarbeit zwischen Polen und Sowjetrussland liegen Anzeichen bisher nicht vor.*9 Allerdings ist zu beobachten, dass die *Sowjetpresse* seit der polnisch-sowjetischen Erklärung eine deutliche *Zurückhaltung*10 mit Bezug auf Polen zeigt. Auch hat das „Journal de Moscou“ gelegentlich unter Hinweis auf deutsch-polnische Streitpunkte wie Danzig usw. die polnischen Interessen in Schutz zu nehmen versucht. ad 2.) Ob es zutrifft, dass der Pariser Polnische Botschafter an den französischen Außenminister eine Anfrage nach der Stellungnahme Frankreichs im Falle eines aktiven Hervortretens Deutschlands in der Ukraine-Frage gerichtet hat, wird anderenorts festzustellen sein. Wir *bezweifeln* indessen, dass der Pariser Sowjetbotschafter bei dem französischen Außenminister eine derartige *Anfrage* gestellt hat und dass diese *Demarche auf Grund von gleichlautenden Weisungen* nach vor3 4 5 6 7 8 9 10
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Der Text ist unterstrichen. Das Wort ist unterstrichen. Der Name ist unterstrichen. Vgl. Dok. 341, Anm. 15. Der Text ist korrigiert; ursprünglich: eine gewisse. Vgl. DVP, Bd. XXI, Dok. 366, 367. Der Text ist unterstrichen. Die beiden Wörter sind unterstrichen.
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herigem Einvernehmen zwischen Warschau und Moskau erfolgt ist. Ich darf darauf aufmerksam machen, dass nach einer Havas-Meldung vom 15. Dezember aus Prag der Sowjetgesandte in *Prag*11 zwei Unterredungen mit dem tschechoslowakischen Außenminister Chvalkovský gehabt haben soll, in denen er sich über die in einigen tschechoslowakischen Zeitungen geführte Kampagne über die ukrainische Frage beschwert hat („Neue Zürcher Zeitung“ vom 16.12.38 Blatt 2)12. Da das „Journal de Moscou“ vom 27. Dezember 13 sich in einem Leitartikel gegen die Kampagne deutscher, tschechoslowakischer und französischer Zeitungen in der ukrainischen Frage wendet (s. Bericht der Deutschen Botschaft in Moskau vom 29.12.1938 – A/1692), liegt die Vermutung nahe, dass die betreffende Demarche des Pariser Sowjetbotschafters sich auch auf die Ukraine-Artikel gewisser französischer Zeitungen bezogen hat. Obwohl auf politischem Gebiet mancherlei möglich ist, sind wir doch *nicht der Meinung, dass eine enge außenpolitische Zusammenarbeit zwischen Polen und Sowjetrussland zur Zeit denkbar ist*14. Einerseits steht der historische Gegensatz zwischen Polen und Russland dem hindernd im Wege, andererseits wissen die Polen sehr gut, welche Gefahr Sowjetrussland unentwegt für Polen darstellt. Es liegt naturgemäß auf der Hand, dass alle die Staaten, die im Besitze ukrainischer Ländereien sind, sich gegen denjenigen wenden, der eine Einigung oder einen Zusammenschluss dieser Ländereien verwirklichen will. Insofern ist das *Interesse Polens parallel zu den Interessen Sowjetrusslands*15. Dies weiß die Sowjetregierung sehr gut und nutzt es aus. Nach der tschechoslowakischen Krise hat Potemkin verschiedene Diplomaten hier darauf hingewiesen, dass die Verwirklichung des Nationalitätenprinzips sich in erster Linie gegen Polen richte und sich auf die in Polen lebenden Nationalitäten, insbesondere auf die 6 Millionen Ukrainer auswirke. Das polnische Interesse ist indessen keineswegs mit dem Interesse Sowjetrusslands kongruent. Da die Sowjetukraine reicher, größer, höher entwickelt ist und zudem die alte ukrainische Hauptstadt Kiew besitzt, stellt sie eine beträchtliche Anziehungskraft für die polnischen Ukrainer dar. Dies und das mangelnde Vertrauen Polens gegenüber Sowjetrussland sind *entscheidende Hindernisse für eine polnischsowjetische außenpolitische Zusammenarbeit in der ukrainischen Frage*16. Die kürzlichen Besuche des Polnischen Botschafters17 bei dem Herrn Reichsaußenminister18 sind der Beweis dafür, dass die Polen diese Situation ausgezeichnet verstehen. Selbstredend kann man noch mehr aus der Geschichte schöpfen, um weitere Argumente zu finden. An dieser Stelle sei nur daran erinnert, dass die Sowjets den Marsch Pilsudskis auf Kiew im Jahre 1920 und die unentwegte polnische Forderung auf Kiew, Podolien und Wolynien nicht vergessen haben, ebenso wenig wie 11 12
Die vier Textstellen sind unterstrichen. Vgl. „Rußland und die Tschechoslowakei“. In: Neue Züricher Zeitung vom 16. Dezember 1938 (Morgenausgabe), S. 1. 13 „Une tentative vouée à l‘échec“. In: Le Journal de Moscou vom 27. Dezember 1938, S. 1. 14 Der Text ist unterstrichen. 15 Der Text ist unterstrichen. 16 Der Text ist unterstrichen und am Seitenrand angestrichen. 17 Jósef Lipski. 18 Joachim von Ribbentrop empfing Lipski am 2.12.1938; vgl. ADAP, Ser. D, Bd. V, Dok. 106, S. 114.
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die Polen sich darüber hinwegsetzen werden, dass in der Hauptstadt der Sowjetukraine nach wie vor das Denkmal Bohdan Chmelnitzkys steht. Chmelnitzky ist der Befreier der Ukraine von der polnischen Herrschaft und die Hand der Statue weist auch heute nach Norden. Für die Ansichten in gewissen russischen Kreisen ist es bezeichnend, dass dieser Tage der Sohn Kyrills, Großfürst *Wladimir*19, durch sein Sekretariat erklärt hat, niemals seinen Namen für einen auf die Zerstückelung des russischen Reiches abzielenden politischen Akt hergeben und niemals seine Zustimmung zu derartigen Plänen geben zu wollen („Le Temps“ vom 18. Dezember 193820). Wladimir erklärte insbesondere: „Me prêter l’intention de revendiquer séparément l’Ukraine, ou même d’en accepter le trône, ignorer l’historie de la Russie impériale. L’Ukraine n‘en a jamais été séparé: elle en a bété le berceau. La Russie s’est agrandie en partant d’elle. Elle fait partie du territoire russe même titre que l’Alsace fait partie de la France. Comme elle, elle est simplement une province fontière.“21 Aus unter ad 2.) erwähnten Artikel des „Journal de Moscou“ erscheint mir noch folgender Passus interessant: „Or, en Pologne, l’agence hitlérienne sous le drapeau ukrainien travaille ouvertement. Mais c’est question qui regarde le gouvernement polonais. Le fascism allemande auraît tort de faire des calculs analogues en ce qui concerne l’Ukraine soviétique. *Les leçons récentes*22 ont dû montrer à la Gestapo et aux autres organisation allemandes qu’il ne peut y avoir de terrain favorable pour leur travail dans aucune partie de l’Union Soviétique, y compris dans la R.S.S. d’Ukraine.“ 23 Dieses offenherzige Eingeständnis von Sowjetseite gibt Raum zu allerlei Schlussfolgerungen über Vorgänge in der Ukraine. ad 3.) Dass der Polnische Botschafter in Moskau sich bei der Sowjetregierung für die russische *Intelligenz* verwendet haben soll, erscheint uns als *unwahrscheinlich*24. Die Sowjetregierung würde jedenfalls den Versuch einer solchen Einflussnahme auf das entschiedenste als Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten zurückgewiesen haben. Die von der Sowjetregierung in letzter Zeit eingeleitete Aktion zum Zwecke der Heranziehung der Sowjetintelligenz und Hebung ihres Ansehens entspricht der Konzeption des neuen Innenkommissars Berija sowie der Einsicht, dass die Lücken des destruktiven Terrors ausgefüllt werden müssen. Die Sowjetregierung ist in der letzten Zeit bestrebt, durch verschiedenartige Maßnahmen der Schwächung des Kriegspotenzials der Sowjetunion entgegenzuwirken. *Wir kön-
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Der Name ist unterstrichen. Vgl. „Les intentions du grand-due Vladimir et l’Ukraine“. In: Le Temps vom 18. Dezember 1938, S. 2. 21 „Mir die Absicht zu unterstellen, die Ukraine separat zu beanspruchen oder gar den Thron anzunehmen, würde bedeuten, die Geschichte des imperialen Russlands zu ignorieren. Die Ukraine wurde nie von ihm getrennt, sondern war seine Wiege. Russland hat sich von ihr aus vergrößert. Sie ist ein Teil des russischen Territoriums, so wie das Elsass ein Teil Frankreichs ist. Wie das Elsass ist sie lediglich eine Grenz-Provinz.“ 22 Der Text ist unterstrichen. 23 „In Polen arbeitet die Hitler-Agentur unter ukrainischer Flagge offen. Aber das ist eine Angelegenheit, die die polnische Regierung betrifft. Der deutsche Faschismus würde sich irren, wenn er ähnliche Berechnungen in Bezug auf die Sowjetukraine anstellen würde. Die jüngsten Lektionen haben der Gestapo und anderen deutschen Organisationen gezeigt, dass es in keinem Teil der Sowjetunion, auch nicht in der Ukrainischen SSR, einen günstigen Nährboden für ihre Arbeit geben kann.“ 24 Die beiden Wörter sind unterstrichen.
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4. 1. 1939 Nr. 385 nen uns nicht denken, dass ausgerechnet Polen ein Interesse daran haben sollte, dass das sowjetrussische Kriegspotenzial gestärkt wird.*25 ad 4.) *Ganz unglaubwürdig* klingt die Behauptung, dass die Absetzung des Innenkommissars *Jeshow*26 auf eine Einwirkung seitens des Polnischen Botschafters zurückzuführen sei. Die Aufgabe Jeshows, die ihm von Stalin gestellt worden war, ist zu Ende. Seine Politik hat sich totgelaufen. Die Auswirkung dieser Politik hatte ihm den Unwillen der führenden Persönlichkeiten zugezogen. Er hatte seine Schuldigkeit getan und konnte gehen. Die Zeit des destruktiven Terrors ist vorbei. Jeshow musste einer Persönlichkeit Platz machen, die zu einer Zusammenfassung und Reorganisation der Kräfte fähig ist. Das ist der Grund für den Weggang Jeshows. …….. Wenn die verschiedenen Fragen durch die obigen Ausführungen auch nicht erschöpfend behandelt worden sind, so hoffe ich doch zu ihrer Klärung einen bescheidenen Beitrag geleistet zu haben. Sollten Sie noch weitere Auskünfte wünschen, so bin ich hierzu gern bereit. Die Anlagen Ihres Briefes sende ich anbei mit bestem Dank zurück. Mit herzlichen Grüßen bin ich Heil Hitler! wie stets Ihr getreuer von Tippelskirch Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben Stempel des AA: Pol V 9724, eing. 31. Dez. [korrigiert aus 24. Jan.]1938 und bei Pol V 9405 vermerkt zdA Sch[liep] 24/I. Unten: Po 3 Polen/Russland. Auf Kopfbogen der Deutschen Botschaft geschrieben. PA AA, R 104130, Bl. 338462-338469.
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Nr. 385 Aufzeichnung der Unterredung des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg mit dem Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov Nr. 385 4. 1. 1939 4. 1. 1939 Moskau, den 4. Januar 1939 Tgb. Nr.… Aufzeichnung Ich habe heute den Außenkommissar Herrn *Litwinow*1 aufgesucht, um insbesondere mit ihm die Fragen betreffend unserer Verhafteten und betreffend die Entlassung sowjetrussischer, an Reichsdeutsche verheirateter Frauen zu besprechen. Ich habe Herrn Litwinow an unseren gemeinschaftlichen Besuch bei dem Ministerpräsidenten Molotow vor zwei Jahren erinnert, wobei Herr Molotow verspro25 26 1
Der Text ist unterstrichen. Die beiden Textstellen sind unterstrichen. Der Name ist unterstrichen.
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Nr. 385
4. 1. 1939
chen hatte, dass die Angelegenheit unserer Verhafteten im Wesentlichen durch Ausweisungen werde erledigt werden.2 Ich habe dann Herrn Litwinow auf die Tatsache hingewiesen, dass schon seit vier Monaten die von Herrn Molotow in Aussicht gestellten Ausweisungen fast ganz aufgehört und dass wir in den letzten acht Tagen hintereinander weg acht Noten erhalten haben, worin uns die Verurteilung verhafteter Reichsdeutscher zu langjährigen – bis zu 25 Jahren – Freiheitsstrafen mitgeteilt werden. Die letztere Tatsache mache uns außerordentliche Sorgen. Ich hätte deshalb den Wunsch, den ganzen Fragenkomplex mit dem Innenkommissar Berija persönlich zu besprechen. Zu der Angelegenheit gehöre auch das merkwürdige Verhalten der Sowjetbehörden gegenüber den Kindern von Verhafteten. Es sei ein ganzes Dutzend kleiner Kinder vorhanden, deren Eltern zum Teil gefangen, zum Teil aber bereits nach Deutschland ausgewiesen sind und die in der Sowjetunion in Kinderheimen untergebracht sind. Trotz aller Bemühungen sei es uns nicht gelungen, die Herausgabe der Kinder zu erreichen. Ich könne die Haltung der Sowjetbehörden nicht verstehen, da die Kinder gar nicht angeklagt seien und der Sowjetunion nur Kosten bereiteten. Es würde auch für die Sowjetunion nur von Vorteil sein, wenn sie diese Kinder wie beantragt an uns herausgäbe. Wir würden dann für die Weiterbeförderung nach Deutschland Sorge tragen. Endlich habe ich Herrn Litwinow darauf hingewiesen, dass die Entlassungen sowjetrussischer, mit Reichsdeutschen verheirateter Frauen aus der Sowjetstaatsangehörigkeit in letzter Zeit völlig aufgehört hätten. Uns sei zwar letzthin eine ganze Anzahl solcher Entlassungen mitgeteilt worden, doch handelt es sich regelmäßig um alte Fälle, wo die betreffenden Frauen sich bereits seit langem in Deutschland befinden. In den noch schwebenden Fällen gelinge es nicht, eine Entscheidung der Sowjetbehörden zu erreichen. Ich habe hinzugefügt, auch diesen zweiten Punkt würde ich sehr gern mit Herrn Berija besprechen. Herr Litwinow hat sich eifrig Notizen gemacht und hat dann unterstrichen, dass Herr Molotow seinerzeit versprochen hätte, die Verhaftungen von Reichsdeutschen sollten im Wesentlichen durch Ausweisungen erledigt werden. Man könne von der Sowjetregierung doch nicht verlangen, dass sie nachgewiesene Spione ungestraft ließe. – Ich habe Herrn Litwinow erwidert, dass sich unter der großen Anzahl von Verhafteten sicher eine Mehrheit Unschuldiger befände und dass uns gerade das völlige Ausbleiben von Ausweisungen beunruhige. – Herr Litwinow hat versprochen, meine Ausführungen an den Innenkommissar gelangen lassen zu lassen und insbesondere ihm meine Bitte mitzuteilen, Herrn Berija sprechen zu können. Herr Litwinow hat hinzugefügt, er glaube nicht, dass Herr Berija bereit sein würde, mich zu empfangen, weil der Innenkommissar sonst das gesamte diplomatische Corps empfangen müsste, denn unter den Verhafteten befänden sich Leute aller Nationalitäten. – Ich habe Herrn Litwinow geantwortet, dass die Verhaftung von Ausländern unter Anschuldigung der Spionage eine ernste Sache sei und dass, wenn diese Fälle sich häuften und sich auf sämtliche Nationalitäten erstrecken, der für Verhaftungen zuständige Innenkommissar auch eine größere Anzahl fremder Diplomaten empfangen müsse. In jedem Lande sei es in solchen Fällen üblich und möglich, mit dem Innenkommissar persönlich zu sprechen.
2
980
Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 614, 621.
4. 1. 1939 Nr. 385 Ich habe Herrn Litwinow ernstlich darauf aufmerksam gemacht, dass die inneren sowjetischen Behörden fast in jedem Falle der Verhaftung eines Reichsdeutschen die Vorschriften des deutsch-sowjetischen Niederlassungsvertrages nicht innehielten, die vorgeschriebenen Mitteilungen unterließen und damit in unzähligen Fällen vertragsbrüchig würden. Im Laufe des Gesprächs ist die Rede auf unser erneutes Kreditangebot an die Sowjetunion gekommen.3 Dabei hat sich herausgestellt, dass Herr Litwinow nichts davon wusste. Er war offenbar erheblich interessiert und hat sich eine Notiz gemacht. Ich habe Herrn Litwinow gefragt, ob er zur Ratssitzung nach Genf gehe. Herr Litwinow hat erwidert, er bliebe in Moskau, in Genf sei dieses Mal „nichts los“. Herr Litwinow fragte mich dann, wie eigentlich unser Verhältnis zu Ungarn sei. Es scheine ihm da eine erhebliche Spannung zu geben. – Ich habe erwidert, darüber sei mir nicht das Geringste bekannt. Ich hätte im Gegenteil den Eindruck, dass unsere Beziehungen ausgezeichnete seien, obwohl wir die ungarischen Wünsche in der karpato-ukrainischen Frage nicht hätten unterstützen können. – Herr Litwinow meinte darauf, Graf Bethlen habe einen langen Artikel geschrieben, der sehr unfreundlich für Deutschland sei. Der Graf behaupte, die Ungarn können ohne die Karpato-Ukraine und ohne die Slowakei nicht leben. Ferner scheint er sehr erbost darüber zu sein, dass wir eine „Vorstadt“ von Preßburg besetzt hätten. – Ich habe erwidert, mir sei von der Besetzung der Vorstadt nichts bekannt. Vermutlich handele es sich um den Preßburger Brückenkopf südlich der Donau, der ganz unzweifelhaft und seit jeher zu Österreich gehöre. Ich habe zuletzt Herrn Litwinow gefragt, was er von dem Rücktritt des japanischen Ministerpräsidenten Fürst Konoye und von der Lage in Ostasien halte. – Herr Litwinow erwiderte, dass er noch keine genauen Nachrichten über die Gründe hätte, die zum Rücktritt des Fürsten Konoye geführt hätten. Sicher sei aber die Lage Japans außerordentlich schwierig. Die Chinesen seien trotz der Machenschaften des Herrn Wan Tsin Wei fest entschlossen, nicht nachzugeben und den Krieg fortzusetzen. In Japan dränge alles zu einer Militärdiktatur. gez. Graf von der Schulenburg PA AA, Moskau 560, Bl. 178462-178465.
3
Vgl. Dok. 199, 205, 215.
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Nr. 386
9. 1. 1939
Nr. 386 Schreiben des Volkskommissars für Innere Angelegenheiten Berija an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin Nr. 386 9. 1. 1939 9. 1. 1939 Ganz geheim Nr. 77/b 9. Januar 1939 AN DAS ZK DER VKP (B) Genossen STALIN Der Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Gen. LITVINOV teilte mit Schreiben vom 7. Januar d. J. mit, dass der deutsche Botschafter SCHULENBURG an das NKID eine Reihe von Fragen gerichtet hat, darunter die, dass in letzter Zeit die Ausweisung von inhaftierten deutschen Staatsangehörigen aus der UdSSR, die Ausreisegenehmigungen für die Kinder inhaftierter deutscher Staatsangehöriger, die Ausreisegenehmigungen für sowjetische Staatsbürgerinnen, die Ehefrauen von deutschen Staatsangehörigen sind, so gut wie eingestellt worden seien.1 Zugleich teilt Gen. LITVINOV mit, dass SCHULENBURG nachdrücklich darum nachsucht, ihm ein Treffen mit mir zu arrangieren.2 Zu den im Schreiben des NKID angesprochenen Fragen teile ich Folgendes mit: 1. Mit Stand vom 9. Januar d. J. beläuft sich die Anzahl der inhaftierten deutschen Staatsangehörigen auf 154 Personen, darunter 12 Personen, die vom Sondergericht zur Ausweisung aus der UdSSR verurteilt worden sind. Allerdings sind diese Daten über die Anzahl der Inhaftierten unvollständig, doch wird die Gesamtzahl 200 Personen nicht übersteigen. Über exakte Angaben sowohl zur Anzahl als auch zur personellen Zusammensetzung und zum Sachstand der inhaftierten deutschen Staatsangehörigen werden wir am 11. Januar d. J. verfügen. 2. Was die Kinder von inhaftierten deutschen Staatsangehörigen betrifft, für die die Deutsche Botschaft sich einsetzt, ist uns Folgendes bekannt: Mit Schreiben vom 5. November 1938 hat der Stellvertreter des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Gen. POTEMKIN über das Gesuch der Deutschen Botschaft bezüglich der Kinder der deutschen Staatsangehörigen MARSMANN, KALLMEYER3, METZLER4 und HARIG5 sowie bezüglich einer Gruppe von minderjährigen Kindern, die sich im Kinderheim Nr. 6 in Moskau, KalašnikovGasse Nr. 12, befinden, Mitteilung gemacht.6 Zu den Kindern von MARSMANN haben wir dem NKID mit Schreiben vom 3. Januar mitgeteilt, dass unsererseits kei1 2
Vgl. Dok. 385. Bei seiner Anfrage, ob Berija zustimme, von der Schulenburg zu empfangen, machte Litvinov den Volkskommissar darauf aufmerksam, dass „aufgrund des Präzedenzfalles auch andere Botschafter und Gesandte Treffen mit Ihnen fordern können“. In: SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 111, Anhang, S. 172. 3 Vgl. Rückkehrer-Vernehmungsakte in: PA AA, R 151602. 4 Vgl. Rückkehrer-Vernehmungsakte in: PA AA, R 152342. 5 Vgl. Rückkehrer-Vernehmungsakte in: PA AA, R 151158. 6 Vgl. Schreiben Potemkins an Berija vom 4.11.1938. In: AVP RF, f. 082, op. 21, p. 88, d. 1, l. 82–80.
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9. 1. 1939 Nr. 386 ne Einwände zur Ausreise dieser Kinder nach Deutschland bestehen. Zu KALLMEYER, METZLER und HARIG habe ich eine Überprüfung angewiesen, und dem NKID wird zum 15. Januar unsere Stellungnahme in dieser Angelegenheit mitgeteilt werden. Was die Gruppe minderjähriger Kinder im Kinderheim Nr. 6 betrifft, so ist uns bekannt, dass dies Kinder ehemaliger Schutzbündler7 sind, die noch nicht das Alter von 18 Jahren erreicht haben. Über andere Angaben zu den Kindern von inhaftierten deutschen Staatsangehörigen verfügen wir nicht. 3. In dem Schreiben ist die Rede von der schleppenden Bearbeitung der Genehmigungen zur Ausreise ins Ausland für sowjetische Staatsbürgerinnen, die Ehefrauen von deutschen Staatsangehörigen sind. Da in dem Schreiben nicht angeführt ist, um welche Personen es sich konkret handelt, ist es nicht möglich, in dieser Angelegenheit eine Stellungnahme abzugeben. Es besteht jedoch folgende Regelung: Anträge zum Austritt aus der sowjetischen Staatsbürgerschaft werden von der Abteilung für Visa und Registrierung der Hauptverwaltung der Arbeiter- und Bauernmiliz entgegengenommen, danach erfolgt eine Begutachtung durch die zuständige operative Abteilung des NKVD und in Abhängigkeit davon, ob belastendes Material gegen die sowjetischen Staatsbürgerinnen, die Ehefrauen ausländischer Staatsbürger sind, vorliegt, wird das Gutachten beim Präsidium des Obersten Sowjets eingereicht, wo auch die Frage bezüglich des Austritts aus der sowjetischen Staatsbürgerschaft und damit zum Recht auf Ausreise in ein anderes Land abschließend entschieden wird. Ich übermittele Ihnen die Kopie des Schreibens von Gen. LITVINOV und erbitte Ihre Weisungen. ANLAGE: das eben Erwähnte8. Volkskommissar für Innere Angelegenheiten der Sowjetunion L. Berija 9. Januar 1939 Nr. 77/b Veröffentlicht in: SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 111, S. 171–172.
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Vgl. Dok. 105, Anm. 1. Wird nicht veröffentlicht. Vgl. SSSR-Germanija: 1933–1941, Anlage, S. 172.
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Nr. 387
10. 1. 1939
Nr. 387 Aufzeichnung der Unterredung des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov mit dem Botschafter a.D. Nadolny und dem Legationsrat in Moskau Hilger Nr. 387 10. 1. 1939 10. 1. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 61 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland [Berlin, 10.1.39] TAGEBUCH DES BEVOLLMÄCHTIGTEN VERTRETERS DER UdSSR IN DEUTSCHLAND A.F. MEREKALOV Am 5.1.39 waren der ehemalige deutsche Botschafter in Moskau Nadolny und der Rat der Deutschen Botschaft in Moskau Hilger zu Besuch bei mir.2 Hilger sagte, bei der Unterzeichnung des Abkommens über den Waren- und Zahlungsverkehr für das Jahr 1939 zwischen der UdSSR und Deutschland3 habe die deutsche Delegation dem Vertreter der Handelsvertretung mitgeteilt, dass die Deutschen bereit seien, die im März 1938 unterbrochenen Verhandlungen über den 200-Millionenkredit4 wieder aufzunehmen. Der Kredit könne der UdSSR auf etwa der gleichen Basis wie auch der vorherige gewährt werden. Die Deutschen seien zu weiteren Zugeständnissen im Sinne einer Erhöhung der Garantie-Quote für die Aufträge und einer Senkung der Kreditrate bereit. Auch würden uns die Deutschen in Bezug auf die Preise und die Verkürzung der Lieferfristen für Ausrüstungen entgegenkommen. Hilger erklärte, dass der Handelsvertretung bereits eine Liste von Rohstoffen, an denen die deutschen Firmen interessiert sind, übergeben worden sei und dass die Deutschen auf eine Antwort auf den Vorschlag warteten, ebenso wie auf eine Liste von Gütern, die wir im Rahmen des neuen Kreditabkommens in Deutschland unterbringen möchten. Hilger bat darum, die Antwort zu beschleunigen, und bemerkte insbesondere, dass er bereit sei, an den Verhandlungen teilzunehmen und seine Abreise nach Moskau hinauszuschieben, falls dies erforderlich wäre.5 Nach einigen in der deutschen Presse platzierten Hinweisen und insbesondere einem Artikel des Vorsitzenden des sogenannten „Russland-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft“ Major Tschunke6, zu urteilen, sind die Deutschen beunruhigt
1 2
Der Text ist mit Tinte geschrieben. Merekalov schickte am Tag des Treffens, am 5.1.1939, zu diesem Besuch ein kurzes Telegramm an das NKID. Vgl. God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 101, S. 167–168. 3 Am 19.12.1938. 4 Vgl. Dok. 381. 5 Mikojan telegrafierte am 8.1.1939 an Merekalov, dass die sowjetische Regierung zugestimmt habe, „die Verhandlungen auf der Grundlage der von den Deutschen aufgestellten verbesserten Bedingungen wieder aufzunehmen“. In: God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok, 104, S. 177. 6 Fritz Tschunke, Geschäftsführer des Russland-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft: Rückblick und Ausblick auf das Russlandgeschäft. In: Der Ost-Europa-Markt, 1939, H. 1, S. 7–12.
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10. 1. 1939 Nr. 387 darüber, dass Deutschland im Handel mit der UdSSR vom ersten Platz, den es einige Jahre lang innehatte, auf den sechsten Platz gerutscht ist und dass bedeutende Aufträge der UdSSR nicht in Deutschland untergebracht werden. Nadolny erklärte in dem Gespräch, dass die Frage, die er aufwerfen wolle, zwar im Bereich der Handelsvertretung liege, er mich jedoch sehr bitten würde, im Sinne einer Beschleunigung der Antwort im Schiedsverfahren zwischen dem Benzolverband und Sojuznefteėksport7 behilflich zu sein. Als von der Firma ernannter Oberschiedsrichter sei er gewillt, jede Form von Kompromiss einzugehen und bereit, sich in jeder Stadt der Union, in Deutschland oder in einem anderen neutralen Land zu treffen, wenn nur die sich so lange hinziehende Frage gelöst werde. Anscheinend sind die Deutschen auch in dieser Angelegenheit nicht nur an der Lösung des Konfliktfalles selbst interessiert, sondern es besteht auch eine versteckte Absicht – nämlich einen Präzedenzfall für Verhandlungen über die Lieferung von Erzeugnissen von Sojuznefteėksport an die Deutschen zu schaffen. Ferner teilte Nadolny mit, dass dieser Tage ein Kreditabkommen zwischen der Türkei und Deutschland unterzeichnet werde8, weshalb der Staatssekretär des türkischen Min[isteriums] für Ausw[ärtige] Angelegenheiten in Berlin eingetroffen sei, der sein Kommen darüber hinaus mit einem Besuch der Professoren verbinde, die ihn in Berlin behandelt hätten. In der Tat rief heute der türkische Botschafter9 bei mir an und bat darum, mit Staatssekretär Numan Menemencioğlu morgen Abend empfangen zu werden, wozu ich meine Zustimmung gegeben habe. Im Laufe des Gesprächs blickte Nadolny auf seine gemeinsame Tätigkeit mit Gen. Suric in Ankara10 und seine Arbeit in Moskau zurück und äußerte, dass er seine diplomatische Karriere bereits vor sehr langer Zeit als Konsul in Petersburg begonnen und als Botschafter in Moskau beendet habe.11 Zurzeit ist Nadolny im Ruhestand, lebt auf seinem Gut bei Berlin, betreibt Landwirtschaft und kann und will sich, wie er sagt, nicht in das politische Leben einmischen. Nadolny teilte mit, dass er dieser Tage für 2 Wochen in die Türkei reisen werde, angeblich in Privatangelegenheiten. P.S.: Nach Überprüfung durch eine andere Quelle erhielt ich am nächsten Tag die Bestätigung, dass Nadolny tatsächlich in einer Privatsache als Schiedsrichter in einer alten Angelegenheit der Firma Junker12 fährt. Bevollmächtigter Vertreter der UdSSR in Deutschland Merekalov Vermerk mit rotem Farbstift: NKVT Vermerk mit Tinte: an Andreev 17.I.39 7 8 9 10
Vgl. Dok. 375. Am 16.1.1939. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. V, Dok. 557, S. 623–624. Mehmet Hamdi Arpağ. Nadolny war seit 1924 Gesandter und von 1925 bis 1933 Botschafter in der Türkei, Suric war von 1923 bis 1933 Bevollmächtigter Vertreter in der Türkei. 11 Nadolny war von 1903 bis 1907 Vizekonsul in Sankt Petersburg und von November 1933 bis Juni 1934 Botschafter Deutschlands in der UdSSR. 12 Es handelt sich wahrscheinlich um die Firma Junker & Ruh in Karlsruhe, die u.a. auf Nähmaschinen und Gasherde spezialisiert war.
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Nr. 388
10. 1. 1939
Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 185 vom 15.1.1939. Oben links befindet sich der Stempel der Sondergruppe der Geheimen Chiffrierabteilung des NKVT der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 5/17/ss vom 16.1.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 9 Expl. **7 [Exemplare] an Gen. Litvinov, 1 an Gen. Mikojan, 1 zu den Akten.**13 RGAÉ, f. 413, op. 12, d. 3101, l. 46–47. Original.
Nr. 388 Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Bevollmächtigten Vertreter in Berlin Merekalov Nr. 388 10. 1. 1939 10. 1. 1939 Geheim Expl. Nr. 3 Nr. 4036/l. 10. Januar 1939 AN DEN BEVOLLMÄCHTIGTEN VERTRETER DER UdSSR IN DEUTSCHLAND Gen. MEREKALOV Die englische Zeitung „Daily Herald“ berichtet aus Berlin über die Vernichtung von Geheimdokumenten der deutschen faschistischen Partei, die die Außenund Innenpolitik der Partei betreffen. Diese Entscheidung sei anscheinend infolge eines aufgedeckten Lecks, für das die Gestapo die UdSSR verantwortlich mache, getroffen worden. Himmler hätte Hitler angeblich gebeten, ihm einen „Sturm“ auf die sowjetische Bevollmächtigte Vertretung in Berlin zu genehmigen, was ihm aber verwehrt worden sei. Ich habe keinerlei Veranlassung, diese Informationen als zutreffend zu erachten und bin eher geneigt, sie als übliche journalistische Erfindungen anzusehen. Jedenfalls ist es aus Vorsichtsgründen angebracht, diese Informationen zum Anlass zu nehmen, um von Zeit zu Zeit das Archiv der Bevollmächtigen Vertretung durchzusehen und sämtliche Geheimsachen, die die Bevollmächtigte Vertretung für die laufende Geschäftstätigkeit nicht mehr benötigt, zu vernichten oder nach Moskau zu schicken. Ein Überfall auf die Bevollmächtigte Vertretung ist angesichts des jetzigen Regimes in Deutschland und unserer Beziehungen früher oder später durchaus möglich. LITVINOV Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. ins Archiv. AVP RF, f. 06, op. 1, p. 7, d. 63, l. 1. Kopie.
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Der Text ist mit Tinte geschrieben.
10. 1. 1939 Nr. 389 Nr. 389 Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov an den Volkskommissar für Außenhandel Mikojan Nr. 389 10. 1. 1939 10. 1. 1939 G[anz] geheim Persönlich 10/1‒39 Lieber Anastas Ivanovič! Mich beunruhigt die Frage der Leitung der Handelsvertretung. Über Gen. Davydov habe ich niemandem etwas gesagt, die Mitarbeiter der Handelsvertretung stellen allerlei Vermutungen an, unter anderem, dass er nicht kommen wird. Auf jeden Fall bedrückt dieser Umstand niemanden, denn man ist sich bewusst, dass eine stärkere Arbeitskraft benötigt wird. Ich möchte darum bitten, dass, wenn die Frage betreffend Gen. Davydov endgültig geklärt ist, eine Anordnung zur Rückberufung seiner Familie nach Moskau getroffen wird. Gen. Skosyrev (der stellv[ertretende] Handelsvertreter) verrichtet die Arbeit in Erwartung der Ankunft des Gen. Davydov oder eines weiteren stellv[ertretenden] Handelsvertreters und es ist nicht ausgeschlossen, dass er einzelne Angelegenheiten aufschiebt, um sie von sich abzuwälzen. Darüber hinaus ist er anscheinend über die Veränderungen in der Leitung der Abteilung, der er in seinem Bereich direkt unterstellt ist1, besorgt. Er selbst beschwert sich, dass er nicht mit seiner eigenen Arbeit beschäftigt sei, dass er nicht hergekommen sei, um Handel zu betreiben, sondern um seine Arbeit für die Dienststelle zu erledigen, klagt über seine Krankheit (äußerlich ein sehr gesunder Mensch, es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass er ein Magengeschwür hat) und ist auf seine Abreise nach Moskau eingestellt. Seine Autorität ist nicht groß, da er 3 Jahre lang in der Handelsvertretung in Berlin unter der alten Leitung2 gearbeitet hat und der alten Leitung nahestand. Da er ein sehr durchtriebener Mensch ist, spricht er manchmal über die Bekämpfung der Folgen der Schädlingstätigkeit, tut aber selbst praktisch nichts auf diesem Gebiet. Bei seiner Arbeit verlässt er sich faktisch auf Leute, für die es selbst längst Zeit wäre, in der Union zu sein (Nejmark, Vejnger, Gorodinskij, Zajcev) und die, da sie eine gewisse Abhängigkeit von der Person „aus der Dienststelle“ (Skosyrev) verspüren, sich ihm auf jede Weise unterordnen. Die Entsendung eines neuen stellv[ertretenden] Handelsvertreters und von 2–3 Mitarbeitern in den Apparat könnte die Dinge geraderücken und frischen Wind in die Handelsvertretung bringen. Diese Maßnahme würde es ermöglichen, einige „Alte“, die schon seit Jahren auf ihren Koffern sitzen und ohne den für uns nötigen Elan arbeiten, in die Union zu schicken.
1 2
Gemeint ist das NKVD der UdSSR. Kandelaki und Fridrichson.
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Nr. 390
11. 1. 1939
Darüber hinaus denke ich, dass noch Reste des deutschen Nachrichtendienstes im Apparat3 erhalten geblieben sind, und ohne eine radikale Umgestaltung der Arbeitsweise und den Austausch von Personen wird man das nicht los. Mit Gruß! A. Merekalov Berlin, 10/1–39 Vermerk A.I. Mikojans mit rotem Farbstift: Gel[esen]. AM[ikojan]. Weisung A.I. Mikojans mit rotem Farbstift: Den Gen. Krutikov, Stepanov und Kaganovič zur Kenntnis bringen. AM[ikojan]. Paraphen über Kenntnisnahme: AKrutikov 24.1.39, Stepanov, JuK[aganovič]. Oben rechts befindet sich der Vermerk mit Tinte über den Erhalt des Dokuments mit der Eingangs-Nr. 59 vom 24.1.1939. RGAÉ, f. 413, op. 12, d. 3129, l. 138–139. Original.
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Nr. 390 Schreiben des Stellv. Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Skosyrev an den Stellv. Leiter des Sektors für Handelsvertretungen im NKVT Andreev Nr. 390 11. 1. 1939 11. 1. 1939 GEHEIM Expl. Nr. … Stellvertretender Handelsvertreter der UdSSR in Deutschland Ausg[angs]-Nr. 5/s 12.I.391 Berlin, 11.1.1939 **Sektor für H-[andelsvertretungen] im NKVT**2 Sehr geehrter Gen. Andreev! Am 6. Januar suchte mich der Ihnen bekannte Mitarbeiter der Deutschen Botschaft in Moskau, Hilger, auf. Er erklärte seinen Besuch mit einem Akt der Höflichkeit und *dem Wunsch, wie er sagte, mit mir „zu plaudern“*3. Das Gespräch dauerte etwa 15–20 Minuten. Hilger begann mit der Mitteilung an mich, dass die deutsche Seite weiterhin auf eine Antwort der sowjetischen Seite *auf den Vorschlag, den mir Dr. Schnurre*4 am 22. Dezember im Außenministerium5 in Anwesenheit Hilgers gemacht 3 Merekalov bezieht sich insbesondere auf den ehemaligen stellvertretenden Handelsvertreter Fridrichson, der wegen „Spionage“ verurteilt wurde. 1 2 3 4
Die Ausgangsnummer und das Datum sind mit Tinte geschrieben. Der Text ist mit rotem Farbstift geschrieben. Der Text ist mit Tinte unterstrichen. Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Am linken Seitenrand befindet sich der Vermerk: Kredit. Daneben der Vermerk Andreevs mit Tinte: Wer soll die Antwort geben. 5 Vgl. Dok. 381. Vgl. auch den Bericht von Skosyrev an Mikojan vom 24.12.1938. In: RGAÉ, f. 413, op. 12, d. 2808, l. 2–12.
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11. 1. 1939 Nr. 390 habe, warte. Ich antwortete, dass ich diesen Vorschlag meiner Regierung zur Kenntnis gebracht hätte und dass, wie anzunehmen sei, eine Antwort in Kürze erfolgen werde. Hilger fragte, wie ich persönlich die Perspektive unserer Aufträge in Deutschland sähe. Ich antwortete ihm, dass ich **im vorliegenden Fall**6 wie ein *Kaufmann*7 an die Frage heranginge: Wenn der deutsche Markt uns hochwertige Waren zu einem Preis und mit Lieferfristen, die für uns annehmbar seien, zur Verfügung stellen könne, würden wir uns diese Gelegenheit gewiss nicht entgehen lassen. *Ich wies Hilger darauf hin, dass auf dem deutschen Markt derzeit keine derartigen Anzeichen vorhanden seien.*8 Im Gegenteil, wir hätten nicht wenige Fälle, bei denen man von uns überhöhte Preise verlange und uns unglaublich lange Lieferfristen gebe. Es sei klar, dass unter diesen Bedingungen die Entwicklung des Handels vollständig von der deutschen Seite abhänge. **Danach warf Hilger die Frage der Schiedssache zwischen dem „Benzolverband“ und Sojuznefteėksport auf9 (mir scheint, dass diese Angelegenheit eigentlich der Zweck seines Besuchs war), wobei er darauf hinwies, dass er und der ehemalige Botschafter Deutschlands in Moskau, Nadolny, am Tag zuvor unseren Bevollmächtigen Vertreter, Gen. Merekalov, in dieser Frage aufgesucht hätten.10 Ich dachte an die *Direktive des NKVT – bei jeder Gelegenheit die Nichtbeteiligung der Handelsvertretung an diesem Fall hervorzuheben,*11 und tat so, als sei mir diese Angelegenheit *überhaupt nicht bekannt12 und als hätte ich erstmals von Hilger davon erfahren*13. Da Hilger diese Frage angesprochen hatte, bat ich ihn, mir von dieser Sache zu berichten, damit auch ich darüber Bescheid wisse. Er schilderte mir die Geschichte dieser Angelegenheit, wobei er darauf hinwies, dass sich beide Seiten derzeit in keiner Weise auf einen Oberschiedsrichter einigen könnten. In der Vereinbarung heiße es **angeblich**14, dass der Oberschiedsrichter unter den auf einer Liste stehenden Personen durch Losentscheid ausgewählt werde. Auf die Liste seien vier Personen gesetzt worden, darunter auch Herr Nadolny. Es habe sich so ergeben, dass zwei Personen aus der Liste verstorben seien und laut Hilger verlange die sowjetische Seite unberechtigterweise die Ergänzung dieser Liste durch zwei neue Personen, denn der Tod zweier Personen habe die Möglichkeit einer Losentscheidung zwischen den verbleibenden zwei **nämlich**15 nicht ausgeschlossen. Ich dankte ihm dafür, dass er **mich**16 über diese Angelegenheit ins Bild gesetzt habe, wobei ich *jedoch*17 betonte, dass diese Sache an der Handelsvertretung vorbeigegangen sei und die Handelsvertre6 7 8 9
Der Text ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. Das Wort ist mit Tinte unterstrichen. Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Über die Ansprüche des „Benzolverbandes“ an Sojuznefteėksport vgl. das Informationsschreiben Andreevs an den Leiter der Rechtsabteilung des NKVT der UdSSR Firsov vom 23.12.1938. In: RGAÉ, f. 413, op. 12, d. 3059, l. 73. 10 Vgl. Dok. 387. 11 Der Text ist mit Tinte unterstrichen. 12 Vgl. Dok. 375. 13 Der Text ist mit Tinte unterstrichen. 14 Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. 15 Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. 16 Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. 17 Das Wort ist mit Tinte unterstrichen.
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Nr. 390
11. 1. 1939
tung mit dieser *Angelegenheit überhaupt nichts zu tun habe*18. Soweit er mir die Einzelheiten des Streits über den Oberschiedsrichter geschildert hatte, bemerkte ich, hielte ich den Standpunkt der sowjetischen Seite für *richtig*19. Hilger sagte, dass die Schiedsvereinbarung keine Ergänzung der Liste durch neue Personen vorsehe, falls einige von ihnen ausfielen. Da fragte ich ihn, was wäre, wenn nicht zwei, sondern drei versterben würden, dann wäre nur noch einer übrig, *und ein Losentscheid wäre völlig ausgeschlossen*20. Also wäre es notwendig, die Liste durch neue Personen zu ergänzen, ebenso wie dies auch bei verbleibenden zwei notwendig sei.**21 Hilger gab auf diese Frage keine klare Antwort. Ich verfolgte dieses Thema nicht weiter, da ich eine weitere Vertiefung dieser Frage für nicht vereinbar mit meiner Zusicherung hielt, dass die Handelsvertretung nichts mit dieser Angelegenheit zu tun habe. Danach ging Hilger *zu einer Schilderung*22 seines Moskauer Lebens über, wobei er unter anderem darauf hinwies, dass die deutsche Kolonie in Moskau, insbesondere er [selbst], sich sehr langweile, da für sie in Moskau eine Situation der totalen Isolation geschaffen worden sei. Sowjetische Staatsbürger hätten angeblich Angst, Kontakte mit der Deutschen Botschaft zu pflegen. Ich antwortete ihm, dass mich seine Mitteilung überrasche, weil ich von anderen in Moskau lebenden Diplomaten wisse, dass das dip[lomatische] Corps in Moskau alle Möglichkeiten eines normalen und keineswegs langweiligen Lebens genieße. Was einzelne „Vorfälle“ mit Mitgliedern der sowjetischen Kolonie in Berlin betreffe, könne ich ihm Folgendes berichten, *da wir gerade davon sprächen*23: Die Frau des Gen. Davydov, nach dem sich Herr Hilger wiederholt erkundigt habe, sei vor einigen Tagen unter Tränen mit der Mitteilung zu mir gekommen, dass man sich in einem Geschäft geweigert habe, ihr Fleisch und Hühnchen für ihr Kind zu verkaufen, weil man sie irrtümlich für eine Jüdin gehalten habe. Das sei kein angenehmer Fall. Nach diesem „freundlichen“ Gespräch murmelte Herr Hilger noch ein paar Worte über die Notwendigkeit der Beilegung von Differenzen in unseren Geschäftsbeziehungen und verabschiedete sich eilig von mir. Der von mir geschilderte Fall mit der Frau des Gen. Davydov *hatte ihn arg in Verlegenheit gebracht*24. Er sagte, dass er am 12. Januar nach Moskau fahre und bat mich, ihn zu besuchen, wenn ich in Moskau sei. Ich habe das natürlich versprochen. Mit kamerad[schaftlichem] Gruß L. Skosyrev Weisung S. Andreevs mit Tinte: an Gen. Špindler. Informieren Sie Firsov über die Sache „Benzolverband“. 17/I. Andreev Vermerk N. Špindlers mit Bleistift: Habe Gen. Firsov informiert. 18 19 20 21
Der Text ist mit Tinte unterstrichen. Das Wort ist mit Tinte unterstrichen. Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Der Text der beiden Absätze ist mit blauem Farbstift auf beiden Seiten in Klammern gesetzt, die ebenfalls auf beiden Seiten mit rotem Farbstift angestrichen sind. 22 Der Text ist mit Tinte unterstrichen. 23 Der Text ist mit Tinte unterstrichen. 24 Der Text ist mit Tinte unterstrichen.
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11. 1. 1939 Nr. 391 Vermerk N. Špindlers mit Bleistift: A[kte] Nr. 8008. NŠ[pindler]. 23.I.39. Oben links befindet sich der Stempel der Geheimgruppe der Geheimen Chiffrierabteilung des NKVT der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 1724/8 vom 16.01.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 2 Expl. 1 [Exemplar] an die Adr[esse], 1 zu den Akten. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 3259, l. 121–122. Original.
Nr. 391 Aufzeichnung des Leiters der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Wiehl Nr. 391 11. 1. 1939 11. 1. 1939 Berlin, den 11. Januar 1939 Aufzeichnung Der Botschafter der UdSSR, Merekalow, wandte sich am 10.1. mit der Bitte an das Auswärtige Amt, ihn in Sachen des deutschen Kreditangebots zu empfangen, da er von seiner Regierung den Auftrag erhalten habe, hierzu eine offizielle Erklärung abzugeben. Ich empfing Herrn Merekalow am 11.1. im Beisein des Legationsrats im Auswärtigen Amt Baron von Behr und des Legationsrats Hilger von der Deutschen Botschaft in Moskau. Der Botschafter erschien in Begleitung des stellvertretenden Handelsvertreters der UdSSR in Berlin, Skossyrew. Der Botschafter gab mir die Erklärung ab, dass die Sowjetunion bereit sei, die im März v. J. abgebrochenen Kreditverhandlungen auf Grund des von deutscher Seite am 22. Dezember 19381 gemachten Vorschlages wieder aufzunehmen und zwar unter der Voraussetzung, dass die von deutscher Seite in Aussicht gestellten Zugeständnisse und Erleichterungen bezüglich der Verzinsung des Kredits, der Reichsausfallgarantie, der Preise und der Lieferfristen verwirklicht werden würden. Die Sowjetregierung habe ferner den Wunsch, dass die Aufnahme der Verhandlungen alsbald und zwar in Moskau erfolge, weil sie sich hiervon einen schnelleren und erfolgreicheren Verlauf der Verhandlungen verspreche. In Moskau würde die deutsche Delegation Gelegenheit haben, sich mit den Möglichkeiten des deutsch-sowjetischen Warenaustausches und den Bedürfnissen der sowjetischen Wirtschaftsorganisation an Ort und Stelle vertraut zu machen. Ein derartiger geschäftlicher Kontakt würde den Verhandlungen nur förderlich sein. Die Sowjetregierung sehe unserer Stellungnahme zu ihren Vorschlägen in möglichst kurzer Zeit entgegen. Ich erwiderte Herrn Merekalow, dass ich das grundsätzliche Einverständnis der Sowjetregierung, die im März abgebrochenen Kreditverhandlungen wieder aufzunehmen gern zur Kenntnis nähme. Was die von ihm erwähnten Zugeständnisse und Erleichterungen betreffe, so würden sie Gegenstand der Verhandlungen bilden. Andererseits habe auch die deutsche Seite eine Reihe von Wünschen vorgebracht, deren Erfüllung seitens der Sowjetregierung die Voraussetzung für die Gewährung des Kredits bilde; dies beziehe sich in erster Linie auf die von uns übergebene Liste der von Sowjetseite zu liefernden Rohstoffe. Was den Wunsch der Sowjetregierung 1
Vgl. Dok. 381.
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anlange, die Verhandlungen in Moskau zu führen, so würde es für uns nicht leicht sein, ihn zu erfüllen. Abgesehen davon, dass solche Verhandlungen bisher in der Regel in Berlin geführt worden seien, wäre die Wirtschaftsabteilung des Auswärtigen Amts gegenwärtig außerordentlich stark belastet, da sie Wirtschaftsverhandlungen mit zahlreichen anderen Ländern führe. Sie könne es sich daher schwer leisten, Delegationen ins Ausland zu entsenden. Dazu komme, dass der deutsche Delegationsführer für die Verhandlungen mit der Sowjetunion, der V.L.R. Schnurre, im Januar durch schwebende Verhandlungen mit Polen in Anspruch genommen sei und daher schwerlich von Berlin abkömmlich sein werde. Nichtsdestoweniger behielte ich mir vor, den Vorschlag der Sowjetregierung bezüglich des Verhandlungsorts zu prüfen und eine Entscheidung hierüber demnächst herbeizuführen. In seiner Antwort auf meine Ausführungen erklärte Herr Merekalow, dass die beiderseitigen sachlichen Wünsche bei den kommenden Verhandlungen erörtert werden würden. Was jedoch den Verhandlungsort betreffe, so lege die Sowjetregierung auf die Erfüllung dieses ihres Wunsches deshalb einen besonderen Wert, weil ihr Vorschlag von der Absicht diktiert gewesen sei, der deutschen Seite ein Entgegenkommen zu erweisen. Da von deutscher Seite die Anregung ausgegangen sei, die Kreditverhandlungen in kürzester Zeit wieder aufzunehmen, glaubte die Sowjetregierung, dem deutschen Wunsche am wirksamsten dadurch entgegenzukommen, dass sie Verhandlungen an einem Ort vorschlüge, wo ihr Erfolg am ehesten gewährleistet wäre. Darüber hinaus glaube er, dass die Führung der Verhandlungen in Moskau symbolisch wirken müsste für den beiderseitigen Wunsch, eine Besserung und Belebung der deutsch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen zu erreichen. Meinen Einwand, dass die früheren Wirtschaftsverhandlungen zwischen Deutschland und der Sowjetunion in Berlin geführt worden seien, könne er nicht gelten lassen; dies sei vielmehr ein Argument dafür, dass dieses Mal die Verhandlungen in Moskau geführt werden könnten. Die Tatsache, dass er sich als Botschafter persönlich in der Angelegenheit verwende, bäte er als den Ausdruck des Wunsches der Sowjetregierung zu betrachten, damit eine neue Ära in den deutsch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen zu beginnen. Ich schloss die Unterredung mit der Feststellung, dass ich den Wunsch der Sowjetregierung nach einer Belebung des deutsch-sowjetischen Warenaustausches gern zur Kenntnis nähme und mir die Antwort hinsichtlich des Verhandlungsortes vorbehielte.2 gez. Wiehl Auf erstem Blatt oben: Dir. W[iehl], unten: Abdruck vorzulegen: StS., U.St.S., Pol V, W IV, (Moskau). PA AA, R 106230, Bl. 452593-452596. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 483, S. 542–543.
2
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Vgl. auch Dok. 392; God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 109, S. 184–185.
12. 1. 1939 Nr. 392 Nr. 392 Bericht des Stellv. Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Skosyrev an den Volkskommissar für Außenhandel Mikojan Nr. 392 12. 1. 1939 12. 1. 1939 GANZ GEHEIM Berlin, 12. Januar 1939 An den Volkskommissar für Außenhandel der UdSSR Gen. A.I. Mikojan BERICHT über die Unterredung mit dem Direktor der Wirtschaftsabteilung des Außenministeriums Ministerialdirektor WIEHL, die am 11.1.39 im Außenministerium stattgefunden hat Bei der Unterredung waren anwesend: *von sowjetischer Seite*1: der Bevollmächtigte Vertreter der UdSSR in Deutschland Merekalov und ich, *von deutscher Seite*2: Herr Ministerialdirektor Wiehl, Rat der Deutschen Botschaft in Moskau Herr Hilger und ein Sachbearbeiter des Außenministeriums, dessen Namen ich nicht behalten habe. Für die sowjetische Seite sprach der Bevollmächtigte Vertreter Gen. Merekalov. Gen. Merekalov begann damit, dass die sowjetische Regierung ihn beauftragt habe, auf den mir vom Leiter der deutschen Delegation Dr. Schnurre am 22. Dezember 1938 gemachten3 und dann von Herrn Nadolny und Herrn Hilger Gen. Merekalov gegenüber wiederholten4 Vorschlag über den 200 Mio. Kredit, mit der Zustimmung der sowjetischen Seite zu antworten, die (im März 1938 unterbrochenen) Verhandlungen5 auf der Grundlage der Erklärung der deutschen Seite über ihre Bereitschaft, zum jetzigen Zeitpunkt ernsthafte Zugeständnisse bei der Höhe der Garantien für den Kredit, den Zinsen und dergl[eichen] zu machen, aufzunehmen. Mit dem Ziel, der deutschen Seite die Möglichkeit zu geben, in näheren Kontakt mit den sowjetischen Wirtschaftsorganen zu treten und dadurch der deutschen Seite den Einblick in die Bedürfnisse unserer Industrie zu erleichtern, so erklärte Gen. Merekalov, halte es die sowjetische Seite für sinnvoll, die Verhandlungen in Moskau zu führen. Danach sprach Herr Wiehl, der erklärte, er begrüße die Zustimmung der sowjetischen Regierung, die im März 1938 unterbrochenen Verhandlungen über den 200 Mio. Kredit wieder aufzunehmen. Allerdings sei er angesichts der enormen Überlastung des Apparates der Wirtschaftsabteilung des Außenministeriums, die sich dadurch erkläre, dass sie im Zusammenhang mit dem Anschluss Österreichs 1 2 3 4 5
Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Vgl. Dok. 390, Anm. 5. Vgl. Dok. 387. Vgl. Dok. 261.
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und des Sudetenlandes an Deutschland nun mit fast der ganzen Welt Verhandlungen führen müsse, und hauptsächlich angesichts der Tatsache, dass der Leiter der deutschen Delegation, Herr Schnurre (der sich derzeit bis zum 19. Januar im Urlaub befinde), durch die begonnenen und für die Weihnachtsferien unterbrochenen Verhandlungen mit Polen ebenfalls überlastet sei, nicht sicher, ob die deutsche Seite in der Lage sein werde, zuzustimmen, dass die Verhandlungen in Moskau geführt würden. Er erinnere die sowjetische Seite daran, dass Wirtschaftsverhandlungen jeglicher Art zwischen der UdSSR und Deutschland in der Vergangenheit immer in Berlin geführt worden seien, und deshalb würde er es für naheliegend halten, wenn die Verhandlungen dieses Mal ebenfalls in Berlin geführt würden. Im Anschluss ergriff wieder Gen. Merekalov das Wort und erklärte, dass die Überlastung der Mitarbeiter der Wirtschaftsabteilung des Außenministeriums, namentlich Dr. Schnurres, kaum als ernsthafte Begründung dafür angesehen werden könne, dem Wunsch der sowjetischen Seite nicht zuzustimmen, und dass im Gegenteil nach Meinung von Gen. Merekalov eine Entsendung der Delegation durch die Deutschen nach Moskau zur Führung dieser Verhandlungen, *abgesehen von der Erleichterung der Verhandlungen selbst, eine große symbolische Bedeutung als Zeichen für die Verbesserung nicht nur der wirtschaftlichen, sondern auch der politischen Beziehungen haben*6 könne. Der Hinweis von Herrn Wiehl darauf, dass die Wirtschaftsverhandlungen zwischen der UdSSR und Deutschland bisher immer in Berlin stattgefunden hätten, spreche gerade dafür, dass die deutsche Seite dieses Mal der sowjetischen Seite in ihrem Wunsch entgegenkommen müsse, die Verhandlungen in Moskau zu führen.7 Darüber hinaus verweist Gen. Merekalov darauf, dass die deutsche Seite aus der Zustimmung der sowjetischen Regierung zur Aufnahme von Verhandlungen den guten Willen ersehen müsse, da sie (die Zustimmung der sowjetischen Seite) den Wünschen der deutschen Seite entspreche, die am 22. Dezember von Herrn Schnurre und in der Folge von den Herren Nadolny und Hilger geäußert worden seien. *Der Umstand, dass er, der Bevollmächtigte Vertreter der UdSSR in Deutschland, der in leitender Stellung im Außenhandel tätig gewesen und mit wirtschaftlichen Fragen vertraut sei, an diese Sache „Hand angelegt habe“*8, müsse von deutscher Seite auch als der Wunsch der sowjetischen Seite angesehen werden, diese Verhandlungen ernsthaft und möglichst umgehend aufzunehmen. Herr Wiehl, der hierauf erneut das Wort ergriff, erklärte, er begrüße die Aussage des Gen. Merekalov über den Wunsch der sowjetischen Seite, eine deutsche Delegation in Moskau zu Kreditverhandlungen zu empfangen, und über die Bereitschaft der sowjetischen Seite, das Erscheinen einer deutschen Delegation in Moskau nicht nur als Zeichen der Verbesserung der Wirtschaftsbeziehungen, sondern auch als symbolisches Indiz für die Verbesserung der politischen Beziehungen anzusehen. Er führte weiter aus, er werde den von Gen. Merekalov unterbreiteten Vorschlag erörtern und hoffe, der sowjetischen Seite in nächster Zeit eine Antwort geben zu können.9 6 7 8 9
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Der Text ist mir blauem Farbstift angestrichen. Vgl. Dok. 391. Der Text ist mit blauem Farbstift angestrichen. Vgl. Dok. 401.
12. 1. 1939 Nr. 393 Er begrüße die Teilnahme des Bevollmächtigten Vertreters der UdSSR in Deutschland Gen. Merekalovs an den Vorgesprächen über den Kredit und sehe diese Tatsache als sehr vorteilhaft an, da Gen. Merekalov mit Wirtschaftsfragen gut vertraut sei, und halte es zugleich für notwendig, die Hoffnung zum Ausdruck zu bringen, dass bei der Entscheidung über die Aufnahme von Kreditverhandlungen den spezifischen Wünschen der deutschen Seite Rechnung getragen werde, die am 22. Dezember gegenüber dem Stellvertretenden Leiter der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland, Herrn Skosyrev, durch die Übergabe einer entsprechenden Liste der Waren, die Deutschland gerne beziehen würde, geäußert worden seien. Gen. Merekalov bemerkte, dass es durchaus selbstverständlich sei, bei jedem Wirtschaftsabkommen stets die Interessen beider Parteien zu berücksichtigen. Er glaube, dass die von Herrn Wiehl angesprochene Frage von beiden Seiten bereits im Laufe der konkreten Verhandlungen über den Kredit und die Ausweitung des sowjetischen Exports nach Deutschland behandelt werde. Als Übersetzer zwischen Gen. Merekalov und Herrn Wiehl diente Herr Hilger. Die Übersetzung wurde völlig korrekt durchgeführt. Da ich die deutsche Sprache gut beherrsche, kann ich dies bestätigen. Der Inhalt der Unterredung, die am 11. Januar d. J. stattfand, beschränkt sich auf das oben Dargelegte.10 L. Skosyrev Am Ende des Dokuments ist die Anzahl der Exemplare vermerkt: 4 Expl. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2769, l. 77–79. Original.
10
Nr. 393 Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov an den Volkskommissar für Außenhandel Mikojan Nr. 393 12. 1. 1939 12. 1. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 11 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Berlin, 12.1.39 AN DEN STELLV[ERTRETENDEN] VORSITZENDEN DES SNK DER UdSSR Gen. A.I. MIKOJAN Zum sowjetisch-deutschen Handel Die deutsche Presse schreibt, dass die Leitung des Volkskommissariats für Außenhandel einer führenden Persönlichkeit, dem stellvertretenden Vorsitzenden des SNK der UdSSR A.I. MIKOJAN, anvertraut worden und dies ein Zeichen dafür sei, 10 1
Vgl. auch Dok. 391; God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 109, S. 184–185. Der Text ist mit Tinte geschrieben.
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dass die Sowjetunion dem Außenhandel, diesem Instrument in ihren internationalen Beziehungen, eine neue, wesentliche Bedeutung beimisst. Eine Reihe von Artikeln liefert eine Analyse des Handels der UdSSR mit Deutschland und beziffert den jährlichen Umsatzrückgang. Der Vorsitzende des sog. „Russland-Ausschusses der deutschen Wirtschaft“, der abgebrühte Geheimdienst-Major2 Tschunke, veröffentlichte nach der Verlängerung des Abkommens auf das Jahr 19393 einen großen Artikel über die Frage der sowjetisch-deutschen Handelsbeziehungen für den Zeitraum von 1926 bis 1938.4 Tschunke sieht zwei Faktoren als Haupthindernis für die Entwicklung des sowjetisch-deutschen Handels an: 1) den Rückgang der handelspolitischen Aktivität der UdSSR und 2) die Länge der Fristen für die deutschen Lieferungen. Er schreibt, dass sowjetische Aufträge in Höhe von vielen Millionen Mark an der deutschen Industrie vorbeigegangen seien und dass sie, wenn sie in Deutschland platziert worden wären, die benötigten Rohstoffe aus der UdSSR eingebracht hätten. Die Deutschen beunruhigt der Umstand, dass sie Rohstoffe nicht in dem von ihnen benötigten Umfang bekommen5 und dass die Begleichung unserer Schulden bei ihnen zu einem Handel gegen Barzahlung führt, der sich auf einem sehr niedrigen Niveau halten wird. Die Deutschen registrieren scheinbar sichtbare Anzeichen für einen hohen Importbedarf der UdSSR, weil unser Maschinenbau (einschließlich des rüstungsbezogenen) vermeintlich nicht in der Lage ist, das erforderliche Programm zu erfüllen, und außerdem, dass die Notwendigkeit der Ersetzung der (im Laufe zweier Fünfjahrespläne) abgenutzten Ausrüstungen den sowjetischen Import ebenfalls erhöhen sollte. Wie ich bereits in meinen Telegrammen geschrieben habe, hat offenbar der faktisch sehr niedrige Umsatz des laufenden Jahres die Deutschen in der Tat erschreckt. Nimmt man noch alle übrigen wachsenden Schwierigkeiten in der Ökonomie und bei den Finanzen der deutschen Wirtschaft hinzu, ist es nicht ausgeschlossen, dass die Deutschen auf eine weitere Erhöhung des Prozentanteils der Garantie für die Aufträge, eine Senkung des Prozentanteils für den Kredit, eine Verbilligung der Auftragskosten und eine Verkürzung der Lieferfristen eingehen. Darin bestärkt mich auch der Charakter der Unterredung bei meinem Besuch im Auswärtigen Amt am 11.1.6 im Zusammenhang mit Ihrer Direktive7, den Deutschen das Einverständnis zur Wiederaufnahme der Kreditverhandlungen zu erklären. In meiner Erklärung habe ich die Linie verfolgt, dass wir es seien, die den Deutschen entgegenkommen, dass WIR DIE ZUSTIMMUNG ZUR WIEDERAUFNAHME DER KREDITVERHANDLUNGEN AUF DER GRUNDLAGE EINER VERBESSERUNG DER VON DER DEUTSCHEN SEITE FRÜHER AUFGESTELLTEN BEDINGUNGEN GÄBEN. 2 3 4 5 6 7
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Vgl. Dok. 131. Am 19.12.1938. Vgl. Dok. 387, Anm. 6. Vgl. Dok. 357. Vgl. Dok. 391, 392. Vom 8.1.1939. Vgl. God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 104, S. 177.
12. 1. 1939 Nr. 393 Es ist schwer zu sagen, wie sich die deut[sche] Reg[ierung] zur Frage des Verhandlungsortes verhalten wird. Wenn sie zustimmt, eine Delegation nach Moskau zu entsenden8, wäre dies in jedem Fall nicht nur ein wirtschaftlicher, sondern auch ein bemerkenswerter politischer Schritt ihrerseits. Dieser Schritt, sollte er von den Deutschen unternommen werden, würde auf nicht wenige Reaktionen und Missdeutungen in der Weltpresse stoßen, und es ist die Aufgabe des NKID, diesen Moment richtig zu nutzen. Ich möchte, dass beim Studium dieser Frage im Apparat auch unsere kommenden Verpflichtungen gegenüber den Deutschen aus dem alten Kredit9 berücksichtigt werden. Wenn ich mich recht erinnere, sollten unsere Verpflichtungen in den Jahren 41 und 42 jeweils ungefähr 160 Mio. Rubel betragen, der Rest entfiele auf das Jahr 43. Sobald die Mitteilung über die Entscheidung der deut[schen] Reg[ierung] eingeht, werde ich Sie unverzüglich in Kenntnis setzen. Zum Abschluss möchte ich bitten, die Entsendung eines stellv[ertretenden] Handelsvertreters und von 2−3 neuen Ingenieuren zu beschleunigen, da in der Handelsvertretung neue Mitarbeiter benötigt werden wie die Luft zum Atmen. MIT GRUß! BEVOLLMÄCHTIGTER VERTRETER DER UdSSR IN DEUTSCHLAND A. Merekalov Paraphe von A.I: Mikojan mit rotem Farbstift: AM[ikojan]. Oben rechts von der Mitte befindet sich der Vermerk mit Tinte über den Erhalt des Dokuments mit der Eingangs-Nr. 60 vom 24.1.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: Geschr[ieben] 2 Expl. Das 1. [Exemplar] an den Adressaten, das 2. zu den Akten. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 3129, l. 136–137. Original.
8 9
Vgl. Dok. 401. Vom 9.4.1935. Vgl. Dok. 54, Anm. 3.
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Nr. 394
12. 1. 1939
Nr. 394 Telegramm des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov an das NKID Nr. 394 12. 1. 1939 12. 1. 1939 Streng geheim Expl. Nr. 5 12. Januar 1939 Nr. 664 Berlin Ich war heute auf dem Neujahrsempfang bei Hitler. Der Empfang fand in der neu errichteten Residenz1 statt. Bei der Ankunft wurden den Botschaftern militärische Ehren erwiesen. An dem Empfang nahmen das diplomatische Corps, Minister und Militärs teil. Der Doyen des diplomatischen Corps2 und Hitler ergingen sich in ihren Reden in Lobeshymnen auf das Münchener Abkommen.3 Die an ihn gerichteten Wünsche erwiderte Hitler höflich gegenüber den Führern der Staaten, deren Vertreter beim Empfang anwesend waren. Als Hitler die Reihe der Botschafter abschritt, begrüßte er mich, fragte nach dem Leben in Berlin, nach der Familie, nach der Reise nach Moskau4 und betonte, dass ihm mein Besuch bei Schulenburg in Moskau5 bekannt sei, wünschte Erfolg und verabschiedete sich. Nach ihm folgten Ribbentrop, Lammers, General Keitel und Meissner. Das Gespräch mit ihnen beschränkte sich auf allgemeine Höflichkeitsfloskeln. Hitler gab sich äußerlich sehr freundlich und führte, ungeachtet meiner schlechten Kenntnisse der deutschen Sprache, sein Gespräch ohne einen Dolmetscher. Nachdem Hitler das Corps abgeschritten hatte, verbeugte und entfernte er sich, und das diplomatische Corps ging auseinander. Bevollmächtigter Vertreter 12.I-39 Veröffentlicht in: SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 112, S. 172–1736.
1 Gemeint ist das neue Gebäude der Reichskanzlei in der Voßstraße mit dem Haupteingang am Wilhelmsplatz. 2 Cesare Orsenigo. 3 Vgl. „Der erste Staatsakt im neuen Repräsentationshaus des Reiches. Neujahrsempfänge beim Führer“. In: Völkischer Beobachter vom 13. Januar 1939, S. 2, 4. 4 Vgl. Dok. 372, Anm. 13. 5 Merekalov war zweimal auf Einladung von Graf von der Schulenburg zum Frühstück in der Botschaft in Moskau, am 15.11. und am 2.12.1938; vgl. Dok. 368. 6 Die Erstveröffentlichung dieses Telegramms erfolgte in dem 1990 in Moskau erschienenen Band: God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 110, S. 185–186. Nach den in der UdSSR praktizierten ungeschriebenen Regeln wurden bei der Veröffentlichung von desekretierten Chiffretelegrammen unabhängig von deren Inhalt im Text eine Veränderung der Wortfolge, insbesondere im ersten und letzten Satz, sowie deren Ersetzung durch andere Wörter vorgenommen. Nach 1991 verzichtete man in Russland bei wissenschaftlichen Publikationen von Dokumenten in der Regel auf diese Praxis.
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17. 1. 1939 Nr. 395 Nr. 395 Schreiben des kommissarischen Leiters der Handelsvertretung in Berlin Skosyrev an den Stellv. Leiter des Sektors für Handelsvertretungen im NKVT Andreev Nr. 395 17. 1. 1939 17. 1. 1939 GANZ GEHEIM Nur persönlich1 Expl. Nr. … Berlin, 17.1.1939 AN DEN SEKTOR FÜR HANDELSVERTRETUNGEN BEIM NKVT Gen. ANDREEV Sehr geehrter Gen. Andreev! Am 12. Januar d. J. habe ich Ihnen zwecks Berichterstattung an den Volkskommissar 2 für den Volkskommissar Gen. Mikojan bestimmte Exemplare über meinen und des Bevollmächtigten Vertreters der UdSSR in Deutschland, Gen. Merekalov, am 11. Januar erfolgten Besuch im Außenministerium2 geschickt. Diesem Schreiben wurden meine nachfolgenden Überlegungen zum Wesentlichen des stattgefundenen Gesprächs *versehentlich nicht beigefügt*3. Die am 12.1. an Sie abgeschickte Aufzeichnung habe ich persönlich abgefasst und in Kopie Gen. Merekalov übergeben. In der Aufzeichnung ist ganz exakt alles aufgenommen, was in dem Gespräch zur Sprache kam. Meine persönlichen Überlegungen bestehen in Folgenden: Ich lenke Ihre Aufmerksamkeit und die des Volkskommissars Gen. Mikojan auf die Passagen der Ausführungen des Gen. Merekalov, wo, erstens, von dem Wunsch der sowjetischen Seite die Rede ist, in Moskau eine deutsche Delegation (eine Delegation!) zu empfangen, und vor allem auf die Stellen der Ausführungen des Gen. Merekalov, wo er erklärt, dass die sowjetische Seite die Ankunft einer deutschen Delegation in Moskau *nicht nur als Zeichen für die Verbesserung der Wirtschaftsbeziehungen, sondern auch als symbolisches Zeichen für die Verbesserung der politischen Beziehungen betrachten werde*4. Mir sind die Weisungen und Überlegungen, von denen sich Gen. Merekalov bei der Abgabe einer solchen Erklärung hat leiten lassen, unbekannt. Da sich eine solche Erklärung aber aus den Weisungen des Volkskommissars Gen. Mikojan, die ich und Gen. Merekalov *telegrafisch*5 erhalten hatten6, nicht ergibt, halte ich es für erforderlich, den Volkskommissar darauf aufmerksam zu machen. Gen. Merekalov erklärte, dass er Moskaus Weisung habe, eine Erklärung dieser Art abzugeben. Ohne Information von Ihrer Seite kann ich zu dieser Frage natürlich nichts sagen. 1 2 3 4 5 6
Der Text ist mit rotem Farbstift geschrieben und unterstrichen. Vgl. Dok. 392. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Das Wort ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Vgl. God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 104, S. 177.
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Nr. 396
17. 1. 1939
Ich bemerke lediglich, dass ich während des Gesprächs im Außenministerium aus Prestigegründen, da der Bevollmächtigte Vertreter Gen. Merekalov die ganze Zeit über im Namen der sowjetischen Seite sprach, keine Möglichkeit hatte (und dies wäre ja auch nicht richtig gewesen), meine Bemerkungen zum Inhalt des Gesprächs vorzutragen. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich auf schweigende Anwesenheit zu beschränken. Gen. Andreev, ich bitte Sie, dem Volkskommissar bei der Berichterstattung anhand des an Sie am 12. Januar gesandten Berichts auch den Inhalt meines vorliegenden Briefes vorzutragen. Mit kameradschaftlichem Gruß L. Skosyrev Paraphe Andreevs mit blauem Farbstift: An[dreev]. Oben links befindet sich der Stempel „Sondermappe“ mit der Eingangs-Nr. 9/27/ss vom 25.1.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: **1**7 Expl. 1 an die Adresse8. Auf Kopfbogen des Stellv. Handelsvertreters der Sowjetunion in Deutschland geschrieben. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2769, l. 26–26R. Original.
7
8
Nr. 396 Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Bevollmächtigten Vertreter in Berlin Merekalov Nr. 396 17. 1. 1939 17. 1. 1939 Geheim Expl. Nr. 2 Nr. 4058/l. 17. Januar 1939 AN DEN BEVOLLMÄCHTIGTEN VERTRETER DER UdSSR IN DEUTSCHLAND Gen. MEREKALOV Lieber Aleksej Fedorovič, sämtliche Informationen, die wir über die Verhandlungen Becks mit Hitler und Ribbentrop1 erhalten haben, laufen daraus hinaus, dass diese Verhandlungen 7 8
Die Zahl ist mit Tinte korrigiert; ursprünglich: 2. Nachfolgend ist mit Tinte durchgestrichen: 1 [Expl.] zu den Akten.
1 Das Gespräch Becks mit Hitler fand am 5.1.1939 in Berchtesgaden statt. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. V, Dok. 119, S. 127–132; Polish Documents on Foreign Policy. 24. Oktober 1938– 30. September 1939, hrsg. von W. Borodziej, S. Dębski, Warsaw 2009, Dok. 28, S. 79–80. Das Gespräch mit Ribbentrop fand am 6.1.1939 in München statt. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. V, Dok. 120, S. 132–134.
1000
17. 1. 1939 Nr. 396 tatsächlich *zu keinen wesentlichen Veränderungen in den polnisch-sowjetischen Beziehungen*2 geführt und keine einzige strittige Frage gelöst haben. Lediglich die Frage eines deutschen Korridors, der durch den polnischen Korridor führen soll, stand konkret im Raum, ob aber Beck dazu sein Einverständnis gegeben hat, ist vorerst nicht bekannt. Hitler beruhigte Beck hinsichtlich der ihm zugeschriebenen Intrigen in der karpatischen und der polnischen Ukraine, mit denen Deutschland angeblich nichts zu tun habe, und versprach, die Interessen Polens zumindest nicht zu tangieren. Beck beruhigte seinerseits Hitler hinsichtlich einer weiteren Annäherung an die UdSSR, da es nur um eine Normalisierung der Beziehungen und um die Beilegung von früher angehäuften Meinungsverschiedenheiten ginge. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Hitler es noch nicht für möglich hält, Polen endgültig zu verwerfen, da er dann dessen Annäherung an uns befürchtet, und deshalb überhaupt **nicht**3 aufrichtig über die Polen interessierenden Probleme gesprochen hat. Mich hat Ihre Mitteilung über den Besuch Nadolnys sehr überrascht. Ich habe angenommen, dass er sich nicht nur in Ungnade, sondern quasi im Konzentrationslager befindet. Ich teile Ihnen zu Ihrer Kenntnis mit, dass Nadolny als Botschafter in Moskau konsequent die Linie einer sehr engen sowjetisch-deutschen Zusammenarbeit verfolgt hat, weshalb er dann auch abberufen worden ist.4 Und auch danach verkehrte er dann und wann bei unserem Bevollmächtigten Vertreter in Deutschland, Suric, und verheimlichte nicht seine ablehnende Haltung zur Außenpolitik Hitlers. Mir wurde übermittelt, dass er für diese Kritik fast seine Pension eingebüßt hätte. Es ist möglich, dass sich Nadolny gewandelt oder sich sogar die Konzeption Hitlers zu eigen gemacht hat. Versuchen Sie bei weiteren Treffen mit ihm seine Stimmung zu ermitteln. Es ist nicht erforderlich, Gespräche mit dem diplomatischen Corps per Chiffre zu übermitteln, mit Ausnahme der Fälle, in denen Sie aus autorisierter Quelle Informationen besonders interessanten und dringlichen Charakters erhalten. In allen übrigen Fällen sollten Sie sich darauf beschränken, die Aufzeichnungen mit der turnusmäßigen Diplomatenpost zu übermitteln. Mit Gruß LITVINOV Vermerk mit Bleistift: VP[otemkin]. Vermerk mit Bleistift: A[rchiv]. Oben rechts von der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 332 vom 19.1.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an Gen. Vajnštejn, das 4. ins Archiv. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 61, l. 19–18. Kopie. Veröffentlicht in: DVP, Bd. XXII, Dok. 35, S. 51–525. 2 3 4
Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. So im Dokument: polnisch-sowjetisch. Das Wort ist über die Zeile geschrieben. Nadolny war vom 16.11.1933 bis zum 11.6.1934 in Moskau Botschafter. Zu den Umständen seines Rücktritts vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 1, Dok. 451, 463, 464, 470. 5 Die Veröffentlichung in DVP erfolgte nach eigenen Redaktionsrichtlinien.
1001
Nr. 397
21. 1. 1939
Nr. 397 Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov Nr. 397 21. 1. 1939 21. 1. 1939 GEHEIM Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 29/s1 Berlin, 21.1.39 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN Gen. M.M. LITVINOV Sehr geehrter Maksim Maksimovič! Ich möchte in diesem Brief zwei Fragen zur Sprache bringen. 1) Im Zusammenhang mit dem Verkauf des Hauses der Garkrebo, in dem sich die Konsularabteilung der Bevollmächtigten Vertretung befand, haben wir im Gebäude der Handelsvertretung eine Räumlichkeit eingerichtet. Im Zusammenhang damit, dass aus Moskau massenhaft Ablehnungen zur Einreise sowjetischer Staatsbürger und zur Staatsbürgerschaft eintreffen, haben wir es täglich mit unangenehmen Szenen in den Empfangsräumen des Konsulats zu tun. Dies geschieht leider vor den Augen einer Mitarbeiterin der Konsularabteilung, einer Deutschen. Angesichts des steigenden konsularischen Arbeitsumfanges in Deutschland ist es absolut unabdingbar, Mitarbeiter zur Verstärkung der Konsularabteilung hierher zu entsenden. 1. *Es ist endlich einer unserer Mitarbeiter hierher zu schicken, der die deutsche Sprache und die Schreibmaschine gut beherrscht*2, was es erlaubt, uns von der Deutschen zu trennen.3 2. *Die Konsularabteilung ist mit weiteren Mitarbeitern gemäß Stellenplan auszustatten*, darunter ist auch die Stelle des am 29.XII. verstorbenen Referenten Azar’jan zu besetzen. Zusätzlich zu dem für 1939 vorgesehenen Stellenplan sind dringend *2 Pförtner* (kräftige Burschen) für den Wachdienst in der Konsularabteilung einzustellen, die in der Lage wären, eventuelle Exzesse, die wegen der massenhaften Verweigerung der Staatsbürgerschaft und der Einreise auftreten könnten, zu unterbinden. 2) *Einige Bürger der UdSSR*, die das Konsulat wegen der Verlängerung des Passes oder wegen eines Gesuches zur Einreise in die UdSSR aufsuchen, erklären, dass *sie per Post Fragebögen erhalten* (Original und Kopie sind beigefügt) mit 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der hier und im Folgenden so gekennzeichnete Text wurde von Potemkin mit rotem Farbstift unterstrichen. 3 Litvinov antwortete Merekalov am 4.2.1939 und schrieb, es sei „nicht damit zu rechnen, einen Mitarbeiter zu bekommen, der gut die deutsche Sprache und dazu auch noch die Schreibmaschine beherrscht“. In: AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 61, l. 31-30.
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21. 1. 1939 Nr. 397 *der Aufforderung, diese auszufüllen und an die im Fragebogen angegebene Adresse zu schicken*. *Offenbar stellt sich irgendeine weißgardistische Organisation die Aufgabe, Bürger der UdSSR* (die einen sowjetischen Pass besitzen) und andere Kategorien, die irgendwann eine Beziehung zur UdSSR und dem ehemaligen Russland hatten, *zu erfassen und um sich zu vereinen*. Wir können diese Organisation nicht überprüfen. Deshalb *möchte ich Sie bitten, in dieser Hinsicht die nötigen Maßnahmen zu ergreifen und uns diesbezügliche Weisungen zu erteilen*. Meinen Sie nicht, dass es unter anderem angebracht wäre, sich in dieser Angelegenheit *an Gen. Berija* zu wenden? Uns fällt es schwer zu entscheiden, ob wir in dieser Sache beim Auswärtigen Amt offiziell vorstellig werden können, ohne das Wesen dieser Organisation zu kennen.4 Man kann feststellen, dass diese Organisation offenbar über eine Quelle verfügt, um an Adressen zu gelangen. Da wir bis auf den heutigen Tag im Apparat der Konsularabteilung eine Mitarbeiterin, eine Deutsche, haben, können wir nicht sicher sein, dass die Gestapo nicht genauestens über Bürger, die sich an uns wenden, informiert ist. Die Konsularabteilung empfiehlt den Bürgern, die im Zusammenhang mit den von ihnen erhaltenen Fragebögen um Rat fragen, auf diese nicht zu reagieren. ANLAGE: Fragebögen5. Bevollmächtigter Vertreter der UdSSR in Deutschland A. Merekalov Oben rechts von der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 440/s vom 24.1.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und Verteiler vermerkt: 4 Expl. 1 [Exemplar] an Gen. Litvinov, 1 an Gen. Potemkin, 1 an Gen. Michajlov, 1 zu den Akten der Bevollmächtigten Vertretung. 21.1.39. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 61, l. 23–22. Original.
4 Litvinov billigte das Vorgehen Merekalovs und bemerkte zugleich, dass er keinerlei Veranlassung „für irgendeine offizielle Erklärung des AA“ sehe, „das leicht auf seine Nichtbeteiligung an dieser Sache verweisen kann“. Er teilte zugleich mit, dass es nicht erforderlich sei, sich in dieser Angelegenheit an Berija zu wenden, „der wahrscheinlich darüber durch seinen Informations[dienst] informiert worden ist“. In: ebd., l. 31. 5 Wird nicht veröffentlicht. Vgl. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 61, l. 21–21R.
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Nr. 398
21. 1. 1939
Nr. 398 Schreiben des Rates der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov und den Stellv. Volkskommissar Potemkin Nr. 398 21. 1. 1939 21. 1. 1939 GEHEIM Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 30/s1 Berlin, 21.1.39 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN Gen. LITVINOV STELLVERTRETER DES VOLKSKOMMISSARS Gen. POTEMKIN In letzter Zeit treten stärker als früher *die innenpolitischen Momente im Leben Deutschlands an die erste Stelle*2. Ähnliches war auch im letzten Jahr fast zum gleichen Zeitpunkt zu beobachten, als sich Hitler, bevor er zu aktiven außenpolitischen Maßnahmen schritt (der Anschluss Österreichs und danach der Sudeten), mit der Lösung innerer organisatorischer Probleme befasste (4. Februar3 usw.). Jetzt nutzt er die Winterpause dazu, *um die Grundlinien der Innen- und Wirtschaftspolitik für die bevorstehende Zeitperiode auszuarbeiten, und nimmt zugleich die entsprechenden Umstellungen im Kabinett vor*. Nunmehr bestätigt sich immer mehr, dass *die antijüdischen Maßnahmen4*, deren negativer politischer Effekt sogar in Deutschland selbst spürbar ist, ganz zu schweigen vom Ausland, *in erster Linie durch wirtschaftliche Motive diktiert waren*. Die deutsche Regierung braucht *dringend Geld*, nicht nur für „normale“ Aufgaben, sondern für die Umsetzung des sogenannten Vierjahresplans, der im Zusammenhang mit der beabsichtigten Einverleibung der Länder Südosteuropas immer mehr ausufert. Man braucht Geld für die Einbindung Österreichs und der Sudeten, für den Bau von Befestigungsanlagen an der Westgrenze, für die Umsetzung der größenwahnsinnigen Pläne zur Rekonstruktion der Städte, für die Errichtung neuer Gebäude usw. Alles dies erfordert grandiose Ausgaben, weil alles auf großem Fuß gebaut wird. Uns wurde z.B. berichtet, dass der Preis für eine einzige Tür im neuen Palast Hitlers5 (und davon gibt es ungefähr 1000) mit ungefähr 800,- Mark beziffert wird. Es ist klar, dass es unmöglich ist, auf normalem Wege diese Mittel zu beschaffen. Die Beschaffung von Auslandskrediten ist im Grunde genommen ausgeschlossen. Eine Inflation ist für das Regime unannehmbar, eine Steuererhöhung, wie sie Finanzminister Schwerin-Krosigk vorgeschlagen hatte, 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Die hier und im Folgenden so gekennzeichneten Stellen wurden mit rotem Farbstift unterstrichen. 3 Vgl. Dok. 208, 216, 222. 4 Gemeint sind die Repressivmaßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung, die nach den Novemberpogromen vom 9. und 10.11.1938 einsetzten. 5 Gemeint ist das neue Gebäude der Reichskanzlei.
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21. 1. 1939 Nr. 398 will der Führer nicht, da er nicht ohne Grund der Auffassung ist, dass die Steuern bis an die Grenzen des Erträglichen gebracht sind und eine weitere Erhöhung bei den Massen offenen Unwillen hervorrufen würde. Maßnahmen wie die faktische Verlängerung des Arbeitstages, die Verdichtung der Arbeitszeit, die Heranziehung der Frauen zur Arbeit, die Einführung der Arbeitsdienstpflicht für Frauen und andere Dinge zeitigen zwar gewisse Ergebnisse, sind aber nicht von entscheidender Bedeutung. Das System „freiwilliger“ Maßnahmen, Inlandsanleihen, die „Winterhilfe“ usw. gehören bereits so zum Alltag, dass man von ihnen keine spürbaren Zusatzeinnahmen erwartet. Was den Außenhandel als Quelle für zusätzliche Einnahmen betrifft, so sind, nach dem letzten Artikel von Funk zu urteilen, die Möglichkeiten auf diesem Gebiet wegen der Verschlechterung der politischen Beziehungen Deutschlands zu den USA, von denen der Handel Deutschlands auf beiden amerikanischen Kontinenten abhängt, stark eingeschränkt. Funk tröstet die Leser mit der Hoffnung, diesen Verlust durch den Ausbau des Handels mit dem Balkan und der Türkei auszugleichen (zwischen den Zeilen gibt er zu verstehen, dass er auch die UdSSR im Blick hat), doch dies reiche offensichtlich nicht aus. In dieser Situation müsse man an außerordentliche Maßnahmen und radikale Schritte denken. Die Enteignung der jüdischen Bevölkerung war dabei die erste Maßnahme. Sie brachte der Regierung neben Kontributionen in Milliardenhöhe bedeutende Summen aus dem „Erwerb“ (im Grunde genommen war es eine Enteignung) jüdischer Unternehmen ein, aus Gewinnen bei deren Verkauf an Privatpersonen (an Arier) durch die zwangsweise Vermittlung durch Regierungsorgane, die damit große Einnahmen erzielten. Wie sich jetzt herausstellt, erweist sich auch diese außerordentliche Einnahmequelle als unzulänglich zur Deckung der enormen laufenden Ausgaben; und das Denken der Regierung geht dahin, andere ähnliche Quellen zu erschließen. Im Gespräch ist eine mögliche Säkularisierung von Kircheneigentum, ein Einzug von Eigentum bekannter Katholiken (nach dem „jüdischen“ Muster) und sogar eine Enteignung der Land-„Aristokratie“ sowie eine teilweise Konfiskation des Barkapitals durch eine Konversion der Inlandsanleihen usw. Es ist momentan schwer zu sagen, bis zu welchen Grenzen diese Vorschläge gehen und in welchem Grade sie umgesetzt werden. Die Tatsache, dass Göring auf den Seiten seines Organs6 nachweisen muss, dass sein Programm „mit dem Bolschewismus nichts gemein hat“, zeigt jedoch, in welche Richtung und von welcher Seite die Kritik an den Regierungsmaßnahmen erfolgt. *Der Rücktritt Schachts7 bestätigt, dass gemäßigte Tendenzen und Versuche, einen Ausweg auf mehr oder weniger normalen wirtschaftlichen Wegen zu finden, von der Regierung abgelehnt werden und sich radikalere Methoden abzeichnen.*8 Es wird insbesondere darüber gesprochen, dass sich Schacht für eine größere Flexibilität bei der Lösung des jüdischen Problems ausgesprochen habe, indem er vorschlug, den ausreisenden Juden eine teilweise Geldüberweisung ins Ausland zu gestatten. Er begründete dies mit außenpolitischen Überlegungen, die zurückgewiesen wurden, was zu seinem Rücktritt führte. 6 Der Vierjahresplan. Zeitschrift für nationalsozialistische Wirtschaftspolitik. Amtliche Mitteilungen des Beauftragten für den Vierjahresplan Ministerpräsident Reichsmarschall Göring. Berlin 1937–1944. 7 Der Rücktritt Schachts vom Posten des Reichsbankpräsidenten erfolgte am 19.1.1939. 8 Der gekennzeichnete Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen.
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Nr. 399
24. 1. 1939
Es ist noch nicht klar, wie weit die sonstigen Veränderungen im Kabinett gehen werden. Vorerst werden die in dieser Hinsicht im Umlauf befindlichen Gerüchte von Dietrich kategorisch dementiert, der speziell dafür die ausländischen Korrespondenten ins Propagandaministerium einlud. Insbesondere werden auch Gerüchte dementiert, wonach eine Auflösung dieses Ministeriums und der Rücktritt von Goebbels bevorstehe, indes gehen die Gespräche über dessen „Niedergang“ weiter. Das Entstehen zahlreicher Witze über Goebbels, der verächtliche Ton, der ihm gegenüber sogar in der unteren Parteischicht angeschlagen wird, unterliegen keinem Zweifel. Wichtig ist indes nicht so sehr, welche personellen Veränderungen in der jetzigen Führung in nächster Zeit vorgenommen werden, sondern vielmehr, welche Veränderungen im binnenwirtschaftlichen Kurs vorgenommen und bis zu welchen Grenzen sie gehen werden. RAT DER BEVOLLMÄCHTIGTEN VERTRETUNG DER UdSSR IN DEUTSCHLAND Astachov Vermerk mit rotem Farbstift: Ar[chiv]. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 441 vom 24.1.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Litvinov, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. zu den Akten. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 61, l. 26–24. Original.
Nr. 399 Vortrag des Reichsaußenministers von Ribbentrop Nr. 399 24. 1. 1939 24. 1. 1939 Berlin, den 24.I.1939 Meine Herren, das Oberkommando der Wehrmacht hat mich aufgefordert, zu Ihnen heute über die deutsche Außenpolitik zu sprechen.1 Als der für die Durchführung der Außenpolitik des Führers verantwortliche Minister bin ich diesem Wunsche besonders gern nachgekommen, da ich der Überzeugung bin, dass ein enger Kontakt zwischen der Leitung der Außenpolitik und dem Oberkommando der Wehrmacht grundsätzlich eine unbedingte Notwendigkeit ist, und weil ich glaube, dass eine Kenntnis der der deutschen Außenpolitik in Gegenwart und Zukunft gestellten Aufgaben durch die führenden Generäle der Wehrmacht für den weiteren Gang der Dinge nur von Vorteil sein kann. 1 Der Chef der Amtsgruppe Allgemeine Wehrmachtsangelegenheiten Reinecke schickte am 13.2.1939 das Manuskript an den Oberbefehlshaber der Kriegsmarine Raeder mit der Bemerkung, dass von Ribbentrop den Vortrag „im Rahmen der nationalsozialistischen Vortragsreihe für Generale und Admirale“ gehalten und ausdrücklich gebeten habe, den Vortrag streng vertraulich zu behandeln. In: BA MA, RM 20/1637, Bl. 265.
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24. 1. 1939 Nr. 399 Sie alle, meine Herren, kennen das Clausewitzsche Wort, „der Krieg ist nichts anderes als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“. Da es nun aber die Aufgabe der Politik, d. h. der Staatsführung ist, alle die zur Durchsetzung der außenpolitischen Ziele eines Volkes vorhandenen Faktoren zusammenzufassen, so ergeben sich aus dieser Clausewitzschen Erkenntnis zwei wichtige Schlussfolgerungen: 1.) für die Leitung der Außenpolitik die Aufgabe, diese Politik so zu führen, dass, wenn die Staatsführung zur „Fortsetzung ihrer Politik mit anderen Mitteln“, also zum Kriege schreiten sollte, die militärische Leitung vor nach menschlichem Ermessen lösbare Aufgaben gestellt wird und 2.) für die militärische Leitung die klare Erkenntnis, dass der Krieg eben eine Fortsetzung der Außenpolitik mit anderen Mitteln ist und dass jeweils die militärischen Belange immer den großen Gesichtspunkten der Außenpolitik angepasst werden müssen, und damit die Aufgabe, ihre militärischen Operationen einzurichten. Das Abgehen von diesen Grundsätzen durch eine Staatsführung hat oft zu schweren Nachteilen für die betreffenden Völker und meist zum Verlust des Krieges geführt. Besonders krass haben sich die Gefahren einer Diskrepanz zwischen außenpolitischer Leitung und militärischer Führung im Weltkriege gezeigt. Obwohl die alliierten Armeen militärisch Niederlage auf Niederlage erlitten, brachte ihre Staatsführung eine immer erdrückendere Koalition gegen Deutschland auf die Beine. Umgekehrt errang die deutsche Armee Sieg auf Sieg, aber deren politische Nichtauswertung und das völlige Versagen einer schwachen, allmählich durch die militärische Führung immer mehr ersetzten und schließlich gar nicht mehr existierenden außenpolitischen Leitung war ein mitentscheidender Faktor für die deutsche Niederlage. Demgegenüber ist es ein idealer geschichtlicher Zustand, dass das in Verwirklichung der nationalsozialistischen Weltanschauung geschaffene Führerprinzip nunmehr für alle Zukunft die absolute Gewähr für die Einheit der politischen und militärischen Führung in der Hand des Führers gibt. Von ausschlaggebender Bedeutung hierbei ist, dass die außenpolitische Leitung jederzeit im Stande sein muss, dem Führer ein Gesamtbild der außenpolitischen Lage unter Einbeziehung aller militärischen Aspekte zu geben. Dies setzt eine ständige und genauste Informierung der außenpolitischen Leitung über alle Maßnahmen der militärischen Führung voraus. Es ist einleuchtend, dass diese Voraussetzung nur durch eine engste Zusammenarbeit, durch gegenseitigen Gedanken- und Nachrichtenaustausch zwischen der Leitung der Außenpolitik und der Wehrmacht geschaffen werden kann. Ebenso aber wie die außenpolitische Leitung über die militärischen Möglichkeiten orientiert sein muss, halte ich es für notwendig, dass auch die militärische Leitung über die Aufgaben und Ziele der Außenpolitik in ihren Grundzügen Bescheid weiß. Ich begrüße es daher, dass heute bereits ein laufender enger Kontakt zwischen meinem Ministerium und dem Oberkommando der Wehrmacht besteht, und dass diese Zusammenarbeit für den Ernstfall vorbereitet und nach jeder Richtung hin organisiert werden wird. Ich komme nun zur Darstellung der außenpolitischen Entwicklung Deutschlands seit der Machtergreifung:
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Nr. 399
24. 1. 1939
Eine erfolgreiche deutsche Außenpolitik baut sich in erster Linie auf drei Grundpfeilern auf: 1. auf der Einheit des deutschen Volkes, 2. auf der Stärke seiner Wehrmacht, 3. auf der Bündnispolitik seiner Staatsführung. Dieses sind die drei Faktoren, von denen letzten Endes immer das Wohl und Wehe, die Größe oder der Niedergang einer Nation abhängt. Hinzu kommt noch die wirtschaftliche Lage eines Volkes, die auch für das Kriegspotentiell [sic] von Bedeutung ist. So wichtig diese Frage aber auch an sich sein mag, so soll man ihre Bedeutung doch keinesfalls überschätzen, denn von einer einigen und heroisch eingestellten Nation können heute Wirtschaftsprobleme ohne weiteres gelöst werden, denen Demokratien machtlos gegenüberstehen. Ich darf in diesem Zusammenhang nur auf das Beispiel hinweisen, dass es heute in Deutschland nach einem Stand von 7 Millionen Arbeitslosen vor 6 Jahren Arbeitermangel gibt, und dass die westlichen Demokratien trotz wirtschaftlichen Reichtums die größte Arbeitslosigkeit haben. Der Wirtschaft kann und darf daher bei den von der Außenpolitik anzustellenden Erwägungen immer nur ein zweiter Platz eingeräumt werden. Was unsere Kriegswirtschaft anbetrifft, so werden unsere neuen Methoden alle Schwierigkeiten beseitigen. – Das politische Testament des Kardinals Richelieu fordert als ersten Grundsatz der französischen Außenpolitik die Aufrechterhaltung und Förderung der Zersplitterung Deutschlands in zahllose kleine Staaten. Jahrhunderte ist Frankreich dem gefolgt. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass zwei Todfeinde Deutschlands gegen ihren Willen die ersten Schrittmacher der deutschen Einheit geworden sind: Napoleon, der die 300 deutschen Kleinstaaten auf ein Zehntel, d. h. ungefähr dreißig reduzierte, und der Marxismus, der durch die Novemberrevolte die restlichen deutschen Fürstentümer abschaffte. Allerdings hat derselbe Marxismus sich schleunigst bemüht, die deutsche Zerrissenheit nunmehr auf andere Weise umso gründlicher herzustellen. Als der Führer im Jahre 1933 die Macht übernahm, fand er ein durch Länder, Parteien, Stände, Klassen, Konfessionen hoffnungslos zerrissenes Volk vor. Die innere Geschlossenheit der Nation musste Schritt für Schritt von der nationalsozialistischen Bewegung erkämpft werden. Während bei der Märzwahl 1933 die knappe Mehrheit mit 51,9% der Stimmen hinter dem Führer stand, erreichte die NSDAP bereits am 12. November 1933 92,2% aller Stimmen, um am 10. April 1938 auf über 99% zu steigen. Mit der inzwischen durchgeführten Abschaffung der Länder als Hoheitsträger steht nunmehr das deutsche Volk einig und geschlossen hinter dem Führer. Unauslöschlichen Dank schuldet das deutsche Volk der NSDAP für diese Leistung und unsere herrliche Bewegung ist zugleich der Garant dieser deutschen Einheit für alle Zukunft. Damit war die erste Voraussetzung für eine aktive Außenpolitik geschaffen. Gleichzeitig mit der Schaffung der deutschen Einheit hat sich der Führer sofort der zweiten Aufgabe zugewandt, nämlich der Beseitigung des Diktats von Versailles und damit der Deutschland aufgezwungenen völligen Wehrlosigkeit. Nichts kennzeichnet den damaligen militärischen Ohnmachtszustand des Reiches besser als die Tatsache, dass Deutschland mit seinem Hunderttausend-Mann-Heer, einer winzigen Flotte, keiner Luftmacht, keinerlei schweren Waffen, keinerlei Be-
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24. 1. 1939 Nr. 399 festigungen, entmilitarisierten Gebieten im Westen usw., usw. zu der Zeit kaum in der Lage gewesen wäre, auch einem kleinen potenziellen Gegner wie z.B. der Tschechoslowakei Paroli zu bieten. Vergeblich hatte Deutschland seit Jahren auf der Abrüstungskonferenz in Genf und die versprochene Abrüstung der anderen oder seine eigene Aufrüstung gekämpft. Bis Ende 1941 sollte Deutschland Zeichen seines guten Willens geben, ehe über den damaligen Zustand hinaus auch nur ein Mann aufgerüstet werden sollte. Der Führer hat, als er die Unmöglichkeit, die Gleichberechtigung auf dem Verhandlungsweg zu erreichen, erkannte, sofort hieraus die Konsequenz gezogen und mit einigen kühnen Entschlüssen zwei Jahre nach der Machtergreifung die deutsche Gleichberechtigung und Wehrfreiheit hergestellt. Heute rückblickend scheint für den Außenstehenden dies alles selbstverständlich und nicht mehr als eine normale Entwicklung zu sein. Nur der unmittelbar Beteiligte, der die Stunden dieser Entscheidungen mit dem Führer erleben durfte, weiß um die gigantische Größe und Gefährlichkeit dieses Weges zur deutschen Wehrfreiheit. Für die späteren Generationen aber werden diese Tage einmal historische Daten sein. Wenige Monate nach der Machtergreifung bereits begann, – wie Sie alle wissen, – meine Herren, die deutsche heimliche Aufrüstung größeren Stils. Um aber wirkliche Handlungsfreiheit zu gewinnen, war die erste Voraussetzung der am 14. Oktober 1933 erfolgte Austritt aus der Abrüstungskonferenz und aus dem Völkerbund. Abgeschlossen wurde die Entwicklung durch die öffentliche Verkündigung der allgemeinen Wehrpflicht am 16. März 1935. Es wäre nun ein großer Trugschluss zu glauben, dass Kühnheit allein genügt hätte, um Deutschland die Gleichberechtigung auf dem Wehrgebiet zu sichern. Ich bin in diesen Jahren vom Führer ständig mit Missionen im Ausland betraut gewesen, die letzten Endes nichts anderes zum Ziele hatten, als den Weg zur deutschen Aufrüstung Schritt für Schritt zu untermauern. Das Fundament dieser Deckungsund Ablenkungspolitik war der vom Führer am 17. Mai 1933 proklamierte Friedenswille des deutschen Volkes und die Bereitschaft, einen dauernden Ausgleich mit den westlichen Großmächten sowie mit dem größten östlichen Nachbarn Polen herbeizuführen.2 Es würde zu weit führen, heute die vielen Abrüstungs- und Friedensangebote und die zahlreichen sonstigen Einzelschritte, mit denen der Führer mich in diesen Jahren in mehr oder weniger allen Ländern Europas betraute, aufzuzählen. Das erste wichtigste Datum der deutschen Entlastungspolitik ist der 26. Januar 1934, an dem das Abkommen mit Polen3 geschlossen wurde, das damals und bis auf den heutigen Tag von vielen nicht verstanden wird. Ein zweiter und vielleicht der wichtigste Markstein dieser deutschen Entlastungspolitik ist das am 18. Juni 1935 abgeschlossene deutsch-englische Flottenabkommen4. Durch dieses wurde bekanntlich die deutsch-englische Flottenrivalität ausgeschaltet und England in seiner vitalsten Frage sichergestellt. Ich glaube nicht 2 Bezug genommen wird auf die Rede Hitlers vor dem Reichstag; vgl Domarus, Hitler. Reden und Proklamationen, Bd. I/1, S. 270–279. 3 Gemeinsame Erklärung der Deutschen Regierung und der Polnischen Regierung [über Nichtangriff] vom 26.1.1934. In: ADAP, Ser. C, Bd. II/1, Dok. 219, S. 411–412. 4 Englisch-deutsches Flottenabkommen vom 18.6.1935. In: Documents on British Foreign Policy 1919–1939, 2. Ser., Bd. XIII, London 1973, Dok. 348, Anhang, S. 430–432.
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zu viel zu sagen, dass das deutsche Opfer, das in diesem Abkommen letzten Endes lag, sich voll und ganz gelohnt hat, denn: Deutschland konnte durch Einschaltung dieses Sicherheitsfaktors gegenüber dem stärksten möglichen Gegner, d. h. also sozusagen auf diesem ruhenden Pol in den deutsch-englischen Beziehungen aufbauend, seine weitere erfolgreiche Außenpolitik gestalten. Wenn ich hier allerdings von einem deutschen Opfer spreche, so möchte ich an diesem Punkt doch nicht unterlassen zu bemerken, dass Deutschland über dieses Abkommen seinerzeit mehr als befriedigt sein konnte, denn dies bedeutete die erste vertragliche Anerkennung des Rechtes zur deutschen Aufrüstung und praktisch die Abschaffung der militärischen Klauseln des Versailler Vertrages. Der Entrüstungsschrei in Frankreich damals war der sprechendste Beweis hierfür, und auch in Deutschland hatte man die Durchsetzung der Forderung kaum zu hoffen gewagt. Um aber in vollem Umfang die Schwierigkeiten der damaligen Lage zu würdigen, muss man sich vergegenwärtigen, dass Deutschland seinerzeit das Objekt einer neuen Einkreisungspolitik Frankreichs war, die durch den französischen Außenminister Barthou in überaus geschickter Weise eingeleitet wurde. Ich darf in diesem Zusammenhang an die Ostpaktpolitik zur Knebelung Deutschlands, an das Bündnis Frankreichs mit Sowjetrussland, das Bündnis der Tschechoslowakei mit Sowjetrussland, den Eintritt Sowjetrusslands in den Völkerbund, die Vertiefung der Beziehungen Frankreichs zur Kleinen Entente, die Stresa-Front sowie die absolute Frontstellung der westlichen Großmächte gegen jegliche Änderung des Status quo in Europa erinnern. In dieser Lage war zur weiteren Sicherung der deutschen Unabhängigkeit und Freiheit die völlige Wiederherstellung der militärischen Hoheit des Reiches in seinen westlichen Grenzgebieten von einfach vitaler Bedeutung. Ich verrate Ihnen wohl kein Geheimnis, meine Herren, wenn ich, der ich auch in diesen Tagen beim Führer sein durfte, Ihnen sage, dass dieser Entschluss zur Wiedermilitarisierung des Rheinlandes der schwerste außenpolitische Entschluss war, den der Führer bisher überhaupt getroffen hatte. Ich entsinne mich genau der damaligen Lage, als dem Führer gemeldet wurde, dass den wenigen auf dem linken Rheinufer befindlichen deutschen Bataillonen gegenüber eine Armee von mehreren Hunderttausend Mann aufmarschiert sei. Gleichwohl blieb dem Führer im Hinblick auf die soeben geschilderte allgemeine gefährdete Lage, in der sich Deutschland in Europa befand, nichts anderes übrig, als den Schritt im vollen Bewusstsein aller damit verbundenen Gefahren und Risiken zu wagen. Hätte er diesen Entschluss damals nicht gefasst, so hätte er vielleicht niemals mehr gefasst werden können. Denn wie der Abschluss des französisch-sowjetrussischen Bündnisses und der damit verbundene Bruch des Locarno-Vertrages das entscheidende außenpolitische Ereignis war, um diesen Schritt zu rechtfertigen, so war der eben auf seinem Höhepunkt befindliche Abessinienkonflikt mit der dadurch herbeigeführten Spaltung der Stresa-Front die historische Gelegenheit, um diesen Schritt zu wagen. Mit diesem Schritt war der bis dahin allzu leichten französischen Intervention im Westen der erste Riegel vorgeschoben. — Aber auch dieser Schritt, der, wie wir uns alle aus der damaligen Erklärung des Herrn Garraut5 erinnern, immerhin haarscharf am Rand des Krieges vorbeiführte, denn die Franzosen hätten zu diesem Zeitpunkt mit einem Eingreifen 5
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So im Dokument; wahrscheinlich ist André Géraud gemeint.
24. 1. 1939 Nr. 399 noch sehr wenig riskiert, war letzten Endes nur möglich durch eine klassische außenpolitische Untermauerung in Gestalt eines umfassenden Friedensplanes, der u. a. die Bereitschaft zur Schaffung einer beiderseitigen entmilitarisierten Zone, einen Nichtangriffspakt zwischen Deutschland, Frankreich und Belgien auf 25 Jahre und vor allem Bereitschaft zum Abschluss eines westlichen Luftpaktes sowie die Bereitschaft zur Rückkehr in den Völkerbund enthielt. Ich habe seinerzeit im Auftrag des Führers am 19. März 1936 vor dem Völkerbund die deutsche These vertreten, und wenige Wochen später den deutschen Friedensplan in erweiterter Form den Mächten unterbreitet. Die damaligen Verhandlungen in London, in denen die Westmächte alle Register zogen, verliefen insofern günstig, als die Rheinlandbesetzung lediglich mit einer moralischen Verurteilung vor dem Völkerbund endete, Deutschland aber die lückenlose Besetzung des Rheinlandes ohne entmilitarisierte Zone und sogar die praktische Möglichkeit des Baues von Befestigungen für sich buchen konnte. Auf den Friedensplan Deutschlands aber kam von den Westmächten keine praktisch irgendwie verwertbare Antwort. Mit der Wiederherstellung der deutschen militärischen und territorialen Souveränität aber war innerhalb drei Jahren nunmehr der zweite Grundpfeiler für die außenpolitische Handlungsfreiheit für den Führer geschaffen. Durch die Schaffung der beiden ersten Voraussetzungen für die außenpolitische Handlungsfreiheit, nämlich erstens die Herstellung der deutschen Einheit und zweitens die Wiederaufrichtung der deutschen Wehrhoheit war Deutschland nunmehr bündnisfähig geworden. Während bisher die deutsche diplomatische Tätigkeit sich ausschließlich auf die Untermauerung der außenpolitischen Entschlüsse des Führers, die in ihrer Wirkung über die Reichsgrenzen nicht hinausgriffen, erstreckte, waren nunmehr die Voraussetzungen zu einer aktiven und schöpferischen Außenpolitik gegeben. Deutschland musste nunmehr früher oder später optieren und sich seine Freunde suchen. Der Weg wies hier vor allem nach England, mit dem der Führer bereits seit Jahren eine Verständigung und ein Zusammengehen anstrebte. Die Frage, ob eine deutsch-englische Verständigung auf einer dauernden Basis herzustellen war, war zunächst für Deutschland entscheidend. Der Flottenvertrag von 1935 schien hierzu ein verheißungsvoller Auftakt zu sein. Ich habe damals im Auftrag des Führers nach Abschluss des Flottenvertrags den englischen Staatsmännern erklärt, dass nunmehr nach diesem ersten Schritt der zweite folgen müsse, um das deutsch-englische Verhältnis auf eine Dauerbasis zu stellen. Ich bin in der darauffolgenden Zeit zu wiederholten Malen in England gewesen, um ganz konkrete Angebote des Führers dort zu unterbreiten, und zur Förderung derselben eine Zusammenkunft des Führers mit dem englischen Ministerpräsidenten6 vorzuschlagen. Ich kann Ihnen heute sagen, dass zweimal eine solche Zusammenkunft bereits in allen Einzelheiten besprochen war, und dass jedes Mal im letzten Augenblick wieder teils französische Einflüsse, teils Einflüsse sonstiger anonymer Kräfte diese Zusammenkünfte inhibiert haben. Die Angebote, die ich den Engländern machte, umfassen im Wesentlichen immer drei Punkte: 1. die bereits vollzogene Einigung in der Flottenfrage von 100 : 25 Prozent als ein Definitivum, 6
Stanley Baldwin.
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2. die Garantierung der zwischen Deutschland und England liegenden Länder, d. h. der beiden traditionellen neutralen Staaten Holland und Belgien und nunmehr auch Frankreichs, dessen Garantierung nach der Baldwinschen These von Englands Grenze am Rhein im Hinblick auf die luftstrategische Lage für England heute dieselbe Bedeutung hat wie früher Belgien und Holland, 3. das Angebot eines Bündnisses mit der Maßgabe, dass England gewissen deutschen Revisionsforderungen im östlichen Mitteleuropa keine Hindernisse in den Weg lege und den deutschen Kolonialbesitz zurückgebe, wogegen Deutschland sich bereit erklärte, England in der Aufrechterhaltung seines Imperiums gegebenenfalls durch Zurverfügungstellung seiner gesamten Flotte und auch von Landstreitkräften zu unterstützen. Diese Angebote lagen durchaus im Rahmen der traditionellen englischen Politik, die sich bekanntlich seit Jahrhunderten auf drei vitale europäische Interessen Englands erstreckte: 1. die Beherrschung der Meere, 2. die Unantastbarkeit der sog. low countries: Belgien und Holland, 3. das Gleichgewicht der Kräfte. Für diese drei Prinzipien ist England seit Jahrhunderten immer zum Kriege geschritten. Fast unglaublich will es uns heute scheinen, dass die englischen Staatsmänner es trotz langwieriger Verhandlungen fertiggebracht haben, jedes der deutschen Angebote, die diesen vitalen englischen Interessen in jeder Weise gerecht wurden, und zwar trotz der hartnäckigsten Versuche, ja des Drängens Deutschlands, immer wieder abzulehnen. Neben den entscheidenden machtpolitischen Gründen hat hierbei vielleicht noch folgendes mitgespielt: die damalige grundsätzliche Ablehnung des Nationalsozialismus durch breite Schichten der englischen öffentlichen Meinung und die Hoffnung dieser Schichten auf einen zunächst politischen und später wirtschaftlichen Zusammenbruch des Dritten Reiches. Wie stark der Wunsch Deutschlands war, zu einer Verständigung mit England zu kommen, ergibt sich insbesondere noch aus der Tatsache, dass im Sommer 1936 der Führer, der eigentlich die Absicht hatte, seinen außenpolitischen Mitarbeiter in der Berliner Zentrale zu verwenden, sich im letzten Augenblick entschloss, mich zum Vertreter des Reiches in London zu ernennen. Eins ist jedenfalls sicher, dass die deutsche außenpolitische Führung, ganz gleich, was die Zukunft auch bringen mag, damals alles Menschenmögliche getan hat, um die deutsch-englische Verständigung herbeizuführen. Als nun im weiteren Verlauf meiner Tätigkeit in London sich mehr und mehr herausstellte, dass sich einer Verständigung mit England sowohl weltanschaulich als auch machtpolitisch fast unüberwindliche Hindernisse entgegenstellten, hat der Führer nicht einen Augenblick gezögert, hieraus die einzig richtige Konsequenz zu ziehen, nämlich seine Freunde und Bundesgenossen unter den Mächten zu suchen, die zu einem solchen Zusammengehen bereit waren. Sowohl die weltanschauliche Verbundenheit als auch die sich immer mehr herausstellende Gemeinsamkeit der Interessen führte im weiteren Verlauf zu der europäischen Konstellation, die heute für die Welt als Achse Berlin – Rom ein Begriff geworden ist. Bereits der Nichtbeitritt Deutschlands zu den Sanktionen im Abessinienkrieg sowie die Unterstützung Mussolinis in unserem Kampf um Gleichberechtigung hatten der Entwicklung der natürlichen Bundesgenossenschaft zwischen Italien und uns den Weg geebnet.
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24. 1. 1939 Nr. 399 Immer mehr vertieft wurde diese Freundschaft durch den gemeinsamen Kampf gegen den Bolschewismus in Spanien, wo zum ersten Mal deutsche und italienische Soldaten gemeinsam kämpften. Bei der weiteren Gestaltung der deutschen Bündnispolitik musste naturgemäß der weltanschauliche Kampf gegen die zersetzenden Mächte des Bolschewismus von ausschlaggebender Bedeutung sein. Bei den Westmächten, die teils aus Unverständnis, teils aus machtpolitischen Erwägungen, eher eine prosowjetische, zumindest aber eine russlandfreundliche Politik führten, war in dieser Beziehung nichts zu erwarten. Nichts war daher natürlicher, als dass Deutschland sich Japan zuwandte, das bereits seit Jahren im schärfsten, sowohl machtpolitischen wie weltanschaulichen, Gegensatz zu der Komintern und ihrem Ursprungsland Russland stand. Bereits seit mehreren Jahren hatte ich daher im Auftrag des Führers mit der japanischen Regierung vertrauliche Verhandlungen geführt, die im November 1936 im Abschluss des deutsch-japanischen Abkommens7 gegen die Kommunistische Internationale ihren Niederschlag fanden. Man hat mancherorts diese Japanpolitik Deutschlands zunächst nicht verstanden, sondern weite Kreise haben in der Zeit immer noch mit dem Gedanken gespielt, dass man früher oder später zu einer Verständigung mit Sowjetrussland kommen könnte. Dass diese Auffassung auf einer grundsätzlichen Verkennung der weltanschaulichen und machtpolitischen Gegebenheiten beruhte, dürften die letzten beiden Jahre in Russland selbst wie im Fernen Osten gezeigt haben. Zwischen Nationalsozialismus und Bolschewismus konnte und kann es niemals einen Kompromiss geben. Im Gegenteil, ein Kompromiss mit diesem Todfeind der Ordnung wäre die einzige Möglichkeit, die Durchschlagkraft der nationalsozialistischen Idee zu lähmen und damit vielleicht sogar eines Tages wieder die Einheit des deutschen Volkes zu gefährden. Aus all diesen Gründen konnte es für Deutschland immer nur eine Politik, nämlich die gegen Russland geben, und jede ebenfalls gegen Russland eingestellte Macht von Bedeutung war der natürliche Bundesgenosse Deutschlands. Oft bin ich in den letzten Jahren gefragt worden, ob nicht eine Neutralität in dem Konflikt zwischen China und Japan, ja sogar eine Parteinahme eher auf der chinesischen als auf der japanischen Seite der für Deutschland gegebenere Weg sei. In diesem Zusammenhang ist auch die Zurückziehung der deutschen Militärberater aus China teilweise bei uns missverstanden worden. Meine Herren, ich kann hierzu nur folgendes sagen: Wenn die außenpolitische Führung einmal eine Macht als den gegebenen Feind erkannt hat, so ist es der schlimmste Fehler, den sie machen kann, wenn sie sich dann nicht konsequent – ganz gleich, wo sonst ihre Sympathien liegen mögen – mit den Mächten verbündet, die ihr in ihrem Kampf gegen diesen erkannten Hauptfeind die größtmögliche Entlastung bieten können. Dass China, seit unvordenklicher Zeit politisch im tiefen Schlaf lag und ohnmächtig war, war ja jedermann bekannt, und ebenso klar war, dass dieses schwache China nicht plötzlich aus seiner Ohnmacht heraus innerhalb der nächsten für die deutsche Zukunft entscheidenden Jahre eine starke Armee gegen Russland aufstel7 Für den Wortlaut des zwischen Deutschland und Japan am 25.11.1936 in Berlin abgeschlossenen Abkommens gegen die Kommunistische Internationale (Antikomintern-Pakt) vgl. Reichsgesetzblatt 1937, Teil II, S. 28–30. Zur geheimen Anlage zum deutsch-japanischen Abkommen vgl. ADAP, Ser. C, Bd. VI/1, Dok. 57, S. 116–120.
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len oder gar eine Flotte von dreadnoughts bauen konnte. Es gab also für Deutschland gar keine andere Wahl als Japan. Die Ereignisse des letzten Jahres haben die Richtigkeit dieser Politik des Führers in schlagendster Weise bestätigt, denn Japan hat durch den heroischen Geist seiner Armee in den vergangenen anderthalb Jahren, ohne die geringste Einmischung der Großmächte Russland, Frankreich, England und Amerika, die wichtigsten Teile Chinas erobert, und vor allem fast die gesamte chinesische Küste in der Hand. Es kann kein Zweifel herrschen, dass Japan heute in weitgehendstem Maße Ostasien beherrscht. Eine bewundernswerte Leistung dieser heldenhaften Nation. Was nun die wirtschaftlichen Argumente betrifft, die oft ins Feld geführt werden, warum man zwischen Japan und China eine Kompromisspolitik hätte treiben sollen, so habe ich wohlbegründeten Anlass zu der Überzeugung, dass nach vorübergehenden Schwierigkeiten auf dem chinesischen Markt unsere Kaufleute unter einer zukünftigen japanfreundlichen chinesischen Regierung größere Geschäfte machen können als je vorher. Abmachungen mit Japan sind in dieser Hinsicht in Vorbereitung. Es war eine natürliche und logische Entwicklung, dass dem AntikominternVertrag zwischen Deutschland und Japan der Achsenpartner Italien beitreten würde, uns so kam bereits im November 1937 das weltpolitische Dreieck Berlin – Rom – Tokio8 zustande. Dieses Dreieck, auf weltanschaulicher Basis fundiert, aber mit realpolitischer Tragweite gedacht, ist berufen, ein völlig neues Schwergewicht in der Mächtegruppierung der Welt herbeizuführen. Das weltpolitische Schwergewicht dieser Konstellation der drei Großmächte kam bereits in vollem Umfang im Jahre 1938 in der Außenpolitik des Dritten Reiches zur Auswirkung. Niemals wäre das gewaltige Ergebnis dieses Jahres, nämlich die Heimführung der zehn Millionen Deutschen Österreichs und des Sudetenlandes in das Altreich und damit die Errichtung Großdeutschlands ohne diese von Führer weitschauend herbeigeführte Mächtekonstellation möglich gewesen. Die gewaltigen Ereignisse des Jahres 1938 sind in ihrem Ablauf ja jedem gegenwärtig. Trotzdem halte ich es für richtig, im Hinblick auf die Bedeutung dieses Jahres für die weitere Gestaltung unserer Außenpolitik hier nochmals diese Ereignisse, so wie sie sich der außenpolitischen Führung dargestellt haben, zu erläutern. Die Voraussetzungen für eine glückliche Lösung der schon im Parteiprogramm geforderten Zusammenfassung aller Deutschen war die restlose Konzentration aller Kräfte in der Hand des Führers. Diese wurde durch die Entscheidungen des 4. Februar, in denen der Führer endgültig u. a. die Befehlsgewalt über die gesamte Wehrmacht übernahm, vollzogen.9 Bereits im selben Monat wurde die österreichische Frage akut und führte in wenigen Wochen und in idealer Zusammenarbeit zwischen außenpolitsicher Leitung, Wehrmacht und Partei unter persönlicher Leitung des Führers am 13. März zur Wiedervereinigung Österreichs mit dem Reich. Die Haltung Mussolinis bei der delikaten Frage war von einer Großzügigkeit und Weitzügigkeit und fand in dem Telegramm des Führers10, dass er „dies Mussolini nie vergessen werde“ beredeten Ausdruck. 8 9 10
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Vgl. Dok. 159, Anm. 4. Vgl. Dok. 217. Vgl. Ursachen und Folgen, Bd. XI, Dok. 2622 d, S. 658.
24. 1. 1939 Nr. 399 Die glänzende Durchschlagskraft der nationalsozialistischen Weltanschauung und der parteilichen Organisation konnte sich einen Monat später in der österreichischen Wahl erweisen, indem in Österreich fast 100% und im Reich 99% Stimmen sich auf den Führer vereinigten. Ich darf erwähnen, dass ich mich zur Zeit dieser österreichischen Krise zufällig in London befand, wo mir die Aufgabe zufiel, den deutschen Standpunkt der englischen Regierung zu verdeutlichen und wobei ich bedauerlicherweise auch diesmal wieder feststellen musste, dass England in der Frage der Wiedervereinigung gegen uns stand und erst nach manchem fast dramatischen Verhandlungsverlauf sich der Macht der Tatsachen beugte. Wenige Wochen später schon trat auch die tschechische Krise *in ein akutes Stadium, und nach den Provokationen des Herrn Benesch vom Mai war der Entschluss des Führers gefasst, das sudentendeutsche Problem im Laufe des Jahres 1938 so oder so, d. h. durch Abtretung*11 des Sudetenlandes auf dem Wege der Verhandlungen oder durch einen Schwertstreich zu lösen. Wiederum ist es interessant, die Rolle Englands während dieser Krise zu beleuchten. Von englischer Seite wird immer wieder die Behauptung verbreitet, Chamberlain habe durch seine Politik im Sommer und Herbst 1938 den Frieden Europas gerettet. Dieser Behauptung kann nicht scharf genug widersprochen werden, denn heute steht es fest, dass die tschechische Haltung im Mai nur dadurch hervorgerufen wurde, dass England Herrn Benesch den Rücken stärkte und ihn glauben machte, dass im Falle einer bewaffneten Intervention Deutschlands er auf die Hilfe der Westmächte rechnen könnte. Besonders krass zeigte sich diese Haltung Englands, als auf die tschechische Mobilisierung und Provokation hin Deutschland im Mai nicht marschierte. Das Resultat war nämlich eine wüste Hetze in der gesamten Internationalen Presse gegen Deutschland. Es wurde nunmehr auf allen Wegen proklamiert, Deutschland sei schwach, es sei nur vor der Interventionsdrohung des englischen und französischen Botschafters12 in Berlin im letzten Augenblick zurückgewichen usw. Demgegenüber möchte ich hier ein für alle Mal feststellen, dass es zu einer ultimativen Intervention weder Englands noch Frankreichs jemals in Berlin gekommen ist. Der Bluff Englands wurde also so weit getrieben, dass der englische Botschafter bereits für sein gesamtes Personal die Eisenbahnkarten für England bestellt hatte. Als damals der englische Botschafter mich im Auswärtigen Amt aufsuchte und mir mitteilte, Frankreich würde gezwungen sein, im Falle eines deutschen Angriffes zu intervenieren, und England könnte auch ohne vertragliche Bindung durch die Umstände bzw. aus politischer Notwendigkeit gezwungen werden, einzugreifen, erklärte ich ihm wörtlich, „falls diese Mitteilung eine Drohung für uns bedeuten solle, so müsse ich eine solche Drohung, die die deutsche Regierung nicht berühre, sondern eiskalt lasse, ablehnen. Eine solche Drohung könnte ja nur bedeuten, dass Frankreich und England Deutschland den Krieg erklären wollten, wenn es sich nicht bereitfände, stillschweigend zuzusehen, wie tagtäglich von einem minderwertigen Volkstum das Blut wehrloser Deutscher an seinen Grenzen vergossen werde. Deutschland werde unter keinen Umständen die Vernichtung des deutschen Volkstums mit ansehen. Wenn Frankreich wirklich so wahnsinnig sein 11 12
Der Text ist am linken Seitenrand angestrichen und mit einem Häkchen versehen. Nevile Henderson und André François-Poncet.
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sollte, uns anzugreifen, so würde dies vielleicht seine größte Niederlage in der Weltgeschichte werden, und wenn England sich dem anschlösse, so würden wir eben nochmals bis aufs Messer kämpfen müssen.“ Die Antwort des Führers in dieser Lage war der Befehl zum Bau der Westbefestigungen und zu einer weiteren Bereitstellung militärischer Kräfte zur Lösung der tschechischen Frage und aller Eventualitäten, die sich aus einem solchen Konflikt ergeben konnten. Auch in der Folge setzte England diese Rückenstärkung des Herrn Benesch fort. – Eine neue Einmischung stellte die ohne Befragen, ja, ohne vorherige Benachrichtigung der deutschen Regierung erfolgte Entsendung Lord Runcimans nach Prag dar. Als die Krise auf dem Höhepunkt angelangt war, erklärte das britische Foreign Office im Verfolg dieser Rückenstärkung des Herrn Benesch, dass im Falle eines Angriffs Deutschlands auf die Tschechoslowakei Frankreich verpflichtet sei, dieser zu Hilfe zu kommen und dass dann Großbritannien und Russland sicherlich auf der Seite Frankreichs zu finden sein würden. Diese Erklärung stellte sich aber zwei Tage später als ein erneuter Bluff heraus, als Chamberlain angesichts der eisernen Entschlossenheit des Führers, ohne weitere Verzögerung eine Lösung der sudetendeutschen Frage, so oder so, herbeizuführen, in seiner Rundfunkansprache vom 27. September wörtlich erklärte „wie sehr auch unsere Sympathien auf der Seite einer kleinen Nation sein mögen, die sich einem großen und mächtigen Nachbarn gegenübersieht, so können wir es doch nicht auf uns nehmen, allein um ihretwillen unser gesamtes Imperium unter allen Umständen in einen Krieg zu verwickeln. Wenn wir kämpfen müssen, so muss es um größere Fragen gehen als um diese.“ Wenn England von Anfang an diese Haltung eingenommen hätte, so wäre die tschechische Krise überhaupt nicht oder zumindest nicht in dieser Schärfe zu einer Friedensbedrohung in Europa geworden. Da ist die wahre Geschichte von Chamberlains Friedensrettung im Jahre 1938. Ich persönlich bin von Chamberlains Friedenswillen an sich überzeugt, aber ich kenne zu gut die außenpolitische Taktik des Foreign Office, um nicht zu wissen, dass die Dinge dadurch oft ganz andere Gestalt annehmen, als selbst ein englischer Premierminister dies haben möchte. Wenn man Chamberlain schon ein Verdienst an der Rettung des Friedens zuschreiben will, dann das, dass er die englische Kriegsdrohung, die diese Verschärfung der Krise erst herbeigeführt hätte, rechtzeitig wieder ausgeräumt hat. Nicht Chamberlain, sondern die überlegene Staatskunst des Führers, durch die – wiederum in loyaler, ja idealer Weise unterstützt von Mussolini, der erklärte, komme, was wolle, bei uns zu stehen – dann die Münchener Vereinbarung zustande kam, war es, die einen deutsch-tschechischen Krieg verhindert hat. Dass aus einem solchen deutsch-tschechischen Konflikt niemals ein europäischer Krieg entstanden wäre, d.h., dass weder England noch Frankreich jemals gewillt waren, auch nur einen Soldaten für die Tschechoslowakei in Bewegung zu setzen, dies war von Anfang an die Überzeugung der außenpolitischen Führung, und heute ist durch die inzwischen bekannt gewordenen Tatsachen einwandfrei erwiesen, wie richtig diese Auffassung war. Die absolute Entschlossenheit, die starken Nerven und das eiserne Herz des Führers sowie die marschierenden deutschen Divisionen,
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24. 1. 1939 Nr. 399 haben auch in dieser Frage gegen scheinbar unüberwindliche Widerstände die Befreiung unseres Sudetenlandes erreicht. Die außenpolitische Auswirkung des Jahres 1938 geht aber über die Befreiung des Sudetenlandes weit hinaus. Geschichtlich ist in diesem Jahr durch die Vereinigung aller Deutschen in einem großen deutschen Reich und den strategisch entscheidenden Einbruch in das französische Bündnissystem des Ostens die seit 300 Jahren von Frankreich konsequent verfolgte These Richelieus gescheitert. Wenn wir nunmehr die Bilanz der deutschen Außenpolitik nach sechs Jahren nationalsozialistischer Staatsführung ziehen, so kommen wir zu folgendem Gesamtbild: Deutschland ist heute allein mit seinem Volk von 80 Millionen die überragend stärkste Kontinentalmacht mit ansteigender Geburtenkurve. Es ist die bestgerüstete Nation der Welt, es hat die stärkste Luftflotte, es ist im Begriff, eine starke neue Seemacht aufzubauen, es besitzt undurchdringliche Befestigungen in West und Ost. Seine außenpolitische Lage in der Welt ist so günstig wie noch nie bisher in der deutschen Geschichte. Deutschland stellt mit Italien in der Achse einen machtvollen Block von 125 Millionen Menschen dar, wobei zu bedenken ist, dass das Italien Mussolinis und der Dynamik des Faschismus einen gänzlich neuen Machtfaktor und wertvollen, zuverlässigen Bundesgenossen darstellt. Seine Armee, seine Luftflotte, seine U-Boote und hinter ihnen die Kraft des Titanen Mussolini beherrscht bereits heute praktisch den größten Teil des Mittelmeeres. In ihrer Politik des weltpolitischen Dreiecks bilden Deutschland und Italien mit 125 Millionen Japanern einen Weltblock von 250 Millionen Menschen, wozu noch 10 Millionen Ungarn kommen, also 260 Millionen Menschen. Diese 260 Millionen Menschen, zu denen in Zukunft noch manch andere Nation sich gesellen wird, haben zweifellos die gleichen Interessen und dies bietet die sicherste Gewähr für die Festigkeit ihres Zusammenhalts. Hinzu kommt, dass Deutschland heute im Osten eine Bedrohung kaum noch zu befürchten hat: Denn Russland ist durch innere Selbstzerfleischung, technische Unfähigkeit und seine Furcht vor Japan im Osten auf lange Zeit hinaus gelähmt. Ungarn und Jugoslawien sind seit langem mit uns in Freundschaft verbunden, und auch mit Polen haben wir den Ausgleich gefunden und sind gewillt, auf diesem Wege weiter zu schreiten und ein immer freundschaftlicheres Verhältnis herzustellen. Die West-Tschechei fällt machtpolitisch völlig aus. Die bedeutsamste Aufgabe der deutschen außenpolitischen Führung, bestimmt durch Deutschlands geographische Lage, nämlich die Verhinderung des ZweiFronten-Krieges, ist damit nach menschlichem Ermessen bereits heute gelöst. Mit Recht hat die französische Presse zum Jahreswechsel geschrieben, dass Deutschland heute außenpolitisch alle Trümpfe in der Hand habe, denn in der Tat, wer will heute leichtfertig einen Krieg gegen die Achse Rom – Berlin vom Zaune brechen? Mit seinen Westbefestigungen und ohne einen ernsthaften Gegner im Osten hat zweifellos heute Deutschland das Gesetz des Handels in der Hand. Demgegenüber ist festzustellen, dass die Mächte des Status quo, d. h. also die westlichen Demokratien, sich heute zweifellos in der Defensive befinden. England und Frankreich mit je nur 40 Millionen Menschen, innerlich zerspalten und mit hoffnungslosem Absinken der Geburtenkurve und bei der in der heutigen Weltkonstellation fragwürdigen Unterstützung durch ihre Kolonien im Kriegsfall sind
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aus der noch vor wenigen Jahren beherrschenden Stellung verdrängt. Würde England heute in einen europäischen Krieg verwickelt, so müsste es unter allen Umständen auf drei Kriegsschauplätzen kämpfen, was eine ungeheure Zersplitterung seiner Macht bedeuten würde. Die englische Politik sucht hierfür einen Ausgleich durch enge Verbindung mit den Vereinigten Staaten zu finden. Durch eine große Propaganda versucht es, die Vereinigten Staaten zur Bundesgenossenschaft zu bestimmen, und Roosevelt versucht, sein Land in ideologischen Gegensatz zu Deutschland hineinzutreiben, ohne aber auf die Dauer bei den mehr an einer Wiederherstellung der Prosperität als an einer kostspieligen, sinnlosen und gefährlichen Intervention in Europa interessierten Massen seines Volkes Anklang zu finden. Ich bin der festen Überzeugung, dass Amerika sich nicht so leicht in einen europäischen Krieg hineinziehen lassen wird. Sicher aber ist, dass es am wahrscheinlichsten nicht durch eine Politik der Schwäche, sondern durch eine Politik der Stärke, und das ist unsere Politik mit Japan, von solchen risikovollen Abenteuern abgehalten werden kann. Ich komme nun zum Schluss meiner Ausführungen: Meine Herren, wenn ich Ihnen heute einen kurzen Abriss nur der wichtigsten Ereignisse und Erfolge der deutschen Außenpolitik innerhalb der letzten Jahre gab und Ihnen den Weg der Kühnheit und Stärke, den der Führer gegangen ist, und der zu der derzeitigen beispiellosen Großmachtstellung Deutschlands geführt hat, zeigte, so soll dies aber keineswegs bedeuten, dass ich als der dem Führer für die Durchführung der Außenpolitik verantwortliche Minister nun etwa einer aggressiven Kriegspolitik das Wort reden möchte. Nichts liegt mir ferner. Auch in Zukunft wäre ich über nichts froher, als wenn die Durchsetzung der berechtigten Ansprüche Deutschlands und seiner Freunde dem von der Münchener Vier-Mächte-Konferenz beschrittenen Wege erfolgen könnte. Dass auch die Leitung der deutschen Außenpolitik durchaus die Möglichkeit einer Überbrückung der Gegensätze des Blocks der jungen Staaten zu den Westmächten zieht, geht ja deutlich aus den Erklärungen hervor, die der Führer am 30. September mit dem englischen Premierminister in München unterzeichnete und dem deutsch-französischen Abkommen, das ich am 6. Dezember 1938 in Paris vollzog. Die Frage, in welcher Weise diese Überbrückung weiterhin gestaltet und vertieft werden kann, wie insbesondere doch noch ein Ausgleich mit England gefunden werden könnte, möchte ich dahingestellt sein lassen. Zunächst müssen hier noch eine Anzahl Fragen, wie z. B. der spanische Krieg, das italienisch-französische Verhältnis sowie der China-Konflikt geklärt werden. Aber auch dann ist eins sicher, dass Verhandlungen mit England oder den Westmächten für Deutschland erst dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn bei deren Regierungen die grundsätzliche Bereitwilligkeit besteht, die deutschen berechtigten Ansprüche anzuerkennen und diese Regierungen die Macht haben, die Anerkennung dieser Ansprüche bei ihren eigenen Völkern durchzusetzen. Kein Zweifel kann bestehen, dass heute z. B. England zu Verhandlungen über den deutschen Anspruch auf Rückgabe seiner gesamten ehemaligen Kolonien noch keineswegs reif ist. Da die Dinge aber so liegen, wäre es ein Fehler, heute schon in irgendwelche Verhandlungen einzutreten, die mangels der nötigen Verständigungsbereitschaft auf der anderen Seite letzten Endes nur zu einem tieferen Riss zwischen den Völkern führen müssten und deren Fehlschlagen nach bekannter Methode wahrscheinlich wieder propagandistisch nach jeder Richtung hin gegen
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24. 1. 1939 Nr. 399 Deutschland ausgewertet würde. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben uns gezeigt, dass auf dem Wege der freundschaftlichen Verhandlungen mit England für Deutschland nur wenig zu erhoffen ist. Nur die Politik der Stärke kann hier zum Erfolg und zur Befriedigung der deutschen Wünsche und damit auch letzten Endes zu einer Überbrückung der Gegensätze führen. Indem wir warten, bis eine reale Verhandlungsbasis gegeben ist und wenn die westlichen Demokratien, wie ich ihren Vertretern kürzlich sagte, inzwischen alles tun, um durch Abbau ihrer Pressehetze gegen Deutschland eine günstige Atmosphäre für spätere Verhandlungen vorzubereiten, tun wir nach meiner Auffassung mehr für die Erhaltung des Friedens, wenn wir uns heute an den Verhandlungstisch setzen und den Völkern nur neue Enttäuschungen und damit den Boden für Konflikte bereiten. Das Ziel der deutschen Außenpolitik aber liegt nach wie vor klar vor uns: Erweiterung des deutschen Lebensraumes in Europa und seine Sicherung für alle Zeiten und Schaffung eines der Größe Großdeutschlands entsprechenden Kolonialreichs. Zur Erreichung dieses Zieles aber muss bei der derzeitigen Weltlage die eiserne Richtschnur unseres zukünftigen Handelns sein: 1. die Einheit des deutschen Volkes über allem, 2. jederzeit[ig]e Bereitschaft, politisch, militärisch und wirtschaftlich für jede Eventualität und 3. bedingungsloses Festhalten an unseren Freundschaften und deren systematische Festigung und Vermehrung. Meine Herren, das hohe Ziel der Außenpolitik ist die Stärke, Größe, Macht, das Glück und die Wohlfahrt eines Landes und eines Volkes. Sollte bei der Verwirklichung dieses Zieles eines Tages die Münchener Methode nicht mehr ausreichen und es bei Eintreten für die vitalen Lebensinteressen und die Zukunft des deutschen Volkes zum Kriege kommen, so sind die deutschen Divisionen, die Sie, meine Herren, die Ehre haben, zu kommandieren, unter der Führung des Obersten Befehlshabers der Wehrmacht, unseres großen Führers, der Garant des Sieges. Auf erstem Blatt oben Stempel: Geheime Kommandosache und 2. Ausfertigung. BA MA, RM 20/1637, Bl. 266-288.
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Nr. 400 Auszug aus einer an den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov gerichteten Sammlung von Agenturmaterialien Nr. 400 24. 1. 1939 24. 1. 1939 Ganz geheim Expl. Nr. 3 [24.01.1939] Aufklärungsverwaltung der RKKA SAMMLUNG VON MATERIALIEN ZU MILITÄRPOLITISCHEN FRAGEN1 (Januar 1939) Moskau 1939 [...]2 DIE AUßENPOLITIK DES DEUTSCHEN FASCHISMUS UND DIE INNERE LAGE DEUTSCHLANDS IM URTEIL DER DEUTSCHEN MILITÄRISCHEN VERTRETER IN WARSCHAU Der Luftattaché an der deutschen Botschaft in Warschau und der deutschen Mission in Bukarest, *Oberst Gerstenberg*3, hatte Anfang Januar 1939 ein Gespräch mit einem „ideologischen“ Vertreter der Nationalsozialistischen Partei und aktivem Organisator der „Schutzstaffeln“ in Danzig. Nach Angaben der Quelle beleuchtete letzterer ausschließlich die „positiven Seiten“ der Nationalsozialistischen Partei und des III. Reiches, und aus diesem Grund ist seine vorliegende Erklärung besonders aufschlussreich. Gerstenberg hat im Gespräch mit ihm anscheinend Folgendes gesagt: „Die deutsch-rumänischen Beziehungen, die nach dem Treffen des rumänischen Königs Carol mit Göring4 für Deutschland eine günstige Entwicklung [zu nehmen] versprachen, haben sich in den letzten Wochen stark verschlechtert. Als Grund dafür dienten die Maßnahmen des rumänischen Königs gegen die „Eiserne Garde“ und die Erschießung von Codreanu5. Unter dem Eindruck dieser Ereignisse wies Hitler auf Initiative von Goebbels die deutsche Presse an, die angeführten Ereignisse in Rumänien als „Schande zu verunglimpfen“6, und verbot das Tragen der 1 In dem Begleitschreiben an Vorošilov vom 24.1.1939 mit der Nr. 472067ss und dem Vermerk „Ganz geheim“ auf dem Kopfbogen der Aufklärungsverwaltung der RKKA teilte der Stellv. Chef der Aufklärungsverwaltung der RKKA Orlov mit, dass die Sammlung auf den „Meldungen der Quelle beruht, die in deutschen diplomatischen Kreisen in Warschau verkehrt“. In: RGVA, f. 33989, op. 3a, d. 1237, l. 70. 2 Ausgelassen sind: Das Inhaltsverzeichnis (l. 72) und die Kapitel „Vorbereitung des Besuchs von Beck in Berlin“ (l. 73–75), „Knappe Inhaltsangabe des Gesprächs Ribbentrops mit Bonnet während des Aufenthalts von Ribbentrop in Paris“ (l. 76–77), „Die polnischdeutschen Beziehungen im Urteil des neuernannten polnischen Botschafters im Iran“ (l. 77). 3 Der hier und im Folgenden so gekennzeichnete Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen, mit Ausnahme der Fälle, die gesondert gekennzeichnet sind. 4 Am 26.11.1938. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. V, Dok. 257, S. 288–290. 5 Corneliu Zelea Codreanu wurde am 30.11.1938 ermordet. 6 Vgl. Die Tagebücher von Joseph Goebbels, Teil I, Bd. 6, S. 210.
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24. 1. 1939 Nr. 400 rumänischen Orden, die von Carol während seines Besuchs in Deutschland verliehen wurden (diese Orden sollen dem deutschen Außenministerium zurückgegeben werden)7. Carol antwortete auf diese Kampagne mit dem Abbruch des eben erst angebahnten Kontaktes zu Deutschland8 und strebt an, die während seiner Reise nach Deutschland fertiggestellten Pläne zur deutsch-rumänischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wirtschaft, insbesondere zur Ausbeutung der rumänischen Erdölquellen durch die deutsch-rumänische Erdölgesellschaft, zum Scheitern zu bringen. Göring und Ribbentrop sind durch eine solche Wendung der Angelegenheit außerordentlich beunruhigt. Göring hält das Auftreten der deutschen Presse gegen Carol für politisch nicht zweckdienlich und führt dies ausschließlich auf die Bemühungen von Goebbels zurück, dem es gelungen sei, auf der Grundlage von gefälschten Dokumenten Hitler von der *Notwendigkeit antirumänischer Handlungen zu überzeugen. Als Folge der falschen deutschen Politik gegenüber Rumänien erfolgte nicht nur der Abbruch der Kontakte zwischen Berlin und Bukarest, sondern auch eine spürbare Annäherung zwischen Rumänien und Polen.*9 Dies hätte man mit einer Fortführung des von Göring initiierten politischen Kurses gegenüber Rumänien verhindern können, eingedenk der Tatsache, dass Rumänien *als wirtschaftliche Versorgungsbasis für Deutschland und als strategisches Aufmarschgebiet gegen die Sowjetunion* von gewaltiger Bedeutung ist. *Die Entwicklung der Militärpolitik in letzter Zeit zeigt, *dass sich die Vorbereitung des Krieges gegen die Sowjetunion und die Vorbereitung auf die Entscheidung des Ostproblems eine lange Zeit hinziehen wird*10. Diese Tatsache sorgt für Unruhe, weil die Frist für die Liquidierung der Sowjetunion 1939 ausläuft. Sollte Deutschland nicht die inneren Schwierigkeiten der Sowjetunion für deren Liquidierung nutzen und sollte es nicht in der Lage sein, diese in Form einer militärischen Intervention nutzen? *Die charakteristischen Momente im Leben des Reiches rufen eine skeptische Antwort auf diese Frage hervor.* Jetzt herrscht die einhellige Meinung vor, dass die oppositionelle Stimmung des deutschen Volkes gegenüber dem *nationalsozialistischen Regime noch niemals so stark wie jetzt gewesen ist*. Bei einem derartig gesonnenen deutschen Volk Enthusiasmus auszulösen, der für einen Feldzug gen Osten erforderlich ist, ist außerordentlich schwer. Das Volk **in Deutschland sagt: „Spucken wir auf die Ukraine, wir wollen Ruhe und ein anständiges Essen haben.“ Eine derartig schwierige innenpolitische Situation beunruhigt die Reichsregierung stark. Dazu kommen noch die Zwistigkeiten in den herrschenden Kreisen (Göring gegen Goebbels, Ribbentrop gegen Göring, Goebbels gegen Ribbentrop usw.), die ein solches Ausmaß angenommen haben, dass sie die geschlossene, zielgerichtete Leitung der staatlichen Politik bedrohen. Ein solcher Zustand ist unerträglich. Eine gründliche Säuberung ist unabdingbar, wenn dies auch eine Wiederholung des 30. Juni 193411 sein wird.“**12
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Vgl. NS-Presseanweisungen, Bd. 6/III, S. 1159–1160. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. V, Dok. 260, 264, 275. Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. Der Satz ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen und ab dem Komma zusätzlich mit rotem Farbstift unterstrichen.. 11 Gemeint ist die Liquidierung der SA-Führung mit Röhm an der Spitze sowie einiger führender Politiker der Weimarer Republik. 12 Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen.
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Zu einer ähnlichen Einschätzung der inneren Situation Deutschlands gelangt auch der neuernannte Militärattaché an der Deutschen Botschaft in Warschau13, der im Gespräch am 7.1.39 ungefähr Folgendes erklärte: „Es gibt keine Zweifel, dass das vergangene Jahr für Deutschland außerordentlich erfolgreich verlaufen ist. Jedoch darf man dabei niemals die Augen vor den bestehenden Schwierigkeiten verschließen. *Mich beunruhigt die innenpolitische Situation des Reiches sehr.* Ich habe oft den Eindruck, dass die einheitliche Führung unserer Politik von den gegeneinander agierenden Instanzen durchkreuzt oder sogar wechselseitig zerstört wird. Dabei bräuchte Hitler nur mit dem Finger zu schnipsen, um die „Politiker ihrer Politik“14 zur Ordnung zu rufen. Schauen Sie nur: eben erst führt man die Kampagne gegen die Juden und zur gleichen Zeit nimmt man sich die Katholische Kirche vor und parallel dazu wird der Kampf gegen die Evangelische Kirche verschärft, und danach wird der Vierjahresplan forciert und an allen Ecken werden neue, komplizierte Aufgaben gestellt. Und im Endergebnis wundert man sich, dass *keine einzige Aufgabe ihre endgültige Lösung erfährt, dass hier wie dort die Schwierigkeiten zunehmen, die Stimmung der Bevölkerung sinkt und die Lage gefährlich wird*15.“ Auf die Frage des Gesprächspartners, dass „viele der von Oberst Himer angeführten Aufgaben äußerst dringlich einer gleichzeitigen Lösung bedürfen, weil es unvorstellbar ist, dass die Schwierigkeiten bei der Realisierung des nationalsozialistischen Programms zu einer inneren Krise führen könnten“, antwortete Himer wie folgt: *„Die schlechte Stimmung im Reich ist mir gut bekannt. Meiner Ansicht nach nimmt man sich in Deutschland zu viel vor und vergrößert damit die inneren Schwierigkeiten. Zuerst muss man eine Sache ordentlich ausführen, zum Abschluss bringen, und erst danach kann man sich die nächste Sache vornehmen. Wenn man gleichzeitig Jagd auf zwei Hasen macht, erwischt man keinen einzigen. Bei uns handelt man genauso auch in der Außenpolitik: gegenüber den Balten und dem Südosten hegt man große Pläne, gleichzeitig verwickelt man sich in Polen, und zugleich wird die anglo-deutsche Konkurrenz verschärft und man wird zu Feinden Amerikas. Insgesamt ergibt sich ein *wildes Chaos*, das ernsthaft zum Nachdenken Anlass gibt.*16 Seine Antwort auf die Frage, ob „es ihm nicht scheine, dass sich in diesem Chaos als roter Faden das planmäßige Vorgehen im Osten gegen die UdSSR durchzieht“, formulierte Himer wie folgt: *„Wissen Sie, an Russland haben sich außer uns schon viele die Zähne ausgebissen.* Jedoch weiß ich, dass es in vielen Köpfen und sicherlich auch in den von führenden Leuten des Reiches Feldzugspläne gegen die Sowjetunion gibt. Aber Russland ist weit entfernt und der Weg dorthin ist kein Spaziergang, er führt in eine Weite, die mir mehr als phantastisch erscheint.“*17 13 14
Kurt Himer. An dieser Stelle steht eine Fußnote in der Vorlage mit der Anmerkung des Übersetzers der Meldung: In wörtlicher Übersetzung – „Politiker auf eigene Faust“ [Politiki v svoj kulak]. 15 Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. 16 Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. 17 Der Absatz ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen.
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24. 1. 1939 Nr. 400 Die jüngsten Ereignisse von Mukačevo (am 6.1.39)18 schätzt Himer wie folgt ein: „Alles riecht fürchterlich nach einem abgekarteten und insgeheim abgesprochenen Spiel Ungarns und Polens. In dieser Hinsicht kann man von Polen und Ungarn alles erwarten. Mukačevo liegt 42 km von der polnischen Grenze entfernt; die beiden Gebirgswege aus Polen in die Karpato-Ukraine liegen Mukačevo gegenüber. Und genau an dieser Stelle fand dann auch die Inszenierung statt. Ich weiß es nicht genau, aber ich habe gehört, dass Polen dort irgendwelche militärische Vorbereitungsmaßnahmen durchgeführt haben soll. Ich hoffe, in nächster Zeit zuverlässige Informationen zu bekommen. Falls sich meine Vermutungen bestätigen sollten, dann bin ich völlig überzeugt davon, dass sich die genannten Länder die Ereignisse vom 6. Januar als eine starke Aktion gegen die Karpato-Ukraine ausgedacht haben.“ Himer meint, dass auch die Italiener, die ein hinterlistiges Spiel treiben, ihre Hände bei den Ereignissen von Mukačevo im Spiel hatten. In Bukarest hätten sie sich auch plötzlich in die Politik eingemischt und gegen Deutschland zu agieren begonnen. Himer sagte wörtlich: „Dieser Ciano ist ein Schwein, von dem man eine beliebige Gemeinheit erwarten kann.“ Göring hält nichts von Ciano und wäre sehr froh, wenn er ihn loswerden könnte. Mussolini musste sich bereits mehrfach einschalten, um die von Ciano verursachten Spannungen zwischen Deutschland und Italien beizulegen. [...]19 Für die Richtigkeit: Leiter der 1. Abteilung der RU der RKKA OBERST Starunin RGVA, f. 33987, op. 3a, d. 1237, l. 70–90, hier l. 78–82. Beglaubigte Kopie.
18 Mukačevo befand sich nach Auflösung der Habsburger Monarchie im Grenzgebiet der Tschechoslowakei und war zwischen Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei umstritten. Im November 1938 wurde die Stadt von Ungarn annektiert. Am 6.1.1939 überfielen tschechoslowakische Truppen die Stadt in den ukrainischen Karpaten, wurden aber zurückgeschlagen. 19 Ausgelassen sind die Abschnitte: „Die Rolle Italiens bei der Schaffung der KarpatoUkraine“ (l. 83), „Die deutsche Intervention und die Lage im faschistischen Spanien“ (l. 83– 90).
1023
Nr. 401
27. 1. 1939
Nr. 401 Aufzeichnung der Unterredung des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov mit dem Leiter der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Wiehl Nr. 401 27. 1. 1939 27. 1. 1939 GEHEIM Expl. 7 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 37/s1 Berlin, 27.1.1939 TAGEBUCH DES BEVOLLMÄCHTIGTEN VERTRETERS DER UdSSR IN DEUTSCHLAND A.F. MEREKALOV 20.1. Ich habe den Direktor der Wirtschaftsabteilung Wiehl im Auswärtigen Amt aufgesucht, um die Antwort der Deutschen auf meine Erklärung vom 11.1. bezüglich der Erneuerung der Verhandlungen zum *Kreditabkommen*2 einzuholen.3 Von den Deutschen waren außerdem anwesend: der Leiter der Verhandlungsdelegation Schnurre und der Rat der Deutschen Botschaft in Moskau Hilger. Wiehl eröffnete das Gespräch und sagte, dass die deutsche Regierung meine am 11.1. abgegebene Erklärung über das Einverständnis der sowjetischen Regierung zu dem Vorschlag der Deutschen, die im März 1938 abgebrochenen Verhandlungen zu einem Kreditabkommen4 wieder aufzunehmen, mit Genugtuung geprüft habe. Wiehl begründete sehr lange, dass es unmöglich sei, die Verhandlungen in Moskau zu führen, aber dennoch habe die deutsche Regierung ungeachtet dieser Schwierigkeiten *entschieden, den Wünschen der sowjetischen Regierung entgegenzukommen, und sei bereit, Delegationsleiter Schnurre für die Verhandlungen nach Moskau zu entsenden*. Ferner wies Wiehl darauf hin, dass die *Deutschen im Zusammenhang mit der Reise Schnurres nach Moskau ihre Verhandlungen mit den Polen von Januar auf Mitte Februar vertagen werden*. Wiehl entwarf folgenden Ablaufplan: am 26.1. fährt Schnurre nach Warschau, wo er sich zwei bis drei Tage aufhalten wird, danach fährt er am 29.1. nach Moskau, wo er Verhandlungen zum Kreditabkommen führen wird5, danach kehrt er Mitte Februar nach Warschau zurück, um seine Verhandlungen mit den Polen fortzusetzen. Ich fragte, ob Schnurre mit den erforderlichen Vollmachten zwecks Präzisierung aller mit dem Abkommen verbundenen Fragen ausgestattet sein werde, worauf ich eine positive Antwort erhielt. Schnurre erklärte sogleich, dass es, um den Verhandlungen das nötige Tempo zu verleihen, *wünschenswert wäre, von der UdSSR umgehend oder zumindest bis zum 25.1. eine Liste der Aufträge* zu bekommen, deren Platzierung à Konto des Kreditabkommens erfolgen solle. Eine sol1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der hier und im Folgenden so gekennzeichnete Text ist mit blauem Farbstift unterstri-
chen. 3 4 5
1024
Vgl. God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 109, S. 184–185 sowie Dok. 390, 391. Vgl. Dok. 261. Vgl. God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 126, S. 200–201.
27. 1. 1939 Nr. 401 che Liste gäbe Schnurre bereits jetzt die Möglichkeit, diese mit der deutschen Regierung abzustimmen und mit einer fertigen Stellungnahme nach Moskau zu fahren. Falls es schwierig sein sollte, die Liste für alle Objekte vorzulegen, so wäre es wünschenswert, wenigstens eine Liste der wichtigsten Objekte zu bekommen. Ich habe nicht zugesagt, diese Liste bis zum 25.1. vorzulegen, äußerte aber den Gedanken, dass sie bei Verhandlungsaufnahme vorgelegt werde. Schnurre erklärte, dass er, falls es sich während der Verhandlungen als erforderlich erweisen sollte, die entsprechenden Fachleute heranziehen werde.6 Zum Ende des Gesprächs erbat Wiehl meine Unterstützung, dass *beim ersten Treffen im Narkomvneštorg neben Schnurre auch Schulenburg empfangen werde. Ich sagte dies zu.* Ich versprach gleichfalls (auf Bitte von Wiehl), der Gattin Schnurres7 ein Visum zu erteilen, die bei dieser Reise die Moskauer Museen und Theater besuchen wolle. Vor der Verabschiedung erklärte Hilger, er werde am 22.1. nach Moskau zurückkehren, und Schulenburg, der sich zurzeit in Deutschland aufhalte und dieser Tage in Berlin sein werde, beabsichtige, Ende Januar nach Moskau zurückzukehren und offenbar unterwegs Schnurre aus Warschau mitzunehmen.8 [...]9 Bevollmächtigter Vertreter der UdSSR in Deutschland A. Merekalov Vermerk mit blauem Farbstift: II. Westabteilung. Vermerk G. I. Vajnštejns mit blauem Farbstift: an Gen. Puškin. Die Gen. Bergman und Afanas’ev sind zu informieren. 2.II. Oben rechts von der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 555 vom 31.1.1939. Oben rechts befindet sich der Stempel der 2. Westabteilung im NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 199 vom 2.2.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. 5 an Gen. Litvinov, 2 an Gen. Potemkin, 1 [Exemplar] zu den Akten der Bevollmächtigten Vertretung. 27.1.39. AVP RF, f. 082, op. 22, p. 93, d. 7, l. 47–44, hier l. 47–46. Original. Veröffentlicht in: God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 117, S. 191–19210. 6 In einem vertraulichen Schreiben an den Stellv. Sektorleiter im NKVT, Andreev, vom 21.1.1939 teilte Skosyrev, der von Merekalov nicht zu diesem Gespräch geladen worden war, mit, dass Wiehl laut Aussage des Bevollmächtigten Vertreters erklärt habe, dass „in Moskau Verhandlungen nur zu allgemeinen Fragen geführt werden, und dass die übrigen, technischen Fragen des Kredits in Berlin entschieden werden“. In: RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2769, l. 64. Laut der Aufzeichnung Wiehls werde sich Schnurre allein nach Moskau begeben, „um dort mit den zuständigen sowjetischen Wirtschaftsressorts Fühlung aufzunehmen und mit ihnen die Grundlagen des Kreditabkommens durchzusprechen“. In: ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 485, S. 544. 7 Jutta Schnurre. 8 Vgl. die Aufzeichnung Wiehls über dieses Gespräch; in: ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 485, S. 544–545. 9 Die nachfolgenden Aufzeichnungen über Besuche und Gespräche mit Angehörigen des diplomatischen Corps in Berlin vom 24.1. bis 26.1.1939 (l. 46–44) sind ausgelassen. 10 Das Dokument wurde mit redaktionellen und stilistischen Korrekturen veröffentlicht sowie auf den Zeitpunkt des Geprächs datiert.
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Nr. 402
27. 1. 1939
Nr. 402 Aufzeichnung von Unterredungen des Rates der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Astachov Nr. 402 27. 1. 1939 27. 1. 1939 GEHEIM Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland 44/s1 27.1.1939 ERGÄNZUNG ZUM TAGEBUCH DES Gen. ASTACHOV2 27/1. Während des Frühstücks beim Bevollmächtigten Vertreter3 sagte *Schulenburg*4 unter anderem folgendes:*Der Führer habe Beck5 und Csáky6 kategorisch versichert, dass sämtliche Meldungen über seine Pläne in Bezug auf die Ukraine Unsinn seien.*7 Sch[ulenburg] sei sich sicher, dass dies der Wahrheit entspräche, jedoch mache er den Vorbehalt, dass es in der Partei viele „Fanatiker“ gebe, die über die Meldungen der „Le Temps“ über sowjetisch-deutsche Verhandlungen ernstlich beunruhigt seien. Mit diesen Fanatikern müsse man rechnen. Es wäre möglich, dass Schnurre in Moskau nicht in der Lage sein werde, alle Fragen, die konkrete Handelsobjekte betreffen, selbst zu entscheiden, und dass die Entsendung von Fachleuten erforderlich sein werde. *Der Besuch Ribbentrops in Warschau8 sei hauptsächlich von protokollarischer Bedeutung und werde nichts sonderlich Neues bringen.*9 Sch., der heute aus Berlin abreist, wird sich zwei Tage in Warschau aufhalten, um sich Stiefel zu bestellen. Von dort wird er zusammen mit Schnurre, der ihn dort erwartet, weiterreisen. Sch. hat seine Abreise auf morgen verschoben, um nicht gleichzeitig mit Ribbentrop in Warschau zu sein, was falsch interpretiert werden könnte. Sch. deutete sein *gespanntes Verhältnis zu Ribbentrop an, der ihn an einem Treffen mit dem Führer hindere. Er verbarg nicht seine Unzufriedenheit mit der Entlassung von Schacht10 und kritisierte das Propagandaministerium*.11
1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Vgl. Astachovs Aufzeichnungen im Diensttagebuch vom 27.1.1939, in: AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 59, l. 21–26, die zum Teil Informationen „aus unterschiedlichen Quellen (die Mitteilungen sind zum größten Teil nicht überprüft)“ enthalten. In: ebd., l. 21–18. 3 Aleksej Fedorovič Merekalov. 4 Der Name ist mit blauem Farbstift unterstrichen. 5 Vgl. Dok. 396, Anm. 1. 6 Das Gespräch Hitlers mit dem Außenminister Ungarns, Graf István Csáky, fand am 16.1.1939 in Berlin statt. In der von Hewel angefertigten Aufzeichnung des Gesprächs sind Pläne Hitlers bezüglich der Ukraine nicht erwähnt. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. V, Dok. 272, S. 302–306. 7 Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. 8 Ribbentrop besuchte Warschau auf Einladung von Beck anlässlich des 5. Jahrestages der Unterzeichnung der Deutsch-Polnischen Erklärung vom 26.1.1934. Zum Gespräch Ribbentrops mit Beck am 26.1.1939 vgl. ADAP, Ser. D, Bd. V, Dok. 126, S. 139–140; Polish Documents on Foreign Policy. 24. Oktober 1938–30. September 1939, hrsg. von W. Borodziej, S. Dębski, Warsaw 2009, Dok. 34, S. 87–91. 9 Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. 10 Schacht war am 19.1.1939 als Präsident der Reichsbank entlassen worden. 11 Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen.
1026
27. 1. 1939 Nr. 402 Der britische Geschäftsträger Oglivie-Forbes ist bei mir. Sein Ziel besteht darin, die Meldung über die Reise einer deutschen „Delegation“ nach Moskau12 zu überprüfen und unsere Einschätzung des französisch-italienischen Konfliktes 13 und dessen Perspektiven in Erfahrung zu bringen. Er zeigt sich insbesondere wegen des Schicksals von Tunis besorgt. Wäre es möglich, dass Mussolini Tunis, Korsika und Nizza fordert? Wäre es möglich, dass Deutschland ihn nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten unterstützt? Er besitze Informationen über eine beginnende Teilmobilisierung in Deutschland. Er sagt, dass er höchst pessimistisch gestimmt sei. Seiner Ansicht nach kommt es im März zum Konflikt. Das war der erste Besuch eines Engländers bei uns, wenn man die reinen Protokollbesuche nicht mitzählt. Dies zeugt von dem erhöhten Interesse, das die Meldung über unsere Kreditverhandlungen mit Deutschland bei der Botschaft ausgelöst hat und das sich mit der Sorge wegen des zu erwartenden französischitalienischen Konfliktes überschneidet. Astachov Vermerk mit blauem Farbstift: A[rchiv]. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 559 vom 31.1.1939. Am Ende des Dokuments ist mit Tinte der Verteiler vermerkt: 1) an Gen. Litvinov, 2) an Gen. Potemkin, 3) zu den Akten. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 59, l. 15–15R. Original.
12 Laut der von Wiehl angefertigten Aufzeichnung über das Gespräch mit Merekalov am 11.1.1939 schlug der Bevollmächtigte Vertreter vor, eine deutsche Delegation zwecks Verhandlungen für ein neues Kreditabkommen nach Moskau zu entsenden. Im AA wurde beschlossen, sich auf die Entsendung von Schnurre zu den Verhandlungen zu beschränken und auch Hilger hinzuzuziehen. Vgl. Dok 391. 13 Nach der Rede des italienischen Außenministers Ciano am 30.11.1938 im Rahmen der außenpolitischen Parlamentsdebatte, in der er insbesondere auf „die natürlichen Bestrebungen des italienischen Volkes“, die mit territorialen Forderungen gegenüber Frankreich einhergingen, verwiesen hatte, wurde in der italienischen Presse eine antifranzösische Kampagne entfacht. Vgl. G. Ciano: Tagebücher 1937/38, Hamburg 1949, S. 289ff. Am 17.12.1938 richtete Ciano an die Regierung Frankreichs eine Note mit der Kündigung des Französisch-Italienischen Abkommens (Mussolini-Laval-Pakt) vom 7.1.1935. Vgl. Documents Diplomatiques Français 1932–1939, 1. Serie, Bd. VIII, Paris 1979, Dok. 420, S. 603–610.
1027
Nr. 403
27. 1. 1939
Nr. 403 Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov Nr. 403 27. 1. 1939 27. 1. 1939 GEHEIM Expl. 21 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 38/s2 Berlin, 27.1.39 **An Gen. V.P. Potemkin**3 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN Gen. M.M. LITVINOV Sehr geehrter Maksim Maksimovič! Ich wende mich mit einer Frage an Sie und bitte um Weisungen. Am 24. Januar fand ein Abend statt, der von Dietrich, zuständig für die gesamte Presse Deutschlands, organisiert wurde. Zu dem *Abend waren neben den Vertretern der Presse auch alle Missionschefs und alle Presseattachés eingeladen, aus der Bevollmächtigen Vertretung war niemandem eine Einladung geschickt worden*4. Ich bin der Ansicht, dass dies ein klarer Akt der Diskriminierung uns gegenüber ist, und *würde es als notwendig erachten, bei Gelegenheit dem Auswärtigen Amt zu erklären*5, dass wir uns im Falle einer Wiederholung das Recht analoger Handlungen gegenüber der Deutschen Botschaft in Moskau vorbehalten. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass wir uns, falls die Deutschen zusichern, künftig eine derartige Diskriminierung nicht mehr vorzunehmen, nicht allen von Presseorganisationen ausgehenden Einladungen und manchmal sogar auch Einladungen des Propagandaministeriums entziehen können, was die Bevollmächtigte Vertretung bislang konsequent getan hat, und möglicherweise haben die Deutschen im Ergebnis dessen aufgehört, uns Einladungen zu schicken. Unsere fortgesetzte Ablehnung hat den Deutschen die Aufgabe im Sinne unserer Isolierung im Grunde erleichtert. Ich bitte um Ihre Weisungen.6 1 2 3 4 5 6
Der Text ist mit Tinte geschrieben. Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der Name ist mit Tinte geschrieben. Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Am 4.2.1939 gab Litvinov folgende Einschätzung der entstandenen Situation ab: „Wenn in der Nichteinladung der Bevollmächtigten Vertretung zu dem Presseabend eine Diskriminierung gesehen werden kann, so empfehle ich dennoch nicht, sich aus diesem Anlass mit irgendwelchen Beschwerden an die Deutschen zu wenden. Ich sehe darin keinerlei Isolierung. [...] Im Falle einer Festlichkeit in Moskau, z. B. bei der Eröffnung der Tagung des Obersten Sowjets usw., werden wir im Falle der Einladung des diplomatischen Corps ebenfalls eine Ausnahme für die Deutsche Botschaft machen und bei Beschwerden die Gründe angeben.“ In: AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 61, l. 30.
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27. 1. 1939 Nr. 404 Mit Gruß! Bevollmächtigter Vertreter der UdSSR in Deutschland A. Merekalov Vermerk mit blauem Farbstift: Ar[chiv]. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats von Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 556 vom 31.1.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 2 Expl. 1 [Exemplar] an Gen. Litvinov, **1 [Exemplar] an Gen. Potemkin**7 27.1.39. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 61, l. 29. Original.
7
Nr. 404 Auszug aus dem Tätigkeitsbericht der Abteilung für Mašinoimport in der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Nr. 404 27. 1. 1939 27. 1. 1939 [27.1.1939] BERICHT über die Tätigkeit der Abteilung für Mašinoimport für das Jahr 1938 Bevor wir zur Berichterstattung über die Tätigkeit während des Jahres übergehen, ist es erforderlich, auf die wichtigsten Fragen hinzuweisen, auf die sich unsere Aufmerksamkeit in der Arbeit im vergangenen Jahr konzentriert hat, und zwar: a) Termingerechte operative Information der Vereinigung1. b) Gewährleistung der termingerechten Lieferung hochwertiger Ausrüstungen. c) Termingemäße Abnahme und Inspektion. d) Durchführung der einzelnen Aufträge der Vereinigung. e) Überführung der technischen Erfahrungen in die Union. Die gesamte Arbeit wurde von uns so ausgestaltet, dass sie zur Entlarvung und Beseitigung der Auswirkungen der Schädlingstätigkeit beitrug, dazu beisteuerte, die schädlichen Arbeitspraktiken, die sich eingebürgert hatten, zu bekämpfen, und mithelfen sollte, die neuen Wege der Schädlingstätigkeit offenzulegen, die die Firmen einschlagen oder einschlagen könnten, um uns den größtmöglichen Schaden zuzufügen. Man darf nicht glauben, dass die deutschen Firmen und diejenigen, die hinter ihnen stehen, nach der Entlarvung der Lakaien des Faschismus bei uns in der Union nicht versuchen würden, neue Wege zu finden, wie sie uns schaden könnten. Sie ergreifen alle Maßnahmen zur Ausnutzung jeglicher Schwäche unserer Arbeit in diesem oder jenem Bereich.
7 Der Text ist mit Tinte durchgestrichen; ursprünglich: zu den Akten der B-[evollmächtigten] Ver[tretung]. 1
Hier und im Folgenden ist die Außenhandelsvereinigung Mašinoimport gemeint.
1029
Nr. 404
27. 1. 1939
Wie hat sich nun die Arbeitssituation im vergangenen Jahr konkret gestaltet? Man darf nicht glauben, dass sich die Lage 1938 verbessert hätte und das Arbeiten leichter geworden wäre als 19372, im Gegenteil, sie hat sich erheblich verschlechtert. Die Auslastung der Betriebe aufgrund des Rüstungswettlaufs und die Unterordnung der Betriebe und des ganzen Landes unter die Zielsetzungen der Aufrüstung, die Konzentration der Leitung bei der Arbeit der Firmen auf den Export, insbesondere in die Union, hat unsere Arbeit erheblich gebremst. Die Einrichtung einer staatlichen Kontrolle über unsere laufenden Aufträge und über unsere Anfragen sowie die feindselige, mitunter unverschämte und unverblümte Haltung uns gegenüber haben unsere Arbeit zur Durchführung neuer Aufträge, zur Abnahme, Inspektion und termingerechten Liefererfüllung hinsichtlich der für uns besonders wichtigen Objekte stark behindert. Die Führer der deutschen Wirtschaft und die deutschen Firmen ahnten bereits aufgrund unserer Arbeit im Jahr 1937, dass wir ihren Markt verlassen, und da sie keine Aussicht auf eine Ausweitung der Handelstätigkeit mit uns im Jahr 1938 hatten, ergriffen sie alle Maßnahmen, um unsere Arbeit hinsichtlich der bestehenden Aufträgen noch mehr zu erschweren, indem sie die Erfüllung völlig berechtigter Forderungen unserer Abnahmebeauftragten verweigerten und die Abgabe von Angeboten ablehnten, da sie sie als zu informativ betrachteten usw. Aus Furcht, dass Informationen über ihre Arbeit in die Union dringen könnten, trafen sie Vorkehrungen, damit unsere Abnahmebeauftragten nichts sehen oder hören konnten. In diesem Zusammenhang verlangte eine ganze Reihe von Firmen auf Anweisung „von oben“ eine vorhergehende Benachrichtigung (einige Tage im Voraus) über die Ankunft unserer Abnahmebeauftragten in der Fabrik, organisierte die Abnahme und Inspektion in eigens dafür vorbereiteten Räumlichkeiten usw. Es ist unnötig zu sagen, dass bei einem derart feindseligen Klima und dem uns verbotenen Zugang zu allen Werkhallen der Fabriken, besonders bei großen Firmen, der Transfer von technischem Fachwissen in die Union bedeutend erschwert ist und die Möglichkeiten dafür nicht allzu groß sind. In letzter Zeit wirkt sich der Druck seitens der zuständigen staatlichen Organisationen auf die Firmen auch auf die Fragen der Auslieferung und Erprobung von Ausrüstungen, der Unterlagen für Maschinen u.a. aus. Die Kontingentierung von Rohstoffen, besonders von Metallen, erlaubte es den Firmen nicht, eigenständig und ohne Wissen der einschlägigen Organe auf den Außenmarkt zu gehen, selbst wenn sie es wollten. Es ist jedoch auch bekannt, dass die finanziellen Ressourcen des Landes, zulasten derer die Aufrüstung erfolgt, weitgehend ausgeschöpft sind. Die Betriebe können nicht auf Dauer mit Arbeiten für den Binnenmarkt, hauptsächlich für die Militärbehörde, ausgelastet sein, ohne prompt den Rohstoffmangel zu verspüren. Die Verschlechterung der materiellen Lage der Werktätigen und der Rückgang der Kaufkraft verringern die Möglichkeiten des Warenabsatzes auf dem Binnenmarkt noch mehr. Letzteres zwang die Führer der deutschen Wirtschaft, bei den Firmen die Notwendigkeit der Ausweitung des Exports in die Sowjetunion anzusprechen. Seit August haben die Firmen begonnen, uns immer häufiger die Frage nach der Vergabe von Aufträgen an sie zu stellen. Dies ergibt sich aus den wiederholten 2
1030
Vgl. Dok. 230.
27. 1. 1939 Nr. 404 Unterredungen mit den Firmenvertretern. So übermittelte beispielsweise Herr Bergmann, der Vertreter der Firma Siemag3, bei Unterredungen am 16.9.38 unter Bezugnahme auf eine Anweisung „von oben“ zur Ausweitung der Maschinenlieferungen in die Union, das Einverständnis der Firma zur Verkürzung der uns von ihnen in den Angeboten der Jahre 1937 und 1938 angegebenen Fristen um 30% und erklärte, dass sie in diesem Fall einen Zwei- und Dreischichtbetrieb einrichten würden. Was die Preise betreffe, so könnten sie nur bis zu einer bestimmten Grenze gehen, da ihnen die Exportpreise von den zuständigen Organisationen vorgeschrieben würden. Laut dem Firmenvertreter sei es ihnen nur in Ausnahmefällen erlaubt, sich auf Dumpingpreise einzulassen. Solche Äußerungen waren in dieser Zeit kein Einzelfall. Unter diesen Arbeitsbedingungen war es besonders schwierig, Bestellungen von Ersatzteilen für zuvor von deutschen Firmen gelieferte Maschinen durchzuführen. In diesen Fällen fühlten sich die deutschen Firmen als Monopolisten und waren nicht bereit, irgendwelche Zugeständnisse zu machen, zumal diese Aufträge hinsichtlich der Beträge größtenteils unbedeutend waren. Genauso verhielten sich die Firmen bei Aufträgen für Maschinen, für die sie Monopolisten waren. In diesen Fällen musste die Vereinigung von unseren normalen Bedingungen hinsichtlich der Vergabe und Bezahlung dieser Aufträge abweichen. Besonders schwierig gestaltete sich bei dieser Lage die Beilegung von Reklamationen, da die in Deutschland zusammengetretenen Schiedsgerichte nicht objektiv waren und sich bezüglich unserer durchaus berechtigten Forderungen häufig auf die Seite der Firma schlugen. Die Beilegung von Reklamationen durch eine normale Absprache mit einer Firma war indes oft nicht möglich, da die Firmen, die keine Aussicht auf den Erhalt neuer Aufträge sahen, uns nicht entgegenkommen wollten und sich auf einen formalen Standpunkt stellten, zumal sie im Voraus wussten, dass das Schiedsgericht auf ihrer Seite sein würde. Auf die Reklamationen und ihre Gründe werden wir später eingehen. Unter den oben genannten Arbeitsbedingungen wurden von der A[ußenhandels-] V[ereinigung] Mašinoimport im vergangenen Jahr auf dem deutschen Markt Ausrüstungen für den Betrag von 2.005.276 D[eutschen] M[ark] realisiert. Anzahl und Verteilung der vergebenen Aufträge nach Monaten sind aus der nachstehenden Tabelle ersichtlich. Monat
Deutschland
Schweiz
Österreich
Anzahl
Summe
Anzahl
Summe
Anzahl
Summe
der
D[eutsche]
der
Sch[weizer]
der
Öst[erreichische]
Aufträge
M[ark]
Aufträge
Fr[anken]
Aufträge
Schil[ling]
35.000
з Januar
7
14.705
1
250.000
1
Februar
8
81.128
‒
‒
‒
‒
März
18
223.839
9
5.414.960
‒
‒
April
7
119.987
3
49.428
‒
‒
3
Siegener Maschinenbau AG.
1031
Nr. 404
27. 1. 1939 Deutschland
Monat
Schweiz
Österreich
Anzahl
Summe
Anzahl
Summe
Anzahl
Summe
der
D[eutsche]
der
Sch[weizer]
der
Öst[erreichische]
Aufträge
M[ark]
Aufträge
Fr[anken]
Aufträge
Schil[ling]
з Mai
9
109.043
1
2.850
1
129
Juni
17
339.434
8
1.362.599
1
2.106
Juli
3
10.159
1
148.023
1
4.300
August
4
342.493
4
769.496
‒
‒
September
22
300.064
11
1.663.758
‒
‒
Oktober
5
17.921
3
55.825
‒
‒
November
13
94.203
4
226.952
1
283
Dezember
15
352.300
12
580.889
‒
‒
Insgesamt
128
2.005.276
57
10.524.780
5
41.730
Die vergebenen Aufträge lassen sich nach der Art der Ausrüstung annähernd wie folgt unterteilen: Deutschland: elektrische Ausrüstungen in Höhe von 252.958 D[eut.] M[ark] Schmiedepressenanlagen 801.517 “ Turbokompressoren, Pumpen und Ventilatoren 525.101 “ Verschiedenes (Armaturen usw.) 427.700 “ Schweiz Elektrische Ausrüstungen 3.916.271 Sch[weizer] Fr Turbinen, Turbokompressoren, Ventilatoren 5.243.058 “ Pumpen 308.963 “ Verschiedenes 1.056.488 “ Österreich Elektrische Ausrüstungen 41.316 Verschiedenes 414 Aus der oben angeführten Tabelle ist ein gewisser Anstieg der Auftragsvergaben an Deutschland seit August ersichtlich. Die Zahlen zeigen, dass wir uns bei elektrischen Ausrüstungen, Turbinen, Kompressoren usw. stark auf den Schweizer Markt umgestellt haben, auf dem die Arbeit sich für uns günstiger gestaltete, hauptsächlich bezüglich der Lieferfristen. Es muss jedoch sogleich hinzugefügt werden, dass das Fehlen normaler Beziehungen zu diesem Land4 und die Abwesenheit ständiger Mitarbeiter in der Schweiz die Arbeit mit diesem Land erheblich erschwert haben. Im Laufe des Jahres 1937 wurden von der V/O Mašinoimport Aufträge in Höhe von 2.549.000 D[eutschen] M[ark] auf dem deutschen Markt realisiert, davon 1.015.000 D[eutsche] M[ark] in bar und der Rest à Konto des 200 Mio. Kredits5.
4 Die diplomatischen Beziehungen der UdSSR mit der Schweiz waren 1923 nach der Ermordung des sowjetischen Diplomaten Vorovskij in Lausanne und des darauf folgenden Freispruchs des Attentäters durch ein Schweizer Gericht abgebrochen worden. 5 Vgl. Dok. 65.
1032
28. 1. 1939 Nr. 405 Somit wurden im Jahr 1938 weniger Aufträge auf dem deutschen Markt realisiert als im Jahr 1937. Während die Handelsvertretung 1937 Aufträge in Höhe von 177.640 D[eutschen] M[ark] erteilte, wurden 1938 alle Aufträge, abgesehen von der Realisierung einiger geringfügiger Bestellungen im Auftrag der Vereinigung, direkt über die V/O Mašinoimport durchgeführt. […] RGAĖ, f. 413, op.12, d. 2810, l. 98–131, hier l. 99–102. Original.
Nr. 405 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem deutschen Geschäftsträger in Moskau von Tippelskirch Nr. 405 28. 1. 1939 28. 1. 1939 GEHEIM AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS Nr. 5073 [28.1.1939] EMPFANG DES DEUTSCHEN GESCHÄFTSTRÄGERS TIPPELSKIRCH, 28.1.39 Tippelskirch erschien bei mir, um mitzuteilen, dass am 31. Januar der Rat für Wirtschaft im Auswärtigen Amt, Schnurre, zusammen mit Botschafter Schulenburg in Moskau ankommen werde. Am 1. Februar würden beide gern zusammen mit dem Rat Hilger von Gen. Mikojan empfangen werden. Schnurre beabsichtige, zehn Tage in Moskau zu bleiben. „Es ist zu hoffen“, ergänzt Tippelskirch, „dass es in dieser Zeit gelingen wird, die Verhandlungen zu einem positiven und konkreten Ergebnis zu bringen.“ Tippelskirch bemerkt, dass in letzter Zeit Journalisten und Kollegen des diplomatischen Corps ihn belagern würden, um eine Bestätigung für die im Umlauf befindlichen Gerüchte über die Ankunft einer „deutschen Delegation“ zu bekommen, die von der Regierung bevollmächtigt sei, in Moskau wichtige Verhandlungen zu führen. Den Worten Tippelskirch zufolge erkläre er in Antwort auf die erwähnten Anfragen, dass gemeinsam mit Schulenburg der Rat für Wirtschaft im Auswärtigen Amt, Schnurre, nach Moskau komme, um Kontakte zu kompetenten sowjetischen Organen herzustellen. Dazu ergänze Tippelskirch, dass der deutsche Botschafter bereits mehrmals Schnurre als seinen Gast nach Moskau eingeladen habe. Die Ankunft einer anderen Delegation aus Berlin in Moskau sei nicht zu erwarten.1 Tippelskirch bat mich, seine oben gemachte Mitteilung den interessierten Einrichtungen zur Kenntnis zu bringen. Ich antwortete dem Geschäftsträger, dass ich Gen. Mikojan über alles Gesagte informieren werde. Hier schloss ich sogleich die Bemerkung an, dass die ausländi1
Vgl. auch Dok. 391.
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Nr. 406
6. 2. 1939
sche Presse aus irgendeinem Grund marktschreierisch die Ankunft einer „deutschen Delegation“ in Moskau verbreitet habe. An das NKID und an unsere Bevollmächtigten Vertreter im Ausland wende man sich zwecks Bestätigung dieser Meldungen. In Beantwortung dieser Anfragen beschränken wir uns auf die Erklärung, dass in Moskau in nächster Zeit beabsichtigt ist, Verhandlungen über die Handelsbeziehungen zwischen der UdSSR und Deutschland aufzunehmen. Tippelskirch erklärte, dass ihm solch eine Erklärung als absolut richtig erscheine. Die Deutsche Botschaft werde, wie gesagt, ihrerseits genau das gleiche verlautbaren. V. Potemkin Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 Expl. Das 1. [Exemplar] zu den Akten, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an Gen. Mikojan, das 4. an die 2. Westabteilung, das 5. nach Berlin. 28.I.39. Expl. Nr. 1. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 24, d. 6, l. 62–61. Original. Veröffentlicht in: God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 124, S. 199.
Nr. 406 Aufzeichnung des Leiters der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Wiehl Nr. 406 6. 2. 1939 6. 2. 1939 Berlin, den 6. Februar 1939 Der sowjetrussische Botschafter Merekalow, den ich zu mir gebeten hatte, um ihn darüber zu informieren, dass V.L.R. Schnurre seine beabsichtigte Reise nach Moskau wegen anderweitiger dringender dienstlicher Inanspruchnahme aufgeben musste1 und dass unsere Botschaft beauftragt sei, über den Kreditvertrag mit der Sowjet-Regierung zu verhandeln, erschien heute bei mir in Begleitung des stellvertretenden Leiters der Handelsvertretung Skossyreff. Im Laufe der kurzen Unterhaltung interessierte sich der Botschafter insbesondere für die Frage, ob unsere Botschaft in Moskau ermächtigt sei, über alle Fragen des Kreditvertrages oder nur über einzelne Punkte desselben zu verhandeln. Ich beantwortete diese Frage dahin, dass die Botschaft alles erforderliche Material erhalten habe, um über alle Bedingungen des Kreditvertrages zu verhandeln, dass jedoch der eventuelle Abschluss des Vertrages selbstverständlich hier in Berlin erfolgen müsste. Auf eine weitere Frage des Botschafters, ob Herr Schnurre vielleicht in einem späteren Stadium der Verhandlungen nach Moskau fahren würde, antwortete ich, dass hierzu sich bestimmtes nicht sagen ließe, da nicht bekannt sei, wie lange Herr Schnurre durch seine Verhandlungen mit Polen in Anspruch genommen sein werde. Zum Schluss der Unterredung betonte der Botschafter, dass er mit einem günstigen Ergebnis der Verhandlungen in Moskau rechne; er hoffe, dass diese Verhandlungen zu einer Erweiterung der Handelsbeziehungen zwischen Sowjet-Russland und Deutschland führen werden. 1
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Vgl. Dok. 407, 451.
6. 2. 1939 Nr. 407 Die in einem Teil der ausländischen Presse erschienenen Falschmeldungen über die geplante Reise des V.L.R. Schnurre und die von ihm in Moskau zu führenden Verhandlungen berührte der Botschafter mit keinem Wort. gez. Wiehl Auf letztem Blatt unten Paraphe von B[ehr] 6/2. PA AA, R 29712, Bl. 111286-111287. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 489, S. 548.
Nr. 407 Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an den Staatssekretär im AA Freiherrn von Weizsäcker Nr. 407 6. 2. 1939 6. 2. 1939 Moskau, den 6. Februar 1939 Lieber Herr von Weizsäcker! **1 Die Zurückberufung Schnurres nach Berlin – so unvermeidlich sie gewesen sein mag – hat uns betrübt: einmal weil wir uns auf den Besuch des sehr netten Ehepaars gefreut hatten, dann aber und hauptsächlich aus sachlichen Gründen. Ich habe den Eindruck gehabt, dass wir der russischen Rohstoffe wirklich bedürfen und die Verhandlungen zu deren Beschaffung werden durch den unglücklichen Verlauf der Reise Schnurres natürlich erschwert. Inzwischen ist die Botschaft mit einer Vorfühlung bei dem sowjetischen Außenhandelskommissar Mikojan – er ist eine ganz große Sowjet-Persönlichkeit! – beauftragt. Ich denke, das ist durchführbar, und wir werden sehen, wie weit wir die deutschen Belange fördern können. Ich erwähne heute die Angelegenheit Ihnen gegenüber aus folgenden Gründen. Herr Schnurre ist wegen des unsinnigen Lärmes zurückgerufen worden, den die französische Presse ob seiner Moskauer Reise geschlagen hat. *Ich bin in Berlin der Meinung gewesen, in der Sowjet-Presse sei veröffentlicht worden, dass eine deutsche „Delegation“*2 zu Wirtschaftsverhandlungen nach Moskau kommen werde. Hier habe ich erfahren, dass das nicht stimmt: die Sowjet-Presse hat kein einziges Wort über die Angelegenheit gebracht. So ist wohl nicht daran zu zweifeln, dass die in die französische Presse lancierten phantastischen Nachrichten von den „Interessenten“ stammen, denen an der Aufrechterhaltung des deutsch-russischen Gegensatzes gelegen ist und die „Bedenkliches“ schon darin finden, wenn wir nur ein wenig Holz, Mangan und Erdöl aus der Sowjet-Union beziehen. Es tut mir leid, aber ich muss den Verdacht aussprechen, dass im Falle der Reise Schnurres *unsere polnischen Freunde die Hauptschuldigen sind*3. Herr Schnurre war gezwungen, ihnen von seiner Moskauer Reise zu sprechen; sie haben offenbar die französische Presse vorgeschickt; es ist auffällig, dass *mein polnischer Kollege 1 2
An dieser Stelle steht: I. Der Text ist am Seitenrand angestrichen; daneben Bemerkung von Weizsäckers: Ich
auch. 3
Der Text ist von Weizsäcker unterstrichen.
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Nr. 407
6. 2. 1939
beinahe früher wie wir gewusst hat, dass Herr Schnurre nicht hierher kommen wird*4. Wie dem auch sei, die Veröffentlichungen der französischen Presse haben ihr Ziel erreicht: sie haben uns einen Knüppel zwischen die Beine geworfen. 5 **6 In den letzten Tagen hat der ungarisch-sowjetische Streit unsere Aufmerksamkeit in Anspruch genommen. Die sowjetische „Theorie“ behauptet: der Antikomintern-Pakt ist kein ideologisches Abkommen, das sich gegen den Weltkommunismus richtet, sondern ein politischer Pakt, der einen Angriff gegen die SowjetUnion zum Ziele hat. Es ist also nicht ganz richtig – d. h. immer „theoretisch“ nicht ganz richtig – wenn gesagt wird, dass sich die Sowjet-Regierung durch ihre Haltung gegenüber Ungarn mit der Dritten Internationale identifiziere. In Wirklichkeit sind natürlich Beide eins, aber es scheint beinahe, als ob Herr Stalin diese faktische „Union“ als eine gewisse Last empfindet. Man hört hier manchmal, die *Komintern* solle aus der Sowjet-Union heraus, vermutlich *nach Brüssel verlegt werden*7. **8 Aus sehr guter Quelle haben wir erfahren, dass Japan den Fischerei-Streit mit der Sowjet-Union unter keinen Umständen zu einem Konflikte treiben wird. Japan wird im Notfalle in vollem Umfange nachgeben. Es scheint, dass die Japanische Regierung die Fischerei-Interessen Japans nicht für wichtig genug hält, um etwa zu ihrem Schutze Marine-Einheiten einzusetzen, die in Gefahr geraten könnten.9 Mit vielen und sehr herzlichen Grüßen sowie mit Heil Hitler! bin ich, lieber Herr von Weizsäcker, Ihr stets ganz ergebener F. W. Schulenburg Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt Stempel: Hat dem RM vorgelegen mit Paraphe von R[ibbentrop] 8/2. Darunter: Dir[ektor] W[irtschaft] und nicht entzifferte Bemerkung von W[eizsäcker] 8[2]. Auf Kopfbogen des Deutschen Botschafters geschrieben. PA AA, R 29854, Bl. 228735-228738. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 487, S. 546–547.
4 5
Der Text ist von Weizsäcker unterstrichen. Von Weizsäcker antwortete am 15.2.1939 auf diesen Brief u.a.: „Schnurres Rückberufung war leider unvermeidlich, auch wenn die Russen, die anfänglich auch ich für die Urheber gehalten habe, an dem Presselärm unschuldig gewesen sind.“ In: ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 492, S. 550. 6 An dieser Stelle steht: II. 7 Die beiden Textstellen sind von Weizsäcker unterstrichen. 8 An dieser Stelle steht: III 9 Das Protokoll über die Verlängerung der sowjetisch-japanischen Fischerei-Konvention vom 23.1.1928 wurde am 2.4.1939 unterzeichnet und galt bis zum 31.12.1939; vgl. „K soglašeniju po rybolovnym voprosam meždu SSSR i Japoniej“ (Zum Fischerei-Abkommen zwischen der UdSSR und Japan). In: Izvestija vom 4. April 1939, S. 2; Osteuropa 14 (1938/39), H. 8/9, S. 604.
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6. 2. 1939 Nr. 408 Nr. 408 Aufzeichnung des Leiters der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Wiehl Nr. 408 6. 2. 1939 6. 2. 1939 Berlin, den 6. Februar 1939 Aufzeichnung über die wirtschaftlichen Folgen eines Abbruchs der Beziehungen zur Sowjet-Union 1) Die Einfuhr aus der Sowjet-Union, die früher in die Hunderte von Millionen Reichsmark ging, betrug im Jahre 1938 noch rund 50 Millionen RM, die sich aus Rohstoffen, insbesondere Holz, Manganat, Ölen zusammensetzten. Die Ausfuhr nach der Sowjet-Union betrug rund 32 Millionen RM. Im Falle eines Abbruchs der Beziehungen wird dieser Außenhandel mit der Sowjet-Union gänzlich in Fortfall kommen, da in einem solchen Falle auch die Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland aufgelöst würde und damit die Stelle fehlen würde, die Bestelllungen in Deutschland placieren kann. 2) Auf Weisung des Generalfeldmarschalls Göring und mit Zustimmung des Herrn R.A.M.1 werden seit einiger Zeit Verhandlungen mit der Sowjet-Union geführt, um den deutschen Rohstoffbezug zu erweitern. Wir haben uns bereit erklärt, den Russen einen Kredit von 200 Millionen RM zu gewähren, wenn die SowjetUnion ihrerseits sich zu festen Rohstofflieferungen an Deutschland in den Jahren 1939/40 im Ausmaß von 300 Millionen RM verpflichte. Es ist zurzeit noch nicht zu übersehen, ob diese Verhandlungen zu einem Erfolge führen werden. Bei einem Abbruch der Beziehungen würden selbstverständlich diese Verhandlungen automatisch ihr Ende finden. 3) Die Sowjet-Union schuldet uns aus einem Jahre 1935 gegebenen Warenkredit noch einen Betrag von rund 185 Millionen RM, die ab 1941 in Devisen oder Rohstoffen zurückzuzahlen sind. Über die Art der Rückzahlung müssen zu gegebener Zeit Verhandlungen geführt werden. Es ist damit zu rechnen, dass die Rückzahlung dieses Kredits bei Abbruch der Beziehungen zur Sowjet-Union auf allergrößte Schwierigkeiten stoßen wird. 4) Die deutsche Industrie und die mit der Rohstoffversorgung Deutschlands betrauten Stellen, insbesondere der Beauftragte für den Vierjahresplan 2 , der Reichswirtschaftsminister3 und der Reichsernährungsminister4 sind nicht nur an einer Beibehaltung des Warenaustauschs mit der Sowjet-Union interessiert, sondern drängen darauf, diesen Warenaustausch im Interesse unserer Rohstoffversorgung mit allen Mitteln auszuweiten. Es ist anzunehmen, dass von diesen Stellen gegen einen Abbruch der Beziehungen zur Sowjet-Union erhebliche Bedenken geltend gemacht werden, da ein Ausfall der Rohstoffbezüge aus Russland selbst in dem jetzigen Ausmaße schwere wirtschaftliche Schäden herbeiführen würde. Hiermit über St.S.5 dem Herrn Reichsaußenminister vorzulegen. gez. Wiehl 1 2 3 4 5
Joachim von Ribbentrop. Hermann Göring. Walther Funk. Richard Walther Darré. Mit Abzeichnung von Ernst von Weizsäcker.
