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German Pages 170 [180] Year 1972
Deutsche Syntax von
Dr. Hans-Jürgen Heringer o. Professor an der Universität Tübingen
2. völlig neubearbeitete Auflage
w DE
Sammlung Göschen Band 5246
Walter de Gruyter Berlin • New York • 1972
© Copyright 1972 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung - J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung - Georg Reimer - Karl J. TrübnerVeit & Comp., Berlin 30. - Alle Hechte, einschl. der Hechte der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vorbehalten. - Satz: Fotosatz Prill, Berlin 15 Druck: Mercedes-Druck, Berlin - Printed in Germany
ISBN 3 11 004015 8
Vorwort Dieser Abriß bietet eine vereinfachte Version einer Theorie der deutschen Syntax. Sein Ziel ist es, diese Theorie leichter lehr- und verstehbar zu machen. Denn jede wissenschaftliche Theorie hat die Bestimmung, möglichst vielen bekannt zu werden, weil Wissenschaft sich nicht auf das Verständnis weniger gründen kann, sondern bemüht sein muß, das Eigentum vieler zu werden. Nur auf diese Weise kann eine wissenschaftliche Theorie ihre Aufgabe in der Gesellschaft erfüllen oder verworfen werden. Das Wahre ist das, worüber man Einverständnis erzielt hat.
Vorwort zur 2. Auflage Die neue Auflage gibt die Möglichkeit, einige Veränderungen zu machen, z.B. die Einführung von Namen für die Indexe, die das System leichter lesbar machen. Neu dazugekommen ist eine Skizze einer Inhaltssyntax, die eigentlich schon früher vorgesehen war, aber einigermaßen fundiert nur aufgrund der jetzt publizierten Theorie von Brockhaus und Stechow gegeben werden konnte. Die Inhaltssyntax scheint besonders auch deshalb notwendig, weil von transformationeller Seite leicht die Kritik vorgebracht werden konnte, hier sei ein wichtiger Teil einer syntaktischen Theorie ausgelassen, der in der Transformationsgrammatik schon behandelt werde. Ich bin allerdings der Meinung, daß Transformationen in der Weise, in der sie dort verwendet werden, ungenügend sind und daß die Inhaltssyntax demgegenüber besonders drei Vorteile hat: (i) Sie behandelt die Bedeutung aller Sätze in gleicher Weise nach ihrer Struktur, (ii) Sie liefert Relationen zwischen beliebigen Sätzen, (iii) Sie erklärt die Relationen zwischen beliebigen Sätzen aufgrund ihrer syntaktischen Struktur. Damit soll nicht behauptet werden, daß syntaktische Theorien nicht Regeln brauchen, die die Form von Transformationsregeln haben, weil einmal die Inhalts-
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Vorwort zur 2. Auflage
syntax formal äquivalente Regeln enthält und weil man auch für das Konstitutionssystem Transformationsregeln für die Verkettung brauchte. Die erste Auflage dieses Bandes wurde als Grundlage für einführende Proseminare benutzt. Dafür scheint er geeignet, weil die Syntax eine der am besten entwickelten linguistischen Teiltheorien ist und weil sie die Basis für andere Teiltheorien abgibt. Allerdings ist der direkte Praxisbezug in der Lehrerausbildung nur vordergründig gegeben, insofern im Sprachunterricht auch syntaktische Theorien verwendet und gelehrt werden. Darum müßten in einer Einführung zuerst auch die Ziele und Möglichkeiten linguistischer Theorien behandelt werden. Das kann ausgehend von 1.1 und 1.2 ausführlicher geschehen. Der Band ist allerdings nicht in dem Sinn didaktisch konzipiert, daß er in der vorliegenden Form und Reihenfolge im Unterricht benutzt werden könnte. Das hätte wahrscheinlich den hier versuchten systematischen Aufbau gestört. Nach meiner Meinung sollte man eventuell nach der Behandlung von 1.1 und 1.2 damit beginnen, den Studenten bekannte syntaktische Theorien partiell zu analysieren und dann zu zeigen, inwiefern formale Theorien solchen Theorien überlegen sein können. Die einzelnen Regeln des Konstitutionssystems können danach von kleineren Gruppen präpariert, vorgeführt und kritisiert werden. Dazu m u ß dann auch die Erzeugung von Strukturen geübt werden. Die allgemeine Form des Konstitutionssystems und der Beschreibungssprache sollten erst später im Vergleich mit andern Syntaxen behandelt werden. Und zur Inhaltssyntax wird man dann i.a. leider nicht mehr k o m m e n . Sie kann in ihrer skizzenhaften F o r m sowieso nur als Andeutung verstanden werden. Die Aufgaben nach jedem Abschnitt sind nicht ausreichend für den Unterricht. Sie sind hier nur als Beispiele von Aufgaben gedacht u n d sollen dem Leser helfen, sich und die Theorie durch ähnliche Überlegungen zu überprüfen.
Inhalt 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6
Allgemeine Einführung Aufgaben der Syntax Definition des Satzes Satzanalyse durch fortgesetzte Teilung Form des Konstitutionssystems Formale Eigenschaften der Beschreibungssprache . . Beschreibung von Sätzen mit dem Konstitutionssystem. Aufbau einer linguistischen Gesamttheorie . .
7 7 8 14 21 25 27
2. 2.1 2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5
Konstitutionssystem Konstitutionsregeln Lexikonregeln Erklärung des Konstitutionssystems .Prädikate Ergänzungen Angaben Attribute Nektionen
34 34 36 40 40 68 109 120 134
3. 3.1 3.2. 3.3
Beschreibung der Struktur deutscher Sätze Erzeugung von Strukturen Analyse von Pleremketten Beispiele
139 139 142 144
4. 4.1 4.2
Inhaltssyntax Ziel und Aufbau der Inhaltssyntax Beispiele
149 149 154
Erklärung der Zeichen Übungstext Analyse des Übungstextes Lösungen der Aufgaben Ergänzende Literatur Regelgraph
158 160 161 163 170 Falttafel
1. Allgemeine Einführung 1.1 Aufgaben der Syntax Jede wissenschaftliche Theorie muß nach ihrem Ziel beurteilt werden. Die Syntax wird gemeinhin als eine linguistische Teiltheorie angesehen, deren Aufgabe es ist, die Sätze einer Sprache zu beschreiben. Daraus werden vor allem drei Teilaufgaben hergeleitet. Die erste besteht darin, eine Entscheidung darüber zu ermöglichen, ob etwas als Satz der beschriebenen Sprache akzeptiert werden kann, man sagt nach dem Sprachgebrauch der Logiker auch, ob ein Satz wohlgeformt ist. Demnach müßte eine Syntaxtheorie des Deutschen folgendes Gebilde als nicht wohlgeformt ausschließen: (1) Pulver wie weichen den Pullover ein Tag. Als zweite Aufgabe stellt sich der Syntax, bestimmte Unterschiede der Bedeutung von Sätzen zu beschreiben, so daß diese Bedeutungsverschiedenheiten mit einer Verschiedenheit der syntaktischen Struktur der Sätze zu erklären sind. So haben die Sätze (2) und (3) verschiedene Bedeutung, obwohl sie die gleichen Elemente — allerdings in andrer Reihenfolge — enthalten: (2)
Die Leute kommen aus Heidelberg.
(3)
Die Leute aus Heidelberg
kommen.
Aus dieser zweiten Aufgabe leitet sich noch eine dritte her, nämlich die Mehrdeutigkeiten zu beschreiben, die sich durch die syntaktische Struktur ergeben können. So werden wir annehmen, daß der Satz (4) mehrdeutig ist, weil der in ihm enthaltene Nebensatz im Sinn von (2) oder (3) verstanden werden kann: (4) Wer glaubt, daß die Leute aus Heidelberg kommen? Im ersten Fall würde es sich um Leute handeln, die zwar aus Heidelberg kommen, aber vielleicht aus Düsseldorf stammen, wäh-
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1. Allgemeine Einführung
rend die Leute im zweiten Fall aus Heidelberg stammen, aber anderswoher kommen können, wie man es z.B. mit Satz (4a) deutlich machen könnte: (4a)
Wer glaubt, daß die Leute aus Heidelberg aus Düsseldorf kommen? Wir formulieren deshalb als Ziel einer syntaktischen Theorie, daß sie die Entscheidung folgender Fragen ermöglichen soll: Ist X ein Satz? Wie unterscheidet sich X von andern Sätzen? Welche Bedeutung hat X?
1.2 Definition des Satzes Um solche Ansprüche zu erfüllen, müssen wir besser klären, was wir einen Satz nennen wollen. Wenn zwei Sprecher des Deutschen zu verschiedenen Zeiten den Satz (2) äußern, so werden wir nach unserm Vorverständnis sagen, daß sie den gleichen Satz geäußert haben. Wir unterscheiden offenbar den Satz von seinen Äußerungen, die Realisierungen eines Musters sind. Als Beschreibung eines solchen Musters war ja auch das Hinschreiben des Satzes (2) gemeint. Dieses Hinschreiben war ein Zitieren und hatte nicht den Zweck, den Satz in der im Sprechakt gewöhnlichen Weise zu verwenden, sondern den, über den Satz zu reden. Nach gängiger Ansicht soll eine Syntaxtheorie handeln von Sätzen in diesem Sinn, also nicht die Verschiedenheiten der individuellen Äußerungen eines Satzes beschreiben. Wenn wir die berühmte Unterscheidung de Saussures benützen, würden wir sagen, daß die Syntax die Sätze als Elemente der Langue ansieht, d.i. des Sprachsystems, und nicht als Elemente der Parole, d.i. des individuellen und konkreten Sprechakts. Ein Satz der Langue wird verstanden als eine Regel, die die verschiedenen Äußerungen bestimmt. Selbstverständlich ist das Sprachsystem der linguistischen Untersuchung nicht direkt zugänglich. Das System ist nur eine Hypothese über die den Äußerungen zugrundeliegenden Strukturen. Diese Hypothese wird gerechtfertigt durch die Theorie, die sie ermöglicht.
1.2 Definition des Satzes
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Wir gehen davon aus, daß jeder Sprecher einer Sprache eine sprachliche Kompetenz hat. Das ist ein System von Fähigkeiten, die der Sprecher in der Sozialisation erwirbt und durch die Kommunikation verändern kann. Die sprachliche Kompetenz eines Sprechers besteht aus mehreren Komponenten: die syntaktische Komponente gestattet ihm mittels Regeln aus Elementen neue Sätze zu bilden und zu verstehen. Die semantische Komponente sichert, daß er die Bedeutung dieser Sätze kennt, d.h. daß er sie sinnvoll verwenden kann. Dazu muß er z.B. wissen, welche Sätze er zur Erreichung welcher Ziele in welchen Situationen verwenden kann. Zwei Sprecher können nur miteinander kommunizieren, weil ihre Kompetenzen partiell gleich sind. Darum entspricht die Langue im gewissen Sinn der Kompetenz eines idealisierten Sprechers, der alle Sätze einer Sprache beherrscht. Gerade eine solche Idealisierung kann für bestimmte linguistische Untersuchungen unzulässig sein, weil die Sprachkompetenzen der Sprecher faktisch verschieden und abhängig von ihrer sozialen Umgebung sind. Jedoch wird die Unterscheidung in Langue und Parole nicht in ihrer grundsätzlichen Berechtigung betroffen dadurch, daß die Annahme eines einheitlichen Sprachsystems für jede Sprache ungenügend ist. Denn sie gilt auch für eine notwendige weitere Differenzierung in verschiedene Subsysteme, die verschiedenen sozialen Gruppen entsprechen. Da wir die Sätze des Deutschen als Ausgang für unsre Syntaxtheorie nehmen, müssen wir uns noch weiter darüber einigen, was wir unter einem Satz verstehen wollen. Wir wollen den Satz als ein komplexes sprachliches Zeichen ansehen, das — wie man seit der Antike annimmt — zwei Seiten hat. Eine Seite wollen wir Ausdruck nennen, die andre Inhalt. Der Ausdruck des Satzes ist das, was die Übermittlung des Inhalts ermöglicht. Der Ausdruck des Satzes ist seine lautliche Struktur. Der Inhalt des Satzes ist das, was er bedeutet. Jedes sprachliche Zeichen ist nur Zeichen, insofern es einer Sprache angehört. Deshalb kann auch für einen Chinesen, der nicht Deutsch kann, ein Satz des Deutschen kein Zeichen sein. Er kann höchstens vermuten, daß es sich um eines handelt. Aus dieser Gebundenheit der sprachlichen Zeichen an
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1. Allgemeine Einführung
eine Sprache folgt, daß sowohl ihr Ausdruck wie ihr Inhalt an diese Sprache gebunden ist, und im besonderen, daß die Verbindung eines Ausdrucks und eines Inhalts durch die Konvention einer Sprache festgelegt ist, so daß beide untrennbar wie die beiden Seiten eines Blattes sind. Deshalb ist auch der Ausdruck nicht zu verwechseln mit der physikalisch zu ermittelnden Lautfolge, die sich ja bei verschiedenen Äußerungen des gleichen Satzes ändert. Der Ausdruck ist nur der Rahmen, in dem sich diese Variation bewegen darf, ohne daß die Äußerung fehlerhaft würde. Der Ausdruck als Teil der Langue ist als die Regel aufzufassen, die angibt, wie weit der Spielraum der Realisierungen sein darf. Der Spielraum wird dadurch begrenzt, daß durch die Verletzung der Regel ein anders oder nicht zu verstehender Satz entsteht. Dehnt man z.B. in (5) das [o] in Rosse über eine bestimmte Grenze hinweg, so wird man einen andern Satz mit anderm Ausdruck und Inhalt bekommen: (5)
Man sah die Rosse stehen.
Dieser andre Satz unterscheidet sich von (5) wie Rosse von Rose. Ebenso wie den Ausdruck faßt man auch den Inhalt eines Satzes als eine Regel für seinen Gebrauch auf. Die Folgen daraus wollen wir hier nicht genauer erörtern. Nun werden wir nicht geneigt sein, alle sprachlichen Einheiten, die Ausdruck und Inhalt haben, als Sätze anzusehen. Denn manche bestehen aus mehreren Sätzen, manche nur aus Teilen von Sätzen. Deshalb hat man seit langem versucht, eine brauchbare Definition des Satzes anzugeben. Fast alle Definitionen leiden an zwei Mängeln: der erste dieser Mängel beruht darauf, daß man versuchte, den Satz zu definieren mit irgendwelchen logischen Begründungen, etwa der Behauptung, der Satz sei eine Aussage, oder jeder Satz müsse in irgendeinem Sinn aus zwei Teilen bestehen. Solche Argumentationen setzen stillschweigend voraus, daß man in der Logik einen absoluten Maßstab habe, an dem man natürliche Sprachen messen könne. Nun ist aber jede logische Sprache von natürlichen Sprachen abgeleitet, und wir würden uns mit solchen Definitionen deshalb nur im Kreise bewegen. So dürfte es keinem Logiker gelingen zu definieren, was eine Aussage ist, ohne auf
1.2 Definition des Satzes
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Sätze zu rekurrieren. Die Unbrauchbarkeit der logischen Definitionen hat sich für die Linguistik auch in den Problemen gezeigt, die sie aufwerfen. So würde die Definition des Satzes als Aussage alle Frage-, Befehlsätze, Sätze aus einem Gebet usw. ausschließen, weil eine Aussage per Definition wahr oder falsch sein muß. Es gibt aber keinen Sinn, den Satz (6)
Bleib bitte!
nach seiner Wahrheit zu beurteilen. Ähnliche Schwierigkeiten ergeben sich aus dem Postulat der Zweiteiligkeit. Da man Sätze wie (7)
Feuer!
als Sätze ansehen wollte, bei ihnen aber keine Zweiteiligkeit festzustellen war, behalf man sich mit der Annahme einer Ellipse. Danach sollte ein Satz wie (7) eigentlich zweiteilig sein, nur verdecke die sprachliche Form diese Zweiteiligkeit. Allerdings kann man keine Einigung darüber erzielen, welcher Teil denn elliptisch ausgelassen sei. Wir erkennen auch hier wieder die Annahme eines absoluten Maßstabs und eine Geringschätzung der natürlichen Sprache, die erkenntnistheoretisch sehr schwer zu halten sein dürfte. Den zweiten Mangel finden wir in einer andern weitverbreiteten Definition, mit der man den Satz durch seine Teile definieren wollte: ein Satz bestehe aus Subjekt und Prädikat. Sehen wir davon ab, daß diese Definition bei weitem nicht auf alle Sprachen anwendbar ist, so kann sie auch für uns nicht brauchbar sein, weil wir nicht sagen können, was Teil eines Satzes ist, ehe wir überhaupt wissen, was ein Satz ist. Wir brauchen nämlich eine Definition, die uns gestattet, vortheoretisch unsern Untersuchungsbereich einzugrenzen. Nur dann können wir die Sätze an den Anfang der Untersuchung stellen. Darum nehmen wir an, ein Satz sei ein Muster für kleinste, potentiell selbständige Äußerungen. Diese Annahme zeigt zugleich, daß es berechtigt ist, die linguistische Beschreibung mit der Beschreibung von Sätzen zu beginnen, weil der Satz die Einheit ist, die im
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1. Allgemeine Einfuhrung
Gebrauch der Sprache dadurch ausgezeichnet ist, daß jede sprachliche Kommunikation sich in Sätzen vollzieht. Wir wollen nun diese Annahme noch etwas genauer erklären. Dazu müssen wir klären, was „potentiell selbständig" heißen soll. Gewöhnlich bezeichnet man eine Äußerung als selbständig, die zwischen längeren Pausen geäußert wird. Nun wäre es aber möglich, daß irgendwann einmal irgendeine Äußerung geäußert wird, ohne daß sie vollendet wird, daß also durch die äußeren Umstände eine Pause eintritt. Würden wir eine solche Äußerung als selbständig ansehen, dann wären alle sprachlichen Einheiten potentiell selbständig. Wir hätten dann eine triviale Definition, die jede Folge von sprachlichen Einheiten als Satz wertet. Wir können deshalb als potentiell selbständig nur solche Einheiten ansehen, die normalerweise als selbständige Äußerung auftreten können. Diese Selbständigkeit impliziert dann auch eine Selbständigkeit der Bedeutung des Satzes, was aber nicht heißen soll, daß z.B. Sätze mit kontextverweisenden Teilen unselbständig seien. Ein Satz wie (8) Er sitzt hier. kann u.U. voraussetzen, daß in einem weiteren Kontext geklärt wird, worauf sich er und hier beziehen. Dies kann aber auch durch die Situation klar sein, so daß seine Äußerung potentiell selbständig ist. Eine andre Schwierigkeit ist, daß Äußerungen abweichend sein können. Neben dem behandelten Abbruch einer Äußerung können mehr oder weniger fehlerhafte Äußerungen vorkommen, deren Muster nicht als Sätze gelten dürfen. Solche Abweichungen kann nur der Sprecher einer Sprache erkennen und beurteilen. Oft sind abweichende Äußerungen verständlich. Korrigieren kann man sie überhaupt nur, weil man sie versteht. Aber man versteht sie nur auf der Folie eines nicht-abweichenden Satzes. So kommt es vor, daß man einen abweichenden Satz, den wir mit "*" kennzeichnen, in mehrfacher Weise korrigieren kann, wie (9)
*Er liebt ihr.
(9a)
Er liebt sie.
oder (9b)
Er liegt ihr.
in
1.2 Definition des Satzes
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Solche Korrekturen sind nicht zu verwechseln mit Korrekturen aus normierender Absicht, wie sie z.T. von Lehrern vorgenommen werden. Normierende Korrekturen wie die Regelung, nach Komparativ dürfe nicht wie im Vergleich stehen, kann der Linguist nicht akzeptieren. Denn seine Aufgabe ist es nicht, nach Regeln handeln zu lehren, sondern die Regeln zu beschreiben, die die Sprachhandlungen bestimmen. Er kann damit die Bedingungen erklären helfen, die den Lehrer dazu veranlassen, bestimmte Regeln gegen den Sprachgebrauch großer sozialer Gruppen durchsetzen zu wollen. Es gibt andre Arten von Abweichungen, die man nicht als Fehler bezeichnen würde. Deshalb kann man sie auch nicht korrigieren. Sie erscheinen uns nur bizarr oder komisch. Sie werden teilweise als semantische Abweichungen bezeichnet. Unterschiede in der Art der Abweichungen scheinen klar, jedoch ist eine Klassifizierung der Abweichungen nur mit einer bestimmten linguistischen Theorie möglich, die wir noch nicht besitzen. Eine sogenannte semantische Abweichung liegt vor in (10) Sein schlankes Passiv verdirbt sich. Öfter hat man auch unwahrscheinliche oder widersinnige Sätze als abweichend bezeichnet: (11) Der Sozialismus setzt sich bis 1975 überall durch. (12) Seine leibliche Mutter war ein Mann. Doch sind Sätze wie (11) und (12) sprachlich weder korrigierbar noch bizarr und deshalb nicht abweichend. Nur das, was sie bedeuten, scheint uns unmöglich oder immer falsch. Aber ihre Widersinnigkeit ist erst dadurch möglich, daß sie eine Bedeutung haben. Insofern sind sie perfekte deutsche Sätze. Ein Fehler im Denken oder faktische Unmöglichkeit ist kein Fehler im Deutschen. Da ein nicht-abweichender Satz auch abweichend geäußert werden kann, wenn man z.B. am Abend jemand mit Guten Morgen begrüßt, müssen wir als nicht-abweichend solche Sätze ansehen, die, in bestimmten Situationen geäußert, von den Sprechern einer
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1. A l l g e m e i n e E i n f ü h r u n g
Sprache als nicht sprachlich abweichend angesehen w e r d e n . Alle Sätze einer Sprache sind sinnvoll, d.h. sie haben eine Bedeutung. Sinnlose Sätze gibt es nicht. Die Beurteilung, ob eine Ä u ß e r u n g abweichend ist, kann nur ein Sprecher einer Sprache nach seiner K o m p e t e n z v o r n e h m e n . Wir sagen dann, er beurteilt die Akzeptabilität der Ä u ß e r u n g . Eine solche Beurteilung sollte sich nur auf k o m m u n i k a t i v verwendete Sätze beziehen. Denn wenn m a n dem Sprecher Sätze e x t r a k o m munikativ zur Beurteilung vorlegt, wird er o f t (eventuell aufgrund einer erlernten n o r m i e r e n d e n G r a m m a t i k t h e o r i e ) Sätze ablehnen, die er selbst verwendet. Da die Linguistik die K o m p e t e n z der Sprecher u n d die S y n t a x speziell die syntaktische K o m p o n e n t e der K o m p e t e n z beschreiben soll, m u ß eine Syntax m i n d e s t e n s alle akzeptablen Sätze beschreiben. Wir sagen, daß jeder Satz, der von einer S y n t a x beschrieben wird, grammatisch ist. Ziel der syntaktischen Beschreibung m u ß deshalb sein, daß alle akzeptablen Sätze grammatisch sind. Für eine totale linguistische Beschreibung m u ß zusätzlich gelten, d a ß alle grammatischen Sätze auch akzeptabel sind. Der Vorteil der A n n a h m e , ein Satz sei ein Muster für kleinste, potentiell selbständige Ä u ß e r u n g e n , liegt darin, d a ß sie den Zus a m m e n h a n g der sprachlichen Muster mit deren Verwendung in der K o m m u n i k a t i o n b e t o n t . Der Satz ist nämlich ein Muster für kleinste vollständige Sprechakte, u n d Sprechakte wie fragen, antw o r t e n , befehlen, b e h a u p t e n , zitieren, beschreiben sind Handlungen nach Sätzen. 1.3 Satzanalyse durch fortgesetzte Teilung Wenn wir n u n die Sätze einer Sprache beschreiben wollen, stehen wir vor der Schwierigkeit, daß eine Sprache sehr viele, vielleicht sogar unendlich viele Sätze h a t . Wir k ö n n e n sie deshalb nicht einzeln d u r c h A u f z ä h l u n g in einem K o r p u s beschreiben. N u n kann aber doch der Sprecher einer Sprache deren Sätze t r o t z der großen Zahl verstehen. Er k a n n sogar Sätze verstehen u n d bilden, die er vorher nie gehört h a t . Dies erklärt sich d a d u r c h , daß ein Teil der Regeln, die der Sprecher k e n n t , Regeln sind, die etwas
1.3 Satzanalyse durch fortgesetzte Teilung
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über den Aufbau der Sätze sagen. Mit diesen Regeln kann er viele Sätze in gleicher Weise produzieren und verstehen. Es empfiehlt sich auch für die linguistische Beschreibung, solche Regeln über den Aufbau der Sätze zu ermitteln. Auf diese Weise wird die Beschreibung erheblich einfacher und ökonomischer, weil viele Sätze ähnliche und gleiche Teile enthalten. Gesprochene wie geschriebene Sätze liegen gewöhnlich als eine eindimensionale Folge von Lauten oder Buchstaben vor, die durch das zeitliche oder räumliche Nacheinander geordnet ist. Wir nennen eine solche Folge Satzkette. Wenn wir eine solche Satzkette teilen, erhalten wir unselbständige Satzteile, z.B. könnten wir bei einer Teilung von (3) die zwei Teile die Leute aus Heidelberg und kommen erhalten. Bei dieser Teilung teilen wir den Ausdruck und den Inhalt des Satzes gleichzeitig, weil ja die Teile mit ihrem Inhalt einen Beitrag zur Bedeutung des ganzen Satzes leisten. Deshalb betrifft eine syntaktische Theorie auf der Basis der Teilung der Sätze sowohl den Ausdruck wie den Inhalt und kann so auch die Grundlage für die Beschreibung der Satzbedeutung bilden. Die Teile, die man nach einer Teilung bekommt, kann man wieder teilen und so fort. Wir hören mit der Teilung dann auf, wenn wir Teile bekämen, die nicht auch in andern Sätzen vorkommen und einen regelmäßigen Beitrag zu den Bedeutungen der Sätze leisten. Solche kleinsten Teile, die noch Bedeutung haben, nennen wir Plereme. Sie werden gewöhnlich unterschieden in selbständige Plereme, die Lexeme heißen, und gebundene Plereme, die Morpheme heißen. Allerdings ist diese Unterscheidung bisher nicht präzis definiert. Die Plereme haben wie die Sätze Ausdruck und Inhalt. Der Einfachheit halber setzen wir voraus, daß alle Sätze, die wir untersuchen, bereits in Plereme segmentiert sind, so daß wir merken, wann wir mit der Teilung aufhören müssen. In unserm Verfahren beginnen wir mit der Teilung eines Satzes. Dann tauschen wir die so ermittelten Teile gegen andre Teile aus, so daß wieder ein Satz entsteht. Dieses Austauschen nennen wir kommutieren, und von Teilen, die austauschbar sind, sagen wir auch, sie kommutieren. In
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1. Allgemeine Einführung
(13) Der Kanzler wittert ein Scheingefech t. kommutiert der Kanzler mit sein Helfer von gestern oder mit wer kommt, wittert kommutiert mit eröffnet usw. Solche gleichartigen kommutierenden Teile fassen wir zu einer Menge zusammen, die wir syntaktische Kategorie nennen und deren Elemente Syntagmen. Die beiden Syntagmen der Kanzler und wer kommt gehören also zur gleichen Kategorie, dagegen nicht wer kommt und eröffnet, weil diese Teile nicht kommutieren, wie wir an der Abweichung von (14) *Eröffnet wittert ein Scheingefech t. sehen. Dieses Verfahren wurde auch von der traditionellen Grammatik schon angewandt, aber vermischt mit ganz andern Klassifizierungen und inkonsequent. Wenden wir das Verfahren der Kommutation und Aufstellung syntaktischer Kategorien dagegen sauber und konsequent an, so kommen wir zu einem zusammenhängenden System, das vom Satz abwärts alle Teile bis hinab zu den Pieremen beschreibt und gleichzeitig das Verhältnis der Teile angibt. Damit erhalten wir auch eine präzise Definition dessen, was man traditionell Wortarten genannt hat. In diesem System sagen wir dafür Endkategorien, das sind solche syntaktische Kategorien, deren Elemente Plereme sind. Wir haben angenommen, (13) bestehe aus drei Teilen t 1 ( t 2 , t 3 , die jeweils Elemente verschiedener syntaktischer Kategorien sind. Ein Satz verhält sich also in dieser Hinsicht anders als eine arabische Zahl, in der alle syntaktischen Kategorien gleich sind. So kommutiert in der dreistelligen Zahl „135" jede Ziffer mit jeder beliebigen der zehn Ziffern. Wir sehen aber bei den Zahlen auch, daß die Stelle, an der eine Ziffer steht, relevant ist fiir die Bedeutung der Zahl. Denn „135" und „153" sind verschiedene Zahlen, obwohl sie gleiche Ziffern enthalten. Ähnlich verhält es sich mit Sätzen. So kann das Syntagma der Kanzler an verschiedenen Stellen in einem Satz vorkom-
1.3 Satzanalyse durch fortgesetzte Teilung
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men und jeweils einen verschiedenen Beitrag zur Satzbedeutung leisten: (15) Der Kanzler bleib t der Kanzler. Wir nennen die Stelle, an der ein Syntagma in einem Satz steht, eine syntaktische Position. Die syntaktische Position ist also Voraussetzung für die Definition der syntaktischen Kategorie, da alle und nur die Teile, die an einer syntaktischen Position stehen können, zur gleichen syntaktischen Kategorie gehören. Die Definition der Position enthält notwendig, daß zwei Teile nicht gleichzeitig an der gleichen syntaktischen Position stehen können. Wir sagen dann, daß Elemente der gleichen syntaktischen Kategorie sich an einer Position exkludieren. Darum ist (16) abweichend, nicht aber (17), wo die Syntagmen eröffnet und wittert zwar auch zur gleichen syntaktischen Kategorie gehören, aber nicht an der gleichen Position stehen: (16) *Der Kanzler eröffnet wittert ein Scheingefecht. (17) Der Kanzler wittert ein Scheingefecht, das er eröffnet. Die Exklusion haben wir implizit auch bei der Einführung der Kommutation vorausgesetzt. Wir können sie jetzt explizit in die Definition aufnehmen, indem wir annehmen, daß zwei Teile t! und t 2 genau dann kommutieren, wenn in jedem nicht-abweichenden Satz, der tj enthält, t 2 gegen t! ausgetauscht werden kann, so daß wieder ein nicht-abweichender Satz entsteht, und umgekehrt, und wenn ti und t 2 sich exkludieren. Dabei werden allerdings bestimmte Abweichungen zugelassen, die durch die semantische Teiltheorie beschrieben werden. Das hat zur Folge: Wenn t t und t 2 gegeneinander austauschbar sind und außerdem beide im gleichen nicht-abweichenden Satz vorkommen, dann nehmen wir zwei Positionen an. Dies gilt z.B. für t j = schnell und t 2 = heute in (18) Der Kanzler betet heute. (19) Der Kanzler betet schnell Denn (20) ist ein nicht-abweichender Satz: (20) Der Kanzler betet heute schnell 2 Heringer, Deutsche Syntax, 2. Aufl.
