Deutsche Syntax [Reprint 2019 ed.] 9783111366227, 9783111009087


176 64 8MB

German Pages 140 [148] Year 1970

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
1. Allgemeine Einführung
2. Konstitutionssystem
3. Beschreibung der Struktur deutscher Sätze
Erklärung der Zeichen
Übungstext
Analyse des Übungstextes
Lösungen der Aufgaben
Ergänzende Literatur
Regelgraph
Recommend Papers

Deutsche Syntax [Reprint 2019 ed.]
 9783111366227, 9783111009087

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Deutsche Syntax

von Dr. Hans-Jürgen Heringer

Sammlung Göschen Band 1246/1246a W a l t e r d e G r u y t e r Sc C o • Berlin 1 9 7 0 vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung • J. Guttentag Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J. Trübner • Veit & Comp.

© Copyright 1970 by Walter de Gruyter 8c Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung - J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung - Georg Reimer Karl J. Trübner - Veit & Comp., Berlin 30. - Alle Rechte, einschl. der Rechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen vom Verlag vorbehalten. Archiv-Nr. 7991708 - Satz und Druck: Courier Druckhaus Ingolstadt Printed in Germany.

Vorwort Dieser Abriß bietet eine vereinfachte Version einer Theorie der deutschen Syntax. Sein Ziel ist es, diese Theorie leichter lehrund verstehbar zu machen. Denn jede wissenschaftliche Theorie hat die Bestimmung, möglichst vielen bekannt zu werden, weil Wissenschaft sich nicht auf das Verständnis weniger gründen kann, sondern bemüht sein muß, das Eigentum vieler zu werden. Nur auf diese Weise kann eine wissenschaftliche Theorie ihre Aufgabe in der Gesellschaft erfüllen oder verworfen werden. Das Wahre ist das, worüber man Einverständnis erzielt hat.

Inhalt Seite 1. Allgemeine Einführung

5

1.1

Aufgaben der Syntax

1.2

Definition des Satzes

1.3

Satzanalyse durch fortgesetzte Teilung

12

1.4

Form des Konstitutionssystems

17

1.5

Formale Eigenschaften der Beschreibungssprache . .

18

1.6

Beschreibung von Sätzen mit dem Konstitutionssystem. Aufbau einer linguistischen Gesamttheorie . .

20

2. Konstitutionssystem

5 6

25

2.1

Konstitutionsregeln

26

2.2

Lexikonregeln

28

2.3

Erklärung des Konstitutionssystems

31

2.31

Ergänzungen

33

2.32

Angaben

60

2.33

Prädikate

87

2.34

Attribute

104

2.35

Nektionen

116

3. Beschreibung der Struktur deutscher Sätze

120

3.1

Grundsätze für Konstitutionsgraphen

120

3.2

Analyse von Beispielsätzen

123

Erklärung der Zeichen

130

Ubungstext

131

Analyse des Ubungstextes

133

Lösungen der Aufgaben

135

Ergänzende Literatur

140

Regelgraph

141

1. Allgemeine Einführung 1.1 Jede wissenschaftliche Theorie muß nach ihrem Ziel beurteilt werden. Die Syntax wird gemeinhin als eine linguistische Teiltheorie angesehen, deren Aufgabe es ist, die Sätze einer Sprache zu beschreiben. Daraus werden vor allem drei Teilaufgaben hergeleitet. Die erste besteht darin, eine Entscheidung darüber zu ermöglichen, ob etwas als Satz der beschriebenen Sprache akzeptiert werden kann, man sagt nach dem Sprachgebrauch der Logiker auch, ob ein Satz wohlgeformt ist. Demnach müßte eine Syntaxtheorie des Deutschen folgendes Gebilde als nicht wohlgeformt ausschließen: (1) Pulver weichen den Pullover den Tag. Als zweite Aufgabe stellt sich der Syntax, bestimmte Unterschiede der Bedeutung von Sätzen zu beschreiben, so daß diese Bedeutungsverschiedenheiten mit einer Verschiedenheit der syntaktischen Struktur der Sätze zu erklären sind. So haben die Sätze (2) und (3) verschiedene Bedeutung, obwohl sie die gleichen Elemente - allerdings in andrer Reihenfolge - enthalten: (2) Die Leute kommen aus Heidelberg. (3) Die Leute aus Heidelberg kommen. Aus dieser zweiten Aufgabe leitet sich noch eine dritte her, nämlich die Mehrdeutigkeiten zu beschreiben, die sich durch die syntaktische Struktur ergeben können. So werden wir annehmen, daß der Satz (4) mehrdeutig ist, weil der in ihm enthaltene Nebensatz im Sinn von (2) oder (3) verstanden werden kann: (4) Wer glaubt, daß die Leute aus Heidelberg kommen? Im ersten Fall würde es sich um Leute handeln, die zwar aus Heidelberg kommen, aber vielleicht aus Düsseldorf stammen, während die Leute im zweiten Fall aus Heidelberg stammen, aber anderswoher kommen können, wie man es z. B. mit Satz

6

Allgemeine Einführung

(4a) deutlich machen könnte: (4a) Wer glaubt, daß die Leute aus Heidelberg aus Düsseldorf kommen? Wir formulieren deshalb als Ziel einer syntaktischen Theorie, daß sie die Entscheidung folgender Fragen ermöglichen soll: Ist X ein Satz? Wie unterscheidet sich X von andern Sätzen? Welche Bedeutung hat X? 1.2 Um solche Ansprüche zu erfüllen, müssen wir besser klären, was wir einen Satz nennen wollen. Wenn zwei Sprecher des Deutschen zu verschiedenen Zeiten den Satz (2) äußern, so werden wir nach unserm Vorverständnis sagen, daß sie den gleichen Satz geäußert haben. Wir unterscheiden offenbar den Satz von seinen Äußerungen, die Realisierungen eines Musters sind. Als ein solches Muster war ja auch das Hinschreiben des Satzes (2) gemeint. Dieses Hinschreiben war ein Zitieren und hatte nicht den Zweck, den Satz in der im Sprechakt gewöhnlichen Weise zu verwenden, sondern den, über den Satz zu reden. Nach gängiger Ansicht soll eine Syntaxtheorie handeln von Sätzen in diesem Sinn, also nicht die Verschiedenheiten der individuellen Äußerungen eines Satzes beschreiben. Wenn wir die berühmte Unterscheidung de Saussures benützen, würden wir sagen, daß die Syntax die Sätze als Elemente der langue ansieht, d. i. des Sprachsystems, und nicht als Elemente der parole, d. i. des individuellen und konkreten Sprechakts. Ein Satz der langue wird verstanden als eine Regel, die die verschiedenen Äußerungen bestimmt. Selbstverständlich ist das Sprachsystem der linguistischen Untersuchung nicht direkt zugänglich. Das System ist nur eine Hypothese über die den Äußerungen zugrundeliegenden Strukturen. Diese Hypothese wird gerechtfertigt durch die Theorie, die sie ermöglicht. Man kann weiter folgern, daß jeder Sprecher eine Kompetenz hat, die ihm gestattet zu entscheiden, ob ein Satz (dem System)

Definition des Satzes

7

einer Sprache angehört. Darum entspricht die langue im gewissen Sinn der Kompetenz eines idealisierten Sprechers, der alle Sätze einer Sprache beherrscht. Gerade eine solche Idealisierung kann für bestimmte linguistische Untersuchungen unzulässig sein, weil die Sprachkompetenzen der Sprecher faktisch verschieden und abhängig von ihrer sozialen Umgebung sind. Jedoch wird die Unterscheidung in langue und parole nicht in ihrer grundsätzlichen Berechtigung betroffen dadurch, daß die Annahme eines einheitlichen Sprachsystems für jede Sprache ungenügend ist. Denn sie gilt auch für eine notwendige weitere Differenzierung in verschiedene Subsysteme, die verschiedenen sozialen Gruppen entsprechen. Da wir die Sätze des Deutschen als Ausgang für unsre Syntaxtheorie nehmen, müssen wir uns noch weiter darüber einigen, was wir unter einem Satz verstehen wollen. Wir wollen den Satz als ein komplexes sprachliches Zeichen ansehen, das wie man seit der Antike annimmt - zwei Seiten hat. Eine Seite wollen wir Ausdruck nennen, die andre Inhalt. Der Ausdruck des Satzes ist das, was die Übermittlung des Inhalts ermöglicht. Der Ausdruck des Satzes ist seine lautliche Struktur. Der Inhalt des Satzes ist das, was er bedeutet. Jedes sprachliche Zeichen ist nur Zeichen, insofern es einer Sprache angehört. Deshalb kann auch für einen Chinesen, der nicht Deutsch kann, ein Satz des Deutschen kein Zeichen sein. Er kann höchstens vermuten, daß es sich um eines handelt. Aus dieser Gebundenheit der sprachlichen Zeichen an eine Sprache folgt, daß sowohl ihr Ausdruck wie ihr Inhalt an diese Sprache gebunden sind, und im besonderen, daß die Verbindung eines Ausdrucks und eines Inhalts durch die Konvention einer Sprache festgelegt ist, so daß beide untrennbar wie die beiden Seiten eines Blattes sind. Deshalb ist auch der Ausdruck nicht zu verwechseln mit der physikalisch zu ermittelnden Lautfolge, die sich ja bei verschiedenen Äußerungen des gleichen Satzes ändert. Der Ausdruck ist nur der Rahmen, in dem sich diese Variation bewegen darf, ohne

8

Allgemeine Einführung

daß die Äußerung fehlerhaft würde. Der Ausdruck als Teil der langue ist als die Regel aufzufassen, die angibt, wie weit der Spielraum der Realisierungen sein darf. Der Spielraum wird dadurch begrenzt, daß durch die Verletzung der Regel ein anders oder nicht zu verstehender Satz entsteht. Dehnt man z. B. in (5) das [o] in Rosse über eine bestimmte Grenze hinweg, so wird man einen andern Satz mit anderm Ausdruck und Inhalt bekommen: (5) Man sah die Rosse stehen. Dieser andre Satz unterscheidet sich von (5) wie Rosse von Rose. Ebenso wie den Ausdruck faßt man auch den Inhalt eines Satzes als eine Regel für seinen Gebrauch auf. Die Folgen daraus wollen wir hier nicht genauer erörtern. Nun werden wir nicht geneigt sein, alle sprachlichen Einheiten, die Ausdruck und Inhalt haben, als Sätze anzusehen. Denn manche bestehen aus mehreren Sätzen, manche nur aus Teilen von Sätzen. Deshalb hat man seit langem versucht, eine brauchbare Definition des Satzes anzugeben. Fast alle Definitionen leiden an zwei Mängeln: der erste dieser Mängel beruht darauf, daß man versuchte, den Satz zu definieren mit irgendwelchen logischen Begründungen, etwa der Behauptung, der Satz sei eine Aussage, oder jeder Satz müsse in irgendeinem Sinn aus zwei Teilen bestehen. Solche Argumentationen setzen stillschweigend voraus, daß man in der Logik einen absoluten Maßstab habe, an dem man natürliche Sprachen messen könne. Nun ist aber jede logische Sprache von natürlichen Sprachen abgeleitet, und wir würden uns mit solchen Definitionen deshalb nur im Kreise bewegen. So dürfte es keinem Logiker gelingen zu definieren, was eine Aussage ist, ohne auf Sätze zu rekurrieren. Die Unbrauchbarkeit der logischen Definitionen hat sich für die Linguistik auch in den Problemen gezeigt, die sie aufwerfen. So würde die Definition des Satzes als Aussage alle Frage-, Befehlsätze, Sätze aus einem Gebet usw. ausschließen, weil eine

Definition des Satzes

9

Aussage per Definition wahr oder falsch sein muß. Es gibt aber keinen Sinn, den Satz (6) Bleib bitte! nach seiner Wahrheit zu beurteilen. Ähnliche Schwierigkeiten ergeben sich aus dem Postulat der Zweiteiligkeit. Da man Sätze wie (7) Feuer! als Sätze ansehen wollte, bei ihnen aber keine Zweiteiligkeit festzustellen war, behalf man sich mit der Annahme einer Ellipse. Danach sollte ein Satz wie (7) eigentlich zweiteilig sein, nur verdecke die sprachliche Form diese Zweiteiligkeit. Allerdings kann man keine Einigung darüber erzielen, welcher Teil denn elliptisch ausgelassen sei. Wir erkennen auch hier wieder die Annahme eines absoluten Maßstabs und eine Geringschätzung der natürlichen Sprache, die erkenntnistheoretisch sehr schwer zu halten sein dürfte. Den zweiten Mangel finden wir in einer andern weitverbreiteten Definition, mit der man den Satz durch seine Teile definieren wollte: ein Satz bestehe aus Subjekt und Prädikat. SJ.i>:n wir davon ab, daß diese Definition bei weitem nicht auf alle Sprachen anwendbar ist, so kann sie auch für uns nicht brauchbar sein, weil wir nicht sagen können, was Teil eines Satzes ist, ehe wir überhaupt wissen, was ein Satz st. Wir brauchen nämlich eine Definition, die uns gestattet, vortheoretisch unsern Untersuchungsbereich einzugrenzen. Nur dann können wir die Sätze an den Anfang der Untersuchung stellen. Eine solche Definition wollen wir einführen, indem wir den Satz als kleinste, potentiell selbständige Äußerung in einer Sprache verstehen. Diese Definition zeigt zugleich, daß es berechtigt ist, die linguistische Beschreibung mit der Beschreibung von Sätzen zu beginnen, weil der Satz die Einheit ist, die im Gebrauch der Sprache ausgezeichnet ist, weil jede sprachliche Kommunikation sich in Sätzen vollzieht.

10

Allgemeine Einführung

Wir wollen nun diese Satzdefinition noch etwas genauer erklären. Dazu müssen wir klären, was „potentiell selbständig" heißen soll. Gewöhnlich bezeichnet man eine Äußerung als selbständig, die zwischen längeren Pausen geäußert wird. Nun wäre es aber möglich, daß irgendwann einmal irgendeine Äußerung geäußert wird, ohne daß sie vollendet wird, daß also durch die äußeren Umstände eine Pause eintritt. Würden wir eine solche Äußerung als selbständig ansehen, dann wären alle sprachlichen Einheiten potentiell selbständig. Wir hätten dann eine triviale Definition, die jede Folge von sprachlichen Einheiten als Satz betrachtet. Wir können deshalb als potentiell selbständig nur solche Äußerungen ansehen, die normalerweise als selbständige Äußerung auftreten können. Diese Selbständigkeit impliziert dann auch eine Selbständigkeit der Bedeutung des Satzes, was aber nicht heißen soll, daß z. B. Sätze mit kontextverweisenden Teilen unselbständig seien. Ein Satz wie (8) Er sitzt hier kann u. U. voraussetzen, daß in einem weiteren Kontext geklärt wird, worauf sich er und hier beziehen. Dies kann aber auch durch die Situation klar sein, so daß diese Äußerung potentiell selbständig ist. Eine andre Schwierigkeit ist, daß Äußerungen abweichend sein können. Neben dem behandelten Abbruch einer Äußerung können mehr oder weniger fehlerhafte Äußerungen vorkommen, die nicht als Sätze gelten dürfen. Solche Abweichungen kann nur der Sprecher einer Sprache erkennen und beurteilen. Oft sind abweichende Äußerungen verständlich. Korrigieren kann man sie überhaupt nur, weil man sie versteht. Aber man versteht sie nur auf der Folie eines nicht-abweichenden Satzes. So kommt es vor, daß man einen abweichenden Satz, den wir mit * kennzeichnen, in mehrfacher Weise korrigieren kann, wie in oder

(9) *Er liebt ihr (9a) Er liebt sie (9b) Er liegt ihr.

Definition des Satzes

11

Diese Korrekturen sind nicht zu verwechseln mit Korrekturen aus normierender Absicht, wie sie z. T. von Lehrern vorgenommen werden. Normierende Korrekturen wie die Regelung, nach Komparativ dürfe nicht wie im Vergleich stehen, kann der Linguist nicht akzeptieren. Denn seine Aufgabe ist es nicht, nach Regeln handeln zu lehren, sondern die Regeln zu beschreiben, die die Sprachhandlungen bestimmen. Er kann damit die Bedingungen erklären helfen, die den Lehrer dazu veranlassen, bestimmte Regeln gegen den Sprachgebrauch großer sozialer Gruppen durchsetzen zu wollen. Es gibt andre Arten von Abweichungen, die man nicht als Fehler bezeichnen würde. Deshalb kann man sie auch nicht korrigieren. Sie erscheinen uns nur bizarr oder komisch. Sie werden teilweise als semantische Abweichungen bezeichnet. Unterschiede in der Art der Abweichungen scheinen klar, jedoch ist eine Klassifizierung der Abweichungen nur mit einer bestimmten linguistischen Theorie möglich, die wir noch nicht besitzen. Eine sogenannte semantische Abweichung liegt vor in (10) Sein schlankes Passiv verdirbt sich. ö f t e r hat man auch unwahrscheinliche oder widersinnige Sätze als abweichend bezeichnet: (11) Der Sozialismus setzt sich bis 1975 überall durch. (12) Seine leibliche Mutter war ein Mann. Doch sind Sätze wie (11) und (12) sprachlich weder korrigierbar noch bizarr und deshalb nicht abweichend. Nur das, was sie bedeuten, scheint uns unmöglich oder immer falsch. Aber ihre Widersinnigkeit ist erst dadurch möglich, daß sie eine Bedeutung haben. Insofern sind sie perfekte deutsche Sätze. Ein Fehler im Denken oder faktische Unmöglichkeit ist kein Fehler im Deutschen. Da ein nicht-abweichender Satz auch abweichend geäußert werden kann, wenn man z. B. am Abend jemand mit Guten Morgen begrüßt, müssen wir als nicht-abweichend solche Sätze ansehen, die, in bestimmten Situationen geäußert, von den

12

Allgemeine Einführung

Sprechern einer Sprache als nicht sprachlich abweichend angesehen werden. Alle Sätze einer Sprache sind sinnvoll, d. h., sie haben eine Bedeutung. Sinnlose Sätze gibt es nicht. 1.3 Wenn wir nun die Sätze einer Sprache beschreiben wollen, stehen wir vor der Schwierigkeit, daß eine Sprache sehr viele, vielleicht sogar unendlich viele Sätze hat. Wir können sie deshalb nicht einzeln durch Aufzählung in einem Korpus beschreiben. Nun kann aber doch der Sprecher einer Sprache deren Sätze trotz der großen Zahl verstehen. Er kann sogar Sätze verstehen und bilden, die er vorher nie gehört hat. Dies erklärt sich dadurch, daß ein Teil der Regeln, die der Sprecher kennt, Regeln sind, die etwas über den Aufbau der Sätze sagen. Mit diesen Regeln kann er viele Sätze in gleicher Weise produzieren und verstehen. Es empfiehlt sich auch für die linguistische Beschreibung, solche Regeln über den Aufbau der Sätze zu ermitteln. Auf diese Weise wird die Beschreibung erheblich einfacher und ökonomischer, weil viele Sätze ähnliche und gleiche Teile enthalten. Gesprochene wie geschriebene Sätze liegen gewöhnlich als eine eindimensionale Folge von Lauten oder Buchstaben vor, die durch das zeitliche oder räumliche Nacheinander geordnet ist. Wir nennen eine solche Folge Satzkette. Wenn wir eine solche Satzkette teilen, erhalten wir unselbständige Satzteile, z. B. könnten wir bei einer Teilung von (3) die zwei Teile die Leute aus Heidelberg und kommen erhalten. Bei dieser Teilung teilen wir den Ausdruck und den Inhalt des Satzes gleichzeitig, weil ja die Teile mit ihrem Inhalt einen Beitrag zur Bedeutung des ganzen Satzes leisten. Deshalb betrifft eine syntaktische Theorie auf der Basis der Teilung der Sätze sowohl den Ausdruck wie den Inhalt und kann so auch die Grundlage für die Beschreibung der Satzbedeutung bilden. Die Teile, die man nach einer Teilung bekommt, kann man wieder teilen und so fort. Wir hören mit der Teilung dann auf, wenn wir Teile bekämen, die

Satzanalyse durch fortgesetzte Teilung

13

nicht auch in andern Sätzen vorkommen und einen regelmäßigen Beitrag zur Bedeutung des Satzes leisten. Solche kleinsten Teile, die noch Bedeutung haben, nennen wir Plereme. Können sie selbständig stehen, heißen sie Lexeme, kommen sie nur gebunden an andre Plereme vor, Morpheme. Die Plereme haben wie die Sätze Ausdruck und Inhalt. Der Einfachheit halber setzen wir voraus, daß alle Sätze, die wir untersuchen, bereits in Plereme segmentiert sind, so daß wir merken, wann wir mit der Teilung aufhören müssen. In unserm Verfahren beginnen wir mit der Teilung eines Satzes. Dann tauschen wir die so ermittelten Teile gegen andre Teile aus, so daß wieder ein Satz entsteht. Dieses Austauschen nennen wir kommutieren, und von Teilen, die austauschbar sind, sagen wir auch, sie kommutieren. In (13)

Der Kanzler wittert ein

kommutiert der Kanzler wer

kommt,

wittert

Scheingefecht

mit sein Helfer

kommutiert

mit

von gestern eröffnet

oder mit

usw.

Solche

gleichartigen kommutierenden Teile fassen wir zu einer Menge zusammen, die wir Position nennen und deren Elemente Syntagmen. der Kanzler

und wer kommt

gehören also zur gleichen

Position, dagegen nicht wer kommt

und eröffnet,

weil diese

Teile nicht kommutieren, wie wir an der Abweichung von (14)

* Eröffnet wittert ein

Scheingefecht

sehen. Dieses Verfahren wurde auch von der traditionellen Grammatik schon angewandt, aber vermischt mit ganz andern Klassifizierungen und inkonsequent. Wenden wir das Verfahren dagegen sauber und konsequent an, so kommen wir zu einem zusammenhängenden System, das vom Satz abwärts alle Teile bis hinab zu den Pieremen beschreibt und gleichzeitig das Verhältnis der Teile angibt. Damit erhalten wir auch eine präzise Definition dessen, was man traditionell Wortarten genannt hat. In diesem System sagen wir dafür syntaktische Kategorie, das sind solche Positionen, deren Elemente Plereme sind.

14

Allgemeine Einführung

Die fortgesetzte Teilung ermöglicht es, beliebige Sätze des Deutschen zu beschreiben dadurch, daß man beschreibt, aus welchen Teilen sie bestehen. Eine solche Beschreibung entspricht formal der Rekursion in der Mathematik. Man sagt, eine Funktion definiere sich rekursiv, wenn ihr Wert an einer Anfangsstelle gegeben ist und die übrigen Werte definiert sind durch die Angabe der Nachfolger. Z. B. kann man die Zahl 4 definieren durch 3 + 1, darin die 3 wieder durch 2 + 1 usw. So kann die Summe 4 + 2 definiert werden durch Rekursion auf die 1 (oder die Null). Weil der Nachfolger einer Zahl x gleich x + 1 ist, würden wir nämlich der Reihe nach erhalten 3 + 1 + 2 = 2 + 1 + 1 + 2 = 1 + 1 + 1 + 1 + 2 = 1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 1. Der oben eingeführte Positionsbegriff ist noch ungenau, weil wir nicht genau angegeben haben, nach welchen Grundsätzen wir teilen. Dazu müssen zwei Fragen beantwortet werden: 1) An welcher Stelle darf geteilt werden? 2) In welcher Reihenfolge muß geteilt werden? Da wir vorausgesetzt haben, daß unsre Sätze bereits in Plereme segmentiert sind, könnte man daran denken, einen Satz wie (13) so zu beschreiben, daß man angibt, das Plerem a folgt auf das Plerem b usw. Man kann aber leicht zeigen, daß man damit nur einen kleinen und ungenügenden Teil der Beziehungen der Plereme beschreibt. Der Sinn unseres Verfahrens sollte doch sein, Teile festzustellen, die in verschiedenen Sätzen stehen können. Dies gilt aber nicht nur für Plereme, sondern auch für größere Teile von (13), wie wir schon gesehen haben. Die Frage ist nur, wie wir diese Teile identifizieren. Offenbar haben wir dies mittels der Plereme getan. Man müßte es außerdem noch tun aufgrund der möglichen Teilungen dieser Teile, die wir ja in unserem iterierten Verfahren feststellen. Dies würde aber noch nicht genügen, weil es nicht die eindeutige Zuordnung unserer Beschreibung zur Satzbedeutung sicherstellt. So kann der Teil ein Scheingefecht in einem andern Satz auch einen andern Beitrag zur Satzbedeutung leisten:

Satzanalyse durch fortgesetzte Teilung

15

(15) Ein Scheingefecht ist dies nicht. Deshalb haben wir die Regelmäßigkeit der Bedeutungsänderung in der Kommutation zum Kriterium der Positionszugehörigkeit gemacht. Damit ist sie auch Kriterium für die Teilung. Wir wollen also unsre Teilung des Satzes so beginnen, daß wir größtmögliche Teile bekommen und dann ihre Positionszugehörigkeit ermitteln. Dafür wird aber unsre zweite Frage wichtig, an welcher Stelle wir teilen sollen. Wir könnten unser Beispiel nämlich auch folgendermaßen teilen: (13a) Der | Kanzler wittert ein Scheingefecht. Damit bekommen wir aber keine Position, zu der das mit der Kanzler kommutierende wer kommt gehört, da es weder mit der noch mit dem Satzrest kommutiert. Wir würden damit also nicht alle Kommutationszusammenhänge erfassen können. Aus unsrer zweiten Frage ergibt sich die weitere Frage, warum wir (13) bei der ersten Teilung in drei Teile geteilt haben. Man könnte ja auch den Schnitt zwischen Kanzler und wittert legen, wie man das traditionell getan hat. Dann müßten wir den zweiten Teil bei der nächsten Teilung genauso teilen, wie wir es oben getan haben. Wir nehmen aber an, daß es keinen Grund gibt, das, was wir in einem Teilungsschritt tun können, in zwei Schritte zu zerlegen. Das würde auf jeden Fall der Einfachheit unsrer Theorie abträglich sein. Dagegen können wir bei der von uns vorgeschlagenen Teilung die Teile nicht alle wieder in gleicher Weise teilen. Wir müssen dazu die Position erst unterteilen, in eine Art Unterposition. Auf diese Weise könnten wir dann zu einer Position gehörende Teile wie der Kanzler und wer kommt zuerst als zu verschiedenen Unterpositionen gehörig kennzeichnen. Die Elemente dieser Unterpositionen müssen dann wieder in gleicher Weise teilbar sein. Als Grundsätze für die Teilung formulieren wir deshalb: [1] Es darf nur so geteilt werden, daß alle Kommutationszusammenhänge erfaßt werden.

16

Allgemeine Einführung

[2] Es darf nur so geteilt werden, daß nicht alle Elemente einer Position in gleicher Weise teilbar sind. Der zweite Grundsatz hat weitreichende Folgen für unser System, weil wir nach ihm jede Position vor der nächsten Teilung ihrer Elemente in Teilmengen teilen. Diese Teilmengen enthalten Elemente, die alle in gleicher Weise teilbar sind. Das System muß demnach so aufgebaut sein, daß wir abwechselnd jeweils die Positionen in Teilmengen oder Unterpositionen teilen und die Elemente der Positionen in Teile. An dieser Konsequenz sehen wir noch einmal deutlich, warum die traditionelle Zweiteilung von (13) nicht zugelassen werden darf. Weil die Arten der Teilung verschieden sind, verwenden wir in unserm System auch zwei verschiedene Regelarten, die abwechselnd aufeinander folgen. Wenn ein beliebiges Element einer Position jti nur aus Teilen bestehen kann, die zu den Positionen Ji2, Jt3 und 7t4 gehören, so sagen wir, ni konstituiere sich aus ihnen, und schreiben: K (ni, J12 + JI3 + J14). Die Teile aus Ji2, Jt3 und Jt4 können also so wie der Kanzler, wittert und ein Scheingefecht zusammen in einem Satz stehen. Sie kommutieren nicht. Wir sagen, sie stehen in syntagmatischer Relation. Für die syntagmatische Relation steht das Zeichen „ + ". Durch „ + " verbundene Positionen heißen Konjunkte. Wenn wir eine Position nach dem oben Gesagten genau in die Unterpositionen Jt2, Ji3 und 114 einteilen müssen, dann sagen wir auch, sie konstituiere sich aus ihnen, schreiben aber: K (jti, ni/ns/jti). Die Teile aus 112, 13, 114 können ebensowenig wie die aus jti zusammen in einem Satz stehen. Sie sind kommutierende Teile wie der Kanzler, wer kommt. Kommutierende Teile stehen in paradigmatischer Opposition, für die das Zeichen „/" steht. Durch „/" verbundene Positionen heißen Adjunkte. Man könnte nun meinen, daß kommutierende Teile doch auch in syntagmatischer Relation stehen könnten:

Form des Konstitutionssystems

17

(16) Der Kanzler bleibt der Kanzler. Dies trifft aber nach unsrer Definition nicht zu, weil die beiden Vorkommen von der Kanzler in (16) zu verschiedenen Positionen gezählt werden müßten. Es ist also möglich, daß gleichlautende Teile Elemente verschiedener Positionen sind. 1.4 Nach diesen Erörterungen können wir den formalen Aufbau des geplanten Konstitutionssystems genauer darstellen. Es beginnt mit einem Anfangselement SF. Dies ist das Zeichen für eine Position, deren Elemente die möglichen Satzstrukturen der untersuchten Sprache, in unserm Fall des Deutschen, sind. Sind die Elemente alle in gleicher Weise teilbar, dann muß die Position in einer Konjunktionsregel, d. i. eine Regel mit Konjunkten, beschrieben werden: (16) K(SF,JII+JI 2 +K3). Nun sind aber die Positionen jti, it2 und 113 nur zu Recht angesetzt, wenn ihre Elemente nicht in gleicher Weise teilbar sind (Grundsatz 2). Wenn wir also bei der Teilung von K9 ZU einer Regel K (lt2,3t4+JT5) kämen, so hätten wir gegen diesen Grundsatz verstoßen. Wir müßten dann die erste Regel ändern in K (S, jti+it4+Jt5+H3). ng würde ganz verschwinden, weil es keine Position war. Vor der nächsten Teilung müssen also die Positionen in Teilmengen geteilt werden. Dies geschieht in einer Adjunktionsregel, d. i. eine Regel mit Adjunkten. Es müßten also nach der ersten Regel etwa folgende Regeln folgen: (16a) K («1,114/115) (16b) K («2,jig/Wiis) (16c) K (113, Wrtio) Die so eingeführten Adjunkte werden wieder in Konjunktionsregeln ausgeführt, z. B. (16d) K (jt4, jth + J112+Jti3).

