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German Pages 587 [588] Year 2016
Anne-Kathrin Gärtig Deutsch-italienische Lexikographie vor 1900
Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie
| Herausgegeben von Claudia Polzin-Haumann und Wolfgang Schweickard
Band 401
Anne-Kathrin Gärtig
Deutsch-italienische Lexikographie vor 1900 | Die Arbeiten des Sprach- und Kulturmittlers Francesco Valentini (1789–1862)
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein.
ISBN 978-3-11-044772-9 e-ISBN (PDF) 978-3-11-044989-1 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-044782-8 ISSN 0084-5396
Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: PTP-Berlin, Protago-TEX-Production GmbH, Berlin Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Vorwort «Il secolo XIX vedrà alla fine quella maravigliosa catena, che riunendo tutte le nazioni Europee, ne formerà una sola, omogenea, e …» (Francesco Valentini, Dialoghi, 1839, 257)
Die Arbeit zum Werk des römischen Lexikographen, Sprachmittlers und Philologen Francesco Valentini (1789–1862) ist an den Universitäten Heidelberg, Florenz und Salzburg sowie verschiedenen Archiven in Deutschland und Italien entstanden. Für die Unterstützung, die ich dabei erfahren habe, möchte ich mich an dieser Stelle bedanken. Danke an Herrn Dr. Schmook vom Oderlandmuseum in Bad Freienwalde, dem Alterssitz Valentinis, der mich auf den Monte Caprino geführt und mir sämtliche in Bad Freienwalde aufbewahrten Materialien zur Verfügung gestellt hat. Einen herzlichen Dank an Giuseppe Corti von der Biblioteca Comunale in Mailand für die freundliche Zurverfügungstellung von Archivmaterial und an Michaela Utpatel und Guido Behnke vom Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin, die mich bei der Recherche zu Valentinis Freimaureraktivität unterstützt haben. Für die Erlaubnis der Einsicht in die entsprechenden Akten danke ich der Großloge A. F. u. A. M. v. D. Ganz herzlich bedanke ich mich bei Susanne Kolb für das Gespräch über die Praxis moderner zweisprachiger Lexikographie. Prof. Fulvio Conti danke ich für die Hinweise zum Freimaurertum im frühen 19. Jahrhundert. Weiterhin geht mein Dank an Prof. Dr. Stephan Elspaß für die kritische Lektüre der Abschnitte zum Deutschen sowie an Prof. Dr. Gualtiero Boaglio für seine wertvollen Hinweise auf das Italienische in der Habsburgermonarchie sowie für die Übernahme der Gutachtertätigkeit. Ein Dankeschön an Eleonora Doria für die Unterstützung beim Layout und an Christoph Hülsmann für die Hilfe bei der Durchsicht des Manuskripts. Prof. Dr. Claudia Polzin-Haumann und Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Schweickard danke ich sehr für die Aufnahme in die Reihe der Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie, Dr. Christine Henschel für die sehr freundliche und kompetente Betreuung während der Erstellung des Manuskripts. Für die Förderung des Drucks danke ich der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften. Zu großem Dank bin ich meinen Betreuern verpflichtet: Prof. Dr. Edgar Radtke, der mich zu Valentini geführt, und Prof. Dr. Matthias Heinz, der mich in der Abschlussphase begleitet hat. Mein besonderer Dank gilt Prof. Massimo Fanfani, der mich als Studentin für die historische Lexikographie begeistert und mir während
VI | Vorwort
der gesamten Arbeit zu Valentini stets mit Gesprächen, Hilfe und Anregungen zur Seite gestanden hat. Danke. Nicht zu denken wäre die Arbeit ohne die Weggefährten und Freunde in Heidelberg, Florenz und Salzburg: Kathrin Wenz, Marco Bianchi, Giulia PelilloHestermeyer und Meggi Altrock, Leonardo Cappelletti und Caterina Parigi, Anne Wolfsgruber, Peter Herbeck, Christoph Hülsmann, Veronika Österbauer, Stefanie Guserl, Rachele Moriggi und Birgit Füreder. Und ohne die unbedingte Unterstützung durch meine Eltern, denen ich für so vieles zu danken habe. Dass Valentini zu Beginn des neuen Jahrtausends so viel herumkommen würde – sein Wörterbuch hat während der Arbeit an der Dissertation Umzüge in drei Länder mitgemacht –, hätte er sich wohl nicht träumen lassen. Vielleicht hätte es ihm gefallen. Der Erinnerung an sein Werk ist die Arbeit gewidmet.
Inhalt Vorwort | V Abbildungsverzeichnis | XIII 1 1.1 1.2 1.3 1.4
Einleitung | 1 Stand der Forschung | 1 Interesse und Ansatz der Arbeit | 3 Gliederung der Arbeit | 7 Transkriptionskonventionen und Grundsätze beim Umgang mit Quellen und Zitaten | 10
2 2.1 2.1.1
Italienisch in Deutschland – Deutsch in Italien | 13 Italienisch in Deutschland | 13 Die Rolle des Italienischen vom 15. bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts | 13 Die Frühphase der Romanistik | 22 Deutsch in Italien | 31
2.1.2 2.2 3 3.1 3.2 3.3
4 4.1 4.2 4.3
4.4
Italienische und deutsche Lexikographie um 1800: Valentini als Wörterbuchautor zwischen zwei Traditionen | 41 Lexikographie des Italienischen um 1800 | 41 Lexikographie des Deutschen | 48 Zur Geschichte der zweisprachigen Lexikographie mit dem Sprachenpaar Italienisch-Deutsch | 54 Der Sprachmittler und Lexikograph Francesco Valentini (1789–1862) | 74 Von Rom nach Berlin | 74 «Königlich Preußischer Professor der italienischen Sprache und Litteratur» | 76 Vom deutsch-italienischen Taschenwörterbuch (1821) zum Vollständigen Wörterbuch (1831–1836): Valentini als Lexikograph | 81 Die Società italiana | 82
VIII | Inhalt
4.5 4.5.1 4.5.2 4.6 5 5.1 5.2 5.3
5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.5 5.3.5.1 5.3.5.2 5.3.5.3 5.4 5.4.1 5.4.1.1 5.4.1.2 5.4.1.3 5.4.1.4 5.4.2 5.5
Valentini und der Beginn der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den modernen Sprachen | 86 Kontakte mit Italien | 87 Versuch der Einrichtung einer Professur für italienische Sprache und Literatur | 90 Rückzug nach Bad Freienwalde | 92 Valentinis Beitrag zur Vermittlung italienischer Sprache und Kultur | 96 Überblick über die sprach- und kulturvermittelnden Arbeiten | 96 Trattato su la Commedia dell’Arte (1826): Porträt der italienischen Masken und lebendige Schilderung des römischen Karnevals | 98 Die sprachdidaktischen Arbeiten vor dem Vollständigen Wörterbuch: Spiegel eines Normmodells des Italienischen vor Manzoni | 102 Lettere sulle regole della lingua italiana (1818) | 105 Neue theoretisch-praktische italienische Grammatik für Teutsche (1824) | 110 Der Italienische Lehrer (1827–1828) | 118 Synthese der drei Lehrwerke: Die vermittelte Norm | 127 Orthoepie und Dichtersprache: Gründliche Lehre der Italienischen Aussprache (1834) | 131 «nur die […] der gebildeten Römer und Toskaner»: Regeln zur Aussprache | 132 Zur Skansion und Betonung der italienischen Verse | 136 Bemerkungen über die dichterische Sprache der Italiener | 137 Die Arbeiten nach dem Erscheinen des Vollständigen Wörterbuchs | 138 Lebendige Landeskunde und Modell eines gesprochenen Italienischen: Dialoghi e Colloquj italiani e tedeschi (1839) | 138 Colloqui und Dialoghi und ihre Zielgruppe | 143 Gegenstände der Dialoge | 144 Landeskunde und Kulturgeschichte | 146 Die vermittelte Sprache | 147 Italienisches Jahrgeschenk für Deutsche (1842 und 1843) | 154 Darstellungsformen und Publikum | 157
Inhalt | IX
6 6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.2.1 6.2.2.2 6.2.2.3 6.2.2.4 6.2.2.5 6.2.2.6 6.2.2.7 6.2.3 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.3.1 6.3.3.2 6.3.3.3 7
Francesco Valentinis Lexikographisches Œuvre: Untersuchungen zu den kleineren Arbeiten | 159 Ein großer Verkaufserfolg: Die Taschenwörterbücher | 159 Die Ausgabe von 1821 | 159 Die nicht autorisierte Mailänder Ausgabe (1836) | 164 Die zweite Ausgabe von 1837 | 166 Die dritte Ausgabe von 1859 und die weiteren Auflagen | 167 Valentinis Beitrag zur italienischen Lexikographiediskussion: Die Raccolta di mille e più Vocaboli italiani (1832) | 174 Bestandsaufnahme und Kritik der zeitgenössischen italienischen Lexikographie: Die einleitenden Osservazioni | 175 Valentinis Ergänzungs- und Verbesserungsvorschläge: Die eigentliche raccolta | 181 Vorschläge zur Ergänzung von Lemmata | 182 Vorschläge zur Verbesserung von Wörterbuchartikeln | 194 Die Wörtersammlung als eigenständiger Beitrag und in Relation zum Vollständigen Wörterbuch | 201 Quellen der Wörtersammlung | 203 Die Wörtersammlung als Diskussionsbeitrag | 205 Das zugrundeliegende Sprachkonzept | 206 Die Wörtersammlung als Quelle von Erstbelegen | 209 Verbreitung und Rezeption der Raccolta | 210 Ein onomasiologisch ausgerichtetes Lernerwörterbuch: Dialoghi e Colloquj italiani e tedeschi (1839) II | 211 Funktion der Colloqui | 212 Gliederung des Wortschatzes | 213 Die unterschiedlichen Formen der Wortschatzdarstellung | 216 Darstellung im Abschnitt «Gott, Welt, Mensch» | 217 Darstellung im Abschnitt zu Wissenschaften, Künsten, Gewerbe etc. | 219 Darstellung im Abschnitt «Tier-, Pflanzen-, Mineralreich» | 221