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1. Allgemeine Einführung
Wir werden später sehen, daß wie in (15) auch die entsprechenden syntaktischen Kategorien verschieden sind. Das muß aber nicht der Fall sein. Es können nämlich nicht nur gleichlautende Syntagmen an verschiedenen Positionen eines Satzes stehen, sondern auch die syntaktischen Kategorien, die durch verschiedene Positionen definiert werden, wie in (17) identisch sein. Trotzdem können wir die syntaktische Position mittels der syntaktischen Kategorie kennzeichnen. Denn auch, wenn die gleiche syntaktische Kategorie an mehreren Positionen vorkommt, werden sie eindeutig gekennzeichnet, weil in unsrer Beschreibung selbst solche Positionen enthalten sind. So wären in der Beschreibung von (15), falls ti, t 2 Elemente von X I wären und t 2 Elemente von X2, durch X I X2 X I die Positionen genau beschrieben. Denn das zweite Vorkommen von X I ist eindeutig dadurch gekennzeichnet, daß es an der dritten Stelle steht. Weil gleichlautende Teile je nach der syntaktischen Kategorie, zu der sie gehören, verschiedene Beiträge zur Bedeutung von Sätzen leisten können, müssen wir im Spezialfall der Endkategorien die Angabe der syntaktischen Kategorie auch in die Definition des Pierems aufnehmen, so daß in kocht und des Koches zwei Plereme koch1 und koch2 vorkommen. Falls Sein Satz ist mit den Teilen t ( t 2 t 3 und t j Element der syn^ taktischen Kategorie X I , t 2 Element der syntaktischen Kategorie X2 und t 3 Element der syntaktischen Kategorie X3 ist, sagen wir X I + X2 + X3 sei eine syntaktische Struktur. Da die Teile t j , t 2 , t 3 selbst wieder teilbar sind, ist X I + X2 + X3 allerdings nicht die vollständige syntaktische Struktur von S. Sie muß noch weiter analysiert werden. Der oben eingeführte Positionsbegriff ist noch ungenau, weil wir nicht genau angegeben haben, nach welchen Grundsätzen wir. teilen. Dazu müssen zwei Fragen beantwortet werden: Erstens: An welcher Stelle darf geteilt werden? Zweitens: In welcher Reihenfolge muß geteilt werden? Da wir vorausgesetzt haben, daßunsre
1.3 Satzanalyse durch fortgesetzte Teilung
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Sätze bereits in Plereme segmentiert sind, könnte man daran denken, einen Satz wie (13) so zu beschreiben, daß man angibt, das Plerem a folgt auf das Plerem b usw. Man kann aber leicht zeigen, daß man damit nur einen kleinen und ungenügenden Teil der Beziehungen der Plereme beschreibt. Der Sinn unseres Verfahrens sollte doch sein, Teile festzustellen, die in verschiedenen Sätzen stehen können. Dies gilt aber nicht nur für Plereme, sondern auch für größere Teile von (13), wie wir schon gesehen haben. Die Frage ist nur, wie wir diese Teile identifizieren. Offenbar haben wir dies mittels der Plereme getan. Man müßte es außerdem noch tun aufgrund der möglichen Teilungen dieser Teile, die wir ja in unserem iterierten Verfahren feststellen. Um die eindeutige Zuordnung unserer Beschreibung zur Satzbedeutung sicherzustellen, haben wir die Regelmäßigkeit der Bedeutungsänderung in der Kommutation zum Kriterium der Zugehörigkeit zu einer syntaktischen Kategorie gemacht. Damit ist sie auch Kriterium für die Teilung. Wenn wir also möglichst viele Bedeutungszusammenhänge erfassen wollen, müssen wir unsre Teilung des Satzes so beginnen, daß wir größtmögliche Teile bekommen und dann ihre Kategorienzugehörigkeit ermitteln. Dadurch ist auch die Stelle bestimmbar, an der wir teilen müssen. Würden wir etwa (13) folgendermaßen teilen: (13a) Der ! Kanzler wittert ein Scheingefecht., dann bekämen wir keine Kategorie, zu der das mit der Kanzler kommutierende wer kommt gehört, da es weder mit der noch mit dem Satzrest kommutiert. Wir würden damit also nicht alle Kommutationszusammenhänge erfassen können. Aus unsem beiden Fragen ergibt sich die weitere Frage, warum wir (13) bei der ersten Teilung in drei Teile geteilt haben. Man könnte ja auch nur einen Schnitt zwischen Kanzler und wittert legen, wie man das traditionell getan hat. Dann müßten wir den zweiten Teil bei der nächsten Teilung genauso teilen, wie wir es oben getan haben. Wir nehmen aber an, daß es keinen Grund gibt, das, was wir in einem Teilungsschritt tun können, in zwei Schritte zu zerlegen. Das würde auf jeden Fall der Einfachheit unsrer 2*
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1. Allgemeine Einführung
Theorie abträglich sein. Dagegen können wir bei der von uns vorgeschlagenen Teilung die Teile nicht alle wieder in gleicher Weise teilen. Wir müssen dazu die Kategorie erst zerlegen, in eine Art Unterkategorien. Auf diese Weise könnten wir dann zu einer Kategorie gehörende Teile wie der Kanzler und wer kommt zuerst als zu verschiedenen Unterkategorien gehörig kennzeichnen. Die Elemente dieser Unterkategorien müssen dann wieder in gleicher Weise teilbar sein. Als Grundsätze für die Teilung formulieren wir deshalb: [1]
Es darf nur so geteilt werden, daß möglichst alle Kommutationszusammenhänge erfaßt werden können.
[2]
Es darf nur so geteilt werden, daß nicht alle Elemente einer Kategorie in gleicher Weise teilbar sind.
Der zweite Grundsatz hat weitreichende Folgen für unser System, weil wir nach ihm jede Kategorie vor der nächsten Teilung ihrer Elemente in Untermengen zerlegen. Diese Untermengen enthalten Elemente, die alle in gleicher Weise teilbar sind. Das System muß demnach so aufgebaut sein, daß wir abwechselnd jeweils die Kategorien in Untermengen oder Unterkategorien teilen und die Elemente der Kategorien in Teile. An dieser Konsequenz sehen wir noch einmal deutlich, warum die traditionelle Zweiteilung von (13) nicht zugelassen werden darf. Weil die Arten der Teilung verschieden sind, verwenden wir in unserm System auch zwei verschiedene Regelarten, die abwechselnd aufeinander folgen. Wenn ein beliebiges Element einer syntaktischen Kategorie XI nur aus Teilen bestehen kann, die zu den Kategorien X2, X3 und X4 gehören, so sagen wir, XI konstituiere sich aus ihnen, und schreiben: (21) XI[X2 + X3 + X4] Die Teile aus X2, X3 und X4 können also so wie der Kanzler, wittert und ein Scheingefecht zusammen in einem Satz stehen. Sie kommutieren nicht. Wir sagen, sie stehen in syntagmatischer Relation. Für die syntagmatische Relation steht das Zeichen „+". Durch „ + " verbundene Kategorien heißen Konjunkte. Wenn wir
1.4 Form des Konstitutionssystems
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eine Kategorie nach dem oben Gesagten genau in die Unterkategorien X2, X3 und X4 zerlegen müssen, dann sagen wir auch, sie konstituiere sich aus ihnen, schreiben aber: (22) X1[X2/X3/X4] Die Teile aus X2, X3, X4 können ebensowenig wie die aus XI zusammen in einem Satz stehen. Sie sind kommutierende Teile wie der Kanzler, wer kommt. Kommutierende Teile stehen in paradigmatischer Relation, fiir die das Zeichen „/" steht. Durch „/" verbundene Kategorien heißen Adjunkte.
1.4 Form des Konstitutionssystems Nach diesen Erörterungen können wir den formalen Aufbau des geplanten Konstitutionssystems KS genauer darstellen. Es beginnt mit einem Anfangselement SF. Dies ist das Zeichen für eine Kategorie, deren Elemente die möglichen Satzstrukturen der untersuchten Sprache, in unserm Fall des Deutschen, sind. Sind die Elemente alle in gleicher Weise teilbar, dann muß die Kategorie in einer Konjunktionsregel, d.i. eine Regel mit Konjunkten, beschrieben werden: (23) SF[X1 + X2 + X3], Nun sind aber die Positionen XI, X2 und X3 nur zu Recht angesetzt, wenn ihre Elemente nicht in gleicher Weise teilbar sind (Grundsatz [2]). Wenn wir also bei der Teilung von X2 zu einer Regel (24) X2[X4 + X5] kämen, so hätten wir gegen diesen Grundsatz verstoßen. Wir müßten dann die erste Regel ändern in (24a) SF[X1 + X4 + X5 + X3] X2 würde ganz verschwinden, weil es keine Kategorie war. Vor der nächsten konjunkten Teilung müssen also die Kategorien in
22
1. Allgemeine Einführung
Untermengen geteilt werden. Dies geschieht in einer Adjunktionsregel, d.i. eine Regel mit Adjunkten. Es müßten also auf die erste Regel etwa folgende Regeln folgen: (23a) X1[X4/X5] (23b) X 2 [ X 6 / X 7 / X 8 ] (23c) X 3 [ X 9 / X 1 0 ] Die so eingeführten Adjunkte werden wieder in Konjunktionsregeln ausgeführt, z.B. ( 2 3 d ) X 4 [ X l l + X 1 2 + X13], Es m u ß also ein regelmäßiger Wechsel dieser Art zwischen beiden Regelarten bestehen. Außerdem m u ß jede Kategorie, die in einer Regel in der Klammer eingeführt ist, in einer andern Regel vor der Klammer auftauchen. Eine Ausnahme hiervon bilden nur die Endkategorien, das sind die Kategorien, deren Elemente nicht weiter geteilt werden. Auch die Endkategorien werden im System erklärt. Dafür sind Lexikonregeln vorgesehen, die (der Kürze halber nur) einige Plereme der jeweiligen Endkategorie aufzählen. In unserm System werden wir die Kategorien z.T. durch Abkürzungen traditioneller Termini benennen, damit man sie besser behalten kann. Dies bringt keine Ungenauigkeit mit sich, weil ja alle Kategorien im System definiert werden. Will ich z.B. wissen, was in unsrer Skizze die Position XI sein soll, so suche ich die Regel auf, in der sie vor der Klammer vorkommt. Ich sehe dann, daß ein Element aus XI entweder aus X4 oder X5 sein kann. Die weitere Erklärung liefern mir dann die Regeln für X4 und X5 usw. Ein solches Verfahren nennt man eine rekursive Definition von X I . Sie wird beendet durch die Endkategorien, die durch die entsprechenden Pieremmengen definiert sind. Durch den regelmäßigen Wechsel der Regelarten ergibt sich die S t u f u n g des Konstitutionssystems. Weil nämlich eine Adjunktionsregel die Elemente der zerlegten Kategorie nicht teilt, führt sie in der Analyse der Teile nicht tiefer. Wir nehmen deshalb immer nur bei einer Konjunktionsregel an, daß wir eine um eins tiefere Stufe erreichen. So sind die unmittelbaren Teile des Satzes Teile erster
1.4 Form des Konstitutionssystems
23
Stufe, deren unmittelbare Teile sind Teile zweiter Stufe usf. Die Stufung kann zur Unterscheidung der syntaktischen Funktion von Teilen wichtig werden. Es kommt in der Syntax natürlicher Sprachen häufig vor, daß Unterkategorien einer Kategorie in analoger Weise auszuführen sind. Betrachten wir z.B. die Verbindung aus Nomen und Nominalmorphemen im Deutschen. Hier gibt es mindestens fünf verschiedene Arten, weil nicht jedes Nominalmorphem mit jedem beliebigen Nomen verbunden werden kann. Man hat dies traditionell durch die Deklinationsklassen des Nomens beschrieben. Wir erhielten für diesen Fall etwa folgende Regeln: (25) NG1[N1 + NM1] NG2[N2 + NM2]
NG5[N5 + N M 5 ] Für diese Regelfolge verwenden wir eine abkürzende Schreibweise mit einem Index, der aus zwei Teilen besteht: einem Namen, der sich auf das Kriterium der Adjunktion bezieht (in unserm Beispiel „klas") und griechische Buchstaben für eine Variable für die Anzahl der Unterkategorien. Die Regelfolge (25) würde dann abgekürzt durch (25a)
NG klasa[N klasa: + NM klasa]
Indexe mit gleichen Variablen müssen in einer Regel den gleichen Wert annehmen ohne Rücksicht auf ihren Namen. Indexe mit verschiedenen Variablen können in einer Regel den gleichen Wert annehmen, müssen es aber nicht. Allgemein wäre ( 2 6 ) X kasa[Y klasa + Z kas/3], falls a = 1,2 und ß = 1,2 eine Abkürzung für (27) X1[Y1 X I [Y1 X2[Y2 X2[Y2
+ ZI] +Z2] + ZI] + Z2]
24
1. Allgemeine Einführung
Es kommt auch vor, daß wir bei einer Kategorie mehrere Indexe brauchen. Dann liegt eine sog. Kreuzklassifikation vor, in der jeder Wert der einen Variablen mit jedem der andern Variablen kombinierbar ist. In unserm Beispiel der deutschen Nominalgruppen müßten wir z.B. noch subklassifizieren nach dem Kasus der Nominalgruppe. Wir erhielten dann vier Sorten, die wir mit dem Index ,,kas" benennen. Unsre Regel (25a) könnten wir dann schreiben: (28) NG klasa kas/3[N klasa + NM klasa kas/3] Falls a = 1 bis 5 und ß = 1 bis 4, wäre das eine Abkürzung für 20 Regeln. Allgemein ist (29) X kasa indj3[Y kasa ind/3 + Z], falls a = 1,2 und ß = 1,2, eine Abkürzung für (30) XI 1[Y11 + Z] X12[Y12 + Z] X2l[Y21 + Z ] X22[Y22 + Z] Die Werte für die Variable eines Indexes werden durch die weitere Ausführung im Konstitutionssystem angegeben, u.U. in den Lexikonregeln. Die Reihenfolge der Ziffern in Regeln wie in (30) ist identisch mit der Reihenfolge der Einführung der Indexe. Eine wichtige und spezielle Art von Konjunktionsregeln sind Regeln der Form (31) X[X + Y], wo eine Kategorie direkt in diese Kategorie ausgeführt wird, d.h. alle Syntagmen der Kategorie X enthalten als direkten Teil wieder ein Syntagma aus X. Wir sagen dann, es liegt eine direkte Schleife vor. In einer Regelfolge der Form (32) X[Y + Z] Y[Y1/Y2]
Yn[X + A]
1.5 Formale Eigenschaften der Beschreibungsspiache
25
liegt eine indirekte Schleife vor. Man wird in solchen Schleifenregeln wieder auf eine bereits durchlaufene Regel zurückverwiesen. l.S Formale Eigenschaften der Beschreibungssprache Unsre Beschreibungssprache enthält folgende Zeichen: Zeichen für syntaktische Kategorien, Indexe, Eckklammern, Schweifklammern, „ + " und „/". Die Zeichen für syntaktische Kategorien werden mit großen lateinischen Buchstaben geschrieben. Alle syntaktischen Kategorien sind im K-System rekursiv definiert. Unter den Kategorialzeichen ist „ S F " ein ausgezeichnetes Zeichen, das Anfangszeichen, das im System nicht eingeführt wird. Die Indexe sind Teile der Bezeichnung der syntaktischen Kategorie, bei der sie stehen, und zerlegen diese in Unterkategorien. Jeder Index besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil aus kleinen lateinischen Buchstaben ist sein Name, der zweite, ein griechischer Buchstabe, ist eine Variable für Unterkategorien, deren Werte aus den nachfolgenden Regeln zu ersehen sind. Die Eckklammern geben an, daß die eingeklammerten Kategorien direkte Teile der Elemente der Kategorie vor der Klammer enthalten oder Unterkategorien dieser Kategorie sind. Die eingeklammerten Kategorien sind jeweils alle Kategorien oder Unterkategorien dieser Stufe. Wir sagen auch die Kategorie vor der Klammer konstituiere sich aus den Kategorien in der Klammer. Bei Konjunktionsregeln stehen diese eine Stufe tiefer. Das Zeichen „ + " steht zwischen Kategorienzeichen, deren Elemente zusammen in einem Syntagma stehen können. Es ist kommutativ, d.h. die Reihenfolge der Zeichen in der Klammer ist nicht relevant. Darum besagen die Regeln X1 [X2 + X3 ] und X1 [X3 + X2J das gleiche. Darum können auch die Elemente der Endzeichen des KS noch keine Satzkette bilden, denn in einer Satzkette ist die Reihenfolge der Plereme festgelegt. In einer gesamten Syntaxtheorie wird diese Reihenfolge durch eine eigene Komponente hergestellt, die sog. Verkettungsregeln, die die Plereme in eine Kette bringen. Dadurch können die Endzeichen eines mit dem KS beschriebenen Satzes noch in verschiedene Reihenfolge ge-
26
1. Allgemeine Einführung
bracht werden. Das ändert die Satzkette, braucht aber nicht die Satzstruktur zu ändern. Wir halten allerdings in der Regel eine Reihenfolge ein, die der Reihenfolge einer Kette der fraglichen Struktur möglichst nahe kommt. Das Zeichen „ / " steht zwischen Kategorienzeichen, wenn die Elemente der Kategorien nicht gleichzeitig in einem Syntagma stehen können. Es besagt, daß ein Element einer Kategorie entweder zu dieser oder jener Unterkategorie gehört. Das Zeichen „/" ist auch kommutativ. Aus der Bedeutung von „ / " folgt, daß bei der Beschreibung eines Satzes immer nur eine der Kategorien aus der Klammer einer Adjunktionsregel gewählt werden darf. Die Lexikonregeln bestehen aus einem Zeichen für eine Endkategorie und dahinter in Schweifklammern aufgezählt einige Plereme dieser Kategorie. Da die meisten Lexikonregeln nur eine beispielhafte Auswahl aus der entsprechenden Kategorie geben, deuten wir das durch die drei Punkte in der Schweifklammer an. Als Zeichen für die Plereme wird die gewöhnliche Schreibung (allerdings in Kursive) gewählt. Eigentlich müßte aber eine phonomatische Beschreibung und eine semantische Beschreibung gegeben werden. Ausdrücke der Beschreibungssprache sind, wobei Xi für Adjunkte und Yi für Konjunkte benutzt ist: (33) X[Y1 + Y2 + . . . + Yn] (34)
Y[X1/X2/.../Xn]
(35) X inda[Yl ind/3 + Y2 inda + . . . + Yn ind?] (36) Y inda[Xl ind/3 / X2 ind7 / . . . / Xn inda] Vor der Klammer steht immer genau ein Kategorialzeichen, in der Klammer immer mehrere. Gemischte Regeln mit „ / " und „ + " sind nicht zugelassen, wohl aber solche, die Kategorien mit und ohne Indexe enthalten. Lexikonregeln haben folgende Form, wobei xj als Variable für Plereme verwendet ist: (37) Xi j x 1 ; x 2 , x 3 , . . . j (38) Yi | x 1 , x 2 , x 3 , . . . )
1.6 Beschreibung von Sätzen mit dem Konstitutionssystem
27
1.6 Beschreibung von Sätzen mit dem Konstitutionssystem-. Aufbau einer linguistischen Gesamttheorie Zur Aufstellung des Konstitutionssystems müssen die Relationen zwischen Teilen von Sätzen festgestellt werden. Wir verwenden dazu drei Proben, die uns die Bestimmung der syntaktischen Kategorien und die Zuordnung der Teile zu syntaktischen Kategorien ermöglichen. Diese Proben muß man auch verwenden, wenn man entscheiden will, ob eine vorliegende Kette ein Satz des Deutschen ist. Da sie nur ein Satz des Deutschen ist, wenn sie die Struktur eines Satzes hat, können wir diese Entscheidung treffen, indem wir versuchen, der Kette eine Strukturbeschreibung beizugeben. Nur wenn dies möglich ist, liegt ein deutscher Satz vor. Bei dieser Überprüfung ist festzustellen, ob bestimmte Teile der Kette Elemente einer Kategorie unsres Systems sind. Dies wird durch Tests ermittelt. Wir benützen dazu verschiedene Proben und prüfen, ob nach bestimmten Operationen abweichende Sätze entstehen oder nicht. Nehmen wir dazu das Beispiel (39) Er \ versteht ihn Wir nehmen an, daß der Satz in der angegebenen Weise von uns geteilt sei. Nun ermitteln wir, zu welchen Teilen diese Teile in paradigmatischer Relation stehen. Dazu wird die Kommutationsprobe benutzt, die uns die Feststellung erlaubt, daß er mit wer will, die ganze Gesellschaft usw. kommutiert und zu einer Kategorie gehört, deren Namen wir ermitteln aus dem Konstitutionssystem, da nur die Elemente einer bestimmten Kategorie teilbar sind, wie die durch die Kommutationsprobe ermittelten Teile. Unsere angenommene Teilung war dann berechtigt, wenn wir nicht größere Teile als Elemente einer Kategorie ermitteln können. Die Kommutationsprobe sagt aus, daß entweder dieses oder jenes Element an einer Position stehen kann. Sie kann ergänzt werden durch die Exklusionsprobe, in der versucht wird, die Elemente, die man als kornmutierend ansieht, in syntagmatische Relation zu stellen. Dadurch entsteht immer ein abweichender Satz, wenn nicht eines der Elemente zu verschiedenen Positionen gehört: (39a) *Er wer will, versteht ihn.
28
1. Allgemeine Einführung
Die Exklusionsprobe beruht darauf, daß kommutierende Elemente nicht gleichzeitig in einem Satz stehen können. In allen Fällen, wo die Exklusionsprobe zu einem nicht abweichenden Satz führt, gehören die Elemente zu verschiedenen Positionen. Schließlich ist noch die Nektionsprobe anzuführen. Sie beruht auf der Annahme, daß kommutierende Elemente auch in syntagmatische Relation gebracht werden können, wenn man sie durch und oder oder verbindet:
(39b) Er oder die ganze Gesellschaft versteht ihn. Das Konstitutionssystem kann in zweierlei Weise benutzt werden zur Beschreibung deutscher Sätze: einmal in der bereits erwähnten Art, daß man versucht, einer vorliegenden Kette eine Strukturbeschreibung beizugeben, die sie als Satz ausweist. Ein solches Entscheidungsverfahren werden wir später explizit erklären. Die andre Art der Beschreibung ist die sog. Generierung von Sätzen. Bei ihr beginnt man mit dem Anfangszeichen und führt dieses gemäß den Regeln aus, so daß man nach Anwendung je einer Regel zu einer neuen Zeile übergeht. Man gelangt dabei von einer Zeile zur nächsten, indem man zum x-ten Kategorienzeichen der Zeile Z n die Regel sucht, in der es vor den Eckklammern vorkommt, diese Eckklammern mit den eingeklammerten Kategorienzeichen bzw. bei Adjunktionsregeln mit einem der eingeklammerten Kategorienzeichen in die Zeile Z n überträgt und das Ergebnis als Zeile Z n + X hinschreibt. Kommt ein Kategorienzeichen nicht in einer Regel vor den Eckklammern vor, dann handelt es sich um eine Endkategorie, die man durch Auswahl eines Elements aus der entsprechenden Lexikonregel belegt. Für unser rudimentäres Muster eines Konstitutionssystems (23) — (23d) könnte eine generative Herleitung wie folgt aussehen: (40) (Zl)SF (Z2)SF[X1 +X2 + X3]
nach (23)
(Z3) SF[X1[X4] + X2 + X3 ]
nach (23 a)
1.6 Beschreibung von Sätzen mit dem Konstitutionssystem
29
(Z4) SF[X1[X4] + X2[X7] + X3] nach (23b) (Z5) SF[X1[X4] + X2[X7] + X3[X9]] nach (23 c) (Z6) SF[X1[X4[X11 + X12 + X13]] + X2[X7] + X3[X9]] nach (23d) Aus der Zeile (Z6) erhalten wir durch Belegung der Endkategorien mit Pieremen einen Satz mit seiner Strukturbeschreibung, z.B. falls dies aus XI1, er aus X12, Mann aus X13, schlaf aus X7 und t aus X9 wären: (41) SF[X1[X4[X11 dies + X12 er + X13 Mann]] + X2[X7 schläf] + X3[X9 f ]], also eine Strukturbeschreibung von (42) Dieser Mann schläft. (40) zusammen mit (41) heißt eine Herleitung von (42) nach (23) - (23d). Die Syntax (23) - (23d) und die Herleitung (40) erscheinen als erheblicher Aufwand für die Generierung des Satzes (42). Wenn man aber bedenkt, daß mit der Herleitung (40) auch alle andern Sätze der gleichen Struktur beschrieben werden und daß das unter der Annahme, daß alle Endkategorien nur 10 Elemente enthalten, schon 5 1 0 also über 9 Millionen Sätze sind, erkennt man die große Beschreibungskraft eines solchen Systems. Wir könnten außerdem mit unsrer Syntax (23) — (23d) noch andre Strukturen herleiten, wenn wir bei der Anwendung von (23a), (23b), (23c) andre Adjunkte auswählen. Ebenso sind bei der Anwendung der Regel (23d) auch Konjunkte weglaßbar, so daß man etwa statt (Z6) erhalten könnte: (43) SF[X1[X4[X11 + X12]] + X2[X7] + X3[X9]] Diese Struktur wäre eine Beschreibung für: (44) Dieser schläft. Wenn ein Syntagma kein Element eines bestimmten Konjunkts enthält, dann sagen wir, es liegt eine Nullstelle vor. So kann z.B. in dem Nominale der große Aufruhr das Adjektiv wegbleiben. Es liegt dann eine Nullstelle dieses Konjunkts vor. Nullstellen sind zu unterscheiden von Ellipsen, bei denen an sich notwendige Elemente in der Parole wegbleiben. Diese Elemente werden dann aus
30
1. Allgemeine Einführung
dem Kontext oder der Situation mitverstanden. Eine Ellipse liegt vor, wenn auf den Satz er geht ins Kino jemand sagt ich auch, da man weiß, daß gemeint ist ich gehe auch ins Kino. Dagegen ist bei Nullstellen nur durch die Langue die Möglichkeit geboten, irgendein Element an der betreffenden Position einzufügen. Es wird aber in der Parole nicht irgendein Adjektiv mitverstanden, wenn man von der Aufruhr redet. Eine Herleitung kann man auch in einem sog. Graphen aufschreiben, d.i. eine Figur aus Punkten und Linien, die die Punkte verbinden. Die Punkte heißen Knoten und sind durch Kategorienzeichen gekennzeichnet, die Linien heißen Kanten. Sie ersetzen die Klammern. Der Vorteil des Graphen ist, daß er die Struktur des Satzes anschaulich zeigt. Der Graph für (42) hätte folgende Gestalt:
Einen solchen mit Pieremen belegten Graphen nennen wir einen Konstitutionsgraphen (KG). Im Gegensatz zur Herleitung (40) werden im Konstitutionsgraphen alle Kategorien einer Stufe auf einmal hergeleitet. Das ist genügend, weil für unsre Zwecke sowieso egal ist, mit welchem Kategorienzeichen einer Stufe man beginnt. Die Konstitutionsgraphen sind gerichtet, d.h. man darf sie nur von oben nach unten durchlaufen. In einem gerichteten Graphen sagt man, daß ein Knoten jeden Knoten dominiert, der von ihm aus erreichbar ist, wenn man nur über Kanten nach unten geht.