18

Allgemeine Einführung

Es muß also ein regelmäßiger Wechsel zwischen beiden Regelarten bestehen. Außerdem muß jede Position, die in einer Regel hinter dem Komma eingeführt ist, in einer andern Regel vor dem Komma auftauchen. Eine Ausnahme hiervon bilden nur die Endpositionen, das sind die syntaktischen Kategorien, deren Elemente ja nicht weiter geteilt werden. Auch die Endpositionen werden im System erklärt. Dafür sind Lexikonregeln vorgesehen, die (der Kürze halber nur) einige Plereme der jeweiligen syntaktischen Kategorie aufzählen. In unserm System werden wir die Positionen z. T. durch Abkürzungen traditioneller Termini benennen, damit man sie besser behalten kann. Dies bringt keine Ungenauigkeit mit sich, weil ja alle Positionen im System definiert werden. Will ich z. B. wissen, was in unsrer Skizze die Position m sein soll, so suche ich die Regel auf, in der sie vor dem Komma vorkommt. Ich sehe dann, daß ein Element aus jti entweder aus m oder «5 sein kann. Die weitere Erklärung liefern mir dann die Regeln für jt4 und Jt5 usw. Darin liegt genau das Wesen der Rekursion. Durch den regelmäßigen Wechsel der Regelarten ergibt sich die Stufung des Konstitutionssystems. Weil nämlich eine Adjunktionsregel die Elemente der geteilten Position nicht teilt, führt sie in der Analyse der Teile nicht tiefer. Wir nehmen deshalb immer nur bei einer Konjunktionsregel an, daß wir eine um eins tiefere Stufe erreichen. So sind die unmittelbaren Teile des Satzes Teile erster Stufe, deren unmittelbare Teile sind Teile zweiter Stufe usf. Die Stufung kann zur Unterscheidung der syntaktischen Funktion von Teilen wichtig werden. 1.5 Unsre Beschreibungssprache enthält folgende Zeichen: das Prädikat K, ein Anfangszeichen SF, Zeichen für Positionen, die im Konstitutionssystem rekursiv definiert werden, das Komma, das die beiden Argumentstellen des zweistelligen Prädikats K trennt, das Zeichen + in Konjunktionsregeln, das Zeichen / in

Formale Eigenschaften der Beschreibungssprache

19

Adjunktionsregeln und Rundklammern, die die Argumente des Prädikats K einschließen, also dessen Reichweite angeben. Das Prädikat K bedeutet 'konstituiert sich aus'. Es ist richtig angewandt, wenn in der 2. Argumentstelle alle möglichen Teile dieser Stufe angegeben sind. Dabei dürfen in der 1. Argumentstelle nur Einzelzeichen stehen, und in der zweiten müssen durch + oder / verbundene Zeichenkombinationen stehen. Das Komma trennt die beiden Argumentstellen von K, das sind die Leerstellen, in die je zwei Ausdrücke eintreten können, von denen K ausgesagt wird. Beide Argumentstellen müssen immer gefüllt sein. Es darf also keine Regel geben, in der der Platz vor oder hinter dem Komma leer bleibt. Das Zeichen + steht zwischen Positionszeichen, deren Elemente zusammen in einem Syntagma stehen können. Es ist kommutativ, d. h., die Reihenfolge der Zeichen ist in der 2. Argumentstelle einer solchen Regel nicht relevant. Darum besagen die Regeln K (ni, K'¿ + jts) und K (jii, «3+112) das gleiche. Darum können auch die Elemente der Endzeichen des KS noch keine Satzkette bilden, denn in einer Satzkette ist die Reihenfolge der Plereme festgelegt. In einer gesamten Syntaxtheorie wird diese Reihenfolge durch eine eigene Komponente hergestellt, die sog. Verkettungsregeln, die die Plereme in eine Kette bringen. Dadurch können die Endzeichen eines mit dem KS beschriebenen Satzes noch in verschiedene Reihenfolge gebracht werden. Das ändert die Satzkette, braucht aber nicht die Satzstruktur zu ändern. Das Zeichen / steht zwischen Positionen, deren Elemente nicht gleichzeitig in einem Syntagma stehen können. Es besagt, daß ein Element einer Position entweder zu dieser oder jener Unterposition gehört. Das Zeichen / ist auch kommutativ. Aus der Bedeutung von / folgt, daß bei der Beschreibung eines Satzes immer nur eine der Positionen der 2. Argumentstelle einer Adjunktionsregel gewählt werden darf.

20

Allgemeine Einführung

Bei der Beschreibung eines Satzes nach einer Konstitutionsregel brauchen nicht Elemente jedes Konjunkts vorzukommen. Zwar bedingen sich die Elemente bestimmter Konjunkte gegenseitig, doch können die meisten fakultativ sein. Wenn ein Syntagma kein Element eines bestimmten Konjunkts enthält, dann sagen wir, es liegt eine Nullstelle vor. So kann z. B. in dem Nominale der große Aufruhr das Adjektiv wegbleiben. Es liegt dann eine Nullstelle dieses Konjunkts vor. Nullstellen sind zu unterscheiden von Ellipsen, bei denen an sich notwendige Elemente in der parole wegbleiben. Diese Elemente werden dann aus dem Kontext oder der Situation mitverstanden. Eine Ellipse liegt vor, wenn auf den Satz er geht ins Kino jemand sagt ich auch, da man weiß, daß gemeint ist ich gehe auch ins Kino. Dagegen ist bei Nullstellen nur durch die langue die Möglichkeit geboten, irgendein Element aus der betreffenden Position einzufügen. Es wird aber in der parole nicht irgendein Adjektiv mitverstanden, wenn man von der Aufruhr redet. 1.6 Unser Regelsystem sollte den Zweck haben, zu entscheiden, ob eine vorliegende Kette ein Satz des Deutschen ist. Da sie nur ein Satz des Deutschen ist, wenn sie die Struktur eines Satzes hat, können wir diese Entscheidung treffen, indem wir versuchen, der Kette eine Strukturbeschreibung beizugeben. Nur wenn dies möglich ist, liegt ein deutscher Satz vor. Bei dieser Überprüfung ist festzustellen, ob bestimmte Teile der Kette Elemente einer Position unsres Systems sind. Dies wird durch Tests ermittelt. Wir benützen dazu verschiedene Proben und prüfen, ob nach bestimmten Operationen abweichende Sätze entstehen oder nicht. Nehmen wir dazu das Beispiel (17) Er | versteht ihn. Wir nehmen an, daß der Satz in der angegebenen Weise von uns geteilt sei. Nun ermitteln wir, zu welchen Teilen diese Teile in paradigmatischer Relation stehen. Dazu wird die Kommutationsprobe benutzt, die uns die Feststellung erlaubt, daß er mit

Beschreibung von Sätzen mit dem Konstitutionssystem

21

wer will, die ganze Gesellschaft usw. kommutiert und zu einer Position gehört, deren Namen wir ermitteln aus dem Konstitutionssystem, da nur die Elemente einer bestimmten Position teilbar sind, wie die durch die Kommutationsprobe ermittelten Teile. Unsere angenommene Teilung war dann berechtigt, wenn wir nicht größere Teile als Elemente einer Position ermitteln können. Die Kommutationsprobe sagt aus, daß entweder dieses oder jenes Element an einer Stelle stehen kann. Sie kann ergänzt werden durch die Exklusionsprobe, in der versucht wird, die Elemente, die man als kommutierend ansieht, in syntagmatische Relation zu stellen. Dadurch entsteht immer ein abweichender Satz, wenn nicht eines der Elemente zu verschiedenen Positionen gehört: (17a) *Er wer will, versteht ihn. Die Exklusionsprobe sagt aus, daß kommutierende Elemente nicht gleichzeitig in einem Satz stehen können. In allen Fällen, wo die Exklusionsprobe zu einem nicht abweichenden Satz führt, gehören die Elemente zu verschiedenen Positionen. In diesen Fällen führt die Kontrastprobe zu einem nicht abweichenden Satz: (17b) Er sieht ihn, wenn er will. Bei der Kontrastprobe wird also festgestellt, ob zwei Elemente zusammen in einem Satz stehen können. Schließlich ist noch die Nektionsprobe anzuführen. Sie beruht auf der Annahme, daß kommutierende Elemente auch in syntagmatische Relation gebracht werden können, wenn man sie durch und oder oder verbindet: (17c) Er oder die ganze Gesellschaft versteht ihn. Die Strukturbeschreibung eines Satzes machen wir also, indem wir seine Elemente den Positionen des Konstitutionssystems zuordnen, zu denen sie gehören. Wir durchlaufen dazu das Konstitutionssystem von oben nach unten, müssen also, um eine Entscheidung auf der ersten Stufe zu treffen, schon wissen,

22

Allgemeine Einführung

wie sich das fragliche Element aus Teilen weiter zusammensetzt. Dies muß der Kenntnis des Lesers überlassen bleiben. Allerdings wird sich jeder Fehler, den er auf einer höheren Stufe gemacht hat, weiter unten herausstellen. Die Beschreibung der Struktur eines Satzes geschieht in einem Graphen, das ist eine Figur aus Punkten und Linien, die je zwei Punkte verbinden. Die Punkte heißen Knoten, die Linien Kanten. In den Graphen, die die möglichen Satzstrukturen darstellen, die also das Konstitutionssystem abbilden, können Knoten mit einem oder mehreren andern Knoten durch Kanten verbunden sein. Wenn es einen Weg gibt, der es gestattet, mehrere Male über einen Knoten zu kommen, so heißt er eine Schleife. Eine Schleife ist der Weg (1, 2 , 3 ) in (18), weil er wieder zu 1 zurückführt. (18)

Eine direkte Schleife (19) liegt vor, wenn die Kante direkt wieder zu einem gleichnamigen Knoten zurückführt, ohne über einen andern Knoten zu gehen: (19) Die zugehörige K-Regel sähe so aus: K ( 1 , 1 + 2) In einem gerichteten Graphen sagt man, daß ein Knoten jeden Knoten dominiert, der von ihm aus erreichbar ist, wenn man nur nach unten geht. Da man auch das Konstitutionssystem in einem solchen Graphen darstellen kann, ist eine Strukturbeschreibung ein Ausschnitt aus diesem Regelgraphen. Eine Strukturbeschreibung beginnt mit dem Ausgangszeichen SF. Als Konjunkte von SF kön-

Aufbau einer linguistischen Gesamttheorie

23

nen etwa wie in (16) m , 12 und 113 fungieren. Die Elemente des zu beschreibenden Satzes können dann zu eben diesen Positionen gehören und werden danach bezeichnet. Deshalb könnte der Anfang einer Strukturbeschreibung nach (16) folgendermaßen aussehen:

.11

JT;?

Die Strukturbeschreibung wird nun weitergeführt, indem man die Zugehörigkeit dieser Konjunkte zu den nachfolgenden Positionen prüft. Da jede dieser Positionen in einer Adjunktionsregel (16a), (16b), (16c) ausgeführt wird, muß für jedes Konjunkt eines der in dieser Regel stehenden Adjunkte ausgewählt werden. Denn ein Element kann ja nur zu einer der Untermengen gehören. Dann könnte unsre Strukturbeschreibung weiter so aussehen:

Die Strukturanalyse besteht also aus der Anwendung einer Folge von Regeln des Konstitutionssystems. Sie muß so weit fortgeführt werden, bis wir zu den Endzeichen des Konstitutionssvstems kommen. An diese werden dann noch die Plereme des zu beschreibenden Satzes angehängt, so daß die vollständige Strukturbeschreibung entsteht, die wir auch Konstitutionsgraph (KG) nennen. Auf diese Weise kann man die syntaktische Struktur vorliegender deutscher Sätze beschreiben. Es ist aber auch möglich, das Konstitutionssystem als eine generative Grammatik aufzufassen, die die Sätze des Deutschen erzeugt. Ein solcher Automat ginge aus vom Zeichen SF und dann nach den Regeln zu den nachfolgenden Positionen. In den Adjunktionsregeln würde

24

Allgemeine Einführung

er - etwa durch einen Zufallsgenerator - ein Adjunkt auswählen. Wären alle Regeln durchlaufen, d. h., kommt das erreichte Zeichen nicht in einer Regel vor dem Komma vor, dann muß ein Element dieser syntaktischen Kategorie aus dem Lexikon ausgewählt werden. Auf diese Weise wären alle Sätze des Deutschen erzeugbar. Doch wäre die Menge der mit dem Konstitutionssystem erzeugbaren Sätze noch größer als die Menge der nicht abweichenden Sätze. Sie würde aber diese als Untermenge enthalten. Deshalb kann das in diesem Abriß entworfene Konstitutionssystem (KS) allein nicht die Aufgaben einer syntaktischen Theorie erfüllen. Es müßte ergänzt werden durch ein Dependenzsystem (DS), das noch andre Relationen zwischen den Teilen berücksichtigt. Erst damit erhält man eine Satzstruktur (SS), die nun ihrerseits noch andre linguistische Teiltheorien durchlaufen muß. Zuerst müssen die Plereme beschrieben werden in der Plerematik (PL). Wenn deren Ausdruck und Inhalt beschrieben sind, kann erst in der Phonematik (PH) der Ausdruck des Satzes (SA) und in der Inhaltssyntax (IS) der Inhalt des Satzes (SB) beschrieben werden. Die linguistische Beschreibung erhielte dann folgende Form: PH

*SA

Wir sehen hieran deutlich, daß die Satzstruktur als Grundlage der semantischen Beschreibung des Satzes dient. Wird einer Kette aufgrund von KS und DS eine Satzstruktur zugesprochen, dann ist dieser Satz auch semantisch interpretierbar.

25

Aufgaben

Aufgaben: 1] Segmentieren Sie die folgenden Sätze in Plereme: Dabei sind furchtbare Drängeleien vorgekommen. Trotzdem haben die Hinterwäldler die Himbeeren bekommen. Das Einführen pflückfrischer Kirschen ist unerwartet einträglich. 2] Welche der folgenden Pleremketten sind Sätze: (1) hatten ihn. (2) verändern sie. (3) aufgestanden. Bier. (5) den roten. (6) daß er wußte.

(4)

zwei

3] Nehmen wir an, Satz (8) sei folgendermaßen richtig geteilt: Er | sitzt | hier. Ordnen Sie die folgenden Teile zu Positionen, denen auch die Teile von (13) angehören: kann ... bleiben, wo sie will, seit gestern, auf seinen vier Buchstaben, wer sieb schämt, die Prominenz in der Kirche, gelingt, etwas Eigenes zu finden, mir. 4] Welche Satzstrukturen (Graphen) würde das folgende Konstitutionssystem zulassen? K (1, 2/3/4) K (2, 2 + 5 + 6) K (3, 7 + 8) K (4,9 + 3) 5] Um festzustellen, ob eine Endkette mit einem KS beschrieben werden kann, untersucht man, ob sie mit den Endzeichen der zugelassenen Graphen übereinstimmt. Welche der folgenden Ketten sind durch das KS von Aufg. 4] zugelassen? 378, 78, 978, 256, 225656, 25656.

2. Konstitutionssystem In diesem Kapitel soll ein Konstitutionssystem des Deutschen vorgestellt und sein Aufbau begründet werden. Dazu wer-

26

Konstitutionssystem

den die eingeführten Regelarten verwendet. Weil es sich um eine empirische Beschreibung handelt, müssen aus allen möglichen Regeln gerade die ausgewählt werden, die für das Deutsche zutreffen. Die Positionen werden nun nicht mehr mit Variablen wie jti, Jt2 usw. bezeichnet, sondern mit Abkürzungen, die speziell für das Deutsche gültig sind. Das Konstitutionssystem ist unvollständig und unvollendet. Es darf nicht im Sinn einer Normierung verstanden werden, so daß im Deutschen nur Sätze zugelassen wären, die mit diesem System beschreibbar sind. Es soll auch nicht - wie oft üblich - der Sprachgebrauch bestimmter sozialer Schichten als vorbildlich dargestellt und anderen weniger privilegierten eingeübt werden. Vielmehr ist durch die eingehende Erörterung der Grundsätze, nach denen das System gemacht ist, gerade jedem Leser und Benützer die Möglichkeit gegeben, dieses System in seiner Unvollständigkeit zu verstehen und zu komplettieren. So kann diesem System auch der Sprachgebrauch anderer Schichten inkorporiert oder angehängt werden. Mir scheint es ein vertretbares Verfahren, denen, die Syntax lehren oder gelehrt werden, die Einsicht in die Möglichkeiten und die Abfassung einer solchen Theorie zu geben. Besonders zu einem Zeitpunkt, wo unsere Kenntnisse über die normierende und bestehende Sozialstrukturen verschärfende oder konservierende Wirkung traditionellen Grammatikunterrichts noch nicht empirisch fundiert sind. Die Reflexion über die Möglichkeiten und Berechtigung von Regeln sollte die Abrichtung, nach Regeln zu handeln, ersetzen.

2.1 Konstitutionsregeln Kl K2 K3 K4

K (SF, SF1/SW) K ( S F l , P i + F(E n ) + F(A„)) K (E n , Nom n /ES n /IK) K (Nom„, Nomj + K t j n + A t l )

K-Regeln, Regelgraph K5 K6 K7 K8 K9 K10 Kll K12 K13 K14

K K K K K K K

(Ktjn, Ktjl/Ktj2/Ktj3/Ktj4/Ktj5/Ktj6) (Ktj5, Präpn+Ktjn) (Ktj6, It+Ktjn) (Ktjn, Ktln/Kt2n) (Ktln, A r j M n + A M j n + N M n ) (Nomj, Noml/Nom2/Nom3) (Noml, Arj+Arj M + A t 3 + A t 4 + A d j 1 + A M j + N+NM+At2) K (N, Subst/Adj/Pr/Adv...) K (Nom2, P r + K t 2 + A t 2 ) K (ES n , Etn+SFl)

K15

K (Et n , EtO/Etln)

Kl6 K17 K18 K19 K20 K21 K22 K23 K24 K25

K (IK, F ( E n ) + F ( A n ) + P T i + S t 2 + S t 3 ) K (An, Nomn/AS/PK/IKa/AdG) K (AS, A n t + S F l ) K(PK,F(En)+F(An)+Vi+Ptj) K (IKa, IK+IKt) K (AdG, Advl+At4) K (Pj, PTi+VMj) K (PTj, Vj/PAi/VERK I) K (PAi, V ¡-lo + I t + A d j 2 j + A t 4 ) K (VERKI, V Ä + P T ; + S t j )

K26

K (Vi, V12/V22/V23/V24/V25/V20/V32/

K27 K28 K29 K30

K (Atl, A d v 2 + A t 4 + N o m 5 + S F l + A t t l ) K(At2,Nom4+Nom6+IK+SFl+Att2) K (At3, F(Nom n )) K (At4, A d v 3 + A t 4 + S F 1 + A t t 3 )

V33/V34/V35/V3C/V37/V38/V48/V49)

Die K-Regeln sind zusammenhängend im Regelgraphen Schluß des Bandes dargestellt.

28

Konstitutionssystem

2.2 Lexikonregeln Adjl

Adj2i2 Adj222 Adj223 Adj224 Adj225 Adj226 Adj237 Adj238 Advl Adv2 Adv3 AM11 AM12 AM13 AM14 AM21 AM22 AM23 AM24 AM31 AM32 AM33 AM34 Ant

{hölzern, auswärtig, baldig, hiesig, sonstig, link-, ein-, viel-, schön, groß, wenig, zwei, drei, künftig-,...} {groß, dumm, schnell, schuld, fit,...} {lang, los, lwert, alt, breit,...} {2böse, recht, Heuer, gleich, erinnerlich, Untertan, ...} {teilhaftig, überdrüssig, Hedig, habhaft, schuldig,...} {stolz, bereit, fähig, abhängig, ansässig, links, ...} {bekannt, verrufen,...} {überlegen, ebenbürtig,...} {einig, einverstanden,...} {schön, gut, meist, teilweise, bestimmt, bekanntlich, genug, wieder, bloß, selten, ...} {nur, weit, tief, nicht, genau, besonders, auch, erst,...} {sehr, ganz, besonders, nicht, so,...} {-e, -en) {-en, -e} {-en} {-en,-e} {-er, -e, -es, -en) {-en, -e, -es} {-en} {-en, -e, -es} {-er, -e, -es} {-en, -e, -es} {-em, -er, -en} {-en, -er} {als, wenn, weil, obwohl, bis, bevor, als ob, da, damit, falls, so daß, während, indem, wie, ...}

Lexikonregeln Arl Ar2 Ar3 ArlMl ArlM2 ArlM3 ArlM4 Ar2Ml Ar2M2 Ar2M3 Ar2M4 Ar3Mn Attl Att2 Att3 EtO Ell It IKt Kt21 Kt22 Kt23 Kt24 nekl nek2 NM1 NM2 NM3 NM4 Nom3 Pr

{der, dies-, jen-, jed-, manch-, {ein-, mein-, kein-, irgendein-, {0} {-er, {-en, {-em, {-es,

29 welch-,...} ...}

-e, -es} -e, -es} -en, -er} -er}

{ 0 > ~e) {-en, -e, 0 } {-em, -er, -en} {-es,-er} {0} {wo, da, ...} {das, die, daß, wann, wie, ...} {wie, daß,...} { 0 , daß, ob} {wer, welch-, wo, was,...} {wie, als, 0 } {um, ohne, (an)statt} {-er, -e, -es} {-en, -e, -es} {-em, -er, -en} {-es, -er} {und, oder, aber, 0 , bzw., ...} {entweder - oder, sowohl - als auch, weder noch,...} { 0 , Ul + -er, Ul, -(e)n, -s, Ul + -e, -e} { 0 , -e, -er, Ul + -er, -en, -s} { 0 , -en, -s, Ul + -er«, - » } { 0 , -(e)s, -en, -s, U l + - e r , -n, -e} {hier, dort, jetzt, unten, oben, dahin, hierher, zurück, heute, wo, wann, wie, ...} {ich, du, er, sie, es, kein-, ein-, jemand, nichts, etwas, niemand, jed-, man, wer, sich, das, nig, . . .}

30 Präp2 Präp3 Präp4 Ptl Pt2 Stl St2 St3 Subst SW V12 V22 V23 V24 V25 V26 V32 V33 V34 V35 V 36 V37 V38

v

4 8

V49 Vfo

Konstitutionssystem {durch, bis, gegen, in, hinter, für, ohne, neben, über,...} {aus, bei, von, zu, in, wegen, hinter, neben, über, seit, gegenüber,...} {laut, wegen, trotz, während, um willen, statt,...} {-end} {fgß-J + AI + -en, {ge-) + -t) {(ge-) + -t,(ge-) + k\+-en) {-(e)n) {zu} {Mann, Vereinigung, Frieda, USA, Herr, Fischer, ...} {ja, nein, danke, bitte, ach, oh,...} {schlaf-, blüh-, tropf-, roll-, bell-,...} {erkenn-, halt-, riech-, sag-,...} {helf-, gefall-, steh-, vertrau-, gehör-, ...} {harr-, spott-, gedenk-, bedürf-, ertnangel-, ...} {wohn-, sitz-, stamm-, denk-, spott-, ...} {gelt-, sein, bleib-, verfahr-, ausseh-,...} {kost-, lehr-, abhör-,...} {schenk-, abhandel-, empfehl-, zeig-, schick-, ...} {s. erinner-, beschuldig-, entbind-, überführ-, ...} {zwing-, befrei-, s. setz-, bitt-, reiz-, •..} {halt-, anseh-, nenn-, schimpf-, betracht-, s. benehm-, ...} {rat-, droh-, verhelf-, bürg-, dank-, ...} {wett-, übergeh-, feilsch-, verhandel-, wetteifer-,...} {s. streit-, s. einig-, s. veränder-, umstell-, s. mess-,...} {s. denk-, s. vorstell-,...} {gelt-, sein, bleib-, schein-, verfahr-,...}

Erklärung des KS, EK1 V!o

{erklär-, stell-,

Vii

31

anseh-, mach-, halt-, befind-, s. heraus...}

{sein, schein-, hab-, komm-,

werd-, komm-,

gehör-,

be-

...}

Vu

{soll-, dürf-, bleib-, werd-,

V II

{lass-, hör-, fühl-, find-, hab-, mach-,

könn-,...}

VM1

{(-e), -(e)te,

VM2

{-(e)st, 0 , -(e)test, -si + Al)

...}

0+A1}

VM3

{-(e)t, -e, 0 +A1, -(e)te}

VM4

{-en, -en + h\, -(e)ten)

VM5

{-(eJt.-feJi+Al.-feJiei}

VM6

{-(e)n,-en

+A\,-(e)ten)

2.3 Erklärung des Konstitutionssystems Im folgenden sollen die Regeln des KS erklärt und gerechtfertigt werden. An einigen Stellen sind auch Alternativen zu erwägen. Man wird durch den Zusammenhang des Systems und seine Rekursivität nicht sofort jede Entscheidung in ihren Konsequenzen überblicken können. Vielleicht wird man manche Regeln erst richtig verstehen, wenn man nachfolgende Regeln verstanden hat. Dies bringt aber keinen Schaden, weil man das System sowieso erst anwenden kann nach der Lektüre aller Erklärungen und wenn man das System als Einheit verstanden hat. K (SF, SF1/SW)

EK1

Mit dieser Regel werden die möglichen Sätze des Deutschen in zwei Untermengen geteilt. In der zweiten (SW) sind alle Sätze enthalten, die aus nur einem Plerem bestehen, das nicht als Teil eines längeren Satzes auftreten kann. Die erste (SF1)

32

Konstitutionssystem

enthält alle übrigen Sätze. Weil die Position SW nicht mehr weiter teilbar ist, wird sie im KS nicht mehr weiter ausgeführt. Sie enthält Plereme, die wir Satzwörter (SW) nennen und in einer Lexikonregel aufzählen. Satzwörter sind ja, danke und Interjektionen wie oh, he, hallo. Sie können wie alle Plereme noch anderen Positionen angehören. Das trifft für bitte im Gegensatz zu danke zu. Deshalb ist (1) abweichend, (2) nicht. (1) *Sie haben mir danke den Zucker gereicht. (2) Reichen Sie mir bitte den Zucker. Wenn bitte am Ende des Satzes steht, kann man es wie in (2) als Adverb verstehen, aber auch als Satzwort, so daß zwei Sätze vorliegen: (3) Reichen Sie mir den Zucker, bitte. I SF1 1 SW Der Versuch, das Satzwort bitte als elliptischen Satz aus ich bitte zu erklären, ist unnötig und zweifelhaft. Denn einmal fordert das Verb bitt- eine Ergänzung (darum, dies zu tun usw.), die beim Satzwort fehlt, zum andern ist nicht einzusehen, warum dann nicht analog auch danke in (1) möglich sein sollte. Die Satzwörter ja und nein vertreten nicht Sätze, wie man öfter angenommen hat, sondern sind Sätze. Es bedeutet nämlich ja als Antwort auf die Frage Ist er weggegangen? nicht Er ist weggegangen, denn dann würde ja eine andre Bedeutung annehmen je nach dem vorher geäußerten Fragesatz. Hätte dieser Ist er gekommen? gelautet, dann hätte ja gerade die entgegengesetzte Bedeutung. Wir stellen aber fest, daß ja und nein in ihrer Bedeutung unvollständig sind, weil sie immer voraussetzen, daß vorher ein Satz geäußert wurde, der zu bejahen oder zu verneinen ist. Sie zeigen deshalb, daß der Satz nicht unbedingt die kleinste semantische Einheit ist, sondern daß es in einem Text noch linguistisch zu beschreibende Strukturen gibt, die über den Satz hinausgreifen. Man könnte deshalb meinen, man brauche eine Syntax, die von noch größeren Einheiten als Sät-

Erklärung des KS, EK1-EK2

33

zen ausgeht. Dies ist jedoch nicht notwendig, weil man solche Beziehungen vom Satz her beschreiben kann. Im Gegensatz zu Sätzen aus Satzwörtern werden andre Sätze als SF1 beschrieben, auch wenn sie nur aus einem Plerem bestehen oder wenn sie anders gebaut sind als sog. Vollsätze, die ein Prädikat und Ergänzungen enthalten müssen. Solche Kurzsätze wie (4)

Feuer!

(5)

Lieber

(6)

Auf die Plätze!

Karl,

(7)

Einführung

in die

Linguistik.

sind bisher noch kaum untersucht. Sie werden auch hier nicht besonders behandelt, können aber mit dem KS beschrieben werden als SF1, indem man verschiedene Positionen null setzt, z.B. (7) als SF1 [EifNom^Nom+Noms]]]. K (SF1, P j + F ( E n ) + F ( A n ) )

EK2

Die erste Teilung der möglichen Satzketten des Deutschen liefert drei Arten von Konjunkten: das ungesättigte Prädikat (Pi) und zwei Arten von Syntagmen, die es ergänzen: Ergänzungen (E n ) und Angaben (A n ). Ergänzungen sind von Angaben nicht immer durch ihren Bau verschieden, vielmehr werden sie differenziert nach ihrer unterschiedlichen Beziehung zum Prädikat. E sind notwendig, damit der Satz nicht abweichend wird, A dagegen frei hinzufügbar: (1) Er teilte den ganzen Tag ein. (2)

Er wunderte sich den ganzen

Tag.