Analyse des Vollständigen grammatisch-praktischen italienischdeutschen, deutsch-italienischen Wörterbuchs (1831–1836) | 225 7.1 Wörterbuchaußentexte und Verzeichnis der Eigennamen | 229 7.1.1 Vor- und Nachspann im italienisch-deutschen Teil | 230 7.1.1.1 Widmung «Den Deutschen» | 230 7.1.1.2 Die Dissertazione sul linguaggio italo volgare | 230 7.1.1.3 Die Vorrede | 241
X | Inhalt
7.1.1.4 7.1.1.5 7.1.2 7.1.2.1 7.1.2.2 7.1.2.3 7.1.2.4 7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.2.1 7.2.2.2 7.2.2.3 7.2.3 7.2.3.1 7.2.3.2 7.2.4 7.2.4.1 7.2.4.2 7.2.5 7.3 7.3.1 7.3.2 7.4 7.4.1 7.4.1.1 7.4.1.2 7.4.1.3 7.4.2 7.4.2.1 7.4.2.2 7.4.2.3
Das Dizionario ortografico di Nomi Proprii e di Geografia universale | 242 Weitere Außentexte | 247 Vor- und Nachspann im deutsch-italienischen Teil | 248 Widmung «Agl’ Italiani» | 248 Die Dissertazione su la lingua e letteratura tedesca | 248 «Herr Val. ist bei J. Grimm in die Schule gegangen»: Der Compendio della Grammatica tedesca | 253 Das Wörterbuch der Eigennamen der Personen und der älteren und neueren Geographie | 261 Entstehung und Konzeption des Vollständigen Wörterbuchs | 262 Quellen zur Erstellung und Konzeption | 262 Die lexikographische Praxis Valentinis | 264 Zeitlicher Ablauf der Erstellung | 264 Arbeitsweise | 265 Mitarbeiter | 268 Valentinis Referenzwerke | 270 Wörterbücher und andere lexikographische Werke | 270 Zusätzlich exzerpierte Texte | 276 Konzeption des Vollständigen Wörterbuchs | 279 Lexikographische Grundsätze | 279 Sprachkonzeption | 282 Verlegerische Aspekte | 285 Makro- und Mikrostruktur des Vollständigen Wörterbuchs: Anlage der Analyse | 286 Methodische Grundlagen | 286 Zusammenstellung eines Analysekorpus | 290 Makrostruktur: Adaption des traditionellen Lemmabestands an die Neuerungen des 19. Jahrhunderts | 296 Der italienisch-deutsche Teil | 297 Aspekte der Lemmatisierung | 297 Normierungstendenzen und Umgang mit Varianten | 311 Produktiver Umgang mit den Referenzwerken: Übernahmen, Abweichungen, Ergänzungen | 317 Der deutsch-italienische Teil | 324 Aspekte der Lemmatisierung | 324 Umgang mit Varianten und Normierungstendenzen | 329 Produktiver Umgang mit den Referenzwerken: Übernahmen, Abweichungen, Ergänzungen | 331
Inhalt | XI
7.4.3 7.4.3.1 7.4.3.2 7.4.3.3 7.4.3.4 7.5 7.5.1 7.5.2 7.5.2.1 7.5.2.2 7.5.3 7.5.3.1 7.5.3.2 7.5.4 7.5.4.1 7.5.4.2 7.5.5 7.5.6 7.5.6.1 7.5.6.2 7.5.7 7.5.7.1 7.5.7.2 7.5.7.3 7.5.8 7.5.9 7.5.9.1 7.5.9.2 7.6 7.6.1 7.6.2
Die Berücksichtigung verschiedener Teilbereiche des Wortschatzes | 334 Fachsprachliche Termini | 335 Regionalismen und Dialektismen | 356 Fremdwörter | 360 Archaismen | 371 Mikrostruktur: Das Vollständige Wörterbuch als Wegbereiter einer modernen deutsch-italienischen Lexikographie | 373 Aufbau der Artikel: eine Übersicht | 374 Hinweise zur Aussprache | 382 Ausspracheangaben im italienisch-deutschen Teil | 382 Ausspracheangaben im deutsch-italienischen Teil | 383 Die Grammatikangabe | 386 Grammatikangabe im italienisch-deutschen Teil | 386 Grammatikangabe im deutsch-italienischen Teil | 388 Diasystematische Indizierung durch Markierungsetiketten | 392 Orientierung an den Referenzwerken und Verbesserungen | 395 Typen von markierten Elementen | 398 Die Verwendung ausgangssprachlicher Synonyme | 402 Bedeutungs- und Äquivalenzdifferenzierung | 406 Darstellung der unterschiedlichen Bedeutungen im italienischdeutschen Teil | 409 Darstellung der unterschiedlichen Bedeutungen im deutschitalienischen Teil | 418 Die Äquivalentposition | 424 Verbesserungen gegenüber den Vorgängern | 426 Umgang mit Problemfällen | 430 Exkurs: Äquivalente als Ausdruck von Normierung (italienische Äquivalente zu deutschen Lemmata) | 441 Phraseologische Verbindungen | 442 Lexikographische Beispiele: Aufeinandertreffen zweier unterschiedlicher Wörterbuchtraditionen | 458 Verhaftung in der Tradition: Beispiele im italienisch-deutschen Teil | 461 Beispiele im deutsch-italienischen Teil | 481 Italienische Grammatik im Wörterbuch | 484 Form der Grammatikdarstellung | 485 Die kodifizierte Norm | 488
XII | Inhalt
8 8.1 8.2 8.2.1 8.2.2 8.3 8.4
9 9.1
Rezeption und Verbreitung des Vollständigen Wörterbuchs | 493 Zeitgenössische Reaktionen | 493 Eine Mailänder Raubkopie: Grande Dizionario Italiano-Tedesco, Tedesco-Italiano (1837–1839) | 496 Valentinis Reaktion auf den nicht autorisierten Nachdruck | 497 Abgleich der Mailänder Ausgabe mit dem Original | 504 Verbreitung des Vollständigen Wörterbuchs | 507 Der Einfluss des Vollständigen Wörterbuchs auf die weitere deutsch-italienische Lexikographie bis 1900 | 508
9.4.1 9.4.2 9.4.3 9.5
Fazit | 517 Valentini im Kontext der Sprachmittlung zwischen Deutschland und Italien | 517 Zwischen zwei Wissenschaftskulturen: Die Beschäftigung mit den Themen der beginnenden Neuphilologien | 518 Das lexikographische Werk vor dem Hintergrund der deutschen und italienischen Wörterbücher um 1800 | 519 Das Vollständige Wörterbuch zwischen lexikographischer Tradition und Innovation | 521 Zur Makrostruktur | 522 Zur Mikrostruktur | 523 Zur Rezeption | 526 Bedeutung der zweisprachigen Lexikographie und Ausblick | 526
10 10.1 10.2 10.3 10.4
Bibliographie | 528 Werke Francesco Valentinis | 528 Wörterbücher, Grammatiken und verwandte Werke | 530 Literatur und Forschungsbeiträge | 540 Internetquellen | 562
11 11.1 11.2
Register | 563 Sachregister | 563 Personenregister | 570
9.2 9.3 9.4
Abbildungsverzeichnis Abb. 1 Abb. 2
Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5 Abb. 6 Abb. 7 Abb. 8 Abb. 9 Abb. 10 Abb. 11
Anzahl der zwischen 1700 und 1900 veröffentlichten deutsch-italienischen Wörterbücher | 57 Valentini an Cherubini, 20. August 1829 (Biblioteca Braidense Mailand, Sign. AH.XIII.2/37, abgedruckt mit Genehmigung des Ministero dei beni e delle attività culturali e del turismo) | 89 Francesco Valentini (De Botazzi 1895, 43; Bayerische Staatsbibliothek München) | 94 Porträt des Tartaglia (Trattato, dt. V; Universitäts- und Landesbibliothek Bonn) | 99 Abkürzungsverzeichnis Taschenwörterbuch (Taschenwörterbuch 1821, vol. 1, VIII; Universitätsbibliothek Salzburg) | 163 Titel Vollständiges Wörterbuch (Vollst. Wb., vol. 1, [II–III]; Universitätsbibliothek Salzburg) | 226 Korpusausschnitt ital.-dt. (Vollst. Wb., vol. 1, 46; Universitätsbibliothek Salzburg) | 293 Korpusausschnitt dt.-ital. (Vollst. Wb., vol. 2, 613; Universitätsbibliothek Salzburg) | 294 Abkürzungsverzeichnis Vollständiges Wörterbuch 2 (Vollst. Wb., vol. 1, LXXXV–LXXXVI; Universitätsbibliothek Salzburg) | 344 Abkürzungsverzeichnis Vollständiges Wörterbuch 1 (Vollst. Wb., vol. 1, LXXXIV; Universitätsbibliothek Salzburg) | 379 Abkürzungsverzeichnis Filippi (Filippi 1817, vol. 2, 659; Bayerische Staatsbibliothek München, 10870255 L.lat.f 403–1,1/2, S. 659) | 397
1 Einleitung «Wörterbücher sind wohlgeordnete Schatzkammern des Geistes und der Sprache, in denen sich die wechselvollen Geschicke der Völker und ihre Beziehungen zueinander widerspiegeln». (Zaunmüller 1958, VII)
1.1 Stand der Forschung Während die historische Lexikographie der Einzelsprachen Deutsch und Italienisch als gut erforscht gelten kann, kam der Geschichte der zweisprachigen Lexikographie mit dem Sprachenpaar sowohl aus germanistischer wie aus romanistischer Perspektive zumeist nur die Rolle des Stiefkinds¹ zu. Die vorliegenden Arbeiten konzentrieren sich vornehmlich auf die Venezianischen Sprachbücher des 15. Jahrhunderts (cf. Pausch 1972; Rossebastiano Bart 1971, 1977, 1983 und 1984; Giustiniani 1987), für die folgenden Jahrhunderte liegen – von einigen jüngeren Beschäftigungen zum Werk Matthias Kramers, Christian Joseph Jagemanns sowie der Lexikographie des Habsburgerreichs abgesehen –² vor allem Überblicksdarstellungen vor (cf. Bruna 1983; Bruna/Bray/Hausmann 1991; Bray 1987 und 1988; Hausmann 1987), denen das Verdienst zukommt, eine reiche Bibliographie erschlossen sowie in globalen Zügen die Abhängigkeiten der einzelnen Wörterbücher untereinander dargestellt zu haben. Nahezu unbearbeitet ist bislang die zweisprachige lexikographische Produktion des 19. Jahrhunderts bis zum Erscheinen des Wörterbuchs von Rigutini/Bulle (1896–1900). Dies lässt sich damit erklären, dass die vorherigen Wörterbücher zum Großteil in der ersten Jahrhunderthälfte, also vor der Zäsur der nationalen Einheit der beiden Länder entstanden sind und entsprechende Neuerungen noch nicht aufnehmen, zugleich jedoch nach der Zäsur der Aufklärung und der französischen Revolution stehen. Andererseits ist die Vernachlässigung unverständlich, denn das frühe 19. Jahrhundert zeichnet sich durch eine überaus reiche lexikographische Produktion aus, die für die einsprachige Lexikographie bereits entsprechend gewürdigt wurde (cf. z. B. Sessa 1991; della Valle 1993; Marazzini 2009), sich jedoch auch im Bereich der zweisprachigen Wörterbücher in einer hohen Zahl an Veröffentlichungen und einem Umbruch in der metalexikographischen Reflexion niederschlägt. 1 Cf. den Aufsatztitel von Kromann (1985). 2 Zu Ersterem cf. die Monographie von Bray (2000), zu Zweiterem z. B. Albrecht (2006, 19–24) und Glaser (2008, 41–43); zu Letzterer Boaglio (2012 und 2014).