1.6 Beschreibung von Sätzen mit dem Konstitutionssystem
31
Wenn wir in unserm Konstitutionssystem die Regel (23 a) ersetzen würden durch (23e) X1[X4/X5/SFJ und in (Z3) von (40) das Adjunkt SF wählen, werden wir rekursiv auf (23) zurückverwiesen. Im Konstitutionsgraphen wirkt sich eine solche Regel so aus, daß ein Knoten (hier SF) einen gleichnamigen Knoten dominiert. Falls wer aus X5 wäre, würde uns unser System jetzt folgenden Graphen liefern: (46)
/
XI ^ S F ^
$
l \
X2
X3
X7
X9
XI
X2
X3 schlaf
X5
X7
X9
wer schlaf
!
t
Das Konstitutionssystem, das wir in diesem Abriß entwerfen wollen, sollte möglichst alle Sätze des Deutschen beschreiben. Es wird aber in dieser Form noch viele Sätze beschreiben, die abweichend sind. Ursachen dafür sind, daß wegen der Kommutativität des „ + " alle möglichen Reihenfolgen von Syntagmen zugelassen sind, und daß in Konjunktionsregeln alle Positionen fakultativ sind. Dafür müssen noch Restriktionen in Verkettungsregeln und Dependenzregeln formuliert werden. Außerdem kann das Konstitutionssystem nicht alle Aufgaben erfüllen, die wir an eine Syntax gestellt haben. Es müßte ergänzt werden durch eine Phonematik und eine Inhaltssyntax, die wir später skizzieren wollen. Die Satzstruktur (SS), die man nach Durchlaufen des KS und des Dependenzsystems (DS) erhält, müßte dann noch andre Teiltheorien durchlaufen.
32
1. Allgemeine Einführung
Zuerst müssen die Plereme beschrieben werden in der Plerematik (PL). Wenn deren Ausdruck und Inhalt beschrieben sind, kann erst in der Phonematik (PH) der Ausdruck des Satzes (SA) und in der Inhaltssyntax (IS) der Inhalt des Satzes (SB) beschrieben werden. Die linguistische Beschreibung erhielte dann folgende Form:
KS
t 1
-SA
DS] —»-SS —*"[PL] -SB
Wir sehen hieran deutlich, daß die Satzstruktur als Grundlage der semantischen Beschreibung des Satzes dient. Wird einer Kette aufgrund von KS und DS eine Satzstruktur zugesprochen, dann ist dieser Satz auch semantisch interpretierbar. Aufgaben: 1] Segmentieren Sie die folgenden Sätze in Plereme: Dabei sind furchtbare Drängeleien vorgekommen. TYotzdem haben die Hinterwäldler die Himbeeren bekommen. Das Einführen pflückfrischer Kirschen ist unerwartet einträglich. 2] Welche der folgenden Pleremketten sind Sätze: (1) hatten ihn. (2) verändern sie. (3) aufgestanden. (4) zwei Bier. (5) den roten. (6) daß er wußte. 3] Nehmen wir an, Satz (8) sei folgendermaßen richtig geteilt: Er I sitzt I hier. Ordnen Sie die folgenden Teile zu Positionen, denen auch die Teile von (13) angehören: kann . . . bleiben, wo sie will, seit gestern, auf seinen vier Buchstaben, wer sich schämt, die Prominenz in der Kirche, gelingt, etwas Eigenes zu finden, mir.
1.6 Beschreibung von Sätzen mit dem Konstitutionssystem
33
4] Schreiben Sie eine Herleitung gemäß (40) für er schummelt nach: X0[X1/X2] XI [X3 + X4] X3[X5/X6] X5[X7 + X8 + X9] X2[X3 + X10 + XI1 +X9] X4 | schummelt, schläft, bellt | X6 | wer, er, sie | X7 | dieser, der, jener } X8 (kluge, feige, linke ) X9 | Demonstrant, Kuchen, Trupp ) XI0 {erledigt, liebt} XII | seinen, den ) Leiten Sie andre Sätze her. 5] Welche Satzstrukturen (Graphen) würde das folgende Konstitutionssystem zulassen? 1[2/3/4] 2[2 + 5 + 6 ] 3[7 + 8] 4[9 + 3] 6] Um festzustellen, ob eine Endkette mit einem KS beschrieben werden kann, untersucht man, ob sie mit den Endzeichen der zugelassenen Graphen übereinstimmt. Welche der folgenden Ketten sind durch das KS von Aufg. 5 zugelassen? 378, 78, 978, 256, 225650, 25656. 7] Schreiben Sie unter Verwendung zweier Indexe Konstitutionsregeln, die folgende Ausdrücke (XI) erzeugen: diesem Tisch, dieser Frau, diesen Tischen, diesen Frauen, jenem Fisch, jenen Fischen, jener Tür, jenen Türen.
3 Heringer. D e u h c h e Syntax, 2. Aufl.
2. Konstitutionssystem In diesem Kapitel soll ein Konstitutionssystem des Deutschen vorgestellt und sein Aufbau begründet werden. Dazu werden die eingeführten Regelarten verwendet. Weil es sich um eine empirische Beschreibung handelt, müssen aus allen möglichen Regeln gerade die ausgewählt werden, die für das Deutsche zutreffen. Die Positionen werden nun nicht mehr mit Variablen wie X I , X2 usw. bezeichnet, sondern mit Abkürzungen, die speziell für das Deutsche gültig sind. Das Konstitutionssystem ist unvollständig und unvollendet. Es darf nicht im Sinn einer Normierung verstanden werden, so daß im Deutschen nur Sätze zugelassen wären, die mit diesem System beschreibbar sind. Es soll auch nicht — wie oft üblich — der Sprachgebrauch bestimmter sozialer Schichten als vorbildlich dargestellt und anderen weniger privilegierten eingeübt werden. Vielmehr ist durch die eingehende Erörterung der Grundsätze, nach denen das System gemacht ist, gerade jedem Leser und Benützer die Möglichkeit gegeben, dieses System in seiner Unvollständigkeit zu verstehen und zu komplettieren. So kann diesem System auch der Sprachgebrauch anderer Schichten inkorporiert oder angehängt werden. Mir scheint es ein vertretbares Verfahren, denen, die Syntax lehren oder gelehrt werden, die Einsicht in die Möglichkeiten und die Abfassung einer solchen Theorie zu geben. Besonders zu einem Zeitpunkt, wo unsere Kenntnisse über die normierende und bestehende Sozialstrukturen verschärfende oder konservierende Wirkung traditionellen Grammatikunterrichts noch nicht empirisch fundiert sind. Die Reflexion über die Möglichkeiten und Berechtigung von Regeln sollte die Abrichtung, nach -Regeln zu handeln, ersetzen.
2.1 Konstitutionsregeln Kl K2 K3 K4
SF[SF musta/SW] SF mustafPT werta + VM per s/3 + fE s t e h + fA stel5 ] PT werta[V werta/PA werta/VER werta] PA werta[VA änd/3 + ITA + AT4 + ADP wert?] falls ß=0,a
=y
K-Regeln
K5
35
VER werta[VK art/3 änd? + PT wert« + ST art/3] falls 7 = 0, a = 6 K6 E stelafNP kasa/ES stela art/3/IK] K7 NP kasafNOM art/3 + KT art/3 kasa] (3=1,2,3 K8 KT artl,2 kas5[PRÄ reka + KT artl ,2 kasa] a = 2,3,4 K9 KT artl kas6[IT + KT artl kasa] K10 KT artl kasa[ARM kasa + AM kasa + NM kasa] a = 1-4 K l l NOM art 1 [ADV2 + AT4 + AR flexa + ARM flexa gen/3 num7 + ADN wertS + AM flexa gen/3 num-y + fNP stele + AT4 + N klasf gen/3 + NM klasf gen/3 num7 + ATI + ATI + AT2 + AT3 + AT3 + NP kas6] K12 N klasa[SUB klasa/ADN/ADP/PR/ADV/... ] Kl3 NOM art2[ADV2 + AT4 + PR + PRM + ATI + ATI + AT3 + AT3 + NP kas6] K14 NOM art3 kas5,6[ADV2 + AT4 + PRU kas5,6 + AT3 + AT3] K15 ES stela art 1 [ET stel 1,2,4,5 art 1 + SF must/3] K16 ES stela art2[ET stela art2 + SF must/3] Kl7 IK[PT werta + ST art2 + ST art3 + fE stel/3 + fA stel?] K18 A stela[NP kas/3 stela/AS stela/PK stel3,7/IKA stel5,7/ ADG stel7] K19 AS stela(ANT stela + SF must/3] K20 PK[V werta + PTT + fE stel/3 + fA steh] K21 IKA stela[IKT stela + IK] K22 ADG[ADV1 + AT4] K23 AT1[NP kas4/RS] K24 RS[RT + SF musta] K.25 AT2[IK/ES artl] K26 AT3[NP kas5/AS stel 1 ] K27 AT4[ADV3 + AT4 + ATT + SF musta] Nektion N1 X[X(+ NEK + X) n ] n> 0 N2 X[NEK1 + X(+ NEK2 + X) n ] n> 0
36
2. Konstitutionssystem
Wertigkeitsänderungen durch V A und V K : ändO: keine Ä n d e r u n g
ändl:
ä n d 2 : 1 -»• 5 , 2 - » 1
ä n d 3 : 1 -> 5, 3 -> 1
+E2
änd4: +E3
2.2 Lexikonregeln ADN1
[hölzern, auswärtig, baldig, hiesig, sonstig, link, viel, schön, groß, frei,...}
ADN12
ADN155
j wert, hoch,...) j teuer, Untertan,...) | überdrüssig,... | , | fähig, abhängig,...) { überlegen, ebenbürtig,.. .) I einig, einverstanden,...)
ADP1
{groß, dumm, schnell, schuld,
ADP12
1 lang, los, wert, alt, breit,... 1 ( böse, recht, teuer, gleich, erinnerlich, Untertan,... j | teilhaftig, überdrüssig, ledig, habhaft, schuldig,. ..}
ADN13 ADN14 ADN15 ADN135
ADP13 ADP14 ADP15 ADP16 ADP134 ADP135 ADP155 ADV1
ADV2
1 stob, bereit, fähig, abhängig, ansässig, links,...} | bekannt, verrufen,...) (bewußt,... I {überlegen, ebenbürtig,...) | einig, einverstanden,...) | schön, gut, gern, meist, teilweise, bestimmt, bekanntlich, genug, wieder, bloß, selten,.. .) j nur, weit, tief, nicht, genau, besonders, auch, erst, direkt,...)
AMI 1
(sehr, ganz, besonders, nicht, (e, en)
AM21
(en, e)
AM31
1
AM41 AM12
[en) (er, e, es, en)
AM22
(en, e, es)
AM32
[en)
AM42
[en)
ADV3
fit,...}
e n
1
so,...)
2.2 Lexikonregeln
AM 13 | er, e, es ) AM23 | en, e, es) AM33 j em, er, en ) AM43 i en, er } ANT1 | wo,... 1 ANT2 I weil, da,...) ANT3 | wenn, als,... ) ANT4 1 obwohl, wenngleich,...) ANT5 1 damit,... | ANT6 1 wenn, falls,... 1 ANT7 1 wie,... | {indem,... | ANT8 | der, dies, jen, jed, manch, welche,. AR1 ( ein, mein, kein, irgendein,... | AR2 AR3 | 0 , etwas ) ARM11 ( er, e, es | ARM21 | en, e, es) ARM31 ( em, en, er } ARM41 j es, er) ARM12 \Q,e) ARM22 \en,e,0} ARM32 j em, er, en ) ARM42 { es, er) ARM 3 ATT I da, wie,... 1 ET stela artl ( 0 , daß, ob,...} ET stela art2 I wer, welch, wo, was, als, wie, IT | wie, als, 0 | ITA {als, für) IKT5 | um } IKT7 j ohne, anstatt | KT21 ( er, e, es I KT22 | en, e, es 1 KT 23 | em, er, en ) KT 24 | es, er} NEK (und, oder, aber, 0, bzw.,...)
38
2. Konstitutionssystem
NEK1 | entweder, sowohl, weder,...) NEK2 | oder, als auch, noch,...) NM kasl klasl | 0, en ) NM kas2 klasl | en ) NMkas3 klasl \• 5, 2 -»• 1 wie in (9) Von mir wird das akzeptiert. VK mit ändy = 3 bewirken eine Modifikation 1 5, 3 ->• 1 wie in (10) Jeder kriegt das von mir erklärt. In Analogie zu diesen Regeln werden auch die Klasserne von PT in VER übertragen. Unter der Annahme, daß PT ein V sei, kann man dann folgende Klassemregeln formulieren: k,(V) ki(V) k2(V) k 3 kx(VER): Einer hat geschlafen. i-»- ks(VER): Er ist von ihr verbannt worden. h- kj(VER): Er ist geschlagen. kt(VER): Sie bekommt ein Auto geschenkt. k^VER): Sie wird fahren. i-> k2(VER): Jeder läßt sie fahren.
R1 R2 R3 R4 R5 R6
Bei mehrfachen Verknüpfungen können diese Regeln auch hintereinandergeschaltet werden. Verknüpfungsverben mit ändl bewirken, daß die Verknüpfung einen E2 mehr fordert als das verknüpfte Verb. Wenn dieses Verb selbst schon einen E2 hat, erhält man Sätze mit zwei oder mehr E2. Auf diese Weise können mehrdeutige Sätze entstehen, wenn die Klasserne für diese E2 sich überschneiden und einer von beiden ausgelassen ist: (11)
Wir lassen die Jäger hetzen 1 E2— 1
2.3 Erklärung des KS, EK5
65
die Jäger kann hier sowohl als E2 von hetz als auch als der durch die sechste Klassemregel verschobene El von hetz aufgefaßt werden, so daß man mit dem Satz meinen kann: wir veranlassen, daß jemand die Jäger hetzt, oder auch: wir veranlassen, daß die Jäger etwas hetzen. Diese Mehrdeutigkeit ist nur durch die Klassemregel zu beschreiben, im KS gibt es dafür keine Möglichkeit. Wenn zwei Prädikate mit verschiedener Wertigkeit gleiche Klasseme haben, deren Indexe durch Klassemregeln der sechsten Art verbunden sind und zu dem einen ein neuer El hinzukommt, dann nennen wir das höherwertige Kausativum oder Kausativierung des andern und das niedrigerwertige Rezessivum oder Rezessivierung des andern. So ist ist geschlagen Rezessivum zu schlägt, dieses Kausativum zu jenem, läßt gehen Kausativum zugeht, roll 12 Kausativum zu roll 1 usw. Es handelt sich dabei um Sonderfälle der Substitution von Klassemen. Wir nennen Klassemsubstitutionen Konversionen, wenn folgendes gilt: Es seien X und Y zwei Prädikate oder Prädikatsteile, X und Y heißen Konversen voneinander, wenn gilt kj(X) kj(Y) wobei i j und ein andres Klassem an die Stelle von kj(X) treten muß. Alle andern Klasseme brauchen von der Konversion nicht betroffen zu sein. Konversen voneinander sind: bestimmt und hängt ab mit k 1 t-^k s ,k2 i-»-k|, rolll und roll\2 mit k t i->-k2 und neuem k^ Dagegen sind keine Konversen erinner\24 mit E4 und erinner\ 25 mit E5, da zwar gilt k 4 i-> k s , aber kein neues k an die Stelle des alten k 4 tritt. Es handelt sich deshalb um eine einfache Variante. Eine wichtige Konverse, die durch eine VER bewirkt wird, ist das sog. Passiv, das zu definieren ist als eine VER mit VK art 1 änd2 werd: (12) Kommissar X klärt den Fall (12a) Der Fall wird durch Kommissar X geklärt. Die Klassemregeln lauten: k^V) i^k s (VER), k 2 (V) k^VER). Außerdem ist der E5 in (12a) nicht mehr notwendig. Dennoch S Heringer, Deutsche Syntax, 2. Auf).
66
2. Konstitutionssystem
handelt es sich nicht um einen A, sondern um einen E, weil er den Beitrag eines E zum Satz leistet. Durch diese Unterscheidung ist es möglich, zweideutige Sätze zu analysieren: (13) Er wird durch den Brief informiert. Die Nominalphrase durch den Brief kann ein E5 sein, dann ist (13) Passiv zu: (13a) Der Brief informiert ihn. Sie kann aber auch ein A sein, dann ist der E5 des Passivs und damit der El des zugehörigen Aktivs nicht benannt. Die aktivische Entsprechung wäre dann: (13b) Jemand informiert ihn durch den Brief. (13c) N.N. informiert ihn durch den Brief. 1 ' A Wer informiert, muß nicht offengelassen sein, es kann auch aus dem Kontext oder der Situation klar sein. Dann ist der E5 in (13) nur in Ellipse. Dies ist oft ein Grund, einen Passivsatz in der Kommunikation zu wählen. Die beiden Beschreibungen von (13) entsprechen durchaus einem Bedeutungsunterschied, weil es in der Deutung (13a) nicht die Absicht des Briefschreibers oder Überbringers gewesen sein muß, ihn zu informieren. Dagegen wäre dies im Sinn von (13b) oder (13c) durchaus gemeint. Von der Passivkonverse zu unterscheiden ist die verwandte, aber rezessive Konverse: (14) Der Fall ist geklärt. Es handelt sich hier nicht einfach um eine Ellipse aus: (15) Der Fall ist von X geklärt worden. Denn einmal kann in (14) kein E5 hinzugefugt werden, und zum andern zeigt eine Zeitangabe, daß (15) eine andre Bedeutung hat: (14a) Der Fall ist jetzt geklärt. heißt nicht, daß der Fall jetzt geklärt worden ist, er kann schon früher geklärt worden sein. Daraus ersehen wir, daß das sog. Zustandspassiv in (14) zwar auch eine Konverse ist, aber vom Passiv verschieden ist und deshalb nach unsrer Definition des Passivs auch nicht als Passiv angesehen wird.
2.3 Erklärung des KS, EK5
6
?
Die Modifikationen durch VK mittels änd? ermöglichen Satzmuster, die mit einfachen Verben als PT nicht möglich sind, z.B. SF145 und SF156in (16) Niemand wird von mir dessen beschuldigt. 1 El —E5—' E4 (17) Man wird von vielen als Haarspalter angesehen. 11 1 El '—ES E6 oder mehr als dreiwertige PT wie PT1225 und PT1235 in (18) Fritz läßt seine Frau den Hausbesitzer um Aufschub bitten. 1 11 1 El —E2 1 1 E2 E5 (19) Man läßt Anna ihm an Verstand überlegen sein. El
E2 E3
1
E5
1
Aufgaben: 8] Bestimmen Sie E und A durch Subskription im Übungstext. Belegen Sie dabei die Indexe stelyund stelö durch die entsprechenden Werte. 9] Geben Sie die Wertigkeit der Prädikate, Verben und Adjektive im Übungstext an durch Subskription und Belegung der Indexe. 10] Stellen Sie eine Klassemregel für das Verhältnis des Prädikatsteils von (13) zu dem von (14) in EK3 auf. 11 ] Beschreiben Sie durch Nacheinanderschalten der Klassemregeln das Verhältnis der k(P) zu k(lach) in: Fritz soll von Karl lachen gemacht worden sein. 12] Welche Möglichkeiten gibt es im Deutschen für den Aufbau eines PT 125? 13] Ordnen Sie den folgenden Verballexemen ihre syntaktische Kategorie zu. Achten Sie besonders auf Polysemien: find, geb, trau, kost, lehn, titulier, erweis, steh, woll 14] Ermitteln Sie die Klassemregeln für die VK, die im Lexikon aufgeführt sind.
68
2. Konstitutionssystem
2.32 Ergänzungen E stela[NP kasa/ES stela art/3/IK]
EK6
Im folgenden Abschnitt des KS werden die E ausgeführt. Wir zerlegen die Menge der möglichen E in drei Adjunkte: Nominalphrasen (NP), Ergänzungssätze (ES) und Infinitivkonstruktionen (IK). Der Index stela wird dabei in die ersten beiden Adjunkte übernommen Und unterscheidet dort wieder Unterkategorien. Dagegen sind die IK eine Art Neutralisationsform, da sie für alle Werte von stela gleich gebaut sind, so daß wir bei ihnen diesen Index nicht weiterzuführen brauchen. Die Regel K6 zeigt uns, daß die Füllungen der E nicht auf Nominalphrasen beschränkt sind. Es gibt andre gleichberechtigte Füllungen: (1)
Man verwende fette NP1 i
Krammetsvögel NP2 1
(2)
Es ist wichtig, daß sie gerupft und ausgenommen sind. 1 ESI 1
(3)
Man soll nicht vergessen, alle Federreste abzubrennen. 1 1 IK
Der Index stela steht also nicht für die morphologische Kennzeichnung des Kasus, wie wir in EK2 vorläufig angenommen hatten. Der Kasus ist nur der Sonderfall von stela bei NP, wie wir in der nächsten Regel sehen werden. Denn bei ES und IK gibt es ja keinen Sinn, von Kasus zu reden. Wir nehmen darum an, der Index stela stehe für die Art der Leerstelle, in die ein E eintritt. Diese Leerstelle ist am deutlichsten gekennzeichnet durch den Kasus der Nominalphrasen, so daß für ES und IK manchmal durch Kommutation festgestellt werden muß, welche Leerstelle sie füllen. Dies gilt für daß-Sätze, die für mehrere Werte von a gleich gebaut sind: (4)
Man bemühe sich, daß die Farce schnell gart. 1 ES5 '
2.3 Erklärung des KS, E K 6 - E K 7
(5)
Man bemühe sich darum. E5[NP5]
(6)
Man beachte, daß die Farce schnell gart. 1 1 ES2
(7)
Man beachte das alles. E2[NP2]
69
Selbst bei den Nominalphrasen ist der Index nicht als kasuelle Kennzeichnung im traditionellen Sinn zu lesen. Denn der Anschluß kann durch Präposition oder Identifikationstranslativ geleistet sein. Auch darin erweitert die Wertigkeitstheorie traditionelle Kasustheorien. Die ES sind nicht nur nach dem Index stela, sondern auch nach artß subklassifiziert, der zwei Arten von ES unterscheidet, die in K15 und K16 getrennt ausgeführt werden. NP kasa[NOM art/3 + KT art/3 kasa] (3=1,2,3 EK7 Diese Regel trennt von den NP diejenigen Teile ab, die ihre unterschiedliche syntaktische Funktion bezeichnen. Falls die NP als E stehen, ist diese syntaktische Funktion identisch mit der Art der Leerstelle des Prädikats. Die unterscheidenden Teile nennen wir Kasustranslative (KT), die NP ohne KT Nominale (NOM). Dabei sind im Deutschen drei Arten von Nominalen zu unterscheiden und analog auch drei Arten von KT, wie es durch den Index art/3 geregelt wird. Nominale der ersten Art bestehen aus Nomina, deren Attributen und andern ergänzenden Teilen, Nominale der zweiten Art aus Pronomina und deren Attributen und Nominale der dritten Art aus unflektierten Pronomina und deren Attributen: (1)
Sie suchen einen Kerl E2[NP2[N0M1 + . . . ] ]
(2)
Sie suchen jemanden. E2[NP2[NOM2 + . . . ] ]
(3)
Sie bleiben dort. E5[NP5[NOM3 + . . . ] ]
70
2. Konstitutionssystem
Nominale wie dort, heute usw. sind bisher kaum als Nominale angesehen worden und schon gar nicht als E. Da sie aber mit nominalen E kommutieren, sind sie zur gleichen Position zu zählen: (4)
Sein Freund hat in Mainz gewohnt.
(5)
Sein Freund hat hier gewohnt. E5
Die Füllung des E5 kann also ebensogut ein NOM1 wie ein NOM3 sein. Nur bestehen für NOM3 zwei weitgehende Restriktionen: sie können nur als NP5, seltener auch als NP6 und damit nur als E5 und E6 stehen, und sie sind im Gegensatz zu den andern Nominale nicht flektierbar. Beide Restriktionen dürften sich gegenseitig bedingen. Trotzdem ist es nicht zulässig, NOM3 als Adverbien zu führen, denn sie schließen keine Adverbien aus und gehören deshalb nicht zur gleichen Position: (6)
Sie bleiben lange hier. A[ADV1]E5 Sie unterscheiden sich von den Adverbien auch dadurch, daß sie nicht steigerungsfähig sind und in allen Positionen andre Attribute haben als Adverbien: (7)
Sie bleiben sehr lange. |AT4 ADV Ii L— ADG—1
(7a) *Sie bleiben sehr hier. (8)
Sie bleiben genau hier. |ADV2 PRU | I NP5 '
(8a) *Sie bleiben genau lange. Auch wenn NOM3 als Angaben stehen, exkludieren sie NP5, nicht adverbiale Angaben. Analog zu den NOM müssen wir auch bei den KT mehrere Arten ansetzen, so daß wir zu zwei Indexen und damit zu einer Kreuzklassifikation kommen. Der Index kasa nimmt, wie wir gesehen
2.3 Erklärung des KS, EK7
71
haben, die Werte 1 bis 6 an, der Index art/3 müßte die Werte 1 bis 3 annehmen. Da aber bei N0M3 keine Deklinationsmorpheme vorkommen, nehmen wir dort für KT eine Nullstelle an und für ß nur die Werte 1 und 2, so daß die Kreuzklassifikation von KT nur 12 nicht 18 Unterkategorien ergibt. Davon sind alle Kategorien mit o = 1—4 Endkategorien, die im Lexikon verzeichnet sind, die mit a = 5,6 werden im KS weiter ausgeführt. Die sechsfache Unterteilung der KT nach dem Index kasa ist eine Konsequenz der Annahme von sechs Arten von Leerstellen bei den PT. Diese Auswahlmöglichkeit muß vorgesehen sein, obwohl es kaum PT geben dürfte, die alle Arten von Leerstellen gleichzeitig haben. In der Sechszahl finden wir auch die bereits angeführte Erweiterung des traditionellen Kasusbegriffs wieder, der auf einer nicht sprachadäquaten Bevorzugung der Flexion beruht. Wenn wir die Kasusendungen als Translative ansehen, erkennen wir, wieso der lange Streit um die Bedeutung der Kasus so unbefriedigend ausgehen mußte: die Kasus haben gar keine Bedeutung im gängigen Sinn. Das muß uns aber zu einer Präzisierung unseres Bedeutungsbegriffs fuhren. Denn man kann kaum mit Recht behaupten, daß sie gar keine Bedeutung haben. Wir haben bereits in EK2 (15), (15a) gesehen, daß die Vertauschung der Kasus sich auf die Bedeutung des Satzes auswirkt. Nur wird dies aber nicht als Kommutation gezählt, weil die entsprechenden Nominalphrasen dabei in andre Positionen kommen. Sonst ist ein falscher Kasus wie in EK2 (IIa) aber korrigierbar und damit im gleichen Sinn redundant wie das ST zu. Der Kasus hat also einen Wert für die Organisation des Satzes, und darin liegt seine Bedeutung. Allerdings ist die translative Bedeutung der KT nicht in allen Fällen so unbestreitbar wie bei zu. Sie können nämlich auch informative Bedeutung haben. Dafür finden wir Beispiele bei den Präpositionen der E5. Bei manchen Prädikaten regelt die Präposition nur den Anschluß ans Prädikat und hat keine eigene informative Bedeutung. Das gilt für über in (9) Man wundert sich über seine Güte., wo die Präposition nicht kommutiert und nicht ihre sonstige räumliche Bedeutung hat. Es kann aber auch die Präposition eines
72
2. Konstitutionssystem
E5 kommutieren, und dann hat sie auch informative Bedeutung: (10) Keiner sitzt auf/unter dem Stuhl Hier kumulieren in der Präposition translative und informative Bedeutung. Die Kumulation gibt es auch bei den Kasusmorphemen, da sie in gewissem Rahmen kommutieren. So ist zwar in einer NP2 der Kasus bestimmt, aber es besteht die Wahlmöglichkeit zwischen dem Singular- und dem Pluralmorphem. Da nun aber Translative nichts zur informativen Bedeutung beitragen dürfen, müssen die Kasusmorpheme noch einmal an andrer Stelle Kll, K13 ins KS aufgenommen werden. Ob ein Translativ auch informative Bedeutung hat, ist durch Kommutation festzustellen. Die KT art2 kasa sind Plereme, deshalb wird diese Position im KS nicht weiter ausgeführt. Es sind die Morpheme der sog. Personalpronomina. Sie müßten aber in einer ausführlichen Theorie noch einmal unterteilt werden, zuerst in mindestens zwei große Gruppen. Die der einen bereiten keine größeren Schwierigkeiten, da sie einfach an die Pronomina angehängt werden: kein + er, kein + es, kein + em, kein + en, .. . Sie wären weiter nach Numerus (Singular : Plural) und Genus (Maskulin : Feminin : Neutral) zu unterscheiden. Für die andre Gruppe müßten noch Regeln formuliert werden, die die richtige phonologische Gestalt der Verbindung herstellen. Solche morphonemischen Regeln wären: ich + KT22 => mich wer + KT24 => wessen du + KT22 => dich der + KT24 => dessen Sie werden notwendig, weil man Ketten wie dessen nicht linear segmentieren kann. Eine andre Gruppe von NOM2 sind nicht deklinierbar wie man, etwas, wenig. Für sie wäre bei KT eine Nullstelle anzunehmen. Die genauere Zuordnung und Subklassifizierung der NOM2 und KT art2 kasa könnte eventuell durch weitere Belegungen von art/3 geleistet werden, so daß die jetzige art2 direkt in weitere Unterkategorien zerlegt würde. Dies würde aber eine genauere Untersuchung voraussetzen. Um eine Komplikation des KS zu vermeiden, ist das hier unterlassen.