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Nr. 409
6. 2. 1939
Auf erstem Blatt oben Paraphe von W[iehl]. PA AA, R 29712, Bl. 111284-111285. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 488, S. 547.
Nr. 409 Anordnung des Chefs des Stabes des Stellvertreters des Führers Bormann Nr. 409 6. 2. 1939 6. 2. 1939 München, den 6. Februar 1939 Anordnung Nr. 33/39 Betrifft: Russland-Forschung Zur Gewährleistung einer nationalsozialistisch zuverlässigen wissenschaftlichen Berichterstattung über die Sowjet-Union hat der Reichsführer-SS, Chef des SD-Hauptamtes1, im Vernehmen mit den zuständigen Stellen der Partei und des Staates eine wissenschaftliche Arbeitsstelle zur Erforschung der Sowjet-Union eingerichtet. Die Arbeitsergebnisse dieser Stelle gehen den Reichsleitern und Gauleitern der NSDAP künftig in Form von monatlichen Mitteilungen zur Lage in der Sowjet-Union und Sonderberichten über einzelne Gebiete der Sowjet-Union zu. Da die Berichte nicht als Propagandamaterial gedacht sind, ist ihre Weiterverwendung zu Schulungszwecken nur in beschränktem Umfange möglich. Die Berichte sollen in erster Linie zur persönlichen Unterrichtung der Reichs- und Gauleiter der Partei dienen. Soweit sich im Zusammenhang damit Rückfragen ergeben oder darüber hinaus Sondergutachten über irgendwelche Fragen Sowjet-Russlands benötigt werden, kann eine entsprechende Anforderung an den Chef des SD-Hauptamtes Berlin SW 68, Wilhelmstraße 102, gerichtet werden. Von dort wird das gewünschte Material nach Möglichkeit zur Verfügung gestellt werden. gez. M. Bormann F[ür] d[ie] R[ichtigkeit] [Unterschrift] Verteiler: Reichsleiter und Gauleiter Auf Kopfbogen der NSDAP/Stellvertreter des Führers geschrieben. BArch, NS 6/232, Bl. 29.
1
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Reinhard Heydrich.
8. 2. 1939 Nr. 410 Nr. 410 Schreiben des kommissarischen Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Skosyrev an den Volkskommissar für Außenhandel Mikojan Nr. 410 8. 2. 1939 8. 2. 1939 GEHEIM Persönlich1 Expl. Nr. … Stellvertretender Handelsvertreter der Union der SSR in Deutschland Ausgangs-Nr. 102/s 12/II2 Berlin, 8.2.1939 An den Volkskommissar für Außenhandel Gen. A.I. MIKOJAN Am 8. Februar erhielt ich Ihre telegrafische Anfrage bezüglich meines angeblichen Besuchs beim deutschen Minister3. Sie fragen an, auf wessen Initiative das Treffen erfolgte und was als Begründung für dieses Treffen diente. Am 8. des Monats habe ich Ihnen telegrafisch berichtet, dass diese Informationen *unzutreffend*4 und anscheinend darauf zurückzuführen seien, *dass Ihnen mein Telegramm in entstellter Form vorgetragen wurde*5. Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass für einen Besuch meinerseits beim Minister, wenn ich zu ihm eingeladen würde, Ihre Genehmigung erforderlich ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich um meine Mitteilung über Folgendes: Am 6. Februar d. J. lud der Direktor der Wirtschaftsabteilung des Außenministeriums, Herr Wiehl, den Bevollmächtigten Vertreter Gen. Merekalov und mich ein, ihn zu besuchen. Am gleichen Tag suchten ich und der Bevollmächtigte Vertreter Gen. Merekalov ihn im Außenministerium auf.6 Bei der Unterredung waren der Ihnen bereits bekannte Leiter der deutschen Delegation Herr Schnurre und ein weiterer Mitarbeiter des Ministeriums7 anwesend. Herr Wiehl teilte uns mit, dass er uns herbestellt habe, um uns über die Veränderungen zu informieren, die seit dem letzten Besuch des Bevollmächtigten Vertreters Gen. Merekalov bei ihm 8 stattgefunden hätten. Bekanntlich habe die 1 2 3 4 5 6
Das Wort ist mit Tinte geschrieben und zweimal mit rotem Farbstift unterstrichen. Die Ausgangsnummer und das Datum sind mit Tinte geschrieben. Joachim von Ribbentrop. Das Wort ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Vgl. Dok. 406; Telegramm Merekalvos an das NKVT vom 6.2.1939; in: God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 141, S. 215; Tagebuchaufzeichnung Merekalovs vom 6.2.1939; in: DVP, Bd. XXII, Dok. 75, S. 103–104. 7 Gemeint ist höchstwahrscheinlich von Behr. 8 Am 20.1.1939. Vgl. Dok. 401; Aufzeichnung Wiehls vom 20.1.1939; in: ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 485, S. 544–545.
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Nr. 410
8. 2. 1939
deutsche Seite damals erklärt, dass Herr Schnurre zur Führung der Kreditverhandlungen nach Moskau gehen werde. Er müsse uns nun mitteilen, dass sich die Umstände so gestaltet hätten, dass Herr Schnurre aufgrund seiner Beanspruchung durch die Verhandlungen mit Polen nicht fahren könne, und er deshalb gezwungen gewesen sei, aus Warschau nach Berlin zurückzukehren.9 Die deutsche Seite allerdings habe, „um nicht unnötig Zeit zu verlieren, die Deutsche Botschaft in Moskau (den Botschafter Graf Schulenburg und den Wirtschaftsrat Herrn Hilger) angewiesen, sofort mit den Verhandlungen zu beginnen, die Schnurre hätte aufnehmen sollen“. Die Deutsche Botschaft in Moskau habe Vollmachten erhalten, diese Verhandlungen bis zum Abschluss zu führen, die deutsche Seite sei jedoch der Auffassung, dass die Unterzeichnung des Kreditabkommens – sollte man sich darauf verständigen – in Berlin stattfinden solle. Gen. Merekalov erwiderte, wir nähmen die Mitteilung [über] Schnurre zur Kenntnis und hofften, dass die Verhandlungen, die die deutsche Seite aufzunehmen gedenke, von Erfolg gekrönt sein würden. Herr Wiehl bemerkte beiläufig, dass das uns seitens Herrn Otto Wolff unterbreitete Angebot über einen 50-Millionenkredit10 selbstverständlich durch das aktuelle Angebot der deutschen Regierung über den 200-Millionenkredit11 abgedeckt sei und somit das Angebot von Herrn Otto Wolf an sich hinfällig sei. Gen. Merekalov antwortete darauf, dass wir diesen Standpunkt der deutschen Seite ebenfalls zur Kenntnis nähmen. Damit war die Unterredung im Wesentlichen beendet. L. Skosyrev Vermerk mit Tinte: Zu den Akten. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel der Geheimgruppe der Geheimen Chiffrierabteilung des NKVT der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 4545/8 vom 21.02.1939. Am Ende des Dokuments ist die Anzahl der Exemplare vermerkt: 2 Ex[emplare]. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 3076, l. 63–64. Original.
9 10 11
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Vgl. Dok. 451. Vgl. Dok. 351. Vgl. Dok. 381, 387.
10. 2. 1939 Nr. 411 Nr. 411 Bericht des Gehilfen des Militärattachés in Berlin Gerasimov an den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov Nr. 411 10. 2. 1939 10. 2. 1939 Ganz geheim Expl. Nr. 1 Zu Nr. 4ss Berlin, 10.2.1939 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR VERTEIDIGUNG DER UDSSR Marschall der Sowjetunion Gen. Kl[iment] E. VOROŠILOV Über Entwicklungsbesonderheiten der Streitkräfte Deutschlands im Jahr 1938 1. Im Jahr 1938 wurden die Streitkräfte Deutschlands QUANTITATIV drastisch erhöht: von 900–950 Tsd. Mann im Jahr 1937 auf 1150 Tsd. im Jahr 1938, d.h. um 200 bis 250 Tsd. Mann. Auch QUALITATIV haben sie sich stark verändert, und zwar: a) Veränderungen im Bestand der Divisionen: Stand am 1.1.1938
Stand am 1.1.1939
Infanteriedivisionen
36
39
davon motorisierte
3
5
Gebirgsdivisionen
1
3
Panzerdivisionen
3
5
Leichte Divisionen
1
4
Kavalleriebrigaden
1
1
b) Dazugekommen sind: Panzerregimenter bei den Armeekorps, motorisierte leichte und schwere Maschinengewehrbataillone bei den Armeekorps, Artillerieregimenter bei den Korps (festgestellt 6) und die Regimenter der RGK1. Die Motorisierung und Mechanisierung der Armee erfolgt in beschleunigtem Tempo. Beabsichtigt ist, eine fünfte LEICHTE DIVISION aufzustellen. In nächster Zeit ist beabsichtigt (ich prüfe), aus den bestehenden Panzer-, leichten und motorisierten Divisionen FÜNF motomechanisierte Korps aufzustellen, die jeweils aus einer Panzer-, einer leichten und einer motorisierten Division bestehen. Neu eingeführt wurde die Dienststellung „Chef der beweglichen Truppen“ für den weiteren Ausbau der mechanisierten Truppen und der Kavallerie und für die Leitung der Ausbildung von motomechanisierten und Kavallerieverbänden. 1
Rezerv Glavnogo kommandovanija = Reserve des Oberkommandos.
1041
Nr. 411
10. 2. 1939 II. AUFRÜSTUNG
Die Deutschen haben nach langen, experimentellen Modellversuchen damit begonnen, und zum Teil bereits umgesetzt, das Heer und die Luftwaffe auf neue, völlig moderne Waffentypen und Flugzeuge aufzurüsten. Das HEER erhielt „das Standard-Gewehr, Typ 1936“ (Chiffre 89K) für alle Waffengattungen (es wurde bereits in die Bewaffnung der Kriegsmarine und der Luftwaffe übernommen). Sein Gewicht beträgt 4,1 kg, es ist um 14 cm kürzer als das bisherige. Sämtliche Verbände des Heeres erhielten das UNIVERSALMASCHINENGEWEHR MG 34, das es in 3 Ausführungen gibt: mit Gabelstütze als leichtes Maschinengewehr, Gewicht 12,5 kg, mit festem Stand (Dreifuß) als schweres Maschinengewehr, Gewicht 37 kg, und zum Steilschießen auf einem speziellen Flak-Dreifuß. Erzielt wurde: die Vereinheitlichung der Ausbildung, die einfache Herstellung, eine bessere Verpflegung und Wiederherstellung der Kampffähigkeit, Einsparungen. Für die schweren Modelle dieses Maschinengewehres wurden in den Schützen- und Maschinengewehrkompanien der Bataillone spezielle Fahrzeuge mit doppeltem Drehkranz eingeführt, sodass während des Marsches diese Maschinengewehre in ständiger Bereitschaft zur Bekämpfung von Flugzeugen gehalten werden können. Die ARTILLERIE: ein erheblicher Teil erhielt neue Modelle. Die Divisionsartillerie wurde verstärkt mit HAUBITZEN ausgestattet: von 60 Geschützen entfallen: 36 auf 105 mm Haubitzen (Kanonenhaubitzen) 16 auf 150 mm schwere Haubitzen 8 auf 10 cm schwere Kanonen (faktisch 105 mm), d.h. 86,7% Haubitzen. Die SCHWERE ARTILLERIE erhielt neue Modelle: 21 cm Haubitzen, 21 cm Langgeschütze, 34 cm Mörser. Die Deutschen arbeiten verstärkt daran, die schwere Artillerie auszubauen. Geplant ist die Entwicklung von 38 cm und sogar von 42 cm Geschützen. Die gesamte Panzerabwehr- und schwere Artillerie (mit Ausnahme einer einzigen schweren Division in der Infanteriedivision) und der Kampfmittelnachschub sind MOTORISIERT. Es wurde mit der Aufstellung der Korpsartillerie und der Artillerie der ARGK2 begonnen, doch verzögert sich dies wegen des Mangels an Offizieren und der materiellen Ausstattung. In besonderer Art ist die Frage der Regimentsartillerie gelöst: zu einem Regiment gehören 6 Infanteriegeschütze zu 75 mm (Gewicht des Geschosses 6 kg, Reichweite 3475 m) und 2 schwere Infanteriegeschütze zu 150 mm (Gewicht des Geschosses 40 kg, Reichweite 4500 m), sie sind sehr beweglich und in der Lage, der Infanterie auf dem Schlachtfeld Feuerschutz und Aufsitzmöglichkeiten zu geben. 2
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Artillerija rezerva Glavnogo komandovanija = Artilleriereserve des Oberkommandos.
10. 2. 1939 Nr. 411 Die PANZER: in der Bewaffnung wurden neue Panzer eingeführt: (vgl. Fotos3) leichte mit Maschinengewehr und Kanone (einer 22 mm oder einer 37 mm Kanone und einem Maschinengewehr), mittlere mit einer 57 mm Kanone und drei Maschinengewehren, mittelschwere mit einer 75 mm Kanone und einem Maschinengewehr. Diese Panzer sind ganz modern. Mit ihnen werden alle Panzertruppen ausgerüstet. Schwere Panzer gibt es in der Bewaffnung noch nicht; sie befinden sich in der Erprobung. Die LUFTWAFFE: sie wird grundlegend durch schnelle, ganz moderne Flugzeuge umgerüstet (vgl. Fotos). Zur Ausstattung gehören sorgfältig erprobte, einheitliche Modelle: leichte Jagdflieger „Messerschmitt 109“, Bomber DO4 17, Nahaufklärer „Henschel 126“, schwere Jagdflieger „Messerschmitt 110“ und „Heinkel“ 118, Sturzkampfflugzeug „Junkers 87“. Die Deutschen stellen verstärkt spezielle Einheiten und Verbände von STURZKAMPFFLUGZEUGEN auf, nachdem sie dafür ein spezielles zweimotoriges Flugzeug entwickelt haben. Es kann eine Bombenlast mit einem Gewicht von 250 kg tragen und sie während des Sturzflugs abwerfen. Die Beendigung des Sturzfluges erfolgt automatisch bei Abwurf der Bombe vom Flugzeug und damit entgeht das Flugzeug der Gefahr, von der eigenen Bombe bei deren Explosion in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Es gibt bereits ZWEI GESCHWADER (Luftregimenter), die mit schweren Jagdfliegern ausgestattet sind. 1938 produzierten die Deutschen eine Reihe viermotorige, vorerst erst noch für den Passagierverkehr bestimmte, schwere Flugzeuge („Focke Wulf 200“, „Junkers 90“, Heinkel 116“, DO 26). Zugleich werden die militärischen Varianten dieser Maschinen entwickelt. Sie arbeiten auch viel an „Tragschraubern“ [d.i. Hubschraubern]; die Firma Focke Wulf brachte einen sehr gelungenen Tragschrauber heraus, der sogar in einer großen, geschlossenen Manege vorgeführt wurde: er ging vertikal hoch und nieder, konnte in der Luft auf einer Stelle stehenbleiben und sich um die eigene Achse drehen. Dem Aufbau der Luftwaffe wird AUßERORDENTLICHE AUFMERKSAMKEIT geschenkt. Beim Luftfahrtministerium (Göring) wurde (zu der bereits bestehenden Luftkriegsakademie und der Lufttechnischen Akademie) eine spezielle Forschungsakademie und vor Kurzem ein Sonderkomitee für die Ausrüstung der Luftwaffe eingerichtet. Zur Theorie des Flugwesens und der Luftfahrt forscht auch die sog. „Lilienthal-Gesellschaft“5. An den Technischen Hochschulen gibt es Luftfahrtfakultäten, die Luftfahrtingenieure und -konstrukteure ausbilden. Das militärische Personal wird in Luftfahrtschulen (ungefähr 70) ausgebildet, Stabsoffiziere werden in Luftfahrthochschulen, ferner in der Luftakademie und in der Lufttechnischen Akademie ausgebildet. 3 4 5
Fehlen in der Veröffentlichung. Gemeint ist der Flugzeughersteller Dornier-Werke GmbH. In Deutsch mit kyrillischen Buchstaben geschrieben: Lilienthalgesellschaft für Luftfahrtforschung.
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Nr. 411
10. 2. 1939
1938 stellten sich die Deutschen die Aufgabe, die LUFTWAFFE ZU VERDOPPELN. Gegen Ende 1938 waren ungefähr 4500 Flugzeuge im Dienst. Organisatorisch wurde die LUFTWAFFE in Luftdivisionen zusammengeführt, seit dem 1.2.1939 in „LUFTFLOTTEN“: in die Luftflotten Ost, Nord und West. V.6 DIE MILITÄRISCHEN MÖGLICHKEITEN DEUTSCHLANDS Im Falle eines Krieges Anfang 1939 könnte Deutschland einsetzen:
M-27 M-4–5 M-5–6 Insgesamt
I. Welle 52 etatmäßige Divisionen (unterschiedlicher Waffengattungen), 25 Landwehrdivisionen, 52 Reservedivisionen. 129 Divisionen.
II. Welle M-30
ungefähr 25 Reservedivisionen.
III. Welle Gegen Ende des dritten Monats nochmals 20–25 Divisionen, insgesamt also 179–180 Divisionen. Um die Anzahl der Divisionen zu erhöhen, werden verstärkt Reservisten und Landwehrmänner älterer Jahrgänge ausgebildet, die bislang keine Ausbildung durchlaufen haben. Die Ausbildungsdauer für diese Reservisten wird außerdem von 8 Wochen auf 3 Monate verlängert; offenbar sind die Deutschen mit der Qualität der achtwöchigen Ausbildung nicht zufrieden. Die Erhöhung der Anzahl der Divisionen für die I. Welle und für die nachfolgenden Wellen verzögert sich wegen: a) der Unterbesetzung des Offizierskorps (die alte deutsche Armee hatte 35.000 Offiziere, die jetzige Armee übertrifft die alte Armee zahlenmäßig, hat aber vorerst nur 23.000 Offiziere); b) der ungenügenden materiellen Ausstattung. 1938 gab es 15,8 Mio. Wehrpflichtige im Alter von 18 bis 45 Jahre, davon waren 10,5 Mio. Mann tauglich, eine militärische Ausbildung haben 5,6 Mio. Mann durchlaufen. Von den zur Zeit bestehenden SECHS Armeegruppen ist: eine Gruppe (die 2. bestehend aus dem VI., XII. und V. Armeekorps) gegen den Westen gerichtet und für die Verteidigung der gesamten Westgrenze unter Ausnutzung der befestigten Linie vorgesehen; eine Gruppe (die 1. bestehend aus dem I., II., III. und VIII. Armeekorps) ist gegen Polen und zum Teil gegen die UdSSR gerichtet;
6 So in der Veröffentlichung; eine mutmaßliche Auslassung der Punkte III. und IV. wurde dort nicht gekennzeichnet. 7 M bedeutet hier und im Folgenden die Anzahl der Tage ab Beginn der Mobilisierung, die für die Konzentrierung der Truppen erforderlich ist.
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10. 2. 1939 Nr. 411 vier Gruppen: die 3., 4., 5. und 6. Gruppe des II. Korps nehmen die Mittelstellung ein und können eingesetzt werden: im Westen zur Verteidigung im Osten, oder im Osten zur Verteidigung im Westen, oder im Südosten zur Verteidigung im Westen und im Osten (gegen uns). VI. SCHLUSSFOLGERUNGEN 1) Die deutsche Armee hat 1938 einen gewaltigen Sprung vollzogen. Die Ereignisse „trieben“ ihre Entwicklung an und beschleunigten die Aufstellung von etatmäßigen, Reserve- und Landwehrdivisionen. Es wurde mit der Aufstellung der Korpsartillerie und der Artilleriereserve des Oberkommandos begonnen. 2) Hinsichtlich der Qualität der Rüstung befand sich Deutschland, das später als andere mit der Rüstung begann, in einer günstigen Situation, und besitzt nunmehr eine der modernsten Bewaffnungen. 3) Die deutsche Armee ist hinsichtlich der Qualität der Kampfvorbereitung sehr gut ausgebildet. Jedoch führten der Übergang zur allgemeinen Wehrpflicht, die Einberufung von Soldaten aus dem einverleibten Österreich und aus dem Sudetengebiet sowie die Intervention in Spanien zu einem Anwachsen von Widersprüchen und Unzufriedenheit in den Reihen der Armee, die durch den Anstieg allgemeinpolitischer Schwierigkeiten im Lande noch verstärkt wurden. 4) Besondere Beachtung verdienen die eigenständige Entwicklung der Luftwaffe, und hier insbesondere der Jagdflieger und schweren Jagdflugzeuge, wie auch die im Heer – die Ausrüstung der Artillerie mit Haubitzen und die verstärkte Entwicklung der SCHWEREN ARTILLERIE. 5) Unzulänglichkeiten, die das Wachstum der Armee verzögern, bestehen in: a) der Unterbesetzung des Offizierskorps, b) dem Zurückbleiben bei der Ausstattung der neuen Verbände mit materieller Ausrüstung, insbesondere bei der Artillerie, c) in der in militärischer Hinsicht unvollendeten „Erschließung“ Österreichs und des Sudetengebietes, dem Mangel an strategischen Rohstoffen, insbesondere an: Eisenerzen, Buntmetallen, Erdöl und Nahrungsmitteln. 6) In nächster Zeit ist zu erwarten: a) das weitere Anwachsen der deutschen Armee (neue Divisionen), b) eine verstärkte Motorisierung und Mechanisierung (Aufstellung neuer motomechanisierter Korps, Motorisierung der neuen Infanteriedivisionen), c) der Abschluss der Aufstellung der Korpsartillerie, der Ausbau der schweren Artillerie, der weitere Ausbau der Artilleriereserve des Oberkommandos, d) die weitere Aufstellung von Reserve- und Landwehrdivisionen und deren materielle Ausstattung, e) der weitere Ausbau der Luftwaffe und der Flakartillerie, f) der Abschluss der UMRÜSTUNG des Heeres und der Luftwaffe mit neuen Geschütz-, Panzer- und Flugzeugmodellen. Insgesamt präsentiert sich Deutschland als ein Kriegslager: eine große Armee, paramilitärische Organisationen (SS, SA, NS-Motorkorps, NS-Fliegerkorps, NSReiterkorps), paramilitärische Jugend- und Kinderorganisationen (Hitlerjugend, Jungvolk), eine unablässige und verstärkte Einberufung von Reservisten, eine militarisierte Wirtschaft.
1045
Nr. 412
11. 2. 1939
Gehilfe des Militärattachés bei der Bevollmächtigten Vertretung der UdSSR in Deutschland Oberst A. Gerasimov Veröffentlicht in: Kondrašov, Istorija otečestvennoj voennoj razvedki, S. 303–307.
Nr. 412 Telegramm des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA Nr. 412 11. 2. 1939 11. 2. 1939 Telegramm (Geh.Ch.V.) Moskau, den 11. Februar 1939 23 Uhr 33 Ankunft: 12. Februar 1 Uhr 10 Nr. 15 vom 11.2. Im Anschluss an Telegramm vom 10. 2. Nr. 141 Mikojan erklärte in heutiger zweiter Besprechung, dass er sich inzwischen mit Inhalt unseres Entwurfs Kreditabkommens bekannt gemacht und unsere ihm mündlich vorgebrachten Argumente geprüft habe. Er habe daraus Entgegenkommen deutscher Seite ersehen und wolle daher auch seinerseits entgegenkommen, indem er Wert sowjetischer Rohstofflieferungen 1939 auf insgesamt 70 Millionen Reichsmark und 1940 auf 75 Millionen Reichsmark heraufsetze. Er überreichte uns eine entsprechend spezifizierte Warenliste. Mikojan stellte sodann für nächste Tage Übersendung sowjetischen Gegenentwurfs Kreditabkommens in Aussicht und erwähnte daraus insbesondere nachstehende Punkte: 1.) Sowjetregierung bestehe darauf, dass Kredit genauso wie 1935 ausschließlich auf Reichsmarkbasis ohne Einschaltung fremder Währung gegeben wird. 2.) Sowjetregierung wünsche, dass vorgeschlagenem Kredit jeglicher Charakter Firmenkredits genommen werde, indem statt Wechsel für Einzelgeschäfte Globalzahlungsverpflichtungen ausgestellt werden. 3.) Sowjetregierung erhoffe weiteres deutsches Entgegenkommen in Zinsfrage. 4.) Sowjetregierung verlange, dass Verschiffung auch auf Sowjet-Schiffen erfolgen solle. Bitte vorstehendes Telegramm V.L.R. Schnurre in seine Wohnung zuzustellen. Schulenburg Am linken Seitenrand Verteilerschlüssel. PA AA, R 105999, Bl. 474315. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 491, S. 549.
1
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Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 490, S. 548–549.
14. 2. 1939 Nr. 413 Nr. 413 Schreiben des Oberquartiermeisters IV im Generalstab des Heeres von Tippelskirch an den Militärattaché in Tokio Matzky Nr. 413 14. 2. 1939 14. 2. 1939 14.2.1939 Nr. 48/39 geh. Kdos. Lieber Matzky! Vor mir liegen zwei Briefe vom 27.12.1938 und 23.1.1939, für die ich Ihnen herzlich danke, und die der Beantwortung harren. Zum politischen Teil im Brief vom 27.12. bedarf es einer Klarstellung. Sie scheinen aus meinem Brief vom 2.12. etwas missverstanden zu haben – offensichtlich haben Sie meine Andeutung, dass die tschechoslowakische Frage noch nicht endgültig erledigt ist, dahin verstanden, dass eine weitere Bereinigung evtl. eine Aufrollung der gesamten ukrainischen Frage und damit einen möglichen, baldigen Konflikt mir Russland bedeuten könnte. So war es nicht gemeint. Es bleibt dabei, dass in der Gestaltung der Tschechei das Endziel noch nicht erreicht ist – man braucht sich das gegen früher noch unmöglichere, unhaltbare Gebilde ja nur auf der Karte anzusehen – aber an eine deutsche Lösung der Ukrainefrage ist in diesem Zusammenhang nicht gedacht. Vielmehr endet das deutsche Interesse etwa am Waagtal, an der Ukraine und allem, was ostwärts des Waagtals liegt, hat Deutschland kein Interesse. Wann und in welcher Form im Südosten endgültig Ordnung geschaffen wird, kann ich Ihnen zurzeit noch nicht schreiben. Jedenfalls handelt es sich um eine örtliche Regelung, die von uns zur gegebenen Zeit erfolgen wird, gegebenenfalls unter Beteiligung des einen oder anderen Nachbarn. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Führerrede vom 30.1.1, in der er andeutet, man werde nicht hinnehmen, dass westliche Staaten sich in Dinge einmischen, die nur uns angehen, und durch ihr Dazwischenfragen natürliche und vernünftige Lösungen verhindern. Das soll andeuten, dass wir allein im Südosten zu entscheiden haben. Ihre Sorge, dass ein militärisches Zusammenwirken gegen Russland in naher Zeit akut werden könnte, entfällt damit. – Der Führer spricht in diesen Tagen die Militärattachés, die gerade zur alljährlichen Vereinigung hier sind. Ich werde Ihnen mit dem nächsten Kurier alles mitteilen, was ich dem Papier auf den weiten Weg anvertrauen kann. – Das Kommando Scholl ist inzwischen ausgesprochen und wird sich hoffentlich recht fruchtbar auswirken. – Ich sehe ein, dass unser Wunsch bzgl. Polen nicht sehr leicht zu erfüllen sein wird. Sollte es trotzdem gehen, wären wir natürlich sehr dankbar. – Ihre Anregung in der Protokollfrage, Stellung der Hauptleute, habe ich im Sinne Ihrer Vorschläge aufgegriffen. Es wird natürlich einige Zeit dauern, bis wir [zur] – hoffentlich günstigen – Entscheidung kommen. – Nun zum Brief vom 23.1. Es tut mir nur leid, dass Sie trotz meines Begleitschreibens die Angelegenheit P. so bewegt hat. Es ist hier längst über tausend anderen Dingen vergessen. Leider hatte Chevallerie das von ihm aufgesetzte und nach meiner 1
Vgl. Domarus, Hitler. Reden und Proklamationen, Bd. II/1, S. 1047–1067.
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Nr. 414
19. 2. 1939
Auffassung unnötig kategorische Schreiben schon unterschreiben lassen, bevor ich es im Wortlaut kannte, sonst wäre es gar nicht so herausgegangen. Dies nur noch zur Erläuterung einer Sache, die man nun beruhigt auf sich beruhen lassen kann. Ob wir zum Herbst einen Nachfolger Scholl herbeischaffen können, kann ich Ihnen noch nicht versprechen. Es wird recht schwer sein. Bitte schreiben Sie doch noch einmal im April oder Mai, ob es Ihnen weiterhin unerlässlich erscheint. – Das wäre alles für heute. Die Iden des März werden wohl dieses Mal ruhig verlaufen, es sei denn, dass die angedeutete Bereinigung im SO schon so schnell kommt. Mit mehr wird man für 1939 nicht zu rechnen haben. Auch der französisch-italienische Gegensatz wird kaum ins Handgreifliche ausarten. Recht herzliche Grüße stets Ihr [Tippelskirch] Unterschrift als Paraphe. Auf erstem Blatt Stempel: Geheime Kommandosache. In zwei Ausfertigungen gefertigt. Unten handschriftliche Bemerkung von Tippelkirch: [Anm.] Kartographisches und sonstiges Material über chines. [Inf.] bei Hankow für den Führer in einer [Nachschrift] erbeten. BA MA, RH 2/2940, Bl. 39-40.
Nr. 414 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 414 19. 2. 1939 19. 2. 1939 Geheim Expl. Nr. 1 AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS Nr. 5127 [19.2.1939] GESPRÄCH MIT DEM DEUTSCHEN BOTSCHAFTER SCHULENBURG, 18. FEBRUAR 1939 Nach dem Mittagessen in der Deutschen Botschaft teilte Schulenburg mir mit, dass er bereits zwei Treffen mit Gen. Mikojan gehabt hatte.1 Der Botschafter ist über den umsichtigen Empfang, den Gen. Mikojan ihm und Hilger bereitet habe, höchst angetan. Überaus positiv äußert er sich über die Art der Führung dieser Verhandlungen, in denen die Hauptfragen ganz gezielt aufgeworfen und entschieden werden. Nichtsdestotrotz ist Schulenburg ein wenig über die Zurückhaltung enttäuscht, die Gen. Mikojan bezüglich des vorgeschlagenen sowjetisch-deutschen Handelsvolumens gezeigt hat. Den Worten Schulenburgs zufolge wäre seine Regierung geneigt, 1
549.
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Am 10.2. und am 11.2.1939 vgl. Dok. 412 sowie ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 490, S. 548–
27. 2. 1939 Nr. 415 dieses Volumen für jedes kommende Jahr bedeutend zu erweitern. Unterdessen habe man den Vertretern Deutschlands, wie Schulenburg versichert, zu verstehen gegeben, dass sie nicht mit einer Umfangserweiterung ihrer Bestellungen in der UdSSR über das vom Narkomvneštorg festgesetzte Limit hinaus rechnen könnten. Das Narkomvneštorg habe sich auch nicht von der von deutscher Seite vorgeschlagenen Senkung der Zinsen für den Handelskredit verlocken lassen. Die Ergebnisse der ersten Treffen der Vertreter der deutschen Seite mit Gen. Mikojan würden nach Warschau übermittelt, wo sich Schnurre jetzt aufhalte. Es verstehe sich von selbst, dass auch Berlin unverzüglich über den Verhandlungsverlauf informiert werde. Schulenburg sagt scherzhaft, dass er sich selbst schlecht in den Fragen auskenne, die die begonnenen Verhandlungen betreffen. Ihm helfe Hilger aus der Patsche, er selbst hoffe aber weiterhin, dass auch Schnurre nach Moskau kommen werde. Im Übrigen erinnerte Schulenburg daran, dass zu seiner Zeit als Gesandter in Teheran Schnurre in der Deutschen Botschaft als Sekretär2 tätig war. V. Potemkin Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 Expl. Das 1. [Exemplar] zu den Akten, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an Gen. Mikojan, das 4. an die 2. Westabteilung, das 5. nach Berlin. 19.II.1939. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 24, d. 6, l. 102–101. Original. Veröffentlicht in: God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 155, S. 2313.
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Nr. 415 Schreiben des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov Nr. 415 27. 2. 1939 27. 2. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 11 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 65/s2 Berlin, 27.II.39 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN Gen. M.M. LITVINOV Sehr geehrter Maksim Maksimovič! In diesem Schreiben möchte ich die Frage *der möglichen Nichteinladung Schulenburgs zu einer der Festsitzungen*3 oder zur ordentlichen Tagung des Ober2 Schnurre war von Juli bis Oktober 1928 in Teheran; Graf von der Schulenburg von Januar 1923 bis September 1931 Gesandter in Persien. 3 Das Dokument wurde in redaktioneller Bearbeitung veröffentlicht und auf den Zeitpunkt des Gesprächs datiert. 1 2
Der Text ist mit Tinte geschrieben. Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben.
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Nr. 415
27. 2. 1939
sten Sowjets der UdSSR *als Vergeltungsaktion* gegen die Deutschen4 ansprechen. Ich bin der Ansicht, dass eine solche Maßnahme gegenüber der Deutschen Botschaft in Moskau sehr scharf wäre und Gegenmaßnahmen gegen uns in Berlin auslösen könnte. Ich kann mich bei Ihnen nicht über eine derartige Diskriminierung seitens der Deutschen beklagen, denn zu den allgemeinen Empfängen: bei Hitler, in den Reichstag, nach Nürnberg, zu Paraden, zu Ausstellungen und anderem, schicken die Deutschen penibel Einladungen, und dort, wo es angezeigt ist, nehmen wir die Einladungen an. Im letzten Schreiben habe ich lediglich auf die Nichteinladung der Vertreter der Bevollmächtigten Vertretung zum Empfang bei Dietrich und **zum Ball**5 der Presse6 hingewiesen. Darüber hinaus gibt es eine Methode der Zurücksetzung, bei der die Presse die Anwesenheit unserer Vertreter bei bestimmten Empfängen verschweigt, während sie die Vertreter anderer Botschaften auflistet. Als Gegenmaßnahme wäre es angezeigt, *die Deutschen speziell in Bezug auf die Presse zurückzusetzen, sie nicht zu Empfängen der Presse, der VOKS usw. einzuladen und die Anwesenheit der Vertreter* der Deutschen Botschaft bei einzelnen unserer Empfänge in Moskau nicht in unserer Presse bekannt zu geben.7 Sollten die Deutschen jedoch ihre Verhaltensweise uns gegenüber in dieser Hinsicht ändern, wird die Notwendigkeit der Annahme einiger ihrer Einladungen ins Auge zu fassen sein, was unsere Bevollmächtigte Vertretung in der Vergangenheit nicht systematisch getan hat mit der Begründung, dass es anscheinend eine derartige Anweisung des NKID gab. Zu Ihrer Kenntnis teile ich mit, dass ich die von den Deutschen geschickte Einladung, am 28.2. an der Eröffnung einer von der Deutsch-Japanischen Gesellschaft organisierten Ausstellung alter japanischer Kunst teilzunehmen, nicht angenommen habe. Für den 28.2. wurde ich vom Leiter der faschistischen Arbeitsfront Doktor Ley zum Mittagessen eingeladen und habe ebenfalls abgesagt. Die Einladung Hitlers zu einem für das gesamte Corps gegebenen Mittagessen am 1.3. habe ich angenommen und werde dort mit meiner Frau anwesend sein.8 Für den 7.3. habe ich eine Einladung des Leipziger Messekomitees angenommen. Aber allgemein gesprochen nehme ich Einladungen nur an, wenn es hierfür geschäftliche oder politische Gründe gibt, jedoch nicht unter formal-protokollarischen Gesichtspunkten. Mit Gruß! Bevollmächtigter Vertreter der UdSSR in Deutschland A. Merekalov
3
Der hier und im Folgenden so gekennzeichnete Text ist mit blauem Farbstift unterstri-
chen. 4 5 6 7 8
1050
Vgl. Dok. 403, Anm. 6. Der Text ist mit Bleistift über die Zeile geschrieben. Vgl. Dok. 403. Zur Reaktion Litvinovs auf diese Vorschläge vgl. Dok. 417. Vgl. Dok. 420.
1. 3. 1939 Nr. 416 Vermerk mit blauem Farbstift: Archiv 7/III. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats von Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 1152 vom 2.3.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Litvinov, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. zu den Akten. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 61, l. 33–32. Original.
Nr. 416 Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an den Leiter der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Wiehl Nr. 416 1. 3. 1939 1. 3. 1939 Moskau, den 1. März 1939 Sehr geehrter Herr Wiehl! Durch unsere telegraphischen und schriftlichen Berichte, insbesondere durch die eingehenden Aufzeichnungen, die Herr Legationsrat Hilger anfertigt, sind Sie, wie ich glaube, über den Fortgang unserer Verhandlungen mit Herrn Mikojan unterrichtet.1 Nach unserem letzten Besuch bei dem Außenhandelskommissar waren wir recht pessimistisch gestimmt. Wir haben geglaubt, dass weitere Bemühungen zwecklos seien. Am nächsten Tage hatte sich das Bild geändert: Herr Mikojan ist nun doch bereit, Rohstoffe für 200 Millionen Mark zu liefern. *Seine Gegenforderungen sind weit übertrieben; darüber wird sich reden lassen.*2 (Wir erwarten mit Interesse Ihre neuen Weisungen.) In der Anlage übersende ich Ihnen Abschrift einer Aufzeichnung, die den Inhalt einer von mir mit meinem japanischen Kollegen geführten Unterhaltung wiedergibt.3 Herr Togo wünscht, dass wir unsere Wirtschafts-Verhandlungen einige Wochen aufschieben, damit er seine Fischerei-Verhandlungen unter Dach bekommt. Es scheint mir, dass das etwas viel verlangt ist. Ich habe das Herrn Togo gesagt, er hat aber so gedrängt, dass ich zum Schluss nicht umhin konnte, zu versprechen, Sie zu verständigen. Die Hartnäckigkeit der Russen in den Verhandlungen mit Japan datiert bereits aus der Zeit vor Weihnachten, d. h. lange vor der Äußerung des Führers gegenüber Beck4. – Dann ist im diplomatischen Korps hier die Meinung verbreitet, dass Herr Togo seine Verhandlungen recht ungeschickt führt und dass sein Vorgänger Shigemitsu es viel besser gemacht hätte. Es kann kaum von uns erwartet werden, dass wir die Suppe aufessen, die sich ein anderer eingebrockt hat! Dazu kommt, dass ein Aufschieben unserer Verhandlungen Herrn Togo keinen Vorteil bringen dürfte. *Herr Litwinow sieht die Verhandlungen des Herrn Mikojan keineswegs mit freundlichen Augen an.*5 Wenn er die eifrige Tätigkeit des Außenhandelskommissars durch Hartnäckigkeit gegenüber Japan stören kann, so 1 Vgl. auch Bericht Schulenburgs über die Ausgestaltung der wirtschaftlichen Berichterstattung vom 16.2.1939 an das AA; in: PA AA, Moskau II 299, Bl. 54-55. 2 Der Satz ist von Wiehl unterstrichen. 3 Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 493, Anlage, S. 551–552. 4 Vgl. Dok. 396, Anm. 1. 5 Der Satz ist von Wiehl unterstrichen.
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Nr. 417
3. 3. 1939
wird er dieses Vorgehen eher verschärfen als abschwächen. Ich meine daher, dass wir unsere Wirtschafts-Verhandlungen in derselben Weise fortführen müssen, wie bisher. *Allzu rasch wird es sowieso nicht gehen.*14 Ich verständige Sie von der ganzen Angelegenheit nur für den Fall, dass Herr Togo oder sein Berliner Kollege15 Ihnen gegenüber auf die Angelegenheit zurückkommen sollte.16 Mit vielen Grüßen und mit Heil Hitler! bin ich, sehr geehrter Herr Wiehl, Ihr stets ganz ergebener F. W. Schulenburg Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben handschriftlich von Schulenburg: Mit Beziehung auf anderweitige Meldung. Außerdem: N[ach] R[ückkehr] H[errn] Schnurre W[iehl]. Auf Kopfbogen des Deutschen Botschafters geschrieben. PA AA, R 106230, Bl. 452603-452605. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 493, S. 550–551. 14
15
16
Nr. 417 Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Bevollmächtigten Vertreter in Berlin Merekalov Nr. 417 3. 3. 1939 3. 3. 1939 Geheim Expl. Nr. 2 Nr. 4189/l 3. März 1939 AN DEN BEVOLLMÄCHTIGTEN VERTRETER DER UdSSR IN DEUTSCHLAND Gen. MEREKALOV Sehr geehrter Aleksej Fedorovič, wir laden das diplomatische Corps selten zu Festsitzungen ein. Wenn sie an solchen Veranstaltungen teilzunehmen wünschen, geben wir Einlasskarten an sie aus, ohne sie jedoch einzuladen. Dies gilt auch für Sitzungen des Obersten Sowjets. Wir geben keine Presseempfänge. Was VOKS betrifft, so lädt sie einzelne Diplomaten ein, wenn es gilt, ein kulturelles Ereignis zu würdigen, das in Beziehung zu dem jeweiligen Land steht. Auf die Deutsche Botschaft ist dies selbstverständlich 14 15 16
Der Satz ist von Wiehl unterstrichen. Hiroshi Ōshima. Am 8.3.1939 antwortete Wiehl auf dieses Schreiben, dass sich die Wirtschafts-Verhandlungen verzögern würden, da die Deutschen „nicht in der Lage [sind], auch nur annähernd das zu liefern, was die Russen auf ihre Bestellliste gesetzt haben. Die beteiligten Ressorts versuchen, die Bestellliste der Russen auf eine erweiterte Grundlage zu stellen und ich hoffe, dass wir Ihnen mit dem nächsten Kurier eine definitive und hoffentlich positive Weisung für die Fortführung der Verhandlungen geben können.“ Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 494, S. 552.
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3. 3. 1939 Nr. 418 nicht anwendbar. Somit wird es bei uns kaum Gelegenheit geben, die von Ihnen empfohlenen Druckmittel gegenüber der Deutschen Botschaft anzuwenden.17 Ich meine jedoch, Sie messen der Tatsache, dass die Bevollmächtigte Vertretung keine Einladung zum Presseempfang erhalten hat und auch nicht in der Presse erwähnt worden ist, eine zu große Bedeutung bei. Sie hätten natürlich nicht mit Hitler über derartige Kleinigkeiten sprechen müssen.18 Ich halte dies für einen Fehlgriff von Ihrer Seite. Ich habe keine Einwände, wenn Sie Göring einen offiziellen Besuch abstatten.19 Ich empfehle jedoch, nicht auf eigene Initiative politische Fragen oder die sowjetisch-deutschen Beziehungen anzusprechen und eher neutrale, unpolitische Themen auswählen. Anders verhält es sich, wenn Göring selbst politische Themen zur Sprache bringt – dann müssen Sie selbstverständlich das Gespräch entsprechend führen. Ich habe gegen Ihre Reise für ein paar Tage nach Paris nichts einzuwenden.20 LITVINOV Vermerk mit Bleistift: VP[otemkin]. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats Potemkins mit der Eingangs-Nr. 1190 vom 4.3.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. ins Archiv. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 61. l. 34. Kopie.
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Nr. 418 Auszug aus einem Tätigkeitsbericht der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin für das Jahr 1938 Nr. 418 3. 3. 1939 3. 3. 1939 [3.3.1939] […]1 III. DIE EXPORTTÄTIGKEIT DER HANDELSVERTRETUNG Angesichts der Krise, die die kapitalistischen Staaten durchleben, war die Marktkonjunktur in Deutschland für eine Reihe von Exportwaren im Berichtszeit17 18
Vgl. Dok. 415. Gemeint ist das Gespräch während des Abendessens in der Reichskanzlei für das diplomatische Corps am 1.3.1939. Der Bericht Merekalovs über diesen Empfang konnte im AVP RF nicht ermittelt werden, aller Wahrscheinlichkeit nach ist er im Bestand Chiffretelegramme enthalten. 19 Informationen über den Besuch Merekalovs bei Hermann Göring konnten nicht ermittelt werden. 20 Nachfolgend ist im maschinenschriftlichen Text durchgestrichen: auf eigene Kosten. Die von Ihnen angeführte Begründung reicht nicht aus, um die Übernahme der Kosten durch den Staat zu rechtfertigen. 1 „Opisatel’nyj otčet o dejatel’nosti Torgpredstva SSSR v Germanii za 1938 god” [Tätigkeitsbericht der Handelsvertretung der UdSSR in Berlin für 1938] des sowjetischen Handelsvertreters in Berlin Skosyrev an den Stellv. Volkskommissar für Außenhandel Stepanov. In: RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2809, l. 1–94.
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Nr. 418
3. 3. 1939
raum schlechter als im Vorjahr. Der Rüstungswettlauf und die politischen Ereignisse in Europa lösten in gewissem Maße Spekulationen mit einzelnen besonders wichtigen Arten von Rohstoffen aus, weshalb Ende September und Anfang Oktober die Preise für die wichtigsten Rohstoffe stiegen und sich der Markt unter dem Einfluss der politischen Ereignisse befand. Unsere Exporttätigkeit nach Deutschland begann im Berichtsjahr faktisch erst mit der Unterzeichnung des Handelsabkommens mit den Deutschen im März2. Dazu ist zu bemerken, dass laut den Abkommen, die bis 1938 bestanden (diese Abkommen wurden in schädlicher Absicht von Volksfeinden geschlossen) der obligatorische Export einer ganzen Reihe von in Deutschland defizitären Waren, wie Erdölprodukte, Manganerz, Flachs, Papierholz u.a. durch sowjetische Organisationen vorgesehen war. Im Jahr 1938 gab es keine derartige Verpflichtung unsererseits, und wir waren imstande, nur die Waren an Deutschland zu liefern, die für uns unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen und politischen Ordnung vorteilhaft waren. Es ist bekannt, dass es in Deutschland ein System von Überwachungsstellen3 gibt, die für die Erteilung von Genehmigungen für den Kauf und die Einfuhr von Waren nach Deutschland zuständig sind. Zu ihren Aufgaben gehören auch die Preiskontrolle, die Festlegung der Länder und der Menge für die Einfuhr sowie die Weiterverteilung der Waren an die Firmen. Ohne Erhalt einer Genehmigung der Überwachungsstelle hat keine einzige Firma das Recht, Ware im Ausland zu kaufen und Banken sind nicht berechtigt, ohne Devisengenehmigung Geld für diese Ware entgegenzunehmen. Die Praxis hat gezeigt, dass die Überwachungsstellen die Erteilung von Genehmigungen für die Firmen, die bei uns Ware gekauft hatten, häufig hinauszögerten und uns Probleme bei der Aushandlung der Preise bereiteten, wodurch sie unsere Arbeit erschwerten. Die Handelsvertretung kämpfte gegen diese Schwierigkeiten an, indem sie sich darum bemühte, bessere Preise und Bedingungen zu erzielen. Geht man zur Frage der Charakterisierung unserer Arbeit mit den Firmen über, so ist darauf hinzuweisen, dass sich der Kreis unserer Abnehmerfirmen erheblich verkleinert hat. Dieser Rückgang ist vor allem auf den Ausfall jüdischer Firmen zurückzuführen, deren Weiterexistenz angesichts der von der deutschen Regierung durchgeführten antisemitischen Maßnahmen unmöglich geworden ist. Dies zwang den Exportapparat der H[andelsvertret]ung, anstelle der ausgefallenen jüdischen Firmen andere Firmen zur Sicherung unseres Absatzes zu finden. […] IV. DIE IMPORTTÄTIGKEIT DER HANDELSVERTRETUNG Die Importtätigkeit der Handelsvertretung in Deutschland verlief 1938 in einer angespannteren Atmosphäre als jemals zuvor in den vergangenen Jahren. Die antisowjetische Kampagne der faschistischen Presse, im Radio und in den öffentlichen Auftritten der Faschisten hat im vergangenen Jahr größere Ausmaße angenommen als früher. Es wurde eine immer feindseligere Haltung uns und unseren Mitarbei2 Am 1.3.1938. Vgl. DVP, Bd. XXI, Dok. 59, S. 97–102; ADAP, Ser. D, Bd. VII, Anhang III [Ergänzungen], S. 534–538. 3 Das Wort ist in Deutsch mit kyrillischen Buchstaben geschrieben.
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3. 3. 1939 Nr. 418 tern (insbesondere den Abnahmebeauftragten an der Peripherie) gegenüber geschaffen. Die Ausführung unserer Aufträge gestaltete sich sehr schwierig. Entsprechend der Lage stießen wir bei der Importtätigkeit für das Jahr 1938, wenn auch ihr Umfang gering war, auf mehr Hindernisse als früher. Auf die wichtigsten davon gehen wir hier näher ein: 1. Aufgrund der verstärkten Kriegsvorbereitungen und im Zusammenhang mit den Vorbereitungen auf die Annexion Österreichs und des Sudetenlandes hat die deutsche Regierung: a) einen gewissen Teil der Arbeiter und Angestellten in die Armee einberufen; b) einen beträchtlichen Teil der Arbeitskräfte für den Bau militärischer Befestigungsanlagen an den Grenzen mobilisiert; c) den Großteil des Eisenbahn- und Automobilverkehrs für Armeetransporte und zur Anlieferung von Material für die Errichtung militärischer Befestigungsanlagen mobilisiert; d) die Rüstungsaufträge erhöht; e) eine Reihe von neuen Betrieben im Wege einer Kooperation in die Arbeit für die Militärverwaltung einbezogen. Dies hatte zur Folge, dass sich die Herstellung und somit auch die Auslieferung eines Teils unserer Aufträge verzögerten. Es gab Fälle eines direkten Ausfuhrverbots von Geräten. So hat zum Beispiel am 28.9.38 die deutsche Geheimpolizei unserem Spediteur nicht erlaubt, die zur Versendung in die UdSSR bestimmten Entfernungsmesser und Periskope4 gemäß den Aufträgen 58/57005 und 58/57014 der Ingenieurabteilung (in Höhe von 646.803,87 Mark) auf den Dampfer zu verladen. Infolge des Verbots, das 6 Tage nach dem 30.9.38 aufgehoben wurde5, verzögerte sich die Versendung der Geräte in die UdSSR um etwa einen Monat. 2. a) Wegen des Rohstoffmangels versuchen die Lieferfirmen, dort, wo dies möglich ist, Ersatzstoffe einzusetzen. b) Viele Betriebe, die in den letzten Jahren aufgrund von Rüstungsaufträgen expandiert hatten, waren gezwungen, einen erheblichen Anteil an schlecht qualifizierten Arbeitskräften zur Arbeit zuzulassen. Infolgedessen verschlechterte sich die Qualität der Produktion der deutschen Industrie sowohl hinsichtlich des Materials als auch hinsichtlich der Montage und Verarbeitung. Während der Abnahme ergaben sich große Mängel. Abnahmen wurden mehrmals durchgeführt und deswegen verzögerte sich die Versendung der Ausrüstungen in die UdSSR. 3. a) Das Warenkontingent für die Ausfuhr in die UdSSR wird von Regierungsinstanzen bewilligt. Das Ablaufverfahren für die Anträge der Firmen ist recht schwerfällig. b) Die wichtigsten Rohmaterialien für den Maschinen- und Werkzeugmaschinenbau sind kontingentiert. Bevor sie uns ein Angebot über ein mehr oder weniger wichtiges Objekt unterbreiten, müssen die Firmen daher eine Genehmigung der Regierungsinstanzen 4 Vgl. Dok. 339 sowie das Memorandum der Bevollmächtigten Vertretung der UdSSR vom 4.10.1938 an das AA betreffend die verzögerte Versendung von 20 von der Firma „Zeiss“ hergestellten Entfernungsmessern und Periskopen. In: AVP RF, f. 82, op. 22, p. 73, d. 13, l. 37. 5 Vgl. das Schreiben Potemkins an Stalin vom 15.10.1938. In: AVP RF, f. 05, op.18, p. 138, d. 3, l. 265.
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Nr. 418
3. 3. 1939
einholen und über eine Bezugsgenehmigung für das Material verfügen. Infolgedessen vergeht viel Zeit zwischen unserer Anfrage und dem Eingang des Angebots der Firmen. Oftmals erhalten wir auch Ablehnungen. *4. Die entstandene Marktsituation*6 (starke Auslastung der Betriebe mit Rüstungsaufträgen) *versuchen die Firmen zur Erhöhung ihrer Preise auszunutzen*7. Ausgehend von der Lage bei der Importtätigkeit für das Jahr 1938 war das Hauptaugenmerk zu richten auf: a) Fristgemäße Lieferung der bestellten Ausrüstungen; b) Sorgfältige Abnahme, um die Qualität des Materials, der Verarbeitung und der Montage überprüfen zu können; c) Aushandlung von für uns akzeptablen Preisen bei neu zu vergebenden Aufträgen. Die deutsche Industrie war mit direkten Rüstungsaufträgen ausgelastet. Der Umfang dieser Aufträge, der in erster Linie durch die aktuellen Bedürfnisse der riesigen Armee und die Bildung von Reserven für den Kriegsfall bestimmt war, war recht beträchtlich. Die Industrie leistete weiterhin erhebliche Arbeiten zur Schaffung von Reservekapazitäten im Bereich der Energiewirtschaft u. a. Es ist bekannt, dass die wichtigsten Rüstungsbetriebe, die ihre Energie in Friedenszeiten aus öffentlichen Kraftwerken beziehen, über eigene Energiequellen verfügen müssen. Schließlich war die Industrie mit Aufträgen für den Bau neuer Betriebe militärischer Art ausgelastet. Auf diese Weise wurde ein großer Anteil der Industrieproduktion direkt oder indirekt für die Bedürfnisse der Militärverwaltung verwendet, d h. er war vom Verkehr auf dem Markt ausgeschlossen. Für Rüstungsaufträge wurden enorme Finanzmittel aufgewendet. Die Situation ist so, dass der Staat, der seine Aufträge mit Wechseln bezahlte, derzeit diese Wechsel prolongiert, d. h. bei den Industriellen für die erfolgten Lieferungen im Zahlungsverzug ist. Dieser Umstand zwingt die Industriellen, die Initiative zu ergreifen und sich um Exportaufträge zu bemühen, für die sie erstens bar bezahlt und zweitens besser mit Rohstoffen versorgt werden. Auf der anderen Seite ist Deutschland nicht mit eigenen Rohstoffen versehen. Auch verfügt es nicht über Devisen, um im Ausland gegen Barzahlung Rohstoffe zu kaufen. Die passive Außenhandelsbilanz im Jahr 1938 (Passiva unter Einbeziehung Österreichs – 432,4 Mio. Mark8) ist für Deutschland ein unzulässiger Luxus. Die einzige Quelle für den Erwerb von Rohstoffen im Ausland ist daher der Export von Industrieprodukten. Am Export interessiert sind deshalb sowohl der Staat, der die für die Industrie und in erster Linie für die Produktion von Rüstungsobjekten notwendigen Rohstoffe bekommen möchte, als auch die Unternehmer. Das Erfordernis, den Export zu stärken und die Märkte zu erhalten, wird, außer dem Erwähnten, auch dadurch diktiert, dass sich in Amerika und in den westeuropäischen Ländern immer stärker eine Wirtschaftskrise entwickelt. 6 7 8
Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. So im Dokument. Die passive Außenhandelsbilanz Deutschlands belief sich 1938 auf 192 Mio. Reichsmark. Vgl. Statistisches Handbuch von Deutschland 1928–1944, München 1949, S. 392.
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3. 3. 1939 Nr. 418 Die Lage beim Export in die UdSSR stellt sich so dar, dass die deutschen Wirtschaftsorganisationen und Industriellen einerseits ein vitales Interesse an der Steigerung der Ausfuhr in die UdSSR haben mit dem Ziel, dafür eine bedeutende Menge an Rohstoffen zu erhalten; andererseits deckt die Industrie in der gegenwärtigen Situation in Deutschland nicht unseren Bedarf und kann folglich nicht die Voraussetzungen für eine Ausweitung des Exports in die UdSSR schaffen: а) *Die Industrie unterliegt vor allem einer Reihe von behördlichen Ausfuhrbeschränkungen in die UdSSR – die Firmen verkaufen uns keine technischen Neuheiten und Objekte wichtiger Art.*9 b) Angesichts der Auslastung der wichtigsten Betriebe mit Rüstungsaufträgen sind die Firmen unter dem Druck der Militärbehörden gezwungen, *lange Fristen für die Lieferung in die UdSSR festzulegen, die für uns oft unannehmbar sind*10. c) Wir verfügen über keine Garantie, dass die von uns bestellten Objekte in die UdSSR geliefert werden. Diese Zwiespältigkeit der Lage der deutschen Unternehmer ist deutlich spürbar. Sie versuchen, die Geschäftsbeziehungen mit uns aufrechtzuerhalten, und umgehen dabei die Fragen der Lieferung von wichtigen Spezialobjekten an uns. […] Ende Dezember 1938 erreichte die Handelsvertretung im Auftrag des NKVT eine Verlängerung des Handels- und Zahlungsabkommens von 1938 für das ganze Jahr 193911, wobei sie sich erneut das Vorrecht vorbehielt, dass das Sortiment unseres Exports komplett von der russischen Seite bestimmt wird. Das Abkommen wurde ohne Änderungen für das gesamte Jahr 1939 verlängert. [...] Das Jahresende 1938 ist durch folgendes Phänomen gekennzeichnet: *Da sie von der deutschen Regierung die „Zielvorstellung“ erhalten haben, den deutschen Export zu steigern, bieten uns die deutschen Firmen ständig gelockerte Lieferfristen an, versprechen akzeptable Preise und eine annehmbare Qualität der Waren und bemühen sich auf jede erdenkliche Weise um unsere Aufträge.12 Speziell in diesem Sinne wurde von der deutschen Regierung der Vorschlag gemacht, unsere Handelsumsätze 1939/4013 auszuweiten. Das Ende des Jahres 1938 und der Beginn des Jahres 1939 sind sehr durch diese Phänomene gekennzeichnet, während die deutsche Industrie im Rahmen der Umsetzung der Zielvorstellung der deutschen Regierung „Exportiere oder stirb“ uns gegenüber ständig bekräftigt, dass die deutsche Industrie nun endlich die Möglichkeit bekommen habe, die von uns benötigten Waren zu günstigeren Bedingungen zu liefern, und bereit sei, unsere Waren zu annehmbaren Bedingungen für einen Betrag von bis zu ungefähr 150 Mio. deut[schen] Mark pro Jahr*14 zu kaufen. […] RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2809, l. 28, 67-69, 26-27. Original. 9 10 11 12 13 14
Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Vgl. Dok. 336. Vgl. Dok. 357. Vgl. Dok. 381. Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen.
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Nr. 419
3. 3. 1939 Nr. 419 Bericht eines Mitarbeiters des Ostwelt-Verlages
Nr. 419 3. 3. 1939 3. 3. 1939 Berlin, den 3. März 1939 Vertraulich! Bericht über die vom Ostwelt-Verlag im Jahre 1938/39 getroffenen weiteren Maßnahmen zum Ausbau des deutschen Nachrichtendienstes aus dem Osten und insbesondere aus der Sowjetunion Unter Aufrechterhaltung der Maßnahmen, die in der dem Auswärtigen Amt vorliegenden Aufzeichnung von Herrn Dr. v. Voss vom 18. Februar 1938 aufgeführt wurden, sind vom Ostwelt-Verlag im Etatjahr 1938/39 folgende weitere Maßnahmen für den Ausbau des deutschen Nachrichtendienstes aus dem Osten und insbesondere aus der Sowjetunion getroffen worden: 1) Ausbau des Abhördienstes des sowjetrussischen Rundfunks, unter Ausdehnung desselben auf mehrere Provinzsender. Mit dieser Aufgabe wurde ein besonderer Mitarbeiter betraut und es wurde zu diesem Zweck ein zweiter größerer Rundfunkapparat angeschafft. 2) Aufnahme des Abhördienstes des polnischen Rundfunks. Damit ist zunächst der Sachbearbeiter für Polen beauftragt worden. 3) Heranziehung eines weiteren ständigen auswärtigen Mitarbeiters zur Bearbeitung der Sowjetzeitungen in ukrainischer und weißrussischer Sprache. 4) Verbesserung des Informationsdienstes über die Wirtschaftsbeziehungen Sowjetrusslands mit den anderen Ländern, wie insbesondere den Vereinigten Staaten, England, Frankreich usw. 5) Es wurde der Versuch unternommen, auf dem Wege über einen neuen Mitarbeiter in Riga zusätzliches Nachrichtenmaterial über die Sowjetunion zu erhalten; dieser Versuch hat jedoch bisher noch nicht die gewünschten Ergebnisse gezeitigt. 6) Weitere Vergrößerung des Bezuges von Zeitungen, Fachzeitschriften und sonstigen Informationsmaterials aus und über die Sowjetunion. Aus der Sowjetunion bezieht der „Ost-Express“ nunmehr 44 Zeitungen und Zeitschriften und verfügt damit in Deutschland über das umfangreichste Informationsmaterial auf diesem Gebiet. 7) Ein Schriftsteller des Verlages wurde Anfang Dezember 1938 nach der Karpaten-Ukraine entsandt, um die Verhältnisse an Ort und Stelle zu studieren und die notwendigen Beziehungen anzuknüpfen und so die Grundlage für die Einbeziehung der Karpaten-Ukraine in die Berichterstattung des „Ost-Express“ zu schaffen. Da nach dem Tode von Herrn Dr. v. Voss im Mai 1938 zunächst von Neueinstellungen im Verlage selbst abgesehen worden ist und auch sonst mit großer Sparsamkeit gewirtschaftet wurde, so ist es in der Geschäftsleitung möglich gewesen, die eben angeführten Maßnahmen durchzuführen, ohne dass die für das Etatjahr 1938/39 durch das Auswärtige Amt bewilligten weiteren RM 30.000,-- bisher in
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3. 3. 1939 Nr. 419 größerem Umfange in Anspruch genommen worden sind. Bis zum Ende des Etatjahres 1938/39 wird nur etwa ein Fünftel von diesen Mitteln in Anspruch genommen sein. Die Geschäftsführung glaubte an der schon von Herrn Dr. v. Voss befolgten vorsichtigen Geschäftspolitik festhalten zu müssen und hat die zusätzlichen Mittel für neue Maßnahmen nur so weit in Anspruch genommen, dass der oben geschilderte Ausbau des Dienstes bis zum Ende des neuen Etatjahres 1939/40 sichergestellt ist. Wie schon seinerzeit in der Aufzeichnung von Herrn Dr. v. Voss hervorgehoben worden ist, wäre allerdings die Einstellung eines weiteren Schriftleiters im Verlage zur Entlastung der sehr stark in Anspruch genommenen Schriftleitung dringend wünschenswert, ferner die Einstellung einer weiteren Bürodame, die neben der Entlastung der gegenwärtig vorhandenen 4 Bürodamen vor allem die Aufgabe hätte, das immer umfangreicher werdende Archiv des Verlages zu verwalten. Als Maßnahmen für die weitere Verbesserung und für eine stärkere Verbreitung des „Ost-Express“ sind ferner ins Auge gefasst: 1) Bestellung eines ständigen Mitarbeiters in Chust zur Berichterstattung über die Karpaten-Ukraine. 2) Weiterer Ausbau des Abhördienstes der sowjetrussischen Provinzsender, insbesondere der fernöstlichen. 3) Ausbau der Berichterstattung über die Sowjetunion auf dem Wege über Polen und die Baltischen Staaten. 4) Ausbau des Werbeapparates des Verlages im In- und Auslande zur Erweiterung des Bezieherkreises; in dieser Hinsicht sind bereits Schritte in Litauen und Finnland eingeleitet worden. *Diese Maßnahmen lassen sich indessen nur verwirklichen, wenn durch das Auswärtige Amt für das kommende Etatjahr 1939/40 ein zusätzlicher Betrag von RM 15.000,-- gewährt werden würde.*1 PA AA, R 101379, Bl. 237964-237965.
1
Der Absatz ist am Seitenrand zweifach angestrichen.
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Nr. 420
6. 3. 1939
Nr. 420 Aufzeichnungen des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov Nr. 420 6. 3. 1939 6. 3. 1939 GEHEIM Expl. 11 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 672 Berlin, den 6.III.39 TAGEBUCH DES BEVOLLMÄCHTIGTEN VERTRETERS DER UdSSR IN DEUTSCHLAND A.F. MEREKALOV 1.III. Ich war mit meiner Frau3 zum Mittagessen bei Hitler. Anwesend waren alle Minister und das diplomatische Corps. Am Eingang stellten sich die Diplomaten Hitler und Ribbentrop vor. Bei der Sitzordnung am Tisch wurde keine Benachteiligung uns gegenüber zugelassen. Rechts von meiner Frau saßen Lipski und Görings Frau4, links Neurath, und gegenüber – Göring und Hitler. Das Essen wurde Hitler von Angehörigen seiner Leibgarde serviert. Nach dem Mittagessen kamen im Empfangssaal einige Botschafter zu Hitler und führten kurze Gespräche. Ich hielt es für angebracht und ging mit meiner Frau ebenfalls zu Hitler. Die Unterhaltung wurde auf Deutsch und Russisch geführt, *es half der hinzugetretene Meissner*5. Nach gegenseitigen Höflichkeiten wurde in der Unterredung die Frage nach meiner Stellung in Berlin aufgeworfen. Ich erwiderte im Gesprächsverlauf, dass ich *keinerlei Diskriminierung* mir gegenüber seitens Hitlers sähe und meine Zufriedenheit zum Ausdruck bringen könne, was ich bedauerlicherweise nicht über die Presse und nicht einmal über das Bulletin des Außenministeriums6 sagen könne, und dass ich mir auch in diesem Bereich *die gleiche Einstellung zu mir wie zu allen* wünschen würde.7 Die Konversation mit den einzelnen Diplomaten war allgemeiner Natur, der chinesische Botschafter8 sagte, die Japaner hätten mit der Verstärkung ihrer Militäroperationen begonnen, der Zustand der chinesischen Armee sei aber nicht schlecht, dass sich eine größere Aktivität des japanischen Botschafters in Berlin9 bemerkbar mache, und dass sich anscheinend eine Intensivierung der deutschjapanischen Beziehungen abzeichne. Der dominikanische Gesandte10 bedankte sich für das Exemplar der Parteigeschichte11 in englischer Sprache, das er erhalten habe, und betonte diesmal seine Sympathien und sein Interesse für die Sowjetunion. 1 2 3 4 5
Der Text ist mit rotem Farbstift geschrieben. Die Ausgangsnummer ist mit rotem Farbstift geschrieben. Evgenija Semenovna Merekalova. Emmy Göring. Der hier und im Folgenden so gekennzeichnete Text wurde von Litvinov mit rotem Farbstift unterstrichen. 6 Deutsche diplomatisch-politische Korrespondenz. 7 Zur Reaktion Litvinovs auf die per Telegramm erhaltene Information über dieses Gespräch vgl. Dok. 417. 8 Chen Jie. 9 Hiroshi Ōshima. 10 Roberto Despradel.
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6. 3. 1939 Nr. 420 Zu mir kam auch Göring, der das Gespräch auf diesen Empfang und auf das Thema der Schwierigkeit der Erlernung der deutschen Sprache brachte. Nach der mir zuteilgewordenen Behandlung zu urteilen, halte ich es für möglich, Göring als Ministerpräsidenten bei passender Gelegenheit einen protokollarischen Besuch abzustatten. Obgleich dieser Besuch vielleicht nicht so bald zustande kommen wird, da die Vermutung besteht, dass Göring für 2 Monate nach Italien reisen wird, angeblich zur Kur.12 Offenbar wird er diese Reise auch für Sachgespräche mit den Italienern nutzen. Auf dem Empfang kamen auch einige Deutsche ohne weiteres auf mich zu, was sich möglicherweise durch das seitens der Deutschen erklärte wirtschaftliche Interesse an der UdSSR und als Folge bereits wiederholter Begegnungen auf Empfängen erklären lässt. […]13 Bevollmächtigter Vertreter der UdSSR in Deutschland A. Merekalov Oben Vermerk mit Bleistift: MM [Litvinov] Oben links von der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 1029 vom 11.03.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. 5 an Gen. Litvinov, 2 an Gen. Potemkin, 1 [Exemplar] zu den Akten. 6.III.39. AVP RF, f. 06, op. 1, p. 7, d. 65, l. 1–5, hier l. 1–2. Original.
11 Istorija Vsesojuznoj kommunističeskoj partii (bol’ševikov). Kratkij kurs (Geschichte der Kommunistischen Partei (Bolschewiki). Kurzer Lehrgang), Moskva 1938. 12 Mit einer kurzen Unterbrechung Mitte März, als er anlässlich des Beginns der Besetzung der Tschechoslowakei nach Berlin zurückgekehrt war, hielt sich Göring vom 3.3. bis zum 15.4.1939 in Italien auf. 13 Ausgelassen wurden die Aufzeichnungen der Unterredungen mit dem litauischen Gesandten Kazys Škirpa am 2.3. (l. 2–3) und dem chinesischen Botschafter Chen Jie am 3.3. (l. 3–5).
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Nr. 421
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Nr. 421 Schreiben des Presseattachés der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Smirnov an den Leiter der Presseabteilung im NKID Gnedin Nr. 421 6. 3. 1939 6. 3. 1939 GEHEIM Expl. 21 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 71/s2 Berlin, 6.III.39 AN DEN LEITER DER PRESSEABTEILUNG Gen. GNEDIN Sehr geehrter Evgenij Aleksandrovič, Sie haben uns seinerzeit zur Frage der Organisation des Bücheraustauschs mit Deutschland geschrieben, insbesondere mit einer Reihe von wissenschaftlichen Forschungsgesellschaften, von denen eine Liste uns zugesandt wurde. Am 10. Februar wollte ich mit dem Leiter der „Kulturabteilung“, Twardowski, sprechen, aber sein Sekretär antwortete, dass Twardowski an diesem Tag beschäftigt sei und mich nicht empfangen könne. Am 17.II. bat ich erneut um einen Termin bei Twardowski, der Sekretär notierte die Telefonnummer der Bevollmächtigten Vertretung und versprach, mir die Uhrzeit des Empfangs mitzuteilen, eine Antwort ist jedoch bislang ausgeblieben. Mir ist es momentan unangenehm, um einen Empfang zu bitten oder auch zu Twardowski zu gehen. Ich bin nicht sicher, ob Twardowski bewusst das Gespräch mit mir verweigerte, indem er den Weg unverblümter Diskriminierung beschritt, oder aus Angst, sich mit einem Mitarbeiter der sowjetischen Botschaft zu unterhalten, denn er scheint den Ruf zu haben, „unzuverlässig“ zu sein; auf jeden Fall ist die Lage so, dass ich nicht empfangen und nicht an andere Mitarbeiter des Außenministeriums weitergeleitet wurde. Presseattaché der Bevollmächtigten Vertretung A. Smirnov Vermerk G.I. Vajnštejns mit rotem Farbstift: Die Antwort geht Ihnen per Dipl[omaten]p[ost] zu.*16/III. GV[ajnštejn]*3 Oben in der Mitte befindet sich der Stempel der 2. Politischen Westabteilung des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 533 vom 13.3.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Presseabt[eilung], das 2. an die II. W[est]abt[eilung], das 3. zu den Akten. 6.III.39. AVP RF, f. 082, op. 22, p. 93, d. 7, l. 84. Kopie. 1 2 3
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Der Text ist mit Tinte geschrieben. Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der Text ist mit Bleistift geschrieben.
9. 3. 1939 Nr. 422 Nr. 422 Bericht an den Leiter des Außenpolitischen Amtes der NSDAP Rosenberg Nr. 422 9. 3. 1939 9. 3. 1939 [9. März 1939] An Reichsleiter Rosenberg im Hause Zum ukrainischen Problem Die Schaffung der karpathen-ukrainischen Autonomie1 hat unter den rund 50 Millionen Ukrainern in aller Welt die Hoffnung in außerordentlichem Maße bestärkt, dass die Wiedererstehung der Großukraine in nicht mehr allzu weiter Ferne liegt. Die gesamte ukrainische Presse, soweit sie nicht in der Sowjetukraine erscheint, beschäftigt sich seit dem Herbst 1938 mit der Frage, ob die KarpathenUkraine zum Ausgangspunkt der Wiedergewinnung der ukrainischen Staatlichkeit werden könnte. Die parteipolitischen Meinungsstreitigkeiten treten weit hinter dem einheitlichen Wunsch nach nationaler Unabhängigkeit zurück. Die wichtigsten ukrainischen Zeitungen und Zeitschriften sowie Pressedienste, im Ganzen etwa 30, werden hier fortlaufend verfolgt, sodass ein Überblick über die Entwicklung sämtlicher politischer Richtungen der Ukrainer gewonnen werden kann. Die Zahl der außerhalb der Sowjetukraine erscheinenden ukrainischen Zeitungen und Periodika beträgt ungefähr 150. Die Presse der ukrainischen Siedlungsgebiete in Polen, Rumänien und Amerika weist neben einer geringeren Zahl von Tageszeitungen eine große Anzahl Periodika kulturellen, wirtschaftlichen und sonstigen Charakters auf. Unter den Tageszeitungen gibt es einige sehr angesehene alte Blätter, wie z. B. „Dilo“ in Lemberg (60. Jahrgang), „Swoboda“ in Jersey City, New York (47. Jahrgang), unter den Wochenzeitungen etwa „Ukrainsky Holos“, Winnipeg (29. Jahrgang) u. a. (Eine Zusammenstellung der ukrainischen Siedlungsgebiete nach Umfang und Bevölkerung ist in der Anlage beigefügt). Die Beobachtung der ukrainischen Haltung seit 1933 zeigt deutlich, dass die nationalsozialistischen Grundsätze in den Beziehungen zu anderen Völkern gerade bei den Ukrainern großen Anklang gefunden und sie zu der Überzeugung geführt haben, dass das nationalsozialistische Deutschland der ehrliche Anwalt der Völker in ihrem Kampf um das wahre Selbstbestimmungsrecht sein werde. Wenn auch verschiedene Gruppen seit langen Jahren mit anderen Staaten zusammenarbeiten, wie z. B. die aus der Petljura-Bewegung hervorgegangene Gruppe der „Ukrainischen Volks-Republik“ (UNR) mit Polen, so kamen doch Vertreter auch dieser Richtungen immer wieder zu uns, um die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit Deutschland zu besprechen. Es wurde z. B. von Vertretern der UNR unumwunden zum Ausdruck gebracht, dass ihre Zusammenarbeit mit Polen taktischen Erwägungen entspreche; denn sie seien der Ansicht, dass zunächst der Kern der Ukraine befreit werden müsse und man erst dann an eine Lösung des Problems der Randge1 Nach dem Ersten Weltkireg wurde das Gebiet der Karpato-Ukraine der Tschechoslowakei zugeordnet (Vertrag von Trianon vom 4.6.1920) und erhielt nach der Abtrennung des Sudetenlandes im November 1938 eine Autonomie innerhalb der Tschechoslowakei, wobei ein Teil durch den Ersten Wiener Schiedsspruch (2.11.1938) Ungarn zugeschlagen wurde.
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biete herantreten könne. Die Ukraine werde in Zukunft naturnotwendig auf eine politische Zusammenarbeit mit Deutschland angewiesen sein, von den sich ohnehin ergebenden wirtschaftlichen Wechselbeziehungen ganz abgesehen. Nachdem sich im Zusammenhang mit der Lösung der tschechoslowakischen Krise die karpathen-ukrainische Autonomie ergeben hatte und von karpathenukrainischer Seite verschiedentlich darauf hingewiesen wurde, dass man mit dem Schutze des Deutschen Reiches rechne, wurden die ukrainischen Erwartungen in Bezug auf Deutschland noch erheblich gestärkt. Der Wiener Schiedsspruch aber mit dem Ergebnis der Abtretung der Städte Ushorod und Mukatschiw an Ungarn erzeugte in der gesamten ukrainischen Presse einen krassen Stimmungsumschwung. Die Überzeugung, dass Deutschland es mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker wirklich ehrlich meint, geriet, soweit man es aus der ukrainischen Presse ersehen konnte, ins Wanken. Es ist für die Beurteilung des ukrainischen Problems nicht ohne Belang, wie es die bolschewistische Propaganda in den letzten Jahren angefasst hat. Der ukrainischen Frage wird von Seiten Moskaus erhebliche Bedeutung beigemessen. Abgesehen von der Tatsache, dass die Säuberungsprozesse der letzten Jahre die Ukrainische Sowjetrepublik in besonders hohem Maße betroffen haben, beschäftigt sich die bolschewistische Propaganda mit den ukrainischen „Separatisten“, „Faschisten“, „Verrätern“ usw. immer unter dem Gesichtswinkel ihrer angeblichen Beziehungen zu Deutschland. Darüber hinaus wurde in der russisch geschriebenen, vor allem aber auch in der ukrainischen Sowjetpresse immer wieder die deutsche „Okkupation“2 als eine der blutigsten Perioden der ukrainischen Geschichte geschildert. Besondere Mühe gab man sich in dieser Hinsicht 1933 und 1938, zum 15. und zum 20. jährigen Gedenken dieses Ereignisses. Es wurden bei jener Gelegenheit zahlreiche Dokumente veröffentlicht, die beweisen sollten, dass das Deutsche Reich in der Ukraine eine „blutige Tyrannei“ aufgerichtet hatte. Sodann wurden die angeblichen Eroberungsabsichten des nationalsozialistischen Deutschlands in schwärzesten Farben geschildert. Man musste jedenfalls den Eindruck gewinnen, dass der Bolschewismus die ukrainische Frage als eine Existenzfrage der UdSSR und die größte Gefahr für sich in einer deutsch-ukrainischen Verbindung sieht. Ebenso lehrreich erscheint eine Überprüfung der Stimmung in der russischen Emigration. Die recht umfangreiche Presse der russischen Emigration, die von uns ebenfalls genau verfolgt wird, hat seit der Errichtung der karpathen-ukrainischen Autonomie die gesamtukrainische Frage in steigendem Maße in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen gestellt. Zeitweise beschäftigten sich die Blätter fast ausschließlich mit der ukrainischen Frage, und zwar stets unter dem Gesichtswinkel der Beziehungen zu Deutschland. Wenn die Russen in der ersten Zeit die Existenz der ukrainischen Frage zu leugnen suchten, so lässt sich demgegenüber in den letzten Monaten feststellen, dass das Vorhandensein eines eigenständigen ukrainischen Volkes und seines Strebens nach Unabhängigkeit zwar anerkannt, zugleich aber die Notwendigkeit einer Föderation mit Russland oder im ungünstigsten Falle einer ukrainischen Autonomie betont wird. Auch hier kann man sagen, dass die Existenz des ukrainischen Problems brennend empfunden wird. 2 Die deutsche Besetzung der Ukraine im Ersten Weltkrieg dauerte von März bis Dezember 1918.
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10. 3. 1939 Nr. 423 Zweifellos wird das Ansehen Deutschlands bei den heute noch unterdrückten Völkern Osteuropas in entscheidendem Maße davon abhängen, wie sich Deutschland in der ukrainischen Frage verhält. Bei einer Entscheidung über die KarpathenUkraine müssten diese Gesichtspunkte mit berücksichtigt werden. Anlage Ukrainische Siedlungsgebiete 1.) Sowjetunion: Die ukrainische Sowjetrepublik umfasst 452.000 qkm mit rd. 26 Millionen Ukrainern. Im Ganzen lebten in der Sowjetunion nach der Volkszählung vom Jahre 1926 rd. 31 Millionen Ukrainer, die sich außer auf die Sowjet-Ukrainische Republik auf die Krim, den Nordkaukasus und den Fernen Osten („Zeleny Klyn“ – Grüner Streifen am unteren Amur und nördlich Wladiwostok mit rd. 500.000 Ukrainern, absolute Mehrheit der Bevölkerung) verteilen. Das gesamte ukrainische Siedlungsgebiet in der Sowjetunion wird etwa 650.000 qkm betragen. 2.) Polen: Die westukrainischen Gebiete mit rd. 138 000 qkm und etwa 6,5 Millionen Ukrainern. 3.) Rumänien: In der Bukowina, in Bessarabien usw. rd. 20 000 qkm mit rd. 1 Million Ukrainern. 4.) Tschecho-Slowakei: (Nach Wiener Schiedsspruch): Karpathen-Ukraine mit 11.000 qkm und rd. 500.000 Ukrainern. 5.) USA: rd. 750 000 Ukrainer. 6.) Kanada: rd. 500 000 Ukrainer. 7.) Südamerika: (vor allem Brasilien und Argentinien) rd. 100 000 Ukrainer. Auf erstem Blatt oben: Akten Rbg. L[eibbrandt] und 9.3.39. BArch, NS 43/43, Bl. 66-70.
Nr. 423 Aufzeichnung des Geheimen Staatspolizeiamtes Nr. 423 10. 3. 1939 10. 3. 1939 Berlin, den 10. März 1939 B.Nr. II A 1 – 1250/39 1.) Vermerk: Am Dienstag, den 21.2.1939 erschien beim Sachgebiet II A 1 der Leiter der Studienstelle für deutsche Rückkehrer in der Antikomintern Pg. von Deringer und beklagte sich darüber, dass ihm die Vernehmungen der Russlandrückkehrer derart spät, oft aber gar nicht zugestellt würden. Es geht somit wichtiges aktuelles Material, dass er gegen die SU in die Tagespresse hineinbringen könnte, verloren. Derin-
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ger ist eröffnet worden, dass lt. Vereinbarung mit dem Außenpolitischen Amt und Propagandaministerium die Vernehmungsniederschriften über das APA (Reichsleiter Rosenberg) an das Propagandaministerium gingen, wo sie auch verbleiben sollten. Die ungenügende Belieferung der Antikomintern ist lediglich auf die dauernden Stockungen im APA zurückzuführen, das nicht rechtzeitig und nur äußerst schleppend die Vernehmungsniederschriften weitergibt. K. K. Kopkow hat sich dieserhalb bereits mehrfach mit Pg. Dr. Leibbrandt und Pg. Dürksen vom APA telefonisch in Verbindung gesetzt und diese gebeten, die Vernehmungsniederschriften unverzüglich weiterzugeben. Dieses ist dann auch jedes Mal zugesagt worden. Es ist mit Pg. von Deringer für die Zukunft folgende Vereinbarung getroffen worden, die aber nur für Berlin Gültigkeit hat: Alle neueinreisenden Russlandrückkehrer, die ihren Weg über die Staatspolizeileitstelle Berlin nehmen, sind nach Vernehmung und staatspolizeilicher Behandlung in denjenigen Fällen, in denen sie wirklich wichtige aktuelle Nachrichten aus Russland bringen, welche das Propagandaministerium interessieren, der Antikomintern zu überstellen.1 So wird es möglich sein, in Zukunft die Presse mit denjenigen Nachrichten aus der SU zu beliefern, die nicht erst durch die Länge der zurückliegenden Zeit stark an Glaubwürdigkeit und propagandistischem Wert verloren haben. Dem Pg. von Deringer ist ausdrücklich mitgeteilt worden, dass von der Anfertigung eines weiteren Durchschlages der Russlandrückkehrer-Vernehmungen schon aus technischen Gründen Abstand genommen werden muss und [dass] das Gestapa erneut an das APA herantreten wird, um eine reibungslose Weiterleitung der Vernehmungen in Zukunft zu gewährleisten. BArch, R 58/10026 [alte Signatur: ZB 7268 A.5, Bl. 79].
Nr. 424 Auszug aus dem Rechenschaftsbericht des Generalsekretärs des ZK der VKP (B) Stalin an den XVIII. Parteitag der VKP (B) Nr. 424 10. 3. 1939 10. 3. 1939 10. März 1939 […] 2. Die Verschärfung der internationalen politischen Lage, der Zusammenbruch des Nachkriegssystems der Friedensverträge, der Beginn des neuen imperialistischen Krieges Hier eine Aufzählung der wichtigsten Ereignisse in der Berichtsperiode, die einen neuen imperialistischen Krieg einleiteten. 1935 überfiel Italien Abessinien und eroberte es. Im Sommer 1936 organisierten Deutschland und Italien die militä1 In einem Schreiben an die Staatpolizeileitstelle Berlin, das am 13.3.1939 abgesandt wurde, wurde diese über die Vereinbarung informiert mit der Maßgabe, dass „nur diejenigen Russlandrückkehrer der Antikomintern überstellt werden, die vorher einer eingehenden staatspolizeilichen Behandlung unterzogen worden sind“. In: BArch, R 58/10026 [alte Signatur: ZB 7268 A.5, Bl. 79R].
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10. 3. 1939 Nr. 424 rische Intervention in Spanien, wobei Deutschland sich im Norden Spaniens sowie in Spanisch-Marokko und Italien im Süden Spaniens und auf den Balearen festsetzte. 1937 fiel Japan, nach der Eroberung der Mandschurei, in Nord- und Zentralchina ein, besetzte Peking, Tientsin, Shanghai und begann seine ausländischen Konkurrenten aus der Okkupationszone zu verdrängen. Anfang 1938 riss Deutschland Österreich und im Herbst 1938 das Sudetengebiet der Tschechoslowakei an sich. Ende 1938 besetzte Japan Kanton und Anfang 1939 die Insel Hainan. Auf diese Weise erfasste der Krieg, der sich so unmerklich an die Völker herangeschlichen hat, über 500 Millionen Menschen, er dehnte seinen Aktionsradius über ein gewaltiges Gebiet aus: von Tientsin, Shanghai und Kanton über Abessinien bis Gibraltar. Nach dem ersten imperialistischen Krieg schufen die Siegerstaaten, hauptsächlich England, Frankreich und die USA, eine neue Ordnung für die Beziehungen zwischen den Ländern: die Friedensordnung der Nachkriegszeit. Die wichtigsten Grundlagen dieser Ordnung waren im Fernen Osten der Neun-Mächte-Vertrag1 und in Europa der Versailler Vertrag und eine ganze Reihe anderer Verträge. Der Völkerbund war dazu bestimmt, die Beziehungen zwischen den Ländern im Rahmen dieser Ordnung auf der Grundlage einer Einheitsfront der Staaten, auf der Grundlage der kollektiven Verteidigung der Sicherheit der Staaten zu regeln. Die drei Aggressorstaaten und der von ihnen entfachte neue imperialistische Krieg haben jedoch dieses System einer Friedensordnung der Nachkriegszeit insgesamt über den Haufen geworfen. Japan hat den Neunmächtepakt, Deutschland und Italien haben den Versailler Vertrag zerrissen. Um freie Hand zu bekommen, sind alle drei Staaten aus dem Völkerbund ausgetreten.2 Der neue imperialistische Krieg wurde zur Tatsache. In unseren Zeiten ist es nicht so leicht, sich sofort von der Kette loszureißen und sich, ohne auf Verträge verschiedener Art und auf die öffentliche Meinung Rücksicht zu nehmen, geradewegs in den Krieg zu stürzen. Den bürgerlichen Politikern ist dies sehr wohl bekannt. Auch den faschistischen Machthabern ist das bekannt. Deshalb entschlossen sich die faschistischen Machthaber, bevor sie sich in den Krieg stürzen, die öffentliche Meinung in bestimmter Weise zu bearbeiten, d.h. sie irrezuführen, sie zu betrügen. Ein Kriegsblock Deutschlands und Italiens gegen die Interessen Englands und Frankreichs in Europa? Ich bitte Sie, was denn für einen Block? „Wir“ haben keinen Kriegsblock. „Wir“ haben lediglich eine harmlose „Achse Berlin-Rom“, d.h. eine Art geometrische Formel für eine Achse. Ein Kriegsblock Deutschlands, Italiens und Japans3 gegen die Interessen der USA, Englands und Frankreichs im Fernen Osten? Nichts dergleichen! „Wir“ ha1 Mit dem Vertrag der neun Mächte, den die Teilnehmer der Washingtoner Konferenz – die USA, Großbritannien, Frankreich, Japan, Italien, Belgien, die Niederlande, Portugal und China – am 6.2.1922 unterzeichneten, kam man unter Beibehaltung des Prinzips der „Offenen Tür“ überein, die Souveränität, Unabhängigkeit und die territoriale und administrative Unversehrtheit Chinas zu achten. Vgl. Handbuch der Verträge 1871–1964, S. 223–225. 2 Seinen Austritt aus dem Völkerbund erklärten: Japan am 27.3.1933, Deutschland am 14.10.1933, Italien am 11.12.1937. 3 So im Text. Die militärisch-politische Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Italien und Japan wurde im Rahmen des am 27.9.1940 in Berlin unterzeichneten Dreierpakts der drei Mächte festgelegt. Vgl. Reichsgesetzblatt 1940, Teil II, S. 280–281.
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ben keinen Kriegsblock. „Wir“ haben lediglich ein harmloses „Dreieck Berlin-RomTokio“, d.h. eine kleine Begeisterung für Geometrie. Ein Krieg gegen die Interessen Englands, Frankreichs und der USA? Dummes Zeug! „Wir“ führen Krieg gegen die Komintern und nicht gegen diese Staaten. Falls ihr es nicht glaubt, so lest den „Antikomintern-Pakt“, den Italien, Deutschland und Japan abgeschlossen haben.4 So gedachten die Herren Aggressoren die öffentliche Meinung zu bearbeiten, obgleich es nicht schwer zu begreifen war, wie durchsichtig dieses plumpe Maskerade-Spiel war, denn es ist lächerlich, „Stützpunkte“ der Komintern in den Wüsten der Mongolei, in den Bergen Abessiniens, in den Felsschluchten SpanischMarokkos zu suchen. Aber der Krieg ist unerbittlich. Man kann ihn mit nichts verdecken. Denn mit keinen „Achsen“, „Dreiecken“ und „Antikomintern-Pakten“ ist es möglich, die Tatsache zu verschleiern, dass Japan in dieser Zeit ein gewaltiges Gebiet Chinas, Italien Abessinien, Deutschland Österreich und das Sudetengebiet, Deutschland und Italien gemeinsam Spanien an sich gerissen haben5, und dies entgegen der Interessen der nichtaggressiven Staaten. So blieb der Krieg eben ein Krieg, der Kriegsblock der Aggressoren ein Kriegsblock und die Aggressoren blieben Aggressoren. Ein charakteristisches Merkmal des neuen imperialistischen Krieges besteht darin, dass er noch nicht zu einem allgemeinen, zu einem Weltkrieg geworden ist. Der Krieg wird von den Aggressor-Staaten geführt, die die Interessen der nichtaggressiven Staaten, vor allem Englands, Frankreichs und der USA, auf jede Weise schädigen, letztere weichen jedoch zurück, treten den Rückzug an und machen den Aggressoren ein Zugeständnis nach dem anderen. Somit vollzieht sich vor unseren Augen eine unverhüllte Neuaufteilung der Welt und der Einflusssphären auf Kosten der Interessen der nichtaggressiven Staaten, wobei letztere keinerlei Versuche unternehmen, Widerstand zu leisten, in gewisser Weise sogar jene begünstigen. Dies ist unglaublich, aber eine Tatsache. Womit ist dieser einseitige und seltsame Charakter des neuen imperialistischen Krieges zu erklären? Wie konnte es geschehen, dass die nichtaggressiven Länder, die über gewaltige Möglichkeiten verfügen, sich so leicht und ohne Widerstand zugunsten der Aggressoren von ihren Positionen und ihren Verpflichtungen loszusagen? Ist dies etwa mit der Schwäche der nichtaggressiven Staaten zu erklären? Natürlich nicht! Die nichtaggressiven, demokratischen Staaten sind zusammengenommen zweifellos stärker als die faschistischen Staaten, sowohl in wirtschaftlicher als auch in militärischer Hinsicht. 4 Der Antikomintern-Pakt zwischen Deutschland und Japan wurde am 25.11.1936 abgeschlossen. Italien trat ihm am 6.11.1937 bei. Im Wortlaut des Antikomintern-Paktes und seiner geheimen Anlagen konnten keine Hinweise auf irgendwelche Staaten oder deren Interessensphären, außer auf die UdSSR, ermittelt werden. Vgl. Dok. 295, Anm. 4. 5 So im Text. Italien und Deutschland beteiligten sich am Bürgerkrieg in Spanien auf der Seite von General Franco, die dorthin Truppen und Kriegsgerät entsandten. Am 27.3.1939 unterzeichnete Spanien das Protokoll über den Beitritt zum Antikomintern-Pakt. In: ADAP, Ser. D, Bd. III, Dok. 768, S. 750. Am 31.3.1939 schloss Deutschland mit Spanien den Vertrag über Freundschaft ab. In: ebd., Dok. 773, S. 752–755.
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10. 3. 1939 Nr. 424 Womit sind also in diesem Fall die systematischen Zugeständnisse dieser Staaten an die Aggressoren zu erklären? Man könnte dies zum Beispiel mit der Furcht vor einer Revolution erklären, die ausbrechen könnte, wenn die nichtaggressiven Staaten in den Krieg eintreten und der Krieg zu einem Weltkrieg wird. Die bürgerlichen Politiker wissen natürlich, dass der erste imperialistische Weltkrieg zum Sieg der Revolution in einem der größten Länder geführt hat. Sie befürchten, ein zweiter imperialistischer Weltkrieg könnte ebenfalls zum Sieg der Revolution in einem oder in mehreren Ländern führen. Aber das ist momentan nicht die einzige und nicht einmal die wichtigste Ursache. Die wichtigste Ursache besteht darin, dass sich die Mehrheit der nichtaggressiven Länder, und vor allem England und Frankreich, von der Politik der kollektiven Sicherheit, von der Politik der kollektiven Abwehr der Aggressoren losgesagt haben und zur Position der Nichteinmischung, zur Position der „Neutralität“ übergegangen sind. Formal könnte man die Politik der Nichteinmischung folgendermaßen charakterisieren: „Jedes Land soll sich gegen die Aggressoren verteidigen, wie es will und wie es kann, wir haben damit nichts zu tun, wir werden sowohl mit den Aggressoren als auch mit ihren Opfern Handel treiben.“ In Wirklichkeit bedeutet jedoch die Politik der Nichteinmischung eine Begünstigung der Aggressoren, die Entfesselung des Krieges und folglich seine Umwandlung zu einem Weltkrieg. In der Politik der Nichteinmischung tritt das Bestreben und der Wunsch zu Tage, die Aggressoren nicht dabei zu stören, ihr dunkles Werk zu verrichten, zum Beispiel Japan nicht daran zu hindern, sich auf einen Krieg mit China, oder besser noch mit der Sowjetunion, einzulassen; zum Beispiel Deutschland nicht daran zu hindern, sich in die europäischen Angelegenheiten zu verstricken, gegen die Sowjetunion in den Krieg zu treten, alle Kriegsteilnehmer tief in den Morast des Krieges einsinken zu lassen, sie im Stillen dabei anzuspornen und dazu zu bringen, sich gegenseitig zu schwächen und zu entkräften, dann aber, wenn sie genügend geschwächt sind, mit frischen Kräften den Schauplatz zu betreten und selbstverständlich „im Interesse des Friedens“ aufzutreten und den geschwächten Kriegsteilnehmern die Bedingungen zu diktieren. Wie billig und wie nett ist das! Nehmen wir zum Beispiel Japan. Es ist bezeichnend, dass sich alle einflussreichen französischen und englischen Zeitungen vor dem japanischen Einfall in Nordchina lauthals über die Schwäche Chinas ausließen, über seine Unfähigkeit, Widerstand zu leisten, darüber, dass Japan China mit seiner Armee in zwei, drei Monaten unterwerfen könnte. Daraufhin nahmen die europäischen und amerikanischen Politiker eine abwartende und beobachtende Haltung ein. Und dann, als Japan Kriegshandlungen eröffnete, trat man ihm Shanghai, das Herzstück des ausländischen Kapitals in China, ab, man trat Kanton ab, den Stützpunkt der englischen Monopolstellung in Südchina, man trat Hainan ab, man ließ Hongkong umzingeln. Nicht wahr, all das ähnelt einer Ermunterung der Aggressoren: mögen sie sich weiter in den Krieg verwickeln, und dann werden wir sehen. Oder nehmen wir zum Beispiel Deutschland. Man trat ihm Österreich ab, ungeachtet der Verpflichtung, die Selbständigkeit Österreichs zu verteidigen6, man 6 In Artikel 10 des Versailler Vertrages hieß es: „Die Bundesmitglieder verpflichten sich, die Unversehrtheit des Gebietes und die bestehende politische Unabhängigkeit aller Bun-
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trat ihm das Sudetengebiet ab, überließ die Tschechoslowakei ihrem Schicksal, womit man jeglichen Verpflichtungen zuwiderhandelte7, und verbreitete über die Presse lautstark Lügen über die Schwäche der „russischen Armee“, über die Zersetzung der „russischen Luftflotte“, über „Unruhen“ in der Sowjetunion, womit man die Deutschen dazu anstachelte, weiter nach Osten vorzustoßen, ihnen leichte Beute versprach und ihnen zuredete: Fangt erst einmal den Krieg gegen die Bolschewiki an, danach wird alles gut gehen. Man muss zugeben, dass dies ebenfalls einem Anspornen, einer Ermunterung des Aggressors sehr ähnlich ist. Charakteristisch ist der Lärm, den die englische, französische und nordamerikanische Presse rund um die Sowjetukraine schlug. Die Vertreter dieser Presse schrien sich heiser, dass die Deutschen gegen die Sowjetukraine vorgehen, dass sie jetzt die sogenannte Karpato-Ukraine in den Händen haben, die etwa 700.000 Einwohner hat, und dass die Deutschen spätestens im Frühjahr dieses Jahres den Anschluss der Sowjetukraine mit über 30 Millionen Einwohnern an die sogenannte Karpato-Ukraine vollziehen würden. Es hat den Anschein, als ob dieses verdächtige Getöse mit dem Ziel geführt wurde, den Zorn der Sowjetunion gegenüber Deutschland zu entfachen, die Atmosphäre zu vergiften und einen Konflikt mit Deutschland zu provozieren, ohne dass dafür ersichtliche Gründe vorliegen. Es ist sicherlich durchaus möglich, dass es in Deutschland Verrückte gibt, die davon träumen, einen Elefanten, d.h. die Sowjetukraine, einem Käfer, d.h. der sogenannten Karpato-Ukraine, anzugliedern. Und wenn es dort tatsächlich solche Tollköpfe gibt, so ist nicht daran zu zweifeln, dass sich in unserem Land in genügender Anzahl Zwangsjacken für solche Verrückten finden lassen. Lassen wir aber die Verrückten beiseite und wenden wir uns den normalen Menschen zu, ist dann etwa nicht klar, dass es lächerlich und dumm ist, ernsthaft von einem Anschluss der Sowjetukraine an die Karpato-Ukraine zu sprechen? Man stelle sich vor: Der Käfer kommt zum Elefanten und sagt zu ihm, die Arme in die Hüften gestemmt: „Ach du, mein lieber Bruder, wie tust du mir doch leid… Du lebst ohne Gutsbesitzer, ohne Kapitalisten, ohne nationale Unterdrückung, ohne faschistische Machthaber, was ist denn das für ein Leben… Ich schaue dich an und komme nicht umhin zu bemerken, dass es keine Rettung für dich gibt, außer, dass du dich mir anschließt… Nun denn, so soll es ein, ich erlaube dir, dein kleines Gebiet meinem unermesslichen Territorium anzuschließen...“ Noch aufschlussreicher ist es, dass gewisse Politiker und Pressevertreter in Europa und in den Vereinigten Staaten, die in Erwartung eines „Feldzuges gegen die Sowjetukraine“ die Geduld verloren haben, selbst dazu übergehen, den wahren Hintergrund der Nichteinmischungspolitik zu enthüllen. Sie sprechen direkt aus desmitglieder zu achten und gegen jeden äußeren Angriff zu wahren“. In: Reichsgesetzblatt 1919, Teil II, S. 725. 7 Laut dem französisch-tschechoslowakischen Bündnis- und Freundschaftsvertrag vom 25.1.1924 und dem bilateralen Abkommen über gegenseitige Garantien vom 16.10.1925 verpflichteten sich beide Staaten zu unverzüglicher gegenseitiger Hilfe und Unterstützung, falls Deutschland unprovoziert und mit Waffengewalt seine Verpflichtungen zur Erhaltung des Friedens verletze. Im Unterzeichnungsprotokoll zum sowjetisch-tschechoslowakischen Vertrag über gegenseitigen Beistand vom 16.5.1935 hieß es, „dass die Verpflichtungen zur gegenseitigen Hilfeleistung nur insoweit zwischen ihnen gelten werden, als dem angegriffenen Teil unter den in diesem Vertrag vorgesehenen Bedingungen Hilfe durch Frankreich geleistet wird“. In: DVP, Bd. XVIII, Dok. 223, S. 333 -336, hier S. 336.
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10. 3. 1939 Nr. 424 und schreiben schwarz auf weiß, dass sie von den Deutschen schwer „enttäuscht“ seien, da diese, anstatt weiter nach Osten, gegen die Sowjetunion, vorzudringen, sich – man denke nur – nach Westen wenden und Kolonien verlangen. Man könnte denken, dass sie den Deutschen Gebiete der Tschechoslowakei als Kaufpreis für die Verpflichtung gegeben hätten, den Krieg gegen die Sowjetunion zu beginnen, und die Deutschen sich aber nunmehr weigern, den Wechsel einzulösen, und ihnen nun die Türe weist. Ich bin weit davon entfernt, über die Nichteinmischungspolitik zu moralisieren, von Verrat, Treulosigkeit usw. zu sprechen. Es wäre naiv, Leuten Moral zu predigen, die die menschliche Moral nicht anerkennen. Politik ist Politik, wie die alten, durchtriebenen bürgerlichen Diplomaten sagen. Es muss jedoch bemerkt werden, dass das große und gefährliche politische Spiel, das die Anhänger der Nichteinmischungspolitik begonnen haben, für sie mit einem ernsten Fiasko enden kann. So sieht in Wirklichkeit die heute herrschende Nichteinmischungspolitik aus. So sieht die politische Lage in den kapitalistischen Ländern aus. 3. Die Sowjetunion und die kapitalistischen Länder. Der Krieg hat eine neue Lage in den Beziehungen zwischen den Ländern geschaffen. Er hat in diese Beziehungen eine Atmosphäre der Unruhe und der Unsicherheit hineingetragen. Indem er die Grundlagen der Friedensordnung der Nachkriegszeit untergrub und die elementaren Begriffe des Völkerrechts über den Haufen warf, hat der Krieg den Wert internationaler Verträge und Verpflichtungen in Frage gestellt. Pazifismus und Abrüstungsprojekte sind zu Grabe getragen worden. An ihre Stelle ist das Aufrüstungsfieber getreten. Alle Staaten, die kleinen wie die großen, rüsten auf, darunter auch vor allem diejenigen Staaten, die die Nichteinmischungspolitik betreiben. Niemand glaubt mehr den salbungsvollen Reden, dass die Münchener Zugeständnisse an die Aggressoren und das Münchener Abkommen tatsächlich den Beginn einer neuen Ära der „Befriedung“ eingeleitet hätten. Selbst die Teilnehmer des Münchener Abkommens, England und Frankreich, schenken ihnen keinen Glauben; nicht weniger als die anderen begannen sie, ihre Rüstungen zu steigern. Es ist klar, dass die Sowjetunion an diesen unheilschwangeren Ereignissen nicht vorbeigehen konnte. Es steht außer Frage, dass jeder, selbst der kleinste Krieg, der irgendwo in einem entfernten Winkel der Erde von den Aggressoren begonnen wird, eine Gefahr für die friedliebenden Länder darstellt. Eine umso größere Gefahr stellt der neue imperialistische Krieg dar, der bereits über 500 Millionen Menschen in Asien, Afrika und Europa in seinen Bann gezogen hat. Angesichts dessen hat unser Land, das unbeirrt die Politik der Erhaltung des Friedens verfolgt, gleichzeitig eine sehr ernsthafte Tätigkeit zur Stärkung der Kampfbereitschaft unserer Roten Armee und unserer Roten Kriegsmarine entfaltet. Zugleich hat die Sowjetunion zur Stärkung ihrer internationalen Stellung entschieden, auch einige andere Schritte zu unternehmen. Ende 1934 trat unser Land dem Völkerbund bei, wobei es davon ausging, dass er ungeachtet seiner Schwäche als eine Stätte zur Entlarvung der Aggressoren und als ein gewisses, wenn auch nur schwaches Friedensinstrument dienen könnte, das imstande wäre, die Entfesselung des Krieges zu hemmen. Die Sowjetunion ist der Auffassung, dass man in derartig
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unruhigen Zeiten selbst eine so schwache internationale Organisation wie den Völkerbund nicht ignorieren sollte. Im Mai 1935 wurde zwischen Frankreich und der Sowjetunion ein Beistandsvertrag für den Fall eines eventuellen Angriffs seitens der Aggressoren abgeschlossen. 8 Zugleich wurde ein analoger Vertrag mit der Tschechoslowakei unterzeichnet.9 Im März 1936 schloss die Sowjetunion einen Beistandsvertrag mit der Mongolischen Volksrepublik ab.10 Im August 1937 wurde ein auf Gegenseitigkeit beruhender Nichtangriffsvertrag zwischen der Sowjetunion und der Chinesischen Republik abgeschlossen.11 Unter diesen schwierigen internationalen Bedingungen gestaltete die Sowjetunion ihre Außenpolitik und verteidigte die Sache der Erhaltung des Friedens. Die Außenpolitik der Sowjetunion ist klar und verständlich: 1. Wir stehen ein für den Frieden und für die Festigung sachlicher Beziehungen mit allen Ländern, auf diesem Standpunkt stehen wir und werden wir stehen, sofern diese Länder ebensolche Beziehungen zur Sowjetunion unterhalten werden, sofern sie nicht versuchen, die Interessen unseres Landes zu verletzen. 2. Wir stehen ein für friedliche, freundschaftliche und gutnachbarschaftliche Beziehungen mit allen Nachbarländern, die mit der Sowjetunion eine gemeinsame Grenze haben, auf diesem Standpunkt stehen wir und werden wir stehen, sofern diese Länder ebensolche Beziehungen zur Sowjetunion unterhalten und nicht versuchen werden, sei es direkt oder indirekt, die Interessen der Unversehrtheit und Unantastbarkeit der Grenzen des Sowjetstaates zu verletzen. 3. Wir stehen ein für die Unterstützung der Völker, die Opfer einer Aggression geworden sind und für die Unabhängigkeit ihrer Heimat kämpfen. 4. Wir fürchten keine Drohungen der Aggressoren und sind bereit, auf einen Schlag der Kriegsbrandstifter, die versuchen sollten, die Unantastbarkeit der sowjetischen Grenzen zu verletzen, mit einem doppelten Schlag zu antworten. So sieht die Außenpolitik der Sowjetunion aus. In ihrer Außenpolitik stützt sich die Sowjetunion: 1. auf ihre wachsende wirtschaftliche, politische und kulturelle Stärke; 2. auf die moralische und politische Einheit unserer Sowjetgesellschaft; 3. auf die Freundschaft der Völker unseres Landes; 4. auf die Rote Armee und die Rote Kriegsmarine; 5. auf ihre Friedenspolitik; 6. auf die moralische Unterstützung der Werktätigen aller Länder, deren ureigenstes Interesse in der Erhaltung des Friedens besteht; 7. auf die Einsicht der Länder, die aus diesen oder jenen Gründen nicht an einer Verletzung des Friedens interessiert sind. *** Die Aufgaben der Partei auf dem Gebiet der Außenpolitik sind: 8 9 10
Vgl. Dok. 2, Anm. 5. Vgl. Dok. 331, Anm. 3. Protokoll über den gegenseitigen Beistand vom 12.3.1936; in: Soviet Treaty Series. A Collection of Bilateral Treaties, Agreements and Conventions etc., concluded between the Soviet Union and Foreign Powers, hrsg. von Leonard Shapiro, Bd. II (1929–1939), Washington 1955, S. 162; DVP, Bd. XIX, Dok. 78, S. 136-137. 11 Am 21.8.1937; vgl. DVP, Bd. XX, Dok. 300, S. 466-468; Handbuch der Verträge 1871– 1964, S. 284.
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11. 3. 1939 Nr. 425 1. auch in Zukunft eine Politik des Friedens und der Festigung von sachlichen Beziehungen mit allen Ländern zu betreiben; 2. Vorsicht walten zu lassen und den Kriegsprovokateuren, die es gewohnt sind, sich von fremden Händen die Kastanien aus dem Feuer holen zu lassen, nicht die Möglichkeit zu geben, unser Land in Konflikte zu verwickeln; 3. die Kampfkraft unserer Roten Armee und unserer Roten Kriegsmarine mit allen Mittel zu stärken; 4. die internationalen Freundschaftsbeziehungen zu den Werktätigen aller Länder, die am Frieden und an der Freundschaft zwischen den Völkern interessiert sind, zu festigen. Veröffentlicht in: XVIII s-ezd Vsesojuznoj Kommunističeskoj partii (b). Stenografičeskij otčet, Moskva 1939, S. 11–1512.
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Nr. 425 Telegramm des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA Nr. 425 11. 3. 1939 11. 3. 1939 Moskau, den 11. März 1939 Abschrift Pol V 22401 Die Rede Stalins auf dem 18. Parteikongress2 ist charakteristisch durch das Fehlen einer aggressiven Note gegenüber den autoritären Staaten und durch den Verzicht darauf, demokratische Staaten zu umwerben, deren jetzige Schwäche dem Verlassen des Prinzips der Kollektivsicherheit zugeschrieben wird. Die englischfranzösisch-amerikanische Presse benutzte die ukrainische Frage, um die deutschsowjetischen Beziehungen zu vergiften. Der Antikominternpakt richte sich in erster Linie gegen die demokratischen Mächte. Als Haupttendenz der Außenpolitik Stalins tritt der Wunsch hervor, allen Konflikten und Verwicklungen auszuweichen. Der Friedenswille wird unterstrichen, aber auch die Notwendigkeit weiterer Stärkung der Roten Armee für die Abwehr von Angriffen. In heiklen Fragen, wie Spanien, China usw., beschränkt sich die Rede auf notwendige Allgemeinwendungen und geht auch hinsichtlich der Unterstützung der sogenannten Opfer der Angreiferstaaten sowie der Komintern nicht über die übliche Phraseologie hinaus. Obwohl Stalin über die fünfjährige Periode seit dem letzten Kongress berichtet und Richtlinien für eine neue lange Periode gibt, ist die Rede auffallend farblos und vorsichtig. [Schulenburg] PA AA, R 104355, o. P., 1 Bl. 12 Im Archiv befindet sich das unkorrigierte Stenogramm der Rede Stalins (RGASPI, f. 558, op. 11, d. 1088, hier l. 12–28), es enthält keine gedanklichen Abweichungen zum veröffentlichten Text. 1 Diese Abschrift des Telegramms schickte Meyer-Heydenhagen am 14.3.1939 an das Oberkommando der Wehrmacht, an das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda und an das Geheime Staatspolizeiamt; vgl. PA AA, R 104355, o. P. Das Original des Telegramms, auf den sich diese Abschrift stützt, befindet sich in: PA AA, R 104355, Bl. 202529. 2 Vgl. Dok. 424.
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Nr. 426
11. 3. 1939 Nr. 426 Vortrag des Marineattachés in Moskau von Baumbach
Nr. 426 11. 3. 1939 11. 3. 1939 Berlin, den 11. März 1939 Geheim Wenn man über die Sowjet-Union etwas vortragen soll, weiß man in der Regel nicht, wo anfangen und wo aufhören. Da es ganz ausgeschlossen ist, die Fülle des ungeheuren Problems auch nur einigermaßen zu erschöpfen, muss ich mich darauf beschränken, einige Probleme herauszugreifen, und zwar diejenigen, die vielleicht am ehesten einen Gesamtüberblick und die sichersten Entwicklungsmöglichkeiten geben, wobei auch einige der interessanteren Marineprobleme mit behandelt werden können. Zunächst Überblick über die allgemeine Lage Die Sowjet-Union war in den Jahren 1934/35 im rapiden, geradezu beängstigenden Aufstieg begriffen. Man fragte sich: Wo soll das hinführen? Und was für ungeheure Gefahren können aus ihm entstehen? Die Sache ist plötzlich zusammengebrochen. Es ist ja bekannt, dass sich in der nachfolgenden Zeit eine ungeheure Krise ausgelöst hat. Was ist das Wesen dieser Krise? Die Ursachen und überhaupt der Anlass hierzu ist eine Streitfrage. Man weiß bis zum heutigen Tage nicht, ob die führende Gruppe aus eigener Initiative den Streit vom Zaun gebrochen hat oder ob sie wirklich begründete Ursache gehabt hat und gezwungen gewesen ist, als Verteidigungsmaßnahme schädliche Elemente auszumerzen. Wahrscheinlich liegt die Wahrheit in der Mitte, d. h. ein Teil ist schuldig, während die regierende Gruppe dann die Verfolgungen hundertfach weiter gestreckt hat, als unbedingt nötig war. Die Sache begann mit der Erschießung der Generäle; und da wird drüben immer gesagt: die Leute aus der Armee seien Verräter und Spione gewesen. Eine ausgesprochene Spionage kommt aber für solche hohen Offiziere nicht in Frage; es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass Verbindungen bestanden, dass diese Offiziere vielleicht angedeutet haben: es wird mal ein Umsturz kommen und dass man dann damit rechne, dass das Ausland Stange hält. Nun, was ist eigentlich in dieser Krise passiert? Die ganze Führerschaft der Armee ist umgelegt worden. Öffentlich ist nur ein großes Kriegsgericht gewesen; später hat man festgestellt, dass einer nach dem andern von den führenden Persönlichkeiten verschwunden ist. Ich bin wiederholt gefragt worden, was z. B. aus Blücher werden würde? Meine Antwort war diese, dass Blücher aufgrund der alten Armeeclique als erledigt anzusehen wäre. Seit Herbst 1936 ist er endgültig weg. Von 28 Armeebefehlshabern (Dienstgrad bezeichnet nicht nur die Stellung, sondern ein Befehlshaber ist mit einem Generalleutnant in Deutschland gleichzustellen) ist nur noch ein einziger in der Armee. Von den berühmten 5 Marschällen sind 3 erledigt. Diese ganze Personalkrise hat sich auch im ganzen Lande ausgewirkt hauptsächlich in den führenden Stellungen und in der ganzen mittleren Führerschaft sowie auch in der Partei. Charakteristisch ist, dass in der Zeit vom Beginn dieser Krise bis jetzt 65 neue Volkskommissare von der Sowjet-Union ernannt, und zwar von der Zentralregierung; das würde bei uns bedeuten: 65 neue Reichsminister wä-
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11. 3. 1939 Nr. 426 ren in zwei Jahren ernannt worden. Wir ersehen daraus, wie unsicher die Führung in der Sowjet-Union geworden ist. Im Jahre 1937 hat im Sommer eine lokale Terror-Welle eingesetzt mit unzähligen Gerichtsverhandlungen und Opfern, welche im Monat auf 1500 angestiegen sind. Die Zentralpresse verschwieg diese Terror-Welle, und man fragte sich: Wo soll das hinführen? Im Frühjahr 1938 flaute die Sache ab; und es haben auch diese ganzen Personalwechsel nachgelassen. Im November v. J. wurde schließlich der Urheber dieses Terrors1 gestürzt. Er hatte durch seine zweijährige Tätigkeit der SowjetUnion den größten Schaden zugefügt. Jetzt existiert er noch als Volkskommissar für Wassertransport, im eigenen Lande aber gilt er als toter Mann. Die Russen sind vollkommen unfähig, sich zu regieren. Es herrscht brutale Rücksichtslosigkeit. Jetzt werden sie von einem Kaukasier2 regiert, der seine Leute mitbringt. *Die Ansicht des Vorherrschens der Juden ist nicht richtig, denn bei der Sowjet-Union gibt es immer 2 Elemente: propagandistische* und die Feststellungen der Tatsachen. Die dortige Propaganda hat ganz andere Ziele als wir sie hier in Deutschland haben. Von führenden *Juden sind aber nur ganz wenige vorhanden; in hervorgehobener Stellung ist eigentlich nur ein einziger3.*4 Zur allgemeinen inneren Lage Erstaunlich ist, wie überhaupt ein solches Volk wie die Russen existieren kann. Eine noch so ungeheure, katastrophale Lage führt nicht zu einer ausgesprochenen Katastrophe, also zu einem offenen Zusammenbruch. 1936 hat man im Hungergebiet (südlich vom **Onega-See**5) gesehen, wie Bauern in Säcken steinhartes Brot auf das Land zurückbrachten, weil die Leute am Verhungern waren. Man fragt unwillkürlich: was passiert nun in diesem Jahr? Und – es passiert nichts! Charakteristisch: Moskau ist das Prunkstück des ganzen Landes. In Moskau hat es Wohnungen gegeben, in denen nur 2 Grad Wärme waren. Gelegentlich herrscht auch Gasmangel. Bei einer Gesandtschaft fällt sogar die Wasserleitung aus, im selben Augenblick auch keine Zentralheizung. Z. B.: in Tiflis gibt’s nur einmal in der Woche elektrisches Licht, während der ganzen übrigen Tage sind die Wohnungen im Dunkel. Solche Mängelzustände waren immer in der Sowjet-Union. Das Land ist zu riesig, um irgendwie ausgeglichen zu sein. Allerdings muss man mit den Schlussfolgerungen vorsichtig sein, denn diese Mängel wirken sich nicht einfach über das ganze Land aus. Die Eisenbahn funktioniert eigentlich; sie ist aber nicht weiter entwicklungsfähig im Augenblick. Zum allgemeinen Verständnis des dortigen Landes möchte ich noch etwas sagen: woher kommt überhaupt das Elend der Bauernschaft? Das ganze Land ist industrialisiert und verstaatlicht. Diese Art Organisation lässt sich natürlich nicht nutzbringend leiten. Besonders fehlt dem Staat jede Möglichkeit, seine Beauftragten zu kontrollieren, und das führt zum Herausschmeißen des Geldes. Jeder Betrieb im ganzen Lande ist ein enormer Zuschussbetrieb. Diese Ausgaben muss der Staat decken. 1 2 3 4 5
Nikolaj Ivanovič Ežov. Lavrentij Pavlovič Berija. Lazar’ Moiseevič Kaganovič. Die beiden Textstellen sind am Seitenrand angestrichen. Das Wort ist korrigiert; im Text: Neaga-See.
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Man nimmt der Landwirtschaft ihre Produkte zu einem ganz minimalen Preise ab und verkauft sie mit einem Aufschlage von ungefähr 800%. (Milchwirtschaft, Vieh, auch Schnaps spielen eine recht große Rolle.) Mit solchen Geschäften verdient der Staat im Jahr 50 Milliarden Rubel; das ist mehr als die Hälfte des gesamten Staatshaushaltes. Wenn der Verdienst dem Bauern zukäme, dann könnte er leben. Dieses Finanzproblem erklärt außerordentlich viel dort drüben. Misswirtschaft und Verlustwirtschaft hören nie auf. Man hat enorme Pläne; aber nach zwei Jahren werden diese Pläne umgestoßen, weil der staatliche Leiter das Ganze nicht übersehen hat. Um zum Speziellen zu kommen: wir wollen annehmen, die Krise wäre zu Ende, wie würde sich das auf die Marine und die Wehrmacht auswirken? Noch ein paar Worte über die außenpolitische Haltung der Sowjet-Union: diese ganze innere Schwächelage hat sich im Jahre 1938 in einer Weise in der Außenpolitik abgespielt, wie es selbst die besten Landeskenner nicht für möglich gehalten haben. (Ein Landesschätzer warnt immer vor den Krisenerscheinungen.) Im März war die polnischlitauische Spannung6, sodass die Russen versagten. Auch in Spanien haben die Russen sich nur sehr vorsichtig eingesetzt. In Rumänien haben die Russen ein großes Wort riskiert, ohne irgendwelche Taten folgen zu lassen. Im Japan-Konflikt7 waren die Russen im Recht und die Japaner im Unrecht, da diese einen Grenzübergriff begangen haben. In der Affäre westlich von Wladiwostok haben sich die Russen unter ungeheurem Truppeneinsatz gewehrt und um ihre Ehre und Ansehen gekämpft; sie haben die Stellung gehalten. Letzten Endes ist die Sache wieder im Sande verlaufen, weil eine Kommission gebildet wurde, die die Sache arrangieren sollte, aber sie ist nicht zusammengetreten. Es ist den Russen gar nicht ernsthaft an einer Regelung gelegen. In der September-Krise8 haben die Russen eine erstaunliche Haltung eingenommen. Wir haben damals geprüft: Was kann überhaupt die Sowjet-Wehrmacht machen? Infolge der sehr ungünstigen Verbindung durch die Lage Polens mit der Tschechoslowakei wurden nicht die geringsten Vorbereitungen getroffen. Wir haben uns immer vorgestellt, wie die Sowjet-Union sich wohl in einem wirklichen Kriegsfalle verhalten würde? Sie hatte die Absicht, zunächst aus einem Konflikt auszuschalten und hatte auch keinen Zeitpunkt festgesetzt, zu welchem sie in einen Konflikt eintreten würde. Sie fühlte sich nur verpflichtet, g.g.f. Frankreich Hilfe zu leisten. Die Sowjet-Union wird sich stets aus jeder gefährlichen Sache heraushelfen. Die Russen hatten nicht einmal ihre Bevölkerung darauf vorbereitet, dass eine Kriegsgefahr bestand, und es sind daher auch keine diesbezüglichen Maßnahmen getroffen worden. Auch die Industrie hatte keine Kenntnis von einer politischen Krise und bekam auch keine Sonderaufträge. Die Regierung wollte jede Alarmstimmung vermeiden und hat daher auch nichts in der Presse verlauten lassen. Das mag eine Art Unsicherheit gewesen sein und auch die Scheu davor, dass in dem Volk irgendeine Gärung eintreten könnte. 6 Gemeint ist das Ultimatum Polens an Litauen vom 17.3.1938 zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen, um Litauen zur Anerkennung des von Polen annektierten Gebietes um Vilnius zu veranlassen. Litauen nahm das Ultimatum an, erkannte jedoch weiterhin die Annexion des Gebietes de jure nicht an. 7 Vgl. Dok. 311, Anm. 5. 8 Vgl. dazu die Dok. 327, 331, 332.
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11. 3. 1939 Nr. 426 Jetzt nach der September-Krise ist natürlich die Stellung der Sowjet-Union sehr viel schwieriger, weil offenkundig geworden ist, wie sie sich in der Außenpolitik stellt. Die Tschechoslowakei war im Frühjahr 1938 außer sich über die Handlungsweise der Sowjet-Union. Jetzt nach der Krise ist die Sowjet-Union bemüht, ihr Prestige wieder herzustellen. Die Beziehungen zu Ungarn sind neuerdings abgebrochen. Das kann Rumänien nur bewegen, das gleiche zu tun. Interessant ist der Fischereikonflikt mit **Japan**9. Schließlich komme ich zur Alandfrage. Die Sowjet-Union ist zweifellos gegen die Wiederbefestigung der Alandinseln, riskiert aber nicht öffentlich etwas dagegen zu tun. Nun zur Sowjet-Marine: Wie hat sich die Krise in der Marine ausgewirkt? Die Marine ist zunächst lange nicht berührt worden. Dann wurden plötzlich in der Flotte sämtliche Führer gewechselt, fast alle Kommandanten zurückgezogen und die letzten zaristischen Offiziere, die noch **Verbandschefs** 10 waren. Dieser Wechselprozess hatte Schluss gemacht damit, dass man die führenden Offiziere eine unbegrenzte Zeit auf gleichen Stellungen ließ (z. B. 6–7 Jahre als Kommandant u. Flottenchef). Dadurch war natürlich auch eine Clique entstanden. Hierin hat man ein Haar gefunden und diese Clique zerhauen. In diese Stellungen sind nun junge Offiziere eingetreten (wie unsere Hitler-Jugend), nationalkommunistisch aufgezogener Verband von rücksichtslosen Strebern. Diese Leute haben ihre Kameraden zum Teil übersprungen, aber man kann nicht sagen, dass diese jungen Kommandanten etwa zu jung seien. Das Menschenmaterial ist natürlich ein anderes, aber man kann durchaus nicht behaupten, dass vollkommen unreife Menschen in die Führung gekommen wären. Ähnlich verhält es sich mit den andern führenden Offizieren; und man wird sicher wieder zu dem gleichen System kommen: die Leute sehr lange auf einer Stellung zu belassen, denn den Luxus eines dauernden Wechsels kann sich die Sowjet-Union nicht leisten. Die Alterslage: der Flottenchef im Fernen Osten hat vielleicht 18 Dienstjahre, die übrigen haben 19–20 Dienstjahre, aber unter ihnen gibt es immer wieder in den Stäben Leute mit sehr viel größeren Erfahrungen. Rein personell: die Sowjet-Marine baut ihr Personal mit ganz ungeheurem Zuschnitt auf. Augenblicklich: rund 2.000 Offiziersanwärter, Ingenieur- und Seeoffiziere, Nachrichten-Offiziere (2 Klassen: Küste und Schiff). Die Russen haben die gleichen Erscheinungen wie wir: sie verkürzen die Ausbildungszeit von 4 auf 3 Jahre. Dann etwas anderes: Die Akademie-Schüler werden 5 Jahre ausgebildet Die Akademie hat eine Schülerzahl von 380, rund 24–28 Admiräle und Generäle, davon noch eine recht große Zahl aus der alten zaristischen Marine. Mit dem Umschwung in der Sowjet-Marine ist auch ein Wechsel in den operativen Auffassungen eingetreten. (Sturz der Gruppe A… und seiner Mitarbeiter.) Hinterher hat man diesen Leuten alles Mögliche angehängt, was sie alles verhindert hätten. Praktisch genommen war aber diese A…-Gruppe eine Gruppe, die 9 10
Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: Spanien. Vgl. auch Dok. 407, 416. Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: noch auf dem Verbandsschiff.
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nüchtern gesehen hat: Was für Mittel stehen uns zur Verfügung? Sie hatten sich auf Klein-Kampfmittel beschränkt und haben sie groß entwickelt. Jetzt wirft man ihnen Verrat vor, weil sie sagten: Wir können gar nicht auf große Schiffe gehen; das ist vielleicht auch gar nicht nötig. Schon in der Zeit A… hat es eine Gruppe gegeben, die die klassischen Flottentheorien vertreten hat. **S…**11 in Pillau ZerstörerKommandant 1929; damals die Führung kritisiert, jetzt erster Stellvertreter des Kriegskommissars. Diese Theorie wird jetzt in äußerst scharfer Form vertreten. Schärfstes Vorantragen des Kampfes in feindliche Gebiete, Angriff auf die Seeverbindungen, heraus aus der Idee: der andere wird uns angreifen! Wir warten schon lange darauf, dass die Russen mit einem großen Bau Kampfschiffe anfahren. Bisher war kein Platz frei. Heute wird der größte Bauplatz frei in Leningrad; er hat eine Mindestlänge von 220 m. Vor einigen Wochen ist eine Kommission unter Führung eines zweiten Marine-Kommissars zum Schiffbau nach Amerika gegangen. Man will aber nicht dem Ausland Bauaufträge geben, sondern den Bau im eigenen Lande ausführen. Zu den Fragen der Ostsee: kommt die berühmte Erzzufuhr-Frage. Die Russen haben dieses Problem in seiner Bedeutung absolut erkannt. Man darf nicht die Sabotagefähigkeit unterschätzen; dazu ist immer nur ein einziger nötig. Hier liegt eine große Gefahr. Das Vorgehen der Russen: Es fällt ins Auge, dass die Sowjet-Marine von Kronstadt aus nichts machen kann, weil 5 Monate vereist (60 – 80 U-Boote). Man kann es im Kriege nicht darauf ankommen lassen, diese einfrieren zu lassen. Aber es ist natürlich auch hierin etwas anders geworden. Das Entstehen eines mächtigen, starken Deutschlands in der Ostsee hat diese Dinge auch etwas zurückgedrängt. Wenn die Russen früher die Absicht gehabt haben, mit ihrer Flotte vorzustoßen, so weiß man nicht, ob sie es heute wagen werden, in dieses Wespennest hineinzustechen. In Leningrad ist im Jahre 1935 zum ersten Mal eine Fallschirm-Landetruppe beobachtet worden. Interessant ist weiter das Problem der Binnenwasserstraßen. Mit großer Energie und großem Weitblick hat man das Binnenwasser-System ausgebaut. Man kann **von der Ostsee nach [?] hinüber und auch von dem Onega-See**12 nach der Wolga. Hier werden U-Boote gebaut. Der weitere Weg nach dem Kaspischen und Schwarzen Meer ist noch nicht durchgeführt. Die Schleusenmaße entsprechen genau denen des Weißmeer-Kanals. Vielleicht in einem Jahr fertig; dann können alle Streitkräfte untereinander verschoben werden. Das ist ein kolossaler Fortschritt. Nördlicher Seeweg: die ganze Angelegenheit ist lediglich auf die Marine eingestellt. 1931/32 ist bereits das erste Schiff durchgekommen. 1933 ist ein Schiff untergegangen. 1931 wurde plötzlich der Weißmeer-Kanal gebaut. Erinnert an unseren Bau der West-Befestigungen. Die dort drüben haben an sich das autoritäre System. In 1 ½ Jahren der Kanal fertig. 1933 war Stalin hier oben mit noch zwei anderen, der sonst nie diese Lan11 12
So im Dokument; der Name ist handschriftlich ergänzt: Smirnov. Der Satzteil ist handschriftlich korrigiert, dabei sind jedoch nicht alle Wort zu entziffern; ursprünglich: nach der Ostsee hinüber und auch von dem Neaga-See.
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11. 3. 1939 Nr. 426 desteile bereist. Dann sind die ersten Passagen gewesen. Manche Misserfolge waren hier. Erklären sich daraus, dass die Verhältnisse ganz kolossal primitiv sind. Es hat hier keine Kräne gegeben. Damit verglichen sind die Ergebnisse ganz günstig. 1936: zwei Sowjetzerstörer durchgegangen. In welchem Zustande sie angekommen sind, weiß man nicht. Man kann die Schlussfolgerung ziehen, dass alle anderen Schiffsklassen auch durchkommen können. Im nächsten Jahre (1937) hat es große Schwierigkeiten gegeben, Schiffe festgefroren, aber zum großen Teil (mit einer Ausnahme) herausgeholt worden. Weitere drei Vermessungsschiffe der Marine sind wieder durchgegangen. In diesem Winter liegen zwei Vermessungsschiffe der Marine hier zu weiterer Erforschung. Ich habe kürzlich ein Buch in die Hand bekommen, das wissenschaftliche Abhandlungen enthielt, aus denen ersichtlich ist, dass der Anteil der Marine sehr viel größer ist, als man sich vorstellen kann. Es heißt darin, dass die klimatischen Verhältnisse die Passage erleichtert hätten und jeden Tag ein Umschwung zu erwarten sei. Ich glaube nicht, dass man damit zu rechnen braucht; für unsere Zeit wird’s wohl andauern. Wenn man nun diese ganze Sache sich ansieht und noch berücksichtigt, dass hier zwei Riesenwerften gebaut werden – und es gibt auch noch andere Anhaltspunkte – dann kommt man dahin, dass der große Plan darauf hinausgeht, hier im Norden eine Flottengroßmacht zu bilden. Das gibt hier wieder die Verbindung nach dem Fernen Osten hin. Verbindung ist nur in 3 Monaten möglich; und dieser Weg hat den enormen Vorteil, dass nie ein Ausländer weiß: Wo sind überhaupt Streitkräfte? Japanischer Fischerei-Konflikt: Die Japaner haben hier immer gefischt. Die Hauptfischgründe liegen bei **Kamtschatka**13. Jedes Jahr kommen 30.000 Japaner hierüber, 20.000 Leute arbeiten an Land, 10.000 bilden die Besatzung von kleinen Fischerbooten. Das ganze Gebiet ist ohne Garnison. Wirksam können sie den ganzen Fernen Osten erst schützen, wenn sie eine Flotte gebildet haben. Die Sache ist den Japanern nicht so wertvoll – ganzer Verlust 8 Mill. Dollar – dass sie dafür einen Krieg wagen würden. Es ist wahrscheinlich nicht richtig, dass hier auf dem Landwege große Eisenbahnen herübergetrieben werden. Man wird doch nicht das Hintergelände zugängig machen. Spitzberge: Russen haben sich hier reingesetzt. Alle Leute, die Gruben hatten, sollten ihre Rechte weiter ausnützen können. Jetzt haben sie das Recht des Abbaues. Sie bauen doppelt so viel ab wie die Norweger. Nachrichtenwesen: Die Sowjet-Union ist einzige Marine, die nichts bekannt gibt, sondern nur das Ausland behandelt. Keine eigenen Veröffentlichungen, keine eigenen Ranglisten. Diese Geheimhaltung hat die Folge, dass der Beobachter viel misstrauischer ist als zum Beispiel in England und Frankreich, denn diese Länder haben Flottenkalender. Die Möglichkeit, überhaupt Nachrichten zu bekommen, ist nur gegeben durch eine Art B.-Dienst. Es ist ein Sammeln von Mosaiksteinchen, 13
Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: Kronstadt.
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jede Kleinigkeit ist von Bedeutung. Wenig wertvoll sind ausländische Pressemeldungen. Die Schwierigkeiten des Agentenwesens liegen darin, dass überhaupt in der Sowjet-Union der einzelne nie etwas weiß. Der Agent kann immer nur einen winzigen Ausschnitt bringen. Man fragt sich: wie wird die Entwicklung des Landes sein? Kann die SowjetUnion noch einmal wieder hochkommen? Oder hat sie so gearbeitet, dass es zum Abstieg führen muss? Es muss abgewartet werden. Auf die nächsten 5 Jahre ist m. E. die Sowjet-Union kaum fähig, sich an einem Kriege zu beteiligen. Auf erstem Blatt oben: Vortrag des Marineattachés Moskau, Herrn Freg.Kapt. von Baumbach. BA MA, RW 12 II/159, Bl. 26-34.
Nr. 427 Auszug aus der Aufzeichnung des Leiters der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Wiehl Nr. 427 11. 3. 1939 11. 3. 1939 Berlin, den 11.März 1939 W H.A. 716 Nr. 10 Sitzung des Handelspolitischen Ausschusses am 11. März 1939 Anwesend:
Für Ministerialdirektor Wucher Ministerialrat Scherer, für Ministerialdirektor von Jagwitz Ministerialdirigent Schlotterer; ferner anwesend: Ministerialdirektor Gramsch, Ministerialdirigent Landwehr, Reichsbankdirektor Treue, Ministerialrat von Boeckh (bei Besprechung von Punkt III), Oberregierungsrat Ter-Nedden (bei Besprechung von Punkt VI), Regierungsrat von Wedelstädt (bei Besprechung von Punkt V). […]1
VI. Russland Herr Schlotterer berichtet, dass nach eingehender Prüfung des Reichswirtschaftsministeriums die schwebenden Verhandlungen über den Russenkredit in geeigneter Form zum Scheitern gebracht werden müssen, weil die deutsche Wirtschaft wegen ihrer Beanspruchung mit bestimmten inneren Aufgaben nicht in der Lage ist, in den nächsten 1–2 Jahren die erforderlichen Lieferungen in Höhe von 300 Millionen RM zu machen. Selbst in den Fällen, in denen einzelne Industriezweige in der Lage sein sollten, einen Teil dieser Lieferungen auszuführen, besteht die Gefahr, dass diese Ausfuhr dann auf Kosten der in Bardevisen bezahlten Ausfuhr geht. Das Reichswirtschaftsministerium hätte gegen die Weiterführung der Russenverhand1 Ausgelassen sind die Punkte I. Belgien, II. Afghanistan und Iran, III. Holland, IV. Behandlung ausländischer Juden in Deutschland, V. Ungarn.
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11. 3. 1939 Nr. 428 lungen nicht eher Einspruch erhoben, weil sich erst in letzter Zeit durch neu ergangene Weisungen diese Verschärfung der Produktionslage ergeben habe. Es besteht Übereinstimmung darüber, dass der Abbruch der Kreditverhandlungen mit Russland bei der deutschen Rohstofflage außerordentlich bedauerlich ist, dass aber andererseits im Hinblick auf die tatsächliche technische Unmöglichkeit, die deutschen Gegenlieferungen auszuführen, die Verantwortung für den Abschluss des Kredits nicht übernommen werden kann. Den Russen gegenüber sollen die Verhandlungen jedoch zunächst nicht völlig abgebrochen, sondern dilatorisch weiter geführt werden. Dies würde unter Umständen auch die Möglichkeit geben, doch noch zu einem Ergebnis zu kommen, falls in der nächsten Zeit eine Besserung der deutschen Ausfuhrmöglichkeiten eintreten sollte. Wiehl Unterschrift als Faksimile. Auf dem ersten Blatt oben befindet sich der Text: Im mündlichen und schriftlichen Verkehr mit Behörden und Privaten soll der Handelspolitische Ausschuss nicht erwähnt und auf seine Entscheidungen nicht Bezug genommen werden. PA AA, R 106095, Bl. D 548991-548995, hier Bl. D 548994-548995. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 495, S. 553.
Nr. 428 Jahresbericht der Bevollmächtigten Vertretung der UdSSR in Berlin Nr. 428 11. 3. 1939 11. 3. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 7 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 64/s1 Berlin, 11.03.392 KURZBERICHT ZUM POLITISCHEN LEBEN DEUTSCHLANDS im Jahr 1938 Einleitung Der vorgelegte Überblick stellt sich nicht das Ziel, alle Ereignisse, die 1938 in Deutschland stattgefunden haben, aufzulisten oder eine ausführliche Einschätzung der Politik des deutschen Faschismus zu geben. In dem vorliegenden Bericht wurde das Hauptaugenmerk auf die wichtigsten Vorgänge gerichtet, wie der 4. Februar3, die Einverleibung Österreichs, die Zer1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Merekalov schickte den Bericht am 12.3.1939 an das Narkomindel mit einer kurzen Begleitnotiz an Litvinov. Vgl. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 61, l. 69. 3 Gemeint ist die amtliche Mitteilung über Veränderungen in der Führung der Streitkräfte Deutschlands und über personelle Veränderungen in der Leitung des AA und der deutschen Botschaften in einigen Staaten. Vgl. Dok. 215, 223.
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schlagung der Tschechoslowakei und andere, die seinerzeit von der Bevollmächtigten Vertretung in ihren Grundzügen gemeldet worden sind. In dem Bericht wird nicht auf die Teilbereiche der deutschen Politik eingegangen, die im vergangenen Jahr keine wesentlichen prinzipiellen Veränderungen erfahren haben, wie beispielsweise die Haltung Deutschlands gegenüber der UdSSR in der spanischen und einer Reihe anderer Fragen. Fakten des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens in Deutschland werden in dem Bericht nur soweit angesprochen, wie dies für den Zusammenhang mit den im Bericht zu beleuchtenden außenpolitischen Ereignissen erforderlich ist. Außer dem vorliegenden Bericht wurde eine Sammlung an das NKID geschickt, in der alle wichtigen Dokumente des Schriftverkehrs mit dem deutschen Außenministerium des Jahres 1938 aufgenommen worden sind. Der Tätigkeitsbericht der Konsularabteilung wurde ebenfalls gesondert zugestellt. Der vorliegende Bericht stellt sich auch nicht die Aufgabe, den Zustand einzelner Zweige der deutschen Wirtschaft zu beleuchten, weil diese im Bericht der Handelsvertretung für das Jahr 1938 die erforderliche Widerspiegelung finden müssen. Außenpolitik 1938 war ein Jahr der Aktivierung der Außenpolitik des Nationalsozialismus. In seinem Verlauf ging Hitlerdeutschland vom Stadium der Vorbereitung von Aggressionsabsichten zu deren direkter Umsetzung über. Die Einverleibung Österreichs im März, die Zerschlagung der Tschechoslowakei im September, die Veränderung der Lage in Memel im November/Dezember sind die wesentlichen „Errungenschaften“ dieses Prozesses. Vorbereitung der Einverleibung Österreichs Allen Anzeichen nach *wurde dieser Kurs während des Besuchs von Mussolini in Berlin im September 19374 festgelegt*5. Einige Merkmale lassen darauf schließen, dass Hitler damals bereits von Mussolini die Zusicherung bekommen hat, einer Veränderung des Status von Österreich im Sinne einer Annäherung an das Reich keine Hindernisse zu bereiten.6 Es ist nicht genau bekannt, ob Hitler mit Mussolini über sein Vorhaben gesprochen hat, Österreich dem Reich vollständig anzuschließen, oder ob die Absicht bestand, die Unabhängigkeit Österreichs formal beizubehalten, jedoch mit Veränderungen seiner inneren Ordnung im nazistischen Sinne. Jedenfalls wurde *irgendeine Übereinkunft erzielt, worauf der äußerst prächtige Empfang hindeutet, den Hitler Mussolini im September* 1937 bereitet hat. Da ja auf diese Weise das Haupthindernis auf dem Wege der „Hitlerisierung“ Österreichs – d.h. ein eventueller Widerstand Italiens – beseitigt worden war, war die Frage im Prinzip vorentschieden. Es ist jedoch interessant, dass entweder zu dem Zwecke, die Wachsamkeit der anderen Mächte, darunter Englands und Frankreichs, einzuschläfern, oder um Mussolini gegenüber die vollständige Einverlei4 5
Vom 25. bis 29. September 1937. Der hier und im Folgenden so gekennzeichnete Text wurde von Potemkin mit blauem Farbstift unterstrichen. 6 Vgl. ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 568; Ser. D, Bd. I, Dok. 253, 256.
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11. 3. 1939 Nr. 428 bung Österreichs anstelle halbherziger Maßnahmen zu rechtfertigen, die faschistischen Propagandaorgane die Frage des Anschlusses Österreichs ans Reich nicht offen gestellt haben. Personen des öffentlichen Lebens gaben den ausländischen Diplomaten ebenfalls mehr oder weniger beschwichtigende Erklärungen. Aus diesem Grunde überwog unter ausländischen Beobachtern in Berlin, darunter auch höchst sachkundigen, die Gewissheit, dass es nicht zu einem Anschluss kommen werde und maximal die Rede davon sein könne, die Zusammensetzung der Wiener Regierung in einem Hitler genehmen Geiste vorzunehmen. Zu den weiteren außenpolitischen Schritten, die der Einverleibung Österreichs vorangingen und Hitler in der Zuversicht auf ihre glückliche Vollendung bestärkten, *gehörten die Gespräche des Führers mit Beck am 13.1.7 und mit Stojadinović am 17.1.8 Für Deutschland war es insbesondere wichtig, sich das faktische Einverständnis Jugoslawiens als des zukünftigen Nachbarn zu sichern*, weil, wie sich später herausstellte, *die französische Diplomatie, zumindest in Person ihres Vertreters in Berlin9, nicht die Hoffnung auf den Widerstand Österreichs und die Gegenwehr Jugoslawiens verlor* und noch im letzten Moment versuchte, letzteres zum Widerstand gegen das Reich zu bewegen (Gespräch Franҫois-Poncet mit Marković). Was die Haltung Englands und Frankreichs betrifft, so mussten sich etwaige Zweifel in dieser Hinsicht, sofern Hitler vorher irgendwelche Zweifel hatte, *nach der Ablösung Edens durch Halifax am 20. – 25. Januar10 endgültig erübrigen*, und außenpolitisch war damit die Operation vorbereitet. Bevor er jedoch zur Tat schritt, hielt Hitler es für unabdingbar, vorsorglich *seinen Apparat umzukrempeln*, indem er die Elemente entfernte, auf die er sich bei einer möglichen Krise nicht völlig verlassen konnte. Nach dem Rücktritt von *Schacht* (im Sommer 1937) vom Amt des „Ministers für Volkswirtschaft“11 blieben als Bollwerk der Elemente, die in einer gewissen Opposition und jedenfalls nicht im Einklang mit dem Regime standen und Anspruch auf eine eigenständige politische Linie erhoben, die Reichswehr und zu einem gewissen Grade das Auswärtige Amt übrig. Diese eigentümliche „Opposition“ stützte sich auf jene Schichten von Industriellen aus dem preußischen Junkertum und der alten Beamtenschaft, die aus einer Reihe von Gründen mit dem zunehmenden Einfluss der Nationalsozialistischen Partei und der steigenden Tendenz zur Reglementierung der Wirtschaft des Landes im Sinne des Vierjahres-Plans unzufrieden waren. Um diese „Opposition“ zu liquidieren, verschob Hitler die Einberufung des Reichstages vom üblichen Datum des 30. Januar auf den 20. Februar. In der Zwischenzeit wurde *die Operation vom 4. Februar* durchgeführt, die offizielle Bezeichnung lautete „Maßnahme zur Konzentration der staatlichen Führung der Streitkräfte, der Außenpolitik und der Volkswirtschaft“. Im Prinzip bestand sie darin, Kriegsminister Feldmarschall *Blomberg* und den Chef des Heeres General 7 So im Dokument. Das Gespräch Hitlers mit Beck fand am 14.1.1938 statt. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. V, Dok. 29, S. 33–34. 8 Vgl. ebd., Dok. 163, S. 187–193. 9 André François-Poncet. 10 So im Dokument. Anthony Eden trat am 20.2.1938 zurück. Am 25.2. wurde Lord Halifax Chef des Foreign Office. 11 So im Dokument. Hjalmar Schacht trat am 26.11.1937 vom Amt des Reichswirtschaftsministers zurück.
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*Fritsch* zu entmachten, ihnen folgte eine bedeutende Anzahl zweitrangiger Personen. *Den Oberbefehl der Streitkräfte übernahm Hitler selbst.* Göring erhielt den Rang eines Feldmarschalls. Neurath wurde auf dem Posten des Außenministers durch *Ribbentrop* ersetzt und auf den ehrenvollen, jedoch wenig sichtbaren und wenig einflussreichen Posten eines Präsidenten des geheimen Rates für Außenpolitik versetzt. Abgelöst wurden die Botschafter in Wien, Tokio und Rom. Darauf folgte eine Reihe weiterer Veränderungen im auswärtigen und im Berliner Apparat des Auswärtigen Amtes, die bis heute nicht abgeschlossen sind. Zur gleichen Zeit wurde die Verordnung zu der von Göring durchgeführten Reorganisierung des Ministeriums für Volkswirtschaft veröffentlicht, und der neue Minister Funk trat das Amt an. Der Durchführung dieser Maßnahmen gingen *Gerüchte über eine sogenannte „monarchistische“ Verschwörung* voran, in die angeblich führende Köpfe der Reichswehr und Großindustrielle verwickelt waren und durch die Personen wie *Schacht und Neurath* in Misskredit gebracht wurden. Es ist schwer zu sagen, inwieweit diese Gerüchte der Wahrheit entsprachen. Es ist möglich, dass es eine Verschwörung im eigentlichen Wortsinne nicht gegeben hat, jedoch gibt es keine Zweifel hinsichtlich der Gärung und Hetze gegen das Regime seitens der oben erwähnten Elemente, und die von Hitler angeordneten „Maßnahmen zur Konzentration“ waren eine direkte Bestätigung für die Gerüchte, wenn nicht hinsichtlich einer Verschwörung, so doch hinsichtlich bedeutender Differenzen zwischen der Führung der Nationalsozialistischen Partei einerseits und der Reichswehrführung sowie einer Reihe von bekannten Industriellen und Diplomaten andererseits. Die Veränderungen im Auswärtigen Amt machten sich sofort auf dem Gebiet der Fernostpolitik bemerkbar. Am 20.II. verkündete Hitler im Reichstag *die Anerkennung von Mandschukuo*, und danach sicherte er Japan zu, die deutschen Berater aus China abzuziehen und *den Verkauf von Waffen an China einzustellen*.12 Damit sicherte sich Hitler *die Unterstützung Japans für den Fall eines weltweiten Konflikts*. Die Einverleibung Österreichs Nachdem auf diese Weise der Boden sowohl außerhalb als auch innerhalb des Landes vorbereitet war, erachtete Berlin es als möglich, die Operation gegen Österreich in Angriff zu nehmen. Am 12.II. wurde Schuschnigg auf den Obersalzberg einbestellt13, am 16.II. erfolgte die „Reorganisierung“ des Wiener Kabinetts, am 18.II. wurde die Tätigkeit der österreichischen Nazis legalisiert, am 20.II. trat Hitler vor den Reichstag und erklärte, dass er alle Auslandsdeutschen unter seinen Schutz stelle, wobei die genannte Anzahl etwas geringer als die zahlenmäßige Stärke der deutschen Bevölkerung in Österreich und in den Sudeten ausfiel. Am 9.III. verkündete Schuschnigg eine Volksabstimmung, was in Berlin eine heftige Reaktion auslöste. Am Abend des 11.III. trat Schuschnigg zurück, am 12.III. erteilte Hitler der Reichswehr den Befehl, die Grenze zu Österreich zu überschreiten. Am 13.III. erging das Gesetz über die Vereinigung Österreichs mit dem Reich. Am 18.III. 12 Zu den Wünschen der japanischen Regierung in dieser Hinsicht vgl. ADAP, Ser. D, Bd. I, Dok. 565, S. 676–677. 13 Vgl. ebd., Bd. I, Dok. 295, S. 423– 424.
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11. 3. 1939 Nr. 428 setzte Hitler den Reichstag darüber in Kenntnis, dieser wurde aufgelöst und Neuwahlen (und ein „Plebiszit“) für den 10.IV. angesetzt. Man kann die Versicherungen nicht ernst nehmen, die von deutschen Quellen ausgehen und von vielen Diplomaten in Berlin verbreitet werden, wonach *„selbst der Führer“ einen derartig schnellen Gang der Ereignisse nicht erwartet habe*, dass er bis zu seinem Eintreffen in Linz nicht an eine Einverleibung Österreichs14 usw. gedacht hätte. Ebenso *unwahrscheinlich ist es, dass der Anschluss Österreichs für Mussolini unerwartet gekommen sei* (obgleich letzterer möglicherweise auf eine weniger vollständige Einverleibung gehofft hat). Durchaus wahrscheinlich klingt die Version, wonach *Mussolini noch vor der Einverleibung der Witwe von Dollfuß, die sich an ihn gewandt habe, den Rat gegeben hätte, Österreich so schnell wie möglich zu verlassen*. Die Vorbereitung zur Einverleibung der sudetendeutschen Gebiete Nach dem Anschluss Österreichs konzentriert sich die Aktivität der Nationalsozialisten auf die Vorbereitung zur Einverleibung der deutschen Gebiete der Tschechoslowakei. Der Sturz Blums und der Machtantritt von Daladier/Bonnet15 in Frankreich war ein für Berlin günstiges Faktum. Berlin verheimlichte anfangs seine Absichten und, um Eindrücken vom Anschluss Österreichs die Schärfe zu nehmen, versicherte man den Tschechen zweimal offiziell (Göring gegenüber Mastný), dass Deutschland nicht beabsichtige, die Tschechoslowakei zu überfallen. Dessen ungeachtet setzte Aktivität ein, wobei diese sich anfangs in der Belebung der Tätigkeit der Henlein-Leute äußerte. Am 24.IV. stellte Henlein sein 8-Punkte-Programm vor. Die tschechoslowakische Regierung folgte den „Ratschlägen“ Englands und Frankreichs und nahm bereits (am 7.V.) Verhandlungen mit den Henlein-Leuten auf. *Am 9.V. besuchte Hitler Italien und einigte sich allen Angaben zufolge mit Mussolini über die Generallinie beider Länder in der tschechoslowakischen Frage.* Am 20. Mai wurden die Verhandlungen Prags mit den Henlein-Leuten auf deren Initiative abgebrochen. Bei den Gemeindewahlen in den Sudeten erhielt die Henlein-Partei nach Lesart Berlins, „ungefähr 90% der Stimmen“ (in Wirklichkeit waren es um einiges weniger, weil Berlin die Stimmen der Kommunisten nicht als deutsche ansah). Der 21. und 22. Mai waren Tage der Krise, da an diesen Tagen das Auftreten der Henlein-Leute erwartet wurde, das von deutschen Militäreinheiten, die extra an der Grenze unter dem Deckmantel von Manövern zusammengezogen worden waren, unterstützt werden sollte. Es gibt *drei Versionen*, die erklären, warum in jenen Tagen die Absichten Berlins nicht umgesetzt wurden. Die erste [Version] spricht von dem Eindruck, den *die erfolgreiche Mobilmachung der tschechoslowakischen Armee* auf Berlin gemacht habe. Die zweite Erklärung spricht davon, dass Berlin darauf zählte, die gesamte Operation im Prinzip *in die Hände der Henlein-Leute* zu legen, deren beabsichtigter Putsch durch Kräfte der Schwarzhemden und erst danach durch die Reichswehr unterstützt werden sollte. Die Henlein-Leute zeigten sich jedoch nicht 14 Die Weisung Nr. 1 des OKW mit der Unterschrift Hitlers zur Durchführung der militärischen Aktion gegen Österreich wurde am Morgen des 11.3.1938 ausgegeben. Vgl. Trial oft he Major War Criminals (IMT), Bd. XXIV, Doc. 102-C, S. 336–337. Ihre Umsetzung begann am 12. März um 8 Uhr morgens. Hitler traf am Abend des 12.3.1938 in Linz ein. 15 Am 10. April 1938.
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nur außerstande, die Macht an sich zu reißen, sondern auch wenigstens einen kleinen Putsch zu organisieren. *Berlin war hingegen nicht weit genug vorbereitet*, um die gesamte Operation aus eigener Kraft durchzuführen. Man sprach davon, dass das Schwanken Henleins auf scharfe Missbilligung in Berlin gestoßen wäre. Die dritte Erklärung läuft schließlich darauf hinaus, dass *sich Berlin Englands Neutralität nicht völlig sicher gewesen sei* und dass es Frankreich von einer Verteidigung der Tschechoslowakei abhalte. Die Demarche des britischen Botschafters16 und die einsetzende Rückführung der Frauen der Berliner Kolonie in die Heimat durch die Britische Botschaft schufen eine Atmosphäre der Unsicherheit und lieferten jenen „renitenten“ Führern der Reichswehr Argumente, die wie Beck (der Chef des Stabes des Heeres17) Gegner irgendwelcher Abenteuer waren, die zum Krieg führen könnten. Wie dem auch sei, die Operation fand nicht statt und wurde bis September vertagt. Davon, dass die deutsche Regierung kaum mit der Möglichkeit eines Krieges rechnete und sich im Wesentlichen auf die Umsetzung ihrer nächsten Eroberungsziele mittels „friedlicher“ Erpressung und Bluff orientierte, zeugt der Umstand, dass gerade im April und im Mai der Bau einiger Großobjekte in Angriff genommen wurde. Zusätzlich zu dem am 27. Januar veröffentlichten Programm zur Rekonstruktion Berlins wurde am 7.IV. mit dem Bau von Autobahnen in Österreich begonnen. Am 2.V. wurde das Programm zur Rekonstruktion Münchens veröffentlicht, wobei am 22.V. in Umsetzung dieses Programms die Arbeiten für den Bau der Münchener unterirdischen Anlagen aufgenommen wurden. Hitler, der bei der Zeremonie eine Rede hielt, sprach über die bevorstehenden umfangreichen Arbeiten zur Rekonstruktion von Berlin, Hamburg und Nürnberg. Am 13.5. eröffnete Göring in Linz die Arbeiten zum Aufbau der Hüttenwerke (die seinen Namen tragen) zur Gewinnung von Eisen aus minderwertigen Eisenerzen. Am 26.5. begann in Fallersleben der Bau des groß angekündigten Werkes zur Produktion von billigen Autos (des sog. Volkswagen). Im Zusammenhang mit den sich dadurch abzeichnenden neuen Ausgaben erhöhte die Regierung das Volumen der Innenanleihe auf 150 Mio. Reichsmark (auf eine Gesamtsumme von 1600 Mio. Reichsmark) und erließ eine Verordnung zur Registrierung jüdischen Eigentums18, das der Vorläufer für dessen faktischen Konfiszierung war. Im Juni folgten antisemitische Ausschreitungen der Schwarzhemden: die Schaufensterscheiben von jüdischen Geschäften wurden mit Schmähungen beschriftet. Diese „Bewegung“ wurde danach durch Erlass einer Verordnung „legalisiert“, wonach sämtliche jüdische Unternehmen in ihren Schaufenstern eine spezielle Kennzeichnung anbringen mussten. Diese Maßnahmen hatten zum Ziel, den antijüdischen Boykott zu stimulieren und den Übergang jüdischer Betriebe in „arische“ Hände zu forcieren. Wegen des sich verschärfenden Arbeitskräftemangels wurde ein Gesetz erlassen, das die Möglichkeit einräumte, die Arbeitsstunden pro Tag auf bis zu 10 Stunden und sogar mehr zu erhöhen. Die Monate Juni und Juli verliefen im Wesentlichen im Zeichen des Bestrebens Berlins, die Vorbereitung aktiver Schritte gegen die Tschechoslowakei zu verschleiern. Vielmehr wurde mit großem Pomp der Beginn verschiedener Bauprojekte begonnen 16 17 18
Nevile Henderson. So im Dokument; richtig: Chef des Generalstabes des Heeres. Vgl. „Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden“ vom 26.4.1938. In: Reichsgesetzblatt 1938, Teil I, S. 414–415.
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11. 3. 1939 Nr. 428 (die Grundsteinlegung für das Haus des deutschen Tourismus usw.), die Pläne zur Umgestaltung Berlins wurden weiterhin angepriesen, eine Theaterwoche wurde abgehalten, das Gesetz über die Todesstrafe für sogenannte Autobanditen19 wurde veröffentlicht usw. Unter den Gesetzgebungsmaßnahmen, die im Zeichen der Suche nach Arbeitskräften für die Neubauten erlassen wurden, im Wesentlichen aber darauf abzielten, Arbeitskräfte für den beginnenden Bau von Festungsanlagen zu gewinnen, ist das Gesetz über die Arbeitsdienstpflicht20 sowohl für Männer als auch für Frauen hervorzuheben. Von den internationalen Vorgängen in diesem Monat ist der Austausch mit der Schweiz21 zu nennen, wobei Deutschland sein Bemühen versicherte, die Neutralität der Schweiz zu achten. Im Juli folgte die Veröffentlichung neuer Gesetze, so das Gesetz über Eheschließung und Scheidung, das Gesetz zur Einführung der Schulpflicht. Mit großem Pomp und Kundgebungen wurde in München die „Woche der Kunst“ begangen. Der „Freundschaftsvertrag“ mit Mandschukuo trat in Kraft. In der Sudetenfrage lag die Initiative nach außen hin bei den Henlein-Leuten, die im Prinzip von den Demarchen der französischen und britischen Diplomatie in Prag angespornt wurden. Am 25.VII. erschien die Meldung über den bevorstehenden Besuch von Runciman in Prag; und die Forderungen der Henlein-Leute verschärften sich erneut. Am 3.VIII. nahm Runciman seine „Vermittlungs“-Tätigkeit auf. In diesem Zusammenhang verstärkte sich die Kampagne der deutschen Presse gegenüber der Tschechoslowakei. In ganz Deutschland waren die Ergebnisse der nach und nach durchgeführten, jedoch im Prinzip offenkundigen Mobilisierungsmaßnahmen zu spüren (Verlegung von Arbeitskräften für den Bau von Befestigungsanlagen an der Westgrenze, eine teilweise Einberufung von Wehrpflichtigen, zeitweilige Beschlagnahme von Transportmitteln usw.). Das Kriegsfieber machte sich immer deutlicher bemerkbar und äußerte sich deutlich in dem betont militärischen Stil des Empfangs für den ungarischen Regenten Horthy, der am 21.VIII.22 Deutschland einen Besuch abstattete. Die Militärparade in Berlin, die Fahrt nach Helgoland, der Stapellauf des Kreuzers „Prinz Eugen“, benannt nach dem österreichisch-ungarischen Feldherrn, in Anwesenheit von Horthy – dies alles wurde mit dem Ziel inszeniert, einen nachhaltigen psychologischen Effekt für die Stimmung sowohl im Innern als auch insbesondere im Ausland zu erzeugen und den Eindruck zu vermitteln, dass Deutschland zum Krieg für die Sudeten-Deutschen bereit ist. Mit Horthy wurde im Prinzip eine Vereinbarung hinsichtlich eines koordinierten Vorgehens gegen die Tschechoslowakei erzielt, jedoch waren die Bemühungen der Deutschen, bei Ungarn den Austritt aus dem Völkerbund und den Beitritt zum Antikomintern-Pakt zu erreichen, nicht von Erfolg gekrönt23, und man munkelt, dass der Führer unzufrieden gewesen sei. 19 Vgl. „Gesetz gegen Straßenraub mittels Autofallen“ vom 22.6.1938. In: Reichsgesetzblatt 1938, Teil I, S. 651. 20 Vgl. „Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung“ vom 22.6.1938. In: Reichsgesetzblatt 1938, Teil I, S. 652. 21 Aller Wahrscheinlichkeit nach ist der Austausch von Reden während der Aushändigung des Beglaubigungsschreibens des neuen Gesandten der Schweiz in Deutschland, Hans Frölicher, am 9.6.1938 an Hitler gemeint. Vgl. Domarus: Hitler. Reden und Proklamationen, Bd. I/2, S. 872. 22 So im Dokument. Der Besuch von Horthy an der Spitze einer Regierungsdelegation in Deutschland fand vom 22. bis 26.8.1938 statt. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. II, Dok. 383, 390, 395, 402. 23 Ungarn trat dem Antikomintern-Pakt am 24.2.1939 bei und erklärte am 11.4.1939 den Austritt aus dem Völkerbund.
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Das Münchener Abkommen Der September, der mit dem Besuch Henleins bei Hitler24 begann, verlief insgesamt im Zeichen des Kampfes um die Tschechoslowakei. Die Haltung des Reiches wurde mit völliger Klarheit in der Schlussrede Hitlers am 12.IX. auf dem Nürnberger Parteitag zum Ausdruck gebracht, in der der Führer unumwunden seine Entschlossenheit erklärte, mit ganzer Kraft die Forderungen Henleins zu unterstützen. Es ist wohl kaum erforderlich, ausführlich auf die einzelnen Etappen des Berliner Vorgehens gegen die Tschechoslowakei einzugehen, da sie hinlänglich bekannt sind und nach den Reisen Chamberlains nach Berchtesgaden (am 15.IX.) [und] nach Godesberg (am 22.IX.) zum Münchener Abkommen (30.IX.) geführt haben, dessen Bedeutung und Folgen wohl kaum einer Kommentierung bedürfen. Es muss sicherlich kaum besonders daran erinnert werden, dass alle Schritte Berlins, die zu München führten, *von Rom, Budapest und Warschau vollständig sekundiert* wurden. So werden auch die zahlreichen Sommerbesuche von Vertretern dieser Länder in Deutschland verständlich (die häufigen Reisen Becks25, die Besuche Rossis26 und Balbos27, der erwähnte Besuch Horthys und andere). Was die Stimmung in der Bevölkerung Deutschlands in den Tagen der Krise betrifft, die vor München herrschte, so kann man hier nach einmütigen Eindruck aller einigermaßen objektiven Beobachter und unseres eigenen eine äußerst verhaltene, um nicht zu sagen *negative Haltung aller Schichten der deutschen Bevölkerung zu dem durchgeführten Abenteuer feststellen.* Diese negative Haltung (die jedoch nicht die Form eines aktiven Defätismus annahm) äußerte sich unter anderem im völligen Fehlen von Anzeichen eines auch nur gekünstelten Enthusiasmus bei den Volksmassen, die die Straßen Berlins an dem Tag füllten, an dem innerhalb der Stadt eine Parade von Truppenteilen mit klar demonstrativem Ziel abgehalten wurde. Besondere Gereiztheit gegen die Regierung war bei den Massen nach der ergebnislosen Beendigung der Godesberger Verhandlungen spürbar. *In diesen Tagen verhaftete die deutsche Regierung einige Politiker der „Weimarer“ Parteien*, die sich bis dahin in Freiheit befunden hatten. Zum Verhalten der ausländischen Missionen und generell der ausländischen Kolonien in Berlin in jenen Tagen kann man einerseits eine *völlige Fassungslosigkeit und Panik* feststellen, die ihren Ausdruck in der eiligen Abreise der Familien aus Deutschland fand, andererseits *das Fehlen jeglichen Zutrauens*, dass Deutschland Widerstand leisten werde, dass Frankreich seine Verpflichtungen erfüllen werde. Der französische Botschafter28 gab gleich von Beginn der Krise an dazu ausweichende Antworten – im Gegensatz zu der bedeutend klareren Haltung, die er in den Maitagen eingenommen hatte. Als müßig erscheint derzeit die Frage, ob Deutschland einen Krieg begonnen hätte, wenn Frankreich entschieden hätte, seine Verpflichtungen zu erfüllen, und die Tschechoslowakei Widerstand geleistet hätte. *Berlin wollte zweifellos keinen Krieg und war darauf auch nicht vorbereitet.* Hitler brachte erst seine Kriegsma24 25 26
Am 1.9.1938 empfing Hitler Henlein auf dem Obersalzberg. Am 13. und 14.1.1938. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. V, Dok. 28, 29; sowie am 21.9.1938. So im Dokument; richtig: Russo; er war vom 14. bis 23.7.1938 u.a. bei Hitler auf dem Obersalzberg 27 Vom 9. bis 13.8. sowie am 15.11.1938. 28 André François-Poncet.
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11. 3. 1939 Nr. 428 schinerie auf Hochtouren und *verkündete offen seine Entscheidung, die HenleinLeute nötigenfalls mit militärischen Mitteln zu unterstützen, erst, *als er sich fast sicher war, dass England und Frankreich nicht militärisch eingreifen würden*. Die gesamte Tätigkeit von Runciman, der Ton der englischen und französischen Presse, die Gespräche mit den französischen Fliegeroffizieren des Generals Vuillemin, die im Sommer nach Berlin gekommen waren und ihre Begeisterung für die Errungenschaften des Faschismus nicht verhehlten, die Information, die der eigens dorthin gereiste Wiedemann aus London mitbrachte – alles dies zeugte klar davon, dass England und Frankreich nicht zur Verteidigung der Tschechoslowakei schreiten wollten und zu jeglichem Kompromiss bereit waren. Danach konnte Hitler gelassen mit dem Säbel rasseln, ohne das Risiko eines Krieges heraufzubeschwören. Es war klar, dass es nur darum gehen konnte, wie groß die Zugeständnisse sein würden, auf die England und Frankreich eingehen könnten. Aber hier behielt Hitler, der *niemals die Brücken abbrannte*, immer die Möglichkeit zum Manövrieren in der Hinterhand, um bei Bedarf auf einen Kompromiss einzugehen. Dies war für ihn umso leichter, *als er sein Programm niemals vollständig offenlegte und mit der Losung „Anschluss“ erst während des Berchtesgadener Treffens29 herausrückte, wobei er die Grenzen nicht präzisierte. In der Zeit zwischen Berchtesgaden und Godesberg30 schloss *Berlin*, nachdem es sich von der Willfährigkeit Englands überzeugt hatte, *anscheinend die Möglichkeit einer völligen Aufteilung der Tschechoslowakei nicht aus, wobei es in dem Bestreben, sich die Unterstützung Polens und Ungarns zu sichern, sogar dazu bereit zeigte, wie man sagte, dass diese eine gemeinsame Grenze in der KarpatoUkraine und der Slowakei erhalten sollten, wobei Tschechien ein „böhmischer Kanton“ Deutschlands werden sollte. Nach Godesberg hielt es Hitler für richtig, seine Forderungen etwas zurückzunehmen, um sie in der Folge – nach München – erneut vorzubringen und eine sogenannte 5. Zone31 zu fordern. Wenn man über die negative Haltung der Massen zum September-Abenteuer spricht, muss man anmerken, dass auch in der Führungsschicht die Stimmung bei weitem nicht einmütig war. Die Reichswehrführung befürchtete aufgrund einiger Meldungen einen Krieg und wandte sich gegen eine Politik des Risikos. Besonders bekannt in dieser Hinsicht war der Standpunkt des Stabschefs der Reichswehr, Beck, der in der Folgezeit in den Ruhestand versetzt wurde.32 Unter den *Personen, die eine gemäßigte Haltung einnahmen, wurde sogar Göring genannt*, was allerdings nicht als erwiesen gelten kann. Der glückliche Ausgang der gesamten Aktion erhöhte natürlich das Prestige Hitlers in der Partei, obgleich bei den Massen das Gefühl der Unzufriedenheit blieb, dass das Land dem Risiko eines Krieges aus Zielsetzungen heraus ausgesetzt wurde, die in der Bevölkerung auf keine besonders wohlwollende Resonanz stießen. Die angespannte Stimmung in der Bevölkerung fand zum Teil ihren 29 Gemeint ist das Treffen Hitlers mit Neville Chamberlain am 15.9.1938. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. II, Dok. 487, S. 627–636, hier: S. 633. 30 Hitler und Chamberlain trafen in Godesberg zweimal zusammen, am 22. und 23.9.1938. Vgl. ebd., Bd. II, Dok. 562, 583. 31 Gemeint sind die Gebiete der Tschechoslowakei, die der Besatzung durch deutsche Truppen unterlagen und laut Münchener Abkommen vom 29.9.1938 in vier Zonen aufgeteilt wurden. Vgl. ebd., Bd. II, Dok. 675, S. 812–814, hier S. 812. 32 Beck reichte am 18.8.1938 den Rücktritt vom Posten des Chefs des Generalstabes des Heeres ein, offiziell wurde dies am 31.10.1938 verkündet.
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Niederschlag in dem Auftreten der Katholiken in Wien in der ersten Dezemberdekade33. Als Antwort darauf erfolgte die Zerstörung der Residenz von Kardinal Innitzer in Wien durch die Schwarzhemden und eine scharfe antikatholische Agitation in der Presse. Die Umsetzung des Münchener Abkommens Der Oktober verlief im Zeichen der Umsetzung des Münchener Abkommens und der Nutzung aller in ihm für Deutschland enthaltenen Möglichkeiten. Die Nachgiebigkeit der Berliner Botschafter-Kommission34, die alle deutschen Forderungen annahm, bot Hitler die Möglichkeit, über das Münchener Abkommen hinauszugehen und das Godesberger Programm35 fast vollständig umzusetzen. Mit den territorialen Zugewinnen nicht zufriedengestellt begann Berlin, der Tschechoslowakei auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Innenpolitik, hinsichtlich der Wahrung der Rechte für die in den neuen Grenzen verbliebenen deutschen Minderheit usw. Forderungen zu stellen. Der Besuch Chvalkovskýs am 13.X.36 verschaffte Hitler die Möglichkeit, Prag seine Wünsche zu diktieren, die darauf hinausliefen, dass sich Prag vollständig darauf einließ, alle Bereiche seiner Politik mit den Wünschen Berlins abzustimmen. Berlin begnügte sich nicht mit dem Anschluss der 5. Zone, womit sich das in München vereinbarte Plebiszit erübrigte, und „vereinbarte“ mit Prag am 21.XI. den Anschluss einiger neuer Gebiete, um angeblich Transportverbindungen zu verbessern. Aus der Reihe von Schritten, die die Unterjochung der Tschechoslowakei besiegelten, ist das Abkommen vom 19.XII. über die exterritoriale Zone in Böhmen für den Bau der Autobahn Breslau–Wien durch die Deutschen hervorzuheben. Es ist bekannt, welche Veränderungen Prag in der Innen- (und Außen)politik auf Druck von Berlin vorgenommen hat. Alle diese Zugeständnisse Prags werden jedoch nach wie vor nicht als erschöpfend angesehen und Berlin stellt weiterhin schrittweise neue Forderungen. Einer der Momente, die zu einem beliebigen Zeitpunkt von Berlin ausgenutzt werden könnten, ist die Lage der Deutschen in der Tschechoslowakei, die nach offiziellen Verlautbarungen Berlins nach wie vor als unter dem Schutz Deutschlands stehend zu betrachten sind und im Grunde einen Staat im Staate darstellen. Die Expansion in Richtung Südosten und der Karpato-Ukraine Im Oktober unterstützte Deutschland *bis zu einem gewissen Grad Ungarn*, das Druck auf die Tschechoslowakei ausgeübt hatte. Im Übrigen machte sich die Berliner Sonderpolitik gegenüber der Karpaten-Rus (*auf Drängen der Deutschen in Ukraine umbenannt*) bereits zu diesem Zeitpunkt bemerkbar. Berlin war nicht 33 So im Dokument. Gemeint ist die Predigt von Kardinal Innitzer am 7.10.1938, sein Aufruf an die katholische Jugend und die sich daran anschließenden spontanen Demonstrationen katholischer Jugendlicher. Daraufhin verwüsteten am 8.10.1939 rund 100 Hitlerjungen das erzbischöfliche Palais. 34 Die Rede ist von der internationalen Kommission, die laut Münchener Abkommen (§ 3) eingerichtet wurde, der die Vertreter der am Abkommen beteiligten Staaten und der Tschechoslowakei angehörten. 35 Gemeint sind die Forderungen, die Hitler während der Gespräche mit Chamberlain aufstellte. Vgl. Anm. 29. 36 Vom 13. bis 14.10.1938. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. V, Dok. 55, 61.
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11. 3. 1939 Nr. 428 mehr auf polnisch-ungarische Unterstützung angewiesen und *begann, sich der Aufteilung der Karpaten-Rus zwischen Polen und Ungarn offen entgegenzustellen*. Alle Bemühungen von Botschafter Lipski, Hitler dazu zu bringen, dieser Version der Teilung zuzustimmen, indem *er dafür anscheinend eine Reihe von Zugeständnissen in der Korridorfrage und auf wirtschaftlichem Gebiet anbot*, blieben erfolglos. Als Schlichter im Streit zwischen Prag und Budapest legte Berlin am 2.XI. zusammen mit Rom (wohin Ribbentrop am 27.I.37 reiste und mit Mussolini Verabredungen zu diesem Thema traf) eine neue ungarisch-tschechoslowakische Grenze fest, wobei jedoch die Karpato-Ukraine bei der Tschechoslowakei verblieb und somit die Schaffung einer gemeinsamen Grenze mit Ungarn und Polen verhindert wurde.38 Dies führte in Ungarn zu einer spürbaren Abkühlung im Verhältnis zu Berlin . *Diese Maßnahmen gaben Anlass zu Gerüchten über neue Aggressionspläne Berlins im Osten.* Man sprach von einem bevorstehenden Druck auf Rumänien, von einer weiteren Faschisierung Ungarns, von *Plänen zur Schaffung einer „unabhängigen“ Ukraine, bestehend aus dem Karpatenteil und von Teilen Polens und Rumäniens, und einer weiteren Expansion in Richtung UdSSR*. Vor allem von französischer Seite verstärkt in Umlauf gebracht wurden Gerüchte über die Ukraine. Das zunehmende Interesse Berlins an den Volkswirtschaften Südosteuropas spiegelte die Reise Funks durch die Balkanländer in die Türkei39 wider. Es tauchten Meldungen zur Überarbeitung des Vierjahresplanes dahingehend auf, dass seine neue Version den Aufbau einer Industrie vorsehe, die den Importbedarf dieser Länder vollständig decken könnte. Im gleichen Geiste tönte auch die Propaganda rund um *die Arbeiten am Kanal zur Verbindung der Donau mit dem Rhein*, der im Ergebnis den Zugang Deutschlands zum Schwarzen Meer ermöglichen soll. Die politische Agitation Deutschlands hinsichtlich der Aneignung Südosteuropas wurde 1938 nicht umfassend in die Tat umgesetzt und stieß gar auf unvorhergesehene Hindernisse. Der Faschisierungsprozess Ungarns kam etwas ins Stocken, und Anzeichen für antideutsche Stimmungen verstärkten sich aufgrund des Unmuts der Ungarn mit den Schiedsgerichtsentscheidungen. *Die Abrechnung mit der „Eisernen Garde“ führte zu einer starken Abkühlung zwischen Berlin und Rumänien40 und zur gegenseitigen Abberufung der Gesandten.* Auch der Widerstand, auf den man in Polen in der Ukraine-Frage traf, zwang Berlin zu größerer Zurückhaltung in dieser Frage. Es ist unwahrscheinlich, dass Berlin in näherer Zukunft ernsthafte *Absichten hinsichtlich der sowjetischen Ukraine hatte. Sehr wahrscheinlich war es hier der französische Wunsch, die deutsche Expansion nach Osten gelenkt zu sehen.* Jedenfalls wurden diese Gerüchte, ebenso wie die Gerüchte über die Losreißung der polnischen Ukraine, nicht bestätigt und später von Hitler in Gesprächen mit Csáky und Beck im Januar 193941 dementiert.
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So im Dokument; richtig: 27.X. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 400, S. 452–456. Dokumente des Wiener Schiedsspruches vom 2.11.1938. Vgl. ebd., Bd. IV, Dok. 99, S. 106–114. 39 In der zweiten Septemberhälfte und bis zur ersten Hälfte des Oktober 1938 besuchte Reichswirtschaftsminister Funk Jugoslawien, Bulgarien und die Türkei. 40 Vgl. Dok. 400 des vorliegenden Bandes sowie ADAP, Ser. D, Bd. V, Dok. 260, 261. 41 Hitler empfing Józef Beck am 5.1.1939. Vgl. ebd., Bd. V, Dok. 119, S. 127–132 sowie Graf Csáky am 16.1.1939. Vgl. ebd., Dok. 272, S. 302–306.
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Dagegen traten *koloniale Bestrebungen der deutschen Politik* immer deutlicher zu Tage. Die Propaganda für eine Rückgabe der Kolonien an Deutschland wurde stärker. *Die Kompromissvorschläge des südafrikanischen Kriegsministers Pirow, der Ende November42 nach Deutschland kam und den Boden für eine Lösung des Kolonialproblems durch die Überlassung eines zusammenhängenden Gebiets aus ehemaligen deutschen sowie portugiesischen und belgischen Besitzungen an Deutschland sondierte, fanden nicht die Zustimmung des Führers.* Dessen These lautete: Die vollständige Rückgabe der ehemaligen Kolonien an Deutschland ist eine Frage von Ehre und Gerechtigkeit, bei der kein Platz für Feilscherei ist. Die allmähliche Verschärfung der deutschen Politik in Richtung Westen manifestierte sich in der Forcierung des Baus von Befestigungsanlagen an der Westgrenze. Zusätzlich zu dem, was im Sommer gebaut worden war, wurde bekanntgegeben, dass Arbeiten zur Befestigung des Gebietes in der Nähe von Aachen und der belgischen Grenze begonnen hätten. All diese Arbeiten wurden breit beworben und durch die Tatsache motiviert, dass die militärische Bautätigkeit in England und in Frankreich verstärkt wurde. Die deutsch-französische Erklärung Dieses Bestreben, die Politik im Westen zu verschärfen, hinderte Ribbentrop nicht daran, am 6.XII. nach Paris zu reisen und eine deutsch-französische Erklärung43 zu unterzeichnen, in der der gegenseitige Verzicht auf territoriale Ansprüche, Konsultationen usw. verkündet wurde. Die Unterzeichnung dieser Erklärung war schon etwas früher geplant, wurde aber zunächst, wie es hieß, auf Druck Italiens bis zum Besuch Chamberlains in Rom44 hinausgezögert, und dann wegen des französischen Streiks vertagt. Die Entscheidung zur Unterzeichnung wurde in Berlin offenbar beschleunigt, um den Eindruck der starken antideutschen Propaganda zu mindern, die in den Vereinigten Staaten und in England unter dem Einfluss der am 10. November in Deutschland systematisch durchgeführten Judenpogrome, begleitet von barbarischen Repressionen gegen die jüdische Bevölkerung, entstanden war. Die Judenpogrome Die Judenpogrome waren im Grunde genommen eine logische Entwicklung der Juni-Ausschreitungen und der Registrierung jüdischer Unternehmen. Der unmittelbare Anlass dafür war die Ermordung des Sekretärs der Deutschen Botschaft in Paris durch einen Juden.45 Die Zerstörung von Geschäften und Betrieben, die von den Schwarzhemden in Zivil und in einer äußerst missbilligenden Stimmung der Bevölkerung durchgeführt wurde, wurde von einer Reihe von Erlassen begleitet, die der jüdischen Bevölkerung Deutschlands elementare Rechte und die geringste Möglichkeit einer normalen menschlichen Existenz nahmen (Verbot der wirtschaftlichen Tätigkeit, der freien Berufe, usw.). Es nicht erforderlich, auch die 42 43 44
Hitler empfing Pirow am 24.11.1938, vgl. ebd., Bd. IV, Dok. 271, S. 291–295. Vgl. ebd., Bd. IV, Dok. 369, S. 409–410. Chamberlain und Lord Halifax statteten vom 11. bis 14.1.1939 Rom einen Besuch ab. Vgl. Documents on British Foreign Policy 1919–1939, 3. Ser., Bd. III, London 1950, Dok. 500, S. 517–530. 45 Legationssekretär vom Rath wurde am 7.11.1938 bei einem Attentat tödlich verwundet.
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11. 3. 1939 Nr. 428 Dekrete aufzuzählen, die einfach nur erniedrigenden Charakters sind *(das Verbot für Juden, Kino oder Theater zu besuchen, auf bestimmten Straßen zu gehen usw.)*. Ohne diese Dekrete aufzulisten, ist darauf zu verweisen, dass die deutsche Regierung durch sie beträchtliche Einnahmen für den Fiskus erzielte; eine *Milliarden-Kontribution*, zu der noch die Einnahmen aus der Vermittlung von Finanzorganen beim Weiterverkauf jüdischer Unternehmen an Arier, die Einnahmen aus dem Verkauf jüdischen Eigentums zum Nulltarif usw. hinzukamen. All dies verschaffte dem Fiskus die Möglichkeit, den Haushalt aufzustocken, in dem sich aufgrund der erhöhten Ausgaben für den Bau neuer Festungsanlagen, für die Übernahme der Sudetengebiete usw. eine empfindliche Lücke bemerkbar machte. Diese Maßnahmen wirkten sich jedoch außenpolitisch sehr negativ aus und *verschlechterten die Beziehungen Deutschlands zu England und insbesondere zu den USA*. Die Abreise des Botschafters der USA, Wilson, aus Deutschland erfolgte betont demonstrativ und zog die Abreise des deutschen Botschafters46 aus den USA nach sich. Damit wurde eine scharfe antiamerikanische Kampagne ausgelöst, die von der deutschen Presse bis zum heutigen Tag geführt wird. *Roosevelt wurde wiederholt zum „Feind Nummer eins“ erklärt.* Die Memel-Frage Eine Sonderstellung in der deutschen Ostpolitik nimmt das Memelproblem ein. Die scharfe antilitauische Kampagne in der deutschen Presse legte sich im Oktober etwas, nachdem der Gouverneur von Memel am 29.X. die Aufhebung des Kriegszustandes47 verkündet hatte, woraufhin der Kampf der litauischen Regierung gegen den deutschen Einfluss in Klaipeda praktisch zum Erliegen kam und der deutsche Faschismus dort völlige Handlungsfreiheit erhielt. Die systematischen Zugeständnisse der litauischen Regierung stellen die Memeler Hitlerleute jedoch bislang nicht zufrieden, und je mehr Zugeständnisse sie bekommen, desto mehr neue Forderungen stellen sie, sodass die Situation ungelöst bleibt. Von der Erlangung der völligen Autonomie in inneren und kulturellen Angelegenheiten, der Abschaffung des Eides, der Schaffung einer offen nationalsozialistischen Organisation mit all ihren Verästelungen bis hin zur Schaffung von Sturmabteilungen üben sich die Memeler Hitlerleute darin, neue Forderungen auszudenken, die für die litauische Regierung zunehmend herabwürdigend sind. Anfang 1939 wurde in der deutschen Presse der „Wunsch“ nach „wirtschaftlicher“ Autonomie für Memel und nach einer erleichterten wirtschaftlichen Anbindung an das Reich geäußert. *Der litauischen Regierung bleiben im Memelgebiet im Wesentlichen nur die rein nominelle Souveränität und das Recht, den Hafen zu nutzen. Es bleibt abzuwarten, wann Berlin es für angebracht hält, auch diese Reste zu beseitigen. Insgesamt ist festzuhalten, dass einerseits die Politik der Zugeständnisse der litauischen Regierung den Druck Berlins verzögert hat, und andererseits hält letzteres die MemelFrage für zweitrangig und vorentschieden und erachtet es nicht als notwendig, ihre endgültige Lösung voranzutreiben*, da die Hauptaufmerksamkeit dem Westen gilt. 46 47
Hans Heinrich Dieckhoff. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. V, Dok. 359, S. 397.
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Berlin äußert sich nicht offen zu seiner Haltung hinsichtlich des Memelgebiets oder Litauens im Allgemeinen, und alle Bemühungen Kovnos, wenigstens kleine beruhigende Zusicherungen zu erhalten, bleiben erfolglos. Zu Danzig Die Aktivität Berlins hinsichtlich Danzigs ist noch nicht ganz abgeschlossen. Das gesamte Jahr 1938 verlief im Zeichen der Verkündung einer Serie von Erlassen in Danzig (von der Einführung der Hakenkreuzfahne und des Einparteiensystems bis hin zu den Nürnberger Judengesetzen48), die jeden Unterschied zwischen deutschem Recht und dem der „Freien Stadt“ aufhoben. Es ist gegenwärtig äußerst schwer zu sagen, wodurch genau sich Danzig vom Reich unterscheidet, abgesehen von seinem rein nominellen Status und den polnischen Zollrechten. Mehrfach aufgetauchte Gerüchte über ein Abkommen mit Polen zum Bau einer Autobahn von Westpreußen nach Danzig vom Typ *„Korridor im Korridor“* sind bislang unbestätigt geblieben. Das Hauptmotiv, das Berlin davon abhält, von Danzig endgültig Besitz zu ergreifen, ist der *Wunsch, die Beziehungen zu Polen vorerst nicht zu beeinträchtigen*. Nach dem Streit mit Polen über die „gemeinsame Grenze“ mit Ungarn ließ Berlin es nicht an kleinen Gesten fehlen, mit dem Ziel, den Eindruck *einer Verbesserung der Beziehungen zu erwecken* (Gründung der „Deutsch-Polnischen Gesellschaft“, das Eisenbahnabkommen vom Dezember 1938). Die deutsche Presse betonte ihre Unzufriedenheit hinsichtlich [der Frage] der deutschen Minderheit in Polen. Generell war die Zeit nach München von einer Intensivierung der Tätigkeit Berlins unter den Auslandsdeutschen gekennzeichnet. Im November/Dezember war insbesondere die Schaffung einheitlicher deutscher Organisationen in Rumänien, Jugoslawien und Ungarn zu verzeichnen (ganz zu schweigen von der vollständigen Faschisierung der deutschen Minderheit in allen Teilen der Tschechoslowakei). Von den Problemen, die von der deutschen Presse zwar nicht hervorgehoben wurden, aber doch von Zeit zu Zeit ihre Aufmerksamkeit erregten, seien *EupenMalmedy* (im Zusammenhang mit den Kommunalwahlen im Oktober) und Liechtenstein (im Zusammenhang mit dem Wechsel des dortigen Fürsten) genannt. Die deutschen Presseorgane nutzten diese Momente in eher zurückhaltender Form, um das Vorhandensein dieser Probleme in der ein oder anderen Form in Erinnerung zu rufen, und sich gleichsam das Recht vorzubehalten, gegebenenfalls in einem anderen Rahmen darauf zurückzukommen. Diese Fragen, wie auch das Problem der Aneignung der Länder Südosteuropas, wo die Tätigkeit Berlins trotz einiger „Errungenschaften“ bei weitem noch nicht ihren Höhepunkt erreicht hat, kommen 1939 auf die Tagesordnung der deutschen Politik. Im vorliegenden Bericht haben wir uns nicht mit einer Reihe von Momenten befasst, die die deutschen Aktivitäten in den Ländern des Ostens sowie den Ländern Lateinamerikas illustrieren (insbesondere in Brasilien, wo die Blütezeit dieser Aktivitäten Ende des Jahres von einer Krise49 abgelöst wurde, die sogar zu einem 48 Vgl. „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ vom 15.9.1935. In: Reichsgesetzblatt 1935, Teil I, S. 1146–1147. 49 Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. V, Dok. 632, 636.
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11. 3. 1939 Nr. 428 gegenseitigen Rückruf der Botschafter führte). Diese Momente sind nur allzu eng mit der außenwirtschaftlichen Aktivität des deutschen Faschismus verknüpft, die in dieser Übersicht nicht speziell behandelt wird. Es muss lediglich festgestellt werden, dass die *Tätigkeit des faschistischen Deutschlands in Lateinamerika*, die in scharfem Widerspruch zu den Interessen der Vereinigten Staaten stand, nicht weniger als die Judenpogrome eine *abrupte Abkühlung in den Beziehungen Deutschlands zu den Vereinigten Staaten* nach sich zogen. Korrespondenz und Besuche im Außenministerium Die Korrespondenz und die Besuche im Außenministerium im Jahr 1938 betrafen hauptsächlich die Wahrung der Rechte und Interessen der Sowjetunion und der sowjetischen Bürger. Einiges kann zur Illustrierung angeführt werden. Steuern. Im Jahr 1938 erhoben die örtlichen Finanzbehörden von der Handelsvertretung neben der Pauschalsteuer eine Steuer auf die Löhne, die den in der Handelsvertretung tätigen Ausländern gezahlt werden, eine Steuer auf die Berufsausbildung und eine Steuer auf Immobilien, deren Eigentümer letztlich die UdSSR ist. Trotz eines relativ umfangreichen Schriftwechsels sind die steuerlichen Fragen noch nicht vollständig geklärt, da wir noch keine endgültige Antwort des Auswärtigen Amtes erhalten haben, die uns die Steuerbefreiung garantiert. Allerdings versuchen die Finanzbehörden nicht, den Vollzug mit Vollstreckungsmaßnahmen durchzusetzen. Leibesvisitationen von sowjetischen Bürgern. 1937 wurde die Bevollmächtigte Vertretung beim Auswärtigen Amt wegen der Kontrollen vorstellig, denen sowjetische Bürger an der Grenze unterzogen wurden, die im Transit durch Deutschland gereist waren. Erst 1938 teilte das Auswärtige Amt der Bevollmächtigten Vertretung mit, dass die durchgeführte Kontrolle unserer Ingenieure nicht gegen sie als sowjetische Staatsbürger gerichtet gewesen sei, sondern bei allen durch Deutschland Reisenden Anwendung gefunden habe. Das außergewöhnlich strenge Kontrollverfahren sei seinerzeit (Herbst 1937) im Zusammenhang mit dem Besuch Mussolinis in Berlin50 an den Grenzen durchgeführt worden. Durchsuchungen sowjetischer Dampfer. Was die ungesetzlichen Durchsuchungen der sowjetischen Schiffe „F. Dzeržinskij“ und „Kooperacija“ betrifft, die deutsche Häfen anliefen, so hat das Auswärtige Amt auf unsere mündlichen und schriftlichen Vorstellungen bislang keine Antwort gegeben. Verkauf des Hauses Unter den Linden 62. Das Finanzministerium versuchte, das Haus der Gosbank unter ein Gesetz zu stellen, das die Enteignung von Häusern wegen der Stadtsanierung erlaubte. Jedoch stieß dieser Versuch des Finanzministeriums auf gebührenden Widerstand unsererseits und wir verkauften das Haus in gegenseitigem Einvernehmen, sodass wir eine Entschädigung in Sperrmark und eine Steuerzahlung umgingen. Das Haus wurde zu einem für uns annehmbaren Preis verkauft. Überfall auf das Haus der ehemaligen Bevollmächtigten Vertretung der UdSSR in Wien. Wegen des Angriffs eines Mobs von Hooligans auf das Haus der ehemaligen Bevollmächtigten Vertretung der UdSSR in Wien während der Judenpogrome 50 Mussolini besuchte vom 25.9.-29.9.1937 erstmals Deutschland; am 28.9. sprachen Mussolini und Hitler auf dem Berliner Maifeld vor rund 700.000 Menschen.
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im November letzten Jahres protestierte die Bevollmächtigte Vertretung beim Auswärtigen Amt und forderte eine Untersuchung, die Bestrafung der Schuldigen und die Zahlung von Schadenersatz für die entstandenen Schäden. Die Antwort des Ministeriums betrachtet die Bevollmächtigte Vertretung als unbefriedigend, da sich das Auswärtige Amt nicht für die Zerstörung entschuldigte, sondern sich auf die lapidare Bemerkung beschränkte, der Vorfall sei „bedauerlich“. Schließung der Konsulate in Hamburg und Königsberg, der Bevollmächtigten Vertretung und der Handelsvertretung in Wien. Die wesentlichen Verhandlungen zur Schließung unserer Konsulate fanden in Moskau statt. In Berlin brauchte die Botschaft nur das Außenministerium über die vollzogene Schließung der beiden Konsulate in Kenntnis zu setzen. Was die sowjetische Botschaft und insbesondere die Handelsvertretung der UdSSR in Wien anbelangt, so hat uns das Auswärtige Amt mitgeteilt, es hoffe, dass wir die Zeit, die wir für die Schließung der sowjetischen Einrichtungen in Wien benötigen, nicht missbrauchen würden. Ausweisungen und Verhaftungen von Sowjetbürgern. Im Jahr 1938 erhielt die Botschaft zahlreiche Aufforderungen von örtlichen Polizeidienststellen, Visa für sowjetische Bürger auszustellen, die auf Anweisung der Behörden in die UdSSR ausreisen sollten. Über diese Fälle gab es keinen großen Schriftverkehr: Jedes Mal teilte die Konsularabteilung mit, dass die Einreise in die UdSSR ohne Visum laut Beschluss der Zentrale nicht gewährt werde. Einzelne Fälle, in denen sowjetische Bürger verhaftet wurden, haben die örtlichen Behörden uns zur Kenntnis gebracht. Bei fast jedem Besuch im Außenministerium haben uns die Deutschen Fragen zu den Verhaftungen von Deutschen in Moskau gestellt und uns gebeten, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um sie so schnell wie möglich aus Moskau ausreisen zu lassen. Die wichtigsten Dokumente zur Korrespondenz mit dem deutschen Außenministerium im Jahr 1938 sind in einer dem NKID vorgelegten separaten Sammlung enthalten. Die deutsche Presse über die UdSSR im Jahr 1938. Im Jahr 1938 erschienen in der Regel in fast jeder deutschen Zeitung täglich 1 bis 2 Meldungen, die sich speziell mit der UdSSR oder mit einzelnen Themen befassten, in denen die UdSSR obligatorisch erwähnt wurde. Von den von uns erfassten Materialien, die nur von den offiziellen Nachrichtenagenturen des Berliner DNB und den DNB-Auslandskorrespondenten sowie von den Moskauer Korrespondenten des DNB und der F[rankfurter] Z[eitung] stammen, verzeichnen wir monatlich zwischen 250 und 300 Mitteilungen. Diese Mitteilungen lassen sich in zwei Teile unterteilen. Die Materialien, die in der allgemeinen Presse in Zeitungen und Zeitschriften gedruckt werden, tragen in der Regel betont antisowjetischen Charakter, wobei sie grobe Ausdrücke verwenden und verschiedene Sensationsmeldungen über Ereignisse in der UdSSR verbreiten. Der zweite Teil der in der deutschen Presse veröffentlichten Materialien war in keinem vulgären Ton gehalten und die antisowjetische Richtung war etwas zurückhaltender. Diese Materialien beziehen sich hauptsächlich auf das Militärwesen. Die Materialien zum Militärwesen in der UdSSR (Marine, Luftfahrt, Heer) wa-
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11. 3. 1939 Nr. 428 ren äußerst vielfältig und wurden sowohl in Militärfachzeitschriften als auch in soliden Einzelarbeiten veröffentlicht. Will man einen chronologischen Überblick über die Hauptthemen geben, auf die sich die deutschen Zeitungen bei ihrer Berichterstattung über Ereignisse in der UdSSR konzentrierten, so ergibt sich in zeitlicher Abfolge folgendes Bild. Im Januar beschäftigten sich die deutschen Zeitungen hauptsächlich mit der Erörterung der Ergebnisse der Wahlen zum Obersten Sowjet der UdSSR nach der neuen Verfassung und der ersten Tagung des Obersten Sowjets.51 Im Februar erklärte Hitler, wie bekannt, in einer Reichstagssitzung öffentlich, *dass er keine engeren Beziehungen zur UdSSR wünsche*, worauf er von unserer Presse die gebührende Abfuhr erhielt, in der es hieß, dass Beziehungen zum faschistischen Deutschland für die UdSSR eine traurige Notwendigkeit seien.52 Hitlers Ausfall gegen die UdSSR war eher ein „Taschenspielertrick“ als eine Widerspiegelung der tatsächlichen Ansichten und Gefühle der Wirtschaftskreise und der breiten Massen Deutschlands. Jedenfalls hat die deutsche Presse in dieser Zeit keinerlei Kampagne gegen die UdSSR aufgenommen. Die Zeitungen verschwiegen natürlich sorgsam die Tatsache, dass die sowjetische Presse sich zu Wort gemeldet und Hitler eine Abfuhr erteilt hatte. Im März konzentrierte die deutsche Presse ihre antisowjetische Kampagne rund um den Prozess in Moskau.53 Im April fanden in Deutschland Reichstagswahlen54 statt und es begannen die Vorbereitungen für die militärische Kampagne gegen die Tschechoslowakei, und im Mai musste die deutsche Presse im Zusammenhang mit der Enthüllung der deutschen Pläne zu einer Truppenkonzentration an der tschechischen Grenze heftig gegen die britische und französische Presse polemisieren. Jedoch wurde wie im April im Mai und Juni eine enorme Menge an Material zu verschiedenen Themen über die UdSSR gedruckt. Die deutschen Zeitungen nutzten die Monate Juli und August für antisowjetische Artikel im Zusammenhang mit den Ereignissen am Chasan-See55 und verbreiteten Informationen über die „Niederlage“ der UdSSR. Im August wurde in Deutschland das Buch *„Verrat an Europa“56 veröffentlicht. Auf der Titelseite dieses Buches waren die Fotografien der Genossen Stalin, Litvinov und Beneš abgebildet.* Das Buch sollte die Bedrohung der Existenz des demokratischen Staates der Tschechoslowakei in Mitteleuropa aufzeigen und wurde von der deutschen Presse als Material über die „bolschewistische Gefahr“ verwendet. Anfang September erwähnte die deutsche Presse die UdSSR im Zusammenhang mit dem Nürnberger Parteitag.57 Obwohl der Nürnberger Parteitag 1938 nicht 51 Die erste Sitzung der 1. Legislaturperiode des Obersten Sowjets der UdSSR fand vom 12. bis 19.1.1938 statt. 52 Vgl. „Novaja chvastlivaja deklaracija gospodina Gitlera“ (Die neue prahlerische Erklärung des Herrn Hitler). In: Pravda vom 22. Januar 1938, S. 1. 53 Gemeint ist der Prozess gegen den „Antisowjetischen rechts-trotzkistischen Block“, der vom 2. bis 13.3.1938 in Moskau stattfand. 54 Am 10. April 1938. 55 Vgl. Dok. 311, Anm. 5. 56 Karl Vietz (Hrsg.): Verrat an Europa. Ein Rotbuch über die Bolschewisierung der Tschecho-Slowakei, Berlin 1938. 57 Vgl. Der Parteitag Großdeutschland vom 5. bis 12. September 1938. Offizieller Bericht über den Verlauf des Reichsparteitages mit sämtlichen Kongressreden, München 1938.