2 | Einleitung
Die Hauptwerke der Produktion lassen sich zwei Strängen zuordnen: einer österreichischen sowie einer preußischen Tradition. Die österreichische Tradition entsteht aus dem dringenden praktischen Bedürfnis der Habsburgermonarchie, für die Verwaltung ihrer italienischen Kronländer entsprechende sprachliche Hilfsmittel zur Verfügung zu haben. Sie orientiert sich eng an früheren Wörterbüchern, insbesondere dem von Jagemann (1790), die den Bedürfnissen entsprechend um die Terminologie der Verwaltung und des Seewesens ergänzt werden. Das umfangreichste und originellste Werk der Zeit, das einen wichtigen Meilenstein für die folgende deutsch-italienische Lexikographie darstellen wird, ist dagegen in Preußen entstanden. Es handelt sich um das Vollständige italienischdeutsche und deutsch-italienische grammatisch-praktische Wörterbuch, das mit einem Umfang von 4 Bänden und rund 8180 Spalten von 1831 bis 1836 beim Verleger Barth in Leipzig erschienen ist. Sein Autor ist der Italiener Francesco Valentini (1789–1862). In Rom geboren, gelangte Valentini 1813 nach Berlin, wo er bis zu seinem Rückzug nach Bad Freienwalde in den Wirren der 1848er Revolution als gefragter Sprachlehrer tätig war und als Begründer der Società italiana, der ersten deutsch-italienischen Kulturgesellschaft in Berlin, eine wichtige Rolle im kulturellen Leben der Stadt einnahm. Seinem Unterricht entstammen mehrere Beiträge zur italienischen Sprach- und Kulturvermittlung. Als Lexikograph verfasste Valentini neben einem bis 1906 in über 20 Auflagen erschienenen Taschenwörterbuch eine Wörtersammlung, die in der Tradition der Ergänzungen zu den Wörterbüchern der Accademia della Crusca steht, und die als Beitrag zur italienischen Lexikographiediskussion zu werten ist. Zudem befasste er sich mit philologischem Interesse mit den wichtigsten Fragestellungen der frühen Romanistik. Sein Hauptwerk, um dessentwillen ihm ein Platz in der Geschichte der italienischen Lexikographie- und Sprachgeschichte eingeräumt werden muss, ist das Vollständige Wörterbuch. In den Übersichtsdarstellungen zur Geschichte der zweisprachigen Lexikographie wird dieses als Wendepunkt erwähnt (cf. Bruna/ Bray/Hausmann 1991, 3016), ist aber, wie das Gesamtwerk Valentinis, nie eingehend untersucht worden. Diese Lücke soll die vorliegende Arbeit schließen. Einzelne Erwähnungen Valentinis durch prominente Zeitgenossen finden sich in den Werken Goethes (cf. Goethe Werke, vol. 4, 47; 23–25), Theodor Fontanes (cf. Fontane 1894/1955, 63; 1863/1976, 57–58) und den Erinnerungen Adolph von Menzels, außerdem in einem Gutachten Karl Lachmanns zu einer möglichen Befähigung Valentinis zum Universitätsprofessor (cf. Boerner 1988, 57). Benedetto Croce nennt Valentini in einem Aufsatz zu Nicolò Castelli, einem anderen Lexikographen (cf. Croce 1931/2003), und zeigt in der entsprechenden Erwähnung, dass er sein Wörterbuch genau studiert hat. Bruno Migliorini führt Valentini als Vertreter der mehrsprachigen Lexikographie mit dem Italienischen in Che cos’è un vocabolario? auf (cf. 3 1961, 111). Bruna, deren unveröffentlichte
Interesse und Ansatz der Arbeit | 3
Abschlussarbeit die bisher umfassendste Beschäftigung mit der zweisprachig italienisch-deutschen Lexikographie darstellt, schreibt zum Vollständigen Wörterbuch: «Quest’opera […] può essere considerata la più completa del secolo scorso» (1983, 15). Eine ausführlichere Biographie Valentinis hat 1895 Giuseppe De Botazzi im Rahmen seiner Arbeit Italiani in Germania über in Deutschland lebende Italiener und die von ihnen gegründeten Gesellschaften und Organisationen zusammengestellt. De Botazzi geht es vor allem um die von Valentini gegründete und Ende des 19. Jahrhunderts noch aktive Società italiana. Valentini selbst wird als deren Gründer mit Porträt und einer achtseitigen Biographie vorgestellt. Dazu stützt sich De Botazzi auf «i cenni biografici che attingo dalla cronaca della Società italiana di Berlino, gentilmente favoritami dall’attuale Presidente, illustre figlio del fondatore per mezzo del signor O. Budy, cortese segretario della Società» (De Botazzi 1895, 38–39). Die Quellenangabe zeigt zugleich die Grenzen dieser Biographie auf: Die Informationen stammen vom Sohn Valentinis bzw. anderen Mitgliedern der Società Italiana, die dem Römer affektiv verbunden sind. Sie präsentieren sich in einigen Passagen allzu empathisch, übertreibend oder beschönigend und sind daher mit einer gewissen Vorsicht zu interpretieren. Die zweite eingehende Beschäftigung mit Valentini fand 1988 im Rahmen einer Ausstellung statt, die von der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin organisiert wurde. Für diese Ausstellung mit dem Titel Aus der Frühgeschichte der Italianistik in Berlin. Francesco Valentini (1789–1862) hat Wolfgang Boerner umfangreiches Archivmaterial erschlossen und die Arbeiten Valentinis und seine Biographiestationen bis auf die letzten Lebensjahre zusammengetragen, ohne jedoch eine philologische Interpretation vorzunehmen oder Valentinis Bedeutung für die Lexikographie herauszustellen. Die von ihm gesammelten Informationen sowie Reproduktionen aller Archivdokumente werden heute im Oderlandmuseum der Stadt Bad Freienwalde, Valentinis Alterssitz, aufbewahrt.
1.2 Interesse und Ansatz der Arbeit Über das primäre Ziel hinaus, zur Ergänzung der italienischen Lexikographie- und Sprachgeschichte das Werk eines nahezu in Vergessenheit geratenen Lexikographen aufzuarbeiten und der Forschung bekannt zu machen, bietet die eingehende Analyse des Vollständigen Wörterbuchs auch die Möglichkeit, exemplarisch das Potential aufzuzeigen, das in der Beschäftigung mit mehrsprachigen Wörterbüchern der Vergangenheit liegt, und ein entsprechendes Instrumentarium zur Verfügung zu stellen.
4 | Einleitung
Für die Geschichte der zweisprachigen Lexikographie lässt sich am Werk Valentinis herausarbeiten, inwieweit wichtige Grundsteine für heutige Standards eines zweisprachig italienisch-deutschen Wörterbuchs, sowohl was die Makroals auch was Bauteile der Mikrostruktur betrifft, bereits in den 1830er Jahren gelegt werden. In einer Analyse gleichsam unter dem Mikroskop lässt sich herausstellen, wo ein Lexikograph der Zeit, die speziellen Nutzerinteressen im Blick, bereits modern arbeitet und wo er hingegen noch in der Tradition verhaftet ist. In den beiden Teilen des Vollständigen Wörterbuchs lässt sich überdies ganz deutlich der Einfluss der einsprachigen Lexikographie der Einzelsprachen Italienisch und Deutsch herauslesen, aufgrund dessen sich der italienisch-deutsche auf der Ebene der Mikrostruktur stark vom deutsch-italienischen Teil unterscheidet. Diese klare Bezugnahme auf die unterschiedlichen einzelsprachlichen Traditionen, die sich in späteren Wörterbuchproduktionen fortsetzt, ist bisher in der Geschichte der zweisprachigen Lexikographie nie so eng herausgestellt worden. Bisherige Studien historischer zweisprachiger Wörterbücher beschränken sich diesbezüglich häufig auf Aussagen vom Typ «xy basiert auf Adelung», die aus einem Untertitel oder den Peritexten gewonnen werden. In dieser Arbeit soll daher exemplarisch aufgrund einer genauen Analyse des Lemmariums und der Mikrostruktur herausgestellt werden, wie die einzelnen Traditionen im zweisprachigen Wörterbuch aufeinander treffen und die Struktur der beiden Teile prägen. Die Art, wie die Quellen verwendet werden, lässt zudem wichtige Rückschlüsse auf die Arbeitsweise eines Lexikographen des frühen 19. Jahrhunderts zu. Ebenso prägend für die unterschiedliche Gestalt der beiden Teile sind die abweichenden Benutzerbedürfnisse des italienischen bzw. des deutschen Publikums zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Während der italienische Nutzer häufig praktische Motivationen hat, deutsche Texte zu lesen – etwa die Notwendigkeit, einen wissenschaftlichen Text aus einem der Sektoren zu verstehen, in dem den deutschsprachigen Ländern zu dieser Zeit eine Vorreiterrolle zukommt –, ist der deutsche Nutzer häufig stärker an der Rezeption italienischer Literatur interessiert, was den Einschluss entsprechenden Wortschatzes sowie literarischer Beispiele notwendig macht. In die Analyse fließen also Methoden der modernen Wörterbuchbenutzungsforschung und der Theorie zur Metalexikographie ein, die für historische Wörterbücher adaptiert und nutzbar gemacht werden. Valentinis Wörterbuch bietet sich zu einer derartigen Analyse an, da zahlreiche Materialien – neben expliziten Äußerungen Valentinis in seinen publizierten Arbeiten auch Briefe und Archivdokumente des Verlegers – zu seiner Erstellung und zur metalexikographischen Reflexion des Autors erhalten sind. Die gute Quellenlage erlaubt überdies interessante Einblicke in die Praktiken des zeitgenössischen Buchmarkts, die Verlagspraxis und den diesbezüglichen Austausch zwischen Deutschland und Italien.
Interesse und Ansatz der Arbeit | 5
Das Werk Valentinis bietet einen Beitrag zur Ergänzung der Sprachgeschichte, insbesondere der italienischen. Als Praktiker haben Autoren wie er bei der Wörterbucherstellung besonders die Nutzerinteressen im Blick und integrieren daher lexikalische Einheiten, Termini technici, Einzelbedeutungen und Phraseologismen, die in den einsprachigen Wörterbüchern, die zur gleichen Zeit noch stark an der Tradition der Accademia della Crusca orientiert sind – die als Pol eines Spannungsfeldes auch auf die zweisprachige Lexikographie wirkt – fehlen. Valentinis Wörterbuch entsteht vor der Einigung Italiens, parallel zum Wirken Manzonis, aber vor dessen sciacquatura dei panni in Arno, also bevor sich die Idee des uso toscano contemporaneo als Modell für die gesprochene Sprache ganz Italiens verbreitet und in Wörterbüchern wie dem Vocabolario della lingua parlata von Rigutini/Fanfani (1875) festgehalten wird. Was den deutschen Teil betrifft, steht das Vollständige Wörterbuch zwischen den aufgeklärten Wörterbüchern Adelungs und Campes und dem Wörterbuch der Grimms. Als Vertreter seiner vom Idealismus und der Romantik geprägten Zeit verfolgt Valentini das Ziel, die Sprache möglichst in ihrer Gesamtheit abzubilden. Sein Wörterbuch kann daher als Ergänzung der Nationallexikographie für die Dokumentation des Wortschatzes jener Zeit genutzt werden. Für die externe Sprachgeschichte ist der Beitrag, den ein Autor wie Valentini von Deutschland aus zur italienischen Sprach- und Lexikographiediskussion des frühen 19. Jahrhunderts leisten kann, von Interesse. Valentini behandelt in seiner theoretischen Schrift, der Raccolta di mille e più vocaboli italiani, all deren Problemfelder – Primat der Literatursprache vs. uso, Vormacht des Toskanischen vs. Öffnung gegenüber anderen regionalen Varietäten und einem italiano comune, Integration von Fremdwörtern und Fachtermini –, mit seiner Außenperspektive, die ihn an keine Region oder Schule bindet, aus seiner praktischen Arbeit als Sprachlehrer heraus, aufgrund der eigenen kontrastiven Erfahrung und aufgrund des Bedürfnisses, als zweisprachiger Lexikograph deutsche Einheiten zu übersetzen, die im Toskanischen keine Entsprechung haben, sowie nicht zuletzt aus seiner genauen Kenntnis der deutschen Lexikographietradition heraus kann er jedoch neue Impulse in die italienische Diskussion einbringen. Diese Stimmen von außen sind in der italienischen Forschung zur Questione della Lingua bisher wenig berücksichtigt worden. In der Analyse des lexikographischen Werks von Valentini wird der Natur des Vollständigen Wörterbuchs als zweisprachigem Werk Rechnung getragen. Für die sprachgeschichtlich ausgerichteten Abschnitte wird in der Arbeit jedoch der Schwerpunkt auf dem Italienischen liegen. Dies ist vor allem durch drei Gründe bedingt: 1) Im Italienischen ist das frühe 19. Jahrhundert eine Zeit der Umbrüche: Die alte Norm greift nicht mehr, Diskussionen um eine neue Lexikographie kommen
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auf, konkrete Vorschläge und Modelle einer Einheitssprache sind mit dem Beitrag Manzonis im Entstehen. Dagegen stellt sich die deutsche Sprache zu jener Zeit stabiler dar. 2) Valentini ist kein deutscher Muttersprachler. Er kann bezüglich der vorgeschlagenen Sprache und ihrer lexikalischen Einheiten hier keine Auswahl treffen, kein eigenes sprachliches Konzept entwickeln, wie er das für das Italienische tut. 3) Eng mit 2) zusammenhängend äußert sich Valentini in seinen theoretischen Schriften, im lexikographischen Programm des Vorworts nicht ausschließlich, aber doch überwiegend zum Italienischen. Auch seine übrigen Werke (Grammatiken, Sammlungen italienischer Literatur) sind auf das Italienische konzentriert. Neben dem lexikographischen Werk werden auch die sprachdidaktischen Arbeiten in die Analyse einbezogen. Sie enthalten sowohl grammatische als auch lexikalische Darstellungen. Hier setzt sich das Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation, das Valentinis Arbeit kennzeichnet, fort. Während der Autor im Bereich der Lexikographie mehr wagt, ist seine Grammatiknorm stark in der Tradition verhaftet. So zeigt er ein großes Interesse an der Abbildung gesprochener Sprache, kommt hier jedoch, vor dem von Manzoni abgesteckten Wendepunkt in der Sprachgeschichte, über das Vorschlagen von Modellen des 18. Jahrhunderts wie den Komödien Goldonis nicht hinaus. Schließlich ist Valentini im Kontext der sich herausbildenden Disziplinen der wissenschaftlichen Germanistik und Romanistik zu betrachten. Aufmerksam und kritisch rezipiert er die Beiträge Raynouards, Schlegels und Perticaris für die romanische sowie die richtungsweisenden Arbeiten Lachmanns und insbesondere Grimms für die germanistische Seite und führt sie in eigenen Abhandlungen in seinem Wörterbuch weiter. Damit überschreitet er die zu Beginn des 19. Jahrhunderts stark wahrgenommene Trennung zwischen synchroner Sprachdarstellung, die der praktischen Vermittlung des Italienischen, meist durch muttersprachliche Sprachmeister, zunächst an den Höfen und dann an den Universitäten diente, und der diachronen, historisch-vergleichenden Sprachauffassung, wie sie sich im Rahmen der universitären Romanistik in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts herausbildete (cf. Christmann 1976, 423–428). Über seine Lektüren und durch persönliche Kontakte steht er in den aktuellen Diskursen und Netzwerken der Zeit, sowohl in Deutschland als auch in Italien, und nimmt eine – wenn auch wenig rezipierte – Mittlerfunktion zwischen den Wissenschaftstraditionen der beiden Länder ein. Seine Beschäftigung mit den Themen der frühen Romanistik, z. B. der Frage nach dem Ursprung der romanischen Sprachen, und seine Rolle als einer der ersten italienischen Autoren, die Grimms Deutsche Grammatik produktiv
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rezipieren, machen ihn zu einer jener interessanten Nebenfiguren der Wissenschaftsgeschichte, die in einem weiteren Rahmen, der gezielt einzelne Themen oder größere Autoren betrachtet, zu integrieren sind.