2.3 Erklärung des KS, EK8
73
KT artl,2 kas5[PRÄ reka + KT artl,2 kasa] a = 2,3,4 EK8 Wir müssen nun die beiden Unterkategorien von KT, die nicht Endzeichen sind, weiter in Konjunkte ausfuhren. Dazu wird in dieser Regel KT art(3 kas5 geteilt in eine Präposition (PRÄ) und ein Kasustranslativ. Der Name „Präposition" ist dabei nicht motiviert zu verstehen, denn als Präpositionen gelten nicht nur vor dem Nomen stehende Plereme wie zu in (1)
Zu dieser A nsich t ist zu
sagen...,
sondern auch sog. Postpositionen, die auf das Nomen folgen: (2)
Dieser Ansicht gegenüber ist zu sagen.. .
Der in der Regel neu eingeführte Index a sorgt dafür, daß jeder Präposition der ihrer Rektion entsprechende Kasus des abhängigen Nomens zugeordnet wird. Für kasa sind nur die Werte 2, 3, 4 zugelassen, da im Lexikon nur Präpositionen mit diesen Indexen vorkommen. In Regel K8 liegt deshalb auch nicht eine direkte Schleife von KT vor. Denn vor der Klammer stehen nur KT kas5, die wegen der Beschränkung der Werte von kasa in der Klammer nicht vorkommen. Empirisch trägt das der Tatsache Rechnung, daß Doppelpräpositionen im Deutschen kaum vorkommen: (3)
* Wer lehnt an auf der Brüstung?
Damit sind allerdings die wenigen Beispiele für Doppelpräpositionen mit dem KS nicht beschreibbar: (4)
Der Käfer kroch von unter dem Teppich hervor.
Wollte man das beschreiben, müßte man für kasa auch den Wert 5 zulassen, dann aber, um Sätze wie (3) und mehrmaligen Durchlauf der Schleife zu vermeiden, noch starke Restriktionen einführen. In Sätzen wie (5)
Er stieg auf über 5000 m.
liegt keine Doppelpräposition vor, weil über hier nicht Präposition, sondern ADV2 über KU ist. Die KT kas5 werden nur für artl,2 ausgeführt, weil bei NOM3 keine Kasustranslative stehen können und darum für KT eine Nullstelle angesetzt ist. Dazu gibt es aber ähnliche Ausnahmen wie in
74
2. Konstitutionssystem
(4), und zwar ebenfalls für kasa = 5, der ja sowieso die einzig mögliche Belegung bei NOM3 ist, wie auch in K14 zu sehen ist. Diese Ausnahmen wie (6)
Von dort fiel er wieder runter.
sind insofern analog zu (4), weil ja dort allein eine NP5 sein kann und darum sozusagen schon eine Präposition enthält, so daß in (6) in gewissem Sinn auch eine Doppelpräposition vorliegt. Allerdings scheinen Fälle wie in (6) häufig und geläufig zu sein. Im Deutschen gibt es Verben, die als Varianten eines E5 auch einen kasuellen E zulassen: (7)
Man spotte nicht darüber / dessen nicht. 1 —E5—' E4
Weil dies möglich ist ohne Bedeutungsänderung, wurde auch die Gleichberechtigung der E5 mit kasuellen E weitgehend akzeptiert. Wir sehen darin auch die Begründung dafür, Präpositionen wie Kasusmorpheme als Kasustranslative im KS zu behandeln. Verschiedenheit des präpositionalen E kann wie Verschiedenheit des kasuellen E eine Polysemie des Prädikats anzeigen: (8)
Keiner glaubt das. E2
(8a) Keiner glaubt an ihn. L -E5—1 (9)
Keiner traut ihn. E2
(9a) Keiner traut ihm. E3 Eine solche Polysemie wird dadurch beschrieben, daß das Prädikatsverb zweimal im Lexikon aufgeführt wird. Damit ist auch gleichzeitig behauptet, daß der Bedeutungsunterschied von (9) und (9a) nicht durch einen Bedeutungsunterschied der Kasustranslative KT aitß kas2 und KT artß kas3 beschrieben werden kann. Denn dann müßten alle derartigen Dubletten den gleichen Bedeutungs-
2.3 Erklärung des KS, EK8-EK9
75
unterschied aufweisen, z.B. auch (16) in EK2. Will man dies halten, dann versuche man diesen Bedeutungsunterschied zu beschreiben. KT artl kas6[IT + KT artl kasa] EK9 Mit dieser Regel wird eine andre Menge von Kasustranslativen eingeführt, deren Elemente Plereme sind. Wie die Präpositionen regieren auch diese Identifikationstranslative (IT) selbst wieder Kasustranslative bei den abhängigen Nomina. Das Vorkommen von KT kas6 ist durch artl beschränkt auf NOM1. IT hat man in den bisherigen Grammatiken kaum als eigene Wortart behandelt. Auch ein durch IT angeschlossener E wurde nicht als eigene Art von E angesehen. Wir wollen deshalb die Einfuhrung des E6 ausführlicher begründen. Notwendige Syntagmen des Typs wie ein Dummkopf in einem Satz wie (1) Er verhält sich wie ein Dummkopf. sind verschieden beschrieben worden. Meistens hat man versucht, sie aus einem Vergleichssatz zu erklären. (1) sollte dann eine Ellipse sein von (la) Er verhält sich, wie ein Dummkopfsich verhält. Eine solche Erklärung ist aber in vielen Fällen gar nicht möglich, weil kein Vergleichssatz möglich ist: (2) Er gilt als großer Künstler. (2a) *Er gilt als großer Künstler gilt. Auch bei Sätzen wie (1) kommen wir in Schwierigkeiten. Denn der Vergleichssatz muß ja seinerseits ein Ergänzungssatz sein, also eine Leerstelle des Prädikats verhält füllen. Man sieht dies daran, daß ( l b ) *Er verhält sich. abweichend ist. Dann müßte also wenigstens eine Leerstelle besonderer Art für diesen Ergänzungssatz angesetzt werden. Man wird ihn nämlich schwerlich als E2 bezeichnen dürfen wie in (3) Er weiß, wie ein Dummkopfsich verhält., weil als ES2 auch ganz anders gebaute Sätze möglich sind und für sie insbesondere die Bedingung der Prädikatsgleichheit nicht erfüllt
76
2. Konstitutionssystem
sein muß. Aber auch aus der Kommutation gewinnen wir keine Anhaltspunkte dafür, denn der Ergänzungssatz in (la) kommutiert nicht mit einem NP2, sondern nur mit Syntagmen der erwähnten Art. Schwerer wiegt noch ein andrer Einwand: wenn (1) aus (la) erklärt werden soll, dann muß die syntaktische Position von wie in ES erklärt werden. Dies steht aber in der gleichen syntaktischen Position wie wie ein Dummkopf in (1). Denn der Vergleichssatz ist als indirekter Fragesatz zu erklären, in dem ein Dummkopf El ist, wie ein Fragepronomen, das u.a. mit so kommutiert: (lc) Wie verhält sich ein
DummkopP
(1 d) So verhält sich ein Dummkopf. Wenn aber wie ein E6 ist, dann müßte es auf die gleiche Weise erklärt werden wie wie ein Dummkopf in (1). Die Erklärung würde damit zu einem unendlichen Regreß führen, der nicht als Beschreibung akzeptiert werden kann. Im KS wird für Syntagmen des genannten Typs eine eigene Position eingeführt. Sie sind als E notwendig und direkt vom Prädikat abhängig. Sie haben mit den E5 gemeinsam, daß sie ebenfalls nicht kasuell angeschlossen sind, unterscheiden sich aber von ihnen dadurch, daß die Translative, die sie enthalten, nicht wie die Präpositionen einen festen Kasus regieren. Deshalb wird auch der Index kasa im Unterschied zu K8 hier nicht durch das Translativ bestimmt. Es ist nämlich die Eigenschaft solcher Syntagmen, daß sie sich in ihrem Kasus nach anderen E des Satzes oder auf tieferer Stufe nach anderen Teilen richten. Wenn wir etwa den El von (2) durch Veränderung des Prädikats zu einem E2 machen, sehen wir, daß sich auch der Kasus des E6 ändert. Der Index von KT artl kasa nimmt dann ebenfalls den Wert 2 an: (2b) Man läßt ihn als großen Künstler gelten. I
E6
1
Das gleiche ist auch für E6 festzustellen, die im Kasus mit E2 kongruieren: (4)
Keiner sieht ihn als einen Lügner an 1 i E6
2.3 Erklärung des KS, EK9
77
(4a) Er wird von keinem als ein Lügner angesehen I E6 1 Mit welchem E der E6 im Kasus übereinstimmt, kann im KS nicht angegeben werden, weil der Formalismus dafür keine Möglichkeit bietet. Dies müßte deshalb einer andern Teiltheorie überlassen bleiben. Unser Name „Identifikationstranslativ" soll nur für die beschriebenen syntaktischen Eigenschaften dieser Translative stehen. Es ist damit nichts gesagt über eine semantische Beziehung zwischen den kasuskongruierenden E. Zwar ist es intuitiv einleuchtend, daß ein enger Zusammenhang zwischen diesen E besteht, er dürfte aber komplizierter und vielfältiger sein als Identifikation, was immer das auch heißen mag. Die Eigenschaft, den Kasus mit einem andern E zu wechseln, trifft nicht nur auf mit als oder wie eingeleitete E zu, sondern auch auf die traditionell prädikative Nominative genannten: (5) Er wird ein großer Linguist. (6) Laß ihn einen großen Linguisten werden. Das Syntagma ein großer Linguist aus (5) ändert in (6) seinen Kasus mit El von (5). Wir nehmen darum ein Identifikationstranslativ 0 an, das auf der Ausdrucksseite nicht repräsentiert ist. Die Annahme dieses Nullzeichens gestattet uns, ohne Änderung des KS auch diese Syntagmen als E6 anzusehen. Die Einführung des E6 ermöglicht die Beschreibung des Zusammenhangs von (7) und (8), wo trotz verschiedenem Bau gleichartige Syntagmen vorliegen: (7) Man bezeichnet ihn als einen Faschisten. E6[IT als] (8) Man nennt ihn einen Faschisten. E6[IT 4>\ Damit ist auch der intuitiven semantischen Ähnlichkeit Rechnung getragen. Wir können aber nun auch die doppelten Akkusative auseinanderhalten, die sonst zusammenbehandelt werden: (8)
78
2. Konstitutionssystem
enthält einen E2 und einen E6, dagegen (9) zwei E2: (9)
Wer lehrt dich diese Mätzchen ? 1 E2 1 E2
Die Berechtigung dieser Beschreibung kann man durch passende Prädikatsänderungen nachweisen. Sie müßte auch semantisch zu bestätigen sein. Ein weiterer Vorteil der Einfuhrung des E6 ist die Möglichkeit, den Zusammenhang zwischen bestimmten E, A und Attributen adäquat beschreiben zu können. So hat man in verschiedenen syntaktischen Theorien auf den Zusammenhang zwischen Appositionen und Sätzen mit E6 hingewiesen. Man versuchte solche Appositionen wie Fritz und Kurt, zwei gute Freunde auf Sätze mit E6 zurückzufuhren: (10) Fritz und Emil sind zwei gu te Freunde. Damit war aber zuviel behauptet, weil das Nominale auch anders in einem Satz fungieren kann, so daß es z.B. auf (10a)
Fritz und Emil waren zwei gu te Freunde.
zurückgeführt werden kann, wenn (11) erklärt werden soll: (11) Fritz und Emil, zwei gute Freunde, haben sich zerstritten. Mit unserer Beschreibung ist dagegen weniger behauptet. In (11) wäre zwei gute Freunde NP6 als Teil eines NOM1 (vgl. Kl 1), in (10) dagegen E6[NP6]. Wir sehen daran die Gleichartigkeit beide sind NP6 — und die Verschiedenheit — eines fungiert als E, das andere als Attribut, eines ist also direkter Teil von SFmusta, das andre direkter Teil von NOM1 und NOM2. KT artl kasa[ARM kasa + AM kasa + NM kasa] a = 1 - 4 EK10 Die Kasustranslative der NOM1 sind nicht Elemente eines Endzeichens. Sie werden in dieser Regel ausgeführt in alle Flexionsmorpheme der Teile dieser Nominale: Artikelmorpheme (ARM), Adjektivmorpheme (AM) und Nominalmorpheme (NM). Denn in einer Nominalphrase wie des guten Kindes wird der Kasus drei-
2.3 Erklärung des Konstitutioonssystems 2.3 Erklärung des KS, EK10-EK11
79
fach angegeben: durch -en, -es und das morphonemisch verschmolzene -s des Artikels. Sie brauchen aber nicht alle gleichzeitig vorzuliegen. Vielmehr sind sie gebunden an Artikel, Adjektiv und Nomen und fehlen deshalb auch, wenn der entsprechende dieser Teile fehlt. Der Index kasa der Regel ist in allen Positionen gleich zu belegen. Er regelt die Kasuskongruenz der verschiedenen Morpheme. NOM artl[ADV2 + AT4 + AR flexa + ARM flexa gen/3 num? + ADN wertS + AM flexa gen/3 numy + fNP stele + AT4 + N klasf gen/3 + NM klasf gen/3 num-y + ATI + ATI + AT2 + AT3 + AT3 + NPkasö] EK11 Diese Regel teilt die NOM1 in Konjunkte: Adverbien (ADV2), die sich auf das ganze restliche Nominale beziehen, mit ihren Attributen (AT4), den Artikel (AR) mit seinen Morphemen (ARM), das nominale Adjektiv (ADN) mit seinen Morphemen (AM) und Attributen (AT4 und fNP) und das Nomen (N) mit seinen Morphemen (NM) und weiteren Attributen. Ein Beispiel für ein NOM1 ohne die hinteren Attribute wäre: (1)
Ganz genau diese das Haus schön verzierenden Blumen. AT4 ADV2 AR ARM NP2 AT4 ADN AM N NM Die Zuordnung der Attribute kann ebensowenig wie die der Morpheme in einer Konstitutionsregel beschrieben werden. Sie beruht auf internen Dependenzen, die in einer andern Teiltheorie aufgenommen würden. Wir können aber diese Dependenzen hier leicht erkennen: Nach der Regel ist es möglich, daß ein Satz ein NOM1 mit allen Konjunkten enthält. In den meisten Fällen werden aber Konjunkte Nullstellen sein. Dann wird die interne Dependenz deutlich. Es entstehen nämlich abweichende Sätze, wenn ein NOM1 zwar kein Artikellexem, aber dessen Morphem enthält, oder wenn es kein Adjektiv, aber dessen Attribute enthält:
(2) (3)
*-e großen Leute zweifeln daran. AM *Manche darüber sich (wundernden) Leute zweifeln daran. NP5 NP2 ADN
80
2. Konstitutionssystem
Die ADV2 sind eine Menge von Adverbien, die man als Attribute zu dem ganzen Nominale ansehen kann, falls geklärt ist, was das inhaltssyntaktisch bedeutet. Auf welchen Teil des Nominale sie zu beziehen sind, wird oft durch die Intonation erst deutlich. So könnte (4) Auch der grüne Mann fiel. mindestens in dreifacher Weise verwendet werden: erstens mit der Betonung auf der und der Präsupposition, daß mindestens ein grüner Mann schon gefallen ist; zweitens mit der Betonung auf grüne und der Präsupposition, daß schon ein andersfarbiger Mann gefallen ist; drittens mit der Betonung auf Mann und der Präsupposition, daß schon ein andres grünes Lebewesen, wahrscheinlich eine Frau oder ein Kind, gefallen ist. Diese Adverbien können selbst auch wieder Attribute haben: (5) AT4
ADV2
AR
ARM
N
NM
nicht
nur
dies
er
Mann
0
Als Artikel sind hier nicht nur der- und ei«-Form des Artikels gewertet, sondern alle mit ihnen kommutierenden Plereme. So kommutieren im Deutschen z.B. der und das sog. Possessivpronomen mein. Beide gehören also zur gleichen Position und exkludieren sich auch deshalb: (6)
*der mein Zweifel ist berechtigt.
Die Artikellexeme werden nicht weiter semantisch subklassifiziert, sondern mit dem neu eingeführten Index flexa, der die Zuordnung der Artikelklassen zu ihren Morphemen und die Auswahl der richtigen Adjektivmorpheme regelt. Nach der zugehörigen Lexikonregel gibt es drei solcher Artikelklassen. Sie sind in Hinsicht auf die Artikel- und Adjektivmorpheme gewählt. Je nach der Artikelklasse wird nämlich das Adjektiv stark, schwach oder gemischt flektiert: der dicke Mann, ein dicker Mann, dicker
2.3 Erklärung des KS, EK11
81
Mann. Darum sind auch die Adjektivmorpheme in drei Untermengen geteilt, von denen die zutreffende durch den Index flexa ausgewählt wird. Die dritte Artikelklasse (AR3) enthält dabei als einzige Elemente etwas und den Nullartikel 0. Wir nehmen einen solchen Nullartikel an, weil durch ihn auch die Wahl einer Untermenge der Adjektivmorpheme (nämlich AM3) geregelt wird. Es gibt aber auch inhaltliche Gründe dafür, weil der Nullform bestimmte Wirkungen auf die Bedeutung eines Satzes zuzuweisen sind. Die ARM haben neben dem Index flexa noch zwei Indexe, die nach Genus und Numerus subklassifizieren. Das Genus wird dabei bestimmt vom Genus des Nomens durch die Kongruenz der Indexe genß. Dadurch werden Formen wie diese Mann vermieden, aber diese Frau zugelassen. Ähnlich wird durch nunry ausgeschlossen diesem Männern. Der Index genß nimmt drei Werte an: gen 1 = Maskulinum, gen2 = Femininum und gen3 = Neutrum. Der Index num7 nimmt zwei Werte an: numl = Singular, num2 = Plural. Unflektierte manch, solch, wenig, viel zählen nicht zu AR, da sie diese Position nicht ausschließen: manch ein großer Mann, wenig große Männer. Es wäre zu erwägen, ob diese Formen nicht als Attribute zum Substantiv oder auch zum Artikel betrachtet werden können. Im letzteren Fall müßte dann bei der Position AR noch eine Position für Attribute vorgesehen werden. Da es also nicht zulässig ist, diese Formen als Artikel zu werten, entfällt auch die Ausnahmeregel der Grammatiken, daß diese Lexeme wie der Nullartikel die sogenannte starke Adjektivflexion (AM flex3) fordern. Solche Fälle sind nun einfach als Nullartikel zu bewerten. Dies erweist sich auch insofern als richtig, als im ersten Beispiel, wo kein Nullartikel, sondern eine andre Artikelform steht, sich das Adjektiv nach eben dieser Artikelform richtet und nicht mit AM3 verkettet'wird. Die der-Formen müssen durch morphonemische Regeln erklärt werden, weil eine Segmentierung in d\er gekünstelt ist. Man kann den beiden so entstehenden Pieremen keine Bedeutung zuordnen. Dies wurde allerdings öfter versucht, da das d ursprünglich ein 6 Heringer, Deutsche Syntax, 2. Aufl.
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2. Konstitutionssystem
deiktisches Plerem gewesen sein dürfte. Selbst wenn man dies akzeptieren würde, entsprächen aber dem jeweils zweiten Teil ganz isolierte as, ie, die nie in andern Umgebungen vorkommen und in ihrer Bedeutung schwer zu beschreiben sein dürften. Die morphonemischen Regeln für die der-Form sähen etwa folgendermaßen aus: das + ARM kas3 flexi dem das + ARM kas2 flexi => das die + ARM kas4 flexi => der Artikelselektionen bezüglich der Nomina können mit der Subklassifizierung in AR flexi, AR flex2, AR flex3 nicht beschrieben werden. So können etwa Eigennamen i.a. keinen Artikel haben, ohne daß spezielle semantische Wirkungen entstehen. Massewörter und Abstrakta sind auch nicht mit allen Artikelformen kombinierbar: *die Golde, *manche Freiheit. Solche Selektionen gehen auch mit Restriktionen der Nominalmorpheme zusammen. Sie würden inhaltssyntaktisch beschrieben. Nach K l l müssen Artikel und Adjektiv zwei Positionen zugewiesen werden. Sie dürfen nicht beide zusammen als Begleiter oder Attribute des Substantivs behandelt werden. Denn dann müßten sie sich ja exkludieren. Die Berechtigung, zwei Positionen anzunehmen, gibt uns auch der verschiedenartige Beitrag von ADN und AR zur Satzbedeutung. Er wird deutlich bei den Nektionen: (7) Dieser und jener Linguist diskutierten. (8) Ein großer und dicker Linguist diskutierte. (9) Ein großer und ein dicker Linguist diskutierten. Wenn nämlich wie in (7) nur der Artikel nektiert, wird der El pluralisch verstanden, wie es sich am Pluralmorphem des Prädikats zeigt. Nektiert dagegen wie in (8) nur das Adjektiv, so bewirkt das nicht, daß man annimmt, es handle sich um mehrere Linguisten. Diese Regel wird durch (9) noch dahingehend modifiziert, daß die Regel über'Artikelnektion der Uber Adjektivnektion übergeordnet ist. Jedenfalls machen diese Regeln deutlich, daß sich der Beitrag
2.3 Erklärung des KS, EK11
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des Artikels zur Satzbedeutung von dem des Adjektivs unterscheidet. Als ADN sind hier die sog. attributiven Adjektive eingeführt. Die meisten Adjektive gehören aber sowohl zu dieser syntaktischen Kategorie wie auch zu ADP. Allerdings gibt es einige, die nur in dieser Position möglich sind: (10) Er setzte uns von seinem baldigen Ausscheiden in Kenntnis. (10a) *Sein Ausscheiden ist baldig. Bei den attributiven Adjektiven ist wie bei den prädikativen ein Wertigkeitsindex vorgesehen, der eine Auswahl aus fNP stele trifft, so daß je nach der Wertigkeit von ADN verschiedene NP als Attribute zum Adjektiv treten können: (11) Ein 3 m tiefer Brunnen. (12) Ein jedem gehöriger Eimer. (13) Der dessen überdrüssige Mann. (14) Ein mit Wasser gefüllter Topf. (15) Eine als Hebel wirkende Stange. In Sätzen der Art (15) wird eine NP6 angenommen, obwohl sich ihr Kasus nicht in allen Fällen mit dem des übergeordneten Nominale deckt. Es gibt hier die gleichen Ausnahmen wie bei den Appositionen (s.S. 87f.). Die Bewertung als NP6 bewährt sich aber in andern Fällen, wo ein Identifikationstranslativ steht. Weil bei ADN auch gleichzeitig mehrere Nominale stehen können, ist die Regel mit einer Folge von NP formuliert. Dadurch sind Sätze beschreibbar wie: (16) Ein jedem an Verstand überlegener Student. (17) Ein jeden von oben ansehender Student. Da nicht zu jedem attributiven Adjektiv beliebige und beliebig viele NP treten können, ist auch hier eine Wertigkeit des Adjektivs eingeführt. Diese Wertigkeit kann je nach dem Bau des Adjektivs auch auf die Wertigkeit eines Verbs zurückgehen, so z.B. bei Partizipien als Adjektiven: (18) Die uns als Narren ansehenden Bosse. Trotzdem können diese Attribute nicht als E oder A eingeführt werden. Einmal unterscheidet sich nämlich ihr Bedeutungsbeitrag 6»
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2. Konstitutionssystem
von dem der E, und dann lassen sie auch nicht die gleichen Füllungen zu, so keine ES: (19) *Ein daß es sich ändert vermutender Student. Mit der Schleife über NP und der Annahme einer Wertigkeit der Adjektive ist auch der Zusammenhang hergestellt zwischen bestimmten E und A bei Adjektivprädikaten und bestimmten NP bei attributiven Adjektiven, wie wir ihn erkennen in: (20) Die Räte sind damit einverstanden. (21) Die damit einverstandenen Räte. Neben den NP gibt es bei ADN noch adverbiale Attribute wie in (1) oder in (22) Die sehr dicke Frau. AT4 Sie werden in K27 genauer ausgeführt. Die Adjektive der Nominalgruppen können substantiviert werden. Man unterscheidet dabei usuelle und okkasionelle Substantivierung und hält damit im Grunde nur den synchronischen und diachronischen Gebrauch des Terminus auseinander. Substantivierung im diachronischen Sinn heißt nichts andres, als daß ein Adjektiv in die Klasse der Nomina übergegangen ist. Solche Nomina stehen dann in Nominalen an der Stelle N (Beispiel: Gläubiger). Sie haben z.T. in ihrer Flexion noch Eigenschaften von Adjektiven bewahrt. So ändert etwa Beamter je nach vorangehendem Artikellexem seine Flexion ganz wie ein Adjektiv. Dagegen hat es nicht mehr wie ein Adjektiv den Genusunterschied. Von dieser sogenannten Substantivierung ist zu trennen die okkasionelle Substantivierung, die eine Ellipse ist und vorliegt, wenn in Kl 1 die Positionen N und NM null sind: (23) Wer bevorzugt schon eine dicke (Frau) ? Den Unterschied der beiden Fälle sieht man an der unterschiedlichen Wirkung auf die Satzbedeutung. Denn genau in diesem Sinn ist der folgende Satz doppeldeutig: (24) Er sah keine zwei (/Zwei) über der Zeile.