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ausdrücklich antisowjetisch ausgerichtet war, wurde dennoch viel in Richtung UdSSR gesagt. Erwähnenswert ist die Rede Rosenbergs mit dem Aufruf, „alle Kräfte gegen den bolschewistischen Kreml zu vereinen“, die besondere Rede von Goebbels über „Nationalsozialismus und Bolschewismus“, Görings Rede mit seiner Erklärung „Hinter Prag steht Moskau“ und schließlich Franks niederträchtige antisowjetische Rede über die sowjetische Justiz. Mitte und Ende September standen im Zeichen der Vorbereitung Deutschlands zur Übernahme der Tschechoslowakei. Auch hier wurde die UdSSR als Hindernis bei der Umsetzung der deutschen Eroberungspläne genannt. Im Oktober, in der Zeit nach München, erging sich die deutsche Presse über die „Niederlage“ der UdSSR in München. Im November erschien in Deutschland ein Buch des Spions Albrecht mit dem Titel „Verratener Sozialismus“58. Auszüge aus diesem Buch wurden in der deutschen Presse ausgiebig nachgedruckt. Im November musste sich die deutsche Presse hauptsächlich verteidigen, denn es war schwierig, sich zu äußern, nachdem sich die ganze Welt gegen die deutschen Pogromhelden wegen deren Gewaltanwendung gegen die jüdische Bevölkerung gewandt hatte. Zugleich bekam die deutsche Presse zum ersten Mal die Bedeutung jener Welle der Empörung zu spüren, die auch die Sowjetunion erfasste. Im November berichteten die deutsche Presse und der Rundfunk gekränkt, dass in der UdSSR eine „antideutsche Kampagne“ von ungewöhnlicher Stärke im Gange sei. Im Dezember druckten die deutschen Zeitungen viel Material im Zusammenhang mit der Auswechselung der Führung des Komsomol59 und den Veränderungen in der Leitung des NKVD60. Ebenfalls im Dezember widmete die deutsche Presse im Zusammenhang mit der Ernennung des Genossen A.I. Mikojan zum Leiter des Volkskommissariats für Außenhandel der Verstärkung der handelspolitischen Initiative der UdSSR große Aufmerksamkeit. Als Schlussfolgerung ist unbedingt festzuhalten, dass 1938 in deutschen Zeitungen systematisch verschiedene sensationslüsterne Materialien antisowjetischen Charakters veröffentlicht wurden. Während solche Materialien in den zentralen Berliner Zeitungen mitunter nach einigen Tagen verschwinden, so kann man dies von der Provinzpresse nicht sagen. Besonders hervorzuheben sind die Artikel über die Rote Armee. Hier ist in der Regel *das Fehlen einer stark ausgeprägten Vulgarität und grober Beschimpfungen festzustellen. In diesen Artikeln wurde eine verhältnismäßig korrekte Einschätzung der Roten Armee, der Marine, der Luftstreitkräfte und auch der Rüstungsindustrie vorgenommen*. 58 Vgl. Karl Albrecht: Der verratene Sozialismus: 10 Jahre als hoher Staatsbeamter in der Sowjetunion, Berlin 1939. 59 Vom 19. bis 22.11.1938 fand das VII. außerordentliche Plenum des Zentralkomitees des Komsomol statt, an dem Stalin, einige weitere Mitglieder des Politbüros und des Apparats des Zentralkomitees der VKP (B) teilnahmen. Auf dem Plenum wurde eine Reihe von Sekretären des Zentralkomitees des Komsomol mit dem Ersten Sekretär Kosarev an der Spitze ihrer Ämter enthoben. Von den 93 Delegierten des VII. Plenums des Zentralkomitees des Komsomol wurden 77 repressiert, von denen mehr als die Hälfte erschossen wurde 60 Am 24.11.1938 wurde Ežov vom Posten des Volkskommissars des NKVD der UdSSR abgelöst, zu seinem Nachfolger wurde Berija ernannt.
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13. 3. 1939 Nr. 429 Außerdem ist festzuhalten, dass die deutsche Presse alle Errungenschaften der UdSSR sorgfältig verschwieg. Am Ende des Dokuments ist die Anzahl der Exemplare vermerkt: geschr[ieben] 8 Expl. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 61, l. 68–43. Kopie.
Nr. 429 Schreiben des Militärattachés in Moskau Köstring an den Oberquartiermeister IV im Generalstab des Heeres von Tippelskirch Nr. 429 13. 3. 1939 13. 3. 1939 Moskau, den 13.3.1939 Der Militär- und Luftattaché Lieber Herr von Tippelskirch! Das Hauptinteresse hier bewegt sich um den XVIII. Kongress der kommunistischen Partei Russlands, der jetzt nach 5 Jahren statt nach 2, wie satzungsgemäß üblich, tagt.1 Uns interessiert bisher am meisten die Rede Stalins, deren außenpolitische Ausführungen programmatischen Charakter haben.2 Ein abschließendes Urteil kann man sich erst nach Schluss des Parteikongresses bilden. Auch die Botschaft hat sich m.W. bis jetzt nur mit der Wiedergabe der Reden befasst.3 Vielleicht wird durch weitere Redner der Ton verschärft. Stalin sprach, vom sowjetischen Standpunkt aus gesehen, so sachlich und wenig hetzerisch wie noch selten. Durch einige mehr humorvolle als scharfe Ausfälle gegen die kapitalistischen Staaten werden seine Ausführung weiter gemildert und der großen Masse schmackhaft gemacht. Nach seinen Ausführungen werden alle bürgerlichen Staaten, wenigstens die Hauptmächte, nicht zu den Freunden der Sowjetunion gezählt. An Überheblichkeit und Selbstvertrauen lässt die Rede nichts zu wünschen übrig. Nichts deutete an, dass die Sowjetunion eine ihrer schwersten Krisen überlebt hat. Ich sehe davon ab, die langatmigen Teile der Rede zu wiederholen, in denen bewiesen wird, dass der wirtschaftliche Niedergang, vor allem der Aggressorenstaaten – Deutschland, Italien, Japan – zum Weltkrieg führen müsste. Die kapitalistischen Staaten seien gezwungen, eine Neuverteilung der Welt, der wirtschaftlichen Einflusszonen und Kolonien vorzunehmen. Denn die „Aggressoren“ wären durch Versailles zu kurz gekommen, besonders Deutschland hätte „ernstlich gelitten“. So wäre der neue Krieg, der sich unbemerkt an die Völker herangestohlen hätte, jetzt schon Tatsache geworden, von Schanghai, über Abessinien bis Spanien wäre er unter Beteiligung von 400 Millionen Menschen bereits im Gange. Die „Achse“ wird in mehr herabsetzender als beleidigender Art von Stalin behandelt. Ihre Ziele sind gegen die Interessen Englands, Frankreich und Amerikas und nicht gegen die Komintern gerichtet (!). Denn „es wäre doch lächerlich, den 1 Weder in den zwanziger noch in den dreißiger Jahren fanden die Parteikongresse in einem regelmäßigen Turnus statt. 2 Vgl. Dok. 424. 3 Vgl. Dok. 426; vgl. auch ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 1, S. 1–3.
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Herd der Komintern, wie es geschieht, in den Wüsten der Mongolei, den Bergen Abessiniens und den Sümpfen Spanisch-Marokkos bekämpfen zu wollen“. Nachdem ausgeführt wird, wie die Interessen der Großmächte durch „Aggressoren“ dauernd verletzt werden, trotzdem erstere zusammen bei weitem mächtiger sind, wird als Grund für das unverständliche passive Verhalten der Nichtaggressorenstaaten bezeichnet: die Angst vor Revolution im eigenen Lande bei einem Kriege. Vor allem aber der Verzicht auf eine kollektive Abwehr der Aggressoren (Bem.: hier hätten wir also das alte Lied von der „kollektiven Sicherheit“). Stattdessen Übergang zu einer Politik der „Nichteinmischung“ und „Neutralität“. Und diese Politik wird von dem Wunsche getragen, den Absichten der „Aggressoren“ nicht entgegenzutreten, nicht zu hindern, dass z.B. Japan mit China Krieg führt, noch besser, wenn es gegen Russland Krieg führen würde. Als weiterer Beweis, dass die Weltmächte nicht bereit sind, den „Aggressoren“ entgegenzutreten, sondern sie in ihren Absichten zu unterstützen gegen Andere, wird dann Deutschland angeführt. Dieser Teil der Rede ist so beachtlich, dass ich ihn im Auszuge wörtlich wiedergeben möchte. […]4 Zusammenfassend die außenpolitischen Ausführungen Stalins: Man muss sich fragen, welchen Zweck befolgt Stalin damit, dass er uns ausgesprochen milde, wenn nicht gar wohlwollend behandelt? Andererseits England, Frankreich und die USA als Hetzer zu einem Kriege Russland-Deutschland anprangert? Letztere Staaten kommen entschieden schlecht weg, zu mindesten wird ihnen Duldsamkeit gegen die „Aggressoren“ vorgeworfen. Will er vielleicht das etwas abgestandene kollektive Zusammengehen gegen die „Aggressoren“ wieder in eine fehlende Erinnerung bringen? Oder versucht er, das früher so oft für Russland in Europa angewandte Rezept, wenn dieses Europa unbequem wurde, dessen Nase nach dem Osten zu wenden? Hier, diesem Rezept entsprechend, Deutschland, seinen Feind, nicht in der SU, sondern in den westlichen Demokratien aufzuzeigen? Aus Liebe zu uns tut es Stalin sicher nicht. Die reale Vernunft mag bei ihm mitsprechen. Sieht Deutschland im Westen seine Hauptgegner, so hofft er auf Ruhe vor uns. Ein Konflikt in Europa wäre für die SU immer das beste Geschäft. Auf die Schilderungen der wirtschaftlichen Erfolge und riesigen Aussichten des 3. Fünfjahresplanes brauche ich nicht einzugehen. Ich verweise auf die von mir übergebene Beurteilung des Wirtschaftssachverständigen der Botschaft5 der Ausführungen Molotows (bei meiner Anwesenheit in Berlin übergeben). Es wird noch Näheres nach Abschluss des Kongresses darüber zu sagen sein. Die Anforderungen des 3. Fünfjahresplanes sind gegen die seiner Vorgänger auf realere Zahlen herabgeschraubt. Selbst wenn sie erreicht werden sollten, braucht Europa nicht zu fürchten, dass die Absicht, es einzuholen oder sogar zu überholen, Wirklichkeit werden wird. Das Bild des Kongresses möchte ich charakterisieren, indem ich es mit den Worten kennzeichne: Die Pausen zwischen den Reden werden durch stürmische Ovationen an den „Vater der russischen Völker, Freund und Lehrer“ Stalin ausgefüllt. Heil Hitler! Köstring 4 Ausgelassen ist die Passage in Dok. 424 von „Oder nehmen wir zum Beispiel Deutschland“ bis „Gebiet meinem unermesslichen Territorium anzuschließen…“ 5 Gustav Hilger.
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18. 3. 1939 Nr. 430 Eigenhändige Grußformel und Unterschrift. Auf erstem Blatt oben: zdA 15/[3?] T[ippelskirch]. Auf letztem Blatt unten handschriftliche nicht entzifferte Ergänzung Köstrings. BA MA, N 123/10, o. P., 5 Bl. Veröffentlicht in: General Ernst Köstring, S. 223–226.
Nr. 430 Antwortnote des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 430 18. 3. 1939 18. 3. 1939 18. März 1939 Herr Botschafter, ich habe die Ehre, den Erhalt Ihrer Note vom 16. und der Note vom 17. d.M. zu bestätigen1, mit denen die sowjetische Regierung über die Eingliederung Tschechiens ins Deutsche Reich und über die Errichtung des deutschen Protektorats über es in Kenntnis gesetzt wurde. Da die sowjetische Regierung es nicht als möglich erachtet, die vorgenannten Noten mit Schweigen zu umgehen und damit den falschen Eindruck ihrer gleichsam gleichgültigen Haltung zu den tschechoslowakischen Ereignissen zu erwecken, hält sie es für notwendig, in der Antwort auf die vorgenannten Noten ihre tatsächliche Haltung zu den erwähnten Ereignissen zum Ausdruck zu bringen.2 1. Die in dem Einführungsteil des deutschen Erlasses dargelegte Begründung und Rechtfertigung der politisch-historischen Konzeption, und insbesondere der Hinweis auf die tschechoslowakische Staatlichkeit als einem Herd beständiger Unruhen und Bedrohung für den europäischen Frieden, auf die Lebensunfähigkeit des tschechoslowakischen Staates und auf das sich daraus ergebende Erfordernis besonderer Sorgen für das Deutsche Reich können nicht als zutreffend und den aller Welt bekannten Tatsachen entsprechend anerkannt werden. In Wirklichkeit war nach dem Ersten Weltkrieg die Tschechoslowakische Republik einer der wenigen europäischen Staaten, bei denen die innere Ruhe und eine friedliebende Außenpolitik garantiert waren. 2. Der sowjetischen Regierung sind keine Verfassungen von Staaten bekannt, die dem Staatsoberhaupt ohne Einverständnis seines Volkes das Recht zugestehen würden, die selbständige staatliche Existenz aufzuheben. Es ist schwerlich anzunehmen, dass irgendein Volk, insbesondere ein Volk, welches über Jahrhunderte hinweg um seine Unabhängigkeit gekämpft und bereits 20 Jahre seine selbständige Existenz bewahrt hat, der Vernichtung seiner Selbständigkeit und seinem Anschluss an einen anderen Staat freiwillig zugestimmt hätte. Als der tschechoslowa1 Vgl. „Nota Narodnogo Komissara Inostrannych Del t. M. M. Litvinova ot 18 marta“ (Die Note des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Gen. M.M.Litvinov vom 18. März). In: Izvestija vom 20. März 1939, S. 5. 2 Art und Ton des Antwortschreibens entsprachen den Anweisungen Stalins, um die Haltung der sowjetischen Regierung zu den Geschehnissen zum Ausdruck zu bringen. Vgl. SSSRGermanija: 1932–1941, Dok. 154, S. 234–235.
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kische Präsident, Herr Hácha, den Berliner Akt vom 15. des Monats3 unterzeichnete, hatte er dafür keine Vollmacht von seinem Volk und handelte im offenen Widerspruch zu den Artikeln 64 und 65 der Tschechoslowakischen Verfassung4 und zum Willen des Volkes. Infolgedessen kann der erwähnte Akt nicht als rechtsgültig angesehen werden. 3. Das Prinzip der Selbstbestimmung der Völker, auf das sich die deutsche Regierung nicht selten beruft, sieht eine freie Willensentscheidung des Volkes vor, die nicht durch die Unterschrift einer oder zweier Personen, welch hohe Ämter sie auch einnehmen mögen, aufgehoben werden kann. Im vorliegenden Fall hat es keine Willensentscheidung des tschechischen Volkes gegeben, nicht einmal in Form solcher Volksentscheide, die es zum Beispiel über das Schicksal Oberschlesiens5 und des Saargebiets6 gegeben hat. 4. Da es keine Willensentscheidung, in welcher Form auch immer, des tschechischen Volkes gegeben hat, können die Besetzung Tschechiens durch deutsche Truppen7 und die nachfolgenden Handlungen der deutschen Regierung nicht anders denn als willkürlich, gewaltsam und aggressiv bezeichnet werden. 5. Die oben gemachten Ausführungen treffen voll und ganz auch auf die Veränderung des Statuts der Slowakei im Sinne der Unterstellung unter das Deutsche Reich8 zu, die durch keine Willensentscheidung des slowakischen Volkes legitimiert ist. 6. Die Handlungen der deutschen Regierung dienten ungarischen Truppen als Signal zum gewaltsamen Einfall in die Karpato-Ukraine9 und zur Verletzung der elementaren Rechte ihrer Bevölkerung. 7. Eingedenk des Dargelegten kann die sowjetische Regierung die Einverleibung Tschechiens in das Deutsche Reich, und in anderer Form auch die der Slowakei, nicht als rechtmäßig10 und den allgemein anerkannten Normen des Völkerrechts und der Gerechtigkeit oder dem Prinzip der Selbstbestimmung des Volkes anerkennen. 8. Nach Auffassung der sowjetischen Regierung beseitigen die Handlungen der deutschen Regierung nicht irgendeine Gefahr für den allgemeinen Frieden, sondern sie schufen und verstärkten im Gegenteil diese Gefahr, verletzten die politische Stabilität in Mitteleuropa, verstärkten die Elemente des bereits vorher in Europa 3 4
Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 229, S. 235–236. Gemäß Artikel 64 der Verfassung der Tschechoslowakei setzte die Entscheidung, die Staatsgrenze des Landes zu verändern, die Zustimmung der Nationalversammlung in Form eines Verfassungsaktes voraus. Artikel 65 verpflichtete den Präsidenten, sich in seiner Tätigkeit von dem Wohl der Republik und des Volkes leiten zu lassen. Vgl. Verfassungsurkunde der Tschechoslowakischen Republik vom 29. Februar 1920. In: www.Verfassungen.net >cssr> verf20-i. 5 Am 20. März 1921. 6 Am 13. Januar 1935. 7 Am 15. März 1939. 8 Am 14.3.1939 verkündete das Parlament der Slowakei die Gründung der unabhängigen Slowakischen Republik. 9 Am 15.3.1939 besetzten Einheiten der 6. ungarischen Armee Teile der Karpato-Ukraine. 10 Am 23.3.1939 richtete Litvinov an Stalin ein Schreiben, in dem er insbesondere darauf hinwies, „obgleich wir erklärt haben, dass wir die Rechtmäßigkeit der Annexion der Tschechoslowakei nicht anerkennen, kommen wir nicht umhin, sie dennoch de facto anzuerkennen und uns in den tschechischen Angelegenheiten mit den deutschen Behörden in Verbindung zu setzen“. In: RGASPI, f. 17, op. 166, d. 607, l. 1.
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20. 3. 1939 Nr. 431 geschaffenen Alarmzustands und versetzten dem Sicherheitsgefühl der Völker einen neuen Schlag. Ich habe die Ehre, Sie, Herrn Botschafter, zu bitten, das oben Dargelegte Ihrer Regierung11 zur Kenntnis zu bringen und die Versicherung meiner vorzüglichen Hochachtung entgegenzunehmen. LITVINOV Izvestija vom 20. März 1939, S. 5. Veröffentlicht in deutscher Sprache auch in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 50, Anlage, S. 44–45. 11
Nr. 431 Schreiben des Botschaftsrats in Moskau von Tippelskirch an den Leiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep Nr. 431 20. 3. 1939 20. 3. 1939 Berlin, den 20. März 1939 Auszugsweise Abschrift aus einem Brief des Botschaftsrats von Tippelskirch vom 20. März aus Moskau an V.L.R. Schliep … Litwinow hat die Noten des Herrn Botschafters1 am 19. beantwortet. Die sowjetische Note2 ist gestern durch TASS und Rundfunk verbreitet und erst heute in der Presse veröffentlicht worden. Ihr Inhalt beschränkt sich auf eine Meinungsäußerung dahin, dass die Sowjetregierung die tschecho-slowakischen Ereignisse nicht anerkennen könne. Offenbar ist der Hauptzweck der Note, dass die Sowjetregierung zeigen will, dass sie sich dem Vorgehen Frankreichs und Englands anschließt. Die Note erweckt im Übrigen den Eindruck, als ob mehr die Methode als das Ergebnis kritisiert werde, wozu die Sowjets am wenigsten Grund haben, wenn man sich an Georgien3 erinnert. Beim Anschluss Österreichs hat Litwinow eine internationale Konferenz vorgeschlagen4, aber keine Note übersandt. Diesmal äußert die Sowjetregierung ihren 11 Nachdem Graf von der Schulenburg den Inhalt der Note Litvinovs zur Kenntnis genommen hatte, interessierte er sich im Gespräch mit dem Volkskommissar, das in der Italienischen Botschaft stattfand, welche praktische Bedeutung dieser Note zukomme. Dazu bemerkte Litvinov lediglich, „die Sowjetregierung habe eben ihren Standpunkt klarstellen wollen“. In: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 43, S. 39. 1 Gemeint sind die Noten vom 15.3.1939 (Erklärung der Deutschen und der Tschechoslowakischen Regierung zur Auflösung der Tschechoslowakei) sowie vom 16.3.1939 (Proklamation Hitlers über das Protektorat Böhmen und Mähren) in: ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 229, 246. 2 Vgl. Dok. 430. 3 Gemeint ist die Annektierung Georgiens im Februar 1921, obwohl die Unabhängigkeit Georgiens am 7.5.1920 vertraglich von Sowjetrussland anerkannt worden war. 4 Vgl. das Interview Litvinovs vor Pressevertretern am 17.3.1938. In: DVP, Bd. XXI, Dok. 82, S. 128–129.
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Standpunkt zwar mit einer Note, jedoch auf eine Art und Weise, die sie weiterer Aktionen (z.B. der Rückberufung des Sowjetbotschafters 5 zur Berichterstattung) überhebt. Die gegenwärtige Haltung der Sowjetregierung muss überhaupt unsere Aufmerksamkeit erregen. Es ist schon aufgefallen, mit welcher Zurückhaltung Stalin in seiner Rede vor dem Parteikongress6 über Deutschland gesprochen hat. Noch auffallender finde ich gewisse Bemerkungen Litwinows an die Japanische Botschafterin, die Frau Togo mir unter dem Siegel tiefster Verschwiegenheit mitgeteilt hat. Litwinow erzählte Frau Togo zunächst, er sei genau unterrichtet, dass die Verhandlungen des Japanischen Botschafters in Berlin 7 über ein deutsch-italienischjapanisches Militärbündnis an der Haltung Deutschlands und Italiens gescheitert seien. Daran anknüpfend habe Litwinow erklärt, dass Deutschland und Italien im Begriff ständen, ihr Verhältnis zur Sowjetunion zu arrangieren. Ich vermute, dass diese Bemerkungen im Wesentlichen als Druck auf Japan gedacht sind und als Gegengewicht gegen die anlässlich der Fischereiverhandlungen japanischerseits geäußerten Drohungen. Trotzdem kann ich an derartigen Beobachtungen nicht vorübergehen. In Anbetracht der Haltung Frankreichs und Englands, die ihre Wirtschaftsverhandlungen mit uns eingestellt haben, gewinnt neben den südöstlichen Ländern hauptsächlich die Sowjetunion wirtschaftlich für Deutschland wieder größere Bedeutung. *Ich weiß nicht, ob unter diesen veränderten Umständen unsere Wirtschaftsverhandlungen mit der Sowjetregierung nicht doch einen neuen Auftrieb erfahren werden.*8 Was übrigens die praktische Auswirkung der Note Litwinows anlangt, so scheint sich die Sowjetregierung hierüber weiter keine Gedanken zu machen. Wir haben über die Angelegenheit ausführlich telegraphiert und schriftlich berichtet.9 Vielleicht lassen Sie sich auch den Bericht von Hilger über den gegenwärtigen Stand der japanisch-sowjetischen Fischerei-Verhandlungen10 vorlegen. Mein japanischer Kollege sagte mir vorgestern, die Verhandlungen würden fortgesetzt und es bestünde immer noch eine gewisse Hoffnung, dass sie zum Ziele führten. Der englische Handelsattaché 11 bestätigte mir, dass der Unterstaatssekretär Hudson unverändert am 23. März in Moskau eintreffen würde. Auf meine Frage, ob englischerseits daran gedacht werde, der Sowjetregierung wieder einen Kredit einzuräumen, erwiderte der Handelsattaché zweimal, dass ein englischer Kredit an die Sowjetregierung nicht ausgeschlossen sei. *Übrigens möchte ich nicht vergessen zu erwähnen, dass Litwinow, als der Herr Botschafter ihn über die tschecho-slowakischen Ereignisse unterrichtete, seine Befriedigung über die Annektierung der Karpato-Ukraine durch Ungarn unverhohlen gezeigt hat.*12 Die Polen scheinen über die tschecho-slowakischen Ereignisse ziemlich bekniffen zu sein. 5 6 7 8 9 10 11 12
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Sergej Sergeevič Aleksandrovskij. Vgl. Dok. 424. Hiroshi Ōshima. Der Satz ist von Wiehl am Seitenrand angestrichen. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 43, 50. Vgl. Dok. 407, Anm. 9. Frank Henry Todd. Der Absatz ist von Clodius am Seitenrand angestrichen.
26. 3. 1939 Nr. 432 Die hiesigen Engländer zeigen ganz besonders ihre schlechte Laune, was mich lebhaft an meine Erlebnisse aus der Kriegszeit erinnert. Die Engländer haben aber politische Erfolge anderer immer persönlich genommen. Der Herr Botschafter wird am Donnerstag, den 23. d. Mts., nach Berlin reisen, da er vor seiner Entsendung nach Teheran13 noch Verschiedenes erledigen muss. Er wird am Sonnabend in Berlin eintreffen. … gez. von Tippelskirch Hiermit Herrn Dg. Pol, Herrn U.St.S. zur Kenntnis. gez. Schliep Auf letztem Blatt unten: Durchdr. erhalten: Herr Dir. W, Herr V.L.R. Schnurre, Herr. Ges. Aschmann. Daneben: N.R. H[errn] Clodius W[iehl] mit Abzeichnung von Clodius. PA AA, R 106230, Bl. 452608-452610. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 51, S. 46–47.
13
Nr. 432 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 432 26. 3. 1939 26. 3. 1939 Geheim Expl. Nr. 1 AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS Nr. 5179 [26.3.1939] EMPFANG DES DEUTSCHEN BOTSCHAFTERS SCHULENBURG, 23. MÄRZ 1939 Schulenburg teilte mir mit, dass er heute Abend nach Berlin abreist. Diese Reise steht im Zusammenhang mit dem dem Botschafter erteilten Auftrag, als Vertreter Deutschlands an den Hochzeitsfeierlichkeiten in Teheran 1 teilzunehmen. Schulenburg müsse sich eine Uniform bestellen, die für deutsche Diplomaten eingeführt worden ist, um in diesem neuen Gewand an den bevorstehenden Feierlichkeiten teilzunehmen. Vor seiner Abreise wolle Schulenburg mich an eine Reihe von Fragen erinnern, die ungeachtet der wiederholten Ersuchen der Deutschen Botschaft an uns2 ungeregelt geblieben sind. Diese Fragen sind in den mir vom Botschafter ausgehändigten Schreiben aufgelistet. Natürlich geht es um die vermehrten Inhaftierungen von 13
Vgl. Dok. 432.
1
Gemeint ist die Hochzeit des iranischen Thronfolgers Mohammad Reza Pahlavi mit der ägyptischen Prinzessin Fausia bint Fuad. 2 Vgl. Dok. 385, 386.
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26. 3. 1939
deutschen Staatsangehörigen in der UdSSR, von denen lediglich sehr wenige nach Deutschland ausgewiesen werden; weiterhin um die Ehefrauen jener deutschen Staatsangehörigen, die schon aus der UdSSR ausgewiesen worden sind und bereits seit Langem erfolglos über das NKID Gesuche einreichen, ihren in der UdSSR verbliebenen Familien ebenfalls die Ausreise nach Deutschland zu genehmigen; sodann um die Kinder, deren Eltern bereits aus der UdSSR nach Deutschland ausgewiesen worden sind, und die bis jetzt keine Genehmigung erhalten haben, sich den Eltern anzuschließen. In der gleichen Liste ist die deutsche Staatsangehörige Marsmann aufgeführt, über deren Schicksal weder der Botschaft3 noch ihrem in Deutschland befindlichen Ehemann etwas bekannt ist, sowie Franziska Stoss, eine ehemalige österreichische Staatsbürgerin, zu der es eine Mitteilung gegeben hat, sie nach Deutschland auszuweisen, und schließlich der Fall des Angestellten des ehemaligen Deutschen Konsulats in Novosibirsk Pausch4, der zu einer 20jährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Der Botschafter ersucht darum, alle aufgelisteten Fälle schnellstmöglich zu prüfen und zu regeln. Als ich den Botschafter verabschiedete, erkundigte ich mich bei ihm, ob er Informationen über einen Zusammenstoß zwischen polnischen und deutschen Truppen hätte, der angeblich am gestrigen Tag stattgefunden haben soll. Gerüchte über diesen Zusammenstoß wären bis ins NKID vorgedrungen, dem es jedoch nicht gelungen sei, diese nachzuprüfen.5 Schulenburg antwortete, dass er keine derartigen Informationen hätte. Er werde unverzüglich in Berlin nachfragen und mir die Ergebnisse seiner Überprüfung mitteilen. Zwei Stunden später ließ er mir über Walther mitteilen, dass die Überprüfung der oben erwähnten Gerüchte in Berlin negative Ergebnisse erbracht habe. V. Potemkin Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. Das 1. [Exemplar] zu den Akten, das 2. an M.M., das 3. an die 2. Westabteilung, das 4. nach Berlin. 26.III.1939. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 24, d. 6, l. 144–143. Original.
3 4 5
Vgl. Dok. 541. Vgl. Dok. 66, Anm. 8. Nach der Aufzeichnung von der Schulenburgs vom 23.3.1939 über dieses Gespräch hatte Potemkin ihm den Text eines Telegramms vorgelesen, das er von sowjetischen Diplomaten in Warschau oder Kovno erhalten hatte und in dem es hieß, dass „schwere Kämpfe an der deutsch-polnischen Grenze“ ausgebrochen seien. In: PA AA, R 29854, Bl. 228741-228742, hier Bl. 228741.
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3. 4. 1939 Nr. 433 Nr. 433 Auszug von Agenturmaterialien der Aufklärungsverwaltung der RKKA Nr. 433 3. 4. 1939 3. 4. 1939 [3.4.1939]1 DEUTSCHE AKTIVITÄTEN GEGEN DIE TSCHECHOSLOWAKEI I. Gründe. Der Botschaftsrat und Mitarbeiter der Kanzlei Ribbentrop, Dr. *Kleist, äußerte in dem Gespräch am 13.3. folgende Überlegungen*2 zu den in diesem Zeitraum vorbereiteten Handlungen gegen die Tschechoslowakei: „Am 6. März 1939 verkündete der Führer den Beschluss, die Reste der Tschechoslowakei zu liquidieren. Im Verlaufe der folgenden Tage wurden die entsprechenden Maßnahmen zur Durchführung dieser Aktion ergriffen. Zwei Gründe waren für den Entschluss des Führers ausschlaggebend: 1. Vom Standpunkt der Politik des Dritten Reiches wurde die Lösung der tschechoslowakischen Frage in München3 von Anfang als unbefriedigend betrachtet. Nach der Abtrennung des Sudetengebietes sollte bei der ersten sich bietenden Gelegenheit die Liquidierung der restlichen Tschechoslowakei erfolgen. 2. Die politische Situation in Ost- und Mitteleuropa nach dem Münchener Abkommen zeigte, dass die Stellung Deutschlands in dieser Region bei weitem nicht so gefestigt war, wie man sich dies in Berlin gewünscht hätte. *Es stellte sich heraus, dass das politische Gewicht Deutschlands nicht dafür ausreichte, dass sich seine Nachbarstaaten im Osten und Südosten freiwillig und automatisch Berlin unterordneten.* In Prag machten sich Willensäußerungen zu einem neuen Widerstand gegen die deutsche Politik bemerkbar. In Ungarn und Rumänien gestalteten sich die Ereignisse auch nicht so, wie man dies in Berlin gern gehabt hätte. Die politische Offensive Frankreichs und Englands in Osteuropa bereitete Berlin ebenfalls Sorgen. Und schließlich nahmen die inneren und äußeren Ereignisse in und um Polen nach Auffassung der Berliner Politik ganz unerwünschte Formen an. Im Zusammenspiel mit Italien hätte dieser Zustand durch ein Vorgehen im Westen bei einem völlig gesicherten Osten beseitigt werden können. *Unter Berücksichtigung dessen, dass die erste Etappe der gemeinsamen deutsch-italienischen Aktionen gegen die Westmächte bereits für den Mai 1939 geplant waren, wurde es erforderlich, mit der Liquidierung der restlichen Tschechoslowakei im Eilverfahren eine Situation in Ost- und Mitteleuropa zu schaffen, die für Deutschland alle Gefahrenquellen für die bevorstehenden Kämpfe im Westen definitiv ausschließen würde.“* 1 Das Dokument, das mit der Einstufung „ganz geheim“ an den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov gesandt wurde, ist nach dem Datum des Begleitschreibens des Stellvertretenden Chefs der Aufklärungsverwaltung der RKKA Orlov vom 3.4.1939 datiert: „Ich lege die Übersetzung von nachrichtendienstlichen Materialien zur militärischen und politischen Lage in Europa vor, die aus deutschen diplomatischen Kreisen in Warschau stammen.“ In: RGVA, f. 33987, op. 3a, d. 1237, l. 213. 2 Der hier und im Folgenden so gekennzeichnete Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. 3 Gemeint sind die Beschlüsse der Münchener Konferenz vom 29.9.1938. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. II, Dok. 675, S. 812–814.
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II. Ziele. Hinsichtlich der Ziele der deutschen Handlungen teilte Kleist folgendes mit: *„Die Handlungen gegen die Tschechoslowakei verfolgten in erster Linie das Ziel territorialer Veränderungen* (der Anschluss Tschechiens an Deutschland, die Bildung der Slowakei unter dem ausschließlichen Einfluss Deutschlands), *mittels derer man eine Situation schaffen könnte, die die mit Deutschland benachbarten Staaten im Ungewissen halten, sie nötigen würde, sich dem deutschen Einfluss zu beugen und den Weg für die deutsche Expansion* freizumachen, indem die Möglichkeit jeglicher Formen einer antideutschen Politik unterbunden würde. Bei der Durchführung der geplanten territorialen Veränderungen *wird Deutschland Ungarn, Rumänien und Jugoslawien fest in seinen Händen halten*. Die militärische Bedrohung Polens durch die Slowakei schließt die Möglichkeit von Gegenmaßnahmen seitens Polens im Falle eines Krieges im Westen aus. Der Zugang Deutschlands zum ungarischen Weizen und zum rumänischen Erdöl ist für die Zukunft gesichert. In gewissen Grenzen wird es ebenso möglich sein, die nötigen Maßnahmen zur Absicherung des Nordostens durchzuführen. Mit dem Anschluss Memels4 an das Reich würde Deutschland Litauen in seine Hände bekommen und sich im Baltikum kräftig festsetzen. *Nach Auffassung der politischen Führung des Reiches schafft der solcherart gesicherte Osten den Schutz des Hinterlandes für Gefechte im Westen. Somit dienen die projektierten Maßnahmen im Osten und Südosten der Vorbereitung einer Operation gegen den Westen.* Im *Mai wird die deutsch-italienische Kolonial-Kampagne gegen Frankreich einsetzen*. In Berlin hofft man darauf, Frankreich in einzelnen Etappen und nach Möglichkeit auf friedlichem Wege niederzuringen und auf diese Weise die Hegemonie Deutschlands in Europa zu festigen. Im *Weiteren bleibt die Erfüllung der deutschen Pläne, der Krieg gegen die Sowjetunion, die letzte und entscheidende Aufgabe der deutschen Politik*. Wenn man früher hoffte, Polen als Brückenkopf für Kriegshandlungen gegen Russland zu benutzen, so ist Berlin nunmehr davon überzeugt, dass *Polen auf Grund seines gegenwärtigen politischen und territorialen Zustandes nicht als Hilfskraft gegen die Sowjetunion angesehen werden kann*. Es liegt auf der Hand, dass man, bevor man einen Krieg gegen Russland mit Unterstützung Polens und durch Polen führt, es territorial aufteilt (Abtrennung der ehemaligen deutschen Gebiete und Bildung eines westukrainischen Staates unter deutschem Protektorat) und in politischer Hinsicht reorganisiert (man setzt eine unter deutschem Gesichtspunkt zuverlässige polnische Regierung ein). Unter diesem Gesichtspunkt sind die territorialen Veränderungen im Kontext der Handlungen gegen die Tschechoslowakei von größter Bedeutung.“ III. Das ukrainische Problem und die deutschen Aktivitäten. Dr. Kleist ist in der Kanzlei Ribbentrop als Sonderreferent für ukrainische Fragen zuständig. Als Referent hat er vom 6. bis 11. März im Auftrag von Ribbentrop 4 Am 22.3.1939 unterzeichneten Ribbentrop und Urbšys den Vertrag über die Übergabe von Memel durch Litauen an Deutschland. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. V, Dok. 405, Anm. 2, S. 440–441.
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3. 4. 1939 Nr. 433 für den Führer eine Vorlage zur ukrainischen Problematik im Zusammenhang mit dem Vorgehen gegen die Tschechoslowakei erarbeitet. Dazu teilt Kleist folgendes mit: „In *meinen schriftlichen Vorlagen und Vorträgen für den Führer habe ich alle Mittel zur Rettung der Karpato-Ukraine ausprobiert*. Ich wies auf die Bedeutung der Karpato-Ukraine im Zusammenhang mit den deutschen Plänen im Osten hin. Ich lenkte die Aufmerksamkeit auf die Möglichkeit starker Empörung der Ukrainer gegen Deutschland in dem Fall, dass wir die Karpato-Ukraine an Ungarn abgeben sollten. Schließlich habe ich darauf hingewiesen, dass *wir nicht abrupt mit den Ukrainern brechen könnten, nachdem wir ihre Hoffnungen auf die Bildung der Karpato-Ukraine mit deutscher Unterstützung und Hilfe genährt hätten*. Diese Argumente haben den Führer nicht beeindruckt. Wie mir der Außenminister mitteilte, habe Hitler dazu erklärt: *‚Das ist tragisch, aber unausweichlich.‘* Den Äußerungen Ribbentrops zufolge widersprach der Führer auch der Auffassung, dass er nach wie vor an der ukrainischen Frage interessiert sei.“ Hitler habe angeblich gesagt: „Wenn ich mich mit den Ukrainern und ihren politischen Plänen eingelassen hätte, so wäre in Wien kein Schiedsspruch ergangen, der die Karpato-Ukraine lebensunfähig gemacht hat.“5 Auf die Frage an Kleist, ob der Führer mit dem Beharren auf dieser Haltung nicht die ukrainische Karte völlig aus der Hand gegeben habe, erging folgende Antwort: *„Hitler hofft aller Wahrscheinlichkeit nach darauf, die ukrainische Karte im Zuge der Umsetzung der deutschen Konzeption im Osten erneut ins deutsche Spiel zu bringen.* Er meint offenbar, dass die Ukrainer erneut den Weg zu uns finden werden, weil sie in allen Fällen von der deutschen Unterstützung abhängen. Diese Interpretation der Worte des Führers wird durch den folgenden Gang der Ereignisse bestätigt. *Ich fügte meiner Vorlage für den Führer als Ergänzung die Karte aus einem ukrainischen Atlas bei, in der der künftige Großukrainische Staat eingezeichnet war.* Der Führer legte, wie mir Ribbentrop berichtete, diese Karte mit den Worten beiseite: *‚Vorerst ist dies noch ein Traum.‘* Wenn er aber sagt *‚noch‘*, so heißt das, er denkt, dass *dies später Wirklichkeit werden wird.*“ RGVA, f. 33987, op. 3a, d. 1237, l. 214–218. Kopie. Veröffentlicht in: Voennaja razvedka informiruet, Dok. 1.19, S. 60–64, hier S. 60–626.
5 Ungarn erhielt aufgrund des ersten Wiener Schiedsspruchs vom 2.11.1938 neben dem südlichen Teil der Slowakei auch den Südwestteil der Karpato-Ukraine mit großen Industriezentren und einem Eisenbahnnetz. 6 Die erste Kurzfassung des Dokumentes, das dort auf den Tag des Gesprächs datiert wurde, erfolgte in: SSSR v bor’be za mir nakanune vtoroj mirovoj vojny (sent. 1938–avgust 1939). Dokumenty i materialy, Moskva 1971, Dok. 149, S. 233–235; ein Nachdruck erfolgte in: God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 182, S. 272–274.
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Nr. 434
4. 4. 1939
Nr. 434 Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Bevollmächtigten Vertreter in Berlin Merekalov Nr. 434 4. 4. 1939 4. 4. 1939 Geheim Expl. Nr. 2 Nr. 4303/l. 4. April 1939 AN DEN BEVOLLMÄCHTIGTEN VERTRETER DER UdSSR IN DEUTSCHLAND Gen. MEREKALOV Sehr geehrter Aleksej Fedorovič, zur politischen Lage kann ich Ihnen nichts mitteilen, was über das hinausginge, was Ihnen aus den Zeitungen bekannt ist, selbstverständlich nicht aus den deutschen, sondern aus französischen, englischen und sowjetischen. Die englische Aktion, mit der uns vorgeschlagen wurde, eine gemeinsame Deklaration zu unterzeichnen1, kam dank der Einwände Polens ins Stocken, das erklärte, es könne sich keiner Aktion anschließen, sei es in Form einer Deklaration oder einer anderen, die gegen Deutschland gerichtet sei.2 Chamberlain und Bonnet freuten sich sicherlich über den polnischen Einwand und gingen daran, sich eine Kombination ohne die UdSSR auszudenken. Uns gegenüber beteuern die Engländer und Franzosen, dass sie selbstverständlich den Gedanken eines gemeinsamen Blockes noch nicht aufgegeben haben, dass sie nicht beabsichtigen, die UdSSR zu ignorieren, dass sie uns konsultieren werden3. Und in der Tat teilen sie Gen. Majskij und Gen. Suric von Zeit zu Zeit irgendetwas mit, doch wir nehmen dazu eine höchst zurückhaltende Haltung ein, womit wir zu verstehen geben, dass für uns jegliche Pläne unannehmbar sind, die ohne unsere Beteiligung ausgearbeitet werden. Dies ist Ihnen sicherlich aus der gestrigen Verlautbarung von TASS4 verständlich. Wir wissen sehr gut, dass es ohne uns unmöglich ist, in Europa die Aggression aufzuhalten und zum Stehen zu bringen, und je später man um unsere Hilfe nachsucht, desto mehr wird man uns zahlen. Wir verhalten uns deshalb völlig ruhig zu dem rund um die sogenannte Veränderung der englischen Politik entfachten Lärm. 1 Am 21.3.1939 überreichte Seeds Litvinov den Entwurf einer gemeinsamen Deklaration Großbritanniens, Polens, der UdSSR und Frankreichs. Vgl. God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 210, S. 310. 2 Vgl. Polish Documents on Foreign Policy. 24. Oktober 1938–30. September 1939, hrsg. von W. Borodziej, S. Dębski, Warsaw 2009, Dok. 71, S. 151–152. 3 Im Telegramm vom 31.3.1939 führte Majskij über ein Gespräch mit Lord Halifax u.a. aus: „Halifax hob besonders hervor, dass die Konsultationen und Verhandlungen allgemeiner Art zur Schaffung einer Einheitsfront der friedliebenden Mächte gegen eine Aggression, die vor zwei Wochen aufgenommen wurden, mit unverminderter Kraft betrieben werden und die englische Regierung beabsichtige, sie mit maximaler Energie fortzuführen (obgleich nach Auffassung von Halifax die von den Engländern am 20. März vorgeschlagene Deklaration kaum Chancen auf Realisierung habe und man jetzt andere Formen der kollektiven Sicherheit suchen müsse...“ In: God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 246, S. 351–353, hier S. 351. Vgl. auch Documents on British Foreign Policy, 3. Ser., Bd. IV, London 1951, Dok. 589, S. 556–558. 4 Vgl. Soobščenie TASS (TASS-Meldung). In: Izvestija vom 4. April 1939, S. 2.
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5. 4. 1939 Nr. 435 Ich habe die Rede Hitlers in deutscher Fassung5 noch nicht gelesen, doch fühlt sich Hitler, den Auszügen nach zu urteilen, offenbar weniger sicher als früher. Wenn auch die Erklärungen Chamberlains6 ihn nicht endgültig in einem Maße geschreckt haben, dass er von seinen Plänen Abstand genommen hätte, so haben sie dennoch zu einer gewissen Unruhe in seiner Seele geführt. Es wäre wünschenswert, Ihren Eindruck über die deutschen Stimmungen nach den Reden von Chamberlain, Halifax und Daladier zu erfahren. Uns ist bekannt, dass die neuen Eroberungen Deutschlands nicht nach dem Geschmack Italiens sind, doch es ist genötigt, sie zu dulden, weil es sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht von der „Achse“ lossagen kann. Mir wurde heute über rätselhafte Reisen Schulenburgs berichtet, der dieser Tage nach Moskau kam und danach erneut nach Berlin flog. Hat er Sie in der Bevollmächtigten Vertretung aufgesucht? LITVINOV Vermerk mit Bleistift: VP[otemkin]. Vermerk mit blauem Farbstift: A[rchiv] 5/IV. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 1855 vom 5.4.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an Gen. Vajnštejn, das 4. ins Archiv. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 61, l. 42–41. Kopie. Veröffentlicht in: DVP, Bd. XXII, Dok. 199, S. 252–253.
Nr. 435 Bericht des deutschen Geschäftsträgers in Moskau von Tippelskirch an das AA Nr. 435 5. 4. 1939 5. 4. 1939 Moskau, den 5. April 1939 Abschrift Pol. V 3124 Deutsche Botschaft Tgb. Nr. A/652/39 An das Auswärtige Amt, Berlin Politischer Bericht Inhalt: Dementi sowjetischer Versprechungen auf Kriegsmateriallieferungen an Polen. Die Sowjetpresse vom 4. April 1939 veröffentlicht nachstehendes TASS-Kommunique: 5 Gemeint ist die Rede Hitlers am 1.4.1939 in Wilhelmshaven. Vgl. „Deutschlands Macht schützt den Frieden“. In: Völkischer Beobachter vom 3. April 1939, S. 3–4. 6 Am 31.3.1939 gab Chamberlain im Unterhaus die Erklärung ab, dass Großbritannien die Garantie für Polens Unabhängigkeit übernehme. Vgl. Documents on British Foreign Policy 1919–1939, 3. Ser., Bd. IV, London 1951, Dok. 581, S. 551–552.
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5. 4. 1939
„Die Zeitungen „Temps“ und „Oeuvre“ (vom 1. April 1939) haben eine HavasMeldung aus Moskau abgedruckt, in der es heißt, dass die Sowjetunion sich angeblich verpflichtet bzw. versprochen habe, sich zu verpflichten, *im Kriegsfall Polen mit Kriegsmaterial zu versorgen und ihren Rohstoffmarkt für Deutschland zu sperren*1. Die TASS ist ermächtigt zu erklären, dass diese Meldung nicht den Tatsachen entspricht, da die Sowjetunion niemandem solche Versprechungen gegeben und keine solche Verpflichtungen übernommen hat.“2 Diese Meldung erinnert lebhaft an das TASS-Kommuniqué vom 22. März 19393 betreffend *Ableugnung eines Hilfeleistungsversprechens der Sowjetunion an Polen und Rumänien*4. Das gegenwärtige TASS-Kommuniqué entspricht der Haltung, die die Sowjet-Regierung auch in jenem Falle eingenommen hat. Die sowjetischerseits mit dem TASS-Kommuniqué verfolgte Absicht dürfte dahin zu verstehen sein, noch vor dem Eintreffen Becks in London5 Nachrichten entgegenzutreten, die offenbar zu dem Zweck ausgestreut werden, die Haltung der Sowjetregierung zu präjudizieren. Gegenüber den von Polen und Rumänien bekundeten Bedenken hinsichtlich einer bolschewistischen Waffenhilfe legt offenbar die Sowjet-Regierung Wert darauf, ihrerseits klar zu machen, dass sie niemanden Waffenhilfe zugesagt hat. Das *Misstrauen des Kreml gegenüber der Politik Englands und Frankreichs*6, das sich hier immer wieder beobachten lässt, äußert sich in dem Bestreben, den Machtfaktor der Sowjetunion nicht als Karte in dem Spiel der anderen gebrauchen zu lassen und die Handlungsfreiheit möglichst lange aufrechtzuerhalten. *Die Haltung der Sowjet-Regierung bedeutet indessen keineswegs, dass sie gegebenenfalls nicht zu einer Waffenhilfe an Polen bereit sei, nur wünscht sie eben vorher die von ihr gestellten Bedingungen erfüllt zu sehen.*7 gez. von Tippelskirch Auf dem Blatt oben: zdA Pol II. PA AA, R 102783, Bl. D 535841. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 161, S. 162–163.
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Der Text ist unterstrichen. Vgl. „Soobščenie TASS“(Tass-Meldung). In: Izvestija vom 4. April 1939, S. 2. Vgl. deutscher Text in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok 75, S. Anlage, S. 74. Der Text ist unterstrichen. Beck hielt sich vom 3.4. bis 7.4.1939 zu Gesprächen in London auf. Der Text ist unterstrichen. Der Text ist unterstrichen.
14. 4. 1939 Nr. 436 Nr. 436 Denkschrift des Kolonistenrates des Verbandes der Russlanddeutschen Nr. 436 14. 4. 1939 14. 4. 1939 Berlin W.30., den 14.4.1939 Streng vertraulich Verband der Russlanddeutschen/Kolonistenrat Denkschrift! In der Sitzung vom 3. April 1939 berichtete der Verbandsleiter Pg. Frasch u. a., dass wegen der geplanten Ausstellung über das Russlanddeutschtum in Stuttgart und wegen dem getarnt stattfindenden Paketversand an hungernde Volksdeutsche in der UdSSR aus den eigenen Reihen der Russlanddeutschen immer wieder Beschwerden bei offiziellen Stellen erhoben werden und dass unter den Russlanddeutschen selbst eine gewisse Hetze betrieben wird. Der Verbandsleiter hält es daher für notwendig, dass der Kolonistenrat sich noch einmal eingehend mit diesen Fragen befasst, das Für und Wider in Erwägung zieht und seine Stellungnahme alsdann den interessierten Stellen zur Kenntnis bringt. 1.) Ausstellung über das Russlanddeutschtum in Stuttgart im Juni 1939 Zu dieser Frage nimmt der Kolonistenrat wie folgt Stellung: Gewisse Bedenken, eine Ausstellung über das Russlanddeutschtum im Reich zu veranstalten, sind nicht von der Hand zu weisen. Den Sowjets genügt oft ein geringer Vorwand, um an den ihnen ausgelieferten Volksdeutschen blutige Rache zu nehmen. – Wenn der VRD sich trotzdem für eine Ausstellung entschlossen hat, so ließ und lässt er sich von folgenden Erwägungen leiten: a) Es ist eine nicht wegzuleugnende Tatsache, dass das Russlanddeutschtum seit Jahr und Tag in der deutschen Öffentlichkeit zu kurz kommt und allmählich dem Vergessen anheimfällt. Es kann nicht im wohlüberlegten Interesse der Deutschen in der UdSSR liegen, dass ihr Leid und ihre Not mit Stillschweigen übergangen werden und dass man ihnen nicht einmal moralische Unterstützung gibt. Wir sind im Gegenteil der Meinung, dass die im Reich lebenden Russlanddeutschen in dieser Beziehung zu wenig getan und damit eine schwere Schuld auf sich geladen haben. b) In Russland wird das Deutschtum seit nunmehr 20 Jahren mit brutaler Gewalt vernichtet. Nach glaubwürdigen Schätzungen sind etwa 700.000 Menschenopfer zu beklagen. An Vorwänden hat es den Machthabern in der UdSSR nie gefehlt und wird es auch in Zukunft nicht fehlen. Das Verhalten der im Ausland wohnenden Russlanddeutschen gegenüber den Sowjets hat bisher weder im positiven noch im negativen Sinne einen Einfluss auf die Einstellung der Kommunisten gegenüber dem Russlanddeutschtum in der Sowjetunion gehabt. Es kann daher auch nicht angenommen werden, dass eine Ausstellung über das Russlanddeutschtum schlechthin ein Grund sein wird, die Deutschen in der UdSSR besonderen Verfolgungen auszusetzen. c) Allerdings kann dies nicht von jeder Ausstellung angenommen werden. Vorsicht ist durchaus am Platze. Deshalb hat die Verbandsleitung sich mit Recht entschlossen, dieser Ausstellung keine ausgesprochene antikommunistische Tendenz zu geben, sondern Nachdruck auf die geschichtlichen Leistungen des Russlanddeutsch-
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tums zu legen und alles wegzulassen, was mit bestimmten, heute noch in der UdSSR lebenden Russlanddeutschen zu tun hat. d) Wenn die Gegner einer jeden Ausstellung über das Russlanddeutschtum Recht hätten, dürfte der VRD überhaupt keine Verlautbarungen bringen und auch seine Zeitschrift, die „DPO“1 hätte nie einen gegen die Sowjets gerichteten Artikel erscheinen lassen dürfen. Die „DPO“ aber greift die Sowjets seit Jahr und Tag offen an und entlarvt die jüdisch-bolschewistischen Machenschaften, ohne dass dies zu bösen Folgen für die Deutschen in der UdSSR geführt hätte. Vertreter des VRD haben in vielen öffentlichen Vorträgen und Veröffentlichungen in reichsdeutschen Zeitungen aus ihrem Herzen ebenfalls keine Mördergrube gemacht. – Merkwürdigerweise haben die Ausstellungsgegner gegen diese Tatsachen noch nie Einspruch erhoben. e) Selbst wenn die Russlanddeutschen sich jeder antikommunistischen Äußerung enthalten wollten, bliebe die Tatsache bestehen, dass der Nationalsozialismus und das Deutsche Reich von den Kommunisten – und dies mit Recht – als Todfeind angesehen werden. Dies allein war und ist Vorwand genug, um Rache an den Deutschen in der UdSSR zu nehmen. Das Verhalten des VRD spielt dabei eine durchaus untergeordnete Rolle, sofern man die Frage prüft, ob man den Kommunisten einen Vorwand geben könnte. Für uns Russlanddeutsche aber ist die Bekämpfung des Kommunismus und vor allem das Eintreten für die Deutschen in der UdSSR eine selbstverständliche Pflicht, um die sich niemand drücken darf, mag er auch noch so sehr wegen seiner Angehörigen in der UdSSR Bedenken haben. Hier kann es nur darauf ankommen, keine bestimmten Personen ans Messer zu liefern. f) Der VDR hat nicht etwa leichtfertig gehandelt, sondern seinen Entschluss, eine Ausstellung zu veranstalten, reiflich überlegt und nach allen Seiten erwogen. Auch der Kolonistenrat hat sich fortlaufend mit dieser Frage im bejahenden Sinne befasst. Außerdem ist diese Frage mit der Volksdeutschen Mittelstelle und dem Auswärtigen Amt beraten worden. Das Auswärtige Amt hat den Deutschen Botschafter in Moskau vorsichtshalber um seine Meinung befragt. Er hat sich für die Ausstellung ausgesprochen und geraten, sie nicht in Berlin, sondern in Stuttgart zu veranstalten.2 Die Volksdeutsche Mittelstelle hat ihrerseits im bejahenden Sinne bereits Stellung genommen. g) Die hier unterzeichneten Mitglieder des Kolonistenrates haben selber nächste Anverwandte in der UdSSR und haben sich die Angelegenheit schon aus diesem Grunde reiflich überlegt. Wenn wir einmütig für die Ausstellung eintreten, so glauben wir, dass wir damit den Deutschen in der UdSSR nicht etwa schaden, sondern unbedingt einen wichtigen Dienst erweisen. 2.) Paketversand an hungernde Volksdeutsche in der UdSSR In dieser äußerst vertraulichen und delikaten Frage entschied sich der Kolonistenrat im Bewusstsein seiner schweren Verantwortung einstimmig für die Fortsetzung des segensreichen Werkes, das vielen Menschen das Leben erhält. Dem Auswärtigen Amt und allen anderen beteiligten Stellen kann nur wärmster Dank 1 Gemeint ist: Deutsche Post aus dem Osten. Monatsschrift; Schriftleitung: Carlo von Kügelgen. 2 Vgl. Dok. 274.
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14. 4. 1939 Nr. 436 ausgesprochen werden. Die bereits früher vom Kolonistenrat gebilligten Grundsätze für den Paketversand bleiben aufrechterhalten: a) Jede öffentliche Reklame wird strengstens vermieden. b) Sobald sich jemand meldet, der ein Paket an Verwandte oder Bekannte nach Russland schicken will, wird er von Seiten des VDR ausdrücklich auf die bekannten Gefahren aufmerksam gemacht. Der Antragsteller muss dann selbst entscheiden und ganz allein die Verantwortung übernehmen, ob ein Paket weggesandt werden soll oder nicht. Die Firma Fast wurde neuerdings gebeten, beim Paketversand die bisherige große Sorgfalt auch weiterhin anzuwenden und in jedem einzelnen Falle größte Vorsicht walten zu lassen. Pg. Fast berichtete dem Kolonistenrat anschließend kurz über das bisherige Ergebnis des Paketversandes. Ein Jahresbericht für 1938 der Fa. Fast liegt hier bei. Die Mitglieder des Kolonistenrates, die Parteigenossen Geibel und Löbsack, werden sich demnächst zu Pg. Fast begeben, um Einblick in seine Arbeit zu nehmen und dem Kolonistenrat auf der nächsten Sitzung Bericht zu erstatten. Die Anwürfe aus oppositionellen russlanddeutschen Kreisen werden als unsachlich zurückgewiesen. Der Kolonistenrat würde eine Unterbindung des Unternehmens für ein Unglück halten. gez. Unterschriften: Bln., den 24.4.393. Johannes Geibel, W. Holzwarth, Robert Carnatz, Czygan, Grube, Hugo Mentschel, Waldemar Löbsack, Durian, Wichmann, Eichler, Rau, Fast, Dr. Fuchs, Dr. Stumpp, v. Kügelgen, A. Frasch. 2 Anlagen 1 Verzeichnis der Teilnehmer an der Sitzung vom 3.4.39 1 Bericht der Fa. Fast Wir haben inzwischen den Paketversand A. Fast an Ort und Stelle geprüft und diese Organisation als mustergültig angefunden. Die dort gerade eingegangenen Dankschreiben waren für uns ein Beweis, dass es sich hier in der Tat um eine segensreiche Einrichtung handelt. gez. Waldemar Löbsack Johannes Geibel PA AA, R 60479, o. P., 4 Bl.
3 Die unterschiedliche Datierung (14./24.4.) konnte nicht aufgelöst werden, bei einem Datum muss es sich um einen Tippfehler handeln.
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Nr. 437
14. 4. 1939
Nr. 437 Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin Nr. 437 14. 4. 1939 14. 4. 1939 Geheim Eilt Nr. 4336/l 14. April 1939 AN DEN GENERALSEKRETÄR DES ZK DER VKP (B) Gen. STALIN Kopie an: Gen. Molotov Das diplomatische Corps in Berlin beabsichtigt, Hitler zu seinem 50. Geburtstag1 ein Geschenk zu machen, und der Doyen2 schlug Gen. Merekalov vor, sich an den Ausgaben zu beteiligen. Ich war der Ansicht, dass sich unser Bevollmächtigter Vertreter nicht abseits stellen sollte3, zumal das Geschenk ohne Nennung von Namen und im Namen des diplomatischen Corps überreicht werden soll. Gen. Merekalov teilt jetzt aber mit, dass der englische, der amerikanische und der französische Botschafter bislang ihr Einverständnis zu einer Beteiligung an dem Geschenk noch nicht gegeben haben, und er fragt an, wie er sich in diesem Fall verhalten soll. Ich bin der Ansicht, wenn auch nur zwei Botschafter ihre Beteiligung ablehnen, so sollten auch wir uns nicht beteiligen. Falls es keine Einwände gibt, bitte ich den beigefügten Entwurf des Chiffretelegramms zu bestätigen.4 Litvinov Veröffentlicht in: SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 115, S. 174.
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Am 20. April. Cesare Orsenigo. Wie Astachov am 13.4.1939 im Gespräch mit dem Stellvertreter des Doyen, dem türkischen Botschafter Arpağ, mitteilte, habe Merekalov „ausgehend von der Annahme, dass sich das gesamte diplomatische Corps an dieser Aktion ausnahmslos beteiligen wird“, die Zustimmung zur Beteiligung am Geschenk für Hitler gegeben. In: AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 59, l. 72. 4 Am selben Tag schickte Litvinov an Merekalov ein Telegramm, in dem es hieß: „Falls auch nur zwei Botschafter sich nicht an dem Geschenk beteiligen, so müssen auch Sie sich zurückhalten.“ In: SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 116, S. 174. Am 15.4.1939 rief Astachov Arpağ an und teilte ihm mit, dass sich die Bevollmächtigte Vertretung nicht an dem Geschenk für Hitler beteiligen werde. In: AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 59, l. 71.
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15. 4. 1939 Nr. 438 Nr. 438 Chiffretelegramm des Residenten der Aufklärungsverwaltung der RKKA in Japan Sorge an den Chef der 5. Verwaltung der RKKA Proskurov Nr. 438 15. 4. 1939 15. 4. 1939 Ostrova1.15.4.39. ENTSCHLÜSSELTES TELEGRAMM, Eingangs-Nr. 5515; MOSKAU, AN DEN CHEF DER 5. VERWALTUNG2 Otto3 hat Informationen zum militärischen Antikomintern-Pakt erhalten: in dem Fall, dass Deutschland und Italien einen Krieg gegen die Sowjetunion beginnen, wird sich Japan ihnen zu einem beliebigen Zeitpunkt vorbehaltlos anschließen. Wenn jedoch ein Krieg gegen die demokratischen Länder angefangen wird, so wird sich Japan dem nur bei einem Angriff im Fernen Osten anschließen oder wenn sich die UdSSR bei einem Krieg den demokratischen Staaten anschließen sollte. Falls es anders kommt, wird eine weitere Zusammenkunft einberufen werden, die darüber entscheidet, ob sich Japan diesem Pakt anschließen wird oder nicht. Diese Bedingung wurde mit dem Ziel gestellt, um Japan die Möglichkeit zu verschaffen, einem Anschluss auszuweichen, zumindest für die Zeit, in der das Kabinett Hiranuma4 an der Macht ist, das gegen einen Krieg gegen die demokratischen Länder ist. In dem Fall, dass sich Japan dem Krieg anschließt, wird es seine Flotte in den Gewässern des Stillen Ozean unweit von Singapur zusammenziehen. Laut Pakt wird von Japan auch eine Beteiligung am Krieg in Europa gefordert … (6 Wörter sind unverständlich). Diese Erläuterungen sind an Botschafter Ōshima geschickt worden. Von ihm ist noch keine Antwort eingegangen. „NO-2. Sondermeldung. Liste Nr. 1: an Stalin (2), Vorošilov, Molotov, Kaganovič, Andreev, Ždanov, Berija, Šapošnikov, Proskurov. 17.4“. „an Gen. Gerasimov 73 zur Ausführung. Kislenko. 19.4.39“. „an die Gen. Popov und Šlenskij. 28.4.“. Veröffentlicht in: „Delo Zorge“. Telegrammy i pis’ma, S. 232.
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Allem Anschein nach der Deckname für Japan. Auf Anweisung des Volkskommissars für Verteidigung Vorošilov wurde am 14.4.1939 die Aufklärungsverwaltung der RKKA in die 5. Verwaltung der RKKA umgewandelt. 3 Deckname für das Mitglied der Tokioter Residentur der Aufklärungsverwaltung der RKKA Hotsumi Ozaki. 4 Die Regierung Hiranuma war vom 5.1. bis 28.8.1939 im Amt.
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Nr. 439
15. 4. 1939
Nr. 439 Schreiben des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin Nr. 439 15. 4. 1939 15. 4. 1939 Geheim Expl. Nr. 8 Nr. 4344/l. 15. April 1939 AN DEN GENERALSEKRETÄR DES ZK DER VKP (B) Gen. STALIN Kopien an:
Gen. MOLOTOV Gen. VOROŠILOV Gen. KAGANOVIČ
Uns liegen der Vorschlag der englischen Regierung zu einer einseitigen Erklärung von unserer Seite1 und der konkretere französische Vorschlag zur Erweiterung des sowjetisch-französischen Paktes über gegenseitige Hilfeleistung 2 vor. Es ist möglich, dass England die Initiative für einen Pakt mit uns nicht übernehmen will und die französische Regierung vorschickt, um bei uns zu sondieren. Jedenfalls legen England **und Frankreich**3 mittels solcher Fragen und Vorschläge ihre Positionen und Wünsche offen. Wenn wir bei ihnen etwas erreichen wollen, müssen auch wir unsere Wünsche etwas enthüllen. Es ist nicht zu erwarten, dass die andere Seite uns gerade das vorschlagen würde, was wir wollen. Es ist schließlich nötig, Propaganda für unsere eigenen Wünsche zu führen und sie der öffentlichen Meinung zu erklären. Wenn wir mit England und Frankreich überhaupt zusammenarbeiten wollen, so würde ich für das Minimum unserer Wünsche Folgende benennen: *1. *Ein gegenseitiger Beistand*4 zwischen England, Frankreich und der Sowjetunion *im Falle einer Aggression*5 gegen einen dieser Staaten *in Folge des Beistands*6, den dieser Staat einem beliebigen europäischen *Nachbarn der UdSSR*7 erweist8 (von dem englischen Vorschlag unterscheidet sich dieser Punkt dahingehend, dass die einseitige Erklärung durch einen zweiseitigen Pakt ersetzt wird, und vom französischen durch die Aufnahme des Baltikums und Finnlands als mögliche Opfer einer Aggression). 2. England, Frankreich und die Sowjetunion verpflichten sich gegenseitig, den europäischen Nachbarn der UdSSR Hilfe zu leisten.*9 1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. DVP, Bd. XXII, Dok. 221, S. 273. Vgl. God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 269, S. 380. Der Text ist über die Zeile geschrieben. Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit blauem Farbstift umkringelt Der Text ist mit blauem Farbstift umkringelt. Der Text ist ab Beginn von Punkt 1 bis „erweist“ zweimal mit blauem Farbstift angestrichen und am linken Seitenrand mit N[ota]B[ene] versehen. 9 Die Punkte 1 und 2 sind am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen.
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15. 4. 1939 Nr. 439 3. Vertreter der drei Staaten gehen unverzüglich daran, Umfang und Formen der Hilfeleistung zu erörtern und festzulegen. 4. Die UdSSR, England und Frankreich verpflichten sich, ohne gemeinsames Einverständnis der drei Staaten keine Entscheidungen zu treffen und Abkommen mit anderen Staaten zu Fragen abzuschließen, die den Osten Europas betreffen. In gleicher Weise verpflichten sie sich, dass keiner für sich allein Frieden mit den Aggressoren schließt.10 Es stehen offenbar dringende und komplizierte Verhandlungen bevor, sowohl mit Frankreich als auch insbesondere mit England. Ich möchte deshalb vorschlagen, noch einmal zu prüfen, ob es nicht angebracht wäre, Gen. Majskij vorerst in London zu belassen.11 Ich halte es als äußerst gefährlich und ungünstig für uns, die Verhandlungen über diplomatische Vertreter anderer Ländern zu führen. Sie zeichnen in der Regel nicht an Ort und Stelle die Gespräche auf, und wir haben keine Möglichkeit, die exakte Übermittlung unserer Vorschläge und insbesondere unserer Motive an ihre Regierungen zu kontrollieren. Und schließlich ist es notwendig, die öffentliche Meinung in England zu verfolgen und auf sie einzuwirken. Mit der Abreise des Gen. Majskij hört unsere Bevollmächtigte Vertretung als diplomatische Vertretung faktisch zu funktionieren auf, weil es dort keinen einzigen Menschen geben wird, den man mit ernsthaften diplomatischen Verhandlungen betrauen könnte oder den die Engländer ernst nehmen würden. LITVINOV Vermerk V.M. Molotovs mit blauem Farbstift: Englisch-sowjetische Verhandlungen (NB). Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. 1–5 an die Adresse, das 6. [Exemplar] an Gen. Potemkin, das 7. an Gen. Litvinov, das 8. ins Archiv. AVP RF, f. 06, op. 1, p. 2, d. 11, l. 218–219. Kopie. Veröffentlicht in: DVP, Bd. XXII, Dok. 224, S. 277–27812.
10 Der von Litvinov aufgrund der Bemerkungen Stalins überarbeitete Entwurf der Vorschläge (vgl. DVP, Bd. XXII, Dok. 228, S. 283) wurde dem Botschafter Großbritanniens in der UdSSR, Seeds, am 17.4.1939 überreicht. Vgl. ebd., Dok. 229, S. 283–284. 11 Am 15.4.1939 wurde Majskij zwecks Beratung zu den englisch-französisch-sowjetischen Verhandlungen nach Moskau gerufen (vgl. I.M. Majskij: Dnevnik diplomata. London 1934–1943, Bd. 1, hrsg. von L.V. Pozdeeva u.a., Moskva 2006, S. 373. Die Maiski-Tagebücher. Ein Diplomat im Kampf gegen Hitler, hrsg. von Gabriel Gorodetsky, München 2016, S. 283), davon fand eine am 21.4.1939 im Kreml statt (vgl. Na prieme u Stalina, S. 257). 12 Das Dokument wurde in redaktioneller Bearbeitung veröffentlicht.
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Nr. 440
17. 4. 1939
Nr. 440 Schreiben des Militärattachés in Moskau Köstring an den Oberquartiermeister IV im Generalstab des Heeres von Tippelskirch Nr. 440 17. 4. 1939 17. 4. 1939 Moskau, den 17.4.1939 Der Militär- und Luftattaché Lieber Herr v. Tippelskirch! Ihre Anfragen im Briefe vom 29.3. möchte ich dahin beantworten: 1.) Tatsache ist, dass sowohl bei der großen politischen Rede Stalins1, wie auch bei anderen Gelegenheiten wir recht gut fortkommen, zumindestens nicht als die einzigen Verbrecher in Europa dargestellt werden. Der Gedanke, dass wir die Ukraine uns auch noch einverleiben wollen, wurde kaum noch erwähnt. Die – damalige – Idee, die Karpato-Ukraine als Kristallisationspunkt für eine große Ukraine zu benutzen, wurde von Stalin mit einigen Witzen abgetan. Aber die Westmächte, sie sind es, die Deutschland auf die S.U. hetzen wollen. So etwa waren die Grundgedanken. Auch die Presse brachte nicht mehr Ausfälle gegen uns, als der sozusagen laufende Tagesbedarf es erforderte: Neben den üblichen Gräuelmeldungen aus allen von uns „eroberten“ Ländern, unsere Truppenkonzentrationen gegen fast alle an uns grenzende Länder, Überführung von Truppen nach Italien, Afrika. Eine große gegen uns gerichtete politische Linie war nicht zu erkennen. Dauernd das Angebot der kollektiven Sicherung gegen die „Aggressoren“. Doch ein alter Schinken. Nachdem das Argument der S.U. gescheitert war, eine Konferenz gegen die „Aggressoren“ zusammenzuberufen2, die ihr die beste Gelegenheit gegeben hätte, nicht nur gegen uns, sondern auch die „befreundeten“ Staaten gegeneinander zu hetzen, schienen sie sich zunächst damit zu begnügen, in der großen Politik wieder hoffähig geworden zu sein. Sogar als begehrter Partner von Frankreich und England, dann allmählich auch das gleiche für das widerspenstige Polen und Rumänien zu werden. Ich glaube, dazu wurde dauernd diesen Mächten unter die Nase gerieben, wie dämlich sie gewesen seien, an „München“ zu glauben. Sie hätten sich getäuscht, durch ihre Nachgiebigkeit dort, Deutschland gegen die S.U. aufhetzen zu können. Ersteres hätte den in München gegebenen Wechsel nicht eingelöst. Die einzige Rettung vor den Aggressoren wäre eben die kollektive Zusammenarbeit mit dem mächtigen Russland. (Dazu Rede Woroschilows über die Stärke der Roten Armee!3). 1 2 3
Vgl. Dok. 424. Vgl. Dok. 431, Anm. 4. Vgl. Kliment E. Vorošilov: Reč na XVIII s-ezde VKP (b): 13 marta 1939 (Rede auf dem 18. Parteitag der VKP (B)), Moskva 1939. Die Rede erschien auf Deutsch in einem Sonderheft der Deutschen Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften unter dem Titel: Die militärische Stärke der Anderen, Band 1, Berlin (2. Juni) 1939. Die Schriftleitung von „Wissen und Wehr“ schrieb dort in der Einleitung: „Im Einvernehmen mit dem Herrn Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda beginnen wir mit dem vorliegenden Heft die Herausgabe einer Serie volkstümlicher Schriften, die den Zweck haben, das deutsche Volk über die militärische Stärke anderer Völker aufzuklären. In der Reihe der Länder, die in dieser Beziehung der Betrachtung wert sind, steht an erster Stelle die Sowjetunion. […] Diese Rede [Vorošilovs] verdient insofern größte Beachtung, als sie besonders geeignet ist, unser Volk vor Enttäuschungen zu bewahren, wenn es dereinst einmal im Osten zu einer kriegerischen Auseinandersetzung kommen sollte.“
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17. 4. 1939 Nr. 440 „Er könnte auch anders“, sagen Sie, also mit Deutschland gehen; daran wird Stalin zunächst selbst nicht glauben. Vielleicht wollte er die anderen es glauben machen. Denn die Möglichkeit der Einigung der beiden Länder lag doch immer als Alpdruck über vielen Staaten. Tut er es nicht, so muss er eben politisch höher bezahlt werden, sie werden sich „verstärkt für Russland interessieren“, wie Sie es bezeichneten. Ich glaube, man muss bei der Politik der S.U. 2 entscheidende Momente berücksichtigen: a. Der Wunsch und die Hoffnung – in zahlreichen Fällen zum Ausdruck gebracht –, dass die kapitalistischen Staaten sich gegenseitig den Schädel einschlagen, und am Ende steht die S.U. als mächtigster Staat da. Ob es nun unter der Maske der Weltrevolution oder unter anderen Vorwänden vor sich geht, ist ihr gleichgültig. Jedenfalls ist sie Herr in Europa, vor allem die Angst vor dem gefährlichsten Gegner Deutschland los. Zu diesem Ziel Hetze überall! b. Die S.U. wird die schönsten Abmachungen, Generalstabsbesprechungen (heute taucht letzterer Gedanke solcher mit Frankreich im Radio auf) auf dem Papier tätigen. Schlagen wird sie sich nicht, bestimmt nicht zu Beginn einer großen Auseinandersetzung. Wozu denn? Würden Sie als Stalin anders handeln? Zu Ihrer anderen Frage: Ob die Lösung des tschechischen Problems die russische Politik grundsätzlich ändern wird? - Nein. Ich erinnere an Litwinows Wort: „Die Tschechei interessiert uns nicht, wir werden aber wegen des angriffslustigen Deutschland ihr unser Wort halten und unser Bestes tun.“ Nichts hat die S.U. getan, als Reden gehalten. Weshalb soll sie jetzt, da wir den Rest genommen haben, ihre Politik ändern, als vom Leder ziehen? Unser Einmarsch in die Tschechei vollzog sich während der Tagung des XVIII. Parteikongresses, er wurde mit Stillschweigen übergangen. Aus den mir zugänglichen Akten des tschechischen Militärattachés ist eine engere militärische Zusammenarbeit S.U./Tschechei nicht ersichtlich. Ich erinnere auch an unsere einstige Zusammenarbeit mit der S.U. 1931 dachten wir doch auch an eine „Militärkonvention“ oder Ähnliches – die Russen zeigten die kalte Schulter. M[eines] W[issens] ist ein Militär-Vertrag Russland/Frankreich auch nicht zustandegekommen. Die Bedenken der S.U., sich militärisch festzulegen, scheinen mir klar zu sein. Eines könnte die Russen bei einer allgemeinen Auseinandersetzung vielleicht früher aktiv auf den Plan rufen: die Angst vor uns bei einer Annäherung an die „rechte Flanke“, ich meine die baltischen Staaten. Da sind russische Lebensinteressen gefährdet. Daher wohl auch die Verquickung der Handelsverhandlungen mit Finnland mit politischen Forderungen seitens der S.U., worauf die Finnländer die Verhandlungen abgebrochen haben sollen. Daher auch die drohendere Erklärung gegen Estland, dass die S.U. eine Änderung des Status quo dort nicht dulden würde, was auch Lettland erklärt sein soll. (Ich bitte, diese Nachricht, falls Ihnen nicht schon bekannt, als für Sie persönlich bestimmt zu betrachten). Estland hat die russischen Zumutungen zurückgewiesen. Bei Lettland scheint es dasselbe zu sein, ob Litauen die gleiche Verwarnung erhielt, ist uns nicht bekannt. Also ein Werben, Drohen bei den Nachbarn, besonders denen der rechten Flanke. Das Angebot von Öl und Rüstungslieferung an die Türkei hat mir mein türkischer Kollege bestritten.
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Nr. 441
17. 4. 1939
2.) Ihr Vetter Tippelskirch4 ist über meine Reise nach dem F.O. etwas betrübt, denn die Botschaft ist von seinen Mitarbeitern ziemlich entblößt: Der Botschafter verheiratet in Teheran5 und bleibt mehrere Wochen fort. Einer der Legationssekretäre6, der nach Memel abkommandiert war, hat einen Freiplatz in einem Flugzeug bekommen und kehrt über Teheran nach Moskau zurück. Der andere Legationssekretär7 ist heute nach Paris abkommandiert. Ihr armer Vetter bleibt sozusagen als Grabenbulle allein zurück. Ich bedauere ihn wirklich. Ihr Vetter ist aber auch der Auffassung, dass ein Rücktritt von meiner Reise, die seit Wochen schon das größte Interesse im diplomatischen Corps erregt hat, doch Unruhe bringen würde, und die sollen wir doch vermeiden. Als mich ein Kollege in Gegenwart des „schwach“ gewordenen englischen Attachés darauf ansprach, wie denn meine Regierung mich jetzt bei der unruhigen Zeit reisen lassen könnte, konnte ich mich doch nicht enthalten zu antworten: „Nachdem Polen England seine nationale Unabhängigkeit garantieren würde, wäre ich ganz ruhig und könnte reisen.“ Ich melde mich also hiermit bei Ihnen ab und hoffe, dass meine Reise erfolgreich sein wird. Zunächst werde ich mal mich in Sibirien 9 Tage lang ausschlafen. Heil Hitler! Ihr aufrichtig ergebener Köstring Eigenhändige Unterschrift. BA MA, N 123/10, 5 Bl. Veröffentlicht in: General Ernst Köstring, S. 231–233.
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Nr. 441 Aufzeichnung des Staatssekretärs im AA Freiherr von Weizsäcker Nr. 441 17. 4. 1939 17. 4. 1939 Berlin, den 17. April 1939 St.-S. Nr. 339 Der Russische Botschafter kam heute – zum ersten Mal seit seiner hiesigen Amtstätigkeit – zu einer sachlichen Besprechung zu mir.1 Er verbreitete sich über eine ihn angeblich besonders interessierende Sache, nämlich die Erfüllung gewisser Kriegsmateriallieferungskontrakte durch die Skoda-Werke. Obgleich die Objekte, um welche es sich dabei handelt, offenbar ziemlich geringfügig sind, wollte der Botschafter aus der Erfüllung der Kontrakte einen Prüfstein dafür machen, dass wir – im Sinne einer kürzlichen Äußerung des Ministerialdirektors Wiehl ihm gegen4 5 6 7
Werner von Tippelskirch. Vgl. Dok. 432. Hans von Herwarth. Gebhardt von Walther war von April bis Mai 1939 in die Zentrale nach Berlin abkommandiert. 1 Den ersten protokollarischen Besuch bei von Weizsäcker und von Ribbentrop stattete Merekalov am 6.7.1938 ab; vgl. Dok. 297.
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17. 4. 1939 Nr. 441 über2 – gewillt seien, unsere Wirtschaftsbeziehungen zu Russland wirklich zu pflegen und auch weiter auszudehnen. Die Sache dieser Lieferungsverträge wird an anderer Stelle weiter verfolgt.3 Gegen Schluss der Erörterung warf ich dem Botschafter ein Wort darüber hin, dass auch bei gutem Willen unsererseits Kriegsmateriallieferungen an Sowjetrussland im jetzigen Augenblick atmosphärisch nicht gerade begünstigt würden durch Nachrichten über einen russisch-englisch-französischen Luftpakt und dergleichen. Herr Merekaloff ergriff das Wort, um auf das politische Gebiet überzugehen. Er erkundigte sich nach der hiesigen Auffassung über die gegenwärtige Lage in Mitteleuropa. Als ich ihm sagte, Deutschland sei meines Wissens das einzige Land, welches das gegenwärtige europäische Säbelrasseln nicht mitmache, fragte er mich nach unserem Verhältnis zu Polen und nach angeblichen militärischen Zusammenstößen an der deutsch-polnischen Grenze. Nachdem ich letztere dementiert und über die deutsch-polnischen Beziehungen einige ziemlich gelassene Bemerkungen gemacht hatte, fragte der Russe mich unverblümt, was ich von dem deutsch-russischen Verhältnis hielte. Ich erwiderte Herrn Merekaloff, wir hätten bekanntlich stets den Wunsch gehabt, mit Russland in einem beiderseits befriedigenden Wirtschaftsaustausch zu leben. Die russische Presse schiene mir in der letzten Zeit die deutschfeindliche Tonart der amerikanischen und auch teilweise der englischen Blätter nicht **ganz**4 mitzumachen. Was die deutsche Presse betreffe, so werde Herr Merekaloff, da er sie gewiss genau verfolge, sich selbst ein Urteil bilden können. Der Botschafter erklärte hierauf etwa Folgendes: Die russische Politik sei immer geradlinig gewesen. Ideologische Meinungsverschiedenheiten hätten das russisch-italienische Verhältnis kaum beeinträchtigt und brauchten es auch Deutschland gegenüber nicht zu stören. Sowjetrussland habe die jetzigen Reibereien zwischen Deutschland und den westlichen Demokratien nicht gegen uns ausgenützt und wünsche das auch nicht zu tun. Es bestehe für Russland kein Grund, warum es nicht mit uns auf einem normalen Fuße leben sollte. Aus normalen Beziehungen könnten auch wachsend bessere werden. Mit dieser Bemerkung, auf welche der Russe die Unterhaltung hingeführt hatte, beendete Herr Merekaloff das Gespräch. Er hat die Absicht, in den nächsten Tagen zu einem Besuch nach Moskau zu reisen. (gez.) Weizsäcker Auf erstem Blatt unten: Herrn R.A.M., U.St.-S., Dg. Pol., Direktor R., Direktor W., Dr. Schmitt (Presse). PA AA, R 29712, Bl. 111291-111292. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 215, S. 221–222.
2 Vgl. Aufzeichnung Astachovs über das Gespräch mit Wiehl am 7.4. in: AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 59, l. 72-68. 3 Vgl. Dok. 442, 457. 4 Das Wort ist eingefügt.
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Nr. 442
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Nr. 442 Aufzeichnung des Staatssekretärs im AA Freiherr von Weizsäcker Nr. 442 17. 4. 1939 17. 4. 1939 Berlin, den 17. April 1939 St.-S. Nr. 342 Der Russische Botschafter suchte mich heute auf und übergab mir die anliegende Verbalnote nebst Memorandum1. Er erklärte, in den nächsten Tagen nach Moskau reisen zu müssen und würde großen Wert darauf legen, eine Antwort mündlich oder schriftlich bis dahin zu erhalten. Die Erfüllung oder Nichterfüllung der russischen Kontrakte mit den Skoda-Werken, welche übrigens materiell nicht so sehr viel bedeuten, sei ein Prüfstein für die wahren deutschen Absichten betreffend Aufrechterhaltung bzw. weitere Ausdehnung der deutsch-russischen **Wirtschafts**2beziehungen. Der Botschafter sei persönlich um diese wirtschaftliche Frage bemüht gewesen und betrachte die jetzige Angelegenheit mit den SkodaWerken als einen Zwischenfall, den er persönlich und wichtig nehme. Ich habe dem Botschafter in Unkenntnis des Details zunächst erklärt, ich könne mir nicht denken, dass eine Diskriminierung Russlands vorliege, wahrscheinlich seien aus Anlass der militärischen Besetzung des jetzigen Protektoratsgebiets alle Skoda-Lieferungen aufgehalten worden. Natürlich sei nunmehr das Protektoratsgebiet der deutschen Gesamtwirtschaft soweit eingegliedert, dass eventuell auch laufende Privatverträge von Firmen im Protektoratsgebiet eine Abänderung erfahren müssten. Trotzdem möchte ich annehmen, dass die Sache eine wirtschaftliche Seite habe, der ich gern Interesse entgegenbringen wolle. Versprechungen könne ich nicht machen mit Ausnahme derer, eine beschleunigte Behandlung zuzusichern. Hiermit nebst Verbalnote Herrn Direktor W[irtschaft]3 mit der Bitte, mich über die weitere Behandlung zu orientieren. (gez.) Weizsäcker Unten: w[ieder] v[orgelegt] am 19. April mit zwei Abzeichnungen von Weizsäckers. PA AA, R 29712, Bl. 111293. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 217, S. 222–223.
1 In der Akte nicht vorhanden. Eine russische Version der Note und des Memorandums ist veröffentlicht; vgl. Dok. 443, Anm. 2. 2 Der Text ist handschriftlich hinzugefügt. 3 Emil Wiehl.
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18. 4. 1939 Nr. 443 Nr. 443 Telegramm des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov an das NKID Nr. 443 18. 4. 1939 18. 4. 1939 18. April 1939 Ich wurde von Weizsäcker empfangen.1 Ich überreichte ihm eine Note2 und gab eine Erklärung im Zusammenhang mit der Einstellung der Warenlieferungen von „Škoda“ aufgrund der Intervention von Gen[eral] Barckhausen ab. 3 Die Erklärung bestand darin, auf die Abnormität der entstandenen Situation hinzuweisen; die Einschränkung, die nur gegenüber Aufträgen sowjetischer Organisationen gemacht wurde, stelle eine unmittelbare Diskriminierung dar und widerspreche dem Sinn des Erlasses des Reichskanzlers vom 22. März4, der die Gültigkeit der alten tschechoslowakischen Verträge bestätigt habe. Nachdem ich den Versuch Weizsäckers, die Angelegenheit auf die Ebene der Handelsbeziehungen zwischen der Handelsvertretung und „Škoda“ zu verlagern, zurückgewiesen und auf die direkte Einmischung der deutschen Militärbehörden hingewiesen hatte, forderte ich ihn auf, diese Unregelmäßigkeiten unverzüglich zu beseitigen und die Erfüllung der von „Škoda“ eingegangenen Verpflichtungen sicherzustellen. Weizsäcker brachte den Gedanken vor, dass diese Maßnahmen nur vorübergehend seien, und versprach, die Angelegenheit zu prüfen und zu beantworten, wobei er scherzhaft bemerkte: Wie könne man denn Kanonen liefern, wenn die Frage des Luftpakts im Raum stehe.5 Weizsäcker bestätigte, dass seit drei Monaten mit den Polen über die Übergabe Danzigs und den Bau einer exterritorialen Autobahn durch den polnischen „Korridor“ verhandelt würde.6 Im Gegenzug hätte man eine Garantie für Polens Westgrenze angeboten. Deutschland wolle niemanden angreifen. Alle mobilisierten, sogar Holland, Belgien, die Schweiz; Deutschland habe niemanden über das normale Maß hinaus herausgefordert, obwohl es viel in dieser Richtung tun könnte. England habe eine nervöse Situation geschaffen, es dränge kleinen Ländern, die das nicht wollen, eine Garantie auf. In letzter Zeit verhalte sich die sowje1 2 3
Am 17.4.1938. Vgl. auch Dok. 441, 442, 448. Vgl. DVP, Bd. XXII, Dok. 237, Anlage, S. 294–296. Vgl. die Instruktion Litvinovs an Merekalov vom 5.4.1939 (in: God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 279, S. 360) sowie das Gespräch Astachovs mit Wiehl am 7.4.1939, das der Frage der Aufträge bei der Firma „Škoda“ gewidmet war (in: AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 59, l. 72). 4 In § 6 (1) heißt es „Die auswärtigen Angelegenheiten des Protektorats, insbesondere den Schutz seiner Staatsangehörigen im Ausland, nimmt das Reich wahr. Das Reich wird die auswärtigen Angelegenheiten so führen, wie es dem gemeinsamen Interesse entspricht.“ Vgl. „Erlass des Führers und Reichskanzlers über das Protektorat Böhmen und Mähren“ vom 16.3.1939. In: Reichsgesetzblatt, Teil I, 1939, S. 485–488, hier S. 487. 5 Die Informationsquelle über Verhandlungen zwischen den Westmächten und der UdSSR über einen Luftpakt war offenbar ein Bericht der United Press (NS-Presseanweisungen, Bd. 7/I, S. 369). In den veröffentlichten sowjetischen Dokumenten waren Informationen über solche Verhandlungen nur unter Bezugnahme auf die ausländische Presse zu finden. Vgl. DVP, Bd. XXII, Dok. 235, S. 288. 6 Die Gespräche zwischen deutschen und polnischen Diplomaten und Politikern über dieses Thema begannen bei einem Treffen zwischen von Ribbentrop und Lipski am 24.10. 1938. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. V, Dok. 81, S. 87–89; Polskie Dokumenty Dyplomatyczne 1938, Warszawa 2007, Dok. 399, S. 725–729; Waclaw Jẹdrzewicz (Hrsg.): Diplomat in Berlin, 1933– 1939. Papers and memoirs of Józef Lipski, Ambassador of Poland, New York/ London 1968, Dok. 124, S. 453–458.
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Nr. 444
19. 4. 1939
tische Presse viel korrekter als die englische. Deutschland habe grundlegende politische Differenzen mit der UdSSR. Es möchte jedoch die wirtschaftlichen Beziehungen zu dieser ausbauen. Veröffentlicht in: God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 279, S. 389.
Nr. 444 Bericht des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Litvinov Nr. 444 19. 4. 1939 19. 4. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 2 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 101/s1 Berlin, 19.IV.1939 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN Gen. M.M. LITVINOV Angesichts des Fehlens genauer Informationen zu den nächsten Vorhaben des Führers greift die diplomatische Welt in Berlin zu allerlei Gerüchten, die ausführlich darzulegen sich kaum lohnt. Deshalb muss man aus ihnen diejenigen auswählen, die entweder für die hiesige Situation typisch sind und besonders oft wiederholt werden, oder diejenigen, die eine gewisse Bestätigung in der Praxis finden. *Das Hauptaugenmerk richtet sich jetzt auf Danzig.*2 Es wird erwartet, dass sich *hier in nächster Zeit die Ereignisse entladen werden*. Jedoch neigen nur wenige der Ansicht zu, dass die Lösung dieses „Problems“ zum Krieg führen wird. Zwar brüsten sich die hiesigen Polen und versichern, dass sie *Danzig den Deutschen nicht überlassen werden und mitunter versuchen sie sogar, die Tatsache zu leugnen, dass darüber verhandelt wird. Jedoch werden diese Versicherungen nicht sonderlich ernst genommen. Es herrscht die Auffassung vor, dass die Deutschen dennoch Danzig bekommen werden, indem sie vorläufig auf andere territoriale Forderungen, die sie anfangs erhoben hatten, verzichten (Bohumín)3.* Es kursiert das Detail, dass die Deutschen die Zusicherung geben, Danzig nicht zu befestigen. Anstelle von exterritorialen Autobahnen, auf die die Deutschen ursprünglich Anspruch erhoben, geben sie sich mit einem *zoll- und visafreien Transit über einen nördlichen Weg (über Neustadt)* zufrieden, das Problem des Korridors stellen sie vorläufig zurück. Es wird vermutet, dass die Deutschen damit rechnen, in den nächsten Tagen Warschau gerade diese Zugeständnisse abzuringen, diese auf der 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der hier und im Folgenden so gekennzeichnete Text ist von Potemkin mit blauem Farbstift unterstrichen. 3 Stadt in der Tschechoslowakei, die im Oktober 1938 Polen zugeschlagen wurde.
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19. 4. 1939 Nr. 444 Sitzung des Reichstages am 28. April4 zu verkünden und damit unter ihren Gegnern eine gewisse Verwirrung zu stiften. Was die Balten betrifft, so leben sie unter dem Druck einer weit düsteren Version. Ihnen scheint andauernd, dass Berlin und Warschau konkrete Gespräche über eine radikalere Lösung des Korridor-Problems führen – im Sinne der *Abtretung des Korridors an Deutschland, Litauens und Libaus aber an Polen*. Die Stimmung der Balten (insbesondere der Litauer) grenzt an völliger Verzweiflung („wir wissen nicht, was morgen mit uns sein wird“). In einer solchen Atmosphäre wird es den Deutschen nicht schwerfallen, *den Balten die nächsten Zugeständnisse abzupressen und dafür die Anwesenheit der Delegationen zum Jubiläum des Führers nutzen*. Diese Delegationen werden von den Deutschen verstärkt bearbeitet werden. Der Druck auf die Litauer erfolgt auf der Linie der „Regelung“ von Fragen, die mit der Angliederung Memels (alte Verluste usw.) verknüpft sind, und des Bestrebens, die *Litauer von dem Vorhaben abzubringen, den Transit über das Memelgebiet* zu verweigern, indem er über Libau oder im Weiteren über Polangen umgeleitet wird. *Die Deutschen fordern von den Finnen, ihnen die Befestigung der ÅlandInseln zu übertragen* und **behalten sich damit ihre Zustimmung zu dieser Befestigung vor („Deutschland ist die größte Seemacht im Ostseeraum, und es kann nicht zulassen, dass hier befestige Räume ohne seine Beteiligung errichtet werden“)**5. Zu dem anderen, umfassenderen Fragenkomplex, der mit dem Problem der „Achse“ und des Mittelmeers verknüpft ist, ist hier etwas weniger zu hören, da sich das Wesentliche auf diesem Gebiet in Rom konzentriert. Die Aufzeichnung meines Gesprächs mit dem türkischen Botschafter6 vermittelt eine gewisse Vorstellung von den Plänen der „Achse“ im östlichen Mittelmeer. Die Fakten, die nach diesem Gespräch eintraten (die Entsendung eines deutschen Geschwaders ins Mittelmeer, die Ernennung von Papens für Ankara7), vervollständigen gleichsam dieses Bild und verstärken die Aussicht auf weitere Überraschungen von dieser Seite. Wie *angespannt die Nerven der Engländer sind*, kann man sogar daran ermessen, dass der hiesige englische Geschäftsträger Ogilvie-Forbes die Aufmerksamkeit unterstrich, die die englische Aufklärung diesem Geschwader widme und mit der sie jeden seiner Schritte verfolge, und darauf hinwies, dass die Engländer selbst einen Trick wie die Entsendung einer *Luftlandeeinheit der Deutschen nach Tanganjika* oder in eine andere ehemalige deutsche Kolonie nicht für ausgeschlossen halten. Der Korrespondent der „Times“ erhielt Briefe, in denen die *Möglichkeit einer „Überraschung“ Deutschlands in Tanger und in Spanisch-Marokko* signalisiert wurde. Ihrerseits schauen die Deutschen, während sie in Gesprächen mit Auslandsjournalisten Pläne zur „Einkreisung“ Deutschlands verharmlosen und lächerlich machen, nicht davor zurück, die *Drohung einer Eroberung Hollands* in Umlauf zu bringen – im Falle eines Kriegsausbruchs. Die Ausweisung des Korrespondenten des „News Chronicle“, Harrison, wurde laut Bestätigung von mit Details dieser Angelegenheit vertrauten Personen nicht so sehr durch die Meldung des 4 Zur Rede Hitlers vor dem Reichstag am 28.4.1939 vgl. Domarus: Hitler. Reden und Proklamationen, Bd. II/1, S. 1148–1179. Hitler kündigte in dieser Rede das am 26.1.1934 mit Polen geschlossene Nichtangriffsabkommen auf; ebd., S. 1163. 5 Der Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. 6 Mehmet Hamdi Arpağ. 7 Am 20. April 1939.
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Nr. 444
19. 4. 1939
Korrespondenten über diesen Plan unter Berufung auf einen offiziellen Beamten hervorgerufen, als vielmehr durch den Umstand, dass das von ihm in dieser Meldung verwendete Wort „altmodisch“ tatsächlich vom Führer gebraucht worden war. Letzterer hat im engen Kreis mehrmals dieses Wort gebraucht, indem er Methoden der Angriffsvorbereitung wie die Konzentrierung von Truppen usw. als „altmodisch“ bezeichnete. An die Stelle dieser Methoden seien angeblich Methoden der „blitzartigen“ Eroberung, Luftlandeunternehmen usw. getreten. Wenn man nach äußerlichen, protokollarischen Momenten urteilt, so sind *einige Anzeichen für eine Verschlechterung der diplomatischen Lage Deutschlands* auszumachen. Nach langer Zeit haben zum ersten Mal die wichtigsten Botschaften in Berlin (der USA, Englands, Frankreichs, abgesehen von unserer), zu einer demonstrativen Geste wie der *Weigerung gegriffen, sich an dem Geschenk für den Führer* zu beteiligen.8 Einige Länder, darunter Polen und Jugoslawien, entzogen sich bis zum letzten Moment einer Entsendung von Delegierten, die zu den Feierlichkeiten eingeladen waren. Der protokollarische Teil der Feierlichkeiten wird deshalb seitens des diplomatischen Corps überhaupt nicht glatt verlaufen und die Glückwunschrede des Nuntius9 wird äußerst „angesäuert“ ausfallen. Im Zusammenhang damit sind jedoch auch andere Anzeichen auszumachen: die Mehrheit (wenn nicht gar alle) *Vertreter der kleinen Länder ließ sich nicht von den Engländern und Amerikanern, die verstärkt gegen die Geschenkidee (von dem dänischen Gesandten10 unterbreitet) agitierten, überreden und riskierten nicht, ihre Teilnahme abzusagen*. Dies zeugt von der außerordentlichen Ängstlichkeit der kleinen Staaten. Das energische Vorgehen der deutschen Diplomatie, die die angereisten Abgesandten bearbeitet (insbesondere die Rumänen und die Balten), hat noch keine Früchte getragen, wird aber wohl kaum ergebnislos bleiben. Die Deutschen setzen auch auf die Wirkung der morgigen Parade sowie auf die Rede des Führers im Reichstag, die, so wird angenommen, die nächste „Überraschung“ bringen wird. Apropos zur Rede. Die wütende Pressekampagne gegen Roosevelt im Zusammenhang mit seinem Appell11 (in dem übrigens Danzig nicht erwähnt wird), veranlasst die Beobachter zu der Vermutung, dass die Rede des Führers außergewöhnlich scharf und herausfordernd sein wird. Vielleicht wird das auch so eintreten. Jedoch drängt sich auch eine andere Vermutung auf. Der Führer kann eine Rede halten, in der es neben den gewohnten Schreien und Drohungen auch salbungsvolle Phrasen über sein Bestreben nach Frieden, über die Schrecken des Krieges, über die Möglichkeit, strittige Fragen auf friedlichem Wege zu lösen, geben wird. Es ist nicht auszuschließen, dass er in irgendeiner Form der Erörterung von Streitfragen unter Vorbehalt zustimmt (man erinnert mich daran, dass *Hitler 1936 Lansbury gesagt hätte, dass er bereit sei, strittige Fragen auf einer Konferenz zu erörtern, falls etwa Roosevelt eine solche einberufen sollte*).12 In diesem Fall würde er den verstummten Anhängern von 8 9 10 11
Vgl. Dok. 437. Cesare Orsegnio. Herluf Zahle. Appell Roosevelts vom 14.4.1939 an Hitler und Mussolini zur Erhaltung des Friedens. Vgl. Foreign Relations of the United States, Washington 1956, 1939, Bd. 1, S. 130–133. 12 Das Treffen mit Lansbury fand am 19.4.1937 in Berlin statt. Vgl. ADAP, Ser. C, Bd. VI/2, Dok. 328, Anm. 2, S. 713.
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20. 4. 1939 Nr. 445 München neue Argumente beschwichtigenden Charakters liefern. Ob Chamberlain und Daladier nicht erneut ins Schwanken geraten, wenn Hitler nicht davor zurückschreckt, einige salbungsvolle und zu nichts verpflichtende Phrasen von sich zu geben? Ogilvie-Forbes, dem ich eine entsprechende Frage stellte, geriet in eine äußerste Verlegenheit und sagte, dass die Situation infolge eines solchen Manövers tatsächlich durcheinandergeraten könnte, falls Hitler dazu greifen sollte. Diese Momente zeugen neben einigen anderen davon, wie viele Möglichkeiten Hitler für Manöver und – im Bedarfsfall – für eine Entspannung der Atmosphäre, die sich rund um die „Achse“ angestaut hat, noch zur Verfügung stehen. Eine seiner wichtigsten Trumpfkarten besteht in der Gewissheit, dass ihm die Initiative gehört, dass die Gegner keine aktiven Handlungen unternehmen werden und weder zu Gegenmanövern noch zu „Überraschungen“ (wenn man Parlamentserklärungen und langwierige diplomatische Verhandlungen nicht als solche gelten lassen will) fähig sind. Solange diese Gewissheit nicht untergraben wird, stellt sich die Möglichkeit erfolgreicher kollektiver Handlungen gegen den Faschismus als außerordentlich kompliziert dar, um nicht zu sagen als problematisch. G. Astachov Vermerk mit blauem Farbstift: Ar[chiv]. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 2169 vom 22.4.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Litvinov, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. zu den Akten der Bevollmächtigten Vertretung.13 AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 61, l. 83–79. Original. Veröffentlicht in: SSSR-Germanija: 1932–1941, Dok. 158, S. 238–240.
13
Nr. 445 Schreiben des Chefs der Zollhauptverwaltung des NKVT Kuznecov an den Volkskommissar für Außenhandel Mikojan Nr. 445 20. 4. 1939 20. 4. 1939 GEHEIM1 A 32/s 20/IV-392 [20.4.1939] AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUßENHANDEL DER UdSSR Gen. A.I. MIKOJAN *Die Protokollabteilung*3 des NKID hat der Zollhauptverwaltung mitgeteilt, dass bei ihr die Bitte der *Deutschen* Botschaft eingegangen sei, die Genehmigung 13 Im Auftrag von Litvinov wurden vier weitere Kopien angefertigt und an Stalin, Molotov und Vorošilov geschickt; vgl. AVP RF, f. 06, op. 1, p. 7, d. 65, l. 76. 1 2
Das Wort ist mit Stempel gedruckt. Nummer und Ausgangsdatum sind mit Tinte geschrieben.
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Nr. 445
20. 4. 1939
zur Ausfuhr des „RIMPAU-*Labors*“4 nach Deutschland zu erteilen, und sie hat diese Bitte unterstützt. Da das Schreiben der Protokollabteilung nur den Hinweis enthielt, dass dieses Labor *in den Jahren 1926–1927* im Zusammenhang mit der von sowjetischen und deutschen Wissenschaftskreisen betriebenen Organisation wissenschaftlicher medizinischer Expeditionen hierher verlegt worden war, konnte die Zollhauptverwaltung auf der Grundlage der vom NKID übermittelten Informationen nicht feststellen, auf welcher Grundlage dieses Labor hierher verbracht worden war: gehört es nun ausschließlich deutschen Organisationen oder muss irgendein Teil bei sowjetischen Organisationen verbleiben, und kann es überhaupt ins Ausland ausgeführt werden. Die Zollhauptverwaltung entschied sich dafür, in dieser Angelegenheit die Auffassung des Volkskommissariats für Gesundheitswesen der UdSSR einzuholen, zuerst per Telefon und später, da keine Antwort erfolgte, per Schreiben, auf das eine Antwort mit der Unterschrift des Stellv. Volkskommissars Graščenkov einging. Darin heißt es, dass *1928 eine deutsch-russische Expedition zur Erforschung der Syphilis in der Burjato-Mongolischen SSR* unternommen wurde. Für *die Durchführung dieser Expedition war in die UdSSR eine Laborausrüstung aus Deutschland eingeführt worden*. Nach Beendigung der Expedition wurde das Laborinventar in 30 Kisten verpackt und dem Institut für Hirnforschung zur zeitweiligen Aufbewahrung übergeben. 1933 wurde es aber auf der Grundlage eines von der Konzession „Drusag“ und den *damaligen Vertretern des Volkskommissariats für Gesundheitswesen Grjaznov und Reznikov* unterzeichneten Protokolls dem Treuhänder der deutschen Gesellschaft *NOTGEMEINSCHAFT*, Dittloff, übergeben. Über den Inhalt der Kisten mit der Laborausrüstung hat das Narkomzdrav keine Kenntnis. Das Narkomzdrav beendete seine Antwort mit den Worten: „Was die Frage betrifft, ob das Narkomzdrav an diesem Eigentum interessiert ist, so ist das Narkomzdrav, wenn es darum geht, ob sich in diesen Kisten zum jetzigen Zeitpunkt tatsächlich Laborausrüstung befindet, nicht daran interessiert.“ Die Zollhauptverwaltung gab sich mit dieser Antwort nicht zufrieden und teilte dem Vertreter des Narkomzdrav, *Gen. Levenko* (Gruppe der Internationalen Sanitärkonvention beim Volkskommissar), mit dem in dieser Angelegenheit Verhandlungen geführt wurden, mit, dass sie die Anwesenheit eines Vertreters des Narkomzdrav bei der Zollkontrolle des Labors für erforderlich erachte, der nach Inspektion der zur Ausfuhr vorgesehenen Fracht die Entscheidung über deren Ausfuhr ins Ausland zu treffen habe. Ungeachtet der Versuche des Narkomzdrav-Vertreters, sich dieser Angelegenheit zu entziehen, *bestand die Zollhauptverwaltung auf ihrer Forderung*, und am *27.II.* d.J. erfolgte in Anwesenheit von *drei Vertretern des Narkomzdrav der UdSSR und eines Vertreters der Deutschen Botschaft die Prüfung des Labors durch die Moskauer Zollverwaltung, wobei die Kommission des Narkomzdrav befand*, dass *das Labor nicht ins Ausland ausgeführt werden dürfe, worüber ein Protokoll angefertigt worden ist*5. 3
Der hier und im Folgenden so gekennzeichnete Text ist mit blauem Farbstift unterstri-
chen. 4 5
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Benannt nach Georg Willi Rimpau. Der Text ist am linken Seitenrand zweimal mit blauem Farbstift angestrichen.
20. 4. 1939 Nr. 446 Die Vertreter des Narkomzdrav waren wegen der Ausfuhrgenehmigung durch das Narkomzdrav äußerst empört, sie billigten das Vorgehen der Zollhauptverwaltung im Sinne einer Klärung der Frage der Ausfuhrberechtigung und sagten, dass „die Ausfuhr dieses Labors nach Deutschland dasselbe ist, wie den Deutschen unsere Kanonen zu liefern“. Die Vertreter des Narkomzdrav bemerkten dabei, dass Grjaznov und Reznikov, die das Protokoll zur Herausgabe des Labors an die Deutschen unterzeichnet hatten, verhaftet worden seien, dass sie den Vorgang nicht abgeben und die Entscheidung im Bedarfsfall an übergeordnete Organe übertragen würden. Ungeachtet dessen, dass dem NKID die Gründe für die Zurückhaltung des Labors bekannt sind, hat sich die Protokollabteilung dennoch wiederholt telefonisch an die Zollhauptverwaltung mit der Bitte gewandt, die in Rede stehende Frage einer Freigabe des Labors zu regeln, und darauf verwiesen, dass die Deutsche Botschaft darauf dränge und sie besorgt sei. Da die Angelegenheit eventuell zu einem offiziellen Protest der Deutschen Botschaft gegen das Ausfuhrverbot des Labors „RIMPAU“ führen kann, legt Ihnen die Zollhauptverwaltung das oben Dargelegte zur Ihrer Entscheidung vor. Chef der Zollhauptverwaltung KUZNECOV Vermerk mit Tinte: Akte 7004. In der Mitte befindet sich am linken Seitenrand der Stempel der Geheimgruppe der Geheimen Chiffrierabteilung des NKVT mit der Eingangs-Nr. 8929/50 vom 20.4.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: geschr. 2 Expl. das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. zu den Akten, 20.IV.39. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 3499, l. 210–210R. Original.
Nr. 446 Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den Volkskommissar für Innere Angelegenheiten Berija Nr. 446 20. 4. 1939 20. 4. 1939 20. April 1939 Nr. 174071 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR INNERE ANGELEGENHEITEN DER UdSSR Gen. L.P. BERIJA Die Deutsche Botschaft wendet sich nach wie vor an uns mit Bitten, ihr die Möglichkeit einzuräumen, die Kinder von zu unterschiedlichen Zeiten aus der UdSSR ausgewiesenen deutschen und österreichischen Staatsangehörigen in die Heimat zu überführen.2 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Vgl. Dok. 355 sowie die Aufzeichnungen der Unterredungen der deutschen Diplomaten im NKID vom 25.11.1938 (PA AA, Botschaft Moskau 421), 28.12 1938 (PA AA, R 104392)
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Nr. 446
20. 4. 1939
Diese Kinder befinden sich laut Mitteilung der Botschaft mehrheitlich im Kinderheim Nr. 6, Moskau, Kalašnyj 12, doch gibt es auch einige Kinder in Kinderheimen in anderen Städten der UdSSR. Hinsichtlich der Bitten der Botschaft hat sich das NKID wiederholt an das NKVD gewandt, insbesondere an die 1. Sonderabteilung und an die Abteilung für Visa und Registrierung von Ausländern, jedoch sind die Schreiben des NKID unbeantwortet geblieben. Erst Ende 1938 teilte das OVIRI3 telefonisch mit, dass „diese Frage in nächster Zeit Gegenstand einer speziellen Prüfung durch entsprechende Organisationen werden wird“. Jedoch sind in dieser Angelegenheit keine Entscheidungen getroffen worden. Beigefügt sind zwei Listen der Kinder von deutschen und österreichischen Staatsangehörigen, die sich in unseren Kinderheimen befinden. In Liste Nr. 1 sind die Kinder aufgeführt, um deren Überführung in die Heimat die Deutsche Botschaft nachdrücklich nachsucht. Hier ist sogleich anzumerken, dass unseren Informationen zufolge einige dieser Kinder, z.B. Max und Leopoldina LEITNER4, gegenüber der Leitung des Kinderheimes, in dem sie sich befinden, geäußert haben, dass sie nicht nach Deutschland reisen wollen. In Liste Nr. 2 sind die Kinder aufgeführt, um deren Entsendung nach Deutschland die Deutsche Botschaft nicht nachsucht. Doch dafür besteht die Heimleitung auf deren möglichst schnelle Entsendung angesichts dessen, dass es bei diesen Kindern antisowjetische Stimmungen gibt. Ich möchte Sie bitten, die Anweisung zu erteilen, dass sich die zuständigen Abteilungen des NKVD mit der sich ohnehin schon hinziehenden Angelegenheit befassen und möglichst schnell Maßnahmen zu ihrer Entscheidung getroffen werden. ANLAGE: 2 Listen.5 STELL. VOLKSKOMMISSAR Potemkin Vermerk mit Bleistift: an Vajnštejn. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. Das 1. [Exemplar] an den Adressaten, das 2. an Gen. Litvinov, das 3. an Gen. Potemkin, das 4. zu den Akten. 17.IV.39 AVP RF, f. 082, op. 22, p. 94, d. 17, l. 7–7R. Kopie.
sowie 16.3.1939 (PA AA, Botschaft Moskau 484, Bl. 260442-260445) und die Note der Deutschen Botschaft Moskau an das NKID vom 30.12.1938 (AVP RF, f. 82, op. 22 a, p. 71, d. 3, l. 2). 3 So im Dokument. OVIR = Otdel viz i registracii (Abteilung für Visa und Registrierung). 4 So im Dokument. In Liste Nr. 1 sind Max Griesmeier und Leopoldina Leitner vermerkt. Vgl. AVP RF, f. 082, op. 22, p. 94, d. 17, l. 5. 5 Wird nicht veröffentlicht; auf der ersten Liste sind 23, auf der zweiten 6 Kinder verzeichnet. Vgl. ebd., l. 6–6R.
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24. 4. 1939 Nr. 447 Nr. 447 Auszug aus der Vorlage des Kommandos des Kiever Besonderen Militärbezirks Nr. 447 24. 4. 1939 24. 4. 1939 Ganz geheim Von besonderer Wichtigkeit Expl. Nr. 2 [24.4.1939] VORLAGE für den Operationsplan der Südwestfront1 1. Die militärpolitische Lage und die Einschätzung des Gegners Die wichtigsten und wahrscheinlichsten Gegner der UdSSR im Westen sind die vereinigten Streitkräfte Deutschlands (90 Infanteriedivisionen) und Polens (65 Infanteriedivisionen). Das faschistische Italien wird höchstwahrscheinlich gleichzeitig im Bündnis mit Deutschland aktiv werden. Deshalb sind seine Kriegsmarine im Schwarzen Meer und seine Luftstreitkräfte in Polen von Anbeginn des Krieges an zu erwarten. Was die Bodentruppen Italiens betrifft, so ist ihr Einsatz gegen die Südwestfront im ersten Kriegsmonat wenig wahrscheinlich. Die Türkei und Bulgarien werden in der Anfangsphase des Krieges voraussichtlich Neutralität wahren, deren Dauer und Ausgang von den Erfolgen und der Entschlossenheit der Operationen der Roten Armee abhängen wird. Die Eroberung der Tschechoslowakei durch Deutschland hat zu gravierenden Veränderungen der Lage geführt, weil dadurch: a) die Truppen der deutschen Armee im Raum Proskurov bis auf 350 bis 400 km und im Raum Kamenec-Podol’sk bis auf 160 bis 200 km an die Grenze der UdSSR vorgerückt sind; b) sich die Möglichkeiten für einen mobilisierten Aufmarsch der deutschen Armee durch die Vereinnahmung der Waffen und Vorräte der tschechoslowakischen Armee (für ungefähr 36 Divisionen) und durch die Heranziehung der ungarischen Armee auf deutscher Seite in einer Stärke von bis zu sieben Infanteriedivisionen und einer Kavalleriedivision vergrößern; c) die unmittelbare Gefahr einer Expansion des deutschen Faschismus auf das Territorium Rumäniens entstand mit dem Ziel, in den Besitz der reichen Ressourcen an strategischen Rohstoffen und Lebensmitteln zu gelangen, die für die Führung eines großen Krieges gegen die UdSSR erforderlich sind; d) sich die Gefahr eines Krieges des deutschen Faschismus gegen die UdSSR verstärkt hat, an dem auch England interessiert ist und auf den es hinarbeiten wird. Der deutsche Faschismus wird zweifellos bestrebt sein, auch Rumänien in den Krieg gegen die UdSSR von Anfang an einzubeziehen. Eine Neutralität Rumäniens ist angesichts der entstandenen Lage wenig wahrscheinlich. Deshalb muss die Sicherung der Staatsgrenze zu Rumänien von den ersten Kriegstagen an zuverlässig gewährleistet sein. 1 Die Vorlage wurde dem Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov zur Bestätigung vorgelegt. Vgl. RGVA, f. 37977, op. 1, d. 189, l. 1.
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Nr. 447
24. 4. 1939
Deutschland kann in der ersten Welle 111 Infanteriedivisionen, 6 Panzerdivisionen, 4 leichte Divisionen, 5 Kavalleriedivisionen, voraussichtlich 36 Armeekorps und 110 Fliegergruppen zu je 27 Flugzeugen (ungefähr 3000 Flugzeuge) mobilisieren und in zwei bis sechs Tagen deren Gefechtsbereitschaft herstellen. Es ist zu erwarten, dass von der Gesamtsumme dieser Kräfte bis zu 90 Infanteriedivisionen, 5 Panzerdivisionen und 5 Kavalleriedivisionen gegen die UdSSR eingesetzt werden. Die Konzentrierungsbedingungen erlauben es, die Hauptkräfte nördlich Polesiens in kürzester Entfernung auf Moskau sehr schnell aufmarschieren zu lassen und in den Kampf zu führen. Jedoch ist eingedenk der entstandenen Lage durchaus auch eine Aufmarschvariante der Hauptstreitkräfte südlich Polesiens möglich, was den Wirtschaftsinteressen des deutschen Faschismus und seinen Bestrebungen in Rumänien und in der Ukraine entsprechen würde. Bei der Ausarbeitung des vorliegenden Aufmarschplans und der Operationen der Südwestfront ist davon auszugehen, dass Deutschland seine Hauptkräfte (bis zu 75 Infanteriedivisionen) nördlich Polesiens aufstellen wird, südlich Polesiens aber 15 bis 20 Infanteriedivisionen (zusammen mit Ungarn), voraussichtlich bis zu einer Panzer- und einer Kavalleriedivision belassen wird. Insgesamt sind das ungefähr 500 Panzer, 1750 Geschütze, 800 Flugzeuge, die voraussichtlich in M-25-302 im Raum L’vov, Stanislav, Drohobyč zur Flankierung der Armeen entlang der Südwestfront konzentriert werden können.3 Bei dieser Variante stellt Polen höchstwahrscheinlich aus dem Gesamtbestand von 65 Infanteriedivisionen nördlich Polesiens eine Hilfsgruppe in einer Stärke von 20 Infanteriedivisionen und 3 selbständigen Kavalleriebrigaden auf, behält in der Reserve des Oberkommandos bis zu 5 Infanteriedivisionen, und stellt südlich Polesiens gegen die Südwestfront die Hauptkräfte auf in einer Stärke von: 40 Infanteriedivisionen, 13 selbständigen Kavalleriebrigaden, 2 motomechanisierten Brigaden, 12 Panzerbataillonen, 14 schweren Artillerieregimentern, 4 motorisierten Artillerieregimentern, 3 motomechanisierten Abteilungen, 50 Schlacht-, 20 Jagd- und 15 Bombergeschwadern. Insgesamt sind dies ungefähr 2.836 Geschütze, 1.115 Panzer, 1860 Panzerwagen, 900 Flugzeuge, bis zu 4 – 5 Armee- und 14 Korpsverbänden. Die voraussichtliche Linie für den Aufmarsch der polnischen Truppen wird sein: vom befestigten Raum von Sarny über den Verlauf der alten deutschen Schützengräben im Raum Rovno, Dubno, Tarnopol’4 und Čortkov. Die Transportkapazität der polnischen Eisenbahnlinien erlaubt in 24 Stunden folgende Anzahl von Infanteriedivisionen samt Verstärkungseinheiten und Rückwärtigen Diensten zusammenzuziehen: a) im Raum Sarny 1/3 Infanteriedivision b) im Raum Rovno 1 ½ Infanteriedivisionen c) im Raum Tarnopol’ 1 bis 1 ½ Infanteriedivisionen d) im Raum Stanislav ½ Infanteriedivision. Gesamt ca. 3 ½ Infanteriedivisionen. 2 Das hier und im Weiteren verwendete Kürzel M- bezeichnet die Anzahl der Tage, die für die Mobilmachung und die Konzentrierung der Truppen erforderlich sind. 3 Vor dem Absatz befindet sich am rechten Seitenrand der Vermerk: Anlage Nr. 1. Wird nicht veröffentlicht. 4 Name der Stadt (bis 1944) in der Westukraine, heute: Ternopol’.
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24. 4. 1939 Nr. 447 Davon ausgehend ist die Konzentrierung der Hauptgruppe der Polen in folgender Stärke zu erwarten: bis zu 20 Infanteriedivisionen, 7 selbständige Kavalleriebrigaden, 2 motomechanisierte Brigaden, 7 schwere Artilleriebrigaden, 7 Panzerbataillone, 7 Korps- und 2 Armeeverbände – entweder im Raum Rovno, Kremenec, Brody, Luck für den Hauptschlag auf kürzestem Wege auf Žitomir, Kiev, oder im Raum Novyj Počaev, Tarnopol’, Trembovlja5, L’vov für den Schlag zwischen den befestigten Räumen von Novograd-Volynskij und Letičevskij. Eine Hilfsgruppierung bestehend aus acht bis neun Infanteriedivisionen, fünf selbständigen Kavalleriebrigaden und drei Panzerbataillonen könnte in diesem oder in einem anderen Raum für die Führung eines Entlastungsschlages zusammengezogen werden. In beiden Fällen sind im Raum Sarny der Aufmarsch von drei bis 5 Infanteriedivisionen für Operationen in Richtung Korosten’ und im Raum Čortkov vier bis fünf Infanteriedivisionen für Operationen in Richtung Žmerinka zu erwarten. In der Frontreserve könnten vier bis fünf Infanteriedivisionen verbleiben. Die Konzentrierung und der Aufmarsch der polnischen Armee werden vermutlich mit Kräften von bis zu vier Infanteriedivisionen, vier bis fünf selbständigen Kavalleriebrigaden mit nachfolgender Verstärkung durch vier bis fünf Infanteriedivisionen, fünf bis sechs selbständigen Kavalleriebrigaden und ein bis zwei motomechanisierten Brigaden abgesichert werden. Die vollständige Konzentrierung und der Aufmarsch der polnischen Truppen ist in M-20 und bei verdeckter Mobilmachung in M-12-15 möglich. Die Kräftezuführung pro Tag ist aus Anlage 26 ersichtlich. Im Falle eines Feldzugs Rumäniens gegen die UdSSR können seine Streitkräfte7 bis zu 31 Infanteriedivisionen, vier Kavalleriedivisionen, mit 2.300 Geschützen, 238 Panzern und bis 800 Flugzeugen in M-27 am Frontverlauf von Černovicy bis Akkerman8 mit der Hauptgruppierung vermutlich an seiner linken Flanke aufmarschieren. Im Schwarzen Meer muss in M-3-4 mit den Flotten Deutschlands und Italiens gerechnet werden, und zwar in einer Stärke laut Anlage Nr. 3 mit den nachfolgenden Anlandungsversuchen von Landungstruppen an der Schwarzmeerküste der Ukraine, der Krim und des Kaukasus.9 [...]10
5 6
Name der Stadt (bis 1944) in der Westukraine, heute: Terembovlja. Vor dem Absatz befindet sich am rechten Seitenrand der Vermerk: Anlage Nr. 2. Wird nicht veröffentlicht. 7 Vor dem Absatz befindet sich am rechten Seitenrand der Vermerk: Anlage Nr. 1. Wird nicht veröffentlicht. 8 Name der Stadt (bis 1944) in der Ukraine, heute: Belgorod-Dnestrovskij. 9 Vor dem Absatz befindet sich am rechten Seitenrand der Vermerk: Anlage Nr. 3. Wird nicht veröffentlicht. 10 Ausgelassen sind folgende Kapitel: 2. Kräfte und Mittel der Südwestfront (l. 7–8); 3. Das Kräfteverhältnis und die Dichte am polnischen Frontabschnitt (l. 8–9); 4. Die nächsten Aufgaben der Südwestfront (l. 9–10); 5. Die Nachbarn (l. 10–11); 6. Die Aufgaben jeder Armee (l. 11–16); 7. Die Aufgaben der Luftstreitkräfte der Front (l. 16–18); 8. Gefechtsmäßige Sicherstellung (l. 18–29); 9. Planungsgrundlagen für die Operationen der Südwestfront im 1. Kriegsmonat und Pläne für den Fall einer Veränderung der Lage (l. 29–33); 10. Allgemeine Weisungen zum Schutz der Eisenbahnlinien und der wichtigsten Anlagen (l. 33–34); 11. Weisungen zum Übertritt und zum Überflug der Staatsgrenze (l. 34).
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Nr. 448
27. 4. 1939
Befehlshaber des Kiever Besonderen Militärbezirks Mitglied des Kriegsrates Komandarm 1. Ranges Korpskommissar S. Timošenko A. Nikolaev Chefs des Stabes des Militärbezirks Komdiv N. Vatutin Nr. 119 24. April 1939 Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: geschrieben in zwei Expl. Expl. Nr. 1 zu den Akten der 1. Abteilung des Stabes des KOVO11, Nr. 2 an die 1. Abteilung des Generalstabes der RKKA. Ausführender: Komdiv N. Vatutin. RGVA, f. 37977, op. 1, d. 189, l. 1–34, hier l. 2–6, 34. Original. Handschrift.
11
Nr. 448 Aufzeichnung der Unterredung des Bevollmächtigten Vertreters in Berlin Merekalov mit dem Staatssekretär im AA Freiherr von Weizsäcker Nr. 448 27. 4. 1939 27. 4. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 1 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 105/s1 Berlin, 27.IV.39 AUFZEICHNUNG DES GESPRÄCHS DES BEVOLLMÄCHTIGTEN VERTRETERS MIT WEIZSÄCKER 17. April 19392 Zu Beginn dreht sich das Gespräch um die auf einer Weisung der Militärbehörden beruhenden Weigerung der Škoda-Werke, die Aufträge der Handelsvertretung zu erfüllen.3 Weizsäcker äußert die Vermutung, dass diese Weisung im Zusammenhang mit der militärischen Lage zu sehen ist und vorübergehenden Charakter trägt. Er bezweifelt, dass diese Maßnahme ausschließlich gegen die UdSSR gerichtet ist, will dies aber klären. Generell sagt er zu, dieser Angelegenheit nachzugehen, sich mit den interessierten Behörden (militärischen und wirtschaftlichen) 11 1 2
Kievskij osobyj voennij okrug = Kiever Besonderer Militärbezirk.
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Merekalov schickte am 18.4.1939 ein kurzes Telegramm an das NKID über das Gespräch. Vgl. Dok. 443. 3 Merekalov hatte eine Verbalnote der Bevollmächtigten Vertretung „zur Frage der Einstellung der vertraglichen Verpflichtungen durch die Firma ‚Škoda‘ in Prag an die UdSSR infolge der Intervention des Generalleutnants Barckhausen“ überreicht. Vgl. DVP, Bd. XXII, Dok. 237, Anlage, S. 294–296.
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27. 4. 1939 Nr. 448 in Verbindung zu setzen und danach eine abschließende Antwort zu geben. Als Hypothese äußert er die Vermutung, dass die Wirtschaftsämter für die Erfüllung des Kontraktes, die Militärbehörden aber dagegen sein würden. Die Militärs könnten natürlich die Frage aufwerfen, ob man der UdSSR Flakartillerie liefern könne, wenn die sowjetische Regierung „Verhandlungen über die Teilnahme an einem Luftpakt4 gegen Deutschland führt“. ...5 W[eizsäcker] behält sich eine endgültige Antwort vor und äußert ansonsten die Hoffnung auf eine positive Entscheidung der Frage. Nach dem Austausch von Repliken wendet sich das Gespräch allgemeinpolitischen Themen zu. W. sagt, dass er sehr gern bereit sei, Meinungen zur allgemeinpolitischen Lage auszutauschen und alle den Bevollmächtigten Vertreter interessierenden Fragen zu beantworten. Der Bevollmächtigte Vertreter stellt die Frage nach dem Zustand der deutschfranzösischen Beziehungen. W. - Wir wollen überhaupt nichts von Frankreich und können nicht verstehen, warum es sich uns gegenüber feindselig verhält. Der Bevollmächtigte Vertreter fragt, inwieweit die Zeitungsberichte über die Forderungen Deutschlands gegenüber Polen zutreffend gewesen seien. W. - Diese Meldungen waren nicht exakt. Es ist richtig, dass wir bereits seit 3 bis 4 Monaten mit Polen Verhandlungen um die Rückgabe Danzigs an uns und um Wege durch den Korridor führen. In diesem Sinne unterbreiteten wir Polen Ende März einen Vorschlag.6 Als Kompensation boten wir an, die polnisch-deutsche Grenze zu garantieren. All das ist keineswegs als „Forderungen“ zu charakterisieren. Im Gegenteil, das war ein Vorschlag (eine Offerte). Zurzeit werden diese Verhandlungen nicht geführt, die Frage befindet sich im Stillstand. Der Bevollmächtigte Vertreter fragt, ob die Meldungen über Zusammenstöße an der polnisch-deutschen Grenze zuträfen. W. streitet dies kategorisch ab. Es stimme, dass es Zusammenstöße gebe, doch erfolgen sie auf polnischem Territorium zwischen der polnischen und deutschen Bevölkerung. Dies mache Deutschland selbstverständlich nervös, aber es hätte keine Zusammenstöße zwischen militärischen Einheiten beider Seiten gegeben. Der Bevollmächtigte Vertreter spricht über die in Europa bestehende allgemeine Spannung. W. - Uns ist unverständlich, wodurch diese hervorgerufen worden ist. Wir wollen niemanden überfallen. Wir haben bis jetzt keinen einzigen Jahrgang zusätzlich einberufen. Unterdessen haben unsere Nachbarn, Holland, die Schweiz und andere, einige Jahrgänge einberufen. Der Bevollmächtigte Vertreter: Aber Sie haben doch bereits mobilgemacht. W. - Ich kann Sie versichern, dass wir bei Weitem noch nicht alles durchgeführt haben, was für eine Mobilmachung nötig ist. Falls wir uns auf einen Krieg vorbereiten und ihn erwarten würden, so würden wir viel mehr tun… Überhaupt ist diese angespannte Atmosphäre künstlich erzeugt worden. Die kleinen Länder befürchten keinen Überfall durch Deutschland und bitten überhaupt nicht um die Hilfe, die ihnen England und Frankreich aufdrängen… 4 5 6
Vgl. Dok. 443, Anm. 5. Die hier und im Folgenden gesetzten Auslassungszeichen so im Dokument. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 61, 101.
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Nr. 448
27. 4. 1939
Danach fragt W. den Bevollmächtigten Vertreter, ob sich die UdSSR bedroht fühle und ob sie meine, dass ihre Interessen auf einem beliebigen Gebiet beeinträchtigt wären. Der Bevollmächtigte Vertreter antwortet, dass die UdSSR generell an der Verhütung der Kriegsgefahr und an der Lösung der entstandenen Lage interessiert wäre. Aber wir würden uns auf keinem Gebiet speziell beeinträchtigt fühlen. W. bemerkt, er habe den Eindruck, dass sich die UdSSR zu dem, was vor sich gehe, generell besonnener als England und die USA verhalte. Insbesondere verhalte sich die sowjetische Presse gegenüber Deutschland bei Weitem korrekter und besonnener als die anglo-amerikanische … W. fragt seinerseits, wie sich unserer Auffassung nach die deutsche Presse verhalte. Ob wir zustimmen würden, dass sie ebenfalls korrekter geworden sei… Ich mache W. darauf aufmerksam, dass, obgleich die deutsche Presse vielleicht quantitativ weniger Ausfälle bringe, sich doch in qualitativer Hinsicht diese Ausfälle in keiner Weise abgeschwächt hätten und nicht den Eindruck einer Veränderung in der Linie der deutschen Presse machten. Ich erinnere W. an den kürzlich erschienenen Leitartikel des „Völkischen Beobachters“, der grobe Beleidigungen gegenüber Gen. Stalin enthalten habe. W. breitet die Arme aus und seufzt… Der Bevollmächtigte Vertreter fragt, wie W. die Perspektiven der Beziehungen zwischen der UdSSR und Deutschland einschätze. W. (scherzhaft) – Besser als jetzt könnten sie nicht sein… Danach, sich besinnend und einen ernsthaften Ton anschlagend: Sie wissen, dass wir mit Ihnen Gegensätze ideologischer Art haben. Aber zugleich wollen wir aufrichtig mit Ihnen die Wirtschaftsbeziehungen ausbauen. Der Bevollmächtigte Vertreter teilt seine bevorstehende Abreise nach Moskau mit und drückt sein Bedauern aus, dass W. nicht an unserem Empfang am 18.IV.7 teilnehmen wird. W. sagt, dass er sehr gern gekommen wäre, aber sein Tag wäre ausgefüllt. Gafencu komme8 usw. Der Bevollmächtigte Vertreter sagt, dass er ihn verstehe, weil er selbst in Moskau sehr eingespannt sei. ANMERKUNG. Bezeichnend ist, dass in dem Gespräch mit keinem Wort die von Roosevelt tags zuvor abgegebene Erklärung9 erwähnt wurde. [Das Gespräch aufgezeichnet hat:] Astachov10 Oben rechts befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 1880 vom 29.4.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. **2 an Gen. Litvinov, 1 [Exemplar] zu den Akten.**11
7 Gemeint ist der Teeempfang in der Bevollmächtigten Vertretung und die Vorführung des zweiten Teils des Kinofilms „Peter I.“. Vgl. das Schreiben Merekalovs an Litvinov vom 12.4.1939. In: AVP RF, f. 06, p. 7, d. 65, l. 65. 8 Vgl. Dok. 468, Anm. 22. 9 Vgl. Dok. 444, Anm. 11. 10 Zu den Gesprächsaufzeichnungen von Weizsäckers vgl. Dok. 441, 442. 11 Der Text ist mit Bleistift geschrieben.
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27. 4. 1939 Nr. 449 AVP RF, f. 06, op. 1, p. 7, d. 65, l. 69–71. Original. Veröffentlicht in: DVP, Bd. XXII, Dok. 236, S. 291–29312.
12
Nr. 449 Bericht des Mitarbeiters des Ref. V (Osteuropa) in der Politischen Abteilung im AA Pacher von Theinburg Nr. 449 27. 4. 1939 27. 4. 1939 [27. April 1939] Haltung und Absichten der Sowjetregierung Die Haltung und Absichten der Sowjetregierung in der gegenwärtigen Weltkonstellation – englischer Einkreisungsplan und Roosevelt-Aktion1 – finden in der deutschen Presse eine weitgehend widersprüchliche Deutung und gewisse Amtsberichte scheinen mir irrigen Auslegungen Raum zu geben. Die heranziehbaren Anhaltspunkte, die später erwähnt werden sollen, sind auch tatsächlich sehr spärlich und können nur Hinweise für die Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer rein deduktiven Argumentation bieten. Moskau hat immer verstanden, solche Unklarheiten zu schaffen und ist heute an einer sorgsamen Verschleierung seiner Absichten besonders interessiert. Selbst die Engländer als seine gegenwärtigen Verhandlungspartner dürften bei den Gesprächen in London und Moskau nur Einzelwünsche der Sowjetregierung zu hören bekommen, die bestenfalls Rückschlüsse auf die augenblicklichen Zielsetzungen des Kremls zulassen, vielleicht aber sogar die Bildung eines zutreffenden Urteils absichtlich erschweren sollen. Deduktiv, d. h. in Ableitung von den Gesamtinteressen der Sowjetunion und des Weltbolschewismus, gelangt man jedoch zu der bisher nirgends hervorgetretenen Erkenntnis, dass gegenwärtig Moskau und Warschau weitgehend am gleichen Strange ziehen dürften, was hier dargelegt werden soll. Konnte man nach Bekanntwerden des noch zu erwähnenden polnisch-sowjetischen Protokolls vom Herbst vorigen Jahres2 noch annehmen, dass ein künftiger Interessen-Parallelismus nur einseitig von der Sowjetregierung eskomptiert worden war, so können m. E. heute keine Zweifel mehr darüber bestehen, dass sich hinter der Erneuerung der Nichtangriffs-Zusagen ein zweiseitiges Einvernehmen über die Haltung beider Mächte gegenüber einer zunächst Polen interessierenden Bedrohung des Status quo verborgen hat. Die derzeitige Konstellation kann Moskau im Vergleiche zu den kritischen Zuspitzungen der bisherigen jüngsten Entwicklung nur als eine so optimale betrachten (Übergang der antideutschen Führung von Frankreich auf England, dessen Einkreisungsbestrebungen und das erstmalige betonte Hervortreten der USA-Regierung in gleicher Richtung), dass diese Konstellation ihm auch eine weit folgerichtigere Ein12 Das Dokument wurde mit redaktionellen Korrekturen veröffentlicht und auf den Zeitpunkt des Gesprächs datiert. 1 2
Vgl. Dok. 444, Anm. 11. Vgl. Dok. 341, Anm. 15.
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Nr. 449
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stellung auf seine eigenen letzten Interessen zu gestatten scheint. Diese liegen nicht in einem vorzeitigen Sichvordrängen, sondern in einer Selbstausschaltung auf möglichst lange Sicht und in dem ungehinderten Ausreifen des deutsch-polnischen Gegensatzes, auf den Moskau schon immer gerechnet hatte, der aber bisher a) durch die Besorgnisse Polens um seine Rückenfreiheit im Osten und b) bis zum Oktober vorigen Jahres durch eine partielle deutsch-polnische Interessengemeinschaft (gegenüber der Tschecho-Slowakei) verzögert und zeitweise in den Hintergrund gedrängt worden war. Die gewünschte Rückenfreiheit für Polen war – wenigstens subjektiv – solange nicht verwirklichbar als die Sowjetregierung glaubte, den ihr schon längst als Ziel vorschwebenden Welt-Präventivkrieg gegen Deutschland nur durch Vortäuschung ihrer eigenen sofortigen Einsatzbereitschaft und durch direkte Angebote in dieser Richtung heraufführen zu können. Diese Versuche haben mit dem ersten (Barthou’schen) Ostpaktprojekt begonnen und sind in München endgültig gescheitert, worauf sich die Sowjetregierung in Voraussicht einer baldigen neuerlichen Verschärfung der Lage mit dem von Potemkin und Grzybowski unterzeichneten Moskauer Protokoll endgültig auf die Linie der Selbstausschaltung (nicht, wie man geglaubt hat, der Selbst- und Wiedereinschaltung) festgelegt hat. Dieser Kurs ist auf das polnische Interesse der Rückenfreiheit basiert, entspricht aber gleichzeitig der eigenen Zielsetzung, in einen neuen Weltkrieg, der vom Standpunkt der Nächstbeteiligten nur den Charakter eines Präventivkrieges aus Furcht vor einer hegemonialen Stellung des Reiches in Europa haben könnte, nicht durch, wenn auch hinterhältige, Angebote sofortiger eigener Beteiligung am Ende wirklich vorzeitig „hineinzuschlittern“. Sollte die Sowjetregierung auf die ersten englischen Vorschläge tatsächlich in London einen Gegenvorschlag auf Abschluss eines Dreier-Beistandspaktes SU – England – Frankreich unterbreitet haben, so kann dessen Zweck nur gewesen sein, alle derartigen Projekte durch den Beweis ad absurdum zu führen, dass noch so weitgehende sowjetrussische Beistandsverpflichtungen ohne Einwilligung Polens (und auch Rumäniens) doch gegenstandslos wären. Auch das behauptete Verlangen nach Ausdehnung des casus foerderis auf Ostasien, das französischerseits schon vor vier Jahren abgelehnt worden war, kann nur als überflüssige Komplikation dazu gedient haben, das von Moskau parallel mit Warschau angestrebte Ziel einer Ausschaltung der Sowjetunion als die allein gangbare Lösung schließlich übrig zu lassen. Jedenfalls ist es schlechthin undenkbar, dass Moskau nach seinen nunmehr fünfjährigen Erfahrungen mit den polnischen Hemmungen und nach den ebenso verlaufenen Experimenten bezüglich Rumäniens (Titulescu) irgendwelche Vorschläge ernst meint, durch welche die zu „garantierenden“ Staaten selbst veranlasst würden, neuerlich auszuspringen und durch die infolgedessen das ganze englische Projekt torpediert werden müsste. Denn in diesem Falle entstünde abermals die alte Lage, dass Polen und Rumänien ausfallen und die Sowjetunion von dem zu bekämpfenden Gegner geographisch getrennt und damit – selbst wenn sie an einer Aktion wirklich sofort teilnehmen wollte (??) – daran verhindert wäre. Ist aber die andere hier gegebene Interpretation zutreffend, so liegt nichts näher als eine Rollenverteilung, bei der Polen den Ausschluss der SU verlangt, diese aber die zu überwindenden Wünsche Londons trotz scheinbaren Em-pressements durch noch weitergehende Gegenvorschläge ad absurdum führt und beide gleichzeitig England noch weiter stimulieren.
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27. 4. 1939 Nr. 449 Moskau hatte seine Zuversicht, dass die Furchtpsychose vor einer hegemonialen Stellung des Reiches letzten Endes auch Polen ergreifen müsste, nie aufgegeben und war darin durch die in ganz Europa verbreitete Meinung bestärkt worden, dass nach Lösung der österreichischen und der sudetendeutschen bzw. tschechoslowakischen Frage und noch vor endgültiger Aktualisierung des Kolonialproblems die Danziger Frage von Berlin angeschnitten werden würde, was Polen zu einer Revision seiner seit 1934 beobachteten Schaukelpolitik nötigen müsste. Und wenn jetzt Warschau von Danzig als von einer „nationalen Herzenssache“ spricht, so verbirgt sich dahinter nichts anderes als die Auffassung, dass ein dem Reich wieder einverleibtes Danzig den Beginn einer zwangsläufigen Entwicklung zur hegemonialen Stellung Deutschlands im osteuropäischen Zwischenraum und die Vernichtung gleichlaufender Ansprüche Polens bedeuten würde. Selbst eine noch so verlockende kompensierende Ausdehnung Polens auf Kosten der Sowjetunion in der Ukraine und Weißrussland könnte dann nur unter einem unausgesprochenen Protektorate des Reiches (etwa in Form eines polnischen Beitritt Polens zum AntikominternPakt3) erfolgen, eine Situation, der Warschau die vorläufige Aufrechterhaltung des bestehenden Zustandes an allen seinen Grenzen bei weitem vorzieht. Alles weist also darauf hin, dass keinerlei Diskrepanzen zwischen den von England mit Polen einerseits und mit der Sowjetunion andererseits geführten Verhandlungen bestehen und dass in beiden Verhandlungen die Bemühungen Warschaus ebenso wie Moskaus – wenn auch sowjetischerseits verhüllt – darauf hinauslaufen, London zum Festhalten an seiner Einkreisungsaktion, jedoch bei Verzicht auf eine unmittelbare Teilnahme der Sowjetunion zu bestimmen; ein solcher Verzicht ist allerdings den von der sowjetischen Waffenstärke neuerdings faszinierten Engländern offenbar sehr schwer abzuringen. Das seinerzeitige Dementi der englischen Meldung betr. eine InitiativDemarche der Sowjetregierung in Warschau und Bukarest (gleich nach der Errichtung des böhmisch-mährischen Protektorats) hätte ebenso gut von der PAT4 wie von der TASS veröffentlicht werden können und war m. E. mit Warschau vereinbart. Es erscheint auch nicht ausgeschlossen, dass die Demarche Roosevelts, dessen Beziehungen zu Moskau stets engere waren, als man annehmen konnte, in erster Linie der Unterstützung der polnisch-sowjetischen Bemühungen durch eine von dritter Seite kommende Ermutigung Londons **dienen sollte**5. Die den Gegenstand der gegenwärtigen Londoner und Moskauer Besprechungen bildenden Meinungsverschiedenheiten können daher nur technischer oder taktischer Natur sein (Heranziehung oder Ausschaltung der Sowjetunion) und die zeitweise sehr scharfe Kritik an England in der Sowjetpresse ist lediglich eine Begleitmusik in der gleichen Richtung: Anspornung der Einkreisungs- und Präventivkriegstendenzen unter Berücksichtigung der die Herauslassung der Sowjetunion bedingenden polnischen Sonderinteressen. Dem gleichen Zweck dient die Ableugnung eigener Interessen der Sowjetunion und die Hervorkehrung der bloßen „Aggressor3 So im Dokument. Der Vorschlag, dem Antikomintern-Pakt beizutreten, wurde Polen bei dem Treffen zwischen von Ribbentrop und Lipski am 24.10.1938 in Berchtesgaden unterbreitet; Polen trat dem Antikomintern-Pakt nicht bei. 4 PAT = Polska Agencja Telegraficzna (Polnische Telegrafenagentur). 5 Der Text ist korrigiert; ursprünglich: geschehen ist.
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Nr. 450
April 1939
Gegnerschaft“ in der letzten Stalin-Rede6 (Anfang März). Von einer Abschwächung der auf Kriegsentfachung abgestellten Ziele der Sowjetregierung, oder gar von einer Wendung in der Einstellung gegen Deutschland kann überhaupt keine Rede sein. Selbst eine subsidiäre oder partielle Unterstützung Polens durch die Sowjetunion (Sowjet-Luftstreitkräfte- und -Kriegsmaterial) dürfte, um die Selbstausschaltung der Sowjetunion im Sinne Warschaus und Moskaus zu vervollkommnen, von beiden Ostmächten bei ihren getrennten Verhandlungen mit England einvernehmlich nur in sehr beschränktem Maße zugesichert bzw. akzeptiert werden. Polen weiß selbstverständlich, dass im Falle eines Weißblutens Europas im Gefolge eines zweiten langdauernden Weltkrieges sein Land das erste wäre, das der Bolschewisierung – automatisch oder mit Hilfe eines Vorstoßes der dann noch intakten Roten Armee – verfallen würde. Aber es zieht – was oft verkannt wird – einerseits dieses ihm noch immer sehr bedingt erscheinende Risiko der Einnahme einer als zwangsläufig angesehenen deutschen Präponderanz in seinem eigenen Lebensraume vor; und andererseits schwebt ihm der Verlauf des Weltkrieges vor, d. h. praktisch rechnet es äußerstenfalls mit einer zeitweiligen Besetzung des polnischen Gebietes durch deutsche Truppen, eine Besetzung, die seinen Lebenszustand bis zu dem erhofften Endsieg der Westmächte und seiner durch Ostpreußen vergrößerten Wiederherstellung intakt erhalten würde. [Pacher von Theinburg] Unterschrift als Paraphe mit Datum: 27/IV. Auf erstem Blatt oben: von Ges. Pacher W[eizsäcker]. PA AA, R 29999, Bl. 408826-408833.
Nr. 450 Auszug aus dem Bericht der Wehrwirtschaftlichen Abteilung des Oberkommandos der Wehrmacht Nr. 450 April 1939 April 1939 [April 1939] Oberkommando der Wehrmacht W StB W Wi Nr. 121/39 g. K. IV Die Wehrwirtschaft der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken UdSSR (Große Ausarbeitung) Teil I […] X. Gesamturteil Im Vergleich mit der Vorkriegszeit ist in der UdSSR auf nahezu allen Gebieten eine Zunahme der Erzeugung zu verzeichnen, der jedoch ein starkes Wachsen des Verbrauches gegenübersteht. 6
1142
Vgl. Dok. 424.
April 1939 Nr. 450 Trotz der Änderung der landwirtschaftlichen Bewirtschaftungs- und Erzeugungsformen ist das Getreideaufkommen im Durchschnitt ausreichend. Mangel in einzelnen Zuschussgebieten ist auf schlechtes Arbeiten der Getreideverteilung zurückzuführen. Dagegen ist der Viehbestand seit dem Jahre 1929 stark zurückgegangen, sodass im Kriegsfall mit Versorgungsschwierigkeiten in tierischen Erzeugnissen gerechnet werden muss. Die Kenntnis der Rohstoffvorkommen ist durch die geologische Erforschung des Landes stark erweitert worden. Der Abbau der vorhandenen Rohstoffe und ihre Verwendung für industrielle Zwecke sind erheblich gestiegen. Über den Umfang der Bevorratung für den Kriegsfall liegen Zahlen bisher nicht vor. Die industrielle Fertigung hat mengenmäßig zugenommen. Die Fertigungsmöglichkeiten sind in großem Maßstab erweitert, die Anfertigung vieler Erzeugnisse, welche in der Vorkriegszeit nicht hergestellt wurden, in beachtlichem Umfange aufgenommen worden. Die Rüstungsindustrie stellt nahezu alle Kriegsgerätarten her, lediglich optisches und feinmechanisches Gerät höchster Präzision muss noch aus dem Auslande eingeführt werden. Bei der Kriegsgerätherstellung ist der Ausschuss sehr hoch, das abgenommene Kriegsgerät ist jedoch brauchbar. Ob die mengenmäßige Leistungsfähigkeit der Rüstungsindustrie für die Ausrüstung und laufende Versorgung der Kriegswehrmacht ausreicht, kann nicht mit Sicherheit beurteilt werden. Es erscheint zweifelhaft, dass die Leistungsfähigkeit auf die Dauer ausreicht. Die großen Entfernungen gewähren der UdSSR weitgehend Schutz gegen Feindeinwirkungen, sie machen das Land aber auch in entscheidender Weise von einem einwandfrei arbeitenden Verkehrswesen abhängig. Das reibungslose Arbeiten des Verkehrswesens ist für die Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Eine sehr starke Beanspruchung des Verkehrswesens erfolgt bereits im Frieden. Im Kriegsfall wird es bei zusätzlicher Beanspruchung durch die Wehrmacht nicht in der Lage sein, den Anforderungen der Kriegswirtschaft nachzukommen. Eine Zerstörung der Eisenbahnbrücken über die Wolga und Kama würde das Verkehrswesen der UdSSR in zwei Teile zerschneiden und dadurch die gesamte Wirtschaft auf das nachhaltigste erschüttern. Weitere besonders empfindliche Punkte stellen die wenigen Großkraftwerke dar, deren Ausfall die wichtigsten Gebiete der Rüstungs- und Schwerindustrie erheblich schwächen würde. Der Außenhandel der UdSSR ist im Frieden verhältnismäßig unbedeutend, die Beteiligung des Landes am Welthandel gering. Im Kriegsfall kann jedoch die Bedeutung der Einfuhr mit zunehmendem Versagen der Rohstoffgewinnung und der industriellen Fertigung erheblich gewinnen. Besondere Schwierigkeiten werden sich dabei aus der Lage der Häfen und ihren geringen Umschlagsmöglichkeiten ergeben. Für die Bezahlung der Einfuhr von Kriegsgerät und kriegswichtigen Rohstoffen ist der große Goldvorrat eine wesentliche Hilfe. Die sehr starke Zusammenfassung der Wirtschaftsleitung an einer Stelle wird im Kriegsfall die Überwindung örtlicher Störungen sehr erschweren. *Von besonderer Bedeutung für die Wehrwirtschaftskraft der UdSSR ist die Aufrechterhaltung der Erzeugung in der Ukraine. Ein Verlust der Ukraine, in der
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Nr. 451
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die hauptsächlichen landwirtschaftlichen Überschüsse erzielt werden und auf die der Hauptanteil der Erzeugung der Schwerindustrie entfällt, würde die Wehrwirtschaft der UdSSR entscheidend treffen.*1 Stand: April 1939 BA MA, RM 7/2584, Bl. 117, 153-154.
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Nr. 451 Aufzeichnung der Unterredung des Mitarbeiters der Firma „Otto Wolff“ Köpke mit dem Leiter des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre Nr. 451 2. 5. 1939 2. 5. 1939 Berlin, den 2. Mai 1939 Vertraulich! Russen-Verhandlungen (Schreiben des Herrn Gasper an Dr. Köpke vom 19.4.39) Ich habe heute eine eingehende Besprechung mit Herrn Geheimrat Schnurre im Auswärtigen Amt über den Stand der deutsch-russischen Verhandlungen gehabt und dabei die Frage erörtert, ob man nicht der Firma zur Ausnutzung ihrer eigenen Möglichkeiten den Russen gegenüber freie Hand lassen könnte. Ich habe Herrn Schnurre von dem Inhalt der Aktennotiz vom 19. v. M. über die Besprechungen mit den Herren Skossyreff und Gorodinski unterrichtet. Die Einzelheiten interessierten Herrn Schnurre außerordentlich und er bat, ihn auch weiterhin über solche Besprechungen persönlich und vertraulich wenn möglich ins Bild zu setzen. Zur Sache selbst führte Herr Schnurre Folgendes aus: Er schilderte zunächst die Vorgeschichte des augenblicklichen Standes der deutsch-russischen Verhandlungen: wie er nach einem Jahr vorbereitender Arbeit im Einvernehmen mit den anderen zuständigen Reichsressorts einen Vertragsentwurf mit weit gefasstem ursprünglich auf 300 Millionen RM, später auf 200 Millionen verringerten Rahmen fertiggestellt habe. Wie er dann von allen Ressorts einschließlich der politischen Stellen die Genehmigung erhalten habe, nunmehr auf dieser Grundlage – seiner und aller Beteiligten Ansicht nach – aussichtsreiche Verhandlungen mit den Russen zu beginnen. Wie bereits seine Ankunft in Moskau auf diplomatischem Wege angekündigt worden sei. Dann sei das Vorhaben bekanntlich durch alarmierende Nachrichten in der englischen und französischen Presse torpediert und er selbst angewiesen worden, in Warschau, wohin er Herrn v. Ribbentrop bei dessen dem polnischen Außenminister abgestatteten Gegenbesuch1 begleitet hatte, zunächst weitere Weisungen abzuwarten. Obgleich die Pressehetze ziemlich schnell wieder abgeflaut sei, sei er dann aber nach Berlin zurückberufen und ihm 1
Der Text ist im Original gesperrt gedruckt.
1
Vom 25.1. bis 27.1.1939; vgl. ADAP, Ser. D, Bd. V, Dok. 126, S. 139–140.
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2. 5. 1939 Nr. 451 hier die Reise nach Moskau verboten worden. Statt seiner habe dann die Botschaft den Auftrag erhalten, die Verhandlungen zu führen.2 Graf Schulenburg und vor allem der Leiter der Wirtschafts-Abteilung bei unserer Botschaft in Moskau, Legationsrat Hilger, hätten dann die Verhandlungen mit den Russen im Januar begonnen und auch 2 Monate lang verhandelt. Die Verhandlungen seien dann von neuem ins Stocken geraten und zwar, wie Herr Schnurre mit der Bitte um streng vertrauliche Behandlung bemerkte, auf unser eigenes Betreiben. Die zuständigen Wirtschaftsressorts hätten nämlich plötzlich erklärt, dass ein Vertrag in dem eingangs erwähnten weit gespannten Rahmen nach Lage unserer eigenen Wirtschaft und Exportmöglichkeiten nicht mehr in Frage kommen könnte; die Verhandlungen seien deshalb abzubrechen. Das Auswärtige Amt hat sich indessen darauf beschränkt, die Botschaft lediglich anzuweisen, die Verhandlungen möglichst hinhaltend in der Weise weiterzuführen, dass sie einerseits nicht mit einem glatten Abbruch endeten, andrerseits nicht zu irgendwelchen bindenden Abmachungen führten.3 Dies sei der augenblickliche Stand der deutsch-russischen Verhandlungen. Herr Schnurre ist, ungeachtet dieser neu entstandenen Schwierigkeiten, nach wie vor der Ansicht, dass sich mit den Russen schließlich doch noch ein Vertrag machen lasse. Nur müssten eben die Verhandlungen auf eine andere Grundlage gestellt werden. Ob und wie das möglich sei, darüber hat Herr Schnurre sich offensichtlich noch selber kein Bild gemacht. Er sprach davon, dass er Möglichkeiten im Zusammenhang mit dem russisch-tschechoslowakischen Kreditabkommen4 sähe, in dem gleichfalls die Gewährung eines beträchtlichen Kredits (Skoda!) in Aussicht genommen sei. Herr Schnurre beabsichtigt, bereits in der nächsten Woche, sobald er den weiteren Verlauf der umfangreichen litauischen Verhandlungen übersehen kann, Herrn LR Hilger aus Moskau hierherkommen zu lassen, um zusammen mit ihm die Wirtschaftsressorts in der Richtung zu sondieren und zu beeinflussen, dass eine Wiederingangsetzung der Verhandlungen mit den Russen ermöglicht werde. Herr Schnurre deutete an, dass er hierbei vor allen Dingen von den Militärs Unterstützung erhoffe und sicherlich auch erhalten werde. Nun zu der für uns besonders aktuellen Frage, ob nach dieser Lage der Dinge nicht unmittelbare Verhandlungen der Firma mit den Russen in Betracht gezogen werden können. Herr Schnurre verneinte diese Frage auf das Entschiedenste. Gerade angesichts seiner Absicht, die Verhandlungen mit den Russen wieder in Gang zu bringen, halte er Verhandlungen von irgendeiner privaten Seite mit Moskau für taktisch und sachlich falsch. Selbstverständlich beziehe sich dies lediglich auf Verhandlungen über zu gewährende Kredite, nicht aber auf andere laufende Geschäfte, deren Intensivierung er nach wie vor auf das Lebhafteste begrüßen würde. Aber auch insoweit müsste sich die Firma selbstverständlich in jedem einzelnen Falle des Einverständnisses des Reichswirtschaftsministeriums vergewissern, damit nicht der Erfolg durch irgendwelche Missdeutungen oder gar Quertreibereien in Frage gestellt würde.
2 3 4
Vgl. Dok. 406. Vgl. Dok. 427. Das Abkommen wurde am 3.6.1935 in Prag unterzeichnet. Vgl. auch Ostwirtschaft 1939,
S. 40.
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Nr. 452
3. 5. 1939
Herr Schnurre schloss seine Ausführungen damit, dass er für die Fühlungnahme der Firma mit ihm außerordentlich dankbar sei; er rechne auf die Unterstützung von Otto Wolff, die ihm bei dessen allseits bekannten ausgezeichneten Beziehungen zu den Russen und vor allem zu den maßgebenden Persönlichkeiten in Moskau überaus wertvoll sein würde. Er brauchte dabei den Ausdruck, er rechne damit, dass er bei seinen weiteren Bemühungen um den russischen Markt „die Hilfe der Firma ‚Otto Wolff‘ erbitten werde“. Herr Schnurre erklärte von sich aus, dass er, sobald Herr Hilger hier eingetroffen wäre, Herrn Gasper oder mich anrufen werde, um dann eine Zusammenkunft zu vereinbaren, damit wir in diesem Gremium persönlich und vertraulich die weiteren Möglichkeiten und das Procedere vereinbaren könnten. gez. Köpke Herrn Otto Wolff *Herrn Siedersleben*5 Herrn Gasper Auf erstem Blatt oben Stempel: Eing 3. Mai 1939 mit Paraphe von Siedersleben. RWWA, 72-45-2, o. P., 4 Bl.
5
Nr. 452 Telegramm des Generalsekretärs des ZK der VKP (B) Stalin an Bevollmächtigte Vertretungen im Ausland Nr. 452 3. 5. 1939 3. 5. 1939 Ganz geheim 3. Mai 1939 Zur Kenntnisnahme.1 Angesichts des ernsten Konfliktes zwischen dem Vorsitzenden des SNK Gen. Molotov und dem Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Gen. Litvinov2, der aus der illoyalen Haltung des Gen. Litvinov gegenüber dem Rat der Volkskommissare der Sowjetunion erwachsen ist, hat sich Gen. Litvinov an das ZK gewandt mit der Bitte, ihn von den Pflichten des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten zu entbinden. Das ZK der VKP (B) ist der Bitte des Gen. Litvinov nachgekommen und hat ihn von den Pflichten des Volkskom-
5 1
Der Name ist unterstrichen.
Das Telegramm wurde verschickt an: Suric in Paris, Majskij in London, Umanskij in Washington, Merekalov in Berlin, Gel’fand in Rom, Smetanin in Tokio, Derevjanskij in Helsinki, Nikitin in Tallinn, Sotov in Riga, Listopad in Warschau, Potemkin im NKID, Nikitnikova in Ankara. 2 Es ist anzunehmen, dass die scharfen Meinungsverschiedenheiten zwischen Litvinov und Molotov am 21.4.1939 während der 3,5stündigen Beratung bei Stalin zu Problemen der Außenpolitik der UdSSR zutage traten (vgl. Na prieme u Stalina, S. 257). Eine fragmentarische Information über diese Beratung, an deren Abschlussteil Merekalov über 50 Minuten lang teilnahm, befindet sich in dessen unveröffentlichten Aufzeichnungen.
1146
3. 5. 1939 Nr. 453 missars entbunden.3 Der Vorsitzende des SNK der Sowjetunion Gen. Molotov übernimmt zugleich die Funktion des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten.4 Sekretär des ZK der VKP (B) I. Stalin Veröffentlicht in: DVP, Bd. XXII, Dok. 269, S. 327.
3
4
Nr. 453 Aufzeichnung der Unterredung des 1. Sekretärs der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Ivanov mit dem Mitarbeiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Meyer-Heydenhagen Nr. 453 3. 5. 1939 3. 5. 1939 GEHEIM Expl. 7 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 110/s1 Berlin, 3.V.39 TAGEBUCH des 1. Sekretärs der Bevollmächtigten Vertretung der UdSSR IN DEUTSCHLAND N.V. IVANOV 29.IV. Wurde im Auswärtigen Amt von Herrn Meyer-Heydenhagen empfangen. Ich wies ihn auf die Unzulässigkeit der Fälle unkorrekten Verhaltens der örtlichen Behörden gegenüber dem Generalkonsulat der UdSSR in Memel2 hin, die dessen normale Arbeit gestört hätten (das Wappen der Sowjetunion wurde abgerissen, [unsere] Forderung, die an Hitlers Geburtstag gehisste Flagge abzunehmen), sowie die Erklärung der örtlichen Behörden gegenüber dem Generalkonsul der UdSSR in Memel3, man betrachte ihn lediglich als **private Person**4, und ich habe das Auswärtige Amt gebeten, effektive Maßnahmen zu ergreifen, um künftig Bedingungen für eine normale Arbeit des Generalkonsulats zu gewährleisten.5 3 Der Beschluss, Litvinov als Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR abzulösen und Molotov auf diesen Posten zu berufen, wurde am 3. Mai in der Sitzung im Kreml gefasst (vgl. Na prieme u Stalina, S. 258) und von Stalin persönlich als Beschluss des Politbüros abgefasst (RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1224 l. 52). Zur Information über die Entlassung Litvinovs, der durch das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR „auf dessen Bitte von den Pflichten des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR“ entbunden wurde vgl. die Rubrik „Chronika“ in: Izvestija vom 4. Mai 1939, S. 4. 4 Vgl. „Ukaz Prezidiuma Verchovnogo Soveta SSSR“ (Ukaz des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR). In: Izvestija vom 4. Mai 1939, S. 1. 1 2 3 4 5
Die Ausgangsnummer ist mit Bleistift geschrieben. Vgl. Dok 433, Anm. 4. Leonid Nikolaevič Kulikov. Der Text ist korrigiert; ursprünglich: auf Besuch befindliche Person. Zur Situation rund um das Generalkonsulat der UdSSR und zu den Eindrücken Nikolaevs anlässlich seiner Dienstreise nach Memel Ende April 1939 vgl. dessen Schreiben an Lit-
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Nr. 453
3. 5. 1939
Nachdem er mich angehört hatte, drückte M[eyer]-H[eydenhagen] sein Bedauern über das Vorgefallene aus, wobei er nicht versäumte zu spötteln, dass er aus der Erfahrung des deutschen Konsulats in Kiev wisse, wie schwierig es sei, unter den Bedingungen der Taktlosigkeit der örtlichen Behörden zu arbeiten. Er persönlich glaube allerdings, dass, solange die Frage des Fortbestehens des Konsulats nicht höheren Ortes entschieden sei, diesem alle Voraussetzungen für eine normale Tätigkeit geschaffen werden sollten. Nachdem er sich erneut entschuldigt hatte, versprach er, sich mit Memel ins Einvernehmen zu setzen und entsprechende Anweisungen zu erteilen. Am Ende des Gesprächs beklagte er sich einigermaßen erregt über die Verhaftungen und Verurteilungen deutscher Staatsbürger in der UdSSR und insbesondere über einen ehem[aligen] Mitarbeiter des Konsulats in Novosibirsk, der angeblich wegen Spionage zu 20 Jahren verurteilt worden sei. 6 Als Beweis für die leichtfertige Vorgehensweise des NKVD bei der Begründung von Verhaftungen führte er das ihm widerfahrene Beispiel an, dass man angeblich sogar ihn selbst der Diversion beschuldigt habe (Explosion im Kuzbass). „Sei er (M.H.) denn ein Spion?“ Und danach wiederholte er mehrere Male: „Sagen Sie, sind Sie **denn**7 persönlich, Herr Ivanov, kein Spion?“ Ich bemerkte, dass ihm wahrscheinlich bekannt sei, welche Aufgaben in die Verantwortung der Angehörigen dipl[omatischer] Missionen fielen, aber da er das Gespräch über das Thema der Verhaftungen nicht beenden wollte, begann er davon zu sprechen, dass die deut[sche] Reg[ierung] derzeit sämtliches Material über die Verhaftungen und Folterungen, denen deutsche Staatsbürger in der UdSSR ausgesetzt seien, sammle. Die deut[sche] Reg[ierung] beabsichtige, ein „Weißbuch“ auf der Grundlage dieses Materials, von dem es bereits eine ganze Menge gebe, herauszubringen, und nur ihr Unwille, Lärm in der Presse zu schlagen und die Beziehungen zur Sowjetunion wegen Kleinigkeiten zu beschädigen, veranlasse die deutsche Regierung, von seiner Veröffentlichung abzusehen. Eine Stunde nach unserem Gespräch rief M.H. mich an und teilte mit, dass den Memeler Behörden eine Anweisung zur Bewachung des Konsulatsgebäudes (es wird ein Polizeiposten eingerichtet) und zur Gewährleistung aller Voraussetzungen für eine normale Tätigkeit des Generalkonsulats der UdSSR in Memel bis zu dessen Auflösung erteilt worden sei. N.V. Ivanov Vermerk V.P. Potemkins mit rotem Farbstift: II. W[est]abt[eilung] Vermerk G.I. Vajnštejns mit Bleistift: an die Gen. Referenten für Deutschland. 15/V 39. GV[ajnštejn]. Paraphen der Referenten über die Kenntnisnahme. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 2329 vom 13.5.1939. Oben rechts befindet sich der Stempel der 2. Politischen Westabteilung des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 892 vom 14.5.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: vinov vom 3.5.1939. In: AVP RF, f. 06, op. 1, p. 7, d. 66, l. 1–2. Am 12.5.1939 beschloss das Politbüro des ZK der VKP (B) auf der Grundlage eines Vermerks Molotovs für Stalin vom selben Tag, das Generalkonsulat der UdSSR in Memel aufzulösen. Vgl. Moskva-Berlin, Bd. 3, Dok. 190, S. 275. 6 Paul Pausch. Vgl. Dok 273, Anm. 4. 7 Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben.
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4. 5. 1939 Nr. 454 Geschr[ieben] 8 Expl. 5 an Gen. Litvinov, 2 an Gen. Potemkin, 1 [Exemplar] zu den Akten. AVP RF, f. 082, op. 22, p. 93, d. 7, l. 186–185. Original.
Nr. 454 Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda Nr. 454 4. 5. 1939 4. 5. 1939 4. Mai 1939 ZSg. 101/13/3/Nr. 391 Zum Sturz Litwinows. Die Meldungen über den Sturz Litwinows und die ausländischen Pressestimmen dazu können von der deutschen Presse in aller Ausführlichkeit gebracht und mit Schlagzeilen versehen werden. Da die Hintergründe des plötzlichen Sturzes noch nicht geklärt sind, sollen eigene Kommentare über den Sinn dieses Sturzes vorläufig nicht geschrieben werden. Lediglich die Person Litwinows, seine gescheiterten Pläne usw. [kö]nnen charakterisiert werden. Sein Nachfolger Molotow darf auch unter [kein]nen Umständen abgestempelt werden, vor allem darf er zunächst nicht [als] jüdisch versippt bezeichnet werden und auch im Übrigen soll keine […]1 negatives Urteil – natürlich auch keine Vorschuss-Lorbeeren – ver[teilt] werden. Das Berliner Büro wird für das Morgenblatt eine Darstellung des Rücktritts geben, wenn bis dahin beim Auswärtigen Amt in Berlin die entsprechenden Informationen von der deutschen Botschaft in Moskau vorliegen. Im Übrigen geht brieflich zugleich ein vertraulicher Informationsbericht zu dieser Frage ab. Veröffentlicht in: NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit, Bd. 7/II, S. 415.
1
Nr. 455 Aufzeichnung der Botschaft Moskau Nr. 455 5. 5. 1939 5. 5. 1939 [nicht später als 5. Mai 1939] e.o. Pol V 39521 Absetzung Litwinows und Übertragung des Außenkommissariats an Molotow Es unterliegt keinem Zweifel, dass in den persönlichen Eigenschaften zwischen Litwinow und Molotow ein krasser Unterschied besteht. Sowohl intellektuell wie im Temperament ist Litwinow seinem bisherigen Regierungschef und nunmeh1
Der Text ist beschädigt; die fehlenden Buchstaben konnten nur zum Teil ersetzt werden.
1
Das Aktenzeichen ist handschriftlich eingefügt und auf dem ersten Blatt unten wieder-
holt.
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Nr. 455
5. 5. 1939
rigen Nachfolger bedeutend überlegen. Dass aber auch Litwinow seiner Impulsivität Zügel anzulegen und sich der gebotenen Vorsicht zu befleißigen verstanden hat, beweist sein langes Verbleiben im Amte; dabei ist er z. B. schon vor vielen Jahren durch eine Privataffäre politisch schwer kompromittiert und später durch die mysteriös gebliebene Affäre seiner Gattin (Zerwürfnis oder Verbannung?) gefährdet gewesen, und schließlich ist sein Amt seit 1936 durch die „Säuberungsaktionen“ so schwer getroffen worden, dass nahezu sämtliche früheren Referenten verschwunden sind. Auch die zahlreichen Fälle von „Nichtrückkehrertum“ unter den Sowjetdiplomaten mussten auf die Stellung Litwinows zurückwirken. Was die sehr undurchsichtige Frage betrifft, welche effektive Macht einem sowjetischen Außenkommissar wohl beigelegt werden kann, so habe ich von meist gut informierter Seite die Version gehört, dass 1930 nach dem Falle Tschitscherins das Politbüro – recte Stalin – grundsätzlich erwogen hätte, ob ein nur an allgemeine Richtlinien gebundener Außenkommissar mit diskretionären Befugnissen für alle Einzelheiten zu ernennen wäre, in welchem Falle man auf eine Parteigröße wie Andrejew gegriffen hätte, oder ob das Außenkommissariat dem damaligen VizeKommissar Litwinow, jedoch unter viel stetigerer Kontrolle des Polit-Büros übertragen werden sollte. Die unleugbare advokatorische Begabung Litwinows habe dann den Ausschlag für die letztere Modalität gegeben, weil der Kreml nun einmal eine solche Gerissenheit im Umgang mit der „Kapitalistischen Umwelt“ für das Wesentliche hielt. Molotow (Skrjabin) ist infolge seines unbändigen Fleißes und des immer größer werdenden Misstrauens Stalins gegen fast alle anderen Personen seiner Umgebung schon vor etwa 1 ½ Jahren sozusagen das „Mädchen für Alles“ geworden. Aus einer Verordnung betreffend die Errichtung eines engeren Regierungsausschusses zur Vorbereitung der – angeblich – an den Sownarkom (Volkskommissarenrat) gelangenden Entwürfe und Anträge war bereits deutlich zu erkennen, dass dieser letztere mit seiner Vielzahl von Kommissaren überhaupt ausgeschaltet werden sollte und der neue Ausschuss, der gleichfalls unter Vorsitz Molotows amtiert, sozusagen als eine Präsidialkanzlei des Politbüros, also Stalins, gedacht war, die alles irgendwie Fragliche in möglichst beschlussreifer Form zur Entscheidung im Politbüro vorzubereiten, das Übrige aber nach eigener Kontrolle an die Ressorts zurückzuleiten hat. Nur dem Außenkommissar war die Befugnis zu „Immediatberichten“ gelassen. Hingegen unterstand dieser samt allen seinen Mitarbeitern einer anderen, mehr technischen Kontrolle, durch einen besonderen Dienst der GPU, die eigene Berichte von Abhörern, als Sekretären getarnten Exponenten der Staatspolizei etc. dem Politbüro vorzulegen hatte. Unter solchen Kautelen kann man kaum von der „Politik“ eines Außenkommissars als einem irgendwie selbständigen Faktor sprechen. Jedenfalls im gegenwärtig aktuellen Sinne nicht so weit, dass Litwinow etwa die mit dem PotemkinGrzybowskischen Protokoll2 inaugurierte Linie der – vorläufigen – Selbstausschaltung, sowie der Rückensicherheit und der „freien Bahn für Polen“ mit seinen Gegenvorschlägen an London willkürlich hätte verlassen oder durchkreuzen können. Er kann nur allzu nachdrücklich dafür „plädiert“ haben, irgendeinen Druck auf Warschau auszuüben, damit Polen das von London als unerlässlich angesehene 2
1150
Vgl. Dok. 341, Anm. 15.
5. 5. 1939 Nr. 455 Maß von militärischer Unterstützung durch die Sowjetunion annähme. *Die Beseitigung Litwinows als „Scheitern oder wesentliche Schwächung der Einkreisungsaktion“ anzusehen, dürfte demnach irrig sein.*3 Diese wird dann scheitern, wenn es nicht gelingt, die englische Ansicht von der Notwendigkeit der sowjetischen Teilnahme mit der entgegenstehenden Ablehnung Polens auf einen mittleren Nenner zu bringen; die sowjetische Zusage der zu gewährenden Unterstützung kann sich letzten Endes trotz aller eigenen Vorschläge nur einem solchen Kompromiss anpassen und dafür genügt die Erklärung Stalins, jederzeit zu einer Front gegen die „Aggression“ bereit zu ein. So wie die Möglichkeit zu einer Betätigung persönlicher Ansichten eines sowjetischen Außenkommissars nur eine sehr beschränkte ist, sollte auch die Verschiedenheit in der Einstellung Litwinows und Molotows zu Deutschland nicht überschätzt werden. Beide sind bestimmt Anhänger jener außenpolitischen Generallinie, die vor der nationalsozialistischen Machtergreifung im Reich (bzw. vor der Erkenntnis ihrer Stabilität) das Abgleiten Deutschlands in den Bolschewismus als revolutionäres Hauptziel erhofft und mit allen Mitteln betrieben hatte; und die seither den deutschen Nationalsozialismus als größtes Hindernis der Weltrevolution leidenschaftlich bekämpft, wobei ihr die Entfachung eines Präventivkrieges der Status quo-Mächte gegen das Reich als unverrückbares Ziel vor Augen steht. Einen deutschfreundlichen Kurs oder Anhänger eines solchen hat es in der Sowjetunion so wenig jemals gegeben, wie es heute einen pro-englischen oder profranzösischen Kurs als solchen gibt. Obwohl Molotow Russe ist, dürfte sich auch sein Eifer für das Judentum nur nach Maßgabe des Temperaments von demjenigen Litwinows unterscheiden. Dabei ist ihr Blick in gleicher Weise auf Amerika und das dortige Judentum gerichtet; die Gattin Molotows, die Jüdin *Schemuptschugina*4 hat in New York *2 Brüder*5, die, trotz bürgerlicher Lebensverhältnisse, an der Spitze einer besonders aktiven und ausschließlich jüdischen pro-bolschewistischen Organisation stehen. Außerdem dürfte man kaum fehlgehen, in Molotow nicht nur den bedingungslosen Vertrauensmann Stalins, sondern auch den künftigen Strohmann Kaganowitschs zu erblicken. Molotow wird von nun an im Bereiche des Außenkommissariats unter dem Titel eines Volkskommissars, im Bereiche der übrigen Ressorts als Vorsitzender des engeren Regierungsausschusses jene früher erwähnte vorbereitende Arbeit eines Präsidialvorstandes des Politbüros verrichten. Seine Ernennung zum Außenkommissar bedeutet daher im Grunde nichts anderes als eine noch unmittelbarere Kontrolle der Außenpolitik durch Stalin selbst. PA AA, R 104355, Bl. 202540-202543.
3 4 5
Der Satz ist am Seitenrand mit einem Fragezeichen versehen. Das Wort ist unterstrichen; richtig: Polina Semenovna Žemčužina. Der Text ist unterstrichen.
1151
Nr. 456
5. 5. 1939
Nr. 456 Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda Nr. 456 5. 5. 1939 5. 5. 1939 5. Mai 1939 ZSg. 101/13/5/1 Ab sofort soll die Polemik gegen die Sowjetunion und den Bolschewismus eingestellt werden. Es hat dies, wie es in der amtlichen Begründung lautet, nichts mit dem tiefgreifenden Unterschied der Weltanschauungen zu tun, sondern ist nur notwendig wegen der zahllosen ausländischen Gerüchte, die die Lage nur verwirren. Bis zu neuen Anweisungen haben jedenfalls alle scharfen Äußerungen gegen die Sowjetunion zu unterbleiben. Veröffentlicht in: NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit, Bd. 7/II, S. 423.
Nr. 457 Aufzeichnung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre Nr. 457 5. 5. 1939 5. 5. 1939 Berlin, den 5. Mai 1939 zu W IV 1493 Ich habe heute Nachmittag den sowjetischen Geschäftsträger, Botschaftsrat Astachoff, zu mir gebeten und ihm mitgeteilt, dass wir uns mit der von seinem Botschafter am 17. April beantragten Durchführung der sowjetischen Lieferverträge mit den Skoda-Werken1 einverstanden erklärt hätten. Entsprechende Weisungen seien bereits ergangen. Ich bat ihn, dies seiner Regierung mitzuteilen. Botschaftsrat Astachoff nahm diese Mitteilung mit sichtlicher Befriedigung entgegen und betonte, dass für die Sowjet-Regierung nicht so sehr die materielle Seite der Frage von Bedeutung wäre als vielmehr die grundsätzliche. Er erkundigte sich, ob wir nicht bald die im Februar unterbrochenen Verhandlungen2 wieder aufnehmen würden. Ich erwiderte ihm hierzu, dass ich ihm darüber noch keine Antwort geben könne, da die Prüfung der zahlreichen Probleme, die die letzte russische Antwort3 für uns gebracht hätte, noch nicht abgeschlossen sei. Astachoff kam dann auf die Absetzung Litwinows4 zu sprechen und versuchte, ohne direkte Fragen zu stellen, zu erfahren, ob uns dies Ereignis zu einer veränderten Einstellung der Sowjet-Union gegenüber bringen würde. Er unterstrich sehr die große Bedeutung der Persönlichkeit Molotows, der nichts von *einem Spezialisten in der Außenpolitik an sich hätte, aber ein desto größeres Gewicht für die künftige sowjetische Außenpolitik haben würde*5. gez. Schnurre 1 2 3 4 5
1152
Vgl. Dok. 442, 443. Vgl. Dok. 407, 408. Am 26.2.1939. Vgl. Dok. 483. Vgl. Dok. 452, 455. Der Text ist am Seitenrand angestrichen.
6. 5. 1939 Nr. 458 Auf dem Blatt unten handschriftlich: 1) Herrn Ges. v. Pacher, Herrn L.R. Meyer-Heydenhagen zur gefl. Kt. mit deren Abzeichnungen vom 8.5. bzw. 10.5. 2) zdA Pol V. Unten: Po 2 Russland (unter Umschlag). PA AA, R 104357, Bl. 211496. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 332, S. 355.
Nr. 458 Aufzeichnung der Unterredung des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov mit dem Leiter des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre Nr. 458 6. 5. 1939 6. 5. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 7 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 113/s1 Berlin, 6.V.1939 TAGEBUCH G. ASTACHOVS [...]2 5.V. Auf Einladung von Schnurre (Referent der Wirtschaftsabteilung im Auswärtigen Amt für Osteuropa) besuchte ich ihn im Auswärtigen Amt.3 Sch[nurre] nahm auf unsere Note vom 15.IV. zu den Škoda-Werken4 und auf das Gespräch des Bevollmächtigten Vertreters mit Weizsäcker (am 17.IV.)5 Bezug und teilte mit, dass die *deutsche Regierung*6 nach Prüfung der Frage zu dem Schluss gekommen sei, dass die von den Škoda-Werken mit der Handelsvertretung der UdSSR in Prag abgeschlossenen Verträge unbedingt zu erfüllen seien. Entsprechende Weisungen wären bereits an die Militärbehörden und an die Leitung von Škoda ergangen. Sch. bat, das NKID7 und den Bevollmächtigten Vertreter darüber in Kenntnis zu setzen, und bemühte sich, die Bedeutung dieser Entscheidung hervorzukehren, da es insbesondere um Kanonen ginge. Nach dem Austausch von Repliken, wobei ich meine Genugtuung bezüglich dieser Entscheidung der Frage zum Ausdruck brachte, kam Sch. auf die Wirtschaftsverhandlungen in Moskau zu sprechen und bemerkte, dass die sowjetische Seite in die Liste der gewünschten Kaufobjekte zu viele Positionen aufgenommen habe, deren Lieferung mit Schwierigkeiten verbunden wäre.8 Zurzeit befinde sich der Vorgang im Stadium der Klärung. Sch. fragte, ob die Informationen über eine 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Ausgelassen sind die Gesprächsaufzeichnungen: mit dem französischen Botschafter Coulondre am 4.5. (l. 57–54), mit dem Korrespondenten der „New York Herald Tribune“ Barnes am 4.5. (l. 54), mit dem lettischen Gesandten Krieviņš am 5. 5. (l. 54–52). 3 Zur Aufzeichnung Schnurres über dieses Gespräch vgl. Dok. 457. 4 Der Text der Note in: DVP, Bd. XXII, Dok. 237, Anhang, S. 294–296. 5 Zum Gespräch Merekalovs mit von Weizsäcker vgl. Dok. 441, 448. 6 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. 7 Vgl. DVP, Bd. XXII, Dok. 280, S. 338. 8 Vgl. Dok. 414, 427.
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Nr. 459
6. 5. 1939
mögliche Reise des Gen. Mikojan nach London zuträfen, worauf ich antwortete, dass ich dazu keine Informationen hätte. Sch. bemühte sich, die Ablösung des Volkskommissars9 auf der Grundlage der in den Zeitungen angestellten Vermutungen zu erörtern (Litvinov als Schöpfer der Idee der kollektiven Sicherheit, der Initiator des Beitritts der UdSSR zum Völkerbund usw.), worauf ich ihm die übliche Erklärung gab.10 [...]11 G. Astachov Vermerk mit blauem Farbstift: A[rchiv]. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkins mit der Eingangs-Nr. 2331 vom 13.5.1939 mit dem Vermerk über den Erhalt von 2 Exemplaren und der Weiterleitung an die 2. Westabteilung. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. 5 an Gen. Molotov, 2 an Gen. Potemkin, 1 [Exemplar] zu den Akten der Bevollmächtigten Vertretung. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 59, l. 57–50, hier l. 52–51. Kopie.
Nr. 459 Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda Nr. 459 6. 5. 1939 6. 5. 1939 6. Mai 1939 ZSg. 101/13/6/Nr. 406 Vertraulich und wichtig!!! Über die Person Litwinows soll nun nichts mehr erscheinen. Bei der politischen Charakterisierung seines Nachfolgers Molotow soll Zurückhaltung herrschen. Genaue Prognosen lassen sich für den sowjetischen Kurs nicht aufstellen. Die deutsche Taktik geht dahin, die Schwierigkeiten der Demokratien auf alle Fälle zu vergrößern und infolgedessen die Sowjetunion zu schonen, da sie durch den Sturz Litwinows von gewissen Tendenzen der Demokratien abgerückt ist. Veröffentlicht in: NS-Pressenanweisungen der Vorkriegszeit, Bd. 7/II, S. 430.
9 10
Zum Wechsel von Litvinov zu Molotov vgl. Dok. 452, 455. Vermutlich handelt es sich um die Instruktion, „welche Erklärungen den ausländischen Gesprächspartnern“ im Zusammenhang mit dem Rücktritt von Litvinov zu geben seien, über die Astachov am 4.5. beim NKID angefragt hatte (vgl. DVP, Bd. XXII, Dok. 276, S. 332). Am nächsten kam die Formulierung Potemkins: die sowjetische „Politik wird nicht von einer Person geleitet, sondern von der Regierung, und die Linie dieser Politik ist unveränderlich...“. (ebd., Dok. 287, S. 344). 11 Ausgelassen sind die Aufzeichnungen der Gespräche während des Mittagessens beim britischen Botschaftsrat Ogilvie-Forbes am 5.5. (l. 51–50).
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8. 5. 1939 Nr. 460 Nr. 460 Bericht des deutschen Geschäftsträgers in Moskau von Tippelskirch an das AA Nr. 460 8. 5. 1939 8. 5. 1939 Moskau, den 8. Mai 1939 Tgb.Nr. A/910 An das Auswärtige Amt Berlin Durchschlag Im Anschluss an Drahtbericht Nr. 61 vom 4. Mai 19391 Politischer Bericht Inhalt: Ernennung Molotows zum Außenkommissar Durch einen in der Moskauer Presse vom 4. Mai an bevorzugter Stelle veröffentlichten „Ukas“ des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR ist der Vorsitzende des Rats der Volkskommissare der Sowjetunion Molotow unter Beibehaltung seines bisherigen Amtes zum Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten ernannt worden. Gleichzeitig wurde von den hiesigen Zeitungen auf der letzten Seite unter „Chronik“ bekanntgegeben, dass Litwinow „auf eigene Bitte“ von den Obliegenheiten des Außenkommissariats entbunden worden ist.2 Der Wechsel in der Leitung des Außenkommissariats kam völlig überraschend. Noch bei der Parade auf dem Roten Platz am 1. Mai war Litwinow auf der Ehrentribüne in nächster Nähe Stalins zu sehen. Sein Name wurde in diesem Zusammenhang in der am 3. Mai allein erschienenen Moskauer Zeitung „Prawda“ erwähnt.3 Am 2. Mai oder am 3. Mai hatte er noch eine Besprechung mit dem Englischen Botschafter Sir William Seeds.4 Auf dieser Besprechung wurde sogar für den 4. Mai eine weitere Besprechung unter Beteiligung des hiesigen Türkischen Botschafters5 verabredet. In den am 4. Mai von der Presse veröffentlichten Schilderungen der Parade fehlte bereits bezeichnenderweise der Name Litwinows. Die Entlassung Litwinows wurde am 3. Mai kurz vor Mitternacht im Moskauer Rundfunk bekanntgegeben. Im Außenkommissariat, wohin sich sofort einige Journalisten begaben, war von der Sache noch nichts bekannt. Auch inzwischen hat das Außenkommissariat keinerlei Erläuterungen gegeben. Vielleicht hat man auch die Vorzensur für Pressetelegramme aufgehoben, um nur ja nicht irgendeine Stellungnahme zu verraten. Die Sowjetpresse hat sich jeglichen Kommentars bisher enthalten. Konkrete Anzeichen für eine Erschütterung der Stellung Litwinows lagen in letzter Zeit nicht vor, abgesehen vielleicht davon, dass der Offiziosus des Außenkommissariats, das „Journal de Moscou“ am 1. Mai sein Erscheinen eingestellt hat. 1 Telegramm Nr. 61 vom 4.5.1939 von Tippelskirch an das AA. In: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 325, S. 346–347. 2 Vgl. Dok. 452, Anm. 3, 4. 3 Vgl. „1 maja na Krasnoj ploščadi“ (Der 1. Mai auf dem Roten Platz). In: Pravda vom 3. Mai 1939, S. 1. 4 Vgl. God krizisa 1938–1939, Bd. 2, Dok. 312, S. 423. 5 Zekai Apaydin.
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Nr. 460
8. 5. 1939
Auf dem jüngsten Kongress der Kommunistischen Partei der Sowjetunion war Litwinow zum Mitglied des Zentral-Komitees der Partei wiedergewählt worden; kurz vorher feierten ihn die Zeitungen als „den Stalin’schen Fahnenträger des Friedens“. Offenbar ist die Amtsenthebung Litwinows von Stalin spontan beschlossen worden. Dieser Entschluss hängt vermutlich damit zusammen, dass im Kreml Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich Litwinows Verhandlungen mit England, über die die Sowjet-Presse bis heute kein Wort gebracht hat, entstanden sind. Bei dem Misstrauen Stalins gegenüber England ist es auch möglich, dass Litwinows 150prozentiger Alliance-Vorschlag6 als Prüfstein auf die Ehrlichkeit Englands gedacht war. Nun dem Diktator das Spiel nicht mehr passt, lässt er nach asiatischer Methode einfach den Unterhändler von der Bildfläche verschwinden. Im hiesigen diplomatischen Corps, wo das Verschwinden Litwinows naturgemäß stärkstes Aufsehen hervorgerufen hat, spricht man wieder von einer bevorstehenden Annäherung zwischen Deutschland und der Sowjet-Union, die durch die Ernennung Molotows angeblich erleichtert werde. Wenn somit die Entlassung Litwinows die Folge eines spontanen Entschlusses Stalins zu sein scheint, so muss trotzdem festgestellt werden, dass bereits seit langem Gerüchte über Litwinow im Umlauf waren, die seine Ausbootung prophezeiten. Litwinow gehörte nämlich zur alten Garte der Bolschewiki, deren Vertreter – zu einem erheblichen Teil Juden – mit wenigen Ausnahmen den letzten Säuberungen zum Opfer gefallen sind. Seine beiden langjährigen Stellvertreter Karachan und Krestinski sind erschossen worden; die meisten seiner Mitarbeiter sind in der Versenkung verschwunden. Zur letzten Völkerbundsratstagung in Genf ist Litwinow nicht mehr gereist. Seine Familien-Angelegenheiten gaben seit einiger Zeit Anlass zu Gerede, weil die Frau Litwinows, eine Jüdin namens Ivy Low, die er in England als politischer Emigrant geheiratet hatte, ihren Wohnsitz nach Swerdlowsk verlegte und Litwinow sich ständig in Gesellschaft eines jungen Mädchens zeigte, das mit seinen Kindern aufgewachsen war. Mit der Ernennung Molotows zum Außenkommissar übernimmt Stalin gleichsam selbst die Außenpolitik. Molotow gehört seit Jahren zu Stalins engsten Mitarbeitern und Vertrauten. Er ist 1890 im ehemaligen Gouvernement Wjatka geboren und heißt mit richtigem Namen Skrjabin. Molotow ist Russe, aber mit der Jüdin oder Halbjüdin, Frau Shemtschushina, zurzeit Volkskommissarin für die FischereiIndustrie, verheiratet. Schon als Schüler schloss er sich der Revolutionsbewegung an. Im Jahre 1912 lebte er in Petersburg, wo er die Technische Hochschule besuchte und Mitarbeiter der bolschewistischen Zeitung „Swesda“ und „Prawda“ war. Seitdem datiert seine Bekanntschaft mit Stalin. Nach der Februar-Revolution betätigte er sich in der bolschewistischen Fraktion des Petersburger Arbeiter- und SoldatenRats. Die Oktober-Revolution machte er als Mitglied des Petersburger Kriegsrevolutionskomitees mit. Nach der Errichtung der bolschewistischen Herrschaft begleitete er in Petersburg und anderen Städten eine Reihe von Partei- und Verwaltungsämtern. 1920 wurde er zum Sekretär der Parteizentrale der Sowjetukraine gewählt. Von 1921 bis 1930 war er als Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion Stalins rechte Hand. Seit 1924 ist Molotow Mitglied des Po6
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Vgl. DVP, Bd. XXII, Dok. 229, S. 283–284.
8. 5. 1939 Nr. 460 litbüros. 1930 wurde er als Nachfolger Rykows zum Vorsitzenden des Rats der Volkskommissare der Sowjetunion ernannt. Molotow ist durch seine unbedingte Ergebenheit gegenüber Stalin bekannt. Persönlichen Ehrgeiz besitzt er nicht. Er ist ein sehr ruhiger und fleißiger, aber unschöpferischer Mensch. Molotow stottert und ist ein schlechter Redner. Im Gegensatz zu dem sprachgewandten Litwinow beherrscht Molotow keine einzige Fremdsprache und ist niemals im Ausland gewesen. Dass Molotow das Amt des Volkskommissars auf die Dauer verwalten wird, ist bei seiner sonstigen starken Inanspruchnahme kaum anzunehmen. Praktisch wird es darauf hinauslaufen, dass Molotow die Kontrolle über die Außenpolitik ausübt, während zunächst Potemkin die laufende Arbeit leistet. Der Weggang Litwinows bedeutet in der auswärtigen Politik der Sowjet-Union einen Abschnitt. Seit 1918 hat Litwinow zunächst als Kollegiumsmitglied des Außenkommissariats, dann als Stellvertreter Tschitscherins und schließlich als Außenkommissar die Sowjetpolitik mitbestimmt. In seine Amtszeit fallen die Nichtangriffs- und Beistandspakte, der Eintritt der Sowjet-Union in den Völkerbund und die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Die Ernennung Molotows bedeutet ein Zurückziehen auf die Grundprinzipien der Stalin’schen Außenpolitik, die Stalin in seiner Rede auf dem kürzlichen Parteikongress unter anderem mit nachstehenden Worten klar zum Ausdruck gebracht hat: „Die Aufgaben der Partei auf dem Gebiet der Außenpolitik bestehen in Folgendem: 1.) Auch in Zukunft eine Politik des Friedens und der Festigung sachlicher Beziehungen mit allen Ländern zu betreiben; 2.) Vorsicht zu beobachten und den Kriegsprovokateuren, die es gewohnt sind, sich von anderen die Kastanien aus dem Feuer holen zu lassen, nicht die Möglichkeit zu geben, unser Land in Konflikte hineinzuziehen; 3.) Die Kampfkraft unserer Roten Armee und unserer Roten Kriegsmarine mit allen Mitteln zu stärken; 4.) Die internationalen Freundschaftsbeziehungen mit den Werktätigen aller Länder, die am Frieden und an der Freundschaft zwischen den Völkern interessiert sind, zu festigen.“7 gez. von Tippelskirch Auf erstem Blatt oben Stempel: AA eing. 10. Mai 1939 und Pol V 4068. Gefertigt in vier Durchschlägen. PA AA, R 104355, Bl. 202549-202553.