1.3 Gliederung der Arbeit Die Arbeit gliedert sich in sieben Hauptblöcke, wobei der Schwerpunkt auf dem lexikographischen Werk Valentinis liegt. Ein Wörterbuch ist ein kostenintensives Projekt, dessen Realisierung sich für den Verleger nur lohnt, wenn ein entsprechender Absatz zu erwarten ist. Dieser ist wiederum nur gewährleistet, wenn eine gewisse Personenzahl das Bedürfnis hat, Texte in der jeweiligen Fremdsprache zu rezipieren, die Sprache zu erlernen und mit Sprechern der anderen Sprache zu kommunizieren, was einen engen Kontakt zwischen den jeweiligen Ländern und ein Interesse an der anderen Kultur voraussetzt. In einem einführenden Kapitel wird daher, getrennt für den deutschen Sprachraum und Italien, betrachtet, welche Kontakte zwischen den Ländern zu Ende des 18. bzw. Beginn des 19. Jahrhunderts bestehen, welches Prestige die italienische Sprache und Kultur nördlich und die deutsche Sprache und Kultur südlich der Alpen genießen und aus welcher Motivation heraus, mit welchen Lehrwerken bzw. in welchem institutionellen Umfeld die jeweils andere Sprache gelernt wird. Eng verknüpft mit dem Italienischunterricht ist in Deutschland die beginnende Beschäftigung mit italienischer Sprache und Literatur im universitären Rahmen. Bei deren Skizzierung wird zur Kontextualisierung Valentinis der Fokus auf die Entwicklungen in Berlin gerichtet. Auf italienischer Seite ist zu unterstreichen, dass aufgrund eines über Jahrhunderte andauernden Kulturgefälles das Interesse an der deutschen Sprache sehr viel später einsetzt, und dass die Geschichte des Unterrichts bisher sehr viel weniger bearbeitet ist. Das Kapitel stützt sich auf die kultur-, sprach- und wissenschaftshistorische Literatur zu dem Thema (cf. Christ/Rang 1985; Christmann 1985; Giovanardi/Stammerjohann 1996; Heitmann/Scamardi 1993; Risop 1910; Ross 1989; zur Geschichte der Italienischlehrwerke Gorini 1997; für die Rezeption des Deutschen in Italien insbesondere Glück 2002 und Heitmann 2003–), die um Peritexte von zeitgenössischen Wörterbüchern und Grammatiken sowie Quellen wie die Lehrpläne Berliner Gymnasien und Unterlagen der 1810 gegründeten Berliner Universität ergänzt werden. Das dritte Kapitel bietet einen Überblick über die lexikographische Produktion in Deutschland und Italien an der Schwelle des 19. Jahrhunderts, in die Valentini sich einschreibt. Zunächst werden, jeweils mit Bezug zum Werk des Römers, die wichtigsten Tendenzen der einsprachigen italienischen und deutschen Lexikographie nachgezeichnet, bevor in ausführlicherer Form die als weniger bekannt
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vorauszusetzende Geschichte der zweisprachig italienisch-deutschen Lexikographie von ihren Anfängen an zusammengefasst wird. In Kapitel 4 werden Valentinis Biographie und seine kulturvermittelnden Aktivitäten in Berlin rekonstruiert. Außerdem erfolgt hier ein erster Überblick über sein lexikographisches und sprachdidaktisches Werk sowie sein Interesse an einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit der italienischen Sprache. Ausgangsbasis bieten der Ausstellungskatalog von Boerner (1988) sowie die Biographie von De Botazzi, die um weitere, von mir recherchierte Quellen ergänzt wurden: Material, das mir vom Oderlandmuseum Bad Freienwalde zur Verfügung gestellt wurde, Archivmaterial der Staatsbibliothek Berlin, des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz, der Biblioteca Braidense in Mailand sowie des Archivio Storico Diocesano di Roma, außerdem gedruckte Quellen von Mitgliedern der von Valentini gegründeten Società italiana (cf. Schnakenburg 1865 und Mazzoni 1836). Wenn Valentini heute ein Platz in der Geschichte der Sprachwissenschaft gebührt, ist es in erster Linie aufgrund seines Vollständigen Wörterbuchs, das auch seine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Deutschen und Italienischen umfasst. Für eine vollständige Darstellung seines Werks werden vor der eingehenden Analyse des lexikographischen Œuvres in Kapitel 5 jedoch auch seine Lehrwerke sowie die Materialien zur Vermittlung von italienischer Literatur und Kultur in die Betrachtung einbezogen und in das Panorama der Lehrwerkproduktion der Zeit eingeordnet. Isoliert steht der Trattato su la Commedia dell’Arte von 1826. Die Sprachlehren i. e. S., die teilweise parallel zur Arbeit am Vollständigen Wörterbuch entstanden sind, sind die Lettere ad un amico (1818), die Neue theoretischpraktische Grammatik (1824) und Der italienische Lehrer (1827–1828), zu denen anhand ausgewählter grammatischer Phänomene sowie der Auswahl von als modellhaft anzusehenden Autorentexten Valentinis Positionierung bezüglich von Normfragen diskutiert wird. Die Ergebnisse werden später in Beziehung zur Norm im Vollständigen Wörterbuch gestellt. Von den weiteren Arbeiten zur Sprachvermittlung, der Gründlichen Lehre der italienischen Aussprache von 1834, den Dialoghi e Colloqui italiani e tedeschi von 1839 und dem Jahrgeschenk für Deutsche (1842–1843) werden die Dialoghi etwas ausführlicher behandelt, da sie erstens auch einen lexikalischen Teil enthalten, der später im Rahmen der Lexikographie Valentinis analysiert wird, und da sie zweitens als Dialogsammlung eine interessante Textsorte zur Erforschung der Geschichte der gesprochenen Sprache darstellen (cf. Franceschini 2002 und Radtke 1994), die für den Zeitraum des 19. Jahrhunderts noch wenig beachtet worden ist. Das sechste Kapitel ist den kleineren lexikographischen Werken Valentinis gewidmet: dem italienisch-deutschen Taschenwörterbuch, das bereits 1821 erschien und ein großer Verkaufserfolg, mit Neuauflagen bis 1906, war und zu dem
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Editionsgeschichte sowie sprachliches und lexikographisches Konzept, das sich in der ersten Auflage von dem des Vollständigen Wörterbuchs noch erheblich unterscheidet, dargestellt werden; der Raccolta di mille e più vocaboli italiani (1832), mit der Valentini in die Diskussion um die italienische Lexikographie nach dem Vorbild der Accademia della Crusca eingreift und konkrete Vorschläge für die Ergänzung und Überarbeitung von Wörterbuchartikeln macht; schließlich der lexikalische Teil der Dialoghi von 1839, der nach Art eines onomasiologischen Wörterbuchs den wichtigsten Lernwortschatz des Italienischen, ergänzt um eine umfangreiche Dokumentation von Fachtermini unterschiedlicher Sektoren sowie Wissenschaften, enthält. Den Schwerpunkt der Arbeit bildet mit Kapitel 7 die Analyse des Vollständigen deutsch-italienischen Wörterbuchs von 1831–1836. Es gliedert sich in vier große Teilkapitel: einen ersten Abschnitt, in dem auf die dem eigentlichen Wörterbuchteil vorangestellten Peritexte eingegangen wird, einen zweiten zur Rekonstruktion der Entstehung sowie der Konzeption des Wörterbuchs, sowie eine eingehende Analyse der Makro- und der Mikrostruktur. Der Vorspann des italienisch-deutschen Teils enthält Valentinis «Dissertazione sul linguaggio italo volgare», in der er sich mit den Ansätzen Raynouards und A. W. Schlegels auseinandersetzt, der Vorspann des deutsch-italienischen Teils die «Dissertazione su la lingua e letteratura tedesca» und eine deutsche Grammatik für Italiener, die sich an der kurz zuvor erschienenen Deutschen Grammatik Grimms orientiert und damit stark von den bisherigen didaktischen Grammatiken für Italiener abweicht. Aus dem Vorwort, den genannten Archivdokumenten und der Diskussion in der Raccolta lassen sich die lexikographischen und literarischen Quellen für Valentinis Wörterbuch, seine Arbeitsweise, die zugrundeliegende Sprachkonzeption sowie die metalexikographische Reflexion rekonstruieren. Für die systematische Analyse der Makro- und Mikrostruktur wurde ein Korpus von 60, in regelmäßigen Abständen über die vier Bände des Wörterbuchs verteilten Seiten mit ca. 2000 Stichwörtern pro Sprachrichtung zusammengestellt und transkribiert. Dieses dient zunächst zum Abgleich des Lemmariums mit den Vorgängerwerken. Zudem lassen sich anhand des fest umgrenzten Korpus quantitative Aussagen, etwa zum Anteil von Wortschatz aus bestimmten Varietäten oder zur Frequenz des Einsatzes von Autorenbeispielen, machen. Für die Betrachtung anderer Teilbereiche wurde wiederum das gesamte Wörterbuch einbezogen. Auf Ebene der Makrostruktur liegt das Augenmerk, neben Fragen der Lemmatisierung, auf dem produktiven Umgang Valentinis mit seinen Referenzwerken, Fragen der Normierung sowie der Berücksichtigung verschiedener Teilbereiche des Wortschatzes, deren Aufnahme in der zeitgenössischen Lexikographietradition diskutiert wurde (Fachtermini, Regionalismen und Dialektismen, Fremd-
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wörter, Archaismen). Im Bereich der Mikrostruktur soll gezeigt werden, dass Valentini als Wegbereiter einer modernen deutsch-italienischen Lexikographie zu betrachten ist. Im Abgleich mit seinen Vorgängern und unter Heranziehung von Ansätzen der modernen Metalexikographie sowie der Wörterbuchkritik, die an die Möglichkeiten eines Wörterbuchs des 19. Jahrhunderts angepasst werden, wird herausgearbeitet, wie Ausspracheangaben, diasystematische Indizierung, Bedeutungs- und Äquivalenzdistinktion und Übersetzungsäquivalente verbessert, wie Phraseologie und Beispiele integriert werden. Kontinuierlich hinterfragt wird hier der Einfluss der einzelsprachlichen Lexikographien auf die einzelnen Strukturteile sowie die von Valentini selbst reflektierte Nützlichkeit einzelner Entscheidungen für den Benutzer. Charakteristisch für das Wörterbuch ist das Zusammentreffen von Innovation und Tradition, das sich im entsprechend ausführlicher behandelten Umgang mit Fachwortschatz einer- und der Integration von Autorenzitaten in der Linie der Accademia della Crusca andererseits herauslesen lässt. Trotz der erheblichen Leistung sind Valentini und sein Wörterbuch in der Lexikographiegeschichte weitgehend in Vergessenheit geraten, was auch damit zusammenhängt, dass 1837–1839 in Mailand eine Raubkopie erschien, die weitere Auflagen hinfällig machte. Mit der Veröffentlichung des Rigutini/Bulle erschien 1896–1900 der nächste Meilenstein in der Geschichte der Äquivalenzwörterbücher der beiden Sprachen, der Valentini schließlich obsolet werden ließ. Im letzten Kapitel wird nachvollzogen, welche direkten Reaktionen das Vollständige Wörterbuch nach sich zog, wie es rezipiert wurde und wie es die weiteren deutschitalienischen Wörterbücher bis einschließlich Rigutini/Bulle beeinflusste.