2.3 Erklärung des KS, EK11
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Die Grenze zwischen der sogenannten okkasionellen und der usuellen Substantivierung ist fließend, weil Adjektive mit Nominalellipse übergehen können in die Kategorie Substantiv, wie dies auch bei den heute eindeutigen Fällen geschehen ist. Die Kardinalzahlen gehören hier zur Klasse der Adjektive, obwohl sie mit Ausnahme von Resten nicht dekliniert werden. Dies wirkt sich z.B. auch darin aus, daß ein Nominale, das als Adjektiv eine Kardinalzahl enthält (nicht zwei, drei), mit Nullartikel nicht im Genitiv stehen kann: * der Kampf fünf Männer. Da sich Kardinalzahlen auch bezüglich der Attribute anders verhalten als Adjektive, wäre in einer ausfuhrlicheren Beschreibung eine eigene Position für sie vorzusehen. Viele Adjektive sind keine Plereme, sondern noch weiter segmentierbar. Also ist ADN auch kein echtes Endzeichen. Wir würden aber die weitere Ausführung einem andern Teil der Theorie zuschlagen, nämlich der Wortbildung. Die Wortbildungsregeln für Adjektive müßten etwa folgendermaßen aussehen (WT = Wortbildungstranslativ, PT = Partizipialtranslativ): ADN[V + WT1] WT 1 [PT 1 /PT2/WT11 ] WT 11 (bar, ig, lieh, sam, haft | Beispiele: bleibend, gelobt, heizbar, gültig, tauglich, duldsam, schreckhaft ADN[SUB + WT2] WT2 j n, ern, ig, isch) Beispiele: seiden, hölzern, eckig, biblisch ADN[NOM3 + WT3] WT3{«1 Beispiele: jetzig, hiesig (morphonemisch) Die Steigerung der Adjektive ist hier nicht aufzuführen, weil sie nicht die syntaktische Kategorie ändert. Die Indexe von AM sind der bereits erwähnte Index flexa, der die Auswahl des AM nach dem jeweiligen Artikellexem regelt,
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2. Konstitutionssystem
und die beiden Indexe gen/3 und nunvy, die wir bei ARM schon erklärt haben. Die Position N ist keine Endposition. Sie wird vielmehr noch in einer Adjunktionsregel ausgeführt. Bei den Nomina und ihren Morphemen ist neben den bereits behandelten Indexen noch klasf eingeführt, weil nicht wahllos jedes N mit jedem NM kombinierbar ist. Darum hat man auch traditionell schon verschiedene Deklinationsklassen der N angenommen, die abweichende Formen wie Frau + er vermeiden sollen. Wir nehmen an, der Index klasf habe fünf Werte, unterscheide also fünf Deklinationsklassen der Nomina. Dabei sind noch morphonemische Regeln vorausgesetzt wie die, daß in dem NM en bei N, die auf a auslauten, das e getilgt wird, so daß wir aufgrund der Regel Ende + en => Enden das Nomen Ende in die gleiche Klasse aufnehmen können wie Staat. Ähnliches gilt für Nomina, die auf silbisches / ausgehen: Stachel + en => Stacheln. Nicht aufgenommen sind auch der Umlaut in Lämmer und isolierte Deklinationen wie Themata. Für die Indexe klasf und gen/3 sind im Deutschen nicht alle Kombinationen zugelassen. Es gibt vielmehr einige Redundanzregeln bei NM, die nur folgende Zuordnungen zulassen: klasl genl,2; klas2 genl,3; klas3 genl,2,3;klas4 genl,2,3; klasS genl,3. Das heißt, daß es z.B. keine Feminina in der Klasse 5 gibt, die wie Leib oder Lamm flektieren. Bei den Nominalmorphemen ist wie bei den andern Morphemen in NOM1 der Index kasa für den Kasus nicht mehr aufgeführt. Er wurde ja schon über den Weg der Kasustranslative in K10 erklärt. Trotzdem müssen alle diese Morpheme hier noch einmal aufgenommen werden, weil sie kumulierende Bedeutungen haben. Es ist deshalb notwendig, sie wegen der Bedeutungsbeschreibung in einer Satzstruktur an zwei verschiedenen Stellen zu führen. So würde eine NP3 diesen Büchern folgendermaßen dargestellt (ausnahmsweise mit kasa bei ARM und NM):
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2.3 Erklärung des KS, EK11
(25) NOMI
dies
en
Büch
KT13
em
en
ern
Im linken Zweig unter NOM1 würden die Morpheme ihre informative Bedeutung ,plural' zur Gesamtbedeutung beitragen, im rechten Zweig dagegen nur die translative Bedeutung, die die Verwendbarkeit im Satz und die Zuordnung zu bestimmten Leerstellen ungesättigter Positionen bestimmt. Eine solche Darstellung repräsentiert also das, was man oft die Mehrdeutigkeit oder Polyfunktionalität solcher Morpheme genannt hat. Um das Lexikon nicht zu überladen, sind für ARM, AM und NM die Unterkategorien nach den Indexen genß und nunvy nicht berücksichtigt. Die übrigen Indexe haben die Reihenfolge ihrer Einführung. So ist bei allen dreien der erste Index kas, der zweite bei ARM und AM flex und bei NM klas. Die in Kl 1 vorgesehenen Attribute der NOM1 werden in K23 bis K26 im Zusammenhang ausgeführt. Wir behandeln hier nur die Apposition, da sie durch eine indirekte Schleife über NP beschrieben wird. Das haben wir schon bei der Einführung der NP6 angedeutet mit der Verwandtschaft der Appositionen und der E6. Appositionen kongruieren im Kasus mit dem übergeordneten Nominale: (26) Die Polizei kannte Haschi, den liebsten Hippie der Stadt. 1 1 NP6 Man kann solche Appositionen semantisch nicht vollständig erklären mit einem Satz, in dem die NP6 als E6 vorkommt, weil ein
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2. Konstitutionssystem
Attribut einen andern Beitrag zum Satz leistet als ein E. Deshalb ist: (27) Haschi war der liebste Hippie der Stadt. eine Überinterpretation des E2 von (26). Denn das appositionelle Verhältnis in (26) sagt z.B. nichts über das temporale Verhältnis von Haschi und der Tatsache, daß er der liebste Hippie war. Das wird deutlich in Sätzen wie: (28) Paul und Pauline, die guten Eheleute, sind eine Fiktion., wo wir durch Interpretationsversuche und Reflexion über die Welt darauf kommen, daß wir ihn verstehen müssen als: (29) Paul und Pauline sötten gute Eheleute sein.. . In Appositionen sind auch andre IT als 0 möglich: (30) Du, als einfallsreicher Linguist, hast das gemerkt. Es gibt aber eine Reihe von Abweichungen im Deutschen, in denen die NP6 sich nicht nach dem Kasus des übergeordneten Nominale richtet, sondern immer im Nominativ steht. Dies ist im KS nicht berücksichtigt, kann aber als Ausnahme beschrieben werden. Die Ausnahmen könnten durch eine Zusatzregel erfaßt werden, die unter gewissen Umständen den Nominativ in NP6 für alle Werte von kasa der übergeordneten Nominalphrase zuläßt: (31) Man gedachte der toten Helden, diese tapferen Krieger. 1 1 NP6 (32) Das ist eine Erfindung des Professors Schmidt. NP6 Man könnte auch versuchen, die NP6 in (31) als einen verkürzten Satz einzuführen. Für (32) wäre vielleicht eine besondere Art von Appositionen anzunehmen, die sehr eng zum übergeordneten Nomen gehören und meistens nicht flektiert werden. Ähnlich: der Diebstahl der 6 m Stoff, in die Stadt Paris. N klasa[SUB klasa/ADN/ADP/PR/ADV/...] EK12 Als Nomina stehen gewöhnlich Substantive (SUB), auf die der Index klas für die Deklinationsklasse übertragen wird, doch können auch Plereme andrer Kategorien an dieser Stelle auftreten.
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2.3 Erklärung des KS, EK12
Wir sprechen dann von Nominalisierungen. Um die verschiedenen Fiillungsmöglichkeiten zu unterscheiden, teilen wir N in dieser Regel in Adjunkte. Die Position SUB wird im KS als Endposition behandelt, obwohl dies strenggenommen nicht stimmt. Sie enthält zwar Elemente wie Hof, Streik, die nicht mehr weiter teilbar sind unter der Bedingung der konstanten Bedeutungsänderung, aber andre Elemente sind durchaus weiter teilbar: Heizung, Essen. Die Plereme, die sich durch diese Teilung ergeben, können syntaktischen Kategorien angehören, die auch an andern Stellen des KS vorkommen. Sie müssen deshalb nur einmal im Lexikon aufgeführt werden. Da sich durch diese Teilung also Positionen ergeben, kann man für sie auch Regeln formulieren. Solche Regeln würden aber Teil der Wortbildungslehre sein. Sie wären für eine Teilmenge der Substantive wie folgt zu fassen: 12.1 SUB[V + WT4] WT4 {en, ung, nis, er, ling ) Beispiele: Vergessen, Reifung, Verhältnis, Lehrer, Lehrling 12.2 SUBfADP + WT5] WT5 | heit, keit, igkeit, tum ) Beispiele: Gesundheit, Wendigkeit, Neuigkeit, Reichtum Die Form dieser Regeln zeigt uns, daß die Wortbildungslehre ein Teil der Syntax sein könnte. Ihre Abtrennung ist nur eine Frage der Ökonomie. Der lückenlose Anschluß beider Teiltheorien muß in jedem Fall gewährleistet sein. Plereme wie ung haben in erster Linie translative Bedeutung, da sie Plereme einer syntaktischen Kategorie in eine andre überfuhren. Daneben bewirken sie aber auch regelmäßige Veränderungen der semantischen Verhältnisse. Dazu gehört, daß bestimmte Leerstellen, die bei der Stellung des Verbs als Prädikat durch verschiedene E repräsentiert sind, bei den Substantiven als Attribute realisiert sind. So erklärt sich die Bedeutungsähnlichkeit zwischen: (1)
Das Institut überführt die Leiche.
(2)
Die Überföhrung der Leiche durch das
Institut...
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2. Konstitutionssystem
Da auch der Infinitiv eines Verbs in der Position SUB verwendet werden kann, ist auch für ihn eine solche Wortbildungsregel vorgesehen. Man kann aber weder sagen, der Infinitiv sei ein Substantiv, denn er kommt auch in andern Positionen vor, noch hier einen Gegensatz konstruieren zwischen Substantiv und Verb, denn in diesem Fall ist ein Verb Teil eines Substantivs und damit eben kein Substantiv. Als Substantive können aber auch Plereme andrer syntaktischer Kategorien ohne Translative stehen. Wir sprechen dann von Nominalisierungen. Auch dabei ist die Grenze, ob ein Plerem schon Substantiv ist oder okkasionell nominalisiert, nicht sauber zu ziehen, weil es sich um einen Vorgang in der historischen Entwicklung handelt, der notwendig graduell ist. Das tangiert aber nicht unsre theoretische Unterscheidung, die notwendig wird, um bestimmte Fälle auseinanderzuhalten. So ist Wohl als ein Element der Kategorie SUB zu bewerten in (3) Dein Wohl liegt allen am Herzen., dagegen als okkasionell nominalisiert in (4)
Das Wohl in ihrer Äußerung darf man nicht überhören.
In (4) ist Wohl im Gegensatz zu (3) als das Wort wohl gemeint, hat also eine andre Bedeutung. Trotzdem kann man es nicht als Ellipse aus das Wort wohl erklären, weil es keine reine Zitatform ist. Denn es kann auch angeben, daß die Äußerung relativiert war und das Gesagte als unsicher darstellte. Man sollte deshalb innerhalb der okkasionellen Nominalisierungen nicht um jeden Preis differenzieren. Als okkasionelle Nominalisierungen sind nicht nur Plereme, sondern so ziemlich alle sprachlichen Einheiten möglich. So Zitationen von Wörtern und Sätzen: (5)
Wenn ist in diesem Zusammenhang falsch.
(6)
„Das geht nicht" meint er.
Doch auch nicht zitiert können Phoneme, Syntagmen und Sätze nominalisiert werden: (7)
Ein A kann eine ganze Welt eröffnen.
2.3 Erklärung des KS, EK12-EK13
(8)
Dieses Grün roch nach Streik. ADP
(9)
Sein Ich widerstand allem Wissen. PR
91
(10) Er liebte das Laß-mich, das sie zur Schau trug. Der Unterschied zwischen direkter und indirekter Rede kann damit im KS beschrieben werden durch die Zuordnung der fraglichen Pleremketten zu verschiedenen Kategorien: (11) Man sagte, das könne nie Erfolg haben. I ES 1 (12) Man sagte: „Das kann nie Erfolg haben." NOMl[N[SF]] Die Regel 12 ist offengelassen, weil so viele sprachliche Einheiten zugelassen sind. Dies sollen die Punkte andeuten. NOM art2[ADV2 + AT4 + PR + PRM + ATI + ATI + AT3 + AT3 +NPkas6] EK13 Mit dieser Regel schließen wir an die Differenzierung der Nominale an. Sie fuhrt die NOM2 aus in Pronomina (PR), deren Morpheme (PRM) und Attribute: (1)
Nicht
nur du als Fußballer bist dieser Meinung ADV2PR
Sie zeigt, daß NOM2 z.T. die gleichen Attribute haben wie NOM1, die weiter unten ausgeführt werden. Als Pronomen zählen Plereme wie ich, kein, nichts, man, sich. Der Terminus ist also nicht für ein gemeinsames Bedeutungsmerkmal gewählt, sondern definiert sich streng im KS. Deshalb entspricht er auch nicht den traditionellen Pronomina, bei denen Plereme ganz verschiedener syntaktischer Kategorien vermengt waren. Viele PR gehören nach dem KS noch in andre syntaktische Kategorien, so das, kein zu AR. Dadurch wird beschrieben, daß es sich in den folgenden Sätzen nicht um die gleichen Plereme handelt: (2)
Kein Linguist macht gute Bedeutungsbeschreibungen. AR
92
2. Konstitutionssystem
(2a) Keiner macht gute PR (3)
Bedeutungsbeschreibungen.
Keiner kann das Alphabet. AR
(3a) Keiner kann das. PR Es kommutieren die PR jeweils mit den ganzen Nominale kein Linguist und das Alphabet. Dadurch erklärt sich der intuitive Unterschied des Bedeutungsbeitrags von kein zu (2) und zu (2a). Keiner in (2a) ist nämlich nicht ein Pronomen, das die Bedeutung von kein Linguist in (2) noch einmal aufnimmt. Dies könnte man zwar meinen, wenn man einen Zusammenhang zwischen (2) und (2a) konstruiert. Doch könnte (2a) in anderm Zusammenhang auch kein Philosoph aufnehmen oder ohne Zusammenhang ganz allgemein, u.zw. nicht nur im Sinn von kein Mensch, zu verstehen sein. Das gleiche gilt analog auch für das, das in (3a) die Bedeutung eines ganzen Satzes vertreten kann. Diese Überlegungen zeigen, daß sich die Zuordnung zu verschiedenen syntaktischen Kategorien inhaltssyntaktisch bewähren wird, obwohl damit nicht die semantische Verwandtschaft der beiden kein bestritten wird. Mit der Unterscheidung von zwei Pieremen das wird es uns auch möglich, den Unterschied von Sätzen mit PR das und AR das mit Nominalellipse zu beschreiben: (4)
Welches System ziehst du vor? Das. AR
(4a)
Was möchtest du? Das. PR
In (4) wird durch das ein bestimmtes System ausgewählt: es ist also in Ellipse System. Das erkennt man auch an der Genuskongruenz des Artikels und Nomens. Wenn man System kommutiert mit einem maskulinen Nomen, muß auch in der. Antwort die maskuline Artikelform den stehen. Dagegen ist in der Antwort von (4a) ganz allgemein über etwas gesprochen, das nicht mit einem Nomen oder einem Nominale benannt ist, vielleicht gar
2.3 Erklärung des KS, EK13
93
nicht ohne weiteres benannt werden kann, das kann also nicht im Genus mit einem Nomen kongruieren, ja ein Nomen, das das in Rede stehende Etwas bezeichnet, kann ein andres Genus haben. Es könnte sich in (4a) um eine Lampe handeln. Das Fragepronomen was in (4a) steht in der gleichen Position wie das. Auch andre Fragepronomen gehören zu PR. Darum ist eine Anzahl von Fragesätzen syntaktisch wie Aussagesätze zu beschreiben, nur daß die Pronomina sich grundsätzlich in ihrer Bedeutung unterscheiden. Derartige Fragesätze unterscheiden sich auch semantisch von Fragesätzen wie (5)
Geht er?
Nach unsern Regeln enthalten NOM2 im Unterschied zu NOM1 keine Artikel und Adjektive. Kommen sie trotzdem mit Artikel vor, so werden sie über K l 2 als Nominalisierungen erklärt: sein Ich, dieses grüne Nichts. Dies bietet eine angemessene Grundlage für die semantischen Unterschiede und andre (z.B. Flexionsmorpheme des Prädikats). Für die Flexion der PR kommen nach K7 nur KT art2 in Frage. Für sie gilt das gleiche wie für KT1 (vgl. EK11 (25)), daß nämlich diese Plereme im KS zweimal aufgeführt werden, einmal in K7 als Kasustranslative und dann als Morpheme der PR, wo sie Genus und Numerus bezeichnen. Wegen dieser kumulierenden Bedeutung kommen sie zweimal in der Strukturbeschreibung vor, und ihr Kasus braucht darum auch hier bei PRM nicht noch einmal berücksichtigt zu werden. Wollte man die Flexion ausfuhrlich regeln, so bräuchte man dafür morphonemische Regeln, weil die Kette PRTPRM nicht immer linear segmentierbar ist, wie schon in EK7 erörtert. Neben den dort behandelten sind hier noch Fälle zu erwähnen, wo NOM2 als NP5 stehen. Denn dann kommen neben linear segmentierbaren auch morphonemisch verschmolzene NOM2 vor. Dies gilt für neutrale Pronomina und bestimmte Präpositionen: für was/wofür, ßr das/dafür, auf das/darauf, über das/darüber usw. Zwischen beiden Formen besteht eine gewisse Komplementarität, die auch semantische Folgen hat. Neben reine Varianten wie
94
2. Konstitutiönssystem
(6) Über was/worüber wundert man sich ? treten Alternanten, so daß als Personenbezeichnung nicht die morphonemische Form stehen kann: (7) *Er verriet ihn daran. Die Regeln dafür können hier nicht im einzelnen bedacht und ausgeführt werden. Es sei jedoch auf einzelne syntaktische Regularitäten bezüglich der Attribute hingewiesen, die damit zusammenhängen: (8) *Wer beschützt uns vor dem, daß das passiert? (8a) Wer beschützt uns davor, daß das passiert? (8b) Wer beschützt uns vor dem, was uns passiert? (8c) Wer beschützt uns vor dem, der das glaubt? (8d) * Wer beschützt uns davor, das uns passiert? Für die Appositionen (NP6) der NOM2 scheint es weitgehende Restriktionen zu geben: (9) *Keiner als Linguist kann das. Außerdem können auch die meisten NOM2 nicht als NP6 stehen: (10) *Ein Linguist, er, kann das. im Gegensatz zu (11) Drei Pfund Spargel, wirklich wenig, waren nicht zu bekommen. NOM art3 kas5,6[ADV2 + AT4 + PRU kas5,6 + AT3 + AT3] EK14 Die Nommale der dritten Art sind zu unterteilen in unflektierbare Pronomen (PRU) und ihre Attribute, darunter wie bei NOM1 und NOM2 ADV2 mit AT4:
(1) AT4
ADV2
PRU5
ganz
tief
unten
Die Restriktion auf kas5,6 haben wir bereits in K7 erwähnt. Dabei sind ebenso wie bei der Präposition der E5 mit NOM1 noch
2.3 Erklärung des KS, EK14-EK15
95
semantische Selektionen zu berücksichtigen, die in (2a), (3a) gegenüber (2) und (3) verletzt sind: (2)
Dort steht zu lesen.
(2a) *Dorthin steht zu lesen. (3)
TU das Brot dorthin!
(3a) *Tu das Brot dort! Sie wären am besten durch die Verbalklasseme zu beschreiben. Plereme der Kategorie PRU6 sind im Deutschen selten. Sie brauchen analog zu den PRU5 keine einleitenden Identifikationstranslative: (4)
Wie verhält er sich? PRU6
Darum ist in (5)
Als was gilt er? NOM2
kein PRU6, sondern ein NOM2 mit PR enthalten. EK.15 ES stela art 1 [ET stel 1,2,4,5 art 1 + SF must/3] Im KS sind zwei Arten von Sätzen unterschieden: Hauptsätze (SF) und Nebensätze, die Teile von Hauptsätzen der Form SF musta sind und selber aus SF musta und bestimmten Translativen bestehen, also strenggenommen keine Sätze sind, weil Satzsein nicht äquivalent ist mit Satz als Teil haben. Die Nebensätze sind aber nach dem KS keine eigene Kategorie, weil sie Elemente verschiedener syntaktischer Kategorien sind und sich auch danach in ihrem Bau unterscheiden. Es gibt demnach drei große Gruppen: Ergänzungssätze (ES), die als E stehen, Angabesätze (AS), die als A stehen, und Attributsätze, die als Attribut stehen. Haupt- und Nebensätze werden nach dem KS nicht aufgrund logisierend-semantischer Zusammenhänge auseinandergehalten. Denn ein enger semantischer Zusammenhang kann auch zwischen zwei verketteten Hauptsätzen bestehen: (1)
Er war Glossematiker. Dann wurde er Tramformationalist.
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2. Konstitutionssystem
Dagegen ist im KS der Zusammenhang syntaktisch definiert, da ein Satz Teil des andern sein muß. Für ES ist dies z.B. leicht feststellbar, da sie eine Leerstelle des Prädikats besetzen: (2) Ich vermute, er wechselt noch einmal. Wir setzen einen ES an, obwohl es sich nach dem Bau auch um einen Hauptsatz handeln könnte. Daß er Teil des ganzen Satzes ist, sehen wir aber daran, daß der Rest ohne ES kein vollständiger Satz wäre. Außerdem leistet er wechselt noch einmal zu (2) einen andern Bedeutungsbeitrag als ihm Bedeutung als Hauptsatz zukäme, und dies muß ja zur Folge haben, daß die Kette verschiedenen Positionen zuzuordnen ist. So würde (2) nicht falsch, wenn der im ES bezeichnete Sachverhalt nicht einträfe, der Hauptsatz (2a) Er wechselt noch einmal. wäre dann aber nicht wahr. Wir haben schon in K6 zwei Arten von ES unterschieden. Diese Unterscheidung ist begründet durch einen Unterschied der Teile, in denen sich ES von Hauptsätzen der Form SF musta unterscheiden können. Wir nennen sie Ergänzungstranslative (ET). Die erste Art der ET (ETartl) erfüllt keine syntaktische Funktion im Nebensatz außer der des Translativs, die zweite (ETart2) hat eine solche Funktion: (3) Man sagt, daß es wirken wird. ETartl (4) Die neue Grammatik gefällt, wem sie einleuchtet. ETart2 Wenn wir in (3) das ET artl daß weglassen, enthält der ES noch alles, was zu einem Hauptsatz gehört. Dagegen erfüllt das Translativ wem in (4) gleichzeitig die Rolle des E3 im ES. Allerdings hat dieses wem nicht die gleiche Bedeutung wie das Fragepronomen wem in: (4a) Wem leuchtet sie ein? Aber es steht in der gleichen Position. Wenngleich die ET artl im ES keine Position besetzen, so haben sie doch kumulierende Bedeutung. Denn nicht alle ES werden mit
2.3 Erklärung des KS, EK15
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dem gleichen ET artl angeschlossen. Die ET artl kommittieren und leisten einen Beitrag informativer Bedeutung zum Satz. Deshalb gibt es auch je nach Hauptsatzprädikat Restriktionen für diese Translative: (5) Es ist nicht sicher, ob es Wert hat. (6) (7) (8)
Es ist sicher, daß es Wert hat. *Es ist nicht sicher, daß es Wert hat. *Es ist sicher, ob es Wert hat.
Es kann hier keine Beschreibung zur Erklärung der Abweichungen gegeben werden, jedoch scheint intuitiv einleuchtend, daß die faktisierende Bedeutung von daß unverträglich ist mit der Bedeutung von ist nicht sicher, das gerade die Faktizität bezweifelt. Die Restriktionen sind dabei nicht nur durch die Negation bestimmt, sie treten auch bei nicht negierten Prädikaten fragt, vermutet suw. auf. Sie gelten auch für ES, die mit 0 als ET artl eingeleitet werden: (9) Ich glaube, sie sind sehr gelehrig (10) *Ich glaube nicht, sie sind sehr gelehrig. Die Erfassung solcher Regularitäten mittels Klassemen wäre eine Aufgabe der Inhaltssyntax. Da ES in verschiedenen Leerstellen von PT eintreten können, sehen wir die Kennzeichnung der Leerstelle mit dem Index stel vor. ES mit ET artl können als ESI, ES2, ES4 und ES5 fungieren: (11) Daß sich formale Grammatiken durchsetzen, ist sicher. (12) Viele merken, daß eine Beschreibung präzis sein kann. (13) Alle erinnern sich, daß das anders war. (14) Einige wundern sich, daß es so langsam geht. Darum haben wir den Index stel auf diese Werte beschränkt. Allerdings gilt das nicht für alle ET artl in gleichem Maße. So scheinen für ET artl 0 nur die Werte 1 und 2 zugelassen. Da ET artl für die verschiedenen Werte von stel gleich sind, brauchen wir den Index nicht in die Klammer zu übernehmen. Trotzdem muß für die ES die Stellenunterscheidung vorgesehen sein. Damit sind auch Polysemien erklärbar wie in 7 Heringer, Deutsche S y n U x , 2. Aufl.
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2. Konstitutionssystem
(15) Daß man präziser beschreibt, bewirkt, daß gute Theorien sich durchsetzen. Denn hier kann der erste ES als ESI und der zweite als ES2 verstanden werden und umgekehrt. Bei gleichlautenden ES können wir aufgrund der Kommutation mit NP die Art der Leerstelle feststellen. Das soll aber nicht bedeuten, daß ES Ersatz für Nominale seien. Es macht auch noch einmal deutlich, daß der Index stela bei E nicht einen Kasus bezeichnet, sondern die Art einer Leerstelle. Denn bei Sätzen kann es sich ja nicht um einen Kasus im normalen Sinn handeln. Die Regel Kl5 eröffnet wie alle Nebensätze eine Schleife über K2. Dadurch können ES selbst wieder ES als Teile enthalten: (16) Daß man sieht, daß das lehrbar ist, ändert etwas.
NP1
I
NOM 2
I
PR
I
man
/
PT1
VM3
El
PA1
t
NP1
VAO sein
\
ADP1
lehrbar
I
NOM2
I
PR das
ES stela art2[ET stela art2 + SF must/3] EK16 Die ES der zweiten Art unterscheiden sich von denen der ersten dadurch, daß ihre Translative eine syntaktische Position im ES füllen. Außerdem sind für den Index stela alle sechs Werte zugelassen:
2.3 Erklärung des KS, EK16 (1)
Wer hungert, wird schlank. ES12— 1
(2)
Man ißt nicht, was man bekommt. ES22
(3)
Das bekommt nur, wem es bekommt. ES32
(4)
Jeder versichert sich, wessen er kann. "ES42
(5)
Doch klagt er, worüber andre lachen. ES52
(6)
Keiner gilt, als was er will. ES62
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Die Belegung des Index wirkt sich dabei auf ETart2 aus, weshalb der Index stela auf ETart2 übertragen wird. Da das Translativ in diesen ES meistens die Position eines E füllt, hat die Identität der Indexe zur Folge, daß das Prädikat des ES eine Leerstelle haben muß, die gleich besetzt ist wie die, in der der ganze ES steht. Füllt z.B. der ES eine Leerstelle der dritten Art, so muß auch das Prädikat des ES solche haben, sonst wird der Satz abweichend. (7)
Er gibt alles, wem er vertraut. IE3 I 1 ES3 1
(8)
*Er gibt alles, wen er kennt.
(9)
*Er gibt alles, wem er kennt.
Diese Regel gilt aber nicht so streng, weil es darauf ankommt, daß das Translativ nach seiner phonematischen Lautung beide 7
100
2. Konstitutionssystem
Positionen besetzen kann. Wenn es sich um ein homonymes Plerem handelt, wird der Satz nicht abweichend, auch wenn die Indexe nicht übereinstimmen: (10) Man nimmt, was kommt. ES2—I was lautet im Nominativ und Akkusativ gleich. Man könnte das Beispiel so interpretieren, daß was vom Hauptsatz aus als Akkusativ gelten muß und im ES als Nominativ. Die Gleichheit der Indexe muß nicht gelten, wenn im Hauptsatz ein Prädikat steht, das ES mit Nulltranslativ zuläßt: (11)
Wer weiß, wer kommt. ES2—I
Man könnte versuchen, solche ES als mit ETartl 0 eingeleitete zu beschreiben, und hätte damit gleichzeitig schon die Bedingung angegeben, nach welchen Prädikaten sie stehen können. Allerdings wäre dazu einmal zu klären, welches der beiden wer-Plereme im ES die Position El besetzt, offenbar nicht das mit Fragebedeutung. Vielleicht ließe sich eine Regel finden, die aus den PR mit Fragebedeutung das Plerem herleiten ließe, das auch translative Bedeutung hat, denn um dieses handelt es sich in (11), nur daß es die translative Bedeutung hier nicht hat. Dazu müßte auch vorgesehen sein, daß ES mit Nulltranslativ die Verbendstellung andrer Nebensätze haben können. Denn das trifft für die bisher behandelten ES mit Nulltranslativ nicht zu. Darum wechselt in (12) nicht nur je nach Interpretation die Position der ES, sondern gleichzeitig die Art: (12)
Wer die besseren Argumente hat, weiß, wer Recht hat.
Falls der erste ES der El ist, dann ist er von der zweiten Art und der ES2 von der ersten Art. Falls der zweite der El ist, ist dieser von der zweiten Art und der erste ein ES21. Die Unterscheidung von ESartl und ESart2 kann ebenfalls zweideutige Sätze erklären.