7
Vgl. Dok. 424.
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Nr. 461
10. 5. 1939
Nr. 461 Telegramm des kommissarischen Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Gorodinskij an den Volkskommissar für Außenhandel Mikojan Nr. 461 10. 5. 1939 10. 5. 1939 GANZ GEHEIM Außer der Reihe Anfertigung von Kopien verboten CHIFFRETELEGRAMM AUS BERLIN Eingangs-Nr. 2886 [10.5.1939] AN MIKOJAN Heute suchte mich Tschunke auf. Das Ziel seines Besuches bestand darin, Möglichkeiten zu sondieren, eine Kommission von Industriellen und eventuell einen Vertreter des Wirtschaftsministeriums in die UdSSR zu entsenden, um die Kreditverhandlungen auf dem Wege eines persönlichen Treffens mit Ihnen zu aktivieren, weil angeblich der deutsche Botschafter in der UdSSR1 nicht kompetent sei, auf alle Fragen zu antworten, die im Verlaufe der Verhandlungen bei Ihnen aufkommen und aufkommen können. Er habe angeblich bereits heute die Gelegenheit, mit einigen deutschen Instanzen über die Mitteilung von TASS vom 10. Mai2 zu sprechen, die in der gesamten deutschen Presse veröffentlicht worden ist und einen kolossalen Eindruck bei allen deutschen Kreisen gemacht hat, wo man meint, dass sich nach dieser Mitteilung die Lage abrupt aufgeklärt habe und den Abschluss eines Kreditabkommens zwischen der UdSSR und Deutschland begünstige, und dass die Liste dessen, was sie uns jetzt im Rahmen des Kredits vorschlagen, erweitert werden könnte. GORODINSKIJ 10.V.39 Für die Richtigkeit: Vlasova3 Vermerk mit rotem Farbstift: An Gen. Mikojan. Vermerk A.I. Mikojans mit blauem Farbstift: An Gen. Stalin. A. Mikojan 11/V. Resolution I.V. Stalins mit blauem Farbstift: Ich schlage vor, auf den Vorschlag Tschunkes vorerst überhaupt nicht zu reagieren und Gorodinskij mitzuteilen, dass der Vorschlag Tschunkes nicht als seriös anzusehen ist. St[alin]. Stempel der IV. Abteilung des Sondersektors des ZK der VKP (B) mit der Eingangs-Nr. 964/šs vom 11.5.1939. Maschinenschriftliche Vermerke: Erhalten am 11.V.39 um 2.00 Uhr; Entschlüsselt von Babuškin am 11.V.39 um 4.00 Uhr; Geschrieben um 4.15 Uhr; 3 Expl. am 11.V.39 geschrieben: das 1. [Exemplar] das Original, das 2. an Mikojan, das 3. als Arbeitsexemplar. 11.V.39. Geschrieben 2 Expl. Mit Tinte geschriebener Registraturvermerk: Nr. 180/13.V.39. 1 2
Friedrich Werner Graf von der Schulenburg. In der TASS-Meldung wurde die Meldung der Agentur Reuters zu den englischen Gegenvorschlägen vom 8.5.1939 an die sowjetische Regierung dementiert. Vgl. „Soobščenie TASS“. In: Izvestija vom 10. Mai 1939, S. 4. 3 Die Unterschrift ist mit Tinte geschrieben.
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11. 5. 1939 Nr. 462 Auf Kopfbogen der Geheimen Chiffrierabteilung des Volkskommissariats für Außenhandel der UdSSR geschrieben. RGASPI, f. 84, op. 1, d. 134, l. 9. Beglaubigte Kopie.
Nr. 462 Artikel des Generalsekretärs des ZK der VKP (B) Stalin Nr. 462 11. 5. 1939 11. 5. 1939 [11.5.1939] Zur internationalen Lage1 In den letzten Wochen sind einige Ereignisse eingetreten, die die Lage in Europa wesentlich verändert haben. Wir meinen damit, erstens, die letzte Rede Hitlers im Reichstag2 und, zweitens, den Abschluss des militär-politischen Bündnisses zwischen Italien und Deutschland3. Die politischen Führer der Westmächte verweisen gewöhnlich darauf, dass diese beiden Ereignisse keine Veränderungen in der Lage Europas mit sich gebracht hätten. Das stimmt natürlich nicht. Das ist vielmehr eine Lüge, weil eine solche Bemerkung darauf abzielt, die öffentliche Meinung zu täuschen. In Wirklichkeit bewirkten diese beiden Ereignisse eine Wendung in der gesamten politischen Situation zum Schlechteren. Dank der Rede Hitlers im Reichstag verschwanden zwei sehr wichtige Verträge, die bis dahin die Beziehungen zwischen England und Deutschland einerseits und zwischen Deutschland und Polen andererseits geregelt hatten. Da war das Flottenabkommen zwischen England und Deutschland.4 Nach der Rede Hitlers gab es dieses Abkommen nicht mehr. Da war der Nichtangriffsvertrag zwischen Polen und Deutschland.5 Nach der Rede Hitlers gab es diesen Vertrag nicht mehr. Wie kann man da behaupten, dass die plötzliche Annullierung von zwei überaus wichtigen Verträgen zu keinerlei Veränderungen in der internationalen Lage geführt habe! Was den Abschluss des militär-politischen Bündnisses zwischen Italien und Deutschland betrifft, so wurde mit dieser Tatsache der bis dahin bestehenden Lage in Europa der nächste Schlag versetzt. Bis zum Abschluss dieses Vertrages betrieben Deutschland und Italien zwei „parallele“ Politiken, die ungeachtet der Gesetze der Geometrie recht oft auf einer annähernd einheitlichen Achse zusammenliefen, mitunter jedoch auch nicht übereinstimmen konnten. Einige Staaten hegten sogar 1 Der Artikel wurde ohne Unterschrift veröffentlicht. Der Text wurde in der im RGASPI aufbewahrten Akte unter dem Vorbereitungsmaterial für Band 14 der Werke Stalins entdeckt. Vgl. RGASPI, f. 71, op. 10, d. 130, l. 340–343. 2 Am 28.4.1939. Vgl. „Die Antwort des Führers“. In: Völkischer Beobachter vom 29. April 1939, S. 3–8. 3 Am 22.5.1939. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 426, S. 466–469. Nach einer Mitteilung des TASS-Korrespondenten vom 8.5.1939 hieß es: „Die Berliner Zeitungen haben heute das offizielle Kommuniqué über den Abschluss eines militär-politischen Bündnisses zwischen Deutschland und Italien veröffentlicht.“ Vgl. „Germano-ital’janskij voennyj sojuz“ (Deutschitalienisches Militärbündnis). In: Izvestija vom 9. Mai 1939, S. 4. 4 Vom 18. 6.1935. Vgl. Documents on British Foreign Policy 1919–1939, 2. Ser., Bd. XIII, London 1973, Dok. 348, Anhang, S. 430–432. 5 Am 26.1.1934 war die gemeinsame Erklärung der Regierungen Deutschlands und Polens über Nichtangriff unterzeichnet worden. Vgl. ADAP, Ser. C, Bd. II/1, Dok. 219, S. 411–412.
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Nr. 462
11. 5. 1939
Hoffnungen, ja, auch direkte Ansichten, Italien von Deutschland loszureißen, Deutschland zu isolieren. Jetzt ist diesen Hoffnungen und Plänen ein Ende bereitet worden. Es gibt keine zwei „parallelen“ Politiken mehr. Jetzt wird es Europa auch mit einer einzigen allgemeinen und militärischen Politik, der deutsch-italienischen Politik, zu tun bekommen, deren Spitze sich, wie die Autoren des Vertrages es selbst sagen, gegen England und Frankreich richtet. Wie kann man da behaupten, dass dieses wichtige Ereignis zu keinen Veränderungen in der Lage Europas geführt habe! Sowjetische Menschen haben nicht nur einmal versichert, dass der Antikomintern-Pakt, der Deutschland, Italien und Japan vereint, eine Maske ist, hinter der sich der Block der Aggressorstaaten gegen England und Frankreich versteckt. Den sowjetischen Menschen hat man nicht geglaubt, man hat sie ausgelacht. Jedoch ist nunmehr allen klar, dass die Umwandlung des Antikomintern-Paktes zwischen Deutschland und Italien in eine militär-politische Allianz dieser Staaten gegen England und Frankreich eine unbestreitbare Tatsache ist. Es steht fest, dass nach der Eroberung der Tschechoslowakei und Albaniens6 die Annullierung von zwei Verträgen durch Deutschland und der Abschluss der militär-politischen Allianz zwischen Deutschland und Italien überaus ernste Ereignisse darstellten, die die Lage in Europa von Grund auf verschlechtert haben. All diese Vorgänge schufen Bedingungen, aufgrund derer die demokratischen Staaten ihre Bemühungen verstärkten, nach den notwendigen Mitteln und Wegen zu suchen, um eine Einheitsfront gegen die beginnende Aggression zu schaffen. Auf dieser Grundlage entwickelten sich Gespräche zwischen England und Frankreich einerseits und der UdSSR andererseits über die Organisation einer wirksamen Friedensfront gegen die Aggression. Ausländische Politiker und Pressevertreter setzen allerlei verleumderische Gerüchte über die Haltung der UdSSR in diesen Verhandlungen in die Welt, sie schreiben ihr die Forderung nach Abschluss eines direkten Militärbündnisses mit England und Frankreich und anscheinend sogar der unverzüglichen Aufnahme militärischer Aktivitäten gegen die Aggressoren zu. Es besteht kein Bedarf zu beweisen, dass dieses dumme Zeug überhaupt nichts mit der Haltung der UdSSR zu tun hat. Die UdSSR war und ist nach wie vor der Auffassung, dass, wenn Frankreich und England tatsächlich eine Barriere gegen die Aggression in Europa errichten wollen, dafür eine einheitliche Beistandsfront vor allem zwischen den vier Hauptmächten in Europa, zwischen England, Frankreich, der UdSSR und Polen7 geschaffen werden muss, oder zumindest zwischen drei Mächten, zwischen England, Frankreich und der UdSSR, damit diese drei Mächte, die auf der Grundlage von 6 7
Am 7. April 1939. Am 1.4.1939 erklärte der polnische Botschafter in Moskau Grzybowski im Gespräch mit Litvinov auf Weisung von Beck (vgl. Polish Documents on Foreign Policy. 24 Oktober 1938– 30. September 1939, hrsg. von W. Borodziej, S. Dębski, Warsaw 2009, Dok. 81, S. 165) zur offiziellen Haltung Polens bei einer Teilnahme der UdSSR an einer antideutschen Koalition: „Die polnische Regierung steht auf dem festen Standpunkt, keinem Abkommen mit einem seiner stärksten Nachbarn gegen einen anderen beizutreten, d.h. weder mit Deutschland gegen die UdSSR noch mit der UdSSR gegen Deutschland, anderenfalls müsste man in Abhängigkeit von den Umständen um Unterstützung entweder bei der UdSSR oder bei Deutschland nachsuchen, und die polnische Politik wäre ständigen Schwankungen ausgesetzt.“ In: SSSR v bor’be za mir nakanune vtoroj mirovoj vojny (sentjabr’ 1938–avgust 1939). Dokumenty i materialy, Moskva 1971, Dok. 204, S. 293.
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11. 5. 1939 Nr. 462 Beistandspakten miteinander verbunden sind, anderen Staaten in Ost- und Mitteleuropa, denen eine Aggression droht, Garantien geben können.8 Es ist festzuhalten, dass diese klare, von Grund auf defensive und friedliebende Haltung der UdSSR, die zudem auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit und gleicher Verpflichtungen basiert, auf Seiten Englands und Frankreichs nicht auf Verständnis gestoßen ist. England unterbreitete bekanntermaßen in Abstimmung mit Frankreich Gegenvorschläge.9 In seinen Vorschlägen weicht England der Frage eines Beistandspaktes zwischen Frankreich, England und der UdSSR aus und meint, dass die sowjetische Regierung England und Frankreich unverzüglich Hilfe leisten müsse, wenn letztere bei der Wahrnehmung der von ihnen übernommenen Garantieverpflichtungen gegenüber Polen und Rumänien in Kriegshandlungen verwickelt werden sollten. Dabei hüllt sich England bezüglich der Hilfe in Schweigen, die natürlich die UdSSR gemäß dem Prinzip der Gegenseitigkeit von Frankreich und England erhalten müsste, falls sie bei der Wahrnehmung der von ihr übernommenen Garantieverpflichtungen gegenüber dem einen oder anderen Staat Osteuropas in Kriegshandlungen verwickelt werden sollte. Somit ergibt sich, dass bei dieser Kombination die UdSSR in eine ungleiche Lage geraten muss, obgleich sie genau die gleichen Verpflichtungen wie Frankreich und England haben wird. Wir sprechen schon gar nicht davon, dass die sehr interessante Frage hinsichtlich des faktischen Widerstands der Aggression und des Termins für die Aufnahme einer solchen Abwehr bei dieser Kombination allein der Entscheidung Englands und Frankreichs vorbehalten bleibt, obwohl die Abwehrlast wegen ihrer geographischen Lage hauptsächlich der UdSSR aufgebürdet werden soll. Man entgegnet uns, dass, wenn sie Polen und Rumänien verteidigen, England und Frankreich faktisch die Westgrenze der UdSSR verteidigen. Dies ist nicht wahr. Erstens ist die Westgrenze der UdSSR nicht auf Polen und Rumänien beschränkt. Zweitens, und dies ist das Wichtigste, verteidigen England und Frankreich, wenn sie Polen und Rumänien verteidigen, sich selbst, nicht aber die Westgrenze der UdSSR, da sie einen Beistandspakt mit Polen haben10, der seinerseits dazu verpflichtet, England und Frankreich vor einer Aggression zu schützen. Was Rumänien betrifft, so muss es, da es einen Bündnisvertrag mit Polen hat11, dem Fahrwasser Polens folgen, d.h. es muss faktisch die Rolle eines indirekten Verbündeten Englands und Frankreichs spielen. Anders verhält sich die Sache mit der UdSSR. Die UdSSR, die weder mit England noch mit Frankreich12 noch mit Polen einen Beistandspakt hat, verpflichtet sich, allen drei Staaten Beistand zu gewähren, 8 Vgl. die am 17.4.1939 von Litvinov dem Botschafter Großbritanniens Seeds überreichten Vorschläge. In: DVP, Bd. XXII, Dok. 229, S. 283–284. 9 Vgl. das am 8.5.1939 von Seeds an Molotov ausgehändigte Aide-memoire. In: God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 327, S. 438–439. 10 Der polnisch-französische politische Bündnisvertrag war am 19.2.1921 abgeschlossen worden. Der englisch-polnische Beistandsvertrag wurde am 25.8.1939 abgeschlossen. Vgl. Handbuch der Verträge 1871–1964, S. 212–213 und S. 308–309. 11 Der polnisch-rumänische Garantievertrag war am 26.3.1926 abgeschlossen worden. 12 Auf diese Formulierung machte der Geschäftsträger Frankreichs in der UdSSR, Payart, am 11.5. Molotov aufmerksam. In seiner Entgegnung sagte Molotov, dass „sie [die Formulierung] formal nicht exakt ist. Die UdSSR hat mit England keinen Beistandsvertrag. Die UdSSR hat einen solchen Vertrag mit Frankreich. Wesentlicher ist die Frage, ob der sowjetischfranzösische Beistandsvertrag effektiv ist. Die Effektivität des Vertrages ist wichtiger als seine formale Existenz.“ In: God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 337, S. 450–451.
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Nr. 463
12. 5. 1939
ohne von ihnen irgendeinen Beistand zu bekommen, wobei bei einem direkt gegen die UdSSR gerichteten Aggressionsfall letztere gezwungen sein wird, nur mit den eigenen Kräften auszukommen. Es ergibt sich wiederum eine ungleiche Lage für die UdSSR. Der britische Premier Chamberlain hat in seiner Rede am 10. Mai im Unterhaus über die Zusammenarbeit, über ein Bündnis mit der UdSSR gesprochen.13 Eine Zusammenarbeit setzt Gegenseitigkeit als ihre natürliche Grundlage voraus. Dort wo es keine Gegenseitigkeit gibt, gibt es keine Möglichkeit, eine tatsächliche Zusammenarbeit in Gang zu bringen.14 Izvestija vom 11. Mai 1939, S. 1.
13
14
Nr. 463 Aufzeichnung der Unterredung des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov mit dem Mitarbeiter der Presseabteilung im AA Braun von Stumm Nr. 463 12. 5. 1939 12. 5. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 1 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 118/s1 Berlin, 12.V.39 *TAGEBUCH G. ASTACHOVS*2 [...]3 *9.5.* Ich stelle Gen. Filippov (den Vertreter von TASS) in der Presseabteilung des Auswärtigen Amts vor. *Uns empfängt der Stellvertreter des Direktors4, der Gesandte Braun von Stumm*5, der im Gesprächsverlauf erläutert, dass Aschmann in letzter Zeit krank sei und sich nicht mit Amtsgeschäften befasse. Außerdem sei er überhaupt bereits sieben Jahre auf dem gleichen Posten, auf den er noch vor der „Machtübernahme“6 (d.h. Hitlers Machtantritt) gelangt sei. Deshalb wären die Ge-
13 Vgl. Parliamentary Debates. House of Commons, Bd. 347, Nr. 39, London 1939, Sp. 454–458. 14 Der wesentliche Inhalt des Artikels wurde von Tippelskirch in einem Telegramm vom 11.5.1939 an das AA dargelegt; vgl. PA AA, Moskau 492, Bl. 169272-169273. Seine Analyse sandte er als Politischen Bericht am 15.5. an das AA; ebd., Bl. 169258-169259, dem auch eine deutsche Übersetzung des Artikels beigefügt war. 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Dieser und der folgende Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Unterstreichungen und Streichungen wurden im Folgenden von Molotov gemacht. 3 Ausgelassen sind die Gesprächsaufzeichnungen mit Vertretern der „New York Times“, der „Information“ und der „Times“ am 6. und 8.5.1939 (l. 11-12). 4 Der Stellvertreter des Leiters der Presseabteilung im AA war Paul Schmidt. 5 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. 6 Das Wort ist in Deutsch mit kyrillischen Buchstaben geschrieben. Gottfried Aschmann war am 1.2.1933 zum Leiter der Presseabteilung im Auswärtigen Amt ernannt worden.
1162
12. 5. 1939 Nr. 463 rüchte über seinen Rücktritt oder seine Versetzung natürlich…7 Nachdem Br[aun] v[on] Stumm einige knappe Floskeln an Gen. Filippov gerichtet hat, lenkt er (entgegen der üblichen Praxis) das Gespräch auf allgemeinpolitische Themen, insbesondere auf die deutsch-sowjetischen Beziehungen. *Er führt aus, dass Deutschland über die „korrekte“ Haltung, die die sowjetische Presse hinsichtlich der polnisch-deutschen Beziehungen einnehme, indem sie sich auf Informationen beschränke, befriedigt sei. Dagegen verbreite der sowjetische Rundfunk nach wie vor antideutsche Nachrichten. Doch würdigt er nachdrücklich das „korrekte Verhalten“ der sowjetischen Presse insgesamt und versichert, dass die deutsche Presse dies berücksichtige und gleichfalls den Ton verändert habe und sich Ausfälle gegen die UdSSR enthalte.*8 In Entgegnung auf meine Bemerkung, dass wir keinen Grund hätten, diese Momente als ein Symptom für irgendwelche Veränderungen der deutschen Politik in eine bessere Richtung (für die UdSSR) anzusehen, führte St[umm] nun andere Argumente an, nämlich 1) der bevorstehende Abschluss der Nichtangriffspakte mit Lettland und Estland beweise, dass Deutschland keine aktiven Aspirationen in dieser Richtung hege; 2) die Annullierung der Karpato-Ukraine sei zwar nicht direkt der UdSSR zuliebe erfolgt, wäre jedoch undenkbar gewesen, wenn Deutschland die Absicht gehabt hätte, die Expansion in Richtung Ukraine zu betreiben; 3) in der am Vortag gehaltenen Rede Rosenbergs9 gäbe es sowohl zur UdSSR als auch zum Bolschewismus kein einziges Wort, obgleich das Thema der Rede einen derartigen Exkurs durchaus als natürlich angeboten hätte; 4) als Symptom für die Veränderung des Tons der Presse empfahl St. schließlich, sich mit dem am Vortag erschienenen Artikel („Ablenkungsmanöver“) in der „Börsen-Zeitung“10 *über die polnischen Pläne in der Ukraine*11 zu befassen usw. *St. konnte es sich nicht verkneifen, sich darüber auszulassen, dass sich doch auch der Rücktritt Litvinovs, der die Reputation hatte, einer der wichtigsten Inspiratoren der gegen Deutschland gerichteten internationalen Kombinationen zu sein, ebenfalls günstig auf die sowjetisch-deutschen Beziehungen auswirken könnte.*12 St. schwätzte nicht wenig auch über jene „Spannung“, die in Europa im Zuge der neuen Wende der britischen Politik entstanden sei. So könne es passieren, dass selbst „eine kleine“ Veränderung in der Verfassung Danzigs zu einem Krieg führen könne… England versichere heuchlerisch, dass der Brester Friede schlimmer als Versailles gewesen sei. Indes wären die Grenzen der UdSSR gemäß Brest günstiger als diejenigen gewesen, die sie jetzt habe… Der Brester Vertrag hätte keine Bestimmungen über Kontributionen, zur Abrüstung13 und generell keine diskriminierenden Punkte gegenüber der sowjetischen Seite enthalten… 7 8 9
Die Auslassungszeichen so im Dokument. Der Absatz ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. Am 8.5. im Sportpalast in Berlin. Manuskript in BArch NS 8/85, Bl. 32-145. Vgl. Bericht und Wortlaut „Die große Rede Alfred Rosenbergs beim Appell der „VB“-Aktivisten im Sportpalast“. In: Völkischer Beobachter vom 10. Mai 1939 (Berliner Ausgabe). 10 Von unserem diplomatischen Mitarbeiter. Ablenkungsversuche. In: Berliner BörsenZeitung vom 8. Mai 1939, Abendausgabe, S. 2. 11 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. 12 Der Absatz ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. 13 Nach Artikel V des Friedensvertrags von Brest-Litowsk hatte Russland unverzüglich „die vollständige Demobilisierung seiner Armee, einschließlich der von der gegenwärtigen
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Nr. 464
12. 5. 1939
Zum Ende des Gesprächs beteuerte B. v. St. nochmals, dass es wünschenswert wäre, unsere Beziehungen zu verbessern, wenn auch nur auf dem Gebiet der Presse. Er stimme zu, dass man sich persönlicher Ausfälle und Beleidigungen enthalten sollte. Generell gilt, wenn man nichts Gutes über den anderen schreiben dürfe, dann wäre es besser, überhaupt nichts zu schreiben usw. *Zu allen Argumenten von B. v. St. habe ich entsprechende Entgegnungen vorgetragen*14 und *bemerkte dabei, da die deutsche Seite offen und auf eigene Initiative die Verschlechterung der deutsch-sowjetischen Beziehungen verursacht habe, so hänge von ihr im Prinzip auch deren Verbesserung ab*15. Die sowjetische Seite entziehe sich niemals einer Verbesserung der Beziehungen, wenn es dafür eine Grundlage gebe. Was dagegen die Symptome für eine Verbesserung betreffe, über die B. v. St. gesprochen hatte, so habe ich sie mehrheitlich pariert bzw. angezweifelt und bemerkt, selbst wenn man einige von ihnen bedingt akzeptiere, so hätten wir vorerst keinerlei Veranlassung, ihnen eine ernstzunehmende Bedeutung beizumessen, die über den Rahmen eines kurzfristigen taktischen Manövers hinausginge.16 [...]17 G. Astachov Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der SSSR mit der Eingangs-Nr. 2094 vom 15.5.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. 5 an Gen. Molotov, 2 an Gen. Potemkin, 1 [Exemplar] zu den Akten. 12.V.39. AVP RF, f. 06, op. 1, p. 7, d. 66, l. 11-18, hier l. 12-14. Original. Veröffentlicht in: God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 329, S. 441–44218.
Nr. 464 Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda Nr. 464 12. 5. 1939 12. 5. 1939 12. Mai 1939 ZSg. 101/13/18/Nr. 432 vertraulich!!! Einige Zeitschriften haben das Problem mit der deutsch-sowjetrussischen Annäherung behandelt und Vergleiche zur Bismarckschen Politik des Rückversicherungsvertrages usw. gezogen. Es wird noch einmal daran erinnert, dass über dieses Problem ebenso wie über die englisch-sowjetrussischen Verhandlungen äußerste Regierung neu gebildeten Truppen“ durchzuführen. In: DVP, Bd. I, Dok. 78, S. 122. Vgl. auch Reichsgesetzblatt, 1918, S. 654. 14 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. 15 Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. 16 Die Aufzeichnung Braun von Stumms vom 9.5.1939 über dieses Gespräch in: PA AA, R 122924, o. P. 17 Im Folgenden sind Gesprächsaufzeichnungen mit einer Reihe ausländischer Diplomaten und Journalisten vom 9. bis 11.5.1939 ausgelassen (l. 14-18). 18 Das Dokument wurde in redaktioneller Bearbeitung veröffentlicht und auf den Zeitpunkt des Gesprächs datiert.
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12. 5. 1939 Nr. 465 Zurückhaltung geboten ist. Die Frage einer deutsch-sowjetrussischen Annäherung darf überhaupt nicht behandelt werden. Die laufenden Meldungen über die englisch-sowjetrussischen Verhandlungen sollen möglichst nur auf Seite 2 und dann nur referierend gebracht werden. Veröffentlicht in: NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit, Bd. 7/II, S. 461.
Nr. 465 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin Nr. 465 12. 5. 1939 12. 5. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 1 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 1151 Berlin, 12.V.39 AN DEN STELLVERTRETENDEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN Gen. V.P. POTEMKIN Sehr geehrter Vladimir Petrovič, meinen telegrafischen Mitteilungen und Tagebuchaufzeichnungen können Sie entnehmen, dass *die Deutschen sich bemühen, den Eindruck einer beginnenden oder sogar bereits begonnenen Verbesserung der deutsch-sowjetischen Beziehungen zu vermitteln*2. Wenn man alle hier von den Deutschen oder von müßigen Auslandskorrespondenten in die Welt gesetzten unsinnigen Gerüchte über Bord geworfen hat, kann man zweifelsfrei bislang nur eine Tatsache konstatieren, dies ist *eine spürbare Veränderung des Tons der deutschen Presse uns gegenüber*. Das grobschlächtige Gezänk ist verschwunden, die sowjetischen Politiker werden mit ihrem richtigen Namen und mit ihren offiziellen Funktionen ohne beleidigende Beiwörter genannt. Die sowjetische Regierung wird als sowjetische Regierung, die Sowjetunion als Sowjetunion, die Rote Armee als Rote Armee bezeichnet, während früher diese Begriffe mit anderen Worten wiedergegeben wurden, deren Wiederholung sich erübrigt. Diese Veränderung des Tons ist eine unbestreitbare Tatsache, die es zur Kenntnis zu nehmen gilt, ebenso wie auch der Umstand, dass Rosenberg in seiner jüngsten, streng auf Ideologie ausgerichteten Rede weder die UdSSR noch den „Bolschewismus“ erwähnt hat.3 Wenn man will, könnte man zu der Anzahl der Symptome einer Verbesserung solche Momente wie *die völlige Befriedigung unserer Wünsche bezüglich der Auf1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der hier und im Folgenden so gekennzeichnete Text ist mit blauem Farbstift unterstri-
chen. 3
Vgl. Dok. 463, Anm. 9.
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Nr. 465
12. 5. 1939
träge bei „Škoda“ vonseiten der Deutschen hinzufügen*. Die Tatsache, dass *der Direktor der Presseabteilung* es (zweifellos nicht ohne Weisung von oben) für angebracht hielt, *fast eine Stunde mit mir zu sprechen, wobei er zu beweisen suchte, dass Deutschland uns gegenüber keine aggressiven Absichten hege*4, nachdem sich früher Gespräche im Auswärtigen Amt auf anstehende praktische Themen beschränkten, stellt ebenfalls eine gewisse Neuheit dar. Jedoch können wir, wenn wir diese Momente registrieren, nicht die Augen vor deren vollkommen oberflächlichen, die Deutschen zu nichts verpflichtenden Charakter verschließen. Die Presse kann zu einem beliebigen Zeitpunkt ihren Ton in die entgegengesetzte Richtung ändern, weil sie kein grundsätzliches Abrücken von der früheren Linie zeigt, sondern uns gegenüber lediglich etwas zurückhaltender und korrekter auftritt. Die Wiederherstellung der Karpato-Ukraine wird (angesichts der deutschen Beziehungen zu Ungarn) auch keine schwierige Angelegenheit werden. *Zu eindeutig sind die Motive, die die Deutschen veranlassen, den Ton uns gegenüber zu verändern, als dass man sich im gegenwärtigen Stadium einigermaßen seriös verhalten könnte.*5 Ich denke deshalb, dass Sie nicht widersprechen werden, wenn ich auf einige Spielereien der Deutschen und ihnen nahestehender Personen *antworte, dass wir zurzeit keine Veranlassung haben, der Ernsthaftigkeit dieser „Wandlung“* zu vertrauen, obgleich wir stets bereit sind, einer Verbesserung der Beziehungen entgegenzukommen. *Dem türkischen Botschafter6, der hartnäckig* (und wahrscheinlich nicht ohne Instruktion seitens der Deutschen) *den Gedanken vertritt, dass die Deutschen einen Vermittler für die Verbesserung der Beziehungen zu uns suchen*, antwortete ich, dass **für**7 solch einen Vermittler kein Bedarf bestehe, weil die Deutschen jederzeit die normalen diplomatischen Kanäle nutzen könnten. Ich füge einen Artikel der [Berliner] „Börsen-Zeitung“ bei8, auf den mich der Direktor der Presseabteilung als einen Beweis für den „neuen Ton“ der deutschen Presse aufmerksam machte. Den Auszug gab man mir in der Presseabteilung, wo auch die Vermerke mit rotem Farbstift vorgenommen worden sind. Für Sie wird er umso interessanter sein, als Sie, wenn man den Meldungen der deutschen Presse Glauben schenkt, in Warschau Gespräche zu dem in diesem Artikel behandelten Thema geführt haben.9 G. Astachov Vermerk mit blauem Farbstift: II. Westabteilung. Vermerk G.I. Vajnštejns mit Bleistift: an die Genossen Referenten für Deutschland. V[ajnštejn] 16/V 39. Oben rechts von der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 2387 vom 14.5.1939. Oben rechts befindet sich der Stempel der 2. Westabteilung im NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 901 vom 16.5.1939. 4 5 6 7 8 9
Vgl. Dok. 463. Der Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. Mehmet Hamdi Arpağ. Das Wort ist über die Zeile geschrieben. Vgl. Dok. 463, Anm. 10. Am 10.5.1939 hatte Potemkin, der von dem Besuch einiger Länder in Südosteuropa zurückkehrte, in Warschau ein Gespräch mit Beck. Vgl. God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 332, S. 444.
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12. 5. 1939 Nr. 466 Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. an Gen. Molotov, das 3. zu den Akten. AVP RF, f. 082, op. 22, p. 93, d. 7, l. 215–214. Original. Veröffentlicht in: God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 341, S. 457–45810.
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Nr. 466 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den kommissarischen Leiter der 2. Westabteilung im NKID Vajnštejn Nr. 466 12. 5. 1939 12. 5. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 1 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 116/s1 Berlin, 12.V. 39 AN DEN KOMMISSARISCHEN LEITER DER II. WESTABTEILUNG DES NKID Gen. VAJNŠTEJN Auf Ihre Nr. 17440 vom 3.V. 39 1. Zur Frage der Anwendung administrativer Verbannung hinsichtlich sowjetischer Staatsangehöriger in Deutschland enthält das Schreiben des Gen. Atroščenkov2 ausführliches Material. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass es in allen von ihm angeführten Fällen um sowjetische Bürger ging, deren Aufnahme in die UdSSR wir ablehnten, und die Deutschen können zu ihrer Rechtfertigung das Argument anführen, dass sie nichts dagegen gehabt hätten, diese in die UdSSR auszuweisen, aber das hätten wir selbst nicht gewollt. 2. Als ich mich im Zusammenhang mit Ihrem Schreiben mit diesen Fragen befasste, war ich einigermaßen überrascht, als ich feststellte, dass unsere Konsularabteilung über Informationen zu Verhaftungen sowjetischer Bürger verfügte, über die uns das Auswärtige Amt jedoch nicht Kenntnis gesetzt hatte. Mir scheint, die Bevollmächtigte Vertretung hätte das AA auf die Unzulässigkeit eines derartigen Verstoßes gegen die Konvention3 aufmerksam machen müssen. Gen. Atroščenkov sagt, dass Gen. Merekalov dies bekannt wäre, der vielleicht seine eigenen Überlegungen dazu gehabt hätte. Ich denke, Sie sollten diese Frage mit Gen. Merekalov klären (wenn er zum Zeitpunkt des Eintreffens dieses Briefes noch in Moskau sein sollte)4 und uns entsprechende Weisungen erteilen. Was Besuche betrifft, so hat die Be10
Das Dokument wurde mit redaktionellen und stilistischen Korrekturen veröffentlicht.
1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Vgl. AVP RF, f. 082, op. 22, p. 93, d. 7, l. 191-190. Mit administrativer Verbannung ist die „Einlieferung in ein Konzentrationslager ohne einen Gerichtsbeschluss“ gemeint. In: ebd., l. 191. 3 Vgl. Dok. 356, Anm. 4. 4 Vgl. Dok. 493, Anm. 4.
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vollmächtigte Vertretung nicht darum gebeten, solche zu gewähren, da es um Leute ging, deren Aufnahme in die UdSSR wir abgelehnt haben. Es gab übrigens 1937 den Fall der Verhaftung des Portiers der Bevollmächtigten Vertretung, Gen. Popov, der der Spionage beschuldigt wurde.5 Nach einigen Monaten wurde Gen. Popov im Zuge eines Austauschs6 in die UdSSR ausgewiesen. *Ein Besuch bei ihm wurde uns nicht gewährt, trotz unseres nachdrücklichen Ersuchens.*7 3. Zur Frage der Sprache beim Notenschriftwechsel. Ich war einigermaßen überrascht, als ich erfuhr, dass Sie von der Deutschen Botschaft Noten in deutscher Sprache erhalten. In Tiflis hat das deutsche Generalkonsulat uns8 auf Russisch geschrieben. Seit wann und warum in Berlin der Schriftverkehr zwischen der Bevollmächtigten Vertretung und dem Auswärtigen Amt in deutscher Sprache erfolgt, ist jetzt nicht feststellbar. Als ich vor zwei Jahren hierher kam, gab es diese Regelung bereits, und sie galt offenbar seit langem. Was die Amerikaner betrifft, so schreiben sie (wie mir der hiesige Geschäftsträger9 sagte) die Noten auf Englisch, das Auswärtige Amt antwortet ihnen auf Deutsch, den Schriftverkehr in Washington führen beide Seiten auf Englisch. Die Franzosen schreiben sowohl hier als auch in Paris auf Französisch. Das Auswärtige Amt antwortet ihnen hier auf Deutsch, in Paris **schreibt die Deutsche Botschaft auch**10 auf Französisch (obgleich sich die hiesigen Franzosen darüber nicht ganz sicher sind). Die Engländer zu fragen hatte ich noch nicht die Gelegenheit, ich nehme aber an, dass sie sich so wie die Amerikaner verhalten. Selbst in Paris schreiben sie (die Engländer) die Noten auf Englisch, fügen aber eine knappe französische Übersetzung bei. In London schreiben alle Botschaften auf Englisch. In den Beziehungen zwischen den Deutschen und den Angelsachsen herrscht somit anscheinend ein gewisses Ungleichgewicht zugunsten letzterer. Die Deutschen schreiben ihnen nur in Berlin auf Deutsch, sie schreiben aber nirgends auf Deutsch (wenn meine Informationen richtig sind). Dies geht offenbar auf den Begriff der sogenannten „internationalen Sprachen“ zurück. Ich weiß nicht, ob wir beabsichtigen, Anspruch auf Anerkennung der russischen Sprache als internationale Sprache zu erheben. Ich möchte jedoch vor einem derartigen Schritt warnen, weil wir dadurch möglicherweise vor die Notwendigkeit gestellt werden, den Schriftverkehr auf Französisch oder auf Englisch als „internationale“ Sprachen zu führen, was die Deutschen als Kompromiss vorschlagen könnten, weil es für sie technisch wohl kaum angenehm wäre, von uns Noten in russischer Sprache zu bekommen und sie sodann zu übersetzen und zu vervielfältigen. Ich befürchte zudem, dass dies als Vorwand für eine Verzögerung verwendet werden könnte. Ich glaube, dass, wenn wir in dieser Frage eine Gleichbehandlung wollen, es leichter wäre, von den Deutschen zu fordern, dass sie in Moskau auf Russisch schreiben. Es ist gleichfalls die Präzedenzsituation zu berücksichtigen, denn wenn wir an die Deutschen eine derartige Forderung richten, so müssten wir 5 6 7 8
Vgl. Dok. 69. Vgl. Dok. 116. Der Text ist mit Bleistift unterstrichen. Von Juli 1935 bis März 1936 war Astachov Beauftragter des NKID der UdSSR bei der Regierung der ZSFSR in Tiflis. 9 Alexander Kirk. 10 Der Text ist über die Zeile geschrieben.
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15. 5. 1939 Nr. 467 selbstverständlich analoge Forderungen auch an die anderen Länder richten. Dann können wir aber in Ländern mit „schwierigen“ Sprachen (zum Beispiel in Japan oder in Finnland) in eine unvorteilhafte Lage geraten. Ich denke, dass Sie, bevor Sie in dieser Frage eine endgültige Entscheidung treffen, diese Überlegungen berücksichtigen werden. Geschäftsträger der UdSSR in Deutschland G. Astachov Vermerk G.I. Vajnštejns mit Bleistift: an die Gen. Referenten für Deutschland.15/V. V[ajnštejn]. Oben rechts befindet sich der Stempel der 2. Politischen Westabteilung des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 896 vom 15.5.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Exempl., das 1. an die Adresse, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. zu den Akten. AVP RF, f. 082, op. 22, p. 93, d. 7, l. 194–192. Original.
Nr. 467 Aufzeichnung des Mitarbeiters der Firma „Otto Wolff“ Gasper Nr. 467 15. 5. 1939 15. 5. 1939 Köln, den 15. Mai 1939 Ga./P. Betr.:
Russland-Geschäft. Besprechung mit Herrn Staatssekretär Neumann am 12.5.39
Herr Neumann hat inzwischen gehört, dass dieses Geschäft noch stärker forciert werden soll. Er hofft, dass kommenden Freitag die Besprechung bei Herrn Generalfeldmarschall Göring stattfinden kann. Herr Major Tschunke besuchte uns und wir fragten ihn, was mit Herrn von Bibra sei. Herr Tschunke teilte uns mit, dass Herr von Bibra der Regimentskamerad von Herrn Staatssekretär Neumann und mit den Herren des Vierjahresplans sehr gut befreundet sei. Die bei der AGK1 eingereichte Liste der Werkzeugmaschinen stammte von Major Tschunke. Von Bibra hätte sie eingereicht mit dem Vermerk, er würde „wahrscheinlich“ das Geschäft für Flick bearbeiten, würde aber darüber noch nähere Nachricht geben. Um die Ersten zu sein, die ein solches Geschäft angemeldet hätten, haben wir dann nachmittags mit Herrn von Bibra ein Abkommen getroffen, dass er das kommende Russengeschäft mit uns gemeinsam bearbeitet. Von den Abmachungen ist ein Durchschlag hier beigelegt.2
1 2
AGK, AfK = Ausfuhrgemeinschaft für Kriegsgerät. In der Abmachung zwischen Wolff und Bibra vom 12.5.1939 wurde festgelegt, dass mit Ausnahme von Fabrikaten der Firma Ruhrstahl-AG Bibra ab 1.6.1939 als Mitarbeiter der Firma „Otto Wolff“ für das Russlandgeschäft tätig ist und dafür 1000,-- RM plus 1% Provision für jedes abgeschlossene Geschäft erhält. Vgl. RWWA 72-54-3.
1169
Nr. 468
17. 5. 1939
Herr von Bibra hat in unserem Beisein Herrn Eltze von der AGK angerufen und ihm mitgeteilt, dass er die Werkzeugmaschinen im Auftrage der Firma „Otto Wolff“ angemeldet habe und dass er das Geschäft auch im Auftrage der Firma „Otto Wolff“ bearbeite. Er hat mir nachträglich noch telefonisch sagen lassen, dass er dieses Geschäft noch mit dem Gesandten von Schulenburg, der zur Zeit in Berlin ist, besprechen würde. Wir werden die Verhandlungen kommenden Freitag abwarten, dann aber dafür sorgen müssen, dass die weiteren Verhandlungen mit Moskau möglichst schnell aufgenommen werden. gez. Gasper D[urch]d[ruck]: Herrn Wolff, *Herrn Siedersleben*3, Herrn Redlich, Herrn Otto, Herrn Dr. Schroeder-Berlin, Abt. Ausland-Berlin (2x), Sekr. Gasper Oben: H.A. Russland-Werkzeugmaschinen. Unter Paraphe von Siedersleben. RWWA, 72-54-3, o. P., 1 Bl.
3
Nr. 468 Meldung von Agenturmaterialien durch den Chef der 5. Verwaltung des Volkskommissariats für Verteidigung Proskurov an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin Nr. 468 17. 5. 1939 17. 5. 1939 Ganz geheim Expl. Nr. 1 Besonders interessant1 [17.5.1939] AN DAS ZK DER VKP(B) Gen. STALIN Ich lege die Übersetzung von Material vor, das die weiteren deutschen Aggressionspläne im Urteil des Leiters der Ostabteilung in der Kanzlei Ribbentrop 2, Kleist, widerspiegelt. *Die wichtigsten Thesen des vorliegenden Materials sind in knapper Form in der Sondermeldung der 5. Verwaltung der RKKA unter der Nr. 472348 vom 9.5.39 dargelegt worden.*3 ANLAGE: Übersetzung des Materials in 6 Blatt. Proskurov 3 1 2 3
Der Name ist unterstrichen.
Der Vermerk ist mit Tinte geschrieben. So im Dokument; richtig ist: Büro Ribbentrop. Der hier und im Folgenden so gekennzeichnete Text wurde von Poskrebyšev mit rotem Farbstift unterstrichen und angestrichen.
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17. 5. 1939 Nr. 468 Nr. 472376ss4 17. Mai 1939 DIE WEITEREN AGGRESSIONSPLÄNE DES DEUTSCHEN FASCHISMUS IM URTEIL DES MITARBEITERS DES DEUTSCHEN AUSWÄRTIGEN AMTES KLEIST Am 2.5.39 hielt sich Dr. Kleist, ein sehr enger Mitarbeiter des deutschen Auswärtigen Amtes und Mitglied des Büros Ribbentrop, in Warschau auf. In einem seiner Gespräche5 zeichnete Kleist folgendes Bild der politischen Lage: „Nach Äußerungen von Hitler selbst, die er in einem Gespräch mit Ribbentrop gemacht hat, durchlebt Deutschland im jetzigen Zeitpunkt die Etappe seiner völligen militärischen Sicherung im Osten, die ungeachtet ideologischer Erwägungen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln durchgesetzt werden muss. Auf die erbarmungslose Säuberung des Ostens wird die „westliche Etappe“ folgen, die mit der Niederlage Frankreichs und Englands enden muss, sei es auf militärischem oder politischem Wege. Erst danach werde man mit der Realisierbarkeit einer Vernichtung der Sowjetunion rechnen können. Zurzeit befinden wir uns noch im Stadium der militärischen Sicherung des Ostens. Auf der Tagesordnung steht Polen. *Bereits die Märzmaßnahmen Deutschlands – die Errichtung des Protektorats in Böhmen und Mähren, die Bildung des slowakischen Staates, die Angliederung des Memellandes – waren gegen Polen gerichtet. Ungefähr im Februar d.J. erklärte Hitler, dass Polen auf dem bisherigen Weg der Übereinkunft nicht auf unsere Seite zu bringen sei. Er entschied somit, dass Polen mit Gewalt auf die Knie gezwungen werden müsse.*6 Dem engen Kreis von Hitlers Vertrauten war bekannt, dass der letzte deutsche Vorschlag7 von Polen abgelehnt werden würde.8 Hitler und Ribbentrop waren davon überzeugt, dass die polnische Regierung auf Grund innen- und außenpolitischer Erwägungen die deutschen Forderungen nicht annehmen könne. Nur aus diesem Grund konnte Deutschland in seinem Vorschlag den Punkt über die Garantie der Unversehrtheit der Grenzen für 25 Jahre aufnehmen.9 Das deutsche Kalkül erwies sich als richtig. Kraft der Ablehnung Polens erhielten wir ihm gegenüber freie Hand.
4 5
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der Gesprächspartner von Kleist war vermutlich der Korrespondent der „Breslauer Neuesten Nachrichten“ Welkisch, der am Büro Ribbentrop mitwirkte und Mitarbeiter der Warschauer Residentur der Aufklärungsverwaltung der RKKA war. 6 Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. 7 Am 21.3.1939. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 61; Polish Documents on Foreign Policy. 24. Oktober–30. September 1939, hrsg. von W. Borodziej, S. Dębski, Warsaw 2009, Dok. 61, S. 128–132. 8 Am 26.3.1939. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 101, S. 101–104; Polish Documents on Foreign Policy. 24. October 1938–30. September 1939, hrsg. von W. Borodziej, S. Dębski, Warsaw 2009, Dok. 68, S. 142–148. 9 Ein Paket von deutschen Vorschlägen zur „Generalregelung“ der bilateralen Beziehungen, das unter anderem die Garantie für die Unversehrtheit der Grenzen für 25 Jahre enthielt, wurde von Ribbentrop am 24.10.1938 Botschafter Lipski übergeben. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. V, Dok. 81, S. 87–89; J. Lipski: Diplomat in Berlin, 1933–1939. Papers and memoirs of J. Lipski, Ambassador of Poland. Ed. by W. Jędrzejewicz, New York/London 1968, Dok. 124, S. 453– 458.
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Nr. 468
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Falls sich Polen nicht mit den deutschen Vorschlägen einverstanden erklärt *und nicht in den nächsten Wochen kapituliert, was wohl kaum anzunehmen ist, so wird im Juli/August der militärische Überfall erfolgen.10 Der polnische Generalstab rechnet damit, dass die Kriegshandlungen im Herbst, nach der Einbringung der Ernte, beginnen könnten. Mit einem Überraschungsangriff hoffen wir Polen zu überwältigen und einen schnellen Erfolg zu erzielen. Der große strategische Widerstand der polnischen Armee sollte in 8 bis 14 Tagen gebrochen sein. Der Angriff gegen Polen muss zeitgleich von der deutschen Ostgrenze, aus der Slowakei, der Karpato-Ukraine und aus Ostpreußen geführt werden. Der Angriff soll in härtester Form geführt werden und muss, wie man im deutschen Generalstab denkt, zu einem durchschlagenden Erfolg führen. Die verbleibenden Widerstandsnester, die es zweifellos noch im ganzen Land und in nicht geringer Anzahl geben wird, müssen erbarmungslos bekämpft werden, dann aber bereits im Kleinkrieg, der von keiner ernsthaften Bedeutung ist.*11 Die [Kriegs]Vorbereitung Deutschlands gegen Polen ist auf Juli/August verschoben worden. Die militärischen Maßnahmen werden erst unmittelbar vor dem Angriff erfolgen. Sie müssen umfassend und vollständig unter strengster Tarnung durchgeführt werden. Die politische und propagandistische Vorbereitung beginnt eben erst.12 Zurzeit ist Material für die Propagandaoffensive gegen Polen in Arbeit. Im Vordergrund stehen folgende Themen: unter der Losung „Polen – der zweite Mosaikstaat“ soll die terroristische und gefährliche nationale Politik Polens angeprangert werden; unter der Losung „Polen – ein Staat der Reaktion und des Niedergangs“ soll die Armut der polnischen Bauernschaft, die kulturelle *Rückständigkeit des Landes, die feudale Wirtschaftsführung und das Hungerdasein der polnischen Bevölkerung aufgedeckt werden; unter der Losung „Parasiten an der Macht“ ist der Verfall der herrschenden Oberschicht Polens, die Käuflichkeit der polnischen Führer, ihre Dekadenz und klassenmäßige Isoliertheit von den breiten Bevölkerungsmassen darzustellen. Es werden auch andere artverwandte Themen erarbeitet, die in Thesen zusammengefasst und zu gegebener Zeit in der Presse veröffentlicht werden sollen. Das Ziel dieser Kampagne besteht darin, auf die Weltöffentlichkeit und auf die polnische Bevölkerung einzuwirken.*13 Es soll die innere Spaltung der polnischen Nation und die Unzufriedenheit der polnischen Bevölkerung mit der polnischen Führung erreicht werden. Wer die polnische Rolle eines Beneš spielen wird, ist noch nicht klar. Rydz-Śmigŀy eignet sich wohl kaum dafür. *Die propagandamäßige Vorbereitung des Angriffs gegen Polen wird ungefähr zwei Monate in Anspruch nehmen.*14 Ideal wäre es, wenn der Konflikt mit Polen nicht von Deutschland ausgelöst werden würde. *Gegenwärtig erörtern wir in Berlin die Frage einer Einbeziehung der Ukraine in diese Sache. Mit Vološin und Revaj ist die Legitimierung einer weitgehenden Autonomie der Karpato-Ukraine im Rahmen des ungarischen Staates ver10 Die Weisung Hitlers „zur einheitlichen Kriegsvorbereitung der Wehrmacht für 1939/ 1940“ vom 11.4.1939, als deren Grundlage der Plan „Weiß“, die Vorbereitung zum Überfall auf Polen, diente, enthielt keine Termine für die Durchführung militärischer Operationen. Vgl. ADAP Ser. D, Bd. VI, Dok. 185, Anl. II, S. 187–189. 11 Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. 12 Vgl. NS-Presseanweisungen, Bd. 7/II, S. 430. 13 Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. 14 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen.
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17. 5. 1939 Nr. 468 einbart worden. Damit würden wir erneut das Vertrauen der ukrainischen*15 Massen in Ostgalizien zurückgewinnen und die schwer angeschlagene Kampfkraft der Ukrainer stärken. Eine spezielle Bearbeitung der ukrainischen Führungskreise ist nicht erforderlich, weil die letzten Ereignisse in keiner Weise ihre Ergebenheit gegenüber Berlin ins Wanken gebracht haben. Nach einer solchen Vorbereitung können wir dann der Westukraine das Signal zum Aufstand geben. Aus der Slowakei und der Karpato-Ukraine könnten wir dann große Mengen von Waffen und Munition sowie gut ausgebildete Organisationen von Sečeviki16 dorthin schicken. Zwischen Berlin und L’vov besteht ein derart enger Kontakt, dass es bezüglich eines Massenaufstands der Ukraine keinen Zweifel geben kann. Ein auf diese Weise in der Ukraine geschaffener Unruheherd liefert Deutschland den Vorwand für ein militärisches Eingreifen in großem Ausmaß. *Dieses gesamte Projekt stößt in Deutschland nur auf eine einzige Befürchtung – die mögliche Reaktion der Sowjetunion. Im Konfliktfall wollen wir unter allen Umständen die Neutralität der UdSSR erreichen.*17 Jedoch scheint mir, dass die Schaffung einer unabhängigen Ukraine in Ostgalizien ein Eingreifen der Sowjetunion nach sich ziehen wird. Wenn wir uns aber in nächster Zeit vom Gegenteil überzeugen können, so werden wir den ukrainischen Faktor ins Spiel bringen. Wir halten an der Auffassung fest, dass der Konflikt mit Polen lokalisiert werden kann. England und Frankreich sind nach wie vor *nicht zum Eingreifen an der Seite Polens bereit. Wenn wir in einer kurzen Zeitspanne den Hauptwiderstand Polens brechen, so wird England seine Flotte demonstrativ vorführen, Frankreich an seiner Maginotlinie mit dem Säbel rasseln – und damit hat es sich dann auch. Wenn sich aber entgegen den Erwartungen ein europäischer Krieg im Gefolge des Vorgehens gegen Polen als wahrscheinlich erweist, dann werden wir wissen, dass der deutsche Schlag gegen Polen*18 den westlichen Staaten lediglich als Vorwand zum Krieg gegen Deutschland dient und ein Präventivkrieg gegen Deutschland beschlossene Sache ist. In diesem Fall ist Hitler für eine große Diskussion gewappnet. Jedenfalls lassen wir uns nicht zu einer für uns ungünstigen Zeit provozieren. Die Wahl des Zeitpunktes zum Handeln behalten wir uns vor. Angesichts unserer ungenügenden Vorbereitung und einer für uns ungünstigen internationalen Situation würden wir uns zurzeit nicht dazu entschließen, uns auf einen europäischen Krieg einzulassen; jedoch könnten wir in drei bis vier Monaten dazu vollständig bereit sein. Das deutsche Oberkommando ist sich seines Sieges sicher, das ausschlaggebende Moment wird unserer Luftwaffe zukommen. Nach Berechnungen deutscher Militärexperten können sämtliche englische Häfen in sechs Stunden zerstört werden. Die verheerende Wirkung der deutschen Luftwaffe ist bis jetzt nur ein einziges Mal demonstriert worden, und zwar im spanischen Bürgerkrieg bei Guernica.19 Der Erfolg war überwältigend. Die Stadt wurde dem Erdboden gleichgemacht. In diesem Lichte stellt sich die Niederwerfung Frankreichs und Englands nicht als eine sonderlich 15 16
Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. Die Sečeviki waren Angehörige einer militärischen Organisation in der KarpatoUkraine. 17 Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. 18 Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. 19 Gemeint ist die Bombardierung Guernicas am 26.4.1937 durch das Geschwader „Legion Condor“.
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17. 5. 1939
schwierige Angelegenheit dar. Amerika schafft es nicht, rechtzeitig einzugreifen, und die Sowjetunion wird sich neutral verhalten. Im Zuge der Vorbereitung des Schlages gegen Polen hat man in Berlin derzeit begonnen, sich erneut intensiv mit dem Südosten20 zu befassen. Wir müssen näher an Rumänien heranrücken. Gafencu erging sich in Berlin in schönen Worten21, doch in London und Paris betrieb er eine antideutsche Politik.22 Folglich können wir auf diese Weise unsere Ziele nicht erreichen. Es ist direkter Druck auf Bukarest erforderlich. Zu diesem Zwecke wollen wir die Selbständigkeit der Slowakei liquidieren und sie Ungarn angliedern. Die Slowakei ist ohnehin nicht lebensfähig, ihre Führung ist unfähig, und das slowakische Volk ist im höchsten Maße unsicher. Wenn wir die Slowakei an Ungarn gegeben haben, errichten wir über Ungarn ein deutsches Protektorat und können auf diese Weise unsere Truppen bis an die rumänische Grenze vorverlegen, Rumänien kapituliert. In den baltischen Staaten rechnen wir damit, das gleiche Ziel auf anderem Wege zu erreichen. Hier ist es nicht nötig, Gewalt oder Drohungen anzuwenden. Wir werden mit Litauen Wirtschaftsverhandlungen unter Beachtung von Loyalität und Freundlichkeit führen. Auf diese Weise werden wir die Neutralität der baltischen Staaten erreichen, d.h. deren entschiedenes Abrücken von der Sowjetunion. Im Kriegsfall ist uns die Neutralität der Balten ebenso wichtig wie die Neutralität Belgiens und Hollands. Irgendwann später, wenn der Zeitpunkt dazu für uns günstig ist, können wir sie verletzen, jedoch können wir aufgrund der von uns früher abgeschlossenen Nichtangriffspakte23 einem automatischen Eingreifen der Sowjetunion aus dem Wege gehen. Somit ist das Vorgehen gegen Polen für Juli oder August angesetzt. Falls aber die Polen einen Präventivkrieg *vor diesem Termin provozieren, so wird sich die Sache anders darstellen. Ob wir auf diese Provokation mit einem entschiedenen Vorstoß antworten, wird von der Entscheidung des Führers und von seiner Einschätzung der internationalen Lage abhängen. Jedenfalls wird es für uns ungünstig sein, wenn die Polen uns jetzt den Krieg aufzwingen, da die internationale Lage für uns ungünstig und unsere Kriegsvorbereitung noch nicht abgeschlossen ist“.*24 Für die Richtigkeit: Kommissarischer Stellvertreter des Chefs der 1. Abteilung der 5. Verwaltung der RKKA MILITÄRINGENIEUR 1. RANGES M. Panfilov 20 21
So im Dokument, gemeint ist der Südosten Europas. Gafencu hielt sich vom 18. bis 20.4.1939 in Berlin auf, wo er Begegnungen mit Ribbentrop und Hitler hatte. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 227, 234. 22 Während seiner Europareise im April/Mai 1939 besuchte Gafencu einige Staaten, darunter Großbritannien und Frankreich, wo er mit Chamberlain, Lord Halifax, Bonnet und anderen zusammentraf. Vgl. dazu auch: Grigore Gafencu: Europas letzte Tage. Eine politische Reise im Jahre 1939, Zürich 1946. 23 Am 28. und 29.4.1939 empfing Ribbentrop die Gesandten einiger Staaten, so diejenigen Lettlands und Litauens, denen er die Bereitschaft der Regierung Deutschlands mitteilte, mit den Staaten der baltischen Region Nichtangriffsverträge abzuschließen. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 284, S. 298–299. 24 Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen.
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17. 5. 1939 Nr. 469 Auf dem Begleitschreiben I.I. Proskurovs befindet sich der Vermerk I.V. Stalins, geschrieben mit blauem Farbstift: Mit Proskurov sprechen25, wer ist „die Quelle“? RGASPI, f. 558, op. 11, d. 436, l. 25–31. Original. Beglaubigte Kopie. Veröffentlicht in: Voennaja razvedka informiruet, Dok. 1.27, S. 81–8426.
25
26
Nr. 469 Aufzeichnung der Unterredung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre mit dem sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov Nr. 469 17. 5. 1939 17. 5. 1939 Berlin, den 17. Mai 1939 e. o. W IV 1870/39 Aufzeichnung Der sowjetische Geschäftsträger, Botschaftsrat Astachoff, suchte mich heute auf, um über die Rechtsstellung der sowjetischen Handelsvertretung in Prag, die auf Grund des sowjetisch-tschecho-slowakischen Handelsvertrags von 19351 dort eingerichtet ist, mit mir zu sprechen. Die Sowjet-Union will die Handelsvertretung als Abteilung der Berliner Sowjet-Handelsvertretung in Prag belassen und bittet, ihr vorläufig dieselbe Rechtsstellung zu geben, die sie auf Grund des sowjetischtschecho-slowakischen Handelsvertrags hat. Herr Astachoff berief sich auf die deutsche Erklärung2, wonach für das Protektorat Böhmen und Mähren die bisherigen tschecho-slowakischen Handelsverträge solange weiter angewendet würden, bis etwas Neues an die Stelle gesetzt worden ist. Ich habe diese Bitte entgegengenommen und eine baldige Antwort in Aussicht gestellt. Ich habe ihm als meine persönliche Ansicht gesagt, dass Bedenken gegen den sowjetischen Wunsch kaum bestehen würden. *In der sich anschließenden Unterhaltung kam Astachoff mit besonderer Ausführlichkeit wieder, wie er dies vor 14 Tagen bereits getan hatte3, auf die Gestaltung der deutsch-sowjetischen Beziehungen zurück. Er bemerkte, dass die deutsche 25 Proskurov wurde am 19.5.1939 zur Besprechung zu Stalin gerufen; vgl. Na prieme u Stalina, S. 259. 26 Das Dokument ist nach der im Zentralarchiv des Verteidigungsministeriums (CAMO) befindlichen Kopie veröffentlicht worden. Zur ersten Kurzfassung des Dokuments, das auf den Zeitpunkt des Gesprächs datiert ist, vgl. SSSR v bor’be za mir nakanune vtoroj mirovoj vojny (sent. 1938–avgust 1939). Dokumenty i materialy, Moskva 1971, Dok. 266, S. 362–365; zu seinem Nachdruck vgl. God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 311, S. 419–422. 1 „Torgovyj dogovor meždu SSSR i Čechoslovakiej ot 25.3.1935“ (Handelsvertrag zwischen der UdSSR und der Tschechoslowakei vom 25.3.1935). In: Sbornik dejstvujuščich torgovych dogovorov i inych chozjajstvennych soglašenij SSSR, zaključennych s inostrannymi gosudarstvami (Sammelband der in Kraft befindlichen Handelsverträge und anderer Wirtschaftsverträge, die die UdSSR mit ausländischen Staaten abgeschlossen hat), Bd. I, Moskva 1935, S. 254–268. 2 Vgl. „Erlass des Führers und Reichskanzlers über die Errichtung des Protektorats Böhmen und Mähren“ vom 16.3.1939 mit einer ergänzenden Bestimmung vom 22.3.1939. In: Reichsgesetzblatt, Teil I, 1939, S. 485–488, 549. 3 Vgl. Dok. 457, 458.
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Nr. 469
17. 5. 1939
Presse seit einigen Wochen ein ganz anderes Bild zeige. Es fehlten die bisherigen gegen die Sowjet-Union gerichteten Auslassungen, man berichtet objektiv; er habe in einer Rheinischen*4 Industrie-Zeitung sogar fotographische Wiedergaben sowjetischer Einrichtungen gesehen. Man könne natürlich sowjetischerseits nicht beurteilen, ob dies nur eine Pause sei, die aus taktischen Gründen eingelegt worden sei. Man hoffe aber, dass sich ein dauernder Zustand daraus ergeben werde. Astachoff ging ausführlich darauf ein, dass keine außenpolitischen Gegensätze zwischen Deutschland und der Sowjet-Union bestünden und dass infolgedessen kein Grund für eine Gegnerschaft der beiden Staaten vorläge. Man habe allerdings in der Sowjet-Union das ausgesprochene Gefühl der Bedrohung durch Deutschland. Es sei gewiss möglich, dieses Gefühl der Bedrohung und das Misstrauen in Moskau zu zerstreuen. Er erwähnte auch in dieser Unterhaltung wieder den Vertrag von Rapallo. Auf eine Zwischenfrage von mir äußerte er sich über die englisch-sowjetischen Verhandlungen in dem Sinne, dass nach dem jetzigen Stande wohl kaum das von England gewünschte Ergebnis eintreten würde. Zur Begründung seiner Ansicht über die Möglichkeit einer Veränderung der deutsch-sowjetischen Beziehungen verwies Astachoff mehrfach auf Italien und betonte, dass der Duce auch nach Schaffung der Achse zu erkennen gegeben habe, dass einer normalen Weiterentwicklung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Sowjet-Union und Italien nichts im Wege stünde. In meinen Gegenäußerungen hielt ich mich zurück und veranlasste lediglich durch Zwischenbemerkungen Astachoff zu einer breiteren Darlegung seines Standpunktes. gez. Schnurre Auf erstem Blatt oben: 1) Herrn Ges. v. Pacher5, [Herrn] L.R. Meyer-Heydenhagen zur gefl. Kt. erg. 2) zdA.Pol V.
4 5
Der Text ist am linken Seitenrand angestrichen. Pacher verfasste nach Einsicht in das Dokument folgenden Text: „Zur Aufzeichnung über die weit über den Rahmen des Wirtschaftlichen hinausgehenden Auslassungen Herrn Astachows erlaube ich mir, in politischer Hinsicht Folgendes ergebenst zu bemerken: Die Behauptung Astachows, dass ‚keine außenpolitischen Gegensätze zwischen Deutschland und der Sowjetunion bestünden‘, ist dem Wesen nach heute ebenso unstichhaltig als während der ganzen letzt-verflossenen Jahre. Der rein äußerliche Unterschied besteht lediglich darin, dass Moskau sich gegenwärtig weniger zu exponieren zu müssen und zu sollen glaubt als in der früheren Phase. Es kann sich bei dem Einkreisungsprozess mehr im Hintergrund halten als bisher, weil dieser seiner Ansicht nach ohnedies eine optimale Situation erreicht hat, und es genügt, Polen (gegenüber Deutschland) und der Türkei (gegenüber Italien) bezüglich ihrer bisherigen Hemmungen Rückenfreiheit im Osten zuzusichern, während die Flankengefährdung Polens durch die Tschechoslowakei ohnedies in Wegfall gekommen ist. Und Moskau hält diese seine Haltung für geboten, um seine Polen, der Türkei und wohl auch Rumänien zweifellos gegebenen einschlägigen Zusicherungen von vornherein praktisch zu bewähren. Im Endeffekt besteht überhaupt kein Unterschied, weil die Sowjetunion auch schon früher (wenigstens seit 1937) ihre Bündnisverpflichtungen in einem europäischen Kriege ohnedies nur mit größter Zurückhaltung, d.h. bloß so weit erfüllt hätte, dass ihre spärlichen Kräfte für die Ausnützung weltrevolutionärer Möglichkeiten nach dem Kriege intakt geblieben wären. Die Hoffnung, mit Hilfe eines Krieges unter den ‚kapitalistischen Staaten‘ vor allem das nationalsozialistische Regime in Deutschland gefährden zu können, bleibt in beiden Phasen die gleiche und bildet doch wohl den überhaupt denkbar größten ‚Gegensatz‘ zum Reich.
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19. 5. 1939 Nr. 470 PA AA, R 104357, Bl. 211504-211505 Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 406, S. 444–445. 1
Nr. 470 Bericht des Freiherrn von Reibnitz an das AA Nr. 470 19. 5. 1939 19. 5. 1939 [19. Mai 1939] Russlands Neuorientierung England und Russland haben sich bei ihren Bündnisverhandlungen zu dem Standpunkt bekannt, dass bei Fragen der Außenpolitik mit Kriegseventualitäten die Verschiedenheit der innerpolitischen und weltanschaulichen Auffassung kein Hindernis für ein Bündnis sein darf, selbst dann nicht, wenn der ideologische Gegensatz der allerweitgehendste ist, wie zwischen der hoch kapitalistischen, pietistischen freiwirtschaftlich geleiteten englischen Monarchie und dem radikal antikapitalistischen atheistischen kommunistischen Bolschewismus. Nachdem dieser Standpunkt für Russland und seine Kontrahenten politische Praxis geworden ist, bieten sich für Russland weitgehende andere Möglichkeiten und es wird für seine endgültige Einstellung allein auf die Frage ankommen, welche außenpolitische Verbindung seiner Grenzgestaltung und seiner Machtstellung am dienlichsten sein würde. Ist es hierfür besonders empfehlenswert, sich als Verbündeter Polens und Englands an einem Krieg gegen Deutschland zu beteiligen? Ist es lohnend hierfür den Einsatz der ganzen russischen Wehrmacht und Wirtschaftskraft zu riskieren, mit dem Effekt, dass auch im Falle eines Sieges der Verbündeten lediglich eine Stärkung der polnischen und rumänischen Nachbarn, der Inhaber alter russischer Landgebiete und vor allem seines indischen Nachbarn, Englands zur Folge haben würde. Man ist sich in Russland wohl klar darüber, dass England durch seine Weltlage bedingt, während der ganzen Geschichte ein interessierter Hinderer Russlands war, im Krimkriege bei den Balkankriegen, beim Berliner Kongress in der Dardanellenfrage und nicht am wenigsten beim Ausgang des Weltkrieges. *Welches Interesse könnte Russland an einem Kriege für England und Polen gegen Deutschland haben.*1 Russland begehrt von Deutschland nicht das kleinste
Zu der früher herausgestellten ‚optimalen Situation’ hat die Sowjetunion nach Kräften beigetragen, indem sie – in scheinbarem Gegensatz zu den ihren unmittelbaren Anrainern gegebenen Sicherheiten – die Verhandlungen mit England mittels unerfüllbarer Gegenvorschläge und Forderungen so in die Länge zog, dass die Gefahr einer vorzeitigen Entmutigung und eines Schlappmachens Londons vermieden worden ist. Was noch zu tun übrig bleibt, damit die Westmächte die zwischen Moskau und Warschau (analog auch Bukarest und Ankara) vereinbarte Linie vorbehaltlos akzeptieren und sich nicht etwa auf den Standpunkt ‚Ein Krieg bloß wegen Danzigs’ zurückziehen, soll jetzt durch die Drohung mit einer deutschsowjetischen Annäherung bewirkt werden. Deshalb halte ich jedes, auch nur scheinbare Eingehen auf dieses sowjetische Manöver für gefährlich und schädlich, selbst auf bloß wirtschaftlichem Gebiete.” In: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 406, Anm. 5, S. 445. 1
Der Text ist am linken Seitenrand zweimal angestrichen.
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Nr. 470
19. 5. 1939
Gebiet, ebenso wenig wie Deutschland von Russland. Grenzstreitigkeiten bestehen nicht, wohl aber das beiderseitige Interesse am verstärkten Warenaustausch. Was Russland und Deutschland in den letzten Jahren in Gegensatz gebracht hat, sind lediglich die ideologischen Verschiedenheiten, die jedoch nach der neuesten Einstellung Russlands keine außenpolitischen Hindernisse bedeuten und die gegenüber der kapitalistischen englischen Monarchie viel größere sind wie gegenüber der deutschen nationalsozialistischen Arbeiterpartei, welche in der Steigerung der Lebenshaltung und des Ansehens der Arbeiterschaft allen anderen Staaten vorbildlich vorangegangen ist. Es ist daher verständlich, dass Moskau gegenüber den englischen Umwerbungen sehr zurückhaltend ist und Litwinow als den leidenschaftlichen Vertreter dieser Verbindung ausgeschaltet hat. Es ist auch sehr begreiflich, dass man besonders in der russischen Armee keine große Begeisterung für einen Krieg gegen die deutschen Heere aufbringen kann, deren Kampfkraft man vom Weltkriege her in starker Erinnerung hat. Russische Gebiete sind nicht zu verteidigen, deutsche nicht zu erobern. Wenn also schon Krieg sein müsste, Krieg wegen außenpolitischer Interessen, abseits aller ideologischen Fragen, warum muss es dann gerade ein Krieg für Polen gegen Deutschland sein, der einen ungeheuren gewinnlosen Einsatz bedingt, während ein umgekehrter Krieg mit Deutschland gegen Polen viel risikoloser wäre und die an Polen verlorenen alten weißrussischen und ukrainischen Gebiete wieder zurückbringen kann. – Russland möchte sich nicht in einen zwecklosen Krieg gegen Deutschland hineinmanövrieren lassen und sich für die Zukunft alle Möglichkeiten offenhalten. Wohl aber ist es stark daran interessiert, in Vereinbarungen mit den westlichen Demokratien zu treten, durch welche in diesen Staaten der Kampf gegen den Kommunismus erschwert, die Bildung von Volksfrontorganisationen aber erleichtert wird. [Freiherr von Reibnitz] Auf erstem Blatt oben links: Frh. von Reibnitz, Konstanzerstr.2, [Tel] 92.62.64. und Stempel: RM Nr. 2481/39 A. Neben der Überschrift Stempel: Vorgänge einfügen. Darunter: Vorg. erg. beigef. Daneben und oben rechts unbekannte Paraphe 20/5 und 19/5. Unten: Pol V 4747. PA AA, R 104355, Bl. 202583-202585.
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20. 5. 1939 Nr. 471 Nr. 471 Aufzeichnung der Unterredung des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Molotov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 471 20. 5. 1939 20. 5. 1939 Geheim Expl. … [20.5.1939] TAGEBUCH V. M. MOLOTOVS EMPFANG des deutschen Botschafters Schulenburg am 20. Mai 1939 Der Botschafter begann damit, dass er an die sowjetisch-deutschen Wirtschaftsverhandlungen erinnerte, die er und der Botschaftsrat1 vor einiger Zeit mit Gen. Mikojan geführt hätten.2 Der von Gen. Mikojan überreichte Entwurf für ein Handelsabkommen hätte Schwierigkeiten bereitet, doch das Ministerium **in Berlin**3 hätte sich bemüht, eine Lösung zu finden, um dennoch zu einem Abkommen zu gelangen. Der Botschafter sprach die Hoffnung aus, dass ein Abkommen erzielt werde, und teilte die Absicht seiner Regierung mit, den „berühmten“ Schnurre für Verhandlungen mit Gen. Mikojan nach Moskau zu entsenden. Ich sagte dem Botschafter, dass wir nicht zum ersten Mal von einer Reise Schnurres nach Moskau hören würden. Schnurre hätte sich bereits auf dem Weg nach Moskau befunden und seine Reise sei dennoch abgebrochen worden.4 Die Wirtschaftsverhandlungen mit Deutschland seien in letzter Zeit mehrfach angefangen worden, hätten aber zu nichts geführt. Ich sagte weiter, dass wir den Eindruck hätten, dass die deutsche Regierung anstelle von sachlichen Wirtschaftsverhandlungen eine Art Spiel betreibe, dass man sich für ein derartiges Spiel ein anderes Land als Partner suchen sollte, aber nicht die Regierung der UdSSR. Die UdSSR habe nicht die Absicht, sich an einem derartigen Spiel zu beteiligen. Der Botschafter versicherte mir, dass es nicht um ein Spiel ginge, sondern die deutsche Regierung den festen Wunsch habe, die Wirtschaftsbeziehungen mit der UdSSR zu regeln, **dass**5 die Wünsche des Gen. Mikojan gerechtfertigt, doch angesichts der in Deutschland bestehenden Schwierigkeiten bei Rohstoffen und Arbeitskräften sehr schwierig zu erfüllen wären. Die deutsche Regierung wünsche diese Verhandlungen fortzuführen.
1 2 3
Gustav Hilger. Vgl. Dok. 412, 414, 416. Der Text wurde mit Bleistift über die Zeile geschrieben. Die hier und im Folgenden vorgenommenen Korrekturen stammen von Molotov. 4 Zu den Motiven, die Reise Schnurres nach Moskau abzusagen, vgl. God krizisa 1938– 1939, Bd. 1, Dok. 126, S. 200–201, sowie die Aufzeichnung Köpkes vom 2.5.1939, Dok. 451, ferner die Aufzeichnung des Gesprächs Potemkins mit von der Schulenburg am 10.2.1939, in: AVP RF, f. 011, op. 4, p. 24, d. 6, l. 89–88. 5 Das Wort ist mit Bleistift über die Zeile geschrieben.
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Nr. 471
20. 5. 1939
Darauf antwortete ich **6, dass wir zu der Schlussfolgerung gelangt seien, dass für einen Erfolg der Wirtschaftsverhandlungen eine entsprechende politische Grundlage geschaffen werden müsste. Ohne eine derartige politische Basis könne man **, wie die Erfahrung der Verhandlungen mit Deutschland gezeigt hätten,**7 die wirtschaftlichen Fragen nicht lösen. Darauf antwortete der Botschafter immer wieder, dass Deutschland ernsthaft zu diesen Verhandlungen stünde, die politische Atmosphäre zwischen Deutschland und der UdSSR sich bedeutend verbessert hätte, Deutschland nicht den Wunsch habe, die UdSSR zu überfallen, der sowjetischdeutsche Vertrag8 in Kraft sei und in Deutschland niemand den Wunsch hätte, ihn zu annullieren. Auf die Frage Schulenburgs, was unter politischer Grundlage zu verstehen sei, antwortete ich, dass sowohl wir als auch die deutsche Regierung darüber nachdenken sollten. Die Erfahrung hätte gezeigt, dass die Wirtschaftsverhandlungen zwischen der UdSSR und Deutschland für sich allein genommen zu nichts geführt hätten, und die **vom Botschafter geltend gemachte**9 Verbesserung der politischen Atmosphäre zwischen Deutschland und der UdSSR offenbar unzureichend sei. Auf die Frage des Botschafters, ob er mich richtig verstanden hätte, dass es zurzeit keine günstigen Bedingungen für eine Reise Schnurres nach Moskau gebe, antwortete ich, dass den Wirtschaftsverhandlungen die Schaffung einer entsprechenden politischen Grundlage vorausgehen müsse. Während des gesamten Gesprächs war zu spüren, dass meine Erklärung für den Botschafter eine große Überraschung war. Er bemühte sich auf jede Weise zu beteuern, dass Deutschland ernsthaft zum Abschluss eines Wirtschaftsabkommens mit der UdSSR stehe und mit ihm rechne. Der Botschafter bemühte sich außerdem sehr darum, konkretere Erläuterungen dazu zu erhalten, wie die **in meiner Erklärung**10 genannte politische Grundlage **konkret**11 zu verstehen sei, doch bin ich einer Konkretisierung dieser Frage ausgewichen. Der Botschafter bat außerdem um Unterstützung bei der Lösung der Frage der Haftentlassung **und Ausweisung aus der UdSSR nach Deutschland**12 von 300 bis 400 deutschen Staatsangehörigen, die sich in der UdSSR in Haft befinden. Ich antwortete, dass ich in dieser Angelegenheit nicht ganz im Bilde wäre und meine Mitarbeiter anweisen würde, sich dieser Frage anzunehmen.13 [Molotov] Oben befindet sich die mit Bleistift geschriebene Unterschrift V.M. Molotovs: V. Molotov. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. 20.V.39. 6 Der an dieser Stelle folgende Text ist mit Bleistift durchgestrichen: „dass es nicht um die persönlich guten Absichten des Botschafters ginge, sondern um den objektiven Sinn jener Verhandlungen, die unlängst zwischen den Vertretern Deutschlands und der UdSSR stattgefunden hätten. Ich ergänzte“. 7 Der Text ist mit Bleistift über die Zeile geschrieben. 8 Gemeint ist der Neutralitätsvertrag (Berliner Vertrag) vom 24.4.1926. In: DVP, Bd. IX, Dok. 141, S. 250–252; Reichsgesetzblatt 1926, Teil II, S. 360–361. 9 Der Text ist mit Bleistift über die Zeile geschrieben. 10 Der Text ist mit Bleistift korrigiert; ursprünglich: seitens der UdSSR. 11 Das Wort ist mit Bleistift über die Zeile geschrieben. 12 Der Text ist mit Bleistift korrigiert; ursprünglich: oder Ausweisung. 13 Zum Bericht von der Schulenburgs über dieses Gespräch vgl. Dok. 475.
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20. 5. 1939 Nr. 472 Vermerk mit Tinte: zugestellt an: die Genossen Stalin, Vorošilov, Mikojan, Kaganovič.14 AVP RF, f. 06, op. 1a, p. 26, d. 1, l. 1–3. Original. Veröffentlicht in: God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 362, S. 482–48315.
14
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Nr. 472 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 472 20. 5. 1939 20. 5. 1939 Geheim Expl. Nr. 1 AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS Nr. 5301 [20.5.1939] EMPFANG DES DEUTSCHEN BOTSCHAFTERS SCHULENBURG, 20. MAI 1939 Schulenburg kam aufgelöst und sichtlich betroffen zu mir. Er erklärte, dass Gen. Molotov im Gespräch mit ihm die Reise von Schnurre nach Moskau als unzweckmäßig bezeichnet habe, solange nicht die Wirtschaftsverhandlungen der UdSSR mit Deutschland auf eine entsprechende politische Grundlage gestellt würden.1 Schulenburg führte weiter aus, dass nach Auffassung von Gen. Molotov die Haltung der deutschen Regierung zu den Wirtschaftsverhandlungen mit uns den Eindruck eines „Spiels“ hinterlasse.2 Schulenburg beklagte sich nun bei mir darüber, dass wir „die Verbesserung der Atmosphäre“ in Berlin grundlos nicht zur Kenntnis nehmen würden, dass **er**3 selbst sich über *vier Jahre*4 bemüht hätte, die Beziehungen zwischen Deutschland und der UdSSR zu verbessern, dass er nicht wisse, wie er über die Antwort des Gen. Molotov nach Berlin berichten solle. Im Grunde habe die sowjetische Regierung die Reise Schnurres nach Moskau abgelehnt. In welche Richtung die politischen Beziehungen zwischen Moskau und Berlin verbessert werden könnten, könne sich der Botschafter nicht vorstellen. Er habe Gen. Molotov danach gefragt und zur Antwort bekommen, dass darüber beide Regierungen nachdenken müssten. Schulenburg richte an mich die Bitte, ob ich nicht den Hinweis des Gen. Molotov erläutern und konkretisieren könnte. Ich antwortete Schulenburg, dass ich der Erklärung des Gen. Molotov nichts hinzuzufügen hätte. Die Worte des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten und Oberhauptes der sowjetischen Regierung seien vollkommen klar. Dem Botschafter verbleibe nur, diese exakt nach Berlin zu übermitteln, damit sie dort in gebührender Weise überdacht würden. 14 15 1 2 3 4
Diese vier Exemplare wurden nach Anweisung von Molotov zusätzlich getippt. Das Dokument wurde nach eigenen Redaktionsrichtlinien veröffentlicht. Vgl. Dok. 471. Vgl. Dok. 427. Das Wort ist über die Zeile geschrieben. Der Text ist mit Tinte unterstrichen.
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Nr. 473
20. 5. 1939
Schulenburg antwortete, dass er selbstverständlich unverzüglich Berlin über sein Gespräch mit Gen. Molotov unterrichten werde.5 Er wiederhole jedoch, dass er selbst Mühe hätte, sie [die Worte] zu verstehen und wegen der Ablehnung, Schnurre in Moskau zu empfangen, sehr betrübt sei. Im weiteren Gesprächsverlauf teilte mir der Botschafter mit, dass *General Franco*6 sieben Mitglieder der Schiffsbesatzung der „Komsomol“7 in die Verfügungsgewalt der deutschen Regierung überstellt habe, zum Austausch gegen deutsche Staatsangehörige, die in der UdSSR inhaftiert oder verurteilt worden sind. Der Botschafter sei bereit, zu beliebiger Zeit Maßnahmen zur Freilassung der sowjetischen Seeleute zu ergreifen, bitte jedoch, dass dafür repressierte deutsche Staatsangehörige aus der UdSSR ausgewiesen würden. Als sich der Botschafter verabschiedete, händigte er mir eine Liste inhaftierter Deutscher aus und erinnerte daran, dass in letzter Zeit niemand von ihnen freigelassen worden sei. V. Potemkin Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. Das 1. [Exemplar] zu den Akten, das 2. und 3. an Gen. Stalin, das 4. an Gen. Molotov, das 5. an Gen. Dekanozov, das 6. an Gen. Lozovskij, das 7. an die 2. Westabteilung, das 8. nach Berlin. 20.V.1939. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 24, d. 7, l. 61–60. Original. Veröffentlicht in: SSSR – Germanija 1933–1941, Dok. 120, S. 1778.
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Nr. 473 Aufzeichnung von Unterredungen des Presseattachés der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Smirnov Nr. 473 20. 5. 1939 20. 5. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 5 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 123/s1 Berlin, 20.V.39 TAGEBUCH DES PRESSEATTACHÉS DER BEVOLLMÄCHTIGTEN VERTRETUNG DER UdSSR IN DEUTSCHLAND GEN. A.A. SMIRNOV 6.V. Die Gruppe der amerikanischen Journalisten in Berlin lud mich zu einem Abend anlässlich des Geburtstags eines ihrer Kollegen ein. Aus den Unterhaltun5 6 7 8
Vgl. Dok. 475. Vgl. Dok. 138, Anm. 2. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Ein Auszug des Dokuments wurde erstmals veröffentlicht in: God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 363, S. 483–484. 1
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben.
20. 5. 1939 Nr. 473 gen, die Beachtung verdienen, hebe ich das Gespräch mit dem dort anwesenden deutschen Journalisten Lescrinier hervor. Er verbreitete sich über das Thema der „sowjetisch-deutschen Freundschaft“ und erklärte, dass solch eine Freundschaft stärker als „jede Achse“ sei. Sie glauben gar nicht, fuhr er fort, wie viele bedeutende deutsche Politiker derzeit die Frage nach einer Überprüfung der Beziehungen zur UdSSR aufs Tapet bringen. Diese Kreise werden angeblich von Göring angeführt. Sie seien in der Luftwaffe, der Kriegsmarine und sogar in der Nationalsozialistischen Partei stark vertreten. Diese Strömung, so Lescrinier, werde durch Ribbentrop gebremst. Ribbentrop habe unter einem passenden Vorwand die Entlassung Wiedemanns2 erreicht, weil Göring angeblich über Wiedemann die Sache der Überprüfung der Beziehungen zur UdSSR betrieben habe. Wiedemann, fuhr L[escrinier] fort, habe immer gesagt, solange Ribbentrop Außenminister bleibe, werde es in dieser Frage kaum Veränderungen geben. Er äußerte sich sehr scharf über Ribbentrop, sagte, dass niemand im Außenministerium ihn leiden könne und dass Ribbentrop den gesamten alten Apparat im Ministerium vertrieben und durch junge, völlig unerfahrene Nat[ional]sozialisten ersetzt habe. 17.V. War im DNB (Deutsches Nachrichtenbüro), fuhr hin, um den neu in Berlin eingetroffenen TASS-Korrespondenten Gen. Filippov vorzustellen. Uns empfing der Direktor des DNB Dr. Albrecht in Anwesenheit des Leit[ers] der Auslandsabteilung Rau und dessen Stellvertreters Ritgen. Der Empfang hatte betont freundlichen Charakter und unterschied sich sehr stark von den Begegnungen, die vor einem Jahr stattfanden. Albrecht begann das Gespräch damit, dass er sagte, die Ankunft eines TASSKor[responden]ten in Berlin nach einer einjährigen Unterbrechung werde helfen, die „objektive Information“ über Deutschland in der sowjetischen Presse zu erweitern. Hierauf erkundigte er sich, ob es in Berlin Kor[responden]ten von „Izvestija“ und „Pravda“ gebe. Ferner interessierte sich Albrecht dafür, wie Gen. Filippov sich eingelebt habe und sagte, dass das DNB Tag und Nacht zu Diensten stehe und Gen. Filippov alle ihn interessierenden Informationen zur Verfügung stellen werde. Gen. Filippov sprach ihnen gegenüber die Frage der Überprüfung des vor einigen Jahren zwischen dem DNB und der TASS geschlossenen Vertrages an, worauf Albrecht antwortete, dass der Vertrag bislang nicht gekündigt worden sei und er nichts dagegen einzuwenden habe, den Vertrag zu erneuern. Ich hoffe, fuhr Albrecht fort, dass wir dafür nicht viel Zeit brauchen werden. Gen. Filippov warf auch die Frage nach der Erweiterung der Informationen über die UdSSR in der deutschen Presse auf, insbesondere über die wirtschaftlichen und kulturellen Errungenschaften der UdSSR. In seiner Antwort betonte Albrecht die „Gegenseitigkeit“.
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Fritz Wiedemann war bis Anfang Januar 1939 Adjutant Hitlers.
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Nr. 474
21. 5. 1939
Wir haben Albrecht zu dem Empfang in der Bevollmächtigten Vertretung am 22.V.3 eingeladen, bei dem der Film „Lenin 1918“4 gezeigt wird; Albrecht sagte zu. Presseattaché der Bevollmächtigten Vertretung Smirnov Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2266 vom 27.5.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. 5 [Exemplare] an Gen. Molotov, 2 an Gen. Potemkin, 1 [Exemplar] zu den Akten der Bevoll[mächtigten] Vertr[etung]. 20.V.39. AVP RF, f. 06, op. 1, p. 7, d. 66, l. 19–20. Kopie.
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Nr. 474 Meldung des Chefs der 5. Verwaltung der RKKA Proskurov an den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov Nr. 474 21. 5. 1939 21. 5. 1939 Ganz geheim Expl. Nr. 4 21. Mai 1939 AN Gen. VOROŠILOV SONDERMELDUNG DER 5. VERWALTUNG DER RKKA Nr. 143694ss1 „Zum Abschluss eines Militärabkommens zwischen Deutschland, Italien und Japan“ Ich lege aus Japan und China eingegangene nachrichtendienstliche Meldungen vor:2 Der Außenminister Japans, Arita, hat den deutschen Botschafter3 zu sich gebeten und ihm ein an Hitler adressiertes persönliches Schreiben von Hiranuma ausgehändigt. Das Schreiben Hiranumas enthält zwei Punkte: 3 Astachov notierte in einer Aufzeichnung über diese Veranstaltung der Bevollmächtigten Vertretung: „Das Erscheinen des Direktors des DNB auf dem Empfang zog die Aufmerksamkeit der Versammelten merklich auf sich. Albrecht selbst äußerte im Gespräch mit mir seine Genugtuung über das Eintreffen eines TASS-Vertreters in Berlin und betonte, dass er seit 1934 zum ersten Mal zu einem Empfang in die Bevollmächtigte Vertretung gekommen sei.“ In: AVP RF, f. 06. op. 1, p. 7, d. 66, l. 43. 4 Lenin v 1918 godu (Lenin im Jahr 1918, Mosfil‘m, 1939), Regie: Michail I. Romm; Uraufführung: 7.4.1939. 1 2 3
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Vgl. auch Dok. 438. Eugen Ott.
21. 5. 1939 Nr. 474 1) Da durch die Ablehnung Japans, einen Dreimächtepakt gegen ein beliebiges Land abzuschließen, Zweifel an der Treue Japans zum Dreierpakt aufkommen können, bittet Hiranuma Hitler zu verstehen, dass bei günstigen Umständen Japan im Kriegsfall den Ländern des Paktes solide militärische Unterstützung leisten kann. 2) Im Zusammenhang mit der schwierigen internationalen Lage bittet Hiranuma darum, von Japan nicht den Anschluss an das Abkommen zu fordern, falls es nicht nur offen gegen die UdSSR, sondern auch gegen die „demokratischen“ Länder gerichtet sein soll. Das Schreiben Hiranumas ist gleichsam der letzte Kompromiss Japans, und falls er abgelehnt werden sollte, kann dies zum Anlass für den Abbruch der weiteren Verhandlungen mit Deutschland und Italien werden.4 Anfang März 1939 traf eine italienische Delegation von Experten aus verschiedenen Abteilungen der Admiralität in Japan ein. In den Besprechungen mit den Japanern wurden die Beschlüsse gefasst, dass Japan im Falle der Ratifizierung eines allgemeinen Vertrages zwischen den drei Ländern: 1) vier bewaffnete Landungsboote und Experten für die Anlandung von Truppen nach Italien entsenden wird; 2) mit seiner Flotte im Roten Meer und im Indischen Ozean patrouillieren wird. 3) Wenn Japan im Kriegsfall nicht von einer starken Flotte bedroht wird, ist es verpflichtet, 3 bis 4 Schlachtschiffe ins Mittelmeer zu entsenden. STELLV. VOLKSKOMMISSAR FÜR VERTEIDIGUNG DER UdSSR CHEF DER 5. VERWALTUNG DER RKKA HELD DER SOWJETUNION KOMDIV Proskurov Anweisung K.E. Vorošilovs mit grünem Farbstift: Verteilen. KV. Vermerk des Sekretärs mit Tinte: Verteilt am 21.V. 39 unter der Nr. 143694ss unmittelbar durch die 5. Verwaltung an Gen. Stalin, Gen. Molotov und Gen. Berija. Unten links befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars für Verteidigung der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 1057ss vom 21.5.1939. RGVA, f. 33987, op. 3a, d. 1180, l. 320. Original.
4 Zur Haltung der japanischen Regierung im Frühjahr 1939 in der Frage bezüglich der Teilnahme am militärischen Dreimächteabkommen vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. zu „Ferne Osten“.
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Nr. 475
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Nr. 475 Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an den Staatssekretär im AA Freiherrn von Weizsäcker Nr. 475 22. 5. 1939 22. 5. 1939 Abschrift Moskau, den 22. Mai 1939 Der Deutsche Botschafter Tgb. Nr. A 1023 Sehr geehrter Herr von Weizsäcker! In der Anlage beehre ich mich, Ihnen einen Abdruck der Aufzeichnung zu übersenden, die den Inhalt und den Verlauf meiner Unterredung mit Herrn Molotow am 20. ds. Mts.1 wiedergibt. Ich habe die Aufzeichnung auch mit Bericht eingereicht. Der Herr Reichsminister2 hatte mir für die Besprechung mit Molotow äußerste Vorsicht anbefohlen. Infolgedessen habe ich mich damit begnügt, so wenig zu sagen, wie möglich und dies umso mehr, als das Verhalten des Herrn Molotow mir recht verdächtig erscheint. Es ist gar nicht anders zu verstehen, als dass ihm die Wiederaufnahme unserer Wirtschaftsverhandlungen als politische Geste nicht genügt und dass er offenbar weitergehende Angebote politischer Art von uns haben will. Wir müssen auf diesem Gebiete wohl solange außerordentlich vorsichtig sein, als nicht sichergestellt ist, dass etwaige Anregungen unsererseits vom Kreml nur zu dem Zweck benutzt werden, um England und Frankreich zu erpressen. Wollen wir hier etwas erreichen, so wird es andererseits wohl unvermeidlich sein, dass wir früher oder später etwas tun. Es ist hier außerordentlich schwer, irgendetwas über den Gang der englischfranzösisch-sowjetischen Verhandlungen zu erfahren. Mein britischer Kollege3, der hier in der Angelegenheit anscheinend allein tätig ist, (er wurde Herrn Potemkin gemeldet, als ich gerade bei diesem war) schweigt eisern. Auch neutrale Diplomaten haben nichts erfahren können. Mein französischer Kollege4 ist seit langem abwesend. Der Botschaftsrat und Geschäftsträger5 hat uns in den letzten Tagen um eine Grenzempfehlung gebeten, scheint also Moskau ebenfalls zu verlassen. Sollten die Nachrichten stimmen, dass Frankreich nunmehr die Vermittlung in der Frage des französisch-britisch-sowjetischen „Bündnisses“ übernehmen wird, so dürften die diesbezüglichen Verhandlungen nicht hier, sondern in Paris stattfinden. Mein italienischer Kollege6 ist der Ansicht, dass die Sowjetunion nur dann ihre Verhandlungsfreiheit aufgeben werde, wenn sie von England und Frankreich einen vollgültigen Bündnisvertrag erhält. Hier wird vielfach behauptet – ich weiß nicht, ob es zutrifft – einer der Hauptgründe für das Zögern Englands, die sowjetischen Vorschläge eines Militärbündnisses anzunehmen, sei die Rücksicht auf Japan. London fürchte die Japaner in un1 2 3 4 5 6
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Vgl. Dok. 471. Joachim von Ribbentrop. William Seeds. Paul Emile Naggiar. Jean Payart. Augusto Rosso.
22. 5. 1939 Nr. 475 sere Arme zu treiben, wenn es sich zur Verteidigung aller sowjetischen Grenzen verpflichte. Sollte sich Japan freiwillig in unsere Arme begeben, dürfte dieses Bedenken für England fortfallen. Mit den allerbesten Grüßen und mit Heil Hitler! bin ich, sehr verehrter Herr von Weizsäcker, Ihr ganz ergebener gez. Schulenburg [Anlage] Moskau, den 20. Mai 1939 Zu Tgb. Nr. A 1023 AUFZEICHNUNG Ich bin heute Nachmittag um 16 Uhr von dem Vorsitzenden des Rats der Volkskommissare und Außenkommissar Herrn Molotow empfangen worden.7 Die Unterredung fand im Außenkommissariat statt, hat über eine Stunde gedauert und ist in freundschaftlicher Form verlaufen. Herr Molotow, der nur russisch spricht, hat gebeten, keinen Übersetzer mitzubringen, da er selbst einen vorzüglichen Dragoman stellen werde. Dieser, ein jüngerer Herr8, hat sehr korrekt, aber langsam aus dem Französischen übersetzt; hieraus erklärt sich zum Teil die lange Dauer der Unterhaltung. Ich habe das Gespräch damit eingeleitet, dass ich Herrn Molotow gesagt habe, die letzten Vorschläge des Herrn Mikojan9 in unseren Wirtschaftsverhandlungen hätten uns einige Schwierigkeiten bereitet, die nicht alsbald hätten behoben werden können. Jetzt glaubten wir einen Weg gefunden zu haben, um zu einer Einigung zu kommen, und beabsichtigten in allernächster Zeit Herrn Geheimrat Dr. Schnurre nach Moskau zu senden, um mit Herrn Mikojan zu prüfen, ob auf Grund unserer Vorschläge eine Einigung herbeizufuhren sei. *Ich habe angefragt, ob Herr Mikojan bereit sei, mit Herrn Schnurre zu sprechen.*10 Herr Molotow hat mir erwidert, der Verlauf unserer letzten Wirtschaftsverhandlungen habe bei der Sowjetregierung den Eindruck hervorgerufen, dass es uns mit der Sache überhaupt nicht ernst gewesen sei und dass wir aus politischen Gründen mit den Verhandlungen nur gespielt hätten. Zunächst sei mitgeteilt worden, dass eine deutsche Delegation zu Wirtschaftsverhandlungen nach Moskau kommen werde (ich habe eingeworfen, dass diese Meldung nicht von uns, sondern aus der polnischen und französischen Presse stammte), dann habe es geheißen, dass Herr Schnurre allein kommen werde. Herr Schnurre sei nicht gekommen, sondern Herr Hilger und ich hätten verhandelt und dann seien auch diese Verhandlungen eingeschlafen. Die Sowjetregierung könnte dadurch einer Wiederaufnahme der Verhandlungen erst dann zustimmen, wenn hierfür die notwendige „politische Grundlage“ geschaffen werde. 7 Schulenburg telegrafierte am gleichen Tag über das Treffen; der Text des Telegramms in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 414, S. 454, Anm. 2. Weizsäcker beantwortete das Telegramm am 21.5.1938 u.a. mit folgendem Text: „Nach bisherigem Ergebnis Ihrer Fühlungnahme mit Molotow ist es nötig, unsererseits nunmehr ganz stillzuhalten und abzuwarten, ob Sowjetrussen mit der Sprache weiter herauskommen.“ In: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 414, S. 454. 8 Semen Pavlovič Kozyrev. 9 Vgl. Dok. 412. 10 Der Satz ist am Seitenrand angestrichen.
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Nr. 475
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Ich habe Herrn Molotow erklärt, dass wir die Wirtschaftsverhandlungen niemals als ein Spiel betrachtet, sondern stets in vollem Umfang ernst genommen hätten. Wir hätten immer und auch noch heute den besten Willen, zu einer Einigung zu kommen, und Berlin wäre – wenn ich recht verstanden hätte – der Meinung gewesen, dass ein erfolgreicher Abschluss der Wirtschaftsverhandlungen auch der politischen Atmosphäre dienlich sein würde. An dem Wegbleiben des Herrn Schnurre und an der Verzögerung seien lediglich technische Gründe schuld gewesen. Die gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland machten es schwer, die Wünsche des Herrn Mikojan zu erfüllen. Ich habe Herrn Molotow gefragt, was er unter Schaffung einer politischen Grundlage verstehe. Ich hätte den Eindruck, dass die deutsch-sowjetische Atmosphäre seit Jahr und Tag sich gebessert habe, und wundere mich, dass gegenwärtig Wirtschaftsverhandlungen unmöglich sein sollten, während früher solche Verhandlungen wiederholt unter viel ungünstigeren Umständen stattgefunden hätten und zum Abschluss gebracht worden seien. Herr Molotow hat darauf erklärt, darüber, wie eine bessere politische Grundlage geschaffen werden könne, müssten die beiden Regierungen nachdenken. Alle meine hartnäckigen Bemühungen, Herrn Molotow zur Präzisierung und Konkretisierung seiner Wünsche zu bringen, waren vergeblich. Herr Molotow hatte sich offenbar vorgenommen, so viel und kein Wort mehr zu sagen. Er ist für diese etwas sture Art bekannt. Ich habe danach das Gespräch beendet und erklärt, ich würde meiner Regierung berichten. Herr Molotow hat sich dann sehr freundlich von mir verabschiedet. Gleich im Anschluss an meinen Besuch bei Herrn Molotow habe ich Herrn Potemkin aufgesucht.11 Ich habe ihm den Verlauf meiner Unterredung mit dem Vorsitzenden des Rats der Volkskommissare erzählt und hinzugefügt, ich hätte leider aus dem Gespräch nicht entnehmen können, was Herr Molotow eigentlich wünsche. Irgendetwas müsse er wohl im Auge gehabt haben. Ich habe Herrn Potemkin gebeten, zu versuchen, ob er mir nicht gelegentlich mitteilen könnte, in welcher Richtung sich die Gedankengänge des Herrn Molotow bewegen. Ich habe einfließen lassen, dass ich gar nicht wüsste, was ich meiner Regierung vorschlagen solle. An den Hauptrichtlinien der deutschen Politik würde sich nichts ändern lassen. *So würden wir meines Erachtens an unserer ostasiatischen Politik festhalten. Ich könne aber hinzufügen, dass diese Politik in keiner Weise gegen die Sowjetunion gerichtet sei.*12 gez. Graf von der Schulenburg PA AA, R 29712, Bl. 111346-111347, 111353-111355. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 424, S. 463–466.
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Vgl. Dok. 472. Der Satz ist am Seitenrand zweifach angestrichen.
23. 5. 1939 Nr. 476 Nr. 476 Auszug aus der Aufzeichnung einer Rede Hitlers Nr. 476 23. 5. 1939 23. 5. 1939 [23. Mai 1939] Chef-Sache Nur durch Offizier Ort: Arbeitszimmer des Führers, Neue Reichskanzlei Diensttuender Adjutant: Oberstleutnant d. G. Schmundt Beteiligte: Der Führer, Feldmarschall Göring, Großadmiral Raeder, Gen. Oberst v. Brauchitsch, Gen. Oberst Keitel, Gen. Oberst Milch, Gen. d. Artl. Halder, Gen. Bodenschatz, Ktr. Adm. Schniewind, Oberst i. G. Jeschonnek, Oberst d. G. Warlimont, Oberstleutnant d. G. Schmundt, Hauptmann Engel, Kor. Ktp. Albrecht, Hptm. v. Below Gegenstand: Unterrichtung über die Lage und Ziele der Politik Der Führer bezeichnet als Zweck der Besprechung: 1.) Darstellung der Lage. 2.) Stellung der sich aus der Lage für die Wehrmacht ergebenden Aufgaben. 3.) Klarstellung der sich aus den Aufgaben ergebenden Konsequenzen. 4.) Sicherstellung der Geheimhaltung aller Entschlüsse und Arbeiten, die das Ergebnis der Konsequenzen auslöst. Die Geheimhaltung ist die Voraussetzung für den Erfolg. Nachstehend werden die Ausführungen des Führers sinngemäß wiedergegeben: Unsere heutige Lage ist unter zwei Gesichtspunkten zu betrachten: 1.) Tatsächliche Entwicklung von 1933–1939. 2.) Die dauernd gleichbleibende Situation, in der Deutschland ist. In der Zeit 1933–39 Fortschritte auf allen Gebieten. Unsere militärische Lage verbesserte sich gewaltig. Unsere Lage zur Umwelt ist die gleiche geblieben. Deutschland war ausgeschieden aus dem Kreis der Machtstaaten. Das Gleichgewicht der Kräfte wurde ohne die Beteiligung Deutschlands festgelegt. Geltendmachen der Lebensansprüche Deutschlands und Wiedereintritt in den Kreis der Machtstaaten stört dieses Gleichgewicht. Alle Ansprüche werden als „Einbruch“ gewertet. Die Engländer fürchten eine wirtschaftliche Gefährdung mehr als eine gewöhnliche Drohung durch Macht. Die 80 Millionen Masse hat die ideellen Probleme gelöst. Die wirtschaftlichen Probleme müssen auch gelöst werden. Um die Schaffung der wirtschaftlichen Voraussetzungen hierzu kommt kein Deutscher herum. Zur Lösung der Probleme gehört Mut. Es darf nicht der Grundsatz gelten, sich durch Anpassung an die Umstände einer Lösung der Probleme zu entziehen. Es heißt vielmehr, die Umstände den Forderungen anzupassen. Ohne Einbruch in fremde Staaten oder Angreifen fremden Eigentums ist dies nicht möglich. Der Lebensraum, der staatl. Größe angemessen, ist die Grundlage für jede Macht. Eine Zeitlang kann man Verzicht leisten, dann aber kommt die Lösung der
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Probleme so oder so. Es bleibt die Wahl zwischen Aufstieg oder Abstieg. In 15 oder 20 Jahren wird für uns die Lösung zwangsweise notwendig. Länger kann sich kein deutscher Staatsmann um die Frage herumdrücken. Z. Zt. befinden wir uns im Zustand nationaler Begeisterung in gleicher Gesinnung mit zwei anderen Staaten: Italien und Japan. Die zurückliegende Zeit ist wohl ausgenützt worden. Alle Schritte waren folgerichtig auf das Ziel ausgerichtet. Nach sechs Jahren ist die heutige Lage Folgende: Nationalpolitische Einigung der Deutschen ist erfolgt außer kleinen Ausnahmen. Weitere Erfolge können ohne Blutvergießen nicht mehr errungen werden. Die Grenzziehung ist von militärischer Wichtigkeit. Der Pole ist kein zusätzlicher Feind. Polen wird immer auf der Seite unserer Gegner stehen. Trotz Freundschaftsabkommen hat in Polen immer die innere Absicht bestanden, jede Gelegenheit gegen uns auszunutzen. Danzig ist nicht das Objekt, um das es geht. Es handelt sich für uns um die Erweiterung des Lebensraumes im Osten und Sicherstellung der Ernährung sowie der Lösung des Baltikum-Problems. Lebensmittelversorgung ist nur von dort möglich, wo geringe Besiedelung herrscht. Neben der Fruchtbarkeit wird die deutsche, gründliche Bewirtschaftung die Überschüsse gewaltig steigern. In Europa ist keine andere Möglichkeit zu sehen. Kolonien: Warnung vor Schenkung kolonialen Besitzes. Es ist keine Lösung des Ernährungsproblems. Blockade! Zwingt uns das Schicksal zur Auseinandersetzung mit dem Westen, ist es gut einen größeren Ostraum zu besitzen. Im Kriege werden wir noch weniger wie im Frieden mit Rekordernten rechnen können. Die Bevölkerung nichtdeutscher Gebiete tut keinen Waffendienst und steht zur Arbeitsleistung zur Verfügung. Das Problem „Polen“ ist von der Auseinandersetzung mit dem Westen nicht zu trennen. Polens innere Festigkeit gegen den Bolschewismus ist zweifelhaft. Daher auch Polen eine zweifelhafte Barriere gegen Russland. Kriegsglück im Westen mit schneller Entscheidung ist fraglich, ebenso die Haltung Polens. Einem Druck durch Russland hält das polnische Regime nicht stand. Polen sieht in einem Siege Deutschlands über den Westen eine Gefahr und wird uns den Sieg zu nehmen versuchen. Es entfällt also die Frage Polen zu schonen und bleibt der Entschluss, bei erster passender Gelegenheit Polen anzugreifen. An eine Wiederholung der Tschechei ist nicht zu glauben. Es wird zum Kampf kommen. Aufgabe ist es, Polen zu isolieren. Das Gelingen der Isolierung ist entscheidend. Daher muss sich der Führer endgültigen Befehl zum Losschlagen vorbehalten. Es darf nicht zu einer gleichzeitigen Auseinandersetzung mit dem Westen (Frankreich u. England) kommen.
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23. 5. 1939 Nr. 476 Ist es nicht sicher, dass im Zuge einer deutsch-polnischen Auseinandersetzung ein Krieg mit dem Westen ausgeschlossen bleibt, dann gilt der Kampf in erster Linie England und Frankreich. Grundsatz: Auseinandersetzung mit Polen – beginnend mit Angriff gegen Polen – ist nur dann von Erfolg, wenn der Westen aus dem Spiel bleibt. Ist das nicht möglich, dann ist es besser den Westen anzufallen und dabei Polen zugleich zu erledigen. Es ist Sache geschickter Politik, Polen zu isolieren. Schwerwiegende Frage ist Japan. Wenn auch zunächst aus verschiedenen Gründen kühl einem Zusammengehen mit uns gegenüberstehend, so ist es doch im eigenen Interesse Japans, vorzeitig gegen Russland vorzugehen. Zu Russland sind wirtschaftliche Beziehungen nur möglich, wenn politische Beziehungen sich gebessert haben. In Presse-Erörterungen tritt vorsichtige Haltung in Erscheinung. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Russland sich an der Zertrümmerung Polens desinteressiert zeigt. Wenn Russland weiter gegen uns treibt, kann das Verhältnis mit Japan enger werden. Ein Bündnis Frankreich – England – Russland gegen Deutschland – Italien – Japan würde mich veranlassen, mit einigen vernichtenden Schlägen England und Frankreich anzugreifen. Der Führer zweifelt an der Möglichkeit einer friedlichen Auseinandersetzung mit England. Es ist notwendig, sich auf die Auseinandersetzung vorzubereiten. England sieht in unserer Entwicklung die Fundierung einer Hegemonie, die England entkräften würde. England ist daher unser Feind und die Auseinandersetzung geht auf Leben und Tod. Wie wird diese Auseinandersetzung aussehen? England kann Deutschland nicht in wenigen kraftvollen Streichen erledigen und uns niederzwingen. Für England ist es entscheidend, den Krieg möglichst nahe an das Ruhrgebiet heranzutragen. Man wird französisches Blut nicht sparen (Westwall!!). Der Besitz des Ruhrgebietes entscheidet die Dauer unseres Widerstandes. Die holländischen und belgischen Luftstützpunkte müssen militärisch besetzt werden. Auf Neutralitäts-Erklärungen kann nichts gegeben werden. Wollen Frankreich und England es beim Krieg Deutschland/Polen zu einer Auseinandersetzung kommen lassen, dann werden sie Holland und Belgien in ihrer Neutralität unterstützen und Befestigungen bauen lassen, um sie schließlich zum Mitgehen zu zwingen. Belgien und Holland werden, wenn auch protestierend, dem Druck nachgeben. Wir müssen daher, wenn bei polnischem Krieg England angreifen will, blitzartig Holland angreifen. Erstrebenswert ist es, eine neue Verteidigungslinie auf holländischem Gebiet bis zur Zuider See zu gewinnen. Der Krieg mit England und Frankreich wird ein Krieg auf Leben und Tod. Die Ansicht, sich billig loskaufen zu können, ist gefährlich; diese Möglichkeit gibt es nicht. Die Brücken sind dann abzubrechen und es handelt sich nicht mehr um Recht oder Unrecht, sondern um Sein oder Nichtsein von 80 Millionen Menschen. Frage: Kurzer oder langer Krieg?
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Jede Wehrmacht bzw. Staatsführung hat den kurzen Krieg anzustreben. Die Staatsführung hat sich dagegen jedoch auch auf den Krieg von 10 bis 15jähriger Dauer einzurichten. Es war immer in der Geschichte so, dass man an kurze Kriege glaubte. 1914 war man noch der Ansicht, lange Kriege nicht finanzieren zu können. Auch heute spukt diese Auffassung in vielen Köpfen. Dagegen wird jeder Staat so lange wie möglich aushalten, wenn nicht sofort eine wesentliche Schwächung (z. B. Ruhrgebiet) eintritt. England hat ähnliche Schwächen. England weiß, dass der unglückliche Kriegsausgang das Ende seiner Weltmacht bedeutet. England ist der Motor, der gegen Deutschland treibt. Seine Stärke liegt in Folgendem: 1.) Der Brite selbst ist stolz, tapfer, zäh, widerstandsfähig und organisatorisch begabt. Weiß jedes neue Ereignis auszuwerten. Er hat das Abenteurertum und den Mut der nordischen Rasse. Mit der Verbreiterung sinkt die Qualität. Der deutsche Querschnitt ist besser. 2.) Es ist eine Weltmacht an sich. Seit 300 Jahren konstant. Vergrößert durch Verbündete. Die Macht ist nicht nur als real, sondern auch als psychologisch erdumspannende zu betrachten. Dazu kommt der unermessbare Reichtum mit der damit verbundenen Kreditwürdigkeit. 3.) Die geopolitische Sicherung und Beschirmung durch eine starke Seemacht und eine tapfere Luftwaffe. Englands Schwäche: Wenn wir im Kriege zwei Panzerschiffe und zwei Kreuzer mehr gehabt hätten und die Skagerrak-Schlacht am Morgen begonnen hätte, dann wäre die britische Flotte geschlagen worden und England wäre in die Kniee gezwungen worden. Es hätte das Ende des Weltkrieges bedeutet. Früher genügte es nicht, die Flotte zu schlagen, man musste landen, um England zu besiegen. England konnte sich selbst ernähren. Das ist heute nicht mehr möglich. Im Augenblick, wo England von seiner Zufuhr abgeschnitten ist, ist es zur Kapitulation gezwungen. Die Lebensmittel- und Betriebsstoff-Zufuhr ist vom Schutz durch die Flotte abhängig. Der Angriff der Luftwaffe gegen England im Mutterland zwingt England nicht an einem Tag zur Kapitulation. Wird jedoch die Flotte vernichtet, so ist unmittelbare Kapitulation die Folge. Es besteht kein Zweifel, dass der überraschende Überfall zu einer schnellen Lösung führen kann. Es ist jedoch verbrecherisch, wenn die Staatsführung sich auf die Überraschung verlassen sollte. Die Überraschung kann erfahrungsgemäß scheitern an: 1.) Verrat an Personen außerhalb der zuständigen militärischen Kreise; 2.) Gewöhnlichem Zufall, der die ganze Aktion zusammenbrechen lässt; 3.) Menschlicher Unzulänglichkeit; 4.) Witterungsverhältnissen. Der Termin zum Losschlagen muss lange vorher bestimmt werden. Darüber hinaus kann man aber nicht lange in Spannung leben. Es muss damit gerechnet
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24. 5. 1939 Nr. 477 werden, dass die Witterungsverhältnisse überraschendes Eingreifen von Flotte und Luftwaffe unmöglich machen. Dies muss der Bearbeitung als ungünstigste Grundlage zu Grunde gelegt werden. 1.) Anzustreben bleibt, dem Gegner zu Beginn einen oder den vernichtenden Schlag beizubringen. Hierbei spielen Recht oder Unrecht oder Verträge keine Rolle. Dies ist nur möglich, wenn man nicht durch Polen in einen Krieg mit England „hineinschlittert“. 2.) Vorzubereiten ist der lange Krieg neben dem überraschenden Überfall unter Zerschlagen der englischen Möglichkeiten auf dem Festlande. Das Heer hat die Positionen in Besitz zu nehmen, die für die Flotte und Luftwaffe wichtig sind. Gelingt es, Holland und Belgien zu besetzen u. zu sichern sowie Frankreich zu schlagen, dann ist die Basis für einen erfolgreichen Krieg gegen England geschaffen. Die Luftwaffe kann dann von Westfrankreich aus die engere Blockade Englands, die Flotte mit den U-Booten die weitere übernehmen. Folgen: England kann auf dem Kontinent nicht kämpfen, die täglichen Angriffe der Luftwaffe und Kriegsmarine zerschneiden sämtliche Lebensadern. Die Zeit entscheidet gegen England. Deutschland verblutet nicht zu Lande. Diese Kriegsführung ist in ihrer Notwendigkeit bewiesen durch den Weltkrieg und die kriegerischen Handlungen seither. […] Für die Richtigkeit der Wiedergabe: Schmundt, Oberstleutnant1 Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 433, S. 477–483, hier S. 477–4812.
Nr. 477 Auszug aus einem Vortrag des Chefs der Amtsgruppe Wehrwirtschaftsstab im Oberkommando des Heeres Thomas Nr. 477 24. 5. 1939 24. 5. 1939 Berlin, 24. Mai 1939 […] Auf der anderen Seite muss man sich aber auch darüber klar sein, dass eine Aufrüstung nicht nur Geld, sondern auch Zeit braucht. Ob England und die ande1 Das Dokument, auch Schmundt-Protokoll genannt, besteht aus 15 handschriftlich von Schmundt verfassten Blättern; das Datum der Niederschrift fehlt. 2 Die Quelle ist häufig in Auszügen oder vollständig publiziert worden; die erste Veröffentlichung erfolgte in: Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher (IMG), Bd. XXXVII, S. 546–556. Dort befinden sich auch die vollständigsten Hinweise zur technischen Bearbeitung der Quelle.
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ren Demokratien in der Lage sind, auf Grund ihres Regierungssystems und ihrer wirtschaftlichen Organisation so schnell aufzurüsten wie Deutschland, möchte ich in Frage stellen. Die Nachrichten, die bisher vorliegen, lassen nicht darauf schließen, dass in den westlichen Großstaaten die Aufrüstung schon mit der Energie betrieben wird, wie hier bei uns. Wenn die politische Lage aber dazu führt, dass es zu einem längeren Wettrüsten kommt, so müssen wir uns natürlich klar sein, dass die Westmächte bei den Rüstungsausmaßen ihrer Wirtschaft in der Lage sein können, in etwa 1 bis 1 ½ Jahren den deutschen Rüstungsvorsprung einzuholen. Die vereinigte große Wirtschaftskraft Englands, Amerikas, Frankreichs ist auf die Dauer eben größer, als die der Achsenmächte, und die westlichen Großstaaten werden bei einem Wettrüsten nicht die Schwierigkeiten finden, die Deutschland und Italien durch den Rohstoff- und Menschenmangel immer haben werden. Kommt es zu einem solchen Wettrüsten und anschließend zu einem Krieg, so hängt der Kriegsausgang m. E. davon ab, ob es den Achsenstaaten glückt, durch einen schnellen entscheidenden Schlag die Kriegsentscheidung zu erzwingen. Glückt dies nicht und kommt es zu einem Abringen wie im Weltkriege, so entscheidet die Tiefe der wehrwirtschaftlichen Kraft, d. h. die Durchhaltemöglichkeit. Es ist nicht meine Aufgabe, Ihnen1 Ausführungen zu machen über die Möglichkeiten und das Gelingen oder Nichtgelingen eines solchen Blitzkrieges. Ich persönlich glaube nicht daran, dass eine Auseinandersetzung zwischen den Achsenstaaten und den Westmächten eine Frage des Blitzkrieges – also eine Frage von Tagen und Wochen sein wird. Für mich als Chef des Wehrwirtschaftsstabes kommt es darauf an, dass sich die Rüstung auf jeden Fall einstellt und damit auch auf einen langen Krieg. Unsere Vorbereitungen müssen daher auf eine möglichst große Stärkung unserer Rüstungstiefe hinausgehen. 3 besonders wichtige Punkte sind es, die uns in dieser Beziehung auf das Stärkste beschäftigen müssen: 1) die Sicherung der deutschen Ernährungslage 2) die Sicherung der Eisenerzzufuhr und die nötigsten Belieferungen mit Nichteisenmetallen und 3) die Treibstoff- und Kautschukfrage. Ich will diese Punkte nur mit wenigen Worten berühren. Sie wissen, dass der Hauptpassivposten der deutschen Ernährungsbilanz die starke Abhängigkeit vom Auslande auf dem Fettgebiet ist. Das fehlende Brot- und Futtergetreide und den Zuschussbedarf an Fleisch können uns der Süd-Ost-Raum und andere neutrale Anliegerstaaten liefern. Die Fettzufuhr ist hingegen durch unsere Balkanverbindungen bisher in keiner Weise gesichert. Ungarn, Rumänien, Jugoslawien und Griechenland haben im Jahre 1938 nur 5% des deutschen Fetteinfuhrbedarfs gedeckt. Wenn auch eine Besserung der Lage durch die jetzt abgeschlossenen Wirtschaftsabkommen zu erwarten ist, so bleibt doch eine starke Vorratswirtschaft auf dem Fettgebiet und die Möglichkeit, die fehlenden Fettmengen im Ernstfall von anderen Staaten einkaufen oder eintauschen zu können, eine unbedingte wehrwirtschaftliche Forderung. Die Aufkäufe Englands an Walöl und seine Versuche, auch auf anderen Ernährungsgebieten deutsche Vorratskäufe zu stören, zeigen, dass England unsere schwierige Lage auf diesem Gebiet klar erkannt hat. 1
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Die Rede hielt Generalmajor Thomas vor Diplomaten im Auswärtigen Amt.
24. 5. 1939 Nr. 477 Leider führt der große Mangel an Arbeitskräften auf dem Lande dazu, dass eine Besserung der eigenen Produktion an Fetten vorläufig nicht in Frage kommt. Vielmehr rechnen eingeweihte Kreise bei der andauernden Landflucht und bei der durch die Rohstofflage bedingten geringeren Landmaschinen-Zulieferung mit einem gewissen Produktionsrückgang. Dazu kommt, dass sich die gesteigerte Kaufkraft des Volkes jetzt ziemlich hemmungslos auf den Lebensmittelsektor ergießt und dass das Protektorat auf dem Fettgebiet keine Entlastung, sondern eine Belastung gebracht hat. Hier liegt zweifellos eine unserer großen Schwächen in der Tiefenrüstung. Ähnlich sieht es auf dem Gebiet unserer Erzversorgung aus. Wohl haben die Arbeiten des Vierjahresplanes hier schon manche Lücke geschlossen und die Ingangsetzung der Hermann-Göring-Werke wird einen weiteren großen Schritt vorwärts bedeuten. Trotzdem bleibt aber für die Eisenversorgung die Sicherung der Zufuhren aus Schweden im Ernstfall für uns eine unbedingte Notwendigkeit. Vor allem müssen wir uns ja klar machen, dass auch Italien so gut wie keine Eisenerzförderung hat. Und wenn man die Bedarfs- und die Eigenproduktionszahlen der kriegswichtigen Nichteisenmetalle vergleicht, so erkennen wir auch, dass die Achsenstaaten in hohem Umfange von Überseelieferungen abhängig sind, oder eben eine beträchtliche Bevorratungswirtschaft treiben müssen. Erfreulich ist, dass die Vorkommen auf dem Balkan – in Sonderheit an Kupfer, Blei und Bauxit bei weiterer Erschließung für unsere wehrwirtschaftliche Lage von großer Bedeutung werden können. Eine Bevorratung an Nichteisenmetallen, die leider infolge der Devisenlage zurzeit gar nicht erfolgen kann, ist daher eine unbedingte Notwendigkeit, um ein längeres Durchhalten in einem großen Kriege zu gewährleisten. Ganz besonders muss ich aber auf die Treibstofflage hinweisen. Der Bedarf an Treibstoffen aller Art ist durch die Motorisierung und Mechanisierung in hohem Maße gewachsen. Heer, Marine und Luftwaffe haben einen heute ganz erheblichen Bedarf im Mob-Falle. Dazu tritt der ebenfalls nicht unerhebliche Bedarf der Kriegswirtschaft. Diese Mengen in ihrer Gesamtheit zu decken, ist leider heute in den nächsten 2–3 Jahren aus der heimischen Produktion trotz der Großbauten auf dem Synthesegebiet noch nicht möglich. Wenn wir dann noch bedenken, dass auch Italien einen erheblichen Bedarf an Treibstoffen und nur eine ganz geringe Produktion in Albanien hat, so müssen wir uns klar sein, dass auch die rumänische Produktion, sofern wir sie unzerstört in die Hand bekommen, mit der deutschen Erzeugung zusammen noch nicht den vollen Bedarf decken kann, den die Achsenstaaten im Ernstfalle haben werden. Dagegen stehen die Riesenproduktionen der Vereinigten Staaten, der Staaten Südamerikas und die Zufuhrquellen der Engländer und Franzosen aus dem Irak, Iran und Indien, die den Westmächten eine ganz andere Nachschubmöglichkeit eröffnen als den Achsenstaaten. Außerdem bleibt die Versorgung mit rumänischem Erdöl für uns eine vorläufig noch ungelöste Transportfrage. Also auch auf dem Treibstoffgebiet ist für Deutschland und Italien eine Vorratswirtschaft erforderlich, um allen Möglichkeiten gewachsen zu sein. Ebenso steht es mit dem Kautschuk. Unser eigener Kautschukbedarf beträgt im Kriege 90.000 t pro Jahr, unsere derzeitige synthetische Herstellung etwa 20.000 to.
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24. 5. 1939
Die ganze Frage der Vorratswirtschaft im Frieden ist und bleibt ebenso wie die Beschaffung im Kriege in diesen Stoffen aber eine Devisenfrage. Wie diese bei uns aussieht, wissen Sie. Ich fürchte daher, dass eine Besserung unserer Tiefenrüstung auf diesen Gebieten nicht eher eintreten wird, bis unser Außenhandel wieder im Aufsteigen begriffen ist und unser Export uns einen neuen Devisentopf schafft. Aus diesem Grunde muss die wehrwirtschaftliche Führung immer ein besonderes Interesse an der Förderung unseres Außenhandels haben. Meine Herren! Ich habe Ihnen diesen kurzen Überblick nicht gegeben, um Ihnen ein sorgenvolles Bild zu malen, sondern um Sie darauf hinzuweisen, dass zu einer Rüstung heutzutage eben mehr gehört als die Bereitstellung der notwendigen Waffen, Geräte und Munition. Und wenn ich nun zu unserer Ausgangsfrage zurückkehre, so darf ich wohl feststellen, dass wir auf dem reinen militärischen Rüstungsgebiet wohl unseren Vorsprung noch eine gewisse Zeit werden halten können, dass aber auf dem erweiterten wirtschaftlichen Rüstungsgebiet der Vorsprung leider nicht vorhanden ist und dass in der Rüstungstiefe die Westmächte uns vorläufig überlegen sein werden. Um auch hier einen gewissen Ausgleich zu schaffen und uns möglichst weitgehend zu sichern, gibt es verschiedene Wege: Zunächst muss unsere politische Führung versuchen, für den Fall eines Krieges eine derartige Konstellation zu schaffen, dass uns eine Ausnutzung der Hilfsquellen der nordischen Staaten möglich ist und dass uns der Balkan mit seinen Vorräten und Vorkommen zur Verfügung steht. Zweitens muss die Stärkung unserer Rüstungstiefe versucht werden: a) durch weitgehende Bevorratung im Frieden aller der Stoffe, die uns im Ernstfalle fehlen werden, b) durch weiteren Ausbau unserer eigenen Erzeugungsstätten, wie es im Rahmen des Vierjahresplanes erfolgt. Drittens, und das ist vielleicht das Schwierigste und Wichtigste, muss durch erhöhte Ausfuhr wieder ein Devisenbestand geschaffen werden, der uns im Ernstfall wenigstens eine gewisse Freiheit im Ankauf fehlender kriegswichtiger Stoffe ermöglicht. Meine Herren! Die Erkenntnis, dass Deutschlands Stärke in seiner Bereitschaft und Breitenrüstung, seine Schwäche in der mangelnden Rüstungstiefe liegt, ist natürlich auch bei den Westmächten vorhanden und wird ihre Kriegspläne stark beeinflussen. England nimmt sicher an, dass der Wirtschaftskrieg vielleicht künftig eine größere Rolle spielen wird als der reine Waffenkrieg. Wir müssen uns daher in gleicher Weise auf einen aktiven und passiven Wirtschaftskrieg einstellen und müssen nicht nur die eigene Wirtschaftslage, die eigenen Stärken und Schwächen kennen, sondern allmählich denselben Einblick bei unseren Gegnern erhalten. Erfolgreich wird ein Wirtschaftskrieg nur sein, wenn die wirtschaftliche Lage des Feindstaates richtig beurteilt wird, wenn man weiß, wo seine wirtschaftlichen Engpässe liegen und wie diese Engpässe mit den richtigen Waffen angegriffen werden können. Eine Beurteilung der Rüstungs- und Wirtschaftslage der anderen Staaten, wie ich sie bisher kurz beleuchtet habe, wird nur Anspruch auf eine gewisse Richtigkeit haben, wenn alle Stellen, die draußen Einblick darüber bekommen können, sich bemühen, möglichst viel Material herbeizubringen. Wir sind sehr
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25. 5. 1939 Nr. 478 dankbar, dass wir gerade in den letzten Monaten von den Botschaften, Gesandtschaften und Konsulaten in der Einbringung von Nachrichten erfreulich unterstützt worden sind, haben aber die Bitte, dass die Außenstellen des Auswärtigen Amtes immer erneut auf die hohe Wichtigkeit hingewiesen werden, die die Berichte über die wirtschaftliche Rüstungslage für die Gesamtbeurteilung der Lage und für die Vorbereitung des Wirtschaftskrieges für den Wehrwirtschaftsstab haben. […] Veröffentlicht in: Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher (IMG), Bd. XXXVI, S. 114–131, hier S. 121–126.
Nr. 478 Aufzeichnung des Staatssekretärs im AA Freiherr von Weizsäcker Nr. 478 25. 5. 1939 25. 5. 1939 Berlin, den 25. Mai 1939 St. S. Nr. 451 1) Die englisch-russischen Verhandlungen deuten jetzt auf einen Abschluss hin, bei welchem England und Russland sich wechselseitig entgegenkommen würden, England regional, Russland materiell; d.h. England scheint die räumliche Gültigkeit des Vertrages nicht mehr beschränken zu wollen, während Russland auf eine vollgültige Unterstützung verzichten würde. Es würde also herauskommen auf ein Solidaritätsverhältnis beim Angriff durch Dritte ohne unbedingte Waffenhilfe. Treffen diese Vermutungen zu, so bleibt immer noch offen, wie weit die Russische Regierung sich tatsächlich in einen europäischen Konflikt verstricken lassen wird. Im deutsch-russischen Verhältnis scheint vielmehr noch ein ziemlich weiter Aktionsspielraum übrig zu bleiben. Es müsste unser Ziel sein, zu verhindern, dass die russisch-englisch-französischen Beziehungen einen noch bindenderen Charakter annehmen und sich weiter intensivieren. 2) Eine deutsche Aktion in Moskau im jetzigen Augenblick hat nur dann Wert, wenn sie von den Russen ernst genommen wird; anderenfalls würde sie wertlos oder sogar gefährlich sein. Moskau würde sie nämlich sonst u. a. sofort gegen uns in Tokio ausspielen; Es wäre daher wohl ins Auge zu fassen a) ein Gespräch von Herrn Hilger im Russischen Auswärtigen Ministerium1 in Fortsetzung seiner sonst dort üblichen Gespräche. Herr Hilger könnte sich dabei beziehen auf wirtschaftliche Vorarbeiten, denen er in Berlin in den letzten Wochen beigewohnt hat und die auf eine Intensivierung des deutsch-russischen Handelsverkehrs hinausliefen. Es wäre auch nichts dagegen zu sagen, wenn Herr Hilger dabei in ganz lockerer Form von sich aus erwähnte, er wolle nicht auf Politik kommen, glaube jedoch, dass zwischen Deutschland und Russland alle Möglichkeiten offen stünden. 1
Vgl. Dok. 491.
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b) ein Ersuchen an den Italienischen Botschafter in Moskau, Herrn Rosso, in geeigneter Weise die deutsche Bereitschaft zu einem deutsch-russischen Kontakt zu verdeutlichen. Herr Rosso könnte sich dabei auf neuere Nachrichten über den CianoBesuch in Berlin2 beziehen. Eine entsprechende Aufforderung an Rosso durch den Grafen Schulenburg müsste natürlich durch eine Weisung von Rom an Rosso unterbaut werden. c) Ein Gespräch des Herrn Reichsaußenministers mit dem Russischen Botschafter Merekalow, nach dessen Rückkehr-Termin in Moskau Erkundigungen eingezogen worden sind. Antwort steht hierauf noch aus.3 Hiermit dem Herrn Reichsaußenminister. Weizsäcker Eigenhändige Unterschrift. Auf letztem Blatt unten Bemerkung Weizsäckers: Mündliche Ergänzung (nach heute eingehenden weiteren Nachrichten) darf vorbehalten bleiben. Auf erstem Blatt am Seitenrand: zdA W[eizsäcker] 26[5]. PA AA, R 29712, Bl. 111330-111331. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 437, S. 487–488.
2
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Nr. 479 Entwurf eines Schreibens des Reichsaußenministers von Ribbentrop an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 479 26. 5. 1939 26. 5. 1939 Berlin, Mai 1939 [nicht später als 26. Mai 1939] Ganz geheim! Instruktionstelegramm an Botschafter Schulenburg in Moskau. Da die letzten Nachrichten darauf hindeuten, dass die englisch-russischen Paktverhandlungen in der einen oder anderen Form in nächster Zeit zu einem positiven Ergebnis führen könnten, so erscheint es angebracht, dass wir in der Fortführung der Unterhaltung mit den Russen stärker aus der Reserve heraustreten als das bisher in Aussicht genommen war. Ich bitte Sie deshalb, sobald als möglich Molotow aufzusuchen und ein Gespräch mit ihm wie folgt zu führen: 1.) Molotow habe bei Ihrer früheren Unterhaltung1 die Vertiefung wirtschaftlicher Beziehungen abhängig gemacht von einer Klärung des politischen Verhältnisses zwischen Deutschland und Sowjetrussland. Auch russischer Geschäftsträger in Berlin habe sich verschiedentlich in dem gleichen Sinne geäußert.2 Die Deutsche Regierung habe keinerlei Bedenken, der Sowjetregierung ihre Auffassung über das deutsch-sowjetische Verhältnis ganz offen vorzulegen. 2 Anlässlich der Unterzeichnung des ‚Stahlpaktes‘ am 22.5.1939 weilte Ciano in Berlin. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 426, S. 466–469. 3 Vgl. Dok. 493, Anm. 4. 1 2
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Vgl. Dok. 471, 475. Vgl. Dok. 457, 469.
26. 5. 1939 Nr. 479 2.) Die deutsche Außenpolitik sei in den vergangenen Jahren in erster Linie unter dem Zeichen des Gegensatzes zur Komintern geführt worden. Es sei erste Aufgabe des Nationalsozialismus gewesen, ein neues starkes Deutschland aufzubauen, das vor jedem Einbruch kommunistischer Tendenzen absolut gesichert ist. Diese Aufgabe ist gelöst. Selbstverständlich werden wir auch in Zukunft jede kommunistische Regung im Innern Deutschlands sowie jeden Komintern-Einfluss von außen unnachsichtig unterdrücken. 3.) Anders liegt aber die Frage der Gestaltung der außenpolitischen Beziehungen zwischen den beiden Staaten Deutschland und Sowjetrussland, wenn wir in Deutschland davon ausgehen können, dass die Sowjetregierung ihrerseits auf eine aggressive Bekämpfung Deutschlands durch Hineintragen kommunistischer und weltrevolutionärer Ideen in das Innere Deutschlands verzichtet. Wir haben aus gewissen Vorgängen der letzten Monate Anhaltspunkte dafür entnehmen zu können geglaubt, dass in dieser Hinsicht ein Wandel der russischen Ansichten eingetreten ist. Das würden wir auch durchaus verstehen, wenn man zum Beispiel den Verlauf des spanischen Bürgerkrieges und andererseits die Tatsache der außerordentlichen äußeren und inneren Erstarkung Deutschlands in Betracht zieht. Gewisse Anzeichen für die sowjetrussische Auffassung in dieser Richtung haben wir in der Rede Stalins im März3 zu erkennen geglaubt. 4.) Wenn diese Annahme richtig ist, so können wir unbedenklich feststellen, dass ein realer außenpolitischer Interessengegensatz zwischen Deutschland und Sowjetrussland nicht besteht. Wir sehen jedenfalls unsererseits keinen Fragenkomplex, in dem die beiderseitigen Interessen sich unmittelbar gegeneinander richteten. Aus diesem Grunde können wir uns durchaus vorstellen, dass die Zeit gekommen ist, eine Beruhigung und Normalisierung der deutsch-sowjetrussischen außenpolitischen Beziehungen ins Auge zu fassen. 5.) Diese deutsche Auffassung ist schon in den letzten Monaten in gewisser Hinsicht bekundet worden. Die frühere publizistische Polemik gegen Sowjetrussland ist wesentlich herabgestimmt worden. Wenn man in Moskau das für eine bloß vorübergehende Taktik halten sollte, so ist auf die reale Tatsache hinzuweisen, dass zum Beispiel unsere Einstellung zur Frage der Karpato-Ukraine und ihre Überlassung an Ungarn zeigt, dass uns expansive Absichten auf die Ukraine völlig fernliegen. Wenn der polnische Außenminister4 unsere Absichten in dieser Hinsicht anders dargestellt hat, wie wir zu wissen glauben, so ist das eine freie tendenziöse Erfindung, deren Motive auf der Hand liegen. 6.) Der Hauptfaktor der deutschen Außenpolitik ist das jetzt durch den Bündnispakt besiegelte enge Verhältnis zu Italien.5 Dieses Bündnis ist, wie sich aus der Natur der Dinge von selbst ergibt, nicht gegen Sowjetrussland gerichtet und berührt dessen Interessen auch mittelbar in keiner Weise. Es ist ausschließlich gegen die englisch-französische Kombination gerichtet. Was unser Verhältnis zu Japan betrifft, so erklären wir ganz offen, dass wir die Absicht haben, diese Beziehungen weiter zu pflegen und zu vertiefen. Es ist auch eine Tatsache, dass das deutschjapanische Verhältnis sich historisch aus der Antikomintern-Devise entwickelt hat. 3 4 5
Vgl. Dok. 424. Józef Beck. Vgl. Dok. 478, Anm. 2.
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Diese Devise bezeichnet aber nicht den eigentlichen real-politischen Kern dessen, was wir bei der Pflege der deutsch-japanischen Beziehungen heute im Auge haben. Wir denken dabei vielmehr an die gemeinsamen Gegensätze zu England. Auf Grund unserer guten Beziehungen zu Japan glauben wir gerade in der Lage zu sein, japanisch-russischen Gegensätzen entgegenzuwirken, jedenfalls haben wir keinerlei Interesse daran, solche Gegensätze unsererseits zu verschärfen, und glauben auch, dazu beitragen zu können, dass die japanische Außenpolitik allmählich immer mehr eine Richtung annimmt, die sie nicht in Konflikt mit Russland bringt. 7.) Unsere Differenzen mit Polen sind bekannt. Wir sind der Ansicht, dass die Probleme Danzig und Korridor einmal gelöst werden müssen; wir denken unsererseits nicht daran, diese Lösung mit kriegerischen Mitteln zu erzwingen. Sollte es aber gegen unseren Wunsch zu kriegerischen Verwicklungen mit Polen kommen, so braucht auch das nach unserer festen Überzeugung in keiner Weise zu einem Interessengegensatz mit Sowjetrussland führen. Wir können schon heute soviel sagen, dass wir bei einer Bereinigung der deutsch-polnischen Frage – mag sie in dieser oder jener Weise erfolgen – den russischen Interessen nach Möglichkeit Rechnung tragen würden. Rein militärisch gesehen stellt Polen für uns überhaupt kein Problem dar. Die militärische Entscheidung könnte von uns nach dem heutigen Stand der Dinge in so kurzer Frist erzwungen werden, dass eine englisch-französische Hilfe illusorisch wäre. 8.) Das ist überhaupt entscheidend für die Beurteilung der heutigen militärpolitischen Lage in Europa. Angesichts unserer eigenen militärischen Stärke und des vollendeten Ausbaues unserer Westbefestigungen würden England und Frankreich durch ein militärisches Vorgehen gegen Deutschland vor eine Frage auf Leben oder Tod gestellt werden. Wir haben berechtigte Zweifel darüber, inwieweit diese beiden Staaten letzten Endes überhaupt zu dem Versuch eines wirksamen Eingreifens zugunsten Polens entschlossen sind. Jedenfalls steht für uns so viel fest, dass, auch wenn dieser Versuch von ihnen ernsthaft gewagt werden sollte, die Entscheidung der polnischen Frage dadurch nicht beeinflusst werden könnte. Jede Hilfe käme immer zu spät, da die Westbefestigung niemand durchstoßen könnte. 9.) Wenn man die realen Kräfteverhältnisse und Interessen nüchtern abwägt, vermögen wir nicht zu erkennen, was Sowjetrussland eigentlich veranlassen könnte, sich an dem Spiel der englischen Einkreisungspolitik aktiv zubeteiligen. Aus den vorliegenden Nachrichten scheint uns hervorzugehen, dass man sich auch in Moskau darüber klar ist, dass es sich hierbei um eine einseitige Belastung Sowjetrusslands ohne wirklich wertvolle englische Gegenleistung handeln würde. Wir sind auch der Ansicht, dass England gar nicht in der Lage ist, wie auch die Verträge formuliert werden mögen, Sowjetrussland eine wirklich wertvolle Gegenleistung zu bieten. Während in Europa jede Hilfe durch den Westwall unmöglich ist, würde England im Fernen Osten gar nicht im Stande sein, wirksam gegen Japan vorzugehen, das dort stets eine absolute maritime Überlegenheit besitzt. Wir sind deshalb der Überzeugung, dass England wiederum seiner traditionellen Politik treu bleibt, andere Mächte für sich die Kastanien aus dem Feuer holen zu lassen. Im Übrigen halten wir die ganze augenblickliche Richtung der englischen Politik für ein Zeichen der Schwäche und glauben nicht, dass, wie auch die Bündnis- und Garantievereinbarungen schließlich lauten mögen, sich daraus wirkliche politische Realitäten ergeben werden.
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26. 5. 1939 Nr. 479 10.) Wie fürchten also die englischen Einkreisungsbemühungen in keiner Weise. Wir halten es aber für richtig, der Sowjetregierung gleichwohl unsere politischen Absichten und Auffassungen gerade in diesem Augenblick rückhaltlos darzulegen, um zu verhüten, dass die Sowjetregierung ihre Entschließungen in Unkenntnis der wirklichen Sachlage fasst. Wenn die Sowjetregierung auch trotz der Informierung über unsere Absichten und Auffassungen es für richtig halten sollte, mit England und Frankreich zu einem festen gegen Deutschland gerichteten Block sich zusammenzuschließen, so wird sie sich dann Deutschland und Japan zu endgültigen Feinden machen und selbst die Konsequenzen tragen müssen. Uns liegt, wie gesagt, im Augenblick in erster Linie daran, der Sowjetregierung Aufschluss über andere Möglichkeiten einer Entwicklung der deutsch-russischen Beziehungen zu geben und uns jedenfalls den Vorwurf zu ersparen, als hätten wir in einem so entscheidenden Augenblick versäumt, klar mit der Sprache herauszukommen. 11.) Alles in allem genommen wäre ein Zusammenschluss Russlands mit England gegen Deutschland vom Standpunkt der russischen Interessen aus gesehen doch nur dann verständlich, wenn die Sowjetregierung aggressive Absichten Deutschlands gegen Russland befürchtet. Wie vorstehend ausgeführt, liegen uns solche Absichten fern. Sollte die Sowjetregierung aber in dieser Hinsicht Ihre Eröffnungen mit Misstrauen aufnehmen, wie ja auch bei uns natürlich das Misstrauen im Hinblick auf die Einstellung der Komintern noch wach ist, so wäre Ihrerseits darauf hinzuweisen, dass wir gemeinsam versuchen, im Sinne der obigen Ausführungen das gegenseitige Vertrauen wiederherzustellen und dies praktisch zu erproben. Verhandlungen über Wirtschaftsfragen usw. und ferner auch schließlich die amtliche Bekundung der politischen Normalisierung der Beziehungen würden hierfür die Möglichkeit bieten. Wie die einzelnen Etappen auf diesem Wege zu gestalten wären, könnte näherer Erörterung vorbehalten bleiben, zu der wir bereit wären. Ich habe keine Bedenken, dass Sie den Russen gegenüber im Laufe des Gesprächs erwähnen, die Japaner und Italiener seien in großen Zügen über dieses deutsch-russische Gespräch informiert. Zu Ihrer Information bemerke ich noch, dass, falls die schnelle Herbeiführung einer Unterhaltung mit Molotow auf Schwierigkeiten stoßen sollte, ich auch keine Bedenken dagegen haben würde, das Gespräch mit Potemkin zu führen, oder aber noch besser, es auf dem Wege über Hilger und Mikojan in Gang zu bringen. Schließlich bemerke ich noch, dass die dortigen Unterhaltungen nur mündlich zu führen sind und dabei nichts Schriftliches aus der Hand gegeben werden darf. Ribbentrop Auf erstem Blatt quer geschrieben durch Weizsäcker: cessat, am Seitenrand: zdA W[eizsäcker] 27[5]. PA AA, R 29712, Bl. 111334-111345. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 441, S. 490–493.
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Nr. 480
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Nr. 480 Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda Nr. 480 26. 5. 1939 26. 5. 1939 26. Mai 1939 ZSg. 101/13/33-34/Nr. 501 wichtig!! Als Richtlinie für die nächste Zeit hinsichtlich der Behandlung der Sowjetunion und des deutsch-russischen Verhältnisses gilt Folgendes: [34] Heute, wo Sowjetrussland sich in das Einkreisungssystem der Westmächte eingefügt hat, können alle taktischen Rücksichtnahmen, die bisher notwendig waren, wieder fallengelassen werden.1 Es soll zwar nicht ab sofort eine große Aktion gegen den Bolschewismus gestartet werden, aber die alte Linie der Bekämpfung der Sowjetunion, der Kommunistischen Internationale usw. soll anhand von aktuellen Meldungen wieder aufgenommen werden. An der grundsätzlichen Haltung Deutschlands zum Bolschewismus ebenso wie zur Sowjetunion hat sich nichts geändert. Veröffentlicht in: NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit, Bd. 7/II, S. 510.
1
Nr. 481 Telegramm des Staatssekretärs im AA Freiherr von Weizsäcker an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 481 26. 5. 1939 26. 5. 1939 Telegramm in Ziffern (Geh.Ch.Verf.) Berlin, den 26. Mai 1939 [20 Uhr 35] [Ankunft: 27. Mai 0 Uhr 20] An Diplogerma Moskau Nr. 99 Im Anschluss an Telegramm Nr. 941 Für Botschafter persönlich! Hilger wird Ihnen bei seiner Rückkehr von Überlegungen berichten, die hier wegen etwaiger weiterer Schritte in Moskau angestellt worden sind. Diese Überle1 Dazu findet sich eine Presseanweisung des stellv. Leiters der Nachrichten- und Presseabteilung im AA Schmidt vom 26.5.1939: „Die Haltung Deutschlands zu Sowjetrussland stand in der letzten Zeit im Mittelpunkt des Interesses insbesondere auch des Auslandes. Von hier aus konnte kein Interesse daran bestehen und besteht auch jetzt noch nicht, eine Unruhe, die sich im Ausland zeigte, durch übertriebene Wahrheitsliebe zu zerstreuen. Jede Unruhe, die draußen herrscht, kann uns Vorteil bringen. […] Wenn wir aus taktischen Gründen in der letzten Zeit von Angriffen auf Sowjetrussland abgesehen haben, so war das Taktik und keine politische Schwenkung. Heute, wo Russland mit großer Sicherheit in das System der englisch-französischen Politik einbezogen werden wird, kann alle Rücksicht fallen.“ In: NSPresseanweisungen, Bd. 7/II, S. 510–511. 1
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Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 414, S. 454.
27. 5. 1939 Nr. 482 gungen haben nach Abreise Hilgers von Berlin im Meinungsaustausch mit Japanischer und Italienischer Botschaft2 zu folgendem Entschluss geführt: Es bleibt bei der mit Drahterlass Nr. 94 angeordneten völligen Zurückhaltung. Weder werden Sie persönlich bis auf Weiteres irgendwelche Schritte zu tun haben, noch soll Herr Hilger Kontakt suchen, noch ist schließlich beabsichtigt, Herrn Schnurre demnächst nach Moskau zu entsenden. Weizsäcker Am Seitenrand maschinenschriftlich: Nach Abgang: Büro RAM, U.St.S.Pol, U.St.S.Recht, Dir. W. PA AA, R 29712, Bl. 111329. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 442, S. 493.
2
Nr. 482 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Molotov Nr. 482 27. 5. 1939 27. 5. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 2 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 128/s1 Berlin, 27.V.39 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN Gen. MOLOTOV Die wichtigsten Fragen, die die ausländischen Beobachter in Berlin jetzt bewegen, sind natürlich folgende: 1) der Inhalt des italienisch-deutschen Paktes2 über das hinausgehend, was in den Zeitungen veröffentlicht worden ist, und 2) die Perspektiven des Konfliktes um Danzig, genauer: die deutsch-polnischen Beziehungen, und damit im Zusammenhang 3) die Frage bezüglich des Termins für den Ausbruch wenn nicht eines Krieges, so doch einer neuen internationalen politischen Krise, und schließlich 4) die Möglichkeit einer Verbesserung der sowjetischdeutschen Beziehungen. Zu all diesen Fragen ist hier relativ wenig bekannt, und außerdem muss man bei allem, was man zu hören bekommt, berücksichtigen, dass dies möglicherweise nicht nur Erfindung, sondern auch direkte Desorientierung ist, worin die Deutschen ja Meister sind. Nur unter diesem Vorbehalt kann man auch die Eindrücke der hiesigen Gespräche mit ausländischen Diplomaten und Journalisten darlegen. 2 Vgl. den Bericht Attolicos vom 29.5.1939. In: I Documenti Diplomatici Italiani, Rom 1952, Serie 8, Bd. XII, Dok. 48, S. 32–34. 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Vom 22. Mai 1939. Vgl. Dok. 478, Anm. 2.
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Nr. 482
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*Hinsichtlich des italienisch-deutschen Paktes* ist aus unterschiedlichen Quellen Folgendes in Bezug auf die unveröffentlichten „Anlagen“ zum Pakt zu vernehmen. Diese *„Anlagen“* sind anscheinend in aller Eile abgefasst worden und *betreffen im Wesentlichen nicht so sehr die rein militärische, als vielmehr die kriegswirtschaftliche Seite des Bündnisses*. Es wird behauptet, dass in diesen „Anlagen“ konkrete Gegner, Eroberungsobjekte und Einflusssphären *nicht benannt sind*3. Dies ist durchaus möglich, wenn man berücksichtigt, dass es neben den dokumentierten „Anlagen“ auch Vier-Augen-Gespräche zwischen Hitler und Ciano gegeben hat, bei denen nur des Führers Vertrauensdolmetscher, Schmidt, zugegen war; selbst Ribbentrop war daran nicht beteiligt. Es ist höchst wahrscheinlich, dass gerade in diesen Gesprächen (wie auch in den früheren Treffen Görings mit Mussolini4 und anderen) die Dinge genauer beim Namen benannt worden sind. Die *„Anlagen“*5 *sehen anscheinend einen ständigen und engen Kontakt sowie umfassende gegenseitige Konsultationen zu allen Fragen der Diplomatie, des Krieges und der Rüstungsindustrie vor*6. Die erste Kategorie der Fragen (die diplomatischen) wird durch engste Kommunikation zwischen den Außenministerien beider Länder erledigt, für die beiden übrigen werden *spezielle* gemischte Kommissionen *gebildet*: eine *militärische und eine rüstungswirtschaftliche*7. Bevor diese *Kommissionen* offen ihre *Tätigkeit **aufnehmen (dies ist für August vorgesehen)*8 und abwechselnd in Berlin und Rom tagen, muss ein *Plan zur Reorganisierung der italienischen Rüstungsindustrie durch Einbindung*9 in die allgemeine Kriegswirtschaft beider Länder aufgestellt werden**10. Es soll ein *allgemeiner Plan* erarbeitet werden, der sowohl die *kriegswirtschaftlichen Aufgaben beider Länder als auch die Verteilung der Rohstoffe auf ihre Rüstungsbetriebe zum Inhalt hat*11. Diese *Tätigkeit sollte im Wesentlichen deutschen Ingenieuren* und Wirtschaftsleuten übertragen werden, wofür bereits *jetzt zahlreiche Spezialisten nach Italien entsandt werden* (die Anzahl wird *mit 1000 Personen*12 und mehr beziffert). *Für den Kriegsfall* ist die *Schaffung eines einheitlichen Kommandos* vorgesehen, in dem die *Deutschen das Oberkommando zu Lande übernehmen werden, die Italiener hingegen das im Mittelmeer* 13. Dazu wird eine bedeutende Anzahl von deutschen Truppen *(30 Divisionen) nach Italien* verlegt werden und ans Mittelmeer *bis zu 30 deutsche Kriegsmarineeinheiten*14. (Die Kongruenz der Zahl 30 legt den zweifelhaften Charakter dieser Zahl nahe.)
3 4 5 6
Die vier Textstellen sind mit blauem Farbstift unterstrichen. Am 15. und 16. April 1939. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 205, 211. Das Wort ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Der Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen und mit 1) verse-
hen. 7 8 9 10 11
Die drei Textstellen sind mit rotem Farbstift unterstrichen. Die beiden Textstellen sind mit blauem und rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. Die beiden Textstellen sind mit blauem Farbstift unterstrichen; außerdem am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. 12 Die drei Textstellen sind mit blauem Farbstift unterstrichen. 13 Die drei Textstellen sind mit blauem Frabstift unterstrichen; das Ende des Satzes außerdem mit rotem Farbstift. 14 Die beiden Textstellen sind mit blauem Farbstift unterstrichen und am Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen.
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27. 5. 1939 Nr. 482 Was die Gespräche betrifft, die vor der Unterzeichnung des Paktes über die nächsten „Expansions“-Richtungen geführt wurden, so spricht man darüber (wie mir dies u.a. der Türke15 mitgeteilt hat), dass es hier zwischen den Deutschen und *Italienern Meinungsverschiedenheiten* gegeben hat. Die Italiener beriefen sich auf die materiellen Belastungen, die sie im Zusammenhang mit dem Unterhalt einer großen Armee zu tragen hätten, die über den gesamten *Mittelmeerraum* verteilt sei, von Spanisch Marokko bis zum Dodekanes und *bestanden darauf, die in dieser Zone anstehenden Aufgaben schnellstmöglich einer Lösung zuzuführen*16. Die *Deutschen* verharrten dagegen auf ihrem Standpunkt, dass sie *nicht im Mittelmeer einen ernsten Konflikt beginnen könnten, bevor nicht das Danzig-KorridorProblem gelöst sei*. Es überwiegt die Auffassung, *dass der Standpunkt der Deutschen auch hier die Oberhand behalten hat*17. Hinsichtlich der Fristen und Maßnahmen zur Lösung dieses Problems neigt die Mehrheit dazu, dass die für *Ende Mai – Anfang Juni* angesetzten Operationen *auf September*18 verschoben worden sind. Dafür werden folgende Gründe ins Feld geführt: a) erst gegen Ende August *wird der Plan erstellt und die Reorganisierung der italienischen Kriegsindustrie auf der Grundlage des Paktes teilweise erfolgt sein; b) die Deutschen wollen bis zur Einbringung der Ernte keinen Krieg riskieren*19; c) man beruft sich schließlich auf irgendwelche bedeutungsvollen Äußerungen des englischen20 und französischen Botschafters21 (ich selbst habe noch *mit keinem von ihnen direkt*22 gesprochen), *die davon sprachen, dass man zum Herbst irgendwelche Änderungen „zugunsten der totalitären Mächte“ erwarten könne*23. Was damit konkret gemeint sein könnte, ist vorerst nicht feststellbar. Es ist möglich, dass die Engländer und Franzosen befürchten, dass sich Franco bis dahin von den Zerstörungen erholt hat oder es gelingt, sich die Unterstützung Japans zu sichern. Im Zusammenhang damit spricht man hier unentwegt darüber, dass vor der Unterzeichnung des Paktes sowohl Deutschland als auch Italien Versuche unternommen hätten, Japan zum Beitritt zum Bündnis zu bewegen. Darauf hätten die Japaner angeblich sinngemäß geantwortet, dass sie nicht in einen europäischen Krieg hineingezogen werden möchten und zu einem Pakt nur in dem Falle bereit wären, wenn ihnen Unterstützung bei einem militärischen Konflikt mit der UdSSR im Fernen Osten24 zugesichert wird. Abgesehen davon geben sie sich mit dem „Antikomintern“-Abkommen zufrieden und haben nicht vor, es als gegen die demokratischen Mächte gerichtet zu interpretieren. Die Japaner haben dabei anscheinend angedeutet, dass sie nicht wünschen, dass ihre Ideologie mit der der faschistischen gleichgesetzt wird. Es wird jedoch erwartet, dass dazu die Gespräche nicht abreißen und fortgeführt werden.
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Mehmet Hamdi Arpağ. Die drei Textstellen sind mit blauem Farbstift unterstrichen. Der drei Textstellen sind mit blauem Farbstift unterstrichen. Die beiden Textstellen sind mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. Nevile Henderson. Robert Coulondre. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. Vgl. Dok. 474.
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Nr. 482
27. 5. 1939
Um auf das Problem des polnisch-deutschen Konfliktes zurückzukommen, ist zu bemerken, dass die Polen, mit denen ich in einige Male sprechen konnte, nicht eilfertig die Annahmen über eine Vertagung der deutschen Aktion gegen Polen auf den August teilen und mit der Möglichkeit eines früheren Konfliktes rechnen. Anscheinend *hätten sie gar nichts dagegen, wenn der Konflikt, wenn er schon unvermeidlich ist, sobald wie möglich ausbräche. Dies erklärte mir der polnische Rat25 ohne Umschweife*26. Aus einigen Anzeichen kann man schlussfolgern, dass die Polen sehr die Möglichkeit irgendwelcher englischer Einlenkungsmanöver fürchten, die in Verbindung mit den wirtschaftlichen Spannungen, die Polen durch den Unterhalt einer großen Armee unter Waffen durchleben muss, die Lage aufweichen und Bedingungen für eine Lösung der Frage nach der Art von München schaffen könnten. Zu den Perspektiven einer Verbesserung der sowjetisch-deutschen Beziehungen gibt es nicht viel zu sagen. Die Deutschen geizen nicht damit, Gerüchte mit Sensationscharakter in die Welt zu setzen. *Zu den früher gemeldeten kann man das Gerücht über die Reise von Syrový nach Moskau mit einem Entwurf für ein sowjetisch-deutsches Militärbündnis ergänzen.*27 Es lohnt wohl kaum, alle derartigen Gerüchte aufzuzählen, die jedoch einige leichtgläubige Diplomaten in Wallung bringen. Ich weiß nicht, ob Schulenburg in Moskau irgendwelche Vorstöße unternommen hat, aber hier besteht die einzige Tatsache, die Aufmerksamkeit verdient, *im veränderten Ton der deutschen Presse*28.29 Der verhältnismäßig korrekte Ton der Presse, den ich in früheren Briefen vermerkt hatte30, wird vorerst beibehalten. Die Sowjetunion wird in Karikaturen nicht mehr als missgestalteter semitischer Verbrecher dargestellt, sondern als Bär mit einem roten Stern, während die Engländer als Hauptschuldige für die „Einkreisung“ Deutschlands im Mittelpunkt stehen. Es tauchten sogar Meldungen über die „Respektierung“ unseres Territoriums auf (der gestrige *Artikel im „Westdeutschen Beobachter“31, den TASS per Telegraf übermittelt hat und der in dieser Post im Original mitgeschickt wird). Selbst unser Vorgehen in der Åland-Frage32, das hier früher ein wildes Geheule ausgelöst hätte, wird jetzt vorrangig als Zeichen für die englischen Intrigen in der Ostsee dargestellt*33; die Artikel in den „Izvestija“ und in der „Pravda“ zu den
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Stefan Lubomirski. Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen und am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. 28 Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. 29 Vgl. Dok. 456. Am 26.5.1939 erging an die Presse folgende Weisung: „Heute, wo Sowjetrussland sich in das Einkreisungssystem der Westmächte eingefügt hat, können alle taktischen Rücksichten, die bisher notwendig waren, wieder fallengelassen werden. Es soll zwar nicht ab sofort eine große Aktion gegen den Bolschewismus gestartet werden, aber die alte Linie der Bekämpfung der Sowjetunion, der Kommunistischen Internationale usw. soll anhand von aktuellen Meldungen wieder aufgenommen werden“. Vgl. Dok. 480. 30 Vgl. DVP, Bd. XXII, Dok. 282, S. 339–341 sowie Dok. 465. 31 Vgl. „Wir und die Sowjets. Klarstellungen zu den englischen Werbungen um Moskau“. In: Westdeutscher Beobachter vom 26. Mai 1939, Morgenausgabe, S. 1–2. 32 Am 24.5.1939 trat die UdSSR im Völkerbund gegen den Antrag Schwedens und Finnlands auf, die Konvention von 1921, mit der der Status der Ålandinseln als neutrales und entmilitarisiertes Territorium festgelegt worden war, zu überprüfen. Vgl. God krizisa 1938– 1939, Bd. 1, Dok. 372, S. 495–496. 33 Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen.
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28. 5. 1939 Nr. 483 Åland-Inseln34 werden von den Zeitungen in einer recht nüchternen Art (für hiesige Verhältnisse) wiedergegeben. Es ist natürlich klar, dass diese Taktik des Scharwenzelns der Presse die Deutschen zu nichts verpflichtet; sie kann zu einem beliebigen Zeitpunkt verändert werden und sie kann nicht als Beweis dafür dienen, dass sich ihre Politik uns gegenüber ernsthaft verändert hat, falls man dies nicht mit konkreten Demarchen bekräftigt. Wird man dies tun? Der wachsende Einfluss Ribbentrops, der neben den Militärs Keitel und Brauchitsch als „Chefberater“ Hitlers gilt, und der merkliche Einflussverlust Görings, der, wie man sagt, gegen den antipolnischen Kurs aufgetreten und dafür von Hitler zweimal nach Italien35 geschickt worden ist – all diese Tatsachen sind keine Symptome für eine entsprechende Entwicklung der deutschen Politik, obgleich die sich verschlechternde internationale Lage auch in diese Richtung weist. Geschäftsträger der UdSSR in Deutschland G. Astachov Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr.: 2708 vom 31.05.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. 1 [Exemplar] an Gen. Molotov, 1 an Gen. Potemkin, 1 zu den Akten. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 61, l. 94–90. Original. Veröffentlicht in: God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 382, S. 514–51736.
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Nr. 483 Bericht des Stellv. Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Babarin Nr. 483 28. 5. 1939 28. 5. 1939 [28.5.1939] BERICHT ÜBER DIE VERHANDLUNGEN ZUM DEUTSCHEN KREDIT Am 20. Januar 1938 hatte die deutsche Regierung mündlich das Angebot unterbreitet, uns einen Kredit in Höhe von 200 Mio. Mark zu folgenden Konditionen1 zu gewähren: a) vorfristiger Rückkauf der Wechsel, die auf der Grundlage des Abkommens über den 200-Millionen-Kredit vom 9. April 19352 ausgegeben worden sind, durch eine zusätzliche Ausfuhr unserer Waren nach Deutschland im Zeitraum von 1– 1,5 Jahren. 34 „Alandskij vopros“ (Die Åland-Frage). In: Pravda vom 25. Mai 1939, S. 1; „Problema Alandskich ostrovov“ (Das Problem der Ålandinseln). In: Izvestija vom 25. Mai 1939, S. 1. 35 Göring traf am 3.5.1939 zu einem „privaten“ Besuch in San Remo ein. 36 Das Dokument wurde in redaktioneller Bearbeitung veröffentlicht. 1 2
Vgl. Dok. 205. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 116, S. 422–428.
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Nr. 483
28. 5. 1939
b) die Grundlage für den neuen Kredit ist die gleiche wie die für den Kredit vom 9. April 1935, d.h. 1. die Laufzeit des Kredits beträgt 5 Jahre, 2. Kosten des Kredits: Diskontsatz der Reichsbank plus 2%, was ungefähr 6% p.a. ausmacht. 3. 70% Garantie der deutschen Regierung für Wechsel der Handelsvertretung. Im Verlaufe der weiteren Verhandlungen, die im Wirtschaftsministerium am 11. März3, 17. März4 und am 21. März5 stattfanden, stellte die Handelsvertretung in Deutschland gemäß Beschluss des ZK der VKP (B) vom 11.II.386 die Forderung nach einer 7jährigen Laufzeit des Kredits, einer Kreditverzinsung von 4,5% p.a. und einer Garantie zu 100% durch die deutsche Regierung für die Wechsel der Handelsvertretung und deren Verzinsung. Von deutscher Seite erhielten wir eine Warenliste in einem Volumen von 300 Mio. Mark, an deren Lieferung von unserer Seite den Deutschen in den Jahren 1938 und 1939 gelegen wäre.7 Am 1. April [1938] erklärte uns die deutsche Seite, dass sie bereit sei: 1. uns einen Kredit mit einer Laufzeit von 6 Jahren anstelle der von unserer Seite geforderten 7 Jahre zu gewähren. 2. Die Verzinsung des Kredits bleibe unverändert, d.h. der Diskontsatz der Reichsbank plus 2%, wenn wir aber auf einem feststehenden Zinssatz bestünden, sei die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, sich über einen feststehenden Zinssatz von 6% p.a. zu verständigen. 3. Die deutsche Regierung könne bei der Regierungsgarantie nicht über 70% hinausgehen. Damit wurden die Märzverhandlungen abgebrochen.8 Am 22. Dezember 1938 warf die deutsche Regierung die Frage nach einer Wiederaufnahme der Kreditverhandlungen wieder auf9, die im März 1938 unterbrochen worden waren, und bekräftigte die Bereitschaft, hinsichtlich einer Senkung der Kreditkosten und beim Volumen der Regierungsgarantie ernsthafte Zugeständnisse zu machen. Am 11. Januar 1939 erklärten wir unsererseits der deutschen Regierung, dass die sowjetische Seite bereit sei, die Verhandlungen wieder aufzunehmen und sie in Moskau zu führen.10 In der Folge bestätigte die deutsche Regierung unsere Forderung, die Verhandlungen in Moskau zu führen und setzte uns darüber in Kenntnis, dass Herr Schnurre die Verhandlungen führen werde11, später erklärten die Deutschen jedoch, dass Schnurre mit den aufgenommenen Verhandlungen in Polen überlastet sei und des3 4
Vgl. Dok. 247. Vgl. Aufzeichnung vom 17.3.1938, mit angehängter Warenliste. In: RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 2778, l. 6–9. 5 Vgl. Dok. 253. 6 Vgl. Dok. 214. 7 Vgl. Anm. 4. 8 Vgl. Dok. 261 9 Vgl. Dok. 381. 10 Vgl. Dok. 392. 11 Vgl. Dok. 401.
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28. 5. 1939 Nr. 483 halb von der Schulenburg und Herr Hilger12 beauftragt worden seien, die Verhandlungen zu beginnen; Herr Schnurre werde dann Mitte März nach Moskau kommen. Bei den Kreditverhandlungen in Moskau haben die deutschen Vertreter einen Entwurf für das Kreditabkommen13 ausgehändigt, der auf Folgendes hinauslief: 1. Die Kreditsumme beträgt *200 Mio. Mark*14. 2. Die Laufzeit des Kredits beträgt *6 Jahre*. 3. Die Verzinsung der Wechsel beläuft sich auf 5% p.a. 4. Die Preise und die Lieferbedingungen für die Aufträge sollten angemessen sein. 5. Die Verpflichtung der UdSSR entsprechend der dem Abkommen beigefügten Warenliste zu den dort angegebenen Mengen und Preisen in den Jahren 1939 und 1940 mindestens in einem Volumen von *300 Mio. Mark* zu liefern. Die Preise für diese Waren dürfen die Weltmarktpreise nicht überschreiten. 6. Der Transport der deutschen Lieferungen muss auf deutschen Schiffen erfolgen. 7. Die Bestellungen auf Kredit umfassen ausschließlich Lieferungen für Investitionszwecke. 8. Der Wert eines Auftrages sollte nicht unter 100.000 Mark liegen. Wir übergaben am 12. Februar unsere Variante des Abkommens, in der insbesondere folgende Momente hervorgehoben wurden: 1. Die Kreditsumme beläuft sich auf 200 Mio. Mark, wobei die von uns gewünschten Waren zu annehmbaren Preisen, in entsprechenden Fristen und in ordnungsgemäßer Qualität geliefert werden. 2. Die Laufzeit des Kredits beläuft sich auf *7 Jahre*. 3. Der Zinsfuß für die Wechsel beträgt *4,5%* p.a. *4. Die Verpflichtung der UdSSR, Waren gemäß der dem Abkommen beigefügten Liste in einem Volumen von *145 Mio.* Mark zu exportieren. Die Preise für diese Waren sollten normal sein, jedoch keine Weltmarktpreise.*15 5. Der Transport der deutschen Warenbestellungen muss auf deutschen Schiffen erfolgen, sofern die Auftraggeber für die erwähnten Transporte keine sowjetischen Schiffe benutzen. 6. Erweiterung der Exportprämie auf sowjetische Bestellungen gemäß Abkommen über den Handels- und Zahlungsverkehr vom 19.XII.193816. 7. Dem Abkommen waren beigefügt: a) eine Liste der einzelnen Ausstattungen zu Lasten des Kredits und b) eine Liste der einzelnen Ausstattungen zu Lasten der freien Summen aus dem laufenden sowjetischen Exporterlös in Höhe von 120 Mio. Mark. Am 23. Februar 1939 händigten uns die deutschen Vertreter einen zweiten Entwurf aus, in dem folgende Veränderungen gegenüber dem ersten deutschen Entwurf vorgenommen worden waren: 12 13
Vgl. Dok. 406. Die Konditionen dieses Entwurfs für ein Kreditabkommen waren am 1.12.1938 festgelegt worden. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. IV, Dok. 481, S. 538. 14 Die hier und im Folgenden so gekennzeichneten Stellen sind mit Bleistift unterstrichen. 15 Der Absatz ist am linken Seitenrand mit Bleistift angestrichen. 16 Vgl. Dok. 366, Anm. 2. Ein Text des Abkommens ist in der Akte nicht vorhanden.
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Nr. 483
28. 5. 1939
1. Verpflichtung der UdSSR nach der dem Abkommen beigefügten Warenliste zu den dort vereinbarten Preisen im Laufe der Jahre 1939 und 1940 mindestens in Höhe von *200 Mio. Mark* (anstelle der *300 Mio. Mark* des ersten Entwurfs) zu Weltmarktpreisen zu exportieren. 2. Der Transport von mindestens 75% der Warenlieferungen für Deutschland muss auf deutschen Schiffe erfolgen (anstelle von 100% im ersten Entwurf). In den übrigen Fällen erfolgt der Transport auf sowjetischen Schiffen, jedoch über deutsche Häfen. 3. Der Wert eines Auftrags sollte nicht unter 75.000 Mark liegen (anstelle von 100.000 Mark im ersten Entwurf). 4. Zustimmung zur Erweiterung der Exportprämie. 5. Zu unseren Listen einzelner Ausstattungen zu Lasten des Kredits bzw. aus dem laufenden Erlös schweigt sich der deutsche Gegenentwurf aus. *6. Die Kreditlaufzeit und die Verzinsung bleiben unverändert.*17 Bei der Übergabe des zweiten Entwurfs erklärten uns die deutschen Vertreter, dass die deutsche Regierung, falls die sowjetische Seite nicht auf einen Warenexport in Höhe von 200 Mio. Mark eingehen könne, mit der angebotenen Exportsumme von 145 Mio. Mark bei gleichzeitiger Verringerung des Kredits auf 160 Mio. Mark einverstanden sei. Am 26. Februar haben wir den deutschen Vertretern den zweiten Entwurf mit folgenden Änderungen überreicht: 1. Die Preise für deutsche Lieferungen werden nicht die Preise übersteigen, die in Deutschland für Aufträge zur Lieferung entsprechender Güter in andere Länder üblich sind (und keine Weltmarktpreise wie im deutschen Entwurf). 2. Die Preise für sowjetische Waren werden die Preise, die in Deutschland für derartige aus anderen Ländern stammende Waren bestehen, nicht übersteigen (keine Weltmarktpreise wie im deutschen Entwurf). 3. Der Wert eines Einzelauftrags sollte nicht unter 50.000 Mark liegen. 4. Die Laufzeit des Kredits, seine Verzinsung und andere Punkte bleiben unverändert. *Unserem Entwurf wurde ein schriftliches Angebot beigefügt, dass es möglich wäre, die Ausfuhr von sowjetischen Waren nach Deutschland für 2 Jahre bis auf 200 Mio. Mark zu erhöhen, unter der unerlässlichen Bedingung, die Kreditsumme auf 300 Mio. Mark zu erhöhen bei gleichzeitiger Auftragsbindung für den Zeitraum von 2 Jahren.*18 Auf unseren modifizierten zweiten Entwurf hat die deutsche Regierung noch nicht geantwortet.19 E. Babarin Am Ende des Dokuments ist die Anzahl der Exemplare vermerkt: 2 Expl. 28.V.39. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 3144, l. 188–192. Original.
17 18 19
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Der Text ist am linken Seitenrand zweimal mit Bleistift angestrichen. Der Absatz ist am linken Seitenrand mit Bleistift angestrichen. Vgl. Dok. 427.
29. 5. 1939 Nr. 484 Nr. 484 Aufzeichnung ohne Unterschrift aus dem Auswärtigen Amt Nr. 484 29. 5. 1939 29. 5. 1939 29. Mai 19391 1.) Wir stehen vor der Tatsache, dass unser Botschafter in Moskau mit Herrn Molotow ein Gespräch über die Wiederaufnahme deutsch-sowjetischer Wirtschaftsverhandlungen gehabt und dass Herr Molotow dabei zur Voraussetzung die Klärung der politischen **Beziehungen**2 zwischen Deutschland und Sowjetrussland gemacht hat.3 Wir fragen uns natürlich, ob Herr Molotow damit dem Wunsch hat Ausdruck geben wollen, dass ein Gespräch über die politischen Beziehungen zwischen uns in Gang kommt, oder ob er dies einfach als eine Form der Ablehnung betrachtet wissen wollte. 2.) Sie selbst4 haben ebenso wie ihr Botschafter5 Möglichkeiten angedeutet, dass man einmal über die politischen Beziehungen zwischen Deutschland und der Sowjetunion sprechen sollte, und wir fragen uns, ob dies mit der Ansicht Molotows übereinstimmt, oder wir es hier mit verschiedenen Standpunkten ihrer hiesigen Botschaft und ihres Außenkommissariats zu tun haben. 3.) Wenn man bei ihnen den Wunsch haben sollte, mit uns ein politisches Gespräch zu führen, so kann ich mir dies für meine Person durchaus als möglich vorstellen. Ich sehe dafür eine Voraussetzung, *dass das aggressive Vorwärtstreiben der weltrevolutionären Idee nicht mehr Bestandteil der aktuellen sowjetischen Außenpolitik ist*6. Liegt diese Voraussetzung vor, wofür ja gewisse Anzeichen sprechen könnten, so könnte ich mir denken, dass ein solches Gespräch zu nützlichen Ergebnissen im Sinne einer fortschreitenden Normalisierung der deutschsowjetrussischen Beziehungen führen könnte.7 4.) Es ist allerdings sehr zweifelhaft, ob gerade der augenblickliche Stand der Dinge in Europa für solche Unterhaltungen erfolgversprechend ist, da die Sowjetregierung ja in Verhandlungen mit England steht, die erkennen lassen, dass man in Moskau schon mehr oder weniger endgültig entschlossen ist, aktiv in die englische Einkreisungspolitik einzutreten.8 Aber es ist ja Sache Ihrer Regierung zu beurteilen, ob sie bei dem Stand der englisch-sowjetischen Verhandlungen noch Raum für solche Unterhaltung mit Deutschland sieht. Am Ende des Dokuments in der Handschrift von Weizsäckers: Vorwurf ersparen nicht mit der Sprache [herausgekommen zu sein]. PA AA, R 29712, Bl. 111372-111374. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 450, S. 502. 1 Die Aufzeichnung diente offensichtlich als Unterlage für das Gespräch von Weizsäckers mit Astachov, vgl. Dok. 486. 2 Das Wort ist von Weizsäcker korrigiert; ursprünglich: Besprechungen. 3 Vgl. Dok. 471, 475. 4 Georgij Aleksandrovič Astachov. 5 Aleksej Fedorovič Merekalov. 6 Der Text ist am Seitenrand angestrichen. Daneben befindet sich handschriftlich: gegenseitig in Innenpolitik keinerlei Einfluss nehmen. Dann… 7 Am Seitenrand steht das Wort: Ukraine. 8 Am Seitenrand steht das Wort: eiskalt.
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Nr. 485
27. 5. 1939
Nr. 485 Schreiben des Staatssekretärs im AA Freiherr von Weizsäcker an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 485 27. 5. 1939 27. 5. 1939 [30. Mai 1939]1 Berlin, den 27. Mai 1939 Verehrter, lieber Graf Schulenburg, Ihren Brief vom 22.2 haben wir zunächst durch das gestrige Telegramm3 beantwortet, welches Sie selbst wahrscheinlich weniger verwundern wird als Herrn Hilger, der Geburtszeuge einer ganz anderen Weisung4 war. Ich schulde Ihnen daher noch ein Wort der Erklärung. Wir sind hier der Ansicht, dass die englischrussische Kombination doch nicht einfach zu vermeiden sein wird. Immerhin mag auch heute noch ein ziemlich breiter Verhandlungs-Spielraum vorliegen, in welchem wir uns durch eine deutlichere Sprache vielleicht bremsend und störend hätten einschalten können. Die Erfolgswahrscheinlichkeit wurde freilich hier immer recht bescheiden eintaxiert, sodass man abwägen musste, ob eine sehr offene Aussprache in Moskau statt zu nützen vielleicht eher schaden und sogar vielleicht ein Tartarengelächter hervorrufen könnte. In der Abwägung dieser Gesichtspunkte hat dann auch eine Rolle gespielt, dass ein Glied in der ganzen Kette, nämlich *ein schrittweiser Ausgleich zwischen Moskau und Tokio von den Japanern doch als äußerst problematisch bezeichnet wurde. Auch Rom war recht zurückhaltend*5, sodass schließlich die Nachteile des gedachten weitgehenden Schrittes für ausschlaggebend angesehen wurden. Kurzum es soll bei der Instruktion bleiben, die wir Ihnen erteilt haben und wir wollen nun eben sehen, wie tief Moskau einerseits und Paris-London andererseits sich gegenseitig engagieren. Nachrichten und Urteile von Ihnen über die Lage sind natürlich jederzeit hier äußerst willkommen. Unsere Anfrage wegen Rückkehr des hiesigen russischen Sowjetbotschafters6, Merekaloff, hatte auch nur eine Bedeutung im Rahmen der oben besprochenen ev. Aktion am Kreml. Herzliche Grüße und beste Wünsche Heil Hitler! aufrichtig stets der Ihre Weizsäcker P. S. Berlin, den 30 Mai 1939. Meinen obigen Zeilen muss ich nachtragen, dass nun doch *unter Billigung des Führers*7 eine allerdings entschieden modifizierte Fühlungnahme mit den Russen 1 2 3 4
Die Ergänzung zu dem Schreiben wurde am 30.5.1939 verfasst. Vgl. Dok. 475. Vgl. Dok. 481. Vgl. den Entwurf eines Briefes von Ribbentrop an von der Schulenburg, in dem Hilger die Beziehungen über Mikojan neu knüpfen sollte. In: ADAP, Ser.D, Bd. VI, Dok. 446, Anm. 3, S. 497. 5 Der Text ist rot unterstrichen. 6 Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 437, Anm. 2, S. 488. 7 Der Text ist rot unterstrichen.
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30. 5. 1939 Nr. 486 stattfinden soll und zwar durch ein Gespräch, das mir für heute mit dem Russischen Geschäftsträger8 aufgetragen worden ist. Sie werden selbstverständlich amtlich auf dem Laufenden gehalten. Ich brauche daher hier nicht tiefer in die Materie einzugehen. D. O.9 Weizsäcker Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben Stempel: Eingegangen Moskau 2.6.39. Auf Kopfbogen des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts geschrieben. PA AA, Moskau 560, Bl. 178396-178397. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 446, S. 497–498.
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Nr. 486 Aufzeichnung der Unterredung des Staatssekretärs im AA Freiherr von Weizsäcker mit dem sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov Nr. 486 30. 5. 1939 30. 5. 1939 Berlin, den 30. Mai 1939 Streng geheim! St. S. Nr. 455 Der Sowjetrussische Geschäftsträger besuchte mich heute Vormittag auf meinen Wunsch.1 Ich bezeichnete als unser Gesprächsthema die sowjetrussische Bitte um weitere Duldung ihrer Handelsvertretung in Prag als Filiale der Handelsvertretung in Berlin.2 In meinen anschließenden Bemerkungen, die der Geschäftsträger durch gelegentliche Einwürfe unterbrach, hielt ich mich eng an die mir gegebene Instruktion. Zunächst sagte ich dem Geschäftsträger, das Ersuchen der Russischen Regierung habe eine prinzipielle Seite, weshalb auch der Reichsaußenminister mit ihr befasst worden sei. Herr von Ribbentrop habe seinerseits die Sache auch dem Führer vorgetragen. An dieser Stelle wurde der Geschäftsträger aufmerksam und vergewisserte sich durch eine Rückfrage bei mir, dass der Führer sich tatsächlich mit der Angelegenheit beschäftigt hat. Ich fuhr dann fort, man möchte bei uns gern wissen, ob es sich bei der Erhaltung der Handelsvertretung in Prag um einen Dauerzustand handeln solle oder nur um einen Übergang und zwar mit welcher Frist. Hierzu bemerkte der Geschäftsträger gleich, von sich aus nur soviel sagen zu können, dass für die Abwicklung im 8 9
Georgij Aleksandrovič Astachov; vgl. Dok. 490. D.O. = Das Obige; bezieht sich auf die Grußformel.
1 Die Entscheidung, das Gespräch zu führen, wurde bei einem Treffen mit von Ribbentrop am 29.5.1939 auf seinem Gut Sonnenburg bei Bad Freienwalde getroffen, an dem auch von Weizsäcker, Attolico und Gaus teilnahmen. Auf dem Treffen wurden Maßnahmen erörtert, die einen erfolgreichen Abschluss der anglo-französisch-sowjetischen Verhandlungen verhindern könnten. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Anmerkung des Herausgebers, S. 500–501. Siehe auch den im AA erstellten Vermerk für von Weizsäcker; in: ebd, Dok. 449, S. 501. 2 Vgl. Dok. 469.
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Nr. 486
30. 5. 1939
Protektorat laufenden Geschäfte noch allerhand Arbeit übrig sei, im Übrigen aber seine Regierung höchstwahrscheinlich an einen Dauerzustand gedacht habe. Ich fuhr dann auftragsgemäß fort, es sei für uns nicht leicht, unsere Einwilligung zur Erhaltung der Handelsvertretung in Prag zu geben, da wir, d.h. der Botschafter Graf Schulenburg, kürzlich von Herrn Molotow in der Frage unserer Wirtschaftsbeziehungen eine wenig ermutigende Auskunft erhalten habe.3 Der Geschäftsträger zeigte sich von dem Inhalt des Gesprächs unterrichtet und interpretierte es vorbehaltlich näherer Weisung so, dass man in Moskau eine Wiederholung des Vorgangs vom letzten Januar vermeiden wolle, d. h. man wolle nicht noch einmal die Reise eines deutschen Wirtschafts-Unterhändlers nach Moskau organisieren, um dann im letzten Augenblick unter Hohn der ausländischen Journalistik eine Absage zu erhalten.4 Tatsächlich habe Herr Molotow davon gesprochen, dass man Politik und Wirtschaft in unseren Beziehungen nicht völlig trennen könne; ein gewisses Junktim zwischen beiden bestehe doch faktisch. Anscheinend hat Potemkin in seiner Information an den hiesigen Geschäftsträger die Sache so ausgedrückt, dass man geplante Wirtschaftsbesprechungen nicht spielerisch behandeln könne. Nachdem wir noch ein Wort zur Klarstellung des erwähnten Vorgangs vom Januar ds. Js. gewechselt hatten, sagte ich dem Geschäftsträger, ich könne ihm darin Recht geben, dass Wirtschaft und Politik nicht vollkommen voneinander zu trennen seien und gerade darum führte ich mein Gespräch mit ihm, denn die uns geläufigen britischen Bestrebungen, Russland in seine Kreise zu ziehen, deuteten doch auf eine politische Orientierung Moskaus hin, welche wir in Rechnung stellen müssten, auch wenn es sich um verhältnismäßig minder wichtige Fragen handele, wie die der sowjetrussischen Handelsvertretung in Prag. Ich käme daher zurück auf meine Frage am Eingang des Gesprächs, nämlich für welche Zeit die Sowjetregierung überhaupt ihre Handelsvertretungsgeschäfte in Prag in Aussicht nähme. Der Geschäftsträger hatte aus diesem Gesprächsteil sich gemerkt, dass er in Moskau noch einmal anzufragen habe, welche Absichten tatsächlich wegen der Handelsvertretung in Prag dort bestehen und weiter, was eigentlich der Außenkommissar Molotow dem Grafen Schulenburg hat sagen wollen. Der Geschäftsträger selbst gab von sich aus jedenfalls ohne Weiteres zu verstehen, dass Herr Molotow zwar mit dem üblichen russischen Misstrauen, aber nicht in der Absicht gesprochen hat, vor weitere deutsch-russische Erörterungen einen Riegel vorzuschieben. Nachdem die Unterhaltung an diesen Punkt angelangt war, erinnerte ich den Geschäftsträger an gewisse Gespräche, die er selbst im Amt geführt hatte5 und vor allem an Äußerungen seines zur Zeit von Berlin abwesenden Botschafters, der Mitte April mir gegenüber von der Möglichkeit einer Normalisierung und noch weiteren Verbesserung der deutsch-russischen politischen Beziehungen geredet hat.6 Von hier aus ergab sich zwanglos eine Fortsetzung des Gesprächs, in welchem ich zum reinen Konversationston überging und auch Papier und Bleistift beiseite legte. 3 4 5 6
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Vgl. Dok. 471, 475. Vgl. Dok. 451. Vgl. Dok. 457, 469. Vgl. Dok. 441, 443.
30. 5. 1939 Nr. 486 Ich erinnerte dabei den Geschäftsträger an Bemerkungen seines Botschafters über die seit einigen Monaten gedämpftere Sprache in der beiderseitigen Publizistik.7 Ich erwähnte, dass meines Wissens in den offiziellen Reden der letzten Monate auf deutscher Seite das Thema Sowjetrussland in den Hintergrund getreten sei, was der Geschäftsträger bestätigte, aber als verschieden auslegbar hinstellte. Schließlich sagte ich dem Geschäftsträger, die ihm geläufige Entwicklung unserer Beziehungen zu Polen hätte ja tatsächlich unsere im Osten bisher gebundene Politik freier gemacht. Nach einigen zustimmenden Äußerungen des Geschäftsträgers sagte ich ihm, ich persönlich sähe die deutsche Haltung gegenüber Sowjetrussland folgendermaßen: Deutschland sei nicht engherzig, es sei aber auch nicht aufdringlich. In dem deutschen politischen Kaufladen gäbe es eine Ware allerdings nicht, nämlich eine Vorliebe für den Kommunismus. Mit Kommunisten hätten wir kurzen Prozess gemacht und dabei blieben wir; übrigens erwarteten wir aber auch von Moskau keine Vorliebe für den Nationalsozialismus. Hier fiel der Geschäftsträger mit Ausführungen darüber ein, wie das russische Verhältnis zu Italien und namentlich zur Türkei, aber auch zu anderen Staaten ein normales oder sogar sehr gutes sein könne, obgleich in jenen Ländern der Kommunismus keinerlei Gnade finde. Er unterstrich stark die Möglichkeit einer sehr reinlichen Scheidung zwischen innenpolitischen Maximen einerseits und außenpolitischer Einstellung andererseits. Ich blieb dann in meinem Bilde und sagte, dass in unserem politischen Laden auch für Russland eine ziemliche Auswahl bestehe, von der Normalisierung unserer Beziehungen, so wie der Russische Botschafter sie mir angedeutet habe, bis zur unnachgiebigen Gegnerschaft. Vor einer Normalisierung läge ja freilich allerhand Schutt und ich sei überzeugt, dass viele Leute diesen noch vergrößern wollten. Der Geschäftsträger werde wohl wissen, dass auch Herr Beck, der polnische Außenminister, hieran nicht ganz unbeteiligt sei. Man könne mit Herrn Beck interessante Gespräche führen, er schiene mir aber etwas alt zu werden, er litte nämlich manchmal an einer beklagenswerten Gedächtnisschwäche. So würde z. B. die Beck’sche Interpretation der deutschen Ukrainepolitik doch durch das deutsche Verhalten in Sachen der Karpato-Ukraine widerlegt. Doch wolle ich das nicht vertiefen, ich glaubte, Deutschland habe im Innern bewiesen, dass es mit dem Kommunismus fertig werde, ebensowenig habe es in der Außenpolitik Angst. Ob für eine etwaige schrittweise Normalisierung der Beziehungen zwischen Sowjetrussland und Deutschland überhaupt noch Raum sei, nachdem Moskau den Londoner Lockungen vielleicht schon Gehör geschenkt habe, wisse ich nicht. Jedenfalls aber möchte ich mir, da der Geschäftsträger und sein Botschafter im Auswärtigen Amt eine offene Sprache gesprochen hätten, den Vorwurf ersparen, als hätten wir unsererseits hinter dem Berg gehalten und verschwiegen, wie unsere Einstellung ist. Wir verlangten nichts von Moskau, wünschten nichts von Moskau, wir wollten uns aber auch von Moskau nicht später sagen lassen, wir hätten zwischen uns eine undurchdringliche Schweigemauer aufgerichtet. Der Geschäftsträger, welcher das Gespräch aufmerksam verfolgte, und durch eine Reihe hier nicht erwähnter Zwischenbemerkungen ergänzt hatte, brachte zum Schluss vor, dass die ideologische Scheidewand zwischen Moskau und Berlin ei7
Vgl. Dok. 456, 463.
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Nr. 487
30. 5. 1939
gentlich doch von uns aufgerichtet worden sei. Vor unserem Vertrag mit Polen hätten wir ein russisches Bündnisangebot zurückgewiesen und noch bis in die letzte Zeit hätte man hier wenig Verständnis für die russische These gehabt, dass Außenund Innenpolitik sich nicht zu stören brauchten. Er glaube, seine Regierung habe unbeirrt diesen Standpunkt beibehalten und sei ihm heute noch treu. Der Geschäftsträger sagte zum Schluss, er werde über unser Gespräch, dessen zweiten Teil er seinerseits als ein privates bezeichnete, nach Hause berichten und einen Bescheid von seiner Regierung erbitten, wie ihre Absichten wegen der Prager Handelsvertretung in Wirklichkeit seien, sowie ob er – der Geschäftsträger – das Molotow’sche Gespräch als ein keineswegs zurückweisendes richtig interpretiert habe. Nach dem Stande der russisch-englischen Verhandlungen habe ich den Geschäftsträger natürlich nicht gefragt; auch er brachte darüber nichts vor.8 Jedoch ist nicht zu bestreiten, dass er heute in seinen Bemerkungen über unsere politischen Beziehungen grundsätzlich dieselbe Sprache geführt hat wie bisher und wie sein Botschafter Mitte April ds. Js. Die Episode Molotow-Schulenburg scheint mir demnach mehr das Produkt von Empfindlichkeit und Misstrauen gewesen zu sein als eine planmäßige Abweisung.9 gez. Weizsäcker PA AA, R 29712 Bl. 111356-111361. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 451, S. 502–505.
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9
Nr. 487 Telegramm des Staatssekretärs im AA Freiherr von Weizsäcker an die Botschaft in Moskau Nr. 487 30. 5. 1939 30. 5. 1939 Telegramm i. Ziff. (Geh. Chiff. Verf.) Berlin, den 30. Mai 1939 [23 Uhr 10] [Ankunft: 31. Mai 5 Uhr 40] Citissime! Abschrift Diplogerma, Moskau, Nr. 102 Unter Bezugnahme auf Telegramm vom heutigen Tage Nr. 101.1 Nach Verlauf heutigen Gesprächs mit hiesigem Sowjet-Geschäftsträger2, worüber anderweitiger informatorischer Drahterlass3 unterwegs, bestehen hier keine Bedenken, wenn Hilger von sich aus und ohne sich auf einen Auftrag zu berufen, Verbindungen mit Mikojan aufnimmt. Tatsache, dass Hilger zweieinhalb Wochen in 8 9
Die Aufzeichnung Astachovs zu diesem Gespräch vgl. Dok. 490. In diesem Sinne telegrafierte Weizsäcker am gleichen Tag an den Botschafter in Moskau. In: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 452, S. 505–506. 1 2 3
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Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 452, S. 505–506. Vgl. Dok. 486. Vgl. Anm. 1.
31. 5. 1939 Nr. 488 Berlin mit zuständigen Stellen an Schaffung einer wirtschaftlichen Verhandlungsgrundlage mit Sowjet-Union mitgearbeitet hat, dürfte genügend Anlass abgeben, eine solche Unterhaltung von seiner Seite herbeizuführen. Hilger müsste sich in etwaiger Unterhaltung jedoch darauf beschränken, allgemein von seinen hiesigen Arbeiten zu sprechen, ohne dass er Antrag auf Wiederaufnahme Verhandlungen wiederholt. Andererseits kann er versuchen, mit Rücksicht auf sowjetische Empfindlichkeit wegen seinerzeitiger Rückberufung Schnurres, Zweifel an Ernsthaftigkeit unserer seinerzeitigen und jetzigen Absichten wegen Verbreiterung Wirtschaftsbeziehungen mit Sowjet-Union zu zerstreuen. Wenn dabei von Sowjetseite politische Frage aufgeworfen wird, soll Hilger lediglich darauf hinweisen, dass politische Fragen Gegenstand unmittelbarer Unterhaltung Staatssekretärs mit Sowjetgeschäftsträger gebildet haben und die politischen Stellen wohl im Begriff wären, die Situation weiter zu klären. Wenn von sowjetischer Seite in dieser Unterhaltung Bereitwilligkeit zur Wiederaufnahme Wirtschaftsverhandlungen geäußert wird, könnte Hilger zusagen, sich sofort mit Berlin in Verbindung zu setzen. Weizsäcker PA AA, R 29712, Bl. 111379-111380. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 453, S. 507.
Nr. 488 Aufzeichnung der Unterredung des Mitarbeiters der Firma „Otto Wolff“ Köpke mit dem Leiter des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre Nr. 488 31. 5. 1939 31. 5. 1939 Berlin, den 31. Mai 1939 Vertraulich! Aktenvermerk. Deutsch-russische Handelsbeziehungen. Ich hatte heute im Auswärtigen Amt eine längere Unterhaltung mit Herrn Geheimrat Schnurre über den augenblicklichen Stand der deutsch-russischen Handelsbeziehungen. Herr Schnurre wiederholte die von mir bereits kürzlich gemeldete Mitteilung, dass noch keinerlei Entscheidung getroffen sei, ob und wann er nach Moskau ginge, um dort Verhandlungen zu führen. Z. Zt. sei Herr Hilger, der inzwischen wieder nach Moskau zurückgekehrt ist, nach wie vor damit beschäftigt, die Russen vorsichtig zu sondieren. Ein abschließendes Urteil über die Möglichkeiten einer Wiederaufnahme und das Ausmaß von Verhandlungen mit den Russen ließe sich nach Lage der Dinge auch heute noch nicht geben. Jedenfalls sei – so meinte GR1 Schnurre – 1 Die Titulierung Schnurres als Geheimrat kommt in den Dokumenten der Firma „Otto Wolff“ und in den Berichten von Kleist vor.