1.4 Transkriptionskonventionen und Grundsätze beim Umgang mit Quellen und Zitaten Für die technischen Konventionen der Transkription aus dem Wörterbuch sowie weiteren älteren Quellen orientiere ich mich für die deutschen Textteile an Glück (cf. 2002, 463): – Zitate aus Quellen in Frakturschriften werden in Antiqua wiedergegeben. – «Umlaute werden mit dem Trema (ä, ö, ü) wiedergegeben, auch dann, wenn die Quelle ein superskribiertes e hat» (Glück 2002, 463). – Langes und rundes s werden nicht unterschieden, sondern stets mit s transkribiert.
Umgang mit Quellen und Zitaten
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Etc., das, wie in Frakturdrucken im 18. und 19. Jahrhundert üblich, von Valentini in seinen deutschen Textteilen zumeist mit tironischem Et geschrieben wird, wird als etc. transkribiert.
Italienische Textteile aus den Werken Valentinis sowie anderen Texten des 19. Jahrhunderts werden ohne Adaptionen nach dem Original zitiert. In der Graphie, im Gebrauch der segni paragrafematici³ und in anderen sprachlichen Besonderheiten kommt es somit natürlich zu Abweichungen vom heutigen Italienischen (z. B. frequentere Elisionen und Apokopen; Spatien nach Elisionen; Akut auf dem geschlossenen e). Es schien mir jedoch korrekt, nicht zu modernisieren, um die graphischen Entscheidungen Valentinis nicht zu verfälschen, die für seine Zeit angemessen waren und seiner Sprachkonzeption entsprachen. Werden ganze Wörterbuchartikel zitiert, so wird die jeweilige typographische Auszeichnung der einzelnen Elemente übernommen, werden einzelne Lemmata im Fließtext genannt, erscheinen sie den Konventionen gemäß kursiv gesetzt, jedoch mit der jeweiligen Akzentuierung des Wörterbuchs. Lemmata im Fließtext wird zumeist, um der Natur des zweisprachigen Wörterbuchs Rechnung zu tragen, das Äquivalent aus Valentini beigegeben. Viele Werke des Römers sind auf Deutsch und Italienisch abgefasst bzw. enthalten zweisprachig verfasste Textteile (z. B. das Vorwort). Im Folgenden wird, für die Homogenität des Textes, grundsätzlich aus der deutschen Version zitiert. Im Fall von Abweichungen – einige Texte gestaltet Valentini in seiner Muttersprache besonders expressiv – wird das Zitat in italienischer Sprache begründet. Zu Archivquellen wie Briefen oder Verträgen, die von Boerner (1988) recherchiert wurden, wurden in den entsprechenden Archiven bzw. in Bad Freienwalde die Originale oder deren Reproduktionen eingesehen. Sie werden aus Boerner zitiert, während von mir recherchierte Quellen mit den entsprechenden Angaben aus den Originalen zitiert werden. Eine besonders interessante Handschrift Valentinis, ein Brief an Francesco Cherubini, ist in Kapitel 4.5.1 abgedruckt. Im Überblick über die Geschichte der zweisprachigen Lexikographie (Kapitel 3.3) werden zahlreiche deutsch-italienische Wörterbücher genannt.⁴ Bei einund zweisprachigen Wörterbüchern, die als Grundlage für Valentini eine Rolle
3 Den Terminus hat Castellani (1985) geprägt. Er umschließt neben Interpunktionszeichen auch Akzente, typographische Auszeichnungen, Abstände zwischen Wörtern und Zeilen etc. 4 Ihre Titel sind zumeist sehr lang, enthalten Informationen zu Grundlagen, zum Autor etc. In den entsprechenden Bibliographien und Bibliothekskatalogen gelten unterschiedliche Standards zur Angabe. Da die entsprechenden Werke nicht im Zentrum dieser Arbeit stehen, erfolgt eine reduzierte Angabe, die jedoch stets die Recherchierbarkeit gewährleistet. Zusätze werden dann mit angefügt, wenn sie für die Ausführungen zum jeweiligen Werk von Relevanz sind.
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spielen, wurde versucht, jeweils die Ausgabe einzusehen, die ihm höchstwahrscheinlich zur Verfügung gestanden hat. Aus forschungspraktischen Gründen war es aber nicht immer möglich, auf eine bestimmte Ausgabe zurückzugreifen, sondern es musste die jeweils verfügbare genutzt werden. Zumeist wurden die Exemplare der Bibliotheken in Heidelberg, Florenz und Salzburg bzw. diejenigen herangezogen, die über Fernleihverkehr zu bekommen waren. Zudem wurden elektronische Ausgaben über die Bayerische Staatsbibliothek, die Österreichische Nationalbibliothek, das Deutsche Textarchiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften sowie von Google Books herangezogen.
2 Italienisch in Deutschland – Deutsch in Italien Das kulturelle Ungleichgewicht, das die Begegnung zwischen Deutschland und Italien über weite Zeiträume prägte, hatte auch für den Status und das Erlernen der Sprache des jeweils anderen Raumes weitreichende Folgen. Ab dem 15. Jahrhundert in größerem Umfang gelernt, genoss das Italienische in Deutschland über Jahrhunderte als Kultursprache ein hohes Prestige, während das Deutsche, verbunden mit dem Bild von den Deutschen, in Italien negativ konnotiert war und entsprechend wenig gelernt wurde. Im Laufe des 18. und besonders im 19. Jahrhundert begann sich das Kulturgefälle umzukehren und die neue Rolle Deutschlands als gebende Nation brachte zwangsläufig auch eine Auseinandersetzung mit der deutschen Sprache südlich der Alpen mit sich. Die folgende Darstellung nimmt für die Rolle des Italienischen in Deutschland Christmann (1992) als Ausgangspunkt, für die Entwicklung des praktischen Sprachunterrichts und damit eng verbunden für die Produktion von Lehrwerken des Italienischen für Deutsche wird die grundlegende Arbeit von Gorini (1997) herangezogen,¹ für die Situation des Italienischen in der Donaumonarchie insbesondere Boaglio (2012). Für die Stellung des Deutschen in Italien und die Entwicklung des italienischen Deutschlandbilds dienen die Arbeiten von Glück (2002) und Heitmann (2003–) als Richtschnur. Glück hat mit dem Fokus auf der Verbreitung von Deutsch als Fremdsprache vom Mittelalter bis zur Barockzeit die wichtigsten Etappen des italienisch-deutschen Sprach- und Kulturkontakts nachgezeichnet und stellt Sprachlehrwerke dieses Zeitraums vor. Heitmann beleuchtet in einer imagologisch angelegten, auf einer breiten Auswahl zeitgenössischer Texte basierenden Untersuchung die Geschichte des italienischen Deutschlandbilds.
2.1 Italienisch in Deutschland 2.1.1 Die Rolle des Italienischen vom 15. bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts Die Anfänge des Italienischunterrichts in Deutschland gehen zurück «ins 15. Jahrhundert und auf nüchterne praktische Notwendigkeiten. Es waren vor allem Kauf-
1 Eine neuere Arbeit zu Grammatiken des Italienischen für Ausländer vom 16. Jahrhundert bis in die heutige Zeit ist Palermo/Poggiogalli (2010). Für die Grammatiken aus dem deutschsprachigen Raum stützt sie sich jedoch überwiegend auf Gorini (1997) und wird daher hier nur ergänzend herangezogen. Einige Datierungen sind fehlerhaft.
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leute, daneben Handwerker, die ‹Welsch› zu lernen begannen, wegen des bedeutenden Handels und Austauschs mit Italien» (Christmann 1992, 45). Dieser betraf v. a. die süddeutschen Handelsstädte Augsburg, Nürnberg, Ulm und Regensburg sowie Köln nördlich und Venedig² sowie später Genua und Mailand südlich der Alpen.³ Als weitere Personengruppen mit direkten Italienerfahrungen, die zumindest grundlegende Italienischkenntnisse erforderten, sind Rompilger sowie Studenten zu nennen. Letztere zog es im 14. Jahrhundert v. a. nach Bologna, im 15. Jahrhundert auch nach Padua, Siena und Pavia (cf. Christmann 1992, 47). Im 15. und 16. Jahrhundert wurde das rinascimentale Italien zum kulturellen Ausstrahlungszentrum für ganz Europa. Seine Leistungen auf dem Gebiet der Architektur und der Kunst, die Arbeiten der Humanisten, die politischen Schriften – allen voran Machiavellis Principe – wurden mit Bewunderung wahrgenommen. In Italien bildete sich eine neue Form der Diplomatie heraus. Im höfischen Umfeld fand über die Texte Castigliones und Della Casas das Ideal des gentil uomo europaweit Verbreitung (cf. Gorini 1997, 15). Als erste der neueren Volkssprachen stieg das Italienische mit den Tre Corone zur Literatursprache auf und wurde in andere Volkssprachen übertragen, die Accademia della Crusca wurde zum Vorbild für deutsche Sprachgesellschaften (cf. Albrecht 2000, 78). Ein Höhepunkt der Italienrezeption in Deutschland «ist die Zeit des Barock und des Rokoko, das 17. und ein Teil des 18. Jahrhunderts, wo eine Fülle italienischer Bücher gedruckt wird, wo die deutschen Dichter in die Fußstapfen Petrarcas treten, wo man mit Begeisterung Ariost und Tasso liest» (Christmann 1992, 47–48). Das Italienische wird zur Sprache der Oper und erhält eine Sonderstellung an den Höfen, besonders natürlich in Wien, wo italienische Dichter und Librettisten versammelt werden:
2 Aus Venedig stammt das erste deutsch-italienische Sprachbuch, das jedoch vornehmlich an ein italienisches Publikum gerichtet war und auf das zurückzukommen sein wird (cf. Kapitel 3.3). 3 Der Gebrauch des Italienischen in Handelskontexten beschränkt sich jedoch nicht auf die Apenninenhalbinsel selbst. Wie dem Vorwort einer italienischen Grammatik aus dem frühen 17. Jahrhundert zu entnehmen ist, ist die italienische Sprache «Handels=Leuthen […] hoch nohtwendig [sic!], weil ihr täglicher Gebrauch in den Contoren fürfället. Reisenden ist sie beförderlich, nicht allein in Italia, sondern auch Frankreich, Portugal, Spanien und Barbarien, so wohl auch in Türcken, Aegypto, und Syria, weil sie daselbst fast gebräuchlich» (Henricus Cornelius Anchinoandus im Vorwort seiner Grammatica italica, zitiert nach Franceschini 2002, 71–73). Für den Nachwuchs großer Handelshäuser in Deutschland war das Erlernen der italienischen Sprache fester Bestandteil ihrer Ausbildung und häufig mit längeren Auslandsaufenthalten verbunden (cf. Gorini 1997, 20). Zum Italienischlernen im städtischen Umfeld in der frühen Neuzeit, speziell im Kontext der Handels- und Kaufmannsausbildung cf. auch den Sammelband von Häberlein/Kuhn (2010).