Nach unsrer sprachlichen Intuition ist das Bedeutungsverhältnis des E zum Prädikat in (1) verschieden von dem des A in (2). Doch dürfte dieses Verhältnis nur schwer zu beschreiben sein. Die Beziehung des E zu P ist aber nicht so eng wie die des

34

Konstitutionssystem

traditionellen Objekts, denn als E sind auch Maßergänzungen zu bewerten, wenn sie notwendig sind:

(3)

Es dauerte den ganzen Tag.

Nun scheint der semantische Unterschied zwischen E und A aber nicht zusammenzufallen mit dem Kriterium der Notwendigkeit. Denn es gibt Fälle, wo ein E gar nicht im strengen Sinn notwendig ist. So kann (4) ein nicht abweichender Satz bleiben, wenn wir den E weglassen:

(4)

Er bedankte sich für das

Geschenk.

Solche Auslassungen von E sind jedoch in der Regel nur möglich, wenn in einer Äußerung klar ist, wofür er sich bedankt, oder wenn es offen gelassen werden soll. Doch auch dann ist für jeden klar, daß zum Bedanken notwendig etwas gehört, wofür man sich bedankt. Die Fälle der ersten Art, wo an sich notwendige Ergänzungen in einer Äußerung weggelassen werden, betrachten wir als Ellipsen. Sie sind nur in der parole möglich, obwohl die Möglichkeit der Ellipse in der langue angelegt sein muß. Weil bei wohnt

keine Ellipse möglich ist, wäre

der folgende Satz abweichend:

(5)

*Der Künstler

wohnt.

W e n n wir berücksichtigen, daß Ellipsen von E möglich sind, und unser Kriterium der Notwendigkeit entsprechend modifizieren, machen uns immer noch Fälle Schwierigkeiten wie:

(4a) Er bedankte

sich,

wenn keine Ellipse vorliegt und offengelassen werden soll, w o für er sich bedankt. Auch dann ist der E nicht notwendig. D a aber ein regelmäßiger Zusammenhang zwischen Sätzen der Art (4) und (4a) besteht, wäre es nicht sinnvoll, zwei verschiedene Prädikate

mit

verschiedener

Wertigkeit

anzunehmen,

denn

dann müßten für alle Verben, die solche Auslassungen zulassen, mehrere Lexikoneinträge vorgesehen sein. Darum ist hier die Unterscheidung von E und A auf einem semantischen Unter-

Erklärung des KS, EK2

35

schied im Beitrag zur Satzbedeutung begründet, der nicht parallel geht mit dem Kriterium der Notwendigkeit. Die Konsequenz daraus ist, daß es nicht-notwendige E geben kann. Die Regel K2 darf nicht so interpretiert werden, als ob es sich um drei Konjunkte handle. Ein Satz kann nämlich mehrere E und auch mehrere A enthalten, so daß sie in syntagmatischer Relation stehen. Wir müssen deshalb in einem Satz mehrere Positionen für E und mehrere für A vorsehen: (6) Man nannte ihn einen Klugscheißer. E I E 1 (7) Niemand läuft heute noch sehr weit. A I A 1 Es ist dabei möglich, daß die E oder A eines Satzes gleichartig gebaut sind oder unterschiedlich. So sind in (6) zwei E mit Akkusativmorphemen versehen. Setzen wir einen in den Dativ, so entsteht ein abweichender Satz. Es gibt aber auch Sätze, wo in dieser Hinsicht verschiedene E gleichzeitig erscheinen: (8) Man gestand ihm einen Dienstwagen zu. E I E 1 Diese Verschiedenheiten der E und der A sind also durch unterschiedliche Teile bestimmt. Wir beschreiben sie durch einen variablen Index n, der bei der Beschreibung eines Satzes sechs verschiedene Werte annehmen kann. Diese Werte sind folgendermaßen definiert: 1 für nominativische E, 2 für akkusativische E und A, 3 für dativische und 4 für genitivische. 5 und 6 für solche, die mit besonderen selbständigen Pieremen angeschlossen sind, u. zw. 5 mit Präpositionen und 6 mit Identifikationstranslativen. Die einzelnen Anschlüsse werden im KS durch die Regeln K5, K6 und K7 erklärt. In (6) hätten wir demnach zwei E2, in (8) einen E3 und einen E2. Wir haben oben gesehen, daß wir mehrere Positionen für E und mehrere für A vorsehen müssen. Dies schreiben wir in der Regel abgekürzt mit dem Zeichen F, das für „Folge" steht.

36

Konstitutionssystem

F(En) bezeichnet also eine Folge von E n , d. i. eine Auswahl aus E 1 + E 2 + E 3 + . . . . + E 6 + E 1 + E 2 + . . . In dieser Folge kommen die einzelnen Indices öfter vor, so daß ein Satz mit zwei oder mehr E2 beschreibbar ist. Es müssen jedoch nicht alle Konjunkte der Folge gleichzeitig gewählt werden. Vielmehr ist die Folge so definiert, daß eine Auswahl aus ihr getroffen werden kann oder anders ausgedrückt: bestimmte Konjunkte können null sein. Es wäre also z.B. die Auswahl E1+E2+E2 möglich, um Satz (6) zu beschreiben. Welche Positionen aus der Folge auszuwählen sind, ist vom Prädikat bestimmt. Jedes Prädikat fordert einmal eine bestimmte Zahl von E und zum andern auch bestimmte Arten von E. Bildet man deshalb einen Satz mit dem Prädikat gestand zu von (8) und berücksichtigt nicht, daß es drei E fordert, so wird dieser Satz abweichend: (8a) *Man gestand ihm zu. Das gleiche tritt ein, wenn man die Art der geforderten E nicht berücksichtigt, etwa statt Ei, E2, E3 wählt Ei, E3, E4: (8b) *Man gestand ihm eines Dienstwagens zu. Aus diesen Gründen muß auch bei den Prädikaten ein Index eingeführt sein, der die Auswahl reguliert. Dieser Index i wird hier im einzelnen noch nicht erklärt, weil er abhängig ist vom Aufbau des Prädikats (s. EK24, EK25). Er ist ein Ausdruck für dessen Ungesättigtheit, die wir im weiteren Wertigkeit nennen wollen. Wir sagen, ein Prädikat sei zweiwertig, wenn es zwei E fordert. Die Angabe der Wertigkeit eines Prädikats ist ein Teil seiner Bedeutungsbeschreibung. Deshalb können wir mit ihr sog. mehrdeutige Verbalplereme wie roll schon differenzieren. Das Prädikat rollt wird damit als einwertig (Pi) in (9) und als zweiwertig (P2) in (10) beschrieben: (9) Das Faß rollt. (10) Die Mannschaft rollt das Faß. Die Annahme, das Prädikat sei das einflußreichste Konjunkt dieser Stufe, und die Zuordnung aller E zur ersten Stufe des

Erklärung des KS, EK2

37

KS sind die Grundlage der Wertigkeitstheorie. Beide Hypothesen widersprechen der traditionellen Teilung des Satzes in Subjekt und Prädikat, für die man keine Gründe in der Teilung angeben kann. Mit der Wertigkeitstheorie kann aber auch die Satzbedeutung angemessener erklärt werden als mit dem Subjekt-Prädikat-Schema. Früher hat man versucht, bei mehrfach ungesättigten Prädikaten die Objekte als versteckte Subjekte zu erklären, da man nach dem logischen S-P-Schema keine andere Möglichkeit hatte.

(11) Fritz unterdrückt Emil.

wollte man danach als Eigenschaften von Fritz und Emil darstellen und auf einwertige Prädikate reduzieren. Es ist aber nicht möglich, P(Ei, E2) zu verstehen als P(Ei) und P(E2), also etwa (11) als (IIa) Fritz unterdrückt und dadurch

(IIb) Emil wird unterdrückt,

weil damit die Beziehung des Unterdrückens, die zwischen Fritz und Emil besteht, nicht auf gleiche Weise ausgedrückt ist. Denn es könnte ja sein, daß Fritz Karl unterdrückt und Karl die Unterdrückung Fritz' nur abwälzt auf Emil. Deshalb kann man nicht immer mit Recht (11) äußern, wenn man (IIa) und (IIb) mit Recht äußern kann. Entscheidend ist aber bei diesem Reduktionsversuch, daß die Beziehung des Unterdrückens, die nach (11) zwischen Fritz und Emil bestehen soll, in (IIa) und (IIb) teilweise wieder in und dadurch steckt. Wollte man das Verhältnis dieses Teils zu den Restsätzen beschreiben, so müßte man das gleiche Reduktionsverfahren anwenden und käme so, wenn die Beschreibungssprache eine weitere Spaltung zuließe, zu einem Regreß, der die zweifache Ungesättigtheit von unterdrückt nicht erklären kann. Deshalb ist die Wertigkeitstheorie jedem derartigen Reduktionsversuch überlegen. Die Einteilung in E und A wird sich auch inhaltssyntaktisch bewähren, wie man leicht einsieht, weil man A im Gegensatz zu E als eine Art Prädikation über den Restsatz auffassen kann.

38

Konstitutionssystem

Jedenfalls braucht man zur Beschreibung des Verhältnisses der A zu den Restsätzen weniger Ausdrücke. M a n kann etwa

(12) Fritz unterdrückt Emil rigoros grob auffassen als

(12a) Die Unterdrückung von Emil durch Fritz ist rigoros. O b dieser Vorschlag haltbar ist, muß die Inhaltssyntax erweisen. Die Einführung der Wertigkeit eines Prädikats ist eine Erweiterung und damit zugleich Aufhebung der

traditionellen

Unterscheidung in transitiv und intransitiv. Sie berücksichtigt nicht nur den Unterschied von ein- und zweiwertig, sondern aller Wertigkeiten. Gleichzeitig hebt sie auch die unberechtigte Bevorzugung der Akkusativergänzung

auf, da alle Prädikate

mit zwei E zweiwertig sind. D a ß dies berechtigt ist, kann man gut daran sehen, daß dem Kasus selbst beim Anschluß des E keine Bedeutung zukommt. Er dient nur der Unterscheidung, in welche Leerstelle ein E eintritt, wenn mehrere da sind. So hat

(13) Die Schwester kümmert sich um den Patienten eine andere Bedeutung als

(14) Der Patient kümmert sich um die

Schwester,

weil die Füllungen der Leerstellen vertauscht sind. Es ändert aber nichts an der Bedeutung, wenn bei einem Prädikat, das nur E2 fordert, statt dessen ein E3 eingesetzt wird, nur daß der Satz meistens abweichend wird. Es gibt aber durchaus solche Varianten:

(15) Die Mama ruft ihn/ihm. (16) Die Mama erinnert sich seiner/an ihn.

E2/E3 E4/E5

Auch historisch ist eine solche Änderung ohne Bedeutungswandel möglich. K(E„, N o m n / E S n / I K )

EK3

Im nun folgenden Abschnitt des KS werden zuerst die E ausgeführt. Dabei können alle Arten von E, also alle Werte des Index n zusammenbehandelt werden, weil es keine gravieren-

Erklärung des KS, EK2-EK3

39

den Unterschiede gibt außer einem unterschiedlichen Teil, der gerade die Kennzeichnung des E bezüglich der verschiedenen Werte von n bewirkt. Dieser Teil wird jedoch erst auf der nächsten Stufe in einer Konjunktionsregel abgetrennt. Der Index n in einer Adjunktionsregel ist deshalb so definiert, daß er vor und hinter dem Komma stets den gleichen Wert annimmt. Auf diese Weise können mehrere Alternativregeln in einer Regel formuliert werden (vgl. Aufg. 7 und 8). Die Füllung der Leerstellen eines Prädikats ist nicht auf Nominale beschränkt. Es gibt vielmehr drei gleichberechtigte Adjunkte: Nominale (Nom), Ergänzungssätze (ES) und Infinitivkonstruktionen (IK): (1)

Man verwende fette Nomi I

Krammetsvögel. 1 Nom2

(2)

Es ist wichtig, daß sie gerupft und ausgenommen sind. I ESi 1 (3) Man soll nicht vergessen, alle Federreste abzubrennen. I IK 1 Wir sehen daran, daß der Index n die Art der Leerstelle bezeichnet, in die eines der Adjunkte eintritt. Er steht nicht für die morphologische Kennzeichnung des Kasus. Denn es hätte ja keinen Sinn, bei ES und IK von Kasus zu sprechen. Man kann jedoch unter Umständen die Art der Leerstelle durch Kommutation mit einem Nominale feststellen, weil etwa ES nicht immer durch ihren Bau zeigen, welche Leerstelle sie füllen. Dies gilt für daß-Sätze, die für mehrere Werte von n gleich gebaut sind: (4) (5) (6)

Man bemühe sich, daß die Farce schnell gart. I ES5 ' Man bemühe sich darum. EsNoms Man beachte, daß die Farce schnell gart. I ES2 1

40

Konstitutionssystem

(7)

Man beachte das alles. E2Nom2 Auch bei den Nominale ist der Index nicht als kasuelle Kennzeichnung zu lesen. Denn der Anschluß kann durch Präposition oder Identifikationstranslativ geleistet sein. Auch darin erweitert die Wertigkeitstheorie traditionelle Kasustheorien. K (Nom n , N o m j + K t j n + A t l )

EK4

Diese Regel teilt von den Nominale Teile ab, die angeben, in welcher Weise ein Nominale syntaktisch zu verwenden ist. Dazu gehört auf der ersten Stufe die Angabe, in welche Prädikatsstelle ein Nominale eintreten kann. Wir nennen diese Teile Kasustranslative (Kt). Sie sind hier mit zwei Indices versehen. Der eine (n) führt den Index n der Nominale weiter aus in eine Subklassifizierung der Kasustranslative, der andre (j) ist auch ein Kongruenzindex und sorgt dafür, daß den in drei Untermengen zu unterteilenden Nominale jeweils das richtige Kt zugeordnet wird. Denn Pronomina (in Nom2) haben andre Flexionsmorpheme als Nomina (in N o m l ) . Als drittes Konjunkt führt diese Regel einen Teil der Attribute (Atl) der Nominale ein. Die Attribute sind im vierten Teil des KS behandelt. Es gibt in deutschen Sätzen Teile, von denen wir intuitiv behaupten würden, es komme ihnen keine Bedeutung zu. So wird man schwerlich dem zu in (1) eine Bedeutung zuschreiben können: (1)

Man braucht sie nicht lange zu braten.

Dieses zu kommutiert nicht. Es kann bei Fehlen ohne Änderung der Bedeutung eingefügt werden, ist also in gewissem Sinn redundant. Darum nur sind auch Varianten möglich wie bei brauchen, wo das zu fehlen oder stehen kann, ohne Bedeutungsänderung. In andern Fällen kann Fehlen oder Stehen von zu einen abweichenden Satz zur Folge haben: (2)

"'Man will sie nicht zu braten.

Erklärung des KS, EK3-EK4

41

Wenn wir auch die Kasusmorpheme zu der Menge solcher Teile rechnen, erkennen wir, wieso der lange Streit um die Bedeutung der Kasus so unbefriedigend ausgehen mußte: die Kasus haben gar keine Bedeutung im gängigen Sinn. Das muß uns aber zu einer Präzisierung unseres Bedeutungsbegriffs führen. Denn man kann kaum mit Recht behaupten, daß sie gar keine Bedeutung haben. Wir haben bereits in EK2 (13), (14) gesehen, daß die Vertauschung der Kasus sich auf die Bedeutung des Satzes auswirkt. Nur wird dies aber nicht als Kommutation gezählt, weil die entsprechenden Nominale dabei in andre Positionen kommen. Sonst ist ein falscher Kasus wie in EK2 (8b) aber korrigierbar und damit im gleichen Sinn redundant wie oben zu. Der Kasus hat also einen Wert für die Organisation des Satzes, und darin liegt seine Bedeutung. Deshalb unterscheiden wir diese translative Bedeutung von der informativen Bedeutung, die wesentlich auf Kommutation beruht. Plereme, die das Verhältnis von Syntagmen im Satz regeln, nennen wir Translative. Nicht in allen Fällen ist die translative Bedeutung so unbestreitbar wie bei zu. Es können nämlich auch Translative informative Bedeutung haben. Dafür finden wir Beispiele bei den Präpositionen der E5. Bei manchen Prädikaten regelt die Präposition nur den Anschluß ans Prädikat und hat keine eigene informative Bedeutung. Das gilt für über in (3) Man wundert sich über seine Güte, wo die Präposition nicht kommutiert und nicht ihre sonstige räumliche Bedeutung hat. Es kann aber auch die Präposition eines E5 kommutieren, und dann hat sie auch informative Bedeutung: (4) Keiner sitzt auf / unter dem Stuhl. Hier kumulieren in der Präposition translative und informative Bedeutung. Die Kumulation gibt es auch bei den Kasusmorphemen, da sie in gewissem Rahmen kommutieren. So ist zwar in einem Nom2 der Kasus bestimmt, aber es besteht die

42

Konstitutionssystem

Wahlmöglichkeit zwischen dem Singular- und dem Pluralmorphem. Da nun aber Translative nichts zur informativen Bedeutung beitragen dürfen, müssen die Kasusmorpheme noch einmal an andrer Stelle K U , K13 ins KS aufgenommen werden. Ob ein Translativ auch informative Bedeutung hat, ist durch Kommutation festzustellen. K (Ktjn, Ktj 1 /Ktj2/Ktj3/Ktj4/Ktj5/Ktj6)

EK5

Mit dieser Regel werden die Kasustranslative in sechs verschiedene Arten unterteilt. Die Regel ist gemischt und enthält vier Endzeichen und zwei Adjunkte, die noch im KS weiter ausgeführt werden. Die Endzeichen stehen dagegen für syntaktische Kategorien, die in Lexikonregeln durch Angabe von Plerembeispielen erklärt werden. Die Sechsteilung zeigt, daß bei den Prädikaten sechs verschiedene Arten von Leerstellen angenommen sind. Es dürfte kaum Prädikate geben, die alle Arten von Leerstellen gleichzeitig haben. Aber die Auswahlmöglichkeit muß vorgesehen sein. In der Sechszahl erkennen wir auch die bereits angeführte Erweiterung des traditionellen Kasusbegriffs wieder, der auf einer nicht sprachadäquaten Bevorzugung der Flexion beruht. Eine Alternative zu dieser Regelfolge wäre gewesen, zuerst den Index n von N o m n in einer Adjunktionsregel, und das hieße in K3, aufzulösen und dann jedes Nominale für jeden Wert von n in einer eigenen Konjunktionsregel auszuführen. Dazu hätte man aber fünf Regeln mehr gebraucht und außerdem den Vorteil der Indexschreibweise aufgegeben. Wichtiger ist aber, daß eine solche Regelfolge empirisch nur schwer zu halten gewesen wäre, weil sie den einheitlichen Bau aller N o m n nicht in einer Regel beschreibt. Dadurch wäre eine adäquate Beschreibung des Schleifenbezugs auf N o m n in K29 nicht möglich gewesen. Wir sehen also, daß bereits hier zur Begründung einer Beschreibung andre Teile des KS berücksichtigt werden müssen.

Erklärung des KS, EK4-EK6

43

K (Ktj5, Präpn + Ktjn) EK6 Wir müssen nun die beiden Adjunkte aus K5, die nicht Endzeichen sind, weiter in Konjunkte ausführen. Dazu wird in dieser Regel Ktj5 geteilt in eine Präposition (Präp) und ein Kasustranslativ. Der Name „Präposition" ist dabei nicht motiviert zu verstehen, denn als Präpositionen gelten auch sog. Postpositionen, die auf das Nomen folgen: (1) Dieser Ansicht gegenüber ist zu sagen ... Der in der Regel neu eingeführte Index n ist ein Kongruenzindex, der dafür sorgt, daß jeder Präposition der richtige Kasus des abhängigen Nomens zugeordnet wird. Er geht also nicht über das Komma hinweg und hat nichts zu tun mit dem Index 5 in Ktj5. Die Restriktion dieses Index n geschieht durch die Lexikonregeln. Sie regeln nämlich, daß für n nicht alle Werte von 1 - 6 zugelassen sind, weil als Präpn nur Präp2, Präp3 und Präp4 vorkommen. Darum enthält K6 auch keine direkte Schleife, wie es auf den ersten Blick aussieht. Denn das Konjunkt Ktjn kann gar nicht durch Ktj5 belegt sein, und deshalb stehen nicht vor und nach dem Komma irgendwelche gleichen Zeichen, was ja die Bedingung für eine direkte Schleife wäre. Empirisch trägt das der Tatsache Rechnung, daß im Deutschen keine Doppelpräpositionen möglich sind: (2) *Wer lehnt an auf der Brüstung? Solche Sätze sind wegen des erwähnten Fehlens von Präp5 durch das KS richtig ausgeschlossen. Im Deutschen gibt es Verben, die als Varianten eines E5 auch einen kasuellen E zulassen: (8) Man spotte nicht darüber / dessen nicht. 1—Es—1 '—E4—' Weil dies möglich ist ohne Bedeutungsänderung, wurde auch die Gleichberechtigung der E5 mit kasuellen E weitgehend akzeptiert. Wir sehen darin auch die Begründung dafür, Präpositionen wie Kasusmorpheme als Kasustranslative im KS zu behandeln.

Konstitutionssystem

44

Verschiedenheit des präposirionalen E kann wie Verschiedenheit des kasuellen E eine Polysemie des Prädikats anzeigen: (4) Keiner glaubt das.

E2

(4a) Keiner glaubt an ihn.

LE5-J

(5)

Keiner traut ihn.

E2

(5a) Keiner traut ihm.

E3

Eine solche Polysemie wird dadurch beschrieben, daß das Prädikatsverb zweimal im Lexikon aufgeführt wird. Damit ist auch gleichzeitig behauptet, daß der Bedeutungsunterschied von (5) und (5a) nicht durch einen Bedeutungsunterschied der Kasustranslative Ktj2 und Ktj3 beschrieben werden kann. Denn dann müßten alle derartigen Dubletten den gleichen Bedeutungsunterscheid aufweisen, z.B. auch (15) in EK2. Will man dies halten, dann versuche man diesen Bedeutungsunterschied zu beschreiben. K (Ktj6, I t + K t j n )

EK7

Mit dieser Regel wird eine andre Menge von Kasustranslativen eingeführt, deren Elemente Plereme sind. Wie die Präpositionen regieren auch diese Identifikationstranslative (It) selbst wieder Kasustranslative bei den abhängigen Nomina. It hat man in den bisherigen Grammatiken kaum als eigene Wortart behandelt. Auch ein durch It angeschlossener E wurde nicht als eigene Art von E angesehen. Wir wollen deshalb die Einführung des Eß ausführlicher begründen. Notwendige Syntagmen des Typs wie ein Dummkopf in einem Satz wie (1) Er verhält sich wie ein Dummkopf sind verschieden beschrieben worden. Meistens hat man versucht, sie aus einem Vergleichssatz zu erklären. (1) sollte dann eine Ellipse sein von

Erklärung des KS, EK6-EK7

45

(la) Er verhält sich, wie ein Dummkopf sich verhält. Eine solche Erklärung ist aber in vielen Fällen gar nicht möglich, weil kein Vergleichssatz möglich ist: (2) Er gilt als großer Künstler. (2a) *Er gilt als großer Künstler gilt. Auch bei Sätzen wie (1) kommen wir in Schwierigkeiten. Denn der Vergleichssatz muß ja seinerseits ein Ergänzungssatz sein, also eine Leerstelle des Prädikats verhält füllen. Man sieht dies daran, daß (lb) *Er verhält sich abweichend ist. Dann müßte also wenigstens eine Leerstelle besonderer Art für diesen Ergänzungssatz angesetzt werden. Man wird ihn nämlich schwerlich als E2 bezeichnen dürfen wie in (3) Er weiß, wie ein Dummkopf sich verhält, weil als ES2 auch ganz anders gebaute Sätze möglich sind und für sie insbesondere die Bedingung der Prädikatsgleichheit nicht erfüllt sein muß. Aber auch aus der Kommutation gewinnen wir keine Anhaltspunkte dafür, denn der Ergänzungssatz in (la) kommutiert nicht mit einem Nom2, sondern nur mit Syntagmen der erwähnten Art. Schwerer wiegt noch ein andrer Einwand: wenn (1) aus (la) erklärt werden soll, dann muß die syntaktische Position von wie in ES erklärt werden. Dies steht aber in der gleichen syntaktischen Position wie wie ein Dummkopf in (1). Denn der Vergleichssatz ist als indirekter Fragesatz zu erklären, in dem ein Dummkopf Ei ist, wie ein Fragepronomen, das u. a. mit so kommutiert: (lc) Wie verhält sich ein Dummkopf? (ld) So verhält sich ein Dummkopf. Wenn aber wie ein Eo ist, dann müßte es auf die gleiche Weise erklärt werden wie wie ein Dummkopf in (1). Die Erklärung würde damit zu einem unendlichen Regreß führen, der nicht als Beschreibung akzeptiert werden kann.

46

Konstitutionssystem

Im KS werden Syntagmen des genannten Typs als eigene Position eingeführt. Sie sind als E notwendig und direkt vom Prädikat abhängig. Sie haben mit den E5 gemeinsam, daß sie ebenfalls nicht kasuell angeschlossen sind, unterscheiden sich aber von ihnen dadurch, daß die Translative, die sie enthalten, nicht wie die Präpositionen einen festen Kasus regieren. Deshalb wird auch der Index n im Unterschied zu K7 hier nicht durch das Translativ bestimmt. Es ist nämlich die Eigenschaft solcher Syntagmen, daß sie sich in ihrem Kasus nach anderen E des Satzes oder auf tieferer Stufe nach anderen Teilen richten. Wenn wir etwa den Ei von (2) durch Veränderung des Prädikats zu einem E2 machen, sehen wir, daß sich auch der Kasus des Eß ändert. Der Index von Ktjn nimmt dann ebenfalls den Wert 2 an: (2b) Man läßt ihn als großen Künstler gelten. ' E6 1 Das gleiche ist auch für Eo festzustellen, die im Kasus mit E-> kongruieren: (4)

Keiner siebt ihn als einen Lügner an.

I Eß ' (4a) Er wird von keinem als ein Lügner

angesehen.

1

E6 1 Mit welchen E der Ec im Kasus übereinstimmt, kann im KS nicht angegeben werden, weil der Formalismus dafür keine Möglichkeit bietet. Dies müßte deshalb einer andern Teiltheorie überlassen bleiben. Unser Name „Identifikationstranslativ" soll nur für die beschriebenen syntaktischen Eigenschaften dieser Translative stehen. Es ist damit nichts gesagt über eine semantische Beziehung zwischen den kasuskongruierenden E. Zwar ist es intuitiv einleuchtend, daß ein enger Zusammenhang zwischen diesen E besteht, er dürfte aber komplizierter und vielfältiger sein als Identifikation, was das auch immer heißen mag.

Erklärung des KS, EK7

47

Die Eigenschaft, den Kasus mit einem andern E zu wechseln, trifft nicht nur auf mit als oder wie eingeleitete E zu, sondern auch auf die traditionell prädikative Nominative genannten: (5) Er wird ein großer Linguist. (6)

Laß ihn einen großen Linguisten

werden.

Das Syntagma ein großer Linguist aus (5) ändert in (6) seinen Kasus mit Ei von (5). Wir nehmen darum ein Identifikationstranslativ 0 an, das für ein Translativ steht, das auf der Ausdrucksseite nicht repräsentiert ist. Solche Nullzeichen werden aufgrund der Opposition zu ändern Zeichen angesetzt. Sie bringen zwar theoretische Schwierigkeiten, aber auch großen Nutzen mit sich. In unserem Fall wäre auch eine Beschreibung ohne Nullzeichen denkbar. Die Annahme des Nullzeichens gestattet uns aber, ohne Änderung des KS auch diese Syntagmen als Eo anzusehen. Die Einführung des Eo ermöglicht die Beschreibung des Zusammenhangs von (7) und (8), wo trotz verschiedenem Bau gleichartige Syntagmen vorliegen: (7) Man bezeichnet ihn als einen Faschisten. 1 E 6 [It = a/s] 1 (8) Man nennt ihn einen Faschisten. I—Eo[It=0]—" Damit ist auch der intuitiven semantischen Ähnlichkeit Rechnung getragen. Wir können aber nun auch die doppelten Akkusative auseinanderhalten, die sonst zusammenbehandelt werden: (8) enthält einen E2 und einen Eo, dagegen (9) zwei E2: (9) Wer lehrt dich diese Mätzchen? 1 E2 1 E2 Die Berechtigung dieser Beschreibung kann man durch passende Prädikatsänderungen nachweisen. Sie müßte auch semantisch zu bestätigen sein. Ein weiterer Vorteil der Einführung des Eo ist die Möglichkeit, den Zusammenhang zwischen bestimmten E, A und Attri-

48

Konstitutionssystem

buten adäquat beschreiben zu können. So hat man in verschiedenen syntaktischen Theorien auf den Zusammenhang zwischen Appositionen und Sätzen mit E6 hingewiesen. Man versuchte solche Appositionen wie Fritz und Kurt, zwei gute Freunde auf Sätze mit Eß zurückzuführen: (10)

Fritz und Emil sind zwei gute

Freunde.