2.3 Erklärung des KS, EK16
101
Da nämlich ES art2 gewöhnlich Gegenstände bzw. Personen kennzeichnen, ES artl dagegen Sachverhalten, kann man (13) Wer kommt, ist mir bekannt. auf zweierlei Weise verstehen. Einmal wie (13a) Es ist mir bekannt, wer kommt. oder als (13b) Ich kenne den, der kommt. In der Interpretation (13a) liegt ein ES11 vor. Er könnte als Antwort darauf gegeben werden, daß mir jemand erzählt, wer alles zu einer Party kommt. Man würde dann nicht mitbehaupten, daß man diese Leute auch kennt. In der Interpretation (13b) liegt ein ES 12 vor, der die Person(en) kennzeichnet, die mir bekannt ist (sind). Wenn bei einem mehrwertigen Prädikat in verschiedene Leerstellen ES eintreten können, dann können diese ES gewöhnlich auch auf einmal auftreten. Die Grenze hierfür dürfte nur dadurch gegeben sein, daß man den Satz nur noch schwer verstehen kann. So ist (14) ohne weiteres möglich, (15) aber schon schwer verständlich: (14) Sie bieten, wem sie können, an, was sie wollen. 1 1 1 ES3 ' ES2 (15) Wers versteht, läßt, wen er kennt, wen der will, bitten, 1 1 1 1 ESI ES2 ' ES2 1 daß ers ihm erklärt. 1 1 ES5 Von diesem Nebeneinander gleichstufiger ES, die in verschiedenen Leerstellen stehen, ist zu unterscheiden die Möglichkeit, die gegeben ist, ES wieder als Teile von ES zu bringen. Diese Möglichkeit ergibt sich dadurch, daß K15 und Kl6 eine Schleife eröffnen, die uns über SF musta nach K2, von dort über E stety nach K6 und von K6 über ES wieder zu Kl5 und Kl6 fuhrt. Dabei kommen wir in der Satzdarstellung durch jede Konjunktionsregel eine Stufe tiefer. Schematisch liefe das so:
102
2. Konstitutionssystem
(16)
P :
ES5 ET
/
(SFa)
Wir erkennen, daß die verschiedenen Sätze (SF musta) in der Stufung einander untergeordnet sind. Dagegen sähe die Beschreibung von (15) schematisch so aus: (15a)
Hier liegen alle SFa außer dem fiir den ganzen Satz auf einer Stufe. Wie kompliziert die Stufung werden kann und wie schwer verständlich gestufte ES sind, veranschaulicht (17) mit seiner verkürzten Strukturdarstellung: (17) Daß, wer kommt, erkennt, was geschieht, verhindert, daß er unterschätzt, daß, was Gefahr bringt, wem dies nicht gelingt, entstehen kann. Damit unser KS nicht ungrammatische Sätze erzeugt, müßte hier vorgesehen sein, die Schleife zu begrenzen. Dazu muß überhaupt ein Ausweg aus der Schleife möglich sein. Diesen Ausweg bietet K6, wo ja ein andres Adjunkt gewählt werden kann, wie z.B. NP kasa. Den Durchlauf dieser Schleife müßte man wohl auf
104
2. Konstitutionssystem
drei begrenzen, um die Akzeptabilität der Sätze zu gewährleisten. Man müßte also, wenn man zum vierten Mal in einem Satz direkt über K6 kommt, NP kasa wählen. Falls man beliebige Arten von ES in die entsprechenden Leerstellen eines PT einsetzt, kann man abweichende Sätze bekommen: (18) *Ich hoffe, wer kommt. (19) *Ich esse, es wächst. Solche Abweichungen können durch die Klasseme der entsprechenden Leerstellen beschrieben werden, indem man z.B. für (18) entweder aufnimmt, daß nicht die syntaktische Kategorie ES art2 als E2 stehen kann oder indem man ein semantisches Merkmal wie '-mi' benutzt, wobei mi = Gegenstandsbeschreibung. Was angemessener ist, wäre durch eine genauere Untersuchung zu klären. Weitergehende klassematische Beschränkungen liegen vor in (20) *Wer will, schneit. (21) *Er beeilt, wen er sieht. Denn bei schnei ist als El nur es zugelassen, bei beeil als E2 nur Reflexivpronomina. K[PT werta + ST art2 + ST art3 + fE stelß + fA stel-y] EK17
Als E können außer NP und ES auch satzähnliche Syntagmen stehen, die wir Infinitivkonstruktionen (IK) nennen. Sie enthalten wie SF musta Folgen von E stel/3 und A stety, aber keine vollständigen Prädikate mit Verbalmorphemen, sondern nur Prädikatsteile (PT werta), an die Translative (ST2, ST3) angeschlossen sind. Dabei regelt werta die Auswahl der E wie in SF musta, allerdings ohne El. So wäre die IK aus (1) darzustellen als (2): (1)
Es fällt nicht leicht, drei schwere Syllogismen jemandem an einem Tag beizubringen.
2.3 Erklärung des KS, EK17
PT123 beibring
ST2 ST3 en
zu
E2
E3
drei jemandem schwere Syllogismen
105
A an einem Tag
IK sind nicht für alle Werte von stela als E zugelassen, sondern nur für a = 1,2,4,5: (3) (4) (5) (6)
Dazubleiben obliegt den Vorderen. Die Hinteren erwägen, die Vorderen in Anspruch zu nehmen. Die Mittleren beschuldigen die Vorderen, die Hinteren zu zwingen. Darum sind die Hinteren bereit, dazubleiben.
Die Beschränkung der Variablen kann allerdings hier nicht mehr beschrieben werden, weil wir in K6 wegen des gleichen Baus aller IK den Index stela nicht übertragen haben. Die Ähnlichkeit mit Sätzen hat auch dazu geführt, daß man IK aus Sätzen erklären wollte. Dies konnte so lange aber nicht gelingen, wie man die Unterschiede nicht berücksichtigte. Betrachten wir folgende Beispiele: (7)
Manfred glaubt, mit dieser Argumentation
durchzukommen.
(8)
Manfred glaubt, daß er mit dieser Argumentation durchkommt.
(8) kann nicht als vollständige Erklärung von (7) gelten, weil die Kommutations- und Bedeutungsmöglichkeiten verschieden sind. In der Regel wird zwar er aus (8) auf Manfred bezogen, dies gilt aber nur, wenn der Satz ohne Kontext betrachtet wird, er kann sich auch auf eine andre Person beziehen. In diesem Fall erklärt (8) nicht (7), und (7) ist auch nicht aus (8) transformierbar. Dies gilt insbesondere nicht für: (9)
Manfred glaubt, daß Paul mit dieser Argumentation durchkommt.
106
2. Konstitutionssystem
Der Unterschied zwischen (7) und den ES aus (8) und (9) besteht darin, daß die IK im Gegensatz zu den ES keinen El enthalten kann. Der El wird nach bestimmten Regeln aus einem E des Hauptsatzes entnommen. Darum wäre eine Transformation nur bei identischer Belegung bestimmter E aus Sätzen der Art (8) möglich. Ein weiterer Unterschied der IK besteht darin, daß (7) auch aus einem der folgenden Sätze abgeleitet werden könnte: (8a) Manfred glaubt, daß er mit dieser Argumentation durchkommen wird. (8b) Manfred glaubt, daß er mit dieser Argumentation durchkommen kann. Dies liegt daran, daß die IK kein Prädikat enthält, sondern nur einen Prädikatsteil ohne Tempusmorphem. Auch das Tempus wird bei der IK in gewisser Weise aus dem ganzen Satz entnommen. Wegen dieser Unterschiede kann es sein, daß ein Prädikat als E zwar eine IK, aber keinen ES zuläßt. Dann ist die Erklärung aus einem ES überhaupt nicht sinnvoll: (10) Man fängt jetzt an, dies genauer zu überdenken. (11) *Man fängt jetzt an, daß man dies genauer überdenkt. In unserer Beschreibung sind sowohl die Unterschiede zwischen ES und IK wie auch die Gemeinsamkeiten berücksichtigt. Wir sehen, daß in der IK weder die Subjektrelation (El, P) noch eine Objektrelation (E2, P) vorkommen kann, weil sie kein P und keinen El enthält. Wir sehen aber auch, daß die Wertigkeit des Prädikatsteils bestimmte E auswählt, so daß man auf diese Weise die Abweichung von (12) erklären kann: (12) *Sie wünscht sich, auf diesen Mann zu lieben., 1 1 E5 und daß über E und A die gleichen Schleifen möglich sind wie bei SF musta. Auf diese Weise kommen interne Schleifen in den IK zustande: (13) Ich rate dir, heute anzufangen, das Buch gründlich zu lesen.
2.3 Erklärung des KS, EK17
107
In der Strukturbeschreibung stellt sich diese Schleife wie bei den ES dar:
das Buch gründlich
les
Der Durchlauf dieser Schleife ist auch zu begrenzen, da er graduell abnehmende Akzeptabilität bewirkt. Die Zahl der möglichen Durchläufe scheint niedriger als bei ES, weshalb auch — wenn möglich — anstelle der IK von den Sprechern in diesen Fällen ES benützt werden. In den IK sind zwei Translative angesetzt: neben dem Infinitivmorphem (ST2) noch ein weiteres (ST3), das die IK von anderen Verwendungen des Infinitivs unterscheidet. Hier ist besonders wichtig die Abgrenzung der IK von den nominalisierten Infinitiven: (14) Sein Klagen geht uns ans Herz. Solche nominalisierten Infinitive werden überNOMl beschrieben. Sie lassen als Nomina Artikel und attributive Adjekiive zu, die in IK nicht möglich sind: (14a)
Sein lautes Klagen geht uns ans Herz.
Dagegen lassen sie nicht E und A wie die IK zu: (14b)
*Sein immer Klagen geh t uns ans Herz.
108
2. Konstitutionssystem
Nun scheint es Fälle zu geben, wo die Unterscheidung nicht möglich ist, wenn nämlich alle Positionen außer dem Infinitiv null sind: (15) Studieren ist hart. In diesen Fällen hat man aber das Kriterium des ST3, das in der IK enthalten sein muß. Da es hier fehlt, muß es sich um eine Nominalisierung handeln. Dies wird auch bestätigt, wenn wir versuchen, die Nullpositionen zu füllen, die eine IK enthalten müßte. Dann wird nämlich das ST3 notwendig: (16) Goethe zu studieren ist hart. I E2 | 1 1 IK Es handelt sich dann um eine IK. Da der nominalisierte Infinitiv keinen E2 zuläßt, wäre für ihn nur ein attributiver Anschluß oder ein Kompositum zulässig: (17) Das Studieren von Goethe ist hart. 1 1 NOM (18) Das Goethe-Studieren ist hart. 1 1 NOM Unsere Beschreibung bewährt sich auch dadurch, daß bestimmte Selektionen, die vom Prädikat gesteuert werden, sich nur auf IK und nicht auf nominalisierte Infinitive erstrecken: (19) Wer gibt dem Studieren eine Chance? E3[NP3] (20) *Wergibt heute Goethe zu studieren eine Chance? 1 1 E3[IK] Ich habe schon angedeutet, daß regelmäßige semantische Beziehungen zwischen einem supponierten El der IK und einem der E des Hauptsatzes bestehen. Die Beschreibung dieser Regularitäten bereitet Schwierigkeiten, weil die Reduktion der IK auf einen Satz problematisch ist. Wir beschreiben sie hier einmal vorläufig mit Klassemen und sehen so, daß das Erstklassem des Prädikatsteils der IK in verschiedene Leerstellen des Hauptsatzprädikats über-
2.3 Erklärung des KS, EK17-EK18
109
nommen werden kann. Damit erklärt sich die Abweichung der folgenden Sätze: (21) *iDer Tisch wagt rot zu sein. (22) *Der Mann wagt sich zu ereignen. In (21) läßt das Erstklassem von wag nicht Tisch zu, in (22) das Erstklassem von ereign nicht Mann. Aus dieser Beobachtung leiten wir eine Klassifikation der Hauptsatzprädikate her, die sich ergibt aus der Beschreibung der klassematischen Verhältnisse. Wenn wir das Erstklassem des PT der IK vor den Pfeil schreiben und Klasseme des PT des Satzes hinter den Pfeil, bekommen wir folgende Regeln: (23) ki H> k j : Ich verspreche dir, bald zu kommen. (24) k, h* k2: Ich verpflichte dich, bald zu kommen. (25) k t t->k3: Ich verbiete dir, bald zu kommen. (26) k j H>- k 5 : Ich verlange von dir, bald zu kommen. Von diesen Klassemregeln kann nur abgewichen werden, wenn statt einer IK ein ES gewählt wird. Das ist aber nicht immer möglich, s. (11). Aufgaben: 15] Wie wird im KS die Mehrdeutigkeit von er teilte den ganzen Tag ein beschrieben? 16] Wie wären die Regeln für die NP zu verändern, wenn man die ARM, AM und NM und PRM nicht zweimal in den Strukturbeschreibungen haben wollte? Welche Nachteile hätte das? 17] Geben Sie Alternativregeln zu Kl 1 an, mit denen Syntagmen ¡vie diese meine Vorschläge zu beschreiben wären? 18] Wie könnte man ins KS aufnehmen, daß IK nur für die Werte ¡tela = 1,2,4,5 als E zugelassen sind? 2.33 Angaben A stela[NP kas/3 stela/AS stela/PK stel3,7/ IKA stel5,7/ADG stel7] EK18 Die Ausführung der A bildet den dritten Teil des KS. In dieser Regel werden sie in fünf Adjunkte zerlegt: Nominalphrasen, An-
110
2. Konstitutionssystem
gabesätze (AS), Partizipialkonstruktionen (PK), Infinitivkonstruktionen besondrer Art (IKA) und Adverbialgruppen (ADG): (1) Er erkannte sie beim ersten Mal. L A[NP5]—i (2) Es schüttelte ihn, als er sie traf. ' A[AS]—1 (3) Über die Straße rennend hatte er ihr nachgepfiffen. 1 A[PK] ' (4) Er tat alles, um das zu erreichen. 1 ' A[IKA] (5) Dann vergaß er es sehr schnell. AfADG]- 1 Für die A haben wir in K2 wie für E verschiedene Positionen vorgesehen, die durch verschiedene syntaktische Kategorien belegt sind. Allerdings ist Art und Anzahl der A nicht so wie bei den E durch PT bestimmt. (6) Er machte das wegen Zeitmangel am Sonntag trotz 11 i -A2 11 A3 schlechten Wetters auf der Terrasse mit großer Geschwindig11 11 A4 AI ATkeit mit dem Hammer, um alles fertig zu kriegen. 11 11 1 A8 A5 Die A-Kategorien sind auch nicht wie die E durch den Bau ihrer Elemente zu beschreiben. So kann nicht eine A-Kategorie durch den Kasus der NP bestimmt werden, weil NP verschiedener Kasus kommutieren: (T)
Er besuchte sie diese Woche. 1 —A[NP2]—1
(8)
Er besuchte sie in dieser Woche. ' A[NP5] 1
Es kommutieren auch NP mit ADG und gehören darum zur gleichen Position: (9) Er kam mit großer Geschwindigkeit. (10) Er kam sehr schnell.
2.3 Erklärung des KS, EK18
111
Die Kategorien der A sind am besten durch die Translative der AS bestimmbar. So exkludiert der Angabesatz mit dem Translativ weil die NP5 wegen seiner Schmerzen nicht aber die NP5 an diesem Tag: (11) *Es pressierte ihm wegen seiner Schmerzen, weil er Durst hatte. (IIa) Es pressierte ihm an diesem Tag, weil er Durst hatte. Wir können aufgrund der Angabetranslative acht Arten von A unterscheiden. Alierdings müssen dennoch mehr als acht Positionen für A angenommen werden, weil Angaben der gleichen syntaktischen Kategorie in einem Satz mehrfach vorkommen können: (12) Er kam in der vergangenen Woche am Montag. 1 11 1 A3 A3 Weil schwer zu sagen ist, wieviel Positionen gleicher syntaktischer Kategorie akzeptabel sind, haben wir das KS hier auch offen formuliert, indem wir in K2 eine Folge von A angenommen haben. Die Unverträglichkeit bestimmter A-Positionen müßte darum inhaltssyntaktisch beschrieben werden. Dabei scheinen sich die verschiedenen A-Kategorien bezüglich der Akzeptabilität bei mehrfachem Vorkommen verschieden zu verhalten. Ähnlich wie A3 auch AI: (13) Sie schläft in Heidelberg in der Freßgasse. 1 1 ' AI ' AI Dagegen scheinen A2 wie in (11) nicht mehrfach vorkommen zu können. Die Regel K l 8 subklassifiziert alle A stela gemeinsam, und zwar nicht nach dem Index stela, sondern nach andern Kriterien ihres Baus. Der Index stela wird darum in die Adjunkte übernommen. Allerdings kommen einige Adjunkte nur für bestimmte Werte von stela vor, z.B. gibt es Adverbialgruppen nur als A7, nicht als AI, A2 oder A3 usw. Denn der A3 in (14) Es pressierte ihm heu te. A3 ist ja eine NP5 der Art NOM3 und keine Adverbialgruppe.
112
2. Konstitutionssystem
Der Index stela bei NP müßte eigentlich semantisch erklärt werden. Darum ist er im KS nicht weiter ausgeführt. Er wirkt sich z.B. in NP5 auf die Füllung der PRÄ aus: (15) Er schläft unter dem Bett. i AI ' (16) Er schläft nach dem Essen. 1 1 A3 In andern NP auch auf die Füllung von N: (17) Er ging diese Woche. 1 A3 1 (18) Er ging diesen Weg. < AI—i Deswegen gibt es auch Korrespondenzen zwischen ANT und PRÄ wie weil: wegen, obwohl: trotz, damit: zu. Dennoch gibt es Präpositionen, die in verschiedenen A-Positionen vorkommen können, so nach, hinter u.a. Ähnliche Korrespondenzen gibt es auch zwischen A-Positionen und NOM3 (heute, unten usw.). Bei den NP als A sind alle Werte für kasß außer ß = 1 zugelassen: (19) Man sang den ganzen Tag. 1 1 NP2 (20) Aber man schlief ihm zu lange. NP3 (21) Des abends ruhte man. 1 —NP4— 1 (22) Man ruhte aus gutem Grund. 1 1 NP5 (23) Sie schlief wie ein Murmeltier. 1 1 NP6 Weitaus am häufigsten sind A[NP5], während A[NP4] sehr selten vorkommen. Es gibt aber für die Kombinationen von stela und kas/J gewisse Redundanzen. NP5 kommen in allen A-Kategorien vor, dagegen NP2 besonders in AI und A2, NP4 in AI und A3 und NP6 in AI. Die genaue Zuordnung wäre noch zu ermitteln. Wir haben gesehen, daß sich die A in ihrem Bau nicht unbedingt von E unterscheiden. Doch kann die gleiche Nominalphrase einen
2.3 Erklärung des KS, EK18-EK19
113
verschiedenen Beitrag zur Satzbedeutung leisten je nachdem, ob sie als A oder als E steht. Durch die Unterscheidung der E und A beschreibt das KS deshalb die Mehrdeutigkeit folgender Sätze: (24) Er klagte über zwei Tage. iNP5 1 (25) Ich dränge euch zum Glück. 1 —NP5— 1 In (24) kann die NP5 als A beschrieben werden in dem Fall, daß gemeint ist 'länger als zwei Tage'. Sie wird als E5 beschrieben, wenn gemeint ist: 'das, worüber er klagte, waren zwei Tage'. In (25) handelt es sich um einen A in der Bedeutung 'glücklicherweise dränge ich euch', sonst um einen E5. Die Annahme zweier Positionen wird auch bestätigt dadurch, daß keine Exklusion besteht: (24a) Er klagte über zwei Tage über Zahnschmerzen. 1 11 1 A3 E5 AS stela[ANT stela + SF must/3] EK19 Nebensätze, die als Angabe stehen, heißen Angabesätze (AS). Sie bestehen aus Sätzen der Form SF must(3 und Angabetranslativen (ANT), die wir als Definiens für die Unterscheidung der verschiedenen A-Kategorien benutzt haben. Darum müssen wir den Index stela in die ANT übernehmen. Gemäß K l 8 exkludieren AS auch NP in der gleichen Position: (1) * Weshalb arbeiten Professoren, weil sie altern ? 1 A2 AS2 ' (2) Weshalb arbeiten Professoren, wenn sie altern? L 1 A2 AS3 Die ANT haben nicht nur translative Bedeutung, sondern auch informative. Deshalb bewirkt die Kommutation der ANT Bedeutungsänderungen : (3) Professoren arbeiten, bis sie finfzig sind. (4) Professoren arbeiten, wenn sie fünfzig sind. ANT und ET sind disjunkte Mengen. Darum wird die Unterscheidung im heutigen Deutsch genau beachtet, auch in Fällen wie •
Heringer, Deutsche Syntax, 2. Aufl.
114
2. Konstitutionssystem
daß, das früher sowohl als ANT wie auch als ET gebraucht wurde. Heute muß dagegen als ANT damit stehen. Deshalb sind Sätze wie (5) Ich höre weg, daß er schweigt. archaisch oder mundartlich. Da AS als Teile SF mustß enthalten, entsteht eine Schleife über K2, durch die es auch möglich wird, AS in AS zu beschreiben mittels eines weiteren Durchlaufs der Schleife. Der Satz (6)
Wenn einer über Sprache spricht, weil er spricht, obwohl 1 1 1 AS AS' ' ' man es nicht erklären kann, soll man weghören. AS" ' erhielte folgende Strukturbeschreibung:
2.3 Erklärung des KS, EK19-EK20
115
Weil aber ein Satz verschiedene A-Positionen enthält, können AS auch als gleichstufige Konjunkte stehen. Wir erreichen dies in (6) durch eine Permutation: (7) Wenn einer über Sprache spricht, soll man weghören, obwohl man es nicht erklären kann, weil er spricht. Daran sieht man, daß die Pleremstellungsregeln die Stufenzugehörigkeit berücksichtigen müssen. (7) könnte folgendermaßen beschrieben werden: (7a) I . X . AS AS AS Dann wäre (7) so zu interpretieren, daß man weghören soll, weil er spricht. Es wäre aber auch die Interpretation möglich, daß man es nicht erklären kann, weil er spricht. Die Strukturbeschieibung müßte dann so aussehen: (7b) SF1 7 \ s
AS' Diese Erörterungen zeigen uns, daß die Stufung in der Strukturbeschreibung semantisch relevante Zusammenhänge beschreibt und bestimmte Mehrdeutigkeiten von Sätzen deutlich machen kann. PK[V werta + PTT + fE stelß + fA stel-y] EK20 Partizipialkonstruktionen (PK) sind im heutigen Deutsch selten. Sie sind satzähnliche Syntagmen und bestehen aus einem Verbalplerem (V werta) mit einem Partizipialtranslativ (PTT) und aus einer Folge von E und einer Folge von A: (1) Gelassen seinen Bauch betrachtend kam er ins Staunen. 1 • PK Die A-Kategorie, zu der PK gehören, ist nicht leicht zu ermitteln, weil die meisten Sätze mit PK sowieso schon am Rande der Akzeptabilität stehen. Wir haben sie nur für A3 (wahrscheinlich in (1)) und für A7 (wahrscheinlich in (3) EK18) zugelassen. Es wäre 8'
116
2. Konstitutionssystem
sogar zu erwägen, sie alle einer Kategorie und einer Position zuzuordnen. Denn mehrere PK dürfen in einem Satz nur nektiert vorkommen: (2) *Sein Geld zählend ging er ein Lied pfeifend ins Haus. (3) Sein Geld zählend und ein Lied pfeifend ging er ins Haus. Der Index stel aus K18 ist wegen des gleichen Baus aller PK auch nicht in K20 übernommen. Die Akzeptabilität der PK nimmt auch bei wachsender Länge schnell ab. Deshalb kann sie weder viele E noch A enthalten: (4) *Mit großer Hast deshalb von Bier zu Wein übergehend wurde ihm unwohl. Auch zusammengesetzte Prädikatsteile scheinen mir in PK nicht möglich, deshalb sind in K20 nur einfache Verben vorgesehen: (5) *Seine Beine baumeln lassend sinnierte er lange. Sollte man Sätze wie (5) für nicht-abweichend halten, wäre statt V stela in K20 PT stela aufzunehmen. Die Wertigkeit der Verben bleibt in der PK mit allen Konsequenzen erhalten. Sie regeln, wie in SF musta das Prädikat, Art und Zahl der E. Da die PK ebenso wie IK keinen El enthält, wird dieser meistens aus dem ganzen Satz entnommen. Die Regeln dafür werden hier nicht gegeben, doch gilt meistens die Klassemregel k j i^kx. Bei den Partizipialtranslativen sind zwei Arten zu unterscheiden: präsentische und perfektische. Sie treten auch an andern Stellen des KS auf, in der Wortbildung des Adjektivs (EK11) und als ST1. Die perfektischen PTT könnten in zwei Subklassen unterteilt werden, eine für schwache Verben und eine für starke mit Ablaut (AI). Der Teil ge dieser PTT kann bei bestimmten Verben nicht stehen. Solche Verben sind untrennbare Präfixverben (verlangt) und Verben auf ieren (sinniert). IKA stela[IKT stela + IK] EK21 Infinitivkonstruktionen, die als A stehen, unterscheiden sich von denen, die als E stehen, in ihrem Bau dadurch, daß sie noch zusätzliche Translative enthalten (IKT). Darum genügt es, sie im KS zu teilen in IK und IKT. Weil IK schon beschrieben sind,
2.3 Erklärung des KS, EK 21
117
bringt dieser Schleifenbezug eine Vereinfachung des KS mit sich. Der Unterschied im Bedeutungsbeitrag der IKA zu dem der IK muß dabei einmal erklärt werden durch die Verschiedenheit der syntaktischen Stellung (als E bzw. als A) und zum andern durch die IKT. Sie haben kumulierende Bedeutung, da sie kommutieren: (1) HerrK. kommt, um zu vergessen. (2) HerrK. kommt, ohne zu vergessen. (3) Herr K. kommt, statt zu vergessen. In K18 haben wir die IKA mit stel5,7 den A-Kategorien 5 und 7 zugeordnet. Dieser Index wird hier auf die IKT übertragen, bei denen gemäß ihrer Bedeutung im Lexikon zwei Arten unterschieden sind. Allerdings kann diese Beschreibung noch zu weit sein, weil die Exklusionsprobe durch die mehrfachen A-Positionen nicht immer sichere Ergebnisse liefert. In archaisierendem Stil kann das Translativ um weggelassen werden: (1 a) Herr K. kommt zu vergessen. Dann handelt es sich aber dennoch um eine IKA, weil sie als A steht. Wollte man zu vergessen als E ansehen, dann müßte man annehmen, kommt sei hier dreiwertig, weil dieses Syntagma nicht die zweite Leerstelle des zweiwertigen kommt füllt und den E5 nicht exkludiert: (1 b) Herr K. komm t her zu vergessen. Eine solche ad-hoc-Annahme zweier verschiedener Prädikate erübrigt sich im KS. Sie ist auch überflüssig, weil (1) und (la) bedeutungsgleich sind, so daß die Beschreibung als IKA in (la) ebenfalls angemessen ist. Der Schleifenbezug auf IK eröffnet über deren E und A die Möglichkeit, IK und IKA in IKA zu bringen: (4) Er hoffe, ohne sich anzustrengen, sein Geld zu verdienen. 1 1 IKA i IK 1 (5) Anstatt zu lachen, um nicht den Mut zu verlieren, weinte sie. 1 1 IKA ' IKA 1
118
2. Konstitutionssystem
Ein weiterer Grund für die Trennung der IK und IKA ist ihr verschiedenes Verhalten bezüglich des aus dem ganzen Satz zu entnehmenden El der IK. Hier scheint es bei den IKA nicht so feste Regeln zu geben, so daß mehrdeutige Sätze entstehen können: (6) Die Milch wird getrunken, um nicht dick zu werden. Um solche Mehrdeutigkeiten zu vermeiden, werden IKA in der Kommunikation in AS umgewandelt: (6a) Die Milch wird getrunken, damit sie nicht dick wird. (6b) Die Milch wird getrunken, damit man nicht dick wird. Solche Umwandlungen zeigen die Verwandtschaft bestimmter IKA (mit IKT um) mit sog. Finalsätzen, d.s. mit damit eingeleitete AS. Andre IKA müssen in andre AS aufgelöst werden. Wir sehen aber auch an (6a), (6b) gegenüber (6) den Unterschied von AS und IKA, da jene bestimmte Mehrdeutigkeiten durch explizite Nennung des El nicht zulassen und außerdem nicht der Bedingung unterliegen, daß eine irgendwie geartete Identität zweier E vorliegen muß. ADG[ADV1 + AT4] EK22 Als Adverbialgruppe (ADG) zählen Adverbien (ADV1) mit ihren Attributen (AT4), wenn sie als A stehen und damit Konjunkte der ersten Stufe sind. Obwohl traditionell verschiedene Untermengen von ADG angenommen werden, haben wir sie in K l 8 nur der A-Kategorie 7 zugeordnet. Den Index stel7 können wir jetzt weglassen, weil er keine weiteren Differenzierungen ergibt. Die Unterschiede nach ihrem semantischen Verhältnis zum Satzrest kann man nämlich nicht durch Zuordnung zu verschiedenen A-Kategorien beschreiben. Solche semantischen Unterschiede erkennen wir in den folgenden Beispielen: (1) (2) (3) (4) (5)
Sie kamen müde zurück. Sie kamen schnell zurück. Er ißt sein Fleisch roh. Sie kamen bekanntlich zurück. Sie kamen wahrscheinlich zurück.