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«Compositori, librettisti, cantanti, ballerini, scenografi italiani stipendiati dall’imperatore sono gli arbitri indiscussi dello spettacolo operistico, e il caso del Metastasio, protagonista assoluto della librettistica europea per circa un sessantennio, non conosce eguali nella storia dell’opera».⁴ (Bonomi 1998a, 44)
Mitglieder des Hofes betrieben Konversation in italienischer Sprache. Auch an den meisten anderen deutschsprachigen Höfen gehörte der Italienischunterricht bereits seit dem späten Mittelalter – schon in der Goldenen Bulle von 1356 sind entsprechende Anweisungen festgehalten – zur Ausbildung junger Adliger, teilweise vor dem Französischen. Zunächst erfolgte der Unterricht häufig durch längere Aufenthalte an ausländischen Höfen oder die Kavalierstour, eine Reise durch Frankreich oder Italien, auf die der junge Adlige von einem Hofmeister begleitet wurde, später vor allem vor Ort an den jeweiligen Höfen durch den Hofmeister oder durch muttersprachliche Lehrer bzw. Sprachmeister (cf. Christmann 1992, 45–46; 48–49; Gorini 1997, 24–25). Außerhalb der Höfe, jedoch institutionell fest mit diesen verbunden und teilweise durch die gleichen Lehrer (cf. Trapassi 1996, 34, die sich mit dem Italienischunterricht vom 17. bis 19. Jahrhundert in Halle beschäftigt), wurde Fremdsprachenunterricht ab dem 16. Jahrhundert auch an den Ritterakademien und Collegien und später an den Universitäten erteilt.⁵ An den Ritterakademien wurden ausschließlich junge Adlige unterrichtet und auf ihre künftigen Aufgaben vorbereitet, während die Collegien auch Bürgerlichen offenstanden und die Ausbildung für eine Karriere bei Hofe, im Militär, der Diplomatie und der Staatsverwaltung boten. Gemein war beiden Institutionen, dass ihre Ausrichtung gegenüber der der Universitäten von Beginn an praktischer und an der zeitgenössischen Lebenswelt ausgerichtet war, so dass gemeinsam mit Fächern wie Recht, Geschichte, Geographie, Mathematik und höfischen Disziplinen wie Tanzen oder Fechten auch die modernen Fremdsprachen einen festen Platz im Stundenplan einnahmen. Dem Italienischen kam dabei, zusammen mit dem Französischen, eine besondere Rolle zu.
4 Neben Metastasio ist als herausragende Figur Lorenzo Da Ponte, ab 1783 in Wien, zu nennen. Zur italienischen Präsenz in der Habsburgermonarchie und besonders in Wien cf. auch Wolf (2012, 268–273). 5 In Tübingen beispielsweise wurde vom 16. bis ins 19. Jahrhundert an der 1596 gegründeten Ritterakademie des Collegium illustre, am evangelischen Stift sowie an der Universität Italienisch unterrichtet, cf. Heinz-Mazzoni (1996, 13). Zur Situation in Braunschweig, wo am Collegium Carolinum Italienisch gelernt wurde, cf. Barbon (1996), zu Halle Trapassi (1996, im gleichen Sammelband von Giovanardi und Stammerjohann), zu Jena Seifert (2000 und 2005).
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Die Lehrer waren häufig Muttersprachler, die als s. g. Sprachmeister in meist prekären Anstellungsverhältnissen tätig waren und in der Hierarchie deutlich unter den anderen Lehrenden standen. Sie erhielten von ihren Institutionen oft kein festes oder nur ein geringes Gehalt und hatten eine hohe Stundenzahl zu erfüllen. Oft mussten sie ihren Unterricht zu ungünstigen Zeiten in Randstunden anbieten. Besonders die Ritterakademien und Collegien boten jedoch die Chance auf einen höheren Status. Einige Sprachmeister konnten mit der Zeit einen Professorentitel erlangen (cf. Heinz-Mazzoni 1996, 12–13; Barbon 1996, 23–25; Trapassi 1996, 33; Boaglio 2012, 95–98). An den Universitäten entwickelten sich später die ersten Romanistik-Lehrstühle teilweise aus ihren Lektoraten (cf. Christmann 1985, 7–8; für Halle cf. Trapassi 1996, 39–40; cf. auch Kapitel 2.1.2). Aus den Statuten einiger Institutionen geht als Lernziel im Fremdsprachenunterricht klar die praktische Sprachkompetenz hervor. Verlangt wurden ein guter und korrekter schriftlicher Ausdruck, flüssiges Sprechen und eine gute Aussprache (cf. Heinz-Mazzoni 1996, 13–14).⁶ Zum Unterricht gehörte zumeist die Lektüre eines Autors. Die erste Hälfte der Stunde war dem Vortrag des Lehrers vorbehalten, es folgte die Wiederholung durch die Studierenden, die außerdem eine schriftliche Zusammenfassung abzuliefern hatten (cf. auch Gorini 1997, 22). Dieses Wiederholungsprinzip charakterisierte insbesondere die Zeit bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, da noch kaum Lehrbücher des Italienischen vorlagen. In der Folge stieg deren Zahl stark an. Viele Sprachmeister wurden selbst zu Autoren von Lehrwerken und auch von Wörterbüchern. Als Beispiel sei hier nur der in Halle tätige Nicolò di Castelli genannt, auf den in Kapitel 3.3 in seiner Bedeutung als Wörterbuchautor näher eingegangen wird.⁷ Einen Höhepunkt erreichte die Verbreitung der italienischen Sprache und Kultur in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Die italienische Literatur wurde in ihrer Breite bekannter. Bis Ende des 18. Jahrhunderts wurden, insbesondere im höfischen Kontext, vor allem neuere Dichter wie Marino, Maffei oder Metastasio rezipiert (cf. Rehder 1953, 13). Nun interessierte sich ein größeres Publikum auch für Autoren wie Boccaccio, Petrarca, Ariost und Tasso (cf. Christmann 1992, 52). Die Kavalierstour der jungen Adligen wurde durch die Bildungsreise des Bürgertums nach Italien abgelöst. Ein prominenter Reisender war 1740 Goethes Vater Johann Caspar, der – in italienischer Sprache – seine Reiseerinnerungen veröf-
6 Die Wichtigkeit, die der Aussprache und damit verbunden auch dem korrekten Vortrag von Versen beigemessen wurde, zieht sich bis ins 19. Jahrhundert durch alle Richtlinien zum Unterricht in den neueren Fremdsprachen. Sie schlägt sich mit der Verfassung einer Aussprachelehre von 1834 auch im didaktischen Werk Valentinis nieder. 7 Zu den in Deutschland verfassten Italienischlehrwerken bis zum Ende des 18. Jahrhunderts cf. Gorini (1997, 51–160, Analyse, und 360–362, chronologische Bibliographie).
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fentlichte.⁸ Sich auf die Vorworte verschiedener Wörterbücher des Italienischen stützend, fasst Hausmann folgende Gründe dafür zusammen, dass Deutsche im 18. Jahrhundert Italienisch lernten (cf. 1987a, 214): – Italienischkenntnisse heben das gesellschaftliche Ansehen: «comment briller en société? Ce n’est plus en parlant français, puisque tout le monde le parle. Pour avoir du succès en société, il faut parler italien. L’italien est en somme la langue snob de l’Europe de notre siècle» (Hausmann 1987a, 214); – das Italienische gilt als edler als das Französische; – Italienisch ist nach wie vor eine wichtige Handelssprache, insbesondere für Geschäfte mit dem osmanischen Reich: Das einzige zweisprachige türkische Wörterbuch mit einer europäischen Sprache ist ein türkisch-italienisches; – die italienische Literatur und Kunst genießen weiterhin hohes Ansehen. Die Reise nach Italien zur Bewunderung seiner Kunstschätze setzt zumindest grundlegende Italienischkenntnisse voraus; – Italienisch ist die klassische Sprache der politischen Literatur; – Italienischkenntnisse bilden die ideale Basis, um Französisch und Spanisch zu erlernen; – Italienisch ist die Sprache des Theaters und der Oper. Besonderen Ausdruck und zugleich einen Höhe- und Endpunkt findet die Italienbegeisterung zur Goethezeit am Hof von Weimar. «Das beste Beispiel ist Goethe selbst. Ein Leben lang hat er sich mit italienischer Sprache und Literatur befaßt» (Christmann 1992, 44–45). Auch Herzogin Anna Amalia lernt Italienisch und unternimmt, wie Goethe, eine längere Italienreise. Neben diesen bekannten Protagonisten sind im selben Umfeld zwei wichtige Vermittlerfiguren des Italienischen zu nennen. Nach langem Italienaufenthalt wird 1775 Christian Joseph Jagemann (1735–1804) Bibliothekar in Weimar. Er erteilt Sprachunterricht und gilt mit seinen profunden Kenntnissen der italienischen Sprache und Literatur als einer der wichtigsten Vermittler italienischer Kultur in Deutschland überhaupt.⁹ Neben der
8 Die italienische Version ist 1932–1933 von der Reale Accademia d’Italia herausgegeben worden (Goethe 1740/1932–1933). Eine deutsche Fassung liegt in der Übersetzung und mit einem Kommentar versehen von Albert Meier vor (Goethe 1740/1986). 9 Nachdem man ihn lange lediglich als Nebenfigur in der Weimarer Klassik betrachtet hat, ist Jagemann in den letzten Jahrzehnten in seiner Bedeutung für die Anfänge der deutschen Italianistik einige Aufmerksamkeit gewidmet worden. Ich verweise hier lediglich auf die Monographien von Dal Monte (1970) und Glaser (2008), die Herausgabe seiner Dante-Übersetzung von Kofler (2004) sowie die Beiträge von Albrecht (1996 und 2006) sowie Glaser (2006). Jagemann bemühte sich zugleich auch um die Vermittlung deutscher Kultur in Italien. Hier ist insbesondere seine Übertragung von Goethes Hermann und Dorothea ins Italienische zu nennen, cf. Kofler (2006).
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Herausgabe von Anthologien der italienischen Literatur, Beiträgen zu einzelnen Autoren, Übersetzungen und Berichten aus Italien für den Teutschen Merkur verfasst Jagemann ein Wörterbuch sowie eine italienische Sprachlehre, auf die in den Kapiteln 3.3 bzw. 5.3 zurückzukommen sein wird. Außerdem ist er der Herausgeber der völlig in italienischer Sprache verfassten Gazzetta di Weimar, die von 1787 bis 1789 wöchentlich erscheint.¹⁰ Dass die explizit an ein Publikum von «dilettanti della lingua italiana» (Stammerjohann 1999, vol. 1, Titel) gerichtete Gazzetta über diesen Zeitraum existieren konnte, zeigt einmal mehr die Stellung des Italienischen in Weimar an. Auch der Teutsche Merkur von Wieland war stark auf Italien ausgerichtet: Wie Kofler nachgewiesen hat, kam nicht eine Ausgabe ohne mindestens einen Beitrag mit Italienbezug aus (cf. Kofler 1997, 9). Nachfolger von Jagemann als Bibliothekar in Weimar war Carl Ludwig Fernow (1763–1808). Auch er hatte einen langen Zeitraum in Italien verbracht. Fernow, in erster Linie Kunsthistoriker und -theoretiker, lebte von 1793 bis 1803 in Rom, wurde dann auf eine Professur für Ästhetik nach Jena berufen, die er jedoch aus gesundheitlichen Gründen nicht antreten konnte. Wie Jagemann erteilte er in Weimar Italienischunterricht, gab Textanthologien heraus und beschäftigte sich mit italienischen Autoren, ist jedoch vor allem wegen seines sprachwissenschaftlichen Werks beachtenswert, das in den letzten Jahrzehnten wiederentdeckt worden ist (cf. Kapitel 2.1.2 und 5.3). Nachdem die Italienrezeption ihren Höhepunkt erreicht hatte, kam es ab Mitte des 18. Jahrhundert zu zwei gegenläufigen Prozessen. Zum einen ließ das Interesse am Italienischen nach, was neben der Tatsache, dass das Land kulturell kaum noch ausstrahlte, insbesondere auf den Ausbau der Rolle zwei anderer Fremdsprachen zurückzuführen ist: Das 18. Jahrhundert brachte «mit seiner universalité de la langue française die Neuerung, daß in großem Umfang Französisch gelernt wurde. Die alte Gelehrtenbildung auf lateinischer Grundlage bestand zwar fort, aber neben sie trat eine neue, die höfisch-französische Bildung» (Christmann 1976, 425). Neben das bereits seit Ende der Renaissance starke und nun übermächtige Französische trat nun auch das Englische und drängte die italienische Sprache in Deutschland zurück (cf. Christmann 1992, 51). Zum anderen begann sich parallel zu diesem Rückgang des breiten Interesses an Italien über die vertiefte Beschäftigung mit der italienischen Sprache und Literatur eine deutsche Italianistik herauszubilden, worauf im folgenden Kapitel gezielt eingegangen wird.