Damit war aber zuviel behauptet, weil das Nominale auch anders in einem Satz fungieren kann, so daß es z. B. auf (10a) Fritz und Emil waren zwei gute

Freunde.

zurückgeführt werden kann, wenn (11) erklärt werden soll: (11) Fritz und Emil, zwei gute Freunde,

haben sieb

zerstritten.

Mit unserer Beschreibung ist dagegen weniger behauptet. In (11) wäre zwei gute Freunde At2[Nom6], in (10) dagegen Eg[Norrie]. Wir sehen daran die Gleichartigkeit - beide sind Nom6 - und die Verschiedenheit - eines fungiert als E, das andre als Attribut. K (Ktjn, Ktln/Kt2n)

EK8

Wir haben in den vorhergehenden Regeln nur den Index n der Kt ausgeführt. Diese Regel führt nun noch den Index j aus und unterteilt die Kt in zwei Untermengen je nach der Art der Nominale, die sie anschließen. Die richtige Auswahl ist gewährleistet durch die Definition des Index j, der in K4 für Nom und Kt immer nur den gleichen Wert annehmen kann, so daß also Noml nur zusammen mit Ktln und Nom2 nur mit Kt2n vorkommen kann. Für Nominale der dritten Art gibt es überhaupt keine Kt. Die Gründe dafür gibt EK10. Mit der zweifachen Indizierung der Kt und der getrennten Ausführung der beiden Indices ist eine sog. Kreuzklassifikation beschrieben. Eine solche Kreuzklassifikation liegt vor, wenn eine Menge nach mehreren Kriterien in Untermengen geteilt werden soll, diese Kriterien sich aber überschneiden. Wenn wir z. B. die Menge der Menschen M nach den Kriterien groß (g) :

Erklärung des KS, EK7-EK8

49

klein (k) und männlich (m) : weiblich (w) unterteilen, bekommen wir folgendes Schema:

m

w

m

w

Analog für unsre Kt, die nach den Kriterien, ob sie mit N o m l oder Nom2 auftreten und in welchem Kasus sie stehen, subklassifiziert werden: Ktjn Ktln Ktll Ktl2 Ktl3 Ktl4 Ktl5 Ktl6

Kt2n Kt21 Kt22 Kt23 Kt24 Kt25 Kt26

Alle diese Möglichkeiten sind mit unsern beiden Regeln K5 und K8 beschrieben. Die getrennte Ausführung der Indices spart dabei je nach der Reihenfolge neun oder eine Regel ein und macht eine Aufführung aller 12 möglichen Kombinationen überflüssig. Die Kt2n sind Plereme, deshalb wird diese Position im KS nicht weiter ausgeführt. Es sind die Morpheme der sog. Personalpronomina. Sie müßten aber in einer ausführlichen Theorie noch einmal unterteilt werden, zuerst in mindestens zwei große Gruppen. Die der einen bereiten keine größeren Schwierigkeiten, da sie einfach an die Pronomina angehängt werden: kein + er, kein + es, kein + em, kein + en, . . . Sie wären weiter nach Numerus (Singular : Plural) und Genus (Maskulin : Feminin : Neutral) zu unterscheiden. Für die andre Gruppe müßten noch Regeln formuliert werden, die die richtige phonologische Gestalt der Verbindung herstellen. Man nennt solche Regeln morphonemische Regeln: ich + Kt22 => mich wer + Kt24 => wessen du + Kt22 => dich der + Kt24 => dessen

50

Konstitutionssystem

Sie werden notwendig, weil man Ketten wie dessen nicht linear segmentieren kann. Für eine andre Gruppe der N o m 2 gibt es keine Kt, weil sie nicht deklinierbar sind. Dazu gehören man, etwas, wenig. Die genauere Z u o r d n u n g u n d Subklassifizierung der N o m 2 und Kt2n könnte in einer Regel der Form K (Nom n , N o m j x + Ktjxn) geleistet werden. Um eine Komplikation des KS zu vermeiden, ist dies hier unterlassen. K (Ktln, A r j M n + A M j n + N M n )

EK9

Die Kasustranslative der N o m l sind nicht Elemente eines Endzeichens. Sie werden in dieser Regel ausgeführt in alle Flexionsmorpheme der Teile dieser Nominale: Artikelmorpheme (ArjMn), Adjektivmorpheme (AMjn) und N o m i n a l m o r p h e m e (NMn). Denn in einem Nominale wie des guten Kindes wird der Kasus dreifach angegeben: durch -en, -es u n d das morphonemisch verschmolzene -5 des Artikels. Sie brauchen aber nicht alle gleichzeitig vorzuliegen. Vielmehr sind sie gebunden an Artikel, Adjektiv und N o m e n und fehlen deshalb auch, wenn der entsprechende dieser Teile fehlt. Der Index n der Regel ist in allen Positionen gleich zu belegen. Er regelt die Kasuskongruenz der verschiedenen Morpheme. Der Index j wird hier neu eingeführt. Er sorgt dafür, daß je nach Artikelform das richtige Adjektivmorphem gewählt wird, weil ja der Artikel bewirkt, daß das Adjektiv stark, schwach oder gemischt flektiert. Diese Artikelklassen werden in EK11 erklärt. Die Nominalmorpheme sind hier nicht weiter in Untermengen geteilt. M a n könnte dies leicht tun und dabei die N o m i n a auch subklassifizieren. Am besten wäre das in K U zu machen durch einen identischen Index bei N und N M , der auch die Z u o r d n u n g der Deklinationsklassen erledigen würde. Dies kann jedoch hier unterbleiben, weil diese Distribution keine semantischen Konsequenzen hat. Dagegen w ä r e der Bedeutungsunterschied Singular : Plural den Nominalmorphemen im

Erklärung des KS, EK8-EK10

5t

Lexikon zuzuschreiben. Im Satz wirkt er sich besonders in der Numeruskongruenz von Ei und Prädikat aus. K (Nomj, Noml/Nom2/Nom3) EK10 Im Deutschen sind drei Arten von Nominale zu unterscheiden: die der ersten Art (Noml) bestehen aus Nomina und deren Ergänzungen und Attributen, die der zweiten (Nom2) aus Pronomina und ihren Attributen, die der dritten sind einzelne Plereme. Während also N o m l und Nom2 im KS noch weiter auszuführen sind, ist Nom3 ein Endzeichen, das Plereme einer eigenen syntaktischen Kategorie enthält. Nach K4 sind allen drei Arten von Nominale einige Attribute (Atl) gemeinsam: (1) Sie suchen genau den Kerl auf dem Motorrad. | Atl [Adv2] N o m l Atl[Nom 5 ] | (2)

Sie suchen nur jemanden mit Herz. | Atl[Adv2] Nom2 Atl[Nom 5 1[

(3)

Sie bleiben genau dort in der Klause. | Atl[Adv2] Nom3 A t l [ N o m 5 ] |

Demgegenüber enthalten aber N o m l und Nom2 noch Attribute, die bei Nom3 nicht möglich sind. Sie werden in den folgenden Regeln eingeführt, die N o m l und Nom2 noch weiter analysieren. Nom3 werden jedoch aus dem KS ins Lexikon geführt und deshalb hier eingehender beschrieben. Nominale wie dort, heute usw. sind bisher kaun. als Nominale angesehen worden und schon gar nicht als E. Da sie aber mit nominalen E kommutieren, sind sie zur gleichen Position zu zählen: (4) Sein Freund hat in Mainz geivohnt. (5)

Sein Freund hat hier En

geivohnt.

52

Konstitutionssystem

Die Füllung des E5 kann also ebensogut ein N o m l wie ein Nom3 sein. Nur bestehen für Nom3 zwei weitgehende Restriktionen: sie können nur als Noms, seltener auch als Nomß und damit nur als E5 und E6 stehen, und sie sind im Gegensatz zu den andern Nominale nicht flektierbar. Beide Restriktionen dürften sich gegenseitig bedingen. Trotzdem ist es nicht zulässig, Nom3 als Adverbien zu führen, denn sie schließen keine Adverbien aus und gehören deshalb nicht zur gleichen Position:

(6)

Sie bleiben lange hier.

A[Advl] E 5 Sie unterscheiden sich von den Adverbien auch dadurch, daß sie nicht steigerungsfähig sind und in allen Positionen andre Attribute haben als Adverbien:

(7)

Sie bleiben sehr lange. I At4 Advl I I— AdG— 1

(7a) ''Sie bleiben sehr hier. (8) Sie bleiben genau hier.

I Atl Nom31 I—Noms—'

(8a) *Sie bleiben genau lange. Auch wenn Nom3 als Angaben stehen, exkludieren sie Noms, nicht adverbiale Angaben. Nom3 können wie N o m l und Nom2 auch Sätze als Attribute haben. Man muß aber auf den Unterschied zu Angabesätzen achten:

(9) Dickie bleibt dort, wo er will. (10) Dickie bleibt dort, wenn er will. Die Struktur von (9) und (10) unterscheidet sich folgendermaßen (KG9 und KG10 s. S. 53): Es ist nicht immer leicht, diesen Unterschied festzustellen, doch findet man einige Kriterien, die die intuitiv einleuchtende Unterscheidung bestätigen: die beiden Nebensätze exkludieren sich nicht, der Nebensatz in (10) kann permutiert werden:

Erklärung des KS, EK10

53

SF1

(KG9)

Dickie

Nomj

bleibt

dort

wo er will

SF1 (KG10)

P25

Dickie

bleibt

Atl

E

5

dort

•A wenn er will

(10a) Wenn er will, bleibt Dickie dort. Wo er will kann zwar Attribut sein zu dort, aber nicht umgekehrt. Deshalb ist (9a) abweichend: (9a) *Dickie bleibt, wo er will, dort. Dagegen ist in (10) auch diese Permutation zugelassen, weil sie die Positionszugehörigkeit nicht ändert. Weil aber bei Nom3 nicht alle Attribute zugelassen sind, die N o m l und Nom2 haben können, mußten die Attribute in zwei Positionen getrennt werden, von denen nur A t l bei allen Nominalen möglich sind, At2 dagegen nicht bei Nom3. Deshalb ist (11) abweichend, (10) nicht: (10) Das gebt nicht in den Kopf mancher Leute.

(11)

*Das geht nicht hinein

L0 mancher

Leute.

Wir haben schon gesehen, daß Nom3 nicht dekliniert werden. Darum sind auch keine Kt3n angesetzt. Trotzdem gibt es Selektionen für die Nom3 bezüglich des Prädikats: (12) *Paul bleibt dorthin.

54

Konstitutionssystem

Solche Abweichungen können semantisch erklärt werden. Eine Subklassifizierung im KS würde nur die Theorie unnötig komplizieren, da diese semantische Abweichung beschrieben wird durch Regeln, die in jedem Fall notwendig werden. K (Noml, Arj + ArjM + At3 + At4 + Adj 1 + AMj EK11 + N + NM+At2) Diese Regel teilt die N o m l in Konjunkte: den Artikel (Arj) mit seinen Morphemen (ArjM), das Adjektiv (Adjl) mit seinen Morphemen (AMj) und Attributen (At3, At4) und das Nomen (N) mit seinen Morphemen (NM) und Attributen (At2). Die Zuordnung der Attribute kann ebensowenig wie die der Morpheme in einer Konstitutionsregel beschrieben werden. Sie beruht auf internen Dependenzen, die in einer andern Teiltheorie aufgenommen würden. Wir können aber diese Dependenzen hier leicht erkennen: Nach der Regel ist es möglich, daß ein Satz ein N o m l mit allen Konjunkten enthält. In den meisten Fällen werden aber Konjunkte Nullstellen sein. Dann wird die interne Dependenz deutlich. Es entstehen nämlich abweichende Sätze, wenn ein N o m l zwar kein Artikellexem, aber dessen Morphem enthält, oder wenn es kein Adjektiv aber dessen Attribute enthält: (1) *-e großen Leute zweifeln daran. ArlM (2) *Manche darüber sich (wundernden) Leute zweifeln daran. At3 At3 Adjl Als Artikel sind hier nicht nur der- und ein-Form des Artikels gewertet, sondern alle mit ihnen kommutierenden Plereme. So kommutieren im Deutschen z. B. der und das sog. Possessivpronomen mein. Beide gehören also zur gleichen Position und exkludieren sich auch deshalb: (3) "'der mein Zweifel ist berechtigt. Die Artikellexeme werden nicht weiter semantisch subklassifiziert, sondern mit dem neu eingeführten Index j, der die Zuordnung der Artikelklassen zu ihren Morphemen und die Aus-

Erklärung des KS, EK10-EK11

55

wähl der richtigen Adjektivmorpheme regelt. Nach der zugehörigen Lexikonregel gibt es drei solcher Artikelklassen. Sie sind in Hinsicht auf die Artikel- und Adjektivmorpheme gewählt. Je nach der Artikelklasse wird nämlich das Adjektiv stark, schwach oder gemischt flektiert: der dicke Mann, ein dicker Mann, dicker Mann. Darum sind auch die Adjektivmorpheme in drei Untermengen geteilt, von denen die zutreffende durch den Index j ausgewählt wird. Die dritte Artikelklasse (Ar3) enthält dabei als einziges Element den Nullartikel 0 . Wir nehmen einen solchen Nullartikel an, weil durch ihn auch die Wahl einer Untermenge der Adjektivmorpheme (nämlich AM3) geregelt wird. Es gibt aber auch inhaltliche Gründe dafür, weil der Nullform bestimmte Wirkungen auf die Bedeutung eines Satzes zuzuweisen sind. Unflektierte manch, solch, wenig, viel zählen nicht zu Ar, da sie diese Position nicht ausschließen: manch ein großer Mann, wenig große Männer. Es wäre zu erwägen, ob diese Formen nicht als Attribute zum Substantiv oder auch zum Artikel betrachtet werden können. Im letzteren Fall müßte dann bei der Position Arj noch eine Position für Attribute vorgesehen werden. Da es also nicht zulässig ist, diese Formen als Artikel zu werten, entfällt auch die Ausnahmeregel der Grammatiken, daß diese Lexeme wie der Nullartikel die sogenannte starke Adjektivflexion (AM3n) fordern. Solche Fälle sind nun einfach als Nullartikel zu bewerten. Dies erweist sich auch insofern als richtig, als im ersten Beispiel, wo kein Nullartikel, sondern eine andre Artikelform steht, sich das Adjektiv nach eben dieser Artikelform richtet und nicht mit AM3n verkettet wird. Die der-Formen müssen durch morphonemische Regeln erklärt werden, weil eine Segmentierung in d\er gekünstelt ist. Man kann den beiden so entstehenden Pieremen keine Bedeutung zuordnen. Dies wurde allerdings öfter versucht, da das dursprünglich ein deiktisches Plerem gewesen sein dürfte. Selbst

56

Konstitutionssystem

wenn man dies akzeptieren würde, entsprächen aber dem jeweils zweiten Teil ganz isolierte -as, -ie, die nie in andern Umgebungen vorkommen und in ihrer Bedeutung schwer zu beschreiben sein dürften. Die morphonemischen Regeln für die ¿er-Form sähen etwa folgendermaßen aus: das + ArlM3 => dem das + A r l M 2 => das die + ArlM4 => der Artikelselektionen bezüglich der Nomina können mit der Subklassifizierung in Arl, Ar2, Ar3 nicht beschrieben werden. So können etwa Eigennamen i. a. keinen Artikel haben, ohne daß spezielle semantische Wirkungen entstehen. Massewörter und Abstrakta sind auch nicht mit allen Artikelformen kombinierbar: *die Golde, *manche Freiheit. Solche Selektionen gehen auch mit Restriktionen der Nominalmorpheme zusammen. Sie würden inhaltssyntaktisch beschrieben. Nach K U müssen Artikel und Adjektiv zwei Positionen zugewiesen werden. Sie dürfen nicht beide zusammen als Begleiter oder Attribute des Substantivs behandelt werden. Denn dann müßten sie sich ja exkludieren. Die Berechtigung, zwei Positionen anzunehmen, gibt uns auch der verschiedenartige Beitrag von Adj und Ar zur Satzbedeutung. Er wird deutlich bei den Nektionen: (4) Dieser und jener Linguist diskutierten. (5) Ein großer und dicker Linguist diskutierte. (6) Ein großer und ein dicker Linguist diskutierten. Wenn nämlich in (4) nur der Artikel nektiert, wird der Ei pluralisch verstanden, wie es sich am Pluralmorphem des Prädikats zeigt. Nektiert dagegen wie in (5) nur das Adjektiv, so bewirkt das nicht, daß man annimmt, es handle sich um mehrere Linguisten. Diese Regel wird durch (6) noch dahingehend modifiziert, daß die Regel über Artikelnektion der über Adjektivnektion übergeordnet ist. Jedenfalls machen diese Regeln deutlich, daß sich der Beitrag des Artikels zur Satzbedeutung

Erklärung des KS, EK11

57

von dem des Adjektivs unterscheidet. Als Adjl sind hier die sog. attributiven Adjektive eingeführt. Die meisten Adjektive gehören aber sowohl zu dieser syntaktischen Kategorie wie auch zu Adj2. Allerdings gibt es einige, die nur in dieser Position möglich sind:

(7)

Er setzte uns von seinem baldigen Ausscheiden in Kenntnis. (7a) *Sein Ausscheiden ist baldig. Die Adjektive der Nominalgruppen können substantiviert werden. Man unterscheidet dabei usuelle und okkasionelle Substantivierung und hält damit im Grunde nur den synchronischen und diachronischen Gebrauch des Terminus auseinander. Substantivierung im diachronischen Sinn heißt nichts andres, als daß ein Adjektiv in die Klasse der Nomina übergegangen ist. Solche Nomina stehen dann in Nominalgruppen an der Stelle N (Beispiel: Gläubiger). Sie haben z. T . in ihrer Flexion noch Eigenschaften von Adjektiven bewahrt. So ändert etwa Beamter je nach vorangehendem Artikellexem seine Flexion ganz wie ein Adjektiv. Dagegen hat es nicht mehr wie ein Adjektiv den Genusunterschied. Von dieser sogenannten Substantivierung ist zu trennen die okkasionelle Substantivierung, die eine Ellipse ist und vorliegt, wenn in K U die Positionen N und N M null sind:

(8)

Wer bevorzugt schon eine dicke (Frau)?

Den Unterschied der beiden Fälle sieht man an der unterschiedlichen Wirkung auf die Satzbedeutung. Denn genau in diesem Sinn ist der folgende Satz doppeldeutig:

(9)

Er sah keine zwei (/Zwei) über der Zeile.

Die Grenze zwischen der sogenannten okkasionellen und der usuellen Substantivierung ist fließend, weil Adjektive mit Nominalellipse übergehen können in die Position Substantiv, wie dies auch bei den heute eindeutigen Fällen geschehen ist. Die Kardinalzahlen gehören hier zur Klasse der Adjektive, obwohl sie mit Ausnahme von Resten nicht dekliniert werden.

58

Konstitutionssystem

Dies wirkt sich z. B. auch darin aus, daß eine Nominalgruppe, die als Adjektiv eine Kardinalzahl enthält (nicht zwei, drei), mit Nullartikel nicht im Genitiv stehen kann: *der Kampf fünf Männer. Da sich Kardinalzahlen auch bezüglich der Attribute anders verhalten als Adjektive, wäre in einer ausführlicheren Beschreibung eine eigene Position für sie vorzusehen. Viele Adjektive sind keine Plereme, sondern noch weiter segmentierbar. Also ist Adjl auch kein echtes Endzeichen. Wir würden aber die weitere Ausführung einem andern Teil der Theorie zuschlagen, nämlich der Wortbildung. Die Wortbildungsregeln für Adjektive müßten etwa folgendermaßen aussehen (Wt = Wortbildungstranslativ, Pt = Partizipialtranslativ): K (Adj, V + W t l ) K (Wtl, Ptl/Pt2/Wtll) W t l l {-bar, -ig, -lieb, -sam, -haft} Beispiele: bleibend, gelobt, heizbar, gültig, tauglich, duldsam, schreckhaft K (Adj, Subst + Wt2) Wt2 {-n, -ern, -ig, -isch} Beispiele: seiden, hölzern, eckig, biblisch K (Adj, N o m 3 + W t 3 ) Wt3 {-ig} Beispiele: jetzig, hiesig (morphonemisch) Die Steigerung der Adjektive ist hier nicht aufzuführen, weil sie nicht die syntaktische Kategorie ändert. Die Position N ist keine Endposition. Sie wird vielmehr noch in einer Adjunktionsregel ausgeführt. Doch ist das KS hier in verschiedener Hinsicht simplifiziert. Man kann nämlich nicht alle Nomina wahllos mit allen Nominalmorphemen verbinden. So ist Frau + er (N + NM) im Deutschen nicht zugelassen. Deshalb müßte man sowohl die Nomina wie die Nominalmorpheme in Untermengen einteilen. Die Zuordnung dieser

Erklärung des KS, EK11

59

Mengen wäre im KS durch einen gleichlautenden Index bei N und N M zu gewährleisten. Eine solche Unterteilung läge quer zu der der Nominalmorpheme nach den Kasus und wäre deshalb durch einen eigenen Index als Kreuzklassifikation zu beschreiben. Auf die gleiche Weise könnte auch eine andre Auswahl ins KS eingeführt werden, nämlich die des Artikelmorphems nach dem Genus des Nomens. Sie würde einen weiteren gleichlautenden Index bei A r j M und N erfordern, der drei Werte annehmen könnte: einen für Femininum, einen für Maskulinum und einen für Neutrum. Um das KS einfach zu halten, sind beide Unterteilungen unterlassen. Bei den Nominalmorphemen ist wie bei den andern Morphemen in N o m l der Index n für den Kasus nicht mehr aufgeführt. Er wurde ja schon über den Weg der Kasustranslative in K9 erklärt. Trotzdem müssen alle diese Morpheme hier noch einmal aufgenommen werden, weil sie kumulierende Bedeutungen haben. Es ist deshalb notwendig, sie wegen der Bedeutungsbeschreibung in einer Satzstruktur an zwei verschiedenen Stellen zu führen. So würde ein Nom3 diesen Büchern folgendermaßen dargestellt: Norri3

(10)

Arl ArlM dies

-en

N Büch

NM ArlM3

NM3

-ern

-ern

-en

Im linken Zweig unter N o m l würden die Morpheme ihre informative Bedeutung 'plural' zur Gesamtbedeutung beitragen, im rechten Zweig dagegen nur die translative Bedeutung, die die Verwendbarkeit im Satz und die Zuordnung zu bestimmten Leerstellen ungesättigter Positionen bestimmt. Eine solche Darstellung repräsentiert also das, was man oft die Mehrdeutigkeit oder Polyfunktionalität solcher Morpheme genannt hat.

60

Konstitutionssystem

K (N, Subst/Adj/Nom3/Pr/Adv/ ...) EK12 Als Notnina stehen gewöhnlich Substantive (Subst), doch können auch Plereme andrer Positionen an dieser Stelle auftreten. Wir sprechen dann von Nominalisierungen. Um die verschiedenen Füllungsmöglichkeiten zu unterscheiden, teilen wir N in dieser Regel in Adjunkte. Die Position Subst wird im KS als Endposition behandelt, obwohl dies strenggenommen nicht stimmt. Sie enthält zwar Elemente wie Hof, Streik, die nicht mehr weiter teilbar sind unter der Bedingung der konstanten Bedeutungsänderung, aber andre Elemente sind durchaus weiter teilbar: Heizung, Essen. Die Plereme, die sich durch diese Teilung ergeben, können syntaktischen Kategorien angehören, die auch an andern Stellen des KS vorkommen. Sie müssen deshalb nur einmal im Lexikon aufgeführt werden. Da sich durch diese Teilung also Positionen ergeben, kann man für sie auch Regeln formulieren. Solche Regeln würden aber Teil der Wortbildungslehre sein. Sie wären für eine Teilmenge der Substantive wie folgt zu fassen: 12.1 K (Subst, V+Wt4) Wt4 {-en, -ung, -nis, -er, -ling} Beispiele: Vergessen, Reifung, Verhältnis, Lehrer, Lehrling 12.2 K (Subst, Adj+Wt5) Wt5 {-heit, -keit, -igkeit, -tum} Beispiele: Gesundheit, Wendigkeit, Neuigkeit, Reichtum Die Form dieser Regeln zeigt uns, daß die Wortbildungslehre ein Teil der Syntax sein könnte. Ihre Abtrennung ist nur eine Frage der Ökonomie. Der lückenlose Anschluß beider Teiltheorien muß in jedem Fall gewährt sein. Plereme wie -ung haben in erster Linie translative Bedeutung, da sie Plereme einer syntaktischen Kategorie in eine andre überführen. Daneben bewirken sie aber auch regelmäßige Veränderungen der semantischen Verhältnisse. Dazu gehört, daß bestimmte Leerstellen, die bei der Stellung des Verbs als

Erklärung des KS, EK12

61

Prädikat durch verschiedene E repräsentiert sind, bei den Substantiven als Attribute realisiert sind. So erklärt sich die Bedeutungsähnlichkeit zwischen: (1) Das Institut überführt die Leiche. (2) Die Überführung der Leiche durch das Institut... Da auch der Infinitiv eines Verbs in der Position Subst verwendet werden kann, ist auch für ihn eine solche Wortbildungsregel vorgesehen. Man kann aber weder sagen, der Infinitiv sei ein Substantiv, denn er kommt auch in andern Positionen vor, noch hier einen Gegensatz konstruieren zwischen Substantiv und Verb, denn in diesem Fall ist ein Verb Teil eines Substantivs und damit eben kein Substantiv. Als Substantive können aber auch Plereme andrer syntaktischer Kategorien ohne Translative stehen. Wir sprechen dann von Nominalisierungen. Auch dabei ist die Grenze, ob ein Plerem schon Substantiv ist oder okkasionell nominalisiert, nicht sauber zu ziehen, weil es sich um einen Vorgang in der historischen Entwicklung handelt, der notwendig graduell ist. Das tangiert aber nicht unsre theoretische Unterscheidung, die notwendig wird, um bestimmte Fälle auseinanderzuhalten. So ist Wohl als ein Element der Kategorie Subst zu bewerten in (3) Dein Wohl liegt allen am Herzen, dagegen als okkasionell nominalisiert in (4) Das Wohl in ihrer Äußerung darf man nicht überhören. In (4) ist Wohl im Gegensatz zu (3) als das Wort wohl gemeint, hat also eine andre Bedeutung. Trotzdem kann man es nicht als Ellipse aus das Wort wohl erklären, weil es keine reine Zitatform ist. Denn es kann auch angeben, daß die Äußerung relativiert war und das Gesagte als unsicher darstellte. Man sollte deshalb innerhalb der okkasionellen Nominalisierungen nicht um jeden Preis differenzieren. Als okkasionelle Nominalisierungen sind nicht nur Plereme, sondern so ziemlich alle sprachlichen Einheiten möglich. So Zitationen von Wörtern und Sätzen:

62

Konstitutionssystem

(5) Wenn ist in diesem Zusammenhang falsch. (6) „Das geht nicht" meint er. Doch auch nicht zitiert können Phoneme, Syntagmen und Sätze nominalisiert werden: (7) Ein A kann eine ganze Welt eröffnen. (8) Dieses Grün roch nach Streik. Adj (9) Sein Ich widerstand allem Wissen. Pr (10) Er liebte das Laß-mich, das sie zur Schau trug. Der Unterschied zwischen direkter und indirekter Rede kann damit im KS beschrieben werden durch die Zuordnung der fraglichen Pleremketten zu verschiedenen Positionen: (11) Man sagte, das könne nie Erfolg haben. 1 ES n 1 (12) Man sagte: „Das kann nie Erfolg

haben."

I Nom n [N[SF1]] Die Regel 12 ist offengelassen, weil so viele sprachliche Einheiten zugelassen sind. Dies sollen die Punkte andeuten. K (Nom2, Pr + Kt2 + At2)

EK13

Mit dieser Regel schließen wir an die Differenzierung der Nominale an. Sie führt die Nom2 aus in Pronomina (Pr), deren Kasustranslative (Kt2) und Attribute (At2). Als Pronomen zählen Plereme wie ich, kein-, nichts, man, sich. Der Terminus ist also nicht für ein gemeinsames Bedeutungsmerkmal gewählt, sondern definiert sich streng im KS. Deshalb entspricht er auch nicht den traditionellen Pronomina, bei denen Plereme ganz verschiedener syntaktischer Kategorien vermengt waren. Viele Pr gehören nach dem KS noch in andre syntaktische Kategorien, so das, kein zu Ar. Dadurch wird beschrieben, daß es sich in den folgenden Sätzen nicht um die gleichen Plereme han(1) Kein Linguist macht gute Bedeutungsbeschreibungen. Ar

Erklärung des KS, EK12-EK13 (la) Keiner macht gute Pr

63

Bedeutungsbeschreibungen.