2.3 Erklärung des KS, EK 22
119
Unterscheidungen hat man begründet damit, daß in (1) gemeint sei, sie seien müde gewesen, als sie kamen, in (2) dagegen, ihr Kommen sei schnell gewesen, in (3), das Fleisch sei roh usw., so daß sich das Adverb jeweils auf eine andre syntaktische Position (El, PT und E2) beziehe und in (4) und (5) auf den ganzen Satz. Dazu ist zu sagen, daß etwa in (2) auch sie schnell waren, ebenso wie man in (1) von müdem Kommen sprechen kann. Darüber hinaus gehören die beiden Adverbien sowieso nicht zur gleichen Position, da sie sich nicht exkludieren. Fraglich bleibt allerdings, ob das zur Folge hat, daß sie zu den Sätzen einen verschiedenen Bedeutungsbeitrag leisten oder ob man für alle Arten von A einen gleichen Bedeutungsbeitrag annehmen kann. Dafür kann man sich wohl kaum zuverlässig auf einfache Paraphrasen stützen, so daß man feststellt, aus (4) würde folgen, daß ihr Kommen bekannt, und aus (5), daß ihr Kommen wahrscheinlich sei. Denn eine regelmäßige Paraphrasenbildung kann zufallsbedingt sein. So könnte eine der Paraphrasen unmöglich sein, weil das Adverb kein entsprechendes Adjektiv hat. An die Stelle der Paraphrasen müßte vielmehr eine exakte Bedeutungsbeschreibung treten, die alle Gebrauchsbedingungen erfaßt. Dann könnten wir vielleicht für ADG wie in (3) und (4) eine eigene A-Kategorie ansetzen. Solange wir alle ADG zu einer gleichartigen A-Kategorie zählen, müssen wir den semantischen Unterschied der ADG im Verhältnis zum Satzrest inhaltssyntaktisch durch verschiedene semantische Funktionen beschreiben. Als ADV1 sind verschiedenartige Piereme möglich. Viele von ihnen gehören auch zur Position Adjektiv. Trotzdem nehmen wir hier an, ADV1 sei ein Endzeichen, und fuhren es in einer Lexikonregel aus. Die Plereme dieser Kategorie wären aber auch noch nach Wortbildungsregeln analysierbar, da Partizipien und mit weise oder lieh abgeleitete Adverbien darunter sind. Ähnliches gilt für Komparative und Superlative, die unanalysiert als ADV1 angesehen werden. Die Attribute der Adverbialgruppen werden später mit den übrigen Attributen zusammen behandelt.
120
2. Konstitutionssystem
Aufgaben: 19] Beschreiben Sie nach dem KS das zweite nominale Syntagma in: Er hat über 10 Mark ausgegeben. 20] Beschreiben Sie die Mehrdeutigkeit von Man schneide zwei Tage alte Semmeln. 21] Beschreiben Sie die Syntagmen: Angenommen du bleibst [, was wäre dann?], nach getaner Arbeit [schlief er ein] durch Teilgraphen. 22] Wie wird im KS die Abweichung von: *Er ging ohne seine Frau und ein Wort zu sagen. erklärt? 23] Geben Sie die Klassemregeln für die IKA.
2.34 Attribute AT1[NP kas4/RS] EK23 Die Ausführung der Attribute bildet den letzten Teil des KS. Wir haben für die Attribute in Nominalen schon drei Arten (ATI, AT2, AT3) vorgesehen in K l l , K13, K14. Sie können zum Teil auch in mehreren Positionen vorkommen. Allerdings sind nicht in allen Arten von Nominalen die gleichen Positionen angenommen. Insbesondere enthalten NOM3 keine AT1[NP4]: (1) Das geht nicht in den Kopf mancher Leute. I ' AT 1 [NP4] 'I L 1 NP5[NOMl] (2)
*Das geht nicht hinein mancher Leute. L I —AT1[NP4H 1 '—NP5[NOM3] Obwohl kaum alle Positionen, die in NOM1 oder NOM2 für Attribute angenommen sind, gleichzeitig besetzt sein können, ist es doch notwendig, so viele Positionen anzusetzen, falls man nicht die N subklassifizieren will oder Möglichkeiten findet, weniger Attributpositionen anzusetzen und diese so in Adjunkte auszuführen, daß alle Möglichkeiten erfaßt würden. Doch auch dann
2.3 Erklärung des KS, EK23
121
wären im N0M1 mindestens vier Positionen anzusetzen und im NOM2 auch mindestens vier, wie die folgenden Beispiele zeigen: (3) Die Wette des Linguisten mit dem Germanisten um Geld, 1 11 1 ATI AT3 L-AT3- 1 die kaum zu gewinnen war, wurde trotzdem gewonnen. (4)
Etwas dieser Art aus Pappe in meiner Schublade, das 1 1 —ATI— 1 '—AT3—' 1 AT3 ich suche,... —ATI-1 Dabei ist z.B. unsicher, ob (3) unter Hinzufiigung von AT2 daß es so kommen würde noch akzeptabel wäre.
Die Regel K23 zerlegt die ATI in zwei Adjunkte: genitivische Nominalphrasen und Relativsätze (RS). Demnach können z.B. NOM1 zwei Relativsätze oder zwei NP4 oder einen Relativsatz und eine NP4 enthalten: (5) Der einzige Mann auf der Welt, den ich kenne, 1
der das
AT3
1
1
ATI [ R S ] — 1
kann,...
a t i [ r s H
(6)
Ereignisse dieser Art der letzten Jahre,... l AT 1 [NP4]11—"AT 1 [NP4]—1 (7) Der einzige Mensch dieser Ansicht, den ich gut kenne,... ' AT 1 [NP4] ' 1 ATI [RS] 1 Falls sich bestätigt, daß Beispiele wie (6) selten und alle nicht besonders akzeptabel sind, könnte man die Regeln umformulieren, so daß zwei NP4 nicht zugelassen wären. Dies müßte im Rahmen einer umfassenderen Untersuchung der Verträglichkeit der Attribute geschehen, um die hier gebotene, liberale Annahme von Positionen einzuschränken. Denn es ist offenbar, daß die Belegung aller Positionen weitgehend abhängig ist von der Belegung von N und vielleicht auch andern Positionen wie AR usw. Darum kann die Exklusionsprobe hier nicht so reinliche Ergebnisse liefern, besonders solange der semantische Teil der Theorie nicht ausge-
122
2. Konstitutionssystem
arbeitet ist. Das ist aber ein Grund, das KS eher zu weit als zu eng zu fassen und später zu versuchen, weitere Abweichungen inhaltssyntaktisch zu beschreiben. Wir haben für AT1[NP4] zwar verschiedene Positionen, aber nicht verschiedene Kategorien unterschieden, akzeptieren damit auch nicht die gewöhnliche Unterscheidung in subjektiven, objektiven, possessiven, explikativen usw. Genitiv. Denn diese Unterscheidungen sind nur schwer haltbar. Sie überschneiden sich z.B. in: (8) Dies ist eine Frage der Studenten., wo man ebensogut einen possessiven wie einen subjektiven Genitiv annehmen kann, ohne daß sich die Bedeutung von (8) ändert: (8a) Dies ist eine Frage, die die Studenten haben. Dagegen kommt der Unterscheidung in subjektiven und objektiven Genitiv ein Wert für die Beschreibung der Satzbedeutung zu, weil (9) Die Beherbergung der Gastwirte steigt. im Sinn von (9a) und (9b) verstanden werden kann: (9a) Die Gastwirte beherbergen mehr Gäste. 1 ' El (9b) Die Hotels beherbergen mehr Gastwirte. 1 1 E2Dies darf jedoch nicht dazu führen, im KS zwei Positionen für diese NP4 anzunehmen, weil beide Genitive sich exkludieren und also zur gleichen Position gehören: (10) *Die Beherbergung der Gastwirte der Gäste steigt. Wollen wir beide E des Verballexems in Beherbergung in Sätzen der Form (10) füllen, dann müssen wir den El in Form eines AT3[NP5] bringen: (11) Die Beherbergung der Gäste durch die Gastwirte steigt. Die Verschiedenheit der Interpretation von (9) muß deshalb in einem andern Teil der Theorie beschrieben werden. Dies könnte teilweise durch eine Klassemregel geschehen, die vorsieht, daß k t und k 2 von beherberg zu einem Klassem vereinigt werden, das die möglichen Füllungen des AT1[NP4] regelt: k t + k 2 i->- k N P 4 . Von daher wird es auch verständlich, warum wir geneigt sind, (9) eher
123
2.3 Erklärung des KS, EK23-EK24
nach (9a) zu verstehen, weil nämlich k t von beherberg enger ist und El häufiger durch Nomina wie Gastwirt gefüllt wird. Grundsätzlich, d.h. nach den Möglichkeiten der deutschen Sprache kann aber das Verständnis nach (9b) nicht ausgeschlossen werden. Darüber hinaus wären evtl. in der Inhaltssyntax zwei semantische Funktionen für die Abbildung der ATl[NP4]-Positionen auf den übergeordneten Knoten (NOM1) anzunehmen. Da mit AT1[NP4] eine Schleife über K7 eröffnet wird, ist ein Satz wie (10) nicht abweichend, wenn der Gäste als ATI in AT1[NP4] zu verstehen ist. Dann handelt es sich nicht um gleichstufige Konjunkte: (12) Die Beherbergung der Gastwirte der Hauptstadt steigt. Das nominale Attribut wäre dann folgendermaßen darzustellen: (12a) NP4. KT 14
RS[RT + SF musta] EK24 Die Relativsätze bestehen aus Relativtranslativen (RT) und Sätzen der Form SF musta. RT sind NOM2 und haben kumulierende Bedeutung, da sie neben der translativen Bedeutung auch eine andre syntaktische Position in SF musta besetzen, und zwar meistens E- oder A-Positionen, aber auch AT1[NP4] oder AT1[NP3], die im KS nicht vorgesehen sind, aber im gesprochenen Deutsch nicht selten vorkommen: (1)
Der revolutionäre Arbeiter, der so selten RT + El
(2)
Die Gesellschaft, in der sie sich wohl RT + AI
ist,...
fühlen,...
124
2. Konstitutionssystem
(3)
Das System, dessen Mängel offenbar werden,... RT + A T I (4) Der Freund, dem seine Einstellung ich kenne,... RT + A T I RT können auch morphonemische Forpien sein wie wodurch usw.
womit,
Wegen ihrer kumulierenden Bedeutung richten sich die RT zwar in Genus und Numerus nach dem Nomen, zu dem der Relativsatz Attribut ist, im Kasus aber nach ihrer syntaktischen Funktion im Relativsatz. Die Unterschiede der syntaktischen Funktion der RT im Relativsatz bewirken aber nicht, daß verschiedene Kategorien von Relativsätzen angenommen werden müssen. Sie können alle in der gleichen Position stehen, wie auch Nektionen bestätigen: (5)
Das System, in dem wir leben und dessen Mängel offenbar werden,... Relativsätze können ähnliche Bedeutungen haben wie andre Attribute, z.B. kann ein Relativsatz an Stelle einer Apposition oder eines AT3[NP5] gebraucht werden: (6) Mein Freund, ein guter Rechtsanwalt,... (7) Mein Freund, der ein guter Rechtsanwalt ist,... (8) Die Leute an der Spitze... (9) Die Leute, die an der Spitze stehen,... (10) Die Demonstration gestern... (11) Die Demonstration, die gestern stattfand,... Dennoch sind die Bedeutungen von (6) und (7) bzw. (8) und (9) nicht gleich, da (6) auch gebraücht werden könnte, wenn in (7) war statt ist zu verwenden wäre, und (8), wenn in (9) laufen statt stehen zu verwenden wäre. Darüber hinaus stehen die jeweiligen Syntagmenpaare auch nicht in der gleichen Position und exkludieren sich nicht. Es würden nur Redundanzen, keine syntaktischen Abweichungen entstehen in Sätzen wie (12) Mein Freund, der Rechtsanwalt anwalt, ..
ist, ein guter
Rechts-
2.3 Erklärung des KS, EK25
AT2[IK/ES a r t l ] AT2 gibt es nur in N0M1 und NOM2: (1)
(2)
125
EK25
Die Freiheit, etwas zu unterlassen, bleibt. 1 1 AT 2 NOM1 -I Wer erinnert sich daran, daß das geht. 1 1 AT2 NOM2
Und die Belegungen von N und PR, die AT2 zulassen, sind nicht sehr häufig. So ist in (3) kein AT2 möglich, weil das SUB Demonstrant als Personenbezeichnung keine zuläßt: (3) *Der Demonstrant, das zu unterlassen, wurde verhaftet. Darüber hinaus ist auch die Kommutation von IK und ES in gleicher Weise eingeschränkt, so daß in Fällen wie (2), wo die Restriktion durch den PT bedingt ist, öfter keine IK möglich sind, in andern keine ES: (4) * Wer erinnert sich, das zu tun? (5) * Wer weigert sich, daß das geht? Die AT2 sind konstitutionell identisch mit E, die durch IK oder ES artl gefüllt sind. Dies ist möglich, weil diese E für die verschiedenen Werte von stely gleich gebaut sind. Die Verwandtschaft wird besonders in den Fällen deutlich, wo Nomina, die aus Verben gebildet sind, den E dieser Verben entsprechende AT2 haben: (6) Seine Weigerung, das zu tun, hielt er durch. Dennoch füllt die IK in (6) eine andre syntaktische Position und leistet einen andern Bedeutungsbeitrag als die IK in (7): (7) Er weigert sich, das zu tun. Dies wird im KS dadurch deutlich, daß IK oder auch ES aus K25 in einem ganz andern syntaktischen Zusammenhang stehen und darum auch in Strukturbeschreibungen in der Umgebung andrer Knoten. Häufig sind AT2 in NOM2 bei sogenannten Korrelativen, das sind Elemente einer Untermenge von PR, die aus dem PR das und morphonemisch verschmolzener Präposition bestehen. Sie haben
126
2. Konstitutionssystem
deiktische Bedeutung und verweisen als eine Art Platzhalter auf das AT2, das den spezielleren Bedeutungsbeitrag zum Satz leistet. Beispiel für ein Korrelativ ist daran in (2). Dagegen ist bei ähnlichen nicht morphonemisch verschmolzenen NP5, die auch deiktische PR enthalten, kein AT2, sondern ein Relativsatz anzunehmen (vgl. EK24): (8) Wer erinnert sich an den, der starb? Bei Korrelativen scheinen alle andern Attribute außer AT2 ausgeschlossen: (9) * Wer erinnert sich daran, was passiert ist, daß das geht. 1 —ATI [RS]—1 (10) * Wer erinnert sich daran in Berlin, daß das geht. ^T3[NP 5]1 Gemäß der Regel sind wie in ESI auch hier mit Nulltranslativen eingeleitete Attributsätze möglich: (11) Die Annahme, es sei ein Unfall gewesen, ist unbegründet. (12) Der Grund, weshalb das geschehen konnte, liegt tiefer. AT3[NP kas5/AS stel 1 ] EK26 In allen Arten von Nominalen sind zwei AT3 möglich: (1) Die Bank auf dem Hügel unter der Lärche. (2) Einer auf dem Hügel unter der Lärche. (3) Dort auf dem Hügel unter der Lärche. Da diese AT3 durch NP5 gefüllt sein können, ergibt sich für den Fall, daß das NOM selbst Teil einer NP5 ist, daß in der Satzkette zwei NP5 aufeinander folgen, so daß unter Umständen nur schwer zu entscheiden ist, welche NP5 Attribut zu welcher ist. Denn beide können ja allein alle möglichen Positionen einer NP5 füllen: (4) Er saß auf dem Berg unter der Lärche. (5) Er saß auf dem Berg. (6) Er saß unter der Lärche. Meistens kann man aber aufgrund der PT-Klasseme feststellen, daß die nachfolgende NP5 Attribut zur vorhergehenden ist: (7) Geh ins Haus auf dem Berg! (7a) Geh ins Haus! (7b) *Geh auf dem Berg.
2.3 Erklärung des KS, EK26
127
Weil bei N0M3 aber nur Attribute möglich sind, die dem gleichen Klassem entsprechen wie die übergeordnete NP5,hat bei ihnen die Probe nach (7) keinen Erfolg. Wir müssen auf diese Fälle die Stellungsregel extrapolieren und annehmen, die jeweils nachfolgende NP5 sei AT3 zur vorangehenden: (8) Es steht dort oben. 1 —NP5- 1 (8a) NP5 N0M3 PRU
I
dort
AT3
I
NP5 N0M3 i
i oben Als zweites Konjunkt für AT3 haben wir AS stell angesetzt. Das soll nur heißen, daß diese Attributsätze gleich gebaut sind wie solche Angabesätze. Daß es sich aber hier um Attributsätze handelt, wird durch die Regel geklärt. Der Unterschied zu AS in Kl8 besteht vor allem auch darin, daß sie nicht nur räumlich verwendbar sind, sondern auch zur Einschränkung von Zeitbezeichnungen: (9) Das Haus auf dem Berg, wo das Edelweiß bläht. (10) Die Zeit, wo es wächst. Diese Attributsätze haben gewisse Ähnlichkeiten mit RS, wahrscheinlich auch, weil in früherer Zeit und in Mundarten wo als RT benutzt wurde. Dennoch müssen sie im KS an zwei Stellen behandelt werden. Denn der AS stell kommutiert mit NP5, und Nektionen zwischen RS und diesen Attributsätzen sind auch nicht möglich: (11) Die Zeit, wo das Edelweiß blüht, die mein Herz erfreut. (12) *Die Zeit, wo das Edelweiß blüht und die mein Herz erfreut.
128
2. Konstitutionssystem
Darum bewährt sich auch die Annahme einer Position ATI für NP4 und RS. Durch die Verwendung von wo als RT können Mehrdeutigkeiten entstehen, die man mit Relativsätzen verdeutlichen kann: (13) Genau dort auf dem Berg, wo das Haus steht. kann interpretiert werden als RS 'auf dem Berg, auf dem das Haus steht' im Gegensatz zu einem andern Berg oder als die gemeinte Stelle spezifizierend 'an der Stelle, wo das Haus steht'. Bei der Kommutation der verschiedenen Attribute spielen sehr starke semantische Restriktionen mit. So scheinen z.T. AT2 und AT 3 ähnliche semantische Funktionen zu haben und exkludieren sich auch demgemäß: (14) Der Grund daßr, das zu tun L I -AT2[IK]J| 1 —AT3[NP5]— 1 (15) Der Grund, das zu tun. L AT2[IK] J (16) Der Grund für sein Fernbleiben. 1 1 AT3[NP5] (17) Der Grund, daß er ferngeblieben ist. 1 1 AT2[ES1] Solche Regularitäten sind in unsre liberale Formulierung des KS nicht aufgenommen. Vielleicht könnte man sie bei genauerer Analyse noch aufnehmen oder man müßte sie der Inhaltssyntax überlassen. Falls AT3[NP5] Attribute in NP5 sind, eröffnet unsre Regel K26 eine Schleife. Darum können zwei verkettete NP5 sowohl gleichstufige Konjunkte als auch durch die Schleife gestuft sein. Darum sind für (1) verschiedene Interpretationen möglich: (la) NOMI
X
AR
N
AT3
AT3
die
Bank
NP5
NP5
auf dem Hügel
unter der Lärche
129
2.3 Erklärung des KS, EK26
(lb)
NOMI AR
N
AT 3
die
Bank
NP5
I
PRÄ auf
AR I dem
N I Hügel
AT 3 I NP5 j unter der Lärche Nach (la) könnte die Lärche auf dem Hügel stehen, nach (lb) müßte der Hügel so klein sein, daß er unter der Lärche Platz hätte. In beiden Fällen stände die Bank unter der Lärche und auf dem Hügel. Eine andre Polysemie entsteht dadurch, daß die Verkettungsregeln des Deutschen auch u.U. zulassen, die NP5 eines AT3 als A zu interpretieren. In diesem Sinn mehrdeutig ist: (18) Sie schritten gegen die Ausschreitungen aus Übermut ein. Die beiden Strukturbeschreibungen wären: (18a) SF
I
SF15
NM AT3 I I en NP5 schreitung ¿us Übermut 9 Heringer, Deutsche Syntax. 2. Aufl.
130
2. Konstitutionssystem
(18b)
SF SF15 PT15 V15
VM6 en
El
E5
A2
'
I
1
! sie
| ..I gegen die aus Übermut Ausschreitungen
einschreit In der Bedeutung (18b) geschähe das Einschreiten aus Übermut, in (18a) dagegen die Ausschreitungen. Der analoge Fall tritt auch bei E5[NP5] und AT3[NP5] auf. AT4[ADV3 + AT4 + ATT + SF musta] EK27 Die AT4 sind an mehreren Stellen im KS eingeführt: als Attribute zu ADV2 in allen Arten von Nominalen ( K l l , K13, K14), als Attribute zu attributiven Adjektiven (Kl 1) und zu prädikativen Adjektiven (K4) und zu ADV1 (K22) und ADV3, die selbst AT4 sind (K27). Beispiele für AT4 in diesen Positionen geben die folgenden Sätze: (1)
Ein ganz frommer Geschäftsmann erzählt.
(2) (3)
Alles kam ganz schnell Im Grunde war ich ganz kaputt.
(4) (5)
Doch war es ganz genau die Extremstellung. Sie half mir ganz erheblich besser.
Da AT4 ein Konjunkt ist, wird damit ein Konjunkt in Konjunkte ausgeführt. Dies ist notwendig, weil AT4 selbst wieder in AT4 vorkommen, so daß also eine direkte Schleife vorliegt, die nicht in den Regeln beschrieben werden kann, in denen AT4 eingeführt ist. Denn die direkte Schleife setzt voraus, daß man eine Stufe tiefer kommt. Außerdem hat die Aufnahme einer eigenen Regel für AT4 den Vorteil, daß dessen Konjunkte nicht in allen betroffenen Regeln wiederholt werden müssen. Ein Beispiel für die AT4-Schleife haben wir in (5) mit der Struktur:
131
2.3 Erklärung des KS, EK27
N0M2
N0M2
i
ADG7
mir ADV1
sie
I
AT4
besserADV3 erheblich
AT4
I
ADV3 ganz
Die in K27 eingeführten Attributsätze kommen nur sehr eingeschränkt zusammen mit dem ADV3 so vor: (6) Das mochte er so sehr, daß er abließ. (7) Er bewegte sich so ungemein geschmeidig, daß... Gemäß dieser Korrespondenz müssen sie bei Schleifen-AT4 auch richtig plaziert werden, weil sie nicht möglich sind, wenn gleichzeitig noch Adverbien als AT4 in AT4 stehen. Darum können in (7) das ADV3 ungemein und der Attributsatz nicht als gleichstufig aufgefaßt werden, sondern gestuft nach der Struktur (7a)
ADG ADV1 geschmeidig
AT4 ADV3
ÄT4
I
ungemein
ADV3 ATT SF must so
daß
132
2. Konstitutionssystem
Außerdem sind diese Attributsätze nicht möglich bei den vorderen AT4 zu ADV2 in allen Arten von NOM. Attributsätze zum Adverb so sind meistens mit daß eingeleitet. Es gibt aber auch sog. Vergleichssätze, die mit ATT wie eingeleitet werden, das im Attributsatz die Position A7[NP6] besetzt. Sie geben die Möglichkeit, bestimmte vergleichende Syntagmen nicht einfach als NP6 zu beschreiben, sondern als elliptische Vergleichsätze: (8) Du betest jetzt so oft wie früher. (9) Du betest jetzt so oft wie Edmund. In beiden Fällen sind die mit wie angeschlossenen Syntagmen als Reste von Vergleichssätzen anzusehen: für (8) wie du früher gebetet hast, für (9) wie Edmund betet. Das hat den Vorteil, daß alle vergleichbaren Teile (in (8) etwa der A, in (9) der El) mit einer Regel über SF musta eingeführt werden können. Sonst müßte für jeden Fall eine spezielle Regel aufgenommen werden. Mit der Zuordnung der Adverbien zu verschiedenen Positionen und Kategorien kann auch die Verschiedenartigkeit des Bedeutungsbeitrags von nicht erklärt werden: (10) Er erhört mich nicht.
nicht A[ADG]
(11) Er erhört nicht mich.
nicht ADV2 in NOM2
(12) Er erhört mich nicht ganz. nicht ADV3 in AT4 (13) Er erhört mich nicht besonders schnell. nicht AT4[ADV3] in AT4 Daß viele Adverbien sowohl zu ADV1 als auch zu ADV3 gehören, ermöglicht Mehrdeutigkeiten, von denen wir schon die zwischen Adverbien als A oder AT4 in Adjektivprädikaten in EK4 behandelt haben. Eine andre Mehrdeutigkeit kommt durch die Möglichkeit der Verwendung als A oder als ADV2 in NOM zustande: (14) Er läuft gerade jetzt. Diese Mehrdeutigkeit wäre durch die Zuordnung folgender Strukturbeschreibungen aufzulösen:
2.3 Erklärung des KS, EK27
(14a)
133
SF
I
SF1 PT1 VM
El
A7
A3
gerade jetzt (14b)
SF SF1 PT1 VM
El
A3 N0M3
ADV2
PRU
gerade
jetzt
Die Mehrdeutigkeit kann durch Permutation aufgehoben werden. Für die erste Bedeutung erhielten wir: (14aa) Jetz t lauft er gerade., für die zweite: (14ba)
Gerade jetzt läuft er.
Aufgaben: 24] Was müßte man ändern, um die AS stell aus K26 in die RS aufzunehmen? 25] Beschreiben Sie die Mehrdeutigkeit von Sie wohnt in Heidelberg am Neckar. 26] Wie wäre das KS zu ändern, wenn man die Möglichkeit zweier ATI [NP4] ausschließen wollte?
134
2. Konstitutionssystem
2.35 Nektionen Eine Position des KS kann ersetzt werden durch zwei entsprechende Positionen, die gleichartig und gleichstufig sind. Damit gelingt es, Syntagmen der gleichen Position in syntagmatische Relation zu bringen. Die Plereme, die dies ermöglichen, nennen wir Nektive (NEK), die ganze Erscheinung Nektion: (1) Die sicheren Positionen und die extremen Stellungen vertragen sich nicht. In diesem Satz steht ein nektierter El, in dem zweimal die Position NP1 besetzt ist. Die Nektion kann nicht ins KS aufgenommen werden, weil damit für alle Positionen eine Duplizierung vorzusehen wäre und bei mehrfachen Nektionen sogar jede Position mehrfach vorgesehen sein müßte. Dies würde eine ungeheure Komplizierung des KS nach sich ziehen. Mit Schleifen ist die Nektion auch nicht zu erfassen, weil die nektierten Positionen nicht stufenverschieden sind wie Schleifenpositionen. Wir führen darum die Nektion durch eine Zusatzregel ein, die für Variable von Positionen formuliert ist und besagt, daß jedes Konjunkt sich konstituieren kann aus zwei identischen Konjunkten der gleichen syntaktischen Kategorie: N1 X[X(+ NEK + X) n ] n> 0 Diese Regel ist eine Abkürzung für eine Folge von Regeln der Art: X[X + NEK + X] n =1 X[X + NEK + X + NEK + X] n =2 Die Hochzahl n ist also ähnlich wie eine Potenz zu lesen und läßt darum auch mehr als zweifache Nektionen zu wie (2) Da näherten sich Klaus, Günter und Fritz. Man braucht die Nektionsregel nur für Konjunkte zu formulieren. Dann sind alle Adjunkte zugelassen, in die das Konjunkt ausgeführt wird. Für eine einfache Nektion von El sind alle sechs Zweierkombinationen der Adjunkte aus K6 möglich. El + NEK + El kann also auszuführen sein in E1[NP1] + NEK + E1[NP1] wie
2.3 Erklärung des KS, EK27
135
i n ( l ) , E l [ N P l ] + NEK + E l [ E S l ] i n ( 3 ) , E1[NP1] + NEK + E1[IK] i n ( 4 ) , E l [ E S l ] + NEK + E l [ E S l ] in (5), E1[ES1] + NEK + E1[IK] in (6) und E1[IK] + NEK + E1[IK] in (7): (3)
Werkzeug und was sie alles brauchten,
(4)
Die Vorbereitungen und alles auszuführen war nicht
fehlte.
(5)
Wer kam und wer ging, bewunderte
(6)
Was sie anpackten ihnen.
(7)
Hierzubleiben
leicht.
sie.
und sogar die Regel zu finden,
gelang
und wegzugehen ging nicht.
Allerdings gibt es für die möglichen Kombinationen meistens Restriktionen. So kann man nicht alle Unterkategorien von PT werta nektieren: (8) *Der schnappt oder gehorcht ihm. Es gibt noch drei andre Gründe, weshalb die Regel N1 etwas zu weit ist: es sind keine diskontinuierlichen Positionen nektierbar: (9)
*Er setzt und legt den Hut ab (und) hin.
Die Nektion gilt nicht für alle Endzeichen, weil gewöhnlich keine Morpheme und nicht alle Lexeme nektieren. Die Grenze nach unten scheint beim Wort zu liegen: (10)
*Er be- und enthauptet
(11)
*Man lach- und schießt.
sich.
Reine Translative nektieren nicht, weil sie nicht kommutieren. Denn damit entfällt die Möglichkeit, die Füllung der Position zu variieren: (12)
* Wer spottet über und unter Gewalt.