10 Ein Nachdruck der Gazzetta ist 1999 von Stammerjohann herausgegeben worden, cf. Stammerjohann (1999).
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Eine Ausnahme der rückläufigen Lernerzahlen für das Italienische stellte die Habsburgermonarchie dar, wo insbesondere mit der Restauration ein hoher Bedarf an Italienischunterricht bestand, um Beamte für die Verwaltung der italienischen Gebiete auszubilden: «Die kulturgeschichtliche Relevanz, die das Italienische schon immer in der Donaumonarchie besessen hatte, ging in der Zeit der Restauration Hand in Hand mit den Bemühungen, den Staatsbeamten die bestmögliche Ausbildung zu gewährleisten, damit sie die italienischen Provinzen zwar im Sinne der Hegemonialmacht, aber doch bürgernah verwalteten».¹¹ (Boaglio 2012, 98)
Schon unter Maria Theresia hatte zum Aufbau des zentralistischen Staatsapparats, der die Ausbildung hochqualifizierter Beamter erforderte, eine Reform der Universität stattgefunden, die auch die im Vielvölkerstaat notwendige Fremdsprachenvermittlung einschloss und zur Einstellung der ersten Lektoren führte (cf. Boaglio 2012, 94–98). Nach der napoleonischen Zeit wurde mit Beginn des Wiener Kongresses dann per Dekret eine «Aufmunterung zur Erlernung der Italienischen Sprache» (Dekret der Studien-Hofkommission vom 28. Oktober 1814, zitiert nach Boaglio 2012, 99) verbreitet. Spätere Dekrete zur Struktur des Studiums zeigen deutlich, dass das Italienischstudium praktischen Zwecken dienen sollte. Eine Präzisierung Kaisers Franz II. stellt klar, dass «[d]ie Hauptabsicht der Stadtverwaltung bei der Gründung des Lehrstuhls der italienischen Sprache nicht dahin ging, dass die Jünglinge welche diese Schule besuchen zu vollkommenen Sprachgelehrten und Literaten gebildet werden, sondern dass sie und besonders diejenigen welche sich dem Staatsdienst zu widmen gesonnen oder schon angestellte Beamte sind Gelegenheit finden, sich mit der italienischen Sprache dergestalt vertraut zu machen, dass sie sich korrekt und deutlich in Geschäftsaufsätzen auszudrücken vermögen, so dieser von Mir hiermit bewilligt worden zweite Jahreskurs keineswegs als ein förmlicher Kurs über die italienische Literatur sondern als ein praktischer Lehrkurs der angewandten Grammatik anzusehen». (Erklärung Kaisers Franz II. vom 2. Oktober 1826, zitiert nach Boaglio 2012, 103)
Die Studierendenzahlen in den Italienischkursen waren so hoch, dass die Teilnahme teilweise auf Beamte und Studierende der Theologie, der Rechtswissenschaften, der Medizin und der Philosophie beschränkt werden musste (cf. Boaglio 2012, 100).
11 Zur Auswirkung der Wiener Sprachpolitik auf die Situation in den italienischen Kronländern cf. auch Boaglio (2014, 26–27). Für einen Überblick über die Verwaltungsstrukturen in LombardoVenetien, Tirol und Trentin sowie dem Küstenland mit Triest, Görz-Gradisca und Istrien cf. Pichler (2000, 35–59).
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Einer der ersten Lektoren an der Wiener Universität war von 1804 bis zu seinem Tod 1817 der aus dem Trentin stammende Domenico Antonio Filippi. 1815 erhielt er den Professorentitel (cf. Boaglio 2012, 98). Mit der Italienischen Sprachlehre, die erstmals 1799 in Nürnberg und anschließend in vierzehn Auflagen bis 1860 erschienen ist, verfasste er ein Lehrbuch, das mit seiner strikten Methodologie und seiner Ausrichtung auf die praktischen Bedürfnisse des Lerners für das gesamte 19. Jahrhundert richtungsweisend bleiben sollte.¹² Insgesamt hat «kein anderes europäisches Land […] mehr Lehrbücher des Italienischen als die Donaumonarchie publiziert» (Boaglio 2012, 110). Auch außerhalb Österreichs brach das Italienischstudium trotz der genannten Tendenzen nie ab. Das Interesse an der italienischen Sprache und Literatur und die mit dem Neuhumanismus verstärkte Wahrnehmung Italiens als Land der Antike ließen Gelehrte und interessiertes Bürgertum Italienisch lernen, und Korrespondenz zwischen italienischen und deutschen Literaten und Gelehrten – exemplarisch genannt seien hier nur die prominenten Beispiele des Briefwechsels zwischen Manzoni und Goethe sowie die Korrespondenz C. J. A. Mittermaiers – fanden vornehmlich in italienischer Sprache statt. Abschließend soll der Fokus auf die Situation in Preußen und speziell in Berlin gerichtet werden. Die Figur Francesco Valentinis selbst zeigt, dass in der preußischen Hauptstadt eine große Nachfrage nach privatem Italienischunterricht bestand. In kurzer Zeit konnte der Römer sich einen Schülerkreis aus Mitgliedern des Hofes, Berliner Gelehrten und dem gehobenen Bürgertum aufbauen, von dieser Art der Lehrtätigkeit leben und eine neunköpfige Familie ernähren (cf. Kapitel 4.2). Auch die 1836 von Valentini gegründete italienische Kulturgesellschaft, die Società italiana, der zahlreiche Vertreter des gelehrten Berlins angehörten und bei deren Treffen ausschließlich Italienisch gesprochen werden durfte (cf. Kapitel 4.4), belegt, wie tief das Italieninteresse in der Berliner Gesellschaft der Zeit verwurzelt war. Valentini war nicht der einzige muttersprachliche Lehrer in der Stadt. Boerner (1988) nennt neben ihm die Toskaner Antonio Montucci und Fabio Fabbrucci, die beide an der Berliner Universität Italienisch lehrten. Ersterer unterrichtete außerdem wie Valentini am preußischen Hof, letzterer am königlichen Joachims-
12 Zur Sprachlehre Filippis cf. Raffaelli (1998), die auch die Biographie des Sprach- und Kulturmittlers rekonstruiert hat, außerdem Gorini (1997, 226–234) und Palermo/Poggiogalli (2010, 175–181; der Verweis auf das Kapitel enthält im Inhaltsverzeichnis eine fehlerhafte Seitenangabe), wo das Jahr der Erstausgabe falsch mit 1818 angegeben ist. Auf Filippi wird auch im Rahmen der Vermittlung des Deutschen in Italien, in der Geschichte der deutsch-italienischen Lexikographie und zur Geschichte der italienischen Grammatiken und Lehrwerke in Deutschland in den Kapiteln 2.2, 3.3 und 5.3 zurückzukommen sein.
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thalschen Gymnasium (cf. Boerner 1988, 16–17). Über den Status einer Sprache, die privat gelernt wurde, hinaus, fand das Italienische also in Berlin auch Eingang in Schule und Universität. Auf seine Rolle und Institutionalisierung an der Universität wird im folgenden Kapitel im Rahmen der Herausbildung der Romanistik gesondert eingegangen. Die Verbreitung des Italienischen an den Schulen ist im weiteren Kontext des Unterrichts der modernen Fremdsprachen in Preußen zu betrachten. 1812–1816 erfolgte die Reform des Schulsystems durch Humboldt und Schulz. In ihrer neuhumanistischen Prägung und als Reaktion auf das Zeitalter Napoleons sah sie an den Gymnasien im sprachlichen Bereich nur den Unterricht in Griechisch, Latein und Deutsch vor, während die modernen Fremdsprachen zurückgestuft und nur mehr als fakultative Fächer angeboten wurden (cf. Gorini 1997, 39–40). Die einzelnen Entwicklungen lassen sich aus verschiedenen preußischen Verordnungen zum Fremdsprachenunterricht ablesen, die Christ/Rang (1985) zusammengestellt haben. In den näheren Bestimmungen für die Direktoren von Gymnasien und Collegien im Rheinland vom 7. Dezember 1815 heißt es: «Alle neueren Sprachen, außer der Muttersprache, bleiben aus dem Lectionsplan der allgemeinen Stadtschulen und Gymnasien ausgeschlossen» (Christ/Rang 1985, 18). Für das Jahr 1831, als das Französische bereits wieder in den Lehrplan aufgenommen worden ist, kann man in einer Verordnung für Schlesien lesen: «Eine größere Berücksichtigung der neuern Sprachen […] läßt sich mit der Bestimmung der Gymnasien nicht vereinigen […]». Weiter wird ausgeführt, «daß es immer bedenklich bleibt, der Deutschen Jugend die Gedankenform irgend eines anderen noch lebenden Volkes zum Grundtypus ihrer Bildung zu geben. […] Noch weniger ist es möglich, etwa noch das Englische und Italienische […] in den Kreis der Lehrgegenstände des Gymnasiums aufzunehmen, und die ohnehin schon große Zahl derselben zum Nachtheile einer gründlichen Bildung zu vermehren» (10. 9. 1831, zitiert nach Christ/Rang 1985, 61). Die nötigen Sprachkenntnisse für das Geschäftsleben zu vermitteln sei nicht Aufgabe der Gymnasien, sondern der höheren Bürgerschulen. Eine Reorganisation der Real-, Ober- und höheren Bürgerschulen erfolgte in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. In einer eher praktischen, auf Handel und Industrie hin ausgerichteten Orientierung sind Englisch und Französisch als moderne Verkehrssprachen obligatorisch (cf. Gorini 1997, 40). «Das Italienische kann, wo lokale Verhältnisse es wünschenswerth machen, als fakultative Lektion auf den Lehrplan gebracht werden» (preußische Verordnung für Realschulen vom 6. 10. 1859, zitiert nach Christ/Rang 1985, 63).