(2)

Keiner kann das Alphabet. Ar (2a) Keiner kann das. Pr Es kommutieren die Pr jeweils mit den ganzen Nominale kein Linguist und das Alphabet. Dadurch erklärt sich der intuitive Unterschied des Bedeutungsbeitrags von kein zu (1) und zu (la). Keiner in (la) ist nämlich nicht ein Pronomen, das die Bedeutung von kein Linguist in (1) noch einmal aufnimmt. Dies könnte man zwar meinen, wenn man einen Zusammenhang zwischen (1) und (la) konstruiert. Doch könnte (la) in anderm Zusammenhang auch kein Philosoph aufnehmen oder ohne Zusammenhang ganz allgemein, u. zw. nicht nur im Sinn von kein Mensch, zu verstehen sein. Das gleiche gilt analog auch für das, das in (2a) die Bedeutung eines ganzen Satzes vertreten kann. Diese Überlegungen zeigen, daß sich die Zuordnung zu verschiedenen syntaktischen Positionen inhaltssyntaktisch bewähren wird, obwohl damit nicht die semantische Verwandtschaft der beiden kein bestritten wird. Mit der Unterscheidung von zwei Pieremen das wird es uns auch möglich, den Unterschied von Sätzen mit Pr das und Ar das mit Nominalellipse zu beschreiben: (3) Welches System ziehst du vor? Das. Ar (4) Was möchtest du? Das. Pr In (3) wird durch das ein bestimmtes System ausgewählt: es ist also in Ellipse System. Das erkennt man auch an der Genuskongruenz des Artikels und Nomens. Wenn man System kommutiert mit einem maskulinen Nomen, muß auch in der Antwort die maskuline Artikelform den stehen. Dagegen ist in der Antwort von (4) ganz allgemein über etwas gesprochen,

64

Konstitutionssystem

das nicht mit einem Nomen oder einem Nominale benannt ist, vielleicht gar nicht ohne weiteres benannt werden kann. Das kann also nicht im Genus mit einem Nomen kongruieren, ja ein Nomen, das das in Rede stehende Etwas bezeichnet, kann ein andres Genus haben. Es könnte sich in (4) um eine Lampe handeln. Das Fragepronomen was in (4) steht in der gleichen Position wie das. Auch andre Fragepronomen gehören zu Pr. Darum ist eine Anzahl von Fragesätzen syntaktisch wie Aussagesätze zu beschreiben, nur daß die Pronomina sich grundsätzlich in ihrer Bedeutung unterscheiden. Derartige Fragesätze unterscheiden sich auch semantisch von Fragesätzen wie (5) Geht er* Nach unsern Regeln enthalten Nom2 im Unterschied zu Noml keine Artikel und Adjektive. Kommen sie trotzdem mit Artikel vor, so werden sie über K12 als Nominalisierungen erklärt: sein Ich, dieses grüne Nichts. Dies bietet eine angemessene Grundlage für die semantischen Unterschiede und andre (z. B. Flexionsmorpheme des Prädikats). Für die Flexion der Pr kommen nach K4 nur Kt2 in Frage. Ihr Kasusindex n kann in dieser Regel aber unberücksichtigt bleiben, weil er schon in K4 erklärt ist. Deshalb gilt für die Kt2 das gleiche wie für Ktl: sie kommen wegen der kumulierenden Bedeutung in der Strukturbeschreibung zweimal vor, einmal als Kasustranslative und einmal als Genus- und Numerusbezeichnungen (vgl. EK11 (10)). Wollte man die Flexion ausführlich regeln, so bräuchte man dafür morphonemische Regeln, weil die Kette P r ^ K t 2 nicht immer linear segmentierbar ist, wie schon in EK8 erörtert. Neben den dort behandelten sind hier noch Fälle zu erwähnen, wo Nom2 als N01115 stehen. Denn dann kommen neben linear segmentierbaren auch morphonemisch verschmolzene Nom2 vor. Dies gilt für neutrale Pronomina und bestimmte Präpositionen: für was/ wofür, für das! dafür, auf das/ darauf, über das! darüber usw. Zwi-

Erklärung des KS, EK13-EK14

65

sehen beiden Formen besteht eine gewisse Komplementarität, die auch semantische Folgen hat. Neben reine Varianten wie (6) Über was/ worüber wundert man sich? treten Alternanten, so daß als Personenbezeichnung nicht die morphonemische Form stehen kann: (7) *er verriet ihn daran. Die Regeln dafür können hier nicht im einzelnen bedacht und ausgeführt werden. Es sei jedoch auf einzelne syntaktische Regularitäten bezüglich der Attribute hingewiesen, die damit zusammenhängen: (8) *Wer beschützt uns vor dem, daß das passiert? (8a) Wer beschützt uns davor, daß das passiert? (8b) Wer beschützt uns vor dem, was uns passiert? (8c) Wer beschützt uns vor dem, der das glaubt? (8d) *Wer beschützt uns davor, das uns passiert? K (ES n , Etn + SFl)

EK14

Im KS sind zwei Arten von Sätzen unterschieden: Hauptsätze (SF) und Nebensätze, die Teile von Hauptsätzen der Form SF1 sind und selber aus SF1 und bestimmten Translativen bestehen, also streng genommen keine Sätze sind, weil Satzsein nicht äquivalent ist mit Satz als Teil haben. Die Nebensätze sind aber nach dem KS keine eigene Position, weil sie Elemente verschiedener syntaktischer Positionen sind und sich auch danach in ihrem Bau unterscheiden. Es gibt demnach drei große Gruppen: Ergänzungssätze (ES), die als E stehen, Angabesätze (AS), die als A stehen, und Attributsätze (AtS), die als Attribut stehen. Haupt- und Nebensätze werden nach dem KS nicht aufgrund logisierend-semantischer Zusammenhänge auseinandergehalten. Denn ein enger semantischer Zusammenhang kann auch zwischen zwei verketteten Hauptsätzen bestehen: (1) Er war Glossematiker. Dann wurde er Transformationalist.

Konstitutionssystem

66 Dagegen ist im da ein Satz Teil leicht feststellbar, (2) Ich vermute,

KS der Zusammenhang syntaktisch definiert, des andern sein muß. Für ES ist dies z. B. da sie eine Leerstelle des Prädikats besetzen: er wechselt noch einmal.

I ES ! Wir setzen einen ES an, obwohl es sich nach dem Bau auch um einen Hauptsatz handeln könnte. Daß er Teil des ganzen Satzes ist, sehen wir aber daran, daß der Rest ohne ES kein vollständiger Satz wäre. Außerdem leistet er wechselt noch einmal zu (2) einen andern Bedeutungsbeitrag als ihm Bedeutung als Hauptsatz zukäme, und dies muß ja zur Folge haben, daß die Kette verschiedenen Positionen zuzuordnen ist. So würde (2) nicht falsch, wenn der im ES bezeichnete Sachverhalt nicht einträfe, der Hauptsatz (2a) Er wechselt noch einmal wäre dann aber nicht wahr. Da ES in Leerstellen des Prädikats eintreten, sehen wir die Kennzeichnung der Leerstellen mit dem Index n vor. Zwar können manche ES in verschiedenartigen Leerstellen stehen, ohne verschieden gebaut zu sein, doch können wir dann aufgrund der Kommutation mit Nominale die Art der Leerstelle feststellen. Das soll aber nicht bedeuten, daß ES Ersatz für Nominale seien. Es macht auch noch einmal deutlich, daß der Index n bei E nicht einen Kasus bezeichnet, sondern die Art einer Leerstelle. Denn bei Sätzen kann es sich ja nicht um einen Kasus im normalen Sinn handeln. Wenn man die ES nicht durch den Index n differenzieren wollte nach der Leerstelle, die sie füllen können, dann könnte man nicht erklären, warum (3) abweichend ist: (3)

*Wem er gehorchte, zwang ihn.

Man könnte auch nicht den Bedeutungsunterschied von (4) und (5) erklären, der darauf beruht, daß die ES jeweils verschiedene Leerstellen des Prädikats füllen:

Erklärung des KS, EK14

67

(4)

Wer die besseren Argumente hat, weiß, wer Recht I ESi 1 I ES2 (5) Wer Recht hat, weiß, wer die besseren Argumente 1 ESi 1 I ES2 Der Index n kann grundsätzlich alle Werte von 1-6 men: (6)

Daß dies genügt, ist unsicher. I ESj 1

(7)

Ich glaube nicht, daß dies I

1

anneh-

1

Glaubt, wem ihr wollt!

(9)

Jeder versichert sich, wessen er kann. I ES4 1

ESa

1

hat.

genügt.

ES2

(8)

I

hat.

'

(10) Ich zweifle, ob das geht. '—ES5

1

(11) Keiner gilt, als was er will. I ES6 1 Zwar gibt es bei einzelnen Prädikaten Restriktionen für die Füllung einer Leerstelle durch ES, das wird aber anders, nämlich in der Inhaltssyntax zu erklären sein. Daraus resultiert die Abweichung von (12) und (13): (12) "Wer will, schneit. (13) *Er beeilt, wen er sieht. Wenn bei einem mehrwertigen Prädikat in verschiedene Leerstellen ES eintreten können, dann können diese ES gewöhnlich auch auf einmal auftreten. Die Grenze hierfür dürfte nur dadurch gegeben sein, daß man den Satz nur noch schwer verstehen kann. So ist (14) ohne weiteres möglich, (15) aber schon schwer verständlich: (14) Sie bieten, wem sie können, an, was sie wollen. I

ES 3

1

1

ES 2

1

68

Konstitutionssystem

(15) Wers versteht, läßt, wen er kennt, wen der will, 1 1 1 I ESi 1 I ES2 ES 2 daß ers ihm erklärt. ES2

bitten,

Von diesem Nebeneinander gleichstufiger ES, die in verschiedenen Leerstellen stehen, ist zu unterscheiden die Möglichkeit, die gegeben ist, ES wieder als Teile von ES zu bringen. Diese Möglichkeit ergibt sich dadurch, daß K14 eine Schleife eröffnet, die uns über SF1 nach K2, von dort über E n nach K3 und von K3 über ES n wieder zu K14 führt. Dabei kommen wir in der Satzdarstellung durch jede Konjunktionsregel eine Stufe tiefer. Schematisch liefe das so:

Ei

P

ES2

(16)

Wir erkennen, daß die verschiedenen Sätze (SF1) in der Stufung einander untergeordnet sind. Dagegen sähe die Beschreibung von (15) schematisch so aus:

Hier liegen alle SF1 außer dem für den ganzen Satz auf einer Stufe. Wie kompliziert die Stufung werden kann und wie

69

Erklärung des KS, EK14

schwer verständlich gestufte ES sind, veranschaulicht (17) mit seiner verkürzten Strukturdarstellung: (17) Daß, wer kommt, erkennt, was geschieht, verhindert, daß er unterschätzt, daß, was Gefahr bringt, wem dies nicht gelingt, entstehen kann. (171)

SF1

/l\ I I I

ESi

P

ES 2

SFX erkennt / \

daß

SF1 / \

f [ f [

wer kommt

was geschiebt

wem

dies gelingt nicht

Damit unser KS nicht ungrammatische Sätze erzeugt, müßte hier vorgesehen sein, die Schleife zu begrenzen. Dazu muß überhaupt ein Ausweg aus der Schleife möglich sein. Diesen Ausweg bietet K3, wo ja ein andres Adjunkt gewählt werden kann, wie z. B. Nom n . Den Durchlauf dieser Schleife müßte man wohl auf drei begrenzen, um die Grammatizität der Sätze zu gewährleisten. Man müßte also, wenn man zum vierten Mal in einem Satz direkt über K3 kommt, Nom n wählen. Die Translative, die die ES einleiten, nennen wir Ergänzungstranslative (Et). Sie sind in einigen Fällen nach der Art der

70

Konstitutionssystem

Leerstelle, in die der ES eintritt, zu subklassifizieren. Deshalb wird der Index n bei ihnen übernommen. Die Et werden in der nächsten Regel behandelt. K (Et n , EtO/Etl„) EK1S Ergänzungstranslative (Et) sind die Teile, in denen sich ES von Hauptsätzen der Form SF1 unterscheiden können. Die erste Art der Et (EtO) erfüllt keine syntaktische Funktion im Nebensatz außer der des Translativs, die zweite (Etl) hat eine solche Funktion: (1) Man sagt, daß es wirken wird. EtO (2) Die neue Grammatik gefällt, wem sie einleuchtet. Etl Wenn wir in (1) das EtO daß weglassen, enthält der ES noch alles, was zu einem Hauptsatz gehört. Dagegen erfüllt das Translativ wem in (2) gleichzeitig die Rolle des E3 im ES. Allerdings hat dieses wem nicht die gleiche Bedeutung wie das Fragepronomen wem in: (2a) Wem leuchtet sie ein? Aber es steht in der gleichen Position. Wenngleich die EtO im ES keine Position besetzen, so haben sie doch kumulierende Bedeutung. Denn nicht alle ES werden mit dem gleichen EtO angeschlossen. Die EtO kommutieren und leisten einen Beitrag informativer Bedeutung zum Satz. Deshalb gibt es auch je nach Hauptsatzprädikat Restriktionen für diese Translative: (3) Es ist nicht sicher, ob es Wert hat. (4) Es ist sicher, daß es Wert hat. (5) *Es ist nicht sicher, daß es Wert hat. (6) *Es ist sicher, ob es Wert hat. Es kann hier keine Beschreibung zur Erklärung der Abweichungen gegeben werden, jedoch scheint intuitiv einleuchtend, daß die faktisierende Bedeutung von daß unverträglich ist mit der Bedeutung von ist nicht sicher, das gerade die Faktizität be-

Erklärung des KS, EK14-EK15

71

zweifelt. Die Restriktionen sind dabei nicht nur durch die Negation bestimmt, sie treten auch bei nicht negierten Prädikaten fragt, vermutet usw. auf. Sie gelten auch für ES, die mit 0 als EtO eingeleitet werden: (7) Ich glaube, sie sind sehr gelehrig. (8) *lch glaube nicht, sie sind sehr gelehrig. Ein Weg für die Erfassung solcher Regularitäten mittels Klassemen wird später (EK23) skizziert. ES mit EtO können ohne Änderung ihres Baus in verschiedenartige Leerstellen eines Prädikats eintreten. Dies gilt zwar nicht für alle im gleichen Maße (für 0 n = 1,2), doch kann daß ESi, ES2, ES4 und ES5 einleiten: (9) Daß sich formale Grammatiken durchsetzen, ist sicher. (10) Viele merken, daß eine Beschreibung präzis sein kann. (11) Alle erinnern sich, daß das anders war. (12) Einige wundern sich, daß es so langsam geht. Deshalb wird auch bei den EtO der Index n von ES n nicht weitergeführt. Sie unterscheiden sich darin von Etl, bei denen für bestimmte Auswahl durch n gesorgt ist. Da das Translativ in diesen ES meistens die Position eines E füllt, hat die Identität der Indices zur Folge, daß das Prädikat des ES eine Leerstelle haben muß, die gleich besetzt ist wie die, in der der ganze ES steht. Füllt z. B. der ES eine Leerstelle der dritten Art, so muß auch das Prädikat des ES solche haben, sonst wird der Satz abweichend: (13) Er gibt alles, wem er vertraut. I Es I ES 3 (14) * Er gibt alles, wen er kennt.

(15) *Er gibt alles, wem er kennt.

72

Konstitutionssystem

Diese Regel gilt aber nicht so streng, weil es darauf ankommt, daß das Translativ nach seiner phonomatischen Lautung beide Positionen besetzen kann. Wenn es sich um ein homonymes Plerem handelt, wird der Satz nicht abweichend, auch wenn die Indices nicht übereinstimmen: (16) Man nimmt, was kommt.

was lautet im Nominativ und Akkusativ gleich. M a n könnte das Beispiel so interpretieren, daß was vom Hauptsatz aus als Akkusativ gelten muß und im ES als Nominativ. Die Gleichheit der Indices muß nicht gelten, wenn im Hauptsatz ein Prädikat steht, das ES mit Nulltranslativ zuläßt: (17) Wer weiß, wer kommt.

M a n könnte versuchen, solche ES als mit Nulltranslativ eingeleitete zu beschreiben, und hätte damit gleichzeitig schon die Bedingung angegeben, nach welchen Prädikaten sie stehen können. Allerdings wäre dazu einmal zu klären, welches der beiden wer-Plereme hier die Position Ei besetzt, offenbar nicht das mit Fragebedeutung. Vielleicht ließe sich eine Regel finden, die aus den Pr mit Fragebedeutung das Plerem herleiten ließe, das auch translative Bedeutung hat, denn um dieses handelt es sich in (17), nur daß es die translative Bedeutung hier nicht hat. Dazu müßte auch vorgesehen sein, daß ES mit Nulltranslativ die Verbendstellung andrer Nebensätze haben können. Denn das trifft für die bisher behandelten ES mit Nulltranslativ nicht zu. K ( I K , F ( E n ) + F(A n ) + PTi + St2 + St3)

EK16

Als E können neben ES auch satzähnliche Teile stehen, die wir Infinitivkonstruktionen (IK) nennen. Sie enthalten wie SF1 Folgen von E n und A n , dagegen aber keine vollständigen Prädikate, sondern nur Prädikatsteile (PTi), die nicht flektiert

Erklärung des KS, EK15-EK16

73

sind und mit Translativen (St2, St3) angeschlossen werden. Die Ähnlichkeit mit Sätzen hat auch dazu geführt, daß man IK aus Sätzen erklären wollte. Dies konnte so lange aber nicht gelingen, wie man die Unterschiede nicht berücksichtigte. Betrachten wir folgende Beispiele: (1) Manfred glaubt, mit dieser Argumentation durchzukommen. (2) Manfred glaubt, daß er mit dieser Argumentation durchkommt. (2) kann nicht als vollständige Erklärung von (1) gelten, weil die Kommutations- und Bedeutungsmöglichkeiten verschieden sind. In der Regel wird zwar er aus (2) auf Manfred bezogen. Dies gilt aber nur, wenn der Satz ohne Kontext betrachtet wird. Er kann sich auch auf eine andre Person beziehen. In diesem Fall erklärt (2) nicht (1), und (1) ist auch nicht aus (2) transformierbar. Dies gilt insbesondere nicht für: (3)

Manfred glaubt, daß Paul mit dieser Argumentation durchkommt. Der Unterschied zwischen (1) und den ES aus (2) und (3) besteht darin, daß die IK im Gegensatz zu den ES keinen Ei enthalten kann. Der Ei wird nach bestimmten Regeln aus einem E des Hauptsatzes entnommen. Darum wäre eine Transformation nur bei identischer Belegung bestimmter E aus Sätzen der Art (2) möglich. Ein weiterer Unterschied der IK besteht darin, daß (1) auch aus einem der folgenden Sätze abgeleitet werden könnte: (2a) Manfred glaubt, daß er mit dieser Argumentation durchkommen wird. (2b) Manfred glaubt, daß er mit dieser Argumentation durchkommen kann. Dies liegt daran, daß die IK kein Prädikat enthält, sondern nur einen Prädikatsteil ohne Tempusmorphem. Auch das Tempus wird bei der IK in gewisser Weise aus dem ganzen Satz entnommen. Wegen dieser Unterschiede kann es sein, daß ein

74

Konstitutionssystem

Prädikat als E zwar eine IK, aber keinen ES zuläßt. Dann ist die Erklärung aus einem ES überhaupt nicht sinnvoll: (4) Man fängt jetzt an, dies genauer zu überdenken. (5) *Man fängt jetzt an, daß man dies genauer überdenkt. In unserer Beschreibung sind sowohl die Unterschiede zwischen ES und IK wie auch die Gemeinsamkeiten berücksichtigt. Wir sehen z. B., daß in der IK weder die Subjektrelation (Ei, P) noch eine Objektrelation (E2, P) vorkommen kann, weil sie kein P und keinen Ei enthält. Wir sehen aber auch, daß die Wertigkeit des Prädikatsteils bestimmte E auswählt, so daß man auf diese Weise die Abweichung von (6) erklären kann: (6)

''Sie wünscht

sich, auf diesen

Mann zu

lieben,

und daß über E und A die gleichen Schleifen möglich sind wie bei SF1. Auf diese Weise kommen interne Schleifen in den IK zustande: (7) Ich rate dir, heute anzufangen, das Buch gründlich zu lesen. in der Strukturbeschreibung stellt sich diese Schleife wie bei den ES dar: CC1 SF1

(KG7)

das Buch

gründlich

les

Erklärung des KS, EK16

75

Der Durchlauf dieser Schleife ist auch zu begrenzen, da er graduell abnehmende Grammatizität bewirkt. Die Zahl der möglichen Durchläufe scheint niedriger als bei ES, weshalb auch - wenn möglich - anstelle der IK von den Sprechern in diesen Fällen ES benützt werden. Zu den IK sind zwei Translative angesetzt: neben dem Infinitivmorphem (St2) noch ein weiteres (St3), das die IK von anderen Verwendungen des Infinitivs unterscheidet. Hier ist besonders wichtig die Abgrenzung der IK von den nominalisierten Infinitiven: (8) Sein Klagen geht uns ans Herz. Solche nominalisierten Infinitive werden über Noml beschrieben. Sie lassen als Nomina Artikel und attributive Adjektive zu, die in IK nicht möglich sind: (8a) Sein lautes Klagen geht uns ans Herz. Dagegen lassen sie nicht E und A wie die IK zu: (8b) *Sein immer Klagen geht uns ans Herz. Nun scheint es Fälle zu geben, wo die Unterscheidung nicht möglich ist, wenn nämlich alle Positionen außer dem Infinitiv null sind: (9) Studieren ist hart. In diesen Fällen hat man aber das Kriterium des St3, das in der IK enthalten sein muß. Da es hier fehlt, muß es sich um eine Nominalisierung handeln. Dies wird auch bestätigt, wenn wir versuchen, die Nullpositionen zu füllen, die eine IK enthalten müßte. Dann wird nämlich das St3 notwendig: (10) Goethe zu studieren ist hart.

Es handelt sich dann um eine IK. Da der nominalisierte Infinitiv keinen E2 zuläßt, wäre für ihn nur ein attributiver Anschluß oder ein Kompositum zulässig: (11) Das Studieren von Goethe ist hart. 1 1 Noml

76

Konstitutionssystem

(12) Das Goethe-Studieren ist hart. I Noml 1 Unsere Beschreibung bewährt sich auch dadurch, daß bestimmte Selektionen, die vom Prädikat gesteuert werden, sich nur auf IK und nicht auf nominalisierte Infinitive erstrecken: (13) Wer gibt dem Studieren eine Chance? 1 —E3[Nom3]—1 (14) *Wer gibt heute Goethe zu studieren eine Chance? i E 3 [IK] 1 Die Abgrenzung der IK gegen infinite Teile des Prädikats wird später begründet. IK sind nicht für alle Werte von n als Füllung von E n zugelassen. Der Index darf nur die Werte 1, 2, 4, 5 annehmen: (16) Dazubleiben obliegt den Vorderen. (17) Die Hinteren sehen sich gezwungen, die Vorderen in Anspruch zu nehmen. (18) Die Mittleren beschuldigen die Vorderen, die Hinteren zu zwingen. (19) Darum sind die Hinteren bereit, dazubleiben. In allen Fällen ist aber die IK gleich gebaut. Deshalb muß auch der Index in K3 nicht in die IK übernommen werden. Ich habe schon angedeutet, daß regelmäßige semantische Beziehungen zwischen einem supponierten E j der IK und einem der E des Hauptsatzes bestehen. Die Beschreibung dieser Regularitäten bereitet Schwierigkeiten, weil die Reduktion der IK auf einen Satz problematisch ist. Wir beschreiben sie hier einmal vorläufig mit dem Begriff des Klassems, dessen Einführung später genauer begründet wird. Unter Klassem verstehen wir ein Bedeutungsmerkmal eines Prädikats oder anderen ungesättigten Teils, das bewirkt, daß nicht alle plerematischen Füllungen der Leerstellen nicht abweichende Sätze ergeben. So liegt es an dem Klassem der Leerstelle, daß in (14) keine IK als E3 möglich ist. Da also für jede Leerstelle eines Prädikats ein eigenes Klassem anzunehmen ist, numerieren wir die Klasseme

77

Erklärung des KS, EK16

wie die E und schreiben ki, k 2 , . . . kö. Wir merken jetzt, daß das Erstklassem des Prädikatsteils der IK in verschiedene Leerstellen des Hauptsatzprädikats übernommen werden kann. Damit erklärt sich die Abweichung der folgenden Sätze: (20) *Der Tisch wagt rot zu sein. (21) "Der Mann wagt sich zu ereignen. In (20) läßt das Erstklassem von wagt nicht Tisch zu, in (21) das Erstklassem von ereign nicht Mann. Aus dieser Beobachtung leiten wir eine Klassifikation der Hauptsatzprädikate her, die sich ergibt aus der Beschreibung der klassematischen Verhältnisse. Die Regeln für die Klassemübertragung schreiben wir ki' k n , wobei ki' das Erstklassem des Prädikatsteils der IK ist. Die Klassemregeln geben an, aus welchem E des Hauptsatzes der supponierte Ei der IK zu entnehmen ist: (22) k i ' H - k i : Ich verspreche

dir, bald zu

(23) ki'l-vk2: Ich verpflichte

dich, bald zu

(24) ki' i-»- k3: Ich verbiete dir, bald zu

kommen. kommen.

kommen.

(25) ki' ks: Ich verlange von dir, bald zu kommen. Von diesen Klassemregeln kann nur abgewichen werden, wenn statt einer IK ein ES gewählt wird. Das ist aber nicht immer möglich, s. (5). Aufgaben: 6] Bestimmen Sie E und A durch Subskription im Beispieltext. Dabei ist die Variable n durch Konstanten zu belegen. 7] Nach der Wertigkeit des Prädikats und der Zahl der geforderten E unterscheidet man verschiedene Satzmuster (a. Grundformen Duden 5075 ff.). Z. B. ist ein Satzmuster des Deutschen E1P22E2. Die möglichen Satzmuster des Deutschen sind im KS durch den Index n von E und den Index i von P dargestellt. Es wäre auch möglich, dies durch Subklassifizierung von SF1 in K l zu erreichen. [a] Konstruieren Sie eine Regelfolge für 6 deutsche Satzmuster, die sich anschließt an eine alternative K l : K (SF, SW/SF1/SF2/SF3/SF4/SF5/SF6).

78

Konstitutionssystem

Die A sind dabei nicht zu berücksichtigen. [b] Welches ist der Vorteil der im KS gewählten Lösung? 8] Geben Sie die Alternativregeln für K3 an. 9] Wie würde eine Regel lauten, die als Ersatz für K5 und K8 auf einmal alle Kt ausführen würde? Welche Nachteile hätte sie? 10] Formulieren Sie K U um und geben Sie Lexikonregeln, so daß die Nominaldeklination ins KS aufgenommen wird. Benutzen Sie als Vorlage Duden-Grammatik 1690 (ohne Berücksichtigung des Umlauts). K (A n , Nom n /AS/PK/IKa/AdG)

EK17

Die Erklärung der A bildet den zweiten Teil des KS. Sie werden mit dieser Regel subklassifiziert in Nominale (Nom n ), Angabesätze (AS), Partizipialkonstruktionen (PK), Infinitivkonstruktionen (IKa) und Adverbialgruppen (AdG): (1) Er erkannte sie beim ersten Mal. (2)

1 —AstNoms]— Es schüttelte ihn, als er sie traf.

(3)

I A[AS] 1 Über die Straße rennend hatte er ihr

(4)

A[PK] Er tat alles, um das zu 1

I (5)

nachgepfiffen.

1

erreichen.

A[IKa]

1

Dann vergaß er es sehr schnell. A[AdG] —1 Wir sehen, daß sich die A in ihrem Bau nicht unbedingt von E unterscheiden. Doch kann das gleiche Nominale einen verschiedenen Beitrag zur Satzbedeutung leisten je nachdem, ob es als A oder als E steht. Durch die Unterscheidung der E und A beschreibt das KS deshalb die Mehrdeutigkeit folgender Sätze: (6) Er klagte über zwei Tage.