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mehr wie je größte Zurückhaltung und Diskretion in der russischen Frage geboten. Herr Schnurre beklagte sich lebhaft über die vielen unkontrollierbaren Gerüchte über die Wiederbelebung der deutsch-russischen Beziehungen, die aus den verschiedenen Quellen ständig auch zu ihm gelangten. Er bestätigte mir, dass das auch ihm zu Ohren gekommene Gerede von einem Wechsel in der Person unseres Botschafters in Moskau selbstverständlich wie so vieles andere in das Reich der Fabel gehöre. Herr GR Schnurre wiederholte seine Zusage, dass er bei etwaigen Verhandlungen auf die Firma Wolff zurückgreifen werden und bat, dass auch unsererseits im eigensten Interesse der Firma alles geschehen möge, um der ewigen Gerüchtemacherei einen Riegel vorzuschieben. Der Herr Reichsaußenminister v. Ribbentrop hat sich mit dem von Herrn Schnurre in Aussicht genommenen Verfahren und dessen weiteren Absichten wegen Reaktivierung des deutsch-russischen Handels inzwischen nach eingehendem Vortrag durch die maßgebenden Sachbearbeiter im Auswärtigen Amt ausdrücklich einverstanden erklärt. gez. Köpke Herrn Otto Wolff, *Herrn Siedersleben*2, Herrn Gasper Auf erstem Blatt oben Paraphe von S[iederleben] 1/6. RWWA, 72-45-2, o. P., 2 Bl.
Nr. 489 Auszug aus dem Vortrag des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Molotov auf der dritten Tagung des Obersten Sowjet der UdSSR Nr. 489 31. 5. 1939 31. 5. 1939 [31.5.1939] Genossen Deputierte! Der Antrag der Deputierten, auf der Tagung des Obersten Sowjet eine Erklärung des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten zu hören, ist vollkommen verständlich. In letzter Zeit sind in der internationalen Lage ernstzunehmende Veränderungen eingetreten. Diese Veränderungen haben nach Auffassung der friedliebenden Mächte die internationale Lage bedeutend verschlechtert. Wir haben es jetzt mit den bekannten Ergebnissen der Politik der aggressiven Staaten einerseits und der Nichteinmischungspolitik der demokratischen Staaten andererseits zu tun. Die Vertreter der aggressiven Staaten sind geneigt, jetzt mit den bereits erzielten Ergebnissen der Aggressionspolitik zu prahlen. Man kann sagen was man will, aber an Prahlerei mangelt es wahrlich nicht. Die Vertreter der demokratischen Länder, die sich von der Politik der kollektiven Sicherheit abgewandt und eine Politik der Widerstandslosigkeit gegen die Aggression betrieben haben, bemühen sich, die eingetretene Verschlechterung der internationalen Lage zu ver2
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Der Name ist unterstrichen.
31. 5. 1939 Nr. 489 harmlosen. Sie befassen sich hauptsächlich immer noch damit, die öffentliche Meinung „zu beschwichtigen“, indem sie so tun, als ob in letzter Zeit nichts Wesentliches passiert wäre. Die Position der Sowjetunion hinsichtlich der Einschätzung der laufenden Ereignisse des internationalen Lebens unterscheidet sich von derjenigen einiger Länder. Man kann sie, wie jedem klar ist, auf keinen Fall eines Mitgefühls mit den Aggressoren verdächtigen. Ihr ist ebenso ein jegliches Übertünchen der tatsächlichen Verschlechterung der internationalen Lage fremd. Für uns ist klar, dass man den Versuchen, der öffentlichen Meinung die in der internationalen Lage tatsächlich eingetretenen Veränderungen zu verheimlichen, die Fakten entgegenstellen muss. Dann wird es deutlich, dass „beschwichtigende“ Reden und Artikel nur diejenigen brauchen, die eine weitere Entwicklung der Aggression nicht stören wollen in der Hoffnung, die Aggression sozusagen in eine mehr oder weniger „annehmbare“ Richtung zu lenken. Noch unlängst haben sich maßgebliche Vertreter Englands und Frankreichs bemüht, die öffentliche Meinung ihrer Länder zu beschwichtigen, indem sie die Erfolge des unglückseligen Münchener Abkommens glorifizierten. Sie sagten, dass das Septemberabkommen von München einen europäischen Krieg durch vergleichsweise gar nicht so große Zugeständnisse seitens der Tschechoslowakei verhindert habe. Viele meinten schon damals, dass die Vertreter Englands und Frankreichs in München in ihren Zugeständnissen auf Kosten der Tschechoslowakei weitergegangen seien, als ihnen zustand. Das Münchener Abkommen war sozusagen der Kulminationspunkt der Nichteinmischungspolitik. Aber zu welchen Ergebnissen hat diese Politik geführt? Hat das Münchener Abkommen etwa die Aggression aufgehalten? Keineswegs. Im Gegenteil, Deutschland begnügte sich nicht mit den in München erzielten Zugeständnissen, d.h. mit dem Gewinn des von Deutschen besiedelten Sudetengebietes. Deutschland ging noch weiter, indem es einfach so einen der größten slawischen Staaten, die Tschechoslowakei, liquidierte. Seit September 1938, als die Münchener Konferenz stattfand, war nur wenig Zeit vergangen und bereits im März 1939 liquidierte Deutschland die Existenz der Tschechoslowakei. Deutschland gelang dies ohne eine Gegenwehr von irgendeiner Seite so reibungslos, dass die Frage aufkommt, worin eigentlich das tatsächliche Ziel der Konferenz in München bestand? Jedenfalls hat die Liquidierung der Tschechoslowakei entgegen dem Münchener Abkommen der ganzen Welt gezeigt, wohin die Nichteinmischungspolitik führte, die in München, so kann man sagen, ihren Höhepunkt erreicht hat. Das Scheitern dieser Politik wurde offenkundig. Unterdessen haben die Aggressorstaaten an ihrer Politik festgehalten. Deutschland entriss der Republik Litauen Memel und das Memeler Gebiet.1 Bekanntlich blieb auch Italien nichts schuldig. Im April machte Italien Schluss mit einem unabhängigen Staat, mit Albanien. Danach ist es überhaupt nicht verwunderlich, dass Ende April das deutsche Staatsoberhaupt in einer einzigen Rede zwei wichtige internationale Verträge annullierte: das Flottenabkommen Deutschlands mit England und den Nichtangriffspakt Deutschlands mit Polen.2 Diesen Verträgen kam seinerzeit große internationale 1 2
Vgl. Dok. 433, Anm. 4. Am 28. April 1939. Vgl. Dok. 462, Anm. 2.
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Bedeutung zu. Deutschland sagte sich jedoch von diesen Verträgen einfach los, ohne Rücksicht auf irgendwelche Formalien zu nehmen. Dies war die Antwort Deutschlands auf den vom Geiste der Friedensliebe durchdrungenen Vorschlag des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika Roosevelt.3 Doch es blieb nicht bei der Annullierung von zwei internationalen Verträgen. Deutschland und Italien gingen weiter. In diesen Tagen wurde der zwischen ihnen abgeschlossene militär-politische Vertrag veröffentlicht.4 Dieser Vertrag ist seinem Wesen nach ein Angriffsvertrag. Laut diesem Vertrag müssen sich Deutschland und Italien bei jeglichen Kriegshandlungen, die von einem dieser Länder begonnen werden, einschließlich einer beliebigen Aggression und eines beliebigen Angriffskrieges, gegenseitig unterstützen. Noch kürzlich wurde die Annäherung zwischen Deutschland und Italien mit dem angeblichen Erfordernis des gemeinsamen Kampfes gegen den Kommunismus bemäntelt. Zu diesem Zwecke wurde nicht wenig über den sogenannten „Antikomintern-Pakt“ gelärmt. Der Rummel um den Antikomintern-Pakt spielte seinerzeit eine gewisse Rolle, um die Aufmerksamkeit abzulenken. Jetzt halten es die Aggressoren schon nicht mehr für nötig, sich hinter einem Schirm zu verstecken. In dem militär-politischen Vertrag zwischen Deutschland und Italien fällt kein Wort mehr über die Bekämpfung des Kommunismus. Dafür sprechen die Staatsmänner und die Presse Deutschlands und Italiens gezielt darüber, dass dieser Vertrag geradewegs gegen die wichtigsten europäischen demokratischen Staaten gerichtet ist. Es ist wohl klar, dass die angeführten Fakten von der ernsten Verschlechterung der internationalen Lage zeugen. Im Zusammenhang damit sind in der Politik der nichtaggressiven Staaten Europas ebenfalls einige Veränderungen in der Richtung zu verzeichnen, der Aggression Widerstand zu leisten. Wir werden noch sehen, inwieweit diese Veränderungen seriös sind. Zurzeit kann man noch nicht sagen, ob diese Länder ernsthaft gewillt sind, sich von der Politik der Nichteinmischung, von der Politik der Widerstandslosigkeit gegen die weitere Entfaltung der Aggression loszusagen. Könnte es nicht sein, dass das vorhandene Bestreben dieser Staaten, die Aggression in einigen Regionen einzudämmen, kein Hinderungsgrund sein wird, in anderen Regionen die Aggression zu entfesseln? Solche Fragen werden auch in einigen Blättern der bürgerlichen Presse im Ausland erörtert. Deshalb müssen wir wachsam sein. Wir stehen für die Sache des Friedens und für die Verhinderung einer Ausbreitung der Aggression. Aber wir müssen an die These des Gen. Stalin erinnern: „Vorsicht walten zu lassen und den Kriegsprovokateuren, die es gewohnt sind, sich von fremden Händen die Kastanien aus dem Feuer holen zu lassen, nicht die Möglichkeit zu geben, unser Land in Konflikte zu verwickeln.“5 Nur so werden wir in der Lage sein, konsequent für die Interessen unseres Landes und für die Interessen des allgemeinen Friedens einzutreten. Es gibt jedoch einige Anzeichen, dass man in den demokratischen Ländern immer mehr zu der Erkenntnis kommt, dass die Politik der Nichteinmischung gescheitert ist, dass man die Notwendigkeit einsieht, ernsthafter nach Maßnahmen 3 4 5
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Am 14. April 1939. Vgl. Dok. 444, Anm. 11. Vgl. Dok. 478, Anm. 2. Vgl. Dok. 424.
31. 5. 1939 Nr. 489 und Wegen zu suchen, um eine Einheitsfront der friedliebenden Mächte gegen die Aggression zu bilden. In einem Land wie England begann man lautstark Reden zu halten, dass eine jähe Wende der Außenpolitik notwendig sei. Wir verstehen selbstverständlich den Unterschied zwischen wortreichen Erklärungen und der realen Politik. Man muss aber dennoch bemerken, dass diese Reden nicht zufälliger Natur sind. Dazu einige Fakten. Zwischen England und Polen gab es keinen Beistandspakt. Jetzt ist die Entscheidung für einen solchen Pakt getroffen worden.6 Die Bedeutung dieses Abkommens wird noch dadurch verstärkt, dass Deutschland den Nichtangriffspakt mit Polen zerrissen hat. Man muss anerkennen, dass der Beistandspakt zwischen England und Polen zu einer Veränderung der europäischen Lage beiträgt. Und weiter. Zwischen England und der Türkei gab es keinen Beistandspakt, in letzter Zeit wurde jedoch das bekannte Beistandsabkommen zwischen England und der Türkei abgeschlossen.7 Und auch diese Tatsache trägt zur Veränderung der internationalen Lage bei. Im Zusammenhang mit diesen neuen Fakten ist als eines der charakteristischen Wesenszüge der letzten Zeit das Bestreben der nichtaggressiven europäischen Mächte festzustellen, die UdSSR in die Zusammenarbeit zur Abwehr der Aggression einzubinden. Natürlich verdient dieses Bestreben Aufmerksamkeit. Davon ausgehend nahm die sowjetische Regierung den Verhandlungsvorschlag Englands und Frankreichs an, deren Ziel darin besteht, die politischen Beziehungen zwischen der UdSSR, England und Frankreich zu festigen und eine Friedensfront gegen die weitere Ausbreitung der Aggression auf den Weg zu bringen. Wie definieren wir unsere Aufgaben in der aktuellen internationalen Lage? Wir sind der Auffassung, dass sie auf der Linie der Interessen der anderen nichtaggressiven Länder liegen. Sie bestehen darin, ein weiteres Ausgreifen der Aggression zu stoppen und zu diesem Zwecke eine zuverlässige und wirksame Verteidigungsfront der nichtaggressiven Staaten zu bilden. Im Zusammenhang mit den uns von der englischen und der französischen Regierung unterbreiteten Vorschlägen8 nahm die sowjetische Regierung mit ihnen Verhandlungen über die erforderlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Aggression auf. Das geschah bereits Mitte April dieses Jahres. Die damals begonnenen Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen. Jedoch konnte man bereits seinerzeit sehen, dass, falls man tatsächlich eine handlungsfähige Front der friedliebenden Länder gegen die Offensive der Aggressoren errichten will, dafür als Minimum fol6 So im Text. In dem veröffentlichten Kommuniqué zu den Ergebnissen der Verhandlungen Becks in London vom 4. bis 6.4.1939 wurde von der Bereitschaft beider Seiten gesprochen, „zu einem Abkommen gegenseitigen Charakters mit dem Ziel zu gelangen, die bestehende befristete und einseitige [englische] Garantie“ für Polen durch ein ständiges Abkommen zu ersetzen. Vgl. Documents on British Foreign Policy, 1919–1939, 3. Ser., Bd. V, London 1952, Dok. 16, S. 47–49, hier S. 47. Der englisch-polnische Beistandsvertrag wurde am 25.8.1939 abgeschlossen. 7 Am 12.5.1939 wurde die gemeinsame englisch-türkische Erklärung veröffentlicht, in der es insbesondere hieß, dass beide Seiten beabsichtigen, ein langfristiges Abkommen „im Interesse ihrer nationalen Sicherheit“ abzuschließen. Vor dem Abschluss dieses Abkommens hatten die Regierungen Englands und der Türkei ihre Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, für den Fall „effektiv zusammenzuarbeiten und sich gegenseitig Hilfe und Unterstützung zu leisten“, falls ein Aggressionsakt zu einem Krieg im Mittelmeerraum führen sollte. Vgl. Documents on British Foreign Policy 1919–1939, 3. Ser., Bd. V, London 1952, Dok. 451, S. 496– 497. 8 Vom 14. und 15.4.1939. Vgl. God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 269, 271.
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gende Voraussetzungen erforderlich sind: der Abschluss eines wirksamen Beistandspaktes mit ausschließlichem Verteidigungscharakter zwischen England, Frankreich und der UdSSR; die Garantieverpflichtung Englands, Frankreichs und der UdSSR für die Staaten Mittel- und Osteuropas, die ausnahmslos alle an die UdSSR angrenzenden europäischen Staaten einschließt, für den Fall eines Angriffs der Aggressoren; der Abschluss eines konkreten Abkommens zwischen England, Frankreich und der UdSSR über Formen und Ausmaße einer unverzüglichen und wirksamen Hilfeleistung, die sie sich gegenseitig und den in die Garantie einbezogenen Staaten bei einem Überfall durch die Aggressoren gewähren.9 Dies ist unsere Auffassung, die wir niemandem aufzwingen, für die wir jedoch einstehen. Wir fordern nicht, unseren Standpunkt zu beziehen, und wir bitten auch niemanden darum. Wir sind jedoch der Auffassung, dass dieser Standpunkt den Sicherheitsinteressen der friedliebenden Staaten tatsächlich entspricht. Dies wäre ein Abkommen ausschließlich defensiven Charakters, das sich gegen einen Überfall durch die Aggressoren richtet und sich grundsätzlich von dem Kriegs- und Angriffsbündnis unterscheidet, welches kürzlich Deutschland und Italien abgeschlossen haben. Selbstverständlich bildet das Prinzip der Gegenseitigkeit und gleicher Verpflichtungen die Grundlage eines solchen Abkommens. Es ist anzumerken, dass dieses grundsätzliche Element in einigen englischfranzösischen Vorschlägen keine wohlwollende Aufnahme gefunden hat. Nachdem sie sich durch Pakte über gegenseitigen Beistand untereinander und mit Polen Garantien gegen einen direkten Überfall der Aggressoren gegeben hatten und dabei waren, sich die Unterstützung der UdSSR bei einem Überfall der Aggressoren auf Polen und Rumänien zu sichern, ließen die Engländer und Franzosen die Frage offen, ob die UdSSR ihrerseits auf die Unterstützung von ihrer Seite bei einem direkten Überfall durch die Aggressoren rechnen kann, wie sie auch eine andere Frage offenließen, ob sie sich auch an einer Garantie der an die UdSSR angrenzenden kleinen Staaten unter Abdeckung der nordwestlichen Grenze der UdSSR beteiligen, falls diese nicht in der Lage sein sollten, ihre Neutralität vor dem Angriff der Aggressoren zu verteidigen. Somit hat sich für die UdSSR eine ungleiche Lage ergeben.10 In den letzten Tagen trafen neue englisch-französische Vorschläge ein.11 In diesen Vorschlägen wird für den Fall eines direkten Überfalls der Aggressoren bereits das Prinzip der gegenseitigen Hilfeleistung zwischen England, Frankreich und der UdSSR auf der Grundlage der Gegenseitigkeit anerkannt. Das ist natürlich ein Schritt nach vorn. Dennoch ist anzumerken, dass dieser Schritt mit allerlei Vorbehalten versehen ist, bis hin zu Vorbehalten hinsichtlich einiger Punkte der Völkerbundsatzung, sodass sich dieser Schritt nach vorn als ein fiktiver herausstellen kann. Was die Frage der Garantie für die Länder Mittel- und Osteuropas betrifft, so zeigen die erwähnten Vorschläge, wenn man sie unter dem Aspekt der Gegenseitigkeit betrachtet, keinen Fortschritt. Sie sehen die Unterstützung für die UdSSR im Kontext jener fünf Staaten vor, denen die Engländer und Franzosen bereits das Garantieversprechen gegeben haben12, aber sie sagen nichts über ihre Hilfe für die 9 10 11 12
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Am 17. April 1939. Vgl. DVP, Bd. XXII, Dok. 229, S. 283–284. Vgl. Dok. 462. Am 27. Mai 1939. Vgl. God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 380, S. 512–513. Belgien, Griechenland, Polen, Rumänien, Türkei.
31. 5. 1939 Nr. 489 drei Länder13 an der Nordwestgrenze der UdSSR, die nicht in der Lage sein könnten, ihre Neutralität bei einem Überfall der Aggressoren zu verteidigen. Die Sowjetunion kann aber nicht für die angeführten fünf Länder Verpflichtungen eingehen, ohne die Garantie für die drei Länder zu bekommen, die an ihrer Nordwestgrenze gelegen sind. So stehen die Dinge um die Verhandlungen mit England und Frankreich.14 Wenn wir Verhandlungen mit England und Frankreich führen, so halten wir es durchaus nicht für erforderlich, auf Geschäftsbeziehungen mit solchen Ländern wie Deutschland und Italien zu verzichten. Auf Initiative der deutschen Regierung wurden bereits Anfang des vergangenen Jahres Verhandlungen zu einem Handelsabkommen und zu neuen Krediten aufgenommen. Damals unterbreitete Deutschland uns den Vorschlag, uns einen neuen Kredit in Höhe von 200 Millionen Mark zu gewähren.15 Da wir uns seinerzeit nicht über die Konditionen dieses neuen Wirtschaftsabkommens einigen konnten, hatte sich diese Frage erledigt.16 Ende 1938 griff die deutsche Regierung erneut die Frage bezüglich von Wirtschaftsverhandlungen und der Gewährung eines Kredits in Höhe von 200 Millionen Mark auf.17 Dabei brachte die deutsche Seite ihre Bereitschaft zu einigen Zugeständnissen zum Ausdruck. Anfang 1939 wurde das Narkomvneštorg darüber in Kenntnis gesetzt, dass für die Verhandlungen der deutsche Sonderbeauftragte Herr Schnurre nach Moskau reisen werde.18 Doch dann wurde anstelle von Herrn Schnurre der deutsche Botschafter in Moskau Herr Schulenburg mit diesen Verhandlungen beauftragt, die wegen Meinungsverschiedenheiten abgebrochen wurden. 19 Einigen Anzeichen nach zu urteilen, ist es nicht ausgeschlossen, dass die Verhandlungen wieder aufgenommen werden könnten.20 Ich kann dem noch hinzufügen, dass mit Italien unlängst ein für beide Seiten vorteilhaftes Handelsabkommen für 1939 abgeschlossen worden ist.21 Bekanntlich wurde im Februar d. J. eine spezielle Mitteilung veröffentlicht, die die Entwicklung gutnachbarschaftlicher Beziehungen zwischen der UdSSR und Polen bekräftigte.22 In unseren bilateralen Beziehungen mit Polen können wir eine gewisse allgemeine Verbesserung konstatieren. Andererseits kann das im März abgeschlossene Handelsabkommen23 den Außenhandelsumsatz zwischen der UdSSR und Polen bedeutend erhöhen. […] 13 14
Lettland, Finnland, Estland. Bei der Auswertung der Rede Molotovs kam von der Schulenburg zu dem Schluss, „dass Sowjetunion auch weiterhin trotz starken Misstrauens bereit ist, Vertrag mit England und Frankreich abzuschließen, jedoch unter Voraussetzung, dass ihre sämtlichen Forderungen angenommen werden“. In: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 463, S. 519–520, hier S. 520. 15 Vgl. Dok. 204. 16 Vgl. Dok. 261. 17 Vgl. Dok. 381. 18 Vgl. Dok. 401. 19 Vgl. Dok. 427. 20 Vgl. Dok. 461. 21 Am 7. Februar 1939. Vgl. DVP, Bd. XXII, Dok. 76, S. 104–114. 22 Eine Information über die erwähnte Meldung konnte in der zentralen Presse vom Februar 1939 nicht ermittelt werden 23 So im Text. Der sowjetisch-polnische Handelsvertrag war am 19.2.1939 unterzeichnet worden. Vgl. „Sovetsko-pol’skij torgovyj dogovor“ (Der sowjetisch-polnische Handelsvertrag). In: Izvestija vom 20. Februar 1939, S. 3.
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Nr. 490
2. 6. 1939
Die UdSSR ist heute nicht die, die sie 1921 war, als sie eben erst ihre friedliche und schöpferische Tätigkeit aufgenommen hatte. Daran ist zu erinnern, weil nach wie vor sogar einige unserer Nachbarn dies offenbar nicht verstehen können. Man muss ebenfalls zur Kenntnis nehmen, dass die UdSSR auch nicht mehr die ist, die sie vor nur 5 bis 10 Jahren gewesen ist, dass die UdSSR erstarkt ist. Die Außenpolitik der Sowjetunion muss die Veränderungen in der internationalen Lage und die gewachsene Rolle der UdSSR als mächtiger Friedensfaktor widerspiegeln. Es erübrigt sich der Beweis, dass die Außenpolitik der Sowjetunion von Grund auf friedliebend ist und sich gegen die Aggression richtet. Die aggressiven Staaten wissen dies selbst am besten. Einige demokratische Länder gelangen mit großer Verspätung und mit Schwankungen zu dieser einfachen Wahrheit. Indes gebührt der Sowjetunion in der Einheitsfront der friedliebenden Staaten, die der Aggression tatsächlich Widerstand leisten, ein Platz in der vordersten Reihe. Izvestija vom 1. Juni 1939, S. 1.
Nr. 490 Aufzeichnung der Unterredung des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov mit dem Staatssekretär im AA Freiherrn von Weizsäcker Nr. 490 2. 6. 1939 2. 6. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 2 Nr. 134/s1 Berlin, 2.VI.39 GESPRÄCH MIT WEIZSÄCKER Weizsäcker (Staatssekretär im Auswärtigen Amt, im Prinzip der *erste*2 Stellvertreter Ribbentrops) lud mich am *30. Mai*3 zu 11.30 Uhr zu sich ins Ausamt ein.4 Er begann mit der *Frage nach der Eröffnung einer Filiale der Handelsvertretung in Prag*5 (anstelle der Handelsvertretung in der Tschechoslowakei6). „Diese Frage“, so begann er, *„stößt auf einige grundsätzliche Überlegungen*7. Bevor die deutsche Regierung dazu das Einverständnis erteilt, möchte sie wissen, *ob das Aufwerfen der Frage nach Eröffnung einer Filiale der Handelsvertretung bedeutet, dass die sowjetische Regierung beabsichtigt, die Wirtschaftsbeziehungen in Prag auszubauen*8. Über dieses Thema hat auch Ribbentrop im Gespräch mit dem Führer gesprochen. Wie Sie sich erinnern, hat Merekalov, als er in Ihrer Anwesenheit 1 2 3 4 5 6 7 8
Die Ausgangsnummer ist mit Bleistift geschrieben. Das Wort ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Das Datum ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Vgl. Dok. 486, Anm. 1. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Vgl. DVP, Bd. XXII, Dok. 318, S. 381. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen; außerdem ist der gesamte Satz am linken Seitenrand zweimal angestrichen.
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2. 6. 1939 Nr. 490 mit mir über die Aufträge bei Škoda9 gesprochen hat, ebenfalls unterstrichen, dass von dieser Frage auch die weitere Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen abhängt. Die Reichsregierung hat dies berücksichtigt, als sie die Frage der Verträge mit Škoda im positiven Sinne entschieden hat. Jetzt möchte die Regierung natürlich wissen, *ob die sowjetische Regierung tatsächlich beabsichtigt, diese Beziehungen zu erweitern*10.“ Ich bemerkte dazu, dass wir zurzeit reichlich Geschäftsbeziehungen in Tschechien hätten (nicht nur mit Škoda), die es rechtfertigen, dort eine Filiale der Handelsvertretung zu unterhalten. (Ich erinnerte bei dieser Gelegenheit an die Abnahmebeauftragten, die in Moskau auf die Visa warten, worauf Weizsäcker zusicherte, alles Erforderliche in die Wege zu leiten.) Die sowjetische Regierung beabsichtige nicht, Geld für den Unterhalt einer Filiale auszugeben, die nichts zu tun habe. Wirtschaftliche Operationen in Tschechien gebe es für die nächste Zeit zur Genüge, was jedoch die Zukunft anbelange, so werde dies, wie ich persönlich annähme, von den Konditionen der Firmen abhängen. Wenn sich die deutsche Regierung im Übrigen für die (Zeitdauer) *interessiere, wie lange wir die Filiale der Handelsvertretung benötigen würden, sowie für unsere weiteren Absichten, so könne ich bei der Zentrale nachfragen, weil mir selbst dazu nichts bekannt sei*11. Weizsäcker gab mir keine Gelegenheit, diese Argumente darzulegen (und auch nicht die, die ich noch auf Lager hatte), und gab mir zu verstehen, dass die Frage der Filiale der Handelsvertretung in Prag an sich nicht wichtig sei, sondern als Aufhänger für weitere Gespräche. Sodann fuhr er fort: *„All das müssen wir wissen, weil, wie Ihnen sicher bekannt ist, *eine Unklarheit auch bezüglich der Reise Schnurres*12 nach Moskau aufgekommen ist. Herr **Molotov hatte Schulenburg erklärt, dass die Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen ohne eine Verbesserung der politischen Beziehungen unmöglich sei13.*14 Dies widerspricht zweifellos dem, was wir von Herrn Merekalov gehört haben**15, der den Standpunkt vertrat, dass sich die Wirtschaftsbeziehungen aus sich selbst heraus entwickeln könnten, unabhängig von der Politik. Dies hatte uns Herr Merekalov nicht nur einmal erklärt, und davon ausgehend stimmten wir Verhandlungen zu.16 Indes *hören wir jetzt das Gegenteil, und nun ergibt sich*17, dass sich die sowjetische Regierung generell negativ sowohl zur Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen als auch zur Reise Schnurres verhält.“ Ich antwortete, dass mir der Inhalt des Gesprächs Schulenburgs mit Gen. Molotov nur zum Teil bekannt sei und ich mich deshalb nicht für eine exakte Interpretation der Erklärung des Volkskommissars verbürgen könne. Ich hätte *keine Veranlassung zu bestätigen, dass Molotov sowohl der Reise Schnurres als auch Handelsverhandlungen ausnahmslos negativ gegenüberstehe. **Ich sei bereit, bei 9 10 11 12 13 14
Vgl. Dok. 442, 443. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen und am linken Seitenrand angestrichen. Der Text ist am linken Seitenrand zweimal mit rotem Farbstift angestrichen. Der Text ab der Stelle „eine Unklarheit...“ ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Vgl. Dok. 471. Der Text ab Anfang des Absatzes ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. 15 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. 16 Vgl. Dok. 391. 17 Der Text ist mit rotem Farbstift angestrichen.
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2. 6. 1939
der Zentrale nachzufragen und dann eine exakte Auskunft zu geben“*18.**19 Doch ich müsse anmerken, dass auch Merekalov im Gespräch mit Weizsäcker oft die Formulierung „die Wirtschaft ist kondensierte Politik“ gebraucht und damit die Verbindung zwischen Politik und Wirtschaft hergestellt habe. Ich hatte während des Frühstücks, das Merekalov für Schulenburg gegeben habe20, Schulenburg selbst gefragt, ob er nicht meine, dass die Aufnahme von Verhandlungen an die Verbesserung der politischen Beziehungen geknüpft seien, worauf ich von Schulenburg sinngemäß die Antwort bekommen hätte, dass er eine Verbesserung der politischen Beziehungen im Gefolge dieser Verhandlungen für möglich halte. Schließlich habe die deutsche Regierung selbst ein Junktim (eine Verbindung) zwischen den Wirtschaftsverhandlungen und der internationalen Lage hergestellt, als sie die ursprüngliche Absicht aufgegeben habe, Schnurre nach Moskau zu entsenden, wobei diese Absage keineswegs auf wirtschaftliche, sondern vollständig auf politische Motive zurückgegangen sei (die Kampagne der englisch-französischen Presse).21 Ich betonte, dass wir der beabsichtigten ersten Reise Schnurres keine politische Bedeutung beigemessen hätten, jedoch sei die Absage der Reise durch die deutsche Regierung zweifellos ein politischer Akt gewesen, und dies hätte bei uns den entsprechenden Eindruck hinterlassen. **W[eizsäcker] verbarg nicht, dass er auf diese letzte Schlussfolgerung nicht vorbereitet war, und beschränkte sich darauf, erneut auf die Erklärung des Gen. Merekalov zu verweisen. Danach sagte er, dass es *zwecks völliger Klärung des sowjetischen Standpunktes wünschenswert wäre, wenn ich von Moskau eine exakte Interpretation der Erklärung Molotovs gegenüber Schulenburg anfordern würde, um sie der deutschen Regierung mitzuteilen*22. Ich versprach dies zu tun, nachdem ich wiederholt hatte, dass alles, was ich gesagt hätte, lediglich vorbehaltlichen und mutmaßlichen Charakters wäre, da ich keine exakte Informationen zum Inhalt des Gesprächs in Moskau besäße.**23 Nachdem er den Bleistift, mit dem er sich Notizen auf seinem Notizblock gemacht hatte, beiseitegelegt und gesagt hatte, dass ab jetzt das Gespräch zum inoffiziellen Teil übergehe, legte W. in höchst verworrener und vorbehaltlicher Form unter ständiger Wiederholung von „meiner persönlichen Meinung nach“ seine *Überlegungen zu den sowjetisch-deutschen Beziehungen dar*24. Diesen Teil des Gesprächs exakt wiederzugeben ist angesichts der äußerst vorsichtigen Form der vorgetragenen Gedanken nicht möglich. In der Hauptsache lief es auf Folgendes hinaus: Bis in die letzte Zeit hinein seien die Beziehungen zwischen der UdSSR und Deutschland weder eng (**engherzig** 25 ) 26 noch aufdringlich (**aufträg18 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen und am linken Seitenrand zweimal mit Bleistift angestrichen. 19 Der Text ab „Ich sei bereit...“ ist mit Bleistift unterstrichen. 20 Vgl. Dok. 402. 21 Vgl. Dok. 406 sowie Dok. 451. 22 Der Text ist unterstrichen und am linken Seitenrand mit Bleistift angestrichen, ab der Stelle „eine exakte Interpretation...“ ist der Text mit rotem Farbstift angestrichen. 23 Der Absatz ist unterstrichen, am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen und mit der Ziffer 2 versehen. 24 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. 25 Das Wort ist auf Deutsch mit Tinte geschrieben. 26 So im Dokument. Als Astachov am Abend des 30. 5. 1939 telegrafisch über dieses Gespräch berichtete, gebrauchte er das Wort „herzlich“. Vgl. DVP, Bd. XXII, Dok. 342, S. 405– 406, hier S. 406.
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2. 6. 1939 Nr. 490 lich**27)28 gewesen. Doch in *letzter Zeit hätten sich einige Veränderungen bemerkbar gemacht. Der Ton der deutschen Presse gegenüber der UdSSR sei bereits nicht mehr derselbe wie früher. Die Polen*29, denen gegenüber die deutsche Regierung den Pakt annulliert habe30, weil sie diesen Pakt verletzt hätten, wie der Führer erläutert habe, *versuchten den Eindruck zu erwecken, dass Deutschland irgendwelche Aspirationen gegenüber der Ukraine hätte*31. Beck habe ein bedauerlich schwaches Gedächtnis. Doch die deutsche Regierung habe auf diese Versuche eine erschöpfende Antwort gegeben, indem sie die Karpato-Ukraine liquidierte. 32 Schließlich dürfte es unserer Aufmerksamkeit nicht entgangen sein, dass der *Führer in der letzten Rede keine uns beleidigenden Formulierungen gebraucht habe. Diese Momente böten die Möglichkeit für eine weitere Normalisierung der Beziehungen, und es hänge von der sowjetischen Regierung ab,*33 die Wahl zu treffen. „In unserem Laden (Weizsäcker benutzte den früher von Hitler angestellten Vergleich) gibt es viele Waren. Eine Ware jedoch können wir Ihnen nicht anbieten – *wir können nicht versprechen, dass wir mit dem Kommunismus sympathisieren werden. Aber von Ihnen erwarten wir auch keine Sympathie gegenüber dem Nationalsozialismus*34, somit haben wir in dieser Hinsicht völlige Gegenseitigkeit.“ Doch außer dieser Ware gebe es eine Reihe anderer Waren – die Entwicklung des Handels, die weitere Normalisierung der Beziehungen usw. und es liege an der UdSSR, die Wahl zu treffen. W. wolle nicht speziell auf unsere Verhandlungen mit England und die Beteiligung der UdSSR an der Politik der „Einkreisung“ Deutschlands eingehen, jedoch müsse er bemerken, *falls die UdSSR auf der Seite der Gegner Deutschlands sein wolle, so sei die deutsche Regierung auch darauf vorbereitet. Sie sei auch darauf vorbereitet, Gegner zu sein*35 (**auch zur Gegnerschaft bereit**36). Zu diesen Darlegungen von W. machte ich einige Bemerkungen unter dem Vorbehalt, dass auch diese gänzlich nichtoffiziellen Charakters seien. Ich wies darauf hin, dass die von ihm angeführten Anzeichen für eine Veränderung im besten Fall lediglich von einer Reduzierung der negativen Momente zeugten, jedoch nichts Positives beinhalteten. Die Römische Formel „laut durch Schweigen zu erklären“37 sei für die heutige Zeit veraltet, in der selbst feierliche und laute Erklärungen nicht im-
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Das Wort ist auf Deutsch mit Tinte geschrieben. So im Dokument, gemeint ist aufdringlich. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Am 28. April 1939. Zum Text des Memorandums über die Annullierung des deutschpolnischen Abkommens vom 26.1.1934 vgl. „Polens flagranter Verstoß gegen die Erklärung von 1934“. In: Völkischer Beobachter vom 29. April 1939, S. 10. 31 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. 32 Am 12. 03. 1939 erteilte Hitler den ungarischen Truppen die Erlaubnis, die KarpatoUkraine zu okkupieren. 33 Der Text ist unterstrichen und am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen und mit der Ziffer 3 versehen. 34 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. 35 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. 36 Der Text ist auf Deutsch mit Tinte geschrieben. 37 Ein ungenaues Zitat aus der Rede von Marcus Tullius Cicero gegen Lucius Sergius Catilina im Senat im November 63 v. Chr. Es lautet: cum tacent, clamant – indem sie schweigen, schreien sie.
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mer überzeugend seien. Hitler habe in der letzten Rede38 nichts über uns gesagt, aber vor etwas über einem Jahr betont, dass die Sowjetunion das einzige Land sei, mit dem er keine Verbesserung der Beziehungen wolle. Wir hätten niemals die Ansicht vertreten, dass ideologische Divergenzen unweigerlich eine Verschlechterung der staatlichen Beziehungen nach sich ziehen müssten, und hätten die Möglichkeit, unsere Beziehungen zu Deutschland auf dem früheren Niveau zu bewahren, auch nach Errichtung des jetzigen Regimes eingeräumt. Wir hätten seit mehr als 10 Jahren gute Beziehungen zum faschistischen Italien. Wir seien immer bereit gewesen, die Beziehungen zu verbessern, jedoch habe man in letzter Zeit aufgehört darüber zu sprechen, weil dies offenbar aussichtslos gewesen wäre. In der Zeit nach München habe die deutsche Regierung den Weg der Verschlechterung der Beziehungen zu uns beschritten, indem sie damit begonnen habe, Gerüchte über einen Feldzug gegen die Ukraine, über eine Expansion im Osten usw. zu lancieren. Darüber sei in den deutschen Zeitungen geschrieben worden, dies hätten viele Politiker erklärt. Danach seien Komplikationen mit England und Frankreich eingetreten, und diese Taktik habe sich verändert. Ich wolle ebenfalls nicht auf unsere Verhandlungen mit England eingehen, da ich nicht über sie im Bilde sei39, doch wolle ich bloß daran erinnern, dass noch vor dem Abschluss der Pakte mit Frankreich und der Tschechoslowakei die sowjetische *Regierung *unter anderem*40 Deutschland und Polen einen Beistandspakt vorgeschlagen habe41 („Das wusste ich nicht“, sagte Weizsäcker und hielt sofort inne.)*42 Insgesamt hinge nach meinem Dafürhalten die Wahl nicht von uns, sondern von Deutschland ab. W., der meine Ausführungen nicht zurückwies und sogar anscheinend mit vielem einverstanden war, bemerkte im Übrigen, dass einer der Faktoren, die eine Veränderung der Beziehungen ermöglichten, in der Beseitigung der kommunistischen Gefahr in Deutschland liege, weil dies der Regierung eine große Handlungsfreiheit in der Außenpolitik verschaffe. Im weiteren Gesprächsverlauf habe ich übrigens W. darauf aufmerksam gemacht, dass in Berlin in letzter Zeit viele der unsinnigsten Gerüchte über unser Beziehungen mit Deutschland kursieren würden. Die Haltlosigkeit dieser Gerüchte sei offensichtlich (Militärbündnis, Syrový, Vermittlung), doch allein die Tatsache, dass sie gerade in Berlin auftauchen, veranlasse uns, über die Primärquelle dieser Gerüchte und über die Ziele nachzudenken, von denen sich die Leute, die so etwas ausdenken, leiten ließen. Auf die Bitte von W., die Wünsche nach Moskau zu übermitteln, bemerkte ich, dass ich beabsichtigte, die ersten beiden Fragen zu übermitteln, die W. berührt habe, den letzten Gesprächsteil zu formulieren sei etwas schwierig, da W. auf dessen inoffiziellen Charakter verwiesen hätte. *Darauf bemerkte W. eilig, dass *natürlich alles übermittelt werden müsse, da er nicht darüber gesprochen hätte, 38 Gemeint ist die Rede Hitlers im Reichstag am 28.4.1939. Vgl. Domarus: Hitler. Reden und Proklamationen, Bd. II/1, S. 1148–1179. 39 Astachov und Merekalov hatten mehrfach die ungenügende Information der Bevollmächtigten Vertretung in Deutschland zur internationalen Lage durch das NKID zur Sprache gebracht. Vgl. AVP RF, f. 011, op. 2, p. 12, d. 43, l. 9; ebd., f. 011, op. 4, p. 27, d. 61, l. 8–6. 40 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. 41 Gemeint ist der Entwurf eines Ostpaktes, der einen Punkt über gegenseitige Hilfeleistung enthielt, den Litvinov als Kern des gesamten Vorhabens betrachtete. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 1, Dok. 468, S. 1245. 42 Der Satz ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen.
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2. 6. 1939 Nr. 491 wenn er nicht damit hätte rechnen können, dass das, was er gesagt habe, nicht auch der sowjetischen Regierung zur Kenntnis gebracht werden würde43.*44 Damit endete das fast einstündige Gespräch.45 Geschäftsträger der UdSSR in Deutschland Astachov Vermerk V.P. Potemkins mit rotem Farbstift: Ar[chiv]. Gen. Astachov am 8/VI. geantwortet, dass den Deutschen unsere Antwort in Moskau mitgeteilt wird. 8/VI. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 2854 vom 7.6.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Molotov, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. zu den Akten der Bevollmächtigten Vertretung. 2.VI.39 AVP RF, f. 011, op. 4 p. 27, d. 59, l. 110–105.46 Original. Veröffentlicht in: God krizisa 1938–1939, Bd. 1, Dok. 384, S. 518–52247.
Nr. 491 Aufzeichnung der Unterredung des Volkskommissars für Außenhandel Mikojan mit dem Legationsrat in Moskau Hilger Nr. 491 2. 6. 1939 2. 6. 1939 2. Juni 1939 Am 2. Juni 1939 suchte Herr Hilger, der Handelsrat der Deutschen Botschaft in Moskau, den Volkskommissar [für Außenhandel] Gen. Mikojan auf.
43 In dem telegrafischen Bericht fasste Astachov seine Eindrücke des Gesprächs mit von Weizsäcker wie folgt zusammen: „Der Inhalt dieser langen Demagogie läuft somit auf drei Fragen hinaus, bei denen die Deutschen jegliches Gefühl für Proportionen verloren haben und die sie versuchen, miteinander zu verbinden: 1. Von uns eine Erklärung zu bekommen, auf der Vertretungsebene die Wirtschaftsbeziehungen in Prag auszubauen (oder zumindest zu bewahren), was sie mit ihrem Einverständnis verbinden, dort eine Abteilung der Handelsvertretung beizubehalten. 2. Von uns eine exakte Interpretation der Erklärung Molotovs gegenüber Schulenburg zu bekommen und in Abhängigkeit davon die Frage der Reise Schnurres und die der Kreditverhandlungen zu entscheiden. 3. Höchst vorsichtig die Möglichkeit zu sondieren, mit uns Verhandlungen über eine Verbesserung der Beziehungen zu führen und uns von einer Annäherung an England abzuhalten. Aufschlussreich dabei ist, dass sie sich bis jetzt jeglicher sie verpflichtender Erklärungen enthalten und dabei sogar den Begriff „Verbesserung der Beziehungen“ vermeiden, den Weizsäcker direkt zu gebrauchen umging, indem er es vorzog, allerlei Umschreibungen für diesen Begriff zu benutzen.“ Vgl. DVP, Bd. XXII, Dok. 342, S. 406. Das Telegramm wurde am 31.5.1939 an Stalin, Molotov, Vorošilov, Kaganovič, Mikojan weitergeleitet. Auf dem Exemplar Stalins gibt es keine Vermerke. Vgl. http://1939.rusarchives.ru Nr. 212. 44 Der Text ist ab dem Satzanfang am linken Seitenrand zweimal mit rotem Farbstift angestrichen und ab dem Wort „natürlich...“ unterstrichen. 45 Zur Aufzeichnung von Weizsäckers über dieses Gespräch vgl. Dok. 486. 46 Die beglaubigte Kopie wurde auf Weisung Molotovs am 10.6.1939 an Stalin geschickt. Vgl. http://1939.rusarchives.ru Nr. 213. 47 Das Dokument wurde mit redaktionellen und stilistischen Korrekturen veröffentlicht sowie auf den Zeitpunkt des Gesprächs datiert.
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Nr. 491
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Herr Hilger eröffnete das Gespräch mit der Frage, wann Herr Babarin nach Berlin abreise, und erkundigte sich beiläufig, wo sich die Herren Davydov und Skosyrev befänden. Gen. Mikojan antwortete, dass Gen. Babarin in einigen Tagen nach Berlin abreisen werde, Gen. Skosyrev sei als Stellvertreter des Leiters der Exportverwaltung tätig, Gen. Davydov sei ebenfalls im Volkskommissariat beschäftigt. Das wichtigste Ziel seines Besuches bestand jedoch darin, die Möglichkeit zu einer Wiederaufnahme der Kreditverhandlungen1 zu sondieren und über die tatsächliche Lage, wie er sich ausdrückte, zu informieren, in der sich die Kreditverhandlungen zwischen der sowjetischen und deutschen Regierung befänden. Herr Hilger verwies darauf, dass sein Besuch mit der Rede des Herrn Molotov2 zusammenfalle, aber die Absicht hätte noch vor dieser Rede bestanden. Herr Hilger teilte sodann mit, dass der sowjetische Vertragsentwurf die deutsche Regierung insgesamt in eine schwierige Lage versetzt hätte; sie sei gezwungen gewesen, viel Zeit für die Prüfung und Präzisierung der sowjetischen Vorschläge aufzubringen. Doch der wichtigste Grund für die Verzögerung und die Hauptschwierigkeiten des sowjetischen Entwurfs hätten, was vorher überhaupt nicht vorauszusehen gewesen wäre, in den Listen „A“ und „B“ für die Vergabe von Aufträgen in Deutschland bestanden, die den „Stein des Anstoßes“ gebildet hätten, weil seinerzeit die deutsche Industrie den deutschen Rüstungsplan erfüllt hätte und nicht in der Lage gewesen sei, die sowjetischen Aufträge zu erfüllen.3 Die deutsche Regierung habe keinen Schlusspunkt unter die Verhandlungen setzen wollen und deshalb sei entschieden worden, der sowjetischen Regierung zu erklären (Herr Hilger macht an dieser Stelle den Vorbehalt, dass er sehr offen sein werde), dass die sowjetischen Konditionen geprüft würden, und er, Herr Hilger, hätte die Ehre gehabt, darüber Herrn Kaganovič in der Iranischen Botschaft zu informieren. Nach dem 15. März hätte sich die Lage zum Besseren verändert, weil sich die Tschechoslowakei Deutschland „angeschlossen habe“ und die deutschen Werke entlastete. Anfang Mai sei er, Herr Hilger, nach Berlin gerufen worden, wo er einige Gespräche mit den Leitern der deutschen Regierung (mit Herrn Ribbentrop, mit Herrn Funk und anderen) gehabt habe, die die Möglichkeit für einen günstigen Ausgang der Verhandlungen positiv einschätzten. In Berlin sei entschieden worden, dass Herr Schulenburg den Herrn Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Herrn Molotov aufsucht, und er, Herr Hilger, wäre sicher gewesen, nicht allein nach Moskau zurückzukehren, sondern mit Herrn Schnurre, „aber wie Sie sehen, bin ich allein zurückgekommen“. Herr Hilger erklärte weiter, dass man jetzt im Zusammenhang mit dem Besuch von Herrn Schulenburg beim Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Herrn Molotov4 die Antwort von Moskau erwarte. Die Ausführungen von Herrn Hilger waren vorsätzlich unklar gehalten und zu lang. In seiner Erwiderung erklärte der Volkskommissar des NKVT Gen. Mikojan, dass die derzeitigen Verhandlungen ihn in eine sehr unangenehme Lage versetzt 1 2 3 4
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Vgl. Dok. 461. Vgl. Dok. 489. Vgl. Dok. 427. Vgl. Dok. 472.
2. 6. 1939 Nr. 491 hätten, weil auf den sowjetischen Kreditentwurf5 keine exakte Antwort erfolgt wäre, sämtliche Gespräche sich als gegenstandslos erwiesen und einen leicht unseriösen Charakter angenommen hätten. Er habe gegenwärtig die Lust und den Wunsch verloren, über diese Frage zu sprechen, da diese Gespräche bereits zwei Jahre geführt würden und die Form eines politischen Spiels angenommen hätten. Im Weiteren fragt Gen. Mikojan Herrn Hilger, ob er von einem positiven Ausgang dieser Kreditverhandlungen überzeugt wäre. Herr Hilger beantwortet anfangs die an ihn gerichtete Frage nicht, sondern sagt, dass er und Herr Schulenburg Herrn Mikojan gar nicht in solch eine Lage vor der Regierung hätten bringen wollen, über die Herr Mikojan gesprochen habe, und er sei davon überzeugt, dass der von Herrn Mikojan innehabende Posten nicht zu der von ihm beschriebenen Situation führen konnte. Was die an ihn gerichtete Frage betreffe, so zeige sich immer wieder, dass sich die Fragen des Herrn Mikojan stets als sehr schwierig erwiesen. Er (Herr Hilger) könne sich eines positiven Ausgangs der Kreditverhandlungen nicht sicher sein, weil dies nicht allein von ihm abhinge, sondern auch von anderen, jedoch hoffe er auf einen positiven Ausgang und habe dazu allen Grund. Sodann unterstreicht Herr Hilger noch einmal, dass man jetzt eine Antwort von uns erwarte. Gen. Mikojan erklärte, dass er früher den Standpunkt vertreten hätte, die Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland zu erweitern; es sei wahr, dass die Aufträge zurzeit nicht ausgesprochen aktuell seien und außerdem mit Erfolg in anderen Ländern (in Amerika und England) realisiert werden könnten, jedoch sei uns zugleich auch die deutsche Industrie gut bekannt. Danach sichert Gen. Mikojan zu, die von Herrn Hilger vorgetragenen Gedanken zu überdenken und in naher Zukunft eine Antwort zu geben.6 Damit endete am 2. Juni das Gespräch zwischen Gen. Mikojan und Herrn Hilger.7 Das Gespräch hat aufgezeichnet: E. Babarin. Veröffentlicht in: God krizisa 1938–1939, Bd. 2, Dok. 388, S. 6–8.
5 6 7
Vgl. Dok. 483. Vgl. Dok. 501. Eine kurze Darlegung des Gesprächs durch Schulenburg in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 465, S. 521–522.
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Nr. 492
3. 6. 1939
Nr. 492 Aufzeichnung der Unterredung des Presseattachés der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Smirnov im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda Nr. 492 3. 6. 1939 3. 6. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 1 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 139/s1 Berlin, 3.VI.39 TAGEBUCH DES PRESSEATTACHÉS DER BEVOLLMÄCHTIGTEN VERTRETUNG DER UdSSR IN DEUTSCHLAND Gen. A. SMIRNOV 31.V. War im Propagandaministerium, habe dort den TASS-Korrespondenten Gen. Filippov vorgestellt. Wir wurden von einem gewissen Prof[essor] Bömer und dem Referenten für Fragen der UdSSR Mauer2, der ausgezeichnet Russisch spricht, empfangen. Nach einer Erkundigung, wie Gen. Filippov sich eingelebt habe, begann Bömer das Gespräch mit der Frage „Was wird Molotov heute sagen?“3 Ich meinerseits fragte ihn: Was interessiert Sie besonders? Generell alles, antwortete Bömer, aber insbesondere, was er zu Deutschland sagen wird. Und hier begann er den Gedanken zu entwickeln, dass Deutschland bereit sei, mit uns Handel zu treiben, und dass, wie er sagte, die letzte Rede Hitlers4 sogar die Möglichkeit eröffne, Pakte abzuschließen. Danach verwies Bömer darauf, dass die deutsche Presse in Bezug auf die UdSSR nun anders geworden sei. Presseattaché der Bevollmächtigten Vertretung A. Smirnov Oben rechts befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2468 vom 8.6.1939 Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. 5 [Exemplare] an Gen. Molotov, 2 an Gen. Potemkin, 1 zu den Akten der Bevoll[mächtigten] Vertretung. 3.VI.39. AVP RF, f. 06, op. 1, p. 7, d. 66, l. 56. Original.
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. So im Dokument; gemeint ist Bruno Maurach. Vgl. Dok. 489. Gemeint ist die Rede Hitlers im Reichstag vom 28.4.1939. Vgl. Domarus, Hitler. Reden und Proklamationen, Bd. II/1, S. 1148–1179, hier S. 1173–1174.
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3. 6. 1939 Nr. 493 Nr. 493 Aufzeichnung der Unterredung des 1. Sekretärs der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Ivanov mit dem Mitarbeiter des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Meyer-Heydenhagen Nr. 493 3. 6. 1939 3. 6. 1939 GEHEIM Expl. 1 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 140s1 Berlin, 3.6.39 TAGEBUCH DES 1. SEKRETÄRS DER BEVOLLMÄCHTIGTEN VERTRETUNG DER UDSSR IN DEUTSCHLAND Gen. IVANOV 31.5.39. Ich bin im Auswärtigen Amt bei Herrn Meyer-Heydenhagen wegen der Verhaftung (am 27/V.) des Ingenieurs der Handelsvertretung Gen. Pevzner. Ich bat zu erklären, warum bislang die Bevollmächtigte Vertretung nicht über die Gründe für seine Verhaftung und den Wortlaut der Anklage in Kenntnis gesetzt worden sei, warum das Arrestregime für ihn plötzlich verändert worden und die Besuche und der Empfang von Päckchen eingestellt worden seien, während der Ermittlungsbeamte (der Chef der „Russischen“ Abteilung der Gestapo) solche Besuche als durchaus möglich erachtete und sogar erläuterte, dass die Verhaftung des Gen. Pevzner durch seine beabsichtigte Abreise am 28.V. d. J. nach Moskau zwingend notwendig geworden sei, d.h. falls er in Deutschland geblieben wäre, so wäre seine Verhaftung nicht erfolgt, und die Gestapo hätte ihrerseits auch nichts dagegen, ihn gegen Bürgschaft auf freien Fuß zu setzen. Der Antwort von Herrn M[eyer]-H[eydenhagen] war zu entnehmen, dass die Einstellung der Besuche und des Empfangs von Päckchen sowie die Ablehnung, den Juristen der Handelsvertretung 2 während der Gegenüberstellung des Gen. Pevzners mit dem Zeugen der Anklage zuzulassen, auf Veranlassung des Auswärtigen Amts erfolgt sei, dass der Ermittlungsbeamte der Gestapo wegen der Überschreitung seiner Kompetenzen stark getadelt worden sei, weil die deutsche Regierung es nicht für erforderlich erachte, das Regime für die Verhafteten besser zu gestalten, als dasjenige, das für die verhafteten Deutschen in der UdSSR gelte, dass dort Hunderte verhaftet worden seien usw. usf. Aus diesem Grund könnten keine Besuche gewährt werden, Gen. Pevzner werde Wirtschaftsspionage zur Last gelegt und die Ermittlungen wären noch nicht abgeschlossen. Auf meine Bemerkung, dass dies bereits die dritte Variante der gegen ihn erhobenen Beschuldigungen sei und ich folglich nicht sicher sein könne, dass dies nun auch die letzte Variante sei, weil die ersten zwei Anklagevarianten hinfällig geworden seien (anfangs wurde er wegen „Verbindungen zu schlechten russischen Freunden“ beschuldigt, danach wegen Verstößen gegen die Valuta-Bestimmungen), und die Verhaftungsgründe uns erst dann klar werden würden, wenn die Bevollmächtigte Vertretung die offizielle 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Aleksandr Tichonovič Lebedev.
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Nr. 493
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schriftliche Mitteilung erhalten habe, entgegnete M.-H., dass diese vorbereitet und uns in den nächsten Tagen zugehen werde, doch die ganze Sache sei die, dass (wie sich zum Ende des Gesprächs herausstellte) die Anklageformel noch nicht präzisiert worden sei. Auf meine anschließende Bemerkung, dass ich die Erklärung von M.-H. zur Veränderung der Haftbedingungen und die Isolierung des Gen. Pevzner als Druck übergeordneter Instanzen auf die Ermittlungsorgane und die Aufhebung der von ihnen ins Auge gefassten Ermittlungsführung **mit**3 Zulassung von Vertretern der Handelsvertretung oder der Bevollmächtigten Vertretung zum Verhör als Vergeltungsmaßnahme verstünde; und ob ich das Verhalten der deutschen Regierung in dieser Angelegenheit kurz als Politik des „Auge um Auge“ formulieren könnte, antwortete M.-H. – genau das: „Auge um Auge“. Auf meine nächste Frage, ob ich damit unser Gespräch beenden und seine zuletzt geäußerten Worte nach Moskau zur Kenntnis übermitteln könne und in welchem Maße diese Politik im Interesse Deutschlands liege, vermied M.-H. eine direkte Antwort, und begann erneut damit, die Qualen der von der GPU verhafteten Deutschen, darunter sogar Frauen, in den Gefängnissen hervorzuheben, und dass die deutsche Regierung natürlich wegen solcher Kleinigkeiten gar nicht mit uns in Streit geraten wolle, dass er alle Maßnahmen treffen werde, um diese Angelegenheit in einem positiven Sinne zu regeln, dass er mit den Verantwortlichen und mit der Gestapo sprechen werde. Ich machte M.-H. darauf aufmerksam, dass man einen der wichtigsten Mitarbeiter der Handelsvertretung, den Leiter der Abteilung Stankoimport, verhaftet habe, der in Deutschland Geschäftsabschlüsse zum Kauf von Maschinen in Höhe von hunderten von Millionen Mark getätigt habe, dass derartige Verhaftungen eine normale Tätigkeit der Handelsvertretung störten und den Interessen Deutschlands widersprächen, dass er im Gefängnis unter unzumutbaren Bedingungen in einer feuchten Zelle festgehalten werde, und nicht einmal warme Bekleidung habe, dass seit einigen Tagen ihm selbst das Rasieren nicht möglich sei. Ich formulierte die Forderungen der Bevollmächtigten Vertretung: 1. Die Bevollmächtigte Vertretung ist unverzüglich offiziell über die Gründe der Verhaftung und den Wortlaut der Anklage zu informieren. 2. Aufgrund dessen, dass selbst die Untersuchungsorgane keine Notwendigkeit sehen, ihn in Haft zu belassen, ist er aus der Haft zu entlassen, notfalls mit der Auflage einer schriftlichen Verpflichtung, vorerst nicht auszureisen. 3. Es ist Weisung zu geben, dem Juristen der Handelsvertretung Gen. Lebedev und Konsul Gen. Atroščenkov die Besuchserlaubnis für Gen. Pevzner zu erteilen und die Aushändigung von Päckchen zu erlauben. In seiner Antwort darauf sagte mir M.-H., dass er die Meinung der zuständigen Instanzen und der Gestapo einholen und mir übermorgen eine Antwort mitteilen werde, die Päckchen sollte man seiner Meinung nach überhaupt ausklammern. Nachdem er darüber geklagt hatte, dass neben den Verhaftungen von Deutschen in der UdSSR und nun auch noch die von Österreichern und Tschechen dazu kämen, dass alle diese unangenehmen Kleinigkeiten fürchterlich anstrengend und nervend seien und möglichst bald ein Ende finden sollten, dass er mich sehr gut verstehe und bereit sei, mir entgegenzukommen usw. usf. Er fragte mich, ob der 3
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Der Text ist mit Bleistift über die Zeile geschrieben.
3. 6. 1939 Nr. 493 Bevollmächtigte Vertreter, Gen. Merekalov, bald kommen werde.4 Auf meine Antwort, dass Gen. Merekalov, wie Herrn M.-H. sicherlich bekannt sei, nicht nur der Bevollmächtigte Vertreter der UdSSR in Deutschland sei, sondern zugleich auch dem Obersten Sowjet als Mitglied angehöre, und die Erfüllung auch dieser Pflichten ihn in Moskau aufhalten könnten, betonte M.-H., dass ich seine Frage nicht falsch interpretieren möge. Ihm wäre es gleichgültig, ob Gen. Merekalov bald kommen werde; er lenke die Aufmerksamkeit lediglich darauf, dass Gen. Astachov möglichst bald einen Urlaub antreten müsste, da er furchtbar übermüdet und nervös sei, er sei überhaupt ein sehr nervöser Mensch und benötige einen Urlaub.5 Er fragte, ob der 2. Rat, Gen. Nikolaev, ganz abgereist sei. Zum Schluss bedauerte er, dass die Rede des Gen. Molotov6 nicht im Radio übertragen worden sei. Sie hätten alle mit gespannter Aufmerksamkeit und Ungeduld den ganzen Tag verbracht, bis 4 Uhr am Nachmittag, und um 4 Uhr hätten alle vor dem Rundfunkempfänger gesessen. Ich beruhigte ihn, dass sie sie am folgenden Tag in den Zeitungen lesen könnten (auf seinem Schreibtisch lagen die „Izvestija“ und die „Pravda“), und beiläufig bemerkte ich, falls er es wünsche, könnte ich ihm voraussichtlich morgen früh den Redetext des Gen. Molotov ins Ministerium schicken. Er bat sehr darum, ihm diese Liebenswürdigkeit zu erweisen und versprach, übermorgen die Ergebnisse seiner Gespräche im Fall des Gen. Pevzner mitzuteilen. 1.VI. Ich telefonierte dreimal mit M.-H., ich bat ihn, die Gestapo anzuweisen, Gen. Pevzner Päckchen auszuhändigen (warme Sachen, Obst, Zigaretten), worauf die Genehmigung erfolgte, hingegen wurden Besuche abgelehnt, weil die Gestapo mit dem Verhalten des Pevzner unzufrieden sei: er lehne es ab, in Abwesenheit des Konsuls Aussagen zu machen und unterschreibe das Vernehmungsprotokoll nicht. M.-H. dankte mir für die Übersendung von 2 Exemplaren der Rede des Gen. Molotov auf der Sitzung des Obersten Sowjets; er versprach, den Fall des Gen. Pevzner schnell beizulegen und morgen eine Antwort zu geben. 3.VI. Am 3. Juni setzte ich mich erneut mit M.-H. per Telefon in Verbindung. Ich wies ihn darauf hin, dass bislang weder eine Anklageschrift noch eine Antwort auf meine Anfragen eingegangen sei und fragte ihn, was das zu bedeuten hätte. Die Antwort war kategorisch: keine Besuche, Gen. Pevzner erschwere die Ermittlung, er antworte nicht auf Fragen, unterschreibe nicht das Protokoll, fordere den Konsul an, aber diesen könne man nicht vorlassen. Verändern Sie das Regime gegenüber unse4 Nach der Teilnahme an der Beratung im Kreml am 21.4.1939 (vgl. Dok. 452, Anm. 2) kehrte Merekalov nicht nach Berlin zurück, nahm aber weiterhin die Funktion als Bevollmächtigter Vertreter wahr, wovon unter anderem der an ihn nach Moskau adressierte Brief des Geschäftsträgers Astachov vom 12.7.1939 zeugt. In: AVP RF, f. 082, op. 22, p. 93, d. 8, l. 97–96. 5 Am Vortag, am 30.5.1939 hatte Astachov mit Meyer-Heydenhagen ein Gespräch, in dem er insbesondere auf die Verhaftung von Pevzner einging, über das das AA die Bevollmächtigte Vertretung nicht informiert hätte, und bat darum, „sich dieses Falls anzunehmen und ihn beizulegen. M[eyer-Heydenhagen] brachte seine unverhüllt geheuchelte Verurteilung des Vorgehens der Polizei zum Ausdruck, indem er ausführte: ‚Stellen Sie sich aber vor, die gleiche Geschichte hat sich seinerzeit in Novosibirsk mit meinem Sekretär zugetragen...Er wurde verhaftet, und ich konnte über einige Tage hinweg nicht in Erfahrung bringen, wo er sich befindet.‘ Nach dem Austausch von Sticheleien zu diesem Thema versicherte mir M., dass er sich mit diesem Fall befassen werde und sobald er Informationen habe, werde er alles tun, was möglich sei.“ In: AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 59, l. 98. Zur Einschätzung der Tätigkeit des Geschäftsträgers Astachov im Fall des inhaftierten Pevzner durch den kommissarischen Handelsvertreter Gorodinskij vgl. Dok. 504. 6 Vgl. Dok. 489.
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ren Staatsangehörigen, und wir werden unseres verändern. Was den Fall Pevzner anbelange, so werde er dieser Tage dem Gericht übergeben. Nachdem ich nochmals eindringlich unsere Forderungen wiederholt hatte, berief er sich auf die Ablehnung der Gestapo und nach meinem Einwand, dass die Verhaftung und die Inhaftierung solch eines wichtigen Mitarbeiters wie Gen. Pevzner nicht allein von der Gestapo entschieden werde, und mich interessieren würde, die Antwort der übergeordneten Organe auf die von mir erhobenen Forderungen zu erfahren und die Bevollmächtigte Vertretung genau diese Antwort erwarte, antwortete M.-H. mir, dass er dies heute noch einmal vorlegen und am Montag, dem 5. Juni, die Antwort geben werde. Anmerkung: Wie ersichtlich ist, verkompliziert und verzögert das Auswärtige Amt vorsätzlich den Fall des Gen. Pevzner und setzt offenbar auf den Vorschlag, einen Austausch vorzunehmen, was äußerst unerwünscht wäre, weil damit ein Präzedenzfall geschaffen würde, ähnlich gelagerte Anschuldigungen auch gegenüber anderen Mitarbeitern der Handelsvertretung und der Bevollmächtigten Vertretung vorzubringen.7 1. Sekretär der Bevollmächtigten Vertretung der UdSSR in Deutschland N. Ivanov Oben rechts von der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2527 vom 14.6.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: geschrieben 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Molotov, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an die 2. Westabteilung. Vermerk des Sekretärs mit Tinte: 1 Kopie für Gen. Vajnštejn gezogen. Morozov 14/VI. AVP RF, f. 06, op. 1, p. 7, d. 66, l. 63–65. Original.
7
Nr. 494 Schreiben des Presseattachés der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Smirnov an die Presseabteilung im NKID Nr. 494 3. 6. 1939 3. 6. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 2 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 138/s1 Berlin, 3.VI.39 AN DIE PRESSEABTEILUNG DES NKID Aus Meldungen der ausländischen Presse ist bekannt, dass in der Leitung der Presseabteilung des NKID Veränderungen erfolgt sind.2 Da es bislang keine offiziel7 Pevzner wurde am 10.6.1939 aus der Haft entlassen. Vgl. Moskva–Berlin 1920–1941, Bd. 3, Dok. 193, S. 277. 1 2
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der Leiter der Presseabteilung des NKID Gnedin war am 10.5.1939 verhaftet worden.
3. 6. 1939 Nr. 494 le Mitteilung des Narkomindel gibt und aus der Presseabteilung auch keine Briefe mehr gekommen sind, bin ich in Unkenntnis, wer genau mein Vorgesetzter ist, und außerdem habe ich Schwierigkeiten, ausländischen Korrespondenten in dieser Angelegenheit zu antworten. Soll ich die Meldungen der ausländischen Presse dementieren oder antworten, dass mir nichts bekannt ist? Aber das zu tun ist für mich als Mitarbeiter der Presseabteilung wohl kaum angebracht, besonders dann, wenn die Veränderungen tatsächlich stattfinden. Zugleich gibt es eine Reihe von operativen Fragen, die mit der Auswertung der deutschen Presse verbunden sind, insbesondere die konkrete Frage, wie Sie zeitgerecht über den Charakter der Telegramme der deutschen Korrespondenten in Moskau im Zusammenhang mit der Direktive des Volkskommissars über die Aufhebung der Zensur3 zu informieren sind. Des Weiteren, aus welchem [Blick]winkel die deutsche Presse auszuwerten ist und welche Fragen in erster Linie zu beleuchten sind. Darüber hinaus stehen Personalfragen an – Entsendung eines Referenten und von Korrespondenten hierher u.a. Bevor diese Fragen in ihrer ganzen Breite aufgeworfen werden, ist es wünschenswert zu erfahren, an wen Schreiben zu diesen und anderen Angelegenheiten zu richten sind. Presseattaché der Bevollmächtigten Vertretung A. Smirnov Vermerk mit rotem Farbstift:*an Gen. Ščeglov*4 Vermerk mit Bleistift:*an Gen. Ščeglov*5 Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2562 vom 15.6.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. an Gen. Molotov, das 3. zu den Akten. AVP RF, f. 06, op. 1, p. 7, d. 66, l. 70, Kopie.
3 Die Zensur der von ausländischen Journalisten aus Moskau verschickten Korrespondenz war von Molotov am 4.5.1939 aufgehoben worden und wurde Anfang 1940 wieder eingeführt. 4 Der Text ist mit rotem Farbstift durchgestrichen. 5 Der Text ist mit Bleistift durchgestrichen.
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Nr. 495 Schreiben des kommissarischen Leiters der 2. Westabteilung im NKID Vajnštejn und des Oberreferenten der 2. Westabteilung Bergman an den sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov Nr. 495 4. 6. 1939 4. 6. 1939 N.P.O.1 Geheim2 NKID 2. Westabteilung Nr. 493 4. Juni 1939 AN DIE BEVOLLMÄCHTIGTE VERTRETUNG IN DEUTSCHLAND Gen. G.A. ASTACHOV Wir erhielten dieser Tage aus der Berliner **Handelsvertretung**4 von Gen. Točilin ausführliche Materialien zum wirtschaftlichen Vordringen Deutschlands in die Länder Südosteuropas. Für die übersandten Materialien sind wir Gen. Točilin dankbar und würden uns freuen, wenn er uns in Zukunft mit ähnlichen Materialien versorgen könnte. Im Zusammenhang damit, dass die Abteilung zurzeit Material zum Zustand der deutschen Industrie und der deutschen Finanzen erarbeitet, würden wir gern von Ihnen oder von Gen. Točilin Informationen bekommen, deren Beschaffung hier bei uns vor Ort eine im höchsten Grade schwierige Angelegenheit ist. Insbesondere würden wir gern zu den deutschen Finanzen genauer wissen: 1. Was stellen die unlängst von der Regierung ausgegebenen sogenannten Steuergutscheine 5 dar, worin unterscheiden sie sich von gewöhnlichen Regierungswechseln, werden sie, wie in der antifaschistischen Presse berichtet wurde, zur Teillohnzahlung verwendet. 2. Worin besteht die Binnenverschuldung Deutschlands (dazu verfügen wir über recht widersprüchliche Daten) und wie sind die tatsächlichen Ausmaße dieser Verschuldung. 3. Die Ausmaße der Außenverschuldung Deutschlands. Zur Industrie hätten wir etwas ausführlichere Informationen über den Umfang des Regierungskapitals in einzelnen Industriezweigen, über den Grad der Einflussnahme der Regierung auf die Geschäftstätigkeit von privaten Firmen und über die Beziehungen zwischen dem Wirtschaftsministerium und der Verwaltung Görings bei der Durchführung des Vierjahresplans. KOMMISSARISCHER LEITER DER 2. WESTABTEILUNG Vajnštejn 1 2 3 4 5
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Ne podležit oglašeniju = Vertraulich. Das Wort ist mit Tinte geschrieben und mit blauem Farbstift unterstrichen. Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: Bevollmächtigte Vertretung. Das Wort ist auf Deutsch mit kyrillischen Buchstaben geschrieben.
4. 6. 1939 Nr. 496 OBERREFERENT Bergman Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 2 Expl. Das 1. [Exemplar] an den Adressaten, das 2. zu den Akten. 4.VI.39. AVP RF, f. 82, op. 23, p. 73, d. 3, l. 3R. Kopie.
Nr. 496 Auszug von Agenturmaterialien der 5. Verwaltung der RKKA Nr. 496 4. 6. 1939 4. 6. 1939 [4.6.1939]1 DER DEUTSCHE PLAN ZUM ÜBERFALL AUF POLEN Warschau, 7.5.39 In den letzten Tagen sind in Warschau eingetroffen: 1) der enge Mitarbeiter Ribbentrops Kleist, zu dessen Aufgabe es gehörte, die Stimmung in Polen festzustellen; 2) der deutsche Luftattaché in Warschau, Oberst Gerstenberg, der nach einer Informationsreise aus Berlin nun zurückgekehrt ist; 3) der deutsche Botschafter in Warschau, von Moltke, der sich auf Weisung Hitlers fast einen Monat lang in Berlin aufgehalten und nun seinen Posten wieder eingenommen hat, ohne konkrete Weisungen zur weiteren Politik gegenüber Polen erhalten zu haben. Kleist und Gerstenberg gaben übereinstimmende Informationen zu den jetzigen deutschen Plänen. Moltke erklärte auf die ihm gestellten Fragen, dass ihn in Berlin auch teilweise ähnliche Pläne erreicht hätten. Die Ausführungen Kleists und Gerstenbergs lauten: „Der deutsche Schlag gegen Polen *steht bereits seit 1938 auf dem Plan*2. Mit Blick auf diesen Schlag haben die Deutschen die Abtretung des Teschener Gebietes an Polen nicht verhindert.3 Sie wollten damit für lange Zeit die Beziehungen zwischen den Tschechen und Polen vergiften, was auch gelungen ist. Ebenfalls in Hinblick auf diesen Schlag gegen Polen wurde anfangs keine Zustimmung zur polnisch-ungarischen Grenze erteilt. Diese wurde schließlich anerkannt4, um Ungarn zu demonstrieren, dass die Entscheidung der Frage nicht von Polen, sondern von Deutschland abhing. 1 Das Dokument ist nach dem Datum des Begleitschreibens des Chefs der 5. Verwaltung (für Aufklärung) der RKKA Proskurov an den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov datiert. In dem Schreiben wurde gemeldet: „Ich lege die Übersetzung von Berichten einer Quelle vor, die mit deutschen diplomatischen Kreisen in Warschau in Verbindung steht. Die Quelle verdient Aufmerksamkeit, obgleich die Fakten der Meldung etwas widersprüchlich sind, zum Beispiel hinsichtlich der Festlegung der Termine für den deutschen Überfall auf Polen.“ Vgl. RGVA, f. 33987, op. 3a, d. 1237, l. 336. 2 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. 3 Am 1.10.1938 hatte Polen der Tschechoslowakei ein Ultimatum zur Abtretung des Teschener Gebiets gestellt, dem Prag nachkam; am 2.10. besetzten polnische Truppen dieses Gebiet. 4 Am 12. März 1939.
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Die deutschen Maßnahmen in der Slowakei – die Errichtung des Protektorats und *die militärische Besetzung5 – sind ein Glied*6 in der Kette des großen militärischen Plans *zur Isolierung Polens vom Norden und Süden*7. Die Tatsache, dass der an Polen gerichtete deutsche Vorschlag dem *polnischen Botschafter wenige Stunden nach der Übernahme Memels8 übermittelt wurde, beruht auf der Absicht*9, Polen unmögliche Bedingungen für dessen Annahme zu bereiten. Wenn Polen den Vorschlag angenommen hätte, dann hätte Hitler seinen ersten Besuch Memels mit dem Besuch Danzigs verbinden können. Doch hätte dies zu keinen Veränderungen im großen deutschen Plan gegen Polen geführt. Nach Auffassung deutscher Militärkreise werden die *Vorbereitungen zum Schlag gegen Polen nicht vor Ende Juli beendet sein. Im Plan ist vorgesehen, den Feldzug mit einem unerwarteten Luftbombardement Warschaus zu beginnen, das in einen Trümmerhaufen verwandelt werden soll*10. Sechs Stunden nach der ersten Welle der Bomberflotte soll die zweite Welle folgen, um die Vernichtung zu vollenden. Für die darauffolgende Zerschlagung der polnischen Armee *ist eine Frist von 14 Tagen veranschlagt*11. Zur Vorbereitung des Überfalls auf Polen ist eine Zeitungs- und Rundfunkpropaganda großen Stils geplant. Eine gewisse Rolle werden dabei die Bereicherung und sexuellen Verfehlungen führender Persönlichkeiten Polens sowie die Verarmung der Arbeiter und Bauern infolge des herrschenden Regimes spielen. Es werden auch Vorbereitungen für die Inszenierung eines Aufstandes in Ostgalizien unternommen, der zugleich als Anlass für die Intervention dienen soll. Die Telegrafenverbindung Berlin-L’vov funktioniert ausgezeichnet, insbesondere bezüglich der jungdeutschen Partei in Polen. Die Fassungslosigkeit der Ukrainer darüber, dass die Karpato-Ukraine ihrem Schicksal überlassen wurde, ist überwunden. Man zwingt Ungarn dazu, der ukrainischen Bevölkerung gewisse Autonomierechte zu gewähren. Mit der Unterstützung Ungarns kann man rechnen, weil Ungarn die Slowakei bekommen und zusammen mit der Slowakei unter den Schutz Deutschlands gestellt werden soll. Dank dieser Maßnahmen wird die deutsche Armee an die rumänische Grenze vorstoßen und kann auf Rumänien Einfluss nehmen, *dessen Haltung in Berlin Sorgen bereitet*12. An eine Lösung der polnischen Frage auf der Grundlage des Märzvorschlages Hitlers denkt in Berlin niemand mehr, Deutschland würde sich zu neuen Vorschlä5 So im Dokument. Zur rechtlichen Regelung der Beziehungen zwischen der am 14.3.1939 verkündeten Unabhängigkeit der Slowakischen Republik und Deutschland vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 10, 40. 6 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. 7 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. 8 So im Dokument. Memel wurde von Einheiten der deutschen Polizei und der SS am 22.3.1939 in Besitz genommen. Das Gespräch Ribbentrops mit Botschafter Lipski, in dessen Verlauf die deutschen Vorschläge erneuert wurden, fand am 21.3. statt. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 61, S. 58–60. Diese Vorschläge im Rahmen der „Generalregelung“ der bilateralen Beziehungen hatte Ribbentrop Lipski am 24.10.1938 dargelegt. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. V, Dok. 81, S. 87–89; Polskie Dokumenty Dyplomatyczne 1938, Warszawa 2007, Dok. 399, S. 725–729. 9 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. 10 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. 11 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. 12 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen.
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4. 6. 1939 Nr. 496 gen von polnischer Seite abweisend verhalten. Das deutsche Minimalprogramm umfasst gegenwärtig die Besetzung des gesamten Korridors und nach Möglichkeit sowohl Oberschlesiens als auch einen Großteil der Provinz Posen, insbesondere ihrer wertvollen landwirtschaftlichen Gebiete. Zwar lautet die neue, von Hitler ausgegebene Losung: „Strategische Sicherung der Grenzen“, aber sie bedeutet zugleich auch: „Erweiterung der Lebensmittelbasis“. Der Hunger nach Rohstoffen aller Art bildet das Leitmotiv für überstürzte Handlungen Deutschlands. Am Tag seines Geburtstages (20.4) verkündete Hitler im engen Kreis, dass ab jetzt das gesamte Programm beschleunigt verwirklicht werden müsse. *Hitler ist überzeugt, dass sich weder England noch Frankreich in die deutsch-polnischen Streitigkeiten einmischen werden. Auf die Neutralität Russlands rechnet man mit Sicherheit. Angesichts dessen, dass von der Haltung Russlands vieles abhängt, bemüht man sich jetzt, die Neutralität Russlands zu gewährleisten. Zum Beispiel wird jetzt die Frage erörtert, den Rücktritt Litvinovs13 dafür zu nutzen, um eine zeitliche Befristung des Rapallo-Vertrages14 durchzusetzen.*15 Die Frage, ob der erwähnte Aufstand in Ostgalizien inszeniert werden wird, hängt letzten Endes von der Haltung Russlands ab. Man liefert Russland Vertrauen erweckende Beweise dafür, dass Deutschland die ukrainische Frage ausschließlich in Polen aufrollen will, nicht aber in Russland. Diese Beweise könnten in der jetzigen Etappe tatsächlich ausreichen. Später werden sie wohl verletzt werden. Falls aber Russland trotz der Zusicherungen zeigt, dass die Aktivierung der ukrainischen Frage in Ostgalizien es dazu veranlasst, die Neutralität aufzugeben, so wird man von der Inszenierung eines ukrainischen Aufstandes in Polen Abstand nehmen. Nachdem mit Polen Schluss gemacht sein wird, wird sich Deutschland mit aller Wucht auf die westlichen Demokratien werfen, ihre Hegemonie brechen und gleichzeitig Italien eine bescheidenere Rolle zuweisen. *Nachdem der Widerstand der westlichen Demokratien gebrochen sein wird, folgt der gewaltige Zusammenstoß Deutschlands mit Russland, der die deutschen Bedürfnisse nach Lebensraum und nach Rohstoffen endgültig befriedigt.*16 „Dem Vertreter der deutschen Telegrafenagentur in Warschau, Jaensch, der sich in Polen vorrangig mit der ukrainischen Frage befasst, teilte Kleist mit, dass gegenwärtig in Berlin über die Frage nachgedacht werde, wie man das ukrainische Problem im Kriegsfall am zweckmäßigsten nutzen könnte. Deutschland ist insbesondere daran interessiert, eine möglichst große Anzahl polnischer Truppen auf dem ukrainischen Territorium Polens zu binden. Deutschland sorgt sich in erster Linie darum, dass Russland die Entfaltung des ukrainischen Problems in Polen zum Anlass nehmen könnte, seine Neutralität aufzugeben. Um diese Gefahr auszuschließen, hatte man in Berlin geplant, Russland glaubwürdige und hinlängliche Beweise dafür zu liefern, dass die Entfaltung der ukrainischen Frage in Polen nicht gegen Russland gerichtet ist. Es war geplant, Russland zu versichern, dass Deutschland nicht beabsichtige, einen selbständigen ukrainischen Staat zu gründen, sondern das einzige Bestreben darin bestehe, der ukrainischen Bevölkerung weitrei13 14
Am 3. Mai 1939. Vgl. Dok. 452. Vom 16.4.1922. Vgl. DVP, Bd. V, Dok. 121, S. 223–224; Reichsgesetzblatt 1922, Teil II, S. 677–678. 15 Der Absatz ist mit blauem Farbstift unterstrichen. 16 Der Absatz ist mit rotem Farbstift unterstrichen.
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chende Autonomierechte in den Grenzen eines stark verkleinerten polnischen Staates zu geben.“ ANMERKUNG DER QUELLE17: „Zur richtigen Bewertung dieser Information ist Folgendes zu sagen: es unterliegt keinem Zweifel, dass die oben dargelegten Gedanken in den herrschenden Berliner Kreisen als Grundlinie für die bevorstehenden deutschen Handlungen diskutiert werden. Es ist möglich, dass Deutschland auch versuchen wird, seine Ziele mit den oben erwähnten Maßnahmen zu erreichen. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass, wie die Erfahrungen zeigen, die Taktik betreffenden Konzeptionen der Reichsführung schnell verändert werden können und jede neue taktische Konzeption dem Kreis der Vertrauenspersonen als die letzte und maßgebliche vorgestellt wird.“ [...]18 DIE DEUTSCH-POLNISCHEN BEZIEHUNGEN Auf der Grundlage der Gespräche, die in Berlin in der Zeit vom 15. bis 19.5. mit dem politischen Direktor des Auswärtigen Amtes, Woermann, mit einer Reihe weiterer hochrangiger Mitarbeiter dieses Ministeriums sowie mit Stabsoffizieren des Luftfahrtministeriums und des Heeresministeriums19 geführt wurden, charakterisiert die Quelle die deutsch-polnischen Beziehungen wie folgt: „Zum jetzigen Zeitpunkt will man in Berlin auf gar keinen Fall Verhandlungen mit Polen aufnehmen. Falls von polnischer Seite irgendwelche konkreten Vorschläge unterbreitet werden, so werden sie in Berlin auf großen Unwillen stoßen. In Bezug auf Polen rechnet man mit dem Erfolg der zum gegebenen Zeitpunkt anzuwendenden Zerstörungstaktik. Diese Überlegungen werden auch noch durch die eingegangenen Informationen über die zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten Polens sowie durch die oben erwähnten Meldungen über die Bereitschaft Polens, Verhandlungen aufzunehmen, bestärkt. Deshalb spricht man in den maßgeblichen Berliner Kreisen offen darüber, dass die Beilegung des deutsch-polnischen Konflikts nur auf der Basis des Anschlusses von Danzig und des Korridors an Deutschland möglich ist. Es gibt auch Gerüchte darüber, dass die deutschen Forderungen erweitert werden und Posen und Oberschlesien einschließen.“ „Es ist auch eine andere Variante zur Beilegung des deutsch-polnischen Konflikts möglich. Die Forderungen Berlins wurden bekanntlich von Berlin niemals als endgültig betrachtet. Deshalb ist es durchaus möglich, dass der einstige deutsche 17 Dies war der Gesandtschaftsrat an der deutschen Botschaft in Warschau Rudolf von Scheliha, der als Mitarbeiter der Warschauer Residentur der Aufklärungsverwaltung der RKKA herangezogen worden war. 18 Ausgelassen sind: die Information über ein Gespräch mit dem Danziger Senatspräsidenten Greiser am 15.5.1939 (l. 344–346); über ein Gespräch des Gehilfen des Stellvertreters des Staatssekretärs im Außenministerium Polens Arciszewski mit dem Botschafter Deutschlands in Polen von Moltke am 19. oder 20.5. (l. 347), die Information über die Bemühungen Polens, Japan für eine Vermittlung in den deutsch-polnischen Verhandlungen zu gewinnen (l. 348). 19 So im Dokument. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist das Oberkommando des Heeres gemeint.
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4. 6. 1939 Nr. 496 Vorschlag an Polen auch heute noch als Grundlage für Verhandlungen betrachtet werden kann. Zur Bekräftigung hierfür dient die versöhnliche Rede von Goebbels in Köln.20 Man meint, dass im Zusammenhang mit der Bereitschaft Polens, sich mit dem Vorschlag Deutschlands einverstanden zu erklären (ungeachtet einer gewissen Zurückhaltung von dessen Seite), eine gewisse Verbesserung der Beziehungen zwischen Deutschland und Polen eingetreten sei. Diese Thesen stützen sich auf den Verlauf der deutsch-italienischen Verhandlungen in Mailand.21 Aufgrund der in Berlin eingegangenen Informationen zeugen diese Verhandlungen eindeutig davon, dass Italien unter allen Umständen einen Krieg vermeiden will. Das deutsch-italienische Abkommen und die Ergebnisse der Mailänder Verhandlungen verschaffen Italien die Möglichkeit einer breiten Einflussnahme auf die deutsche Außenpolitik, sodass man in Berlin diese Tatsache als einen Schlag gegen Deutschland betrachtet. Im Auswärtigen Amt behauptet man sogar, dass Hitler im Zusammenhang mit den erweiterten Einflussmöglichkeiten Mussolinis auf die Politik Deutschlands angeblich Ribbentrop einen Verweis erteilt habe. Jedenfalls kommt das deutsch-italienische Abkommen22, dessen Zustandekommen ein klares Zeichen für das Misstrauen darstellt, das zwischen Berlin und Rom herrscht, für die deutsch-polnischen Beziehungen zu spät. Einen anderen Faktor, der die aggressiven Absichten Deutschlands gegenüber Polen abbremst, verkörpert die Sowjetunion. Nach Auffassung einflussreicher Kreise in Berlin ist zurzeit die Haltung der Sowjetunion die wichtigste Frage. In Berlin werden ernsthafte Schritte unternommen, um die Neutralität der Sowjetunion abzusichern. Geheimrat Schnurre23, einer der Wirtschaftsexperten im Auswärtigen Amt, wird in nächster Zeit nach Moskau fahren, um Wirtschaftsverhandlungen zu führen.24 Der deutsche Botschafter in Moskau, Graf von der Schulenburg, der dringend zu Ribbentrop gerufen worden war, kehrte nach Moskau mit dem Auftrag zurück, eine Annäherung zwischen Deutschland und der Sowjetunion vorzubereiten.“ (Der Quelle ist es nicht gelungen, den Inhalt der Schulenburg erteilten Weisungen zu ermitteln, sie hofft jedoch, in nächster Zeit Einzelheiten dieser Instruktion in Erfahrung zu bringen.) Sodann berichtet die Quelle folgendes: „Im Reichsluftfahrtministerium ist man fest davon überzeugt, dass Deutschland in nächster Zeit den Krieg beginnen wird. Bezüglich des Termins und der Konzeption gehen die Meinungen auseinander. Einen Weltkrieg wolle man nicht, wie man dort erklärt, doch der Führer werde den passenden Zeitpunkt bestimmen. Auch das Offizierskorps des Kriegsministeriums25 ist auf Krieg eingestellt. Dort erklärt man, dass Deutschland unter allen Umständen so schnell wie möglich 20 Am 19.5.1939. Vgl. „Begeisterter Empfang des Reichsministers Dr. Goebbels in Köln“. In: Völkischer Beobachter vom 20. Mai 1939, S. 7. Siehe auch „Die Einkreiser“ (20. Mai 1939) in: Joseph Goebbels: Die Zeit ohne Beispiel. Reden und Aufsätze aus den Jahren 1939/40/41, München 1941, S. 144–149. 21 Gemeint sind die Verhandlungen Ribbentrops mit Ciano vom 6. bis 7.5.1939. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 341, S. 372–374. 22 Gemeint ist der am 22.5.1939 in Berlin unterzeichnete Freundschafts- und Bündnisvertrag zwischen Deutschland und Italien. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 426, S. 466–469. 23 So im Dokument. Schnurre war Vortragender Legationsrat. 24 Vgl. Dok. 472. 25 So im Dokument. Gemeint ist das Oberkommando der Wehrmacht.
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im Osten klare Verhältnisse schaffen müsse, um die Hände für einen langandauernden Krieg mit England freizubekommen. Dabei beruft man sich auf Äußerungen Hitlers, er sei „persönlich auf Polen wütend“. Diese militante Stimmung in beiden oben erwähnten Ministerien wurde auch durch die Rede Hitlers gefördert, die er vor jungen Offizieren gehalten hat. In dieser Rede ging er ebenfalls von der Unvermeidbarkeit des Krieges aus und rief die Offiziere dazu auf, bereits jetzt bereit zu sein, das eigene Leben als Opfer für die historische Sache darzubringen.“ Weiter führt die Quelle aus: „1. Im ganzen östlichen Deutschland werden Truppen in Richtung Ostgrenze verlegt. Die Grenzbevölkerung ist wegen dieser Verlegungen sehr beunruhigt. Bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind zahlreiche Fälle von Umsiedlungen ins Landesinnere festzustellen. In Berlin sind alle, mit Ausnahme der hohen Beamten und des Offizierskorps, mit der täglichen Sorge befasst, sich mit Lebensmitteln zu versorgen. 2. Im Gegensatz zu der in Polen verbreiteten Auffassung, dass der Hauptschuldige für die Zuspitzung der deutschen außenpolitischen Aktionen Ribbentrop ist, unterstreicht man hier, dass allein Hitler diese Außenpolitik bestimmt und Ribbentrop sie umsetzt. Ribbentrop schafft es, mit seinen grobschlächtigen und zugespitzten Reden und auch infolge seines fehlenden Gefühls für das rechte Maß, in Verhandlungen mit den Botschaftern und Gesandten die ohnehin schon schwer verdaulichen deutschen Forderungen noch unverdaulicher zu machen. Als Beweis dafür dienen die Gespräche mit Lipski im März und April26 dieses Jahres, weshalb man ihn in Kreisen ausländischer Diplomaten als den Inspirator für die Verschärfung der deutschen Außenpolitik ansieht. 3. Der vor einigen Wochen hierher entsandte Gehilfe des Luftattachés, Leutnant Thiel, war am 13. und 14. Mai im neuen polnischen Rüstungsindustrierevier und stand dabei unter Beobachtung polnischer Behörden. Dort fotografierte er Objekte. Die polnischen Behörden nahmen ihm den Film, eine geografische Karte mit den in ihr verzeichneten Rüstungsbetrieben und sein Notizbuch mit entsprechenden Zeichnungen ab.“ Moltke richtete aus diesem Anlass eine Anfrage an Berlin, wie er sich in dem angeführten Fall verhalten solle. Für die Richtigkeit: **Kommissarischer**27 Stellvertreter des Chefs der 1. Abteilung der 5. Verwaltung der RKKA MILITÄRINGENIEUR 1. RANGES M. PANFILOV RGVA, f. 33987, op. 3a, d. 1237, l. 336–352, hier l. 339–343; 349–352. Beglaubigte Kopie. Veröffentlicht in: Voennaja razvedka informiruet, Dok. 1.32, S. 99–10528. 26 So im Dokument. Es konnten keine Informationen über Treffen Ribbentrops mit Lipski im April 1939 ermittelt werden. 27 Das Wort ist mit Tinte geschrieben. 28 In dem veröffentlichten Exemplar, das aus dem CAMO stammt, ist der Verteiler vermerkt: an Stalin, Molotov, Vorošilov, Berija, Mechlis, Šapošnikov.
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5. 6. 1939 Nr. 497 Nr. 497 Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an den Staatssekretär im AA Freiherrn von Weizsäcker Nr. 497 5. 6. 1939 5. 6. 1939 5. Juni 1939 Sehr geehrter Herr von Weizsäcker! Darf ich Ihnen für Ihr gefälliges, sehr interessantes Schreiben vom 27. v. Mts.1 bestens danken. Dass Japan es nicht gern sieht, wenn auch nur der kleinste Ausgleich zwischen uns und der Sowjetunion stattfindet, liegt auf der Hand. Je geringer unser Druck auf die russische Westgrenze wird, umso stärker wird sich das Gewicht der Sowjetunion in Ostasien bemerkbar machen. Die Italiener sollten eigentlich einen deutsch-russischen Ausgleich begrüßen; sie selbst haben sich stets gehütet, sich mit Moskau zu zerstreiten, und das Reich könnte Frankreich gegenüber stärker auftreten, wenn Polen durch die Sowjetunion in Schach gehalten und dadurch unsere Ostgrenze entlastet wird. Wenn die Italiener trotzdem „recht zurückhaltend“ sind, so dürfte der Grund sein, dass sie es ungern sehen, wenn durch eine Verbesserung der deutsch-russischen Beziehungen und die dadurch zwangsläufig herbeigeführte Verstärkung unserer Macht das Gewicht des Reichs innerhalb der Achse größer wird. Es scheint mir, dass man in Berlin den Eindruck gewonnen hat, als ob Herr Molotow bei der Unterhaltung mit mir2 einen deutsch-sowjetischen Ausgleich abgelehnt hätte. Ich habe mein Telegramm3 noch einmal durchgelesen und mit meinem Briefe an Sie4 und mit meiner Aufzeichnung verglichen. Ich kann nicht entdecken, was diese Auffassung in Berlin hervorgerufen hat. In Wirklichkeit liegt die Sache doch so, dass Herr Molotow geradezu zu politischen Gesprächen aufgefordert hat. Unser Vorschlag, nur wirtschaftliche Verhandlungen zu führen, ist ihm ungenügend erschienen. Gewiss bestand und besteht die Gefahr, dass die Sowjetregierung deutsche Vorschläge zu einem Druck auf die Engländer und Franzosen benutzen wird. Herr Molotow hat in seiner Rede unser Angebot zur Aufnahme der Wirtschaftsverhandlungen sofort taktisch verwendet. Vorsicht unsererseits war und ist daher geboten, aber mir scheint klar, dass keine Tür zugeschlagen worden und der Weg für weitere Verhandlungen offen ist. Mit allergrößtem Interesse haben wir von Ihrer Unterredung mit Herrn Astachow5 gehört und gelesen. Ich habe übrigens einige Tage nach Abgang meines letzten Schreibens an Sie Gelegenheit gehabt, noch einmal mit Herrn Potemkin über die deutsch-sowjetischen Beziehungen zu sprechen. Ich habe ihm gesagt, ich hätte mir den Kopf zerbrochen darüber, was an positiven Dingen gemacht werden könne, um die Anregungen des Herrn Molotow zu verwirklichen. Zwischen Deutschland und der Sowjetunion gäbe es keine Reibungen, keine Streitpunkte. Wir hätten kei1 2 3
Vgl. Dok. 485. Vgl. Dok. 475, 471. Der Text des Telegramms vom 20.5.1939 ist vollständig wiedergegeben in ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 414, Anm. 2, S. 454. 4 Vgl. Dok. 475. 5 Vgl. Dok. 486, 490.
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ne Grenzzwischenfälle zu beseitigen, keine différence auszugleichen. Wir verlangten nichts von der Sowjetunion und anscheinend auch die Sowjetunion nichts von uns. Ich habe Herrn Potemkin, mit dem ich unter vier Augen viel freier sprechen kann, gefragt, ob er mir jetzt etwas über die Gedankengänge des Herrn Molotow sagen könnte. Herr Potemkin hat das verneint; er könne den Ausführungen, des Herrn Molotow, durch den die Sowjetregierung gesprochen habe, leider nichts hinzufügen. Ich bin neugierig, ob Ihr Gespräch mit Astachow die Sache weiter treiben wird. Herr von Tippelskirch hat m.E. mit Recht darauf aufmerksam gemacht, dass durch unsere Nichtangriffspakte mit den Baltischen Staaten6 Russland von uns gratis und franko eine erhöhte Sicherheit und damit eine deutsche politische Vorleistung erhalten hat. Ich möchte darauf hinweisen, dass Herr Molotow in seiner Rede7 drei Punkte aufgeführt hat, die unbedingt erfüllt werden müssten, damit das englischfranzösisch-sowjetische Bündnis zustande kommen kann. In allen drei Punkten ist keine Rede davon, dass die Forderungen der Sowjetunion sich lediglich auf Europa beziehen. Der Ferne Osten wird zwar nicht genannt, aber auch nicht ausgeschlossen. Meines Wissens will Großbritannien aber nur in Europa neue Verpflichtungen übernehmen. Hieraus könnte ein neuer Streitpunkt entstehen, falls es gelingen sollte, die Baltenstaaten in die Garantie einzubeziehen. Die Sowjetrussen sind uns gegenüber mit tiefstem Misstrauen erfüllt, aber auch den demokratischen Mächten trauen sie nicht über den Weg. Misstrauen ist hier außerordentlich leicht erweckt und kann nur sehr schwer wieder beseitigt werden. Es ist auffallend, dass Molotow bei der Erwähnung der Beziehungen zu England der Einladungen nicht gedacht hat, die die Britische Regierung in Verfolg des Besuchs des Mr. Hudson in Moskau an Mikojan8 und neuerdings angeblich auch an Woroschilow9 gerichtet hat. Aus im Allgemeinen zuverlässiger Quelle höre ich, dass Herr Potemkin seinerzeit so eilig nach Ankara entsandt worden ist, um zu verhindern, dass die Türkei mit den Engländern abschließt.10 Herr Potemkin hat nur die Unterzeichnung des Vertrages, nicht aber mehr die „Erklärung“ verhindern können. Die Sowjetregierung soll keineswegs grundsätzlich gegen eine englisch-türkische Einigung eingestellt sein, aber Wert darauf legen, dass die Türkei nicht vorprellt, sondern gleichzeitig und gleichmäßig mit der Sowjetunion vorgeht. Die letzten Grenzzwischenfälle an der mongolisch-mandschurischen Grenze11 scheinen recht schwer gewesen zu sein. Nach japanischen Angaben haben die „Mongolen“ am 28. Mai 100 Flugzeuge eingesetzt, von denen die Japaner 42 abgeschossen haben wollen. Vorher sollen bereits 17 Flugzeuge abgeschossen worden sein. Ich bin der Meinung, dass die Schuldigen an diesen großen Zwischenfällen 6 Am 7.6.1939 wurden in Berlin der deutsch-estnische und der deutsch-lettische Nichtangriffsvertrag unterzeichnet. Vgl. Reichsgesetzblatt 1939, Teil II, S. 945–946 bzw. S. 947–948. 7 Vgl. Dok. 489. 8 Vgl. Documents on British Foreign Policy 1919–1939, 3. Ser., Bd. V, London 1952, Nr. 175, S. 208–209. 9 Vgl. Documents on British Foreign Policy 1919–1939, 3. Ser., Bd. V, London 1952, Nr. 422, S. 471. 10 Vgl. Dok. 489, Anm. 7. 11 Am 11., 14. und 28. Mai 1939.
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6. 6. 1939 Nr. 498 die Sowjets sind. Sie stellen eine Unterstützung für China dar: sie sollen verhindern, dass die Japaner ihre sehr starken Truppenmassen in der Mandschurei nach China abziehen. Mit sehr herzlichen Grüßen und mit Heil Hitler! bin ich, sehr geehrter Herr von Weizsäcker, Ihr stets ganz ergebener gez. Graf von der Schulenburg PA AA, Moskau 560, o. P., 5 Bl. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 478, S. 534–536.
Nr. 498 Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda Nr. 498 6. 6. 1939 6. 6. 1939 [6. Juni1939] Zsg. 102/17/136/69 Der Abschluss der Nichtangriffsverträge mit Lettland und Estland, der morgen bevorsteht, habe eine ungewöhnliche außenpolitische Tragweite. Die Situation sei so gewesen, dass die englische und französische Politik Sowjetrussland zu einem neuen Einbruch in das gesamteuropäische Spiel verleiten wollten. Dieser Versuch sei nun von uns durchkreuzt worden. Ursprünglich seien die Verhandlungen mit Estland und Lettland lediglich als ein Gegenzug gegen die Aktion Roosevelts eingeleitet worden. Als jedoch die englische Aktion einsetzte, die Russland wieder in die europäischen Fragen hineinzog, hätten diese Verhandlungen ungleich schwereres Gewicht erhalten und die Bedeutung eines Gegenzuges gegen die englische Politik gewonnen. Dass dieser nun geglückt sei, dürfe kein Anlass zu Triumphgeschrei werden, vor allem kein Anlass zu hämischen Polemiken gegenüber Sowjetrussland. Der eigentliche Treiber der neuen Außenpolitik der Gegner sei und bleibe England, das bereit sei, die Neutralität der baltischen Staaten durch das Bemühen zu opfern, eine einseitige Garantie auszusprechen. Diese Staaten würden damit in ein System gegen Deutschland hineingezwängt werden. Die sowjetrussischen Vorbehalte gegenüber dem englischen Vorschlag bestünden im Wesentlichen darin, dass Sowjetrussland für die baltischen Länder keine Sonderregelung anerkennen wolle, dass es vielmehr eine politische Garantie zu erreichen trachte, um durch diese Gürtelstaaten gegen Angriffe vom Westen her gesichert zu sein. Sowjetrussland möchte darüber hinaus in einer „Aggression“ gegen die Randstaaten bereits eine Gefährdung des eigenen Territoriums erblicken dürfen und also befugt sein, Maßnahmen gegen Aggressoren zu ergreifen. Da der Begriff der Aggression dahin ausgelegt werde, dass nicht erst ein Angriff, sondern bereits eine Bedrohung mit einem Angriff für Gegenmaßnahmen ausreiche, so würde bei einem entsprechenden Abkommen Sowjetrussland weitgehend Handlungsfreiheit haben und gleichzeitig (bei Gegenseitigkeit) England und Frankreich weitgehend verpflichten. Der Vertrag mit Estland und Lettland habe auch den Sinn, den Unsinn einer Garan-
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tie für die baltischen Staaten darzutun. Außerdem werde der Vertragsabschluss Anlass zur Prüfung von Fragen geben, die nicht unmittelbar mit dem Vertrag, wohl aber manches mir der Anregung zu tun haben sollen, eine englische Garantie für die beiden Staaten auszusprechen. Es sei begreiflich, dass Sowjetrussland für einen Kriegsfall den Hafen von Riga nötig habe. England schiene bereit, diesen Forderungen weitgehend entgegenzukommen, wie seine Presse und seine politischen Maßnahmen zeigten. Diese Darstellung[en], so erläuterte Dr. Schmidt (AA), sollen nur zur Information dienen und dürfen, was aus dem Inhalt hervorgehe, nicht unmittelbar verwandt werden. Die Vertraulichkeit gelte vor allem für die Bemerkung über die weiteren Abreden bei Gelegenheit des Vertragsabschlusses. Der Vertragstext werde ungefähr dem des deutsch-dänischen Vertrages entsprechen, sich aber von ihm in einer Sonderklausel unterscheiden, in der die Frage der beiderseitigen Beziehungen zwischen Estland und Lettland spezifiziert würde, die durch einen Nichtangriffspakt verbunden sind. Der Führer habe seine Dispositionen geändert, werde nicht heute Abend abreisen, sondern die beiden Außenminister1 morgen Vormittag empfangen. Diese Tatsache kennzeichne die Bedeutung. (Auch dieser Empfang nur zur Information.) Über die bevorstehende Unterzeichnung, über die bereits ein Kommunique vorliegt, kann geschrieben werden. Die Aufmachung kann morgen früh groß bis vorherrschend sein. Die deutschen Friedensbestrebungen sollten wieder herausgestellt werden, da sie hier wirksam geworden seien. Veröffentlicht in: NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit, Bd. 7/II, S. 540–541.
12
Nr. 499 Aufzeichnung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre Nr. 499 7. 6. 1939 7. 6. 1939 [7. Juni 1939] Wie aus der Aufzeichnung Hilger vom 2. Juni d. J. hervorgeht, hat Volkskommissar Mikojan an L.R. Hilger die Frage gerichtet, welchen modus procedendi wir uns in der Frage der Wirtschaftsverhandlungen dächten.1 L.R. Hilger hat hierauf erwidert, dass er keinerlei Vorschläge zu machen hätte, und hat lediglich auf die Unterredung des Grafen Schulenburg mit Molotow2 verwiesen. Mikojan hat sich seine Antwort auf die Hilgerschen Mitteilungen vorbehalten. Nach dem Verlauf dieser Unterredung ist kaum damit zu rechnen, dass bald eine Antwort Mikojans eintrifft.3 In Anbetracht der wenig positiven Haltung, die L. R. Hilger bei dieser Unterredung eingenommen hat, erscheint es auch durchaus 1 1
Karl Selter und Vilhelms Munters.
Eine Aufzeichnung Hilgers konnte nicht ermittelt werden; aus sowjetischer Sicht des Gesprächs vgl. Dok. 491. 2 Vgl. Dok. 475. 3 Vgl. Dok. 501.
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7. 6. 1939 Nr. 500 zweifelhaft, wie diese Antwort Mikojans sein wird. Andererseits liegt uns im gegenwärtigen Stadium der sowjetisch-englischen Verhandlungen besonders daran, die Möglichkeit einer Einschaltung in Moskau auszunutzen. Schon die Tatsache unmittelbarer deutsch-sowjetischer Besprechungen in Moskau würde geeignet sein, einen weiteren Keil in die sowjetisch-englischen Verhandlungen zu treiben. Um die Frage unserer Wirtschaftsverhandlungen wieder von dem toten Geleis herunter zu bringen, auf das sie durch die Unterredung Mikojan-Hilger gekommen sind, schlage ich Folgendes vor: Ich habe in diesen Tagen andere Fragen (Bedienung der sowjetisch-tschechischen Anleihe durch die Sowjetunion) mit dem Sowjetgeschäftsträger Astachow zu besprechen. Ich würde Herrn Astachow unter Zitierung der Frage Mikojans nach dem modus procedendi und des sich auf die Wirtschaftsverhandlungen mit Deutschland beziehenden Teils der Rede Molotows4 bei dieser Gelegenheit sagen, dass es mir nützlich schiene, wenn die Frage des modus procedendi in einer persönlichen Unterredung zwischen Mikojan und mir geklärt werden könnte. Ich sei bereit, zu diesem Zweck nach Moskau zu kommen und bäte Astachow bei Mikojan festzustellen, ob er mich in der nächsten Woche zu einer solcher Unterredung empfangen könne. Sollte diese mehr informatorische Unterredung zwischen Mikojan und mir positiv verlaufen, so hätte ich Vollmachten, auch über den ins Auge gefassten Wirtschaftsvertrag selber zu verhandeln. Über Herrn Gesandten Clodius, Herrn Staatssekretär, dem Herrn Reichsaußenminister mit der Bitte um Weisung vorzulegen. Schnurre Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem und zweitem Blatt Paraphen von Cl[odius] 7/6. Auf erstem Blatt am Seitenrand: f. St[aatssekretär] F.v.W. Cl 7/6 und zdA W[eizsäcker] 9[6]. PA AA, R 29712, Bl. 111403-111404. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 491, S. 551–552.
4
Nr. 500 Aufzeichnung aus der Botschaft in Moskau Nr. 500 7. 6. 1939 7. 6. 1939 Moskau, den 7. Juni 1939 Ganz geheim! Tgb. Nr. A/1173/39 Aufzeichnung1 In der Unterredung mit dem Herrn Botschafter Grafen von der Schulenburg vom 20. Mai 1939 hat der Vorsitzende des Rats der Volkskommissare und Außenkommissar Herr Molotow erklärt, dass für etwaige Wirtschaftsverhandlungen zu4
Vgl. Dok. 489.
1
Diese Aufzeichnung ist durch von Tippelskirch Schulenburg vorgelegt worden, der sie möglicherweise bei seiner Reise nach Berlin persönlich mitgenommen hat. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 490, Anm. 1, S. 549.
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Nr. 500
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nächst eine „politische Basis“ gefunden werden müsse.2 Herr Molotow hat sich nicht näher darüber ausgesprochen, was er unter „politischer Basis“ versteht. Da Herr Molotow zugleich Zweifel an der Ernsthaftigkeit der von uns seinerzeit eingeleiteten Wirtschaftsverhandlungen geäußert hat, werden unsererseits erhebliche Anstrengungen notwendig sein, falls der Wunsch besteht, zu einer Normalisierung der Beziehungen zwischen Deutschland und der Sowjetunion zu gelangen. Die zu ergreifenden Maßnahmen würden sich sowohl auf das Gebiet der inneren Politik als auch auf das Gebiert der Außenpolitik zu erstrecken haben. Folgende Maßnahmen zur Schaffung einer „politischen Basis“ könnten in Betracht gezogen werden: I. Maßnahmen auf dem Gebiete der Innenpolitik: 1.) Es müsste eine reinliche Scheidung von Nationalsozialismus und Kommunismus nach dem Grundsatz der gegenseitigen Nichteinmischung erfolgen. 2.) Es müsste darauf hingewirkt werden, dass hetzerische Ausfälle und gegenseitige Verunglimpfungen in Reden, in der Presse und im Rundfunk unterbleiben. 3.) Es müsste eine gegenseitige Beteiligung an internationalen wissenschaftlichen Kongressen und sonstigen Veranstaltungen, die in Deutschland bzw. in der Sowjetunion stattfinden, ermöglicht werden. Dabei sollte eine Diskriminierung der beiderseitigen Teilnehmer und Leistungen in der Öffentlichkeit vermieden werden. Ferner sollte ein Austausch von Künstlern und Gelehrten wieder zugelassen werden. II. Maßnahmen auf dem Gebiete der Außenpolitik: Es wird sich in erster Linie darum handeln, den obsolet gewordenen Neutralitätsvertrag zwischen Deutschland und der Sowjetunion vom 24. April 1926 (Berliner Vertrag)3 wieder aufleben zu lassen. Bekanntlich ist der Vertrag, der seinerzeit im Reichstag mit allen Stimmen angenommen wurde, am 5. Mai 1933 auf unbegrenzte Zeit verlängert worden. Das Kernstück des Vertrages ist der Artikel 2. Dieser lautet: „Sollte einer der vertragschließenden Teile trotz friedlichen Verhaltens von einer dritten Macht oder von mehreren dritten Mächten angegriffen werden, so wird der andere vertragschließende Teil während der ganzen Dauer des Konflikts Neutralität beobachten.“ Es ist wichtig festzustellen, dass während der tschechoslowakischen Krise die Sowjetregierung den Standpunkt eingenommen hat, dass sie bei einem deutschtschechoslowakischen Konflikt Deutschland in jedem Falle als den Angreifer betrachten würde. Es kommt somit darauf an, sozusagen die „bona fides“ wiederherzustellen, die gegebenenfalls die Zubilligung „friedlichen Verhaltens“ bei der Bestimmung des Angreifers zu Gunsten Deutschlands bedingen würde. Es wäre hierzu etwa folgendes erforderlich: 1.) Feststellung, dass zwischen Deutschland und der Sowjetunion keine Streitpunkte bestehen, die sich auf lebenswichtige Fragen beziehen, und dass weder Deutschland an die Sowjetunion noch die Sowjetunion an Deutschland eine lebenswichtige Forderung hat. 2.) Erklärung über die deutschen Absichten in Bezug auf Polen. 2 3
1250
Vgl. Dok. 471, 475. Vgl. Reichsgesetzblatt 1926, Teil II, S. 359–362; DVP, Bd. IX, Dok. 141, S. 250–252.
7. 6. 1939 Nr. 500 3.) Auswertung der Tatsache, dass die Sowjetunion durch die zwischen Deutschland und den Baltischen Staaten abgeschlossenen Nichtangriffspakte4 eine zusätzliche Sicherheit erhalten hat. 4.) Formelle Bestätigung, dass sich der deutsch-sowjetische Neutralitätsvertrag vom 24. April 1926 unverändert in Kraft befindet. ---------------------------5. Über die in Ziffer 1–4 erwähnten Maßnahmen hinaus könnte an ein Übereinkommen gedacht werden, das das Verhältnis zwischen der deutschen und der sowjetischen Flotte in der Ostsee regelt. Ferner könnte dieses Übereinkommen einbeziehen eine Regelung zur Sicherung der Handelswege in der Ostsee. An einer solchen Vereinbarung dürfte deutscherseits Interesse bestehen. Angesichts der Vermehrung der sowjetischen baltischen Kriegsflotte ist Deutschland zu einer ständigen Vermehrung seiner Seestreitkräfte in der Ostsee gezwungen. Mit anderen Worten: Deutschland muss Kriegsschiffe in der Ostsee unterhalten, die ihm sonst in der Nordsee zur Verfügung stehen würden. Ferner ist die Sicherung der Erzverschiffung von Schweden nach Deutschland für uns eine Frage von vitaler Bedeutung. Ein Vorliegen einer deutsch-sowjetischen Abmachung über die Handelswege könnte im Falle eines deutsch-polnischen Konfliktes von nicht geringem Vorteil sein. Schließlich würde ein deutsch-sowjetisches Übereinkommen in der Ostsee nicht verfehlen, einen Einfluss auf die übrigen Ostsee-Staaten auszuüben und insbesondere Finnland und Schweden in ihrer Widerstandkraft gegen Beeinflussungsversuche seitens der Sowjetunion und Englands zu stärken. Auch die Sowjetunion dürfte ein Interesse an einer Ostsee-Regelung haben. III. Maßnahmen auf wirtschaftlichem Gebiet: Beim Zustandekommen einer wirtschaftlichen Vereinbarung müsste ausgemacht werden, dass die Deutsche Regierung das Recht erhält, das vor 1 ½ Jahren geschlossene Deutsche Generalkonsulat in Leningrad wieder zu eröffnen. Dagegen könnte der Sowjetregierung das Recht zugestanden werden, das frühere SowjetGeneralkonsulat in Hamburg wieder zu eröffnen. Die konsularischen Vertretungen sind notwendig im Hinblick auf die durch das Wirtschaftsabkommen zu erwartende Zunahme des beiderseitigen Schiffsverkehrs. IV. Andere Fragen: Eine etwaige Normalisierung der Beziehungen zwischen Deutschland und der Sowjetunion müsste unbedingt ausgenutzt werden, um eine Erleichterung der Lage der verhafteten Reichsangehörigen in der Sowjetunion durchzusetzen und zwar durch eine großzügige allgemeine und beschleunigte Ausweisungsaktion sowie durch weitgehende Begnadigung der zu langjährigen Freiheitsstrafen Verurteilten. Des Weiteren müssten die hiermit zusammenhängenden Fragen (Entlassung von Ehefrauen Reichsangehöriger aus der Sowjetstaatsangehörigkeit, Heimschaffung in der Sowjetunion zurückgebliebener Kinder von ausgewiesenen Reichsangehörigen, Liquidierung von zurückgelassenem Hausbesitz, Transferierung hinterlegter Rubeldepots und Sparguthaben ausgewiesener Reichsangehöriger) einer Regelung zugeführt werden. 4
Vgl. Dok. 497, Anm. 6.
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Nr. 501
9. 6. 1939
PA AA, Moskau 560, Bl. 178668-178672 Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 490, S. 549–551.
Nr. 501 Aufzeichnung der Unterredung des Volkskommissars für Außenhandel Mikojan mit dem Legationsrat in Moskau Hilger Nr. 501 9. 6. 1939 9. 6. 1939 [9.6.1939] GESPRÄCH ZWISCHEN DEM VOLKSKOMMISSAR DES NKVT Gen. MIKOJAN und Herrn HILGER IN ANWESENHEIT DES STELLV. HANDELSVERTRETERS Gen. BABARIN, 8. Juni 1939 Gen. MIKOJAN: Ich habe Ihren Vorschlag überdacht und ich muss sagen, dass meine Zweifel, dass die bisherigen Verhandlungen ein politisches Spiel waren, nach wie vor nicht zerstreut sind. Ich bitte der deutschen Regierung zu übermitteln, dass wir der Reise von Herrn Schnurre hierher unter der Bedingung zustimmen, dass unsere letzten Vorschläge angenommen werden.1 Herr HILGER: Herr Volkskommissar, wenn ich dies der deutschen Regierung übermittele, glaube ich, dass dabei nichts Reales herauskommen wird. Gestatten Sie mitzuteilen, dass Sie mit der Reise SCHNURRES zwecks Verhandlungen einverstanden sind, ohne die Bedingung zu stellen, Ihre letzten Vorschläge anzunehmen. Gen. MIKOJAN: Nein, übermitteln Sie Ihrer Regierung dies so, wie ich dies gesagt habe. Wir besitzen keine Garantie, dass die Verhandlungen nicht erneut in ein politisches Spiel umschlagen. Die Verhandlungen wurden einige Male unterbrochen, und jedes Mal durch Ihre Schuld. Wir sind mit der Reise des Herrn SCHNURRE hierher unter der Bedingung einverstanden, dass unsere letzten Vorschläge angenommen werden, nur in diesem Fall wird seine Ankunft kein Spiel, sondern Politik sein. Herr HILGER: Sie bezichtigten mich seinerzeit des Pessimismus, der mir nicht eigen ist, aber eine derartige Fragestellung trägt den Charakter eines Ultimatums und lässt bei mir Zweifel an der Möglichkeit weiterer Verhandlungen bei einer derartigen Fragestellung aufkommen. Was bedeutet es, Ihre letzten Vorschläge anzunehmen? Dies bedeutet, dass die Reise des Herrn SCHNURRE hierher keinen Sinn macht, weil angesichts dieser Bedingungen Herr SCHULENBURG und ich diese Frage zu Ende bringen könnten. Gen. MIKOJAN: Nein, das ist kein Ultimatum. Nur solch eine Fragestellung ergibt Politik. Herr HILGER: Wenn ich meiner Regierung übermittle, dass die Verhandlungen ab dem Punkt, an dem sie abgebrochen wurden, wieder aufgenommen werden, dann rechne ich damit, dass die strittigen Punkte, die es in der Vergangenheit gegeben hat, leichter zu entscheiden sind. 1
1252
Vgl. Dok. 483.
9. 6. 1939 Nr. 501 Gen. MIKOJAN: Es geht nicht um strittige Punkte, sondern um Politik. Herr HILGER: Ich kann da keine politischen Gründe sehen, der Hauptgrund bestand hier in den kurzfristigen Lieferterminen. Gen. MIKOJAN: Ich bin von Ihrer Aufrichtigkeit überzeugt, doch hier geht es nicht um Sie. Herr HILGER: Herr MIKOJAN, stellen Sie sich aber meine Situation vor, wie kann ich meiner Regierung Ihre Bedingungen übermitteln – dies wird das Ende der Verhandlungen bedeuten. Gen. MIKOJAN: Dies wird das Ende des Spiels bedeuten. Ich bitte es so zu übermitteln, wie ich es gesagt habe. Herr HILGER: Angesichts der Bedingung, Ihre letzten Vorschläge anzunehmen, wird nichts herauskommen. Gen. MIKOJAN: Wir wollen auf keine Fortsetzung des politischen Spiels eingehen, warum sollen wir dies erneut riskieren? Herr HILGER: Angesichts dieser Bedingungen sehe ich keine Möglichkeit für die Reise des Herrn SCHNURRE hierher. Gen. MIKOJAN: Sie hatten doch beim letzten Mal gesagt, dass die Hauptschwierigkeit, was auch Sie nicht vermutet hatten, nicht in unseren Vorschlägen bestand, sondern in den Listen der zur Platzierung vorgesehenen Ausrüstungen, und dass die Schwierigkeiten gegenwärtig beseitigt worden sind.2 Herr HILGER: Gestatten Sie mir zu wiederholen, was ich Ihnen gesagt habe. Zum damaligen Zeitpunkt hatten wir eine sehr schwierige Situation bei der Platzierung der Aufträge, aber wir waren überzeugt, dass sie im Zusammenhang mit der Angliederung der Tschechoslowakei bald überwunden sein würden, und wir (ich war und bin aufrichtig) diesen Moment abgewartet haben. Gen. MIKOJAN: Sie sagten beim letzten Mal, dass die Lieferungen die Hauptschwierigkeit seien und die übrigen Schwierigkeiten weggefallen seien. Herr HILGER: Nein, nein, Schwierigkeiten hat es auch in anderen Bereichen gegeben. Gen. MIKOJAN: Dies habe ich nicht gehört. Herr HILGER: Ich bitte Sie, Herr Volkskommissar, mir eine andere Formulierung Ihrer Antwort für meine Regierung zu geben. Gen. MIKOJAN: Ich bitte Sie zu übermitteln, was ich Ihnen gesagt habe. Ich möchte nicht das Risiko einer Wiederholung des politischen Spiels eingehen. Herr HILGER: Ein politisches Spiel gibt es hier nicht. Gute Wirtschaftsbeziehungen bestimmen die Politik. Gen. MIKOJAN: Die Ankunft des Herrn SCHNURRE wird Politik sein, Herr HILGER. Herr HILGER: Die Ankunft SCHNURRES – ja, aber ohne diese Bedingung, die Sie stellen. Wenn man aber bei der Formulierung der Antwort – Fortsetzung der Verhandlungen – bleibt, so werden Sie dabei doch nichts verlieren. Gen. MIKOJAN: Ein politisches Spiel gewinnt derjenige, der es führt. Ich kann nicht sicher sein, dass Herr SCHNURRE sich auch dieses Mal noch irgendwo aufhalten wird, so wie er sich das letzte Mal in Polen aufgehalten hat.
2
Vgl. Dok. 491.
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Nr. 501
9. 6. 1939
Herr HILGER: Nein, dies wird auf gar keinen Fall passieren. Beim letzten Mal haben ihn in der Tat dringende Geschäfte aufgehalten.3 Bei der jetzigen Konstellation der Frage ergibt sich eine sehr schwierige Lage. Die Angelegenheit läuft darauf hinaus: Komm her und unterschreibe. Gen. MIKOJAN: Sie vereinfachen die Lage etwas. Herr HILGER: Gestatten Sie mir, die Antwort nach eigenem Ermessen zu formulieren. Gen. MIKOJAN: Ich bitte sie so mitzuteilen, wie ich es gesagt habe. Herr HILGER: Dann werden wir uns eine lange Zeit nicht sehen. Von unserer Seite wurde diese Frage immer seriös betrachtet. Gen. MIKOJAN: Vielleicht von Ihnen persönlich. Herr HILGER: Sie haben mir ein sehr schwieriges Problem bereitet. Nun gut, ich werde heute meine Regierung informieren, aber besser wäre es, überhaupt nichts zu berichten, weil dies doch alles sinnlos sein wird.4 Gen. MIKOJAN: Wie es Ihnen beliebt. Damit endet das am 8. Juni stattgefundene Gespräch. Aufgezeichnet hat Babarin. Am Ende des Dokuments ist die Anzahl der Exemplare vermerkt: Geschr. 3 Expl. 9/VI.39. RGASPI, f. 84, op. 1, d. 146, l. 4–7. Original.
3 4
Vgl. Dok. 451. Weizsäcker entwarf am 12.6.1939 ein Telegramm an Tippelskirch, in dem er Folgendes mitteilen ließ: „Deutsche Regierung ist bereit, Schnurre nach Moskau zu entsenden mit Vollmacht, über Verbreiterung und Vertiefung Wirtschaftsbeziehungen zwischen Reich und Sowjetunion zu verhandeln und, wenn Übereinstimmung hergestellt, abzuschließen.“ In: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 514, S. 592–593, hier S. 592. Ob das Telegramm abgesandt wurde, ist nicht bekannt.
1254
13. 6. 1939 Nr. 502 Nr. 502 Bericht des Volkskommissars für Fernmeldewesen Peresypkin an den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin und den Vorsitzenden des Rates der Volkskommissare Molotov Nr. 502 13. 6. 1939 13. 6. 1939 Ganz geheim Expl. Nr. 1 Nr. 6372 ss1 13. Juni 1939 AN DEN SEKRETÄR DES ZK DER VKP (B) Gen. I.V. STALIN VORSITZENDEN DES RATES DER VOLKSKOMMISSARE DER UdSSR Gen. V.M. MOLOTOV „Zur Bekämpfung der Radiointervention“2 Die Leistung der Rundfunksender der kapitalistischen Staaten Europas im Mittel- und Langwellenbereich beträgt insgesamt 7013 Kilowatt, die der UdSSR 1153 Kilowatt.3 Die Leistung der Kurzwellen-Rundfunksender Deutschlands, Polens und Italiens entspricht 1425 Kilowatt (insgesamt 29 Rundfunksender), dagegen gibt es in der UdSSR nur zwei derartige Sender mit einer Leistung von 130 Kilowatt.4 Die faschistischen Staaten nutzen ihren Vorteil, um antisowjetische Rundfunkpropaganda zu führen und unsere Funkverbindungen zu stören.5 Diese Staaten senden täglich mehrmals am Tag gleichzeitig über eigene Rundfunksender ein speziell ausgewähltes antisowjetisches Programm in russischer Sprache im Radio. Die Mehrheit der Sendungen trägt provokativen Charakter. 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Am 13.2.1939 schickte der 1. Stellv. des Volkskommissars für Fernmeldewesen der UdSSR Jarcev an Stalin und Molotov einen Bericht „Zur Bekämpfung der Radiointervention“, der Informationen über die für die UdSSR bestimmten Sendungen ausländischer Rundfunkstationen und Vorschläge für erforderliche Maßnahmen zur Abwehr dieser Tätigkeit enthielt. Vgl. RGANI, f. 3, op. 35, d. 99, l. 12–17. Im Juni 1939 wurde Jarcev verhaftet, und zur Umsetzung der in seinem Bericht enthaltenen konkreten Aufgaben, die vor dem im Mai 1939 zum Volkskommissar für Fernmeldewesen ernannten Peresypkin standen, musste ein neuer Bericht an die oberste Führung übermittelt werden, der sich in seinen Schlussforderungen auf die Informationen stützte, die in dem Bericht Jarcevs enthalten waren. 3 Laut Information des Volkskommissars für Fernmeldewesen waren „im europäischen Teil der Sowjetunion fast alle Mittelwellen-Sendestationen der kapitalistischen Staaten Europas gut zu empfangen“. In: RGANI, f. 3. op. 35, d. 99, l. 15. 4 In dem Bericht Jarcevs hatte es u.a. geheißen: „Die faschistischen Staaten setzen noch nicht alle technischen Mittel ein, die ihnen zur Verfügung stehen, und zudem bauen sie neue leistungsstarke Kurzwellenstationen, die für die Verstärkung der Radiointervention eingesetzt werden können.“ In: RGANI, f. 3, op. 35, d. 35. d. 99, l. 14. 5 In dem Bericht Jarcevs wurde die Notwendigkeit zur Bekämpfung der Radiopropaganda auch mit den Gefahren für die Verteidigungsfähigkeit des Landes verknüpft: „Die Anwesenheit einer Reihe von diplomatischen Vertretungen der faschistischen Länder in Moskau verschafft ihnen die Möglichkeit, eine Korrektur der feindlichen Sendungen vorzunehmen und den Sonderdienst zur Desinformation der Roten Armee und der Bevölkerung der Sowjetunion auf die Kriegszeit vorzubereiten.“ In: RGANI, f. 3, op. 35, d. 99, l. 12.
1255
Nr. 502
13. 6. 1939
Italien zum Beispiel sendet in russischer Sprache im Namen eines angeblich auf dem Territorium der UdSSR befindlichen Radio-Senders, der zur Organisation „Bund zur Befreiung des russischen Volkes“ gehört. Deutschland sendet ebenfalls in russischer Sprache im Namen eines angeblich auf dem Territorium der UdSSR befindlichen Untergrund-Senders einer gewissen Organisation, die sich „Leninsche Garde“ nennt. Um diesen und anderen ähnlichen Sendungen einen Riegel vorzuschieben, setzen wir alle Mittel ein, die dem Volkskommissariat für Fernmeldewesen zur Verfügung stehen. Dafür ist es erforderlich, für relativ lange Zeitspannen unsere Sender vom Netz zu nehmen. Trotz der Unterbrechung der Funkverbindungen und der Radiosendungen können wir selbst die wichtigsten Zentren der UdSSR nicht schließen, insbesondere nicht für deutsche Rundfunksendungen.6 *Eine solche Lage ist nicht hinnehmbar. Es ist erforderlich, nach dem Beispiel des Fernen Ostens, wo auf Beschluss des ZK der VKP (B) und des SNK der UdSSR vom 5. September 1937 16 Radiostationen zur Abwehr der antisowjetischen Rundfunksendungen Japans gebaut worden sind*7, leistungsstarke Rundfunksender im europäischen Teil der UdSSR zu errichten, die die antisowjetischen Rundfunksendungen der faschistischen Staaten verhindern könnten. Ein Entwurf für den Bau solcher Stationen wurde vom Volkskommissariat für das Fernmeldewesen ausgearbeitet. Es müssen insgesamt 11 Rundfunksender mit einer Kapazität von 2300 Kilowatt auf Mittel- und Langwelle und 4 Rundfunksender auf Kurzwelle mit einer Kapazität von 600 Kilowatt gebaut werden. Die ungefähren Kosten für diese Rundfunksender belaufen sich auf 360 Millionen Rubel. Die für dieses Bauvorhaben erforderlichen Fachkräfte sind vorhanden, es sind dies die Kader, die die 16 Rundfunksender im Fernen Osten errichtet haben und die im Zuge der Beendigung der Bauarbeiten freigestellt worden sind. Neben dem Bau von leistungsstarken Rundfunksendern zum gegenwärtigen Schutz der wichtigsten Zentren unserer Sowjetunion vor antisowjetischen Sendungen ist es erforderlich, 1939 in den Betrieben und Werkstätten des Volkskommissariats für Fernmeldewesen Sender von geringer Leistungsstärke zu bauen, wofür 8 Millionen Rubel erforderlich sind. Muster derartiger Sender sind von uns vorbereitet worden. Die große Anzahl von antisowjetischen Sendungen, ihre plötzliche Ausstrahlung und der Wellenwechsel während der Sendung verfolgen das Ziel, die Schließung zu vermeiden. Dies zwingt dazu, diese Sendungen ständig zu verfolgen, die Taktik und die Mittel, über die der Gegner verfügt, zu studieren sowie alle unsere Mittel entsprechend zu organisieren. In der Radioverwaltung des Volkskommissariats für Fernmeldewesen ist eine Sondergruppe geschaffen worden, die diese gesamte Arbeit leitet. Der Arbeitsumfang macht es erforderlich, diese Gruppe als Abteilung zu organisieren und außer6 Am 30.1.1939 übertrugen 26 Rundfunkstationen Deutschlands, Italiens und einiger anderer europäischer Staaten auf Mittelwelle die zweistündige Rede Hitlers. „Zur Verhinderung dieser Übertragung wurden sämtliche Störsender im europäischen Teil der Sowjetunion eingesetzt, jedoch blieb die Mehrzahl der Zentren der UdSSR offen, darunter auch Moskau.“ In: RGANI, f. 3, op. 35, d. 99, l. 16. 7 Der gekennzeichnete Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen.
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14. 6. 1939 Nr. 503 dem einen Sonderdienst zur Bekämpfung der Radiointervention innerhalb der Sowjetunion einzurichten. Den Entwurf eines Beschlusses zur Erhöhung der Verteidigungsmittel und zur Schaffung eines Sonderdienstes füge ich bei und bitte um eine entsprechende Entscheidung.8 Anlage: das Erwähnte in 9 Blatt.9 VOLKSKOMMISSAR FÜR DAS FERNMELDEWESEN DER UdSSR I. PERESYPKIN Oben befindet sich der Vermerk A.N. Poskrebyševs mit rotem Farbstift: Von Gen. Peresypkin. Vermerk mit Bleistift: 13.VII. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. [Die Exemplare] 1–2 an die Adresse, das 3. [Exemplar] zur Akte SŠO, das 4. zur Akte RU. Auf Kopfbogen des Volkskommissars für das Fernmeldewesen geschrieben. RGANI, f. 3, op. 35, d. 99, l. 18–28, hier 18–19. Original.
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Nr. 503 Lagebericht des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Molotov Nr. 503 14. 6. 1939 14. 6. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 2 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 146/s1 Berlin, 14.VI.39 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN Gen. MOLOTOV (Politischer Bericht) Die letzten Tage verliefen hier ohne besondere Vorkommnisse. All das, was in der ersten Dekade des Juni passiert ist (der Besuch von Paul2, die Reden Hitlers, die Pakte mit den Balten3, der Anschein einer friedlichen Besinnung in den Beziehungen mit England im Zusammenhang mit der Rede von Halifax4, Gespräche über 8 Vgl. die Beschlüsse des Politbüros des ZK der VKP (B) vom 2.9.1939 und 2.10.1939. In: Lubjanka. Stalin i NKVD-NKGB-GUKR „Smerš“, Dok. 81, 85. 9 Wird nicht veröffentlicht. Vgl. RGANI, f. 3, op. 35, d. 99, l. 20–28. 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der jugoslawische Prinzregent Paul hielt sich vom 1. bis 5.6.1939 zu einem offiziellen Besuch in Deutschland auf. 3 Vgl. Dok. 497, Anm. 6. 4 Lord Halifax hatte am 8.6.1939 vor dem Oberhaus eine Rede gehalten.
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einen möglichen Kompromiss mit Polen), gehört bereits der Vergangenheit an. Wenn man darauf eingehen will, ist Folgendes festzuhalten. Die Reden Hitlers trugen einen ausgesprochen aggressiven, antienglischen Charakter, und genauso wurden sie hier von den ausländischen Beobachtern wahrgenommen. Die Ausfälle sowohl in der Rede vor Frontkämpfern in Kassel5 als auch in der Rede vor den „Condor-Legionären“6 richteten sich in der Hauptsache gegen England. Frankreich wurde zwar nicht speziell genannt, war jedoch gemeint, als Hitler über Versailles und über die „Plutokratien“ sprach. Jedenfalls richtete sich der Hauptakzent gegen England, und dies wurde so interpretiert, dass der Führer beabsichtige, einen Keil zwischen England und Frankreich zu treiben, um auf diese Weise letzteres zu neutralisieren. Speziell an die Adresse Englands gerichtet waren auch die Reden von Raeder und Epp7, in denen die Kolonien behandelt wurden und die wie eine Ergänzung der Rede Hitlers wirkten. Gegen England war auch das Feuer in der Presse gerichtet, darunter auch in satirischen Zeitschriften. Selbst die Rede von Halifax wurde von der Presse aufgespießt. Die Ziele dieser antienglischen Kampagne können unterschiedlich interpretiert werden. Es gibt die Auffassung, dass die Deutschen gerade diese Einschüchterungsmethode als besonders geeignet betrachten, um letzten Endes eine Annäherung an England zu erreichen. Ob dies so ist oder nicht, ist ungewiss, aber die Tatsache, dass die verstärkte Kampagne gegen England fortgesetzt wird, verdient es, notiert zu werden. Der Umstand aber, dass diese Kampagne mit der Kolonialfrage verknüpft wird, zeigt, dass die Deutschen hier auch eigenständige Ziele verfolgen und nicht nur die Taktik der Einschüchterung betreiben. Was die UdSSR anbelangt, so ist es durchaus bemerkenswert, dass weder sie noch der *„Bolschewismus“ in den beiden Reden des Führers, so auch nicht in der „spanischen“ Rede, erwähnt wurden. Obgleich dieses Schweigen an sich noch nichts bedeutet, wurde der spanische*8 Kontext doch von Hitler und seinen Nachbetern bis jetzt buchstäblich noch kein einziges Mal angesprochen, ohne ihn mit dem „Bolschewismus“ in Verbindung zu bringen und ihn mit allen möglichen Schimpfwörtern an unsere Adresse zu belegen. Aber dann, als er über Spanien und noch dazu vor den von dort zurückgekehrten Kämpfern sprach, verknüpfte Hitler die deutsche Unterstützung für Franco mit einem antienglischen und offen revanchistischen Moment, das bis zum Krieg von 1914 zurückging. Es ist interessant, dass die Deutschen sogar in dem Film über den Krieg in Spanien9, der übrigens unter Verwendung unserer Aufnahmen erstellt wurde, auf übliche antisowjetische Ausfälle verzichtet haben. **Dies hinterließ natürlich den Eindruck, dass das prosowjetische Manöver (bildlich gesprochen) in der *deutschen Politik der letzten zwei Monate etwas breiter angelegt worden ist, als dies vielen anfangs als möglich 5
Am 4. Juni 1939. Vgl. Domarus, Hitler. Reden und Proklamationen, Bd. II/1, S. 1205–
1208. 6 7
Am 6. Juni 1939 in Berlin, vgl. ebd., S. 1209–1211. Großadmiral Raeder und Reichsleiter General Ritter von Epp hielten am 9.6.1939 Reden auf der Versammlung des Deutschen Auslandsinstituts. 8 Der Text ist unterstrichen und am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. 9 Es ist wohl der Dokumentarfilm „Im Kampf gegen den Weltfeind“ (1939, Ufa, Regie: Karl Ritter) gemeint. Die Uraufführung erfolgte am 16.6.1939 im Ufa-Palast am Zoo, höchstwahrscheinlich gab es eine frühere Pressevorführung. In dem Film wird besonderes Augenmerk auf die Rückkehr und den Empfang der deutschen Freiwilligen gelegt.
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14. 6. 1939 Nr. 503 erschien.*10 Dieser Eindruck wurde noch dadurch erhärtet, dass sowohl in der Rede Rosenbergs als auch in dem Artikel von Goebbels (in der vergangenen Woche11) mit keinem Wort der „Bolschewismus“ erwähnt wurde.**12 Der gemeinsame Ton beider Reden zeichnet sich jedoch durch eine größere Aggressivität als üblich aus. Der Wunsch nach Frieden (und sonstige salbungsvolle Phrasen) spielten dieses Mal kaum eine Rolle. Die Reden verbreiteten eine betont militante Stimmung, die nicht so sehr in den Redetexten an sich zum Vorschein kam, als vielmehr in dem unüblich wütenden und hysterischen Ton. Dies fällt mit dem Posieren Hitlers als Feldherr zusammen, das er in seinem Auftreten in letzter Zeit zeigte. Am stärksten beunruhigt zeigten sich die ausländischen Beobachter jedoch von der Bemerkung des Führers (gegen Ende der ersten Rede13), dass das Ziel, der Krieg, bevorstehe, und dass dieses Ziel Großdeutschland sei, d.h., die Schaffung von Großdeutschland ist noch nicht vollendet und somit sind die territorialen Aspirationen noch nicht verwirklicht. Es ist kaum daran zu zweifeln, dass sie sich nicht auf Danzig und den Korridor beschränken werden, lediglich die notorischen Advokaten Deutschlands propagieren dies. Die Polen weisen durchaus begründet darauf hin, dass allein wegen Danzig Deutschland keine derart teuren Festungsanlagen errichtet und überhaupt kein derart umfangreiches militärisches Programm entlang seiner östlichen Grenzen (von den westlichen ganz zu schweigen) in Angriff genommen hätte. Schließlich gibt es in der Kasseler Rede ein Moment, das Stoff für Gespräche über Meinungsverschiedenheiten in der deutschen Führungsspitze bietet. Dies ist die Drohung des Führers, alle unzuverlässigen und alle nicht hundertprozentigen „Soldaten“ im Geiste zu entfernen, wer sie auch sein mögen.14 Die Mehrheit neigt dazu, darin eine Anspielung auf Göring zu erkennen, in dem die Mehrheit der Beobachter die Personifizierung einer relativen Mäßigung und der Vernunft, als Gegengewicht zu den Stimmungen des Revanchismus und der Aggressivität, sehen möchte, von denen der Führer, angespornt von Ribbentrop, erfasst ist. Äußere Anzeichen für eine „Ungnade“ sind jedoch im Falle Görings nicht bemerkbar. Im Gegenteil, er nahm aktiv und im Vordergrund stehend an den Zeremonien der letzten Zeit teil. Goebbels trat weniger hervor, er hielt sich im Hintergrund und machte sich überhaupt kleiner. Doch revanchierte er sich, indem er an der Seite des Führers zur Woche der Kunst in Wien15 in Erscheinung trat. Deshalb bleibt die Frage offen, wen der beiden Hitler gemeint haben könnte. Es wird ferner angenommen, dass Hitler niemanden der Führungspersonen gemeint habe, sondern generell die Übriggebliebenen der alten Reichswehrleute der Schule von Fritsch und Blomberg. Es ist schwierig, mit Sicherheit zu sagen, welche der Versionen näher an der Wahrheit ist. Was die eine Zeit lang kursierenden Gerüchte über einen Danziger Kompromiss unter aktiver Beteiligung Englands betrifft, so sind diese Gerüchte gegenwärtig 10 11
Der Text ist mit blauem Farbstift unterstrichen. „Der neue Stil“ (10. Juni 1939): In: Joseph Goebbels: Die Zeit ohne Beispiel. Reden und Aufsätze aus den Jahren 1939/40/41, München 1941, S. 164–168. 12 Die beiden Sätze sind am Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. 13 Vgl. die Rede Hitlers in Kassel am 4.6.1939 auf dem 1. Großdeutschen Reichskriegertag. In: Domarus, Hitler. Reden und Proklamationen, Bd. II/1, S. 1208. 14 Vgl. ebd., S. 1207. 15 Vom 4. bis 11.6.1939 fand in Wien die 6. Reichstheaterfestwoche statt.
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verstummt. Zweifellos haben die Engländer den Boden für einen Kompromiss sondiert (die Gespräche Burckhardts, die Unterredungen Hendersons mit Brauchitsch usw.). In diesem Zusammenhang erklang auch die bekannte Rede von Halifax, der jedoch die Deutschen eine recht grobe Antwort erteilten. Aber offenbar haben die Deutschen selbst, nachdem sie damit angefangen hatten, Gerüchte über ihre Bereitschaft zu lancieren, sich allein mit Danzig zufriedenzugeben, diese Variante schnell aufgegeben. Und auch die Polen ließen sich nicht von solch einer Perspektive verlocken, denn sie verstanden, dass eine derartige Entscheidung die Deutschen im Prinzip nicht zufriedenstellen und lediglich eine kurze Atempause bedeuten würde. Dafür *gewinnt jetzt erneut die Version Oberhand, wonach die Deutschen fest entschlossen sind, Danzig zusammen mit dem Korridor*16 (und vielleicht auch die gesamte Vorkriegsgrenze) zu bekommen und den Polen Rechte einzuräumen, die denen ähneln, die die Polen den Deutschen im Korridor angeboten haben, d.h. eine freie Zone in Danzig und Wege nach Gdingen. Dies hat mir heute der bulgarische Gesandte17 eindringlich erläutert, der meint, dass, wenn unser Bündnis mit England verwirklicht wird, die Deutschen unverzüglich zu militärischen Operationen schreiten würden, um der Entwicklung und der militärischen Ausgestaltung dieses Bündnisses zuvorzukommen. Falls aber dieses Bündnis nicht zustande kommen sollte, so würden die Deutschen Danzig und den Korridor ohne Krieg auf dem Wege diplomatischen Drucks bekommen. Selbst der Bulgare versuchte leidenschaftlich mich davon zu überzeugen, dass es für die UdSSR unzweckmäßig wäre, ein Bündnis mit England einzugehen, indem er versicherte, dass wir uns dann mit Deutschland im umfassenden Sinne zu allen, beide Seiten interessierenden Fragen verständigen könnten. Wie dem auch sei, *das polnische Moment bleibt in der deutschen Politik vorerst aber an erster Stelle*18. Die Kampagne gegen Polen wird in den Zeitungen und Zeitschriften unvermindert fortgeführt, sowohl in Bezug auf Danzig als auch in Bezug auf die Minderheiten. Die teilweisen Truppenverlegungen werden fortgeführt. Mit einem Wort: es spricht alles dafür, dass diese Frage auf die Tagesordnung gesetzt worden ist und die Deutschen entschieden haben, deren Lösung, wenn nicht in den nächsten Wochen, so doch in den nächsten Monaten in Angriff zu nehmen. Zu dem Aufenthalt der Balten und Pauls hier habe ich dem, was in den Tagebüchern enthalten ist, nichts hinzuzufügen. Die Kontakte mit den Balten werden mit der bevorstehenden Reise des Stabschefs der Reichswehr nach Finnland und Estland19 ergänzt. Was die Gerüchte über weitere Besuche betrifft, so spricht man jetzt darüber, dass der italienische König20, Franco und der bulgarische Premierminister21 wahrscheinlich hierher kommen werden, und später wahrscheinlich auch der bulgarische Zar22. All dies ist jedoch nicht für die nächsten Wochen vorgesehen, sondern für etwas später. Wahrscheinlich hält Berlin diese Karten zu16 17 18 19
Der Text ist unterstrichen und am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. Parvan Draganov. Der Text ist unterstrichen und am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. Es geht um den Besuch des Generalstabschefs des Heeres Halder vom 26. bis 29.6. in Estland und vom 29.6. bis 3.7.1939 in Finnland. 20 Viktor Emanuel III. 21 Georgi Kjoseivanov. 22 Boris III.
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14. 6. 1939 Nr. 504 sammen mit anderen Manövern gegen die sogenannte „Politik der Einkreisung“ in Reserve. Geschäftsträger der UdSSR in Deutschland Astachov AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 61, l. 101–97. Veröffentlicht in: DVP, Bd. XXII, Dok. 370, S. 464–467.
Nr. 504 Schreiben des kommissarischen Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Gorodinskij an den Volkskommissar für Außenhandel Mikojan Nr. 504 14. 6. 1939 14. 6. 1939 Ganz geheim Expl. Nr. 1 Ausgangs-Nr. 441/s1 Berlin, 14.6.39 An den Volkskommissar für Außenhandel Gen. A.I. MIKOJAN Genosse Volkskommissar! Mit diesem Schreiben schicke ich Ihnen das ausführliche Erklärungsschreiben des Gen. Roman PEVZNER2, das er nach seiner Haftentlassung abgefasst hat. In diesem Schreiben schildert Gen. Pevzner in aller Ausführlichkeit die Umstände seiner Verhaftung und die Behandlung durch Vertreter von Polizei, Gestapo und des sogenannten Gerichtsorgans während seiner Zeit in deren Obhut.3 Diese Leute haben, mit Verlaub zu sagen, zweifellos auf Weisung von oben beabsichtigt, eine regelrechte Provokation sowohl gegen unseren Genossen als auch offenbar gegen die sowjetische Handelsvertretung durchzuführen. Die ursprünglich gegen Gen. Pevzner erhobene Anschuldigung, er habe gegen die Valutabestimmungen Deutschlands verstoßen, war in sich derartig abwegig, dass sie im Prinzip beim ersten Besuch unserer Genossen (Gen. Točilin und Atroščenkov) bei Gen. Pevzner in Anwesenheit des Ermittlungsbeamten der Gestapo hinfällig wurde. Sodann wurde eine zweite Anschuldigung erhoben: Landesverrat durch die Übergabe von Geheimpapieren und Wirtschaftsspionage (Artikel 88 und 89 des deutschen Strafgesetzbuches). Nach diesen Artikeln besteht das Strafmaß für Deutsche in der Todesstrafe, für Ausländer in 10 Jahren Haft. Aber die Artikel 46 und 89 des gleichen 1 2 3
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Wird nicht veröffentlicht. Vgl. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 3130, l. 52–57. Am 28.5.1939 leitete Mikojan ein Telegramm aus Berlin an Stalin weiter, in dem die Verhaftung von Pevzner mitgeteilt wurde. In dem Begleitschreiben stellte er insbesondere folgende Vermutung an: „Wenn er bis dahin nicht angeworben worden ist, so haben die Deutschen ihn offenbar verhaftet, um ihn anzuwerben und anschließend in die Sowjetunion zu entlassen.“ In: Moskva–Berlin 1920–1941, Bd. 3, Dok. 192, S. 276.
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Strafgesetzbuches lauten: „Falls kein Verbrechen verübt wurde, falls dem Staat kein Schaden entstanden ist, falls lediglich die Absicht eines Verbrechens bestand, davon aber Abstand genommen wurde, so wird ein solches Vergehen nicht bestraft.“4 Offensichtlich waren alle Bemühungen der deutschen Seite darauf gerichtet, Gen. Pevzner zu provozieren und ihn des Verstoßes gegen diese Artikel des Strafgesetzbuches zu überführen, nur vergaßen „die Herren“ oder wollten vergessen, dass Kraft der allgemeinen Lieferbedingungen vom 20.3.1935, die von der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland und vom Russland-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft angenommen worden sind5, sowjetische Organisationen das Recht haben, in Deutschland technische Zeichnungen zur Nutzung in der Sowjetunion zu kaufen. Außerdem sind bei jeder in Deutschland getätigten Bestellung die Firmen verpflichtet, technische Zeichnungen der zum Verkauf stehenden Anlage zur Einsichtnahme vorzulegen. Und schließlich ergibt sich aus Sinn und Inhalt der „Allgemeinen Lieferbedingungen“, dass sowjetische Organisationen aus Deutschland Muster der neuesten Errungenschaften der Technik importieren. Es ist natürlich, dass wir, wenn wir unseren Ingenieur- und Abnahmeapparat in verschiedene Gebiete Deutschlands entsenden, diese mit deutschen Firmen zusammenbringen, von denen sie im Sinne einer sorgfältigen Überprüfung und Abnahme der Ausrüstungen Daten zur Ermittlung der Qualität für bereits gekaufte Dinge und Angaben zur Feststellung der technischen Neuheiten, die wir zu erwerben wünschen, einholen müssen. Unter diesen Bedingungen kann man gegen jeden unserer Mitarbeiter, von den Bestimmungen des Strafgesetzbuches ausgehend, eine ähnliche Anklage wie die gegen Gen. Pevzner erhobene Anschuldigung fabrizieren, und dies wird eine normale Tätigkeit der Handelsvertretung der UdSSR aus dem Gleis bringen. Gen. Mikojan, ich lenke Ihre Aufmerksamkeit deshalb darauf, weil ich meine, dass die Rechtsstellung unserer verantwortlichen Mitarbeiter der Handelsvertretung in Deutschland nicht in ausreichendem Maße gesichert ist, und eine gewisse Schuld weise ich dabei unserer Bevollmächtigten Vertretung zu. Laut Vertrag mit Deutschland ist die Handelsvertretung ein untrennbarer Bestandteil der Bevollmächtigten Vertretung und auf der Grundlage des Wirtschaftsabkommens der UdSSR mit Deutschland vom 12.10.1925 und der Noten bei dessen Unterzeichnung unter Nr. 1, § 2, Absatz 1 vom selben Datum besitzen von 10 verantwortlichen Mitarbeitern der Handelsvertretung der Handelsvertreter, 2 seiner Stellvertreter und 7 Mitglieder des Rates der Handelsvertretung das Recht auf Exterritorialität6. Von dieser vertraglichen Verpflichtung, im Prinzip zum Schutz der Mitarbeiter der Handelsvertretung vor Übergriffen der Gestapo und anderer deutscher Organisationen, wird von der sowjetischen Seite selbst kein Gebrauch gemacht. Leider haben 4 Artikel 46 lautet: „Der Versuch als solcher bleibt straflos, wenn der Täter die Ausführung der beabsichtigten Handlung aufgegeben hat, ohne dass er an dieser Ausführung durch Umstände gehindert worden ist, welche von seinem Willen unabhängig waren, oder zu einer Zeit, zu welcher die Handlung noch nicht entdeckt war, den Eintritt des zur Vollendung des Verbrechens oder Vergehens gehörigen Erfolges durch eigene Tätigkeit abgewendet hat.“ In: Strafgesetzbuch mit allen wichtigen Nebengesetzen und Verordnungen, hrsg von Otto Schwarz, München/Berlin 1939 (7. Aufl.), Art. 46/ S. 87, Art. 88–89/S. 164–166. 5 „Allgemeine Lieferbedingungen für Lieferungen aus Deutschland nach der UdSSR“, 20.3.1935. In: PA AA, R 94734, Bl. E 664199-664209. 6 Vgl. DVP, Bd. VIII, Dok. 342, S. 589, 618; Reichsgesetzblatt 1926, Teil II, S. 14.
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14. 6. 1939 Nr. 504 sowohl die Bevollmächtigte Vertretung und das NKID als auch das NKVT dieser Seite der Angelegenheit eine sehr geringe Aufmerksamkeit geschenkt. Dafür Beispiele: *1) 2 Mitarbeiter der Handelsvertretung, Gen. Michin und Gen. Nejmark, sind offiziell Mitglieder des Rates der Handelsvertretung und, unbeschadet dessen, dass das deutsche Außenministerium ihnen*7 die Beglaubigung als Mitarbeiter der diplomatischen Mission der Sowjetunion ausstellte, gewährte es ihnen nicht das Recht auf Exterritorialität, sondern gab ihnen das Recht, sich für Beistand an die Polizei zu wenden. Eine derartige Verletzung unseres Rechts auf Exterritorialität für diese Genossen durch das Außenministerium blieb bei unserer Bevollmächtigten Vertretung ohne Beachtung. **2) Für die Bevollmächtigte Vertretung kam es völlig unerwartet, als sie erfuhr, dass Gen. Lebedev ein Mitglied des Rates der Handelsvertretung ist. 3) Im August 1938 wurde Gen. Točilin nach Österreich abkommandiert, um die Geschäfte des ehemaligen Handelsvertreters in Österreich, Gen. Rubinštejn, zu übernehmen. Die Bitte des Handelsvertreters der UdSSR in Deutschland, Gen. Davydov, Gen. Točilin einen Diplomatenpass auszustellen, wurde von der Bevollmächtigten Vertretung in Person des Rates Gen. Astachov kategorisch abgelehnt. *Das Gebäude der Handelsvertretung in Österreich, in dem sich Gen. Točilin aufhielt, wurde von einer Meute faschistischer Banditen mit Steinen bombardiert*8.**9 4) Auf meine Bitte an die Bevollmächtigte Vertretung, an Gen. Astachov, für Gen. Potapov, der bei uns für das Flugwesen arbeitet, den gewöhnlichen Pass in einen Dienstpass umzutauschen, erhielt ich ebenfalls eine Ablehnung. Dies alles zeugt von der unzulänglichen Sorge der Bevollmächtigten Vertretung (Gen. Astachov), die Rechte der Mitarbeiter der Handelsvertretung auf *einem uns fremden Territorium zu gewährleisten. Ich bin der Ansicht, dass die Bevollmächtigte Vertretung dringend einer Weisung darüber bedarf, dass sie verpflichtet ist, alle Anstrengungen zum Schutze der Mitarbeiter der Handelsvertretung und der sowjetischen Gesellschaften in Deutschland – sowjetischer Staatsbürger – zu unternehmen und sie als Angehörige der Vertretung zu betrachten.*10 Die hässliche Tatsache der Inhaftierung des Gen. Pevzner hat noch einmal bestätigt, dass sich der Rat der Bevollmächtigten Vertretung, Gen. Astachov, zur Verhaftung selbst überaus gleichgültig verhielt und über Tage hinweg überhaupt keine Initiative ergreifen11, nicht einmal die Ursachen für die Inhaftierung unseres Mitarbeiters Gen. Pevzner durch deutsche Organe ergründen wollte.12 Und alles das, was 7 8 9
Der Text ist am linken Seitenrand angestrichen und mit dem Vermerk NB versehen. Der Satz ist mit blauem Farbstift unterstrichen. Die beiden Absätze sind am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen, Punkt 2) ist am linken Seitenrand mit einem Fragezeichen versehen. 10 Der Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift zweimal angestrichen. 11 Vgl. Dok. 493, Anm. 5. 12 In dem von Gorodinskij am 27.5.1939 an Mikojan gesandten Telegramm hieß es: „Heute, am 27., wurde der Leiter der Abteilung „Stankoimport“ Pevzner verhaftet. Er befindet sich bei der Gestapo. Der Rat der Bevollmächtigten Vertretung hat ihn aufgesucht. Einzelheiten sind wegen der Feiertage nicht vor dem 30. Mai in Erfahrung zu bringen.“ In: Moskva – Berlin 1920–1941, Bd. 3, Dok. 192, Anlage, S. 277. Zur Involvierung von Astachov und anderen Mitarbeitern der Bevollmächtigten Vertretung in die Angelegenheit von Pevzner, der verhaftet wurde, siehe Dok. 493 und das Begleitschreiben Astachovs vom 14.6.1939 zu den Erläuterun-
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wir dazu erfuhren und zur Information an Sie senden konnten, hatten wir selbst zusammen mit dem 1. Sekretär der Bevollmächtigten Vertretung Gen. Ivanov unternommen. Wir sprechen hier noch nicht einmal über die vielfachen gemeinen Verhöhnungen unserer Bürger bei der Einreise über die Grenze nach Deutschland, die sich in *Leibesvisitationen mit völliger Entkleidung, Geschimpfe ihnen gegenüber seitens der deutschen Grenzorgane äußerten, worüber wir stets unsere Bevollmächtigte Vertretung in Kenntnis setzten*13, die sich ausnahmslos gleichgültig zu allem verhielt.14 *Wir erachten es gleichfalls als notwendig, Ihre Aufmerksamkeit, Gen. Mikojan, auf die Rechtslage des Direktors unserer Bank (der Garkrebo) Gen. Čižov zu lenken, der nicht einmal einen Dienstpass besitzt.*15 Ich würde es für erforderlich halten, unser Recht auf Exterritorialität für 10 Mitarbeiter der Handelsvertretung in Anspruch zu nehmen und unserer Bevollmächtigten Vertretung dazu entsprechende Weisung zu erteilen. Kommissarischer HANDELSVERTRETER DER UdSSR IN DEUTSCHLAND Gorodinskij, M.16 Anlage: Das Erwähnte.17 Vermerk mit Tinte: Gelesen, Andreev 1/VII 38.18 Oben rechts befindet sich der Vermerk mit Tinte über den Erhalt mit der Eingangs-Nr. 352 vom 14.6.1939.19 Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 2 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. zu den Akten. Auf Kopfbogen der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland geschrieben. RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 3130, l. 48–51. Original.
gen von Pevzner über dessen Verhaftung, seinen Aufenthalt im Gefängnis von Moabit und seine Freilassung; vgl. AVP RF, f. 082, op. 22, p. 93, d. 8, l. 38, 37-32. 13 Der Text ist unterstrichen und am linken Seitenrand mit blauem Farbstift zweimal angestrichen. 14 Die Bevollmächtigte Vertretung erhob auf Weisung des NKID wiederholt beim AA Protest wegen der Verletzung der Rechte sowjetischer Bürger bei der Grenzkontrolle zur Einreise nach Deutschland. Vgl. den Bericht von Michel’s an Potemkin vom 16.1.1938 mit der Auflistung derartiger Zwischenfälle und der Reaktion der Bevollmächtigten Vertretung auf sie. Vgl. AVP RF, f. 05, op. 18, p. 142, d. 60, l. 2–4. Entsprechende Demarchen bei der Botschaft Deutschlands wurden auch in Moskau unternommen, die zugleich die Warnung enthielten, dass die sowjetische Seite Gegenmaßnahmen ergreifen werde. Vgl. AVP RF, f. 082, op. 21, p. 88, d. 2, l. 11–9. 15 Der Absatz ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. 16 So im Dokument; richtig: Gorodinskij, T. 17 Vgl. Anm. 2. 18 So im Dokument. 19 So im Dokument.
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14. 6. 1939 Nr. 505 Nr. 505 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Molotov Nr. 505 14. 6. 1939 14. 6. 1939 GEHEIM Expl. 1 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 149/s1 Berlin, 14.VI.39 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN Gen. MOLOTOV Hochverehrter Vjačeslav Michajlovič, falls sich unsere Gespräche mit den Deutschen nicht auf Handels- und Kreditfragen beschränken, sondern auch politische Momente berühren, so schiene es mir nützlich, diese gleichzeitig der deutschen Regierung in Berlin zur Kenntnis zu bringen. Dies wäre sicherlich auch deshalb nicht unnütz, da Schulenburg kein sonderliches Vertrauen bei Ribbentrop genießt, und letzterer kann dessen Mitteilungen auch anders auffassen. Das würde uns außerdem die Gelegenheit verschaffen, von den hiesigen Leitern gewisse Zusicherungen zu bekommen oder zumindest zu uns interessierenden Momenten unmittelbar aus erster Hand zu erhalten. Womit unsere Verhandlungen in Moskau auch enden mögen, so könnte eine gewisse Verstärkung der Kontakte mit den Deutschen hier für uns von Nutzen sein, zumindest im Hinblick auf Informationen. Wenn wir andererseits den Deutschen irgendetwas zu sagen wünschen, was uns nicht sonderlich verpflichtet, so wäre es in einigen Fällen angebrachter, dies hier zu tun, da uns dies weniger bindet als das, was in den Mauern des NKID von Mitgliedern der sowjetischen Regierung direkt gesagt wird. Ich erlaube mir, diese Überlegungen zu Ihrer Prüfung vorzulegen.2 Mit kameradschaftlichem Gruß Geschäftsträger der UdSSR in Deutschland G. Astachov Oben rechts von der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 3160 vom 3.8.1939.3 Am Ende des Dokuments ist die Anzahl der Exemplare vermerkt: 1 Expl. 1 – an den Adressaten. 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. In der Akte liegt ein für Molotov angefertigter Vermerk, der den Inhalt des Briefes zusammenfasst: „Genosse Astachov berichtet, dass *Schulenburg* (der deutsche Botschafter in Moskau) *kein besonderer Vertrauter Ribbentrops* ist. Er [Astachov] bittet uns daher, die deutsche Regierung über die Ergebnisse unserer Verhandlungen mit den Deutschen zu unterrichten, wenn sie sich nicht nur auf Kreditangelegenheiten beschränken, sondern auch politische Punkte betreffen.“ [Der gekennzeichnete Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen.] In: AVP RF, f. 06, op. 1, p.7, d. 66, l. 89. 3 So im Dokument.
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Nr. 506
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AVP RF, f. 06, op. 1, p. 7, d. 66, l. 84. Original. Veröffentlicht in: DVP, Bd. XXII, Dok. 369, S. 464.
Nr. 506 Aufzeichnung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre Nr. 506 15. 6. 1939 15. 6. 1939 Berlin, den 15. Juni 1939 e. o. W IV 2242/39 Aufzeichnung 1) Der deutsch-sowjetische Handelsverkehr hat in den letzten Jahren eine fortdauernde Schrumpfung erfahren. Einem nahezu unbegrenzten deutschen Bedarf an sowjetischen Rohstoffen stand 1938 nur noch eine deutsche Einfuhr aus der Sowjetunion von rund 50 Mill. RM gegenüber. Das erste Vierteljahr 1939 ergab ein weiteres Absinken der sowjetischen Rohstoffeinfuhr auf 6 Millionen RM. 2) Der deutsche Rohstoffmangel und die Tatsache, dass wir Rohstoffe aus der Sowjetunion gegen Zahlung in Reichsmark oder gegen Lieferung von deutschen Industrieerzeugnissen beziehen können, haben dazu geführt, dass nach Mitteln gesucht wurde, um die Sowjetregierung zu einer Steigerung ihrer Rohstofflieferungen zu bewegen. Hierbei zeigte es sich, dass die Sowjetregierung nicht abgeneigt ist, mit uns ein Abkommen über eine Verbreiterung des gegenseitigen Warenverkehrs zu schließen unter der Voraussetzung, dass wir a) der Sowjetregierung einen langfristigen Kredit im Betrage von nicht unter 200 Mill. RM gewähren, b) Wünsche der Sowjetregierung bezüglich der Lieferung bestimmter hochwertiger deutscher Erzeugnisse einschließlich Rüstungsmaterial erfüllen. 3) Hiervon ausgehend sind im Februar d. J. Verhandlungen mit der Sowjetregierung aufgenommen worden1 mit dem Ziele, sowjetische Rohstofflieferungen im Werte von 300 Mill. RM im Laufe der nächsten zwei Jahre sicherzustellen. Gleichzeitig wurde der Sowjetregierung von deutscher Seite ein Kredit von 200 Mill. RM mit einer Laufzeit von sechs Jahren und einer Verzinsung von 5% angeboten, wobei der Sowjetregierung die Möglichkeit gegeben werden sollte, auf Grund dieses Kredits Bestellungen binnen zwei Jahren in Deutschland unterzubringen. 4) Auf diesen deutschen Vorschlag erklärte die Sowjetregierung, dass sie in den nächsten 2 Jahren Rohstoffe nur für 100 Mill. RM nach Deutschland liefern könne. Im Laufe der Verhandlungen ist es schließlich gelungen, von der Sowjetregierung die Zusicherung zu erhalten, dass sie ihr Rohstoffangebot auf 160 Mill. RM erhöhen wolle. 5) Hinsichtlich des Kredits besteht die Sowjetregierung auf einem Mindestbetrag von 200 Mill. RM und fordert eine Laufzeit von sieben Jahren bei einer Verzin-
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Vgl. Dok. 405 bis 408.
15. 6. 1939 Nr. 506 sung von 4½ %. Sie will ferner die Möglichkeit haben, die Bestellungen à conto des Kredits binnen eineinhalb Jahren in Deutschland unterzubringen. Dagegen hat die Sowjetregierung ihre ursprüngliche Forderung, die deutschen Lieferungen mit Schuldverschreibungen auf den Inhaber oder mit Globalwechseln zu bezahlen, fallengelassen und – unserer Forderung gemäß – sich bereit erklärt, Wechsel für jedes Einzelgeschäft auszustellen. 6) Bei der Wiederaufnahme der Verhandlungen soll in erster Linie versucht werden, das letzte sowjetische Rohstoffangebot zu erhöhen. Die Wünsche des Herrn Reichswirtschaftsministers2 und des Beauftragten für den Vierjahresplan3 gehen dahin, die von den Russen angebotenen Rohstofflieferungen in Höhe von 160 Mill. RM um 30 Mill. RM in Gold (als Rohstoffe gedacht) zu erhöhen. Ob dies in den Verhandlungen gelingen wird, ist sehr zweifelhaft. Es ist wahrscheinlich, dass die Sowjetregierung hartnäckig bei ihrem Februar-Angebot bleiben wird. 4 Wenn sie sich im Laufe der Verhandlungen zu einer Erhöhung bereitfindet, wird diese Erhöhung wahrscheinlich nicht das von unserer Seite gewünscht Ausmaß erreichen. In anderen Punkten, Verzinsung usw., wird eine Kompromisslösung erreichbar sein. 7) Wir müssen uns darüber klar sein, dass ein nochmaliges Scheitern der Verhandlungen den Schlussstrich unter unsere Bemühungen setzen wird, die Wirtschaftsbeziehungen mit der Sowjetunion wieder auf eine breitere Grundlage zu stellen. Auch politisch würde ein Scheitern der Verhandlungen einen erheblichen Rückschlag bedeuten. Wir werden infolgedessen im Falle meiner Entsendung nach Moskau aus wirtschaftlichen und politischen Gründen auch dann mit den Russen abschließen müssen, wenn eine wesentliche Erhöhung des letzten Februar-Angebots der Russen nicht erreicht werden sollte, es sei denn, dass die politische Situation sich in der Zwischenzeit durch eine etwaige Unterzeichnung des englischsowjetischen Bündnispaktes entscheidend verändern würde. gez. Schnurre Auf erstem Blatt oben: Dir. W[iehl] PA AA, R 106230, Bl. 452614-452616. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 530, S. 608–609.
2 3 4
Walther Funk. Hermann Göring. Vgl. Dok. 412.
1267
Nr. 507
15. 6. 1939
Nr. 507 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Molotov Nr. 507 15. 6. 1939 15. 6. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 1 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 150/s1 Berlin, 15.VI.39 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN Gen. V.M. MOLOTOV Hochverehrter Vjačeslav Michajlovič, ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf den unhaltbaren Zustand in der militärischen Tätigkeit der Bevollmächtigten Vertretung lenken. Seit Juni 1937 gibt es hier keinen Militärattaché. Der Gehilfe des Militärattachés Gen. Gerasimov war von Oktober [1938] bis Mitte Februar [1939] abwesend (er befand sich in Moskau). Danach wurde er im letzten Drittel des Aprils erneut abberufen und befindet sich seitdem in Moskau. Außer ihm gibt es in der Bevollmächtigten Vertretung keinen einzigen militärischen Mitarbeiter, der einen diplomatischen Rang hätte, der ihm das Recht einräumte, Außenkontakte herzustellen. Man muss sich wohl kaum über die negativen Seiten dieses Sachverhaltes auslassen. Ohne auf Details der militärischen Tätigkeit einzugehen, muss ich auf den äußerst spürbaren Mangel sogar für die politische Tätigkeit der Bevollmächtigten Vertretung hinweisen, der sich aus dem Fehlen von Kontakten zu ausländischen Militärattachés ergibt und der deshalb fehlenden Möglichkeit, an verschiedene Informationen zu kommen und diese zu überprüfen, die für eine richtige Orientierung von Bedeutung sind. Unterdessen ist die Situation so, dass dafür die dringendste Notwendigkeit besteht. Falls die Rückkehr des Gen. Gerasimov hierher aufgeschoben wird und nicht mit einer schnellen Ankunft eines anderen militärischen Mitarbeiters aus Moskau zu rechnen ist, möchte ich vorschlagen, zur Linderung [der Situation] dem Sekretär des Militärattachés, Gen. Savenkov, einen diplomatischen (Militär)Rang zu verleihen. Dies würde ihm die Möglichkeit verschaffen, sich mit militärischen Repräsentanten der uns freundschaftlich verbundenen Länder zu treffen, und es würde wenigstens zum Teil die bestehende Lücke füllen. Der diplomatische Rang würde die **eigentliche**2 Arbeit des Gen. Savenkov nicht behindern, und wenn ein Militärattaché kommt, könnte dies eine willkommene Unterstützung für die Tätigkeit des letzteren sein.3 1 2 3
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. In der Akte ist die Kopie des an Vorošilov adressierten Begleitschreibens des Gehilfen des Volkskommissars Kozyrev abgelegt, mit dem jenem am 26.6.1939 im Auftrag von Molotov eine Kopie des Schreibens von Astachov übersandt wurde. In: AVP RF, f. 06, op. 1, p. 7, d. 66, l. 93. Auf dem Schreiben, das im Sekretariat des Volkskommissars für Verteidigung einging, gibt es einen mit Bleistift geschriebenen Vermerk: „Die Frage wurde vorgelegt und wird von Gen. Proskurov entschieden“. In: RGVA, f. 33987, op. 3a, d. 1237, l. 385. Savenkov wurde der Rang eines Hauptmanns verliehen.
1268
15. 6. 1939 Nr. 508 Geschäftsträger der UdSSR in Deutschland G. Astachov Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretärs des Volkskommissars des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 2689 vom 26.06.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 1 Expl., 1 an die Adresse. AVP RF, f. 06, op. 1, p. 7, d. 66, l. 94–95 Original.
Nr. 508 Aufzeichnung der Unterredung des Leiters der Politischen Abteilung im AA Woermann mit dem bulgarischen Gesandten Draganov Nr. 508 15. 6. 1939 15. 6. 1939 Berlin, den 15. Juni 1939 Der Bulgarische Gesandte suchte mich heute auf und teilte mir vertraulich Folgendes mit: Der sowjetrussische Geschäftsträger, zu dem er keine irgendwie intimen Beziehungen habe, habe ihn gestern ohne sichtlichen Anlass aufgesucht und sei 2 Stunden bei ihm geblieben. Das lange Gespräch, bei dem nicht mit Sicherheit zu erkennen gewesen sei, ob es die persönlichen Ansichten des Herrn Astachoff oder die Ansichten der Sowjetregierung wiedergegeben habe, lasse sich etwa folgendermaßen zusammenfassen: Die Sowjetunion stehe der augenblicklichen Weltlage zögernd gegenüber. Sie schwanke zwischen drei Möglichkeiten, nämlich dem Abschluss des Paktes mit England und Frankreich, einer weiteren verzögernden Behandlung der Paktverhandlungen und einer Annäherung an Deutschland. Gefühlsmäßig läge der Sowjetunion diese letzte Möglichkeit am nächsten, wobei weltanschauliche Fragen nicht mitzuspielen brauchten. Dazu kämen andere Punkte, so z. B. dass die Sowjetunion den rumänischen Besitz Bessarabiens nicht anerkenne. Hindernd sei aber die Furcht vor einem deutschen Angriff, entweder durch die Baltischen Staaten oder durch Rumänien. Der Geschäftsträger habe in diesem Zusammenhang auch auf „Mein Kampf“ hingewiesen. Wenn Deutschland die Erklärung abgeben würde, dass es die Sowjetunion nicht angreifen wolle oder mit ihr einen Nichtangriffspakt abschließen würde, so würde die Sowjetunion wohl von dem Vertragsabschluss mit England absehen. Die Sowjetunion wisse jedoch nicht, was Deutschland eigentlich wolle, wenn man von gewissen, aber nur sehr unklaren Anspielungen absehe. Manche Umstände sprächen auch für die zweite Möglichkeit, nämlich die Paktverhandlungen mit England und Frankreich weiterhin dilatorisch zu behandeln. In diesem Fall würde nämlich die Sowjetunion bei einem etwa ausbrechenden Konflikt **weiter**1 freie Hand haben. Herr Draganoff erzählte weiter, dass er dem Sowjetrussischen Geschäftsträger gegenüber erklärt habe, dass Deutschland nach seiner Ansicht gegenüber der Sowjetunion keine aggressiven Absichten haben könne, wobei er auch darauf hingewie1
Das Wort ist über die Zeile geschrieben.
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Nr. 509
17. 6. 1939
sen habe, dass sich die Situation auch anderen Ländern gegenüber geändert habe, seitdem „Mein Kampf“ geschrieben worden sei. Er habe Russland den Vorwurf gemacht, dass es Rumänien zur Dobrudscha verholfen habe2, was der Geschäftsträger ausschließlich auf das Konto der Zaristischen Regierung schieben wollte. Herr Draganoff wiederholte zum Schluss nochmals, dass er keine Anhaltspunkte dafür habe, warum ihm Herr Astachoff diese Eröffnung gemacht habe. Er erwog die Möglichkeit, dass dies doch mit der Absicht geschehen sei, dass Herr Draganoff uns darüber berichten werde. gez. Woermann Auf erstem Blatt unten: R.A.M., St. S. [mit Unterstreichung und Paraphe von Weizsäcker], U.St. Gaus, H. Botschafter Graf Schulenburg. PA AA, R 29712, Bl. 111425-111427. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 530, S. 607–608.
2
Nr. 509 Aufzeichnung der Unterredung des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg mit dem sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov Nr. 509 17. 6. 1939 17. 6. 1939 Berlin, den 17. Juni 1939 Geheim! e.o. W 923 g Abschrift Aufzeichnung Ich habe heute Mittag dem Geschäftsträger Astachoff den üblichen Besuch gemacht. Gleich nach den einleitenden Worten gab Herr Astachoff seiner Genugtuung Ausdruck, dass die politische Atmosphäre zwischen unseren beiden Ländern sich allmählich besserte. Ich stimmte dem zu und erwähnte, dass in der letzten Zeit die deutsche Presse sicherlich kaum zu Beanstandungen für die Sowjet-Regierung Anlass gegeben hätte. Auch der Ton der Sowjetpresse hätte sich gebessert, so seien die früher üblichen unfreundlichen Karikaturen verschwunden, andererseits seien sowohl in Presse wie Rundfunk noch immer Entgleisungen festzustellen. Herr Astachoff meinte dazu, dass es in der Sowjetunion Zeit erfordere, Weisungen solcher Art bis zu den letzten Stellen durchzubringen. Das Gespräch kam dann durch Astachoff auf seine letzte Unterredung mit dem Herrn Staatssekretär.1 Seine Darlegungen überzeugten mich, dass er alles, was ihm der Herr Staatssekretär gesagt hatte, richtig verstanden und auch weitergegeben hat. Auf meine Frage, warum er bisher die von uns erwartete Antwort (geplante Dauer 2 Der größere, nördliche Teil der Dobrudscha wurde im Berliner Vertrag von 1878 Rumänien zugeschlagen, der kleinere, südliche Teil, der zu Bulgarien gehörte, wurde infolge des Zweiten Balkankrieges durch Rumänien annektiert und Ende 1918 im Vertrag von Neuilly-surSeine – an dem Sowjetrussland nicht beteiligt war – rechtlich an Rumänien angeschlossen. 1
1270
Freiherr von Weizsäcker; vgl. Dok. 486, 490.
17. 6. 1939 Nr. 509 der Tätigkeit der Handelsdelegation in Prag und die von Astachoff in Aussicht gestellte Erläuterung der Äußerungen Molotows betreffend Zusammengehen von Politik und Wirtschaft im deutsch-russischen Verhältnis) schuldig geblieben sei, sagte er, er habe eine Mitteilung aus Moskau bekommen, wonach die Antwort mir in Moskau gegeben werden sollte. Ich erwiderte ihm, dass es mir nützlich scheine, wenn diese von Sowjet-Seite beabsichtigte Antwort bald käme. Astachoff sagte, er wolle sofort telegrafieren, dass man die Antwort hier erwartet habe. Ebenso wie Herr Astachoff es neulich dem Bulgarischen Gesandten gegenüber ausgedrückt hatte2, sagte er mir bei dieser Gelegenheit, dass die Äußerungen des Herrn Staatssekretärs eigentlich recht vage und sehr allgemein gehalten gewesen wären. Ich habe Herrn Astachoff erwidert, dass meiner Ansicht nach die Mitteilungen des Herrn Staatssekretärs doch in dem Sinne völlig klar gewesen wären, dass wir auch unsererseits, wie der Botschafter Merekalow angedeutet hatte3, zu einer Normalisierung und Besserung der Beziehungen bereit wären. Russland habe zu wählen. Ich habe hinzugefügt, dass das Gespräch des Herrn Staatssekretärs als eine Antwort gedacht war auf meine Unterredung mit Herrn Molotow4, dass sich auch Herr Molotow damals sehr undeutlich ausgesprochen habe und dass es daher für den Herrn Staatssekretär schwierig gewesen wäre, sich konkreter auszudrücken. Astachoff sprach wiederholt von dem großen Misstrauen, was natürlich nach wie vor in Moskau herrsche und was erst überwunden werden müsse. Im Übrigen erklärte er ganz freimütig, dass gute deutsch-sowjetische Beziehungen für beide Länder nur vorteilhaft sein könnten, denn die ganze Geschichte beweise, dass es Deutschland und Russland immer gut gegangen sei, wenn sie Freunde gewesen wären und schlecht gegangen sei, wenn sie verfeindet gewesen wären. Ich habe in diesem Zusammenhang Astachoff nochmals auf die Bedeutung der Wiederaufnahme der Wirtschaftsverhandlungen hingewiesen. Auf weitergehende Probleme (Japan, Polen, deutsch-sowjetische Verträge) ist das Gespräch nicht gekommen. Ich habe mich weisungsgemäß in dem oben dargelegten Rahmen gehalten.5 gez. Schulenburg PA AA, R 29712, Bl. 111442-111443. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 540, S. 618–619.
2 3 4 5
Parvan Draganov; vgl. Dok. 508. Vgl. Dok. 441, 443. Vgl. Dok. 471, 475. Zur Aufzeichnung Astachovs über das Gespräch vgl. Dok. 512.
1271
Nr. 510
18. 6. 1939
Nr. 510 Schreiben des deutschen Geschäftsträgers in Moskau von Tippelskirch an das AA Nr. 510 18. 6. 1939 18. 6. 1939 Moskau, den 18. Juni 1939 Geheim! Abschrift D/261 W 950 g 1 Anlage An das Auswärtige Amt Berlin Im Anschluss an anderweitige Meldung vom 17.6.391 Inhalt: Unterredung mit dem Außenhandelskommissar Mikojan vom 17.6.39 In der Anlage übersende ich eine Aufzeichnung des Legationsrats Hilger über seine Unterredung mit dem Außenhandelskommissar Mikojan am 17.6.39. Aus der Tatsache, dass Mikojan Herrn Hilger, nachdem er am Vortage bei ihm angemeldet worden war, gleich nach dessen Ankunft empfing, geht hervor, dass Mikojan Wert darauf legt, den Faden nicht abreißen zu lassen. Dass Mikojan sofort auf den deutschen Vorschlag eingehen würde, war bei der Mentalität der Sowjetregierung, die gegenwärtig auf einem hohen Pferd sitzt, und bei ihren bekannten Verhandlungsmethoden wohl kaum zu erwarten. Die ständig wiederkehrende Behauptung Mikojans, dass er hinter unserem Verhandlungsangebot ein politisches Spiel vermute, dürfte nicht allein taktischen Motiven entspringen, sondern zum Teil seine wirkliche Ansicht wiedergeben. Mikojan scheint zu glauben, dass wir den gegenwärtigen Zeitpunkt für die Wirtschaftsverhandlungen mit Vorbedacht gewählt hätten. Dies erhellt auch aus seiner Bemerkung, dass wir uns von einer Wiederaufnahme der Wirtschaftsverhandlungen gerade jetzt einen Vorteil versprächen. Dass Mikojan sich in seiner Antwort der gleichen Formulierung bedient wie das am 16. Juni veröffentlichte Kommuniqué2 über die erste Unterredung Molotows mit dem britischen und französischen Botschafter3 und Strang bildet eine bemerkenswerte Nuance. Hier wie dort wird das Ergebnis als „nicht ganz günstig“ bezeichnet. gez. v. Tippelskirch [Anlage 1] Moskau, den 17. Juni 1939 Geheim Abschrift Anlage zu D/261 1 Anlage 1 2
Telegramm von Tippelskirch an das AA vom 17.6.1939. In: PA AA, R 29712, Bl. 111435. Vgl. „V Narkomindele. Priem tov. Molotovym anglijskogo i francuzskogo poslov i g. Strėnga“ (Im Narkomindel. Empfang des englischen und französischen Botschafters sowie des Herrn Strang durch Genossen Molotov). In: Izvestija vom 16. Juni 1939, S. 1. Dort heißt es: „Die Ergebnisse des ersten Gesprächs und das Bekanntmachen mit den anglo-französischen Äußerungen schätzt man in Kreisen des Narkomindel nicht als vollkommen günstig ein.“ 3 William Seeds und Jean Payart.
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18. 6. 1939 Nr. 510 Aufzeichnung Betr.: Unterredung mit Mikojan am 17.6.39 Nach vorheriger Anmeldung durch die Botschaft empfing mich der Volkskommissar Mikojan heute gleich nach meiner Rückkehr aus Berlin. Ich erläuterte Mikojan den Zweck meiner Reise, wobei ich auf den ungünstigen Eindruck hinwies, den seine letzte Mitteilung vom 8.6.4 bei uns hervorgerufen hatte. Gleichzeitig forderte ich ihn auf, die Tatsache meiner Reise nach Berlin und die Antwort der Deutschen Regierung, die ich mitgebracht hätte, als einen zusätzlichen Beweis für die Ernsthaftigkeit unserer Absichten hinsichtlich der Verbreiterung und Vertiefung der deutsch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen betrachten zu wollen. Darauf verlas ich Herrn Mikojan den mir in Berlin ausgehändigten Wortlaut der Antwort (vgl. Anlage). Der Volkskommissar hörte mit gespannter Aufmerksamkeit zu, während der für Berlin neuernannte stellvertretende Handelsvertreter Babarin, der der Unterhaltung beiwohnte, jedes Wort eifrig mitschrieb. Der Volkskommissar schien von der deutschen Antwort sichtlich beeindruckt. Nichtsdestoweniger erklärte er nach einer kurzen Pause, dass ihn die deutsche Antwort enttäuscht habe, da sie seinen Voraussetzungen nicht entspreche. Hierauf erläuterte ich dem Volkskommissar – auf Grund der in Berlin hierzu erhaltenen Weisungen – den Inhalt der deutschen Antwort sehr eingehend. Ich hob insbesondere das große deutsche Entgegenkommen hervor, das in der Entsendung des Herrn V.L.R. Schnurre und in der Annahme des letzten Sowjetvorschlages als Gegenstand der Verhandlungen zum Ausdruck komme. Ich erinnerte den Volkskommissar daran, dass er in den Februarverhandlungen den letzten sowjetischen Vorschlag nicht als sein letztes Wort, sondern als Gegenstand weiterer Verhandlungen bezeichnet hatte. Ich erinnerte ihn ferner an seine Äußerung in der Besprechung vom 8.6., wo er erklärt habe, dass die Sowjetregierung in der Entsendung des Herrn Schnurre den Beweis dafür sehen werde, dass es der Deutschen Regierung auch mit der „Politik“ ernst sei. Mikojan erwiderte, dass meine beiden letzten Feststellungen durchaus den Tatsachen entsprächen und ich seine Äußerungen richtig wiedergegeben hätte. Nichtsdestoweniger glaube er immer noch nicht, die Sicherheit zu haben, dass es sich bei uns nicht um die Fortsetzung eines politischen Spiels handele, an dem die deutsche Seite gerade im gegenwärtigen Augenblick Interesse habe und von dem sie sich anscheinend Vorteile verspreche. Hierauf erwiderte ich scharf, dass ich seine Behauptungen über ein angeblich von uns betriebenes politisches Spiel nun schon oft genug zurückgewiesen hätte und dass sie durch eine ständige Wiederholung nicht überzeugender würden. Ich könne überhaupt nicht verstehen, welches Risiko der Volkskommissar in der ganzen Angelegenheit für die Sowjetregierung sehe, da nicht die Sowjetregierung einen Sonderbeauftragten nach Berlin delegiere, sondern die Deutsche Regierung Herrn Schnurre nach Moskau entsende und zwar in Übereinstimmung mit der im Januar dieses Jahres von der Sowjetregierung ausgesprochenen Bitte.
4
Vgl. Dok. 501.
1273
Nr. 510
18. 6. 1939
Herr Mikojan erwiderte, dass auch diese meine Feststellung richtig sei, da die Sowjetregierung seinerzeit den ausdrücklichen Wunsch geäußert habe, die Verhandlungen in Moskau zu führen. Hierauf erklärte ich dem Volkskommissar, dass es mir völlig unklar sei, was er denn nun eigentlich von uns wolle und welche Antwort er von der Deutschen Regierung erwartet hätte. Mikojan erwiderte, er hätte auf konkrete Angaben darüber gerechnet, welche Punkte seines letzten Vorschlages wir annähmen und welche nicht. Ich sagte dem Volkskommissar, dass dies aus dem Inhalt der deutschen Antwort und meinen heutigen mündlichen Erläuterungen deutlich hervorginge. Ich möchte ihm daher zum dritten Mal wiederholen, dass, nachdem unsererseits die bestehenden Hindernisse ausgeräumt worden seien, wir auch von der Sowjetregierung ein Eingehen auf unsere Wünsche und eine Erhöhung des sowjetischen Rohstoffangebots mit Bestimmtheit erwarteten. Alle übrigen weniger wichtigen Punkte müssten den von uns vorgeschlagenen Verhandlungen überlassen bleiben. Dieses unser Angebot stelle das Höchstmaß von Entgegenkommen dar. Wenn es auf dieser Basis nicht bald zu konkreten Verhandlungen komme, so würde die Verantwortung hierfür einzig und allein die Sowjetregierung treffen. Der Volkskommissar erklärte hierauf, er könne seine Ansicht, dass die deutsche Antwort „nicht ganz günstig“ sei, leider nicht ändern. Nichtsdestoweniger würde er sie seiner Regierung unterbreiten und mir das Ergebnis mitteilen.5 (gez.) Hilger [Anlage 2] Geheim Deutsche Regierung ist bereit, V.L.R. Schnurre nach Moskau zu entsenden mit Vollmacht über Verbreiterung und Vertiefung Wirtschaftsbeziehungen zwischen Reich und Sowjet-Union zu verhandeln und, wenn gemeinsame Grundlage gefunden, abzuschließen. Aus Tatsache Entsendung bevollmächtigten deutschen Unterhändlers bitten wir Sowjetregierung zu entnehmen, dass Deutsche Regierung mit positivem Abschluss auf verbreiterter Grundlage rechnet und diesen wünscht. Eine vorherige Festlegung auf sowjetischen Gegenvorschlag vom Februar 1939 müssten wir jedoch ablehnen, da gerade dieser Gegenvorschlag Gegenstand der Verhandlungen sein soll. Sowjetregierung könne jedoch zur Kenntnis nehmen, dass wir uns in der Zwischenzeit bemüht hätten, Hindernisse, die uns im Februar noch unüberwindlich erschienen wären, auszuräumen. Wir erwarteten aber, dass auch Sowjetregierung Überprüfung sowjetischer Rohstofflieferungen im Sinne deutscher Wünsche vornehme, um Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung unter künftigem Vertrage herzustellen. Gefertigt in zwei Durchschlägen. PA AA, R 29712, 111436-111440. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 543, S. 622–624.
5 Eine Aufzeichnung von Babarin über dieses Gespräch in: God krizisa 1938–1939, Bd. 2, Dok. 412, S. 38–39.
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20. 6. 1939 Nr. 511 Nr. 511 Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda Nr. 511 20. 6. 1939 20. 6. 1939 20. Juni 1939 ZSg. 101/13/57/Nr. 592 Aus allen Auslandsstimmen sind die Angriffe gegen die Sowjetunion auszumerzen, bevor die Meldungen abgedruckt werden. Deutschland hat aus taktischen Gründen das allergrößte Interesse daran, dass die Sowjetunion nicht angegriffen wird, dagegen können italienische und japanische Stimmen über die Schwierigkeiten der englisch-sowjetischen Verhandlungen und über das Fernostproblem ausführlich behandelt werden. Veröffentlicht in: NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit, Bd. 7/II, S. 594.
Nr. 512 Aufzeichnung der Unterredung des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 512 22. 6. 1939 22. 6. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 2 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 1531 Berlin, 22.VI.39 GESPRÄCH G. ASTACHOVS MIT von der SCHULENBURG 17.VI. Von der Schulenburg kam um 12.30 Uhr zu mir, nachdem er zuvor aus dem Auswärtigen Amt angerufen hatte.2 Er begann mit der Mitteilung, dass Hilger (der Wirtschaftsrat) vor zwei Tagen *nach Moskau abgereist sei und die deutsche Antwort auf den Entwurf Mikojans3 mit sich führe. Seiner Auffassung nach gebe es keine grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten, mit Ausnahme der Frage der Lieferungen und Gegenlieferungen, d.h. der Menge an sowjetischen Rohstoffen, die im Rahmen der Verrechnung der Lieferungen auf Kredit der Einfuhr nach Deutschland unterliegen. Deutschland habe einen sehr dringenden Rohstoffbedarf.*4 Er selbst, Sch[ulenburg], könne nur mit unglaublichen Bemühungen ein paar Rohre bekommen, die er für die Reparatur seines Hauses benötige. Die sowjetische Seite biete indes sehr wenige Rohstoffe an, obwohl sie von Deutschland höchst wertvolle Dinge beziehen möchte. Sch. hoffe jedoch, dass die sowjetische Regierung auf diesem Gebiet Zugeständnisse machen werde und der Entwurf Mikojans in diesem 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Astachov schickte am Tag des Treffens, am 17.6.1939, ein kurzes Telegramm an das NKID über das Gespräch. Vgl. God krizisa 1938–1939, Bd. 2, Dok. 413, S. 40. 3 Vgl. Dok. 491, 501. 4 Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen.
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Nr. 512
22. 6. 1939
Sinne nicht endgültig sei. Was die übrigen Punkte anbelange, so sehe Sch. hier keine Meinungsverschiedenheiten und halte sie insgesamt für annehmbar. Wenn alles nur von der deutschen Regierung abhinge, so könnte Schnurre gleich heute abreisen. Doch die Lage bleibe unklar. Molotov hätte Schulenburg gesagt, dass für erfolgreiche Handelsbeziehungen eine politische Grundlage erforderlich wäre5, doch sei es Sch. nicht gelungen, diese Worte zu vertiefen und zu präzisieren.6 Aber das müsse man machen. Sch. selbst sei der Auffassung, dass die Situation für eine Verbesserung der politischen Beziehungen gegeben sei, die deutsche Regierung erkenne ebenfalls eine Wechselbeziehung zwischen Politik und Wirtschaft an. Dies alles müsse geklärt und präzisiert werden. Die deutsche Regierung hätte *den ersten Schritt mit dem Gespräch Weizsäckers mit mir gemacht7, und damit gerechnet, dass die sowjetische Regierung darauf eine Antwort geben werde. Der Sinn des Gesprächs von W[eizsäckers] sei vollkommen klar: dies sei das Bestreben, den Boden für weitere Gespräche auszuloten. Im Auswärtigen Amt warten alle darauf, dass Sie (d.h. ich - G.A.) ihnen die Antwort mitteilen*8...9 Ich sagte Sch., dass der Volkskommissar meinen Informationen zufolge beabsichtige, die Antwort in Moskau zu geben. Außerdem habe der Volkskommissar sie zum Teil in seiner Rede gegeben.10 Darauf entgegnete Sch., dass bislang in Moskau keine Antwort erfolgt sei. Es stimme, dass er selbst den Volkskommissar seither nicht mehr getroffen hätte. Wenn er im Übrigen gewusst hätte, dass Molotov beabsichtige, ihm die Antwort mitzuteilen, so wäre er wahrscheinlich jetzt sofort nach Moskau abgereist. Er bat mich zu präzisieren, ob er meine Erläuterung in dem Sinne verstehen solle, dass Molotov selbst beabsichtige, über dieses Thema mit ihm, Schulenburg, zu sprechen, oder habe Potemkin vor, dies zu tun? Ich sagte, dass mir dies nicht bekannt sei und mir nur mitgeteilt worden wäre, dass die Antwort in Moskau erfolgen müsse.11 *Danach schickte Sch. sich an, mich eindringlich davon zu überzeugen, dass die Situation für eine Verbesserung der Beziehungen herangereift sei und die Diplomaten beider Seiten zum Erfolg des begonnenen Prozesses mitwirken müssten.*12 Er entnahm der Tasche die auf Kopfbogen des Auswärtigen Amtes geschriebene Aufzeichnung des Gesprächs Weizsäckers mit mir und wiederholte in knapper Form das, was mir Weizsäcker gesagt hatte, als ob er überprüfen wollte, ob ich alles verstanden hätte, und ergänzte und erläuterte außerdem die Ausführungen Weizsäckers. (Es ist anzumerken, dass sich W[eizsäcker] in der Aufzeichnung viel bestimmter zur Frage einer Verbesserung der Beziehungen mit uns ausspricht als in dem Gespräch, das reichlich Vorbehalte beinhaltete. - G.A.). Nachdem Sch. den Aufzeichnungstext des Gesprächs durchgesehen und einige Auszüge vorgelesen hatte, *versicherte er, dass die deutsche Regierung die Beziehungen ernsthaft zu verbessern wünsche, jedoch nicht wisse, wie dies zu machen sei*13. Sie könne sich 5 6 7 8 9 10 11 12 13
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Vgl. Dok. 471. Vgl. Dok. 475. Vgl. Dok. 490. Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. Die drei Punkte so im Text. Vgl. Dok. 489. Vgl. Dok. 490, Bemerkung Potemkins am Ende. Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen.