Unsre Nektionsregel N1 liefert uns Strukturbeschreibungen folgender Form: XI
(13) X2 X2
NEK
X3 X2
136
2. Konstitutionssystem
Oder für die Nektion eines E l : (14) SF12 PT12
VM
El
E2
El
NEK
El
Diese Beschreibung hat den Nachteil, daß sie die nektierten El auf eine tiefere Stufe setzt als den E2, was der Annahme traditioneller Grammatiktheorien widerspricht. Deshalb hat man auch Regeln vorgeschlagen, die Bäume der Form (15) XI X2
NEK
X2
X3
liefern. Das hätte aber für uns den Nachteil, daß in der Darstellung eines Satzes mit der Struktur (14) die Wertigkeit nicht erhalten bliebe und außerdem jede Nektion die Wertigkeit verändern würde, was semantisch nicht zu rechtfertigen ist. Als Ausnahme mit Wertigkeitsänderung sind allerdings auch in unsrer Lösung Fälle zu behandeln wie:
(16) a ist identisch mit b. (17) a und b sind identisch. Denn in (16) müßten wir dem ADP identisch die Wertigkeit 15 in (17) dagegen 1 zuordnen. Darum beschreiben wir Fälle wie (17) als besondre Art von Nektionen, die nur zusammen mit bestimmten semantischen Merkmalen des Prädikats vorkommen. Man kann das mit dem Erstklassem des Adjektivs machen. Darüberhinaus müßte der semantische Zusammenhang der beiden Lexikoneinträge für identisch noch mit einer semantischen Regel beschrieben werden. Denn gleichartige Fälle sind nicht selten, allerdings teilweise auch ohne Wertigkeitsänderung:
(18) Fritz begegnet seiner Frau. (19) Fritz und seine Frau begegnen sich. Nektive sind Plereme einer eigenen syntaktischen Kategorie. Sie gehören nicht einer Stufe des KS an, sondern können auf fast allen Stufen stehen, da sie Positionen fast aller Stufen nektieren
2.3 Erklärung des KS, EK27
137
können. Sie sind im Lexikon in drei Subklassen gefuhrt. Die erste (NEK) enthält einteilige Nektive, die zweite (NEK1) und dritte (NEK2) die korrespondierenden Teile von mehrteiligen: (20) Sie war schön, aber böse. (21) Sie war entweder schön oder klug. Bei den mehrteiligen steht in der Kette je ein Teil vor je einer nektierten Position. Als Regel hierfür geben wir: N2 X[NEK 1 + X(+ NEK2 + X) n ] n> 0 Sie beschreibt auch, daß bei mehrfachen Nektionen (n > 1) nur der zweite Teil des Nektivs wiederholt wird: (22) Sie war entweder schön oder klug oder dick. In mehrfachen Nektionen können sich wiederholende Nektive auch elliptisch ausgelassen werden oder durch 0 belegt sein. In Ellipsen wird supponiert, daß alle ausgelassenen Nektive wie das stehende lauten: (23) Sie war schön, (oder) böse oder klug. Eine Ellipse wird auch angenommen, wenn scheinbar mehrere Positionen gleichzeitig nektiert sind. So könnte man in: (24) Menschen vertrauen Gott und singen fromme Lieder. eineNektion der Form vermuten: PT13E3 + NEK + PT12E2. Dies ist aber nach der Regel N1 nicht möglich. Deshalb wird (24) mit Nektion von SF musta erklärt, als Ellipse von: (24a) Menschen vertrauen Gott und Menschen singen fromme Lieder. Da Nektive Bedeutung haben und kommutieren, können sie auch die Bedeutung eines Satzes ändern. Deshalb sind die Bedeutungen von (23) und (25) Sie war schön, böse und klug. verschieden. Die Nektive sind zu unterscheiden von Adverbien, die als Angaben stehen. Als Kriterium dafür kann die Subjekt-Prädikat- Inveision dienen, die bei Adverbien am Satzanfang eintreten muß: (26) *Deshalb er zog sich zurück. (27) . . . denn er zog sich zurück. (28) . . . aber er zog sich zurück.
138
2. Konstitutionssystem
Ebenso durch die Pleremstellung sind NEK von ANT zu unterscheiden. Denn mit ANT eingeleitete Angabesätze haben als Nebensätze Endstellung des finiten Verbs: (29) . . . , weil er sich zurückzog. Je nachdem, welche Position nektiert, ändert sich der Bedeutungsbeitrag der nektierten Position zum Satz. Dadurch können auch Mehrdeutigkeiten entstehen wie in: (30) Sie bemerkten göttliche Zeichen und Wunder., wo man einmal annehmen kann, es sei die Position NP2 nektiert, dann aber auch, es sei nur N nektiert. Dies wirkt sich in der Bedeutung so aus, daß man im ersten Fall annehmen muß, über die Wunder sei nichts Näheres gesagt, dagegen im zweiten Fall, die Wunder seien auch göttlich, daß also göttlich sich auf beide Nomina beziehe. In der Strukturbeschreibung würden die beiden Möglichkeiten getrennt: (30a)
NP2 NP2
NEK
NP2
NOMI
und
NOMI
ADN
AM
N
NM
N
NM
göttlich
e
Zeichen
Q
Wunder
NP2
(30b)
NOMI ADN
AM
göttlich
e
N N
NEK
N
Zeichen
und
Wunder
3.1 Erzeugung von Strukturen
139
Wir erkennen an (30b), daß unsre Regel N1 noch nicht alle Möglichkeiten der Nektion umfaßt, da eigentlich nicht N nektiert, sondern N + NM, das im KS keine Position ist. Dies ist z.T. erfaßt von der Zusatzregel, daß nicht immer Plereme nektieren, sondern nur Wörter. Trotzdem müßten solche Beobachtungen zu einer Präzisierung der Nektionsregel führen in der Richtung, daß nur Teilketten aus Satzketten nektieren. Aufgaben: 27] Wie kann man die Mehrdeutigkeit von Paul und Emma oder Sigma kommen beschreiben? 28] Durch die Regel N2 kann man abweichende Nektionen erzeugen wie *entweder ich als auch du. Wie könnte man das vermeiden?
3. Beschreibung der Struktur deutscher Sätze 3.1 Erzeugung von Strukturen Das KS soll dazu dienen, die Sätze des Deutschen zu charakterisieren, indem es alle Pleremketten, die deutsche Sätze sind, von denen unterscheidet, die keine deutschen Sätze sind. Allen Sätzen soll es außerdem Strukturbeschreibungen zuordnen. Beide Aufgaben hängen zusammen und werden durch sequentielle Anwendung der Regeln gelöst. Wir verwenden dazu zwei Verfahren, erstens das sog. generative Verfahren, zweitens das rekognitive Verfahren. Das generative Verfahren besteht darin, daß wir Herleitungen bzw. Konstitutionsgraphen gemäß den Regeln herstellen, indem wir mit der Regel Kl beginnen, SF als Anfangsknoten hinschreiben und darunter eine Stufe tiefer eines der Adjunkte, in die SF in Kl ausgeführt wnd. Beide Knoten verbinden wir durch eine Kante. Dann suchen wir die Regel auf, in der dieses Adjunkt vor der Klammer steht und schreiben die Konjunkte in der Klammer eine Stufe tiefer und verbinden jedes durch eine Kante mit dem Adjunkt.
140
3. Beschreibung der Struktur deutscher Sätze
Auf diese Weise können wir durch die Wahl verschiedener Adjunkte und Berücksichtigung aller Alternativen bei den Konjunkten alle nach dem KS grammatischen Strukturen erzeugen. An die Endzeichen werden dann Plereme angehängt, die wir aus den entsprechenden syntaktischen Kategorien auswählen. Damit können wir alle nach dem KS grammatischen Sätze erzeugen. Meistens werden wir aber nicht zufällig irgendeinen aus der Menge der grammatischen Sätze erzeugen wollen, sondern einen ganz bestimmten. Das können wir nicht automatisch, weil wir bei Entscheidungen an bestimmten Knoten schon wissen müssen, wie die weitere Ausführung aussehen wird. Darum setzt diese Benutzung des KS einen intelligenten Menschen voraus, der das KS kennt und außerdem die verschiedenen Proben anwenden kann, die in 1.6 behandelt sind. Nehmen wir an, SF12 sei der Beginn einer solchen Überprüfung, dann schreiben wir dieses Zeichen als Ausgangsknoten unsrer Strukturbeschreibung hin. Danach ermitteln wir durch Anwendung der verschiedenen Proben, ob ein Teil zu einer bestimmten Position gehört, in die SF12 nach K2 ausgeführt wird. Haben wir die Zugehörigkeit eines Teils zu einer Position ermittelt, so wird die Bezeichnung dieser Position als Knoten der nächsttieferen Stufe in die Strukturbeschreibung aufgenommen und durch eine Kante mit SF12 verbunden. Wir könnten also jetzt den Graphen (1) erhalten: SF12
(1)
PT12 Wenn wir den Graphen (1) konstruiert haben, dann wiederholen wir nacheinander das gleiche Verfahren für alle Teile der gleichen Stufe, wenn es sich um Konjunkte handelt. Die Reihenfolge der Konjunkte (im Graphen von links nach rechts) ist dabei beliebig. Wir halten uns aber an die Reihenfolge der Regeln. Die Diskontinuität von Teilen wird nicht berücksichtigt. Wir könnten nun folgende Graphen bekommen: SF12 (2) PT12
VM
El
E2
3.1 Erzeugung von Strukturen
141
oder SF12
(3) El
PT12
VM
E2
Kommen wir an eine Nullstelle, dann lassen wir das Zeichen in unsrer Strukturbeschreibung aus. Alle Indexe des KS müssen wir sofort durch Konstanten belegen. Zur Beschreibung dieser Konjunkte gehen wir jetzt zu den Adjunktionsregeln über, in denen je eines an der ersten Argumentstelle vorkommt. Dabei ist es irrelevant, auf welche Weise das Konjunkt eingeführt wurde, d.h. was in unsrer Strukturbeschreibung direkt über ihm steht. Zur Beschreibung des jeweiligen Konjunkts muß eines der Adjunkte ausgewählt werden aus denen, die nach der jeweiligen Regel zugelassen sind. Deshalb ist direkt unter Konjunkten keine Verzweigung möglich. Unser Graph könnte jetzt so aussehen: SF12
(4) PT12
VM
El
E2
ESI 1 Man kann dann den begonnenen Zweig (El—ESI 1) zuerst fertig machen, ehe man an den übrigen Knoten der Stufe weiter macht, wo man sich auf einen Zweig beschränkt hat. Der begonnene Zweig ist beendet, wenn man bei Endzeichen angekommen ist und sie durch je eine Lexikoneinheit belegt hat. Weil dabei aus dem Lexikon für jedes Endzeichen nur ein Element ausgewählt werden darf, dominieren alle Endzeichen nur einen Knoten. Kommt man im KS an eine Schleife, dann muß man eine vorausgehende Regel wieder benutzen. Das bewirkt in dem Graphen der Strukturbeschreibung keinen Unterschied zur Anwendung andrer Regeln, nur daß ein Knoten gleich bezeichnet ist wie ein ihn dominierender. Da man gerichtete Graphen ohne Schleifen auch Bäume nennt, wäre der Graph einer Strukturbeschreibung ein Baum. Wir haben ihn hier Konstitutionsgraph (KG) genannt.
142
3. Beschreibung der Struktur deutscher Sätze
Durch die sequentielle Anwendung der rekursiven Regeln des KS wird der KG zusammenhängend. Es muß zwischen allen Knoten einen Weg geben. Isolierte Knoten gibt es nicht. Darin zeigt sich, daß alle Teile eines Satzes zusammenhängen, manche direkt, andre nur über mehrere Knoten, einige in einer Richtung (von oben nach unten), andre über wechselnde Richtungen. Darum ist der KG eine anschauliche Darstellung der Struktur des Satzes. Wir sagen, zwei Sätze haben die gleiche Struktur, wenn sich ihre KG eineindeutig aufeinander abbilden lassen und wenn alle entsprechenden Knotenbezeichnungen identisch sind mit Ausnahme der Belegungen der Endzeichen, also mit Ausnahme der Plereme. 3.2 Analyse von Pleremketten Die Aufgabe zu entscheiden, ob eine vorliegende Pleremkette ein Satz des Deutschen ist und ihm dann eine Strukturbeschreibung zuzuordnen, kann man auch algorithmisch erledigen. Das geschieht durch die rekognitive Verwendung des KS in einer Analyse. Dabei wird die Herleitung oder der K-Graph in umgekehrter Reihenfolge durchlaufen und die K-Regeln in umgekehrter Richtung angewendet, also aus der Klammer heraus, so daß das Ergebnis der Anwendung die syntaktische Kategorie vor der Klammer ist. Man kann dann von einer Pleremkette in mehreren Schritten zu dem Anfangszeichen SF kommen und der Kette dabei eine oder mehrere Strukturbeschreibungen zuordnen. In diesem Fall sagen wir, die Kette sei vom KS akzeptiert. Kommt man durch Anwendung der Regeln nicht zu SF, dann ist die Kette nicht akzeptiert und demgemäß kein grammatischer Satz. Die Analyse einer Pleremkette und ihre Zuordnung zu einer syntaktischen Kategorie beginnt damit, daß wir allen Pieremen ihre syntaktischen Kategorien zuschreiben:
(5)
kein er erkenn
t
PR PRM V12 VM3ET
was sich änder
t
PR PR V12 VM3
Dann müssen wir jeweils mehrere Kategorien durch Anwendung von K-Regeln zu einer syntaktischen Kategorie kürzen. Dabei
3.2 Analyse von Pleremketten
143
brauchen wir schon Hypothesen über die syntaktische Struktur der Kette, weil sich aufgrund der Pleremstellung bestimmte Zusammengehörigkeiten ergeben, die im KS nicht berücksichtigt sind. Solange wir keine Verkettungsregeln formuliert haben, müssen wir das intuitiv machen. In unsrer Beispielkette wenden wir die Regeln K l 3 und K3 an und kommen zur Struktur: (5a) kein er erkenn t PR PRM V12 VM3ET21 NOM2
PT12
was PR
sich änder t PR V12 VM3
NOM2NOM2PT12
Jetzt wenden wir auf (5a) die Regeln K7 und K6 an und erhalten: (5b) kein er erkenn t was PR PRM V12 VM3 ET21 PR NOM2
PT12
sich änder t PR V12 VM3
NOM2NOM2PT12
NP1
NP1
El
El
NP2
I IE2
Nun wird der Ergänzungssatz mit K2 und im nächsten Schritt mit K16 gekürzt: (5c) kein er erkenn t PR PRM V12 VM3ET21 NOM2
PT12
NP1
I
El
ES21
was PR
sich änder t PR V12 VM3
144
3. Beschreibung der Struktur deutscher Sätze
Dann wenden wir wieder K6 an und anschließend K2 und Kl. Damit kommen wir zur Struktur (5d) kein er
erkenn
t
was
sich
änder
t
SF12 SF Da sie mit SF endet, ist (5) als grammatischer Satz akzeptiert. 3.3 Beispiele Zur Übung werden jetzt einige KG von deutschen Sätzen gegeben. Wir generieren die Sätze (6) Heutige Menschen greifen nach dem, was ewig verschlossen bleibt. (7) In klarem Blau verhält sich Gold wie im Geist. und analysieren (8) Wo sagen sie sich selbst aus? (9) Dort zeigten sie, wie durchtrieben sie sind. Dazu müssen die Pleremketten teilweise umgeordnet werden. Man kann sich bei der Beschreibung auch auf einzelne Zweige von Sätzen beschränken und sie durch Teilgraphen darstellen oder überhaupt nur einzelne Syntagmen beschreiben, indem man sie
3.3 Beispiele
145
generiert oder analysiert und einer syntaktischen Kategorie zuordnet. Wir beschreiben Satz (10) bis zur ersten Stufe und dann nur den PT und die Syntagmen (11) und (12). (10) Man läßt heute manchen vergessen werden. (11)
Ohne sehr lange zu überlegen.
(12) Ein theorieartiges sammenhängenden (KG6)
siehe Seite 146
(KG7)
siehe Seite 147
Gebilde aus in höchstem Sätzen.
Maß
unzu-
Der E6 wird hier aus einem vergleichenden ES erklärt, in dem verschiedene Teile elliptisch ausgelassen sind.
(KG 8)
Wo sag en sie sich selbst aus. Wo aussag en sie sich selbst. PRU5 VI 2 VM6 PR PR ADV2
SF
Die durch t> belegten Positionen müssen in der Analyse entweder ignoriert werden, was Abweichungen vom KS zur Folge hat, oder nachträglich eingefugt werden wie ET in KG9. Daran zeigt sich wieder, daß die Annahme von Nullzeichen noch ein theoretischer Mangel ist. 10 Heriiiger, Deutsch« Syntax. 2. Aufl.
146
3. Beschreibung der Struktur deutscher Sätze
Beschreibung der Struktur deutscher Sätze 3. Bescl
148 (KG9)
Dort Dort
zeig zeig
ten ten
sie sie
0
wie
PRU5
V12 j
VM6
PR
ET21
NOM35
PT12
M2
( K G 10)
wie
durchtrieben sind
sie sind durchtrieben
PRU VM6 + VA0 ADP1 I \ \ / NOM36 \ PA1
SF SF125 PT125
VM3
El
E2
VER125
i
man
manchen
I I
VK21
PT15
ST2
laß
VER15
en
VK12
PT12
ST1
werd
VI 2 vergess
en
E5
eil.
A3
heute
sie PR I NOM2
4.1 Ziel und Aufbau der Inhaltssyntax
149
IKA7
(KG 11) IKT7 ohne
IK PT12
ST2
ST3
A7
VI 2
en
zu
ADG7
überleg
ADV1
AT4
lange
ADV3 sehr
(KG 12)
siehe Seite 150
Aufgaben: 29] Geben Sie drei akzeptable Sätze, die nach dem KS ungrammatisch sind. 30] Geben Sie drei nach dem KS grammatische Sätze, die nicht akzeptabel sind.
4. Inhaltssyntax 4.1 Ziel und Aufbau der Inhaltssyntax Die Kreativität natürlicher Sprachen beruht wesentlich darauf, daß die syntaktischen Regeln gestatten, aus einer endlichen, wenn auch mächtigen Menge von Pieremen eine unendliche Menge oder mindestens sehr viel mächtigere Menge von Sätzen zu bilden. Das wird ermöglicht durch die syntaktischen Regeln und insbesondere durch Schleifen und Nektionen. Die Produktion neuer Sätze beschränkt sich aber nicht auf eine Kombinatorik der Zeichen, sie ergibt auch neue Bedeutungen. Also muß der Sprecher einer Sprache auch Regeln für die Zusam-
150
4. Inhaltssyntax
4.1 Ziel und Aufbau der Inhaltssyntax
151
mensetzung der Bedeutung von Sätzen aus den Bedeutungen ihrer Teile kennen. Diese Regeln zu beschreiben ist Aufgabe der Inhaltssyntax. Die Zusammensetzung der Bedeutung eines Satzes ist nicht eine einfache Vereinigung von Merkmalen, die den Bedeutungen der Plereme entsprechen sollen. Denn würde man z.B. die Bedeutung von (1) Fritz sieht Emil als Vereinigung von vier Merkmalmengen Bi = Mj U M2 U M3 U M4 auffassen, dann könnte man nicht erklären, daß (2) eine andre Bedeutung hat. (2) Emil sieht Fritz. Für (2) erhielten wir nämlich B2 = M4 U M2 U M3 U Mt, was wegen der Kommutativität von „U" gleichbedeutend mit Bi ist. Da aber (1) und (2) nicht gleichbedeutend sind, wäre diese Beschreibung nicht angemessen. Gegen die Beschreibung der Satzbedeutung als Merkmalmenge spricht auch, daß Sätze etwas mit Wahrheit und Falschheit zu tun haben können, weil ihre Verwendungen wahr oder falsch sein können. Von Mengen kann man aber nicht sagen, sei seien wahr oder falsch. Darum ist die Satzbedeutung keine Merkmalmenge. Vielmehr müssen wir zwischen den Teilen von Sätzen auch andre Relationen ansetzen wie z.B. die Prädikation, die darin besteht, daß wir einem ungesättigten Prädikatsausdruck (PT) andre Ausdrücke (E) zuordnen, so daß wir eine Aussage über das durch die E Bezeichnete machen. Eine solche Zuordnung kann wahr oder falsch sein. Da man nur wissen kann, was eine Satzbedeutung ist, wenn man sie beschrieben hat, ist eine solche Frage auch nur in einer Beschreibung sinnvoll. Für die Linguistik ist deshalb eine zentrale Frage, wie man die Bedeutung eines Satzes beschreiben kann. Es scheint nun, als seien alle bekannten Bedeutungsbeschreibungen von der Form (3) Der Satz X hat die Bedeutung Y„ wobei Y auch ein Satz oder zumindest ein sprachlicher Ausdruck ist. Darum dürften alle Bedeutungsbeschreibungen auf dem Prinzip beruhen, daß man Relationen zwischen Sätzen herstellt. Im Bei-
152
4. Inhaltssyntax
spiel (3) dürfte die Relation zwischen X und Y sein, daß beide gleichbedeutend (synonym) sind. Andre derartige Relationen wären, daß ein Satz die Negation eines andern ist oder einen andern impliziert. Unter diesen Voraussetzungen wäre es die Aufgabe der Inhaltssyntax, Relationen zwischen Sätzen zu ermitteln unter Berücksichtigung ihrer syntaktischen Struktur und der darin vorkommenden Plereme. Die Berücksichtigung der syntaktischen Struktur ist deshalb wichtig, weil gleichlautende Plereme oder Syntagmen je nach ihrer syntaktischen Position verschiedene Beiträge zur Satzbedeutung leisten können. Beispiele hierfür haben wir in mehrdeutigen Satzketten wie (4) Er versprach ihr gestern öfter zu kommen. Wir wollen im folgenden eine Inhaltssyntax für das Deutsche skizzieren, die nur wenige wichtige Relationen berücksichtigt: die Implikation (IMP), die Negation (NEG) und die Äquivalenz (ÄQ), die mit der Implikation definiert werden kann. Wir nehmen dabei an, zwischen zwei Sätzen Sj und S2 bestehe die Relation IMP genau dann, wenn ein Sprecher immer, wenn er Sj behauptet, auch S 2 zugeben muß. Die Relation NEG bestehe zwischen Sj und S2 genau dann, wenn es keine Situation gibt, in der ein Sprecher Sj und S2 gleichzeitig und mit Recht behaupten kann. Die Relation ÄQ besteht zwischen zwei Sätzen genau dann, wenn sie sich gegenseitig implizieren. Die Inhaltssyntax hat als Basis das KS, das mindestens alle akzeptablen Sätze des Deutschen erzeugen oder analysieren sollte, und ein Lexikon, in dem die Plereme mit deren Bedeutung beschrieben sind. Die Bedeutungsbeschreibung der Plereme besteht in der Zuordnung von einer oder mehreren Bedeutungseinheiten, die wir Semanteme (aj) nennen. Wir unterscheiden einfache Semanteme (Sj) und zusammengesetzte, z.B. si(s2s3) oder (sis 2 )s3. Dazu kommen zwei Komponenten: die Menge der semantischen Funktionen (Fi) und die Menge der semantischen Regeln. Die semantischen Funktionen machen aus mehreren Semantemen durch Umordnung, Auslassung oder Einfügen von Semantemen neue Semanteme, und zwar entspricht jeder Regel des KS mindestens
4.1 Ziel und Aufbau der Inhaltssyntax
153
eine semantische Funktion, die aus den Semantemen der Syntagmen der Positionen in den Eckklammern dem Syntagma der Position vor der Klammer ein Semantem zuordnet. Z.B. könnte F2 eine Funktion sein, die nach K2 der Position SF mustl2 ein Semantem zuordnet. Entspreche z.B. PT12 VM a 2 , El a 3 und E2 a 4 , dann könnte diese Funktion wie folgt lauten: (5) F2(ai, a 2 , a 3 , ct4) = (CT1a2)(a3ff4). Die Klammern auf der rechten Seite des Gleichheitszeichens ordnen dabei die Semanteme wie Klammern in algebraischen Ausdrücken. Sie stellen also eine Stufung her, so daß ox und a 2 enger zusammengehören und auf einer um eins verschiedenen Stufe von den gleichstufigen a 3 und a 4 stehen. Deshalb gilt (6)
(ct, a2)CT3 # a ! ( a 2 a 3 )
Die semantischen Regeln geben (i) an, wie aufgrund der Form von Semantemen Relationen zwischen den entsprechenden Syntagmen festgestellt werden können, und regeln (ii) die Möglichkeiten unter Berücksichtigung der Form der Semanteme von festgestellten Relationen zu andern überzugehen. Eine semantische Regel der ersten Art wäre (7), eine der zweiten Art (8): (7)
NEG(ai, nicht (oi))
, .
IMP(q1, q 2 ) IMP(p2, g t )
W
ÄQOi, a2)
Dabei ist in (7) nicht als ein Semantem aufzufassen, das in Verbindung mit einem andern Semantem das Negat dieses Semantems herstellt. Zwischen zwei Semantemen dieser Form besteht die Relation NEG. (8) basiert auf der Definition der ÄQ mittels IMP und besagt, daß falls IMP(ai, o 2 ) und IMP(a2, gj) gelten, auch ÄQ(ffi, ff2) gilt. Wäre etwa (9) das Semantem ai und (9a) das Semantem a 2 zuzuordnen: (9)
1 kommt vor 2.
(9a) 2 kommt nach 1. Dann würde gelten IMP(alt o 2 ) und IMP(o2, Oi) und also gemäß (8) ÄQ(ffj, a2), d.h. die beiden Sätze wären äquivalent.
154
4. Inhaltssyntax
4.2 Beispiele Die semantische Funktion F2, die wir in (5) als Entsprechung von K2 gegeben haben, war ein Sonderfall dieser Funktion, da wir nur ein PT12 mit E1,E2 angesetzt haben, die Regel K2 aber noch mehr Positionen vorsieht. Es scheint dabei, daß die A anders zu behandeln sind als die E, z.B. müßte eine Funktion, die den Semantemen von PT12, VM, El, E2, A7 das SF12 entsprechende Semantem zuordnet, etwa folgendermaßen aussehen: (5a) F2(CT1( a 2 , a 3 , a 4 , a 5 ) = a 5 ((a 1 ff 2 )(a 3 a 4 )) Aus dieser Funktion können wir (5) dadurch herleiten, daß wir o 5 gleich null setzen. Nehmen wir an, wir wollten eine Relation zwischen (10) Sie sehen Emil (11) Sie sehen Emil nicht. herstellen. Dann könnten wir nach (5) für (10) ein Semantem der folgenden Form erhalten: (10a)(a 1 a 2 )(CT 3 a 4 ) Für (11) können wir nach (5 a) erhalten (IIa) 05^0^2)(a 3 a 4 )) Da 0$ = nicht, wäre (IIa) zu schreiben als (IIb) nicht((Oi a2)(o3 a 4 )) Setzen wir in (10a) und (IIa) a 6 für (a l a2)(a 3 a 4 ), dann erhalten wir die beiden Semanteme a6 und nicht(a6). Nach (7) besteht zwischen ihnen die Relation NEG, also gilt auch NEG((10), (11)). Allerdings erfaßt die Funktion (5a) nur einen Teil der Semantik solcher Sätze. Denn falls wir in (10) und (11) sie gegen einige kommutieren zu (12) Einige sehen Emil (12a) Einige sehen Emil nicht., dann würden unsre Regeln auch NEG((12), (12a)) liefern. Das stimmt aber nach unsrer Definition der Negation nicht. Denn (12) und (12a) können sehr wohl mit Recht gleichzeitig behauptet werden, sie dürften sich sogar implizieren. Die Negation von (12) wäre nicht (12a), sondern (12b) Keiner sieht Emil.
155
4.2 Beispiele
Während wir uns bisher auf eine Stufe beschränkt haben, müßte in einer vollständigen inhaltssyntaktischen Beschreibung von (10) eine vollständige Strukturbeschreibung von (10) zugrundegelegt werden und für jeden Nicht-Endknoten das entsprechende Semantem aus den Semantemen der daranhängenden Knoten mittels semantischer Funktionen berechnet werden. In unserm Beispiel wäre das einfach, denn KG 10 enthält keine Verzweigungen, außer bei KT. KG10 SF mustl2. PT12
VM6
V12
en
I
seh
|
El 1 1 NP1 | 1 NOM2 1 1 PR 1 1 sie
/
E2 1 1 NP2
/ NOM1 1 1 N 1 1 SUB 1 1 Emil
\
\ KT12 1 1 0
Da in allen Fällen, wo keine Verzweigung vorliegt, das Semantem des tieferen Knotens einfach auf den nächsthöheren Ubertragen wird und da Translative bei der inhaltssyntaktischen Beschreibung getilgt werden, können wir annehmen, daß o l t a 2 , o 3 ,