Erklärung des KS, EK16-EK17

79

(7)

Ich dränge euch zum Glück. 1—Noms—1 In (6) kann das Noms als A beschrieben werden im Fall, daß gemeint ist 'länger als zwei Tage'. Es wird als Es beschrieben, wenn gemeint ist: 'das, worüber er klagte, waren zwei Tage'. In (7) handelt es sich um einen A in der Bedeutung 'glücklicherweise dränge ich euch', sonst um einen Es. Die Annahme zweier Positionen wird auch bestätigt dadurch, daß keine Exklusion besteht: (6a) Er klagte über zwei Tage über Zahnschmerzen. ' As II Es " Da mit K17 die bereits ausgeführte Position Nomn wieder eingeführt wird, liegt eine Schleife vor, wie der Regelgraph klar zeigt. Diese Schleife ist aber eingeschränkt, weil n nicht alle Werte von 1 - 6 annehmen kann, nämlich nicht den Wert 1. Alle andern Nominale kommen als A vor: (8) Man sang den ganzen Tag. I A2 1 (9) Aber man schlief ihm zu lange. A3 (10) Des abends ruhte man. I A4 1 (11) Man ruhte aus gutem Grund. ' A5 1 (12) Sie schlief wie ein Murmeltier. ' Aß— 1 Weitaus am häufigsten sind A5, während A4 sehr selten vorkommen. Die Zahl und die Art der A werden nicht vom Prädikat bestimmt. Deshalb bezeichnet der Index n auch nicht eine Leerstelle des Prädikats wie bei den E. Er wird nur bei den nominalen A weitergeführt und sorgt dafür, daß die richtigen Kasustranslative ausgewählt werden. Bei den andern Adjunkten ist das nicht notwendig, und deshalb kann auch bei der Satzbe-

80

Konstitutionssystem

Schreibung der Index weggelassen werden. Wenn also die A frei hinzufügbar sind, könnte man annehmen, sie könnten in beliebiger Art und Anzahl in einem Satz stehen, wie etwa in: (13) Warum geht das heute trotzdem nicht hier? A A A A A Obwohl die Folge von A in K2 dies zuließe, trifft das jedoch nicht ganz zu, weil sich bestimmte inhaltliche Gruppierungen ergeben, die bewirken, daß semantisch abweichende Sätze entstehen, wenn Syntagmen bestimmter Art in syntagmatische Relation gestellt werden. Das gilt für darum und deshalb in: (14) *Darum betrachtet er deshalb das Loch. Darum werden im KS beide als zur gleichen Position gehörig angesehen, nicht aber darum und hier. Weil aber Elemente bestimmter Positionen vorkommen können, kann dieses Verfahren im KS nicht durchgehalten werden. Als Ausweg bietet sich deshalb an, die Abweichung von (14) als semantische anzusehen, ebenso wie die von: (14a) *Heute geht er gestern hin. Daß heute, gestern, morgen u. ä. zur gleichen Position gehören, nicht aber heute und darum, zeigen auch Nektionsproben: (15) Heute und morgen fehlt die Zustimmung. (16) *Heute und darum fehlt die Zustimmung. In einer genaueren Darstellung müßten diese Beobachtungen zu einer Spezifizierung verschiedener Positionen führen. K (AS, A n t + S F l ) EK18 Nebensätze, die als A stehen, heißen Angabesätze (AS). Sie werden in dieser Regel geteilt in Angabetranslative (Ant) und Sätze der Form SF1. Dadurch entsteht wie bei ES eine Schleife über K2, durch die es auch möglich wird, AS in AS zu beschreiben mittels eines weiteren Durchlaufs der Schleife: (1) Wenn einer über Sprache spricht, weil er spricht, obwohl I AS II AS' 1 I man es nicht erklären kann, soll man weghören. AS" '

Erklärung des KS, EK17-EK18

81

erhielte folgende Strukturbeschreibung: d') E

[SFl]^

AS1 / Ant

obwohl

Weil aber ein Satz verschiedene A-Positionen enthält, können AS auch als gleichstufige Konjunkte stehen. Wir erreichen dies in (1) durch eine Permutation: (la) Wenn einer über Sprache spricht, soll man weghören, wohl man es nicht erklären kann, weil er spricht.

ob-

Daran sieht man, daß die Pleremstellungsregeln die Stufenzugehörigkeit berücksichtigen müssen, (la) könnte folgendermaßen beschrieben werden: SF1

da)

¿ f \ \ AS

AS'

AS"

82

Konstitutionssystem

Dann wäre (la) so zu interpretieren, daß man weghören soll, weil er spricht. Es wäre aber auch die Interpretation möglich, daß man es nicht erklären kann, weil er spricht. Die Strukturbeschreibung müßte dann so aussehen: SF1

\

\

AS'

Diese Erörterungen zeigen uns, daß die Stufung in der Strukturbeschreibung semantisch relevante Zusammenhänge beschreibt und bestimmte Mehrdeutigkeiten von Sätzen deutlich machen kann. Die Menge der Ant ist verschieden von der der Et. Diese Unterscheidung wird heute genau beachtet, auch in Fällen wie daß, das früher sowohl als Ant wie auch als Et gebraucht wurde. Heute muß dagegen als Ant damit stehen. Deshalb sind Sätze wie (2) Ich höre weg, daß er schweigt. archaisch oder mundartlich. Eine Klassifikation der Ant ist nach semantischen Gesichtspunkten möglich, weil Ant kumulierende Bedeutungen haben, wie man durch Kommutation sieht: (3) Professoren arbeiten, bis sie fünfzig sind. (4) Professoren arbeiten, wenn sie fünfzig sind. Diese semantische Klassifizierung berechtigt aber noch nicht zu einer Klassifizierung der AS aufgrund ihrer Translative. Denn sie sind ja syntaktisch gleichartig gebaut. Sie würde aber für eine Klassifizierung der AS dann relevant, wenn man, wie in EK17 angedeutet, für die A verschieden spezifizierte Positionen annähme. Dann würden z. B. weshalb und mit weil eingeleitete AS zur gleichen Position gehören. Für eine solche Zuordnung wäre das Translativ des AS ausschlaggebend: (5) *Weshalb arbeiten sie, weil sie altern?

Erklärung des KS, EK18-EK19

83

(6) Weshalb arbeiten sie, wenn sie altern? (5) ist abweichend, weil beide A zur gleichen Position gehören müßten, dagegen in (6) nicht. K (PK,F(E n )+F(A n )+Vi+Ptj) EK19 Partizipialkonstruktionen (PK) sind im heutigen Deutsch selten. Sie sind satzähnliche Syntagmen und bestehen aus einer Folge von E n , einer Folge von A n , einem Verbalplerem (Vi) mit einem Partizipialtranslativ (Ptj). Die Grammatizität der PK nimmt bei wachsender Länge schnell ab. Deshalb kann sie weder viele E noch A enthalten: (1) ''Mit großer Hast deshalb von Bier zu Wein übergehend wurde ihm unwohl. Auch zusammengesetzte Prädikatsteile scheinen mir im PK nicht möglich, deshalb sind in K19 nur einfache Verben vorgesehen: (2) *Seine Beine baumeln lassend sinnierte er lange. Sollte man Sätze wie (2) für nicht-abweichend halten, wäre statt Vi in K19 PTi aufzunehmen. Die Wertigkeit der Verben bleibt in der PK mit allen Konsequenzen erhalten. Sie regeln, wie in SF1 das Prädikat, Art und Zahl der E. Da die PK ebenso wie IK keinen Ei enthält, wird dieser meistens aus dem ganzen Satz entnommen. Die Regeln dafür werden hier nicht gegeben, doch gilt meistens die Klassemregel ki' i-»- ki. Bei den Partizipialtranslativen sind zwei Arten zu unterscheiden: präsentische (Ptl) und perfektische (Pt2). Sie treten auch an andern Stellen des KS auf, in der Wortbildung des Adjektivs (EK11) und Pt2 als Stl. Die Pt2 könnten in zwei Subklassen unterteilt werden, eine für schwache Verben und eine für starke mit Ablaut (AI). In der Lexikonregel für Pt2 ist ge- eingeklammert, weil es bei bestimmten Verben nicht stehen kann. Solche Verben sind untrennbare Präfixverben (verlangt) und Verben auf -ieren (sinniert).

84

Konstitutionssystem

K (IKa, IK+IKt) EK20 Infinitivkonstruktionen, die als A stehen, unterscheiden sich von denen, die als E stehen, in ihrem Bau dadurch, daß sie noch zusätzliche Translative enthalten (IKt). Darum genügt es, sie im KS zu teilen in IK und IKt. Weil IK schon beschrieben sind, bringt dieser Schleifenbezug eine Vereinfachung des KS mit sich. Der Unterschied im Bedeutungsbeitrag der IKa zu dem der IK muß dabei einmal erklärt werden durch die Verschiedenheit der syntaktischen Stellung (als E bzw. als A) und zum andern durch die IKt. Sie haben kumulierende Bedeutung, da sie kommutieren: (1) Herr K. kommt, um zu vergessen. (2) Herr K. kommt, ohne zu vergessen. (3) Herr K. kommt, statt zu vergessen. In archaisierendem Stil kann das Translativ um weggelassen werden: (la) Herr K. kommt zu vergessen. Dann handelt es sich aber dennoch um eine IKa, weil sie als A steht. Wollte man zu vergessen als E ansehen, dann müßte man annehmen, kommt sei hier dreiwertig, weil dieses Syntagma nicht die zweite Leerstelle des zweiwertigen kommt füllt und den E5 nicht exkludiert: (lb) Herr K. kommt her zu vergessen. Eine solche ad-hoc-Annahme zweier verschiedener Prädikate erübrigt sich im KS. Sie ist auch überflüssig, weil (1) und (la) bedeutungsgleich sind, so daß die Beschreibung als IKa in (la) ebenfalls angemessen ist. Der Schleifenbezug auf IK eröffnet über deren E n und A n die Möglichkeit, IK und IKa in IKa zu bringen: (4) Er hoffe, ohne sich anzustrengen, sein Geld zu verdienen. |l IKa » I1 I (IK (5) Anstatt zu lachen, um nicht den Mut zu verlieren, weinte sie.

Erklärung des KS, EK20-EK21

85

Ein weiterer Grund für die Trennung der IK und IKa ist ihr verschiedenes Verhalten bezüglich des aus dem ganzen Satz zu entnehmenden Ei der IK. Hier scheint es bei den IKa nicht so feste Regeln zu geben, so daß mehrdeutige Sätze entstehen können: (6) Die Milch wird getrunken, um nicht dick zu werden. Um solche Mehrdeutigkeiten zu vermeiden, werden IKa in AS umgewandelt: (6a) Die Milch wird getrunken, damit sie nicht dick wird. (6b) Die Milch wird getrunken, damit man nicht dick wird. Solche Umwandlungen zeigen die Verwandtschaft bestimmter IKa (mit IKt um) mit sog. Finalsätzen, d. s. mit damit eingeleitete AS. Andre IKa müssen in andre AS aufgelöst werden. Wir sehen aber auch an (6a), (6b) gegenüber (6) den Unterschied von AS und IKa, da jene bestimmte Mehrdeutigkeiten durch explizite Nennung des Ei nicht zulassen und außerdem nicht der Bedingung unterliegen, daß eine irgendwie geartete Identität zweier E vorliegen muß. K (AdG, Ad vi + At4)

EK21

Als Adverbialgruppe (AdG) zählen Adverbien (Advl) mit ihren Attributen (At4), wenn sie alsA stehen und damit Konjunkte der ersten Stufe sind. Nach ihrem semantischen Verhältnis zu den jeweiligen Satzresten scheinen sie in mehrere Gruppen zu zerfallen, die eine Aufteilung in mehrere Positionen nach sich ziehen müßten. Wir wollen dazu folgende Beispiele analysieren: (1) Sie kamen müde zurück. (2) Sie kamen schnell zurück. (3) Sie kamen bekanntlich zurück. (4) Sie kamen wahrscheinlich zurück. Man hat argumentiert, in (1) sei gemeint, sie seien müde gewesen, als sie kamen, in (2) dagegen, ihr Kommen sei schnell gewesen. Nun kann man aber sagen, daß sie in diesem Fall auch schnell waren. Fraglich bliebe dann noch, ob man aus (1) folgern

86

Konstitutionssystem

könnte, daß ihr Kommen müde wäre. Beim Vergleich von (2) und (3) ist zuerst einmal festzustellen, daß diese AdG sich nicht exkludieren. Deshalb wären sie zu zwei Positionen zu rechnen. Es bleibt die Frage, ob das zur Folge hat, daß sie zu den Sätzen einen verschiedenen Bedeutungsbeitrag leisten oder ob man für alle Arten von A einen gleichen Bedeutungsbeitrag annehmen kann. Dafür kann man sich wohl kaum zuverlässig auf einfache Paraphrasen stützen, so daß man feststellt, aus (3) würde folgen, daß ihr Kommen bekannt, und aus (4), daß ihr Kommen wahrscheinlich sei. Denn eine regelmäßige Paraphrasenbildung kann zufallsbedingt sein. So könnte eine der Paraphrasen unmöglich sein, weil das Adverb kein entsprechendes Adjektiv hat. An die Stelle der Paraphrasen müßte vielmehr eine exakte Bedeutungsbeschreibung treten, die alle Gebrauchsbedingungen erfaßt. Dies kann hier nicht geleistet werden. Deshalb zählen wir alle AdG zu einer gleichartigen Position, die aber über F(An) in einem Satz mehrfach besetzt sein kann, natürlich mit semantischen Restriktionen. Als Advl sind verschiedenartige Plereme möglich. Viele von ihnen gehören auch zur Position Adjektiv. Trotzdem nehmen wir hier an, Advl sei ein Endzeichen, und führen es in einer Lexikonregel an. Die Plereme dieser Kategorie wären aber auch noch nach Wortbildungsregeln analysierbar, da Partizipien und mit -weise oder -lieh abgeleitete Adverbien darunter sind. Ähnliches gilt für Komparative und Superlative, die unanalysiert als Advl angesehen werden. Die Attribute der Adverbialgruppen werden später mit den übrigen Attributen zusammen behandelt. Aufgaben: 11] Beschreiben Sie die Syntagmen: Angenommen du bleibst [, was wäre dann?]; nach getaner Arbeit [schlief er ein]; die Arbeit vergessend [schlief er ein] durch Teilgraphen.

Erklärung des KS, EK21-EK23

87

12] Wie wird im KS die Abweichung von: *Er ging ohne seine Frau und ein Wort zu sagen. erklärt? 13] Geben Sie die Klassemregeln für die I K a . t K (Pi, P T j + V M j ) EK22 Alle Prädikate enthalten finite Teile. Die Flexion dieser Teile wird durch verbale Flexionsmorpheme (VM) geregelt, weshalb wir alle Prädikate in zwei Konjunkte teilen: die V M und die restlichen Teile, die wir Prädikatsteil (PT) nennen. Die Wertigkeit des Prädikats ist unabhängig von den VM, sie wird nur durch den P T bestimmt. Deshalb erhält P T den Index i des Prädikats, der in der Regel gleich zu belegen ist. Wenn also ein P dreiwertig ist, dann ist dies bestimmt durch die Dreiwertigkeit des PT. Die V M sind mit einem Adjunktionsindex versehen, der die Werte 1 - 6 annehmen kann und sechs Subklassen einführt nach der Person und dem Numerus. So sind in den Lexikonregeln unter VM1 alle Morpheme der 1. Person Sg. aufgeführt. Es wird aber nicht nach Tempus und Modus unterschieden, da dies syntaktisch keine direkten Folgen hat. Doch könnte auch das leicht durch Doppelindizierung geschehen. Die Unterscheidung nach dem Index j wäre für Kongruenzregeln der V M mit Ei notwendig. So hat die Füllung des Ei durch du mit gleichzeitigem V M 1 abweichende Sätze zur Folge: (1) *Du gehe. Nicht berücksichtigt sind gewisse morphonemische Änderungen wie Alternation des Stammvokals des Verballexems je nach V M j (gebe: gibst) und nicht segmentierbare Verbalformen von sein und haben. K (PTj, Vi/PAi/VERK j) EK23 Diese Regel subklassifiziert die Prädikatsteile in Verballexeme (V), die Adjektivprädikate (PA), das sind PT, die neben dem finiten Verb adjektivische Teile enthalten, und Verknüp-

88

Konstitutionssystem

fungen (VERK), das sind PT, die neben dem finiten Verb noch infinite verbale Teile enthalten. Der Aufbau der zusammengesetzten Prädikatsteile wird in den folgenden Regeln beschrieben, dagegen ist«Vi ein Endzeichen, dessen Index aber dennoch im KS ausgeführt wird, weil er eine längere Erklärung erfordert. Der Index i wird bei allen Adjunkten jeweils gleich belegt wie bei PT. Er regelt die Wertigkeit des PT, die immer identisch ist mit der der Adjunkte. Das jeweilige Adjunkt ist jedoch nicht nur dafür verantwortlich, welche Wertigkeit der PT hat, es werden vielmehr auch noch andre Eigenschaften auf PT übertragen. Wichtig ist hierbei die Einschränkung der E-Füllungen beim Prädikat. Nehmen wir einmal an, der Ei eines Satzes sei ein N o m l , enthielte also ein Nomen, das P des Satzes enthalte ein einfaches Verballexem: (1) Der Löwe brüllt. Das Verballexem brüll- läßt nicht alle möglichen Nomina als Ei zu, ohne daß ein abweichender Satz entsteht, z. B. nicht Sonne: (2) *Die Sonne brüllt. Zwar kann man sich eine Situation vorstellen, in der (2) einen Sinn haben könnte, z. B. in einem Gedicht, wir würden dann aber einen metaphorischen und damit in bestimmter Weise abweichenden Gebrauch annehmen. Ein andres Verballexem kann nun aber Sonne als Ei zulassen: (21) Die Sonne scheint. schein- würde aber nicht Löwe als Ei zulassen: (1') *Der Löwe scheint. Wir nehmen an, daß diese Abweichungen mit einer semantischen Unverträglichkeit der beiden Teile zusammenhängen, und nehmen deshalb in die Bedeutungsbeschreibung des Verbs ein Merkmal auf, das regelt, welche Nomina mit welchen Bedeutungen die Leerstelle füllen können. Dieses Merkmal nennen' wir Klassem (k). Da Verben derartige semantische Einschrän-

Erklärung des KS, EK23

89

kungen in allen Leerstellen haben, setzen wir für jede Leerstelle ein eigenes Klassem an und numerieren sie wie die E. Es wäre z. B. ki von anbrech- 'Zeitbezeichnung' und deshalb: (3) *Der Lärm bricht an. (4) *Der Löwe bricht an. abweichend, nicht aber: (5) Ein neues Jahr bricht an. Durch weitergehende Einschränkungen der Klasseme werden echte reflexive Verben und unpersönliche Verben charakterisiert. Echte Reflexiva lassen in einer Leerstelle nur Reflexivpronomina zu, Impersonalia nur nicht-kommutierendes es. Die Klassemangaben wären nun mit der Wertigkeit der verschiedenen Adjunkte dieser Regel auf das PT zu übertragen und dann analog auf das Prädikat. Bei einfachen Verben geschieht dies durch einfache Substitution, also wenn ein V¡ bestaunte Klasseme hat, dann werden diese als Klasseme des Prädikats in die gleichen Leerstellen eingeführt, formal: ki(V) m» k¡(P). Für die andern Adjunkte können aber andre Regeln gelten, die in den nächsten K-Regeln erörtert werden. Nach dem KS würden Sätze wie (6) Otto ist klug teilweise durch folgenden Graphen beschrieben: (6')

SF1

VM

PT PA

Man könnte aber auch daran denken, klug nicht als Teil des Prädikats aufzufassen, sondern als eine Art E einzuführen und den Satz folgendermaßen zu beschreiben:

90

Konstitutionssystem

Ei

P

E

Man müßte dann eine andre Füllungsmöglichkeit der E vorsehen und in K3 noch ein Adjunkt Adj aufnehmen. Dieses Adjunkt dürfte aber nur in Verbindung mit bestimmten Verben gewählt werden. In den meisten Fällen würden Syntagmen der anderen Adjunkte nicht mit denen dieses Adjunkts kommutieren. Ein solches Vorgehen wäre außerdem nur berechtigt, wenn das Adjektiv in (6) den gleichen Beitrag zur Satzbedeutung leistet wie ein E. Dies kann man überprüfen, wenn es mit einem Eg kommutiert: (7) (7') (8) (8')

Sein Bruder ist Katholik. Sein Bruder ist katholisch. Sein Vater ist Grieche. *Sein Water ist griechisch.

In (7) und (71) scheint die Bedingung für einen E erfüllt, weil beide Sätze synonym scheinen. Dagegen ist in (8) die Kommutation nicht möglich, weil (8') abweichend ist. Bei genauerer Analyse stellen wir etwas Ähnliches auch bei (7) fest: (9) *Die Kirche ist Katholik. (9') Die Kirche ist katholisch. Daraus schließen wir, daß sich durch Kommutation des Adjektivs ki verändert, was wir durch eine Klassemregel aus dem Aufbau des zusammengesetzten Prädikats erklären können. Da sich aber der EG in dieser Beziehung nicht wesentlich anders verhält, ist dies kein stichhaltiges Argument gegen die Lösung (6"). Wir können nun aber feststellen, daß das Adjektiv einen Einfluß auf die Zahl der E eines Satzes hat: (10) Otto ist einig mit Emil. Ei

I— E 5 —I

Dieser Satz enthält bedingt durch das Adjektiv einig einen E mehr als (6), weshalb wir auch dem Adjektiv eine Wertigkeit

Erklärung des KS, EK23

91

zusprechen. Die Darstellung von (10) nach der ersten Lösung wäre dann: SF1 dO')

/ l \ Ei P E5 Nach der zweiten Lösung müßte man den E5 auf eine tiefere Stufe setzen, da er vom Adjektiv abhängig wäre: SF1

Adj

E5

Der Zusammenhang von Ei und E5 ist damit nur über mehrere Knoten und Stufen gegeben. Das hätte zur Folge, daß für die einfache Umkehrung: (10a) Emil ist einig mit Otto eine sehr komplizierte Regel angegeben werden müßte, während in (10') die Füllungen der E nur über einen Knoten (SF1) hinweg vertauscht werden müßten. Außerdem könnte man bei der zweiten Lösung nicht erklären, daß sich adverbiale Angaben auf das ganze zusammengesetzte Prädikat beziehen, da es eine solche Position ja dann nicht gäbe: (11) Sie waren sieb schnell einig. A Die adverbiale Angabe in (11) bezieht sich semantisch auf das Adjektivprädikat. Sie sagt etwas über das Einigsein aus, weder allein über Sein noch allein über die Einigkeit. Allerdings zwingt uns unsere Einordnung, Verben wie sein, werd- usw. in zwei syntaktische Kategorien aufzunehmen, nämlich in V26 und V a . Eine entsprechende Beschreibung wäre aber in jedem Fall nötig, da nicht alle Verben mit Eg auch Ad-

92

Konstitutionssystem

jektive zulassen und der Et; nicht einmal immer das Adjektiv exkludiert: (12) Er sieht gut aus wie ein Italiener. 1 Adj l E6 Die Annahme zusammengesetzter Verknüpfungsprädikate ist ähnlich zu begründen. Durch sie kann man Sätze wie: (13) Die Maus schlüpft ins Loch. (14) Die Maus ist ins Loch geschlüpft auf der ersten Stufe gleich beschreiben als: (15)

/

Ei

SF1 | \ P F.j

Wollte man dagegen geschlüpft in (14) als E ansehen, dann wäre man gezwungen, den Es als E tieferer Stufe anzunehmen, da er vom Verballexem schlüpf abhängt. Das würde dazu führen, daß das Verhältnis von Aktivsatz und Passivsatz wie in (10") mit einer komplizierten Regel zu erklären wäre: (16) Fritz erkennt

Emil.

(17) Emil wird von Fritz

erkannt. SF1

Ei

/l\ P

E2

SF1 (17")

Ei

-

_ | Es

Die Umkehrung würde über mehrere Stufen und Knoten laufen. Dies ist aber nicht notwendig bei unserer Annahme. Die beiden Sätze wären dann analog zu beschreiben: SF1 Ei

P

E2

Erklärung des KS, EK23

93

SF1

(17')

/ l \

Ei P E5 Das Passiv würde durch einfache Drehung der E um P dargestellt. Mit dieser Beschreibung kann auch den Klassemverhältnissen zwischen (13) und (14) einfacher Rechnung getragen werden. Nach unsrer Beschreibung gilt nämlich für (14) die Regel ki(P) = ki (geschlüpft), wogegen in der Alternative der E geschlüpft das Erstklassem bestimmen würde. Ähnliches gilt auch für die Klassemregeln von (16) und (17). Darüber hinaus würde die Beschreibung infiniter Prädikatsteile als E zu Schwierigkeiten führen, weil es E gibt, die in enger Beziehung zu beiden Prädikatsteilen stehen: (18) Sie läßt ihn sitzen. Der E2 ihn kann weder allein läßt noch allein sitzen zugerechnet werden. Darum ist der Bezug auf das ganze Prädikat eine angemessene Beschreibung: SF1 (18')

Ei P E2 Solche Fälle gibt es auch bei Angaben, die auf das ganze Prädikat zu beziehen sind: (19) *Sie ist morgen ins Loch geschlüpft. Man kann die Abweichung von (19) so erklären, daß das ganze Prädikat keine futurische Bedeutung haben kann. Dies gilt jedoch nicht für die Teile. Daß ein solcher Bezug auf das ganze Prädikat nicht immer vorliegt, liegt daran, daß die Festigkeit der zusammengesetzten Prädikate graduell ist. Es gibt eine Übergangszone von den infiniten Teilen zu den IK als E, die ja selbst E und A enthalten können. Diese IK unterscheiden sich aber von den infiniten Teilen der Verknüpfungen nur durch das St3. Übergänge gibt es nur in der historischen Entwicklung wie bei brauch-, das eine so restringierte IK fordert,

94

Konstitutionssystem

daß es auch schon als Verknüpfungsverb ohne St3 zu gebräuchlich ist. Wie bei den PA führt unsre Lösung dazu, einzelne gleichlautende Verballexeme in zwei syntaktische Kategorien aufzunehmen, z. B. woll, das einmal ein Teil einer Verknüpfung sein kann, dann aber auch V22 mit E2: (20) Ich will schließen. (21) Ich will die Lösung. Eine solche Einteilung würde aber in jedem Fall notwendig, weil die wenigsten Verben infinite Prädikatsteile zulassen: (22) *Wir beendigen diskutieren. K (PA;, Vj.jo + I t + A d j 2 i + A t 4 ) EK24 Mit dieser Regel werden die Adjektivprädikate geteilt in Adjektivverben (V a ), Identifikationstranslative (It), Adjektive (Adj2) und deren Attribute (At4). Bei den V a kommen nur zwei Wertigkeiten vor, sie können entweder einwertig oder zweiwertig sein: (1) Das ist überflüssig. a V10 (2) Man hält das für überflüssig. a

V20

Die It können in den meisten Fällen fehlen. Dies ist durch das Verb bedingt. Die Position Adj2 ist zu unterscheiden von der Position Adjl, die für die attributive Stellung steht. Zwar können die meisten Adjektive in beiden Stellungen vorkommen und gehören deshalb zu beiden Positionen, doch gibt es auch Adjektive, die nur zu Adjl oder nur zu Adj2 gehören. Nur zu Adj2 gehört z. B. futsch, weshalb: (3)

*Die futsche Theorie

...

abweichend ist. Nur attributiv können sonstig, braucht werden.

baldig

u. a. ge-

Erklärung des KS, E K 2 3 - E K 2 4

95

Die At4 bestehen aus Adverbien und deren Attributen. Sie beziehen sich nur auf das prädikative Adjektiv: (4)

Sie war sehr

schön.

Deshalb leisten sie einen andern Beitrag zur Satzbedeutung als adverbiale Angaben, obwohl sie durch die gleichen Plereme belegt sein können. Auf diese Weise werden mit dem KS mehrdeutige Sätze beschreibbar wie: (5)

Sie blieb schwer

gut.

Solchen Sätzen würden zwei Strukturbeschreibungen ordnet: SF1

!i blieb

i' gut

zuge-

*' schwer

(5") ist allerdings nur in bestimmten Gegenden üblich, wo schwer als Gradadverb möglich ist. Die Unterscheidung von prädikativen Adjektiven und adverbialen Angaben kann ebenfalls Mehrdeutigkeiten von gleichlautenden Sätzen auflösen: (6) Er fand sie leicht.

96

Konstitutionssystem SF1

(6']

T Ei

P

"E2

PA Adj2

V20

fand (6")

leicht SF1

E2 Aadv sie leicht fand Weil Adjektive wie leicht also in verschiedenen syntaktischen Positionen stehen können, sind sie auch nicht immer nektierbar: (7) *Sie blieb ihm tatsächlich und treu. Wir konnten bereits in Satz (10) EK23 bemerken, daß Adjektive verschiedenen Beitrag zur Wertigkeit eines Prädikats leisten. Wir schreiben deshalb auch den Adjektiven eine Wertigkeit zu und unterscheiden einwertige, zweiwertige usw. und darunter solche mit Ei, E2, E3, E5 usw. So ist das Adjektiv einig aus (10) EK23 zweiwertig und verlangt einen Ei und einen E5, dagegen wäre überlegen dreiwertig mit Ei, E3 und Es: (8)

Diese Theorie ist andern an Einfachheit I Ei 1 t—E3—' I E5

überlegen. 1

Damit können auch manche mehrdeutigen Adjektivlexeme schon durch die Angabe der Wertigkeit unterschieden werden: (9) Sein Grundstück war 3 m lang. 1 I Ei E2

Erklärung des KS, EK24-EK25 (10) Sein Grundstück

97

war lang.

In (9) liegt ein zweiwertiges Adjektiv (Adj222), in (10) ein einwertiges (Adj2i2) vor. Beide Adjektive haben verschiedene Bedeutung, wie wir etwa daran sehen, daß (10) nicht aus (9) folgt, da ein solches Grundstück von 3 m Länge eher kurz wäre. Der Beitrag des Adjektivs zur Wertigkeit von PA wird in der Regel durch den Index i dargestellt. Der Wert des Index i vor dem Komma (also bei PA;) ergibt sich als Summe der Werte des Index hinter dem Komma vermindert um 10. Hat z. B. das Adjektiv den Index 22, das Adjektivverb 20, dann ergibt das für PA: 22 + 2 0 - 1 0 = 32, also PA32. Die Verminderung der Summe um 10 ist notwendig, weil der Ei des Adjektivs in die Ej-Stelle des Verbs eintritt. Wir sehen dies daran, daß bei konstantem Verb als Ei nicht beliebige Nomina möglich sind, sondern nur bestimmte je nach dem Adjektiv: (11) (12) (13) (14)

Seine Blätter sind gelb. *Seine Länge ist gelb. Seine Länge ist groß. *Seine Länge ist einig mit seiner Breite.