22. 6. 1939 Nr. 512 nicht dazu entschließen, diese Frage direkt zu stellen, da sie befürchte, einem Affront, einer Absage ( )14 zu begegnen, aber das Bestehen dieses *Wunsches*15 stehe außer Zweifel. Dieser sei auch verständlich, da es keinerlei Widersprüche zwischen der UdSSR und Deutschland gebe. Mit anderen Ländern müsse über territoriale, wirtschaftliche und sonstige Ansprüche gesprochen werden. Hier aber sei im Prinzip alles klar und geregelt. Man müsse lediglich dem, was praktisch bestehe, neues Elixier injizieren. Gerade darin bestehe der Wunsch der deutschen Regierung und deshalb warteten alle im Auswärtigen Amt auf Antworten auf die Fragen, die mir Weizsäcker gestellt hätte. Nachdem ich Sch. zugestimmt hatte, dass wir mit Deutschland keine grundsätzlichen Widersprüche hätten, und ihm das wiederholt hatte, was ich W. über die Vereinbarkeit von ideologischen Gegensätzen mit guten diplomatischen Beziehungen gesagt hatte, bemerkte ich lediglich, dass die Befürchtung der deutschen Regierung, einem Affront zu begegnen, wenn sie von einer Verbesserung der Beziehungen mit uns spreche, unbegründet wäre. Wie auch immer unsere Haltung zu den konkreten Fragen, die uns von deutscher Seite gestellt werden könnten, sein möge, so würde die sowjetische Regierung doch niemals die Initiative zur Verbesserung der Beziehungen, von wem sie auch ausgegangen sein möge, schlecht aufnehmen. Es sei nicht zu befürchten, dass wir einen solchen eventuellen Schritt der deutschen Regierung missbrauchen könnten. Wir hätten aber gute Gründe, skeptisch zu sein, weil wir glaubten (hier führte ich einige Beispiele an), dass die Verschlechterung der Beziehungen, die mit dem Machtantritt Hitlers eingesetzt habe, ausschließlich auf Initiative der deutschen Seite betrieben worden sei. Aus diesem Grunde sei es natürlich, wenn man bei uns meine, dass die Initiative zur Verbesserung von Deutschland ausgehen müsse (all das sagte ich unter dem Vorbehalt, dass dies lediglich meine Mutmaßungen wären, da ich dazu keine direkten Weisungen hätte). Sch. sagte, dass er die Motive sehr gut verstünde, von denen wir uns leiten ließen, wenn wir uns misstrauisch zu den deutschen Absichten verhielten, die Beziehungen zu verbessern. Er versicherte jedoch, dass diese Absichten ernster Natur wären. Hitler hätte er zwar nicht getroffen, dafür aber länger mit Ribbentrop gesprochen, der exakt die Stimmungen des Führers wiedergebe. Mit der Bitte um Vertraulichkeit teilte mir Sch. folgende *Sentenz Ribbentrops mit: „England und Frankreich fürchten wir nicht. Wir haben eine starke Befestigungslinie, über die wir sie nicht lassen werden. Sich aber mit Russland zu verständigen, macht Sinn.“*16 Sch. meint, dass Hitler genauso denke. Sch. selbst habe bereits nach Moskau abreisen wollen, aber Ribbentrop habe ihn im Hinblick darauf, dass der Führer ihn eventuell sprechen wolle, zurückgehalten. Bei der Verabschiedung sagte Sch. dass er im Hotel „Kaiserhof“ wohne, da er in unmittelbarer Nähe des Palastes17 und des Auswärtigen Amtes sein wolle, falls man ihn rufe. Er drückte die Bereitschaft zu einem Treffen aus, sobald sich die Notwendigkeit ergebe. Er kehrte einige Male in unterschiedlichen Varianten zum Thema der Verbesserung der Beziehungen und zu dem Wunsch zurück, aus Moskau eine Antwort zu bekommen. 14 15 16 17
So im Dokument. Das Wort ist mit rotem Farbstift markiert. Der Text ist am rechten Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. Gemeint ist die Reichskanzlei.
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Nr. 512
22. 6. 1939
Ich sagte, dass ich lediglich den Inhalt meines Gesprächs mit ihm an das NKID übermitteln, aber nichts, was darüber hinausgehe, sagen könne. (In der Aufzeichnung, die mir Sch. flüchtig darlegte, gibt es übrigens eine Formulierung von W. über eine Verbesserung der Beziehungen, an die ich mich nicht erinnern kann. Darin ist weiterhin der Hinweis von W. enthalten, dass ein neuer Faktor, der die Möglichkeit einer Änderung der deutschen Politik gegenüber der UdSSR zum Besseren erleichtere, in der Liquidierung des deutsch-polnischen Vertrages bestehe.18 Die Formulierung über den „Kaufladen, in dem es viele Waren gibt“, ist präzisiert. Es wird nun vom „politischen Kaufladen“ gesprochen usw. Insgesamt ist der Ton der Aufzeichnung hinsichtlich eines aktiven Aufwerfens der Frage einer Annäherung bestimmter gehalten, als es das im Gespräch selbst war.)19 Alles in allem saß Sch. ungefähr eine Stunde bei mir. Es ist anzumerken, dass er mich bei seinen früheren hiesigen Aufenthalten kein einziges Mal aufgesucht hat (er war nur bei Gen. Merekalov). Das Gespräch berührte keinerlei allgemeine Themen, sondern drehte sich ausschließlich um das Thema der sowjetisch-deutschen Beziehungen.20 Geschäftsträger der UdSSR in Deutschland G. Astachov Vermerk mit blauem Farbstift: zu den Akten. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 3269 vom 28.6.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Molotov, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. zu den Akten der Bevollmächtigten Vertretung. 22.VI.39. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 59, l. 127–123. Kopie. Veröffentlicht in: DVP, Bd. XXII, Dok. 378, S. 483–48621.
18 19 20 21
Vgl. Dok. 444, Anm. 4. Vgl. Dok. 486. Zur Aufzeichnung Schulenburgs über das Gespräch vgl. Dok. 509. Das Dokument wurde nach eigenen Redaktionsrichtlinien veröffentlicht und auf den Zeitpunkt des Gesprächs datiert.
1278
24. 6. 1939 Nr. 513 Nr. 513 Chiffretelegramm des Residenten der Aufklärungsverwaltung der RKKA in Japan Sorge an den Chef der 5. Verwaltung der RKKA Proskurov Nr. 513 24. 6. 1939 24. 6. 1939 Ostrova1, den 24. Juni 1939 Moskau An den Chef der 5. Verwaltung der RKKA Die Verhandlungen zwischen Deutschland, Italien und Japan zu einem Kriegspakt dauern an.2 Die letzten japanischen Vorschläge beinhalten laut Mitteilung des deutschen [Botschafters] Ott und des Militärattachés Scholl folgende Punkte: 1. Im Falle eines Krieges zwischen Deutschland und der UdSSR schließt sich Japan automatisch dem Krieg gegen die UdSSR an. 2. Im Falle eines Krieges Italiens und Deutschlands gegen England, Frankreich und die UdSSR wird sich Japan ebenfalls automatisch Deutschland und Italien anschließen. 3. In dem Fall, dass Deutschland und Italien den Krieg nur gegen Frankreich und England beginnen (und die Sowjetunion nicht in den Krieg hineingezogen wird), wird sich Japan nach wie vor als Verbündeter Deutschlands und Italiens betrachten, Kriegshandlungen gegen England und Frankreich aber nur in Abhängigkeit von der allgemeinen Lage aufnehmen. Wenn aber die Interessen des Dreierbündnisses es erfordern … (2 Wörter sind verstümmelt), so wird sich Japan dem Krieg unverzüglich anschließen.3 Dieser letzte Vorbehalt wurde unter Berücksichtigung der Haltung der UdSSR gemacht, die, wie es scheint, in den europäischen Krieg hineingezogen werden wird, sowie angesichts der unklaren Haltung der USA. Aktive Kriegshandlungen Japans werden begrenzt sein: im zweiten und dritten Fall wird Japan nicht über Singapur hinausgehen. Laut erstem Punkt werden alle japanischen Kräfte gegen die UdSSR eingesetzt werden. RAMSAJ Veröffentlicht in: Sovetsko-japonskaja vojna 1945, Dok. 113, S. 1574.
1 2
Allem Anschein nach der Deckname für Japan. Am 21.6.1939 erteilte Ribbentrop Botschafter Ott den Auftrag, „einzelne Gespräche“ zum Abschluss eines Vertrages mit Japan zu führen, ohne sich in der Frage der Fristen festzulegen. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 553, S. 631. Zur Haltung Berlins zum Vorschlag Tokios vgl. ebd., Dok. 538, S. 615–618. 3 Ott erhielt am 7.6.1939 inoffizielle Informationen zu entsprechenden japanischen Vorschlägen. Vgl. ebd., Dok. 487, S. 546. 4 Die Erstveröffentlichung dieses Dokuments erfolgte ohne Legende, mit redaktionellen und inhaltlichen Korrekturen. Vgl. SSSR v bor’be za mir nakanune vtoroj mirovoj vojny (sentjabr’ 1938–avgust 1939 g.). Dokumenty i materialy, Moskva 1971, Dok. 342, S. 463.
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Nr. 514
25. 6. 1939
Nr. 514 Telegramm des deutschen Geschäftsträgers in Moskau von Tippelskirch an das AA Nr. 514 25. 6. 1939 25. 6. 1939 Telegramm (geh.Ch.V.) Moskau, den 25. Juni 1939 21 Uhr 07 Ankunft: „ „ „ „ 3 Uhr 15 Citissime! Nr. 111 vom 25. +) W IV 2290 Im Anschluss an Telegramm Nr. 105 vom 17.6. und auf Telegramm Nr. 128 vom 20.6.1 +) Mikojan bat Hilger heute Nachmittag zu sich, um ihm Nachstehendes mitzuteilen: Er habe über Antwort deutscher Regierung gründlich nachgedacht und sei zu folgendem Schluss gelangt. Bevor er der Frage der Herreise Schnurres nähertreten könne, müsse er genau wissen, in welchen Punkten nach deutscher Ansicht *Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und uns beständen*2; er bitte daher, ihm diese Punkte zu nennen. Hilger erwiderte weisungsgemäß, dass, nachdem auf deutscher Seite bestehende Hindernisse ausgeräumt worden seien, die deutsche Regierung erwarte, dass auch die Sowjetregierung ihr letztes Rohstoffangebot erhöhe und damit in Aussicht genommener deutscher Leistung anpasse. Die übrigen noch offenen Punkte würden Gegenstand der Verhandlungen mit Schnurre bilden, der über die hierfür erforderlichen Vollmachten und Kenntnisse verfüge. Unsererseits würde dieser Weg im Interesse der Beschleunigung der Verhandlungen für zweckmäßig gehalten. Mikojan erwiderte, dass er sich trotzdem nicht entschließen könne, erneut ein Risiko einzugehen, da wir ihn schon einmal in eine unangenehme Lage gebracht hätten. Wenn Hilger ihm auf seine Frage eine Antwort nicht geben könne, so möge er in Berlin anfragen und dann wieder bei ihm vorsprechen. Trotz aller Einwendungen Hilgers beharrte Mikojan darauf, dass Hilger seinen Wunsch, Antwort auf Frage nach bestehenden Meinungsverschiedenheiten zu erhalten, der deutschen Regierung übermitteln solle. Tippelskirch Auf erstem Blatt oben in der Handschrift von Weizsäckers: Geduld nicht verl[ieren?]. Am linken Seitenrand Verteilerschlüssel. PA AA, R 29712, Bl. 111449-11450. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 568, S. 658–659.
1 Zu den beiden Telegrammen vgl. die Anmerkung 1 zu ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 543, S. 622. 2 Der Text ist unterstrichen und am Seitenrand angestrichen.
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27. 6. 1939 Nr. 515 Nr. 515 Telegramm des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA Nr. 515 27. 6. 1939 27. 6. 1939 Telegramm (geh.Ch.V.) Moskau, den 27. Juni 1939 17 Uhr 42 Ankunft: 27. Juni 20 Uhr 30 Nr. 113 vom 27/6. Auf Telegramm vom 26.[6.] Nr. 1321 x x) W 9739 Meines Erachtens erklärt sich Mikojans Taktik wie folgt: Mikojan will die Besprechung mit uns nicht abreißen lassen, die Verhandlungen jedoch selbst fest in der Hand behalten, um ihren Verlauf jederzeit zu bestimmen. Es passt der Sowjetregierung gegenwärtig offenbar nicht in den Rahmen ihrer Gesamtpolitik, wenn durch eine Wiederaufnahme der Wirtschaftsverhandlungen, insbesondere einige Reisen eines Sonderbevollmächtigten nach Moskau, eine Sensation entsteht. Die Sowjetregierung glaubt anscheinend, dass wir durch eine Wiederaufnahme der Wirtschaftsverhandlungen gerade im gegenwärtigen Augenblick eine Einflussnahme auf die Haltung Englands und Polens bezwecken und uns hiervon bestimmte politische Vorteile versprechen. Sie befürchtet, dass, sobald wir diese Vorteile erreicht hätten, wir die Verhandlungen wieder versanden lassen würden. Um dieses Misstrauen zu zerstreuen, gibt es m.E. folgende Möglichkeiten: Ich werde beauftragt, Mikojan vorzuschlagen, einen qualifizierten Sonderbeauftragten mit allen erforderlichen Vollmachten nach Berlin zu entsenden, um die Verhandlungen dort fortzuführen und gegebenenfalls zum Abschluss zu bringen. Dieser Weg erscheint mir im Hinblick auf die von Mikojan befolgte Taktik weit mehr Aussicht auf Erfolg zu haben. Falls Mikojan diesen Vorschlag ablehnt, bleibt die Möglichkeit, mich mit der Fortführung der Wirtschaftsverhandlungen in Moskau zu betrauen. Ich behalte mir vor, obige Stellungnahme noch zu ergänzen, sobald ich Gelegenheit gehabt habe, mit Molotow zu sprechen. Schulenburg Am linken Seitenrand Verteilerschlüssel; unten Paraphe von Weizsäckers. PA AA, R 29712, Bl. 111451. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 570, S. 660–661.
1 In diesem Telegramm hatte Weizsäcker um eine Stellungnahme zu dem Telegramm von Tippelskirch (Dok. 514) gebeten. Vgl. ADAP, Ser. D., Bd. VI, Dok. 568, Anm. 3., S. 659.
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Nr. 516
27. 6. 1939 Nr. 516 Berichte des Aufklärungs-Ausschusses Hamburg-Bremen
Nr. 516 27. 6. 1939 27. 6. 1939 Hamburg 11, den 27. Juni 1939 Wir überreichen Ihnen in der Anlage zwei Berichte, die sich mit den Problemen der Politik Russlands befassen. Heil Hitler! Der Aufklärungs-Ausschuss Hamburg-Bremen gez. Dr. Johannsen Hauptgeschäftsführer P.S. Die Reichsministerien sind in der gleichen Weise unterrichtet worden. Streng vertraulich!
UdSSR Nr. 1 Nur für den Dienstgebrauch!
Wer Abschriften dieses Berichtes herstellt oder herstellen lässt oder die Berichte an nicht empfangsberechtigte Personen außerhalb des Dienstgebrauches weitergibt, macht sich strafbar. Das Problem der Russischen Politik In dem Bestreben, eine Front gegen die autoritären Mächte aufzuziehen, ist die Politik der westlichen Demokratien allmählich in eine bedenkliche und weitgehende Abhängigkeit von dem Faktor Russland geraten. In der russischen Politik gehen mehrere Tendenzen nebeneinander her, die nicht immer parallel stehen. Voranstehend erscheint für das Ausland jenes große phantastische weltpolitische Ziel, die kommunistische Wirtschafts- und Staatsform auf alle Länder der Erde zu übertragen. Zu seiner Förderung werden aber auch die realpolitischen Bestrebungen eingesetzt, die vom russischen Volke unmittelbar empfunden werden: die Wiedergewinnung der im Weltkrieg verlorenen alten russischen Gebiete und das Streben nach eigenen offenen Toren zu den großen Ozeanen und den warmen Meeren. Für die künftige Einstellung der russischen Politik kann die Tatsache von grundlegender Bedeutung sein, dass bei den Bündnisverhandlungen zwischen England und Russland beide Teile sich zu dem Standpunkt bekannt haben, dass bei Fragen der Außenpolitik mit Kriegseventualitäten die Verschiedenheit der innerpolitischen und weltanschaulichen Auffassung kein Hindernis für ein Bündnis sein darf, selbst dann nicht, wenn der ideologische Gegensatz der Allerweitgehendste ist, wie zwischen der hochkapitalistischen, pietistischen freiwirtschaftlich geleiteten englischen Monarchie und dem radikal antikapitalistischen, atheistischen, kommunistischen Bolschewismus. Nachdem dieser Standpunkt für Russland und seine Kontrahenten politische Praxis geworden ist, bieten sich aber für Russland auch weitgehende andere Möglichkeiten, und es wird für seine endgültige Einstellung allein auf die Frage ankommen, welche außenpolitische Verbindung seinen internationalen Zielen, seiner Grenzgestaltung und seiner Machtstellung am dienlichsten wäre.
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27. 6. 1939 Nr. 516 Ist es hierfür für Russland besonders empfehlenswert, sich als Verbündeter Polens und Englands an einem Krieg gegen Deutschland praktisch zu beteiligen oder nicht? Ist es lohnend, hierfür den Einsatz der ganzen russischen Wehrmacht und Wirtschaftskraft zu riskieren, mit dem Effekt, dass auch im Falle eines Sieges der Verbündeten lediglich eine Stärkung der polnischen und rumänischen Nachbarn, der Inhaber alter russischer Landgebiete und vor allem seines indischen Nachbarn, Englands, zur Folge haben würde? Man ist sich in Russland wohl klar darüber, da England, durch seine Weltlage bedingt, während der ganzen früheren Geschichte ein interessierter Hinderer Russlands war, im Krimkriege, bei den Balkankriegen, beim Berliner Kongress in der Dardanellenfrage und nicht am wenigsten beim Ausgang des Weltkrieges. Welches Interesse könnte Russland an einem Kriege für England und Polen gegen Deutschland haben? Russland begehrt von Deutschland nicht das kleinste Gebiet, ebenso wenig wie Deutschland von Russland. Grenzstreitigkeiten bestehen nicht, wohl aber das beiderseitige Interesse am verstärkten Warenaustausch. Was Russland und Deutschland in den letzten Jahren in Gegensatz gebracht hat, sind lediglich die ideologischen Verschiedenheiten, die jedoch nach der neuesten Einstellung Russlands keine außenpolitischen Hindernisse mehr bedeuten, und die gegenüber der kapitalistischen englischen Monarchie viel größere sind als gegenüber der deutschen nationalsozialistischen Arbeiterpartei, welche in der Steigerung der Lebenshaltung und des Ansehens der Arbeiterschaft allen anderen Staaten vorbildlich vorangegangen ist. Es ist daher verständlich, dass Moskau gegenüber den englischen Umwerbungen sehr zurückhaltend ist und Litwinow, als den leidenschaftlichen Vertreter dieser Verbindung, ausgeschaltet hat. Es ist auch sehr begreiflich, dass man besonders in der russischen Armee keine große Begeisterung für einen Krieg gegen die deutschen Heere aufbringen kann, deren Kampfkraft man vom Weltkriege her noch in starker Erinnerung hat, und über deren umfangeiche Ausgestaltung und Modernisierung man wohl unterrichtet ist. Russische Gebiete sind nicht zu verteidigen, deutsche nicht zu erobern, sodass jene Elemente vollkommen fehlen, die einem kämpfenden Heere den zum Sieg nötigen Elan geben. Man sagt sich daher in der russischen Armee: Wenn schon Krieg sein muss, Krieg wegen außenpolitischer Interessen, abseits aller ideologischer Fragen, warum dann gerade ein Krieg für Polen gegen Deutschland, der einen ungeheuren, gewinnlosen Einsatz bedingt, während andere Kriege insbesondere ein umgekehrter Krieg mit Deutschland gegen Polen viel risikoloser wären, und die an Polen verlorenen alten weißrussischen und ukrainischen Gebiete wieder zurückbringen würde. So wie das englisch-russische Bündnis von England projektiert war, lässt es sich in seinem Effekt auf die knappe Formel bringen: Alles für Nichts. Russland soll sein Alles im Kriege gegen Deutschland einsetzen, um ein Nichts dafür zu gewinnen, während England dank seiner insularen Lage und erst spät einsetzbaren neuen Wehrpflichtigen nur sehr wenig riskiert und alles zu gewinnen hofft, insbesondere die Wiederherstellung seiner brüchig werdenden [Macht und] politischen Vorherrschaft. Andere Völker würden sich verbluten und England bucht das große Plus nach der alten durch Jahrhunderte bewährten Maxime des „devide et impera“. Das große Interesse, das aber trotzdem Russland an den Verhandlungen mit den demokratischen Staaten hat, besteht darin, in so enge Beziehungen zu ihnen zu
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Nr. 516
27. 6. 1939
treten, dass in diesen Ländern der Kampf gegen den Kommunismus gemindert, die Bildung von Volksfronten erleichtert und damit das große Endziel näher gerückt wird: Der Weltkommunismus. UdSSR Nr. 2 Streng vertraulich!
Nur für den Dienstgebrauch!
Wer Abschriften dieses Berichtes herstellt oder herstellen lässt, oder die Berichte an nicht empfangsberechtigte Personen außerhalb des Dienstgebrauches weitergibt, macht sich strafbar. Von Litwinow zu Molotow Vom Diplomaten zum Soldaten, von der Fiktion zur Realität. So könnte man den Wandel charakterisieren, der sich bei der Behandlung der englischen Bündnisangebote in Russland vollzogen hat. Litwinows Tätigkeit im Völkerbund und im Kartell der Demokratien diente jenen Einkreisungskonstruktionen, bei denen, solange sie Ziel und Wunsch sind, jeder Beteiligte die praktische Auswirkung sich so denkt, wie sie seinen besonderen Interessen am besten entspricht und wobei immer die anderen Partner die Hauptlast im Kriegsfalle zu tragen haben. – Erst dann werden die Nebel gelichtet, wenn anstelle der politischen Fata Morgana die nüchterne Realität der militärischen Konsequenzen tritt, wenn Bindungen über Mobilmachung, Truppeneinsatz, Angriffsobjekte und Aufmarschzeiten treten und vor allem, wenn die harte Wirklichkeit zur Geltung kommt in der Frage, was auch der böse Feind tun kann und tun wird. So hat denn Moskau anscheinend nüchterner geplant, als London und Paris erhofften und hat die Generalstabsbesprechungen, die sonst mit den Kontrahenten nach den politischen Abkommen zu ihrer praktischen Durchführung stattfinden, mit den eigenen militärischen Sachverständigen vorher abgehalten. Bei diesen Kalkulationen über die strategischen Eventualitäten bei Durchführung des Einkreisungskrieges dürften sich Wahrscheinlichkeiten und Möglichkeiten herausgestellt haben, die Moskau dahin führten, die mit so freundlichen Gesten übermittelten Bündnisvorschläge Londons nicht so ohne weiteres anzunehmen. Die voraussichtliche politische Lage, die für alle militärischen Berechnungen die Basis bilden muss, ist schon vor einer Reihe von Jahren gekennzeichnet worden, und zwar von einem, der es wissen musste, von dem früheren englischen Premierminister Baldwin, der seinerzeit erklärte, dass Europa einer Entwicklung zustrebe, die der von 1914 verteufelt ähnlich sei, und der dementsprechend zum ersten Male die für Frankreich und Russland sehr verführerische Fiktion aufstellte, dass Englands Grenze am Rhein liege. Nun ist eine solche Erklärung für den, der sie abgibt billig, sie kostet nicht mehr als das Papier, auf dem sie geschrieben ist, für die in Aussicht genommenen Kontrahenten aber wird sie außerordentlich stimulierend zu verstärkter Einsatzbereitschaft – und das ist der Zweck. – Die Moskauer Generalstabsprüfungen scheinen skeptischer und […]1 zu verlaufen, denn für sie kommt die für ein bündnismäßiges Zusammenwirken klare Beantwortung der entscheidend wichtigen militärischen Fragen in Betracht: 1
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Es fehlt ein nicht entzifferbares Wort.
27. 6. 1939 Nr. 516 Von welchem Zeitpunkt an wird die englische Armee aufgrund der durchgeführten allgemeinen Wehrpflicht in der Lage [sein], wenigstens eine Million ausgebildeter Kämpfer mehr, als gegenwärtig möglich ist, für die Verbündeten einzusetzen ? und ferner: Von welchem Tage nach Kriegsausbruch ist damit zu rechnen, dass die derartig verstärkte englische Armee an ihrer „Grenze am Rhein“ einsatzbereit ist? Die größte Beschleunigung ist deshalb dringend geboten, weil französische Armee wesentlich veränderten Verhältnissen gegenübersteht und im Vergleich zu 1914 mit einer außerordentlich […]2 Gegnerschaft zu rechnen hat. Im Weltkriege fochten Belgien, Portugal und später Italien auf seiner Seite. Heute ist Belgien neutral, Italien auf Gedeih und Verderb mit Deutschland verbündet, und nach der Iberischen Halbinsel hin muss Frankreich erhebliche Heeresteile zur Sicherung gegen Spanien abgliedern, das in so enge Verbundenheit zu Deutschland und Italien getreten ist. Während man noch vor wenigen Jahren in Frankreich mit Sicherheit auf die Bundesgenossenschaft der Kleinen Entente gegen Deutschland baute, wird man heute auf kein einziges dieser Länder rechnen können, wohl aber wäre eine umgekehrte Einstellung möglich. So steht Jugoslawien, das 1914 in erster Linie gegen Deutschland kämpfte, jetzt zu Großdeutschland in freundschaftlichstem Verhältnis, wie dies bei dem Besuch des Prinzregenten in Berlin3 deutlich in Erscheinung trat. Auch Russlands Situation gegenüber 1914 ist, rein äußerlich betrachtet, wesentlich ungünstiger geworden. Es hat im Weltkriege sehr bedeutende Landgebiete wie Finnland, Estland, Lettland, Litauen, Bessarabien und Polen verloren, und zwar trotz der damaligen Bundesgenossenschaft mit England und Frankreich, die heute wieder so eifrig angeboten wird. Diese Landesteile waren von hoher militärischer Bedeutung, nicht nur ihres Volumens wegen, sondern wegen ihrer geographischen Lage an der deutschen Grenze, wegen ihrer Verkehrseinrichtungen und nicht zum wenigsten, weil aus diesen Gebieten ein großer und wertvoller Teil militärischen Führertums und technischer Kräfte stammten. Wenn Russland den Krieg gegen Deutschland aufgrund der englischen Vermittlung künftig mit Polen als Verbündetem führt, dann wird zwar der polnische Teil des Verlustes von 1914 nebst den deutschen Abtretungen an Polen in die russische Kriegspotenz wieder eingereiht, der andere Teil bleibt aber als großes Defizit bestehen. Unberechenbare Bedeutung hat ferner die Tatsache gewonnen, dass Japan, welches im Jahre 1914 auf russischer Seite gegen Deutschland focht, heute in enger Verbundenheit zum neuen Deutschen Reiche und Italien steht. Es ist anzunehmen, dass die derzeitige Bindung des größten Teiles der japanischen Armee durch den Krieg in China früher gelöst sein wird, als bis England die allgemeine Wehrpflicht nicht nur eingeführt, sondern auch durchgeführt hat, sodass zu dem Zeitpunkt, an dem England mit entsprechender Heereskraft als Schirmherr des Rheins funktionieren kann, Japan sich mit einem Achtung gebietenden Teil seiner bewährten Armee in Sibirien einsetzen könnte. 2 3
Es fehlt ein nicht entzifferbares Wort. Prinz Paul von Jugoslawien. Vgl. Dok. 503, Anm. 2.
1285
Nr. 517
28. 6. 1939
Der Vergleich der Kriegschancen zwischen 1914 und 1939 ergibt in der Schlussbilanz ein starkes Defizit zu Ungunsten von Frankreich und Russland, das nicht mehr durch diplomatische Akte und finanzielle Beihilfen ausgeglichen werden kann, sondern ganz allein durch stärksten Menscheneinsatz vonseiten Englands. Angesichts dieser starken Veränderung der Faktoren, die für die Vorbilanz des neuen Weltkrieges von Bedeutung sind, ist es für Russland von entscheidender Wichtigkeit, feststehend zu wissen, von welchem Zeitpunkte an und in welcher Stärke wird der englische Truppeneinsatz am Rhein stattfinden, sodass die schwierige Situation Frankeichs behoben und die verbündeten englisch-französischen Heere den Marsch über Rhein und Elbe antreten, um die russische Armee, die zwischen Oder und Weichsel gegen den Hauptteil der deutschen Kriegsmacht zu kämpfen hätte, zu entlasten. Es ist daher verständlich, dass Russland bei seinen Bündnisverhandlungen gegenüber dem englischen Drängen nach einem schnellen Abschluss ohne die notwendigen positiven militärischen Bindungen sehr vorsichtig und zurückhaltend ist, und dass es die Durchführung der Bündnisverhandlungen vom Diplomaten auf den Soldaten übertragen hat, von Litwinow auf Molotow. BA MA, RW 5/591, o. P., 8 Bl.
Nr. 517 Aufzeichnung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre Nr. 517 28. 6. 1939 28. 6. 1939 Berlin, den 28. Juni 1939 zu W 993 g Aufzeichnung zu dem Telegramm aus Moskau Nr. 113 vom 27. Juni W 993 g1 Die beiden von dem Botschafter angeregten Möglichkeiten – Verhandlungen in Berlin oder Beauftragung der Botschaft in Moskau – liegen nicht in unserem Interesse. 1) Verhandlungen in Berlin. Der einzig wirklich entscheidende Sowjet-Funktionär ist Volkskommissar Mikojan selbst. Bei Verhandlungen in Berlin würde voraussichtlich der hiesige Handelsvertreter2 beauftragt werden, bestenfalls ein Beamter des Mikojan unterstehenden Außenhandelskommissariats. Es würde sich das Schauspiel wiederholen, das wir bei allen deutsch-sowjetischen Verhandlungen in Berlin in letzter Zeit gehabt haben. Der Sowjet-Vertreter würde keinerlei Spielraum für Entscheidungen oder auch nur für Diskussionen haben, er würde aus Furcht vor Moskau wegen jeder noch so unbedeutenden Frage in Moskau zurückfragen, es würde eine endlose Zeit vergehen und Herr Mikojan als spiritus rector würde hinter dem Vorhang eine noch 1 2
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Vgl. Dok. 515. Evgenij Ivanovič Babarin.
28. 6. 1939 Nr. 517 intransigentere Haltung einnehmen, als wenn er selbst am Verhandlungstisch säße. Die Verhandlungen würden entweder wieder versanden oder bestenfalls nach endlos langer Zeit zu einem Wirtschaftsvertrag führen, der wirtschaftlich jedenfalls nicht das darstellt, was wir haben wollen. Abgesehen davon würde der von uns mit den Verhandlungen verfolgte politische Zweck völlig verpuffen. Es wäre politisch gesehen ein Riesenunterschied, ob hier mit einem unbedeutenden Sowjet-Funktionär aus dem Außenhandelskommissariat verhandelt wird, oder durch einen deutschen Sonderbeauftragten in Moskau mit Mikojan selber, der nicht nur Kommissar für Außenhandel ist, sondern auch stellvertretender Vorsitzender des Rats der Volkskommissare. 2) Bei Verhandlungen durch die Botschaft in Moskau würde gleichfalls der von uns verfolgte politische Zweck nicht erreicht werden. Vom politischen Gesichtspunkt aus lag der Wert der von uns betriebenen Wirtschaftsverhandlungen in Moskau darin, auf einem anderen Gleise als über den Botschafter in engere Fühlung mit den Russen zu kommen. Dies würde wegfallen, wenn der Botschafter nunmehr selber die Verhandlungen führt. Vom verhandlungstaktischen Standpunkt aus wäre nochmaligen Verhandlungen durch die Botschaft keine günstige Prognose zu stellen. Da die definitive wirtschaftliche Linie mit den Berliner Ressorts noch nicht abgesteckt ist und auch nach dem jetzigen Verhandlungsstand noch nicht abgesteckt werden kann, wird die Botschaft wegen jeder Änderung in Berlin zurückfragen müssen. Instruktionen an die Botschaft können infolgedessen gar nicht so detailliert sein, dass sie alle Eventualitäten umfassen. Jede Antwort, die von hier nach Moskau in Detailfragen gegeben wird, muss mit dem Ressort besprochen werden. Es wird bei diesem Verfahren genauso gehen wie im Februar, dass die von der Botschaft geführten Verhandlungen entweder durch Schwierigkeiten in Berlin oder durch Schwierigkeiten in Moskau steckenbleiben. 3) Wenn sich infolgedessen Volkskommissar Mikojan aus der politischen Situation heraus nicht mit dem von ihm selbst ursprünglich vorgeschlagenen Verfahren der Verhandlungen in Moskau3 einverstanden erklären kann, wäre es besser, die Frage der Verhandlungen überhaupt zu vertagen, da jeder andere Weg politisch nicht den von uns erwarteten Nutzen haben wird und wirtschaftlich uns nicht die Klarheit über die gegenüber der Sowjet-Union vorhandenen Möglichkeiten bringen wird, die für eine Entscheidung notwendig ist. gez. Schnurre Auf erstem Blatt am Seitenrand Paraphe Woermanns. PA AA, R 29911, Bl. 23209-23211. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 576, S. 669–670.
3
Vgl. Dok. 391.
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Nr. 518
29. 6. 1939
Nr. 518 Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an den Leiter der Berliner Redaktion des „Völkischen Beobachters“ Seibert Nr. 518 29. 6. 1939 29. 6. 1939 29. Juni 1939 Tgb. Nr. A/1364 **1.)**1 Sehr geehrter Herr Seibert, mit verbindlichem Dank bestätige ich den Empfang Ihrer freundlichen Zeilen vom 24. ds. Mts., mit denen Sie mir einen hier wieder beigefügten Entwurf zu einem Artikel im „Völkischen Beobachter“ zur Durchsicht übersandt haben.2 Ich will Ihrem Wunsche gern entsprechen und Ihnen meine Gedanken zu dem Entwurf mitteilen. Dabei versteht sich aber, dass die Ausgabe von „Richtlinien“ grundsätzlich Sache der zuständigen Stellen ist. Allgemein ist mein Eindruck der, dass der Artikel weniger polemisch und mehr sachlich gehalten sein sollte. Polemische Betrachtungen wie das Hineinziehen des ideologischen Gegensatzes zum Jüdisch-Bolschewistischen und das Ausgraben von Litwinow-Finkelstein können im Augenblick unserer Politik gegenüber der Sowjetunion nichts nützen. Gut finde ich dagegen die im letzten Absatz Ihres Entwurfes geäußerten Gedanken über die Bedeutung der geopolitischen Räume und die Existenzfrage der Völker. Es liegt auf der Hand, dass im gegenwärtigen Zeitpunkt, wo wir ein Interesse haben, die englisch-französisch-sowjetischen Verhandlungen zu stören, anliegende Gesichtspunkte in den Vordergrund zu stellen wären. Indem ich hoffe, Ihnen mit anliegenden Ausführungen gedient zu haben, bin ich, sehr geehrter Herr Seibert, mit Heil Hitler! Ihr Ihnen sehr ergebener [Schulenburg ] Anlage **an A 1364**3 1.) Man fragt sich, warum die Sowjetunion, die auf die Erhaltung ihrer Handlungsfreiheit stets Wert gelegt hat, an einer Kombination teilnehmen soll, die sie nur in Konflikte bringen und zwingen wird, sich für fremde Belange zu engagieren. Sie kann keinerlei Interesse daran haben, an der englischen Einkreisungspolitik teilzunehmen, denn sie soll dabei nur ausgenutzt werden, um für England die heißen Kastanien aus dem Feuer zu holen. Frankreich und England versuchen die Sowjetunion in ihr Lager hinüberzuziehen, indem sie ihr einzureden suchen, dass Deutschland schließlich die Sowjetunion angreifen werde. Dies ist nicht richtig. 1 2
Die Zahl ist handschriftlich eingefügt. Das Schreiben Seiberts ist ohne den erwähnten Entwurf in der Akte vorhanden; vgl. PA AA, Moskau 484, Bl. 260389. 3 Der Text wurde handschriftlich eingefügt.
1288
29. 6. 1939 Nr. 518 Die Forderungen Deutschlands sind oft verkündet worden und sind allgemein bekannt. Es ist keine darunter, die sich gegen die Sowjetunion richtet. Solange sich die Sowjetunion nicht in innerdeutsche Verhältnisse einmischt, wird Deutschland nichts gegen sie unternehmen. Auch das ist allgemein bekannt. Die Nichtangriffsverträge Deutschlands mit den baltischen Staaten und der von Deutschland gebilligte Anschluss Karpatho-Russlands4 an Ungarn sind klare Beweise dafür, dass Deutschland keine Angriffsabsichten auf die Sowjetunion hat. Was Polen anlangt, so wird niemand behaupten wollen, dass die bescheidenen deutschen Forderungen an Polen eine Bedrohung der Sowjetunion darstellen. Mit wie törichten Gerüchten gegen Deutschland gearbeitet wird, hat die Zwecklüge des angeblichen deutschen Ultimatums an Rumänien erwiesen. Deutschland und die Sowjetunion haben bisher noch immer ihren Vorteil dabei gefunden, wenn bei normalen Beziehungen der Wirtschaftsverkehr sich ungehindert entwickeln konnte. 2.) Wenn England glaubt, die Sowjetunion durch ständiges Nachgeben gewinnen zu können, wird es sich irren. Dies wird nur zur Folge haben, dass die Sowjets stur an ihren Forderungen festhalten oder diese gar erhöhen. Von der ursprünglichen einfachen Frage der Kriegsmateriallieferung an Polen hat sich England bis zu einem dreiseitigen Allianzvertrag mit der Sowjetunion hinauftreiben lassen mit Garantien, die England früher nie gekannte Verpflichtungen auferlegt, deren Erfüllung England gegebenenfalls sehr schwer fallen wird und deren Übernahme ihm die Sympathien einer Reihe wertvoller kleiner Völker gekostet hat. Der Prüfstein der Garantie der baltischen Staaten hat zudem gezeigt, dass es bei den Verhandlungen mit dem Kreml kein Kompromiss gibt. Denn der Kreml nutzt die Zwangslage Englands aus und spekuliert unverhohlen auf den Sturz Chamberlains und auf Neuwahlen. England wird bald einsehen müssen, dass sein Eingehen auf die SowjetForderung nach einer Garantie der baltischen Staaten nichts anderes bedeutet als die Zubilligung eines Interventionsrechts an die Sowjetunion und nur dem roten Imperialismus Vorschub leistet. Die geographische Lage und die frühere Zugehörigkeit dieser Ostseestaaten zum Russischen Reich begründet ein besonderes empfindliches Verhältnis zwischen ihnen und der Sowjetunion. Dass England – und noch weniger Frankreich – hierauf keine Rücksicht nehmen, wird in den baltischen Staaten diesen Ländern schwer verübelt. In ihrem blinden Eifer, wichtige europäische Positionen preiszugeben, übersehen die Engländer offenbar die stille Arbeit, die der rote Imperialismus anderswo betreibt. Offizielle Mitteilungen wie das kürzliche TASS-Kommuniqué, das die militärische Besetzung der Äußeren Mongolei durch Sowjettruppen erkennen lässt, sind in dieser Hinsicht besonders wertvoll und aufklärend. Es ist viel darüber diskutiert worden, ob in den Moskauer Verhandlungen die Frage einer Garantie der fernöstlichen Grenzen der Sowjetunion aufgeworfen worden ist oder nicht. Wie dem auch sei, der Ferne Osten – genannt oder ungenannt – wird immer eine entscheidende Rolle für die Sowjetunion und die mit ihr paktierenden Länder spielen. Es ist sicher, dass die Sowjetunion bei einem fernöstlichen Konflikt England und Frankreich ihre Rollen zugedacht hat und dass diese ihr Spiel werden spielen müssen, auch wenn der „Ferne Osten“ in den Paktverhandlungen wider Erwarten nicht zur Sprache kommen sollte. 4
So im Dokument; gemeint ist Karpato-Ukraine.
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Nr. 518
29. 6. 1939
3.) Die intransigente Haltung Molotows, sein Bestehen auf Bedingungen, die England schwer erfüllen kann, und die abweisende Sprache der offiziellen SowjetKommuniqués lassen fast vermuten, dass es dem Kreml mit dem Abschluss eines Allianzvertrages nicht ernst ist und dass er die Verhandlungen mehr als Selbstzweck betrachtet. Die Sowjets scheinen sich am wohlsten dabei zu fühlen und glauben ihren Zielen am besten dadurch zu dienen, wenn sie erreichen, dass die Verhandlungen möglichst lange andauern. Molotow will offenbar jede Möglichkeit, besonders die gegenwärtigen Verhandlungen mit den beiden europäischen Großmächten, dazu benutzen, das unter Litwinow gesunkene Prestige der Sowjetunion zu heben. Dazu kommt das Misstrauen, das die Sowjets gegenüber diesen beiden Staaten, besonders gegenüber England, das noch vor gar nicht langer Zeit den Kern der Antisowjetfront bildete, haben und denen sie zuzutrauen scheinen, den Faschismus gegen den Bolschewismus hetzen zu wollen, um mit dieser Patentlösung beide Gefahren gleichzeitig zu bannen. Trotz der Ungleichheit der Verhandlungspartner und trotz der Verschiedenartigkeit ihrer Absichten und Ziele ist es nicht ausgeschlossen, dass es den Engländern schließlich gelingt, die Sowjets vor ihren Einkreisungswagen zu spannen. Molotow hat in seiner großen Rede vor dem Obersten Sowjet5 gesagt, dass „sich die Stellung der Sowjetunion in der Einschätzung der laufenden Ereignisse des internationalen Lebens von der Stellung sowohl der einen wie der anderen Seite unterscheidet“. Er hat ferner erklärt, dass die Sowjetunion, wenn sie auch Verhandlungen mit England und Frankreich führt, es keinesfalls für notwendig hält, auf geschäftliche Beziehungen zu Deutschland und Italien zu verzichten. Daraus lässt sich unter Umständen die Schlussfolgerung ziehen, dass die Sowjetregierung sich einbildet, den Nachteilen eines Allianzvertrages mit den Einkreisungsmächten entgehen und gleichzeitig die Vorteile eines Wirtschaftsabkommens mit Deutschland einheimsen zu können. Es ist mehr als fraglich, ob dies gelingen wird. Die Sowjetunion muss sich darüber klar sein, dass sie durch den Abschluss eines Allianzvertrages gegen Deutschland, auch wenn er als „Defensiv-Vertrag“ getarnt ist, zwangsläufig in den Wirbel der Ereignisse hineintreibt. Sie wird dann gerade in fremde Konflikte hineingezogen und setzt sich einem Krieg mit Deutschland aus, mit dem sie keine unmittelbaren Streitpunkte hat. Am Ende des Briefes handschriftlich von Schulenburg: 2.) Schreiben an H[errn]VLR Schliep (unter B[ei]f[ügun]g des Briefes an H[errn]Seibert) 3.) zdA Sch 27/6. Darüber Stempel: ab 29.6. mit Anl. Paraphe von T[ippelskirch] 30/6. PA AA, Moskau 484, Bl. 260387-260388 + 4 Bl. o. P.
5
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Vgl. Dok. 489.
30. 6. 1939 Nr. 519 Nr. 519 Auszug aus dem Bericht der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Nr. 519 30. 6. 1939 30. 6. 1939 [30.6.1939] […] Die deutsche Presse zu den sowjetisch-deutschen Handelsbeziehungen In letzter Zeit widmet die deutsche Presse den sowjetisch-deutschen Handelsbeziehungen ziemlich viel Aufmerksamkeit. Der Hauptinhalt des veröffentlichten Materials spiegelt „großes Bedauern“ wegen des starken Rückgangs des sowjetischdeutschen Warenumsatzes in den letzten Jahren wider. Es wird darauf hingewiesen, dass die seitens Deutschlands im Jahr 1935 erfolgte Gewährung des 200 Mio. Kredits1, der im Juli 1937 ausgelaufen sei, den Warenumsatz auf einem gewissen Niveau gehalten habe, letzterer im Jahr 1938 jedoch auf einem nie dagewesenen Tiefstand angelangt sei. Eine Vorstellung von der Entwicklung des Außenhandels der UdSSR mit Deutschland vermitteln die folgenden, von der „Frankfurter Zeitung“ angeführten Daten vom 2.6. d. J. in Mio. Mark
Deut[scher] Import aus der UdSSR im Monatsdurchschnitt
Deut[scher] Export in die UdSSR im Monatsdurchschnitt
1929 1935 1936 1937 1938 1939 Januar Februar März
35,5 17,9 7,8 5,4 3,9 2,9 1,7 1,0
29,5 3,3 10,5 9,8 2,6 4,0 2,2 2,7
Was die monatlichen Aufträge der UdSSR in Deutschland im laufenden Jahr betreffe, so machten sie ungefähr 2,4 Mio. Mark aus. Der Anteil der UdSSR am deutschen Export, der im Jahr 1932 10,9% betragen habe, sei im Jahr 1937 auf 2% und im Jahr 1938 sogar auf 0,5% gesunken. Dementsprechend habe sich der Anteil der UdSSR am deutschen Import von 5,8% im Jahr 1932 auf 5,4% im Jahr 1935 und auf 0,9% im Jahr 1938 verringert. Der deutsche Export in die UdSSR habe daher im vergangenen Jahr nur ¼ des Absatzes von 1937 betragen. Die Lieferungen von Fertigwaren seien von 113 auf 29 Millionen Mark zurückgegangen. Die Ausfuhr von Maschinen, dem wichtigsten Exportartikel, habe sich von 72 Millionen Mark im Jahr 1937 auf 11 Millionen Mark verringert. Davon habe die Ausfuhr von Werkzeugmaschinen 7/482, von Maschinen für die Textil- und Lederindustrie 0,2/2/, von Druckmaschinen 0,4/8/ und
1 2
Am 9.4.1935; vgl. ADAP, Ser. C, Bd. IV, Dok. 21, S. 30–37. Zahlen so im Dokument.
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Nr. 519
30. 6. 1939
von Motoren 1,3 Millionen Mark betragen. Die Lieferung von elektrotechnischen Erzeugnissen habe sich auf 1/5 Mio. Mark belaufen. Lediglich Export von chemischen und pharmazeutischen Artikeln (1 Mio. Mark) habe sich angeblich auf dem früheren Niveau gehalten. Die wichtigsten Artikel für den sowjetischen Export nach Deutschland seien Halbfabrikate, deren Ausfuhr nach Deutschland von 30,4 Mio. Mark im Jahr 1934 auf 25,5 Mio. Mark gesunken seien. Den größten Rückgang habe es bei den Brennstoffen gegeben, deren Export von 14,9 auf 4,8 Millionen Mark zurückgegangen sei. In der Gruppe der Halbfabrikate hätte sich lediglich der Export von sowjetischem Holz nach Deutschland von 13,7 auf 18,6 Mio. Mark erhöht. Die Struktur des deutsch-sowjetischen Außenhandels sei dadurch gekennzeichnet, dass die Lieferungen von Rohstoffen aus der UdSSR nach Deutschland 1938 um 1/3 niedriger gewesen seien als diejenigen von Halbfabrikaten. Der deutsche Rohstoffimport aus der UdSSR habe sich 1938 auf 16 Mio. Mark gegenüber 30 Mio. Mark im Jahr 1937 verringert. Dieser Rückgang sei vor allem vor allem auf Papierholz, Felle (1,3 gegenüber 3,2 Mio. Mark) und Flachs (2,3 gegenüber 6,7 Mio. Mark) entfallen. *Das vollständigste Bild des sowjetisch-deutschen Warenumsatzes ergibt sich aus den jährlichen Daten der deutschen Statistik, und zwar*3: Jahr 1934 1935 1936 1937 1938
Import aus der UdSSR (in Mio. Mark) 210 215 93 65 47
Export in die UdSSR (in Mio. Mark) 117 126 39 63 32
Dieser Rückgang des Warenumsatzes habe den deutschen Außenhandel generell hart getroffen und sich negativ auf die jeweiligen Industriezweige und überhaupt auf die deutsche Wirtschaft ausgewirkt. Dies werde von den Industriekreisen, die im Blick hätten, dass der sowjetische Außenhandel in diesen Jahren nicht zurückgegangen sei, sondern der Import sich im Gegenteil wieder erhöht habe, umso „schmerzlicher“ empfunden. Natürlich hat die starke Verringerung des Anteils Deutschlands am Außenhandel mit der UdSSR anderen Ländern, vor allem den Vereinigten Staaten4 und Großbritannien, Nutzen gebracht, was von der Presse mit ohnmächtigem Ärger konstatiert wird. Daraus wird eine Schlussfolgerung gezogen, die die Interessen des deutschen Monopolkapitals widerspiegelt – eine Wiederbelebung der Außenhandelsbeziehungen mit der UdSSR auf der Grundlage wirtschaftlicher Interessen zu erreichen, denn diese seien **bei beiden Ländern vorhanden. Was die *politischen Gründe* angehe, die bei der Verringerung des Warenumsatzes eine Rolle gespielt hätten, so müssten diese in an die „zweite *Stelle*“ treten.**5 3 4
Der Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen. 1938 vergab die UdSSR in den USA 136 Aufträge für 18.208,6 Tsd. Valutarubel, in Deutschland 48 Aufträge für 1.114,7 Tsd. Valutarubel. Vgl. RGAĖ, f. 413, op.12, d. 3053. l. 2. 5 Der **Text** ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen, die einzelnen Wörter sind mit rotem Farbstift unterstrichen.
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30. 6. 1939 Nr. 519 Die offizielle Presse verweist auf den Umstand, dass von beiden Ländern wiederholt Versuche unternommen worden seien, zumindest einen Teil der alten Beziehungen wiederherzustellen, die aufgrund der politischen Ereignisse nicht in die Tat umgesetzt hätten werden können, und nennt auch eine Reihe weiterer Gründe, die sich negativ auf den Rückgang des Handelsumsatzes ausgewirkt hätten, und zwar: die Präferenz der UdSSR, Waren wie Holz, Öl, Rauchwaren, Flachs und Erz an andere Länder zu verkaufen; die Verlagerung aller Einkäufe, und auch der Rauchwarenauktionen, in die UdSSR; das Erfordernis technischer Hilfe am Einsatzort der gelieferten Maschinen. Einfluss auf die Verlagerung der sowjetischen Aufträge in andere Länder habe zudem angeblich die Auslastung der Betriebe in Deutschland und die daher rührende Angabe von zu langen Lieferfristen, was man in Bezug auf die USA nicht kenne, ausgeübt. Zu alldem komme noch hinzu, dass die UdSSR kein Gold brauche. Sie habe ihre Goldreserven behalten, die unter gewissen Umständen von besonderer Bedeutung seien. Aus dem oben Dargelegten wird die sehr *„bittere“ Schlussfolgerung* gezogen, dass der „bilaterale Warenumsatz“, der durch den *früheren Hunger nach Produktionsmitteln*6 verursacht worden sei, bei einem Mangel an Devisen und Gold an Aktualität (für die UdSSR, S. T[očilin]) verloren habe. So schreibt eine der deutschen Wirtschaftszeitschriften, der „Wirtschaftsdienst“, in einer aktuellen Ausgabe dieses Jahres (Nr. 21 von 1939).7 Ohne große Erwartungen an die Entwicklung des Warenumsatzes mit der UdSSR stellt die Presse unter Berufung auf das für 1939 verlängerte sowjetischdeutsche Handelsabkommen vom 1. März 19388 die Vermutung an, dass sogar auf der Grundlage dieses Abkommens eine jährliche Einfuhr sowjetischer Waren nach Deutschland in Höhe von 200 Mio. Mark „theoretisch möglich“ sei, was zum großen Bedauern Deutschlands in der Praxis nicht der Fall ist. Die deutschen Industriekreise fürchten die Verhandlungen, die *derzeit zwischen der UdSSR auf der einen, und England und Frankreich auf der anderen Seite9, geführt werden. Abgesehen von der politischen Seite dieser Verhandlungen machen sich die Großindustriellen des faschistischen Deutschland im Falle ihres günstigen Ausgangs Sorgen über einen noch stärkeren Rückgang des Außenhandelsumsatzes, sowohl des allgemeinen als auch des Umsatzes mit der UdSSR.*10 […] RGAĖ, f. 413, op. 12, d. 3129, l. 84–86. Original.
6 7
Die beiden Textstellen sind mit rotem Farbstift unterstrichen. Vgl. „Deutschland im russischen Außenhandel“. In: Wirtschaftsdienst Nr. 21 vom 26. Mai 1939, S. 712. 8 Vgl. DVP, Bd. XXI, Dok. 59, S. 97–102; ADAP, Ser. D, Bd. VII, Anhang III [Ergänzungen], S. 534–538. Das Handelsabkommen wurde am 19.12.1938 ohne Veränderungen für 1939 verlängert. 9 Gemeint sind die diplomatischen Verhandlungen zur Ausarbeitung eines gegen die deutsche Aggression gerichteten politischen Abkommens im Frühjahr/Sommer 1939 in Moskau. 10 Der Text ist am linken Seitenrand mit blauem Farbstift angestrichen.
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Nr. 520
1. 7. 1939
Nr. 520 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 520 1. 7. 1939 1. 7. 1939 Geheim Expl. Nr. 1 AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS Nr. 5394 [1.7.1939] EMPFANG DES DEUTSCHEN BOTSCHAFTERS SCHULENBURG AM 1. JULI 1939 Ich erklärte Schulenburg, den ich zu 16.00 Uhr zu mir gebeten hatte, dass es in unserem Gespräch um die Befreiung einer Gruppe von Seeleuten der Besatzung der „Komsomol“, des Kapitäns der „Curjupa“, Solov’ev, und von zwei weiteren Personen aus spanischer Haft gehe, die sich in einem spanischen Konzentrationslager befänden, [im Austausch] für deutsche Staatsangehörige, die in der UdSSR inhaftiert seien oder eine Strafe verbüßten.1 Nachdem er die Liste der deutschen Staatsangehörigen überflogen hatte, die wir im Austausch für unsere Leute freizulassen und aus der UdSSR auszuweisen bereit wären 2 , bemerkte Schulenburg, dass ihm die Anzahl dieser deutschen Staatsangehörigen als zu gering erscheine. Ich entgegnete dem Botschafter, dass wir die Aufstellung einer arithmetischen Gleichung bei dem vorgesehenen Austausch sowjetischer Staatsbürger, die sich gar nichts hätten zuschulden kommen lassen und die von den Spaniern festgesetzt worden seien, gegen deutsche Staatsangehörige, die in der UdSSR politische Verbrechen verübt hätten, ablehnten. Dabei machte ich Schulenburg darauf aufmerksam, dass die in unserer Liste namentlich genannten sieben Deutschen bereits in der Liste der 16 Personen aufgeführt wären, die mir seinerzeit der Botschafter selbst ausgehändigt hätte. Schulenburg pflichtete, seiner Gewohnheit folgend, diesen Ausführungen recht schnell bei und erklärte, dass er selbst nicht geneigt sei, wegen der Anzahl der auszutauschenden Deutschen oder wegen ihrer namentlichen Auflistung zu streiten. Er stelle lediglich mit Bedauern fest, dass in der Liste, die ich ihm übergeben hätte, Nymann mit Frau fehle, zu denen die Deutsche Botschaft so viele Male Gesuche eingereicht habe.3 Darauf antwortete ich, dass Nymann sowjetischer Staatsbürger sei und die zuständigen Organe sich gegen seine Ausreise aus der UdSSR nach Deutschland aussprächen.4 1 2
Vgl. Dok. 355. Vgl. Beschluss des Politbüros des ZK der VKP (B) vom 28.6.1939. In: Lubjanka. Stalin i NKVD-NKGB-GUKR „Smerš“, Dok. 62, S. 108. Der Beschluss folgte dem Schreiben Molotovs an Stalin vom 21.6.1939. In: SSSR i Graždanskaja vojna v Ispanii: 1936–1939 gg. (Die UdSSR und der spanische Bürgerkrieg), hrsg. von S. Kudrjašov, Moskva 2013, Dok. 472, S. 473–474. 3 Vgl. Dok. 334, Anm. 3. 4 Am 15.10.1938 hatte sich Potemkin mit einem Schreiben an Berija gewandt, in dem er insbesondere auf folgende mit dem Fall von Hermann Nymann verknüpfte Umstände aufmerksam machte: „Seit seiner Verhaftung wandte sich die Deutsche Botschaft wiederholt mit Bitten an das NKID, ihn aus der Haft zu entlassen und nach Deutschland auszuweisen. Wir
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1. 7. 1939 Nr. 520 Schulenburg bat um Aufklärung, warum in der Liste der Personen, an deren Freilassung aus spanischer Gefangenschaft wir interessiert wären, der tschechoslowakische Staatsbürger Nikolaj Bojko aufgeführt sei. Ich erklärte, dass unter den Tschechoslowaken, die unlängst in die UdSSR übergesiedelt seien, nahe Verwandte von Bojko wären, die sich um seine Freilassung und um die Genehmigung für ihn bemühten, sich ebenfalls in der UdSSR niederzulassen. Wir erachteten es als möglich, dieser Bitte nachzukommen. Schulenburg versprach, unseren Vorschlag unverzüglich nach Berlin weiterzugeben. Meinerseits sicherte ich dem Botschafter zu, ihm noch heute die präzisierte Liste der 10 Personen zuzuschicken, an deren Befreiung aus spanischer Gefangenschaft wir interessiert seien.5 Im weiteren Gespräch kehrte Schulenburg von sich aus auf sein letztes Gespräch mit Gen. Molotov zurück.6 Den Worten des Botschafters zufolge hätte er Gen. Molotov irgendetwas über jenen Dreierpakt – Deutschland, Italien und Japan7 –, in dem Gen. Molotov einen Beleg für den antisowjetischen Kurs der Außenpolitik Deutschlands sehe, nicht gesagt. Über diesen Vertrag habe Schulenburg bei seinem letzten Besuch in Berlin mehrmals mit Ribbentrop gesprochen. Von Ribbentrop hätte dem Botschafter mit aller Bestimmtheit erklärt, dass der erwähnte Vertrag niemals gegen die UdSSR als Staat gerichtet gewesen wäre. Er habe lediglich die Organisation einer Art ideologischer Front zur Bekämpfung einer internationalen Strömung zum Ziel gehabt, in der die drei Regierungen eine Gefahr für die bestehende soziale und politische Ordnung erblicken. Im Laufe der Zeit und aufgrund der veränderten internationalen Lage habe sich der Dreiervertrag von seiner ursprünglichen Grundlage entfernt: gegenwärtig habe er einen klar ausgeprägten antienglischen Charakter angenommen. Darüber hätte von Ribbentrop mit Schulenburg völlig offen gesprochen. Der Botschafter wolle uns darauf aufmerksam machen. Ich stellte dem Botschafter die Frage, ob die deutsche Regierung Großbritannien wirklich als ihren Feind betrachte. Schulenburg antwortete, dass diese Sichtweise in Deutschland vorherrschend sei. Er selbst teile sie übrigens nicht ganz. Er sehe nicht, warum England danach streben sollte, gegen Deutschland Schläge auszuteilen oder einen Ring von feindlichen Staaten um Deutschland zu schaffen. Aber von Ribbentrop sei gegen England eingestellt. Im Gegensatz dazu verhalte er sich zur UdSSR als einem Staat, mit dem Deutschland Beziehungen der freundschaftlichen Zusammenarbeit unterhalten könnte. Von Ribbentrop habe Schulenburg sehr weitreichende haben diese Bitte stets abgewiesen, indem wir die Botschaft darauf hinwiesen, dass Nymann sowjetischer Staatsbürger sei. Jetzt wirft der Botschafter im Zusammenhang mit der Mitteilung über das Einverständnis der Franco-Behörden, Gen. Glotov freizulassen, erneut den Fall Nymanns und seiner Frau auf. Es ist anzumerken, dass neben Gen. Glotov noch 7 Seeleute von der Besatzung des Dampfers „Komsomol“ in Spanien in Gefangenschaft gehalten werden. Die Deutschen behaupten, dass sie auch Verhandlungen zur Freilassung dieser sieben Personen führen. Angesichts des Dargelegten möchte ich Sie bitten, mir Ihre Stellungnahme bezüglich der Möglichkeit mitzuteilen, der Bitte des deutschen Botschafters nachzukommen“. In: AVP RF, f. 082, op. 21, p. 92, d. 20, l. 80–79. 5 Schulenburg telegrafierte am 3.7.1939 an das AA über die Austauschangelegenheit und schrieb u.a.: „Sowjetische Mitteilung ist seit geraumer Zeit erstes Zeichen nennenswerten Entgegenkommens.“ In: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 610, S. 702. Darüber berichtete er auch in seinem Brief an Schliep vom 13.7.1939. In: PA AA, Moskau 560, Bl. 178574-178576. 6 Vgl. Dok. 523. 7 Gemeint ist der Antikomintern-Pakt.
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Nr. 520
1. 7. 1939
Pläne für eine solche Zusammenarbeit nicht nur zwischen Deutschland und der UdSSR, sondern auch zwischen der Sowjetunion und Japan dargelegt. Schulenburg halte diese Idee nicht für utopisch. Er sei der Auffassung, dass sich Japan zu sehr in den Krieg gegen China verstrickt habe. Seine Beziehungen zu England, den Vereinigten Staaten und Frankreich spitzten sich immer mehr zu. Angesichts derartiger Umstände wäre es von seiner Seite töricht, einen Konflikt gegen die UdSSR anzuzetteln. Jedenfalls sei man in Deutschland davon überzeugt, dass das militärische Potential Japans im Vergleich zur UdSSR bereits jetzt recht bescheiden ausfalle. Von Ribbentrop hätte den Versuch unternommen, mit dem japanischen Botschafter in Berlin, Ōshima, über das Thema einer Normalisierung der Beziehungen und der Zusammenarbeit zwischen Deutschland, der UdSSR und Japan zu sprechen. Der Minister hätte sich, seinen Worten zufolge, davon überzeugt, dass in Japan noch eine gewisse Arbeit zu leisten bevorstehe, um die Japaner von der Möglichkeit zu überzeugen, einen derartigen Plan zu verwirklichen. Nichtsdestotrotz halten von Ribbentrop wie auch Schulenburg einen großen Teil dieses Plans, d.h. die Annäherung zwischen Deutschland und der UdSSR, durchaus für realisierbar. In meiner Antwort auf das unverhüllt provokative Geschwätz Schulenburgs habe ich mich auf die trockene Bemerkung beschränkt, dass nichts Deutschland daran hindere, die Ernsthaftigkeit seiner Bestrebung zu beweisen, die Beziehungen zur UdSSR zu verbessern. Was Japan anbelange, so habe es bis jetzt alles unternommen, um seine Feindschaft gegenüber unserem Land zu demonstrieren. Zum Abschluss erzählte mir Schulenburg, dass einer der kleineren Beamten des Berliner Auswärtigen Amtes Zeuge des Gesprächs des japanischen Botschafters mit Astachov über eine beabsichtigte Reise Ōshimas nach Moskau gewesen sei. Der Botschafter habe unseren Geschäftsträger gefragt, ob er ihm ein Einreisevisum für diese Reise erteilen würde. Astachov habe geantwortet, dass diese Frage auf offiziellem Wege zu behandeln wäre, und sich seinerseits erkundigt, mit welchem Ziel Ōshima nach Moskau zu fahren beabsichtige. Der Botschafter habe geantwortet, dass seine Reise kein politisches Ziel hätte, aber dass ihn die UdSSR und Moskau natürlich als Politiker interessiere. Den Worten Schulenburgs zufolge habe er bei Tōgō in Moskau nachgefragt, ob er die Absicht Ōshimas kenne, hierher zu kommen? Tōgō habe seine Verwunderung nicht verborgen und erklärt, dass er nicht verstünde, was Ōshima in Moskau machen würde. Im Zusammenhang damit erinnerte Schulenburg lachend daran, dass Tōgō gegenüber Ōshima keine Sympathie empfinden könne. Ōshima habe Tōgō aus Berlin verdrängt8, nachdem er in Berlin höchst erfolgreich äußerst wichtige politische Verhandlungen geführt hätte. V. Potemkin Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. Das 1. [Exemplar] zu den Akten, das 2. an Gen. Molotov, das 3. an Gen. Dekanozov, das 5.9 an Gen. Lozovskij. 1.VII.1939. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 24, d. 7, l. 114–110. Original. Veröffentlicht in: DVP, Bd. XXII, Dok. 402, S. 514–51610. 8 9 10
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Shigenori Tōgō war von Januar bis Oktober 1938 Botschafter in Deutschland. So im Dokument. Das Dokument wurde mit stilistischen Korrekturen veröffentlicht.
3. 7. 1939 Nr. 521 Nr. 521 Telegramm des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA Nr. 521 3. 7. 1939 3. 7. 1939 Telegramm (geh.Ch.V.) Moskau, den 3. Juli 1939 20 Uhr 40 Ankunft: 4. Juli 1 Uhr 20 Citissime! Nr. 121 vom 3/7. Auf Telegramm vom 2.[7.] Nr. 139. x)1 x) RAM Weisungsgemäß ergänze ich mein Telegramm Nr. 115 vom 28. Juni2 wie folgt: Molotow empfing mich im Kreml, nachdem ich mich drei Stunden vorher bei ihm angemeldet hatte. Einwandfreie Übersetzung war durch Hilger sichergestellt. Molotows Übersetzer versagte. Ich eröffnete die Unterredung mit dem Hinweis, dass ich auf Grund der in Berlin gehabten Besprechungen – insbesondere mit dem Herrn Reichsaußenminister – den Eindruck hätte, dass man bei uns eine Normalisierung der Beziehungen zur Sowjetunion begrüßen würde. Der Herr Staatssekretär habe unsere Einstellung Herrn Astachow mit voller Deutlichkeit bekanntgegeben.3 Kennzeichnend für diese Einstellung seien: korrekter Ton der deutschen Presse gegenüber der Sowjetunion, Abschluss von Nichtangriffspakten mit den Baltischen Staaten und unser Wunsch nach Wiederaufnahme von Wirtschaftsverhandlungen. Molotow hörte interessiert zu und erklärte, dass er meine Mitteilung mit Genugtuung zur Kenntnis nehme. Ich fortfuhr, seit der Unterhaltung StaatssekretärAstachow warteten wir auf eine Äußerung von Sowjetseite darüber, was Molotow in der Unterredung mit mir vom 20. Mai mit den Worten „Schaffung einer politischen Basis für die Wiederaufnahme der Wirtschaftsverhandlungen“ gemeint habe: auch müsse ich ihn darauf hinweisen, dass die Haltung der Sowjetpresse in allen Deutschland berührenden Fragen nach wie vor Anlass zu ernsten Beanstandungen gebe. Herrn Astachow habe man gesagt, Herr Molotow wolle mir persönlich antworten. Ich sei u. a. gekommen, um mich zu erkundigen, ob er mir etwas zu sagen habe. In seiner Antwort ging Molotow auf die Frage nach dem Sinn des Begriffs „politische Basis“ nicht ein, sondern erklärte, dass die Sowjetregierung entsprechend den Verlautbarungen ihrer Leiter gute Beziehungen zu allen Staaten wünsche und daher – unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit – auch eine Normalisierung der Beziehungen zu Deutschland begrüßen würde. Es sei nicht Schuld der Sowjetregierung, wenn diese Beziehungen schlecht geworden seien. Den Vorwurf gegen die Sowjetpresse könne er nicht gelten lassen, da ihm eine deutschfeindliche Haltung derselben nicht bewusst sei. 1 In diesem Telegramm, das am 2.7.1939 um 23.20 Uhr in Moskau ankam, heißt es: „Reichsaußenminister erbittet schnellstens weitere Einzelheiten letzter Unterredung Molotow. Möglichst unter Wiedergabe des genauen Wortlauts von Rede und Gegenrede gesamter Unterhaltung.” In: PA AA, Moskau 484, Bl. 260385. 2 Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 579, S. 673–674. 3 Vgl. Dok. 486.
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Nr. 521
3. 7. 1939
Ich erwiderte, über diese Fragen lasse sich viel sagen, ich sei aber nicht gekommen, um von der Vergangenheit zu sprechen, sondern von der Zukunft. Molotow fragte darauf, wie wir uns die weitere Entwicklung vorstellten und was sich in der letzten Zeit in den Beziehungen zwischen Deutschland und der Sowjetunion geändert hätte. Was die Nichtangriffspakte betreffe, so seien sie von Deutschland wohl in erster Linie in seinem eigenen Interesse geschlossen worden und gingen nur Deutschland und die beteiligten Staaten an, nicht aber die Sowjetunion. Im Übrigen müsse er nach den Erfahrungen, die Polen gemacht habe, die Dauerhaftigkeit solcher Verträge bezweifeln. Ich entgegnete, unsere Nichtangriffspakte lieferten den Baltischen Staaten eine zusätzliche Sicherheit, woran die Sowjetunion lebhaft interessiert sei. Polen habe die Beendigung des mit uns geschlossenen Vertrags dadurch selber herbeigeführt, dass es sich unverantwortlich benommen und einer uns feindlichen Kombination beigetreten sei, was mit einem Freundschaftsverhältnis mit uns unvereinbar gewesen wäre. Hierauf meinte Molotow, dass der von Polen mit England geschlossene Vertrag seines Erachtens ein rein defensiver Akt sei. Ich widersprach und wies darauf hin, dass das Wort „defensiv“ in diesem Zusammenhang nur akademische Bedeutung habe. Sodann kam ich auf die Frage Molotows zurück, wie wir uns weitere Entwicklung vorstellten und sagte, dass es sich m.E. in Zukunft vornehmlich darum handeln würde, dass beide Staaten alles vermieden, was zu einer weiteren Verschlechterung der Beziehungen führe und wir alles täten, was deren Verbesserung zur Folge haben könnte. Deutschland habe keine bösen Absichten gegen die Sowjetunion, ein Beweis hierfür sei u.a. der Berliner Vertrag, den wir seinerzeit verlängert hätten. Darauf fragte Molotow: „Sind Sie davon überzeugt, dass der Berliner Vertrag wirklich noch in Kraft und nicht durch spätere von Deutschland geschlossene Verträge überdeckt worden ist?“ Ich erwiderte: „Ich kenne keine solchen Verträge und habe keinen Anlass, an der Gültigkeit des Berliner Vertrags zu zweifeln.“ Zum Schluss fragte ich Molotow, was er zu der Frage der Wiederaufnahme der Wirtschaftsverhandlungen zu sagen hätte. Molotow erwiderte, dass ihm der Inhalt letzter Unterredung Mikojans mit Hilger bekannt sei. Er billige Mikojans […]4 und stelle anheim, Mikojan die gewünschte Auskunft zu erteilen. Ich suchte Molotow davon zu überzeugen, dass es nicht im Interesse der Beschleunigung der Wirtschaftsverhandlungen liege, wenn Einzelheiten zwischen Mikojan und Hilger bzw. mir erörtert würden, da wir ständig in Berlin rückfragen müssten. Schnurre dagegen verfüge über alle nötigen Vollmachten, Kenntnisse und Erfahrungen und würde die Verhandlungen zu beiderseitiger Zufriedenheit schnell zu Ende führen können. Hierauf ließ Molotow erkennen, dass Nichtzustandekommen Reise Schnurres im Februar die Sowjetunion verschnupft habe. Man möge es Mikojan, der die Materie beherrsche, überlassen, das zu verlangen, was er für richtig halte. Wenn von uns die von Mikojan erbetene Auskunft erteilt sei, könne sich vielleicht auch eine Reise von Schnurre nach Moskau als nützlich erweisen.
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An dieser Stelle fehlt eine Textstelle.
4. 7. 1939 Nr. 522 Unterredung schloss in freundschaftlicher Weise und mit meiner wiederholten Bitte, Molotow möge auf Haltung der Sowjetpresse Einfluss nehmen. Schulenburg Auf erstem Blatt oben Stempel: Ganz Geheim! PA AA, R 29712, Bl. 111466-111469. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 607, S. 698–699.
Nr. 522 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an die 2. Westabteilung im NKID Nr. 522 4. 7. 1939 4. 7. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 2 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 1641 Berlin, 4.VII.39 AN DIE ZWEITE WESTABTEILUNG DES NKID Unter den zahlreichen unsinnigen Briefen, die in der Bevollmächtigten Vertretung eingehen, erweckt ein Brief, den wir heute erhalten haben, unsere Aufmerksamkeit, in dem „inoffiziell“ die *Bereitschaft der deutschen Regierung*2 mitgeteilt wird, *zusammen mit uns die Teilung Polens*3 vorzunehmen und als Grundlage dafür die russisch-deutsche Vorkriegsgrenze mit gewissen Veränderungen zugunsten Deutschlands zu nehmen, das für sich die Warthe-Linie und Litauen beansprucht. Dieser Brief ist natürlich anonym, jedoch mit Maschine auf gutem Papier geschrieben und in ein amtlich aussehendes Kuvert gesteckt worden, was es von dem verschiedenartigen Geschmiere, das uns zugeschickt wird und vor Fehlern strotzt, unterscheidet. Man hat uns kein Original geschickt, sondern eine Kopie, die verkehrt herum kopiert wurde und nur lesbar ist, wenn man sie umwendet oder einen Spiegel zu Hilfe nimmt. Wir schicken Ihnen den von uns wiederhergestellten Text in einer gut lesbaren Form zusammen mit dem Original. Dieses Dokument ist dadurch charakterisiert, dass es in Zusammenhang mit den bereits seit einiger Zeit in der Stadt kursierenden Gerüchten über angebliche sowjetisch-deutsche Verhandlungen über eine Aufteilung Polens steht. Einige den Deutschen nahestehende ausländische Journalisten berichteten mir, dass sie an einem Essen für Offiziere teilgenommen hätten, auf dem von den Deutschen Toasts „auf die Teilung Polens“ ausgesprochen worden seien. Der englische Presseattaché erzählte mir, dass es ihm unlängst gelungen sei, ein Gespräch zweier mehr oder weniger hochgestellter Deutscher zu belauschen, die in scherzhafter Form darüber 1 2 3
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit Bleistift unterstrichen.
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Nr. 522
4. 7. 1939
sprachen, dass der Führer angeblich bereit sei, eine Person der sowjetischen Führung nach Berlin einzuladen, sobald die UdSSR zustimmt, sich mit dem Teil Polens zufriedenzugeben, den er vorschlage. Derartige Gespräche wie auch der beigefügte Brief dienen gewissermaßen als Widerspiegelung von Stimmungen, deren Aufrechterhaltung in gewissen Schichten der Bevölkerung und vielleicht auch im Ausland von Organen der deutschen Propaganda aus Motiven, die ohne Schwierigkeiten zu erraten sind, als zweckdienlich erachtet wird. ANLAGE:
1) das erwähnte Dokument mit Kuvert, in dem es geschickt wurde, 2) die Kopie des Dokuments, geschrieben in einer gut lesbaren
Form4. Geschäftsträger der UdSSR in Deutschland Astachov Weisung V.P. Potemkins mit rotem Farbstift: Das Dokument ist zu übersetzen. V.P. 7/VII. Vermerk mit rotem Farbstift: Z[u] d[en] A[kten]. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 3464 vom 7.07.1939. Oben rechts befindet sich der Stempel der Zentraleuropäischen Abteilung des NKID mit der Eingangs-Nr.1090 vom 8.07.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an die II. Westabteilung, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. zur Akte der Bevollmächtigten Vertretung. 4.VII.39.
[Anlage] Berlin, den 3. Juni 1939 An die Russische Botschaft Berlin NW. 7 Unter den Linden Innofizielle Mitteilung 1) Die Deutsche Reichsregierung würde es begrüßen wenn die Regierung der USSR mit Vorschlägen bezüglich einer unmittelbaren Verständigung beider Regierungen über die zukünftigen Schicksal Polens und Litauens an sie heran treten würde. 2) Die Deutsche Reichsregierung geht dabei von der Voraussetung aus, daß, beide Regierungen den selbstverständlichen Wunsch haben Ihre Grenzen von 1914 wieder herzustellen, bzw. daß beiderseits auf Kosten dritter Mächte verlorene Gebiet sich wieder einzuverleiben. 3) Die Deutsche Reichsregierung ist der Ansicht, daß bei einer erfolgten Einigung beider Regierungen der unmittelbaren Erfüllung deser Punkt 2) genannten Wunsches nichts im Wege stehen könnte; insbesondere würde ein Widerstand der betroffenen eben so zwecklos sein wie eine etwaige Intervention dritter. 4 In der Akte sind die Kopie des Dokuments in deutscher Sprache (l. 107) und die Übersetzung des Dokuments ins Russische (l. 106–105) vorhanden.
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5. 7. 1939 Nr. 523 4) Vor Beginn der beiderseitigen Aktionen müßte zweckmäßig eine von beiden Seiten nicht zu überschreitende Demarkationslinie und der Verlauf der zukünftigen gemeinsamen Grenzen vereinbart werden. 5) Bezüglich der Grenzen denkt die Deutsche Reichsregierung an eine aus Gründen der Landesverteidigung erwünschte, gegenüber den Grenzen von 1914 geringfügige Ausdehnung bis zur Warthe-Linie. 6) Als Ausgleich für den ungleich größeren Territorium-Gewinn der USSR beansprucht die Reichsregierung für sich Litauen zu besetzen. 7) Bezüglich der übrigen früheren russischen Gebiete müßte der jetzige Zustand bestehen bleiben. 8) Die Verwirklichung des Projektes würde nicht nur die Position der beiden Kontrahenten vielseitig und wesentlich verbessern sondern müßte infolge der nunmehr direkten Grenzen in den Augen der westlichen Demokratien auch eine wesentliche Wertsteigerung der USSR als Bundesgenosse zur Folge haben.5 AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 61, l. 109–107. Kopie.
5
Nr. 523 Aufzeichnung der Unterredung des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Molotov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 523 5. 7. 1939 5. 7. 1939 GEHEIM [5.7.1939] TAGEBUCH V.M. MOLOTOVS EMPFANG DES DEUTSCHEN BOTSCHAFTERS SCHULENBURG am 28. Juni 1939 Schulenburg begann damit, dass er in Berlin gewesen sei und ein Gespräch mit Gen. Astachov1 zu zwei Fragen gehabt hätte: **1)**2 zur Handelsvertretung in Prag und **2)**3 zu der Frage, über die er bereits mit mir gesprochen hätte. Auf meine Bemerkung, um welche Frage es sich insbesondere handele, antwortete Schulenburg, dass es um meine Äußerung bezüglich der Schaffung einer politischen Basis in den Beziehungen zwischen Deutschland und der UdSSR ginge.4 *Sodann legte Schulenburg auf meine Bitte hin seinen Gedanken dar und sagte, dass die deutsche Regierung nicht nur eine Normalisierung wünsche, sondern auch eine Verbesserung ihrer Beziehungen zur UdSSR. Er fügte dem hinzu, dass diese Erklärung, die er im Auftrage Ribbentrops vortrage, von Hitler gebilligt wor5
Der Brief ist in seiner Originalform wiedergegeben.
1 2
Am 17. Juni 1939. Vgl. Dok. 512. Die Nummer ist eingefügt. Die folgenden Einfügungen, Unterstreichungen und Streichungen wurden von Molotov mit Bleistift vorgenommen. 3 Die Nummer ist eingefügt. 4 Vgl. Dok. 471.
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Nr. 523
5. 7. 1939
den sei.* Den Worten Schulenburgs zufolge habe Deutschland seinen Wunsch, die Beziehungen mit uns zu normalisieren, bereits unter Beweis gestellt. Als Beispiel verwies er auf den zurückhaltenden Ton der deutschen Presse gegenüber der UdSSR5 sowie auf die Nichtangriffspakte, die Deutschland mit baltischen Ländern (Lettland und Estland)6 abgeschlossen habe, die er als einen uneigennützigen Beitrag für die Sache des Friedens betrachte und *die bewiesen, dass Deutschland keinerlei böse Absichten in Bezug auf die UdSSR habe*. Auch auf dem Gebiet der Wirtschaft würde sich Deutschland, den Worten Schulenburgs zufolge, bemühen, uns entgegenzukommen. Auf meine Bemerkung, dass die vom Botschafter erwähnten Pakte nicht mit der UdSSR, sondern mit anderen Ländern abgeschlossen worden seien und keinen direkten Bezug zur UdSSR hätten, sagte der Botschafter, dass ungeachtet dessen, dass diese Pakte nicht mit der UdSSR abgeschlossen worden seien, die Frage der baltischen Länder delikaten Charakters und für die UdSSR von Interesse sei. Wir meinten, ergänzte Schulenburg, dass Deutschland mit dem Abschluss dieser Pakte einen Schritt tue, der für die UdSSR nicht unangenehm ist. Ich hielt mich zurück, dem Gedanken Schulenburgs beizupflichten, und erinnerte ihn an den noch bis vor kurzem bestehenden Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und Polen7, der derart unvermittelt außer Kraft gesetzt worden sei. Auf die Erwähnung dieser Tatsache ließ sich Schulenburg zu der Erklärung herab, dass Polen selbst daran schuld sei, Deutschland aber gegenüber Polen keine bösen Absichten habe. Die Sprengung des erwähnten Paktes8, fuhr Schulenburg fort, ist eher eine Schutzmaßnahme seitens Deutschlands. Ich ließ mich nicht auf eine Polemik mit Schulenburg zu den von Deutschland mit den Balten abgeschlossenen Pakten ein und sagte, dass ich die Mitteilung des Botschafters über die Pakte mit den Balten und seine Erklärungen **zu dieser Frage** zur Kenntnis nähme. Im Zusammenhang mit den Bemerkungen Schulenburgs, er versichere, dass niemand in Deutschland sozusagen napoleonische Pläne in Bezug auf die UdSSR hege, sagte ich, dass es niemandem zu träumen verboten sei und es gewiss auch in Deutschland Leute gebe, die zu Träumen neigen. Ich sagte weiter, dass der Botschafter keine Veranlassung für Zweifel **hinsichtlich der**9 Haltung der UdSSR haben könnte. Die Sowjetunion trat und tritt für eine Verbesserung der Beziehungen oder zumindest für normale Beziehungen zu allen Ländern ein, darunter auch zu Deutschland. Auf meine Frage, wie sich der Botschafter die Möglichkeiten zur Verbesserung der Beziehungen zwischen Deutschland und der UdSSR vorstelle, antwortete Schulenburg, dass jede Möglichkeit genutzt werden müsste, um die Hindernisse auf dem Wege zur Verbesserung der Beziehungen zu beseitigen. Ich sagte, wenn der Botschafter auch jetzt nach seiner Reise nach Berlin nichts anderes vorschlage, so 5 Nach der Ablösung Litvinovs vom Posten des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten (am 3.5.1939) erging an die deutsche Presse die Weisung: „Ab sofort soll die Polemik gegen die Sowjetunion und den Bolschewismus eingestellt werden“. In: NS-Presseanweisungen, Bd. 7/II, S. 423, Anweisung vom 5.5. In der Weisung an die Presse vom 20.6. hieß es: „Deutschland hat aus taktischen Gründen das allergrößte Interesse daran, dass die Sowjetunion nicht angegriffen wird“. In: ebd., S. 594. 6 Vgl. Dok. 497, Anm. 6. 7 Vgl. Reichsgesetzblatt 1934, Teil II, S. 118. 8 Vgl. Dok. 444, Anm. 2. 9 Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: in Beziehung zur.
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5. 7. 1939 Nr. 523 sei er offensichtlich der Auffassung, dass in den sowjetisch-deutschen Beziehungen alles zum Besten bestellt sei. Der Botschafter sei ein großer Optimist. **Hier erinnerte Schulenburg daran**10, dass die UdSSR und Deutschland durch den im Jahr 192611 abgeschlossenen Berliner Vertrag über Neutralität, der von Hitler im Jahr 193312 verlängert worden sei, verbunden seien. Ich bemerkte ironisch, dass es gut sei, dass Schulenburg an die Existenz dieses Vertrages erinnere und fragte, ob der Botschafter nicht meine, dass die in den letzten Jahren von Deutschland abgeschlossenen Verträge, zum Beispiel der „Antikomintern-Pakt“ und das militärischpolitische Bündnis mit Italien13, im Widerspruch zu dem deutsch-sowjetischen Vertrag von 1926 stünden. Schulenburg beteuerte, dass man nicht zur Vergangenheit zurückkehren müsse, **zu dem, welche Bedeutung der „Antikomintern-Pakt“ anfangs gehabt hätte**14, und erklärte, dass der Bündnisvertrag mit Italien nicht gegen die UdSSR gerichtet sei, sondern in erster Linie England im Blick habe. Danach ging Schulenburg zu den Handelsverhandlungen über und erklärte, dass Deutschland auch in dieser Frage seinen guten Willen gezeigt und **den Wunsch vorgetragen**15 hätte, Schnurre nach Moskau zu entsenden.16 Darauf entgegnete ich, dass zu den Handelssachen in letzter Zeit ein Gespräch des Gen. Mikojan mit dem Rat der Deutschen Botschaft Hilger17 stattgefunden hätte und es besser wäre, wenn die deutsche Regierung auf die Fragen des Gen. Mikojan entsprechende Antworten geben würde, woraufhin dann auch die Frage der Reise Schnurres hierher entschieden werden könne. Zum Abschluss des Gesprächs bat Schulenburg erneut darum, unsere Presse „zu mäßigen“, **da sich die deutsche Presse anscheinend gegenüber der UdSSR völlig zurückhaltend verhalte**18. Darauf antwortete ich, dass unsere Presse keinerlei Anlass böte, sie der Schärfe zu bezichtigen, was man von der deutschen Presse nicht sagen könne, die nicht wenige Nachweise der Feindschaft gegenüber der UdSSR liefere. Der Botschafter teilte mit, den Inhalt des Gesprächs nach Berlin zu übermitteln. Das Gespräch dauerte über eine Stunde.19 [Molotov] Handschriftlich von V.M. Molotov mit Bleistift: V. Motolov 5.VII Am Ende des Dokuments auf der Rückseite mit Tinte: Geschickt an: die Gen. Stalin, Vorošilov, Kaganovič, Mikojan. AVP RF, f. 06, op. 1a, p. 26, d. 1, l. 4-6. Original. Veröffentlicht in: God krizisa 1938–1939, Bd. 2, Dok. 442, S. 65–6720. 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19
Der Text ist korrigiert; ursprünglich: Schulenburg erinnerte danach daran. Vgl. Dok. 471, Anm. 8. Vgl. Reichsgesetzblatt 1933, Teil II, S. 311–312. Am 22. Juni 1939. Vgl. Dok. 478, Anm. 2. Der Text ist über die Zeile geschrieben. Der Text ist korrigiert; ursprünglich: er seinen Wunsch erklärt. Vgl. Dok. 475. Vgl. Dok. 501. Der Text ist über die Zeile geschrieben. Zum Bericht von der Schulenburgs über dieses Gespräch vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 579, S. 673–674; Dok. 521 im vorliegenden Band. 20 Das Dokument wurde in redaktioneller Bearbeitung veröffentlicht und auf den Zeitpunkt des Gesprächs datiert.
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Nr. 524
5. 7. 1939
Nr. 524 Aufzeichnung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre Nr. 524 5. 7. 1939 5. 7. 1939 Berlin, den 5. Juli 1939 Aufzeichnung 1) Wir haben bei den letzten deutsch-sowjetischen Wirtschaftsverhandlungen im Januar/Februar d.J. der Sowjetregierung einen Warenkredit in Höhe von 200 Mill. RM angeboten. Wir haben dabei verlangt, dass die Sowjet-Union uns in dem laufenden Geschäft mit der Sowjet-Union, das sich auf der Grundlage von Barzahlungen abwickelt, Rohstofflieferungen beträchtlichen Umfangs macht. 2) Die Verhandlungen sind im Februar von uns unterbrochen worden, da die Russen zwar wertvollste deutsche Maschinen und Rüstungsmaterial geliefert haben wollten, die Gegenlieferungen in Rohstoffen jedoch unzureichend waren. 3) Bei der Wiederaufnahme der Wirtschaftsverhandlungen mit der SowjetUnion handelt es sich in erster Linie für uns darum, die russischen Rohstofflieferungen zu erhöhen. Wird dies in angemessenem Umfang erreicht, sind wir bereit, den erwähnten Warenkredit von 200 Mill. RM zu geben und den Russen die von ihnen verlangten hochwertigen Industrieerzeugnisse, insbesondere Maschinen zu liefern. Unter den Lieferwünschen der Russen befindet sich auch Rüstungsmaterial in nicht näher spezifizierter Art. 4) Auf unsere Vorschläge, die Verhandlungen in Moskau wieder aufzunehmen, haben die Russen bisher zögerlich geantwortet. Der Grund dürfte darin liegen, dass die Sowjet-Regierung nicht gleichzeitig englische und deutsche Verhandlungen führen will. Trotz dieser Verzögerungstaktik ist das Bestreben unverkennbar, den Faden nicht abreißen zu lassen und die Möglichkeit zu behalten, die Verhandlungen mit uns in einem Zeitpunkt aufzunehmen, der ihnen taktisch passt. Die letzte noch nicht beantwortete Frage des Volkskommissars Mikojan betraf diejenigen Punkte, die von unserer Seite noch als offen bezeichnet würden.1 gez. Schnurre PA AA, R 106230, Bl. 452633-452634.
1
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Vgl. Dok. 525.
7. 7. 1939 Nr. 525 Nr. 525 Telegramm des Staatssekretärs im AA Freiherr von Weizsäcker an die Botschaft in Moskau Nr. 525 7. 7. 1939 7. 7. 1939 Telegramm in Ziffern (Geh.Chiffr.Verf.) Berlin, den **7. Juli**1 1939 Diplogerma Moskau Nr. 142 [zu] W973g W 993 g Auf Telegramm Nr. 111 vom 25.[6.], Nr. 113 vom 27.[6.] **und 115 vom 29.[6.]**2 A. Frage Mikojans nach noch offenen Punkten bitte ich folgendermaßen zu beantworten: I. Unsere Bereitwilligkeit, Sowjet-Union Warenkredit von 200 Mill. RM gemäß bisher besprochener Konstruktion (Auszahlung durch Dego) zu gewähren und für deutsche Lieferungen sowjetische Listen A und B zu Grunde zu legen, ist abhängig von entsprechender Ausgestaltung laufenden Geschäfts. Bisheriges sowjetisches Rohstoffangebot im laufenden Geschäft von 160 Mill.RM, wovon 80 Mill. RM auf Holz entfallen, bietet kein Äquivalent für hochwertigste deutsche Lieferungen im vorgesehenen Ausmaß. Dies ist entscheidender Punkt, von dessen zufriedenstellender Regelung Zustandekommen Vertrags abhängt. II. Weitere offene Fragen sind: 1) Kreditdauer. Entgegenkommen im Sinne Sowjet-Vorschlags ist möglich. 2) Verzinsung. Es ist Lösung zu suchen, die Interessen beider Teile berücksichtigt. 3) Währungsgarantieklausel im Kreditvertrag. 4) Zweijährige Bestellfrist, um Liefermöglichkeit deutscher Industrie sicherzustellen. 5) Verschiffungsklausel. 6) Fassung Notklausel (Artikel 8), Fassung Preisklausel, Abdeckung Kredits (Artikel 5). 7) Sicherstellung des Funktionieren Schiedsgerichtsverfahrens. 8) Redaktionelle Durcharbeitung Textes. III. Haupthindernis für uns seien bisher sowjetische Bestellwünsche gewesen. Wir seien jetzt in der Lage, konkrete Erklärungen über Liefermöglichkeit deutscher Industrie abzugeben und sähen daher von uns aus Möglichkeit zur Fortsetzung der Verhandlungen. IV. Wir übermittelten wunschgemäß obige deutsche Tagesordnung für Verhandlungen. Sowjetregierung müsse sich nunmehr endgültig entscheiden, ob sie Verhandlungen auf dieser Grundlage mit uns wünscht. 1 Das Datum ist korrigiert; ursprünglich: 28. Juni. Zu diesem Telegrammentwurf existiert eine Notiz Schnurres vom 30.6.1939, in dem er vorschlägt, das Telegramm abzusenden. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 596, S. 686–687. 2 Der Text wurde handschriftlich ergänzt.
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Nr. 526
7. 7. 1939
B. **3 **Wir wollen vorerst unsererseits von Verhandlungen durch Schnurre als Sonderbevollmächtigten in Moskau nicht abgehen**4, zumal dies Mikojans ursprünglichem Plan entspricht. Ich bitte daher, keine Anregungen im Sinne Ihres Telegramms Nr. 113 vom 27. zu machen. Frage weiteren Vorgehens wird hier entschieden werden, wenn Ergebnis Besprechungen mit **5 Mikojan vorliegt. **Das Gespräch mit Mikojan wird im Übrigen nicht so zu führen sein, dass es den Charakter einer deutschen Pression annimmt. Vielmehr ist unser Standpunkt sachlich und nüchtern darzulegen und das Weitere den Russen zu überlassen. Wir dürfen uns keinesfalls in die Lage eines Petenten begeben.**6 Weizsäcker Auf erstem Blatt am Seitenrand: Vor Abgang Herrn U.St.Sekr. Pol zur gefl. Mitz. Darunter handschriftlich: Vor Abg[ang] RAM. PA AA, R 29712, Bl. 111455-111457. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 628, S 729–730.
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Nr. 526 Meldung von Agenturmaterialien durch den Chef der 5. Verwaltung der RKKA Proskurov an den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov Nr. 526 7. 7. 1939 7. 7. 1939 Ganz geheim Expl. Nr. 3 5. Abteilung Nr. 47500/ss1 7. Juli 1939 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR VERTEIDIGUNG DER UdSSR MARSCHALL DER SOWJETUNION Gen. VOROŠILOV Ich lege die Übersetzung von Material vor, das die nächsten Pläne der deutschen Aggression gegen Polen charakterisiert, wie sie der Leiter der Ostabteilung der Kanzlei Ribbentrop2, Kleist, im Gespräch mit unserer Quelle in der Zeit vom 17. und dem 19. Juni d.J. dargelegt hat.
3 An dieser Stelle wurde folgender Text gestrichen: Anheimstelle, Ausführung Erlasses unter A bis nach nächster Besprechung mit Molotow zu verschieben, wenn hierdurch herbeigeführte Verzögerung nicht länger als einige Tage. Längere Verzögerung halten wir nicht für ratsam. 4 Der Text wurde korrigiert; ursprünglich: Wir sehen vorerst keinen Grund, von Verhandlungen durch Schnurre als Sonderbevollmächtigten in Moskau abzusehen. 5 An dieser Stelle wurde gestrichen: Molotow und. 6 Der Absatz ist handschriftlich von Weizsäcker hinzugefügt. 1 2
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Vgl. Anm. 5.
7. 7. 1939 Nr. 526 Das Material vertieft und ergänzt zu einem gewissen Teil frühere Äußerungen Kleists in Bezug auf die Politik Deutschlands gegenüber der Sowjetunion und zur Haltung letzterer im bevorstehenden deutsch-polnischen Konflikt (die Aufzeichnung des Gesprächs von Kleist wurde unter Nr. 472376 vom 17.5.1939 vorgelegt)3. Der Überfall auf Polen ist laut Information von Kleist für August/September angesetzt, während er laut seiner vorhergehenden Mitteilung im Juli erfolgen sollte. Die Tendenz zur Annäherung an die UdSSR ist auch im „Auszug aus dem Schreiben Woermanns“, in der „Aufzeichnung von Staatssekretär Weizsäcker“ und in dem „Gespräch mit Gerstenberg“4 vermerkt, vorgelegt unter der Nr. 472519 vom 3.7.39 im „Sammelband von Übersetzungen nachrichtendienstlicher Materialien zu militärpolitischen Fragen“. Es ist jedoch nicht möglich, daraus eine konkrete Bestätigung abzuleiten, da sie aus der gleichen Gruppe von Personen stammen, die von unserer Quelle abgeschöpft werden. ANLAGE: Material in 6 Blatt. Stellv. Volkskommissar für Verteidigung der UdSSR Chef der 5. Verwaltung der RKKA HELD DER SOWJETUNION KOMDIV Proskurov [ANLAGE] Ganz geheim Expl. Nr. ... 5. Verwaltung der RKKA AUFZEICHNUNG DES GESPRÄCHS MIT DEM LEITER DER OSTABTEILUNG DES DEUTSCHEN AUßENMINISTERIUMS5 Während des Aufenthaltes unserer Quelle6 in Berlin vom 17. bis 19. Juni 1939 hatte sie ein Gespräch mit Dr. Kleist, der Leiter der Ostabteilung in der Kanzlei Ribbentrop ist, in dem Kleist Folgendes ausführte: „Die Angaben, die ich Ihnen im Mai dieses Jahres zum deutsch-polnischen Konflikt und zur Lösung der polnischen Frage7 gemacht habe, die Berlin anstrebt (vgl. den vorhergehenden Bericht), sind richtig und gelten auch heute noch. Der Führer ist voller Entschlossenheit, Deutschland im Osten noch in diesem Jahr durch die Liquidierung des polnischen Staates in seiner jetzigen territorialen und politischen Struktur zu sichern. Der Führer hat im Gespräch mit Ribbentrop erklärt, dass die polnische Frage aus den folgenden drei Gründen unabdingbar gelöst werden muss: 3 4 5
Vgl. Dok. 468. Vgl. Dok. 527. So im Dokument. Bruno Peter Kleist war Referent für Fragen Osteuropas in der „Dienststelle Ribbentrop“, die nicht dem Auswärtigen Amt unterstand. 6 Vgl. Dok. 468, Anm. 5. 7 Vgl. Anm. 3.
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Nr. 526
7. 7. 1939
*1. angesichts dessen, dass das gegenwärtige Polen die außenpolitische und militärische Bewegung Deutschlands bedroht; 2. weil es unmöglich ist, dass das Reich8 vor Polen kapituliert und damit einen großen Prestigeverlust erleiden würde; 3. weil ein Zugeständnis der Deutschen an Polen die deutsche Politik im Osten vor unüberwindbare Schwierigkeiten stellen würde.*9 Ein anderes Mal hatte der Führer gesagt, **dass**10 er bis zum Schluss mit einer friedlichen Lösung des polnischen Problems rechnen werde, zugleich befiehlt er aber, alles für ein schnelles und erfolgreiches militärisches Vorgehen gegen Polen vorzubereiten. *Falls es dazu kommt, dass sich die deutschen und polnischen Waffen kreuzen, wird die deutsche Armee hart und erbarmungslos handeln. Die Deutschen sind in der ganzen Welt als Hunnen verrufen, sagte Hitler weiter, aber das, was im Kriegsfall mit Polen geschehen wird, wird die Hunnen übertreffen und sie in den Schatten stellen.*11 Diese Hemmungslosigkeit in der deutschen Kriegführung ist unabdingbar, um den Staaten des Ostens und Südostens am *Beispiel der Vernichtung Polens zu demonstrieren, was es unter den Bedingungen des heutigen Tages bedeutet, dem Wunsch der Deutschen zu widersprechen und Deutschland zum Einsatz der Streitkräfte zu provozieren.“ „Der Führer lässt nicht zu, dass der Ausgang der englisch-französischrussischen Paktverhandlungen Einfluss auf seinen Willen nehmen könnte, die polnische Frage radikal zu lösen.*12 Berlin wird den deutsch-polnischen Konflikt sowohl bei einem erfolgreichen als auch bei einem erfolglosen Ausgang der Paktverhandlungen entscheiden. Übrigens glauben weder der Führer noch Ribbentrop *daran, dass sich die Sowjetunion an Kriegshandlungen Englands und Frankreichs gegen Deutschland beteiligen wird*13. Diese Meinung hat sich die Führung des Reiches nicht nur aufgrund des Verlaufs der englisch-französisch-russischen Verhandlungen gebildet, sondern auch und vor allem wegen des Verhaltens Moskau in letzter Zeit gegenüber Berlin. Moskau gab uns zu verstehen, dass es mit uns Verhandlungen führen will, dass es überhaupt nicht an einem Konflikt mit Deutschland interessiert ist und dass es auch nicht daran interessiert ist, *sich für England und Frankreich zu schlagen*14. Auf Einladung der Sowjetunion wird sich Geheimrat Schnurre aus dem Außenministerium jetzt nach Moskau begeben15, um bei der Deutschen Botschaft zu attachieren16 und Wirtschaftsverhandlungen mit der Sowjetunion aufzunehmen. Ribbentrop erteilte mir den Auftrag, inoffiziellen Kontakt zur Sowjetunion herzustellen. *Wir werden voraussichtlich einige Offiziere der deutschen Armee, die bei den Bolschewiken auch heute noch gut angeschrieben sind, und einige führende Geschäftsleute, die aufgrund ihrer früheren Beteiligung am deutsch-russischen Handel heute noch in Moskau bekannt und angesehen sind, einsetzen, um über sie 8 9 10 11 12 13 14 15 16
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Gemeint ist das Deutsche Reich. Der Text ist am linken Seitenrand mit Bleistift angestrichen. Das Wort ist über die Zeile geschrieben. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Vgl. Dok. 501. Gemeint ist sich zuzuordnen.
7. 7. 1939 Nr. 526 an die sowjetrussischen Persönlichkeiten heranzukommen und um damit die Kontakte zwischen Berlin und Moskau enger zu gestalten. Vielleicht weckt der deutsche Großindustrielle Wolff das Interesse Mikojans für deutsch-russische Wirtschaftsfragen, woraus sich für uns natürlich auch politische Möglichkeiten ergeben. Im Übrigen haben wir in der momentanen Situation zu wenige solcher Leute wie Tuchačevskij, mit dem man sich augenblicklich verständigen konnte.* 17 Von der Neutralität der Sowjetunion sind wir bereits jetzt fast überzeugt, und vor allem dann, wenn Deutschland in Konflikt mit Polen gerät. Unserer Auffassung nach wird die Sowjetunion im Konfliktfall selbst dann abseits stehen, wenn sie irgendeinen papiernen Pakt unterschreiben sollte. Der Führer und Ribbentrop erachten es unter den heutigen Verhältnissen als ausgeschlossen, dass die Sowjetunion in einem deutsch-polnischen Konflikt aktiv auf der antideutschen Seite eingreifen würde. Der Führer hat sich in den letzten Wochen eingehend mit der Sowjetunion befasst und Ribbentrop gesagt, dass *nach der Entscheidung der polnischen Frage in den deutsch-russischen Beziehungen eine neue Rapallo-Etappe beginnen und nach dem Muster des deutsch-polnischen Abkommens18 mit Moskau für eine gewisse Zeit eine Politik der Annäherung und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit geführt werden muss. Friedliche Beziehungen zwischen Deutschland und Russland*19 sind nach Auffassung des Führers in den nächsten 2 Jahren die Voraussetzung für die Lösung der Probleme in Westeuropa.“ *„Der Krieg Deutschlands gegen Polen ist für Ende August/Anfang September festgesetzt.*20 In Ostpreußen ist die militärische Vorbereitung fast abgeschlossen, in der Slowakei dauert sie an. In Ostpreußen befinden sich jetzt 1000 deutsche Flugzeuge aller Typen, die auf ihren Einsatz gegen Polen warten. *Die Kriegshandlungen gegen Polen werden von allen Seiten begonnen werden.*21 In den ersten Kriegstagen werden gegen Polen derartige Vernichtungsschläge geführt, dass der polnische Widerstand in kürzester Zeit gebrochen sein wird, und der Konflikt wird entschlossen eingegrenzt, bevor die Engländer und Franzosen zu sich kommen. Leider müssen wir mit großen Verlusten unter der deutschen Volksgemeinschaft in Polen rechnen. *Unlängst erklärte der Führer, dass er für jeden getöteten Deutschen 100 Polen an die Wand stellt.*22 Folglich werden die Polen, falls sie unter den Deutschen ein Gemetzel beginnen, *von uns eine erbarmungslose Antwort erhalten*23.“ „Es ist möglich, dass vor dem militärischen Konflikt noch eine Phase deutschpolnischer Verhandlungen eintritt. Die Polen haben uns in letzter Zeit wiederholt zu verstehen gegeben, dass sie gern mit uns in Verhandlungen zu einer ganzen Reihe von Fragen treten würden. Erst vor einigen Tagen, als die Polen von meiner bevorstehenden Reise in die baltischen Länder und von meinem kurzen Aufenthalt in 17 Der Text ist ab dem Wort „Geschäftsleute“ mit rotem Farbstift unterstrichen und am linken Seitenrand mit Bleistift angestrichen. 18 Gemeint ist der deutsch-polnische Nichtangriffsvertrag vom 26.1.1934, den Hitler am 28.4.1939 annullierte. 19 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. 20 Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen und ab den Worten „August/Anfang September“ mit Bleistift unterstrichen. 21 Der Text ist mit Bleistift unterstrichen. 22 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. 23 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen.
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Nr. 526
7. 7. 1939
Warschau erfuhren (die Aufgabe Kleists bestand darin, in Riga und in Reval eine deutsch-lettische und eine deutsch-estnische Gesellschaft zu organisieren), wurde mir von polnischer Seite angeraten, dem Kabinettschef im polnischen Außenministerium24, Graf Lubinskij25, einen Besuch abzustatten. Ribbentrop lehnte zwar die Möglichkeit der Herstellung dieses Kontakts ab, warf dabei aber die Frage auf, die polnischen Wünsche zu einem für uns günstigen Zeitpunkt aufzugreifen. Im Lichte möglicher deutsch-polnischer Verhandlungen könnte die Danzig-Frage behandelt werden. Polen ist zu weitgehenden Aussagen hinsichtlich einer Kapitulation in der Danzig-Frage zu provozieren und dann, wenn sich für uns ein günstiger Zeitpunkt für die Eröffnung von Kriegshandlungen ergibt, sind die Verhandlungen unerwartet abzubrechen und damit der ganzen Welt und der polnischen Öffentlichkeit zu zeigen, wie weit die polnischen Vermittler kapituliert haben. Eine solche Lossagung von der Öffentlichkeit des Landes ist ein ausgezeichneter innenpolitischer Diversionsakt, der vielleicht den Sturz der polnischen Regierung und innere Unruhen in Polen nach sich zieht. Gleichzeitig wird ein Schlag der deutschen Streitkräfte erfolgen. Diesen Plan, den mir Ribbentrop unlängst darlegte, fand ich realisierbar.“ „Die Propagandatätigkeit gegen Polen setzt in ungefähr drei Wochen im breiten Ausmaß ein. Die antipolnischen Rundfunksendungen werden in polnischer, ukrainischer, weißrussischer, kaschubischer und in anderen Sprachen kleiner Völkerschaften ausgestrahlt werden. Außerdem wird in Berlin eine Zeitungskorrespondenz eingerichtet werden, die in englischer, **französischer**26, spanischer und in einigen skandinavischen Sprachen erscheinen und antipolnische Artikel und Meldungen veröffentlichen wird. *Gegenwärtig befassen sich die zuständigen Berliner Instanzen damit, die neue deutsch-polnische Grenze festzulegen. In groben Umrissen wird die neue Grenze so aussehen: der Anschluss des Territoriums von Suwałki an Ostpreußen*27; der Anschluss *des Korridors und Danzigs an das Reich*28; Festlegung der Grenze beginnend *bei Thorn in Richtung Posen, das außerhalb der Reichsgrenze liegt; von Posen verläuft die neue Grenze entlang der alten Reichsgrenze, wobei Łódź außerhalb der alten Reichsgrenze verbleibt; das polnische Oberschlesien kehrt zum Reich zurück, wobei die neue Reichsgrenze über die alte hinausgeht und das gesamte polnische Oberschlesische Industrierevier umfasst; das Teschener Gebiet und Bielitz (30 km östlich von Teschen) werden ebenfalls in die neuen Reichsgrenzen eingehen.*29 Dieser Plan des Grenzverlaufs, wenn es dazu kommen sollte, wird einer internationalen Konferenz in der „Godesberger Situation“30 vorgelegt werden. Ob wir diese Grenze nach der Entscheidung der polnischen Frage beibehalten werden, ist eine andere Frage.“ Ergänzung: Im Rahmen des oben Dargelegten wurde auch folgende Bemerkung zu den baltischen Staaten gemacht: 24 25 26 27 28 29 30
Gemeint ist der Leiter des Sekretariats des polnischen Außenministers. So im Dokument; gemeint ist: Łubieński. Das Wort ist über die Zeile geschrieben. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. Gemeint sind die Verhandlungen Hitlers mit Chamberlain während der Sudeten-Krise am 22. und 23.9.1938 in Bad Godesberg. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. II, Dok. 562, 583.
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8. 7. 1939 Nr. 527 *„Die baltischen Staaten werden mit Rücksicht auf die Sowjetunion keinem deutschen militärischen Druck ausgesetzt werden, *weder während unseres Konflikts mit Polen noch in der darauffolgenden Zeitspanne von 2 Jahren, die durch gute deutsch-russische Beziehungen bestimmt sein wird.“*31 Für die Richtigkeit: Geh[ilfe] des Chefs der 5. Abteilung der 5. Verwaltung der RKKA Militäringenieur 1. Ranges M. Panfilov Auf dem Begleitschreiben befindet sich unten der Stempel des Sekretariats des Volkskommissars für Verteidigung der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 1502ss vom 7.7.1939. Auf Kopfbogen der V. Verwaltung der Roten Arbeiter- und Bauernarmee geschrieben. RGVA, f, 33987, op. 3a, d. 1237, l. 376–383. Original, beglaubigte Kopie. Veröffentlicht in: Voennaja razvedka informiruet, Dok. 1.37, S. 112–11532.
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Nr. 527 Meldung von Agenturmaterialien durch den Chef der 5. Verwaltung der RKKA Proskurov an den Stellv. Volkskommissar für Verteidigung Mechlis Nr. 527 8. 7. 1939 8. 7. 1939 Ganz geheim Expl. Nr. 5 5. Abteilung Nr. 475002ss1 8. Juli 1939 An den Stellvertretenden Volkskommissar für Verteidigung der UdSSR ARMEEKOMMISSAR 1. RANGES Gen. MECHLIS In Ergänzung zu Nr. 475001 vom 7.7.39 übersende ich die Übersetzung von Materialien der gleichen Quelle zu den deutsch-sowjetischen Beziehungen. Der respektlose Ton, den der deutsche Luftattaché in Polen in Bezug auf Ribbentrop anschlägt, zeugt offensichtlich von der in Militärkreisen angestauten Unzufriedenheit mit der deutschen Außenpolitik. ANLAGE: Sammlung von Übersetzungen in 7 Blatt.
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Der Text ist mit rotem Farbstift eingerahmt. Auf dem veröffentlichten Exemplar ist auf S. 115 der Verteiler des Dokuments vermerkt: an Stalin, Molotov, Vorošilov, Berija, Mechlis, Šapošnikov, zu den Akten. 1
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben.
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Nr. 527
8. 7. 1939
Stellv. Volkskommissar für Verteidigung der UdSSR Chef der 5. Verwaltung der RKKA HELD DER SOWJETUNION KOMDIV Proskurov [ANLAGE] Ganz geheim Expl. Nr. 5 5. Verwaltung der RKKA SAMMLUNG VON ÜBERSETZUNGEN NACHRICHTENDIENSTLICHER MATERIALIEN ZU MILITÄRPOLITISCHEN FRAGEN Ganz geheim Expl. Nr. … AUFZEICHNUNG DES GESPRÄCHS DER QUELLE MIT DEM DEUTSCHEN LUFTATTACHÉ IN POLEN, *OBERST GERSTENBERG*2 Am 22. Juni 1939 hatte ich ein Gespräch mit dem Luftattaché an der Deutschen Botschaft in Warschau, Oberst Gerstenberg. Auf der Grundlage meiner Berliner Eindrücke3 erzählte ich Gerstenberg von dem Optimismus, der in offiziellen Kreisen der Reichshauptstadt in Bezug auf die Haltung der Sowjets herrscht. Darauf erklärte Gerstenberg: „Dieser Optimismus ist begründet. Man muss nur mit den Sowjets Verhandlungen aufnehmen. Sie warten auf uns.4 Ich habe Göring geschrieben, dass *man nach Moskau Militärs schicken muss, die in direkten Kontakt zu Stalin und Vorošilov treten könnten*. Heute darf man nicht mit den Bolschewiken über den Verkauf von Streichhölzern sprechen und insofern ist die Aufgabe Schnurres Blödsinn; *heute muss man mit den Sowjets in der Sprache des XX. Jahrhunderts sprechen*. Sobald wir mit den Russen über die Teilung Polens sprechen und ihnen konkrete 2
Der hier und im Folgenden so gekennzeichnete Text ist mit rotem Farbstift unterstri-
chen. 3 4
Vgl. Dok. 526. Der nachrichtendienstlichen Meldung zufolge, die Orlov am 24.1.1939 an Vorošilov übermittelte, äußerste Gerstenberg in einem privaten Gespräch Anfang Januar: „Die Entwicklung der Militärpolitik in letzter Zeit zeigt, dass sich die Vorbereitung des Krieges gegen die Sowjetunion und die Vorbereitung zur Lösung des Ostproblems lange Zeit hinziehen. Diese Tatsache sorgt für Unruhe, weil der Zeitpunkt für die Liquidierung der Sowjetunion im Jahr 1939 verstreicht. Sollte Deutschland nicht die inneren Schwierigkeiten der Sowjetunion für deren Liquidierung nutzen und ist es in der Lage, diese in Form einer bewaffneten Intervention zu nutzen? Die charakteristischen Momente im Leben des Reiches rufen eine skeptische Antwort auf diese Frage hervor. Jetzt herrscht einmütig die Auffassung vor, dass die oppositionelle Stimmung des deutschen Volkes gegenüber dem nationalsozialistischen Regime noch nie so stark wie zum jetzigen Zeitpunkt war. Im deutschen Volk in dieser Stimmung den Enthusiasmus anzufachen, der für einen Feldzug gen Osten unabdingbar ist, ist außerordentlich schwer. Das Volk in Deutschland sagt: ‚Pfeifen wir auf die Ukraine, wir wollen Ruhe und anständig zu essen haben.‘ Diese innenpolitische Lage beunruhigt die Reichsregierung stark.“ In: RGVA, f. 33987, op. 3a, d. 1237, l. 79–80.
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8. 7. 1939 Nr. 527 Vorschläge machen werden, werden sie uns verstehen und ihr Einverständnis geben.5 *Man muss mich nach Moskau schicken. Ich werde dann dort den Laden in Ordnung bringen.* Ich sehe es kommen, dass *die Idioten, die sich um Ribbentrop geschart haben*, die Sache mit den Sowjets zunichtemachen werden, wie sie es mit meinen Erfolgen in Rumänien gemacht haben. In Rumänien haben sie sich auf den Lorbeeren des Wirtschaftsvertrages6 ausgeruht, in dessen Gefolge das Schwein Gafencu zusammen mit dem Gauner Carol begannen, eine Deutschland gegenüber vollkommen feindliche Politik zu betreiben. Aber das ist unsere Schuld. Mit Carol hatte ich die Sache so weit vorangetrieben, dass man ihn vor den deutschen Wagen hätte spannen können. Heute ist alles zum Teufel. In einem Bericht bei Göring habe ich ihm die ungeschminkte Wahrheit über das Fiasko **in** 7 der deutschrumänischen Politik dargelegt. Den Bericht hat auch der Führer gelesen und erklärt, dass ich unbedingt nach Bukarest geschickt werden müsse. Ich werde Carol an meine früheren Vorschläge erinnern, die auf der Erkenntnis fußen, dass die Armee das Steckenpferd Carols ist. Ich schlug ihm damals vor, die rumänische Luftwaffe mit deutscher Technik und mit Unterstützung deutscher Offiziere zu organisieren. Carol hatte seinerzeit nicht abgelehnt. Doch er kam nicht mehr auf meine früheren Vorschläge zurück. Heute, da er englisches Gold in seiner schmutzigen Tasche8 hat, will er natürlich nicht an meine früheren Pläne erinnert werden. Aber ich werde ihm meine Meinung sagen. Carol weiß übrigens genauso gut wie ich, dass wir uns gegenseitig über den Tisch ziehen wollen. Aber das ist notwendig. Mit Carol muss man ebenfalls in der Sprache des XX. Jahrhunderts sprechen. Leider habe ich dazu keine Möglichkeit, weil ich hier *in dem verlausten Warschau sitzen muss, um die Ziele für die deutschen Bomber auszumachen. Ich habe das abgeschlossen. Die Hälfte des deutschen Bombensegens wird auf das jüdische Viertel fallen*. Mit den Polen passiert natürlich die gleiche Schweinerei wie mit Russland und mit Rumänien. Anstatt zu handeln, legt man die Hände in den Schoß. Man will Anfang September zu handeln beginnen – das ist Schwachsinn. Heute können 5 In einem anderen nachrichtendienstlichen Bericht, der im Juli 1939 in Übersetzung an Stalin, Molotov, Vorošilov, Berija, Mechlis und Šapošnikov ging, wurden folgende Äußerungen der Luftattachés in Polen, Gerstenberg, wiedergegeben: „Die Sowjetunion muss erobert werden. Aber heute darf man der Sowjetunion keine bereits abgenagten Knochen hinwerfen. Sie fordert heute ein fettes Stück – die ehrliche, starke Zusammenarbeit, die sie braucht. Wir im Luftfahrtministerium, einschließlich Marschall Göring, sind der Auffassung, dass es drei Kompensationsobjekte gibt, die wir der Sowjetunion anbieten können und müssen: 1. Einen Teil Polens, und zwar einen guten Teil. Dieser Staat wird ohnehin zu existieren aufhören, und daraus entsteht das Erfordernis, dass wir mit der Sowjetunion zu einer einvernehmlichen Lösung bezüglich der neuen Grenzen kommen. Dabei sollten wir nicht kleinlich sein. 2. Die persischen Häfen. Diese Häfen würden die sowjetische Stellung in Asien bedeutend verbessern, insbesondere die Stellung Moskaus gegenüber England und Japan. Wir sollten ihr dabei helfen, diese Häfen in Besitz zu nehmen. 3. Wir sollten Japan verraten. Dies ist zwar bitter, aber richtig. Wir sollten mit unserer Ostasienpolitik Schluss machen, die uns im Prinzip nur Zorn eingebracht hat, und wir sollten gemeinsam mit den Russen die Chinesen gegen Japan verteidigen. Damit würden wir die russische Stellung im Fernen Osten entschieden entlasten.“ Gerstenberg fügte dem hinzu: „Es ist noch nicht zu spät. Zu viele Leute, die überhaupt nichts verstehen, beschäftigen sich mit diesen Problemen. Aber die Ereignisse entwickeln sich in die von mir aufgezeigte Richtung. Jetzt hängt im Wesentlichen alles von den Russen ab, wenn sie dies rechtzeitig begreifen, dann können sie jetzt mit uns große Geschäfte machen.“ Zitiert in: Voennaja razvedka informiruet, Dok. 1.38, S. 116–117. 6 Vom 23. März 1939. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 78, S. 76–77. 7 Das Wort ist mit Schreibmaschine eingefügt. 8 Gemeint ist wahrscheinlich „schmutziges Geld“.
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Nr. 527
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die Polen von ihren 4 Millionen ausgebildeten Soldaten 1.200 Tsd. Mann mit Waffen und Munition ausrüsten. In einem Monat können anstelle von 1.200 Tsd. Mann mit Hilfe englischer und französischer Waffen bereits 1.600 Tsd. Mann aufgestellt werden. Und so wird sich das fortsetzen. Die polnische Nuss wird desto härter, je länger wir warten. Man müsste jetzt handeln. Aber die Burschen in Berlin haben keinen Verstand.“ INFORMATION DER QUELLE ZU DEN DEUTSCH-SOWJETISCHEN BEZIEHUNGEN Aufgrund von bestätigten Informationen, darunter auch die Mitteilung des engsten Mitarbeiters von Ribbentrop, Kleist, der eben erst auf der Durchreise in die baltischen Staaten hier war und den Botschafter9 besuchte, *konzentriert sich die Aufmerksamkeit Berlins auf die politische Haltung der Sowjetunion*. Moskau wird jetzt von Berlin in politischer, militärischer und wirtschaftlicher Hinsicht bearbeitet. Wirtschaftsverhandlungen stehen unmittelbar bevor. Die Russen wollen sich zwar teuer verkaufen und fordern eine Reihe von Krediten, die wir ihnen geben sollen, bevor sie in Verhandlungen eintreten. Deutschland ist der Auffassung, dass die Wünsche der Russen als Grundlage für die Verhandlungen dienen sollen. Was den militärischen Bereich betrifft, so *ist der deutsche Militärattaché in Moskau, Köstring, am 19. Juni vom Führer empfangen worden, der ihm den Auftrag erteilte, mit Vorošilov freundschaftliche Kontakte anzubahnen*. In politischer Hinsicht sind die Deutschen bestrebt, eine Art Nichtangriffspakt abzuschließen. Die Deutsche Botschaft hat entsprechende Weisungen erhalten, die hier noch unbekannt sind. [...]10 INFORMATIONSBERICHT Soweit man beurteilen kann, wurden in Berlin in den letzten 10 Tagen keine abschließenden Entscheidungen getroffen, aber die Meinungsverschiedenheiten der maßgebenden Berliner Kreise haben sich offenbar noch verschärft. Das, was aus Berlin hierher11 durchdringt – über Telegramme, Berichte, private Gespräche des Botschafters und des Militärattachés12, aber auch Besucher –, ist Ausdruck von Annahmen und persönlichen Auffassungen, die sich oft widersprechen. Die Beamten des Auswärtigen Amtes in Deutschland und im Ausland haben, wie auch zuvor, folgende Weisung erhalten: „Wenn Deutschland die Zeit für gekommen hält, um seine Rechte auf Polen geltend zu machen, *wird mit Polen binnen 48 Stunden Schluss gemacht*. Wenn sich die Westmächte einmischen sollten, wird Frankreich an der deutschen Westgrenze verbluten und England seine internationale Bedeutung verlieren. Jeder Beamte, der Zweifel am Erfolg dieser Politik äußert, wird vom Außenminister erschossen.“ An einem anderen Ort könnte dies 9 10
Hans-Adolf von Moltke. Ausgelassen ist die Übersetzung des Telegramms des deutschen Botschafters in Rom von Mackensen an das AA vom 31.5.1939 (l. 160–161). Für den Wortlaut des Telegramms vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 456, S. 510. 11 Gemeint ist Warschau. 12 Oberst Kurt Himer.
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8. 7. 1939 Nr. 527 als lächerlich erscheinen, aber in dem vorliegenden Fall wird die Weisung nach wie vor in dieser Form ausgegeben. Den deutschen Ansprüchen gegenüber Polen sind offenbar noch keine festumrissenen Grenzen gesetzt, jedenfalls ist dazu nirgends etwas zu erfahren. Überall herrscht die Auffassung vor, dass *der deutsch-polnische Krieg mit Danzig beginnen wird*. Nach Auffassung Berliner und örtlicher deutscher militärischer Instanzen wird bei einer solchen Ausgangslage der Vorteil auf der Seite Polens liegen, da es viele Brücken hat. Um diesen Nachteil auszugleichen, wird auf deutscher Seite Pioniersoldaten in Zivil der Befehl erteilt werden, beim Ort Einlage13 eine Brücke zu bauen. Eine einheitliche Auffassung zum deutsch-polnischen Krieg gibt es bis jetzt nicht: *So hat sich in den letzten Monaten Hitler mehrfach gegen einen Krieg ausgesprochen, offenbar hatte er wegen der innenpolitischen Situation Befürchtungen.* Militärische Kreise, die noch vor einem Monat zu kämpfen fest entschlossen und voller Optimismus waren, erklären heute, dass „das nicht so schnell und einfach geht“. In dem deutsch-polnischen Sektor haben keine militärischen Veränderungen stattgefunden. Zwischen den beiden Mächten werden bis jetzt keine Verhandlungen geführt. Es gab lediglich zwei nichtssagende Momente: 1. Auf dem Empfang für den jugoslawischen Botschafter in Berlin14 hat der polnische Botschafter Lipski bei der Begrüßung durch den Führer von diesem einige freundschaftliche Worte zu hören bekommen. Hitler soll angeblich gesagt haben, dass Deutschland und Polen einige Fragen zu klären hätten, derentwegen man aber nicht Krieg führen müsse. 2. Am 14. Juni hat der deutsche Botschafter in Warschau den Staatssekretär im Außenministerium Szembek aufgesucht, um eine Beschwerde wegen der antideutschen Kampagne in Polen vorzutragen und deren Einstellung zu fordern. Große polnische Fragen wurden dabei nicht berührt. Über die Fortführung der deutsch-russischen Verhandlungen gibt es nur spärliche Informationen. Aus ihnen geht hervor, dass sich die Verhandlungen bis jetzt nicht vom Fleck gerührt haben. Laut den hier vorliegenden Informationen ist der *deutsche Botschafter trotz seines Wunsches nicht von Molotov empfangen worden15. Dessen ungeachtet ist man in Berlin fest entschlossen, Geheimrat Schnurre für Wirtschaftsverhandlungen nach Moskau zu schicken.*16 Für die Richtigkeit: Stellv. Chef der 5. Abteilung der 5. Verwaltung der RKKA MILITÄRINGENIEUR 1. RANGES Panfilov Auf dem Begleitschreiben befindet sich oben in der Mitte der Stempel des Sekretariats der Politverwaltung der RKKA mit der Eingangs-Nr. 3662ss vom 9.7.1939. Auf Kopfbogen der V. Verwaltung der Roten Arbeiter- und Bauernarmee geschrieben. RGVA, f. 9, op. 29, d. 493, l. 155–163, hier l. 155–159. Original, beglaubigte Kopie. 13 14 15 16
Landgemeinde bei Schiewenhorst; heute Ortsteil von Gdansk. So im Text. Ivo Andrić war Gesandter Jugoslawiens in Berlin. Graf von der Schulenburg hatte am 28.6.1939 ein Gespräch mit Molotov. Vgl. Dok. 523. Der gekennzeichnete Text ist unterstrichen und am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen.
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Nr. 528
10. 7. 1939
Nr. 528 Vorlage des Chefs des Generalstabes der RKKA Šapošnikov für den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov Nr. 528 10. 7. 1939 10. 7. 1939 GANZ GEHEIM Expl. Nr. 1 [10.7.1939] Falls wir einen Vertrag mit England und Frankreich abschließen, so können sich einige Varianten für den Einsatz unserer Streitkräfte ergeben. Die I. Variante tritt dann ein, wenn der Überfall der Aggressoren (Deutschland und Italien) direkt gegen Frankreich oder England erfolgen wird. *In diesem Fall müssen England und Frankreich ihre Streitkräfte unverzüglich an den Ostgrenzen Frankreichs und Belgiens in Stellung bringen und ab dem 15. Tag der Mobilmachung entschlossene Handlungen gegen die Aggressoren beginnen. Es muss unbedingt gefordert werden, dass zu dem festgesetzten Tag Frankreich, England und Belgien an den Ostgrenzen Frankreichs und in Belgien in Stellung gebracht haben: mindestens 110 Infanteriedivisionen 15.000 Geschütze1 6.000 Panzer 7.000 Flugzeuge.*2 Die UdSSR hat mit Deutschland keine gemeinsame Landgrenze, deshalb müssen sich Frankreich und England Polens **Teilnahme an diesem Krieg sichern**3 und unseren Truppen den Durchmarsch gewährleisten, **wenn nicht**4 durch das Territorium Estlands, Lettlands und Litauens, **so auf jeden Fall durch**5 **den Wilnaer Korridor**6 Polens. Unsere Unterstützung für Frankreich und England **muss**7 sich **8 in gemeinsamen Handlungen unserer Landstreitkräfte, der Luftstreitkräfte und der Seekriegsflotte (in der Ost- und Nordsee) und, falls auch der Süden bedroht wird, auch der Schwarzmeerflotte, **mit den Kräften Frankreichs, Englands, Polens usw.**9 niederschlagen.
1 Danach folgt im Text mit Bleistift geschriebene Bemerkung: (welche? beliebige?). Sämtliche hier und im Folgenden vorgenommenen Korrekturen, Unterstreichungen und Vermerke im Text stammen von Stalin. 2 Am linken Seitenrand befindet sich der Vermerk mit Bleistift: Es gibt noch eine Variante: der Überfall Italiens und Deutschlands auf die Türkei und der Versuch, die Dardanellen zu erobern. 3 Der Text ist mit Bleistift korrigiert; ursprünglich: die Teilnahme durchzusetzen. 4 Die Textstelle ist mit Bleistift über die Zeile geschrieben. 5 Die Textstelle ist mit Bleistift über die Zeile geschrieben. 6 Die Textstelle ist mit Bleistift korrigiert; ursprünglich: sowie auch des Wilnaer Korridors. 7 Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: kann. 8 An dieser Stelle wurde gestrichen: lediglich. 9 Der Text ist mit Bleistift geschrieben.
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10. 7. 1939 Nr. 528 *Für die Aggressoren müssen solche Bedingungen geschaffen werden, als ob sie sowohl vom Westen als auch vom Osten her *gleichzeitig*10 mit überlegenen Kräften angegriffen würden.*11 *Deshalb müssen die Handlungen Englands und Frankreichs aktiv und gegen den Hauptaggressor – Deutschland – gerichtet sein. Gegen Italien sollten unterstützende Operationen durchgeführt werden.*12 Frankreich und England sollten ¾ ihrer Kräfte nördlich von Metz und in Belgien entfalten und einen entschlossenen Angriff gegen das Ruhrgebiet und das Kölner Industrierevier in allgemeiner Richtung auf Magdeburg führen. Die Luftstreitkräfte Frankreichs und Englands sollten Schläge gegen die wichtigsten Industriegebiete Deutschlands im Westen, gegen dessen Flottenstützpunkte in Kiel, Hamburg und Bremen, gegen Berlin und andere große Verwaltungszentren ausführen. Die Operationen der vereinten englisch-französischen Flotte müssen zum Ziel haben: 1) den Einbruch eines starken Geschwaders in die Ostsee zwecks Handlungen gegen die deutsche Flotte in der Ostsee und gegen die deutschen Küsten; 2) die Blockade der deutschen Nordseeküste; 3) die Seeherrschaft im Mittelmeer und die Schließung des Suezkanals und der Dardanellen; 4) *Operationen von Kreuzern vor den Küsten Norwegens und vor Murmansk mit Archangelsk*13 gegen U-Boote und Kreuzer der deutschen Marine in diesen Gewässern. Die militärische Unterstützung seitens der UdSSR ist nur dann möglich, wie oben ausgeführt, wenn seitens Englands und Frankreichs die Teilnahme Polens am Krieg gewährleistet wird und der Durchmarsch unserer Truppen *mit der Absicherung vor feindlichen Angriffen auf ihre Durchmarschwege durch das Territorium Estlands, Lettlands, Litauens und den Wilnaer Korridor Polens (nördlich des Oberlaufs der Memel), die Überlassung von Flottenstützpunkten dieser Staaten und Finnlands an uns sowie die Übernahme des *Åland- und Moonsundarchipels durch unsere Truppen*14.*15 In diesem Fall würden wir gegen Ostpreußen richten: 30%16 sämtlicher unserer an den Westgrenzen aufmarschierten Kräfte, wobei in Abhängigkeit von der Intensität Frankreichs und Englands am Frontgeschehen diese Kräfte auch aufgestockt werden könnten. Unsere Luftstreitkräfte führen Operationen gegen Ostpreußen, gegen die deutsche Kriegsmarine in der Ostsee und ihre Flottenstützpunkte und handeln abgestimmt mit unseren Landtruppen. Unsere Nordflotte führt Kreuzer-Operationen vor den Küsten Finnlands und Norwegens durch, zusammen mit englischen und französischen Geschwadern.
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Das Wort ist mit Bleistift unterstrichen. Der Text ist am linken Seitenrand zweimal angestrichen und mit dem Vermerk versehen: 1) Ja. 12 Der Text ist am linken Seitenrand mit Bleistift angestrichen und mit dem Vermerk versehen: Unter 2). 13 Der Text ist mit Bleistift unterstrichen und am linken Seitenrand mit dem Vermerk versehen: Ha-ha. 14 Der Text ist mit Bleistift unterstrichen. 15 Der Text ist am linken Seitenrand zweimal angestrichen. 16 Daneben ist mit Bleistift über die Zeile geschrieben: 40%.
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Nr. 528
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Die Baltische Flotte, die durch Stationierung in den Häfen Finnlands (Helsingfors, Hanko und Ålandinseln) und in den Häfen Estlands (Reval, Moonsund) gesichert ist, kann ihre Kreuzeroperationen und U-Bootaktivitäten vor der Küste Ostpreußens, Danzigs und Pommerns ausdehnen und danach streben, Verbindung zur englischen und französischen Flotte in der Ostsee aufzunehmen. Die U-Boote der Baltischen Flotte **müssen** den Transport von Industrierohstoffen für Deutschland aus Schweden **stören**17. *Die Befehlsgewalt über sämtliche unserer Streitkräfte verbleibt vorbehaltlos bei uns, die Koordinierung von militärischen Aktionen mit England und Frankreich wird während des Krieges durch ein spezielles Abkommen herbeigeführt werden.*18 Nicht ausgeschlossen ist die Möglichkeit, dass Ungarn, **Rumänien**19 und Bulgarien in den Krieg hineingezogen werden. Aus diesem Grund können wir keinen größeren Prozentsatz unserer Streitkräfte für die militärische Unterstützung Frankreichs und Englands gegen Deutschland abzweigen. Frankreich und England müssen für die Kriegführung bereits jetzt unsere Rüstungsindustrie mit der Lieferung von Werkzeugmaschinen und stark defizitärer Rohstoffe auf der Grundlage unserer speziellen Bedarfsmeldungen versorgen. Die II. mögliche Variante der Entstehung von Kriegshandlungen tritt dann ein, wenn Polen das Angriffsobjekt Deutschlands ist. Wenn Frankreich und England den Aggressoren ebenfalls den Krieg erklären und unverzüglich gegen Deutschland und Italien vorgehen, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich England und Frankreich, da sie bereits unmittelbar in den Krieg eingetreten sind, für eine militärische Zusammenarbeit an uns wenden können. Polen wird nicht allein von Deutschland angegriffen werden, auch Ungarn wird sich aller Wahrscheinlichkeit am Krieg gegen Polen beteiligen. Ob Rumänien von diesem Angriff betroffen sein wird oder nicht, so wird es – von Bulgarien und eventuell auch von Jugoslawien gefesselt – Polen kaum wirksame Unterstützung geben. Falls Frankreich und England beschließen, Polen wirksam zu unterstützen, so müssen sie ihre gesamten Streitkräfte einsetzen und die Operationen so führen, wie in der I. Variante aufgezeigt. Unsere Beteiligung an den Kriegshandlungen, die auf Bitte Frankreichs und Englands erfolgt, könnte zu den genau gleichen Bedingungen erfolgen, wie in der I. Variante aufgezeigt ist, d.h. gegen Ostpreußen mit 30% unserer im Westen aufmarschierten Kräfte mit der Gewährleistung ihres Durchmarsches durch Estland, Lettland und den Wilnaer Korridor. *Jedoch erfordert der Einfall der Deutschen und Ungarn in Galizien aus Richtung der Slowakei und Ungarns von uns, weitere 30% unserer Kräfte an den Grenzen zu Polen und Rumänien aufmarschieren zu lassen, die restlichen Kräfte verbleiben in der Reserve für den Fall, dass sie für den Einsatz nördlich oder südlich Polesiens in Abhängigkeit vom Kriegsverlauf an der polnischen Front gebraucht werden.*20 17 18
Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: stören. Der Text ist am linken Seitenrand zweimal angestrichen und mit dem Vermerk versehen: P[unkt] 3) 19 Das Wort ist mit Bleistift durchgestrichen, danach wiederhergestellt. 20 Der Text ist am linken Seitenrand zweimal angestrichen und mit dem Vermerk versehen: 4).
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10. 7. 1939 Nr. 528 *Und auch in diesem Fall verbleibt die Befehlsgewalt über unsere Kräfte vorbehaltlos bei uns. Die Koordinierung der Kriegshandlungen mit England, Frankreich und Polen erfolgt durch eine spezielle Vereinbarung während des Krieges.*21 Die III. mögliche Variante für die Eröffnung von Kriegshandlungen besteht darin, dass Ungarn und Bulgarien mit Unterstützung Deutschlands Rumänien überfallen. Wenn England und Frankreich in diesem Fall den Aggressoren den Krieg erklären und, nachdem sie die 110 Infanteriedivisionen in Stellung gebracht haben, wie in der I. Variante ausgeführt, zur entschlossenen Offensive gegen Deutschland übergehen, könnten sie sich für eine militärische Zusammenarbeit an uns wenden. *Unsere Vorschläge in *dieser Variante müssen beinhalten*22: 1) die Teilnahme Polens mit allen seinen Kräften; 2) den Durchmarsch unserer Truppen durch das Territorium Estlands, Lettlands, Litauens, Polens und Rumäniens.*23 *Sollte Polen neutral bleiben, muss unsere Beteiligung an Kriegshandlungen begrenzt sein.*24 Von England und Frankreich sollten wir den Durchmarsch unserer Truppen durch Estland und Lettland und die Überlassung von Stützpunkten in Finnland und Estland und auf den Moonsund- und Ålandinseln für Operationen unserer Baltischen Flotte und unserer Streitkräfte gegen Ostpreußen garantiert bekommen. Was unsere Beteiligung an Kriegshandlungen zusammen mit Rumänien betrifft, so könnten bis zu 25% unserer Kräfte von den Westgrenzen nach Rumänien, südlich der Karpaten, umgesetzt werden, wobei uns in diesem Fall ein eigenständiger Frontabschnitt überlassen werden muss. Die Befehlsgewalt über unsere Truppen bleibt vorbehaltlos bei uns. Unsere Schwarzmeerflotte schließt gemeinsam mit der türkischen Flotte den Bosporus und blockiert die Küste Bulgariens, insbesondere Varna. Sollte Polen am Krieg teilnehmen, dann muss unseren Truppen der Durchmarsch durch den Wilnaer Korridor gewährt werden. In diesem Fall sollten die Kriegshandlungen so verlaufen wie in der I. Variante ausgeführt, wobei bis zu 30% unserer Kräfte nördlich des Oberlaufs der Memel verlegt werden, 25% unserer Kräfte an die rumänische Grenze verlegt werden. Die verbleibenden 45% sollten in der Reserve verbleiben und je nach Entwicklung der Kriegsereignisse eingesetzt werden. Die IV. mögliche Variante für Kriegshandlungen, die für uns die aktuellste ist, besteht darin, dass sich die Aggression Deutschlands unter Ausnutzung der Territorien Finnlands, Estlands und Lettlands gegen die UdSSR richten wird. In diesem Fall müssen wir von England und Frankreich fordern, den Aggressoren unverzüglich den Krieg zu erklären. *Gleichzeitig sollte England und Frankreich die Bedingung gestellt werden, dass Polen in den Krieg eintritt.*25 21 Der Text ist am linken Seitenrand zweimal angestrichen und mit dem Vermerk versehen: 5). 22 Der Text ist mit Bleistift unterstrichen. 23 Der Absatz ist am linken Seitenrand zweimal angestrichen und mit dem Vermerk versehen: 6). 24 Der Absatz ist am linken Seitenrand zweimal angestrichen und mit dem Vermerk versehen: 7). 25 Der Text ist am linken Seitenrand zweimal angestrichen und mit dem Vermerk versehen: 8).
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England und Frankreich müssen am 15. Tag der Mobilmachung an den Ostgrenzen Frankreichs und in Belgien konzentriert haben: nicht weniger als 110 Infanteriedivisionen 15.000 Geschütze26 6.000 Panzer 7.000 Flugzeuge und eine entschlossene Offensive mit mindestens *70%* 27 ihrer Kräfte gegen Deutschland nördlich von Metz mit dem allgemeinen Hauptschlag in Richtung Magdeburg führen. Die Luftstreitkräfte Frankreichs und Englands müssen einen starken Schlag gegen die Industriezentren Westdeutschlands, gegen die Stützpunkte der Kriegsmarine sowie gegen Berlin führen. Die Handlungen der englischen und französischen Kriegsmarine sollten gerichtet werden: 1) auf den Durchbruch eines starken Geschwaders in die Ostsee für Aktionen gegen die Flotte der Deutschen und die Küste Deutschlands und zur Unterbrechung ihrer Seeverbindungen zu Schweden und Norwegen; 2) auf die Blockade der Nordsee; 3) auf die Vorherrschaft im Mittelmeer, die Schließung der Dardanellen und des Suez-Kanals; 4) auf Operationen von Kreuzern vor den Küsten Norwegens, vor Murmansk und Archangelsk zur Bekämpfung von U-Booten der Deutschen, die in diesen Gewässern operieren. *In diesem Fall werden wir *zu 100%*28 jene Kräfte einsetzen, die für Handlungen an den Westgrenzen vorgesehen sind.*29 Der Bosporus wird von der Schwarzmeerflotte geschlossen. Für die Sicherstellung der Produktion unserer Rüstungsindustrie verpflichten sich Frankreich und England, defizitäre Rohstoffe und Werkbänke gemäß unserer Bedarfsmeldung zu liefern. England und Frankreich müssen von Polen fordern, bis zu 40 Infanteriedivisionen gegen Ostpreußen und in Posen für einen Schlag gegen Ostpreußen und Pommern in Stellung zu bringen und ein Manövrieren unserer Truppen im nordöstlichen Polen zu garantieren, indem uns die Eisenbahnlinien, das rollende Material für den Antransport von Kampfmitteln und Lebensmittel zur Verfügung gestellt werden. Es ist schwerlich anzunehmen, *dass Deutschland einen Teil seiner Kräfte über Rumänien gegen uns werfen könnte. Jedoch ist eine solche Variante nicht auszuschließen, und deshalb sollten in diesem Fall England und Frankreich die Türkei und Griechenland zwecks Hilfeleistung für Rumänien heranziehen*30, und einem Teil unserer Truppen den Durchmarsch durch Galizien und Rumänien garantieren. In diesem Fall wird die Schwarzmeerflotte im Verbund mit der türkischen, griechischen, englischen und französischen Flotte die Dardanellen und den Bospo-
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Daneben befindet sich der Vermerk mit Bleistift: (welche?). Die Prozentzahl ist mit Bleistift umkringelt. Diese Angabe ist mit Bleistift unterstrichen. Der Absatz ist am linken Seitenrand mit dem Vermerk versehen: 9). Der Text ist mit Bleistift unterstrichen und am linken Seitenrand mit dem Vermerk versehen: 10).
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10. 7. 1939 Nr. 529 rus zuverlässig schließen und die Küsten Bulgariens und die Donaumündung blockieren. Diese allgemeinen Überlegungen müssten in den Verhandlungen präzisiert werden, jedoch sollten wir dabei darauf bestehen, dass Frankreich und England die gesamten Streitkräfte aufmarschieren lassen, sie schnell an der Grenze konzentrieren und entschlossen zur Offensive übergehen. *Da weder Polen noch Rumänien*31 uns gegenüber eine eindeutige Haltung beziehen, sollten wir bei der militärischen Hilfeleistung für die westlichen Staaten zurückhaltend sein und stets *45 bis 50% der Kräfte in Reserve halten*32.*33 **(B. Šapošnikov)**34 Vermerk K.E. Vorošilovs mit Bleistift: an Gen. Stalin. Ich lege den von Gen. Šapošnikov ausgearbeiteten Entwurf für die Militärverhandlungen vor. K. Vorošilov 19/VII.39. Am Ende des Dokuments ist die Anzahl der Exemplare vermerkt: Geschr. drei Expl. RGASPI, f. 558, op. 11. d. 220, l. 3–9. Original.
Nr. 529 Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an den Staatssekretär im AA Freiherrn von Weizsäcker Nr. 529 10. 7. 1939 10. 7. 1939 10. Juli 1939 Sehr geehrter Herr von Weizsäcker! Bisher habe ich keine Nachricht von Herrn von Tippelskirch bekommen und weiß nicht, ob es ihm gelungen ist, Sie zu sprechen und Ihnen zu sagen, für wie richtig ich die Weisung halte, auf dem Wege der Normalisierung unserer Beziehungen zur Sowjetunion vorläufig nichts weiteres bei Herrn Molotow zu unternehmen. Ich bin der Meinung, dass jede Überstürzung nur schaden und die Sowjetrussen kopfscheu machen würde. Trotzdem müssen und können wir einiges tun. Da „große Dinge“ aus dem einen oder anderen Grunde zur Zeit nicht möglich sind, müssen wir uns auf die „kleinen“ beschränken. Erfahrungsgemäß sind es nicht die Verträge und Abkommen, sondern es ist gerade die Abwicklung der Dinge des täglichen Lebens, die die gute oder schlechte Atmosphäre im internationalen Verkehr schafft. Hier bietet sich für unseren Fall ein weites Feld der Betätigung, allerdings weniger hier in Moskau, wo unsere Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt ist, als bei Ihnen dort in Berlin. Ich glaube, die Russen würden es als sehr angenehm und als einen Beweis unseres guten Willens empfinden, wenn ihre Botschaft in Berlin, der sow-
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Die Textstelle ist mit Bleistift unterstrichen. Der Text ist mit Bleistift unterstrichen. Der Absatz ist am linken Seitenrand mit dem Vermerk versehen: 11). Der von Šapošnikov überarbeitete Entwurf „Soobraženija po peregovoram s Angliej i Franciej“ wurde am 1.8.1939 Vorošilov zugestellt, vgl. RGASPI, f. 74, op. 2, d. 120, l. 6–13, und nach Einarbeitung von Korrekturen am 4.8. an Stalin geschickt. Zum Exemplar mit den Korrekturen Stalins vgl. Dok. 554.
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Nr. 530
14. 7. 1939
jetische Militär-Attaché1 usw. ein wenig freundlicher behandelt werden würden. Ich gebe zu, dass wir hier erheblich isoliert sind. Dieses trifft aber nicht nur die Deutsche Botschaft, sondern das gesamte diplomatische Corps und entspricht der bekannten Ängstlichkeit und dem Misstrauen der Sowjetrussen. Übrigens sind die Verhältnisse in Iran ganz ähnliche. Auch dort ist es dem Einheimischen nicht gestattet, mit den fremden Diplomaten zu verkehren. Trotzdem vergelten wir dem Iranischen Gesandten in Berlin nicht Gleiches mit Gleichem. Gewiss werden sich auch sonst in Berlin oft Möglichkeiten bieten, den Sowjetrussen gefällig zu sein und ihnen dadurch unseren guten Willen zu beweisen. Ich glaube, es würde unserem Ziele dienen, wenn wir jede solche Gelegenheit ergreifen und zum Guten wenden würden. Hier merken wir in dem Verhalten der Sowjets uns gegenüber bereits eine kleine Erleichterung. Die hiesigen Verhandlungen der Engländer und Franzosen sind noch immer nicht zu Stuhle gekommen. Unsere britischen Kollegen haben bisher eisern über die Verhandlungen geschwiegen; gestern haben sie zum ersten Male Zeichen von Ungeduld erkennen lassen. Das sowjetische Kommuniqué von heute Morgen – wir haben es telegraphisch gemeldet –2 gibt ihrem Unmute recht. Ich meine zum Mindesten sind auch die Sowjets von dem Geraune angesteckt, dass der Monat August ein besonders kritischer sein wird. Sie werden es vorziehen, sich bis dahin nicht zu binden. Mit den allerbesten Grüßen und mit Heil Hitler! Bin ich, sehr geehrter Herr von Weizsäcker, Ihr stets ganz ergebener gez. Graf von der Schulenburg Auf erstem Blatt oben: (Herrn Staatssekretär Freiherrn von Weizsäcker, A.A. Bln.), unten: ab 10.7.39 Gü[nther]. PA AA, Moskau 560, Bl. 178565-178567. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 648, S. 750–751.
1
2
Nr. 530 Beschluss des Politbüros des ZK der VKP (B) Nr. 530 14. 7. 1939 14. 7. 1939 14. Juli 1939 Beschluss des PB vom 14.VII.1939 Die deutsche Seite hat den sowjetischen Entwurf für ein Kreditabkommen1 als Diskussionsgrundlage angenommen und ist in den **2 von Herrn Hilger abgegebe1 Der sowjetische Militärattaché Orlov war im Juni 1937 abberufen worden, sein Gehilfe Gerasimov befand sich seit April 1939 in Moskau; vgl. Dok. 507. 2 Vgl. Telegramm Nr. 127 vom 10.7.1939. In: PA AA, R 102789, Bl. 389084. 1 2
chen.
1322
Vgl. Dok. 491, 501. Das an dieser Stelle stehende Wort „letzten“ wurde von Stalin mit Bleistift durchgestri-
14. 7. 1939 Nr. 530 nen Erklärungen vom **10. des Monats**3 den sowjetischen Wünschen4 entgegengekommen, und zwar: 1. die Kreditlaufzeit mit 7 Jahren zu bemessen, anstelle von 6 Jahren; 2. wie wir die **Erklärungen des Herrn Hilger**5 verstehen, kommt sie der UdSSR bei den Kreditzinsen in Höhe von 4,5% entgegen; 3. sie hat die sowjetische Bestellliste angenommen. Die sowjetische Seite ist **ihrerseits**6 gegenwärtig bereit, den deutschen Wünschen bei einer Reihe von strittigen Fragen entgegenzukommen, und erachtet es als möglich: 1. den deutschen Vorschlag zur Frage des Kurses der Mark mit Goldklausel7 anzunehmen **unter der Bedingung, dass uns alle Wechselkursunterschiede in Bezug auf die Summe der bei den Banken vorhandenen Mark der Handelsvertretung und in Bezug auf die Zahlungen für sowjetische Waren, die vor der Wechselkursänderung verkauft wurden, kompensiert werden**8; 2. das Volumen der **sowjetischen**9 Lieferungen im Verlauf von 2 Jahren auf 170 Mio. Mark zu erhöhen; 3. den deutschen Vorschlag anzunehmen, dass die Bestellungen auf Kreditbasis in einem Zeitraum von 2 Jahren ab dem Tag des Abschlusses des Abkommens zu platzieren sind, unter der Bedingung, im ersten Jahr Bestellungen in Höhe von mindestens 120 Mio. Mark zu tätigen; 4. sich damit einverstanden zu erklären, dass die Transporte von 50 bis 60% der für Deutschland bestimmten Güter auf deutschen Schiffen erfolgen, wenn diese zu dem Frachtsatz erfolgen, der im Güterfrachtverkehr zwischen der UdSSR und Deutschland üblich und normal ist. **10 **Die sowjetische Seite würde gern die Stellungnahme der deutschen Regierung zu dem oben Dargelegten wissen.**11 Vermerk I.V. Stalins mit braunem Farbstift: Dafür. I. St[alin]. Unterschriften mit blauem Farbstift: K. Vorošilov, L. Kaganovič, V. Molotov. Unterschrift mit Bleistift: A. Mikojan. Vermerk des Sekretärs: (Sondermappe). Am Ende des Dokuments ist mit Bleistift zum Verteiler vermerkt: an Gen. Mikojan, zu den Akten. Veröffentlicht in: SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 128, S. 18512.
3 4 5 6 7
Der Text wurde von Mikojan eingefügt. Vgl. Dok. 525. Der Text wurde von Stalin mit rotem Farbstift eingefügt. Das Wort wurde von Mikojan mit Bleistift eingefügt. Eine Schutzklausel, die in internationale Kredit-, Zahlungs- und Handelsabkommen aufgenommen wird. Sie enthält üblicherweise die Höhe des Goldfeingehaltes der Zahlungswährung per Datum des Abschlusses des Abkommens, um so Verluste bei einer Währungsabwertung zu vermeiden. 8 Der Text wurde von Mikojan mit Bleistift eingefügt. 9 Das Wort wurde von Mikojan mit Bleistift eingefügt. 10 An dieser Stelle wurde von Stalin mit rotem Farbstift der folgende Absatz gestrichen: Die sowjetische Seite geht davon aus, dass nunmehr mit der deutschen Seite keine Meinungsverschiedenheiten zu dem projektierten Kreditabkommen mehr bestehen sollten. 11 Der Satz wurde von Mikojan mit Bleistift eingefügt. 12 Die technische Beschreibung wurde nach dem Faksimile dieses bei http://1939.rus archives.ru aufgeführten Dokuments präzisiert.
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Nr. 531
15. 7. 1939
Nr. 531 Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA Nr. 531 15. 7. 1939 15. 7. 1939 Moskau, den 15. Juli 1939 Geheim! Tgb.Nr. A/1487 Durchschlag Auf den Erlass vom 12. Juli d.Js. Pol V 757 g. RS. An das Auswärtige Amt Berlin Inhalt: Englisch-sowjetische Paktverhandlungen Die Auffassung, dass sich bei den englisch-sowjetischen Verhandlungen der Einfluss Shdanows in letzter Zeit stark bemerkbar gemacht habe und dass dieser gegen eine vertragliche Bindung im Sinne der englischen Wünsche eingestellt sei, ist zweifellos durch den in der „Prawda“ vom 29. erschienenen bekannten Artikel Shdanows „Die englische und französische Regierung wollen keinen Vertrag mit der Sowjetunion auf der Grundlage der Gleichberechtigung“1 hervorgerufen worden. In diesem Artikel erhob Shdanow gegen England und Frankreich den Vorwurf, die Verhandlungen absichtlich zu verschleppen und zu erschweren. Er behauptete, dass es sowohl England wie Frankreich am ehrlichen Willen zum Vertragsabschluss fehle. England und Frankreich hätten, wie Shdanow ausführte, der Sowjetunion die Rolle eines Kulis, der auf seinen Schultern die ganze Last der Verpflichtungen zu tragen habe, zugedacht. Kein einziges sich selbst achtendes Land könne auf einen solchen Vertrag eingehen, wenn es nicht ein Spielzeug in den Händen von Leuten sein wolle, die mit Vorliebe andere die Kastanien aus dem Feuer für sich holen ließen. Wegen des genauen Inhalts des Artikels darf ich auf den Bericht der Botschaft vom 29. Juni d.Js. – A/1363 – sowie auf die anderweitige Berichterstattung vom gleichen Tage2 verweisen. Die Auffassung, dass besonders Shdanow auf die englisch-sowjetischen Paktverhandlungen im negativen Sinne einwirkte, dürfte auf die in seinem Artikel enthaltene Bemerkung zurückzuführen sein, dass der Artikel eine persönliche Meinungsäußerung von ihm sei und dass seine Freunde seine begründeten Zweifel an der Ernsthaftigkeit der englischen und französischen Absichten nicht teilten. In hiesigen diplomatischen Kreisen wird im Allgemeinen angenommen, dass diese Bemerkung Shdanows über die zwischen ihm und seinen Freunden bestehende Meinungsverschiedenheit ebenso wie der ganze Artikel lediglich ein taktisches Manöver sei, das in erster Linie als Erpressungsmanöver gegenüber England und 1 Vgl. „Anglijskoe i francuzckoe pravitel’stva ne chotjat ravnogo dogovora s SSSR“. In: Pravda vom 29. Juni 1939, S. 1. 2 Vgl. Telegramm Schulenburgs an das AA vom 29.6.1939. In: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 582, S. 675–676. Siehe auch die Presseanweisung vom 29.6., in der es hieß, dass der Artikel Ždanovs nur im Rundfunk, nicht in der Presse behandelt werden darf. In: NS-Presseanweisungen, Bd. 7/II, S. 634.
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15. 7. 1939 Nr. 531 Frankreich dienen und die Hintertür für die Fortführung der Verhandlungen für den Fall eines nicht hundertprozentigen Nachgebens Englands offen lassen solle. Nach den der Botschaft aus gut informierten Kreisen zugegangenen Nachrichten ist der Ferne Osten bisher nicht in den Verhandlungen erwähnt worden. Dass der Ferne Osten in den Pakt einbezogen werden wird, ist wenig wahrscheinlich, weil die Sowjetunion, die ja selbst auf dem Prinzip der absoluten Gleichberechtigung besteht, dann im Falle eines englisch-japanischen Konfliktes verpflichtet sein würde, gegen Japan vorzugehen. Die Haltung der Sowjetunion auf der Brüsseler Konferenz im November 1937 3 bestätigt diese Auffassung. Der stellvertretende Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin, der die Sowjetregierung auf dieser Konferenz vertrat, äußerte sich mir gegenüber seinerzeit dahin, dass die Konferenz gescheitert sei, weil jeder Konferenzteilnehmer die anderen Mächte zu einem aktiven Vorgehen gegen Japan habe veranlassen wollen. Die Sowjetunion denke aber gar nicht daran, sich vorschieben zu lassen. Bei einer Einbeziehung des Fernen Ostens in den Pakt müsste die Sowjetunion befürchten, dass England im Vertrauen auf die sowjetische Hilfe schärfer gegenüber Japan auftritt und es unter Umständen auf einen bewaffneten Konflikt ankommen lässt. Dass der Kreml die Entwicklung in China und in der Mongolei mit allergrößtem Interesse verfolgt und in diesem Zusammenhang allen englisch-französischen Maßnahmen auf Verstärkung ihrer Stellung im Fernen Osten gegenüber Japan größte Bedeutung beimisst, ist sicherlich zutreffend. Die Sowjetunion begrüßt jede Unterstützung Chinas durch England und Frankreich, weil hierdurch ihr machtpolitischer Gegner, Japan, geschwächt wird und damit der japanische Druck auf die Sowjetgrenze nachlässt, ohne dass sie selbst auch nur einen Finger rührt. Die Frage, ob die Sowjetregierung der Garantie ihrer Westgrenze gegenwärtig – trotz allem äußeren Schein – geringeres Interesse beimisst als der Lage im Fernen Osten, ist schwer zu entscheiden. Eine Sicherung ihrer Westgrenze wird die Sowjetregierung für nötig halten, wenn sie mit einem deutschen Angriff rechnet. Die Lage im Fernen Osten würde erst dann für die Sowjetunion bedrohlich, wenn Japan den Feldzug gegen China beendet und seine gesamten Kräfte gegen die Sowjetunion wendet. gez. Graf von der Schulenburg Auf erstem Blatt unten: ab 17.7.39 Gü[nther] und Paraphe von Sch[ulenburg] 18/7. Gefertigt in vier Durchschlägen. PA AA, Moskau 493, Bl. 204617-204620.
3
Vgl. Dok. 149, Anm. 1.
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Nr. 532
18. 7. 1939
Nr. 532 Telegramm des Stellv. Leiters der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Babarin an den Volkskommissar für Außenhandel Mikojan Nr. 532 18. 7. 1939 18. 7. 1939 GANZ GEHEIM Kopieren verboten [18.7.1939] AUS BERLIN Eingangs-Nr.
4369 4371 4375
AN MIKOJAN Besuchte heute Schnurre, das Gespräch dauerte 2 Stunden. Schnurre eröffnete das Gespräch mit der Bemerkung, dass ich den Posten zu einem Zeitpunkt angetreten hätte, da eine Entwicklung der sowjetisch-deutschen Beziehungen auf breiter Grundlage möglich sei, und dass von diesem Moment an eine neue Phase der sowjetisch-deutschen Beziehungen beginnen könne. In meiner Entgegnung sagte ich, dass ich die Hoffnung zum Ausdruck bringen möchte, dass die Fragen unserer Handelsbeziehungen eine fruchtbare Lösung finden würden. Ich wies darauf hin, dass ich auf Ihren Ruf hin in Moskau gewesen sei und von Ihnen den Auftrag hätte, Klarheit in die Fragen zu bringen, die strittig geblieben seien.1 Sodann verlas ich und übersetzte anschließend den mit Maschine in Russisch und in Deutsch geschriebenen Text der Ihnen bekannten Mitteilung.2 Nach der Aushändigung des Textes unterstrich ich, dass die Erhöhung unserer Lieferungen bei Erdölprodukten, Brotgetreide, Baumwolle, Rohpelzen und anderen Waren erfolge. Nachdem Schnurre den Text unserer Erklärung abgeglichen hatte, ging er auf die einzelnen Punkte ein: 1) Deutschland ist einverstanden, die Laufzeit des Kredits bis zu 7 Jahren zu verlängern. 2) Zum Kreditzins: a) die deutsche Seite hofft auf einen Kompromiss, b) sie schlägt vor, im Vertrag 5% zu belassen und bittet hierzu um das prinzipielle Einverständnis, aber bei Verrechnungen oder bei anderweitigen Operationen den Kreditzins bis auf 4,75% abzusenken. Er begründete dies damit, dass Deutschland bei allen anderen Kreditabkommen ein Minimum von 5% erhalte und aus prinzipiellen Erwägungen im Abkommen keinen niedrigeren Kreditzins festlegen wolle. Ich wies darauf hin, dass der Kreditzins die entscheidende Frage sei und wir nicht auf eine Erhöhung eingehen könnten. Ich erklärte, dass wir den Standpunkt Schnurres, im Vertrag 5% zu belassen, nach Moskau übermitteln würden. Schnurre bat, beim nächsten Gespräch auf diese Frage zurückzukommen. 3. Schnurre erklärte, dass er die sowjetischen Bestelllisten als Grundlage annehme und dass die Deutschen Hilger nicht bevollmächtigt hätten, Ihnen zu erklä1 2
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Vgl. auch ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 677, S. 780. Zur Mitteilung vgl. Dok. 533, Anlage.
18. 7. 1939 Nr. 532 ren, dass unsere Listen vollständig akzeptiert seien.3 Schnurre unterstrich, dass die Deutschen fast alles gemäß unserer Liste zu liefern in der Lage seien, es aber einige Abstriche beim Umfang einzelner Lieferungen gebe. Er sicherte zu, noch heute seine Liste nach Abgleich mit unseren Listen zu übergeben. Ich antwortete, dass der Volkskommissar verwundert sein werde, wenn er von uns die Mitteilung bekomme, dass die Deutschen die Listen nicht vollständig akzeptiert hätten. Schnurre betonte, dass sie unseren Wünschen in allen entscheidenden Punkten nachkämen. Zum zweiten Teil unserer Mitteilung übergehend erklärte Schnurre: 1. Er begrüße das prinzipielle Einverständnis des Sowjetlandes hinsichtlich der Goldklausel.4 Eine endgültige Antwort zum zweiten Teil dieses Punktes werde er beim nächsten Gespräch geben. 2. Im Geiste des Ihnen von Hilger am 10. Juli überreichten Textes unterstrich Schnurre, dass die sowjetischen Lieferungen weder quantitativ noch qualitativ ein Äquivalent für die deutschen Lieferungen darstellen. Deutschland solle eine gewaltige Menge höchst wertvoller Anlagen und für 50 Millionen Rüstungsgüter liefern. Deutschland verkaufe Rüstungsgüter nur gegen Gold und Devisen, und deshalb wäre es wünschenswert, wenn ein Teil der Rüstungslieferungen von uns mit Waren bezahlt würde, die für sie ein Äquivalent für Gold wären. Da aber die UdSSR Eisenerze, Zinn und Kupfer, die als Rüstungsgüter gelten, Deutschland nicht geben werde, wolle Deutschland für einen Teil seiner Kredite für Rüstungsgüter Gold, Platin und andere Edelmetalle haben. Jedoch betonte Schnurre, dass dies kein Vorschlag sei, sondern ein Versuch, diese Frage aufzuwerfen, um sie dann zufriedenstellend zu klären. Ich antwortete, dass ich bei einer derartigen Korrektur große Schwierigkeiten sähe. Auf Wunsch Schnurres wurde ihm die Liste unserer Lieferungen ausgehändigt. 3. Deutschland sei damit einverstanden, die Bestellungen auf Kreditbasis innerhalb von 2 Jahren zu tätigen, jedoch sei dieser Wunsch unserem entgegengesetzt, der eine ziele auf weniger, der andere auf mehr. Schnurre versprach, beim nächsten Treffen einen etwas konkreteren Vorschlag zu unterbreiten. Ich erklärte mich damit einverstanden, diese Frage beim nächsten Treffen zu erörtern. 4. Die Deutschen nähmen mit Genugtuung das Einverständnis entgegen, den Transport von 50 bis 60 Prozent der Lieferungen auf deutschen Schiffen zu realisieren, und sähen darin eine Grundlage für das Abkommen. Die endgültige Antwort erfolge beim nächsten Treffen. Schnurre teilte ferner mit, dass Hilger die Weisung gehabt hätte, bei Ihnen die übrigen strittigen Fragen anzusprechen, die in den Punkten 5, 6, 7, 8 des deutschen Textes vom 10. Juli dargelegt seien. Ich antwortete, dass wir die Grundfragen in unserer Erklärung dargelegt zu haben glaubten und diese in erster Linie zu klären seien. Schnurre stimmte dem im Laufe der Verhandlungen zu. Schnurre führte mit einer gewissen Nervosität aus, dass der deutsche Vorschlag darin bestanden habe, dass er, Schnurre, als Sonderbevollmächtigter der deutschen Regierung nach Moskau fahre, dort unmittelbar mit Ihnen alle Fragen kläre und das Abkommen unterzeichne.5 Den Worten Hilgers habe er entnommen, dass ich vorab nur einige Fragen 3 4 5
Vgl. Dok. 530. Vgl. Dok. 530, Anm. 7. Vgl. Dok. 471.
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Nr. 533
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klären solle und dass die Verhandlungen in Moskau geführt würden. Ich antwortete, dass, wenn wir die strittigen Fragen hier klärten, die Möglichkeit gegeben sei, den Vertrag in Berlin zu unterzeichnen. Schnurre sagte: Ich denke nicht, dass es so leicht gelingen wird, die Fragen hier zu regeln. Ich betonte noch einmal, dass, wenn wir alles klärten, ich die Vollmachten haben würde, den Vertrag zu unterzeichnen, doch das Wichtigste sei nicht die Unterzeichnung, sondern die Klärung der Fragen. Schnurre nahm die Erklärung mit Genugtuung zur Kenntnis und würde sich freuen, wenn sie umgesetzt werden würde. Zum Abschluss hob Schnurre hervor, dass er die Möglichkeit sehe, die sowjetisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen auf breiter Grundlage zu entwickeln und auf dieser Basis die allgemeinen gegenseitigen Beziehungen zu verbessern. Ich antwortete, dass wir Befürworter der Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen seien.6 Das nächste Gespräch findet in 2 bis 3 Tagen statt. Ich bitte um Ihre Weisungen für das bevorstehende Gespräch. HANDELSVERTRETER 18.VII. Veröffentlicht in: SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 129, S. 186–1877.
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Nr. 533 Aufzeichnung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre Nr. 533 18. 7. 1939 18. 7. 1939 Berlin, den 18. Juli 1939 e.o. **W g 1145**1 Aufzeichnung Der sowjetische Handelsvertreter in Berlin, Babarin, war heute mit 2 Mitgliedern der Handelsvertretung bei mir, um die von Volkskommissar Mikojan unserer Botschaft gegenüber angekündigte Besprechung2 über weitere noch offene Fragen mit mir zu führen. Babarin verbreitete sich zunächst über die von sowjetischer Seite aus gesehene Notwendigkeit, die deutsch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen zu erweitern und zu vertiefen. Ich habe diesem Wunsch auch von unserer Seite aus Ausdruck gegeben. Babarin verlas dann die in der Anlage beigefügte Erklärung, die sachlich dem Verhandlungsstand nicht entspricht, und die Mitteilungen Hilgers an Mikojan zu Gunsten des Sowjetstandpunkts interpretiert. Er bezeichnete es als seine Aufgabe, die einzelnen in der Anlage aufgeführten Punkte mit mir zu klären. Wenn bei unseren Besprechungen eine Klärung erfolgt sei, so sei er ermächtigt, den Vertrag hier in Berlin zu unterzeichnen. Er fragte, ob wir damit einverstanden wären. Ich habe meine Stellungnahme zu dieser überraschenden Erklärung Babarins vorbehalten 6 7
Zur Aufzeichnung Schnurres über dieses Gespräch vgl. Dok. 533. Die technische Beschreibung des Dokuments wurde präzisiert nach: http://1939.rus archives.ru Nr. 272. 1 2
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Die Nummer ist korrigiert; ursprünglich: W IV 2744/39. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 677, S. 780.
18. 7. 1939 Nr. 533 und ihn darauf hingewiesen, dass der von ihm vorgeschlagene modus procedendi im Widerspruch stünde zu unserem, von Volkskommissar Mikojan ursprünglich selbst vorgeschlagenen Angebot, in Moskau zu verhandeln. Babarin fügte hinzu, man könne die Frage vielleicht später entscheiden, ob in Moskau oder in Berlin gezeichnet werden solle, die Hauptsache sei die Klärung der noch strittigen Punkte. Es war aus seinen Mitteilungen jedoch ganz offensichtlich zu entnehmen, dass die Sowjetregierung die unauffälligen Verhandlungen in Berlin durch Babarin vorzieht anstelle der von uns betriebenen weithin sichtbaren Verhandlungen in Moskau mit Volkskommissar Mikojan. Insofern steht die Instruktion Babarins im Widerspruch mit den Erklärungen Mikojans an unsere Botschaft (vergl. Telegramm der Botschaft Nr. 132 vom 15.7.)3 Vor weiteren Besprechungen mit den Russen ist infolgedessen die Frage zu entscheiden, ob wir der von Sowjetseite jetzt eingeschlagenen Verhandlungsmethode folgen und in Berlin verhandeln sollen. Für die Beurteilung der Frage ist die wirtschaftliche und politische Seite der Verhandlungen maßgebend. 1) Die wirtschaftliche Seite. Deutsch-sowjetische Verhandlungen in Berlin haben den für uns sehr unbequemen Nachteil der Langsamkeit und Schwerfälligkeit, da die sowjetischen Unterhändler in Berlin wegen jeder Kleinigkeit in Moskau zurückfragen müssen und selbst keinerlei Spielraum haben. Eigentliche Verhandlungen sind infolgedessen kaum möglich, mehr ein Austausch von Erklärungen, ein Weg, der natürlich bei den jetzigen schwierigen Fragen besonders unbequem ist. Infolgedessen ist nicht vorherzusehen, ob und wann es gelingen wird, eine Einigung herbeizuführen. – Andererseits hat Babarin heute in einigen wesentlichen Punkten nachgegeben. Die sowjetischen Rohstofflieferungen sind von 160 Mill.RM auf 170 Mill. RM erhöht worden und auch qualitativ verbessert. In anderen offenen Fragen, Kurssicherung der Reichsmark, Bestellfristen, Verschiffungsklausel ist eine Annäherung der beiderseitigen Standpunkte erzielt. Ganz offen bleibt noch eine Reihe von anderen, teilweise sehr schwierigen Fragen (Verzinsung, Zusammensetzung der deutschen Lieferungen, weitere Erhöhung der russischen Rohstofflieferungen evtl. um Gold). Eine Chance, einen wirtschaftlich guten Vertrag letzten Endes zu erhalten, ist zweifellos gegeben, sodass rein wirtschaftlich gesehen, die Verhandlungen auch in der uns unbequemen Weise in Berlin fortgesetzt werden sollten. Dabei wäre anzustreben, die Verhandlungen eventuell zeitweise nach Moskau zu verlegen, was bei einem positiven Fortschreiten nicht ausgeschlossen erscheint. 2) Die politische Seite. Der mit den Verhandlungen in Moskau verbundene politische Effekt kommt in Fortfall, da die Verhandlungen in Berlin der breiteren Öffentlichkeit vermutlich nicht bekannt werden, und sowjetischer Verhandlungspartner hier im Gegensatz zu Moskau nicht ein verantwortlicher Minister, sondern unselbständige Funktionäre sind. Dagegen würde die politische Auswirkung in vollem Umfange bestehen bleiben, die ein deutsch-sowjetischer Vertragsabschluss im gegenwärtigen Zeitpunkt bedeutet. Wenn der Vertrag auf der von uns beabsichtigten Grundlage zustande kommt, ist er schwerwiegend genug, um jedenfalls auf wirtschaftlichem Gebiet eine engere Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Sowjet-Union anzu3
Ebenda.
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bahnen, eine Tatsache, die in Polen und England jedenfalls ihre Wirkung nicht verfehlen würde. Wenn wir das Ziel einer Normalisierung und Verbesserung der deutsch-sowjetischen Beziehungen betreiben, so wird das weitere Verhandeln auch in Berlin in der Richtung einer solchen Politik liegen.4 gez. Schnurre [Anlage] Die deutsche Seite hat den Sowjetentwurf der Kredit-Vereinbarung als Grundlage der Verhandlung angenommen und ist, gemäß den Erklärungen Herrn Hilgers, die von ihm am 10. d. M. abgegeben wurden, den Sowjetwünschen entgegengekommen und zwar: 1. Die deutsche Seite hat die Frist des Kredits bis zu sieben Jahren verlängert. 2. Wie wir die Erklärungen Herrn Hilgers verstehen, ist die deutsche Seite der UdSSR entgegengekommen in der Beziehung der Kreditzinsen, die jetzt in der Höhe von 4,5% bestimmt sind. 3. Die deutsche Seite hat die Sowjetbestellungslisten angenommen. Die Sowjetseite ist bereit, in einer Reihe der schwebenden Fragen der deutschen Seite entgegenzukommen und hält es für möglich: 1. Den deutschen Vorschlag über den Kurs der Mark mit der Goldklausel anzunehmen unter der Bedingung, dass wir für die ganze Differenz im Kurs der Mark sowohl für die Summen der Handelsvertretung der UdSSR in deutschen Banken in bar, als auch für die Zahlungen für die Sowjetware, welche vor der Veränderung des Kurses der Mark verkauft wird, kompensiert werden. 2. Die Sowjetlieferungen im Laufe von 2 Jahren auf RM 170 000 000 zu erhöhen. 3. Den deutschen Vorschlag, die Kreditbestellungen im Laufe von 2 Jahren von dem Abschluss der Vereinbarung zu erteilen, anzunehmen unter der Bedingung, dass im Laufe des ersten Jahres die Bestellungen mindestens über 120 000 000 RM erteilt werden. 4. Sich damit einverstanden [zu] erklären, dass 50–60% der deutschen Lieferungen auf die deutschen Schiffe verfrachtet werden, wenn diese unter angenommenen und nach der Frachtenlage auf Bezug der Warenbeförderung zwischen der UdSSR und Deutschland normalen Frachtentarifen zur Verfügung gestellt werden. Die Sowjetseite möchte wissen die Stellungnahme der deutschen Regierung. PA AA, R 105999, Bl. 474355-474359. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 685, S. 786–788.
4
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Vgl. Dok. 532.
19. 7. 1939 Nr. 534 Nr. 534 Aufzeichnung der Unterredung des Leiters der Politischen Abteilung im AA Woermann mit dem japanischen Botschaftsrat Usami Nr. 534 19. 7. 1939 19. 7. 1939 Berlin, den 19. Juli 1939 Abschrift1 Pol. VIII 1651 g Der Japanische Botschaftsrat, der offensichtlich von seinem Botschafter2 ausgeschickt worden war, um Informationen einzuholen, suchte mich heute auf und begann das Gespräch mit einer sehr umständlichen Darstellung der letzten Vorgänge an der Grenze zwischen Mandschukuo und der äußeren Mongolei. Die Ereignisse hätten sich dort abgespielt, wo der auf den Karten meist mit dem Namen Halahaho eingetragene Fluss die Grenze bilde. Es sei richtig, dass klare Abmachungen über die Grenzziehung dort nicht bestünden, doch sei der Fluss in der Praxis als Grenze anerkannt worden. Seit April d. J. hätten nun zunächst die *außermongolischen Truppen*, zu denen später auch *sowjetrussische getreten seien, sich wiederholt auf das östliche Flussufer begeben*3. Gleichzeitig wären außermongolische oder russische Flieger häufig über mandschurischem Gebiet erschienen. In einem Einzelfall hätte sich ein Flieger weit in das Land hineingewagt und hätte etwa 30 – 40 km östlich von Tsitsihar Bomben auf eine Brücke geworfen. Schließlich seien die *Mongolen und Russen mit größeren Kontingenten östlich des Flusses erschienen, und zwar mit motorisierten Truppen und Tanks*4. Daraus habe sich schließlich eine regelrechte Schlacht mit größeren Verbänden entwickelt, bei der die Japaner die Oberhand behalten hätten. Die Gefechtshandlungen seien jedoch noch nicht auf der ganzen Linie eingestellt. Die Ostmongolen und Russen hätten viele tausend Mann und mehrere hundert Flugzeuge verloren. Auf mandschurischer Seite hätten auch japanische Truppen eingegriffen. Die Gesamtverluste auf dieser Seite betrügen etwa tausend Mann. Für den *Grund des russischen Vorgehens*5 sei die japanische Regierung auf Vermutungen angewiesen. Die Aktion habe den Zweck haben können, um festzustellen, ob die Japaner infolge der kriegerischen Ereignisse in China in Mandschukuo noch stark sei[en]. Eine andere Möglichkeit wäre, den Engländern gegenüber den Ereignissen in Tientsin eine gewisse moralische Hilfe zu geben. Eine dritte Version, dass die Russen mit Rücksicht auf die Verhandlungen in Moskau damit hätten zeigen wollen, dass sie sich für Ereignisse in Europa nicht interessierten, sondern dass ihr Blick nach dem Fernen Osten gerichtet sei. Schließlich werde sogar behauptet, dass die Russen auf diese Weise Schwierigkeiten zwischen den Antikomintern-Mächten entstehen lassen wollten. *Hier war Herr Usami offenbar an dem Punkt ankommen, auf den er zusteuerte. Er erkundigte sich zunächst nach unseren Informationen über die englisch1 Die Abschrift wurde am 26.7.1939 zur Kenntnisnahme an die Botschaft in Moskau geschickt. Vgl. PA AA, Moskau 563, Bl. 461753. 2 Hiroshi Ōshima. 3 Die beiden Textstellen sind unterstrichen. 4 Der Text ist unterstrichen. 5 Der Text ist unterstrichen, außerdem von dieser Stelle bis Absatzende am Seitenrand angestrichen.
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französisch-russischen Verhandlungen. Ich habe ihm unsere Nachrichten über die Verhandlungen der Westmächte mit Moskau mitgeteilt, die mit den seinen übereinstimmten. Er fragte dann in sehr eindringlicher Form nach unserem Verhältnis zur Sowjetunion. Er verwies u. a. auf Meldungen des „News Chronicle“, wonach zwischen Deutschland und Russland über einen Nichtangriffspakt verhandelt werde, und erwähnte die Gerüchte von der Entsendung deutscher Persönlichkeiten nach Moskau.*6 Ich habe geantwortet, dass alle diese Meldungen *reiner Schwindel seien*7. Richtig sei, dass wir in Fühlungnahme wegen Wirtschaftsbesprechungen mit der Sowjetunion stünden. Unser Handelsvolumen sei von der sehr beträchtlichen Höhe früherer Jahre auf einen unbedeutenden Posten zusammengeschmolzen. Es gäbe in Russland Dinge, die wir gut gebrauchen könnten, sodass eine gewisse Aktivierung unserer Wirtschaftsbeziehungen ganz natürlich sei. Es sei über diplomatische Vorbesprechungen, die zum Teil in Moskau, zum Teil in Berlin geführt worden seien, nicht herausgekommen. Herr Usami fragte dann nach Einzelheiten wegen der in früheren Jahren der Sowjetunion gegebenen deutschen Kredite. Ich habe ihn für weitere Auskünfte in dieser Frage an Herrn Wiehl verwiesen.8 Herr Usami kam dann mit Folgendem heraus: *Zwischen Deutschland und Japan fänden ja augenblicklich auch Wirtschaftsbesprechungen statt.9 Japan sei außerordentlich aufnahmefähig für deutsche Maschinen. Unsere Unterhändler hätten ausgeführt, dass die deutsche Kapazität beschränkt sei und dass infolge des Eigenbedarfs gewisse Maschinen nicht geliefert werden könnten. Es würde nun in Japan einen außerordentlich peinlichen Eindruck machen, wenn die Maschinen, die Japan verweigert würden, nun nach der Sowjetunion gingen. Ich habe Herrn Usami auch für diesen Punkt an Herrn Wiehl verwiesen. Zum Schluss kam der Botschaftsrat nochmals auf die Gerüchte einer politischen Annäherung zwischen Deutschland und der Sowjetunion zurück und meinte, es würde doch gut sein, wenn man in Tokio beruhigende Erklärungen abgeben würde. Die Botschaft habe ihrerseits bereits in diesem Sinne berichtet.*10 Ich habe im Laufe des Gesprächs noch auf dahingehende Fragen erwähnt, dass es eine offenkundige Tatsache sei, dass die deutsche Presse die Sowjetunion nicht in dem Maße wie bisher angreife, und dies schon wegen der Nachbarschaft der Sowjetunion mit Polen als eine Tatsache hingestellt, die nichts Sensationelles enthalte. gez. Woermann PA AA, Moskau 563, Bl. 461751-461753. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 688, S. 791–792.
6 7 8
Der Absatz ist am Seitenrand angestrichen. Der Text ist unterstrichen. Eine Aufzeichnung von Wiehls vom 22.7.1939 zu dem handelspolitischen Aspekt dieses Gespräch in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 704, S. 809. 9 Am 28.7.1939 wurde ein deutsch-japanisches Waren- und Zahlungsverkehrsabkommen paraphiert, das am 1.10.1939 in Kraft treten sollte. Für den Text vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, S. 851, Anmerkung der Herausgeber. 10 Der beiden Absätze sind am Seitenrand angestrichen.
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19. 7. 1939 Nr. 535 Nr. 535 Schreiben sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Molotov Nr. 535 19. 7. 1939 19. 7. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 2 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 1881 Berlin, 19.VII.39 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN Gen. MOLOTOV (Politischer Überblick) Im politischen Leben Deutschlands ist eine relative Pause eingetreten, die in vielerlei Hinsicht an eine Ruhe vor dem Sturm erinnert. Einerseits haben alle Anführer Berlin verlassen und sind in den Urlaub gefahren oder haben sich in der Nähe von Hitlers Sommerresidenz versammelt. Das Gerede über die bevorstehende Einnahme von Danzig und eine Reise des Führers dorthin ist abgeebbt, und nur wenige glauben an ein Zustandekommen der Einnahme zwischen dem 20. und 30. Juli (wie im Frühjahr vorausgesagt), obwohl die Redereien darüber nicht ganz aufgehört haben... Das Münchener theatralische Spektakel2 stand mehr im Zeichen des Vergnügens als im Zeichen der politischen Ergiebigkeit (Danzig wurde nur in der Rede des bayerischen Führers A. Wagner erwähnt). Die meisten der hiesigen Diplomaten und Journalisten glauben, dass vor dem Nürnberger Parteitag3 keine schwerwiegenden Ereignisse stattfinden werden (dafür gibt es allerdings keine Garantie). Es sind keine ernstzunehmenden Truppenverschiebungen innerhalb Deutschlands zu beobachten, was gleichfalls Anlass zu der Annahme gibt, dass die Deutschen sich nicht auf einen aktiven Konflikt in nächster Zeit vorbereiten. Andererseits nehmen die „zweitrangigen“ Spannungen und Konflikte mit den Westmächten nicht ab. Die Verhaftung korrupter Journalisten in Frankreich und die in diesem Zusammenhang erfolgte Ausweisung des Ribbentrop-Agenten Abetz4 von dort sind mit der Erwartung entsprechender Vergeltungsmaßnahmen in Deutschland verbunden. Die neue Form der „Massenpropaganda“, die die Engländer zu praktizieren begonnen haben, indem sie die bekannten, persönlich gegen Hitler gerichteten King-Hall-„Briefe“5 in Hunderttausenden von Exemplaren an alle möglichen Adressen und aus den verschiedensten Ländern der Welt verschicken, versetzt die Deutschen in Wut und lässt sie in hitzige Artikel gegen England aus1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Gemeint sind die zwei „Tage der deutschen Kunst“ in München, zu deren Abschluss am 16.7.1939 die 3. Große Deutsche Kunstausstellung eröffnet und ein Festzug unter dem Motto „2000 Jahre deutsche Kultur“ veranstaltet wurde. 3 Gemeint ist der von 2.9. bis 11.9.1939 geplante Reichsparteitag der NSDAP in Nürnberg. 4 Über die Gründe, die die französische Regierung dazu veranlassten, die Ausweisung von Abetz in Erwägung zu ziehen, vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 640, Anm. 2. S. 743. 5 Gemeint sind die vom britischen Publizisten und Radiokommentator Stephen King-Hall wöchentlich verbreiteten King-Hall Newsletter.
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Nr. 535
19. 7. 1939
brechen, Artikel, die so reich an nicht druckreifen Ausdrücken sind, dass sie aus Gründen des Anstands nicht wiedergegeben werden können. Die Explosion des Dampfers „Berlin“ in Swinemünde6, der sich mit einer Ladung von Waffen, Munition und 1000 „Touristen“ (letztere waren noch beim Einsteigen auf den Dampfer) auf dem Weg nach Danzig befand, ruft, auch wenn sie nicht direkt den Aktivitäten von Gegnern Deutschlands zugeschrieben werden kann, dennoch Gedanken daran hervor. Diese Umstände spiegeln die Spannung in der eingetretenen Pause wider, die kaum als dauerhaft angesehen werden kann. Unter den vorbereitenden Maßnahmen zur Bereinigung der Atmosphäre vor dem zu erwartenden großen Konflikt muss auch der Versuch der Ansiedlung von Deutschen aus Südtirol innerhalb der deutschen Grenzen7 genannt werden. Allem Anschein nach wird diese Maßnahme unter dem Einfluss Italiens durchgeführt, das sich ein wenig vor einem möglichen Konflikt um Tirol zu fürchten begann, zumal mancherorts bereits von deutschen Aspirationen auf Triest die Rede war. Im Hinblick auf andere Länder hört man von Schwierigkeiten, die sich im Laufe der deutschen Verhandlungen mit Rumänien ergeben hätten, mit denen die Deutschen nicht zufrieden seien.8 Die Beziehungen zu Bulgarien erfuhren keinen besonderen Umschwung, da der Besuch von Kjoseivanov 9 keinerlei konkrete Ergebnisse brachte.10 Es beginnt sich ein gewisser Druck auf Litauen bemerkbar zu machen (die Forderung der Deutschen, das Recht, Memel mit dem gesamten Besitz zu verlassen, nicht auf Juden auszudehnen, ein Recht, das allen litauischen Staatsbürgern zusteht). Gleichzeitig wurde die Bearbeitung Lettlands und Estlands intensiviert (Reise des Stabschefs11, Besuche von Kriegsschiffen usw.). Der Druck auf Dänemark, das sich, wie man hier sagt, auf Drängen Berlins weigerte, englische Flugzeuge nach Polen durchzulassen – all dies sind einzelne Akzente der deutschen Politik gegenüber kleineren Nachbarländern in der letzten Zeit. Einen grundlegenden Faktor, der für die deutsche Führung von Interesse ist, stellt die Frage des Ausgangs unserer Verhandlungen mit England und Frankreich dar. Wenn die Deutschen aus verständlichen Gründen zögern, aktive Demarchen zu unternehmen, um hier mit uns anzubändeln (nach den bekannten Gesprächen Weizsäckers12 und Schulenburgs13 mit mir), so lassen sie doch kaum eine Gelegenheit aus, zu verstehen zu geben, dass sie bereit sind, ihre Politik uns gegenüber zu ändern, und dass der Stillstand folglich nur an uns liege. Der betont höfliche Um6 Die Explosion auf dem Passagierdampfer „Berlin“ ereignete sich am 17.7.1939 in 14 Meilen Entfernung vom Hafen Swinemünde. 7 Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 562, 624; Südtirol und der italienische Nationalismus: Entstehung und Entwicklung einer europäischen Minderheitenfrage, hrsg. von Walter Freiberg, Bd. 2: Dokumente, Innsbruck 1990, Dok. 259–281. 8 Am 8.7.1939 wurde in Bukarest ein Geheimprotokoll unterzeichnet, in dem die Bedingungen für rumänische Bestellungen von Rüstungsgütern in Deutschland und Öl-Kompensationslieferungen von rumänischer Seite geregelt wurden. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 638, 639. 9 Der offizielle Besuch des bulgarischen Premierministers Kjoseivanov in Berlin fand von 5. bis 7.7.1939 statt. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 617, 618. 10 Am 12. Juli 1939 wurde das OKW über die Zustimmung Hitlers informiert, der Bitte Bulgariens um Waffenlieferungen nachzukommen, die „rasch und in vollem Umfange“ erfüllt werden sollte. In: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 659, S. 762–763. 11 General Franz Halder hielt sich von 26. bis 29.6.1939 in Estland auf. 12 Am 30. Mai 1939. Vgl. Dok. 486, 490. 13 Am 17. Juni1939. Vgl. Dok. 509, 512.
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19. 7. 1939 Nr. 535 gang auf Empfängen, das Fehlen von Nörgeleien bei praktischen und operativen Fragen, die völlige Einstellung der antisowjetischen Kampagne in der Presse14, wo man, wie auch in den Reden, aufgehört hat, den „Bolschewismus“ auch nur zu erwähnen, und einen (im Vergleich zu früheren Zeiten) beispiellos korrekten Ton hinsichtlich der Sowjetunion als Staat und ihrer Führer anschlägt, all das ist ziemlich charakteristisch für die derzeitige Taktik uns gegenüber. Hinzugefügt werden muss die Tatsache, dass in der Bevollmächtigten Vertretung eine Reihe von anonymem Briefen eingegangen ist, die anstelle der früheren antisowjetischen Schelte „Ratschläge“ enthalten, uns nicht mit Großbritannien zu verständigen, sondern mit Deutschland Freundschaft zu halten, auf eine Teilung Polens einzugehen usw.15 Man kann sagen, dass es an öffentlichen Orten weitaus vorteilhafter ist, sich nötigenfalls als Sowjetbürger zu bezeichnen als beispielsweise als Engländer, Franzose oder Pole (früher war es umgekehrt). Mir ist nicht aufgefallen, dass die Deutschen anlässlich unserer Verhandlungen mit Frankreich und England eine solche Nervosität und Ungeduld an den Tag gelegt hätten, wie sie der italienische Botschafter16 bei seiner Unterredung mit mir in München erkennen ließ (die Aufzeichnung wurde Ihnen mit der letzten Post zugesandt). Es ist schwer vorstellbar, dass die Deutschen, wie Attolico, eine Vereinbarung unsererseits mit England einer Verzögerung vorziehen und wie er den Standpunkt vertreten würden: Was man tun will, soll man schnell tun. Es ist naheliegender zu vermuten, dass die Deutschen in ihren Beziehungen zu den Italienern die Unklarheit der Moskauer Verhandlungen als Argument nutzen, um die Erfüllung irgendwelcher italienischer Forderungen hinauszuzögern und damit eine Verstimmung Roms hervorrufen. Das ist allerdings nur meine Vermutung, da ich nicht direkt mit den Deutschen darüber gesprochen habe. Astachov Vermerk V.P. Potemkins mit rotem Farbstift: 29.VII.VP Oben rechts von der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 3831 vom 25.7.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Dokumente und der Verteiler vermerkt: 6 Expl. Das 1.[Exemplar] an Gen. Molotov, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an Gen. Lozovskij, das 4. an Gen. Dekanozov, das 5. an die Abt[eilung] für Zentr[aleuropa], die 6. zu den Akten der Bev[ollmächtigten] Vertr[etung]. 19.VII.39. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 61, l. 119–117. Kopie. Veröffentlicht in: God krizisa 1938–1939, Bd. 2, Dok. 485, S. 108–10917.
14 Am 20.6.1939 erließ das Reichspropagandaministerium folgende Anweisung an die Presse: „Aus allen Auslandsstimmen sind die Angriffe gegen die Sowjetunion auszumerzen, bevor die Meldungen abgedruckt werden. Deutschland hat aus taktischen Gründen das allergrößte Interesse daran, dass die Sowjetunion nicht angegriffen wird, …“. In: NS-Presseanweisungen, Bd. 7/II, S. 594. 15 Vgl. Dok. 522. 16 Bernardo Attolico. 17 Das Dokument wurde in redaktioneller Bearbeitung veröffentlicht.
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Nr. 536
22. 7. 1939
Nr. 536 Telegramm des Staatssekretärs im AA Freiherr von Weizsäcker an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 536 22. 7. 1939 22. 7. 1939 Entziffertes Telegramm Abgang aus Berlin, den 22. Juli 1939 24 Uhr Ankunft in Moskau, den 23. Juli 1939 8 Uhr 45 Diplogerma Nr. 152 vom 22. Juli Moskau **Für den Herrn Botschafter. Auf Drahtbericht Nr. 1321 Babarin hat sich wie von Ihnen angekündigt bei Schnurre eingefunden und sich als ermächtigt erklärt, hier zu verhandeln und auch Vertrag in Berlin zu unterzeichnen.2 Je nach Gesprächsverlauf wollen wir uns vorbehalten, ob etwa doch noch ein Verhandlungsabschnitt nach Moskau zu verlegen wäre. Auf alle Fälle wird hier im Sinne *ausgesprochenen Entgegenkommens* 3 vorgegangen werden, da auch Abschluss und zwar zu möglichst frühem Zeitpunkt aus allgemeinen Gründen erwünscht.**4 Was die rein politische Seite unserer Gespräche mit den Russen angeht, so betrachten wir die Ihnen mit Drahterlass Nr. 1345 vorgeschriebene Wartezeit als abgelaufen. Sie sind daher ermächtigt, *ohne irgendwie zu drängen*6, den Faden dort wieder weiter zu spinnen und hierfür u. a. Unterhaltungen in laufenden Angelegenheiten auszunutzen. (Sollte) Russischerseits auf unser Verhältnis zu Japan eingegangen werden, so ist für Sie vielleicht von Interesse, dass Japanischer Botschafter7 in Berlin die Schießereien und Zusammenstöße in der Äußeren Mongolei erst gestern wieder als nicht von Bedeutung hingestellt hat.8 Weizsäcker Auf erstem Blatt oben: A 1563/39, unten: zdA Sch[ulenburg] 24/7. Auf zweitem Blatt unten: Gefertigt in 2 Exemplaren: 1) z.d. Sachakten A 2) zur chronolog. Sammlung. Ferner auszugsweise Abschrift (s. blaue Klammer) an Abt. D. Dies ist Nr. 1. PA AA, Moskau 484, Bl. 260374-260375. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 700, S. 803.
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Vgl.ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 677, S. 780. Vgl. Dok. 532, 533. Der Text ist unterstrichen. Der Absatz ist in blaue, eckige Klammern gesetzt. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 588, S. 680. Der Text ist unterstrichen. Hiroshi Ōshima Vgl. auch Dok. 534.
26. 7. 1939 Nr. 537 Nr. 537 Schreiben des Leiters des Ref. V/Osteuropa in der Politischen Abteilung des AA Schliep an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 537 26. 7. 1939 26. 7. 1939 Berlin, den 26. Juli 1939 Sehr verehrter Herr Botschafter! Für Ihre Briefe vom 20.1 und 24. d. M.2 sage ich Ihnen meinen aufrichtigsten Dank. Der Drahterlass betreffs Molotows Urlaubsabsichten geht auf eine Weisung des Herrn RAM zurück, der sich zurzeit für alle die SU betreffenden Fragen brennend interessiert. Ich darf mir daher die gehorsamste Anregung erlauben, über dortige Vorgänge möglichst viel telegraphisch zu berichten. Die von der Presse der ganzen Welt und vom deutschen Radio gebrachte Meldung über Ihre bevorstehende Reise nach Berlin ist nach meinen *Informationen insofern unzutreffend, als hier zurzeit nicht die Absicht besteht, Sie zur Berichterstattung nach Berlin zu bitten*3. Herr Astachoff war kürzlich bei Herrn von Weizsäcker, dessen Aufzeichnungen ich abschriftlich beifüge.4 Herr Schnurre ist beauftragt worden, heute mit Astachoff und Babarin5 zu Abend zu essen. *Der Herr RAM wünscht, dass hierbei nach Möglichkeit auch politische Themen erörtert werden.*6 Der Umfall Englands in China ist wohl in erster Linie auf den Wunsch Englands zurückzuführen, *in Europa freie Hand zu behalten*7. Nach meiner persönlichen Auffassung kann das *Zurückweichen Englands vor dem „Aggressor“ Japan sich für unsere Beziehungen zur SU eher günstig auswirken*8. In der Anlage füge ich noch eine Aufzeichnung von Herrn Woermann9 sowie ein Telegramm aus London bei, ferner *– u. R. –*10 den von Ihnen erwähnten Artikel von Basseches, der in den Basler Nachrichten erschienen ist. Die Übereinstimmung mit den Informationen unserer Botschaft in Paris (Tomsinski) ist frappant. Da heute Luftschutzübung und Fliegeralarm ist, muss ich mich leider kurz fassen. *Meine Frau dankt Ihnen vielmals für Ihre liebenswürdigen Grüße. Mit den angelegentlichsten Empfehlungen und
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Vgl. PA AA, Moskau 560, Bl. 178426-1784230. Vgl. PA AA, Moskau 560, Bl. 178489-178491. Der Text ist am Seitenrand mit einem Ausrufezeichen versehen. Vgl. Dok. 538; ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 714, 715. Vgl. Dok. 540. Der Text ist am Seitenrand mit einem Ausrufezeichen versehen. Der Text ist unterstrichen. Der Text ist am Seitenrand angestrichen. Die Anführungszeichen bei dem Wort Aggressor sind handschriftlich hinzugefügt. 9 Wahrscheinlich ist die Aufzeichnung vom 25.7.1939 gemeint; in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 719, S. 836–837. 10 u. R. = unter Rückerbittung. Die Abkürzung ist umkringelt.