Diese Erscheinung würde mit einer Klassemregel der folgenden Form beschrieben: ki(Adj) ki(PA), ki(V a ) i->- ki(PA). Da aber das ki eines Adjektivverbs offenbar nicht eingeschränkt ist, ergibt sich als Durchschnitt von ki(Adj) und ki(V a ) immer ki(Adj): ki(Adj) + ki(V») = ki(Adj). i

kj

K (VERKi, Vi-12 + PTi + Stj)

EK25

Verknüpfungsprädikate (VERK) bestehen aus Verknüpfungsverben (V k ), Prädikatsteilen (PT) und Statustranslativen (St). Es sind zwei Arten unterschieden, die im KS durch den hochgestellten Index j eingeführt sind. Dieser Index muß in allen seinen Vorkommen in K25 gleich belegt werden. Dazu gehört, daß ein V k der jeweiligen Klasse und ein St der jeweiligen Klasse gewählt wird:

98

Konstitutionssystem

(1) Der Hund kommt gesprungen. (2) Der Hund wird springen. Das Prädikat in (1) enthält eine Verknüpfung der ersten Art mit V k l komm- und Stl g e + A l + e«, das in (2) eine der zweiten Art mit V k 2 werd- und St2 -en. Es können auch Verknüpfungsverben in beide Kategorien gehören wie werd-, das auch als V k l vorkommt: (3) Der Hund wird freigelassen. Wir sagen, der infinite Prädikatsteil steht im ersten Status, und nennen deshalb das den Status bestimmende Translativ Statustranslativ. Teile einer Verknüpfung können nicht nur Verben mit ihren Statustranslativen sein wie in unsern bisherigen Beispielen, sondern auch ganze PT. Dadurch enthält das KS eine Schleife über K23, die hier auch wieder Adjektivprädikate und Verknüpfungen zuläßt: (1') Der Hund ist gesprungen gekommen. Dieser Satz wäre folgendermaßen zu beschreiben: SF1

komm-

ge + Al + e«

V spring-

Erklärung des KS, EK25

99

Wir sehen daran, daß gesprungen Teil einer Verknüpfung ist, die ihrerseits wieder Teil einer Verknüpfung ist, was natürlich nur möglich ist, wenn die untergeordnete VERK auch ein Verknüpfungsverb enthält. Das gleiche ist auch zugelassen für PA: (4) Er soll klug sein. SF1

sein

klug

Ist der Index j in der Verknüpfungsschleife immer gleich belegt wie in (1"), sprechen wir von einer homogenen Verknüpfung, sonst von einer inhomogenen wie in: (5) Man hat nicht lachen können. VERKl Wie das Beispiel zeigt, können Verknüpfungen der ersten Art auch das St2 enthalten. Dies ist jedoch eine Ausnahme, die nur für mehrfache Verknüpfungen gilt. Es handelt sich trotzdem um eine VERK 1 : (6) Man hat es nicht gekonnt. Im KS ist diese Ausnahme nicht aufgenommen. Sie kann jedoch unter Verwendung der Positionsbezeichnungen des KS beschrieben werden. Die Schleife über K23 kann ungefähr dreimal durchlaufen werden, so daß vierfache Verknüpfungen möglich sind, ohne daß ein abweichender Satz entsteht: (7) Er soll nicht gesehen worden sein. Wie bei den PA ist die Wertigkeit der VERK abhängig von ihren Teilen. Deshalb sind sowohl die V k wie auch PT mit

100

Konstitutionssystem

einem Wertigkeitsindex i versehen. Der Wert des Index vor dem Komma (bei VERK) ergibt sich ebenfalls als Summe der Werte nach dem Komma, hier vermindert um 12. Hat also das V k den Index 22 und PT ebenfalls, dann ergibt sich für VERK der Index 32, denn 22+22-12 = 32. Die Subtraktion von 12 ist notwendig, weil bestimmte E der PT bzw. der darin enthaltenen Verballexeme bestimmte E der Verknüpfung substituieren. Dafür kann man folgende Klassemregeln formulieren: ki(V) H» ki(VERKi): Einer hat geschlafen. k2(V) h> ki(VERKl): Er ist geschlagen. kä(V) b> ki(VERK 1 ): Sie bekommt ein Auto geschenkt. ki(V) l-> ki (VERK 2 ): Sie wirdiahren. ki(V) b* k 2 (VERK2): Jeder läßt sie fahren. Bei mehrfachen Verknüpfungen können diese Regeln auch hintereinandergeschaltet werden. Zweiwertige Verknüpfungsverben bewirken, daß die Verknüpfung einen E2 mehr fordert als das verknüpfte Verb. Wenn dieses Verb selbst schon einen E2 hat, erhält man Sätze mit zwei oder mehr E2. Auf diese Weise können mehrdeutige Sätze entstehen, wenn die Klasseme für diese E2 sich überschneiden und einer von beiden ausgelassen ist: (8) Wir lassen die Jäger hetzen. 1—E2—I die Jäger kann hier sowohl als E2 von hetz- als auch als der durch die fünfte Klassemregel verschobene Ei von hetz- aufgefaßt werden, so daß man mit dem Satz meinen kann: wir veranlassen, daß jemand die Jäger hetzt, oder auch: wir veranlassen, daß die Jäger etwas hetzen. Diese Mehrdeutigkeit ist nur durch die Klassemregel zu beschreiben, im KS gibt es dafür keine Möglichkeit. Wenn zwei Prädikate mit verschiedener Wertigkeit gleiche Klasseme haben und deren Indices durch Klassemregeln der zweiten und fünften Art verbunden sind, dann nennen wir das

Erklärung des KS, EK 25

101

höherwertige Kausativum oder Kausativierung des andern und das niedrigerwertige Rezessivum oder Rezessivierung des andern. So ist ist geschlagen Rezessivum zu schlägt, dieses Kausativum zu jenem, läßt gehen Kausativum zu geht, rollzz Kausativum zu ro//i2 usw. Es handelt sich dabei um Sonderfälle der Substitution von Klassemen. Wir nennen Klassemsubstitutionen Konversionen, wenn folgendes gilt: Es seien X und Y zwei Prädikate oder Prädikatsteile, X und Y heißen Konversen voneinander, wenn gilt kj(X) i->- kj(Y), wobei i j und ein andres Klassem an die Stelle von kj(X) treten muß. Alle andern Klasseme brauchen von der Konversion nicht betroffen zu sein. Konversen voneinander sind: bestimmt und hängt ab mit ki H» ks, ks H- k j , rolkz und rolli2 mit k j i-> ki und neuem ki. Dagegen sind keine Konversen erinnere mit E4 und erinnere mit E5, da zwar gilt kji-^-ks, aber kein neues k an die Stelle des alten k4 tritt. Es handelt sich deshalb um eine einfache Variante. Eine wichtige Konverse, die durch eine VERK bewirkt wird, ist das sog. Passiv, das zu definieren ist als eine VERKl mit Vk werd: (9) Kommissar X klärt den Fall. (9a) Der Fall wird durch Kommissar X geklärt. Die Klassemregeln lauten: ki(V) h» k 5 (VERKl), k 2 (V) h * kj (VERK 1 ). Außerdem ist der Es in (9a) nicht mehr notwendig. Dennoch handelt es sich nicht um einen A, sondern um einen E, weil er den Beitrag eines E zum Satz leistet. Durch diese Unterscheidung ist es möglich, zweideutige Sätze zu analysieren: (10) Er wird durch den Brief informiert. Der Noras kann ein E5 sein, dann ist (10) Passiv zu: (11) Der Brief informiert ihn. Er kann aber auch ein A5 sein, dann ist der E5 des Passivs und damit der Ei des zugehörigen Aktivs nicht benannt. Die aktivische Entsprechung wäre dann:

102

Konstitutionssystem

(12) ]emand informiert ihn durch den Brief. (13) N. N. informiert ihn durch den Brief. 1 1 A5 Wer informiert, muß nicht offengelassen sein, es kann auch aus dem Kontext oder der Situation klar sein. Dann ist der Es in (10) nur in Ellipse. Dies ist oft ein Grund, einen Passivsatz in der Kommunikation zu wählen. Die beiden Beschreibungen von (10) entsprechen durchaus einem Bedeutungsunterschied, weil es in der Deutung (11) nicht die Absicht des Briefschreibers oder Überbringers gewesen sein muß, ihn zu informieren. Dagegen wäre dies im Sinn von (12) oder (13) durchaus gemeint.

Von der Passivkonverse zu unterscheiden ist die verwandte, aber rezessive Konverse: (14) Der Fall ist

geklärt.

Es handelt sich hier nicht einfach um eine Ellipse aus: (15) Der Fall ist von X geklärt worden. Denn einmal kann in (14) kein Es hinzugefügt werden, und zum andern zeigt eine Zeitangabe, daß (15) eine andre Bedeutung hat: (14a) Der Fall ist jetzt geklärt heißt nicht, daß der Fall jetzt geklärt worden ist, er kann schon früher geklärt worden sein. Daraus ersehen wir, daß das sog. Zustandspassiv in (14) zwar auch eine Konverse ist, aber vom Passiv verschieden ist und deshalb nach unsrer Definition des Passivs auch nicht als Passiv angesehen wird. K (Vi, V12/V22/V23/V24/V25/V26/V32/V33/V34/V35/ EK26 V36/V37/V38/V48/V49) Gemäß der Form des KS wäre eine Ausführung des Index i von Vi in einer Adjunktionsregel überflüssig, weil alle Werte in den Lexikonregeln gebracht werden. Wir wollen jedoch hier die Bedeutung der Indices genau erläutern.

Erklärung des KS, EK25-EK26

103

Jedes Verb und jedes Prädikat haben einen zweistelligen Index, dessen vordere Ziffer die Zahl der möglichen E angibt. Die hintere Ziffer ist bei zweiwertigen Verben und Prädikaten identisch mit der Ziffer des E, der außer einem Ei gefordert wird, also P22 F.jEg, V26 EiEg usw. Bei dreiwertigen Verben ist die hintere Ziffer identisch mit der des E, der außer E1E2 gefordert wird, also V34 E1E2E4, und bei vierwertigen Prädikaten mit der des E, der außer E1E2E2 gefordert wird, also P46 E1E2E2E6. Diese Regelung gilt nicht für die Indices 37, 38, 48, 49, die für die Kombination E1E3E5, E1E5E5, E1E2E5E5 und E1E2E3E6 stehen. Bei Einwertigkeit und den Adjektiv- und Verknüpfungsverben hat die hintere Ziffer keine Bedeutung. Sie wird erst wichtig für die Rechenregel zur Ermittlung der Wertigkeit des Prädikats, dessen Wertigkeit in diesen Fällen ausgerechnet werden muß. Diese Indizierung, die auf den ersten Blick sehr kompliziert aussieht, beschreibt in einfacher Weise die Kausativierungsmöglichkeiten durch zweiwertige V a und V k , die immer einen E2 hinzufügen. Diese Kausativierung kann hier einfach durch Addition von 10 beschrieben werden. Eine Kausativierung von V23 mit E1E3 ergäbe P33 mit E1E2E3. Darum muß auch bei einwertigen Verben eine hintere Indexziffer angesetzt werden, die bei Kausativierung relevant wird. Durch die Kombination in PA und VERK können Prädikate auch andre E-Kombinationen zulassen als einfache Verben. Alle Indices von 42 - 47, die bei den Verben nicht vorkommen, sind bei Prädikaten möglich: P45 lass bitt, P47 lass überlegen sein usw. Da die Wertigkeitsangabe Teil der Bedeutungsbeschreibung eines Verballexems ist, werden bestimmte Polysemien von Verballexemen schon durch die Einordnung in verschiedene syntaktische Kategorien beschrieben. So würden in verschiedenen Lexikonregeln aufgeführt: trockn V12, V22; trau V22, V23; eingeh V12, V25,

104

Konstitutionssystem

Aufgaben: 14] Geben Sie die Wertigkeit der Prädikate, Verben und Adjektive im Übungstext an durch Subskription und Belegung der Indices. 15] Stellen Sie eine Klassemregel für das Verhältnis des Prädikats von (16) zu dem von (17) in EK23 auf. 16] Beschreiben Sie durch Nacheinanderschalten der Klassemregeln das Verhältnis der k(P) zu k[lach) in: Fritz soll von Karl lachen gemacht worden sein. 17] Welche Möglichkeiten gibt es im Deutschen für den Aufbau eines P35? 18] Ordnen Sie den folgenden Verballexemen ihre syntaktische Kategorie zu. Achten Sie besonders auf Polysemien: find, geb, trau, kost, lehn, titulier, erweis, steh, woll. 19] Ermitteln Sie die Klassemregeln für die V k , die im Lexikon aufgeführt sind. K (Atl,Adv2+At4+Nom5+SFl+Attl)

EK27

Der letzte Teil des KS befaßt sich mit den Attributen. Alle Attribute werden in Konjunkte ausgeführt. Da sie selbst Konjunkte sind, widerspricht das dem Grundsatz der Regelalternation. Strenggenommen dürften also Positionen wie Atl, At2 usw. im KS nicht vorkommen. Die Konjunkte, in die sie ausgeführt werden, müßten sofort in die jeweilige Regel K4, K U usw. aufgenommen werden. Dies ist hier nur unterlassen, um bessere Übersichtlichkeit zu erreichen, da jetzt alle Attribute in einem Teil behandelt werden können. Die Atl sind Attribute in Nominalen. Sie bestehen aus Adverbien (Adv2) mit deren Attributen, präpositionalen Nominale (Noms) und Attributsätzen mit bestimmten Translativen (Attl): (1) Auch wir wollen leben. I Adv2 I I—Nom2—'

Erklärung des KS, EK26-EK27 (2)

Dort oben können wir das kaum.

I Nom5 (3)

105

I

L-Nom3-l In der Versammlung, wo das beschlossen I l Atl I Noml

wird,... 1| 1

Atl sind in beliebigen Nominalen möglich. Die fünf Konjunkte der zweiten Argumentstelle gehören schieden eng zusammen. Dies kommt in der K-Regel nicht Ausdruck. Es würde mit Dependenzregeln angegeben, daß Attribut zu Adv2 ist und Attl zu SF1 gehört. Diese innere hängigkeit hat nichts zu tun mit der Stufung des KS. Alle Konjunkte sind gleichstufig (vgl. EK11).

verzum At4 Abfünf

Die Adverbien, die als Atl stehen können, kommen auch als adverbiale Angaben vor. Sie leisten aber dann einen andern Beitrag zur Satzbedeutung: (4) Er siegt nicht. (5)

A

Nicht er siegt. Atl Dieser Bedeutungsunterschied wird durch die verschiedenen Strukturbeschreibungen abgebildet: SF1

er

siegt

nicht

SF1

(5')

Atl

\I

nicht

Nom2 1i er

siegt

Konstitutionssystem

106

Die Attribute zu Adv2 sind wieder Adverbien. Allerdings können hier nicht die gleichen Adverbien stehen, sondern Adv3. Da auch diese wieder adverbiale Attribute haben (s. K30), sind Sätze der folgenden Art möglich: (6) Es waren nicht ganz genau drei. (*')

/ Ei

SF1 |

X

P

ES

i

;

\

waren Noml Atl

/ \\

At4

/

At4

I

Adv3

\

Adv2 Adv3

I

I

genau

ganz

nicht

Attributsätze sind hier allerdings als At4 nicht möglich. Zu allen Arten von Nominale (Noml, Nom2, Nom3) sind als nominale Attribute Noms zugelassen. Dabei können Nom3 nur als solche präpositionalen Attribute fungieren, weil sie ja nur Noms sein können. Wir haben also hier auch eine Schleife, die Norns als Atl in Noms zuläßt. Man kann u. U. nur schwer ermitteln, welches Noms dann Attribut in welchem ist, da beide auch allein ein Noms bilden: im Haus auf dem Berg, auf dem Berg, im Haus. Man kann aber aufgrund der Prädikatsklasseme feststellen, daß immer das nachfolgende Noms Attribut zum vorhergehenden ist: (7) Geh ins Haus auf dem Berg! (7a) Geh ins Haus! (7b) *Geh auf dem Berg. Da bei Nom3 aber nur Attribute möglich sind, die dem gleichen Klassem entsprechen wie das übergeordnete Noms, hat

Erklärung des KS, EK27

107

bei ihnen die Probe nach (7) keinen Erfolg. Wir müssen auf diese Fälle die Wortstellungsregel extrapolieren und annehmen, das jeweils nachfolgende Nom3 sei A t l zum vorangehenden: (8)

Es steht dort

oben.

Nom5— 1 Nomj (8')

I

Nom3

Atl

dort

Nom3 oben

Weil nach den Verkettungsregeln des Deutschen AsfNoms] und Atl[Nom5] in Satzketten an der gleichen Stelle auftreten können, gibt es Sätze, die genau in diesem Sinn mehrdeutig sind: (9) Sie schritten gegen die Ausschreitungen aus Übermut ein. Diese Mehrdeutigkeit wird mit dem KS folgendermaßen aufgelöst: SF1

(9')

/

SF1 |

N

P

T

Nomj Noml

Atl

die Ausschreitungen

aus Übermut

108

Konstitutionssystem

In der Bedeutung (9') geschähe das Einschreiten aus Übermut, in (9") dagegen die Ausschreitungen. Der analoge Fall tritt auch mit Es[Nom5] und Atl[Noms] auf. Die Attributsätze, die in diese Position gehören, sind bestimmt durch die Menge der Attributtranslative dieser Art (Attl). Ähnlich gebaute Attributsätze mit den Translativen was usw. können hier nicht aufgenommen werden. Sie werden getrennt behandelt, weil die A t l Attribute zu allen Nominalen sind, Nom3 aber solche Attributsätze nicht zulassen: (10) *Man wohnt dort, was man kennt. Wie die Regel sagt, schließen Attributsätze mit Attl nicht nominale Präpositionalattribute aus. Beide Positionen sind ja Konjunkte der gleichen Stufe: (11) Keiner kannte die Motive für sie, womit sich das begrünI Nom5 1 SFl + A t t l — I E2 [Nom2] den ließ. II Die Attl besetzen eine Position im Attributsatz. In (11) ist womit E5 im Attributsatz. K ( A t 2 , N o m 4 + N o m 6 + I K + S F l + Att2) EK28 Die At2 müssen von den Atl getrennt werden, weil sie nicht bei Nom3 möglich sind: (1) *Der Sperling sitzt dort dieses Genossen. Sie bestehen aus den Konjunkten Nom4, Korne, IK und Attributsätzen mit Att2, einer andern Art von Translativen als Attl. Zwar sind nach der Regel alle diese Konjunkte gleichzeitig in einem Satz als Attribute zugelassen, doch werden solche Sätze wegen ihrer Kompliziertheit selten gebildet: (2) Der Wunsch des Kindes, dies zu tun, den es seit langem 1 I—Nom 4 — 1 1 IK ! hegt, wirklich ein frommer Wunsch, wird 1 1

Nom6

!

SF1 + Att2— erfüllt.

Erklärung des KS, EK27-EK28

109

Die Begrenzung der geistigen Kapazität der Sprecher verbietet allzu lange Ketten gleichstufiger Konjunkte. Die genitivischen Nominalattribute sind hier in einer Position zusammengefaßt. Es wird nicht angenommen, daß sie vieldeutig ist, wie in der gewöhnlichen Unterscheidung subjectivus, objectivus, possessivus, explicativus usw. Denn diese Unterscheidungen sind nur schwer haltbar. Sie überschneiden sich z. B. in: (3) Dies ist eine Frage der Studenten, wo man ebensogut einen possessiven wie einen subjektiven Genitiv annehmen kann, ohne daß sich die Bedeutung von (3) ändert: (3a) Dies ist eine Frage, die die Studenten haben. Dagegen kommt der Unterscheidung in subjektiven und objektiven Genitiv ein Wert für die Beschreibung der Satzbedeutung zu, weil (4) Die Beherbergung der Gastwirte steigt im Sinn von (4a) und (4b) verstanden werden kann: (4a) Die Gastwirte beherbergen mehr Gäste. • E, 1 (4b) Die Hotels beherbergen

mehr

Gastwirte.

I E2 1 Dies darf jedoch nicht dazu führen, im KS zwei Positionen für Nonu anzunehmen, weil beide Genitive sich exkludieren und also zur gleichen Position gehören: (5) *Die Beherbergung der Gastwirte der Gäste steigt. Wollen wir beide E des Verballexems in Beherbergung in Sätzen der Form (5) füllen, dann müssen wir den Ei in Form eines Atl[Noms] bringen: (6) Die Beherbergung der Gäste durch die Gastwirte steigt. Die Verschiedenheit der Interpretation von (4) muß deshalb in einem andern Teil der Theorie beschrieben werden. Dies könnte durch eine Klassemregel geschehen, die vorsieht, daß ki und k2 von beherberg- zu einem Klassem vereinigt werden, das

Konstitutionssystem

110

die möglichen Füllungen des At2[Nom4] regelt: ki + ksi-»kNom4- Von daher wird es auch verständlich, warum wir geneigt sind, (4) eher nach (4a) zu verstehen, weil nämlich ki von beherberg- enger ist und häufiger durch Nomina wie Gastwirt gefüllt wird. Grundsätzlich, d. h. nach den Möglichkeiten der deutschen Sprache kann aber das Verständnis nach (4b) nicht ausgeschlossen werden. Da mit At2[Nom4] eine Schleife über K4 eröffnet wird, ist ein Satz wie (5) nicht abweichend, wenn der Gäste als At2 in At2[Nom4] zu verstehen ist. Dann handelt es sich nicht um gleichstufige Konj unkte: (7) Die Beherbergung der Gastwirte der Hauptstadt steigt. Das nominale Attribut wäre dann folgendermaßen darzustellen: N01TI4

(7')

Ktl4 '

-e

/

I

Noml Gastwirt

/

At2 Noml

X \

Ktl4 '

N 1o m l

0

Hauptstadt

Wir haben schon angedeutet, daß mit der Einführung der Nomo auch bestimmte Attribute, die man traditionell Appositionen nennt, erfaßt werden können. Diese Attribute kongruieren im Kasus mit dem übergeordneten Nominale: (8) Die Polizei kannte Haschi, den liebsten Hippie der Stadt. 1 1 At2[Nom 6 ] Man kann solche Appositionen semantisch nicht vollständig erklären mit einem Satz, in dem der Nom6 als E6 vorkommt, weil ein Attribut einen andern Beitrag zum Satz leistet als ein E. Deshalb ist: (9) Haschi war der liebste Hippie der Stadt

Erklärung des KS, EK28

111

eine Überinterpretation des E2 von (8). Denn das appositioneile Verhältnis in (8) sagt z. B. nichts über das temporale Verhältnis von Haschi und der Tatsache, daß er der liebste Hippie war. Das wird deutlich in Sätzen wie: (10) Paul und Pauline, die guten Eheleute, sind eine Fiktion, wo wir durch Interpretationsversuche und Reflexion über die Welt darauf kommen, daß wir ihn verstehen müssen als: (11) Paul und Pauline sollen gute Eheleute sein ... In Appositionen sind auch die andern It der Nomg möglich: (12) Du, als einfallsreicher Linguist, hast das gemerkt. Es gibt aber eine Reihe von Abweichungen im Deutschen, in denen der Nomo sich nicht nach dem Kasus des übergeordneten Nominale richtet, sondern immer im Nominativ steht. Dies ist im KS nicht berücksichtigt, kann aber als Ausnahme beschrieben werden. Die Ausnahmen könnten durch eine Zusatzregel erfaßt werden, die unter gewissen Umständen den Nominativ in Nomß für alle Werte von n des übergeordneten Nominale zuläßt: (13) Man gedachte der toten Helden, diese tapferen Krieger. 1 1 Nomß (14) Das ist eine Erfindung des Professors Schmidt. Nom6 Man könnte auch versuchen, den Nom6 in (13) als einen verkürzten Satz einzuführen. Für (14) wäre vielleicht eine besondere Art von Appositionen anzunehmen, die sehr eng zum übergeordneten Nomen gehören und meistens nicht flektiert werden. Ähnlich: der Diebstahl der 6 m Stoff, in die Stadt Paris. IK als Attribute sind nur bei einer kleineren Zahl von Nomina zugelassen. Sie können dann zusätzlich zu andern Attributen stehen (s. (2)). Um sie bei andern Nomina auszuschließen und Abweichungen wie (15) *Der Demonstrant, das zu unterlassen, wurde verhaftet zu vermeiden, wären semantische Zusatzregeln zu formulieren. Dies wird auch dadurch nahegelegt, daß diese Nomina, die IK

112

Konstitutionssystem

zulassen, meist aus Verben abgeleitet sind, die IK als E haben. Häufig stehen IK als Attribute zu Nom2, die man auch Korrelative nennt: (16) Er neigt dazu, immer wieder zu protestieren. Verben wie neig lassen nicht IK als E zu, sondern können mit IK nur verbunden werden über solche Nom2. Darin unterscheiden sie sich von sich bemüh u. ä. Die Attributsätze der At2 sind Relativsätze und sog. Inhaltssätze: (17) Sein Wissen, dem er immer mißtraute,... (18) Sein Wissen, daß es so nicht weitergeht,... Die Translative der Relativsätze sind Nom2 (ohne At2), die im Relativsatz auch eine syntaktische Position besetzen: (19) Ein Freund, den ich vermisse. (20) Ein Freund, dessen Frau ich vermisse. In (19) ist das Translativ den E2 im Nebensatz, in (20) dessen selbst Attribut (At2[Nom4]) zu Frau. Deshalb richten sich diese Translative zwar in Genus und Numerus nach dem Nomen, zu dem der ganze Satz Attribut ist, im Kasus aber nach ihrer Funktion im Attributsatz. Inhaltssätze können wie IK als Attribute von sog. Korrelativen auftreten. Dies sind Nom2, die durch ihre deiktische Bedeutung solche Attribute fordern. K (At3, F(Nom„))

EK29

Als Attribute zu attributiven Adjektiven sind Nominale mit den Werten 2 - 6 für n möglich. Nominativische Attribute gibt es hier also nicht: (1) Ein 3 m tiefer Brunnen. (2) Ein jedem gehöriger Eimer. (3) Der dessen überdrüssige Mann. (4) Ein mit Wasser gefüllter Topf. (5) Eine als Hebel wirkende Stange.

Erklärung des KS, EK28-EK29

113

In Sätzen der Art (5) wird als At3 ein Nomß angenommen, obwohl sich sein Kasus nicht in allen Fällen mit dem übergeordneten Nominale deckt. Es gibt hier die gleichen Ausnahmen wie bei den Appositionen (s. EK28). Die Bewertung als Nome bewährt sich aber in andern Fällen, wo ein Identifikationstranslativ steht. Weil als At3 auch gleichzeitig mehrere Nominale stehen können, ist die Regel mit einer Folge von Nom n formuliert. Dadurch sind Sätze beschreibbar wie: (6) (7)

Ein jedem an Verstand überlegener Student. Ein jeden von oben ansehender Student.

Da nicht zu jedem attributiven Adjektiv beliebige und beliebig viele Nom treten können, müßte die Auswahl dem jeweiligen Adjektiv zugeschrieben werden, ähnlich wie in K2 dem Prädikat. Es wäre also auch hier noch eine Wertigkeit des Adjektivs einzuführen. Diese Wertigkeit kann je nach dem Bau des Adjektivs auch auf die Wertigkeit eines Verbs zurückgehen, so z. B. bei Partizipien als Adjektiven: (8)

Die uns als Narren ansehenden

Bosse.

Trotzdem können diese Attribute nicht als E oder A eingeführt werden. Einmal unterscheidet sich nämlich ihr Bedeutungsbeitrag von dem der E, und dann lassen sie auch nicht die gleichen Füllungen zu, so keine ES: (9)

*Ein daß es sich ändert vermutender

Student.

Mit der Schleife über Nom n und der Annahme einer Wertigkeit der Adjektive wäre auch der Zusammenhang hergestellt zwischen bestimmten E und A bei Adjektivprädikaten und bestimmten Nom n bei attributiven Adjektiven, wie wir ihn erkennen in: (10) Die Räte sind damit einverstanden. (11) Die damit einverstandenen Räte.

114

Konstitutionssystem K (At4, Adv3 + At4 + SF1 + Att3)

EK30

Die At4 sind an vier Stellen im KS eingeführt: erstens als Attribute zu attributiven Adjektiven (KU), zweitens zu Adverbien als Angaben (K21), drittens zu prädikativen Adjektiven (K24) und viertens zu Adverbien, die selbst Attribut in Nom sind. Dazu kommt noch die Einführung in einer direkten Schleife in dieser Regel, weil Adverbien direkt wieder als Attribute zu Adverbien stehen können. Beispiele für At4 in all diesen Positionen geben die folgenden Sätze: (1) (2)

Ein ganz frommer Geschäftsmann Alles kam ganz schnell.

erzählt.

(3) (4)

Im Grunde war ich ganz kaputt. Doch war es ganz genau die Extremstellung.

(5)

Sie half mir ganz erheblich

besser.

Die At4 werden in dieser Regel ausgeführt in eine Endposition bestimmter Adverbien (Adv3) mit deren Attributen (At4) und Attributsätze, die durch bestimmte Translative (Att3) eingeleitet werden. Dabei kann die direkte Schleife, die durch At4 eröffnet wird, eingeschränkt werden, da nicht Attributsätze und Adverbien gleichzeitig als At4 zu Adverbien möglich sind: (6)

Das mochte er so sehr, daß er

(7)

Er bewegte

abließ.

sich so ungemein geschmeidig,

daß

...

In keinem Fall sind die Attribute gleichstufig, also so und der Attributsatz nicht Konjunkte über K30. Viele Adverbien gehören sowohl in die Klasse Advl wie auch Adv3. Dadurch können mehrdeutige Sätze entstehen, die meistens durch die Pieremsteilung unterschieden sind. Die Mehrdeutigkeiten müssen aber auch schon im KS durch die Zuordnung zu A oder At4 beschrieben werden: (8) Er läuft gerade jetzt. Zwei Beschreibungen sind möglich:

Erklärung des KS, EK30

115

SF1

Advl

At4

jetzt

Adv3 gerade

Durch Permutation kann die Mehrdeutigkeit von (8) aufgehoben werden. Wir erhalten einmal: (8a) Jetzt läuft er gerade. (8b) Gerade jetzt läuft er. Mit dieser Zuordnung der Adverbien zu verschiedenen syntaktischen Positionen kann auch die Verschiedenartigkeit des Bedeutungsbeitrags von nicht geklärt werden: (9) Er erhört mich nicht. nicht A[AdG] (10) Er erhört nicht mich. nicht Atl[Adv2] (11) Er erhört mich nicht ganz.

nicht At4[Adv3]

Attributsätze zu Adverbien sind meistens mit daß eingeleitet. Dazu gehören Vergleichssätze als Attribute zu so: (12) Man grämte sich so sehr, daß man abstarb. Dadurch wird auch die Möglichkeit eröffnet, andre vergleichende Syntagmen als elliptische Vergleichssätze zu beschreiben: (13) Du singst jetzt so oft wie früher. (14) Du singst jetzt so oft wie Edmund.