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Nr. 538
27. 7. 1939 Heil Hitler! bin ich, hochverehrter Herr Graf, stets Ihr Ihnen aufrichtig ergebener*11 Schliep
Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben Eingangsstempel vom 28.7.1939. Auf Kopfbogen des Auswärtigen Amts geschrieben. PA AA, Moskau 560, Bl. 178492-178493.
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Nr. 538 Aufzeichnung von Unterredungen des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov Nr. 538 27. 7. 1939 27. 7. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 6 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 1921 Berlin, 27.VII.39 TAGEBUCH G. ASTACHOVS [...]2 21.VII. Major Tschunke (Redakteur der Zeitschrift „Ostwirtschaft“) ist mit dem Referenten des „Büro Ribbentrop“, Dr. Kleist, bei mir. Der Besuch erfolgt zu dem Zweck, sich bekanntzumachen, nachdem ich unter dem Vorwand, dass ich stark beschäftigt sei, die Einladung zu einem Frühstück ausgeschlagen hatte. Tschunke spricht darüber, mit welch einer Genugtuung er, „ein alter Kämpfer für die Entwicklung der sowjetisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen“, den Umschwung zum Besseren in den Handels- und Kreditverhandlungen, die zur Zeit stattfinden, aufnimmt. Seinem Eindruck nach bestehen die Grundfragen lediglich in der Quantität (und Qualität) der von der UdSSR zu liefernden Rohstoffe und dem Charakter der Lieferungen aus Deutschland. Er meint aber, dass zu diesen Fragen ein Abkommen erzielt werden wird. Er macht lange Ausführungen über die Gemeinsamkeiten der sowjetisch-deutschen Wirtschaftsinteressen und über den Wunsch, den Handel zu entwickeln. Kleist deutet an, dass er voraussichtlich bald einen offiziellen Posten im Auswärtigen Amt bekommen wird, und entwickelt den Gedanken, dass es zwischen den beiden Ländern keine grundsätzlichen Gegensätze gibt und eine Verbesserung der beiderseitigen Beziehungen möglich ist. Er selbst war bis jetzt Fachmann für das Baltikum, er reiste nach Riga und Reval, wobei ihm im Zusammenhang mit 11
Die Schlussformel ist handschriftlich hinzugefügt.
1 Die Ausgangsnummer ist mit Bleistift geschrieben. 2 Ausgelassen ist die Information über das Gespräch
Chronicle“ Woodward am 20. Juli (l. 190).
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mit dem Vertreter der Zeitung „News
27. 7. 1939 Nr. 538 dieser Reise „die Ehre der Aufmerksamkeit des sowjetischen Rundfunks zuteilwurde“. Er begleitete Ribbentrop während dessen Besuchs in Warschau.3 Er bemüht sich (gemeinsam mit T[schunke]) nachzuweisen, dass die Pakte mit Estland und Lettland4 für Deutschland ein Akt der Selbstverteidigung und in keiner Weise gegen die UdSSR gerichtet sind. Er spricht über den starken Einfluss der russischen Kultur im Baltikum, insbesondere in Riga. Zur ukrainischen Kultur verhält er sich hinsichtlich ihrer Eigenständigkeit übrigens skeptisch. Selbst in Kiev sei das Ukrainische kaum zu hören. Generell habe sich das Interesse Deutschlands am ukrainischen Problem abgekühlt, und dies sei der beste Beweis für sein Bestreben, die Beziehungen zur UdSSR in Ordnung zu bringen. Wie klein die sogenannte „Karpato-Ukraine“ auch sein möge, so hätte allein die Tatsache ihrer eigenständigen Existenz eine gewaltige psychologische Bedeutung. Nachdem Deutschland ihr Verschwinden zugelassen habe, sei es einem Hagel von Vorwürfen seitens der ukrainischen Emigration ausgesetzt. Der Unwille, das ukrainische Problem zu aktivieren, nötige Deutschland sogar dazu, auf die Ausnutzung der ukrainisch-polnischen Gegensätze zu verzichten, was angesichts der derzeitigen Beziehungen zu Polen für Deutschland höchst nützlich sein könnte. Inzwischen sei die ukrainische Bewegung in Polen schwächer als früher, obgleich sich die Lage für die Ukrainer dort verschlechtert habe. Eine solche Taktik sei nicht zufällig und erkläre sich mit dem Unwillen Deutschlands, mit einem Ausspielen der ukrainischen Karte die Beziehungen zur UdSSR zu belasten. Die Existenz des Antikomintern-Abkommens bedeute keine deutsche Feindschaft gegenüber der UdSSR. Wenn die Spitze dieses Abkommens gegen die UdSSR gerichtet wäre, so würde dies in erster Linie in einer Aktivierung der militärischen Beziehungen zwischen Deutschland und Japan zum Ausdruck kommen. Aber die Tatsache, dass die militärischen Beziehungen mit Italien aktiviert würden, bedeute doch, dass die Spitze in eine andere Richtung ginge. Zu Polen: Kleist spricht über die Bitterkeit, die alle Deutschen unweigerlich verspüren, wenn sie durch den Korridor fahren. Aber die Polen finden auf alle Bemühungen der deutschen Seite, dieses Problem aufzuwerfen, keine andere Antwort als: „Wenn euch der Korridor nicht gefällt, so gebt uns doch Ostpreußen, und den Korridor wird es nicht mehr geben.“ Deutschland hat mehrfach den Versuch unternommen, Polen zu einer Entscheidung dieser Frage zu bewegen – der Aufenthalt Ribbentrops in Warschau diente im Wesentlichen dem Versuch, die Frage bezüglich Danzigs und des Korridors zu lösen, jedoch erwies sich alles als vergebens. Ribbentrop, der seinerzeit die Polen nicht reizen wollte, ging sogar so weit, die Reise Schnurres nach Moskau abzusetzen.5 („Eine gewisse Verantwortung dafür liegt auch bei mir, weil ich R[ibbentrop] den Aufenthalt Schnurres in Warschau mitgeteilt habe“, gesteht K[leist].) Die deutsche Regierung gibt auch jetzt die Hoffnung nicht auf, diese Probleme auf dem Verhandlungswege zu lösen, doch sie wird die Vorschläge, die der Führer einst unterbreitet hat und die von Polen abgelehnt wurden6, nicht mehr wiederho3 4 5 6
Ribbentrop besuchte vom 25. bis 27.1.1939 Warschau. Vgl. Dok. 497, Anm. 6. Vgl. Dok. 406. Gemeint ist das Bündel von Vorschlägen, das von Ribbentrop am 24.10.1938 Lipski unterbreitet hatte. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. V, Dok. 81, S. 87–89.
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Nr. 538
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len. Die Lösung des Problems, die sich aus diesen Vorschlägen ergab, stellt Deutschland bereits nicht mehr zufrieden. Auf meine Frage bezüglich der Teilnahme Polens an der Königsberger Messe antwortete K., dass Polen seine Teilnahme davon abhängig macht, ob Deutschland an der Messe in L’vov7 teilnehmen wird. Deutschland wird aber wahrscheinlich auf L’vov verzichten, folglich wird auch Polen auf Königsberg verzichten. Auch die Teilnahme der Türkei in Königsberg ist noch nicht entschieden: dies hängt vom Ausgang der Handels- und Kreditverhandlungen mit der Türkei ab8, die sich in einem ungewissen Stadium befinden. K. behauptete, dass die Deutschen den Abschluss eines englisch-französischsowjetischen Bündnisses für undenkbar hielten. „Wir glauben nicht, dass sich die UdSSR damit einverstanden erklärt, für die Verteidigung Polens und Rumäniens Krieg zu führen nach dem Schaden, den diese Länder ihr zugefügt haben. Dies wäre ebenso abwegig, als wenn Deutschland für Polen kämpfen würde, das Danzig und den Korridor in seinen Händen hält.“ Auf meine Bemerkung, dass wir unsere Verhandlungen mit England und Frankreich auf der einen und die Handels- und Kreditverhandlungen mit Deutschland auf der anderen Seite als Dinge ansähen, die sich weder widersprächen noch voneinander abhängig seien, und dass wir nicht den Eindruck aufkommen lassen wollten, als ob hier irgendeine Konkurrenz bestehe, antwortet K., dass er dem zustimme, aber dennoch meine, dass, wenn Schnurre in Moskau wäre, sich notgedrungen der Eindruck eines Wettkampfes zwischen ihm und Strang aufdrängen würde. Außerdem erinnert er an meine eingangs des Gesprächs gemachte Bemerkung darüber, dass Politik und Wirtschaft nicht voneinander isoliert seien und sich gegenseitig beeinflussen. Zum Abschluss sprechen meine Gesprächspartner den Wunsch aus, den Kontakt zu pflegen, um die Entwicklung und Festigung der Beziehungen zu fördern.9 [...]10 24.VII. Schnurre (Rat der Wirtschaftsabteilung des Auswärtigen Amtes) lud mich zu sich. Der offizielle Anlass dafür war, dass wir seit April d.J. *die Zahlungen für den tschechoslowakischen Kredit an die „Živnostenská banka“ in Prag*11 eingestellt haben. Schnurre überreichte mir eine Aufzeichnung zur Darlegung der Angelegenheit und mit der Bitte um Regelung der Frage. Danach ging er zur TASSMeldung über die Berliner Kreditverhandlungen12 über. Er bemerkte, dass die Veröffentlichung dieser Meldung für die deutsche Seite eine Überraschung gewesen sei, und sagte, da dies nun einmal passiert sei, müsse man annehmen, dass die Verhandlungen in Berlin geführt werden, obgleich er, Schnurre, bei seiner Auffassung bleibe, dass, wenn er mit Mikojan in Moskau sprechen könnte, die Angelegenheit schneller entschieden werden könnte. Aber nun möge es so bleiben, wie es 7 8
Gemeint ist die von 1921 bis 1938 jährlich abgehaltene Internationale Ostmesse. Zu den deutsch-türkischen Beziehungen und zu den deutsch-türkischen Verhandlungen im Sommer 1939 vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 475, 496, 565, 782. 9 Eine knappe Inhaltsangabe über dieses Gespräch telegrafierte Astachov am 21.7.1939 an das NKID. Vgl. SSSR – Germanija 1933–1941, Dok. 130, S. 187. 10 Ausgelassen ist die Information über die Gespräche mit litauischen und französischen Diplomaten am 21. Juli (l. 187–186). 11 Der Text ist mit rotem Farbstift unterstrichen. 12 Vgl. „V Narkomate vnešnej torgovli“ (Im Volkskommissariat für Außenhandel). In: Izvestija vom 22. Juli 1939, S. 4.
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27. 7. 1939 Nr. 538 ist. Jedoch sei die deutsche Seite der Auffassung, dass in Zukunft jegliche Meldungen zum Verhandlungsstand, wenn man sie denn unbedingt veröffentlichen wolle, erst nach vorheriger gegenseitiger Absprache herausgegeben werden sollten. Er bittet darum, dies nach Moskau zu übermitteln. Ich antwortete, dass ich diesen Wunsch unverzüglich nach Moskau übermitteln würde. Meinerseits bemerkte ich, dass ich, obgleich mir die Motive für die von TASS herausgegebene Meldung nicht im Einzelnen bekannt wären, die Veröffentlichung allein schon deshalb für nützlich hielte, weil damit eine Unmenge von absurden Gerüchten zerstreut worden seien, die in Berlin nicht durch unsere Schuld verbreitet worden seien und in der Weltpresse ihren Niederschlag gefunden hätten. Nachdem Sch[nurre] über das am nächsten Tage bevorstehende Treffen mit Babarin gesprochen und in knapper Form die Eckpunkte der Meinungsverschiedenheit dargelegt hatte (der Wunsch *nach Ausweitung der Einfuhr unserer Rohstoffe und deren Nomenklatur sowie auf Beibehaltung des Frachttarifsatzes von 5 Prozent), ging er zum Thema der Verbesserung der deutsch-sowjetischen politischen Beziehungen über. Er betonte, dass er für sich das Recht in Anspruch nehme, darüber zu sprechen, weil er sich nicht nur mit der Wirtschaft befasse, sondern Ribbentrop nahestehe und dessen Auffassung kenne*13. Nach Auffassung der Regierung solle der glückliche Abschluss der Handels- und Kreditverhandlungen lediglich die erste Etappe auf dem Wege der Normalisierung der Beziehungen sein. Die zweite Etappe müsste in der Normalisierung der Beziehungen auf dem Gebiet der Presse, der kulturellen Verbindungen, in der Verbesserung der gegenseitigen Achtung usw. bestehen. Danach könne man zur dritten Etappe übergehen und die Frage der politischen Annäherung angehen. *Leider wären die wiederholten Versuche der deutschen Seite, zu diesem Thema ins Gespräch zu kommen, ohne Antwort geblieben. Auch Molotov habe Schulenburg nichts Konkretes zu diesem Thema gesagt14.*15 Indes sprächen alle Fakten für eine solche Annäherung… Sch. verstünde natürlich, dass ein derartiger Umschwung in der Politik Zeit erfordere, aber man müsse etwas tun. Falls die sowjetische Seite nicht von der Ernsthaftigkeit der deutschen Absichten überzeugt wäre, so möge sie sagen, welche Beweise sie benötige. Zwischen der UdSSR und Deutschland gebe es keine Gegensätze. Im Baltikum und in Rumänien beabsichtige Deutschland nichts zu unternehmen, was den Interessen der UdSSR zuwiderlaufen könnte. Das Antikomintern-Abkommen? Es sollte uns doch klar sein, dass es gegen England gerichtet sei. Alle diese Phrasen trug Sch. zum Teil im Stile eines Monologs vor, zum Teil als Antwort auf meine Repliken und Bemerkungen. Er hielt sich lange damit auf, diese Gedanken darzulegen und wiederholte, dass, falls sich unsere Leiter damit schwertun, Gespräche zu diesem Thema aufzunehmen, so könnten wir, die wir weniger hochgestellte Leute seien, doch auch etwas tun und diese Frage vom toten Punkt wegbewegen. Ich fragte Sch., wie es um die Angelegenheit unserer Handelsvertretung in Prag, genauer, um ihre Umwandlung in eine Abteilung der Berliner Handelsvertretung, bestellt sei. 13 14 15
Der Text ist am linken Seitenrand mit Bleistift angestrichen. Vgl. Dok. 521, 523. Der Text ist am linken Seitenrand mit Bleistift angestrichen.
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Nr. 538
27. 7. 1939
Sch. antwortete, dass diese Frage allein deshalb ins Stocken geraten sei, weil wir nicht auf die Fragen geantwortet hätten, die mir Weizsäcker gestellt hätte.16 Seinerzeit hätte sich der Führer selbst für diese Fragen interessiert, und auf seine Weisung habe W[eizsäcker] mir die betreffenden Fragen gestellt, auf die es bis jetzt keine Antwort gebe. Ich fragte Sch., ob er nicht der Ansicht wäre, dass die Antwort auf die Frage nach unseren wirtschaftlichen Absichten in der ehemaligen Tschechoslowakei zum Teil durch die Kreditverhandlungen gegeben worden sei, aus denen ersichtlich sei, dass wir die Absicht hätten, den Handel mit Deutschland zu entwickeln und folglich auch mit den ihm abhängigen Territorien, sofern uns günstige Konditionen angeboten würden. Darauf antwortete Sch., dass nach Auffassung der deutschen Regierung die deutschen Lieferungen im Rahmen der in Rede stehenden Kredite ausschließlich die Produktionsressourcen des eigentlichen Reiches einbezögen und zum Protektorat keinen direkten Bezug hätten. Deshalb könnten unsere Handelsabsichten in Bezug auf das Protektorat nicht als geklärt angesehen werden. Doch es gehe jetzt nicht um die Frage einer Abteilung der Handelsvertretung an sich, diese sei nicht kompliziert, sondern darum, dass diese Frage in den Kreis der Fragen gefallen sei, für die sich der Führer direkt interessiere und zu denen wir einer Antwort ausweichen. Sch. kam auch auf unsere Verhandlungen mit England zu sprechen und äußerte die Überzeugung, dass wir zu keiner Übereinkunft kommen würden, weil klar sei, dass auf uns im Kriegsfall die ganze Last der Verpflichtungen fallen werde, während der Anteil Englands minimal wäre. Warum müssen wir außerdem ein Bündnis abschließen, wenn sowieso niemand uns zu überfallen beabsichtige usw. Es wurde vereinbart, den gesamten letzten Teil des Gesprächs als einen inoffiziellen Meinungsaustausch zu behandeln. Sch. lud mich und Gen. Babarin für den 26.VII. zu einem Abendessen ein.17 Nach Schnurre ging ich zu Staatssekretär Weizsäcker, um mit ihm über die Möglichkeit zu sprechen, zwei Personen – die eine aus dem Landwirtschaftsministerium, die andere einer der Leiter einer wissenschaftlichen Einrichtung – eine Einladung von VOKS zur Landwirtschaftsausstellung18 zugehen zu lassen. Ich machte W. darauf aufmerksam, dass ich mit ihm nicht im Sinne einer offiziellen Demarche spräche, sondern lediglich privatim um seine Antwort bäte. W. nahm meine Erklärung aufmerksam und mit betontem Wohlwollen entgegen, machte sich Notizen, stellte einige ergänzende Fragen (so zu den Ländern, die wir einzuladen beabsichtigen) und sagte dann, dass er dieser Idee höchst wohlwollend gegenüberstehe und sich bemühen werde, die Frage in diesem Sinne mit den zuständigen Stellen zu klären. – Dies ist eine Wiederbelebung der Kulturbeziehungen, sagte W., jedenfalls kann sie nichts Schlechtes bringen, am ehesten bringt sie einen Nutzen. Sie wird 16 17
Vgl. Dok. 486, 490. Vgl. Dok. 537, 539. Indem er auf diese Einladung Schnurres aufmerksam machte, telegrafierte Astachov am 25.7. an das NKID: „Dies verschafft uns die Möglichkeit, ihm etwas in einer inoffiziellen und unverbindlichen Form zu sagen. Falls Sie Weisungen haben – telegrafieren Sie sie umgehend“. In: SSSR- Germanija: 1933–1941, Dok. 131, S. 187–188. 18 Die Allunions-Landwirtschaftsausstellung (Vsesojuznaja sel’skochozjajstvennaja vystavka /VSCHV/) wurde am 1.8.1939 eröffnet.
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27. 7. 1939 Nr. 538 denen eine Lehre sein, die die Feindschaft zwischen der UdSSR und Deutschland als eine unverrückbare Tatsache, als ein Axiom, betrachtet haben, auf dessen Grundlage allerlei politische Kombinationen zu erstellen sind. In Wirklichkeit können sich diese Beziehungen tatsächlich zum Besseren verändern… Sodann gab er zu verstehen, dass er mit seinen oben gemachten Ausführungen in erster Linie England gemeint habe und kam dann auf die fernöstlichen Ereignisse zu sprechen. Dazu sagte er: – England ist jetzt dabei, wie man so sagt, den „fernöstlichen Ballast abzuwerfen“. Aber dies ist ein höchst wertvoller Ballast. Das ist, im Prinzip, Gold. Es ist zu bezweifeln, dass England durch die „Befreiung“ von diesem Ballast irgendeinen Vorteil hat… Danach befragte W. mich zu den Ereignissen an der mongolisch-mandschurischen Grenze19 und sagte: Ich denke, es ist keine Indiskretion meinerseits, wenn ich sage, dass der hiesige japanische Botschafter Ōshima diesen Ereignissen keine große Bedeutung beimisst und nicht glaubt, dass sie zu einem Krieg führen können. Ich nehme ebenfalls an, dass die Beziehungen zwischen der UdSSR und Japan in friedlicher Weise geregelt werden können… Auf meine Bitte, sich zur Perspektive einer Lösung der Danzig-Frage zu äußern, antwortete W.: Ich kann Ihnen unsere Haltung präzise erläutern. Wir drängen nicht und meinen nicht, dass die Frage bezüglich Danzigs unverzüglich oder unbedingt im Verlaufe der nächsten Wochen entschieden werden muss. Die Situation ist in diesem Sinne nicht vergleichbar mit der Situation des Sudetenproblems im Sommer des vergangenen Jahres. Wir berücksichtigen, dass rund um die Danzig-Frage eine Atmosphäre der Nervosität entstanden ist, und wir haben nicht die Absicht, sie zu verschärfen. Wir können in Ruhe abwarten, bis Danzig uns wie eine reife Frucht in den Schoß fällt. Und dies wird früher oder später eintreten, weil wir Danzig als zu uns gehörig betrachten und seine Vereinigung mit Deutschland letzten Endes niemand verhindern kann. – Jedoch, so fuhr er fort, hat alles eine Grenze. Die Provokationen der Polen können wir nicht endlos dulden, und falls diese Provokationen eine gewisse Grenze überschreiten, ist unsere Geduld erschöpft und wir werden Gewalt anwenden. Zum Abschluss versprach W. noch einmal, alles Erforderliche für eine beschleunigte Entscheidung hinsichtlich der Einladung zur Landwirtschaftsausstellung zu unternehmen, und nachdem wir unsere Genugtuung darüber zum Ausdruck gebracht hatten, dass wir dieses Mal nicht über konfliktbeladene Themen gesprochen hätten, verabschiedeten wir uns. Das Gespräch dauerte ungefähr 25 Minuten.20 26.VII. Der Stellv. Handelsvertreter Gen. Babarin und ich sind bei Schnurre zum Mittagessen in einem Separee des Restaurants „Ewest“. Außerdem ist der Mitarbeiter der Wirtschaftsabteilung im Auswärtigen Amt, Schmid, anwesend. 19 Gemeint ist der sowjetisch-japanische bewaffnete Konflikt im Grenzgebiet zwischen der Mongolei und Mandschukuo am Fluss Chalchin-Gol (15. Mai bis 15. September 1939) unter Einsatz von Luftverbänden und in einzelnen Etappen auch schweren Truppenverbänden, schwerer Artillerie und Panzern („Zwischenfall von Nomonhan“). 20 Zu den Aufzeichnungen von Weizsäckers über dieses Gespräch vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 714, 715. S. 821–822.
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Nach einem allgemeinen Gespräch geht Schnurre zur Frage einer Verbesserung der sowjetisch-deutschen Beziehungen über; er entwickelt und ergänzt die Gedanken, die er im Gespräch mit mir am 24.VII. dargelegt hat. Er teilt mit, dass seinen Informationen zufolge die Einladung zur Landwirtschaftsausstellung im Ergebnis eines Telefonats Weizsäckers mit Ribbentrop (der sich in der Nähe von Salzburg aufhält) positiv entschieden worden ist und wir voraussichtlich in den nächsten Tagen eine offizielle Mitteilung dazu erhalten werden.21 Hinsichtlich des Handels- und Kreditabkommens verweilt er besonders lange bei dem Punkt bezüglich unserer Rohstofflieferungen (bei den auf Kredit zu liefernden Artikeln). Er unterstreicht, dass Deutschland keine Metalle hat, die für die Herstellung der von uns geforderten wertvollen Maschinen benötigt werden, insbesondere hat es kein Kupfer, Blei, Zink usw. Deshalb sieht sich Deutschland zu der Forderung berechtigt, dass die UdSSR ihm neben den Lieferungen für die Summe von 170 Mio. Mark für 20 Mio. Mark diese Metalle (oder andere Valuta-Artikel) oder eine entsprechende Menge an Gold liefert, mit der Deutschland diese Metalle im Ausland kaufen kann (d.h. insgesamt 190 Mio.). Falls aber die UdSSR die allgemeine Ziffer von 170 Mio. Mark beibehalten möchte, so sollten davon 30 Mio. auf Gold oder entsprechende Waren entfallen. Sch. betrachtet diese Summe lediglich als einen kleinen Prozentsatz im Allgemeinen sowjetisch-deutschen Handelsumsatz und spricht über die Zugeständnisse, die die deutsche Seite bis jetzt gemacht habe: anfangs habe sie Rohstofflieferungen in Höhe von 300 Mio. Mark bei einem Kredit in Höhe von 200 Mio. gefordert, danach waren es 200 Mio. bei einem 150-MillionenKredit, nunmehr sei sie aber bereit, sich mit 190 Mio. bei einem Kredit von 200 Mio. zufriedenzugeben. Er nehme an, dass wir entgegenkommen werden, zumal der Vertrag an sich für Deutschland keinen besonderen wirtschaftlichen Wert darstelle22 und Deutschland ihn hauptsächlich wegen der oben angeführten politischen Erwägungen anstrebe. Sowohl England als auch die USA würden der UdSSR solche Maschinen nur gegen Devisen geben. Deutschland hingegen erbitte lediglich einen geringen Prozentsatz an Devisen oder an gleichrangigen Waren. Das Gespräch dauerte insgesamt von 20.30 Uhr bis Mitternacht.23 Astachov Vermerk V.P. Potemkins mit rotem Farbstift: 1/VIII.39. VP. Vermerk mit Tinte: Zu den Akten. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 3920 vom 31.7.1939 sowie der Vermerk über den Erhalt von 2 Expl. und der Weiterleitung von 1 Expl. an die Abteilung. 21 Am 27.7. teilte von Weizsäcker Astachov die positive Entscheidung mit, zwei deutsche Vertreter zur Landwirtschaftsausstellung nach Moskau zu entsenden. Vgl. PA AA, R 106230, Bl. 452646. 22 In dem Bericht der Wehrwirtschaftlichen Abteilung im Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt des OKW vom 9.8.1939 hieß es: „Die kriegswirtschaftliche Gesamtlage hat im laufenden Jahr keine entscheidende Verbesserung erfahren, auf einzelnen Gebieten ist vielmehr eine Verschlechterung festzustellen. … Zur Zeit befindet sich Deutschland in einem Zustand wirtschaftlicher Schwäche, da die großen Vorhaben des Vierjahresplans (Buna, Treibstoffe, Hermann-Göring-Werke) erst zum kleineren Teil fertiggestellt sind und eine volle Entlastung des Einfuhrbedarfs erst nach Durchführung des VJP in einigen Jahren zu erwarten ist“. In: BA MA, RW 19/171, Bl. 201, 203. 23 Zur Ergänzung zur Gesprächsaufzeichnung während des Abendessens mit Schnurre am 26.7.1939 vgl. Dok. 540.
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27. 7. 1939 Nr. 539 Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. 5 an Gen. Molotov, 2 an Gen. Potemkin, 1 [Exemplar] zu den Akten der Bevollmächtigten Vertretung. 27.VII.39. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 59, l. 190–181. Kopie. Veröffentlicht in: DVP, Bd. XXII, Dok. 431, S. 547–55124.
24
Nr. 539 Aufzeichnung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre Nr. 539 27. 7. 1939 27. 7. 1939 Berlin, den 27. Juli 1939 Geheim! W 1216 g Aufzeichnung Entsprechend der mir erteilten Weisung habe ich gestern Abend den Sowjetgeschäftsträger Astachoff und den Leiter der hiesigen Handelsvertretung der UdSSR, Babarin, zum Abendessen zu Ewest eingeladen. Die Russen blieben bis etwa 1/2 1 Uhr. Das Gespräch über die uns interessierenden politischen und wirtschaftlichen Probleme wurde von den Russen in lebhafter und interessierter Weise aufgenommen, sodass eine zwanglose und gründliche Erörterung der einzelnen *mir von dem Herrn R.A.M. bezeichneten Themen möglich war*1. Aus den Gesprächen ist Folgendes hervorzuheben: 1) Anknüpfend an Bemerkungen Astachoffs über die frühere enge Zusammenarbeit und außenpolitische Interessengemeinschaft zwischen Deutschland und Russland setzte ich auseinander, dass mir eine solche *Zusammenarbeit auch jetzt erreichbar*2 schiene, wenn die Sowjetregierung darauf Wert lege. Ich könnte mir dabei drei Etappen vorstellen: Etappe 1: Die Wiederherstellung der Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem Gebiet durch unseren abzuschließenden Kredit- und Wirtschaftsvertrag. Etappe 2: *Die Normalisierung und Besserung*3 der politischen Beziehungen. Hierzu gehöre u. a. die Respektierung der Interessen des anderen Teils *in Presse und öffentlicher Meinung*4, die Achtung des *wissenschaftlichen und kulturellen Schaffens*5 des anderen Landes. Die offizielle Teilnahme Astachoffs am Tag der Deutschen Kunst in München oder die von ihm bei dem Herrn Staatssekretär angeregte Einladung deutscher Teilnehmer zur landwirtschaftlichen Ausstellung in Moskau könnten z. B. hier eingereiht werden.6
24 Das Dokument wurde nach eigenen Redaktionsrichtlinien veröffentlicht und auf den Zeitpunkt des Gesprächs datiert. 1 2 3 4 5 6
Der Text ist unterstrichen. Der Text ist unterstrichen. Der Text ist unterstrichen. Der Text ist unterstrichen; außerdem befindet sich davor eine 1). Der Text ist unterstrichen; außerdem befindet sich davor eine 2). Vgl. Dok. 538, 566.
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Etappe 3 würde die Wiederherstellung *guter*7 politischer Beziehungen sein, entweder in Anlehnung an das, was *früher*8 gewesen wäre (Berliner Vertrag) oder eine Neuordnung unter *Berücksichtigung der beiderseitigen lebenswichtigen politischen*9 Interessen. Auch diese Etappe 3 schiene mir erreichbar, denn außenpolitische *Gegensätzlichkeiten, die eine solche Ordnung zwischen den beiden Ländern ausschlössen, beständen meiner Meinung nach auf der ganzen Linie von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer und dem Fernen Osten nicht. Dazu komme bei aller Verschiedenheit* 10 der Weltanschauung ein Gemeinsames in der Ideologie Deutschlands, Italiens und der Sowjetunion: Gegnerstellung gegen die kapitalistischen Demokratien. Wir hätten ebensowenig wie Italien etwas gemeinsam mit dem Kapitalismus des Westens. Deshalb schiene es uns reichlich *paradox*11, wenn die Sowjet-Union als sozialistischer Staat sich jetzt ausgerechnet an die Seite der westlichen Demokratien stellen wolle. 2) Astachoff bezeichnete unter lebhafter Zustimmung von Babarin den Weg der Annäherung an Deutschland als denjenigen, der den Lebensinteressen der beiden Länder entspräche. Er hob jedoch hervor, dass das *Tempo wohl nur ein langsames und allmähliches sein könne*12. Die Sowjet-Union habe sich durch die nationalsozialistische Außenpolitik auf das schwerste *bedroht* fühlen *müssen*13. Wir hätten für unsere heutige politische Situation den treffenden Begriff der Einkreisung gefunden. *Genau so hätte sich nach den September-Ereignissen des letzten Jahres die politische Situation für die Sowjet-Union dargestellt.*14 Astachoff erwähnte den *Antikominternpakt* und unsere Beziehungen zu Japan, ferner *München* und die dort von uns errungene freie Hand in *Osteuropa*15, deren politische Auswirkung sich gegen die Sowjet-Union hatte richten müssen. *Wir betrachteten wohl die baltischen Staaten und Finnland sowie Rumänien als unsere Interessengebiete*16, was für die Sowjet-Regierung das Gefühl der Bedrohung vervollständigt hätte. An eine Schwenkung der deutschen Politik gegenüber der Sowjet-Union wolle man in Moskau *nicht recht glauben*. Ein Umschwung könne erst *allmählich*17 erwartet werden. 3) In meiner Erwiderung wies ich darauf hin, dass die deutsche *Ostpolitik* inzwischen *ganz andere Wege gegangen* sei. Von einer Bedrohung der Sowjet-Union könne bei uns keine Rede sein, unsere *Ziele gingen in ganz anderer Richtung*18. Den Antikominternpakt habe Molotow in seiner letzten Rede selbst als Camouflage eines gegen die westlichen Demokratien gerichteten Bündnisses bezeichnet. Die Danziger und die damit verbundene polnische Frage kenne er. Ich 7 8 9 10 11
Das Wort ist unterstrichen. Das Wort ist unterstrichen; außerdem befindet sich davor eine 1). Der Text ist unterstrichen; außerdem befindet sich davor eine 2). Der Text ist am linken Seitenrand angestrichen. Das Wort ist unterstrichen; außerdem ist der ganze Satz am linken Seitenrand angestri-
chen. 12 13 14 15
Der Text ist unterstrichen und am linken Seitenrand angestrichen. Die beiden Wörter sind unterstrichen. Ser Satz ist am linken Seitenrand mit einem Ausrufezeichen versehen. Die drei Wörter sind unterstrichen und das letzte am Seitenrand mit einem Fragezeichen versehen. 16 Der Text ist unterstrichen. 17 Die beiden Textstellen sind unterstrichen. 18 Die drei Textstellen sind unterstrichen.
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27. 7. 1939 Nr. 539 sähe darin alles andere als einen Interessengegensatz zwischen Deutschland und der Sowjet-Union. Dass *wir die Integrität der baltischen Staaten und Finnlands respektieren würden*19, sei durch unsere Nichtangriffspakte und unsere Angebote dazu hinreichend klar geworden. Unsere Beziehung zu *Japan* sei die einer gut fundierten *Freundschaft*, die aber *nicht gegen Russland*20 gerichtet sei. *Die deutsche Politik sei gegen England gerichtet.*21 Das sei das Entscheidende. Ich könnte mir, wie schon vorher gesagt, einen weitgehenden *Ausgleich der beiderseitigen Interessen vorstellen, unter Berücksichtigung der lebenswichtigen russischen Fragen*22. *Diese Möglichkeit wäre jedoch in dem Augenblick verschlossen, in dem die Sowjet-Union sich durch eine Paktunterschrift an die Seite Englands gegen Deutschland stellte.*23 Die Sowjet-Union habe dann gewählt und würde sich dann mit *England in die deutsche Gegnerschaft teilen können*. Nur aus diesem Grunde hätte ich gegen seine Ansicht *Einwendungen* zu erheben, dass das *Tempo einer etwaigen Verständigung zwischen Deutschland und der Sowjet-Union langsam* sein müsse. Die Zeit sei *jetzt* geeignet, aber *nicht mehr nach*24 einem Paktabschluss mit London. Man müsse sich das in Moskau überlegen. Was könne England Russland bieten? Bestenfalls die Beteiligung an einem europäischen Krieg und die Feindschaft Deutschlands, doch wohl kaum ein erstrebenswertes Ziel für Russland. Was könnten *wir* dagegen bieten? *Neutralität und Herausbleiben aus einem etwaigen europäischen Konflikt*25 und, wenn Moskau wolle, eine *deutsch-russische Verständigung*26 über die beiderseitigen Interessen, die sich ebenso wie in früheren Zeiten zum Nutzen für beide Länder auswirken würde. 4) Astachoff kam in der folgenden Unterhaltung wieder auf die *Frage der baltischen Staaten*27 zurück und fragte, ob wir dort außer einer wirtschaftlichen *Durchdringung* sonstige weitergehenden *politischen* 28 Ziele hätten. Ebenso stark beschäftigte ihn die *rumänische*29 Frage. Bei *Polen*30 brachte er zum Ausdruck, dass Danzig so oder so zum Reich kommen würde und dass auch die Korridorfrage irgendwie zu Gunsten des Reichs gelöst werden müsste. Er stellte die Frage, ob nicht auch die ehemals zu Österreich gehörigen Gebiete nach Deutschland tendierten, insbesondere die galizischen und ukrainischen Gebiete. Ich habe mich nach einer Schilderung unserer *handels*politischen Beziehungen zu den baltischen Staaten darauf beschränkt zu sagen, dass sich aus all diesen Fragen je-
19
Der Text ist unterstrichen, am linken Seitenrand angestrichen und mit einer 1) verse-
hen. 20
Die drei Textstellen sind unterstrichen und am linken Seitenrand mit einer 2) ver-
sehen. 21
Der Satz ist unterstrichen und am linken Seitenrand mit einem Ausrufezeichen verse-
hen. 22 23 24 25 26 27 28 29 30
Der Text ist unterstrichen. Der Text ist am linken Seitenrand mit drei großen Ausrufezeichen versehen. Die fünf Textstellen sind unterstrichen. Die beiden Textstellen sind unterstrichen und mit einer 1) versehen. Der Text ist unterstrichen und mit einer 2) versehen. Der Text ist unterstrichen und mit einer 1) versehen. Die beiden Wörter sind unterstrichen. Das Wort ist doppelt unterstrichen und mit einer 2) versehen. Das Wort ist doppelt unterstrichen, mit einer 3) versehen und der Satz am Seitenrand angestrichen.
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denfalls *kein deutsch-russischer Interessengegensatz*31 ergebe. Im Übrigen habe die Lösung der karpato-ukrainischen Frage gezeigt, dass wir hier nichts anstrebten, was Sowjetinteressen gefährdete. 5) Einen ziemlich breiten Raum nahm die Debatte darüber ein, *warum*32 der Nationalsozialismus außenpolitisch die Gegnerschaft der Sowjet-Union gesucht habe. Man habe dies in Moskau nie recht verstehen können. Für die innerpolitische Gegnerstellung gegen den Kommunismus habe man immer volles Verständnis gehabt. Ich habe die Gelegenheit benutzt, um ausführlich unsere Auffassung über die Wandlung des russischen Bolschewismus in den letzten Jahren darzulegen. Die Gegnerschaft des Nationalsozialismus habe sich als etwas Selbstverständliches aus dem Kampf gegen die von Moskau abhängige KPD ergeben, die nur ein Werkzeug der Komintern war. Der Kampf gegen die KPD sei längst beendet. Der Kommunismus sei in Deutschland ausgerottet. *Die Komintern sei in ihrer Bedeutung weit hinter dem Politbüro zurückgetreten, wo jetzt eine ganz andere Politik*33 gemacht werde als zu der Zeit, als die Komintern vorherrschend gewesen sei. Die Verschmelzung des Bolschewismus mit der nationalen Geschichte Russlands, die sich in der Verherrlichung großer russischer Männer und Taten zeige (Feier der Schlacht von Poltawa, Peter der Große, Schlacht auf dem Peipussee, Alexander Newski) habe das internationale Gesicht des Bolschewismus, wie wir es sehen, doch einigermaßen gewandelt, zumal Stalin die Weltrevolution ad calendas graecas vertagt habe. Wir sähen bei dieser Sachlage heute Möglichkeiten, die wir früher nicht gesehen hätten, vorausgesetzt, dass jeder Versuch unterbliebe, in Deutschland in irgendeiner Form kommunistische Propaganda zu treiben. 6) Astachoff betonte zum Schluss, wie wertvoll ihm diese Unterhaltung gewesen wäre. Er werde sie nach Moskau berichten und hoffe, dass sie dort sichtbare Spuren in der weiteren Entwicklung hinterlassen werde. Anschließend wurde eingehend die Frage des Wirtschafts- und Kreditvertrages durchgesprochen.34 7) Ich hatte nach den Ausführungen der Russen den Eindruck, dass man in Moskau *noch keine Entscheidung getroffen*35 hat, was man letzten Endes tun will. *Über Stand und Aussichten der englischen Paktverhandlungen schwiegen sich die Russen aus.*36 Es hat nach allem den Anschein, als ob man in Moskau einstweilen sowohl uns als England gegenüber die Taktik des *Hinzögerns und Hinhaltens* betreibt, um die Entscheidungen, deren Tragweite man völlig einsieht, hinauszuschieben. Daher die rezeptive Haltung der Russen nach den verschiedenen Gesprächen, insbesondere die Haltung Molotows, daher das Hinziehen der Wirtschaftsverhandlungen, bei denen sich die Russen absolut das Tempo vorbehalten, daher wohl auch die *Zurückhaltung des Botschafters Merekalow in Moskau*. Hemmend fällt weiter das *übergroße Misstrauen*37 ins Gewicht, das nicht nur uns gegenüber, sondern auch gegenüber England besteht. *Von unserem Gesichtspunkt
31 Die beiden Textstellen sind unterstrichen und bis Absatzende am linken Seitenrand angestrichen. 32 Das Wort ist unterstrichen. 33 Der Text ist am linken Seitenrand mit einem Ausrufezeichen versehen. 34 Vgl. Dok. 538, 540. 35 Der Text ist unterstrichen. 36 Der Satz ist am linken Seitenrand angestrichen. 37 Die drei Textstellen sind unterstrichen.
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27. 7. 1939 Nr. 540 aus dürfte es schon als beträchtlicher Erfolg zu werten sein, wenn Moskau heute noch nach monatelangen Verhandlungen mit England in der Unsicherheit verharrt, was es letzten Endes tun soll.*38 gez. Schnurre Auf erstem Blatt unten: A 1655/39. PA AA, Moskau 484, Bl. 69539-69536. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 729, S. 846–849.
38
Nr. 540 Aufzeichnung der Unterredung des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov mit dem Leiter des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre Nr. 540 27. 7. 1939 27. 7. 1939 GANZ GEHEIM Expl. Nr. 2 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 1931 Berlin, 27. Juli 1939 ERGÄNZUNG ZUM TAGEBUCH G. ASTACHOVS 26.VII. Neben dem, was im allgemeinen Tagebuch festgehaltenen ist, entwickelte Schnurre folgende Gedanken bezüglich einer Verbesserung der deutschsowjetischen Beziehungen. – Die Führung der deutschen Politik ist von der überaus ernsten Absicht erfüllt, diese Beziehungen zu normalisieren und zu verbessern. Die Formulierung Weizsäckers über den „Laden, in dem es viele Waren gibt“2, ist in dem Sinne zu verstehen, dass Deutschland bereit ist, der UdSSR alles Erdenkliche zur Auswahl anzubieten: von einer politischen Annäherung und Freundschaft bis hin zur offenen Feindschaft. Deutschland öffnet die Tür für Gespräche zu diesem Thema. In der Erkenntnis, dass gegenwärtig alle Mächte am Scheideweg stehen, möchte Deutschland bei der Festlegung, auf welcher Seite es steht, nicht, dass die Vorstellung entsteht, es hätte nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um sich in solch einem entscheidenden Moment der UdSSR anzunähern. Es bietet der UdSSR diese Möglichkeit an, aber leider reagiert die UdSSR nicht darauf. Weizsäcker hätten wir überhaupt nicht geantwortet, Schulenburg, der mit Molotov gesprochen hätte, habe von letzterem auch keine klare Antwort erhalten.3 Unterdessen stellte er [Schnurre] konkret die Frage und schlug beispielsweise eine Verlängerung oder Auffrischung des sowjetisch-deutschen politischen Vertrages 38 1 2 3
Der Satz ist am linken Seitenrand mit einem Fragezeichen versehen. Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Vgl. Dok. 490. Vgl. Dok. 523.
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vor, der, wenn man sich in ihn hineinlese, große Möglichkeiten für eine Annäherung biete. Ich fragte Schnurre, ob er sich völlig sicher sei, dass alles das, was er oben gesagt habe, nicht nur sein persönlicher Standpunkt sei, sondern auch die Stimmungen der höchsten Sphären widerspiegele. – Glauben Sie denn wirklich, antwortete er, dass ich Ihnen dies alles sage würde, ohne dafür direkte Weisungen von oben zu haben? Er betonte ferner, dass Ribbentrop, der die Gedanken des Führers genau kenne, genau diesen Standpunkt vertrete. Auf meine Bemerkung, dass wir keine Gewissheit hätten, dass die beabsichtigte Veränderung der deutschen Politik seriöser, nicht konjunktureller Natur und auf lange Sicht gedacht sei, antwortete Sch[nurre]: – Sagen Sie, welche Beweise Sie wünschen. Wir sind bereit, in der Praxis zu beweisen, dass es die Möglichkeit gibt, sich zu beliebigen Fragen zu verständigen und beliebige Garantien zu geben. Wir können uns nicht vorstellen, dass es für die UdSSR von Vorteil wäre, sich auf die Seite Englands und Polens zu stellen, während jede Möglichkeit besteht, sich mit uns zu verständigen. Falls die sowjetische Regierung den Wunsch hat, dieses Thema ernsthaft zu besprechen, dann können Sie eine entsprechende Erklärung nicht nur von mir, sondern auch von weitaus höhergestellten Personen hören. Ich persönlich würde mich sehr freuen, wenn ich nach Moskau reisen könnte, wo ich im Gespräch mit Ihren Leitern diese Gedanken darlegen könnte. In Antwort auf meine Erwähnung der deutschen Expansion im Baltikum und in Rumänien sagte Sch…: – Unsere Tätigkeit in diesen Ländern verletzt in keiner Weise Ihre Interessen. Sollte im Übrigen die Sache bis zu ernsthaften Gesprächen gedeihen, versichere ich, dass wir der UdSSR in diesen Fragen in vollem Umfang entgegenkommen würden. Die Ostsee sollte unserer Auffassung nach allen zugänglich sein. Was hingegen die baltischen Länder konkret betrifft, so sind wir bereit, uns in Bezug auf diese genauso zu verhalten, wie wir es hinsichtlich der Ukraine tun. Wir haben rundweg auf jegliche Eingriffe in die Ukraine verzichtet (mit Ausnahme der Teile, die früher zu Österreich-Ungarn gehörten und deren Lage unklar ist). Noch leichter wäre es, sich über Polen zu verständigen … Da ich das Gefühl hatte, dass das Gespräch zu weit zu gehen begann, lenkte ich es auf allgemeinere Themen, indem ich über die deutschen Aspirationen gegenüber der Ukraine und generell gegenüber Russland sprach, die in „Mein Kampf“ dargelegt worden sind, wo England als Verbündeter Deutschlands gedacht ist. – Der Führer ist nicht starrköpfig, sondern berücksichtigt sehr wohl alle Veränderungen in der Weltsituation. Das Buch wurde vor 16 Jahren unter völlig anderen Voraussetzungen geschrieben. Jetzt denkt der Führer anders. Der Hauptfeind ist nunmehr England. Insbesondere ist in Osteuropa als Ergebnis des Bruchs der deutsch-polnischen Freundschaft eine völlig neue Situation entstanden. Diese „Freundschaft“, die auch früher beim Volk äußerst unpopulär war, zerbrach buchstäblich im Verlaufe eines Tages. Auf Danzig verzichten wir nicht, dies ist zumindest aus „Mein Kampf“ zu entnehmen.
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27. 7. 1939 Nr. 540 – Wenn aber nun Polen beispielsweise Danzig abtritt? Dann kann doch die „Freundschaft“ erneuert werden, und folglich ändert sich die Politik gegenüber der UdSSR wieder zum Schlechteren? – Das wird nicht geschehen. Es ist schon nicht mehr möglich, die deutschpolnischen Beziehungen wiederherzustellen. Sie sind unwiederbringlich zerrüttet. Ich fragte Sch., warum er eine Erneuerung der Freundschaft zwischen Deutschland und England für unmöglich erachte. – Weil sich England niemals damit einverstanden erklären wird, einen Fußbreit seiner Besitzungen an uns abzutreten, weil es sich niemals damit einverstanden erklären wird, uns die uns weggenommenen Kolonien zurückzugeben. Als Beispiel für die Veränderlichkeit der Außenpolitik im letzten Jahrzehnt führte Sch. anschließend Italien an. – Bereits nach dem Machtantritt Hitlers hielt Mussolini scharfe Reden gegen Deutschland und behauptete, dass wir im Vergleich zu den Italienern Barbaren seien. Als ich in Ungarn arbeitete4, konnte ich besonders deutlich sehen, wie energisch die Diplomatie Mussolinis gegen Deutschland arbeitete. Aber es vergingen ein paar Jahre und die „Achse“ entstand. Wir sind der Auffassung, dass die UdSSR auch jetzt den Weg der Annäherung an Deutschland und Italien einschlagen kann, ähnlich wie dies in der sogenannten „Rapallo“-Periode der Fall war. Dies wird auch durch den Umstand begünstigt, dass Deutschland und Italien zwar den Kommunismus bekämpften, aber antikapitalistisch eingestellt sind und danach streben, auf jede erdenkliche Weise den Einfluss der Großkonzerne und Firmen einzuschränken und diese in den Dienst der Interessen des Volkes und der Gesellschaft zu stellen. Unsere Großkapitalisten haben ihren Einfluss eingebüßt. Sie können sich davon überzeugen, wenn Sie mit einem beliebigen Direktor von Siemens, der IGF und überhaupt eines beliebigen Großunternehmens sprechen. Um einer Diskussion zu diesem Thema auszuweichen, kam ich auf Japan zu sprechen und sagte, dass mir nicht ganz klar wäre, warum Deutschland die Freundschaft mit Japan eingegangen sei, ungeachtet dessen, dass China einen großen Markt biete und gewaltige Vorräte der von Deutschland benötigten Rohstoffe besitze, während sowohl die Freundschaft mit Japan als auch die mit Italien Deutschland nichts wirtschaftlich Wertvolles zu bieten habe. Darauf reagierte Sch. sehr unwillig und gab damit gleichsam zu verstehen, dass meine Frage den wunden Punkt getroffen hatte. – Die Freundschaft mit Japan ist eine Tatsache. Jedoch meinen wir, dass dies keinen Hinderungsgrund für die Anbahnung freundschaftlicher Beziehungen zwischen der UdSSR und Deutschland darstellt. Außerdem scheint uns, dass die Beziehungen zwischen der UdSSR und Japan ebenfalls zum Besseren verändert werden können. Sodann wiederholte Sch. in verschiedenen Variationen die früheren Argumente bezüglich des Wunsches nach Annäherung zwischen der UdSSR und Deutschland und des Erfordernisses, Verhandlungen zu diesem Thema aufzunehmen, da der Zeitpunkt dafür jetzt außerordentlich günstig sei und eine verpasste Chance sich nicht wiederhole. Auf meine Bemerkungen, dass ich diese Gedanken früher, in 4 Schnurre war von Juli 1930 bis März 1936 an der Gesandtschaft in Budapest tätig gewesen.
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den ersten zwei Jahren meines Aufenthaltes in Deutschland, in Gesprächen mit deutschen Politikern angesprochen hätte, sie damals aber nicht die geringste spürbare Resonanz gefunden hätten, fand Sch. keine andere Antwort, außer: – Aber jetzt sehen Sie selbst, dass von unserer Seite eine spürbare Resonanz gewährleistet ist. Dagegen erkennen wir jetzt keine Resonanz bei Ihnen. Ich sagte, dass ich es nicht unterlassen würde, dass gesamte Gespräch ausführlich nach Moskau zu übermitteln5, machte aber vorsorglich darauf aufmerksam, dass sämtliche von Sch. vorgetragenen Gedanken derartig neu und ungewöhnlich aus dem Munde einer deutschen offiziellen Person seien, dass ich nicht mit Sicherheit sagen könne, dass man sie in Moskau vollkommen ernst nehmen werde. Die Erinnerung an die offen feindselige Politik, die Deutschland uns gegenüber noch vor ein paar Monaten betrieben und verkündet habe, sei noch dermaßen frisch, dass ich mich nicht dazu entschließen könne, Sch. Hoffnungen zu machen. Selbstverständlich würde ich aber dieses Gespräch möglichst vollständig und exakt nach Moskau übermitteln und sei mir sicher, dass es, wie auch alle anderen Gespräche zu diesem Thema zuvor, Spuren hinterlassen werde6, obgleich ich ihm keine entscheidende Bedeutung beimessen könne. Sch. gab sich damit zufrieden und bat um Mitteilung, wenn in dieser Hinsicht aus Moskau konkrete Weisungen eintreffen sollten, um auf das Gespräch in konkreteren Formen zurückkommen zu können.7 Astachov Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats von Potemkin mit der Eingangs- Nr. 3921 vom 31.07.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Molotov, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. zu den Akten der Bevollmächtigten Vertretung. 27.VII.39. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 59, l. 195–191. Kopie. Veröffentlicht in: God krizisa 1938–1939, Bd. 2, Dok. 503, S. 136–1398.
5 Astachov schickte am 27.7.1939 ein Telegramm an das NKID mit kurzen Ausführungen zu diesem Gespräch; vgl. SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 132, S. 188. 6 In der Information des NKID vom 29.7., die der Aufzeichnung Astachovs über dieses Gespräch beigefügt war, heißt es: „Schnurre sprach darüber, dass Deutschland der UdSSR die Möglichkeit bietet, sich ihm anzunähern, doch die UdSSR reagiert nicht darauf. Auf die Bemerkung Astachovs, dass wir nicht von der Ernsthaftigkeit der Veränderung der deutschen Politik überzeugt seien, antwortete Schnurre, dass man bereit sei, in der Praxis zu beweisen, dass eine Verständigung zu beliebigen Fragen und jegliche Garantien zu geben. Schnurre ergänzte, dass er sehr froh wäre, nach Moskau zu reisen und diese Gedanken im Gespräch mit den Leitern darzulegen. Gen. Astachov antwortete, dass er nicht sicher sei, dass in Moskau die von Schnurre entwickelten Gedanken völlig ernsthaft aufgenommen würden“. In: AVP RF, f. 06, op. 1, p. 7, d. 67, l. 30. Die Information wurde weitergeleitet an: Molotov, Potemkin, Dekanozov, Lozovskij, Stalin, Vorošilov, Kaganovič, Mikojan, Berija. 7 Zur Aufzeichnung Schnurres über dieses Gespräch vgl. Dok. 539. 8 Das Dokument wurde in redaktioneller Bearbeitung veröffentlicht sowie auf den Zeitpunkt des Geprächs datiert.
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27. 7. 1939 Nr. 541 Nr. 541 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 541 27. 7. 1939 27. 7. 1939 GEHEIM Nr. 1 AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS Nr. 5430 [27.7.1939] EMPFANG DES DEUTSCHEN BOTSCHAFTERS SCHULENBURG 27. Juli 1939 Schulenburg, der mich um einen Empfang gebeten hatte, erschien bei mir mit folgenden Anliegen. 1. Der Botschafter händigte mir eine Notiz zum Fall der 1931 mit ihrem Ehemann in die Sowjetunion gekommenen deutschen Staatsbürgerin Marsmann aus. 1937 sei der Ehemann von Marsmann verhaftet worden. 1938 habe er der Ausweisung aus der UdSSR unterlegen. Ihm seien seine beiden Kinder gefolgt. 1 Was Marsmann selbst betreffe, so sei sie Ende 1937 spurlos verschwunden, obwohl die Botschaft von den Kindern erfahren habe, dass ihre Mutter verhaftet worden sei und sich in Ivanovo im Gefängnis befinde. Trotz ihrer wiederholten Anfragen an das NKID verfüge die Botschaft bis heute über keinerlei Informationen über das Schicksal Marsmanns.2 Schulenburg erläuterte, dass der Ehemann und der Bruder der vermissten Marsmann über das Auswärtige Amt nachdrücklich irgendwelche Nachrichten über ihr Schicksal zu erlangen suchten. Der Botschafter möchte, seinen Worten zufolge, diesen lästigen Fall loswerden. Wenn Marsmann verstorben sei und das NKID dies bestätigen könne, würde Schulenburg bitten, ihm wenigstens diese Auskunft zukommen zu lassen. Ich sagte Schulenburg, dass ich die Abteilung anweisen würde, nochmals zu versuchen, irgendwelche Angaben über den Fall der verschwundenen Marsmann zu erhalten. 2. Schulenburg erinnerte an die große Anzahl von sowjetischen Staatsbürgerinnen, die deutsche Staatsbürger geheiratet hätten und sich derzeit in der Heimat aufhielten. Diese Frauen seien um den Austritt aus der sowjetischen Staatsbürgerschaft und die Erlaubnis bemüht, nach Deutschland zu ihren Ehemännern auszureisen. Eine zeitlang hätten die zuständigen Behörden eine solche Auswanderung nicht verhindert. Jedoch sei diese Sache derzeit fast gänzlich ins Stocken geraten.3 Schulenburg bitte um Unterstützung bei der schnellstmöglichen Erledigung der genannten Anträge. Ich antwortete dem Botschafter, dass das NKID Erkundigungen über den Stand der genannten Angelegenheiten einholen werde. 1 2 3
Vgl. Dok. 386. Vgl. Dok. 374, 432. Vgl. Dok. 386.
1353
Nr. 542
27. 7. 1939
3. Ich erkundigte mich beim Botschafter, ob die Meldungen ausländischer Zeitungen über seine neuerliche Reise nach Berlin wahr seien. Schulenburg antwortete, er habe im deutschen Radio zweimal eine Meldung über seine Reise gehört. Er habe jedoch keinerlei Anweisungen aus Berlin in dieser Hinsicht erhalten und glaube, dass die Radiomeldung auf unbestätigten Gerüchten beruhe. 4. Zum Abschluss fragte ich den Botschafter, ob er Informationen über den Zeitpunkt der Entlassung der letzten Gruppe unserer Seeleute aus spanischer Gefangenschaft4 habe. Der Botschafter erläuterte, dass die grundsätzliche Zustimmung der Spanier zur Entlassung und Ausreise unserer Seeleute dem Botschafter5 bereits gegeben worden sei, es nun jedoch erforderlich wäre, diese Angelegenheit abzuwickeln.6 V. Potemkin Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 6 Expl. Das 1. [Exemplar] zu den Akten, das 2. an Gen. Molotov, das 3. an Gen. Dekanozov, das 4. an Gen. Lozovskij, das 5. an die Abteilung für Z[entral]eur[opa], das 6. nach Berlin, 27.VII.39. Zusätzlich 1 Expl. für das Gen[eral]sekretariat. AVP RF, f. 011, op. 4, p.24, d. 7, l. 137–136. Original.
4
5
6
Nr. 542 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Stellv. Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin Nr. 542 27. 7. 1939 27. 7. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 1 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 1951 Berlin, 27.VII.39 AN DEN STELLVERTRETENDEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN Gen. V. P. POTEMKIN Sehr verehrter Vladimir Petrovič, 1) In dieser Post finden Sie die Aufzeichnungen meiner Gespräche mit Schnurre2, in denen er neben der Erörterung von allerlei konkreten Fragen auf jegliche Weise versucht, uns zu einem Meinungsaustausch über allgemeine Fragen ei4 5 6
Vgl. Dok. 520. Eberhard von Stohrer. Schulenburg teilte am 2.8.1939 Potemkin mit, dass die letzte Gruppe freigelassener sowjetischer Matrosen dem deutschen Konsul in Spanien übergeben worden sei. Vgl. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 24, d. 7, l. 139-138. 1 2
1354
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Vgl. Dok. 538, 540.
27. 7. 1939 Nr. 542 ner sowjetisch-deutschen Annäherung zu bewegen. Dabei beruft er sich auf Ribbentrop als Initiator dieser Fragestellung3, die anscheinend auch Hitler teilt. Wie Sie sich erinnern, haben mir Weizsäcker und Schulenburg ungefähr das gleiche gesagt4, jedoch in einer vorsichtigeren und zurückhaltenderen Form. Die Motive für diese Taktik der Deutschen sind klar, und ich brauche wohl kaum ausführlich darauf einzugehen. Ich hüte mich auch davor, eine eigene Auffassung zu dieser Frage zu formulieren, weil man dafür über die Details und die Perspektiven unserer Verhandlungen mit England und Frankreich (über die mir nur das bekannt ist, was in den Zeitungen steht) im Bilde sein müsste. Dennoch könnte ich bemerken, dass das Bestreben der Deutschen, die Beziehungen zu uns zu verbessern, recht hartnäckiger Natur ist und durch die völlige Einstellung der Zeitungs- und sonstiger Kampagnen gegen uns untermauert wird. Ich bezweifle nicht, dass wir, wenn wir es wollten, die Deutschen in weitgehende Verhandlungen verwickeln und von ihnen eine Reihe von Zusicherungen zu den uns interessierenden Fragen erhalten könnten. Wie hoch der Preis für derartige Zusicherungen ausfiele und für welchen Zeitraum sie in Kraft blieben, ist selbstverständlich eine andere Frage. Jedenfalls muss man die Bereitschaft der Deutschen, über eine Verbesserung der Beziehungen zu sprechen, berücksichtigen und vielleicht wäre es angebracht, sie etwas anzuregen, um in unseren Händen die Trumpfkarte zu sichern, die man im Bedarfsfall ausspielen könnte. Unter diesem Aspekt könnte es vielleicht nicht schaden, ihnen etwas zu sagen, ihnen eine Reihe von Fragen zu stellen, um nicht den Faden zu verlieren, den sie uns in die Hand geben und der uns bei vorsichtigem Gebrauch schwerlich schaden kann. 2) Ich bitte darum, die Antwort vorzubereiten, die wir im Zusammenhang mit der bevorstehenden Einladung zum Nürnberger Parteitag5 geben werden müssen. Die Einladung ist in 1–1 ½ Wochen zu erwarten. Früher haben wir „unter einem glaubwürdigen Vorwand“ abgesagt. Werden wir auch jetzt diese Taktik anwenden, wenn keine Auftritte und Verunglimpfungen gegen uns zu erwarten sind (sofern sich natürlich die Atmosphäre bis dahin nicht verändert)? Einerseits ist in informatorischer Hinsicht die Anwesenheit auf dem Parteitag von großer Bedeutung und bietet große Möglichkeiten, Kontakte und Beziehungen zu knüpfen und Aufklärungsarbeit unter den Deutschen und den ausländischen Diplomaten zu leisten. Andererseits wird unsere erstmalige Anwesenheit seit Bestehen des Regimes natürlich nicht wenige Kommentare in der englischen und französischen Presse auslösen. Wir müssen entscheiden, was uns wichtiger ist. 3) Ich bitte Sie sehr, auf die Verwaltungsabteilung Einfluss zu nehmen, um eine Reihe von uns aufgeworfener Fragen zu entscheiden, deren Verzögerung sich äußerst nachteilig auf die Arbeit und auf die gesamte Atmosphäre in der Bevollmächtigten Vertretung auswirkt. Ich werde Sie vorerst nicht mit deren Auflistung belästigen, weil sie der Verwaltungsabteilung bekannt sind, außerdem habe ich zu einigen telegrafisch berichtet. 3 4 5
Vgl. Dok. 539. Vgl. Dok. 490, 512. Der für den 2.9.1939 angesetzte Nürnberger Reichsparteitag des Friedens wurde abge-
sagt.
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Nr. 543
29. 7. 1939 Mit kameradschaftlichen Gruß Astachov
Vermerk mit Kopierstift: Zu den Akten. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 3923 vom 31.07.1939 und der Vermerk über den Erhalt von zwei Exemplaren und der Zustellung von einem Exemplar an die Zentraleuropäische Abteilung. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 1 [Exemplar] an die Adresse, 2 [Exemplare] **an Gen. Molotov**6. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 61, l. 121–120. Original. Veröffentlicht in: God krizisa 1938–1939, Bd. 2, Dok. 504, S. 139–140.
6
Nr. 543 Telegramm des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Molotov an den sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov Nr. 543 29. 7. 1939 29. 7. 1939 [29.7.1939] Berlin, an Astachov Natürlich können bei einer Verbesserung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen der UdSSR und Deutschland auch die politischen Beziehungen verbessert werden. In diesem Sinne hat Schnurre, allgemein gesprochen, recht.1 Aber nur die Deutschen können sagen, worin konkret eine Verbesserung der politischen Beziehungen zum Ausdruck kommen soll.2 Bis vor Kurzem waren die Deutschen damit beschäftigt, die UdSSR nur zu verunglimpfen, sie wollten keine Verbesserung der politischen Beziehungen mit ihr und lehnten die Teilnahme an Konferenzen ab, auf denen die UdSSR vertreten war. Wenn jetzt die Deutschen aufrichtig umschwenken und tatsächlich die politischen Beziehungen zur UdSSR verbessern wollen, so liegt es an ihnen, uns zu sagen, wie sie sich diese Verbesserung konkret vorstellen. Unlängst war Schulenburg bei mir3, und auch er sprach über den Wunsch, die Beziehungen zu verbessern, wollte aber nichts Konkretes oder Klares anbieten. Wir würden selbstverständlich jegliche Verbesserung der politischen Beziehungen zwischen den beiden Staaten begrüßen. Jedoch hängt die Sache einzig und allein von den Deutschen ab. Molotov Veröffentlicht in: God krizisa 1938–1939, Bd. 2, Dok. 511, S. 1454.
6 1 2 3 4
Der Text ist korrigiert; ursprünglich: zu den Akten.
Vgl. Dok. 540. Vgl. Dok. 471. Vgl. Dok. 523. Das Dokument wurde in redaktioneller Bearbeitung veröffentlicht. Der Text des Dokuments wurde präzisiert nach: http://1939.rusarchives.ru.
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29. 7. 1939 Nr. 544 Nr. 544 Schreiben des Staatssekretärs im AA Freiherr von Weizsäcker an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 544 29. 7. 1939 29. 7. 1939 Berlin, den 29. Juli 1939 Geheim! W 1216 g An den Deutschen Botschafter Herrn Grafen von der Schulenburg Moskau Deutsche Botschaft Am 26. d. M. abends fand eine eingehende Besprechung Schnurres mit Astachoff und Babarin statt 1 , deren Inhalt aus der anliegenden Aufzeichnung 2 ersichtlich ist. Aus der Antwort Astachoffs ist zu schließen, dass ein ausführlicher Bericht von ihm bereits in Moskau vorliegt.3 *Astachoff stellte zum Schluss die Frage, ob dann, wenn eine hochgestellte sowjetische Persönlichkeit sich mit einer hochgestellten deutschen Persönlichkeit über diese Fragen unterhielte, ähnliche Ansichten von uns vertreten würden. Schnurre hat diese Frage dem Sinne nach *zustimmend* beantwortet*4. Es wäre uns wichtig zu wissen, ob die Astachoff und Babarin gegenüber gemachten Ausführungen eine *Resonanz* in Moskau gefunden haben. Wenn Sie die Gelegenheit dazu sehen, eine erneute Besprechung mit Molotow herbeizuführen, bitte ich in diesem Sinne zu *sondieren* und hierbei gegebenenfalls die *Gedankengänge* der Aufzeichnung auch Ihrerseits zu *verwenden*. Stellt sich dabei heraus, dass *Molotow*5 aus der bisher von ihm eingehaltenen *Reserve heraustritt*6, so können Sie in Ihren Darlegungen *noch einen Schritt weitergehen*7 und das etwas mehr konkretisieren, was in der Aufzeichnung allgemein ausgedrückt ist. Das betrifft insbesondere die *polnische* Frage. Wir wären bereit, bei *jeder*8 Entwicklung der polnischen Frage, sei es, wie wir es wünschen, auf friedlichem Wege, sei es auf einem uns aufgezwungenen anderen Wege, *alle sowjetischen Interessen zu wahren und uns mit der dortigen Regierung darüber zu verständigen*9. Auch in der *baltischen* Frage könnte bei einem *positiven Verlauf*10 des Gesprächs der Gedanke vertieft werden, dass wir unsere Haltung gegenüber dem
1 2 3 4
Vgl. Dok. 538, 540. Vgl. Dok. 539. Vgl. Dok. 542. Der Text ist am Seitenrand rot angestrichen, außerdem ist das Wort „zustimmend“ rot unterstrichen. 5 Die fünf Wörter sind rot unterstrichen. 6 Der Text ist doppelt rot unterstrichen. 7 Der Text ist rot unterstrichen. 8 Die beiden Wörter sind rot unterstrichen; außerdem befindet sich vor dem Wort „polnische“ eine römische I. 9 Der Text ist rot unterstrichen; außerdem befindet sich vor dem Wort „alle“ eine arabische 1) und vor dem Wort „uns“ eine arabische 2). 10 Die beiden Wörter sind rot unterstrichen; außerdem befindet sich vor dem Wort „baltischen“ eine römische II.
1357
Nr. 545
31. 7. 1939
Baltikum so einrichten, dass *lebenswichtige sowjetische Ostseeinteressen respektiert werden*11. im Konzept12 gez. von Weizsäcker Auf erstem Blatt oben Stempel: Eingegangen Moskau 31.7.39 und A 1655/39. Auf zweitem Blatt unten Stempel des AA und handschriftlich: Beglaubigt: von Bergen Ministerialkanzleiobersekretär. Auf Kopfbogen des Auswärtigen Amts geschrieben. PA AA, Moskau 484, Bl. 69528-69529. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 736, S. 854–855.
11
12
Nr. 545 Aufzeichnung der Unterredungen des Mitarbeiters der Firma „Otto Wolff“ Gasper mit dem Stellv. Leiter der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin Babarin und dem Leiter des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre Nr. 545 31. 7. 1939 31. 7. 1939 Köln, den 31.7.1939 Aktennotiz Erste Besprechung mit Herrn Barberin1 am 28.7.1939 Herr Barberin sagte mir, dass der Erteilung des Visums für mich nichts im Wege stünde. Der Antrag ginge auf dem üblichen Wege über Moskau, und es könne länger dauern, bis ich dieses Visum erhalten würde. Er sei leider nicht in der Lage, von der Handelsvertretung aus das Visum sofort zu erteilen, da für die Handelsvertretung ein akuter Fall, der meine sofortige Anwesenheit in Moskau erforderlich mache, nicht vorliege. Zudem glaube er, dass zurzeit meine Anwesenheit in Moskau keinen großen Erfolg haben könnte, weil man in Moskau erst einmal das Ergebnis der von ihm mit Herrn Schnurre aufgenommenen Kreditverhandlungen abwarten würde. Auf meine direkte Frage, ob er an einen Erfolg dieser Verhandlungen glaube, antwortete er achselzuckend er müsse eben Optimist sein. Nach Zeitungsnachrichten sind ja in der ganzen Welt die Handelsvertreter und stellvertretenden Handelsvertreter von Russland ausgewechselt worden. Herr Barberin ist zweifellos im Rahmen dieser Auswechslungsaktion nach Berlin gekommen. Ich glaube nicht, dass er eine große selbständige Verantwortung bei diesen Verhandlungen entwickeln wird und seiner ganzen Person nach wohl auch kaum entwickeln kann.
11 12
Der Text ist rot unterstrichen. Weizsäcker hatte am gleichen Tage, am 29.7.1939, ein Telegramm an Graf von der Schulenburg geschickt, in dem er auf weitere Instruktionen verwies; vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 734, S. 852. 1
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So im Dokument; richtig: Babarin.
31. 7. 1939 Nr. 546 Besprechung mit Herrn Geheimrat Schnurre am 28.7.1939 Ich habe Herrn Schnurre von den Verhandlungen mit Barberin unterrichtet und ihm gesagt, dass ich ein sehr geringes Interesse bei den Russen gefunden hätte. Er hatte aus seinen Verhandlungen denselben Eindruck. Die Verhandlungen verliefen sehr schleppend und nichtssagend, und er könne noch gar nicht übersehen, ob er zum Abschluss komme. Verhandelt wird über einen Kredit von 200 Millionen Mark mit einer Laufzeit von 6 Jahren. Die Russen würden wohl wahrscheinlich nach ihrer Wunschliste den größten Teil in Werkzeugmaschinen abnehmen. Herr Schnurre ist sich darüber klar, dass ein solches Verhandlungsergebnis, wobei wir hochwertigste Werkzeugmaschinen mit 6 Jahren Kredit gegen Rohstoffe nach russischer Wahl abgeben, nicht sehr als Erfolg gewertet würde. Er war mit mir einer Meinung, dass sehr bald der Zeitpunkt kommen könne, zu dem man den Russen das deutsche Desinteressement an derartigen Verhandlungen notifizieren müsse. Wenn man von der Überlegung ausgeht, dass der größte Teil der deutschen Werkzeugmaschinen Russlands schon 6 – 10 Jahre arbeitet und stark erneuerungsbedürftig ist, so wird man beim heutigen internationalen Mangel an Werkzeugmaschinen derartige Maschinen an die Russen auch gegen bar verkaufen können. Herr Schnurre will aber versuchen, bei dem 200-Millionen-Kredit nur 80% gegen Lieferung und 20 Millionen in Gold auszuhandeln. Bekommt er das nicht, so glaube er selbst nicht, dass es zu einem Abkommen kommt. gez. Gasper D[urch]d[ruck]: Herrn Wolff, *Herrn Siedersleben*2, Sekr[retariat] Gasper RWWA, 72-44-2, o. P., 2 Bl.
2
Nr. 546 Auszug aus dem Lagebericht des Geheimen Staatspolizeiamtes Nr. 546 31. 7. 1939 31. 7. 1939 Berlin, den 31. Juli 1939 […]1 Sowjetrussische Institutionen in Deutschland Der Sowjetbotschafter Merekalow, der am 19.4.39 Berlin verlassen hat, ist bis heute von Moskau nicht wieder nach Berlin zurückgekehrt. Das gleiche gilt von dem [sic] Militärattaché Gerassimoff, der noch als Vertreter der UdSSR an der Parade aus Anlass des Geburtstags des Führers teilnahm. Die Botschaftsgeschäfte führt gegenwärtig der erste Botschaftsrat Astachow. Ebenso wie bei der Berliner Sowjetbotschaft wurden auch bei der hiesigen Handelsvertretung während der letzten Zeit eine Anzahl Abberufungen nach Mos2
Der Name ist unterstrichen.
1
Lagebericht über die kommunistische und marxistische Bewegung für das II. Vierteljahr
1939.
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Nr. 546
31. 7. 1939
kau festgestellt. Mit der Rückkehr des Handelsvertreters Dawidoff, des Stellvertreters des Handelsvertreters Skossirow sowie der Abteilungsleiter Gorodinsky, Michin und Neumark kann kaum noch gerechnet werden. Der schon vor längerer Zeit angekündigte neue stellvertretende Handelsvertreter Babarin ist noch nicht in Berlin eingetroffen.2 Die Abwesenheit fast sämtlicher leitenden Beamten hat sowohl in der Sowjetbotschaft als auch in der Handelsvertretung Veranlassung zu einer unfreiwilligen Sommerpause gegeben, die von den Mitgliedern dieser beiden Institutionen dazu benutzt wurde, in der Umgebung Berlins Sommerwohnungen zu beziehen. Mit der Rückgliederung des Memelgebiets an das Deutsche Reich sind die Aufgaben für das bisherige sowjetrussische Generalkonsulat in Memel entfallen. Dieses Generalkonsulat ist deshalb auf Ersuchen des Auswärtigen Amtes am 25.5.39 aufgelöst worden. Der bisherige Generalkonsul Kulikoff und seine Ehefrau sowie der Konsulatssekretär haben am 18. bzw. 19.5.39 das Reichsgebiet verlassen. Die Sowjetrussische Gesandtschaft in Prag wurde Anfang April d. J. im Zusammenhang mit der Besetzung von Böhmen und Mähren durch deutsche Truppen in ein Generalkonsulat umgewandelt. Es befindet sich aber gegenwärtig in Liquidation. Ob die Prager Sowjethandelsvertretung, die übrigens die bisherigen Gesandtschaftsgebäude bezogen hat, künftig bestehen bleiben wird, steht noch nicht fest.3 Von den Mitgliedern der Sowjetgesandtschaft in Prag ist der größte Teil nach der UdSSR zurückgekehrt. Der Rest ist zur Botschaft in Berlin versetzt worden. Die Schließung des Prager INTOURIST-Büros steht noch bevor. Im Protektorat wurde die „Gesellschaft der Freunde der Sowjetunion“ verboten und das dieser Organisation gehörende Vermögen beschlagnahmt. Es wurden bisher sichergestellt: 2 Landhäuser, 1 Personenkraftwagen, verschiedene Einrichtungsgegenstände, 2 Gewehre und 15 Zentner kommunistisch-marxistischen Propagandamaterials. Die meisten führenden Mitglieder der Gesellschaft waren vor dem Einmarsch deutscher Truppen in Prag geflüchtet, sodass nur eine kleine Anzahl von Funktionären festgenommen werden konnte. Reisen von und nach der Sowjetunion Der Reiseverkehr von und nach der Sowjetunion hat – verglichen mit der Zahl der während der Monate Januar bis April ausgeführten Reisen – etwas zugenommen. Im Gegensatz zum ersten Vierteljahr 1939 mit 560 Reisen haben im zweiten Vierteljahr 639 Ausländer die Reichsgrenzen von bzw. nach der Sowjetunion passiert. Unter den Durchreisenden befanden sich 491 Sowjetrussen, 116 Engländer, 85 Franzosen, 50 Amerikaner und 23 Holländer, während sich der Rest auf Angehörige anderer Nationen verteilte. Die Zahl der aus der Sowjetunion zurückkehrenden Reichsdeutschen hat sich nur geringfügig erhöht. Während im ersten Vierteljahr nur 23 Russlandrückkehrer erfasst werden konnten, sind während der Monate April bis Juni 34 Reichsdeutsche gezählt worden, die aufgrund eines Ausweisungsbefehls die UdSSR verlassen mussten. Reichsdeutsche haben – soweit bekannt geworden – während der letzten drei Monate Reisen nach der UdSSR nicht ausgeführt. 2 3
1360
Babarin befand sich seit Mitte Juli 1939 in Berlin. Vgl. Dok. 469, 486, 490, 539.
3. 8. 1939 Nr. 547 In diesem Zusammenhang dürfte bemerkenswert sein, dass am 22.5.39 die beiden Sowjetflieger Kokkinaki und Gjordinenko, die einen Ohne-Halt-Flug von Russland nach Amerika ausgeführt hatten, über die Grenzstelle Aachen hier einreisten, sich einen Tag in Berlin aufhielten und dann am 25.5.39 wieder das Reichsgebiet über die Grenzstelle Neu-Bentschen verließen. Sowjetstaatsangehörige in Deutschland Von den in Deutschland ausgewiesenen Sowjetjuden haben während des zweiten Vierteljahres 1939 insgesamt 21 Personen das Reichsgebiet verlassen, sodass sich die Gesamtzahl der bisher aus Deutschland abgewanderten Sowjetstaatsangehörigen jüdischer Rassezugehörigkeit auf 253 erhöht. Von den Ausgewanderten haben sich u. a. 70 nach Amerika, 47 nach Frankreich, 26 nach der früheren Tschechoslowakei, 20 nach Palästina, 11 nach England, 10 nach Lettland und die übrigen nach anderen Staaten begeben. Nur 3 Sowjetjuden sind nach der UdSSR zurückgekehrt. […]4 BArch, R 58/3064, Bl. 22R-24.
4
Nr. 547 Aufzeichnung der Unterredung des sowjetischen Geschäftsträgers Astachov mit Reichsaußenminister von Ribbentrop und dem Leiter des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre Nr. 547 3. 8. 1939 3. 8. 1939 GEHEIM Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 2021 Berlin, 3.VIII.1939 *GESPRÄCH G. ASTACHOVS MIT RIBBENTROP*2 2.VIII. Nachdem er seine Mitteilung über die Personen beendet hatte, die geneigt wären, die Einladung zur Landwirtschaftsausstellung3 anzunehmen, und sich knapp für die Verzögerung, die in dieser Frage eingetreten sei, entschuldigt hatte, sagte Weizsäcker, dass Schnurre ihm über unser Gespräch berichtet habe, mit dem er, W[eizsäcker], überaus zufrieden sei. W. hatte außerdem gehört, dass die Handelsge4 Ausgelassen aus dem Teil III. Sowjetrussen und russische Emigranten wurden die Teile Russische Emigration, Ukrainische Emigration, Kaukasische Emigration, Kosakische Emigration sowie Aus der Sowjetunion (Maifeier, Wechsel im Außen-Volkskommissariat). In: BArch, R 58/3064, Bl. 19-22R, 24-24R. 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Bleistift geschrieben. Die im Folgenden so gekennzeichneten Unterstreichungen und Streichungen wurden von Molotov mit rotem Farbstift vorgenommen, die Streichungen sind zusätzlich mit Fußnoten versehen. 3 Vgl. die Aufzeichnung von Weizsäckers vom 2.8.1939. In: PA AA, R 29911, Bl. 23231.
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Nr. 547
3. 8. 1939
spräche erfolgreich voranschreiten. Ich bestätigte, dass unser letzter Vorschlag meinem Eindruck nach den deutschen Wünschen derartig weit entgegenkomme4, dass die deutsche Seite alle Veranlassung habe, auf das Abkommen einzugehen. W. bemerkte, dass er generell optimistisch gestimmt sei und fügte unerwartet hinzu, dass Ribbentrop zufällig gerade in seinem Amtszimmer sei und mich gern zu sehen wünsche. Nachdem ich mein Einverständnis gegeben hatte, geleitete er mich sofort aus seinem Zimmer in den Empfangsraum (der am anderen Ende an das Dienstzimmer Ribbentrops anschließt), sagte etwas zu einem der Beamten und verabschiedete sich sodann von mir mit der Bitte, eine gewisse Zeit allein im Empfangsraum zu warten. Nach 2 bis 3 Minuten kam ein Beamter zu mir und führte mich in das Dienstzimmer *Ribbentrops. Letzterer gab sich recht majestätisch, doch begrüßte er mich freundlich.*5 Er erinnerte sich, dass ich zusammen mit Gen. Merekalov bei dessen erster Visite als Bevollmächtigter Vertreter6 bei ihm gewesen war, obgleich er damals nicht gewusst hätte, dass ich im Rang eines Rates stehe (Dolmetscher besitzen gewöhnlich einen niedrigen Rang). Sodann *setzte er zu einem Monolog an, der über eine Stunde andauerte, bei dem meine Rolle hauptsächlich im Zuhören bestand. Mir gelang es nur mit Mühe, einige Repliken und Bemerkungen anzubringen.* *R[ibbentrop] brachte zu Beginn seine Genugtuung über die günstigen Perspektiven des sowjetisch-deutschen Handels zum Ausdruck.* Er erinnerte daran, dass früher der deutsche Handel in der UdSSR einen recht großen Umfang erreicht hätte. Dafür habe es allen Grund gegeben. „Ihr Land *erzeugt viele Rohstoffe, an denen Deutschland Bedarf hat. Wir erzeugen hingegen viele wertvolle Erzeugnisse, an denen Sie Bedarf haben.“ Auf meine Bemerkung, dass wir kein reines Agrarland wären*7, sondern auch eine hochentwickelte Industrie besäßen, die unsere Rohstoffe verarbeite, antwortete er: „Natürlich ist das so. Dennoch verbleibt Ihnen noch viel Rohstoff für den Export. Außerdem können Sie mit dem Einsatz neuer Technik die Rohstoffförderung noch viel stärker als früher erhöhen. Deshalb liegen die Voraussetzungen für die Entwicklung des Handels zwischen unseren Ländern auf der Hand. Schnurre berichtete mir von dem Gespräch mit Ihnen.8 Wir sind generell über solche Gespräche im Bilde. *Ich möchte auch bekräftigen, dass in unserer Vorstellung ein günstiger Abschluss der Handelsverhandlungen als Beginn einer politischen Annäherung dienen kann.* Bis in die letzte *Zeit hinein haben sich in unseren Beziehungen viele Eiterbeulen angehäuft. Sie können nicht urplötzlich verschwinden. Für deren Austrocknung braucht man Zeit, es ist aber möglich, sie zu beseitigen. Vor 25 Jahren begann der Weltkrieg. Seine Hauptursache bestand darin, dass England die Weltmärkte Deutschlands übernehmen wollte. Der russische Zar9 ging mit England und bezahlte dafür mit dem Thron. Wir meinen, dass es keine Gründe für eine Feindschaft zwischen unseren Ländern gibt.*10 *Es gibt eine einzige Vorbedingung, die wir als unabdingbare Voraussetzung für eine Normalisierung der Beziehungen ansehen, dies ist die gegenseitige Nichteinmischung in die 4 5 6 7 8 9 10
1362
Vgl. Dok. 532. Der Text ist unterstrichen. Am 6. Juli 1938. Vgl. Dok. 300. Der Text ist am linken Seitenrand angestrichen. Vgl. Dok. 538, 539, 540. Nikolaj II. Der Text ist am linken Seitenrand angestrichen.
3. 8. 1939 Nr. 547 inneren Angelegenheiten.* Unsere Ideologien sind diametral entgegengesetzt. Wir lassen *gegenüber dem Kommunismus in Deutschland keine Nachsicht zu. Der Nationalsozialismus ist aber kein Exportartikel, und wir sind weit von dem Gedanken entfernt, ihn wem auch immer aufzuzwingen. Wenn in Ihrem Land die gleiche Auffassung vertreten wird, so ist eine weitere Annäherung möglich.“*11 Ich nutzte die momentane Pause für die Bemerkung, dass ich dem Minister absolut versichern könne, dass meine Regierung die gegenseitige Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten ebenfalls als eine der Grundvoraussetzungen für normale Beziehungen erachte und niemals den Unterschied der Ideologien und der inneren Ordnung als eine Tatsache betrachtet hätte, die mit freundschaftlichen außenpolitischen Beziehungen unvereinbar wäre. R. betonte, dass er diese Erklärung mit Genugtuung zur Kenntnis nehme und fuhr fort: – Was die übrigen Fragen betrifft, die zwischen uns stehen, **so gibt es *keine ernsthaften Gegensätze zwischen unseren Ländern.* Über alle Probleme, die in Bezug zu Territorien vom Schwarzen Meer bis zur Ostsee stehen, könnten wir uns ohne Mühe verständigen. Davon bin ich zutiefst überzeugt. (R. wiederholte dies in abwechselnden Formulierungen mehrfach.) Ich weiß natürlich nicht, welchen Weg man bei Ihnen zu gehen beabsichtigt. Falls Sie andere Perspektiven haben, wenn Sie zum Beispiel meinen, dass das beste Mittel zur Regelung der Beziehungen mit uns darin besteht, die englisch-französischen Militärmissionen nach Moskau einzuladen12, so ist das natürlich Ihre Angelegenheit. Was uns betrifft, so schenken wir dem Geschrei und dem Lärm im Lager der sogenannten westeuropäischen Demokratien an unsere Adresse keine Aufmerksamkeit. Wir sind stark genug und begegnen ihren Drohungen mit Verachtung und Spott. Wir sind uns unserer Stärke bewusst (mit entsprechender Gestik). Es wird keinen Krieg geben, den Adolf Hitler nicht gewinnen würde.**13 Was hingegen Polen betrifft, so seien Sie eines sicher – Danzig wird uns gehören. Meiner Ansicht nach wird es bei der Entscheidung dieser Frage keine große Verzögerung geben. Von der militärischen Stärke Polens halten wir nicht viel. Die Polen machen jetzt Geschrei über einen Feldzug nach Berlin und darüber, dass Ostpreußen polnischer Boden sei. Sie wissen jedoch, dass dies Unsinn ist. Für uns ist eine militärische Kampagne gegen Polen eine Angelegenheit von einer Woche bis zu 10 Tagen. In dieser Zeitspanne können wir Polen völlig ausradieren. Wir hoffen jedoch, dass es nicht dazu kommen wird. Auf das Ausgangsthema des Gesprächs zurückkommend sagte er, dass Schulenburg wahrscheinlich im selben Geiste mit Molotov sprechen werde14, er aber, R., *würde mich seinerseits bitten, all das, was er gesagt habe, nach Moskau zu übermitteln, wobei er in dieser Sache die Auffassung der sowjetische Regierung wissen möchte*. *Er ergänzte, dass er es nicht für erforderlich erachte, sich besonders zu beeilen und eine unnötige Hektik an den Tag zu legen, da die Frage ernst sei und sie nicht aus der Perspektive des jetzigen Augenblicks, sondern unter dem Blickwinkel der Interessen ganzer Generationen angegangen werden muss.*15 11 12 13 14 15
Der Text ist am linken Seitenrand angestrichen. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 731, S. 850–851. Der **Text** ist am linken Seitenrand angestrichen. Vgl. Dok. 549, 552. Der Satz ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen.
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Nr. 547
3. 8. 1939
*Ich versprach, seine Bitte zu erfüllen*, alle Ausführungen nach Moskau zu übermitteln, und *fügte dem hinzu*, dass ich mir sicher sei, dass meine Regierung bereit sei, jede Verbesserung der Beziehungen mit Deutschland zu begrüßen. *Jedoch hätten wir, von den letzten Wochen einmal abgesehen, außer feindlichen Erklärungen nichts von der deutschen Regierung gehört.* Nunmehr zeichne sich anscheinend ein Umschwung ab, aber dennoch hörten wir nichts Bestimmtes, nichts Konkretes, außer allgemeinen Bekundungen. Unterdessen würde ich gern wissen, und *ich dächte, dass dies für Moskau interessant wäre, in welchen Formen die deutsche Regierung sich diese Verbesserung der Beziehungen dächte und ob sie konkrete Vorschläge in dieser Hinsicht habe*. *Darauf antwortete R., dass er, bevor man konkret über etwas spreche und konkrete Vorschläge unterbreite, wissen wolle, ob die sowjetische Regierung überhaupt Gespräche zu diesem Thema **zu führen**16 wünsche. Wenn die sowjetische Regierung daran Interesse zeige und derartige Gespräche als wünschenswert erachte, dann könne man auch über konkrete Schritte nachdenken, die zu unternehmen wären.*17 Er wolle insbesondere auch auf eine konkrete Frage eingehen. Vor fast einem halben Jahr habe er die deutsche Presse angewiesen, die Ausfälle gegen die UdSSR einzustellen. Wir hätten dies wahrscheinlich bemerkt.18 Die Haltung der deutschen Presse gegenüber der UdSSR habe sich radikal geändert. Jedoch habe er, R., nicht den Eindruck, dass sich die Haltung der sowjetischen Presse in die gleiche Richtung geändert hätte. Er sei der Auffassung, falls die UdSSR tatsächlich eine Veränderung der Beziehungen wolle, so müsse sich dies in der sowjetischen Presse widerspiegeln. *Außerdem gehe er davon aus, dass die UdSSR keine Politik zu führen beabsichtige, die den Lebensinteressen Deutschlands zuwiderlaufen würde.* Zur Presse bemerkte ich, dass sich unsere Presse in Bezug auf Deutschland als Staat und auf seine Führer stets korrekt verhalte und deshalb keine Veranlassung habe, ihre Haltung besonders zu verändern. („Aber dennoch…“, unterbrach mich R.). Was die zweite Bemerkung betreffe, so lasse sie höchst weitgefasste Interpretationen zu, und ohne eine Präzisierung könne sie wohl kaum als Voraussetzung für eine Verbesserung der Beziehungen in Betracht gezogen werden. *R. verwies darauf, dass er nicht beabsichtige, diese Bemerkung ausführlich zu kommentieren, er erachte es aber als natürlich, dass bei freundschaftlichen Beziehungen der eine Staat keine Politik zu betreiben beginne, die grundlegend im Widerspruch zu den Lebensinteressen des anderen stehe. Im Übrigen könne man über all dies später sprechen.*19 Jetzt aber sei ihm wichtig zu wissen, ob die sowjetische Regierung überhaupt an solchen Gesprächen interessiert sei. Im bejahenden Fall könne man sie entweder hier oder in Moskau aufnehmen. *Er dürfe nicht in dem Sinne verstanden werden, als ob die deutsche Regierung auf Eile drängen und den zweiten Schritt vor dem ersten gehen wolle.* 16 17 18
Der Text ist über die Zeile geschrieben. Die beiden Sätze sind am linken Seitenrand angestrichen. Am 13.3.1939 wurde z.B. die Presse angewiesen: „Der Kommunistische Kongress in Moskau kann dahin kommentiert werden, dass der Kongress auf eine noch festere Verankerung der Stalin-Kaganowitsch-Clique hinausläuft … Es wird gebeten, bei der Kommentierung des Moskauer Parteikongresses folgendes zu beachten: Der Kongress tagt mit zweijähriger Verspätung, weil Stalin-Kaganowitsch erst alle politischen Gegner liquidieren mussten.“ In: NS- Presseanweisungen, Bd. 7/I, S. 243. 19 Die beiden Sätze sind am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen.
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3. 8. 1939 Nr. 547 *Danach ließ er mich wissen, dass wir mit der Freundschaft zwischen Deutschland und Japan als Tatsache rechnen müssten.* Wir sollten nicht damit rechnen, dass sich eine eventuelle Verbesserung der sowjetisch-deutschen Beziehungen in einer Schwächung der deutsch-japanischen Beziehungen widerspiegeln könnte. Offenbar in dem Bemühen, etwas Angenehmes zu sagen, bemerkte er, dass ihm, obgleich er unser Land nicht kenne, er aber in den Ländern der „sogenannten westlichen Demokratien“ viele Jahre zugebracht habe, doch scheine, dass die Deutschen mit den Russen – ungeachtet aller Unterschiede in der Ideologie – leichter als mit den „westlichen Demokratien“ sprechen könnten. Außerdem scheine ihm und dem Führer, dass sich in *der UdSSR in den letzten Jahren eine verstärkte Umorientierung auf das Nationale auf Kosten des Internationalen vollziehe, und falls dem tatsächlich so sei, begünstige dies natürlich die Annäherung zwischen der UdSSR und Deutschland. Das dezidiert nationale Prinzip, das der Politik des Führers zugrunde liege, höre in diesem Falle auf, eine der UdSSR diametral entgegengesetzte Politik zu sein.*20 *– Sagen Sie, Herr Geschäftsträger – er änderte plötzlich seinen Tonfall und wandte sich an mich mit einer scheinbar inoffiziellen Frage – meinen Sie nicht, dass das nationale Prinzip in Ihrem Land über das internationale Prinzip die Oberhand zu gewinnen beginnt? Dies ist eine Frage, die den Führer sehr interessiert…*21 Ich antwortete, dass sich bei uns das, was R. als internationale Ideologie bezeichne, in voller Übereinstimmung mit den richtig verstandenen nationalen Interessen des Landes befinde und man nicht von der Verdrängung der einen Orientierung durch die andere sprechen könne. Die „internationale“ Ideologie habe uns ermöglicht, die Unterstützung der breiten Massen Europas zu bekommen und die ausländische Intervention zurückzuschlagen22, d.h. sie habe dazu beigetragen, auch die gesunden nationalen Aufgaben zu verwirklichen. Ich führte noch einige ähnliche Beispiele an, die sich R. mit einem Gesichtsausdruck anhörte, als ob er derartige Dinge zum ersten Mal hören würde. Danach wiederholte er erneut seine Bitte, Ihnen alles mitzuteilen und ihn zu verständigen, ob die sowjetische Regierung einen konkreteren Meinungsaustausch für wünschenswert erachte. *Bei der Verabschiedung betonte er noch, dass er es für notwendig erachte, den vertraulichen Charakter* derartiger Gespräche zu wahren und nicht das geringste Aufsehen zu erregen. Danach geleitete er mich betont zuvorkommend bis zu seiner Tür und wünschte mir noch einmal alles Gute.23 3.VIII. Am nächsten Morgen rief man mich aus dem Auswärtigen Amt an und teilte mir mit, Schnurre bitte darum, um 12.30 Uhr zu ihm zu kommen. Als ich eintraf, begann Sch[nurre] mit dem Hinweis, dass ich gestern die Gelegenheit gehabt hätte, mich davon zu überzeugen, dass der Reichsminister im Wesentlichen die gleichen Gedanken entwickelt habe wie er, Sch., in dem vorangegangenen Gespräch mit mir. 20 21 22
Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. Gemeint ist die Einmischung anderer Staaten in den Bürgerkrieg in Russland 1918 bis 1922 auf der Seite der antibolschewistischen Kräfte. 23 Zur Mitteilung von Ribbentrops über das Gespräch für von der Schulenburg vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 760, S. 883–884.
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3. 8. 1939
**Ich sagte, dass ich bemerkt hätte, dass einige Gedanken nicht übereinstimmten. So habe R. darüber gesprochen, dass keine Eile nötig wäre, *Schnurre habe aber im Gegenteil davon gesprochen, dass man sich beeilen müsse, die Gelegenheit zu nutzen. Ferner sei auch die Unklarheit in der Frage der Konkretisierung geblieben*...**24 Ohne mich aussprechen zu lassen, teilte Sch. vorsorglich mit, dass er im Namen Ribbentrops spreche, wovon ich mich erneut überzeugen könnte, wenn ich den Wunsch dazu hätte, und führte aus: – Die Frage bezüglich des Tempos ist genauso zu verstehen, wie ich dies gesagt habe. Zwecks Präzisierung dessen, was der Minister gestern gesagt hat, möchte ich Sie jetzt in seinem Namen bitten, Ihrer Regierung folgende Punkte zur Kenntnis zu bringen. *1) Die deutsche Regierung möchte genau wissen, ob die sowjetische Regierung einen solchen Meinungsaustausch über die Verbesserung der Beziehungen grundsätzlich für wünschenswert hält, und im bejahenden Fall, 2) auf welche konkreten Fragen sie in diesem Zusammenhang einzugehen wünscht. Selbstverständlich würde die deutsche Regierung es gleichfalls nicht versäumen, ihrerseits konkrete Regelungen in dieser Hinsicht zu unterbreiten. 3) Die deutsche Regierung wünscht ausdrücklich, dass diese Gespräche, wenn ihre Durchführung als wünschenswert erachtet wird, in Berlin stattfinden (R. hat am Tag zuvor in diesem Zusammenhang sowohl von Berlin als auch von Moskau gesprochen). Hier ist Ribbentrop nicht weit vom Führer entfernt (Andeutung auf die direkte Rolle Hitlers in den Gesprächen). Von Ihrer Regierung hängt es selbstverständlich ab, Sie oder den Bevollmächtigten Vertreter25 damit zu beauftragen, dies wäre zu präzisieren. 4)26 Schließlich, da Ribbentrop in 2–3 Tagen zu seiner Sommerresidenz in der Nähe von Salzburg (unweit von Berchtesgaden) abreist, wäre es überaus *wünschenswert, eine Antwort auf diese Fragen, insbesondere auf die erste, vor seiner Abreise*27 zu bekommen.28 Danach ging er zu den Kreditverhandlungen über und bemerkte, dass ihm die Lieferfristen für die Maschinen zur Verarbeitung von Kohle sehr große Schwierigkeiten bereiten, da die deutsche Industrie mit Aufträgen für diese Maschinen überlastet sei, die dringend für den Bedarf des Binnenmarktes benötigt würden. Sch. sagte, dass er dennoch hoffe, diese Schwierigkeiten zu überwinden. Hinsichtlich unserer Rohstofflieferungen und der Verzinsung nimmt er aber an, dass unsere Vorschläge angenommen werden. 24 25 26
Der Absatz ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. Aleksej Fedorovič Merekalov. Der Absatz ist nicht im Dokument vorhanden; hier wird ausnahmsweise der Übersichtlichkeit halber in das Dokument eingegriffen. 27 Der Text ist am linken Seitenrand angestrichen, der unterstrichene Text ist zusätzlich noch handschriftlich unterstrichen. 28 Molotov telegrafierte am 4.8.1939 auf die Anfrage Astachovs im Zusammenhang mit den Fragen Schnurres (vgl. SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 138, S. 198–199): „In Beantwortung Ihrer Anfrage im Zusammenhang mit dem Gespräch mit Schnurre: 1). Zum ersten Punkt erachten wir es als wünschenswert, den Meinungsaustausch über die Verbesserung der Beziehungen fortzusetzen, was ich Schulenburg am 3. August mitgeteilt habe; 2). Was die anderen Punkte betrifft, so wird vieles von dem Verlauf und dem Ausgang der in Berlin geführten Handels- und Kreditverhandlungen abhängen.“ In: SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 139, S. 199.
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3. 8. 1939 Nr. 547 Er ergänzte, dass er, falls er besondere Bemerkungen und Bitten zu den Kreditverhandlungen hätte, mich bitten würde, zu ihm zu kommen, um seine Überlegungen entgegenzunehmen. Ich sagte, da ich mit den Details dieser Verhandlungen nicht vertraut sei, könne ich über diese Themen nicht allein sprechen und wäre nur bereit, zusammen mit Gen. Babarin zu kommen. Sch. bekräftigte, dass er dies auch so gemeint hätte, da aber Gen. Babarin nicht Deutsch spreche, so bitte er darum, ihm wenigstens teilweise beim Gespräch zu helfen. Er erbitte dies deshalb, weil die Kreditfrage nach Ansicht der deutschen Regierung nicht von dem allgemeinpolitischen Kontext abzutrennen sei und er, Sch., wolle sie in diesem Zusammenhang angehen. Hier bat er sogleich darum, der sowjetischen Regierung den folgenden Gedanken zur Kenntnis zu bringen. Wäre es nicht zweckmäßig, gleichzeitig *mit der Unterzeichnung des Kreditabkommens beispielsweise auch ein Geheimprotokoll zu unterzeichnen, in dem von der gleichzeitigen Absicht der beiden Länder die Rede ist, die politischen Beziehungen zu verbessern*29? Oder man könnte, wenn wir kein Geheimprotokoll wünschten, die politische Bedeutung des Abkommens in der Präambel hervorheben, etwa in der Art … „beide Seiten, getragen von dem Wunsch, die wirtschaftlichen Beziehungen zu entwickeln und die politischen Beziehungen zu verbessern…“ usw. Im Namen der deutschen Regierung bat er mich, Ihnen30 diesen Gedanken zur Kenntnis und Ihre Auffassung in Erfahrung zu bringen. Zum Abschluss (wie übrigens auch zu Beginn) unterstrich Sch. im Namen der Regierung das Erfordernis besonderer Diskretion unserer Gespräche, weil die geringste Indiskretion sie völlig „erschlagen“ könne. Dies bitte er ebenfalls Ihnen zur Kenntnis zu bringen, was ich auch zusagte und meinerseits beruhigende Zusicherungen abgab.31 G. Astachov Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Molotov, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. zu den Akten. AVP RF, f. 06, op. 1a, p. 26, d. 2, l. 27–34. Original. Veröffentlicht in: SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 136, S. 194–19732.
29 30 31 32
Der Text ist am linken Seitenrand mit rotem Farbstift angestrichen. Gemeint ist Molotov. Zur Aufzeichnung Schnurres über dieses Gespräch vgl. Dok. 548. Zur ersten Veröffentlichung dieser Gesprächsaufzeichnung vgl. DVP, Bd. XXII, Dok. 445, S. 566–569.
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Nr. 548
3. 8. 1939
Nr. 548 Aufzeichnung der Unterredung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre mit dem sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov Nr. 548 3. 8. 1939 3. 8. 1939 Berlin, den 3. August 1939 *Geheim*1 W 1251 g 1) Der Sowjetgeschäftsträger Astachoff war heute um 12.30 Uhr verabredungsgemäß bei mir. Einleitend wurde der Stand der Wirtschaftsverhandlungen besprochen, wobei Astachoff mir bereitwillig seine Sekundanten-Dienste anbot. Die Frage eines politischen Gedankens in der Präambel oder in einem geheimen Schlussprotokoll wurde von mir in unverbindlicher Form zur Erörterung gestellt. Astachoff zeigte sich persönlich an diesem Gedanken *positiv interessiert*2. Wir nahmen in Aussicht, in einer weiteren Unterhaltung über die Wirtschaftsfragen auch diesen Gedanken zu vertiefen. 2) Das Gespräch kam sodann auf die gestrige Unterredung, die Astachoff mit dem Herrn R.A.M. gehabt hat. Astachoff bemerkte, dass sich das, was er von dem Herrn R.A.M. gehört habe, mit dem deckt, was ich ihm mitgeteilt hätte bis auf einen Punkt: Ich hätte den jetzigen Zeitpunkt mit einer gewissen Dringlichkeit als den geeigneten bezeichnet, während der Herr R.A.M. gestern eine solche Dringlichkeit nicht gezeigt habe. Er habe sein damaliges Gespräch mit mir in allen Einzelheiten Molotow mitgeteilt. Er habe eine einstweilige Antwort von Molotow in folgendem Sinne erhalten: Der Bericht Astachoffs habe sehr interessiert. Man hoffe gleichfalls auf eine Normalisierung und Besserung der Beziehungen zu Deutschland. Man sehe ebenso wie wir in dem Abschluss des Wirtschaftsvertrages die Erreichung der Etappe 1) in der Ausgestaltung der Beziehungen. Im Übrigen habe Molotow erwähnt, dass man bisher noch keine Konkretisierung der deutschen Haltung kenne, auch der Botschafter Graf Schulenburg habe eine solche bisher nicht gegeben. 3) Anknüpfend an diese Darstellung Astachoffs über Molotows Einstellung habe ich Astachoff diejenigen Punkte benannt, auf die es uns jetzt ankommt. a) Wir wären zur Fortsetzung der Gespräche auf konkreter Basis bereit, zuvor müsse jedoch uns in offizieller Form erklärt werden, dass Moskau gleichfalls eine Konkretisierung des Gesprächs wünscht. Es wäre nützlich, wenn uns bei dieser Gelegenheit die sowjetische Interessenlage dargelegt werde, damit das Gespräch über die Konkretisierung leichter in Gang käme. b) Wir legten Wert darauf, dass die Fortsetzung der Gespräche in Berlin erfolge, da es uns durch die Gegenwart des Herrn R.A.M. und des Herrn Staatssekretärs hier leichter schiene, zu einer gründlichen Erörterung zu kommen als in Moskau. Wir würden es, wenn die Sowjet-Regierung darauf einginge, begrüßen, wenn er, Astachoff, entsprechende Instruktionen erhielte. c) Hinsichtlich der Zeit sagte ich Herrn Astachoff, dass gewiss der Herr R.A.M. gestern Abend eine Dringlichkeit gegenüber der Sowjet-Regierung nicht betont 1 2
1368
Das Wort ist rot unterstrichen. Der Text ist unterstrichen.
3. 8. 1939 Nr. 549 habe, dass es uns aber doch nützlich erschiene, die nächsten Tage für die Fortführung der Gespräche auszunutzen, um baldmöglichst eine Grundlage zu schaffen. 4) Ich erwähnte Herrn Astachoff gegenüber, dass unser Botschafter heute eine Besprechung mit Herrn Molotow3 haben würde und dass der Botschafter die hier in Berlin mit ihm erörterten Gedankengänge kenne. Wir begrüßten diese Aussprache, würden aber aus den dargelegten Gründen vorschlagen, die Fortsetzung des Gesprächs nach Berlin zu verlegen. Astachoff führte die Unterhaltung seinerseits in sehr positivem Sinne. Er versicherte mir ungefragt die absolut diskrete Behandlung der Dinge durch die Sowjetseite, insbesondere auch durch ihn in Berlin. Nicht einmal seine Mitarbeiter an der Botschaft erführen von diesen Gesprächen. Ich erwiderte, dass eine absolute Diskretion selbstverständlich Voraussetzung für alles Weitere sei. Es kamen im Übrigen Gedankengänge zur Erörterung, wie sie in meiner Aufzeichnung über meine letzte Unterredung mit ihm vom 27.7. niedergelegt sind.4 Astachoff wird sofort an Molotow telegrafieren5. gez. Schnurre PA AA, R 29723, Bl. 23892-23894. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 761, S. 884–885.
3
4
5
Nr. 549 Aufzeichnung der Unterredung des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Molotov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 549 3. 8. 1939 3. 8. 1939 GEHEIM Expl. Nr.___ [3.8.1939] TAGEBUCH V.M. MOLOTOVS EMPFANG des deutschen Botschafters SCHULENBURG am 3. August 1939 Schulenburg begann damit, dass er aus Berlin die Weisung erhalten habe, das vorangegangene Gespräch mit Gen. Molotov1 fortzuführen. Der Inhalt des letzten Gesprächs und der Wunsch Molotovs, Mikojan eine Antwort auf die sowjetischen Vorschläge zu geben, seien nach Berlin übermittelt worden.2 Im Ergebnis dessen, – sagt Schulenburg, – seien Verhandlungen aufgenommen worden, die man erfolgreich zu Ende zu führen hoffe. Aber dies beziehe sich auf die Wirtschaftsverhand3 4 5
Vgl. Dok. 549, 552. Vgl. Dok. 539. Vgl. God krizisa 1938–1939, Bd. 2, Dok. 524, S. 159.
1 2
Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 736, S. 854–855 und Dok. 744, S. 861. Vgl. Dok. 521, 523.
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Nr. 549
3. 8. 1939
lungen. Was hingegen die politischen Beziehungen betrifft, verweist Schulenburg auf das Gespräch Schnurres und Astachovs in Berlin.3 Er geht davon aus, dass dem Volkskommissar bereits darüber berichtet worden ist. Gen. Molotov bestätigt dies. In diesem Gespräch, – fährt Schulenburg fort, – habe Astachov Schnurre gefragt, ob höher gestellte Personen der deutschen Regierung alles das, was Schnurre ausgeführt habe, bestätigen könnten. Schulenburg hat den Auftrag der deutschen Regierung, die Ausführungen Schnurres zu bestätigen. Weiter **erklärt**4 Schulenburg, dass die deutsche Regierung eine Verbesserung der Beziehungen wünsche und sich dies in drei Etappen vorstelle: 1) Abschluss des Wirtschaftsabkommens; 2) Verbesserung der Beziehungen auf dem Gebiet der Presse; 3) Entwicklung der Kulturbeziehungen auf wissenschaftlichem Gebiet. Alles das, was dem vorausgegangen sei, müsse dazu dienen, die Voraussetzungen für eine Verbesserung nicht nur der wirtschaftlichen, sondern auch der politischen Beziehungen zwischen Deutschland und der UdSSR durch die Auffrischung der **bestehenden**5 oder auf die Begründung neuer politischer Abkommen zu schaffen. Bei der Darlegung der genannten Thesen merkt Schulenburg an, dass die deutsche Seite mit einem erfolgreichen Abschluss der Wirtschaftsverhandlungen rechne. Was die Presse betreffe, so sei festzuhalten, dass sich die deutsche Presse jetzt gegenüber der UdSSR zurückhalte, was man von der sowjetischen Presse nicht sagen könne, vielmehr sei in letzter Zeit eine Verschärfung des Tons der sowjetischen Presse gegenüber Deutschland zu verzeichnen. Schulenburg und der bei diesem Gespräch anwesende Hilger verweisen dabei auf einen Artikel in „Planwirtschaft“ [Planovoe chozjajstvo] und auf eine Karikatur in einer der sowjetischen Zeitschriften „Maschinenbau“[Mašinostroenie], die sie Molotov nicht einmal zeigen möchten. Sodann führt Schulenburg aus, dass Anzeichen für eine Verbesserung der Kulturbeziehungen vorhanden seien, und verweist auf die Anwesenheit Astachovs in München zum Tag der deutschen Kunst6, und in diesem Zusammenhang erachtet er es als angebracht, die Tatsache der Einladung von Vertretern Deutschlands zur Landwirtschaftsausstellung in Moskau hervorzuheben.7 Es wäre wünschenswert, – sagt Schulenburg, – diese ersten Schritte fortzusetzen. Die deutsche Regierung hat Schulenburg bevollmächtigt zu erklären, dass es ihrer Auffassung nach zwischen der UdSSR und Deutschland keine politischen Gegensätze gibt. Was den „Antikomintern-Pakt“ betreffe, „so ist er nicht gegen die UdSSR gerichtet“, wie, den Worten Schulenburgs zufolge, **auch**8 Molotov in seiner Rede 9 ausgeführt habe, sondern gegen England. Die freundschaftlichen Beziehungen Deutschlands mit Japan seien ebenfalls nicht gegen die UdSSR gerichtet. Gen. Molotov korrigiert den Botschafter, indem er darauf verweist, dass 3 4
Vgl. Dok. 540. Der Text ist korrigiert; ursprünglich: erinnert daran. Hier und im Folgenden sind die Korrekturen mit Bleistift von Molotov gemacht. 5 Das Wort ist über die Zeile geschrieben. 6 Die Ausstellung deutscher Kunst („Tag der Deutschen Kunst 1939“) wurde am 14.7.1939 in München eröffnet. Vgl. die Aufzeichnung Astachovs über die Veranstaltungen in München vom 14.-16.7.1939. In: AVP RF, f. 082, op. 22., p. 93, d. 8, l. 104-99. 7 Vgl. Dok. 538. 8 Das Wort ist über die Zeile geschrieben. 9 Vgl. Dok. 489.
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3. 8. 1939 Nr. 549 er nicht darüber gesprochen habe, dass dieser „Pakt“ nicht gegen die UdSSR gerichtet sei, sondern vor dem Obersten Sowjet habe er darüber gesprochen, dass der militär-politische Vertrag Deutschlands mit Italien in erster Linie nicht gegen die UdSSR gerichtet sei.10 Deutschland sei auch, – sagt Schulenburg weiter, – nicht bemüht Japan in seinen Plänen gegenüber der UdSSR zu ermuntern, zumal Deutschland wisse, dass Japan selbst Sorgen bis zum Halskragen habe. Somit nehme Deutschland keine feindliche Haltung gegenüber der UdSSR im Osten ein. Was den Westen betreffe, so gebe es auch hier keine Punkte, die im gesamten Gebiet von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer Reibungen zwischen Deutschland und der UdSSR hervorrufen könnten. Dabei verweist Schulenburg auf die von Deutschland mit den Balten abgeschlossenen Nichtangriffsverträge11, die, **seiner Auffassung nach**12, die Unabhängigkeit dieser Länder sowie Finnlands garantieren. Deutschland sei mit diesen Staaten durch gute Wirtschaftsbeziehungen verbunden. Was Polen betreffe, so stünden die Forderungen Deutschlands ebenfalls nicht im Widerspruch zur UdSSR. Diese Forderungen seien durch Hitler in seiner Rede dargelegt worden.13 Zu Rumänien strebe Deutschland gute Beziehungen an und beabsichtige nicht, dabei die Interessen der UdSSR zu beeinträchtigen. Der Botschafter schließt damit, dass es unter Berücksichtigung des Dargelegten alle Möglichkeiten für einen beiderseitigen Interessenausgleich gebe. Schulenburg sagt, dass er Molotov dankbar wäre, wenn er seine Auffassung zu dieser Frage äußern würde. Gen. Molotov antwortet, dass dem Botschafter bekannt sei, dass wir für den Abschluss eines Handelsabkommens mit der deutschen Regierung seien und mit einem Erfolg der laufenden Verhandlungen rechnen. Was die Presse betrifft, so scheint mir nicht, – sagt Gen. Molotov, – dass unsere Presse eine feindliche Haltung gegenüber Deutschland einnimmt, jedenfalls entspricht es nicht der Politik der sowjetischen Regierung, unsere Beziehungen zu Deutschland über die Presse zu verschärfen. Die deutsche Presse hingegen dient sehr oft als Quelle für die Verbreitung jedweder Gerüchte und erfundener Geschichten über die Sowjetunion. Und sie erlaubt sich sogar bösartige Ausfälle gegenüber der UdSSR. Schulenburg versucht sich damit zu rechtfertigen, dass doch wohl in jeder Presse Fehler vorkämen. Zur Frage der Kulturbeziehungen übergehend bestätigt Gen. Molotov die vom Botschafter angeführten positiven Fakten und sagt, dass man auch hier in gewisser Form und in gewissen Maßstäben die jetzige Lage verbessern müsse. Es verbleiben die politischen Fragen. In diesem Zusammenhang, – sagt Gen. Molotov, – kann man nicht umhin, den „Antikomintern-Pakt“ zu erwähnen, über den alles Mögliche und in einer Art geredet wurde, dass er in den Augen der UdSSR nur von negativer Bedeutung sein kann. Ebenso ist bekannt, dass der „Antikomintern-Pakt“ und die Beziehungen Deutschlands zu Japan zu einer direkten Aggression Japans gegen die UdSSR ermuntert haben. Außerdem liegen Fakten 10 Molotov erklärte am 31.5.1939: „In dem militär-politischen Vertrag zwischen Deutschland und Italien fällt kein Wort mehr über die Bekämpfung des Kommunismus. Dafür sprechen die Staatsmänner und die Presse Deutschlands und Italiens gezielt darüber, dass dieser Vertrag geradewegs gegen die wichtigsten europäischen demokratischen Staaten gerichtet ist.“ In: Ebenda. 11 Vgl. Dok. 497, Anm. 6. 12 Der Text ist über die Zeile geschrieben. 13 Am 28. April 1939. Vgl. Dok. 444, Anm. 4.
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Nr. 549
3. 8. 1939
darüber vor, dass Deutschland die Teilnahme an solchen internationalen Konferenzen ablehnt hat, an denen womöglich die UdSSR teilgenommen hätte. Gen. Molotov fragt Schulenburg, **wie all diese Fakten mit den heutigen Erklärungen des Botschafters zu vereinbaren wären**14? Schulenburg antwortet, dass er nicht beabsichtige, Deutschlands **Politik**15 in der Vergangenheit zu rechtfertigen, er wolle lediglich Wege eine Verbesserung der Beziehungen in der Zukunft finden. Darauf antwortet Gen. Molotov, dass die sowjetische Regierung dem Bestreben der deutschen Regierung zur Verbesserung der Beziehungen positiv gegenüberstehe. Jedenfalls habe die sowjetische Regierung stets dafür gestanden und stehe auch **jetzt**16 dafür, die Beziehungen zu Deutschland und zu anderen Ländern zu normalisieren und zu verbessern. *Schulenburg sagt weiter, dass Deutschland beabsichtige, die Interessen der UdSSR im Ostseeraum zu achten und keine Absichten habe, die denen der UdSSR in den baltischen Ländern zuwiderliefen. Deutschland werde die **Lebens**17interessen der UdSSR in den baltischen Ländern nicht stören.*18 Was die deutsche Haltung gegenüber Polen betreffe, so beabsichtige Deutschland nicht, irgendetwas gegen die Interessen der UdSSR zu unternehmen **19. Die Forderungen Deutschlands in Bezug auf Danzig, die es nicht aufgebe, könnten auf friedlichem Wege geregelt werden. Eine friedliche Lösung dieser Frage berühre die Interessen der UdSSR nicht. Falls aber Deutschland ein anderer Weg aufgezwungen werde, seine Forderungen zu befriedigen, so würden auch **in diesem Fall**20, wie Schulenburg versichert, die Interessen der UdSSR nicht berührt. Er sei jedoch überzeugt, dass Deutschland dieser Weg nicht aufgezwungen werde. Gen. Molotov bemerkt dazu, dass es, wie ihm scheine, in erster Linie von Deutschland selbst abhänge, dass ihm dieser Weg nicht aufgezwungen wird. Schulenburg bemüht sich, dies abzustreiten und sagt, dass die Leidenschaft Deutschlands durch eine Schweinerei der Polen entfacht werden könne, insbesondere dann, wenn Polen seine Politik fortführe, wie dies der Rede Chamberlains zu entnehmen sei. Schulenburg erklärt erneut, dass er nicht die zurückliegende **Periode**21 in der deutschen Politik erörtern wolle, sondern der Auffassung sei, dass man **jetzt**22 neue Wege **zur Verbesserung**23 dieser Beziehungen suchen müsse. Gen. Molotov sagt, er sei damit einverstanden, dass man **diese**24 neuen Wege suchen müsse, doch in unserem Gedächtnis hätten sich solche Fakten eingeprägt wie der „Antikomintern-Pakt“, die Unterstützung der aggressiven Schritte Japans
14 Der Text ist korrigiert; ursprünglich: wie es möglich sei, die Haltung Deutschlands zum „Antikomintern-Pakt“ und seine Unterstützung für Japan mit den heutigen Erklärungen des Botschafters zu vereinbaren. 15 Das Wort ist über die Zeile geschrieben. 16 Das Wort ist über die Zeile geschrieben. 17 Der Text ist über die Zeile geschrieben. 18 Der Text ist auf beiden Seiten mit einem „X“ gekennzeichnet. 19 An dieser Stelle wurde folgender Text gestrichen: bei einer friedlichen Regelung der deutschen Forderungen. 20 Der Text ist korrigiert; ursprünglich: dabei. 21 Das Wort ist über die Zeile geschrieben 22 Das Wort ist über die Zeile geschrieben. 23 Der Text ist korrigiert; ursprünglich: zur Entwicklung. 24 Das Wort ist über die Zeile geschrieben.
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3. 8. 1939 Nr. 549 **gegen die UdSSR**25 durch Deutschland, **die negative Haltung gegenüber einer Teilnahme Deutschlands zusammen mit der UdSSR**26 an einigen internationalen Konferenzen. Die Politik der sowjetischen Regierung zur Normalisierung und Verbesserung der Beziehungen zu Deutschland und anderen Ländern bleibe unverändert. Somit hänge alles vom Verhalten der deutschen Seite ab. Schulenburg unternimmt schließlich einen historischen Exkurs. Er erinnert daran, dass seinerzeit, im Jahr 1935, der Beitritt der UdSSR zu einem bekannten Abkommen mit anderen Ländern (eine Anspielung auf den französischsowjetischen Pakt27) Schwierigkeiten für eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Deutschland und der UdSSR schuf. In diesem Zusammenhang bemerkt Schulenburg, dass auch gegenwärtig der Beitritt der UdSSR zu einer neuen Mächtekonstellation in Europa (Anspielung auf die englisch-französisch-sowjetischen Verhandlungen28) Schwierigkeiten für eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Deutschland und der UdSSR schaffen könne. Darauf antwortet Gen. Molotov mit Erläuterungen. Was das Jahr 1935 betreffe, so sei auch Deutschland zur Teilnahme an dem damaligen Abkommen zu gleichen Konditionen wie für die anderen Staaten eingeladen worden.29 Was aber den jetzigen Zeitpunkt betreffe, so werde die UdSSR getreu ihrer konsequenten Friedenspolitik nur auf ein reines Verteidigungsabkommen gegen die Aggression eingehen. Solch ein Abkommen werde nur im Falle eines Überfalls des Aggressors auf die UdSSR oder auf die Länder wirksam, zu deren Schicksal die UdSSR sich nicht gleichgültig verhalten könne. Anders sei die Situation bei Deutschland. Deutschland habe den „AntikominternPakt“, den Japan schon mehrfach zur Unterstützung für seine direkte Aggression gegen die UdSSR genutzt habe und auch **jetzt**30 nutze. Deutschland habe mit Italien einen militär-politischen Vertrag31 nicht allein für Verteidigungs-, sondern auch für Angriffszwecke geschlossen. In seiner Entgegnung bemühte sich Schulenburg, den „Antikomintern-Pakt“ und das militärpolitische Bündnis mit Italien als Verteidigungspakte zu interpretieren. Gen. Molotov antwortet, dass **es gut wäre, wenn dem tatsächlich so wäre**32. Zum Abschluss des Gesprächs warf Schulenburg die Frage der in der UdSSR inhaftierten deutschen Staatsangehörigen, der Ausreise von Ehefrauen deutscher Staatsangehöriger und ihrer Kinder aus der UdSSR auf und wies darauf hin, dass er darüber bereits mit Gen. Potemkin gesprochen habe.33 Gen. Molotov sicherte zu, mit Gen. Potemkin diese Frage zu sprechen. Das Gespräch dauerte 1 ½ Stunden.34 Das Gespräch aufgezeichnet hat: Pavlov 25 26
Der Text ist über die Zeile geschrieben. Der Text ist korrigiert; ursprünglich: die negative Haltung Deutschlands zur Teilnahme der UdSSR. 27 Am 2. Mai 1935. Vgl. DVP, Bd. XVIII, Dok. 205, S. 309–312. 28 Gemeint sind die englisch-französisch-sowjetischen Verhandlungen in Moskau von Mai bis Anfang August 1939. 29 Gemeint ist die Einladung an Deutschland, an den Verhandlungen zum Ostpakt teilzunehmen. Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 1. 30 Das Wort ist über die Zeile geschrieben. 31 Am 22. Mai 1939. Vgl. Dok. 462, Anm. 3. 32 Der Text ist korrigiert; ursprünglich: es gut ist, wenn dem so wäre. 33 Am 27. Juli 1939. Vgl. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 24, d. 7, l. 137–136. 34 Vgl. Dok. 553.
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Nr. 550
3. 8. 1939
Bemerkung von V.M. Molotov mit Bleistift: Durchgesehen V. Molotov. AVP RF, f. 06, op. 1a, p. 26, d. 1, l. 7–12. Original. Veröffentlicht in: God krizisa 1938–1939, Bd. 2, Dok. 525, S. 159–16340.
40
Nr. 550 Aufzeichnung der Unterredung des Presseattachés der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Smirnov mit dem Mitarbeiter der Presseabteilung im AA Braun von Stumm Nr. 550 3. 8. 1939 3. 8. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 7 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 200/s1 Berlin, 3.VIII.39 TAGEBUCH DES PRESSEATTACHÉS DER BEVOLLMÄCHTIGTEN VERTRETUNG Gen. A.A. SMIRNOV 31.VII. Ich war im Außenministerium und sprach mit dem Stellvertreter des Leiters der Presseabteilung Braun von Stumm über die im „Völk[ischen] Beobacht[er]“ vom 26.VII. gebrachte Meldung über den „Untergang eines sowjetischen U-Bootes im Nordmeer“2. Ich sagte, dass die Meldung im „V[ölkischen] B[eobachter]“ falsch und vom Kommando der sowjetischen Seekriegsflotte mit einem offiziellen Dementi beantwortet worden sei. Ich überreichte St[umm] den Text der TASS-Meldung3 und bemerkte, dass die Fehlinformation, noch dazu von Moskau ausgehend, für den Korrespondenten des DNB in Moskau Unannehmlichkeiten nach sich ziehen könnte. St. erklärte, er werde mit dem Redakteur des „VB“ sprechen, und natürlich werde das Dementi von TASS veröffentlicht werden. Am 1.VIII. brachte der „VB“ in der Tat das Dementi.4 Er fragte mich, ob ich meinerseits noch Beschwerden über die deutsche Presse hätte. Ich antwortete, das ich derzeit keine hätte. Danach legte mir St. Auszüge aus im „Figaro“ und in „Gazeta Polska“ abgedruckten Artikeln vor, in denen es hieß, Wohlthat habe im Gespräch mit Auslandskorrespondenten erklärt, dass die sowjetisch-deutschen Wirtschaftsverhandlungen von keiner ernsthaften Bedeutung seien und er selbst ablehnend zu ihnen stünde. St. sagte mir, dass Wohlthat soeben vor meinem Eintreffen bei ihm gewesen sei und seine Empörung hinsichtlich dieser Zeitungen zum Ausdruck gebracht habe. Dar40 1 2
Das Dokument wurde nach eigenen Redaktionsrichtlinien veröffentlicht.
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Vgl. „Sowjetrussisches U-Boot gesunken?“. In: Völkischer Beobachter vom 26. Juli 1939, S. 4. 3 Vgl. „Oproverženie Narkomata Voenno-Morskogo flota SSSR“ (Dementi des Volkskommissariats der Seekriegsflotte der UdSSR). In: Izvestija vom 29. Juli 1939, S. 4. 4 Vgl. „In Kürze. Kein Sowjet-U-Boot gesunken“. In: Völkischer Beobachter vom 1. August 1939, S. 4.
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3. 8. 1939 Nr. 550 auf nannte St. eine französische Zeitung, die anscheinend offen von der Notwendigkeit gesprochen habe, dass England und Frankreich mit allen Mitteln eine Verbesserung der sowjetisch-deutschen Beziehungen verhindern müssten. Danach brachte St. das Gespräch auf das Thema, dass Deutschland keinerlei aggressive Absichten gegenüber der UdSSR hege. Nehmen Sie den Südosten, die Gespräche über unsere Absicht gegenüber der Ukraine; wenn wir solche Pläne hätten, fuhr er fort, dann hätten wir das Problem der Karpato-Ukraine nicht in dieser Weise entschieden. Sie sollten diesen Akt als Beweis dafür betrachten, dass wir keinerlei Pläne gegen die Ukraine hegen. Ich entgegnete ihm darauf, dass wir dies selbstverständlich berücksichtigen, aber nicht vergessen würden, was Hitler in seinem Buch5 geschrieben hat. Ach, rief St. aus, es gibt einen großen Unterschied zwischen dem, was geschrieben wurde, und dem, was umgesetzt wird. Das Buch wurde vor langer Zeit im Gefängnis und mit „leichter Hand“ geschrieben, jetzt aber gibt es ein neues „Testament“6, nach dem Hitler agiert. Hitler verfügt jetzt, fuhr St. fort, über reichere politische Erfahrungen, und das, was er in diesem Buch geschrieben hat, ist veraltet, und Sie sollten es nicht ernst nehmen. Nehmen wir das Baltikum, fuhr St. fort, wenn wir auch dort irgendwelche Aggressionspläne hätten, so hätten wir keine Nichtangriffspakte abgeschlossen. Mit dem Abschluss dieser Pakte beweisen wir, dass wir nicht beabsichtigen, die Hände nach diesen Ländern auszustrecken. Auf die Kritik am Versailler Vertrag (im Zusammenhang mit der Danzig-Frage) übergehend erklärte er, dass Brest7 territorial für die UdSSR vorteilhafter als Versailles [für Deutschland] gewesen sei. Ich entgegnete, dass man in Brest ebenfalls schwerlich etwas Positives, insbesondere für die UdSSR, finden könne. Ja, entgegnete St., aber ich meine lediglich die Grenzen, denn mit Brest wurden die Grenzen der UdSSR westlicher als die heutigen Grenzen gezogen. Ich hoffe, fuhr St. fort, dass die Wirtschaftsverhandlungen erfolgreich abgeschlossen werden und dass sich die Beziehungen zum Besseren entwickeln werden. Die innere Lage bei uns macht es unumgänglich, die Beziehungen zur UdSSR zu überprüfen. Ich weiß nicht, was er darunter verstanden hat – die steigenden Sympathien seitens der breiten Massen, die den außenpolitischen Kurs Hitlers nicht teilen, insbesondere gegenüber der UdSSR, oder die Sorgen der Industriellen, die endgültig den Verlust des sowjetischen Marktes befürchten. [...]8 A. Smirnov Vermerk mit Tinte: Zentr[al]eur[opäische] Abt[eilung]. Vermerk A.M. Aleksandrovs mit Bleistift: Den Referenten für Deutschland in Kenntnis setzen. Alek[sandrov]. 9/VIII 39.
5 6
Gemeint ist „Mein Kampf“. Das Wort ist in kyrillischen Buchstaben geschrieben. Was konkret damit gemeint ist, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. 7 Gemeint ist der Friedensvertrag, der zwischen Russland und Deutschland, ÖsterreichUngarn, Bulgarien und der Türkei am 3.3.1918 in Brest-Litovsk geschlossen wurde. Vgl. Handbuch der Verträge 1871–1964, S. 171–175. 8 Ausgelassen sind die Aufzeichnungen über Gespräche am 2./3.8. mit dem Korrespondenten von „United Press“ und dem Vertreter der Königsberger Messe (l. 140).
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Nr. 551
3. 8. 1939
Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 4019 vom 5.08.1939. Oben rechts befindet sich der Stempel der Zentraleuropäischen Abteilung des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 1201 vom 9.08.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8. Expl. 5 an Gen. Molotov, 2 an Gen. Potemkin, 1 [Expl.] zu den Akten der B[evollmächtigten Vertretung]. AVP RF, f. 082, op. 22, p. 93, d. 8, l. 142–140. Kopie.
Nr. 551 Schreiben des Presseattachés der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Smirnov an den Leiter der Presseabteilung im NKID Ščeglov Nr. 551 3. 8. 1939 3. 8. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 2 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 198/s1 Berlin, 3.VIII.39 AN DIE PRESSEABTEILUNG DES NKID Gen. ŠČEGLOV Im vergangenen Jahr sind in Deutschland eine ganze Reihe von Büchern über die UdSSR erschienen. Als Beispiel nenne ich solche wie: „Von Rurik bis Stalin“2, „Ukraine – Land der Zukunft“3, „Drei Jahre bei der Berliner Sowjethandelsvertretung“4 usw. Ich hätte gerne Ihren Rat und Ihre Weisungen, wie wir die Beobachtung des deutschen Buchmarktes organisieren sollen, damit Bücher, die die UdSSR betreffen, entsprechend ausgewertet werden können. Die Lektüre und Inhaltsangaben von Neuerscheinungen kann ich hier nicht bewältigen, und nach Moskau kann ich sie jedes Mal nur auf Anfrage der Abteilungen und mit Genehmigung des Volkskommissars oder seiner Stellvertreter schicken. Außerdem weiß ich nicht, ob Sie möglicherweise eine ganze Reihe von Büchern direkt über „Meždunarodnaja Kniga“5 erwerben. Eine Vielzahl hier erscheinender Bücher über die UdSSR bedürfen einer ernsthaften qualifizierten Auswertung. So betonen zum Beispiel die Autoren in Büchern, die sich mit der Geschichte der UdSSR befassen, den starken deutschen Einfluss bei der Gründung des russischen Staates. In Büchern, die die Geschichte des Weltkrieges betreffen, wird die Verantwortung für den Krieg voll und ganz Russland angelastet, **obwohl in letzter Zeit auch England**6. Es ist
1 2 3 4 5
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Richard Möller: Von Rurik bis Stalin. Wesen und Werden Russlands, Leipzig 1939. Axel Schmidt: Ukraine. Land der Zukunft, Berlin 1939. Tamara Solonewitsch: Drei Jahre bei der Berliner Sowjethandelsvertretung, Essen 1939. Die 1923 gegründete Außenhandelsvereinigung (bis 1930 eine Aktiengesellschaft) befasste sich mit dem Ex- und Importhandel von Büchern und Periodika. 6 Der Text ist mit Tinte über die Zeile geschrieben.
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3. 8. 1939 Nr. 552 klar, dass auf solche Bücher in unserer Presse mit ernsthaften Artikeln reagiert werden muss. Auch weiß ich nicht, welche wirtschaftlichen und politischen Zeitschriften von Ihnen im Narkomindel ausgewertet werden. In einigen von ihnen gibt es Artikel, die Aufmerksamkeit verdienen. Vielleicht sollte ich damit beginnen, Ihnen Ausgaben von Zeitschriften mit Artikeln über die UdSSR sowie auch die Titel und Prospekte der hier über die UdSSR erscheinenden Bücher zuzusenden. Presseattaché A. Smirnov Vermerk A.M. Aleksandrovs mit Bleistift: Gen. Puškin zur Kenntnis bringen. Aleks[androv]. 5/VIII 39. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel der Zentraleuropäischen Abteilung des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 1184 vom 5.8.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. an die Zentraleuropäische Abteilung, das 3. zu den Akten. AVP RF, f. 082, op. 22, p. 93, d. 8, l. 132, Kopie.
Nr. 552 Telegramm des Reichsaußenministers von Ribbentrop an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 552 3. 8. 1939 3. 8. 1939 Entziffertes Telegramm Abgang aus Berlin den 3. August 1939 15 Uhr 47 Ankunft in Moskau den 4. August 1939 4 Uhr 30 Diplogerma Nr. 166 vom 3. August1 Moskau Citissime! Für Herrn Botschafter persönlich. Ich empfing gestern Abend russischen Geschäftsträger, der vorher in anderen Angelegenheiten im Amt war.2 Ich bezweckte mit ihm die Ihnen bekannten Gespräche fortzusetzen, die schon vorher von Mitgliedern Auswärtigen Amts in meinem **Einverständnis mit**3 Astachow geführt worden waren. Ich anknüpfte an die Handelsvertragsbesprechungen, die sich zur Zeit erfreulich entwickeln, und 1 Ribbentrop hatte dreieinhalb Stunden vorher schon ein Telegramm an Graf von der Schulenburg geschickt, in dem er ein weiteres ankündigte und in dem es bereits hieß, dass bei der Neugestaltung deutsch-sowjetischer Beziehungen „von Ostsee bis zum Schwarzen Meer kein Problem vorliege“. In: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 758. S. 882. 2 Vgl. Dok. 547. 3 Der Text ist handschriftlich eingefügt.
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Nr. 552
3. 8. 1939
bezeichnete ein solches Handelsabkommen als eine gute Etappe auf dem Wege einer Normalisierung der deutsch-russischen Beziehungen, wenn man eine solche wolle. Bekanntlich sei seit mehr als einem halben Jahr die Tonart unserer Presse gegenüber Russland eine wesentlich andere. Ich hielte, sofern auf russischer Seite der Wille dazu vorhanden sei, eine Neugestaltung unserer Beziehungen für möglich, unter zwei Voraussetzungen: a) Nichteinmischung in die inneren Dinge des anderen Staats (diese glaubt Herr Astachow ohne weiteres zusagen zu können), b) Verzicht auf eine gegen unsere Lebensinteressen gerichtete Politik. Hierauf wusste Astachow keine ganz eindeutige Antwort zu geben, meinte aber, dass seine Regierung den Wunsch habe, eine Verständigungspolitik mit Deutschland zu führen. Ich fortfuhr, unsere Politik sei eine gradlinige und auf lange Sicht angelegte, wir hätten keine Eile. Unsere Bereitschaft gegenüber Moskau sei vorhanden, es ankomme also darauf, welchen Weg die dortigen Machthaber beschreiten wollten. Stelle sich Moskau, so wüssten wir, woran wir wären und wie wir zu handeln hätten, im umgekehrten Fall gebe es kein Problem von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer, was zwischen uns nicht zu lösen sei. Ich sagte, dass an der Ostsee für uns beide Platz sei und dass russische Interessen hier mit unseren in keiner Weise zu kollidieren brauchten. Was Polen angehe, so sähen wir weiterer Entwicklung aufmerksam und eiskalt zu. Bei polnischer Provokation würde Abrechnung mit Polen in Wochenfrist erledigt sein. Für diesen Fall machte ich eine leichte Andeutung darüber, uns über das Schicksal Polens mit **Russland**4 zu verständigen. Die deutsch-japanischen Beziehungen schilderte ich als gut und freundschaftlich; dieses Verhältnis sei ein dauerndes. Hinsichtlich des russisch-japanischen Verhältnisses hätte ich jedoch meine besonderen Anschauungen (womit ein modus vivendi zwischen beiden Ländern auf lange Frist gemeint war). Ich habe ganzes Gespräch im Ton der Gelassenheit geführt und gab dem Geschäftsträger am Schluss noch einmal zu verstehen, dass wir in der großen Politik keine Taktik treiben wie die demokratischen Mächte. Wir hätten Gewohnheit, auf solidem Boden zu bauen, brauchten auf schwankende öffentliche Meinung keine Rücksicht zu nehmen und wünschten keine Sensationen. Würden Gespräche wie die unsrigen nicht so diskret behandelt, wie sie es verdienten, müsse ihre Fortsetzung unterbleiben. Wir machten davon kein Aufheben; die Wahl liege, wie gesagt, bei Moskau. Interessiere man sich dort für unsere Gedankengänge, so könne ja wohl Herr Molotow demnächst wieder einmal mit dem Grafen Schulenburg den Faden aufnehmen. (Dies überholt durch Telegramm Nr. 1645). Schluss des Gesprächs. Zusatz für Grafen Schulenburg: Ich habe Gespräch geführt, ohne irgendwelche **Eile**6 zu zeigen. Geschäftsträger, der interessiert schien, hat seinerseits mehrfach versucht, Gespräch zu konkretisieren, worauf ich ihm zu erkennen gab, dass ich zu einer Konkretisierung bereit sei, sobald grundlegender Wunsch Sowjetregierung nach Neugestaltung 4 5 6
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Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: Ausland. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 759, S. 883. Das Wort ist handschriftlich eingefügt.
4. 8. 1939 Nr. 553 offiziell mitgeteilt wird. Falls Astachow in diesem Sinne instruiert wird, besteht unsererseits Interesse an baldiger Konkretisierung. Dies ausschließlich zu Ihrer persönlichen Information. Ribbentrop Auf letztem Blatt unten maschinenschriftlich: Gefertigt in 2 Exemplaren: 1) z.d. Sachakten A 2) zur chronolog. Sammlung. Dies ist Nr. 1 sowie Paraphe Sch[ulenburgs] 4/8. PA AA, Moskau 484, Bl. 69519-69521. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 760, S. 883–884.
Nr. 553 Telegramm des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA Nr. 553 4. 8. 1939 4. 8. 1939 Telegramm (Geh.Ch.V.) Moskau, den 4. August 1939 0.45 Uhr Ankunft: [4. August] 5.40 Uhr Citissime Nr. 158 vom 3.8. Auf Erlass W 1216 g vom 29. Juli1 und Drahtweisung vom 31. Juli2 In heutiger 1 1/4-stündiger Unterredung trat Molotow aus seiner sonstigen Reserve heraus und zeigte sich ungewöhnlich aufgeschlossen. Ich knüpfte an letzte Unterredung mit Molotow an und sagte, dass inzwischen die Wirtschaftsverhandlungen in Berlin wieder aufgenommen worden seien und anscheinend erfolgversprechenden Verlauf nähmen. Wir rechneten infolgedessen mit baldigem Abschluss. Darüber hinaus hätte zwischen Schnurre und Sowjetvertreter in Berlin Gedankenaustausch stattgefunden, über dessen Inhalt Molotow sicher unterrichtet sei. Molotow bestätigte, dass er „in großen Zügen“ Bescheid wisse. An die Frage Astachoffs anknüpfend, ob die Ausführungen Schnurres gegebenenfalls auch von einer autoritären deutschen Persönlichkeit vertreten würden, erklärte ich, dass ich den Auftrag hätte, die von Schnurre entwickelte Gedankengänge ausdrücklich zu bestätigen. Ich führte sodann aus, wie wir uns auf der Grundlage der von Schnurre erwähnten 3 Etappen die Normalisierung und Verbesserung der Beziehungen zur Sowjetunion dächten. Anschließend erklärte ich, dass unseres Erachtens von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer keine Gegensätze zwischen Deutschland und der Sowjetunion beständen, dass Antikomintern-Pakt nicht gegen Sowjetunion gerichtet sei, dass wir durch Abschluss von Nichtangriffspakten mit den *Baltenstaaten* unsern Entschluss dokumentiert hätten, ihre *Integrität zu respektieren*3 und dass unsere bekannten Forderungen gegen Polen keine Beeinträchtigung sowjetischer Interessen bedeuteten. Wir glaubten daher, dass Interessenausgleich durchaus möglich, und bäten hierzu um Meinung der Sowjetregierung. 1 2 3
Vgl. Dok. 544. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 744, S. 861. Die beiden Textstellen sind unterstrichen.
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Nr. 553
4. 8. 1939
Molotow gab in längeren Ausführungen punktweise Antwort. Er erklärte, dass Sowjetregierung Abschluss Wirtschaftsabkommens stets gewünscht habe und, falls auf deutscher Seite gleicher Wunsch bestehe, so beurteile er Aussichten auf Zustandekommen eines Wirtschaftsabkommens als durchaus günstig. Was die Haltung der Sowjetpresse betreffe, so halte er unsere Vorwürfe – von Ausnahmen abgesehen – für unbegründet. Er stehe aber auf dem Standpunkt, dass die Presse beider Länder alles unterlassen müsse, was eine Verschärfung der Beziehungen zur Folge haben könnte. Die allmähliche Aufnahme von kulturellen Beziehungen halte er für notwendig und zweckmäßig und stelle fest, dass erfreuliche Ansätze einer Besserung bereits vorhanden. Zur Frage der politischen Beziehungen übergehend erklärte Molotow, dass auch Sowjetregierung Normalisierung und Besserung der beiderseitigen Beziehungen wünsche. Es sei nicht ihre Schuld, dass Beziehungen sich so verschlechtert hätten. Den Grund hierfür sehe er erstens im Abschluss des Antikomintern-Paktes und in allem, was in diesem Zusammenhang gesprochen und getan worden sei. Auf meinen Einwand, dass Antikomintern-Pakt nicht gegen Sowjetunion gerichtet und von Molotow selbst am 31. Mai als Bündnis gegen westliche Demokratien bezeichnet worden sei, sagte Molotow, dass Antikomintern-Pakt trotzdem aggressive Haltung Japans gegenüber Sowjetunion gefordert habe. Zweitens habe Deutschland Japan unterstützt, und drittens habe die Deutsche Regierung immer wieder zu erkennen gegeben, dass sie an keinerlei internationalen Konferenzen teilnehmen würde, an denen die Sowjetunion beteiligt sei. Als Beispiel führte Molotow die Zusammenkunft in München an. Ich widersprach Molotow eingehend, indem ich betonte, dass es sich nicht darum +)4 über die Vergangenheit zu diskutieren, sondern um neue Wege zu finden. Molotow erwiderte, dass Sowjetregierung bereit sei sich an Suche nach solchen Wegen zu beteiligen, jedoch müsse er auf der Frage bestehen, wie meine heutigen Erklärungen mit den von ihm erwähnten 3 Punkten in Einklang zu bringen seien. Für eine veränderte Einstellung Deutscher Regierung fehlten vorläufig noch die Beweise. Ich betonte darauf erneut die Tatsache des Fehlens außenpolitischer Gegensätze und erwähnte deutsche Bereitschaft, unsere Haltung gegenüber Baltikum gegebenenfalls so einzurichten, dass lebenswichtige Sowjet-Ostsee Interessen gesichert blieben. *Bei der Erwähnung Baltikums interessierte sich Molotow dafür, welche Staaten wir darunter verstünden und ob auch Litauen dazu gehöre.*5 Zur polnischen Frage erklärte ich, dass wir unsere bekannten Forderungen gegen Polen aufrechterhielten, aber eine friedliche Lösung anstrebten. Sollte uns dagegen eine andere Lösung aufgezwungen werden, so seien wir bereit, alle sowjetischen Interessen zu wahren und uns hierüber mit der Sowjetregierung zu verständigen. Molotow zeigte sichtbares Interesse, sagte aber, dass friedliche Lösung in erster Linie von *uns*6 abhänge. Ich habe dem energisch widersprochen und darauf hin4 5
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Am Seitenrand maschinenschriftlich: +) heißt anscheinend „handele“. Der Text ist am Seitenrand angestrichen und mit einem Fragezeichen versehen.
4. 8. 1939 Nr. 553 gewiesen, dass englische Garantie es leider dazu gebracht habe, dass Entscheidung bei *den*7 polnischen Instanzen liege. Ich zurückwies sodann Molotows Behauptung, dass *Deutschland*8 allein an Verschlechterung deutsch-sowjetischer Beziehungen Schuld sei. Ich erinnerte ihn an verhängnisvolle Rolle Abschluss Vertrags *mit Frankreich von 1935 und hinzufügte, dass etwaige erneute Beteiligung Sowjetregierung an deutschfeindlicher Kombination ähnliche Rolle spielen könnte. Molotow erwiderte, dass die geheimen von Sowjetunion *eingeschlagenen*9 Wege rein defensive Ziele und Festigung einer Abwehrfront gegen Aggression verfolgten. Im Gegensatz hierzu habe Deutschland mit Antikomintern-Pakt aggressive Haltung Japans unterstützt und gefördert und verfolge mit militärischem Bündnisvertrag mit Italien neben defensiven auch offensive Zwecke. Zum Schluss versicherte Molotow, dass er seine Regierung von meinen Mitteilungen in Kenntnis setzen werde und wiederholte, dass auch Sowjetregierung Normalisierung und Besserung Beziehungen wünscht. Aus gesamter Haltung Molotows ergab sich, dass bei Sowjetregierung zwar größere Bereitschaft zu Verbesserung deutsch-sowjetischer Beziehungen vorhanden, dass jedoch altes Misstrauen gegen Deutschland weiterbesteht. Mein Gesamteindruck geht dahin, dass Sowjetregierung gegenwärtig entschlossen ist, mit England Frankreich abzuschließen, falls diese sämtliche sowjetische Wünsche erfülle[n]. Allerdings dürften Verhandlungen noch lange dauern, zumal Misstrauen gegenüber England ebenfalls groß. Ich glaube, dass meine Mitteilungen Molotow beeindruckt haben, trotzdem wird es erhebliche[r] Anstrengungen unsererseits bedürfen, um Umschwung bei Sowjetregierung herbeizuführen. Schulenburg Auf erstem Blatt am Seitenrand Verteilerschlüssel. Darüber nicht entzifferte Notiz von Weizsäcker. PA AA, R 29723, Bl. 23896-23900. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 766, S. 892–894.
6 Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: mir. Außerdem ist die Zeile am Seitenrand angestrichen. 7 Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: allen. Außerdem ist die Zeile am Seitenrand angestrichen. 8 Das Wort ist eingefügt; ursprünglich: denn ich. Außerdem ist die Zeile am Seitenrand angestrichen. 9 Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: vorgeschlagenen.
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Nr. 554
4. 8. 1939
Nr. 554 Überarbeitete Variante der Vorlage des Chefs des Generalstabes der RKKA Šapošnikov für den Generalsekretär des ZK der VKP (B) Stalin Nr. 554 4. 8. 1939 4. 8. 1939 GANZ GEHEIM Expl. Nr. 1 [4.8.1939] An **Gen. I.V. Stalin**1 ÜBERLEGUNGEN für die Verhandlungen mit ENGLAND und FRANKREICH2 Bei den Verhandlungen mit England und Frankreich können einige VARIANTEN aufkommen, bei denen ein bewaffnetes Vorgehen unserer Kräfte möglich ist. DIE I. VARIANTE tritt dann ein, wenn der Überfall der Aggressoren direkt auf FRANKREICH und ENGLAND erfolgen wird. In diesem Fall müssen Frankreich und England unverzüglich den Großteil ihrer Streitkräfte an den Ostgrenzen Frankreichs und Belgiens aufmarschieren lassen und ab dem 16. Tag der Mobilmachung zügige Operationen gegen den Hauptaggressor beginnen. Als Hauptgegner wird der wichtigste der Aggressoren angesehen, gegen den auch die Hauptkräfte Frankreichs und Englands einzusetzen sind. Die Operationen gegen den zweitrangigen Aggressor müssen auch zweitrangigen Charakter tragen. Die Theorie, wonach zuerst der schwache Gegner – der zweitrangige Aggressor – zu vernichten ist, wird von uns nicht geteilt. Die Vernichtung des Hauptaggressors führt auch zum Kriegsaustritt des zweitrangigen Aggressors und umgekehrt kann der erste Hauptschlag gegen den zweitrangigen Aggressor zu einer entscheidenden Offensive des Hauptaggressors gegen Paris und zur Eroberung Belgiens und Hollands führen, was zur Krise auf dem westlichen Kriegsschauplatz ab den ersten Kriegstagen führt und dem Hauptaggressor Überlegenheit verschafft. Von dieser Situation ausgehend müssen Frankreich und England bis zum 15. Tag der Mobilmachung an den Ostgrenzen Frankreichs und Belgiens gegen den Hauptaggressor mindestens aufmarschieren lassen und in Front bringen: 80 Infanteriedivisionen 14.000 bis 14.500 mittlere und schwere Geschütze 3.500 bis 4.000 Panzer 5.000 bis 5.500 Flugzeuge.
1 2
Der Text wurde von Šapošnikov mit Tinte geschrieben. Aufgrund der Bemerkungen Stalins (vgl. Dok. 528) und Vorošilovs vom 1.8.1939 (vgl. RGASPI, f. 74, op. 2, d. 120, l. 6–13) wurde der Vorlagenentwurf für die bevorstehenden Verhandlungen der Militärmissionen Englands, Frankreichs und der UdSSR im August 1939 überarbeitet.
1382
4. 8. 1939 Nr. 554 Wenn sie entlang der Maginot-Linie von Belfort bis Metz von den angeführten Kräften bis zu 10 Infanteriedivisionen belassen, müssen Frankreich, England und Belgien mit 70 Infanteriedivisionen 13.000 mittleren und schweren Geschützen 3.500 Panzern 5.000 Flugzeugen eine entschlossene Offensive nördlich von Metz und von Belgien aus gegen das Ruhrgebiet und das Kölner Industrierevier in allgemeiner Richtung auf Magdeburg führen. Die Luftstreitkräfte Frankreichs und Englands müssen Luftschläge gegen die wichtigsten Industriegebiete des Hauptgegners im Westen, gegen seine Flottenstützpunkte, gegen Eisenbahnlinien und Autobahnen sowie gegen die Hauptstadt und andere große Verwaltungszentren des Hauptaggressors führen. Die Operationen der vereinigten englisch-französischen Flotte müssen zum Ziel haben: 1) die Abriegelung des Ärmelkanals und das Eindringen eines starken Geschwaders in die Ostsee für Operationen gegen die Flotte des Hauptaggressors im Baltikum und gegen seine Küsten; 2) von den baltischen Ländern das Einverständnis für eine befristete Besetzung der Ålandinseln und des Moonsundarchipels mit seinen Inseln, der Häfen Hanko, Pärnu, Haapsalu, Haynasch und Libava durch die **vereinigte englisch-französische Flotte** 3 einzuholen **zum Schutz der Neutralität und Unabhängigkeit dieser Staaten vor einem Überfall durch Deutschland**4; 3) die Unterbrechung des Transports von Eisenerzen und anderen Rohstoffen aus Schweden über die Ostsee; 4) die Blockade der Nordseeküste des Hauptaggressors; 5) die Seeherrschaft im Mittelmeer und die Schließung des Suezkanals und der Dardanellen; 6) Operationen von Kreuzern vor den Küsten Norwegens und Finnlands außerhalb ihrer Hoheitsgewässer, vor Murmansk und Archangel’sk gegen U-Boote und die Kreuzerflotte des Hauptaggressors an diesen Küsten. Angesichts der Verpflichtung Polens zur Teilnahme am Krieg, die sich aus seinem Vertrag mit England und Frankreich ergibt, muss Polen mit Kräften von mindestens 40 Infanteriedivisionen gegen Ostpreußen und in Posen für den Schlag gegen Ostpreußen und Pommern die Verpflichtung auf sich nehmen, unseren Landstreitkräften nördlich von Minsk den Durchmarsch durch den Wilnaer Korridor und nach Möglichkeit durch Litauen zur Grenze Ostpreußens zu gewähren. Es muss erreicht werden, dass Litauen den Block der friedliebenden Mächte unterstützt. Unsere Hilfeleistung für Frankreich und England kann in gemeinsamen Operationen unserer Landstreitkräfte, der Luftstreitkräfte und der Baltischen sowie der Nordseeflotte gegen den Hauptaggressor bestehen. In diesem Fall würden wir nördlich von Minsk gegen Ostpreußen Landstreitkräfte und zusätzlich Kavallerie in einer Größenordnung von 70% der von England **und**5 Frankreich6 gegen den Hauptaggressor aufgestellten Landstreitkräfte in Stellung bringen, und zwar: 3 4 5 6
Der Text wurde von Stalin mit Bleistift über die Zeile geschrieben. Der Text wurde von Stalin mit Bleistift über die Zeile geschrieben. Das Wort wurde von Stalin mit blauem Farbstift anstelle eines Kommas eingefügt. An dieser Stelle hat Stalin mit blauem Farbstift durchgestrichen: und Belgien; außerdem setzte er am linken Seitenrand mit blauem Farbstift das Zeichen: X.
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Nr. 554
4. 8. 1939
56 Infanteriedivisionen 6 Kavalleriedivisionen 8.500 bis 9.000 mittlere und schwere Geschütze 3.300 Panzer 3.000 Flugzeuge insgesamt 2.053.000 Mann. Unsere Luftstreitkräfte führen Operationen gegen Ostpreußen und gegen die hier konzentrierten Luft- und Bodentruppen des Hauptaggressors, gegen seine Flotte und Stützpunkte im Baltikum und agieren zusammen mit unseren Bodentruppen. Unsere Nordflotte wird gemeinsam mit englischen und französischen Geschwadern Operationen von Kreuzern vor den Küsten Finnlands und Norwegens außerhalb ihrer Hoheitsgewässer durchführen. Was unsere Baltische Flotte betrifft, so wird sie bei einer positiven Entscheidung der Frage zusammen mit den vereinigten Flotten Frankreichs und Englands in Hanko, auf den Åland- und Moonsundinseln, in Pärnau, Haapsalu, Haynasch **zum Schutz der Unabhängigkeit der baltischen Länder**7 stationiert werden. Unter diesen Bedingungen kann die Baltische Flotte ihre Kreuzer-Operationen, U-Boot-Aktivität und die Verlegung von Minen vor den Küsten Ostpreußens, Danzigs und Pommerns ausbauen. Die U-Boote der Baltischen Flotte stören den Transport von Industrierohstoffen aus Schweden für den Hauptaggressor. Die Befehlsgewalt über unsere sämtlichen Streitkräfte verbleibt bei uns, die Koordinierung der militärischen Operationen mit England und Frankreich wird durch ein spezielles Abkommen während des Krieges herbeigeführt werden. Unsere Streitkräfte handeln kompakt; an andere Armeen werden keine Truppenverbände abgestellt. DIE II. VARIANTE möglicher Kriegshandlungen tritt ein, wenn POLEN das Angriffsziel ist. Wenn Frankreich und England kraft ihres Vertrages mit Polen den Aggressoren ebenfalls den Krieg erklären und unverzüglich gegen sie vorgehen, wird die UdSSR kraft ihres Vertrages mit England und Frankreich gegen die Aggressoren vorgehen müssen. Polen wird vielleicht nicht allein von Deutschland angegriffen, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach wird sich auch Ungarn am Krieg gegen Polen beteiligen. Es ist anzunehmen, dass in diesem Fall Rumänien auf der Seite Polens in den Krieg eintreten wird. Seine Hilfe wird sicherlich begrenzt sein, da Rumänien selbst von Bulgarien und Ungarn eingeschränkt werden wird. Dennoch müsste Rumänien verpflichtet werden, an der Front mindestens 20 Infanteriedivisionen 3 Kavalleriedivisionen 2276 mittlere und schwere Geschützen 240 Panzer 440 Flugzeuge aufzustellen.
7
1384
Der Text wurde von Stalin mit Bleistift über die Zeile geschrieben.
4. 8. 1939 Nr. 554 Frankreich und England müssen ihre Streitkräfte wie in der I. Variante dargelegt einsetzen und den Hauptschlag gegen den Hauptaggressor führen. Die Operationen der Streitkräfte Frankreichs und Englands müssen wie in der I. Variante dargelegt durchgeführt werden. Unsere Kriegsteilnahme kann nur dann zustande kommen, wenn sich Frankreich und England mit Polen und nach Möglichkeit auch mit Litauen über den Durchmarsch unserer Truppen nördlich von Minsk durch den Wilnaer Korridor verständigen und unserer Baltischen Flotte die gemeinsame Stationierung mit der vereinigten englischen und französischen Flotte, wie in der I. Variante dargelegt, gewähren. In diesem Fall werden wir entsprechend der I. Variante die Kräfte einsetzen und sie gegen Ostpreußen richten. Frankreich und England müssen von Polen fordern, nicht weniger als 40 Infanteriedivisionen mit entsprechender Artillerie aufzustellen und sie im Raum Ostpreußen und Posen für den Schlag gegen Ostpreußen und Pommern in Front zu bringen. Zugleich ist Polen verpflichtet, uns zur Absicherung der Manöver unserer Truppen in Nordost-Polen Eisenbahnlinien und rollendes Material für den Antransport von Kampfmitteln und Lebensmitteln zur Verfügung zu stellen. Der gleichzeitige Einfall der Aggressoren in den südlichen Teil Polens (Galizien) aus Richtung der Slowakei und Ungarns macht es für uns erforderlich, an den Grenzen zu Polen und Rumänien zusätzliche Kräfte zu konzentrieren, jedoch im Gesamtrahmen der für Aktionen gegen Ostpreußen aufgestellten Kräfte in derselben Stärke, die England **und**8 Frankreich9 gegen den Hauptgegner aufstellen, d.h. 80 Infanteriedivisionen, 12 Kavalleriedivisionen, 9.500 bis 10.000 mittlere und schwere Geschütze, 3.500 bis 4.000 Panzer, 3.000 bis 3.500 Flugzeuge. Die Befehlsgewalt über unsere Streitkräfte verbleibt bei uns. Die Koordinierung der Kriegshandlungen mit England und Frankreich wird durch eine spezielle Vereinbarung während des Krieges erfolgen. DIE III. MÖGLICHE VARIANTE für die Aufnahme von Kriegshandlungen besteht, wenn Ungarn und Bulgarien mit Unterstützung des Hauptaggressors RUMÄNIEN überfallen. Wenn in diesem Fall England und Frankreich den Aggressoren den Krieg erklären und an der Front10 gemeinsam gegen den Hauptaggressor bis zum 15. Tag der Mobilmachung, wie in der I. Variante dargelegt, 80 Infanteriedivisionen 14.000 bis 14.500 mittlere und schwere Geschützen 3.500 bis 4.000 Panzer 5.000 bis 5.500 Flugzeugen aufstellen und am 16. Tag der Mobilmachung zum entschlossenen Angriff gegen den Hauptaggressor als dem Hauptgegner übergehen, dann können sie sich zwecks militärischer Zusammenarbeit an uns wenden.
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Dieses Wort wurde von Stalin mit blauem Farbstift anstelle eines Kommas eingefügt. An dieser Stelle wurde von Stalin mit blauem Farbstift durchgestrichen: und Belgien. An dieser Stelle wurde von Stalin mit blauem Farbstift durchgestrichen: zusammen mit Polen; außerdem setzte er am linken Seitenrand ein Häkchen.
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Nr. 554
4. 8. 1939
Unsere Vorschläge an Frankreich und England müssen bei dieser Variante beinhalten: 1) die obligatorische Teilnahme POLENS am Krieg; 2) den Durchmarsch unserer Kräfte durch den Wilnaer Korridor und durch Litauen, wie in der I. Variante aufgezeigt, sowie die **mit den Engländern und Franzosen**11 gemeinsame Stationierung unserer Baltischen Flotte im Ostteil des Baltikums, wie in der I. Variante aufgezeigt; 3) die Verpflichtung Polens, 40 Infanteriedivisionen aufzustellen und an der Front gegen Ostpreußen und Pommern in Stellung zu bringen, und 4) die Verpflichtung Polens, unseren Truppen südlich von L’vov den Durchmarsch durch Galizien zu gewähren. In diesem Fall werden wir ebenfalls Bodentruppen im Umfang von 70% der von Frankreich **und**12 England13 gegen den Hauptaggressor geführten Kräfte, die 12 Kavalleriedivisionen nicht eingerechnet, aufstellen, und zwar: 56 Infanteriedivisionen 12 Kavalleriedivisionen 8.500 bis 9.000 mittlere und schwere Geschütze 3.300 Panzer 3.000 Flugzeuge und insgesamt 2.075.000 Mann. Dabei werden nördlich von Minsk für Operation gegen Ostpreußen aufgestellt: 26 Schützendivisionen 6 Kavalleriedivisionen 4.000 mittlere und schwere Geschütze 1.300 Panzer 1.500 Flugzeuge und insgesamt 926.000 Mann. Für Operationen südlich Polesiens und für die direkte Unterstützung Rumäniens werden von uns bereitgestellt, wobei Frankreich und England sich um das Durchmarschrecht unserer Truppen durch rumänisches Territorium und durch den Südteil Galiziens bemühen müssen: 30 Schützendivisionen 6 Kavalleriedivisionen 5.000 mittlere und schwere Geschütze 2.000 Panzer 1.500 Flugzeuge und insgesamt 1.149.000 Mann. Diese unsere Kräfte werden an der Grenze der UdSSR zu Rumänien und im Südteil Galiziens in Stellung gebracht und südlich der Karpaten operieren, sie erhalten einen eigenständigen Frontabschnitt. Die Befehlsgewalt über unsere Truppen verbleibt bei uns. In dieser Variante erfolgen die Operationen unserer Nord- und Baltischen Flotte wie in der I. Variante dargelegt, und deshalb bleiben auch die Aufgaben für die vereinigte englisch-französische Flotte die gleichen wie in der I. Variante.
11 12
Der Text wurde von Stalin mit Bleistift über die Zeile geschrieben. Dieses Wort wurde von Stalin mit blauem Farbstift über die Zeile anstelle eines Kommas eingefügt. 13 An dieser Stelle wurde von Stalin mit blauem Farbstift durchgestrichen: und Belgien.
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4. 8. 1939 Nr. 554 An dem Überfall auf Rumänien wird sich möglicherweise Bulgarien beteiligen, deshalb müssen Frankreich und England die Verpflichtung eingehen, die Teilnahme der Türkei und Griechenlands am Krieg zu erreichen. Falls sich diese beiden Staaten am Krieg beteiligen, so wird in diesem Fall unsere Schwarzmeerflotte, nachdem sie die Donaumündung gegen das Eindringen von U-Booten der Aggressoren in das Schwarze Meer abgeriegelt und Varna (den bulgarischen Kriegshafen) blockiert hat, gemeinsam mit der türkischen Flotte Operationen mit Kreuzern und U-Booten im Ostteil des Mittelmeeres durchführen. Jedoch sollten unter allen Umständen die Dardanellen und der Bosporus vor dem Eindringen von Überwassergeschwadern der Gegner und deren U-Booten in das Marmarameer und in das Schwarze Meer dauerhaft geschlossen werden. DIE IV. MÖGLICHE VARIANTE für die Entstehung von Kriegshandlungen tritt dann ein, wenn sich die Aggression gegen die Türkei richtet, wobei sich möglicherweise Bulgarien in diesem Fall den Aggressoren anschließen könnte. Frankreich und England erklären kraft der Verträge mit der Türkei den Aggressoren den Krieg. Falls sich Frankreich und England für eine militärische Zusammenarbeit an uns wenden, so kann diese Zusammenarbeit unter folgenden Bedingungen erfolgen: 1) der Teilnahme Polens am Krieg gegen den Hauptaggressor und das Durchmarschrecht unserer Truppen durch den Wilnaer Korridor und nach vertraglicher Vereinbarung mit Litauen durch dessen Territorium für Operationen gegen Ostpreußen; 2) der gemeinsamen Stationierung unserer Baltischen Flotte mit der vereinigten englisch-französischen Flotte im östlichen Teil des Baltikums, wie in der I. Variante ausgeführt; 3) der Teilnahme Rumäniens am Krieg und das Durchmarschrecht unserer Truppen durch Rumänien zwecks Operationen im Süden Rumäniens. In diesem Fall werden unsere Kräfte so aufgestellt und in Stellung gebracht wie in der III. Variante ausgeführt. Die Aufgaben unserer Schwarzmeerflotte werden die gleichen sein wie in der vorherigen Variante (der 3.) angeführt. Die Operationen der Armeen Frankreichs und Englands müssen in den Angriff gegen den Hauptaggressor als dem Hauptgegner münden, wie in der I. Variante dargelegt. Hinsichtlich der Operationen der vereinigten englisch-französischen Flotte müssen Veränderungen zu dem vorgenommen werden, was in der I. Variante dargelegt ist – dies ist, der vereinigten Flotte der Aggressoren im Mittelmeer, insbesondere in seinem Ostteil, einen entscheidenden Schlag zuzufügen. DIE V. MÖGLICHE VARIANTE für Kriegshandlungen ist die, dass sich die Aggression des Hauptaggressors unter Ausnutzung der Territorien Finnlands, Estlands und Litauens gegen die UdSSR wendet. In diesem Fall müssen Frankreich und England laut Vertrag den Aggressoren unverzüglich den Krieg erklären. Polen, das mit England und Frankreich durch Vertrag verbunden ist und unsere Garantie besitzt, muss nach Variante Nr. I handeln. Unsere Forderung hinsichtlich des Aufmarschs von 40 polnischen Infanteriedivisionen gegen Ostpreußen und in Posen bleibt in vollem Umfang in Kraft.
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Wenn wir in der ersten Variante allein 70% der Streitkräfte aufstellen, die von England oder Frankreich gegen den Hauptaggressor bei einem Überfall auf eine dieser Mächte eingesetzt werden, dann müssen wir bei einem Überfall des Hauptaggressors auf uns von Frankreich **und**14 England15 am 15. Tag der Mobilmachung gegen den Hauptaggressor, den wir als den Hauptgegner betrachten, die Aufstellung und den Aufmarsch von 70% dessen fordern, was wir allein gegen den Hauptaggressor gemäß dieser Variante aufstellen und in Stellung bringen werden. Wir können **120**16 Infanteriedivisionen aufstellen. Deshalb müssen wir von England **und**17 Frankreich18 fordern, nördlich von Belfort bis nach Belgien eine Front von **84**19 Infanteriedivisionen 13.000 bis 13.500 mittlere und schwere Geschützen 3.000 bis 3.500 Panzern 5.000 bis 5.500 Flugzeugen aufzustellen und in Stellung zu bringen. Diese Kräfte müssen ab dem 16. Tag der Mobilmachung eine entschlossene Offensive gegen den Hauptaggressor nördlich von Metz und aus Belgien mit der allgemeinen Hauptschlagrichtung Magdeburg führen. Die Luftstreitkräfte Frankreichs und Englands müssen einen starken Schlag gegen die Industriereviere des Hauptaggressors, gegen die Stützpunkte seiner Kriegsmarine, gegen Eisenbahnlinien und Autobahnen sowie gegen die Hauptstadt und große Verwaltungszentren führen. Die Operationen der englischen und französischen Kriegsmarine müssen gemäß der I. Variante erfolgen. Die Befehlsgewalt über unsere Truppen verbleibt bei uns. Die Koordinierung der militärischen Handlungen wird durch ein spezielles Abkommen während des Krieges erfolgen. Es ist schwerlich anzunehmen, dass der Hauptaggressor einen Teil seiner Kräfte über Rumänien gegen uns einsetzen könnte. Jedoch ist eine solche Variante nicht ausgeschlossen, und deshalb sollten England und Frankreich in diesem Fall Polen, die Türkei und Griechenland zwecks Hilfeleistung für Rumänien heranziehen und einem Teil unserer Truppen den Durchmarsch durch Galizien und Rumänien sichern. Die Operationen unserer Schwarzmeerflotte sollten mit denen der türkischen Flotte abgestimmt werden, wie in der IV. Variante dargelegt. Wenn der Hauptaggressor uns überfallen sollte, müssen wir die Aufstellung der oben angeführten Kräfte durch Frankreich, England und Belgien, deren zügige Offensive ab dem 16. Tag der Mobilmachung gegen den Hauptaggressor und eine besonders aktive Beteiligung Polens am Krieg sowie den ungehinderten Durch14 15
Dieses Wort wurde von Stalin mit blauem Farbstift anstelle eines Kommas eingefügt. An dieser Stelle wurde von Stalin mit blauem Farbstift durchgestrichen: und Belgien; danach setzte er am linken Seitenrand ein Häkchen. 16 Diese Zahl wurde von Stalin mit blauem Farbstift eingesetzt; ursprünglich: 100. 17 Dieses Wort wurde von Stalin mit blauem Farbstift anstelle eines Kommas eingefügt. 18 An dieser Stelle wurde von Stalin mit blauem Farbstift durchgestrichen: und Belgien. 19 Diese Zahl wurde von Stalin mit blauem Farbstift eingesetzt; ursprünglich: 70.
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4. 8. 1939 Nr. 555 marsch unserer Truppen durch den Wilnaer Korridor und Galizien mitsamt der Zurverfügungstellung des rollenden Materials für sie fordern. Die oben dargelegten Überlegungen bilden die Grundlage für die Verhandlungen20, in deren Verlauf die Haltung Frankreichs und Englands hinsichtlich des aufrichtigen Bestrebens geklärt wird, einen Vertrag abzuschließen. **B. Šapošnikov 4/8-39**21 Vermerk Stalins mit blauem Farbstift: Mein Archiv St[alin]. RGASPI, f. 558, op. 11, d. 220, l. 10–20. Original. Veröffentlicht in: God krizisa 1938–1939, Bd. 2, Dok. 527, S. 168–17422.
20
21
22
Nr. 555 Schreiben des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin an den sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov Nr. 555 4. 8. 1939 4. 8. 1939 GEHEIM NKID Zentraleuropäische Abteilung Nr. 176521 4. August 1939 AN DEN GESCHÄFTSTRÄGER DER UdSSR IN DEUTSCHLAND Gen. ASTACHOV Die von der Bevollmächtigten Vertretung der UdSSR in Deutschland eingehenden Materialien können die Bedürfnisse des NKID nicht gänzlich zufriedenstellen. Neben der regelmäßigen Übersendung von Aufzeichnungen der Gespräche mit ausländischen Diplomaten und Journalisten und von periodischen Presseschauen bitte ich Sie, die Abteilung2 mit folgenden Materialien zu versorgen: 1. Mit monatlichen Übersichten zur Außenpolitik, zur Wirtschaft und zum innenpolitischen Leben Deutschlands. Diese Übersichten sollten das Ergebnis der Bearbeitung Ihrer Gespräche mit Ausländern, der von Ihnen gelesenen deutschen und anderweitigen Presse und Ihrer persönlichen Beobachtungen sein. 20 Šapošnikov legte in einem Vortrag auf der Sitzung der Militärmissionen der drei Staaten am 15.8.1939 die in dem vorliegenden Dokument in den Varianten I, II (unter teilweiser Einbeziehung der Variante III, Rumänien betreffend) und V ausgeführten Grundsätze dar. Vgl. God krizisa 1938–1939, Bd. 2, Dok. 554, S. 221–224. 21 Die Aufzeichnung ist handschriftlich mit Tinte unterschrieben. 22 Das Dokument wurde in redaktioneller Bearbeitung veröffentlicht. 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Gemeint ist die Zentraleuropäische Abteilung (Deutschland, Ungarn, Tschechoslowakei), die am 22.6.1939 „im Zusammenhang mit der Reorganisation der operativen Abteilungen des zentralen Apparates des NKID“ geschaffen wurde. Vgl. Schreiben Potemkins an Astachov vom 4.7.1939. In: AVP RF, f. 06, op. 1, p. 7, d. 63, l. 18.
1389
Nr. 555
4. 8. 1939
2. Mit Materialien zur Charakteristik von Politikern Deutschlands nach den Listen, die Sie früher von der 2. Westabteilung erhalten haben. Insbesondere mache ich sie darauf aufmerksam, dass sich diese Materialien nicht allein auf offizielle biographische Angaben beschränken, sondern auch eine möglichst umfassende politische Charakteristik der einen oder anderen Person ermöglichen sollten. Die Bevollmächtigte Vertretung muss diese Tätigkeit so organisieren, dass die Abteilung des Volkskommissariats mit jeder Post entsprechende Materialien erhält. Und schließlich 3. die Erledigung spezieller Arbeiten zu den Themen und in den Fristen, die in dem beigefügten Plan vorgegeben sind. Ich bitte darum, diese Aufgaben als Arbeitsplan für die Bevollmächtigte Vertretung für die nächsten zwei Monate zu betrachten. DER STELLVERTRETER DES VOLKSKOMMISSARS FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN Potemkin Vermerk mit Bleistift: Z[u] d[en] A[kten]. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 4003 vom 4.08.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. Das 1. [Exemplar] an den Adressaten, das 2. an Gen. Molotov, das 3. an Gen. Potemkin, das 4. zu den Akten. 3.VIII.39.
[Anlage] PLAN der Sonderaufgaben für August-September 1939 Laufende Nummer
1390
Thema
Ausführender
Termin der Fertigstellung der Arbeit
1. Die deutsch-polnischen Beziehungen
Gen. Nikolaev
15.IX.
2. Deutschland und der Ferne Osten a) Wirtschaftsbeziehungen Deutschlands mit Japan und China. b) Die Haltung Deutschlands im japanisch-chinesischen Krieg. c) Deutschland und die Ereignisse an der mongolischmandschurischen Grenze.
Gen. Astachov
15.IX.
4. 8. 1939 Nr. 555 Laufende Nummer
Thema
Ausführender
Termin der Fertigstellung der Arbeit
d) Das deutsch-italienische Kriegsbündnis und Japan. 3. Deutschland und das Baltikum
Gen. Ivanov
15.IX.
4. Deutschland und Rumänien
Gen. Atroščenkov
15.IX.
5. Der Zustand der deutschen Industrie a) Charakterisierung der Industrie nach Produktionszweigen b) Volumenkennziffern nach Industriezweigen c) Ausländisches und staatliches Kapital in der deutschen Industrie d) Arbeitsbedingungen und Lage der Arbeiterklasse
Gen. Smirnov
15.IX.
6. Probleme der Rohstoffe und der Austauschstoffe
Gen. Nikolaev
15.X.
7. Die Finanzsituation Deutschlands
Gen. Smirnov
15.X.
8. Die Versorgungsmöglichkeiten Deutschlands mit Lebensmitteln und ihre Abhängigkeit vom Außenmarkt
Gen. Ivanov
15.X.
9. Der Außenhandel Deutschlands
---
15.XI.
AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 61, l. 125–122. Kopie.
1391
Nr. 556
5. 8. 1939
Nr. 556 Aufzeichnung der Unterredung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre mit dem sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov Nr. 556 5. 8. 1939 5. 8. 1939 Berlin, den 5. August 1939 Geheim! Abschrift W 1293 g Aufzeichnung Der Sowjetgeschäftsträger Astachoff war heute um 12 Uhr bei mir, um mir die Antwort Molotows auf meine vorgestern1 an ihn gestellten Fragen mitzuteilen: 1) Die Sowjet-Regierung sei bereit und wünsche, das Gespräch mit uns über die Besserung und Ausgestaltung der Beziehungen weiterzuführen. 2) Die Sowjet-Regierung betrachte das Zustandekommen des Kreditvertrages als die erste wesentliche Etappe in dieser Richtung. Astachoff bezeichnete dies als den Inhalt seiner Weisung und fügte Folgendes hinzu: Er stände jederzeit *zur Entgegennahme*2 der *deutschen Stellungnahme zur Verfügung*3. Als ich ihn fragte, ob er für ein solches Gespräch mit ihm noch andere Ermächtigungen habe als nur die deutsche Stellungnahme entgegenzunehmen, verneinte er dies, meinte aber, dass mit der von ihm mitgeteilten Stellungnahme Molotows ein weiterer Schritt vorwärts getan sei. Er bezeichnete die zwischen Deutschland und Russland zu besprechenden Fragen *als dringend und ernst*4. *Astachoff erkundigte sich sodann nach dem Eindruck, den wir von dem Gespräch Molotow/Graf Schulenburg5 gehabt hätten. Ich erwiderte ihm, dass man sich in dieser Unterredung zuviel mit der *Vergangenheit*6 beschäftigt habe. Wenn man über die Zukunft reden wolle, müsse man damit allmählich einmal aufhören. Astachoff erwiderte, dass dies das erste Mal gewesen sei, dass Molotow diese Dinge zur Sprache gebracht habe und dass er nach den ihm zugegangenen Informationen den Eindruck hätte, dass das Gespräch Molotow/Graf Schulenburg einen positiven Ausklang gehabt hätte.*7 Ich habe Astachoff gesagt, dass ich seine Mitteilungen weiterleiten werde und mir vorbehielte, in den nächsten Tagen darauf zurückzukommen. gez. Schnurre Unten links: A 1723/39. PA AA, Moskau 484, Bl. 260362. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 772, S. 898–899.
1 2 3 4 5 6 7
1392
Vgl. Dok. 547. Der Text ist in blauer Wellenlinie unterstrichen. Der Text ist rot unterstrichen. Der Text ist rot unterstrichen. Vgl. Dok. 549, 553. Das Wort ist rot unterstrichen und am Seitenrand mit einem Fragezeichen versehen. Der Absatz ist am Seitenrand rot angestrichen.
7. 8. 1939 Nr. 557 Nr. 557 Aufzeichnung der Unterredung des Stellv. Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Potemkin mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 557 7. 8. 1939 7. 8. 1939 Geheim Expl. Nr. 1 AUS DEM TAGEBUCH V.P. POTEMKINS Nr. 5451 [7.8.1939] EMPFANG DES DEUTSCHEN BOTSCHAFTERS SCHULENBURG AM 7. AUGUST 1939 Schulenburg, der mich um einen Empfang gebeten hatte, erschien mit folgenden Fragen bei mir. 1. Der Botschafter hatte sich in seinem letzten Gespräch mit Gen. Molotov an den Volkskommissar mit der Bitte um Unterstützung gewandt, um die Ausweisung inhaftierter Deutscher aus der UdSSR, die Genehmigung zur Ausreise aus der UdSSR für die Ehefrauen und Familien der deutschen Staatsangehörigen, die bereits die UdSSR verlassen haben und sich gegenwärtig in Deutschland befinden, sowie die Übersiedlung der Kinder jener deutschen Eltern nach Deutschland, die ebenfalls aus der UdSSR in die Heimat ausgereist sind, zu beschleunigen.1 Schulenburg erkundigte sich, ob Gen. Molotov mit mir über diese Fragen gesprochen hätte. Auf meine negative Antwort bat der Botschafter, Gen. Molotov an das besagte Gespräch zu erinnern. 2. Schulenburg erhielt aus Berlin die Mitteilung, dass Gen. Astachov dort bereits Gespräche mit Schnurre und Ribbentrop2 zu den gleichen Themen geführt habe, die der Botschafter in seinem letzten Gespräch mit Gen. Molotov berührt hatte. Dem Botschafter sei bekannt, dass die Gesprächspartner des Gen. Astachov ihm konkrete Fragen gestellt hätten. Der Botschafter erkundigt sich, ob Gen. Astachov aus Moskau Antworten auf diese Fragen erhalten habe. Ich antwortete Schulenburg, dass Astachov das NKID regelmäßig über seine Treffen mit den Leitern des Auswärtigen Amtes informiere und ebenso regelmäßig aus Moskau entsprechende Weisungen erhalte.3 Dies betreffe auch die letzten Treffen des Gen. Astachov mit Schnurre und Ribbentrop.4 3. Der Botschafter erkundigte sich, ob ich ihm etwas zum Schicksal der deutschen Staatsangehörigen Marsmann mitteilen könne, deren Ehemann und Kinder sich bereits in Deutschland befänden. Ich antwortete, dass mir die zuständigen Behörden zugesagt hätten, in zwei bis drei Tagen Informationen über Marsmann zu geben. 1 2 3
Vgl. Dok. 549. Vgl. Dok. 547. Schulenburg telegrafierte am 7.8.1939 an das AA, dass Potemkin ihm am gleichen Tag gesagt hätte, dass Astachov „jetzt erweiterte Instruktionen erhalten werde“. In: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 775, S. 902. Vgl. auch Dok. 560. 4 Vgl. SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 139, S. 199; vgl. auch Dok. 547, 548.
1393
Nr. 558
7. 8. 1939
Vor der Verabschiedung des Botschafters fragte ich ihn, ob er Informationen aus Spanien bezüglich des Abreisedatums der 7 Seeleute der Besatzung der „Komsomol“ nach Marseille erhalten hätte. Der Botschafter antwortete, dass er täglich diese Information erwarte. Ich erinnerte Schulenburg daran, dass wir gleichfalls mit einer schnellstmöglichen und annehmbaren Entscheidung der Angelegenheit Mokrousov und Bojko rechneten. Schulenburg versicherte mir, dass seiner Auffassung nach auch diese Frage bald geregelt sein werde. Das Gespräch dauerte 10 Minuten. V. Potemkin Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: Das 1. [Exemplar] zu den Akten, das 2. an Gen. Molotov, das 3. an Gen. Dekanozov, das 4. an Gen. Lozovskij, das 5. an das Generalsekretariat, das 6. an die Zentraleuropäische Abteilung, das 7. nach Berlin. 7.VIII. 1938. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 24, d. 27, l. 149–148. Original.
Nr. 558 Rundschreiben des Reichswirtschaftsministers Funk Nr. 558 7. 8. 1939 7. 8. 1939 Berlin, W 8, den 7. August 1939 Vertraulich! [Abschrift] V Exp. 5/33166/39 An a) die Herren Leiter der Prüfungsstellen 1 – 27 – persönlich – b) die Reichsstelle für den Außenhandel und die Außenhandelsstellen – nachrichtlich – Betr.: Gr. 2; Ausfuhr nach Russland Für a) – im Anschluss an meinen Erlass V Exp. 5/30480/38 vom 25. August 1938 – Am 20. Juli 1939 fand in meinem Ministerium in engerem Kreise eine Besprechung über das Russlandgeschäft statt. Dabei wurde festgestellt, dass seit Juni d. J. in einigen hauptbeteiligten Wirtschaftszweigen eine rege Anfrage- und Bestelltätigkeit aus Russland eingesetzt hat. Andererseits bekam ich davon Kenntnis, dass in einzelnen Fällen Firmen in der Behandlung des Russlandgeschäftes zurückhaltend sind, weil sie das Ergebnis irgendwelcher handelsvertraglicher Abmachungen abwarten. Für die nächste Zeit sind für das Russlandgeschäft folgende Richtlinien zu beachten: 1.) Die Firmen haben dem Russlandgeschäft die größte Sorgfalt zu widmen und jede Geschäftsmöglichkeit auszunutzen. Nach den gemachten Beobachtungen können die Firmen damit rechnen, dass die an sie ergehenden Anfragen ernsthaft gemeint sind und keine Kontrollfragen darstellen.
1394
7. 8. 1939 Nr. 559 2.) Das Hinausschieben von Geschäftsabschlüssen im Hinblick auf etwaige neue Handelsvertragsabmachungen mit Russland erübrigt sich, da die jetzt abzuschließenden Geschäfte noch auf Grund des deutsch-sowjetischen Wirtschaftsvertrages vom 24. Dezember 19361 und vom 1. März und 19. Dezember 19382 abgewickelt werden. 3.) Um irgendwelche Schwierigkeiten im Russlandgeschäft von vornherein auszuschließen, ersuche ich, bei Hinweisen auf die Wichtigkeit des Russlandgeschäftes sich des Sprachgebrauches zu bedienen, dass der Export nach Russland devisenwirtschaftlich interessant ist. Dagegen sind andere Hinweise (z. B., dass der Handel mit Russland eine große Zukunft habe) zu unterlassen. 4.) Die Geschäfte für Russland sind als Barzahlungsgeschäfte durchzuführen; Kreditgeschäfte dürfen nur angebahnt werden, sofern sie sich im bisherigen handelsüblichen Rahmen halten. 5.) Die Firmen sind darauf hinzuweisen, durch innerbetriebliche Maßnahmen dafür zu sorgen, dass die Lieferzeiten für Russlandgeschäfte in gleicher Weise wie für andere wichtige Ausfuhrländer verkürzt werden. – Die Prüfungsstellen haben die Firmen bei der Durchführung der Russlandgeschäfte weitgehend zu unterstützen. Diese Richtlinien sind den an der Ausfuhr nach Russland beteiligten Firmen, zu Händen der Geschäftsleitung, durch vertrauliches Rundschreiben in geeigneter Weise bekanntzugeben. Im Auftrag gez. von Jagwitz Beglaubigt: [Pieck] Kzl. Angestellte RWWA, 72-44-2. o. P., 2 Bl.
1
2
Nr. 559 Schreiben des Staatssekretärs im AA Freiherr von Weizsäcker an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 559 7. 8. 1939 7. 8. 1939 Berlin, den 7. August 1939 Sehr geehrter Graf von der Schulenburg! Für Ihr Schreiben vom 14. Juli1 und die in ihm enthaltenen Anregungen danke ich Ihnen bestens. Ich habe ihr Schreiben auch dem Herrn Reichsaußenminister zur Kenntnis gebracht.
1 2
Vgl. Deutschland und die Sowjetunion 1933–1941, Bd. 2, Dok. 615, 619. Vgl. Dok. 207, Anm. 16; Dok. 232; Dok. 366, Anm. 2.
1
So im Dokument; gemeint ist der Brief vom 10.7.1939; vgl. Dok. 529.
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Nr. 559
7. 8. 1939
Der Sowjetrussische Botschafter und die Mitglieder der Botschaft sind hier im Allgemeinen zu allen Veranstaltungen eingeladen worden, zu denen Einladungen an das gesamte diplomatische Corps ergehen. Diesen Einladungen wird bisher im Allgemeinen nicht Folge geleistet, jedoch war der russische Botschaftsrat kürzlich am Tage der Deutschen Kunst in München anwesend. Diese Anwesenheit war umso bemerkenswerter, als sonst nur wenige Missionschefs der Einladung gefolgt waren. Der Gehilfe des Russischen Militär-Attachés2, der hier die Stelle des MilitärAttachés bekleidet, ist nach Auskunft des Oberkommandos der Wehrmacht ebenfalls zu allen gemeinsamen Veranstaltungen geladen und hat den Einladungen regelmäßig Folge geleistet. Hinsichtlich des persönlichen Verkehrs aller Beamtenkategorien mit Mitgliedern der Russischen Botschaft gilt die Ihnen bekannte Verfügung des Herrn Reichsaußenministers, wonach jeder Verkehr auf das dienstlich erforderliche Mindestmaß beschränkt bleiben soll.3 Ich glaube kaum, dass der Zeitpunkt schon gekommen ist, dem Herrn Reichsaußenminister die einfache Aufhebung dieser Verfügung vorzuschlagen, wohl aber soll in Zukunft in einzelnen Fällen eine jeweils besonders zu entscheidende Lockerung stattfinden. Ich hoffe, dass wir damit in Ihrem Sinne den ersten Schritt zur leichteren Handhabung der Beziehungen zur hiesigen Sowjetrussischen Botschaft getan haben und dass sich dies im Laufe der Zeit auf die schwierigen Verhältnisse in Moskau belebend auswirken wird. Mit den aufrichtigsten Grüßen und Heil Hitler! der Ihre Weizsäcker Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben Stempel: Eingegangen Moskau 11.8.39. PA AA, Moskau 560, Bl. 178533-178534. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 778, S. 904.
2 3
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Gemeint ist der Sekretär des Militärattachés, Hauptmann Savenkov; vgl. Dok. 507. Vgl. Dok. 289.
7. 8. 1939 Nr. 560 Nr. 560 Telegramm des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Molotov an den sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov Nr. 560 7. 8. 1939 7. 8. 1939 STRENG GEHEIM [7.8.1939] NACH BERLIN1 Nr. 7244 Auf Ihr 10219.2 In der Präambel zum Vertrag, der ausschließlich Kredit- und Handelsfragen zum Gegenstand hat, ist es unangemessen, davon zu sprechen, dass der Handels- und Kreditvertrag zum Zwecke der Verbesserung der politischen Beziehungen geschlossen wird. Dies ist unlogisch, und zudem würde dies einen unangebrachten und unverständlichen Vorgriff bedeuten. Darüber, dass wir tatsächlich die politischen Beziehungen verbessern wollen, wurde die deutschen Regierung bereits verständigt.3 Falls die deutsche Regierung uns zu glauben gewillt ist, so sollte diese unsere Erklärung vorerst völlig genügen. Den Vorschlag bezüglich eines Geheimprotokolls bei der Unterzeichnung des Handelsabkommens halten wir für unpassend. Molotov Erhalten am 7/VIII. Veröffentlicht in: SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 141, S. 200.4
1 Die archäografische Beschreibung wurde nach dem Faksimile des Dokuments in: http:// 1939.rusarchives.ru präzisiert. 2 Am 5.8.1939 telegrafierte Astachov an Molotov: „Sprach mit Schnurre im Sinne Ihrer Weisungen. Er antwortete, dass Schulenburg auch mitgeteilt habe, dass Sie einen Meinungsaustausch für wünschenswert erachten. Er sagte, dass man mich voraussichtlich in den nächsten Tagen zwecks Klärung der Frage auf höchster Ebene einladen werde. Die Kreditverhandlungen würden seiner Auffassung nach noch 1½ bis zwei Wochen andauern, und es sei wohl kaum angebracht, den Meinungsaustausch deswegen zu verzögern. Er bittet darum, Ihre Aufmerksamkeit auch auf seinen Gedanken zu lenken, eine spezielle Klausel (der Wunsch, die Beziehungen zu verbessern) im Kommuniqué oder in einem Geheimprotokoll bei der Unterzeichnung des Kreditabkommens aufzunehmen (vergleichen Sie den Abschlussteil meines Gesprächs mit Schnurre im Tagebuch) und Ihre Stellungnahme zu dieser Idee zu erbitten.“ In: SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 140, S. 199. 3 Vgl. Dok. 548. 4 Die Erstveröffentlichung des Dokuments im Sammelband God krizisa 1938–1939, Bd. 2, Dok. 532, S. 177 erfolgte in redaktioneller Bearbeitung und mit Wortumstellungen im Text.
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Nr. 561
7. 8. 1939 Nr. 561 Instruktion für den Volkskommissar für Verteidigung Vorošilov
Nr. 561 7. 8. 1939 7. 8. 1939 [7.8.1939]1 1) Geheimhaltung der Verhandlungen mit Einverständnis der Beteiligten.2 2) Zu allererst ist die eigene Vollmacht zur Führung der Verhandlungen mit der englischen und französischen Militärdelegation zur Unterzeichnung einer Militärkonvention3 vorzulegen, danach sind die Leiter der englischen und der französischen Delegation zu fragen, ob sie ebenfalls im Besitz von Vollmachten ihrer Regierungen zur Unterzeichnung einer Militärkonvention mit der UdSSR sind.4 3) Sollte sich herausstellen, dass sie keine Vollmachten zur Unterzeichnung einer Konvention besitzen, so ist darüber Verwunderung zum Ausdruck zu bringen, die Hände sind zu erheben und es ist „ehrerbietig“ zu fragen, mit welchen Zielen sie von ihren Regierungen in die UdSSR entsandt worden sind. 4) Falls sie antworten, dass sie für Verhandlungen und für die Vorbereitung zum Abschluss einer Militärkonvention entsandt worden sind, so sind sie zu fragen, ob sie irgendeinen Plan zur Verteidigung der zukünftigen Verbündeten, d.h. Englands, Frankreichs, der UdSSR usw., gegen eine Aggression seitens des Blocks der Aggressoren in Europa haben. 5) Falls sie keinen konkreten Plan zur Abwehr der Aggression in dieser oder jener Variante haben sollten, was kaum wahrscheinlich ist, so sind sie zu fragen, auf Grundlage welcher Fragen und welchen Verteidigungsplans die Engländer und Franzosen die Verhandlungen mit der Militärdelegation der UdSSR zu führen gedächten.5 6) Falls die Franzosen und Engländer dennoch auf Verhandlungen bestehen sollten, so sind die Verhandlungen auf eine Erörterung von einzelnen prinzipiellen Fragen zu reduzieren, in erster Linie auf den Durchmarsch unserer Truppen durch den Wilnaer Korridor und Galizien sowie durch Rumänien.6
1 Der Text der Weisung für den Leiter der sowjetischen Militärdelegation Vorošilov für die Verhandlungen der Militärmissionen Englands, Frankreichs und der UdSSR vom 12. bis 21.8.1939 ist „vermutlich nach Diktat von I.V. Stalin“ niedergeschrieben worden. Vgl. DVP, Bd. XXII, Anm. 162, S. 579. 2 Auf der ersten Sitzung am 12.8. wurde der Beschluss gefasst, dass „die Beratung unbedingt geheim zu halten ist und alle Mitteilungen in der Presse, die die Beratung für nötig erachtet, nur mit Einverständnis aller drei Missionen erfolgen können“. In: God krizisa 1938– 1939, Bd. 2, Dok. 546, S. 192. Am 20.8. wurde eine TASS-Erklärung veröffentlicht, „die nicht vorab mit den übrigen Missionen abgestimmt war“ (in: ebd., Dok. 581, S. 300), mit dem Dementi zu Veröffentlichungen in einigen polnischen Zeitungen zum Charakter der Meinungsverschiedenheiten in den dreiseitigen Verhandlungen. Darin wurde unter anderem ausgeführt, dass „die tatsächlich bestehenden Meinungsverschiedenheiten eine ganz andere Frage betreffen und überhaupt keinen Bezug zur Frage des Fernen Ostens haben“ (Izvestija vom 20. August 1939, S. 4). Auf der gleichen Sitzung vom 12.8. wird nach einem Meinungsaustausch der Vorschlag von Vorošilov, nur die gefassten Beschlüsse zu protokollieren sowie der Vorschlag zur Regelung der Übersetzung der Reden angenommen“ (in: God krizisa 1938– 1939, Bd. 2, Dok. 546, S. 192). Die sowjetischen Protokolle aller Sitzungen der Militärmissionen wurden veröffentlicht in: ebd., Dok. 546–548, 551, 554, 559, 560, 566, 581. 3 Vgl. ebd., Dok. 530, S. 176. 4 Vgl. ebd., Dok. 546, S. 192. 5 Vgl. ebd., Dok. 547, S. 197–202. 6 Auf der Sitzung am 13.8. erklärte Vorošilov unter anderem: „… Die Sowjetunion hat bekanntlich weder mit England noch mit Frankreich eine gemeinsame Grenze. Deshalb ist unse-
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7. 8. 1939 Nr. 561 7) Wenn sich herausstellt, dass der freie Durchmarsch unserer Truppen durch das Territorium Polens und Rumäniens ausgeschlossen ist, so ist zu erklären, dass ohne diese Bedingung ein Abkommen nicht möglich ist, weil ohne einen freien Durchmarsch der sowjetischen Truppen durch die angeführten Territorien die Abwehr der Aggression in jeder beliebigen Variante zum Scheitern verurteilt ist und wir es nicht für möglich erachten, an einem Unternehmen teilzunehmen, dass von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.7 8) Auf Bitten der französischen und englischen Delegation, Rüstungsfabriken, Institute, Truppenteile und militärische Lehreinrichtungen zu besichtigen, ist zu sagen, dass die sowjetische Regierung es nach dem Besuch des Piloten Lindbergh 1938 in der UdSSR verboten hat, Ausländern Rüstungsbetriebe und Truppenteile zu zeigen, davon ausgenommen sind unsere Verbündeten, sobald sie sich als solche zu erkennen geben. Auf Kopfbogen des Volkskommissars für Verteidigung der UdSSR geschrieben. AVP RF, f. 06, op. 1-b, p. 27, d. 5, l. 34–38. Original. Handschrift. Veröffentlicht in: DVP, Bd. XXII, Dok. 453, S. 584.
re Teilnahme am Krieg nur auf dem Territorium der mit uns benachbarten Staaten, insbesondere Polens und Rumäniens, möglich.“ Vgl. ebd., Dok. 548, S. 207. 7 Zum Ende der Sitzung am 14.8., die sich mit der Erörterung der Frage bezüglich des Durchmarsches sowjetischer Truppen durch das Territorium Polens und Rumäniens befasste, gab Vorošilov eine Erklärung folgenden Inhalts ab: „4. Die sowjetische Militärmission drückt ihr Bedauern aus, dass die Militärmissionen Englands und Frankreichs keine präzise Antwort zur der aufgeworfenen Frage bezüglich des Durchmarsches von sowjetischen Streitkräften durch das Territorium Polens und Rumäniens geben können. Die sowjetische Militärmission ist der Auffassung, dass ohne eine positive Entscheidung dieser Frage sämtliche angefangenen Vorhaben zum Abschluss einer Militärkonvention zwischen England, Frankreich und der UdSSR von vornherein zum Scheitern verurteilt sind. Deshalb kann die Militärmission der Sowjetunion nicht **mit gutem Gewissen** [dieser Text fehlt im Dokument, vgl. RGASPI, f. 558, op. 11, d. 220, l. 63] ihrer Regierung empfehlen, an einem Unternehmen teilzunehmen, das klar zum Scheitern verurteilt ist.“ In: God krizisa 1938–1939, Bd. 2, Dok. 551, S. 218.