116

Konstitutionssystem

In beiden Fällen werden die mit wie angeschlossenen Syntagmen als Reste von Vergleichssätzen wie du früher gesungen hast, wie Edmund singt angesehen. Dadurch kann man alle vergleichbaren Teile über SF1 einführen: in (13) ein A, in (14) der Ei. Das Translativ besetzt im Attributsatz noch die syntaktische Position eines A[Nomg]. Aufgaben: 20] Beschreiben Sie nach dem KS das zweite nominale Syntagma in: Er hat über 10 Mark ausgegeben. 21] Wie müßten Regeln lauten, die wenigstens folgende Attributverbindungen zulassen und ausschließen: Die Erfahrung des Menschen, daß alles anders kommt, die jeder einmal macht. *Die Erfahrung des Menschen dieser Tatsache. Die "Wette Pauls mit Emil um Sekt. Die Wette Pauls mit Emil, daß es so kommt. *Die "Wette Pauls mit Emil um Sekt, daß es so kommt. *Die Wette mit Emil um Sekt, die Paul abgeschlossen hat. 22] Wie könnte man im KS folgende abweichenden Attributkonstruktionen ausschließen: *die Erscheinung seiner, 'der große Rächer, er,...? 2.35 Eine Position des KS kann ersetzt werden durch zwei entsprechende Positionen, die gleichartig und gleichstufig sind. Damit gelingt es, Syntagmen der gleichen Position in syntagmatische Relation zu bringen. Die Plereme, die dies ermöglichen, nennen wir Nektive (nek), die ganze Erscheinung Nektion: (1) Die sicheren Positionen und die extremen Stellungen vertragen sich nicht. In diesem Satz steht ein nektierter Ei, in dem zweimal die Position Nomi besetzt ist. Die Nektion kann nicht ins KS aufgenommen werden, weil damit für alle Positionen eine Duplizierung vorzusehen wäre und bei mehrfachen Nektionen sogar jede Position mehrfach vorgesehen sein müßte. Dies würde eine

Nektionen

117

ungeheure Komplizierung des KS nach sich ziehen. Mit Schleifen ist die Nektion auch nicht zu erfassen, weil die nektierten Positionen nicht stufenverschieden sind wie Schleifenpositionen. Dagegen ist es möglich, die Nektion durch eine Zusatzregel einzuführen, die für Variable von Positionen formuliert wird und besagt, daß jede Position substituierbar ist durch eine Nektion aus zwei identischen Positionen. Wenn wir ein Prädikat S einführen, mit dem wir Aussagen wie S(x,y) bilden können, die bedeuten 'x wird durch y substituiert', dann können wir für die Nektion folgende allgemeine Regel angeben: (2) S (it, j t + n e k + n ) Allerdings ist diese Regel etwas zu weit, vor allem aus drei Gründen: es sind keine diskontinuierlichen Positionen nektierbar: (3) *Er setzt und legt den Hut ab (und) hin. Die Nektion gilt nicht für alle Endzeichen, weil in der Regel keine Morpheme und nicht alle Lexeme nektieren. Die Grenze nach unten scheint beim Wort zu liegen: (4) *Er be- und enthauptet sich. (5) "'Man lach- und schießt. Reine Translative nektieren nicht, weil sie nicht kommutieren. Denn damit entfällt die Möglichkeit, die Füllung der Position zu variieren: (6) *Wer spottet über und unter Gewalt. In der Regel (2) enthalten die ersten Argumentstelle und die zweite gleiche Zeichen. Deshalb ermöglicht die Regel auch Schleifen für mehrfache Nektionen. Dabei wird eines der ji in der zweiten Argumentstelle noch einmal der Regel unterworfen usf. Auf diese Weise kommen Nektionen zustande wie: (7) Da näherten sich Klaus, Günter und Fritz. Man braucht die Nektionsregel nur für Konjunkte zu formulieren. Dann sind alle Adjunkte zugelassen, in die das Konjunkt ausgeführt wird. Für eine einfache Nektion von Ei sind alle

118

Konstitutionssystem

sechs Zweierkombinationen der Adjunkte aus K3 möglich. E i + n e k + E i kann also auszuführen sein in Ei[Nomi] + n e k + Ei[Nomi] wie in (7), Ei[Nomi] + nek+Ei[ESi] in (8), Ex[Nomi] + nek + Ei[IK] in (9), EifESij + nek+EifESi] in (10), Ei[ESi] + nek+Ei[IK] in (11) und Ei[IK] + nek+Ei[IK] in (12): (8) (9) (10) (11)

Werkzeug und was sie alles brauchten, fehlte. Die Vorbereitung und alles auszuführen war nicht leicht. Wer kam und wer ging, bewunderte sie. Was sie anpackten und sogar die Regel zu finden, gelang ihnen.

(12) Hierzubleiben und Allerdings gibt es für Restriktionen. So kann PT; nektieren: (13) *Der schnappt oder

wegzugehen ging nicht. die möglichen Kombinationen meistens man nicht alle Adjunkte der Position gehorcht

ihm.

Nektive sind Plereme einer eigenen syntaktischen Kategorie. Sie gehören nicht einer Stufe des KS an, sondern können auf fast allen Stufen stehen, da sie Positionen fast aller Stufen nektieren können. Sie sind im Lexikon in zwei Subklassen geführt. Die erste (nekl) enthält einteilige Nektive, die zweite (nek2) mehrteilige: (14) Sie war schön, aber böse. (15) Sie war entweder schön oder klug. Bei den mehrteiligen steht in der Kette je ein Teil vor je einer nektierten Position. In mehrfachen Nektionen können sich wiederholende Nektive auch elliptisch ausgelassen werden oder durch 0 belegt sein. In Ellipsen wird supponiert, daß alle ausgelassenen Nektive wie das stehende lauten: (16) Sie war schön, (oder) böse oder klug. Eine Ellipse wird auch angenommen, wenn scheinbar mehrere Positionen gleichzeitig nektiert sind. So könnte man in: (17) Menschen vertrauen Gott und singen fromme Lieder

Nektionen

119

eine Nektion der Form vermuten: P23E3+nek+P22E2- Dies ist aber nach der Regel (2) nicht möglich. Deshalb wird (17) mit Nektion von SF1 erklärt, als Ellipse von: (17a) Menschen vertrauen Gott und Menschen singen fromme Lieder. Da Nektive Bedeutung haben und kommutieren, können sie auch die Bedeutung eines Satzes ändern. Deshalb sind die Bedeutungen von (16) und (18) Sie war schön, böse und klug verschieden. In der Strukturbeschreibung eines Satzes wird die Nektion so eingeführt, daß eine Position ersetzt wird durch die nektierten Knoten mit den daranhängenden Teilgraphen. Zwischen den beiden Kanten über den nektierten Knoten wird das Nektiv mit einer eigenen Kante angehängt. (11) wäre demnach durch folgenden Graphen zu repräsentieren: SF1 (11')

Ei

nek

Ei

I ESi

I und

I IK

P23

E3

1 In dieser Darstellung spiegelt sich die Stufengleichheit der Ei, und sie bleiben auf der gleichen Stufe wie der substituierte Ei und damit auch der Stufe des P und E3. Je nachdem, welche Position nektiert, ändert sich der Bedeutungsbeitrag der nektierten Position zum Satz. Dadurch können auch Mehrdeutigkeiten entstehen wie in: (19) Sie bemerkten große Ereignisse und Wunder, wo man einmal annehmen kann, es sei die Position Noml nektiert, dann aber auch, es sei nur N nektiert. Dies wirkt sich in der Bedeutung so aus, daß man im ersten Fall annehmen muß, über die Wunder sei nichts Näheres gesagt, dagegen im zweiten

120

Konstitutionssystem

Fall, die Wunder seien auch groß, daß also groß sich auf beide N o m i n a beziehe. In der Strukturbeschreibung würden die beiden Möglichkeiten getrennt: __ Nom2 Nomi

(19')

Nomi

nek

l \ NM

X/W I Adii AM N NM und i eI EreignisI Ise groß

N

Wunder

0

Nomi Nomi

(19")

Adjl""AM'" N '

NM

nek

N

NM

| eI Ereignis I seI und| WunderI I0 groß

Wir erkennen an (19"), daß unsre Regel (2) noch nicht alle Möglichkeiten der Nektion umfaßt, da eigentlich nicht N nektiert, sondern N + N M , das im KS keine Position ist. Dies ist z . T . erfaßt von der Zusatzregel, daß nicht immer Plereme nektieren, sondern nur Wörter. Trotzdem müßten solche Beobachtungen zu einer Präzisierung der Nektionsregel führen in der Richtung, daß nur Teilketten aus Satzketten nektieren.

3. Beschreibung der Struktur deutscher Sätze 3.1 Das KS soll zur Überprüfung dienen, ob eine vorliegende Pleremkette ein Satz des Deutschen ist, und zur Z u o r d n u n g von Strukturbeschreibungen, falls es sich um einen Satz handelt. Wir überprüfen dies durch sequentielle Anwendung der Regeln. N e h m e n wir an, SF1 sei der Beginn einer solchen Über-

Grundsätze für Konstitutionsgraphen

121

prüfung, dann schreiben wir dieses Zeichen als Ausgangsknoten unsrer Strukturbeschreibung hin. Danach ermitteln wir durch Anwendung der verschiedenen Proben, ob ein Teil zu einer bestimmten Position gehört, in die SF1 nach K2 ausgeführt wird. Haben wir die Zugehörigkeit eines Teils zu einer Position ermittelt, so wird die Bezeichnung dieser Position als Knoten der nächsttieferen Stufe in die Strukturbeschreibung aufgenommen und durch eine Kante mit SF1 verbunden. Wir könnten also jetzt den Graphen (1) erhalten:

Ei An diesem Verfahren sehen wir, daß zwar unser KS (wenn es endgültig wäre) alle Sätze des Deutschen erzeugen könnte, es aber dennoch nicht genügt für eine automatische Beschreibung vorliegender Sätze. Denn bei der Beurteilung von Teilen müssen noch andre Operationen von uns ausgeführt werden neben der Anwendung der Regeln. Automatisch könnte man nur alle deutschen Sätze mit dem KS generieren und dann feststellen, ob die zu beurteilende Pleremkette darunter ist oder nicht. Dagegen werden wir hier neben den Proben sogar noch unsre Kenntnis über die Teile eines Teils benutzen, die wir eigentlich erst durch Regelanwendung auf tieferer Stufe herausbekommen. Die Beschreibung verlangt also einen intelligenten Menschen, sie ist nicht voll automatisiert. Wenn wir den Graphen (1) konstruiert haben, dann wiederholen wir nacheinander das gleiche Verfahren für alle Teile der gleichen Stufe, wenn es sich um Konjunkte handelt. Die Reihenfolge der Konjunkte (im Graphen von links nach rechts) ist dabei beliebig. Es braucht auch nicht die Reihenfolge der Konjunkte in der Regel eingehalten werden. Auch die Diskontinuität von Teilen wird nicht berücksichtigt. Wir könnten nun folgende Graphen bekommen:

122

Beschreibung der Struktur deutscher Sätze

(2)

oder: (3)

Ei

E2

P22

Kommen wir an eine Nullstelle, dann lassen wir das Zeichen in unsrer Strukturbeschreibung aus. Alle Indices des KS müssen wir sofort durch Konstanten belegen. Z u r Beschreibung dieser Konjunkte gehen wir jetzt zu den Adjunktionsregeln über, in denen je eines an der ersten Argumentstelle vorkommt. Dabei ist es irrelevant, auf welche Weise das Konjunkt eingeführt wurde, d. h. was in unsrer Strukturbeschreibung direkt über ihm steht. Z u r Beschreibung des jeweiligen Konjunkts muß eines der Adjunkte ausgewählt werden aus denen, die nach der jeweiligen Regel zugelassen sind. Deshalb ist direkt unter Konjunkten keine Verzweigung möglich. Unser Graph könnte jetzt so aussehen: SF1 (4)

ESi M a n kann dann den begonnenen Zweig (E1-ES1) zuerst fertig machen, ehe man an den übrigen Knoten der Stufe weiter macht, w o man sich auf einen Zweig beschränkt hat. Der begonnene Zweig ist beendet, wenn man bei Endzeichen angekommen ist und sie durch je eine Lexikoneinheit belegt hat. Weil dabei aus dem Lexikon für jedes Endzeichen nur ein Element ausgewählt werden darf, dominieren alle Endzeichen nur einen Knoten. Kommt man im KS an eine Schleife, dann muß man eine vorausgehende Regel wieder benutzen. Das bewirkt

Grundsätze für Konstitutionsgraphen

123

in dem Graphen der Strukturbeschreibung keinen Unterschied zur Anwendung andrer Regeln, nur daß ein Knoten gleich bezeichnet ist wie ein ihn dominierender. Schleifen kann es also nur im Regelgraphen geben. Da man gerichtete Graphen ohne Schleifen auch Bäume nennt, wäre der Graph einer Strukturbeschreibung ein Baum. Wir haben ihn hier Konstitutionsgraph (KG) genannt. Ein KG ist also eine Art Ausschnitt aus dem Regelgraphen. Er unterscheidet sich von diesen vor allem dadurch, daß er keine Schleifen enthält, daß bei allen Adjunktionsregeln des KS im KG nur ein Adjunkt gewählt werden darf, und durch die andern möglichen Nullstellen bei Konjunkten. Durch die sequentielle Anwendung der rekursiven Regeln des KS wird der KG zusammenhängend. Es muß zwischen allen Knoten einen Weg geben. Isolierte Knoten gibt es nicht. Darin zeigt sich, daß alle Teile eines Satzes zusammenhängen, manche direkt, andre nur über mehrere Knoten, einige in einer Richtung (von oben nach unten), andre über wechselnde Richtungen. Darum ist der KG eine anschauliche Darstellung der Struktur des Satzes. Wir sagen, zwei Sätze haben die gleiche Struktur, wenn sich ihre KG eineindeutig aufeinander abbilden lassen und wenn alle entsprechenden Knotenbezeichnungen identisch sind mit Ausnahme der Belegungen der Endzeichen, also mit Ausnahme der Plereme. 3.2 Zur Übung werden jetzt einige KG von deutschen Sätzen als Lösungen von Aufgaben gegeben und erklärt. Beschreiben Sie die folgenden Sätze durch KG: (5) (6) (7) (8)

Heutige Menschen greifen nach dem, was ewig verschlossen bleibt. Wo sagen sie sich selbst aus? Dort zeigten sie, wie durchtrieben man sein kann. Im klaren Blau verhält sich Gold wie im Geist.

124

Beschreibung der Struktur deutscher Sätze

Man kann sich bei der Beschreibung auch auf einzelne Zweige von Sätzen beschränken und sie durch Teilgraphen darstellen oder überhaupt nur einzelne Syntagmen beschreiben. Beschreiben Sie den folgenden Satz nur bis zur ersten Stufe und dann nur das Prädikat: (9) Man läßt heute manchen vergessen werden. Beschreiben Sie die folgenden Syntagmen durch Teilgraphen: (10) ohne sehr lange zu überlegen. (11) ein theorieartiges Gebilde aus in höchstem Maß unzusammenhängenden Sätzen.

126

Beschreibung der Struktur deutscher Sätze SF ,SF1

-7\E P22

(KG6)

/

Nonn Nom2

Kt21

/ \ Kt2 (sie) I I I sie (sie) Pr

Ei

/I

2

I

VM6 PT22 Nomi en

V22 Nom2 aussag- Pr

Kt2 (sich) Adv2

sich (sich)

wo

selbst

(KG7)

/ Nomi Nom2

Ei"

As

Kt21

/ \Kt2 (sie) I I I sie (sie) Pr

VM3

man

VfJ könn

St2

PTn

(-n) PA12

Vjo^^AL^AdjZn (sein)

Adv3 durchtrieben

128

Beschreibung der Struktur deutscher Sätze SF

(KG9) E2

P 3 5^Ejell. PT35 VM3 I | VERldc t PT2J St2

laß VERKU en vp

PT22 Stl

werd

V22 AI 4- en

I

vergess

IKa^ (KG10)

IKt

IK

I

ohne

A

St2

^^AdG^^e«

Advl

At4

lange

Adv3 sehr

St3.

V22

zu

überleg

Erklärung der Zeichen

130

Erklärung der Zeichen A AdG Adj Adv AI AM Ant Ar ArM AS At AtS Att E Ei e2 e3 e4 Es e6 ES Et F IK It k K KG Knv KS Kt N nek

= = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = =

Angabe Adverbialgruppe Adjektiv Adverb Ablaut Adjektivmorphem Angabetranslativ Artikel Artikelmorphem Angabesatz Attribut Attributsatz Attributtranslativ Ergänzung E im Nom. E im Akk. E im Dat. E im Gen. E mit Präp. E mit It Ergänzungssatz Ergänzungstranslativ Folge Infinitivkonstruktion Identifikationstranslativ Klassem konstituiert sich aus Konstitutionsgraph ist Konverse von Konstitutionssystem Kasustranslativ Nomen Nektiv

Erklärung der Zeichen / Ubungstext NM Nom P PA PK Pl Pr Präp PT Pt S SF St Subst SW U1 V Va yk

= =

= =

= = = =

= = = = = = = = =

=

VERK = VM = Wt = k, j, m, n, i =

131

Nominalmorphem Nominale Prädikat Adjektivprädikat Partizipialkonstruktion Plerem Pronomen Präposition Prädikatsteil Parti zipialtranslativ wird substituiert durch Satzform Statustranslativ Substantiv Satzwort Umlaut Verb Adjektivverb Verknüpfungsverb Verknüpfung Verbalmorphem Wortbildungstranslativ Indices

Ubungstext Die Sprache, in ihrem wirklichen Wesen aufgefaßt, ist etwas beständig und in jedem Augenblicke Vorübergehendes. Selbst ihre Erhaltung durch die Schrift ist immer nur eine unvollständige, mumienartige Aufbewahrung, die es doch erst wieder bedarf, daß man dabei den lebendigen Vortrag zu versinnlichen sucht. Sie selbst ist kein Werk (Ergon), sondern eine Tätigkeit

132

Ubungstext

(Energeia). Ihre wahre Definition kann daher nur eine genetische sein. Sie ist nämlich die sich ewig wiederholende Arbeit des Geistes, den artikulierten Laut zum Ausdruck des Gedanken fähig zu machen. Unmittelbar und streng genommen, ist dies die Definition des jedesmaligen Sprechens; aber im wahren und wesentlichen Sinne kann man auch nur gleichsam die Totalität dieses Sprechens als die Sprache ansehen. Denn in dem zerstreuten Chaos von Wörtern und Regeln, welches wir wohl eine Sprache zu nennen pflegen, ist nur das durch jenes Sprechen hervorgebrachte Einzelne vorhanden und dies niemals vollständig, auch erst einer neuen Arbeit bedürftig, um daraus die Art des lebendigen Sprechens zu erkennen und ein wahres Bild der lebendigen Sprache zu geben. Gerade das Höchste und Feinste läßt sich an jenen getrennten Elementen nicht erkennen und kann nur (was um so mehr beweist, daß die eigentliche Sprache in dem Akte ihres wirklichen Hervorbringens liegt) in der verbundenen Rede wahrgenommen oder geahndet werden. Nur sie muß man sich überhaupt in allen Untersuchungen, welche in die lebendige Wesenheit der Sprache eindringen sollen, immer als das Wahre und Erste denken. Das Zerschlagen in Wörter und Regeln ist nur ein totes Machwerk wissenschaftlicher Zergliederung.

W. v. Humboldt

Analyse des Übungstextes

133

Analyse des Obungstextes Die Sprache, in ihrem wirklichen Wesen aufgefaßt, ist etwas | Adji2 V22- | Pgol beständig und in jedem Augenblicke Vorübergehendes. Selbst EC M ihre Erhaltung durch die Schrift ist immer nur eine unvollstänV22 |P 26 A | Adjia £ dige, mumienartige Aufbewahrung, die es doch erst wieder beAdj'12 V22 E2 Ei A A A darf, daß man dabei den lebendigen Vortrag zu versinnlichen P22 Ei A | Adjig | £ä sucht. Sie selbst ist kein Werk (Ergon), sondern eine Tätigkeit IiU l _ E l _ l P26l _Ec (Energeia). Ihre wahre Definition kann daher nur eine genetiA I I Adjiä I \ / A I F r Adjis U 1 I EI 1 P20 = sehe sein. Sie ist nämlich die sich ewig wiederholende Arbeit I V A I V-» Adj -n J

I

EC

des Geistes, den artikulierten Laut zum Ausdruck des Gedanken L-ES

AD

''8

II

E5

I

fähig zu machen. Unmittelbar und streng genommen, ist dies |Ad)25 p T . , . || | Adjia ^Adjig | P20 Ei die Definition des jedesmaligen Sprechens; aber im wahren und Vl 1 A I I ^ Eu wesentlichen Sinne kann man auch nur gleichsam die Totalität Adj'12 | N ^ / Ei A 1 £ j -As dieses Sprechens als die Sprache ansehen. Denn in dem zerJ I

EN-

I \

/

A

134

Analyse des Ubungstextes

streuten Chaos von Wörtern und Regeln, welches wir wohl Adjio v E2 Ei A 15 eine Sprache zu nennen pflegen, ist nur das durch jenes Spre_ J ü

^

l Y

^ -PPo 2 5 chen hervorgebrachte Einzelne vorhanden, und dies niemals Adj 2 5 | XAdjäS/' Ei A A

1

vollständig, auch erst einer neuen Arbeit bedürftig, um daraus A A A | _ J P24 Adj 2 4 1 E5 die Art des lebendigen Sprechens zu erkennen und ein wahres I r „ Adjia I V35 | Adji2 ^ A Bild der lebendigen Sprache zu geben. Gerade das Höchste und E,,

A d

i"

I

V

»» | |

£ i

Feinste läßt sich an jenen getrennten Elementen nicht erkennen I V Y

F I A ^ ^ 2! PK -T und kann nur in der verbundenen Rede wahrgenommen oder \ > A | a- Adjgj | Aa Y 'p25 1



I

'

Ad| 25

geahndet werden. Nur sie muß man sich überhaupt in allen UnI

I V

El

E;i

'

tersuchungen, welche in die lebendige Wesenheit der Sprache 1 1 » eindringen sollen, immer als das Wahre und Erste denken. Das L - P T * — J | / I E6 P40 Zerschlagen in Wörter und Regeln ist nur ein totes Machwerk V35 £ l | P201 Adji2 wissenschaftlicher Zergliederung. Adji2 E V35 |

Lösungen der Aufgaben

135

Lösungen der Aufgaben: 1] Da\bei sind furcht\bar\e Dräng\el\ei\en vor\ge\kotnm\en. Trotz\dem hab\e\n die Hinter\wäld\ler die Him\beere\n be\ komm\en. Das Ein\fübr\en pflück\frisch\er Kirsche\n ist un\er\ wart\et ein\träg\lich. Morphonemische Erscheinungen wie Umlaut kann man bei der linearen Segmentierung nicht berücksichtigen. Problematisch ist das Abteilen von Him, da dieses nur mit beere vorkommt. 2] (2), (3), (4). 3] kann ... bleiben, sitzt, wittert, gelingt; hier, wo sie will, auf seinen vier Buchstaben; er, der Kanzler, die Prominenz in der Kirche, wer sich schämt, etwas Eigenes zu finden; ein Scheingefecht, die Prominenz in der Kirche; seit gestern; mir. 1

4]

2 (1)

1 (2)

8

7 1 (3)

4

136

Analyse des Ubungstextes / Lösungen der Aufgaben

5] 78, 978, 25656. 6] s. Analyse des Übungstextes. 7] [ a ] K ( S F l , E i + P i ) K (SF2, Ei + Es+P22) K (SF3, E1+E3+P23) K (SF4, E1 + E2 + E5+P35) K (SF5, E1 + E2+E2+P32) K (SF6, E1 + E5+E5+P38) [b] Alle Satzmuster sind in einer Regel enthalten. Dadurch werden unnötige Wiederholungen vermieden. Es ist klar dargestellt, daß der Index des Prädikats die Auswahl aus den E und damit das Satzmuster bestimmt. 8]

K (Ei, Nomi/ESi/IK) K (E2, N01112/ES2/IK) K (E3, Nom3/ES3) K (E4, Nom4/ES4/IK) K (E5, Noms/ESs/IK) K (Eß, Nomg/ESe) Diese Formulierung zeigt, daß K3 eigentlich zuviel zuläßt, weil IK im Deutschen als E3 und Eg nicht möglich ist. 9] K (Ktjn, K t l l / K t l 2 / . . . /Ktl6/Kt21/Kt22/ . . . /Kt26) Es müßten K6 und K7 für Ktl5 und Kt25 bzw. für Ktl6 und Kt26 getrennt formuliert werden. 10] K (Noml, Arj + . . , + N m + N M m n . . . ) n Index für Kasus 1 - 4, m Index für Subklassen 1 - 1 1 Lexikon N1 {Tisch, Bart, Schaf, Floß} N2 {Wald, Leib, Brett, Lamm} N3 {Garten} N4 {Uhu, Hurra} N5 {Lehrer, Kloster, Segel} N6 {Trübsal, Kraft} N7 {Mutter}

Lösungen der Aufgaben N8 N9 N10 Nil

{Mutti} {Mensch, Hase} {Frau, Gabe} {Stadt, See, Ohr, Ende}

NM1.1 NM1.2 NM1.3 NM1.4

{0,e} {0,e} {{e),en} {es, e}

NM2.1 NM2.2 NM2.3 NM2.4

{0,er} {0,er} {(e), ern} {{e)s, er}

NM3.1 NM3.2 NM3.3 NM3.4

{0} {0} {0} {s> 0 }

NM4.1 NM4.2 NM4.3 NM4.4

{0,s} { 0) {0,s} {s,s}

NM5.1 NM5.2 NM5.3 NM5.4

{0} {0} {0,«} (5> 0 }

NM6.1 NM6.2 NM6.3 NM6.4

{0,e} {0,e} {0,en} {0,e}

NM7.1 NM7.2 NM7.3 NM7.4

{0} {0} {0,»} {0}

NM8.1 NM8.2 NM8.3 NM8.4

{0,s} {0,s} {0,s} {0,s}

NM9.1 NM9.2 NM9.3 NM9.4

{0, («)*> {(e)n, (e)n} {{e)n, (e)n} {{e)n, (e)n}

NM10.1 NM10.2 NM10.3 NM10.4

{0,(e)n} {0,(e)n} {0,{e)n} {0,{e)n}

NM11.1 NM11.2 NM11.3 NM11.4

{0Ae)n} {0,(e)n} {(e), (e)n} {(e)s, (e)n}

Lösungen der Aufgaben

139

12] Seine Frau (Nom2) und ein Wort zu sagen (IK) gehören nicht zur gleichen Position und sind demzufolge nicht nektierbar. Das zweite, ausgelassene ohne ist ein IKt, das erste eine Präp. Sie gehören also auch nicht zur gleichen Position. 13] ki(PTi) i-> ki(Pj): Er ging spazieren, statt zu arbeiten. ki(PTj) k2(Pi): Man bestellte ihn, um alles in Ordnung zu bringen. ki(PTj) i-> k3(Pj): Die Gründe genügten ihm, um das Land zu verlassen. 14] s. Analyse des Übungstextes. 15] ki i—ks, k2i-> ki 16] ki (lach) i->- kg (mach lach) m- ki (werd lach mach) ki (sein werd lach mach) ki (soll sein werd mach lach); ki (mach lach) M - ks (werd mach lach) H>- ks (sein werd mach lach) kö (soll sein werd mach lach). 17] V35; VERK35[ V10 V35]; VERK35 [ V10VERK35]; VERK35[V2OVERK25]; VERKsstVaoPAss]; VERK35[PA35[VroAdj35]]; VERKsstPAastV^jAdja;]]; PA35[V2oAdj25]. a

18] find V20, V22; geb V33. V22; trau V22, V23; kost V22, V32; a

lehn V25, V35; titulier V36; erweis V33, V36, V20; steh V25, V23; k woll V22, V10. 19] ki(PT)

ki(VERK): sein, schein, hab, komm, soll, bleib, werd, könn k2(PT) ki(VERK): gehör, werd k 3 (PT) ki(VERK): bekomm ki(PT) 1-» ksCVERK): lass, hör, fühl, find, hab, mach

dürf,

140

Ergänzende Literatur Ez

20]

I I" Ktl2

Nomz

N

0

Atl Ad v2

zehn Mark über über ist nicht identisch mit der Präposition über. Es regiert hier keinen Kasus und kommutiert mit Adv2 genau usw. 21] K (Atl, A t l l / A t l 2 ) K (Atll, N o m 4 + R S + A t S l + N o m 5 ) K (Atl2, N o m 4 + N o m 5 + N o m 5 ) RS = Relativsatz. Diese Regeln beschreiben noch nicht genau die Möglichkeiten des Deutschen. 22] M a n müßte die Schleifen über Nom4 und Nome, die durch K28 eröffnet werden, beschränken auf N o m l , um damit N o m 2 in dieser Position auszuschließen. Nom3 sind sowieso schon ausgeschlossen, da Nom3 nicht als Nom4 möglich sind. Ergänzende Literatur Bierwisch, M . : Grammatik des deutschen Verbs. Studia Grammatica 2. Berlin "1966. Chomsky, N.: Syntactic Structures. T h e Hague 1957. Chomsky, N.: Aspekte der Syntax-Theorie. Frankfurt/M. 1969. Duden, Grammatik der deutschen Gegenwartssprache, P. Grebe, Der große Duden Bd. 4. Mannheim 2 1966.

Hrsg.

Heringer, H. J . : Theorie der deutschen Syntax. Linguistische Reihe 1. München 1970. Lyons, J.: Introduction to Theoretical Linguistics. Cambridge 1968. Thümmel W. u. a.: Lehrbuch der generativen Transformationsgrammatik. Linguistische Reihe 2. München 1970.