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Nr. 562
8. 8. 1939
Nr. 562 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Molotov Nr. 562 8. 8. 1939 8. 8. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 2 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 2111 Berlin, 8.VIII.39 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN Gen. V.M. MOLOTOV Hochverehrter Vjačeslav Michajlovič, allen Anzeichen nach zu urteilen steht der Unterzeichnung des Kredit- und Handelsabkommen nichts mehr im Wege2 (falls natürlich keine Überraschungen eintreten, worin die Deutschen Meister sind). Deshalb erlaube ich mir, einige Überlegungen zu den Dingen vorzutragen, die die Deutschen für mögliche politische Gespräche im Auge haben. Diese Überlegungen stelle ich auf der Grundlage sowohl direkter Äußerungen meiner Gesprächspartner als auch von mehr oder weniger nebulösen Andeutungen an, die jedoch einen gewissen Anschauungswert haben. Ich übersende dies als Rohmaterial zu dem bezeichneten Problem. Ohne auf Fragen der Wirtschaft einzugehen, ist zu bemerken, dass die Deutschen erst einmal relativ harmlose Dinge beabsichtigen: 1) Eine „Auffrischung“ des Rapallo3- und anderer politischer Verträge oder ihre Ersetzung durch einen neuen Vertrag oder in der Form, dass in dem einen oder anderen Protokoll an sie erinnert wird. 2) Zur Presse. Hier kann mit voller Gewissheit gesagt werden, dass sich die Deutschen gern über irgendeine Form des beiderseitigen „Nichtangriffs“ auf dem Gebiet der Presse verständigen würden. Als Beispiel dafür würden sie das Verhalten der deutschen Presse gegenüber der UdSSR in den letzten 3 bis 4 Monaten vorschlagen und von uns Gegenseitigkeit fordern. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Deutschen den Unterschied zwischen Staat und Partei entweder ganz verleugnen oder sehr schlecht erfassen. Als sie zum Beispiel die Angriffe gegen uns als Staat (im Prinzip) einstellten, gaben sie fast in gleichem Maße auch die Ausfälle gegen den Bolschewismus, die VKP (B) auf; sogar über die K[ommunistische] I[internationale] begannen sie, bedeutend weniger zu schreiben. In mündlichen Gesprächen versuchen sie sogar, einen „ideologischen Brückenschlag“ vorzunehmen, indem sie darauf verweisen, dass auch sie „Sozialisten“, „gegen den Kapitalismus“ usw. wären. Bei Gesprächen 1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Das Handels- und Kreditabkommen wurde am 19.8.1939 in Berlin unterzeichnet. Vgl. Dok. 581. 3 Der Rapallo-Vertrag wurde am 16.4.1922 unterzeichnet. Vgl. DVP, Bd. V, Dok. 121, S. 223–224; Reichsgesetzblatt 1922, Teil II, S. 677–678.
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8. 8. 1939 Nr. 562 über die Presse könnten wir den Deutschen übrigens vorhalten, dass es bei ihnen die Zeitung der Weißgardisten „Novoe slovo“4 gibt, die nach wie vor die UdSSR und unsere führenden Politiker mit den gröbsten Beleidigungen überhäuft und offen eine Intervention propagiert usw. 3) Zur Rundfunkpropaganda. Wahrscheinlich würden die Deutschen versuchen, von uns die Einstellung der Rundfunkpropaganda zu erwirken, zumindest in ihrer jetzigen Form. Es ist festzustellen, dass sie hier etwas hinter uns zurückgeblieben sind: sie haben keine Sendungen in russischer Sprache, es gibt ukrainische Sendungen aus Wien, die antisowjetischen, gegenwärtig aber vorwiegend antipolnischen Charakters sind. 4) Zweifellos würde die deutsche Regierung auf Freilassung oder Ausweisung aller inhaftierten Deutschen bestehen. Hier könnte die Frage der Gegenseitigkeit nur in dem Fall aufkommen, wenn wir die Freilassung der inhaftierten tschechischen Linken (die zum Teil die sowjetische Staatsbürgerschaft erworben haben) erreichen wollen. 5) Sie würden versuchen, wenigstens einen Teil der in der UdSSR geschlossenen Konsulate wieder einzurichten. Es ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass sich in unserer Arbeit das Fehlen von Konsulaten in Ostpreußen (Königsberg) und in Süddeutschland (Wien, München) bei der Informationsbeschaffung recht negativ bemerkbar macht. 6) Sie wären bereit, auf eine gewisse Form von „Kulturabkommen“ einzugehen, z.B. auf eine Übereinkunft zum Austausch von Büchern (natürlich unter Vorbehalt), von Musikwerken, von wissenschaftlichen Neuheiten usw. Die gegenseitige Teilnahme an Sportwettkämpfen, wissenschaftlichen Konferenzen und an Ausstellungen von internationalem Rang stellen sie sich als möglich vor. Insbesondere sprachen sie (wenn auch völlig inoffiziell und über nicht in Verantwortung stehende Personen) darüber, dass unsere aktive Teilnahme an der sogenannten Winterolympiade5 wünschenswert wäre, und sie würden zweifellos sehr gern unsere aktive Beteiligung an den Handelsmessen (Königsberg, Leipzig usw.) sehen. Dies sind die Gesprächsgegenstände, auf die meinem Eindruck nach die Deutschen sehr gern eingehen und die sie eventuell selbst vorschlagen würden, falls wir das nicht machen. Diese Gespräche sind selbst in dem Fall nicht ausgeschlossen, wenn unser Abkommen mit England und Frankreich zustande kommen sollte. Doch im Prinzip sind die Deutschen nicht an diesen Fragen interessiert. Nach den Andeutungen, die ich zu hören bekomme, und den Stimmungen, die bis zu mir vordringen, hätten sie nichts dagegen einzuwenden, nach Prüfung unserer Diskretion und unserer Bereitschaft zu Absprachen anhand dieser Fragen uns in Gespräche weiterführenden Charakters zu verwickeln und eine Bestandsaufnahme sämtlicher territorialer und politischer Probleme vorzunehmen, die zwischen uns und ihnen entstehen könnten. In diesem Zusammenhang könnte die Formulierung, dass es „in der ganzen Ausdehnung vom Schwarzen Meer bis zur Ostsee“ keine Gegen4 Novoe slovo (Neues Wort) war eine von der russischen Emigration in Berlin herausgegebene illustrierte Zeitung (1933 bis 1944). Chefredakteur war Despotuli. 5 Die Abhaltung der V. Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen für 1940 wurde vom Internationalen Olympischen Komitee im November 1939 wegen des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges abgesagt.
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sätze gebe, als Wunsch verstanden werden, sich zu allen Fragen zu verständigen, die in einem Bezug zu den in dieser Zone befindlichen Ländern stehen. Die Deutschen wollen uns den Eindruck vermitteln, dass sie bereit wären, ihr Desinteresse am Schicksal (zumindest in politischer Hinsicht) der Balten (außer Litauen), an Bessarabien, Russisch-Polen (mit Korrekturen zugunsten der Deutschen) zu erklären und sich von den Ambitionen gegenüber der Ukraine zu distanzieren. Dafür möchten sie von uns die Zusicherung unseres Desinteresses am Schicksal Danzigs sowie am ehemaligen Deutsch-Polen (eventuell mit einer Erweiterung bis zur Warthe oder sogar bis zur Weichsel) und (als Diskussionsgegenstand) Galiziens haben. Gespräche dieser Art sind im Verständnis der Deutschen offenbar nur auf der Grundlage denkbar, dass es kein englisch-französisch-sowjetisches militär-politisches Abkommen gibt. Wenn ich diese Eindrücke wiedergebe, die ich aus den Gesprächen mit Deutschen und aufgrund anderer Tatsachen gewonnen habe, kann ich mich natürlich nicht im Geringsten dafür verbürgen, dass die Deutschen, wenn sie solche Andeutungen in Umlauf bringen, dazu bereit wären, ernstlich und für eine lange Zeit eventuell entsprechende Verpflichtungen eingehen würden. Ich meine lediglich, dass sie es in nächster Zeit als denkbar erachten, auf eine Übereinkunft im Geiste des oben Dargelegten einzugehen, um uns zu diesem Preis im Falle eines Krieges mit Polen zu neutralisieren. Was aber den weiteren Verlauf betrifft, würde die Sache natürlich nicht von diesen Verpflichtungen abhängen, sondern von der neuen Situation, die im Zuge dieser Veränderungen eintreten könnte und die ich jetzt nicht vorherzusagen vermag.6 **Mit kameradschaftlichem Gruß**7 G. Astachov Paraphe V.P. Potemkins mit rotem Farbstift: VP. Vermerk mit blauem Farbstift: zu den A[kten]. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 4128 vom 10.8.1939. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 61, l. 129–126. Original. Veröffentlicht in: God krizisa 1938–1939, Bd. 2, Dok. 534, S. 178–180.
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Zur Antwort Molotovs auf diesen Brief vgl. Dok. 564, Anm. 3. Die Grußformel ist mit Tinte geschrieben.
10. 8. 1939 Nr. 563 Nr. 563 Aufzeichnung der Unterredung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre mit dem sowjetischen Geschäftsträger in Berlin Astachov Nr. 563 10. 8. 1939 10. 8. 1939 Berlin, den 10. August 1939 **Geheim!**1 e. o.W 1301/39 g Aufzeichnung Der Sowjetgeschäftsträger Astachoff war heute um 11 Uhr zu einer einstündigen Besprechung bei mir. Zunächst wurde die Reise der deutschen Teilnehmer an der landwirtschaftlichen Ausstellung in Moskau besprochen (vergl. hierüber besondere Aufzeichnung). Ich fragte sodann Astachoff, ob er etwas Neues aus Moskau über die zwischen uns besprochenen Fragen hätte. Astachoff bejahte dies und brachte Folgendes vor: Die zwischen uns gesprächsweise erörterte Frage, ob in der Präambel des Kredit-Vertrages ein politischer Gedanke aufgenommen werden sollte, sei auch in Moskau geprüft worden. *Man hielte es für richtiger, den Kredit- und Wirtschaftsvertrag nicht in Zusammenhang mit politischen Formulierungen zu bringen. Es wäre dies etwas ein Vorgreifen in die Zukunft.*2 Ich erwiderte Herrn Astachoff, dass dies auch unsere Auffassung sei. Astachoff sprach dann davon, dass er nochmals aus Moskau eine ausdrückliche Weisung bekommen habe zu betonen, dass die Sowjetregierung die Verbesserung der Beziehungen zu Deutschland wünsche. Hierdurch werde seine Erklärung, die er mir beim letzten Male abgegeben habe, noch verstärkt. Ich benutzte dies, um in dem nun folgenden Gespräch Astachoff Folgendes zu sagen: Wir hätten mit Befriedigung davon Kenntnis genommen, dass der SowjetRegierung daran gelegen sei, das Gespräch über die Verbesserung der deutschsowjetischen Beziehungen fortzuführen. Wir hätten gewünscht, dass Molotow uns seine grundsätzliche Auffassung über die sowjetische Interessenlage mitteilte, um weitere Gespräche besser in Gang zu bringen, und hätten geglaubt, dass es unsererseits verfrüht wäre, konkrete Fragen zu erörtern, solange wir nicht wüssten, wie sich die sowjetischen Interessen darstellten. Nun wäre aber immerhin eine Frage recht aktuell, und zwar *Polen*3. Der polnische Größenwahnsinn, der von England gedeckt werde, triebe Polen zu immer neuen Provokationen. Wir hofften nach wie vor, dass Polen irgendwie Vernunft annehme, sodass eine friedliche Lösung erreicht werden könnte. Wenn dies nicht geschehe, so sei es möglich, dass gegen unseren Willen und gegen unsere Wünsche auch eine kriegerische Lösung erfolgen müsste. Wenn wir uns, wie wir dies nunmehr verschiedentlich getan hätten, Moskau gegenüber zu einem großzügigen Interessenausgleich bereit erklärt hätten, so sei es für uns wichtig zu wissen, wie sich die *Sowjetregierung zu der Frage Polen*4 stelle. In Moskau würden ja nunmehr, nachdem die politischen Verhandlungen zu kei1 2 3 4
Das Wort ist handschriftlich und unterstrichen eingefügt. Der Text ist unterstrichen. Das Wort ist unterstrichen. Der Text ist unterstrichen.
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nem Ergebnis geführt hätten, militärische Verhandlungen mit England und Frankreich geführt. Wir glaubten kaum, dass entgegen der klaren Interessenlage sich die Sowjetregierung an der Seite Englands festlegen und sich ebenso wie England zum Garanten polnischer größenwahnsinniger Aspirationen machen würde. Es wäre natürlich ein schlechtes Entrée für die deutsch-sowjetischen Besprechungen, wenn als Ergebnis der Moskauer Militärverhandlungen doch eine Art Militärallianz unter Beteiligung der Sowjet-Union gegen uns beabsichtigt sei. Das wären daher Fragen, die uns in diesem Stadium unserer Besprechungen interessierten und von denen letzten Endes auch die Erfolgsaussichten der deutsch-sowjetischen Verständigung abhingen. Also einmal die Einstellung der Sowjet-Union gegenüber der polnischen Frage und zweitens die Absichten, die man in Moskau in den Militärverhandlungen mit England und Frankreich verfolge. Ich könne Herrn Astachoff nochmals versichern, wie dies ja schon verschiedentlich geschehen sei, dass auch im Falle einer kriegerischen Lösung die deutschen Interessen in Polen durchaus begrenzt seien. Sie brauchten in keiner Weise mit irgendwelchen sowjetischen Interessen zu kollidieren, wir müssten diese Interessen nur kennen. Wenn das Motiv für die von Moskau geführten Verhandlungen mit England das Gefühl der Bedrohung durch Deutschland im Falle eines deutsch-polnischen Konflikts sei, so seien wir unsererseits bereit, der Sowjet-Union jede gewünschte Sicherheit zu geben, die sicherlich mehr Bedeutung haben würde als eine Unterstützung durch England, die in Osteuropa doch niemals effektiv werden könnte. Astachoff war sehr interessiert, hatte aber natürlich keinerlei Instruktionen aus Moskau über das Thema Polen oder über das Thema der Moskauer Verhandlungen zu sprechen. Er verbreitete sich jedoch im Verlaufe des Gesprächs von sich aus ziemlich ausführlich über beide Themen.5 Die englischen Verhandlungen seien aufgenommen worden, als von einem deutschen Verständigungswillen noch nichts zu spüren gewesen sei. Die Verhandlungen seien mit wenig Enthusiasmus aufgenommen worden, aber man habe sie führen müssen, weil man sich gegen eine deutsche Bedrohung habe decken müssen und die Hilfe da hätte nehmen müssen, wo sie angeboten wurde. Die Situation sei sicherlich verändert, seitdem die Gespräche mit Deutschland in Gang gekommen wären. Man könne aber nun nicht einfach das abbrechen, was man aus wohl erwogenen Gründen angefangen habe. Zu welchem Ende die Verhandlungen führen würden, wäre seiner Auffassung nach unsicher und es wäre durchaus möglich, dass auch seine Regierung die Frage als völlig offen betrachte. Auch unser heutiges Gespräch werde ebenso wie die bisher geführten sicherlich in dieser Richtung wirken. Zur Frage Polen sagte er, dass es ihm zweifelhaft schiene, ob er über dieses massive Problem eine konkrete Antwort aus Moskau bekommen würde. Es hieße in diesem Stadium der Besprechungen wohl etwas den Karren vor den Gaul zu spannen, wenn man die Frage Polen jetzt schon definitiv zur Erörterung stellen wolle. Astachoff versuchte zu erfahren, ob in den nächsten Tagen mit deutschen Entscheidungen in der polnischen Frage zu rechnen sei und welches die deutschen Ziele gegenüber Polen wären. Ich wich der Beantwortung dieser Frage aus und habe dem Thema jedenfalls nicht diese Dring5 Über das Gespräch sandte Astachov am gleichen Tag ein Telegramm nach Moskau, das die Aussagen Schnurres wiedergab; vgl. SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 143, S. 202. Das Faksimile mit Verteiler ist abgedruckt in: http://1939.rusarchives.ru Nr. 338.
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12. 8. 1939 Nr. 564 lichkeit gegeben. Astachoff will berichten und auf die Fragen zurückkommen. Eine gesprächsweise gestellte Frage nach der etwaigen Rückkehr seines Botschafters konnte Astachoff nicht beantworten. Im Gegenteil, er fragte mich, ob wir nichts aus Moskau über Herrn Merekaloff gehört hätten. Er betonte jedoch, dass es für unsere Gespräche völlig gleich sei, wer in Berlin als amtlicher Vertreter der Sowjetregierung fungiere.6 gez. Schnurre Auf erstem Blatt am Seitenrand: n[ach] R[ückkehr] für U.St.S. Pol W[eizsäcker] 8.[8]. PA AA, R 29723, Bl. 23904-23908. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 18, S. 14–16.
6
Nr. 564 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Molotov Nr. 564 12. 8. 1939 12. 8. 1939 GEHEIM Expl. 11 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 2152 Berlin, 12.VIII.39 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN Gen. MOLOTOV Hochverehrter Vjačeslav Michajlovič, nach dem Erhalt Ihrer telegrafischen Weisungen3 suchte ich heute Schnurre auf4 und sagte ihm, dass eine Reihe der konkreten Themen (Kulturbeziehungen, Presse, „Auffrischung“ des Vertrags5, Polen), die zu unterschiedlichen Zeiten von ihm, Ribbentrop und Weizsäcker für Gespräche mit uns genannt worden sind, Ihr Interesse finden, Sie es aber für wünschenswert erachten, darüber in Moskau zu 6 Schnurre schickte am gleichen Tag diese Aufzeichnung an Graf von der Schulenburg, die am 12.8.1939 in Moskau ankam. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 20, S. 17. 1 2 3
Die Exemplarnummer wurde mit Tinte eingefügt. Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Am 12.8.1939 telegrafierte Molotov an Astachov: „Ich habe Ihren Brief vom 8. August erhalten. Die Liste der Einrichtungen interessiert uns. Die Gespräche darüber bedürfen der Vorbereitung und einiger Übergangsschritte vom Handels- und Kreditabkommen zu anderen Themen. Wir ziehen es vor, diese Fragen in Moskau zu besprechen.“ In: SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 144, S. 202. 4 Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 50, S. 48. 5 Gemeint ist der Neutralitätsvertrag (Berliner Vertrag) zwischen Deutschland und der UdSSR vom 24.4.1926. Vgl. DVP, Bd. IX, Dok. 141, S. 250–252; ADAP, Ser. B. Bd. II/1, Dok. 168, S. 402–403.
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sprechen und zudem „Schritt für Schritt“, jedoch nicht mit dem schwierigsten, zu beginnen. Ich habe nicht an die Fragen erinnert (Inhaftierte, Konsulate usw.), die in meinen Gesprächen mit den Deutschen hier keine Rolle spielten und die ich in meinem Brief6 erwähnt habe und die vermutlich in den in Moskau geführten Gesprächen behandelt werden. Schnurre versuchte sogleich zu präzisieren, ob diese meine Mitteilung die Antwort auf seine Bitte vom 10.VIII. ist, sich zu Polen7 zu äußern. Ich antwortete, dass es mir schwerfalle, mich im Einzelnen zu äußern, weil ich lediglich Ihre, sozusagen, summarische Haltung zu dem von der deutschen Seite zu unterschiedlichen Zeiten aufgeworfenen Fragenkomplex kenne, jedoch könne ich nicht behaupten, dass diese so in Bezug auf jede einzelne Frage zutreffe. Schnurre überlegte kurz und sagte dann, dass er alles das, was er gehört habe, nach oben übermitteln werde. Damit endete im Prinzip der inhaltliche Teil des Gesprächs. Somit haben wir Ribbentrop jetzt gewissermaßen auf dessen von Schnurre vorgetragenen wesentlichen Punkte8 geantwortet. Es bleibt jetzt abzuwarten, wie die weitere Reaktion der Deutschen in Bezug auf uns ausfallen wird. Die Ereignisse entwickeln sich schnell, und jetzt wollen die Deutschen sich offensichtlich nicht durch Zwischenstufen in Form von Gesprächen über die Presse, eine kulturelle Annäherung usw. aufhalten lassen, sondern direkt zu Gesprächen über Themen der territorial-politischen Ordnung übergehen, um sich freie Hand für den Fall eines Konflikts mit Polen zu verschaffen, der sich zusehends abzeichnet. Außerdem sind sie durch unsere Verhandlungen mit den englischen und französischen Militärs9 offensichtlich beunruhigt, denn sie geizen nicht mit Argumenten und Versprechungen in größtem Umfang, um ein eventuelles Militärabkommen zu verhindern. Dafür sind sie jetzt meiner Auffassung nach zu Erklärungen und Gesten bereit, die noch vor einem halben Jahr als völlig ausgeschlossen erschienen. Der Verzicht auf das Baltikum, Bessarabien, Ostpreußen (ganz zu schweigen von der Ukraine) – dies ist zum jetzigen Zeitpunkt das Minimum, auf das sich die Deutschen ohne lange Gespräche einlassen würden, wenn sie nur von uns die Zusicherung für die Nichteinmischung in den Konflikt mit Polen bekommen könnten. Ich gehe natürlich gar nicht darauf ein, in welchem Maße wir daran interessiert sind, wenn wir aber von den Deutschen irgendwelche Zusicherungen (und zu welchen Konditionen?) bekommen wollen, so wäre es vielleicht nicht verkehrt, sie darüber vor dem Nürnberger Parteitag10 in Kenntnis zu setzen, damit dies seinen Niederschlag in der Rede Hitlers, die schließlich von programmatischer Bedeutung ist, findet. Geschäftsträger der UdSSR in Deutschland G. Astachov
6 7 8 9
Vgl. Dok. 562. Vgl. Dok. 563. Vgl. Dok. 548. Diese Verhandlungen begannen am 12.8.1939. Vgl. God krizisa 1938–1939, Dok. 546– 548, 551, 554, 559, 560, 566, 581. 10 Der Parteitag der NSDAP in Nürnberg sollte vom 2.9. bis 11.9.1939 stattfinden, wurde aber am 26.8. abgesagt.
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12. 8. 1939 Nr. 565 Vermerk mit rotem Farbstift: von Gen. Astachov. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. 2 an die Adresse, 1 [Exemplar] zu den Akten. AVP RF, f. 06, op. 1, p. 7, d. 70, l. 1–2. Original. Veröffentlicht in: God krizisa 1938–1939, Bd. 2, Dok. 541, S. 185–18611.
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Nr. 565 Schreiben des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an den Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Molotov Nr. 565 12. 8. 1939 12. 8. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 2 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 2141 Berlin, 12.VIII.39 AN DEN VOLKSKOMMISSAR FÜR AUSWÄRTIGE ANGELEGENHEITEN Gen. MOLOTOV (Politisches Schreiben) Der Konflikt mit Polen wird mit zunehmender Geschwindigkeit akut und entscheidende Ereignisse können in kürzester Frist eintreten (falls natürlich keine anderen Weltereignisse losbrechen, die die Situation ändern könnten). Die Hauptlosungen – „Wiedervereinigung Danzigs mit dem Reich“, „Heim ins Reich“ – sind bereits ausgegeben, wobei nicht nur an Danzig gedacht ist, sondern an das gesamte deutsche Polen. Die Meldungen über „polnische Gräueltaten“ füllen täglich die Zeitungsspalten, und der Ton gegenüber Polen unterscheidet sich wenig von dem Ton gegenüber der Tschechoslowakei Anfang September des vergangenen Jahres. Der wesentliche Unterschied besteht jedoch darin, dass es keine persönlichen Schmähungen an die Adresse führender Politiker Warschaus gibt, womit man sich eine schmale Brücke für eine „friedliche“ Beilegung der Angelegenheit offenlässt. Es fehlt ebenso die im vergangenen Jahr beliebte These von der „Hand Moskaus“. Im Gegenteil, über uns wird entweder sorgfältig geschwiegen oder man ist bemüht, unsere Haltung als eine neutrale hinzustellen (telegrafische Meldung aus Moskau über die Reaktion unserer Presse auf die Rede Forsters2). Ansonsten verhält sich die Presse uns gegenüber weiterhin ausgesucht korrekt, wobei sogar Notizen (ein noch nie dagewesener Vorgang!) über unsere Erfolge auf dem Gebiet des Bauwesens erscheinen (Notiz über die Eisenbahnlinie Kazan’ - Bugul’ma3). Hingegen übersteigt die Verhöhnung Englands alle Grenzen des elementaren Anstands. 11
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Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Vgl. „Vystuplenie Forstera“ (Die Rede Forsters). In: Pravda vom 11. August 1939, S. 5. Mit dem 1939 begonnenen und durch den Krieg unterbrochenen Bau der Eisenbahnlinie zwischen den Städten Kazan’ und Bugul’ma in einer Länge von 354 km sollten die zentralen Gebiete der RSFSR an den Südural angeschlossen werden.
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Nr. 565
12. 8. 1939
Auch an anderen Symptomen für das Herannahen des wachsenden Konfliktes mangelt es nicht: eine verstärkte Truppenverlegung an die Ostgrenze, die Requirierung von Autos, die von ausländischen Militärattachés in Berlin und Dresden (und vielleicht auch in anderen Städten) bemerkt wurde, die starke Verknappung von Benzin, mit dessen rationierter Ausgabe an einigen Zapfsäulen begonnen wurde, die für jeden auch mit ungeschärftem Blick sichtbare Unruhe in der Bevölkerung wegen eines möglichen Krieges – dies ist bei weitem keine vollständige Aufzählung dieser Symptome. In offiziellen und inoffiziellen Gesprächen verhehlen die Deutschen selbst nicht, dass der Wendepunkt herangereift ist, und gestehen ein, dass man sich auf ihn zubewegt. Allerdings schränken sie vorbehaltlich ein, dass eine „friedliche“ Regelung auf der Grundlage ihrer Forderungen vom Frühjahr (Danzig und eine exterritoriale Verbindung durch den Korridor) möglich wäre. Sollten die Polen im Übrigen diesen Forderungen nachkommen, so ist schwerlich anzunehmen, dass die Deutschen davon abgehalten würden, die Frage nach Posen, Schlesien und dem Teschener Gebiet zu stellen. Im Wesentlichen läuft die Frage auf die Vorkriegsgrenze (wenn nicht gar mehr) hinaus. Wie auch immer sich die Deutschen bemühen mögen, den Eindruck zu vermitteln, dass sie in dem Fall zum Krieg bereit wären, dass Polen hartnäckig bleiben sollte, so ist dennoch zu spüren, dass sie im Grunde nicht mit einem Weltkrieg rechnen. Sie vertrauen nach wie vor darauf, dass es gelingt, Polen entweder einzuschüchtern oder mit einem derart schnellen Schlag einzunehmen, dass England es nicht einzugreifen schafft und sich danach mit den „realen Gegebenheiten“ abfindet, zumal es einer permanenten Bedrohung durch Japan 4 ausgesetzt ist. Die Perspektive, dass sich Japan dem deutsch-italienischen Bündnis anschließt, bleibt im Übrigen in der Reserve Berlins für den Fall, dass unser Abkommen mit England und Frankreich zustande kommt.5 Ein Eingreifen Frankreichs schreckt nicht und wird als kaum durchführbar angesehen. Was hingegen uns betrifft, so geistert in der Bevölkerung bereits überall die Version von einer neuen Ära der sowjetisch-deutschen Freundschaft umher, in deren Ergebnis sich die UdSSR nicht nur nicht in den deutsch-polnischen Konflikt einmischen wird, sondern auf der Grundlage des Handels- und Kreditabkommens6 Deutschland so viele Rohstoffe liefern wird, dass die Rohstoff- und Lebensmittelkrise vollständig überwunden werden wird. Diese Zuversicht hinsichtlich der Wiederherstellung der sowjetisch-deutschen Freundschaft können wir auf Schritt und Tritt in Gesprächen mit Ladenbesitzern, Frisören und Angehörigen unterschiedlicher Berufsgruppen verspüren. Die Antipathien, die die Polen immer in der Bevölkerung genossen, und die verdeckten Sympathien, die selbst in den schwärzesten Zeiten der antisowjetischen Kampagne uns gegenüber gehegt wurden, tragen jetzt Früchte und werden von der Regierung zu dem Zwecke ausgenutzt, die Bevölkerung in den Kurs der Außenpolitik einzubinden. Was den Zeitpunkt für eine mögliche Entscheidung betrifft, so ist es natürlich schwer ihn vorherzusagen, da ihn sicherlich nur wenige genau kennen, außer Hit4 Am 24.7.1939 wurde eine gemeinsame englisch-japanische Erklärung veröffentlicht, die die Ergebnisse der Verhandlungen zwischen Craigie und Arita zusammenfasste und die Beachtung der Interessen beider Seiten in China betraf. Vgl. Documents on British Foreign Policy 1919–1939, 3. Ser., Bd. IX, London 1955, Dok. 365, S. 313. 5 Vgl. Dok. 513. 6 Vgl. Dok. 562, Anm. 2.
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12. 8. 1939 Nr. 565 ler selbst natürlich. Die ausländischen Beobachter ergehen sich in Mutmaßungen, ob dies nun Ende August geschieht oder bis zum Ende des Nürnberger Parteitags verschoben wird, der ausgerechnet als „Parteitag des Friedens“ firmiert. Jedenfalls kann die Zuspitzung innerhalb einer Woche erfolgen. Es werden lediglich eine letzte kategorische Rede Hitlers und zwei bis drei Tage für eine solide Zusammenziehung der Truppen benötigt. Ob dies Ende August **oder**7 Mitte September geschehen wird, ist zur Zeit nicht zu sagen. Es ist daran zu erinnern, dass in den letzten Wochen in Kreisen der ausländischen Beobachter nicht wenig über die Schwächung der italienisch-deutschen Beziehungen gesprochen wurde. Man behauptete, dass Rom einen Krieg fürchtet, sich einer Verschärfung des Konflikts wegen Danzig widersetzt usw. Diese Gerüchte enthalten zweifellos ein Körnchen Wahrheit, zumal solche Erscheinungen wie die Aussiedlung von Deutschen aus Südtirol nach Sizilien8, das gesteigerte Interesse **der Deutschen**9 an Triest und ähnliches ebenfalls nicht als Zeichen für eine Verbesserung der Beziehungen dienen. Auch das letzte Treffen Ribbentrops mit Ciano10, dessen Ergebnisse noch nicht in vollem Umfang bekannt sind, diente offenbar dazu, die aufgebrochenen Risse zu kitten. Wie dem auch sei, es ist schwer vorstellbar, dass diese Gegensätze bereits jetzt eine derartige Schärfe angenommen hätten, dass sie den Gang der Ereignisse in allernächster Zeit radikal verändern könnten. Geschäftsträger der UdSSR in Deutschland G. Astachov Paraphe V.P. Potemkins mit blauem Farbstift: VP. Vermerk mit blauem Farbstift: zu den A[kten]. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 4236 vom 15.8.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 4 Expl. Das 1. [Exemplar] an Gen. Molotov, das 2. an Gen. Potemkin, das 3. an die Zentraleuropäische Abteilung, das 4. zu den Akten der Bevollmächtigten Vertretung. 12.VIII.39. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 61, l. 133–130. Original. Veröffentlicht in: God krizisa 1938–1939, Bd. 2, Dok. 542, S. 186–18811.
7 8
Das Wort ist mit Tinte über die Zeile geschrieben; ursprünglich: und. Vgl. Walter Freiberg (Hrsg.): Südtirol und der italienische Nationalismus: Entstehung und Entwicklung einer europäischen Minderheitenfrage, Bd. 2: Dokumente, Innsbruck 1990. 9 Der Text ist mit Tinte über die Zeile geschrieben. 10 Am 1.8.1939 in Salzburg. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VIII, S. 29, Anm. der Herausgeber. 11 Das Dokument wurde nach eigenen Redaktionsrichtlinien veröffentlicht.
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Nr. 566
12. 8. 1939
Nr. 566 Schreiben des Presseattachés der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Smirnov an den Leiter der Zentraleuropäischen Abteilung im NKID Aleksandrov Nr. 566 12. 8. 1939 12. 8. 1939 GEHEIM Expl. 3 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland 2171 Berlin, 12.VIII.39 AN DIE ZENTRALEUROPÄISCHE ABTEILUNG DES NKID Gen. ALEKSANDROV Am 7. August habe ich im Namen von VOKS für drei deutsche Vertreter die Einladung zum Besuch der Landwirtschaftsausstellung in Moskau überbracht. Diese Einladungen ergingen an Prof. Meyer, an Graf Grote, der Landesbauernführer des Landes Mecklenburg ist, und an den Ministerialdirektor Moritz. Am 11.VIII. gaben wir für die Abreisenden ein Frühstück, an dem außerdem Schliep und Schnurre vom Außenministerium zugegen waren. Die Deutschen äußerten den Wunsch, in Moskau mit einem sowjetischen Wissenschaftler zusammenzutreffen, wobei insbesondere der Name von Akademiemitglied Lysenko genannt wurde, dessen Arbeiten, so erklärte Prof. Meyer, hier einen großen Zuspruch genössen. Meyer sagte außerdem, dass Arbeiten von Akademiemitglied Prjanišnikov ins Deutsche übersetzt worden seien und in deutschen Landwirtschafts-Instituten als Lehrbücher empfohlen würden. Am 12.VIII. reisen die Deutschen über Bigosovo2 nach Moskau. Es wäre wünschenswert, ihnen in Moskau einen guten Dolmetscher zur Verfügung zu stellen, weil keiner von ihnen Russisch spricht, und ihnen gebührende Aufmerksamkeit zukommen zu lassen eingedenk der Tatsache, dass dies die ersten Vertreter aus Deutschland sind.3 Für ihre Reise nach Moskau interessiert sich Göring, da sie vor ihrer Abreise bei ihm waren. Vermutlich werden sie nach ihrer Rückkehr bei Hitler sein. Es wäre vielleicht angebracht, den Deutschen neben der Ausstellung einige landwirtschaftliche Wissenschaftseinrichtungen sowie eine Muster-Kolchose, unsere Museen und Theater zu zeigen. Vor ihrer Abreise gab ich ihnen Literatur über die UdSSR und begleitete sie zum Bahnhof. Presseattaché A. Smirnov Vermerk mit grünem Farbstift: Zu den Akten. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 4238 vom 15.08.1939. 1 2 3
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Grenzstation. Gemeint ist als Besucher der Allunionsausstellung für Landwirtschaft. Vgl. Dok. 538, Anm. 18.
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12. 8. 1939 Nr. 567 Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 5 Expl. Das 1. [Exemplar] an die Adresse, das 2. an Gen. Molotov, das 3. an Gen. Potemkin, das 4. an VOKS, das 5. zu den Akten. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 61, l. 134. Kopie.
Nr. 567 Schreiben des Presseattachés der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Smirnov an den Leiter der Zentraleuropäischen Abteilung im NKID Aleksandrov Nr. 567 12. 8. 1939 12. 8. 1939 Geheim1 N.P.O.2 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 1153 Berlin, 12.VIII.39 AN DEN LEITER DER ZENTRALEUROPÄISCHEN ABTEILUNG IM NKID Gen. ALEKSANDROV In einem der Briefe an das NKID und an VOKS habe ich einige Fragen aufgeworfen, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit von VOKS in Deutschland stehen. Leider wurde dieser Brief von uns nicht aufbewahrt, er befindet sich aber bestimmt in den Akten der Abteilung. In der Antwort auf diesen Brief erhielt ich von VOKS die Mitteilung, dass beabsichtigt sei, gemeinsam mit dem NKID einige Seiten der weiteren Tätigkeit von VOKS im besagten Land zu erörtern. Es geht nicht nur darum, nach Moskau diese oder jene offizielle Information für unsere wissenschaftlichen Einrichtungen zu übermitteln, sondern auch um eine ganze Reihe von anderen Fragen, die in diesem Brief angesprochen wurden. Was den Arbeitsumfang von VOKS in Deutschland betrifft, so ist er heute nicht groß. Unsere Kontakte sowohl mit einzelnen Bürgern als auch mit offiziellen deutschen Einrichtungen sind sehr begrenzt. Wir haben uns an das Auswärtige Amt mit der Bitte gewandt, einen Bücheraustausch einzurichten, jedoch hat man uns empfohlen, uns jeglicher Versendung von Druckerzeugnissen über VOKS zu enthalten, nicht nur an einzelne Bürger, sondern auch an offizielle Einrichtungen bis hin zur Stadtbibliothek in Berlin. Anfang dieses Jahres hatte ich zweimal den Versuch zu einem Gespräch in der *Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes*4 unternommen, um diese Fragen erneut zu erörtern, *ich wurde jedoch nicht empfangen*5. Nunmehr hat sich die Situation etwas verändert. Es ist möglich, dass der Arbeitsumfang etwas zunehmen wird. Vielleicht sollten diese Fragen erneut aufgegrif1 2 3 4 5
Das Wort wurde mit Tinte geschrieben und mit rotem Farbstift durchgestrichen. Ne podležit oglašeniju = Vertraulich. Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Der Text ist mit rotem Farbstift geschrieben. Der Text ist mit rotem Farbstift geschrieben.
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Nr. 568
13. 8. 1939
fen werden. Bevor man sie jedoch im Auswärtigen Amt vorbringt, wäre es wünschenswert, in Moskau vorab zu bestimmen, was wir unsererseits anzubieten haben und was wir von den Deutschen annehmen können. Vielleicht wäre es angebracht, die Liste unserer Organisationen durchzusehen, die mit deutschen wissenschaftlichen und sonstigen Organisationen in Kontakt stehen und nach Möglichkeit die Nützlichkeit dieser Kontakte zu benennen. Vorerst erfolgt unsere Tätigkeit über VOKS in Deutschland nicht unter deutschen Bürgern und Organisationen, sondern in der Hauptsache im diplomatischen Corps und unter ausländischen Journalisten, die wir mit allen laufenden Informationen über die UdSSR versorgen, ihnen geben wir Buchneuerscheinungen, die wir sowohl über VOKS als auch vom NKID erhalten. Da die deutsche Presse keine richtigen Informationen über die UdSSR bringt, wenden sich Ausländer oft direkt an uns. So sind Materialien insbesondere zu außenpolitischen und binnenwirtschaftlichen Fragen schnell vergriffen. Presseattaché A. Smirnov Vermerk A.M. Aleksandrovs mit rotem Farbstift: an Gen. Litvinov6. Alek[sandrov]. 16/VIII-39. Oben in der Mitte befindet sich der Stempel der Zentraleuropäischen Abteilung des NKID mit der Eingangs-Nr. 197 vom 15.8.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 3 Expl. *Das 1. [Exemplar] an die Adresse*7, das 2. an VOKS, das 3. zu den Akten. AVP RF, f. 82, op. 23, p. 73, d. 2, l. 18–19. Original.
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Nr. 568 Telegramm des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov an das NKID Nr. 568 13. 8. 1939 13. 8. 1939 Streng geheim Außer der Reihe Expl. Nr. 3 AUS BERLIN Nr. 10507 [13.VIII.1939] Ungeachtet der Sonntagsruhe rief Schnurre mich von außerhalb der Stadt zu sich und teilte mir im Namen von Ribbentrop, mit dem er ein Telefongespräch geführt hatte (Ribbentrop befindet sich in Salzburg), Folgendes mit: ausgehend von unserem Einverständnis, Gespräche über eine Verbesserung der Beziehungen zu führen, möchte die deutsche Regierung diese so bald wie möglich aufnehmen. Sie würde die Verhandlungen gern in Deutschland führen, da wir es aber vorzögen, sie in Moskau zu führen, gehe sie auch darauf ein. Sie wünsche jedoch, in diesem Fall die Verhandlungsführung einer Person aus dem engsten Kreis der Vertrauten Hit6 7
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Stellvertreter des Leiters der Zentraleuropäischen Abteilung im NKID. Der Text ist mit Tinte unterstrichen.
13. 8. 1939 Nr. 568 lers zu übertragen, einem alten Mitglied der Nationalsozialistischen Partei. Sie sei der Auffassung, dass sie, wenn sie solch eine Person nach Moskau entsende, uns damit auch einen Beweis für die Ernsthaftigkeit ihrer Absichten in der Kommission1 liefere, die Beziehungen zu verbessern. Diese Person würde mit Ihnen2 den Meinungsaustausch zu allen beide Seiten interessierenden Fragen führen und auch unseren Wunsch hinsichtlich der Reihenfolge berücksichtigen. Schnurre deutete an, dass Schulenburg nicht über diese Qualitäten verfüge3, und nannte als Beispiel den Namen Franks, des Reichsministers ohne Geschäftsbereich, der an der Spitze der Reichsjuristen4 steht. Frank, Mitglied der Partei seit ihrer Gründung, nahm mit Hitler an dem Putsch von München 1923 teil. Schnurre meint, da sich in Moskau im Zusammenhang mit der Ausstellung viele Ausländer aufhielten, könnte die Reise selbst einer solchen Persönlichkeit erfolgen, ohne besonderes Aufsehen zu erregen, das, allgemein gesprochen, unerwünscht wäre. Die deutsche Regierung möchte sehr gern so rasch wie möglich unsere Haltung zu diesem Projekt erfahren. Schnurre unterstrich, dass es nicht allein um Frank ginge, sondern generell um eine Persönlichkeit entsprechenden Formats.5 13.VIII.39 Geschäftsträger6 Veröffentlicht in: SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 147, S. 205.7
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So im Dokument. Gemeint ist Molotov. Eine ausführliche Aufzeichnung des Gesprächs im Diensttagebuch von Astachov enthält dazu folgende Bemerkung von Schnurre: „Schulenburg sei nicht derjenige (Schnurre fügte dies in einer vertraulichen persönlichen Mitteilung hinzu), der es gewohnt sei, über diese Angelegenheiten zu sprechen, Vorwürfe anzuhören usw.“ In: DVP, Bd. XXII, Dok. 465, S. 603. 4 Im Dokument in kyrillischen Buchstaben: juristrejcha. Frank war Leiter des Reichsrechtsamtes der NSDAP-Reichsleitung. 5 In der Aufzeichnung dieses Gesprächs ist dazu ausgeführt: „Sch[nurre] unterstrich, dass er den Namen lediglich als Beispiel genannt habe, um uns zu verdeutlichen, was für eine Person von Rang die deutsche Regierung im Sinn habe. Nur eine Person, die Hitler so nahestehe und so einflussreich sei, könne nach Auffassung der deutschen Regierung die deutsche Politik am ehesten exakt darlegen und uns kompetente Erklärungen und Zusicherungen geben. Sein Rang und seine Stellung wären der beste Beweis für die Ernsthaftigkeit der Absichten der deutschen Regierung, die Beziehungen zur UdSSR radikal zu verbessern. Natürlich, so fügte Sch. scheinbar von sich aus hinzu, wäre es am besten, wenn Ribbentrop direkt mit Molotov das Gespräch führen würde, da dies aber zurzeit nicht durchführbar sei, so wäre die Reise Franks oder einer ihm im Rang gleichgestellten Person das beste Mittel, den Verhandlungen einen größeren Rahmen und ein höheres Tempo zu verleihen.“ In: DVP, Bd. XXII, Dok. 465, S. 604. 6 Das Telegramm wurde zugestellt: Stalin, Molotov, Vorošilov, Kaganovič, Mikojan, Potemkin, Dekanozov, Lozovskij. 7 Die technische Beschreibung des Dokuments wurde präzisiert nach: http://1939.rus archives.ru
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Nr. 569
14. 8. 1939
Nr. 569 Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an den Staatssekretär im AA Freiherrn von Weizsäcker Nr. 569 14. 8. 1939 14. 8. 1939 Moskau, den 14. August 1939 Sehr geehrter Herr von Weizsäcker! Darf ich Ihnen für Ihr gefälliges Schreiben vom 7. ds. Mts.1 verbindlichst danken. Ich bin noch immer der Meinung, dass jedes stürmische Vorgehen in der Angelegenheit unserer Beziehungen zur Sowjetunion vermieden werden sollte; es wird fast immer schädlich wirken. So halte ich es für durchaus richtig, dass die Behandlung der Sowjetbotschaft in Berlin nur langsam aufgelockert wird. **2 In meiner letzten Unterredung mit Herrn Molotow3 waren wohl die Folgenden die Hauptpunkte: die Erklärungen über das Baltikum haben ihn bis zu einem gewissen Grade befriedigt, doch wünschte er zu wissen, ob wir in die Baltenstaaten auch Litauen einbeziehen. Auch meine Ausführungen zur polnischen Frage haben ihn sichtlich beeindruckt; er ist meinen Worten mit größter Aufmerksamkeit gefolgt. Hier ist vielleicht seine Bemerkung des Festhaltens wert: „Die Erfüllung des deutschen Wunsches, dass dem Reiche in der polnischen Frage keine ‚Lösung‘ aufgezwungen würde, hängt in erster Linie von Deutschland selbst ab.“ Herr Molotow wollte offenbar damit sagen, dass – was auch immer geschehen möge – die Schuld auf uns fallen würde. Endlich – und das scheint mir der wichtigste Punkt zu sein – verlangte Herr Molotow, dass wir nicht weiter die japanische „Aggression“ unterstützten. In diesem Zusammenhange ist es vielleicht nicht uninteressant, dass ein Mitglied der hiesigen, meist sehr gut unterrichteten Amerikanischen Botschaft einem unserer Herren gegenüber erklärt hat, wir könnten jeden Augenblick die britisch-französischen Verhandlungen umwerfen, wenn wir unsere Unterstützung Japans aufgäben, unsere Militärmission nach China zurückschickten und den Chinesen Waffen lieferten. Ich fürchte, dass diese amerikanischen Gedanken doch sehr optimistisch und nicht ohne weiteres durchführbar sind, aber der Herr Reichsaußenminister hatte ja zu diesem Punkte eigene Gedanken. Es müsste wohl in dieser Richtung etwas geschehen, wenn wir weiter kommen wollen. Die britische und französische Militärmissionen weilen nunmehr seit drei Tagen in Moskau. Die Sowjets haben keinerlei größeren Tamtam über ihr Eintreffen gemacht. Es haben bisher nur ganz wenige Besprechungen der Militärs stattgefunden, über deren Inhalt und Ergebnis noch nichts bekannt geworden ist. Ich nehme an, dass die Verhandlungen eine ganze Zeit lang dauern werden. Im Hinblick auf das Vorstehende möchte ich Folgendes ausführen: Ich habe die Anweisung erhalten, am Nürnberger Parteitag teilzunehmen, und soll am 1. September mit den übrigen Herren des auswärtigen Dienstes von Berlin nach Nürnberg reisen. Weiter muss ich mir dazu die neue graue Uniform machen lassen. 1 2
Vgl. PA AA, R 29854, o.P. An dieser Stelle stehen eine eckige Klammer und Anführunszeichen. Diesen Teil hat von Weizsäcker offenbar als Abschrift anfertigen lassen. 3 Vgl. Dok. 549.
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14. 8. 1939 Nr. 569 Obgleich alle Vorbereitungen getroffen sind, werde ich doch einen dreitägigen Aufenthalt in Berlin brauchen, um die letzten Anordnungen und Käufe zu erledigen. Das bedeutet, dass ich spätestens hier am 26. August werde abreisen müssen. Die mir zugegangenen Erlasse des Auswärtigen Amtes sind Runderlasse, wie sie offenbar jeder von uns erhalten hat. Wäre es nicht nach Lage der Dinge richtiger und notwendiger, dass ich dieses Mal nicht nach Nürnberg gehe, sondern hier bleibe? Ich vermag natürlich diese Dinge nicht mit Sicherheit zu übersehen, wollte aber wenigstens an Sie, **sehr geehrter Herr Staatssekretär**4, dieserhalb eine Anfrage richten. Ich halte es nach Lage der Dinge für sehr richtig, dass unsere politischen Gespräche mit der Sowjetunion in Berlin geführt werden. Im Hinblick auf die hiesigen Verhältnisse erscheint es mir aber sicher, dass ich von Zeit zu Zeit mit Herrn Molotow, der höchsten erreichbaren Persönlichkeit, werde sprechen müssen, sei es auch nur, um eine Beschleunigung herbeizuführen. Gespräche mit Herrn Molotow führe ich wohl sicher am besten und am leichtesten. Der merkwürdige Mann und schwierige Charakter hat sich jetzt an mich gewöhnt und hat in Gesprächen mit mir einen großen Teil seiner sonst stets gezeigten Zurückhaltung fallen gelassen. Jeder neue Mann würde von vorn anzufangen haben. Aber, wie gesagt, ich kann nicht übersehen, ob dieser Gesichtspunkt irgendwie durchschlagend ist oder ob die Teilnahme am Nürnberger Parteitage vorgehen muss. Ich würde Ihnen daher sehr dankbar sein, wenn Sie mir dieserhalb ein kurzes Telegramm zugehen lassen würden.**5 Mit den allerbesten Grüßen und mit Heil Hitler! bin ich, sehr geehrter Herr von Weizsäcker, Ihr stets ganz ergebener F. W. Schulenburg Eigenhändige Unterschrift. Auf erstem Blatt oben: zdA. Auf Kopfbogen des Deutschen Botschafters geschrieben. PA AA, R 29854, Bl. 228752-228755. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 61, S. 55–56.
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Der Text ist durchgestrichen. An dieser Stelle stehen eine eckige Klammer und Ausführungsstriche. In einer Aufzeichnung vom 16.8.1939 über ein Telefonat mit von Ribbentrop in Fuschl zitierte Weizsäcker wortwörtlich diesen Brief und fügte am Schluss hinzu: „Ich möchte dem Grafen Schulenburg antworten, er werde in etwa 8 Tagen einen Bescheid auf die von ihm gestellte Frage erhalten.“ In: PA AA, R 29854, o. P.
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Nr. 570
14. 8. 1939
Nr. 570 Auszug aus der Mitschrift des Generalstabschefs des Heeres Halder zu Ausführungen Hitlers Nr. 570 14. 8. 1939 14. 8. 1939 [14. August 1939] [...]
Zusammenfassung. Vormittag: Betrachtung der politischen Lage. Es gibt keinen Erfolg ohne Risiko, weder politisch noch militärisch. Ausgehend von den Risiken, die der Führer bei seinen bisherigen Entschlüssen laufen musste und die nach seiner Ansicht am Anfang groß, später immer kleiner wurden, betrachtet er das außenpolitische Risiko eines deutschen Angriffs auf Polen. Als Gegner kommt nur England – außer Polen selbst – in Frage, in seinem Schlepptau Frankreich. England wird nicht wieder wie 1914 in einen jahrelangen Krieg hineintappen. Das Gerede von dem langen Krieg, den England erstrebt, wird abgelehnt. Keine Staatsführung wird primär auf einen langen Krieg hinarbeiten. England kennt den Krieg und weiß, dass es in einem Kriege zu verlieren hat, nie aber soviel zu gewinnen, als ihm der Krieg kostet. Das ist das Schicksal reicher Staaten. England ist infolge der Übergröße seines Reiches mit Verantwortung überlastet. Es hat keine Führer von großem Ausmaß. („Die Männer, die ich in München kennen gelernt habe, machen keinen neuen Weltkrieg.“) Man weiß außerdem, dass man es mit einem anderen Deutschland zu tun hat als 1914 (Sozialismus, Kirche). (Wofür sollte England kämpfen? Für einen Verbündeten stirbt man nicht.) Das Geld, um einen Weltkrieg durchzufechten, hat heute auch England nicht. Auf Kredit wird ihm nicht geliefert. Frankreich hat von sich aus kein Interesse, einen Krieg zu führen. Russland denkt nicht daran, England die Kastanien aus dem Feuer zu holen, wird Krieg vermeiden. Ein verlorener Krieg ist für Stalin ebenso gefährlich wie eine [eigene] siegreiche Armee. Sein Interesse geht höchstens auf die baltischen Staaten. Norwegen, Schweden, Dänemark neutral aus innerster Überzeugung. Durch Englands Werben um Russland stark verstimmt. Schweiz, Belgien, Holland: Schweiz sicher neutral. Holland desgleichen. Belgien wird versuchen, neutral zu bleiben. Es kann als Kriegsschauplatz nur verlieren. Möglich, dass zunächst noch Strömungen für Beteiligung an Frankreichs Seite bestehen. Wenn die Kanonen sprechen, werden sie schweigen. Also werden England und Frankreich die Last auf sich nehmen müssen. Auch die Balkanstaaten werden nicht helfen können.
Militärische Wertung der Gegner: England hat zur See gegenüber dem Vorjahr nicht gewonnen. Zu Lande dauert es Monate, bis die vermehrte Rekruteneinstellung sich in Form brauchbarer Verbände auswirkt. In der Luft Fortschritte: Bomber, Jäger, Bodenorganisation verbessert. Flakabwehr noch nicht grundsätzlich verbessert. Im Ganzen also noch im Entwicklungsstadium etwa wie bei uns 1934. Frankreich ist durch seine Menschenzahl in der Leistung begrenzt. Kolonialtruppen gebunden.
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14. 8. 1939 Nr. 570 Bewaffnung nicht im idealen Zustand. Führer würde an Stelle französisch-englischer Staatsführer Verantwortung für einen Weltkonflikt nicht übernehmen. 125 Millionen stehen gegen 80.
Was könnte Frankreich-England militärisch tun? Angriff gegen Westwall unwahrscheinlich. Bei Ausholen nördlich durch Belgien und Holland ist ein rascher Erfolg ausgeschlossen. Den Polen wird also nicht geholfen. Blockade wirkt langsam und führt zu gefährlichen Gegenwirkungen.
Alles das spricht dafür, dass England und Frankreich nicht in den Krieg eintreten, zumal kein Zwang für sie besteht. Verträge sind noch nicht ratifiziert. Formel: „Nach allen Kräften unterstützen“ ist innerlich nicht ehrlich gemeint. Beweis: England gibt Polen kein Geld mit dem es Waffen in anderen Staaten kaufen könnte. Politiker fangen an, abzubauen, decken sich hinter Bericht Ironside. Englischer und französischer Generalstab beurteilen Aussichten eines bewaffneten Konfliktes sehr nüchtern und raten ab. Dafür, dass von englischer Seite kein entscheidendes Handeln zu erwarten ist, spricht vor allem auch die Haltung Polens. Polen wäre noch viel frecher, wenn es sich auf England verlassen könnte. England hat Polen wegen der letzten Noten1 schwere Vorhalte gemacht und bremst dauernd. Abgehörte Gespräche in Polen! England streckt schon jetzt Fühler aus, wie sich der Führer die Weiterentwicklung nach der Erledigung Polens denkt. Daher Überzeugung, dass England vielleicht sehr laute Töne machen wird, vielleicht Gesandten abberufen, vielleicht Handelsverkehr ganz drosseln, aber nicht bewaffnet in den Konflikt eingreifen wird. […] Veröffentlicht in: Generaloberst Halder. Kriegstagebuch, S. 12–142.
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Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VI, Dok. 774, S. 900–902 und Bd. VII, Dok. 10, S. 7–8. Kurze Tagebuch-Auszüge wurden bereits in Trials of War Criminals before the Nuremberg Military Tribunals (der „Grünen Reihe“) veröffentlicht sowie in: ADAP, Ser. D, Bd. VII, Anhang I, S. 461–466.
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Nr. 571
14. 8. 1939
Nr. 571 Telegramm des Reichsaußenministers von Ribbentrop an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 571 14. 8. 1939 14. 8. 1939 Entziffertes Telegramm Abgang aus Berlin, den 14. August 1939 22 Uhr 53 Min. Ankunft in Moskau, den 15. August 4 Uhr 40 Min. Citissime! Nr. 175 vom 14. August. Für Herrn Botschafter persönlich. Ich bitte Sie, Herrn Molotow aufzusuchen und ihm Folgendes mitzuteilen: 1.) Der **weltanschauliche Gegensatz zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und der UdSSR**1 war in den vergangenen Jahren die alleinige Ursache, dass sich Deutschland und **UdSSR in zwei**2 getrennten und sich bekämpfenden Lagern gegenüberstanden. Die Entwicklung der neueren Zeit scheint zu zeigen, dass die verschiedenen Weltauffassungen ein vernünftiges Verhältnis zwischen den beiden Staaten und die Wiederherstellung neuer guter Zusammenarbeit nicht ausschließen. Die Periode der außenpolitischen Gegnerschaft könnte damit ein- für allemal abgeschlossen, und der Weg für eine neue Zukunft der beiden Länder frei werden. 2.) Reale Interessengegensätze zwischen Deutschland und **der UdSSR** bestehen nicht. Deutschlands und **der UdSSR**3 Lebensräume berühren sich, aber in ihren natürlichen Bedürfnissen überschneiden sie sich nicht. Hiermit fehlt von vornherein jede Ursache einer aggressiven **Tendenz**4 eines Landes gegen das andere. *Deutschland hat*5 keinerlei aggressive Absichten gegen die UdSSR. Die Reichsregierung ist der Auffassung, dass es zwischen Ostsee und Schwarzem Meer keine Frage gibt, die nicht zur vollen Zufriedenheit beider Länder geregelt werden könnte. Hierzu gehören Fragen wie: Ostsee, Baltikum, Polen, Südost-Fragen usw. Darüber hinaus könnte politische Zusammenarbeit beider Länder nur nützlich sein. Dies trifft auch auf die deutsche und **sowjetische**6 Wirtschaft zu, die sich nach jeder Richtung ergänzen. 3.) Es unterliegt keinem Zweifel, dass die deutsch-**sowj.**7 Politik heute an einem geschichtlichen Wendepunkt angelangt ist. Die in der nächsten Zeit in Berlin und Moskau zu fassenden politischen Entschlüsse werden für die Gestaltung der Beziehungen zwischen dem deutschen **Volk und den Völkern der UdSSR**8 auf Generationen von entscheidender Bedeutung sein. Von ihnen wird es abhängen, ob die beiden Völker eines Tages erneut und ohne zwingenden Grund die Waffen kreu1 Der Text ist korrigiert; ursprünglich: Gegensatz zwischen der nationalen Idee, verkörpert durch das nationalsozialistische Deutschland, und der Idee der Weltrevolution, verkörpert durch die UdSSR. 2 Der Text ist korrigiert; ursprünglich: Russland in zwei weltanschaulich. 3 Die beiden Textstellen sind korrigiert; ursprünglich: Russland/Russlands. 4 Das Wort ist handschtiftlich hinzugefügt. 5 Der Text ist unterstrichen. 6 Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: russische. 7 Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: russische. 8 Der Text ist korrigiert; ursprünglich: und russischen Volk.
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14. 8. 1939 Nr. 571 zen, oder ob sie wieder zu **einem**9 freundschaftlichen Verhältnis kommen werden. Beiden Ländern ist es früher immer gut gegangen, wenn sie Freunde waren, und schlecht, wenn sie Feinde waren. 4.) Wahr ist, dass sich Deutschland und **die UdSSR**10 durch die Jahre der weltanschaulichen Gegnerschaft heute misstrauisch gegenüberstehen. Viel Schutt, der sich angesammelt hat, ist noch zu beseitigen. Festzustellen ist aber, dass auch während dieser Zeit die natürliche Sympathie der Deutschen für das Russische nie verschwunden ist. Hierauf kann die Politik der beiden Staaten neu aufbauen. 5.) Die Reichsregierung und die Sowjetregierung müssen nach allen Erfahrungen damit rechnen, dass die kapitalistischen westlichen Demokratien unversöhnliche Feinde sowohl des nationalsozialistischen Deutschlands wie auch **der UdSSR**11 sind. Sie versuchen heute erneut, durch Abschluss eines Militärbündnisses **die UdSSR**12 gegen Deutschland in den Krieg zu hetzen. **1914 ist das russische Regime an dieser Politik zerbrochen.**13 Es ist das zwingende Interesse beider Länder, dass ein Zerfleischen Deutschlands und **der UdSSR**14 im Interesse der westlichen Demokratien für alle Zukunft vermieden wird. 6.) Die durch die englische **Politik** 15 hervorgerufene Zuspitzung der deutsch-polnischen Beziehungen sowie die englische Kriegstreiberei und die damit verbundenen Bündnisbestrebungen machen eine baldige Klärung des deutschrussischen Verhältnisses erforderlich. Die Dinge könnten sonst ohne deutsches Zutun einen Verlauf nehmen, der beiden Regierungen die Möglichkeit abschneidet, die deutsch-**sow.** Freundschaft wieder herzustellen und gegebenenfalls auch territoriale Fragen Osteuropas gemeinsam zu klären. Die Führung in den beiden Ländern sollte daher die Dinge nicht treiben lassen, sondern zur rechten Zeit zupacken. Verhängnisvoll würde es sein, wenn aus gegenseitiger Unkenntnis der Auffassungen und Absichten die beiden Völker endgültig auseinandertreiben würden. Bei der Sowjetregierung bestehe, wie uns mitgeteilt wurde, ebenfalls der Wunsch nach einer Klärung des deutsch-**sow.**16 Verhältnisses. Da aber nach den bisherigen Erfahrungen diese Klärung durch den üblichen diplomatischen Kanal nur langsam herbeigeführt werden kann, ist **H[err] RAM v. R.**17 bereit, zu einem kurzen Besuch nach Moskau zu kommen, um namens [des] Führers Herrn Stalin die Auffassung des Führers auseinanderzusetzen. Nur durch eine solche unmittelbare Aussprache ist nach **Auffassung des H. v. R.**18 eine Änderung herbeizuführen, und es sollte nicht unmöglich sein, hierbei das Fundament für eine endgültige Bereinigung der deutsch-russischen Beziehungen zu legen. Zusatz: Ich bitte Herrn Molotow diese Instruktion nicht schriftlich zu geben, sondern wörtlich vorzulesen. Ich lege Wert darauf, dass dieselbe möglichst genau 9 10 11 12 13
Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: neuem. Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: Sowjetrussland. Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: Sowjetrussland. Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: Russland. Der Satz ist in eckige Klammern gesetzt und am Seitenrand steht der Satz: 1914 hat diese Politik für Russland schlimme Folgen gehabt. 14 Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: Russlands. 15 Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: Taktik. 16 Die beiden Wörter sind korrigiert; ursprünglich: russischen. 17 Der Text ist korrigiert; ursprünglich: bin ich. 18 Das Wort ist korrigiert; ursprünglich: meiner Auffassung.
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Nr. 572
15. 8. 1939
an Herrn Stalin gelangt und ermächtige Sie, hiermit *gegebenenfalls*19 bei Herrn Molotow in meinem Auftrage eine Audienz bei Herrn Stalin nachzusuchen, damit Sie ihm diese wichtige Mitteilung auch unmittelbar machen können. Neben der Aussprache mit Molotow20 wäre eine eingehende Unterredung mit Stalin Voraussetzung meines Besuchs. Ribbentrop Auf erstem Blatt oben: A 1766/39 und erl. z.d.A. T[ippelskirch] 25/8. Auf letztem Blatt unten maschinenschriftlich: Gefertigt in 2 Exemplaren: 1) zu den Sachakten A 2) zur chronol. Sammlung. Dies ist Nr. 1. PA AA, Moskau 484, Bl. 260350-260353. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 56, S. 51–52.
19
20
Nr. 572 Aufzeichnung der Unterredung des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Molotov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 572 15. 8. 1939 15. 8. 1939 Geheim1 15. August 1939 Schulenburg entschuldigt sich für die Hartnäckigkeit, mit der er heute um einen Empfang bei Gen. Molotov gebeten habe. Aber diese Hartnäckigkeit sei mit Instruktionen, die er aus Berlin erhalten habe2, sowie dem Charakter der Fragen zu erklären, die er darzulegen wünsche3. Schulenburg teilt mit, ihm sei aus dem Gespräch Astachovs mit Ribbentrop4 bekannt, dass die sowjetische Regierung an Verhandlungen interessiert sei, es aber als nicht zweckmäßig erachte, diese in Berlin fortzuführen5. Gen. Molotov antwortet, dass Gen. Astachov dafür nicht die nötige Erfahrung besitze und wir es deshalb für notwendig hielten, diese Verhandlungen hier zu führen. 19 20 1 2 3
Das Wort ist unterstrichen. Vgl. Dok. 572.
Die Geheimhaltungsstufe wurde ergänzt nach: DVP, Bd. XXII, Dok. 468, S. 606–608. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 56, S. 51–52. Astachov telegrafierte am 15.8. an Molotov, dass Schnurre ihn über eine bevorstehende Mitteilung von der Schulenburgs für den Volkskommissar informiert habe, die über „die bisherigen Gespräche hinausgeht, womit sich der Vorschlag der Reise Franks von selbst erübrigt, weil er von etwas viel Bedeutenderen übertroffen wird“. Vgl. SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 148, S. 205. Das Telegramm kam in Moskau um 23.10 Uhr an; vgl. http://1939.rus archives.ru. 4 Am 3.8.1939. Vgl. Dok. 547. 5 In dem Telegramm vom 3.8.1939, das an Graf von der Schulenburg über das erwähnte Gespräch zwischen von Ribbentrop und Astachov übermittelt wurde, findet sich kein Hinweis auf die mangelnde Bereitschaft der sowjetischen Seite, die Verhandlungen in Berlin fortzusetzen (Dok. 552). Die Weisung Molotovs, dass die sowjetische Regierung die Verhandlungen in Moskau zu führen wünsche, wurde Astachov am 12.8. übermittelt. Vgl. Dok. 564.
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15. 8. 1939 Nr. 572 Schulenburg teilt mit, dass er beauftragt sei, die aus Berlin erhaltene Instruktion mündlich darzulegen, doch würde er sie gern vorlesen (Anlage: vollständiger Text der Weisung6). Im Auftrag von Ribbentrop bittet Schulenburg darum, die von ihm vorgetragene Instruktion Gen. Stalin vorzulegen. Gen. Molotov antwortete7, dass er angesichts der Wichtigkeit der von Schulenburg abgegebenen Erklärung die Antwort geben werde, nachdem er nach diese Erklärung der sowjetischen Regierung vorgetragen habe. Aber bereits jetzt könne er den in dieser Erklärung zum Ausdruck gebrachten Wunsch der deutschen Regierung, die Beziehungen zur UdSSR verbessern zu wollen, begrüßen. Was jedoch die Reise Ribbentrops nach Moskau betreffe, so sei es nach Auffassung von Gen. Molotov notwendig, entsprechende Vorbereitungen zu treffen, damit der Meinungsaustausch zu Ergebnissen führe. Gen. Molotov betont, dass seine Ausführungen die vorbehaltliche Auffassung zu diesem Vorschlag darstellten. Sodann teilt Gen. Molotov Schulenburg mit, dass schon Ende Juni unser Geschäftsträger in Italien8 uns telegrafisch über sein Gespräch mit Ciano berichtet hat. Ciano hätte im Gespräch mit unserem Geschäftsträger von einem in Berlin existierenden „Schulenburg-Plan“, wie sich Ciano ausdrückte, gesprochen, der eine Verbesserung der sowjetisch-deutschen Beziehungen vorsehe. Der „Schulenburg-Plan“ sehe anscheinend vor: 1) die Mitwirkung Deutschlands bei der Regelung der Beziehungen der UdSSR zu Japan und bei der Beilegung der Grenzkonflikte mit diesem; 2) den Abschluss eines Nichtangriffspaktes und die gemeinsame Garantie für die baltischen Länder; 3) den Abschluss eines umfassenden Wirtschaftsabkommens mit der UdSSR.9 Gen. Molotov fragt Schulenburg, inwieweit die aus Rom erhaltene Mitteilung zutreffe. Schulenburg errötete zuerst stark und sagte dann, dass Ciano diese Informationen von Rosso erhalten hätte, mit dem Schulenburg lediglich in allgemeinen Zügen über eine Verbesserung der sowjetisch-deutschen Beziehungen gesprochen habe. Schulenburg bestätigt, dass er in diesem Gespräch über die Regelung der Beziehungen der UdSSR zu Japan gesprochen habe, hingegen sei von gegenseitigen Garantien für die baltischen Länder nicht die Rede gewesen. Das Gespräch sei nicht in Einzelheiten gegangen, und dieser Plan basiere einfach nur auf den Annahmen Rossos. Gen. Molotov sagt, dass er in den Vorschlägen des erwähnten „Schulenburgs-Plans“ nichts Unmögliches sehe, zumal das Handels- und Kreditabkommen offenbar vor dem Abschluss stehe und auch eine Verbesserung der politischen Beziehungen zwischen Deutschland und der UdSSR angestrebt werde, wie aus der heutigen Erklärung des Botschafters ersichtlich sei. Schulenburg erklärt, dass all das, was er mit Rosso bezüglich der Ostsee und einer möglichen Verbesserung der Beziehungen der UdSSR zu Japan besprochen habe, seinen Niederschlag in der heute vorgelesenen Instruktion gefunden habe. Schulenburg ergänzt, dass seine jüngsten Vorschläge noch konkreter wären. Gen. Molotov erklärt Schulenburg, dass wir aus unserer Erfahrung wüssten, dass Deutschland bis in die jüngste Zeit hinein nicht um eine Verbesserung der Be6
Wird nicht veröffentlicht. Vgl. God krizisa 1938–1939, Bd. 2, Dok. 556, Anhang, S. 232–
233. 7 8 9
Der grammatikalische Zeitenwechsel so im Dokument. Lev Borisovič Gel’fand. Vgl. God krizisa 1938–1939, Bd. 2, Dok. 437, S. 62.
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Nr. 572
15. 8. 1939
ziehungen bemüht gewesen sei, wir aber dieses Bestreben selbstverständlich begrüßen und es positiv aufnähmen. Gen. Molotov fügt hinzu, dass er die heutige Erklärung des Botschafters genau in diesem Sinne auffasse. An den „SchulenburgPlan“, fährt Gen. Molotov fort, habe er erinnert, weil er in die gleiche Richtung wie die heutige Erklärung Schulenburgs weise. Schulenburg fragt, ob die Punkte des von Gen. Molotov erwähnten „Plans“ zur Grundlage für weitere Verhandlungen genommen werden könnten. Gen. Molotov bemerkt dazu, dass man jetzt in konkreteren Formen sprechen müsse. Wir rechneten mit einem positiven Ausgang der sowjetisch-deutschen Wirtschaftsverhandlungen. Was hingegen die sowjetisch-japanischen Beziehungen betreffe, so fragt Gen. Molotov, ob Deutschland Einfluss auf diese Angelegenheit nehmen könne oder ob es gegenwärtig unzweckmäßig sei, diese Frage aufzuwerfen. Schulenburg antwortet, dass dazu nichts in der Instruktion ausgeführt sei, jedoch habe Ribbentrop Gen. Astachov darauf hingewiesen, dass er seine eigene Konzeption in Bezug auf Japan verfolge und Ribbentrop seinerzeit dem Botschafter gesagt habe, er hätte die Möglichkeit, „seinen nicht geringen Einfluss auf die Haltung Japans“ geltend zu machen. Gen. Molotov fragt Schulenburg, ob die deutsche Regierung eine bestimmte Haltung zum Abschluss eines Nichtangriffspaktes mit der UdSSR habe. Schulenburg antwortet, dass diese Frage mit Ribbentrop noch nicht erörtert worden sei. Die deutsche Regierung nehme in dieser Sache weder eine positive noch eine negative Haltung ein. Gen. Molotov erklärt, dass es im Zusammenhang damit, dass sowohl Ribbentrop als auch Schulenburg von einer „Auffrischung“ und von einer Ergänzung der in Kraft befindlichen sowjetisch-deutschen Abkommen gesprochen hätten, wichtig wäre, die Auffassung der deutschen Regierung zu einem Nichtangriffspakt oder zu etwas Ähnlichem in Erfahrung zu bringen. Schulenburg fragt, ob die von Gen. Molotov erwähnten Punkte als Voraussetzung für eine Reise Ribbentrops hierher zu betrachten seien. Gen. Molotov erklärt, dass er Schulenburg gesondert einbestellen und ihm eine Antwort auf die heutige Erklärung geben werde.10 Vor der Anreise Ribbentrops müssten nach Auffassung von Gen. Molotov bestimmte Fragen vorbereitet werden, um Entscheidungen treffen zu können, und nicht bloß Verhandlungen zu führen. In der heutigen deutschen Erklärung sei ausgeführt, dass, erstens, die Zeit dränge, es eile und dass, zweitens, es wünschenswert sei, dass die Ereignisse uns nicht überholen und uns vor vollendete Tatsachen stellen würden. Deshalb müsse man, falls sich die deutsche Regierung zur Idee eines Nichtangriffspaktes oder zu einer analogen Idee positiv verhalte und falls die heutige Erklärung Schulenburgs ähnliche Ideen einschließt, konkreter sprechen. Schulenburg teilt mit, dass er den Inhalt des heutigen Gesprächs nach Berlin telegrafieren11 und dabei das besondere Interesse der sowjetischen Regierung an den von Gen. Molotov genannten Punkten unterstreichen werde. Zum Abschluss bittet Schulenburg Gen. Molotov, die Antwort auf die heute abgegebene Erklärung zu beschleunigen.12 10 11 12
575.
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Vgl. Dok. 576. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 70, S. 63–64. Zur Aufzeichnung von der Schulenburgs über das Gespräch mit Molotov vgl. Dok. 573,
16. 8. 1939 Nr. 573 Das Gespräch dauerte 1 Stunde und 40 Minuten13, davon entfielen 40 Minuten auf die Aufzeichnung des Textes der Erklärung (Instruktion) Schulenburgs, da der Botschafter das Papier, auf dem sie geschrieben war, nicht aushändigen wollte. Das Gespräch hat aufgezeichnet: V. Pavlov Veröffentlicht in: God krizisa 1938–1939, Bd. 2, Dok. 556, S. 229–231.
13
Nr. 573 Bericht des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an das AA Nr. 573 16. 8. 1939 16. 8. 1939 Moskau, den 16. August 1939 Geheim! Durchschlag Tgb. Nr. A/1773 An das Auswärtige Amt Berlin Im Anschluss an anderweitige Meldung vom 15.8.39.1 Inhalt: Besprechung mit Molotow vom 15.8.39. In der Anlage beehre ich mich, eine Aufzeichnung über meine gestrige Unterredung mit Molotow zu übersenden. Die Unterredung verlief in einer sehr freundschaftlichen Form und Molotow zeigte sich dabei aufgeschlossener als je. Auf die beabsichtigte Entsendung des Reichsministers und Reichsleiters Herrn Dr. Frank nach Moskau kam Molotow nicht zu sprechen. gez. Graf von der Schulenburg [Anlage] Moskau, den 16. August 1939 Geheim Aufzeichnung Die Unterredung mit Molotow am 15. August d. Js. um 20 Uhr leitete ich mit der Feststellung ein, dass nach den uns gewordenen Mitteilungen die Sowjetregierung Interesse habe, die politischen Besprechungen fortzusetzen, es jedoch vorziehe, sie in Moskau zu führen.2 Molotow erwiderte, dass dies zutreffend sei. 13 Das Gespräch fand von 20.00 bis 21.40 Uhr im Kreml statt. Vgl. das Protokoll über den Empfang von Ausländern durch den Genossen Molotov im Jahr 1939; in: AVP RF, f. 06, op. 1, p. 1, d. 2, Bl. 3. 1 2
Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 70, S. 63–64. Vgl. das Telegramm Molotovs vom 12.8.1939. In: SSSR-Germanija 1933–1941, Dok. 144, S. 202 sowie das Telegramm Schnurres vom 14.8.1939 über das Gespräch mit Astachov. In: ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 50, S. 48.
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Nr. 573
16. 8. 1939
Sodann verlas ich Herrn Molotow den Inhalt der mir aufgetragenen Mitteilung3, deren deutscher Wortlaut sofort absatzweise ins Russische übertragen wurde. Auch von dem Inhalte des Zusatzes zu der mir erteilten Instruktion gab ich Molotow Kenntnis. Meine Mitteilung, dass ich gegebenenfalls im Auftrage des Herrn Reichsaußenministers eine Audienz bei Herrn Stalin nachsuchen solle sowie die Feststellung, dass neben der Aussprache mit Molotow eine eingehende Unterredung des Herrn Reichsaußenministers mit Stalin die Voraussetzung für den angekündigten Besuch bilde, nahm Molotow zur Kenntnis. Zu dem Wunsche des Herrn Reichsaußenministers, dass der Inhalt der Instruktion möglichst genau an Herrn Stalin gelangt, machte Molotow eine zustimmende Geste. Molotow hörte beim Verlesen der Instruktion mit gespannter Aufmerksamkeit zu und wies seinen Sekretär4 an, sich möglichst eingehende und wortgetreue Notizen zu machen. Molotow erklärte sodann, dass er angesichts der Wichtigkeit meiner Mitteilungen mir nicht sofort Antwort geben könne, sondern vorerst seiner Regierung Bericht erstatten müsse. Schon jetzt könne er aber erklären, dass die Sowjetregierung die von deutscher Seite zum Ausdruck gebrachte Absicht, eine Verbesserung der Beziehungen zur Sowjetunion herbeizuführen, lebhaft begrüße. Vorbehaltlich weiterer Mitteilungen, die er mir nach erfolgter Unterrichtung seiner Regierung in Kürze machen würde, wolle er vorläufig als seine eigene Ansicht Nachstehendes zu dem Vorschlage der Deutschen Regierung zum Ausdruck bringen. Die Verwirklichung einer Reise des Herrn Reichsaußenministers nach Moskau erfordere eine eingehende Vorbereitung, damit der beabsichtigte Meinungsaustausch ein Ergebnis zeitige. In diesem Zusammenhange bäte er mich um Mitteilung, ob Folgendes den Tatsachen entspräche. Die Sowjetregierung habe Ende Juni d. Js. von ihrem Geschäftsträger in Rom5 einen telegraphischen Bericht über dessen Unterredung mit dem Italienischen Außenminister Ciano erhalten. In dieser Unterredung habe Ciano gesagt, dass ein deutscher Plan existiere, der sich eine entschiedene Besserung der deutsch-sowjetischen Beziehungen zum Ziele setze. Dabei habe Ciano aus dem Plane nachfolgende Punkte erwähnt: 1.) Deutschland würde nicht abgeneigt sein, auf Japan hinsichtlich einer Verbesserung seiner Beziehungen zur Sowjetunion und einer Beseitigung der Grenzkonflikte einzuwirken; 2.) Ferner wurde die Möglichkeit erwogen, mit der Sowjetunion einen Nichtangriffspakt zu schließen und die Baltenstaaten gemeinsam zu garantieren; 3.) Deutschland sei zu einem Wirtschaftsabkommen mit der Sowjetunion auf breiter Basis bereit. Der Inhalt der vorstehenden Punkte habe bei der Sowjetregierung großes Interesse hervorgerufen und er – Molotow – möchte gern wissen, was an diesem Plan, den Ciano dem Sowjetgeschäftsträger in der soeben vorgetragenen Form entworfen habe, wahr sei.
3 4 5
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Vgl. Dok. 571. Vladimir Nikolaevič Pavlov. Lev Borisovič Gel’fand. Vgl. Dok. 572, Anm. 9.
16. 8. 1939 Nr. 573 Ich erwiderte, die Mitteilungen Cianos beruhten offenbar auf einem Bericht des hiesigen Italienischen Botschafters Rosso, wovon auch wir bereits gehört hätten. Der Inhalt dieses Berichts bestehe im Wesentlichen aus Kombinationen Rossos. Auf eine Zwischenfrage Molotows, ob sich Rosso seine Angaben aus den Fingern gesogen habe, erwiderte ich, dass dies nur bedingt richtig sei. Wir wünschten – wie Molotow wisse – tatsächlich eine Verbesserung der deutsch-sowjetischen Beziehungen und hätten natürlich darüber nachgedacht, wie eine solche Verbesserung herbeigeführt werden könnte. Das Ergebnis dieses Nachdenkens sei in meinen Molotow bekannten Weisungen und in den Erklärungen des Herrn Reichsaußenministers und des Herrn Schnurre gegenüber Herrn Astachow niedergelegt. Molotow erwiderte, dass ihn die Frage, ob Rosso seine Regierung richtig informiert habe, nicht weiter interessiere. Es komme der Sowjetregierung im gegenwärtigen Zeitpunkt vor allem darauf an, zu wissen, ob Pläne, wie sie in dem Berichte Rossos enthalten seien, oder etwas ähnliches tatsächlich existiert hätten und ob sich die Deutsche Regierung noch mit solchen Gedankengängen befasse. Er, Molotow, habe nach Kenntnisnahme des Berichts aus Rom nichts Unwahrscheinliches darin gefunden. Die Sowjetregierung habe in diesen ganzen letzten Jahren unter dem Eindruck gestanden, dass die Deutsche Regierung nicht den Wunsch habe, eine Verbesserung der Beziehungen zur Sowjetunion herbeizuführen. Jetzt liege die Sache anders. Aus den Besprechungen, die in den letzten Wochen stattgefunden hätten, habe die Sowjetregierung die Überzeugung gewonnen, dass es der Deutschen Regierung mit ihren Absichten, eine Änderung des Verhältnisses zur Sowjetunion herbeizuführen, wirklich ernst sei. Als entscheidend betrachte er *die heutige Erklärung*6, die diesen Wunsch besonders prägnant und deutlich zum Ausdruck bringe. Was die Sowjetregierung betreffe, so sei sie zur Frage guter Beziehungen zu Deutschland immer positiv eingestellt gewesen und freue sich, dass dies nunmehr auch auf deutscher Seite der Fall sei. Ob nun Einzelheiten, wie sie der Bericht Rossos enthalten habe, deutscherseits tatsächlich ins Auge gefasst worden seien oder nicht, sei von nicht so ausschlaggebender Bedeutung. Er – Molotow – habe den Eindruck, dass daran schon viel Wahres sein müsse, da sich diese Gedanken in der gleichen Linie bewegten, die sich schon seit Monaten auf deutscher Seite herausgebildet hätte. Er stelle in dieser Verbindung mit Genugtuung fest, dass die Wirtschaftsverhandlungen in Berlin fortschritten und offensichtlich einem guten Ende zusteuerten. Ich bemerkte, dass auch uns der Verlauf der Wirtschaftsverhandlungen befriedige und fragte, wie er sich nun den weiteren modus procedendi in den politischen Besprechungen vorstelle. Molotow wiederholte, dass ihn vor allem eine Antwort auf die Frage interessiere, ob auf deutscher Seite der Wunsch bestehe, die im Bericht Rossos aufgeführten Punkte zu konkretisieren? So z. B. wolle die Sowjetregierung wissen, ob Deutschland reale Möglichkeiten sehe, auf Japan im Sinne einer Besserung seines Verhältnisses zur Sowjetunion einzuwirken. „Wie steht es ferner mit der Idee des Abschlusses eines Nichtangriffspaktes? Ist die Deutsche Regierung sympathisch hierzu eingestellt oder ist diese Frage noch nicht näher erörtert worden?“ fügte Molotow wörtlich hinzu. 6
Der Text ist unterstrichen.
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Nr. 573
16. 8. 1939
Ich erwiderte, was das Verhältnis zu Japan betreffe, so habe der Herr Reichsaußenminister bereits zu Herrn Astachow gesagt, dass er über diese Frage seine besonderen Anschauungen habe. Hieraus könne wohl geschlossen werden, dass der Herr Reichsaußenminister bereit sei, sich auch für diese Frage zu interessieren, zumal sein Einfluss auf die Japanische Regierung bestimmt nicht gering sei. Molotow sagte, dass ihn dies alles sehr interessiere und ließ an dieser Stelle die Zwischenbemerkung fallen, dass Ciano dem Sowjetischen Geschäftsträger erklärt habe, er werde die Gedanken des Rosso-Berichts voll unterstützen. Er fuhr fort, dass es der Sowjetregierung in Verbindung mit der beabsichtigten Reise des Herrn Reichsaußenministers nach Moskau wichtig sei, eine Antwort auf die Frage zu erhalten, ob die Deutsche Regierung bereit sei, mit der Sowjetunion einen Nichtangriffspakt oder etwas ähnliches abzuschließen. Bei einer früheren Gelegenheit sei von der Möglichkeit einer „Belebung und Auffrischung früherer Verträge“ die Rede gewesen. Ich bestätigte Herrn Molotow, dass wir tatsächlich an eine Neuordnung der Dinge entweder in Anknüpfung an Vergangenes oder gegebenenfalls auf einer neuen Grundlage dächten. Sodann fragte ich ihn, ob ich ihn so verstehen dürfe, dass die von ihm aufgeworfenen Fragen den Gegenstand der Moskauer Besprechungen des Herrn Reichsaußenministers bilden würden und dass er sie mir nur mitgeteilt hätte, damit ich den Herrn Reichsaußenminister auf diese Fragen vorbereite. Molotow erwiderte, dass er mir zur Frage der Herreise des Herrn Reichsaußenministers noch eine zusätzliche Antwort geben würde. Es scheine ihm aber, dass für diese Reise eine vorherige Klärung und Vorbereitung gewisser Fragen notwendig sei, damit es in Moskau nicht bei Gesprächen verbleibe, sondern auch Entscheidungen getroffen werden könnten. Er erkenne die Berechtigung meines Hinweises, dass eine baldige Klärung erwünscht sei, durchaus an. Auch er habe die Ansicht, dass Eile geboten sei, damit man durch die Ereignisse nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werde. Er müsse daher wiederholen, dass wenn die Deutsche Regierung zu der Idee des Abschlusses eines Nichtangriffspaktes positiv eingestellt sei und wenn meine heutige Erklärung diese oder eine ähnliche Idee einschließe, so müsse über diese Frage zunächst konkret verhandelt werden. Er bäte mich, meine Regierung in diesem Sinne zu verständigen. gez. Graf von der Schulenburg Auf erstem Blatt unter: Für Büro St.S. und zdH[and]a[kten]. PA AA, R 29723, Bl. 23934-23941. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 79, S. 72–75.
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16. 8. 1939 Nr. 574 Nr. 574 Schreiben des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg an den Staatssekretär im AA Freiherrn von Weizsäcker Nr. 574 16. 8. 1939 16. 8. 1939 Moskau, den 16. August 1939 Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Aus meiner gestrigen Unterredung mit Herrn Molotow1 möchte ich in aller Geschwindigkeit Folgendes besonders hervorheben: Herr Molotow war ganz außerordentlich entgegenkommend und aufgeschlossen. Ich habe den Eindruck, dass der Vorschlag des Besuches des Herrn Reichsministers Herrn Molotow **persönlich**2 erheblich schmeichelte und dass er ihn als einen wirklichen Beweis für unsere guten Absichten betrachtet. (Ich erinnere daran, dass – Zeitungsmeldungen zufolge – Moskau seinerzeit verlangt hatte, England und Frankreich sollten einen Kabinettsminister hierher entsenden, und dass stattdessen nur Herr Strang gekommen ist, weil London und Paris sich darüber geärgert hätten, dass man Herrn Woroschilow nicht gestattet hatte, der Einladung zu den englischen Manövern Folge zu leisten, was in Wirklichkeit eine ganz andere Sache ist, da die großen Sowjetrussen bisher niemals ins Ausland gereist sind.) Bemerkenswert erscheint mir weiter in den gestrigen Ausführungen des Herrn Molotow seine erstaunliche Mäßigung in seinen Forderungen gegen uns. Er hat das Wort „Antikominternpakt“ überhaupt nicht in den Mund genommen und hat nicht mehr, wie in seiner letzten Unterredung, von uns „Unterlassung“ der Unterstützung der japanischen Aggression verlangt. Er hat sich begnügt mit dem Wunsch, dass wir einen sowjetisch-japanischen Ausgleich herbeiführen möchten. Bedeutsamer ist sein ziemlich klar zum Ausdruck gebrachter Wunsch, mit uns einen Nichtangriffspakt abzuschließen. Trotz aller Bemühungen ist es uns nicht gelungen, vollkommen klar zu ermitteln, was Herr Molotow in der Frage des Baltikums wünscht. Es scheint, dass er die Frage einer gemeinschaftlichen Garantie der Baltenstaaten nur als einen Punkt in dem Bericht des Herrn Rosso erwähnt, nicht aber ausdrücklich das Verlangen geäußert hat, dass wir eine solche Garantie aussprechen. Eine solche gemeinsame Garantie scheint mir dem Verhalten der Sowjetregierung in den britisch-französischen Verhandlungen zu **widersprechen**3. Es sieht im Augenblick tatsächlich so aus, als ob wir in den hiesigen Verhandlungen den gewünschten Erfolg erzielen würden. Mit herzlichen Grüßen und mit Heil Hitler! bin ich, sehr geehrter Herr Staatssekretär, Ihr stets ganz ergebener gez. Graf von der Schulenburg Auf erstem Blatt: Frhr. v. Weizsäcker Bln. AA, unten Stempel. Ab 17.8.39 mit Flug-Kurier v. Herwarth. 1 2 3
Vgl. Dok. 573. Das Wort ist von Schulenburg eingefügt. Das Wort ist von Schulenburg korrigiert; ursprünglich: entsprechen.
1427
Nr. 575
16. 8. 1939
PA AA, Moskau 560, Bl. 178545-178547. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 88, S. 82–83.
Nr. 575 Telegramm des Reichsaußenministers von Ribbentrop an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 575 16. 8. 1939 16. 8. 1939 Telegramm Geheimes Chiffrierverfahren [16.8.1939]1 **Citissime Diplogerma Moskau Nr. 179**2 Für Botschafter persönlich Ich bitte Sie, sich sofort erneut bei Herrn Molotow anzumelden3 mit dem Bemerken, Sie hätten ihm zu der gestrigen Mitteilung für Herrn Stalin eine soeben aus Berlin eingegangene ergänzende Instruktion mitzuteilen, die sich auf die von Herrn Molotow gestellten Fragen bezöge. Herrn Molotow bitte ich dann Folgendes zu sagen: 1.) Die von Herrn Molotow vorgebrachten Punkte decken sich mit den deutschen Wünschen. Das heißt, Deutschland ist bereit, einen Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion abzuschließen und zwar, wenn Sowjetregierung das wünscht, unkündbar auf die Dauer von 25 Jahren. Ferner ist Deutschland bereit, die baltischen Staaten gemeinsam mit der Sowjetunion zu garantieren. Endlich entspricht es durchaus dem deutschen Standpunkt und Deutschland ist bereit dazu, seinen Einfluss für eine Besserung und Konsolidierung der russisch-japanischen Beziehungen einzusetzen. 2.) Der Führer ist der Auffassung, dass in Anbetracht der gegenwärtigen Lage und der Möglichkeit des jederzeitigen Eintretens ernster Ereignisse (bitte hierzu Herrn Molotow zu erklären, dass Deutschland nicht gewillt ist, die polnischen Provokationen auf die Dauer hinzunehmen) eine grundsätzliche und schnelle Klärung des deutsch-russischen Verhältnisses und der beiderseitigen Einstellung zu den aktuellen Fragen erwünscht ist. Aus diesem Grunde erkläre ich mich bereit, von Freitag, den 18.8., jederzeit im Flugzeug nach Moskau zu kommen mit der Vollmacht des Führers, über den Gesamtkomplex der deutsch-russischen Fragen zu verhandeln und gegebenenfalls entsprechende Verträge zu unterzeichnen. 1 Das Telegramm wurde am 16.8.1939 um 14.30 Uhr vom Obersalzberg an das AA geschickt mit folgendem Begleittext: „Bitte nachstehendes Telegramm sofort direkt an Staatssekretär von Weizsäcker persönlich übergeben, der gebeten wird, das Telegramm sofort zur Absendung nach Moskau bringen zu lassen.“ 2 Der Text ist handschriftlich eingefügt. 3 Um 15.45 Uhr schickte von Weizsäcker bereits ein kurzes Telegramm an Graf von der Schulenburg mit der Bitte, sich sofort bei Molotov anzumelden; die dazu gehörige Weisung werde gerade chiffriert; vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 73, S. 67. Dieses Telegramm lag Schulenburg am 16.8.1939 um 23 Uhr vor; vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 92. S. 85. Das vorliegende Telegramm ging in Moskau am 17.8.1939 um 1.00 Uhr ein; vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 75, Anm. 3, S. 70.
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17. 8. 1939 Nr. 576 Zusatz: Ich bitte, diese Instruktion wiederum wörtlich Herrn Molotow vorzulesen und eine umgehende Stellungnahme der Russischen Regierung bzw. Herrn Stalins zu erbitten.4 Ganz vertraulich sei für Ihr Vorgehen noch hinzugefügt, dass es für uns von ganz besonderem Interesse wäre, wenn mein Moskauer Besuch Ende dieser oder Anfang nächster Woche stattfinden könnte. Ribbentrop Auf erstem Blatt unten Vermerk der Telegramm-Kontrolle: Abges.: Teil 1–3 16.8. 16.00 p. Fernschr., Teil 4–5 16.8. 16.10 p. Fernschr. Auf letztem Blatt unten: Sofort absenden Weizsäcker 16/8. Auf Formular der Fernschreibstelle des Auswärtigen Amtes geklebt. PA AA, R 29723, Bl. 23923-23924. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 75, S. 70.
4
Nr. 576 Aufzeichnung der Unterredung des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Molotov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 576 17. 8. 1939 17. 8. 1939 Geheim1 17. August 1939 Schulenburg teilt mit, dass er bereits Antwort aus Berlin2 erhalten habe. In Berlin arbeitet man offenbar schnell, ergänzt er. Diese Antwort wolle er im Auftrag der deutschen Regierung verlesen. Schulenburg hebt dabei hervor, dass die von Gen. Molotov am 15. August3 dargelegten Punkte mit den Wünschen der deutschen Regierung übereinstimmen. Danach las Schulenburg die Antwort der deutschen Regierung vor.4 Hier bemerkt Schulenburg von sich aus, dass der Punkt über die gemeinsame Garantie für die baltischen Staaten in diese Antwort deshalb aufgenommen worden sei, weil, wie es der deutschen Regierung scheine, die sowjetische Regierung dies wünsche. Wir haben, fügt Schulenburg hinzu, Gen. Molotov nicht ganz verstanden: hat er in dem Gespräch am 15. August den von Rosso dargelegten Plan wiederholt oder wollte er damit den Wunsch der sowjetischen Regierung selbst zum Ausdruck bringen? Die deutsche Regierung hat gedacht, dass sie, indem sie dies aufgenommen hat, damit dem Wunsch der sowjetischen Regierung entgegenkomme. Gen. Molotov erklärt, dass dieser Punkt einer Präzisierung bedürfe. An der Stelle, wo die Rede davon ist, dass das Eintreten schwerwiegender Ereignisse ins Auge zu fassen ist, erläutert Schulenburg, dass Deutschland nicht gewillt sei, polnische Provokationen hinzunehmen. 4
Vgl. Dok. 576.
1 2 3 4
Die Geheimhaltungsstufe wurde ergänzt nach: DVP, Bd. XXII, Dok. 470, S. 609–611. Vgl. Dok. 575. Vgl. Dok. 572. Vgl. Dok. 575, Punkte 1 und 2.
1429
Nr. 576
17. 8. 1939
In Ergänzung zu der vorgetragenen Instruktion bittet Schulenburg entsprechend einer ihm privatim erteilten Weisung Molotov darum, die Verhandlungen mit Ribbentrop in dieser oder in der nächsten Woche aufzunehmen. Der Instruktion Ribbentrops folgend bittet Schulenburg anschließend darum, die Antwort zu beschleunigen. Gen. Molotov sagt, dass er bereits im Besitz der Antwort zu den deutschen Vorschlägen vom 15. August sei und sie Schulenburg in schriftlicher Form aushändigen könne. Ich muss im Voraus darauf aufmerksam machen, fährt Gen. Molotov fort, dass Gen. Stalin im Bilde ist und die Antwort mit ihm abgestimmt ist. Gen. Stalin teilt die Position, die ich im Namen der sowjetischen Regierung vortrage. Bei der Erläuterung der verlesenen Antwort der sowjetischen Regierung unterstreicht Gen. Molotov, dass in der Antwort davon die Rede sei, dass vor der Aufnahme von Verhandlungen über eine Verbesserung der politischen Beziehungen die Verhandlungen über das Kredit- und Handelsabkommen zum Abschluss zu bringen seien. Dies werde der erste Schritt sein, der auf dem Wege zur Verbesserung der Beziehungen gemacht werden müsse. Der zweite Schritt werde darin bestehen, entweder den Vertrag von 19265 zu bekräftigen, was Schulenburg offenbar im Sinn gehabt habe, als er über die Auffrischung dieses Vertrages sprach, oder einen Nichtangriffsvertrag plus Protokoll zu Fragen der Außenpolitik, an denen die vertragschließenden Parteien interessiert seien, abzuschließen. Zur Frage einer Anreise Ribbentrops übergehend erklärt Gen. Molotov, dass wir es zu schätzen wüssten, dass die deutsche Regierung diese Frage stelle und mit dem Vorschlag, einen führenden Staatsmann nach Moskau zu entsenden, die Ernsthaftigkeit ihrer Absichten unterstreiche, im Gegensatz zu den Engländern, die den zweitrangigen Beamten Strang nach Moskau geschickt hätten. Doch vor der Ankunft Ribbentrops sei es unerlässlich, entsprechende Vorbereitungen zu treffen, und wir wollten vorzeitig kein großes Aufsehen erregen. Gen. Molotov fragt Schulenburg, ob es nicht möglich wäre, kein Aufsehen zu erregen, sondern das zu tun, was auf dem Wege der Verbesserung der Beziehungen liege. Danach richtet Gen. Molotov an Schulenburg die Frage, wie er die Perspektiven für den ersten und für die folgenden Schritte einschätze. Was die Kreditverhandlungen betreffe, antwortet Schulenburg, so habe er den Eindruck gewonnen, dass das Abkommen nicht von heute auf morgen zustande kommen werde.6 Zum zweiten Schritt werde Schulenburg nach Berlin telegrafieren und einen Vertragsentwurf anfordern. Schulenburg sieht aber Schwierigkeiten bezüglich des Zusatzprotokolls. Darauf erklärt Gen. Molotov, dass man einen Entwurf für einen Nichtangriffspakt oder die Bekräftigung des alten Neutralitätsvertrages haben müsse. Es sei unumgänglich, das eine oder das andere zu machen; die deutsche Regierung habe die Wahl. Es wäre gut, den Entwurf des Paktes zu bekommen, und danach könne man zum Protokoll übergehen. Schulenburg sagt, egal, ob Abschluss eines neuen Nichtangriffspaktes oder Bekräftigung des alten Neutralitätsvertrages, so könne es sich dabei nur um einen einzigen Paragraphen handeln. Denn der Schwerpunkt werde seiner Auffassung 5 6
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Vgl. Dok. 564, Anm. 5. Vgl. Dok. 562, Anm. 2.
17. 8. 1939 Nr. 576 nach auf dem Protokoll liegen, und deshalb wäre es wünschenswert, von der sowjetischen Regierung wenigstens eine Skizze des Protokolls zu bekommen. Das Protokoll werde von großer Bedeutung sein, unterstreicht Schulenburg, weil bei dessen Abfassung solche Fragen einfließen werden wie die Frage der Garantie für die baltischen Länder usw. Gen. Molotov sagt, dass er nicht im Besitz einer Antwort der deutschen Regierung bezüglich des Nichtangriffspaktes gewesen sei, eine Frage, die vonseiten der deutschen Regierung vorher überhaupt nicht gestellt worden sei. Die heutige Antwort sei zu prüfen. Die Frage bezüglich des Protokolls sei bislang nicht im Detail entwickelt. Bei dessen Abfassung würden im Übrigen sowohl von deutscher als auch von sowjetischer Seite die Punkte geprüft, die in der deutschen Erklärung vom 15. August angesprochen seien. Die Initiative für die Abfassung des Protokolls müsse nicht nur von der sowjetischen, sondern auch von der deutschen Seite ausgehen. Natürlich dürfen die Fragen, die in der deutschen Erklärung vom 15. August angesprochen seien, nicht in den Vertrag einfließen, sondern sie müssten in das Protokoll aufgenommen werden. Die deutsche Regierung solle sich das überlegen. Es sei anzunehmen, dass der Vertrag 4 bis 5 Punkte enthalten werde und nicht nur einen, wie Schulenburg meine. Schulenburg erklärt, er habe keinen Zweifel, dass die deutsche Regierung bereit sei, einen Paktentwurf zu liefern. Der Leiter der Rechtsabteilung im Auswärtigen Amt7 werde eine Aufgabe wie die Erstellung eines Vertragsentwurfs glänzend bewältigen. Er werde aber sicher auf Schwierigkeiten bei der Abfassung des Protokolls stoßen, und deshalb wäre es wünschenswert, zwecks Erleichterung der Arbeit vorab eine Skizze dazu zu haben, was es beinhalten solle. Offen bleibe zum Beispiel die Frage der Garantien für die baltischen Länder. Vielleicht sollte im Protokoll die Erklärung vom 15. August einfließen, in der ausgeführt werde, dass Deutschland die Interessen der UdSSR im Ostseeraum berücksichtigen werde? Gen. Molotov antwortet, dass der Inhalt des Protokolls Gegenstand von Erörterungen sein müsse. Das Handelsabkommen befinde sich bereits im Endstadium, man müsse entweder den Entwurf eines Nichtangriffspaktes oder die Bekräftigung des Vertrages von 1926 vorbereiten, und im Zuge der Prüfung dieser Frage könne man zu konkreteren inhaltlichen Punkten des Protokolls übergehen. Schulenburg sichert zu, von Berlin einen Vertragsentwurf zu erbitten. Was das Protokoll betreffe, so werde er darum bitten, es auf der Grundlage der deutschen Erklärung vom 15. August abzufassen und dort eine allgemeine Formulierung zur Berücksichtigung der Interessen im Baltikum durch Deutschland aufzunehmen.8 Aufgezeichnet hat V. Pavlov9 [ANLAGE 1] AIDE-MÉMOIRE, 7 8
Friedrich Gaus. Zur Aufzeichnung von Schulenburgs über dieses Gespräch vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 105, S. 95–96. 9 Das Gespräch fand von 20.00 bis 21.20 Uhr im Kreml statt. Vgl. das Protokoll über den Empfang von Ausländern durch den Genossen Molotov im Jahr 1939; in: AVP RF, f. 06, op. 1, p. 1, d. 2, Bl. 3.
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VON F. SCHULENBURG AM 17. AUGUST 1939 V.M. MOLOTOV ÜBERREICHT10 [ANLAGE 2] AIDE-MÉMOIRE, VON V.M. MOLOTOV AM 17. AUGUST 1939 F. SCHULENBURG ÜBERREICHT Die sowjetische Regierung hat die ihr am 15. August d. J. von Herrn Schulenburg übermittelte Erklärung der deutschen Regierung über ihren Wunsch, die politischen Beziehungen zwischen Deutschland und der UdSSR ernsthaft zu verbessern, zur Kenntnis genommen. Bis in die letzte Zeit hinein ging die sowjetische Regierung, eingedenk offizieller Erklärungen einzelner Vertreter der deutschen Regierung, die nicht selten unfreundlichen, sogar feindlichen Charakters gegenüber der UdSSR waren, davon aus, dass die deutsche Regierung einen Vorwand für einen Zusammenstoß mit der UdSSR sucht, sie sich auf diesen Zusammenstoß vorbereitet und nicht selten die Notwendigkeit zur Steigerung ihrer Rüstungen mit der Unausweichlichkeit solcher Zusammenstöße begründet. Ganz zu schweigen davon, dass die deutsche Regierung unter Ausnutzung des sogenannten Antikomintern-Paktes die Errichtung einer Einheitsfront einer Reihe von Staaten gegen die UdSSR anstrebte und betrieb, wobei sie mit besonderer Hartnäckigkeit um Japan warb. Verständlicherweise zwang diese Politik der deutschen Regierung die UdSSR dazu, ernsthafte Maßnahmen zur Vorbereitung der Abwehr einer möglichen Aggression gegenüber der UdSSR vonseiten Deutschlands zu ergreifen und sich folglich an der Schaffung einer Verteidigungsfront von einigen Staaten gegen eine solche Aggression zu beteiligen. Wenn jedoch jetzt die deutsche Regierung eine Abkehr von der alten Politik in Richtung einer ernsthaften Verbesserung der politischen Beziehungen zur UdSSR unternimmt, so kann die sowjetische Regierung solch eine Wendung nur begrüßen und ist ihrerseits bereit, ihre Politik im Geiste einer ernsthaften Verbesserung im Verhältnis zu Deutschland umzugestalten. Wenn man dazu den Umstand hinzufügt, dass die sowjetische Regierung gegenüber Deutschland niemals aggressive Absichten hatte und sie auch nicht haben will, dass sie die Auffassung vertrat und auch weiterhin vertritt, dass eine friedliche Lösung strittiger Fragen auf dem Gebiet der Beziehungen zwischen Deutschland und der UdSSR absolut möglich ist, dass das Prinzip der friedlichen Koexistenz verschiedener politischer Systeme ein altes Prinzip der Außenpolitik der UdSSR ist, so kann man zu dem Schluss gelangen, dass es nicht nur eine reale Basis für die Anbahnung neuer, verbesserter politischer Beziehungen zwischen den beiden Staaten gibt, sondern auch die Bedingungen, um schon jetzt ernsthafte praktische Schritte in diese Richtung zu unternehmen.
10 Vgl. Dok. 575, Punkte 1 und 2. Bei der Übersetzung ins Russische traten folgende Änderungen auf: In Punkt 1 steht statt „mit den deutschen Wünschen“ die Formulierung „mit den Wünschen der deutschen Regierung“ sowie statt „Ferner ist Deutschland bereit“ der Ausdruck „Ferner ist die deutsche Regierung bereit“. Außerdem sind die Personen mit ihrer Funktion bezeichnet.
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18. 8. 1939 Nr. 577 Die Regierung der UdSSR ist der Auffassung, dass der erste Schritt für eine solche Verbesserung der Beziehungen zwischen der UdSSR und Deutschland in dem Abschluss des Handels- und Kreditabkommens bestehen könnte. Die Regierung der UdSSR ist der Auffassung, dass der zweite Schritt nach einer kurzen Frist in dem Abschluss eines Nichtangriffspaktes oder in der Bekräftigung des Neutralitätspaktes von 1926 mit gleichzeitiger Annahme eines speziellen Protokolls über die Interessen der vertragschließenden Parteien zu der einen oder anderen Frage der Außenpolitik, das zu einem organischen Bestandteil des Paktes werden sollte, bestehen könnte. Veröffentlicht in: God krizisa 1938–1939, Bd. 2, Dok. 570, S. 269–271, 272–273.
Nr. 577 Aufzeichnung der Unterredung des sowjetischen Geschäftsträgers in Berlin Astachov mit dem Leiter des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre Nr. 577 18. 8. 1939 18. 8. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 6 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 2201 Berlin, 18.VIII.39 TAGEBUCH G. ASTACHOVS [...]2 17.VIII. Schnurre lud mich zu ungewohnter Stunde (9.30 Uhr) zu sich. Er informiert mich über den Text der Erklärung, die Schulenburg gegenüber Gen. Molotov in Beantwortung der zusätzlichen Fragen3 abgeben soll, die während des vorherigen Gesprächs4 gestellt worden sind. Die Antwort ist insgesamt zustimmend abgefasst. Danach beklagt sich Sch[nurre] bitter über die „Überraschung“, die ihm unsere Handelsdelegation (Gen. Babarin) am Vortag bereitet habe, die eine vollkommen neue Formulierung der sogenannten „Goldklausel“5 anstelle derjenigen präsentiert habe, die wir doch vor ein paar Tagen unterbreitet hätten und die von der deutschen Seite akzeptiert worden sei. Die neue Formulierung hält Sch. für dermaßen unverständlich und verworren, dass allein für deren Klärung die deutsche Seite die Stellungnahme von mindestens 12 Einrichtungen einholen und eine spezielle Expertise in Auftrag geben müsste. Damit drohe die Unterzeichnung auf lange Frist vertagt zu werden, obgleich es zu allen anderen Punkten keine wesentlichen Diver1 2
Die Ausgangsnummer ist mit Tinte geschrieben. Ausgelassen sind die Aufzeichnungen über Besuche, Treffen und Gespräche vom 12. bis 16.8.1939 (l. 177–174). 3 Vgl. Dok. 575. 4 Vgl. Dok. 572; ADAP, Ser. D, Bd. VIII, Dok. 70, S. 63–64. 5 Vgl. Dok. 530, Anm. 7.
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genzen gebe und das Abkommen, wenn die sowjetische Seite nicht den ursprünglich vorgeschlagenen Text der „Gold“-Formel zurückgezogen hätte, bereits gestern hätte unterzeichnet werden können. Sch. baut darauf, dass das NKVT sich nicht darauf versteift und der alten Formel zustimmt, um den Weg für die beginnenden neuen Verhandlungen, die von ungleich größerer Wichtigkeit sind, freizumachen. Er würde gern das Abkommen am Sonnabend6, noch vor unserer Abreise zur Königsberger Messe7, unterzeichnen. Ich antworte, dass ich für diese Frage nicht zuständig sei, jedoch seinen Wunsch Moskau übermitteln werde. Sch. spricht sodann über die am Vortag in der Presse erschienene und im Rundfunk verbreitete Meldung über die Abreise der Delegation zur Landwirtschaftsausstellung in Moskau. Er deutet an, dass die Herausgabe einer analogen Meldung von sowjetischer Seite wünschenswert wäre. Danach geht er auf das in Berchtesgaden und in Salzburg bekundete Interesse an sowjetischen Filmen und Büchern ein und fragt, ob es bei uns nicht grundlegende Dinge in deutscher Sprache gäbe. Ich antworte, dass wir bislang Veröffentlichungen nur in englischer und französischer Sprache hätten. Er bittet darum, ihm das zu schicken, was vorhanden ist (ihm wurden einige unserer Ausgaben in englischer Sprache zugeschickt). Auf die im Namen von Hitler und Heß zugestellte Einladung zum Nürnberger Parteitag (vom 2. bis 11. September)8 wurde eine bestätigende Antwort abgeschickt. Das Auswärtige Amt bekräftigte, dass die Einladung an alle Missionschefs ergangen sei. Einer der Journalisten berichtete unter Berufung auf deutsche Quellen, dass Alfred Rosenberg gegenwärtig mit der Abfassung des Entwurfs für eine neue Verfassung befasst wäre, die unter anderem die noch bestehende Gliederung Deutschlands in Länder beseitige und die Gliederung nach dem Gau-Prinzip9 einführe. Ebenso sei vorgesehen, eine besondere Führungsgruppe aus Kandidaten großer und kleiner Führer (die sogenannte „Führerschicht“10) einzurichten. [...]11 Geschäftsträger der UdSSR in Deutschland G. Astachov Vermerk mit Tinte: zu den Akten. Oben rechts in der Mitte befindet sich der Stempel des Sekretariats des Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 4417ë vom 25.8.1939 und der Vermerk des Sekretärs über die Weiterleitung 1 Exemplars an die Zentraleuropäische Abteilung.
6 7
Am 19. August 1939. Vgl. Dok. 581. Wegen der in Berlin laufenden Handels- und Kreditverhandlungen hatte Astachov keine Möglichkeit, nach Königsberg zu fahren. Vgl. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 59, l. 172. Zur Teilnahme von Mitarbeitern der Bevollmächtigten Vertretung an der Eröffnung der Königsberger Messe vgl. Dok. 583. 8 Vgl. Dok. 564, Anm. 10. 9 Das Wort ist in Deutsch mit kyrillischen Buchstaben geschrieben. 10 Das Wort ist so in Deutsch mit kyrillischen Buchstaben geschrieben. 11 Ausgelassen sind die Aufzeichnungen vom 18. und 19. August (l. 173–172).
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18. 8. 1939 Nr. 578 Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Expl. 5 an Gen. Molotov, 2 an Gen. Potemkin, 1 [Exemplar] zu den Akten der Bevollmächtigten Vertretung. AVP RF, f. 011, op. 4, p. 27, d. 59, l. 177–172, hier S. 174–173. Kopie.
Nr. 578 Telegramm des Reichsaußenministers von Ribbentrop an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 578 18. 8. 1939 18. 8. 1939 Entziffertes Telegramm Abgang aus Berlin, den 18. August 1939 22 Uhr 48 Min. Ankunft in Moskau, den 19. August 5 Uhr 45 Min Citissime Nr. 185 vom 18. August Auf Telegramm Nr. 182 Für Herrn Botschafter persönlich. Ich bitte Sie, nochmals eine sofortige Unterhaltung mit Herrn Molotow herbeizuführen und alle gegebenen Mittel auszunutzen, dass diese Unterhaltung ohne jede Verzögerung stattfindet.1 Bei dieser Unterhaltung bitte ich, mit Herrn Molotow in folgendem Sinne zu sprechen: Die Reichsregierung habe aus seiner letzten Erklärung zu ihrer großen Befriedigung positive Einstellung der Sowjetregierung zur Neugestaltung deutsch-russischer Verhältnisse entnommen. Auch wir würden unter normalen Verhältnissen natürlich bereit sein, Neuregelung deutsch-russischer Beziehungen auf diplomatischem Wege weiter vorzubereiten und in der üblichen Weise durchzuführen. Die ungewöhnliche gegenwärtige Lage mache aber nach Auffassung des Führers notwendig, eine andere Methode anzuwenden, die schnell zum Ziele führe. Die deutsch-polnischen Beziehungen verschärften sich von Tag zu Tag. Wir müssten damit rechnen, dass jeden Tag Zwischenfälle eintreten könnten, die den Ausbruch eines offenen Konfliktes unvermeidlich machten. Nach der ganzen Haltung der Polnischen Regierung hätten wir die Entwicklung der Dinge in dieser Beziehung keineswegs in unserer Hand. Der Führer hält es für notwendig, sich bei Bemühungen um Klärung deutsch-russischen Verhältnisses nicht von Ausbruch eines deutsch-polnischen Konflikts überraschen zu lassen. Er hält vorherige Klärung schon deshalb für notwendig, um bei diesem Konflikt russischen Interessen Rechnung tragen zu können, was ohne solche Klärung natürlich schwer sei. Die von Herrn Molotow abgegebene Erklärung bezieht …2 sich auf Ihre erste Mitteilung vom 15. August.3 In meiner ergänzenden Instruktion4 sei über diese Mitteilung hinaus schon klar gesagt, dass wir mit Gedanken Nichtangriffspakts, Garan1 Mit Molotov fanden am 19.8.1939 zwei Treffen statt; vgl. Dok. 579; ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 132, S. 124–125. 2 Im Text befindet hier eine nicht ausgefüllte Lücke. 3 Vgl. Dok. 573. 4 Vgl. Dok. 575.
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tierung baltischer Staaten und deutscher Einflussnahme auf Japan völlig einverstanden seien. Alle sachlichen Elemente für sofortige Aufnahme direkter mündlicher Verhandlungen und für eine endgültige Einigung seien also gegeben. Im Übrigen können Sie erwähnen, dass die von Herrn Molotow erwähnte erste Etappe, nämlich der Abschluss der Verhandlungen über ein neues deutschrussisches Wirtschaftsabkommen, ja mit dem heutigen Tage zurückgelegt sei, sodass man zweite Etappe nun in Angriff nehmen solle. Wir bäten deshalb nunmehr um sofortige Stellungnahme zu dem in der ergänzenden Instruktion gemachten Vorschlag meiner sofortigen Reise nach Moskau. Ich bitte dabei hinzuzufügen, dass ich mit Generalvollmacht des Führers kommen würde, die mich ermächtige, den Gesamtfragenkomplex erschöpfend und abschließend zu regeln. Was insbesondere Nichtangriffspakt anbetreffe, so erscheine er uns so einfach, dass es keiner langen Vorbereitungen bedürfe. Wir denken hier an folgende drei Punkte, die ich Herrn M. vorzulesen, aber nicht zu übergeben bitte: Artikel 1. Das Deutsche Reich und die UdSSR werden in keinem Falle zum Kriege oder zu einer anderen Art von Gewaltanwendung gegeneinander schreiten. Artikel 2. Dieser Vertrag tritt sofort mit der Unterzeichnung in Kraft und gilt von da an unkündbar für eine Dauer von 25 Jahren. Ich bitte dabei zu bemerken, dass ich in der Lage sei, im Hinblick auf diesen Vorschlag bei mündlichen Besprechungen in Moskau Details zu regeln und gegebenenfalls russischen Wünschen Rechnung zu tragen. Ebenso sei ich in der Lage, ein spezielles Protokoll zu unterzeichnen, das Interessen beider Teile in diesen oder jenen Fragen der auswärtigen Politik regele, z.B. Regelung Interessensphäre **5 in Ostsee-Gebiet, Frage Baltenstaaten usw. Auch eine solche Regelung, die uns von erheblicher Bedeutung scheine, sei aber nur bei einer mündlichen Aussprache möglich. In diesem Zusammenhang bitte ich zu unterstreichen, dass die deutsche Außenpolitik heute an einer historischen Wende angelangt ist. Ich bitte Unterhaltung abgesehen von obigen Vertrags-Artikeln diesmal nicht in der Form Vorlesung dieser Instruktion zu führen, sondern im Sinne der vorstehenden Ausführungen mit allem Nachdruck auf schnelles Zustandekommen meiner Reise hinzuwirken und etwaigen erneuten russischen Einwendungen entsprechend entgegenzutreten. Sie müssen sich dabei die entscheidende Tatsache vor Augen halten, dass baldiger Ausbruch offenen deutsch-polnischen Konflikts wahrscheinlich ist und dass wir deshalb das größte Interesse daran haben, dass mein Besuch in Moskau sofort zustandekommt. Ribbentrop Auf erstem Blatt oben: A 1785/39 und z.d.A. T[ippelskirch] 21/8. Auf letztem Blatt unten maschinenschriftlich: Gefertigt in 2 Exemplaren: 1) zu den Sachakten A 2) zur chronol. Sammlung. Dies ist Nr. 1. PA AA, Moskau 484, Bl. 69492-69495. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 113, S. 100–102.
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An dieser Stelle ist gestrichen: auswärtiger Politik.
19. 8. 1939 Nr. 579 Nr. 579 Aufzeichnung von Unterredungen des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Molotov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 579 19. 8. 1939 19. 8. 1939 Geheim 19. August 1939 14.00 Uhr. Schulenburg entschuldigt sich erneut für die Hartnäckigkeit, mit der er heute um den Empfang nachgesucht habe, aber die Dringlichkeit seiner Angelegenheit habe dies erfordert. Gen. Molotov antwortet, wenn die Sache das erforderlich mache, solle man sie nicht aufschieben. Schulenburg schickt voraus, dass alles, was Ribbentrop ihm mitgeteilt habe, den Auffassungen Hitlers entspreche. Schulenburg sagt, dass die deutsche Regierung in der letzten Erklärung des Gen. Molotov1 die positive Haltung der sowjetischen Regierung zu den von Schulenburg aufgeworfenen Fragen erblicke. Unter normalen Umständen könnten diese Fragen auf dem üblichen diplomatischen Wege geregelt werden. Doch die Lage sei gegenwärtig außergewöhnlich, und nach Auffassung von Ribbentrop wären eilige Methoden zur Beilegung der Fragen erforderlich. In Berlin befürchte man einen Konflikt zwischen Deutschland und Polen. Die weiteren Entwicklungen hingen nicht von Deutschland ab. Die Lage hätte sich dermaßen zugespitzt, dass ein geringfügiger Zwischenfall ausreiche, um ernste Folgen auszulösen. Ribbentrop glaube, dass noch vor Ausbruch des Konfliktes die Beziehungen zwischen der UdSSR und Deutschland geklärt werden müssten, weil dies während des Konfliktes schwierig werden würde. Den ersten Schritt – den Abschluss des Handels- und Kreditabkommens – betrachte Schulenburg bereits als getan. In die Fragen der beiderseitigen Garantien für die baltischen Länder, des Nichtangriffspaktes, der Einflussnahme auf Japan sei ebenfalls Klarheit gebracht worden. Und aus diesem Grunde messe Ribbentrop seiner Reise hierher große Bedeutung bei und erachte es als notwendig, schnellstens die zweite Etappe in Angriff zu nehmen. Ribbentrop wäre mit umfassenden Vollmachten Hitlers ausgestattet, um jedes beliebige Abkommen abzuschließen, das die sowjetische Regierung abzuschließen wünsche. Die Frage des Nichtangriffspaktes stelle sich als klar und einfach dar. Nach Auffassung der deutschen Regierung müsse er aus folgenden zwei Punkten bestehen: 1) die deutsche Regierung und die sowjetische Regierung verpflichten sich, keinesfalls zum Krieg oder zu anderen Mitteln der Gewaltanwendung zu greifen; 2) dieser Vertrag tritt unverzüglich in Kraft und ist für die Dauer von 25 Jahren gültig und unkündbar. Gen. Molotov fragt, ob der gesamte Vertrag tatsächlich nur aus zwei Punkten bestehen soll und bemerkt dazu, dass es Musterverträge gebe, die bei der Erstellung des Paktentwurfes verwendet werden könnten. Man müsse schauen, was aus den sowjetischen und den deutschen Pakten verwendet werden könnte. Schulenburg antwortet, dass er nichts gegen die Verwendung dieser Pakte einzuwenden hätte. Hitler sei bereit, alles zu berücksichtigen, was die UdSSR wünsche. Der der sowjetischen Regierung unterbreitete Pakt entspreche dem analogen Pakt Deutschlands 1
Vgl. Dok. 576.
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mit Lettland.2 Gen. Molotov fügt hinzu, dass wir Nichtangriffspakte mit Polen3, mit Lettland4 und Estland5 hätten. Es wäre wünschenswert zu wissen, ob die deutsche Regierung irgendwelche Einwände hätte, einen dieser Pakte als Vorlage für die Abfassung des Entwurfs eines sowjetisch-deutschen Nichtangriffspaktes zu nehmen. Falls es seitens der deutschen Regierung dazu keine Einwände gäbe, so möge sie sagen, welchen dieser Pakte sie für sich selbst als annehmbar erachte. Schulenburg beharrt erneut auf der Reise Ribbentrops hierher, der auch Hitler eine gewaltige Bedeutung beimesse. Ribbentrop könnte ein Protokoll unterzeichnen, in das sowohl sämtliche bereits erwähnten Fragen als auch neue aufgenommen werden könnten. Die Zeit drängt, fügt Schulenburg hinzu. Gen. Molotov sichert zu, alles das, was Schulenburg gesagt hat, der sowjetischen Regierung zu übermitteln, die dies erörtern müsse. Gen. Molotov unterstreicht, dass wir der Auffassung seien, wie er Schulenburg bereits beim letzten Mal mitgeteilt habe, dass die Reise Ribbentrops hierher von positiver Bedeutung wäre. Doch vor der Anreise Ribbentrops müssten die Entscheidungen bereits mehr oder weniger vorbereitet sein. Wir hielten es nicht für erforderlich, uns auf die diplomatischen Wege zu beschränken, und wir verstünden die Bedeutung der Reise Ribbentrops und schätzten sie hoch ein. Wir hätten bereits auf die Vorbereitungsetappen hingewiesen. Der erste Schritt stehe vor dem Abschluss. Zum zweiten Schritt könne man in kurzer Zeit übergehen. Gen. Molotov fragt sodann, ob er es richtig verstanden hätte, dass die deutsche Regierung den Abschluss eines neuen Paktes wünsche, nicht aber die Bekräftigung des Vertrages von 1926.6 Schulenburg antwortet, dass dies aus dem Telegramm7 gefolgert werden könne. Er persönlich sei der Auffassung, dass sich die deutsche Regierung für den Abschluss eines neuen Paktes entschieden habe. Gen. Molotov sagt, dass es wünschenswert wäre zu wissen, welchen der Pakte der UdSSR – den mit Polen, mit Lettland oder mit Estland – die deutsche Regierung als Vorlage für den Nichtangriffspakt mit der UdSSR annehmen könnte. Die Frage des Protokolls, das ein unveräußerlicher Bestandteil des Paktes sein müsse, sei eine ernste Angelegenheit. Die deutsche Regierung sollte darüber nachdenken, welche Fragen in das Protokoll aufgenommen werden sollten. Darüber dächten auch wir nach. Die sowjetische Regierung trage der Auffassung der deutschen Regierung Rechnung, dass die Fragen, die wir erörtern, nicht auf die lange Bank geschoben werden sollten. Jedoch müsse vor der Anreise Ribbentrops die Gewissheit bestehen, dass die Verhandlungen zu konkreten Entscheidungen führen würden, zumal wir den ersten Schritt noch nicht gemacht hätten: das Handels- und Kreditabkommen sei noch nicht unterzeichnet.8 Schulenburg beharrt erneut auf der Anreise Ribbentrops, um noch vor dem Ausbruch eines Konfliktes zu klaren Ergebnissen zu gelangen. Er habe keine Zwei2 3 4 5 6 7 8
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Vom 7. Juni 1939. Vgl. Dok. 497, Anm. 6. Vom 25. Juli 1932. Vgl. DVP, Bd. XV, Dok. 436, S. 436–439. Vom 5. Januar 1932. Vgl. ebd., Dok. 67, S. 83–86. Vom 4. Mai 1932. Vgl. ebd., Dok. 201, S. 296–298. Vom 24. April 1926. Vgl. Dok. 284, Anm. 8. Vgl. Dok. 578. Vgl. Dok. 581.
19. 8. 1939 Nr. 579 fel, sagt er, dass bei der Abfassung des Protokolls ebenfalls keine Schwierigkeiten auftreten werden. Gen. Molotov fragt, ob der Wunsch der deutschen Regierung, die jetzigen Verhandlungen zu beschleunigen, damit zu erklären sei, dass sich die deutsche Regierung für Fragen der deutsch-polnischen Beziehungen, insbesondere für Danzig, interessiere. Schulenburg antwortet bestätigend und fügt hinzu, dass gerade diese Fragen der Ausgangspunkt für den Wunsch seien, die Interessen der UdSSR vor dem Eintreten der Ereignisse zu berücksichtigen. Schulenburg ist der Auffassung, dass die Vorbereitung, über die Molotov gesprochen habe, bereits abgeschlossen sei und unterstreicht, dass man bereit sei, allen Wünschen der sowjetischen Regierung entgegenzukommen. Gen. Molotov hebt hervor, dass wir diese Fragen sehr ernst nähmen, und erklärt, dass wir das, was wir sagen, auch tun. Wir sagten uns nicht von unseren eigenen Worten los und wünschten, dass die deutsche Seite an derselben Linie festhalte. Was das Kredit- und Wirtschaftsabkommen sowie auch die politischen Verhandlungen betreffe, so seien wir in diesen Fragen nicht der Bremsklotz gewesen. Gen. Molotov wiederholt erneut den Standpunkt zur Anreise Ribbentrops. Unsere Haltung zu diesen Fragen sei in der Antwort der sowjetischen Regierung dargelegt. Nach dem ersten Schritt könne der zweite gemacht werden, doch sei der erste Schritt noch nicht getan. Es müsse veröffentlicht werden, dass das Abkommen abgeschlossen sei, was aber jetzt noch nicht erfolgen könne. In Berlin dränge man, wiederholt Schulenburg erneut, und beendet das Gespräch. 16.30 Uhr. Gen. Molotov teilt mit, dass er der Regierung den Inhalt des heutigen Gesprächs vorgetragen habe und zwecks Erleichterung der Arbeit den Text des Paktentwurfs9 übergeben werde. Nach dem Durchlesen des Paktes [durch von der Schulenburg] teilt Gen. Molotov mit, dass Ribbentrop am 26.–27. August nach der Veröffentlichung des Handels- und Kreditabkommens nach Moskau kommen könne.10 Aufgezeichnet hat V. Pavlov11 Veröffentlicht in: God krizisa 1938–1939, Bd. 2, Dok. 572, S. 274–276.
9 Wird an dieser Stelle nicht veröffentlicht, sondern bei Dok. 598; vgl. God krizisa 1938– 1939, Bd. 2, Dok. 572, S. 277–278. Schulenburg telegrafierte den Wortlaut in der Nacht vom 19.8. auf den 20.8.1939. In: ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 133, S. 125–126. 10 Beide Gespräche fanden im Kreml statt, das erste von 14.00 bis 15.00 Uhr, das zweite von 16.30 bis 16.40 Uhr. Vgl. das Protokoll über den Empfang von Ausländern durch den Genossen Molotov im Jahr 1939; in: AVP RF, f. 06, op. 1, p. 1, d. 2, Bl. 3. 11 Die Geheimhaltungsstufe am Beginn des Dokuments und die Unterschrift wurden ergänzt nach: DVP, Bd. XXII, Dok. 474, S. 615–617.
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Nr. 580
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Nr. 580 Aufzeichnung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre Nr. 580 19. 8. 1939 19. 8. 1939 Berlin, den 19. August 1939 Aufzeichnung Die letzte Besprechung mit den Russen über den Kredit- und Wirtschaftsvertrag endete gestern Abend mit einem vollen Einverständnis über den gesamten Vertragstext.1 Eine einzige Frage, deren Formulierung Schwierigkeiten machte und die den Abschluss hätte verzögern können, wurde aus dem Verhandlungskomplex ausgeschieden und einer späteren Regelung vorbehalten. Die Unterzeichnung des Vertrags war für heute in Aussicht genommen, allerdings machten die russischen Unterhändler schon gestern Andeutungen darüber, dass sie noch erst wieder in Moskau zurückfragen müssten. Die Unterzeichnung sollte heute Mittag stattfinden. Heute Mittag um 12 Uhr teilten die Russen telefonisch mit, dass sie mich noch wegen einzelner unbedeutender Fragen sprechen möchten. Sie waren um 12 Uhr 30 bei mir und brachten einige belanglose formale Fragen vor, auf die sie von mir prompt eine Antwort erhielten. Sie erwähnten bei dieser Gelegenheit, dass sie eine definitive Nachricht aus Moskau noch nicht hätten, sie hofften, sie jede Stunde zu bekommen und würden um 1 Uhr 30 telefonisch wieder Nachricht geben, ob die Unterzeichnung heute stattfinden könne. Sie riefen um 1 Uhr 30 bei mir an und teilten mit, dass eine Antwort aus Moskau noch nicht da wäre. Sie würden sich um 4 Uhr nachmittags wieder bei mir melden. Um 4 Uhr teilten die Russen telefonisch mit, dass sie nicht in der Lage wären, heute zu unterzeichnen. Sie baten um eine erneute Besprechung am Montag um 10 Uhr. Ich habe mittags den Geschäftsträger Astachow angerufen und ihn gefragt, warum wir nicht endlich zum Abschluss kommen könnten, da alles zur Unterschrift fertig wäre. Auch er zog sich dahinter zurück, dass eine entsprechende Instruktion aus Moskau trotz ihrer verschiedenen Anfragen noch nicht vorläge. Das Hinhalten und Hinzögern der russischen Unterschrift hat nichts mehr mit dem Wirtschafts- und Kreditvertrag zu tun. Was die Russen als Begründung vorbringen, sind durchsichtige Vorwände. Es ist offensichtlich, dass sie aus politischen Gründen aus Moskau die Weisung erhalten haben, die Frage des Vertragsabschlusses hinhaltend zu behandeln. Es ist mir unter diesen Umständen zweifelhaft, ob die Russen am Montag zur Unterschrift bereit sein werden. Dem Büro RAM mit der Bitte um sofortige Durchgabe mit Fernschreiber nach Schloss Fuschl. gez. Schnurre Auf erstem Blatt oben: H[and]a[kten]; unten: Durchdruck an: Herrn St.Sekr. [mit Abzeichnung Weizsäckers], Herrn U.St.S. Pol., Herrn Dir. W. PA AA, R 29723, Bl. 23959-23960. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 123, S. 110.
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Vgl. Aufzeichnung Schnurres vom 18.8.1939. In: PA AA, R 29911, Bl. 23244.
19. 8. 1939 Nr. 581 Nr. 581 Vertragstext des Kreditabkommens zwischen Deutschland und der Sowjetunion Nr. 581 19. 8. 1939 19. 8. 1939 [19. August 1939] I, 1. KREDITABKOMMEN zwischen dem Deutschen Reich und der Union der Sowjetischen Sozialistischen Republiken Die Vertreter der Regierung des Deutschen Reiches und die Vertreter der Regierung der Union der Sowjetischen Sozialistischen Republiken1 haben miteinander Verhandlungen über die Vergebung zusätzlicher sowjetischer Bestellungen in Deutschland geführt und sind zu folgender Vereinbarung gekommen: Artikel I (1) Die Regierung der Union der Sowjetischen Sozialistischen Republiken wird veranlassen, dass die Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland oder die Einfuhrorganisationen der UdSSR zusätzliche Bestellungen im Werte von 200 Millionen RM an deutsche Firmen erteilen. (2) Gegenstand der zusätzlichen Bestellungen sind ausschließlich Lieferungen zu Investitionszwecken, das heißt als insbesondere: Einrichtungen von Fabriken, Anlagen, verschiedene Ausrüstungen, Maschinen und Werkzeugmaschinen aller Art, Apparatebau, Einrichtungen für die Naphthaindustrie, Einrichtungen für die chemische Industrie, Erzeugnisse der elektrotechnischen Industrie, Schiffe, Fahrzeuge, Verkehrsmittel, Messinstrumente, Laboratoriumseinrichtungen. (3) Hierzu gehören auch die üblichen Ersatzteile für diese Lieferungen. Es fallen ferner hierunter Verträge für technische Hilfeleistungen und Inbetriebsetzung von Anlagen, die gegebenenfalls in Verbindung mit Bestellungen auf Grund dieses Kreditabkommens vereinbart werden. (4) Der Wert der einzelnen Aufträge soll 50 000 Reichsmark nicht unterschreiten. (5) Nicht zu den zusätzlichen Bestellungen gehören die Bestellungen des sogenannten laufenden Geschäfts. Als solche kommen insbesondere in Betracht: Rohstoffe, Halbfabrikate, Ersatzteile (außer den im 3. Absatz erwähnten), chemische Erzeugnisse, 1
So im gesamten Dokument; sonst: Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken.
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Konsumgüter, Gegenstände des täglichen Bedarfs. (6) Die Handelsvertretung und die Einfuhrorganisationen sind in der Auswahl der Firmen bei der Erteilung der Bestellungen frei. Ebenso steht es den deutschen Firmen frei, ob und in welchem Umfange sie Aufträge auf Grund des gegenwärtigen Abkommens übernehmen wollen. (7) Die Bestellungen werden, gemäß der Liste „A“2, im Laufe von 2 Jahren vom Tage des Abschlusses des gegenwärtigen Abkommens vergeben werden. Bis Ende des ersten Jahres nach Abschluss des gegenwärtigen Abkommens wird der Wert der Bestellungen 120 Millionen Reichsmark nicht übersteigen. (8) Die Bestellungen erfolgen durch die Handelsvertretung oder durch die Einfuhrorganisationen der UdSSR unter Mithaftung der Handelsvertretung. (9) Die Deutsche Regierung verpflichtet sich, der Handelsvertretung und den Einfuhrorganisationen der UdSSR bei der Vergebung der Bestellungen – in jedem Einzelfalle – , soweit es erforderlich ist, die notwendige Unterstützung zu gewähren, insbesondere hinsichtlich der Lieferzeiten und der Qualität der Waren. (10) Die Lieferbedingungen für die Bestellungen, die auf Grund des gegenwärtigen Abkommens erteilt werden, sollen normal, und die Preise für die bezeichneten Lieferungen sollen angemessen sein. (11) Artikel VII der deutsch-sowjetischen Vereinbarung über den Handels- und Zahlungsverkehr vom 19. Dezember 19383 erstreckt sich auch auf Bestellungen, die auf Grund des gegenwärtigen Abkommens erteilt werden. Artikel II Die Deutsche Regierung teilt mit, dass sich die Deutsche Golddiskontbank („Dego“) ihr gegenüber verpflichtet hat, die Finanzierung der zusätzlichen Bestellungen im Betrage von 200 Millionen Reichsmark unter folgenden Bedingungen zu übernehmen: 1. Die Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland hinterlegt bei der „Dego“ Wechsel. Die Wechsel haben eine durchschnittliche Laufzeit von 7 Jahren und werden für jedes einzelne Geschäft gesondert in der Art ausgestellt, dass 30% der Bestellsumme — 6 1/2 Jahre 40% der Bestellsumme — 7 Jahre 30% der Bestellsumme — 7 1/2 Jahre laufen sollen. Die Wechsel werden von Einfuhrorganisationen der UdSSR ausgestellt und von der Handelsvertretung der UdSSR akzeptiert. Die Wechsel lauten auf Reichsmark und sind in Berlin zahlbar. 2. Auf Grund der Wechsel stellt die „Dego“ der Handelsvertretung und den Einfuhrorganisationen der UdSSR einen Kredit zur Verfügung, der zu dem Zweck ausgenutzt werden wird, die deutschen Firmen in Reichsmark in bar zu bezahlen. Die „Dego“ wird von den deutschen Lieferfirmen keinerlei Haftung für diesen Kredit verlangen.
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Wird nicht abgedruckt. In: PA AA, V 11-SOW/17, Bl. E 591215-591217. Vgl. Dok. 366, Anm. 2.
19. 8. 1939 Nr. 581 3. Die Zinsen der Wechsel betragen 5% jährlich. Sie werden von der Handelsvertretung der „Dego“ vierteljährlich postnumerando über ein laufendes Konto der Handelsvertretung bei der „Dego“ vergütet. Die Zinsen sind, sofern die „Dego“ dies wünscht, mit Wechseln zu belegen. 4. Die Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland hat das Recht, die bei der „Dego“ gemäß Ziffer 1 und 3 des gegenwärtigen Artikels hinterlegten Wechsel vorzeitig einzulösen, wobei die Zinsen nur für die abgelaufene Zeit bezahlt werden. Artikel III Der Vertrag zur technischen Durchführung der Zahlungen gemäß Artikel II des gegenwärtigen Abkommens wird zwischen der „Dego“ und der Handelsvertretung der UdSSR abgeschlossen. Artikel IV Die Bestellungen werden auf Grund der Bestimmungen erteilt, die in den von dem Russlandausschuss der Deutschen Wirtschaft einerseits und der Handelsvertretung andererseits am 20. März 1935 unterzeichneten Allgemeinen Lieferbedingungen, der Schiedsgerichtsvereinbarung und dem Schlussprotokoll niedergelegt sind, mit den Änderungen, die zwischen den entsprechenden Organen der beiden Seiten durch besonderen Briefwechsel etwa vereinbart werden. Artikel V (1) Die Regierung der Union der Sowjetischen Sozialistischen Republiken verpflichtet sich, Maßnahmen zu treffen, dass die in der Liste „C“4 aufgeführten Waren bis zu den dort angegebenen Mindestwerten innerhalb von zwei Jahren nach Abschluss des gegenwärtigen Abkommens nach Deutschland geliefert werden. Die Preise für diese Waren werden angemessen sein. (2) Die Lieferung und Bezahlung der sowjetischen Waren wird nach den Bestimmungen der deutsch-sowjetischen Vereinbarung über den Handels- und Zahlungsverkehr vom 19. Dezember 1938 erfolgen. (3) Sollte die Vereinbarung vom 19. Dezember 1938 während der Dauer des gegenwärtigen Abkommens nicht verlängert oder im Falle der Verlängerung abgeändert werden, gilt sie, soweit nichts anderes vereinbart wird, entsprechend weiter, bis alle Wechsel und Zinsen für den Kredit bezahlt sind und bis die für die sowjetischen Warenlieferungen eingezahlten Beträge für die Einlösung aller, darunter auch ehemaliger, Wechsel ausgenutzt sind. (4) Dies betrifft auch die Artikel VII und VIII der genannten Vereinbarung vom 19. Dezember 1938. (5) Die Deutsche Regierung verpflichtet sich, rechtzeitig Genehmigungen für die Einfuhr sowjetischer Waren nach Deutschland zu erteilen auf Summen, die ausreichen, um eine fristgemäße Abdeckung des im gegenwärtigen Abkommen vorgesehenen Kredits und der Zinsen für den letzteren, sowie aller übrigen Wechselverpflichtungen der UdSSR in Deutschland vorzunehmen. Dazu werden beide Regierungen rechtzeitig in Verhandlungen eintreten, mit dem Ziel, jährliche Listen solcher Waren aufzustellen, deren Einfuhr nach Deutschland einerseits den Be4
Wird nicht abgedruckt. In: PA AA, V 11-SOW/17, Bl. E 591220-591221.
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dürfnissen der deutschen Wirtschaft, andererseits den Möglichkeiten und Interessen des Sowjetexports entspricht. (6) Auch verpflichtet sich die Deutsche Regierung, der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland und den sowjetischen Einfuhrorganisationen eine Unterstützung bei der Unterbringung der Bestellungen und Lieferungen anderer Waren laut der Liste „B“5, à conto der freien Summen, die aus dem Verkauf sowjetischer Waren in Deutschland erlöst werden, zu gewähren. Artikel VI Die deutschen Lieferungen sind mindestens zu 60% auf deutschen Schiffen zu verfrachten, wenn diese zu Raten verfügbar sind, die nach der Frachtenlage im Fahrtengebiet Deutschland-UdSSR üblich und normal sind. Verschiffung der übrigen deutschen Lieferungen erfolgt auf sowjetischen Schiffen unter Benutzung deutscher Seehäfen. Artikel VII (1) Im Falle der Entstehung von Hindernissen bei der Unterbringung und fristmäßigen Abwicklung der im gegenwärtigen Abkommen vorgesehenen Bestellungen sowie Lieferungen anderer Waren – sowohl à conto des Kredits, als auch à conto des laufenden Erlöses aus dem sowjetischen Export – werden die beiden Regierungen unverzüglich in Verhandlungen eintreten zum Zweck, die entstandene Lage zu beseitigen. Kommt eine Einigung nicht zustande, so bleiben weitere Verpflichtungen der Regierung der Union der Sowjetischen Sozialistischen Republiken gemäß Artikel V des gegenwärtigen Abkommens hinsichtlich der Durchführung von Maßnahmen zur Lieferung von sowjetischen Waren nach Deutschland, die in der Liste „C“ bezeichnet sind, solange in der Schwebe, bis das im Absatz 3 des gegenwärtigen Artikels vorgesehene proportionale Verhältnis erreicht ist. (2) Das Gleiche findet statt, wenn Hindernisse bei der Lieferung von sowjetischen Waren in dem in Artikel V des gegenwärtigen Abkommens vorgesehenen Umfange entstehen: Beide Regierungen werden unverzüglich in Verhandlungen eintreten zum Zweck, die entstandene Lage zu beseitigen. Kommt eine Einigung nicht zustande, so bleiben weitere Verpflichtungen der Deutschen Regierung gemäß Artikel I des gegenwärtigen Abkommens hinsichtlich der Sicherstellung der Möglichkeit der Unterbringung und fristmäßigen Abwicklung der Bestellungen à conto des Kredits solange in der Schwebe, bis das im folgenden Absatz des gegenwärtigen Artikels vorgesehene proportionale Verhältnis erreicht ist. (3) In den im gegenwärtigen Artikel bezeichneten Fällen wird die betreffende Regierung nicht von der Verpflichtung befreit, alle Maßnahmen zu treffen, damit in kürzester Zeit ein proportionales Verhältnis zwischen den Bestellungen laut den Listen „A“ und „B“ einerseits und den Abschlüssen auf Lieferung von sowjetischen Waren laut Liste „C“ andererseits gemäß den Summen dieser Listen erreicht wird. Dabei sollen beide Regierungen die erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung der Bestellungen und Abschlüsse gemäß den darin enthaltenen Bedingungen treffen.
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Wird nicht abgedruckt. In: PA AA, V 11-SOW/17, Bl. E 591218-591219.
19. 8. 1939 Nr. 581 Artikel VIII Das gegenwärtige Abkommen tritt mit dem Tage der Unterzeichnung in Kraft. Ausgefertigt in je zwei Exemplaren in deutscher und russischer Sprache, wobei beide Texte gleiche Geltung haben. Berlin, den 19. August 1939. Für die Deutsche Regierung: Für die Regierung der UdSSR: Dr. K. Schnurre E. Babarin Vertrauliches Protokoll Im Zusammenhang mit dem heute unterzeichneten Kreditabkommen zwischen der Deutschen Regierung und der Regierung der Union der Sowjetischen Sozialistischen Republiken haben die Unterzeichneten miteinander folgende Vereinbarung getroffen: Die Deutsche Regierung wird 0,5% p. a. von den vereinbarten und bezahlten Zinsen zurückvergüten, sodass ein effektiver Zinssatz für den Kredit von 4,5% p. a. verbleibt. Diese Rückvergütung findet zu bestimmten zwischen der „Dego“ und der Handelsvertretung zu vereinbarenden Rückzahlungsterminen statt, dergestalt, dass 10% der für eine Abrechnungsperiode von der Handelsvertretung eingezahlten Zinsen zu den Rückzahlungsterminen zurücküberwiesen werden. Die Überweisung der entsprechenden Beträge erfolgt in Reichsmark auf eines der auf Grund der Vereinbarung über den Handels- und Zahlungsverkehr vom 19. Dezember 1938 eröffneten Sonderkonten der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland oder der Staatsbank der UdSSR auf Anweisung der Handelsvertretung. Die zu zahlenden Beträge können gemäß dem Artikel IV derselben Vereinbarung über den Handels- und Zahlungsverkehr ausgenutzt werden. Es ist dabei selbstverständlich, dass das zu Ziffer 17 des Artikels IV der eben erwähnten Vereinbarung vom 19. Dezember 1938 genannte Recht, die Beträge auf den Sonderkonten für Zinszahlungen zu verwenden, sich auch auf die Zinsen für den Kredit, welcher Gegenstand des heute unterzeichneten Kreditabkommens zwischen der Deutschen Regierung und der Regierung der Union der Sowjetischen Sozialistischen Republiken ist, erstreckt. Berlin, den 19. August 1939. Für die Deutsche Regierung: Für die Regierung der UdSSR: Dr. K. Schnurre E. Babarin SCHLUSSPROTOKOLL Über die deutsch-sowjetischen Verhandlungen über den Handel und Kredit vom 19. August 1939 I. Die vertragschließenden Teile haben nach der Prüfung ihrer Vollmachten, die in Ordnung befunden waren, das Kreditabkommen zwischen dem Deutschen Reich und der Union der Sowjetischen Sozialistischen Republiken unterzeichnet und dieses Dokument ausgetauscht.
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II. Die nachstehend aufgeführten Dokumente, die als untrennbare Bestandteile des oben erwähnten Kreditabkommens gelten, wurden unterzeichnet und ausgehändigt: 1. Liste „A“ der deutschen Lieferungen; 2. Liste „B“ der deutschen Lieferungen; 3. Liste „C“ der sowjetischen Lieferungen; 4. Vertrauliches Protokoll über die Rückvergütung. Berlin, den 19. August 1939. Für die Deutsche Regierung: Für die Regierung der UdSSR: Dr. K. Schnurre E. Babarin I, 2b Berlin, den 19. August 1939. An den Vortragenden Legationsrat im Auswärtigen Amt Herrn Dr. K. Schnurre, Berlin. Sehr geehrter Herr Schnurre, Ich bestätige den Empfang Ihres Schreibens vom heutigen Tage, das folgenden Wortlaut hat: „Im Zusammenhang mit dem heute unterzeichneten Kreditabkommen äußerten Sie den Wunsch, die Deutsche Regierung möchte ihre Unterstützung dazu zur Verfügung stellen, dass die von der UdSSR zur Unterbringung in Deutschland in Aussicht genommenen Bestellungen erfolgreich zustande kommen und abgewickelt werden können. Ich beehre mich Ihnen hierauf zu erklären, dass die Deutsche Regierung bei der Vergebung und Abwicklung der Bestellungen wie bisher in Einzelfällen der Handelsvertretung und den sowjetischen Einfuhrorganisationen Unterstützung gewähren wird. Die Deutsche Regierung wird sich weiter dafür einsetzen, dass die Vertreter der Handelsvertretung der UdSSR und der sowjetischen Einfuhrorganisationen die in Frage kommenden Betriebe, die zu Lieferungen bereit sind, aufsuchen können zwecks Feststellung der Qualität der zu bestellenden Gegenstände. Die Deutsche Regierung wird auch darauf hinwirken, dass den Vertretern der Handelsvertretung der UdSSR und der sowjetischen Einfuhrorganisationen eine Möglichkeit gegeben wird, nach erteilter Bestellung die Lieferwerke nach vorheriger Anmeldung zu besuchen, um sich vom Stand und Fortschritt des Auftrages zu überzeugen, um die bei Spezialbestellungen notwendigen Prüfungen vorzunehmen und die sachgemäße Abnahme zu bewirken. Die Handelsvertretung der UdSSR in Berlin wird dem Reichswirtschaftsministerium bei den in Frage kommenden Fällen sofort von dem Anfang der Verhandlungen über die Bestellungen mit den deutschen Firmen eine Mitteilung machen, damit das Reichswirtschaftsministerium die Möglichkeit hat, seinen Einfluss im Sinne dieses Schreibens ausüben zu können.“ Mit dem Inhalt dieses Schreibens erkläre ich mich einverstanden.
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19. 8. 1939 Nr. 581 Mit der Versicherung meiner vorzüglichsten Hochachtung E. Babarin I, 3b Berlin, den 19. August 1939. An den Vortragenden Legationsrat im Auswärtigen Amt Herrn Dr. K. Schnurre, Berlin. Sehr geehrter Herr Schnurre, Ich bestätige den Empfang Ihres Schreibens vom heutigen Tage, das folgenden Wortlaut hat: „Die deutsche Seite hat während der Verhandlungen über den Kreditvertrag nachdrücklichst darauf hingewiesen, dass die Vorbedingung für den jetzt neu geregelten deutsch-sowjetischen Außenhandel ein gutes und reibungsloses Funktionieren des zwischen dem Russlandausschuss der Deutschen Wirtschaft und der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland vereinbarten Schiedsgerichtsverfahrens vom 20. März 1935 bildet. Die sowjetische Seite hat die Erklärung abgegeben, dass sie bereit sei, gemeinsam mit der deutschen Seite das Funktionieren des Schiedsgerichtsverfahrens sicherzustellen und diese Frage sofort nach Abschluss des Kreditvertrages in Angriff zu nehmen. Die deutsche Seite hat hiervon Kenntnis genommen. Beide Seiten werden darauf hinwirken, dass alsbald nach Abschluss des Kreditvertrages die Bereinigung dieser Frage zwischen dem Russlandausschuss der Deutschen Wirtschaft und der Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland erfolgt.“ Mit dem Inhalt dieses Schreibens erkläre ich mich einverstanden. Mit der Versicherung meiner vorzüglichsten Hochachtung E. Babarin Alle Unterschriften eigenhändig. Auf erstem Blatt unten: W IV 3714/39. PA AA, V 11-SOW/17, Bl. E 591206-591214, 591222-591224, 591227-591228, 591230-591231. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 131, S. 118–1246.
6 Der russische Text einschließlich der Listen A bis C ist veröffentlicht in: God krizisa 1938–1939, Bd. 2, Dok. 575, S. 280–291.
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Nr. 582
20. 8. 1939
Nr. 582 Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda Nr. 582 20. 8. 1939 20. 8. 1939 20. August 1939 Sonderpressekonferenz ZSg.102/18/389/11 Der deutsch-russische Wirtschaftsvertrag wurde am 19. August abgeschlossen. Meldung läuft etwa 20 Uhr über DNB. Sie ist gesperrt bis zu den reinen Montagfrüh-Blättern (für uns für Reichsausgabe frei, wenn wir unter keinen Umständen die Ausgabe in den Straßenverkauf bringen). Inhalt des Abkommens: Wir gewähren Warenkredit von 200 Millionen, Sowjetrussen geben innerhalb der nächsten zwei Jahre Waren im Werte von 180 Millionen Reichsmark. (Später auf Frage: Über die Differenz der 20 Millionen soll nichts gesagt werden, darüber vielleicht später.) Aufmachung erste Seite, einspaltig, wenn möglich in der unteren Hälfte des Blattes. Kommentar nur kurz, 40 bis 50 Zeilen, sollen sich ausschließlich auf Wirtschaftsfragen beschränken, keinerlei Ausführungen, die nur auch nur andeutungsweise auf das politische Verhältnis eingehen oder auch nur so ausgelegt werden könnten. Aufmachung des Kommentars nicht größer als das Kommunique selbst, er braucht nicht unmittelbar angehängt zu werden, vielleicht zweckmäßig auch im Wirtschaftsteil unterzubringen. Zu gegebener Zeit werde Anweisung ergehen, wenn der Abschluss des Vertrages in breiterer Form behandelt werden könne. Hierzu AA: Es werde naheliegen, einen Vergleich mit der ablehnenden Haltung Amerikas zu ziehen, soll aber unterbleiben. Nur auf das Sachliche beschränken, keinerlei Polemik. Ein offizieller Kommentar folgt nicht, Auslands-DNB wird ebenfalls nichts kommentieren. Bei der Wiedergabe ausländischer Stimmen große Zurückhaltung, am besten Verzicht bis morgen Pressekonferenz. Für den Kommentar wurden folgende Gedankengänge gegeben: Gestern wurde der deutsch-sowjetrussische Vertrag abgeschlossen, der dem Außenhandel einen Aufschwung geben soll. Beide Länder ergänzen sich mit ihren Volkswirtschaften auf die natürlichste Weise. Die Sowjetunion, das Land unerschöpflichen Rohstoffreichtums, das Land der großen auf lange Sicht gesehenen Investitionspläne, die auf lange Zeit hinaus einen Bedarf an hochwertigsten industriellen Fertigerzeugnissen erfordern. Deutschland, das Land der spezialistischsten [sic] und hochwertigsten Industrien, die in der Lage sind, auch angesichts des bereits fortgeschrittenen Standes der Industrialisierung der Sowjetunion die dort weiter erforderlichen Anlagen und Einrichtungen auf industriellem Gebiet zu liefern. Deutschland ist im Übrigen unbegrenzt aufnahmefähig für die sowjetrussischen Erzeugnisse, die Gegenstand des Sowjetexports bilden, und die in Deutschland Gegenstand der industriellen Verarbeitung sind. Die in den letzten Jahren zutage getretene Schrumpfung des Warenumsatzes zwischen beiden Ländern entspricht nicht den wirtschaftlichen und natürlichen Möglichkeiten, die beide Länder in ihren Wirtschaftsbeziehungen zueinander haben. Das jetzige Abkommen wird sicher schnell dazu beitragen, den natürlichen Warenaustausch zwischen beiden Ländern wieder auf eine angemessene Höhe zu bringen. Alle Vorbedingungen für eine gute Entwicklung des Wirtschaftsverkehrs zwischen beiden Ländern sind hiernach jedenfalls gegeben. Dazu kommt, dass die Sowjetunion ihre Warenbezüge aus Deutschland mit ihren
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20. 8. 1939 Nr. 583 eigenen Erzeugnissen bezahlen kann. Umgekehrt bezahlt Deutschland seine Rohstoffbezüge aus der Sowjetunion mit hochwertigen deutschen Industrieerzeugnissen. Zusätzlich wurde gebeten, noch folgenden Gedankengang anklingen zu lassen: mit dem Abschluss dieses Wirtschaftsabkommens verfolgt Deutschland folgerichtig seine handelspolitische Linie, eine möglichst intensive Zusammenarbeit mit allen Staaten, die hierzu bereits sind, zu erreichen. Veröffentlicht in: NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit, Bd. 7/II, S. 838–839.
Nr. 583 Auszug aus den Aufzeichnungen des 1. Sekretärs der Bevollmächtigten Vertretung in Berlin Ivanov Nr. 583 20. 8. 1939 20. 8. 1939 GEHEIM Expl. Nr. 7 Bevollmächtigte Vertretung der UdSSR in Deutschland Nr. 227/s1 [20. August 1939] 20.VIII. Gen. Smirnov und ich nehmen in Königsberg an der Eröffnung der Messe2 teil. Vom ersten Moment unseres Eintreffens an wurden wir überaus herzlich empfangen. Um 10.00 Uhr fand die feierliche Eröffnung der Messe statt. Eröffnet wurde sie vom Bürgermeister der Stadt Königsberg3. In seiner Rede unterstrich er besonders seine Genugtuung, dass er heute erneut Vertreter der Sowjetunion begrüßen könne. Diese Worte lösten einen Beifallssturm aus. Nach ihm hielten Staatssekretär Landfried und Gauleiter Koch Reden. Ihre Reden sind in den Zeitungen veröffentlicht worden, deshalb gehe ich nicht auf sie ein. Nach dem feierlichen Teil im Ausstellungsgebäude wurden wir Koch vorgestellt, und zusammen mit ihm besuchten wir alle Pavillons. Insgesamt hinterließ die Ausstellung einen recht dürftigen Eindruck. Einige Länder, darunter Polen und die Türkei, nahmen nicht an der Messe teil. Um 14.00 Uhr wurde ein Mittagessen gegeben. Von den Diplomaten waren anwesend der litauische Gesandte4, der lettische Gesandte5, der französische und der italienische Konsul und Vertreter Bulgariens, Skandinaviens und Hollands, Mandschukuos und andere sowie der Leiter des Danziger Senats6. Das Tischgespräch drehte sich um den bevorstehenden Krieg gegen Polen. Dabei hoben meine [Tisch]Nachbarn, Deutsche, insbesondere hervor, dass dieser Krieg einem Siegesmarsch gleichen und nicht länger als vier Tage dauern werde. Mein Tischnachbar Dr. Kleist (Referent Ribbentrops) erklärte mir im Übrigen, dass Deutschland die Sprengung Polens von innen heraus vorbereitet habe und es jeder1 2 3 4 5 6
Die Ausgangsnummer ist mit Bleistift geschrieben. Das Wort in Deutsch mit kyrillischen Buchstaben geschrieben. Hellmuth Will. Kazys Škirpa. Edgars Krieviņš. Arthur Greiser.
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zeit auf Weisung Berlins zu einem Aufstand in der Ukraine7, ihrer Abtrennung von Polen und Unabhängigkeitserklärung kommen könne, aber dass Deutschland in dieser Frage den Standpunkt der Sowjetunion nicht kenne und deshalb es keine Schritte ohne Einverständnis der letzteren unternehmen werde. Er empfahl sich als ein aktiver Anhänger einer Annäherung an die UdSSR. Im Auftrag von Ribbentrop habe er speziell die Stimmung der Führer der faschistischen Partei in ganz Deutschland untersucht, und die Mehrheit spreche sich kategorisch für ein Bündnis mit den Bolschewisten aus. Insbesondere der Oberpräsident Ostpreußens, Koch, sei ein entschiedener Befürworter der Freundschaft mit der Sowjetunion. Bei Tisch hielt Gauleiter Koch eine an alle Anwesenden gerichtete Begrüßungsrede und unterstrich dabei die Rolle der Messe und Deutschlands im Handel mit den Ostländern8, die an der Ausstellung teilnehmen. Auf diese Rede antwortete der lettische Botschafter9, der für den aufmerksamen Empfang dankte. Vor dem Mittagessen hatte mir Dr. Kleist die Bitte von Gauleiter Koch vorgetragen, mit mir zu sprechen. In dem Gespräch, das in Anwesenheit aller übrigen Gäste stattfand, fragte er uns (mich und Gen. Smirnov), welchen Eindruck der Beifallssturm, der im Saal auf die Begrüßungsworte des Bürgermeisters an die Adresse der Vertreter der Sowjetunion losgebrochen sei, auf uns gemacht habe. Er betonte, dass dies keine zufällige Erscheinung wäre, dass das deutsche Volk alte Sympathien gegenüber den Völkern Russlands hege, dass er hoffe, dass der auf einem Tiefpunkt angelangte Handel mit der UdSSR im Ergebnis des zu erwartenden Handelsabkommens10 auf eine neue Höhe geführt werde, dass er nicht umhin könne zu bedauern, dass die wichtigsten Pavillons auf dieser Ausstellung leer stünden, weil das hauptsächliche Ziel dieser Ausstellung stets darin bestanden hätte, den Handel mit Russland zu demonstrieren, dass er davon überzeugt sei, dass bei der nächsten Ausstellung auch die Sowjetunion reich vertreten sein werde. In demselben Geiste sprach auch Staatssekretär Landfried mit uns. Um 20.00 Uhr gab der Oberpräsident einen Empfang. Er begann damit, dass er mir und Gen. Smirnov ein Zeichen besonderer Aufmerksamkeit zukommen ließ. Gauleiter Koch und Staatssekretär Landfried sprachen mit uns lange zum Thema der Handelsmöglichkeiten mit der Sowjetunion, über ihren Reichtum und über den Wunsch Deutschlands, mit der Sowjetunion zusammenzuarbeiten. Während der Gespräche wurden wir wiederholt fotografiert. Mein Tischnachbar Präsident Hunke (ein altes Mitglied der faschistischen Partei) führte das Gespräch im selben Geiste. Er erklärte unumwunden, dass er ein entschiedener Befürworter einer Annäherung an Russland sei und hoffe, dass der Vertrag in allernächster Zeit unterzeichnet werde, dass Deutschland im Bündnis mit Russland eine Macht darstellen werde, die der ganzen Welt ihren Willen aufzwingen könne. Es ging nicht ohne giftige Bemerkungen an die Adresse Polens ab. In seiner Entgegnung auf die Rede des Oberpräsidenten Koch antwortete der lettische Botschafter mit einer untertänigen Rede, indem er betonte, dass der agrarische Osten nicht ohne das industrielle Deutschland und nicht ohne die aktive Zusammenarbeit mit ihm leben könne. Die Brücke dazu sei die fruchtbare Tätigkeit des Herrn Gauleiter Koch, der Ostpreußen zum Aufblühen gebracht habe. Der einen Meter 7 8 9 10
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Gemeint sind die westukrainischen Gebiete, die damals zu Polen gehörten. Gemeint sind die Länder Osteuropas. So im Dokument. Vgl. Dok. 581.
20. 8. 1939 Nr. 583 von mit entfernt sitzende Leiter des Danziger Senats redete lange und eindringlich auf den lettischen Gesandten ein, dass es erforderlich wäre, zu gegebener Zeit mit der Sowjetunion enger zusammenzuarbeiten. In seiner Entgegnung protestierte der lettische Gesandte und erklärte ihm, dass derartige Experimente, wie es sie auch früher gegeben hätte, außerordentlich gefährlich wären und das Ergebnis nur in einem Blutvergießen bestehen könne. Nach dem Abendessen waren Gen. Smirnov und ich einer Attacke durch eine Reihe leitender deutscher Mitarbeiter ausgesetzt. Zum Thema des großen Interesses, das Göring an der Verbesserung der deutschsowjetischen Handelsbeziehungen gezeigt habe, sprach lange Staatssekretär Neumann. Er sagte, dass alles für ein gutnachbarschaftliches Leben und die Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen spräche. Zum gleichen Thema wurden auch Gespräche mit Herrn Jonas, dem Direktor der Messe, wiederholt mit Hunke, mit Staatssekretär Landfried und anderen geführt. Besondere Aufmerksamkeit brachten uns die Militärs entgegen – ein Generalmajor, der Kommandant von Königsberg11, und drei weitere Generäle (an deren Namen ich mich nicht erinnere), sagten, dass sie, obgleich ihre Devise laute, sich nicht in die Politik einzumischen, dennoch mit gespannter Aufmerksamkeit die sich bietende Möglichkeit zur Verbesserung der Beziehungen zur Sowjetunion beobachten und eine solche Annäherung begrüßen würden. Russische Soldaten hätten sich auf den Schlachtfeldern Ostpreußens mit unvergänglichem Ruhm bedeckt. Die Russische Armee sei eine große und gewaltige Kraft. [...]12 Vermerk mit Tinte: Zentraleuropa-Abt[eilung] Vermerk von A.M. Aleksandrov mit Bleistift: Deutschlandreferat Aleks[androv] 9 /IX.39 Oben in der Mitte Stempel des Sekretariats von Gen. Potemkin mit der Eingangs-Nr. 4667 vom 7.9.1939. Oben auf linker Seite Stempel der Zentraleuropäischen Abteilung des NKID der UdSSR mit der Eingangs-Nr. 1241 vom 8.9.1939. Am Ende des Dokuments sind die Anzahl der Exemplare und der Verteiler vermerkt: 8 Exemplare, 5 an Molotov, 2 an Potemkin, 1 an die Akte Bev[ollmächtigte] Vertr[etung] AVP RF, f. 082, op. 22, p. 93, d. 8, l. 187-181, hier l. 187-184. Kopie. Veröffentlicht in: DVP, Bd. XXII, Dok. 477, S. 620–624, hier S. 620–621.
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Georg von Küchler. Ausgelassen sind die Aufzeichnungen vom 21. bis 26.8.1939 über Treffen und Gespräche mit deutschen und ausländischen Vertretern in Berlin. Die vollständige Aufzeichnung ist auf den 27.8.1939 datiert.
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Nr. 584
20. 8. 1939
Nr. 584 Telegramm des Reichsaußenministers von Ribbentrop an den Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 584 20. 8. 1939 20. 8. 1939 Entziffertes Telegramm Abgang aus Berlin, den 20. August 1939 16 Uhr 35 Min. Ankunft in Moskau, den 21. August 0 Uhr 45 Min Citissime! Nr. 189 vom 20. August Für Herrn Botschafter persönlich. Führer beauftragt Sie, sich umgehend bei Molotow anzusagen und ihm folgendes Telegramm Führers an Herrn Stalin auszuhändigen: Herrn **J. W.**1 Stalin Moskau. 1.) Ich begrüße die Unterzeichnung des neuen deutsch-sowjetischen Handelsabkommens als ersten Schritt zur Neugestaltung des deutsch-sowjetischen Verhältnisses aufrichtig. 2.) Der Abschluss eines Nichtangriffspaktes mit der Sowjetunion bedeutet für mich eine Festlegung der **deutschen Politik auf lange Sicht. Deutschland nimmt**2 damit wieder eine politische Linie auf, die in Jahrhunderten der Vergangenheit für beide Staaten nutzbringend war. Die Reichsregierung ist daher in einem solchen Falle entschlossen, alle Konsequenzen aus einer so eingreifenden Umstellung zu ziehen. 3.) Ich akzeptiere den von **dem Vorsitzenden der Volkskommissare der UdSSR und ihrem V[olks]K[ommissar] für Ausw[ärtige] Ang[elegenheiten]** 3 Herrn Molotow übergebenen Entwurf des Nichtangriffspakts, halte es aber für dringend notwendig, die mit ihm noch zusammenhängenden Fragen auf schnellstem Wege zu klären. 4.) Das von der Regierung der Sowjetunion gewünschte Zusatz-Protokoll kann nach meiner Überzeugung in kürzester Zeit **substan**4tiell geklärt werden, wenn ein verantwortlicher deutscher Staatsmann in Moskau hierüber selbst verhandeln kann. Sonst ist sich die Reichsregierung nicht darüber im Klaren, wie das Zusatzprotokoll in kurzer Zeit geklärt und festgelegt werden könnte. 5.) Die Spannung zwischen Deutschland und Polen ist unerträglich geworden. Das polnische Verhalten einer Großmacht gegenüber ist so, dass jeden Tag eine Krise ausbrechen kann. Deutschland ist jedenfalls entschlossen, diesen Zumutungen gegenüber von jetzt an die Interessen des Reichs mit allen Mitteln wahrzunehmen. 6.) Es ist meine Auffassung, dass es bei der Absicht der beiden Reiche, in ein neues Verhältnis zu einander zu treten, zweckmäßig ist, keine Zeit zu verlieren. Ich schlage Ihnen daher noch einmal vor, meinen Außenminister am Dienstag, den 22. August, spätestens aber am Mittwoch, den 23. August zu empfangen. Der Reichsaußenminister hat umfassendste Generalvollmacht zur Abfassung und Un1 2 3 4
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Die Initialen sind mit Bleistift hinzugefügt. Der Text ist handschriftlich ergänzt. Der Text ist korrigiert; ursprünglich: Ihrem Außenminister. Das Wort ist handschriftlich ergänzt.
21. 8. 1939 Nr. 585 terzeichnung des Nichtangriffspakts sowie des Protokolls. Eine längere Anwesenheit des Reichsaußenministers in Moskau als ein bis höchstens zwei Tage ist mit Rücksicht auf die internationale Situation unmöglich. Ich würde mich freuen, Ihre baldige Antwort zu erhalten. Adolf Hitler. Ich bitte das vorstehende Telegramm des Führers an Stalin Herrn Molotow schriftlich auf Bogen ohne Kopf zu übergeben. Ribbentrop Auf erstem Blatt oben: A 1818/39 und erl. z.d.A. T[ippelskirch] 25/8. Auf letztem Blatt unten maschinenschriftlich: Gefertigt in 2 Exemplaren: 1) zu den Sachakten A 2) zur chronol. Sammlung. Dies ist Nr. 1. PA AA, Moskau 484, Bl. 260322-260324. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 142, S.131.
Nr. 585 Leitartikel aus der Zeitung „Pravda“ Nr. 585 21. 8. 1939 21. 8. 1939 [21.August 1939] ZUM SOWJETISCH-DEUTSCHEN HANDELS- UND KREDITABKOMMEN Noch vor einigen Jahren nahm Deutschland die führende Stellung im Handelsverkehr der UdSSR ein. Ein besonders großes Volumen erreichte der deutschsowjetische Handel 1931 mit ungefähr 1.100 Millionen Mark. In den letzten Jahren ist jedoch im Zusammenhang mit den gespannten politischen Beziehungen zwischen der UdSSR und Deutschland der sowjetisch-deutsche Handel auf ein äußerst niedriges Niveau gefallen. Deutschland, das bis 1935 den ersten Platz im Außenhandel der UdSSR einnahm, fiel 1938 auf den fünften Platz hinter den USA, England, Belgien und Holland zurück. Natürlich konnte es nicht ausbleiben, dass ein derartiger Rückgang des Handelsumlaufs zwischen der UdSSR und Deutschland und der faktische Verlust des sowjetischen Marktes für Deutschland Anlass zur Sorge für die Handels- und Industriekreise Deutschlands wurde. Damit ist auch zu erklären, dass bereits seit Anfang des vergangenen Jahres Verhandlungen, mit gewissen Unterbrechungen, zu Handels- und Kreditfragen mit dem Ziel geführt wurden, den Handel zwischen der UdSSR und Deutschland zu erweitern. Trotz der Schwierigkeiten, die bei den Verhandlungen in Anbetracht der gespannten Atmosphäre in den bilateralen Beziehungen zwischen der UdSSR und Deutschland auftraten, sind in letzter Zeit dank des Wunsches beider Regierungen, die sowjetisch-deutschen Handelsbeziehungen zu verbessern, sämtliche strittigen Fragen geregelt und die Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen worden. Am 19. August wurde in Berlin das Handels- und Kreditabkommen zwischen der UdSSR und Deutschland abgeschlossen1, das seitens der UdSSR vom Stellv. 1
Vgl. Dok. 581.
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Nr. 585
21. 8. 1939
Handelsvertreter Gen. Babarin und seitens Deutschlands vom Bevollmächtigten der deutschen Regierung Herrn Schnurre unterzeichnet wurde. Mit diesem Abkommen gewährt Deutschland der UdSSR einen Kredit in Höhe von 200 Millionen Deutscher Mark für den Kauf von deutschen Waren, hauptsächlich von Werkzeugbänken und anderen Anlagen, mit einer Laufzeit von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Abkommens. Die UdSSR wird ihrerseits Deutschland im Verlaufe dieses Zeitraums Waren in Höhe von 180 Millionen Deutscher Mark liefern. Das Abkommen sieht auch die Verpflichtung der deutschen Regierung vor, die Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland bei der Auftragsvergabe, bei der Vereinbarung von günstigen Fristen für die Erfüllung dieser Aufträge durch die Firmen und hinsichtlich einer hohen Qualität der zu liefernden Maschinen und Anlagen zu unterstützen. Die UdSSR ging ihrerseits die Verpflichtung ein, die Lieferung der im Abkommen vereinbarten Quoten von sowjetischen Waren zu garantieren. Im Unterschied zu ähnlichen Krediten, die Deutschland in der Vergangenheit der UdSSR gewährt hat, besitzt der neue deutsche Kredit faktisch den Charakter eines Finanzkredits, insofern als die deutsche Regierung die hundertprozentige Kreditgarantie übernimmt und der Handelsvertretung der UdSSR die Möglichkeit einräumt, den Firmen die gelieferten Waren in bar zu bezahlen. Die Verzinsung des neuen Kredits für die UdSSR beträgt 5 Prozent p.a., was bedeutend niedriger ist als die Verzinsung früherer Kredite. Schließlich werden die neuen deutschen Kredite mit einer längeren Laufzeit gegeben als vergleichbare Kredite in der Vergangenheit, und zwar mit einer durchschnittlichen Laufzeit von 7 Jahren mit folgenden Rückzahlungen: 30% des Kredites in 6,5 Jahren, 40% des Kredits in 7 Jahren und die restlichen 30% des Kredits in 7,5 Jahren. Das sowjetisch-deutsche Handels- und Kreditabkommen vom 19. August d. J. verbessert nicht nur bedeutend die Konditionen des Kredites an sich, sondern auch des gesamten sowjetisch-deutschen Handels. Die Kreditbedingungen sind völlig normal und für beide Seiten von Vorteil. Ohne eine derartige Verbesserung der Konditionen könnte die UdSSR nicht auf eine breite Auftragsvergabe in Deutschland und auf eine Kreditaufnahme eingehen, weil sich die UdSSR nunmehr in einer ganz anderen Position als früher befindet. Die Umsetzung des sowjetisch-deutschen Handels- und Kreditabkommens muss zu einer spürbaren Belebung des Warenumsatzes zwischen der UdSSR und Deutschland führen und sich als ein Wendepunkt in ihren Wirtschaftsbeziehungen erweisen. Das neue Handels- und Kreditabkommen zwischen der UdSSR und Deutschland, das in einer Atmosphäre gespannter politischer Beziehungen entstanden ist, ist dazu berufen, diese Atmosphäre zu entspannen. Es kann sich als ein gewichtiger Schritt bei der weiteren Verbesserung nicht nur der wirtschaftlichen, sondern auch der politischen Beziehungen zwischen der UdSSR und Deutschland erweisen.2 Pravda vom 21. August 1939, S. 1. 2
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Vgl. Dok. 589.
21. 8. 1939 Nr. 586 Nr. 586 Aufzeichnung der Unterredung des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten Molotov mit dem Botschafter in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 586 21. 8. 1939 21. 8. 1939 Geheim Tagebuch des Gen. V.M. Molotov 21. August 1939 EMPFANG DES DEUTSCHEN BOTSCHAFTERS F. SCHULENBURG, 21. August 1939 Im Auftrag Berlins bittet Schulenburg Gen. Molotov darum, die Botschaft Hitlers an Gen. Stalin1 zur Kenntnis zu nehmen und sie Gen. Stalin zu übergeben. Antworten werde natürlich Gen. Stalin2, sagt Gen. Molotov, nachdem er die Botschaft gelesen hat. Danach geht Schulenburg zur Frage der Reise Ribbentrops hierher über. Er sagt, dass Ribbentrop unverzüglich kommen möchte. Offenbar, so erläutert Schulenburg, sei dies entweder damit zu erklären, dass Ribbentrop nicht am Ende der Woche kommen könne, oder mit dem Ernst der Lage, die es nicht erlaube, bis zum 26./27. August zu warten. Wir hätten bereits darauf hingewiesen, sagt Gen. Molotov, dass Ribbentrop eine Woche nach Veröffentlichung des Handels- und Kreditabkommens3 kommen könnte. Das sei keine große Zeitspanne. Es sei jedoch nicht ganz zu verstehen, warum Ribbentrop am 22., und nicht am 26./27. August hierher kommen möchte. Es seien Vorbereitungsarbeiten notwendig. Schulenburg erklärt, dass nur sehr ernste Gründe Ribbentrop veranlassen würden, um eine Beschleunigung seiner Reise zu bitten. Ribbentrop möchte spätestens am 23. August in Moskau eintreffen. Die Aufenthaltsdauer Ribbentrops werde aber sehr kurz sein, weil nach seiner Ankunft das Abkommen sehr schnell zustande kommen werde. Danach wendet sich Schulenburg an Gen. Molotov mit Fragen, deren Entscheidung beschleunigt werden könnte, wenn Ribbentrop mit einem Sonderflugzeug nach Moskau käme. Gen. Molotov bemerkt dazu, dass dies technische Fragen seien, die relativ einfach zu regeln seien. Ob keine Anmerkungen zum Protokoll gemacht worden seien? Schulenburg antwortet, dass dies nicht der Fall sei. Sie hätten aber bereits die Bestätigung erhalten, dass im Protokoll sämtliche von Gen. Molotov erwähnte Punkte4 Eingang finden würden. Falls die sowjetische Regierung zusätzlich zu diesen Punkten dem Protokoll noch etwas hinzuzufügen wünsche, sei er davon überzeugt, dass dies auch erfolgen werde. Das Abkommen könnte im Verlauf von 15 Minuten erzielt werden, schließt Schulenburg. 1 Vgl. Dok. 584. Molotov empfing von der Schulenburg um 15.00 Uhr. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 157, S. 139–140. 2 Vgl. Dok. 587. 3 Das Abkommen wurde in Berlin in der Nacht vom 19. auf den 20.8. unterzeichnet. Vgl. ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 131, Anm. 4, S. 122. Zur Information in der sowjetischen Presse vgl. Dok. 585. 4 Vgl. Dok. 576.
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Nr. 587
21. 8. 1939
Der Botschafter sei offenbar ein großer Optimist, bemerkt Gen. Molotov und verweist auf die sich sehr lange hinziehenden Handelsverhandlungen. Schulenburg bittet darum, nach Möglichkeit noch heute Abend eine Antwort bezüglich der Reise Ribbentrops zu geben5, weil Ribbentrop in Berlin wie auf [glühenden] Kohlen sitze. Zum Abschluss des Gesprächs macht Gen. Molotov Schulenburg darauf aufmerksam, dass sämtliche die Verhandlungen betreffenden Fragen nur an ihn zu richten seien, nicht aber an Gen. Potemkin, bei dem er gestern um einen Empfang gebeten habe. Bei uns bestehe in dieser Hinsicht eine klare Regelung. Aufgezeichnet hat V. Pavlov Veröffentlicht in: SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 150, S. 206–207.
5
Nr. 587 Schreiben des Generalsekretärs des ZK der VKP (B) Stalin an Reichskanzler Hitler Nr. 587 21. 8. 1939 21. 8. 1939 [21.8.1939] An den Reichskanzler Deutschlands Herrn A. Hitler Ich danke für den Brief.1 Ich hoffe, dass das deutsch-sowjetische Nichtangriffsabkommen den Wendepunkt zur ernsthaften Verbesserung der politischen Beziehungen zwischen unseren Ländern darstellt. Die Völker unserer Länder brauchen die friedlichen Beziehungen zueinander. Das Einverständnis der deutschen Regierung zum Abschluss des Nichtangriffspaktes schafft die Grundlage für die Beseitigung der politischen Spannung und für die Herbeiführung des Friedens und der Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern. Die sowjetische Regierung hat mich beauftragt, Ihnen mitzuteilen, dass sie mit der Reise des Herrn Ribbentrop nach Moskau am 23. August einverstanden ist.2 21. August 1939 I. Stalin Vermerk I.V. Stalins mit rotem Farbstift: Für Mol[otov]. RGASPI, f. 558, op. 11, d. 296, l. 1. Original. Veröffentlicht in: God krizisa 1938–1939, Bd. 2, Dok. 583, S. 303. 5 Um 17.00 Uhr des 21.8. überreichte Molotov von der Schulenburg die Antwort Stalins (vgl. Dok. 587) auf das Schreiben Hitlers. Vgl. SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 151, S. 208. 1 2
141.
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Vgl. Dok. 584. Die Antwort Stalins ist auch veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 159, S. 140–
21. 8. 1939 Nr. 588 Nr. 588 Aufzeichnung des Leiters des Ref. IV/Osteuropa der Wirtschaftspolitischen Abteilung im AA Schnurre Nr. 588 21. 8. 1939 21. 8. 1939 Berlin, den 21. August 1939 Aufzeichnung Der Sowjetgeschäftsträger Astachoff war eben bei mir, um sich vor seiner Reise nach Moskau zu verabschieden. Er hat am Sonnabend Abend die Aufforderung seiner Regierung erhalten, nach Moskau zu kommen, konnte aber infolge Schwierigkeit der Beschaffung von Visen erst heute Abend abfahren. Er zeigte sich über die letzten Moskauer Besprechungen nur in sehr großen Umrissen unterrichtet. Ich brachte ihm unsere Befriedigung zum Ausdruck über die Tonart der sowjetischen Presse anlässlich des Abschlusses des Wirtschaftsabkommens. gez. Schnurre Unten Paraphe von W[iehl] 21[8]. PA AA, R 106230, Bl. E 041430.
Nr. 589 Entwurf einer TASS-Meldung Nr. 589 22. 8. 1939 22. 8. 1939 [22.8.1939] **Zu den sowjetisch-deutschen Beziehungen**1 Nach dem Abschluss des sowjetisch-deutschen Handels- und Kreditabkommens ergab sich die Frage einer Verbesserung der politischen Beziehungen zwischen Deutschland und der UdSSR. Der zu dieser Frage erfolgte Meinungsaustausch zwischen den Regierungen **Deutschlands und der UdSSR** 2 ergab Übereinstimmung beider Länder in dem Wunsch, die Spannungen in den politischen Beziehungen zwischen ihnen abzubauen, **die Kriegsgefahr zu bannen** und einen Nichtangriffspakt abzuschließen. Im Zusammenhang damit steht in diesen Tagen die Reise des deutschen Außenministers Herrn von Ribbentrop nach Moskau für diesbezügliche Verhandlungen bevor. (TASS)3 Veröffentlicht in: SSSR-Germanija: 1933–1941, Dok. 152, S. 209.
1 2 3
Die hier und im Folgenden so gekennzeichneten Texte wurden von Stalin eingefügt. Der Text ist korrigiert; ursprünglich: der beiden Länder. Vgl. Pravda vom 22. August 1939, S. 1.
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Nr. 590
22. 8. 1939
Nr. 590 Aufzeichnung des Botschafters in Moskau Graf von der Schulenburg Nr. 590 22. 8. 1939 22. 8. 1939 [Moskau, den 22. August 1939] **Telefon mit Gaus, 22. 8. um1 Von B[er]l[i]n beabsichtigtes Communiqué:**2 Berlin, den 21. August 1938 [sic] *Die Reichsregierung und die Sowjetregierung sind übereingekommen, einen Nichtangriffspakt miteinander abzuschließen. Der Reichsminister des Äußeren von Ribbentrop wird am Mittwoch den 23. August in Moskau eintreffen, um die Verhandlungen zum Abschluss zu bringen.*3 **Der Herr RAM wird mit 30 Personen4 eintreffen:**5 Geh. Rt. Gaus Geh. Rt. Hewel Presse=Schmidt6 Gesandter Schmidt technisches Personal zwei Tage **RAM mit vorgeschlagener Unterbringung einverstanden. Er will am 23. 8. „sehr früh“ von Königsberg abfliegen, sodass mit seinem Eintreffen am Vormittag des gleichen Tages zu rechnen ist. NB! In den von H[errn] Gaus aufgezählten Begleit-Personen fehlt H[err] Schnurre.**7 **Moskau, 22.8.39. *2.15*8 Mein Chauffeur Kirstein meldet mir, dass er eben die umstehend erwähnte Verlautbarung im deutschen Radio gehört habe, genau wie der umstehende, blau umrahmte Text. NB! Bei meinem Telefongespräch mit Herrn Gaus stellte es sich heraus, dass in diesem Augenblicke unser Telegramm noch nicht eingetroffen war, das den Wortlaut des Stalin-Briefs und des von den Sowjet-Russen beabsichtigten Kommuniqués übermittelte.9 Ich habe ihm (Gaus) gesagt, er solle ruhig veröffentlichen; hier würde das Gleiche in durchaus angemessener Form geschehen. 1 Eine Uhrzeit ist auf dem Dokument nicht mehr zu erkennen; die Vorlage ist beschädigt und wurde restauriert. Laut ADAP war ursprünglich 21.8., 23.55 angegeben, die Angaben dann in 22.8., 0.35 geändert. 2 Der Text ist von Schulenburg handschriftlich geschrieben. 3 Der Text ist mit blauem Stift umrandet. 4 Hinzufügung von Schulenburg: Die gehen nicht in eine JU 52; ich habe Gaus am Telefon gesagt, dass 30 Personen ein „Schluck aus der Buddel“ seien, dass wir es aber schaffen würden! 5 Der Text ist von Schulenburg handschriftlich geschrieben; Ausnahme: 30 Personen. 6 Laut Aufzeichnung von Tippelskirch vom 22.8.1939 fuhren weder Hewel noch Paul Schmidt mit, stattdessen wurde Rudolf Staudacher in die Delegation einbezogen. In: PA AA, Moskau 484, Bl. 69477. 7 Der Text ist von Schulenburg handschriftlich geschrieben. 8 Die (schwer zu erkennende) Uhrzeit ist rot unterstrichen. 9 Vgl. Dok. 587, 589.
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22. 8. 1939 Nr. 591 Ich habe um **1**10 Uhr Herrn Hilger telefonisch verständigt, der seinerseits unseren „Freund“ Pawlow unterrichtet hat (verabredetermaßen). Schulenburg, 22.8 39 – 3 Uhr**11 Auf erstem Blatt am linken Seitenrand: H[errn] Tipp[elskirch]/Sch[ulenburg] 21/8. zdA vT[ippelskirch] 22/8. PA AA, Moskau 484, Bl. 260303-260304. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 170, S. 149–150
10
11
Nr. 591 Rundtelegramm des Staatssekretärs im AA Freiherr von Weizsäcker Nr. 591 22. 8. 1939 22. 8. 1939 Telegramm in Ziffern (Geh. Ch. Verf.) Berlin, den 22. August 1939 e. o. Pol. V 8133 An die in der Anlage bezeichneten Missionen.1 Vermerk: Tokio erhält besonderes Telegramm. Zur Information und Sprachregelung: Normalisierung **und Besserung**2 der Beziehungen zwischen Deutschland und Sowjet-Union ist seit Monaten in langsamer und stetiger Entwicklung vorbereitet worden. Ausgangspunkt waren die wieder aufgenommenen Wirtschafts- und Kreditverhandlungen, die am 19. August zu einem Abkommen geführt haben, das den deutsch-sowjetischen Wirtschaftsverkehr auf eine verbreiterte und vertiefte Grundlage gestellt hat. Gleichlaufend mit diesen Verhandlungen ging die **politische Fühlungnahme**3, die in den letzten Wochen zu einem intensiven Meinungsaustausch zwischen Berlin und Moskau geführt hat. Diese Entwicklung fand seit **Monaten**4 in der maßvollen Haltung der deutschen Presse ihren Ausdruck; sie wurde nach außen sichtbar insbesondere durch die Teilnahme des sowjetischen Geschäftsträgers5 an dem Tage der Deutschen Kunst in München6, durch die Entsendung einer amtlichen deutschen Delegation zur Landwirtschaftlichen Ausstellung nach Moskau7 und durch die offizielle Teilnahme sowjetischer Mitglieder der hiesigen Sowjetbotschaft und Handelsvertretung an der Ostmesse in Königsberg8. Aus der Zuspitzung der Lage, wie sie durch die polnische Überheb10 11
Die Zahl ist korrigiert; ursprünglich: 23. Der Text ist von Schulenburg handschriftlich geschrieben.
1 2 3
Vgl. PA AA, R 104357, Bl. E 575007-575013. Der Text ist eingefügt. Der Text ist korrigiert; ursprünglich: Fühlungnahme über die Normalisierung und Besserung der politischen Beziehungen. 4 Der Text ist korrigiert; ursprünglich: Anfang Mai. 5 Georgij Aleksandrovič Astachov. 6 Vgl. Dok. 559. 7 Vgl. Dok. 538, Anm. 18; Dok. 566. 8 Vgl. Dok. 583.
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Nr. 591
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lichkeit und die polnischen andauernden und sich steigernden Provokationen hervorgerufen wurde, ergab sich unser Interesse, eine Festlegung Sowjetunion an Seite Englands zu verhindern. Es galt, bei der Sowjetregierung Gefühl der Bedrohung im Falle eines deutsch-polnischen Konflikts zu beseitigen. Das geeignete Mittel hierzu war, das Gespräch über einen Nichtangriffspakt bis zu dem jetzigen Punkte zu konkretisieren. Damit wurde gleichzeitig auch der von uns von Anfang an verfolgte Zweck erfüllt, die englisch-französischen Einkreisungsverhandlungen in Moskau zu stören. Wir haben dabei stets im Auge behalten, die Beziehungen zu befreundeten Mächten, besonders zu Italien und Japan, unangetastet zu lassen, was von uns in jeder Phase der Besprechungen der Sowjet-Union gegenüber zum Ausdruck gebracht worden ist. Wir gehen dabei von der Erwartung aus, dass auch im Verhältnis zwischen Japan und Russland zunächst eine von beiden Seiten gewünschte Ruhelage eintritt, die dann zu einer weiteren Entspannung führen kann. Der naheliegende Vorwurf, wir hätten durch den Abschluss mit der SowjetUnion die Prinzipien des Antikominternpakts aufgegeben, ist nicht zutreffend. Die Entwicklung des Antikominternpakts ist mehr und mehr in der Richtung gegangen, dass den drei hauptbeteiligten Mächten England als Hauptfeind aufgezwungen wurde. Dazu kommt, dass der russische Bolschewismus unter Stalin eine entscheidende Strukturwandlung **9 erfahren hat. An die Stelle der Idee der Weltrevolution ist die Verknüpfung mit der **nationalen russischen Idee und der Gesichtspunkt der Konsolidierung des Sowjetstaates**10 auf seiner jetzigen staatlichen, territorialen und sozialen Grundlage getreten. Auf die Verdrängung des Judentums aus führenden Stellungen der Sowjet-Union (Sturz Litwinows Anfang Mai) wird in diesem Zusammenhang verwiesen. Selbstverständlich bleibt die innere **deutsche** 11 Frontstellung gegen den Kommunismus völlig unberührt. Der Kampf gegen ein etwaiges Wiedereindringen des Kommunismus in Deutschland würde mit unverminderter Schärfe weiter geführt werden. Die Sowjet-Union ist im Laufe der Besprechungen hierüber niemals im Zweifel gelassen worden und hat diesen Grundsatz akzeptiert. Die weltpolitische Auswirkung dieses Vertrags wird in der nächsten Zeit sichtbar zum Ausdruck kommen. Jedenfalls ist schon jetzt erkennbar, dass Polen damit einen schweren Schock erlitten hat. Gleichlautend an sämtliche diplomatischen Missionen. Weizsäcker Auf erstem Blatt am Seitenrand: Herrn V.L.R. Schnurre zur Mitunterzeichnung. Darunter in Handschrift von Schnurre: Mitgezeichnet Schnurre 22/8. Auf letztem Blatt unten Paraphen von W[eizsäcker] 22/8 und W[oermann] 22[8]. PA AA, R 104357, Bl. 211527-211530. Veröffentlicht in: ADAP, Ser. D, Bd. VII, Dok. 180, S. 157–158.
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An dieser Stelle ist gestrichen: in seinem Gewicht nach außen. Der Text ist korrigiert; ursprünglich: nationalen Idee des alten Russland und der Gesichtspunkt der Konsolidierung des bestehenden Staats. 11 Das Wort ist eingefügt.
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22. 8. 1939 Nr. 592 Nr. 592 Presseanweisung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda Nr. 592 22. 8. 1939 22. 8. 1939 22. August 1939 ZSg. 102/18/395/26 Baron von Stumm: Zu dem morgen zum Abschluss gelangenden Nichtangriffsabkommen ist folgendes zu sagen: Es ist sehr erwünscht, dass auf den sensationellen Wendepunkt in der Geschichte der beiden Völker hingewiesen wird. Die beiden Länder haben sich wiedergefunden. Geben Sie bitte einen Hinweis auf die lange Zusammenarbeit ….1 Aus der Geschichte werden Sie wissen, dass Deutschland und Russland schon viele Jahre zusammengearbeitet haben. [Wie d]ie Geschichte der Bismarckzeit zeigte. Wir wissen auch, dass in Leipzig die Deutschen und Russen zusammenstanden. Weisen Sie bitte auch auf die Möglichkeiten hin, die sich aus dieser Freundschaft wirtschaftlich und politisch ergeben. Weisen Sie ferner hin darauf, dass diese Erkenntnis im deutschen Volke freudigen Widerhall gefunden hat. Es hat sich wieder einmal gezeigt, dass die anderen reden – sie haben in Moskau lange geredet, Strang, Ironside und seine französischen Kollegen. Bei uns aber sind wir schnell zum Handeln übergegangen, erst auf dem Gebiet der Wirtschaft, und dann am Mittwoch letzter Woche konnten wir auch au