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In Berlin wurde zu Wirkzeiten Valentinis auch in einigen Gymnasien Italienisch als Wahlfach angeboten, so am königlichen Joachimsthalschen Gymnasium (cf. Wetzel 1907, 341)¹³ und am städtischen Gymnasium zum Grauen Kloster (cf. Boerner 1988, 51).¹⁴
2.1.2 Die Frühphase der Romanistik Eng verflochten mit der Verbreitung der italienischen Sprache zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die Etablierung des Studiums der modernen Fremdsprachen an deutschen Universitäten zur selben Zeit und unmittelbar darauf die Herausbildung der Romanistik als eigene Disziplin. Im Folgenden sollen anhand der Entwicklungen an der Universität Berlin, die auch Valentini direkt betreffen, zum einen die Institutionalisierung des Faches, zum anderen die frühen Fragestellungen der Romanistik dargestellt werden, und zwar bis in die 1830er und 1840er Jahre hinein, bis zu dem Zeitpunkt also, zu dem mit der Grammatik von Diez der Grundstein zu einer wissenschaftlichen Romanischen Philologie gelegt wird, und zu dem Valentini sich in einer seinem Wörterbuch vorangestellten Abhandlung mit der Herausbildung der romanischen Sprachen aus dem Lateinischen beschäftigt (1831, cf. Kapitel 7.1.1.2) und sich vergeblich um die Errichtung einer Professur für italienische Sprache und Literatur an der Berliner Universität bemüht (1843, cf. Kapitel 4.5.2). Im Vorlesungsverzeichnis der 1810 gegründeten Universität sind unter Philologie zunächst nur die Altphilologien verzeichnet (cf. Verzeichniß der Vorlesungen von 1811). Neben der klaren Ausrichtung auf Arabisch, Persisch, Hebräisch, Griechisch und Latein wurde zunächst den «neulateinischen Sprachen nur insoweit
13 Zur Gestaltung des Italienischunterrichts führt Wetzel in seiner Geschichte des Joachimsthalschen Gymnasiums aus: «Der Kursus, an dem in der Regel nur Primaner teilnahmen, wurde auf zwei Jahre berechnet. Im ersten Semester war ein leichteres Lesebuch durchzugehen und dabei vor allem auf gute Aussprache und die Einübung der Formenlehre und der Hauptregeln der Syntax zu sehen; im zweiten Halbjahr und zum Teil auch während des dritten Semesters wurden aus einem Handbuch der italienischen Sprache und Literatur die prosaischen Stücke, in der übrigen Zeit die poetischen Teile gelesen. An Hilfsbüchern wurden zugrunde gelegt: die theoretisch-praktische Anleitung zur Erlernung der italienischen Sprache von Fornarsi Edler von Verce […] und Idelers Handbuch». 14 Valentini stand in engem Kontakt zu mehreren Lehrern und Direktoren dieses Gymnasiums: Johann Ferdinand Schnakenburg, Lehrer am Grauen Kloster, war Mitglied der Società italiana und unterstützte Valentini bei der Wörterbucherstellung, cf. Kapitel 7.2.2.3. August Ferdinand Ribbeck (1792–1847), von 1826 bis 1828 Professor und von 1837 bis 1847 Direktor am Gymnasium, war ein Freund Valentinis.
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Spielraum gegönnt […], als diese, in Beschränkung auf ihre moderne Entwicklungsstufe, der Forderung rein praktischer, höchstens ästhetischer Zwecke zu genügen berufen waren»¹⁵ (Risop 1910/1988, 2). Der Unterricht der modernen Fremdsprachen wurde von häufig muttersprachlichen Lektoren¹⁶ übernommen. Bereits im ersten Vorlesungsverzeichnis von 1810 war neben Lektoren des Spanischen und Französischen mit Antonio Montucci¹⁷, der auch Englisch unterrichtete, ein Lektor der italienischen Sprache verzeichnet (cf. Risop 1910/1988, 5). Ab 1829 wird, neben den inzwischen etablierten Lektoren Seymour (Englisch) und Franceson (Französisch, Italienisch und Spanisch), Fabio Fabbrucci¹⁸ als Lektor des Italienischen aufgeführt (cf. Verzeichniß der Vorlesungen ab 1829). Außer dem praktischen Sprachunterricht boten die Lektoren auch Veranstaltungen zur jeweiligen Literatur an. Im Vorlesungsverzeichnis von 1820 heißt es etwa, «Herr Lector Franceson wird unentgeltlich die Geschichte der Italiänischen, Spanischen und Französischen Litteratur […] lehren, privatim Dante’s Divina commedia […], Calderons Dramen […] und Moliere’s Comödien […] erklären, und privatissime Französische Stilübungen veranstalten».¹⁹ (Verzeichniß der Vorlesungen von 1820)
Zur italienischen Literatur gibt Fabbrucci eine Überblicksveranstaltung «und erklärt auserlesene Italienische Schriftsteller wöchentlich viermal v. 3–4 Uhr, beides in Italienischer Sprache» (Verzeichniß der Vorlesungen von 1829). Die Auswahl der
15 Zu einer «Art romanischer Sprachwissenschaft» vor Gründung der Universität an der Preußischen Akademie der Wissenschaften mit Beiträgen insbesondere von Johann Leonhard Frisch, Louis Isaac de Beausobre, Carlo Denina und Jean Baptiste Bastide, deren Ansätze jedoch weitgehend unbekannt geblieben sind und nicht weiter verfolgt wurden, cf. Risop (1910/1988, 9–10) und Storost (2001, 10–169). 16 Im Vorlesungsverzeichnis der Berliner Universität werden sie ab dem Sommersemester 1820 als Lector bezeichnet, in den vorigen Verzeichnissen werden ihre Namen ohne Titelbezeichnung aufgeführt, cf. Verzeichnis der Vorlesungen, Sommerhalbjahr 1820. 17 Antonio Montucci (1762–1829), in Siena geboren, ist insbesondere für seine Leistungen auf dem Gebiet der Sinologie bekannt. Bevor er nach Berlin kam, hatte er in London und Edinburgh gelebt, wo er Lehrwerke des Italienischen, Literaturstudien und Textausgaben veröffentlicht hatte. Für eine detaillierte Biographie, eine Übersicht seiner Werke sowie eine reiche Bibliographie verweise ich auf den Artikel zu Antonio Montucci im Treccani Diz. Biografico. 18 Der ebenfalls aus Siena stammende Fabio Fabbrucci (1796–1877) war auch als Lehrer am königlichen Joachimsthalschen Gymnasium in Berlin tätig. Er verfasste Sprachlehrwerke und eine italienische Grammatik, später Reisesprachführer, und gab Sammlungen italienischer Texte heraus (cf. Boerner 1988, 17). 19 Dass ein und derselbe Lektor mehrere Sprachen und die jeweilige Literatur unterrichtet ist keine Seltenheit und kommt auch an anderen Universitäten vor, cf. Christmann (1985, 7).
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Autoren erfolgt manchmal nach Wunsch der Studierenden. Einen klaren Schwerpunkt legt Fabbrucci auf Dante und Tasso (cf. Verzeichniß der Vorlesungen von 1829–1845). Der unsichere Status der Lektoren und damit auch der modernen Fremdsprachen lässt sich daran ablesen, dass ihr Gehalt nur rund die Hälfte von dem der anderen Lehrenden beträgt, wenn sie nicht völlig unentgeltlich arbeiten (cf. Risop 1910/1988, 39, 45 u. 74), oder auch daran, dass ihre Veranstaltungen häufig nur nach Vereinbarung bzw. zu ungünstigen Randstunden stattfinden. Ihre langsame Entwicklung hin zu einer wirklichen wissenschaftlichen Disziplin spiegelt sich auch in der Absetzung der neuphilologischen Lehrveranstaltungen im Vorlesungsverzeichnis wider: Bis zum Wintersemester 1818/19 sind sie nicht unter Philologie aufgeführt, sondern getrennt, zusammen mit Kursen zu Fechten, Voltigieren und Reiten, angegeben. Ab dem Wintersemester 1831/32 erfolgt eine Trennung in «Philologische Wissenschaften» und «Neuere Sprachen», ab dem Sommersemester 1834 in «Philologische Wissenschaften und Erklärung der alten Schriftsteller» und «Neuere Europäische Sprachen». Ab dem Sommersemester 1845 wird die Trennung zugunsten der Bezeichnung «Philologische Wissenschaften und Erklärung von Schriftstellern» aufgehoben (cf. Verzeichniß der Vorlesungen). Mit Ausnahme der Tätigkeit von Valentin Schmidt, der bis zu seinem Tod 1831 ein sehr breites Angebot an Vorlesungen zur deutschen, spanischen, englischen, französischen sowie der älteren italienischen Literatur abdeckt und als Begründer der vergleichenden Literaturwissenschaft gilt, wobei er hier wie der Lektor Fabbrucci einen Schwerpunkt auf Dante und Tasso legt und dabei, sich auf Raynouard und August Wilhelm Schlegel stützend, auch auf die Entwicklung der Sprache eingeht (cf. Risop 1910/1988, 23–28), werden zunächst keine eigenen Dozenturen für die modernen Fremdsprachen und ihre Literatur eingerichtet. Dabei spielen auch nationalistische Tendenzen, insbesondere die Ablehnung alles Französischen (cf. Risop 1910/1988, 2, 8, 35–36), sowie finanzielle Überlegungen ebenso eine Rolle wie die Tatsache, dass das Lehrangebot noch nicht an einen festen philologischen Studiengang gekoppelt ist, sondern sich an Hörer aller Fächer richtet (cf. Risop 1910/1988, 25–26). Auch ist nicht klar, wer eine entsprechende Professur hätte besetzen können. Vom Kultusminister Altenstein, dem sehr an einer festen Etablierung der neueren Sprachen als philologische Wissenschaft über eine praktische Sprachausbildung hinaus gelegen war, ins Auge gefasst und 1818 tatsächlich berufen wurde August Wilhelm Schlegel, der sein Amt in Berlin jedoch nie antrat (cf. Risop 1910/1988, 22–23). Vorlesungen zu romanistischen Themen wurden bis in die 1870er Jahre hinein von Dozenten anderer Fachbereiche mit übernommen, was trotz des noch unsicheren Status der neuen Disziplin ein gut verwurzeltes Interesse an den roma-
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nischen Sprachen und Literaturen in der Fakultät zeigt. Bereits 1813 liest Uhden zur Divina Commedia, Toelken bietet 1815 Privatissima in englischer und italienischer Sprache an. Zu nennen sind des Weiteren Veranstaltungen und Beiträge des Altphilologen Bekker, des Ägyptologen Ideler, der Germanisten von der Hagen, Lachmann und Grimm (cf. Risop 1910/1988, 8–9, 17–21).²⁰ Als erster fester Dozent für neuere Philologie, Literatur und Literaturgeschichte wurde 1843 Victor Aimé Huber berufen. Das Spektrum seiner Lehrveranstaltungen zeigt, dass das Englische in der Anfangsphase der modernen Philologien in engster Verbindung zu den romanischen Sprachen gesehen wurde. Im Lehrangebot zu den romanischen Sprachen zeigt sich auch die Orientierung auf die Literatur. Wurden anhand der älteren Autoren zwar auch Ausführungen zur Sprache angeboten, so fanden eigens auf die Sprache fokussierte Lehrveranstaltungen mit den Vorlesungen von Lachmann und von der Hagen (cf. Verzeichniß der Vorlesungen vom Sommersemester 1825) zunächst nur zum Deutschen statt. In der Folge beginnt die historisch-philologische Perspektive, die den neuen Disziplinen die nötige Wissenschaftlichkeit garantiert, nicht nur in der Beschäftigung mit dem Deutschen, sondern bald auch in der Betrachtung der romanischen Sprachen zu dominieren. Entscheidend sind dabei der in Deutschland von Jacob Grimm und Bopp eingeführte vergleichende Ansatz, der eng damit verwobene historische Blick, der den gemeinsamen Ursprung von Sprachen aufzudecken sucht, sowie die philologische Komponente, die, sich am Vorbild der klassischen Philologie orientierend, Verfahren der Textkritik anwendet. Nach der Etablierung der deutschen Philologie als Disziplin, mit der Errichtung eigener Lehrstühle und Jacob Grimms Deutscher Grammatik von 1819 als richtungsweisender Arbeit, bekommt auch die Romanistik mit der Grammatik der romanischen Sprachen von Diez (1836) ein festes Fundament und mit der Konzentration auf ältere Texte – die Troubadourlyrik, das Rolandslied, die Schriften Dantes etc. – ein fest umrissenes Forschungsfeld. Wie für Berlin ausgeführt, werden jedoch zunächst kaum eigene Professuren begründet, sondern entsprechende Lehrveranstaltungen von Vertretern der Nachbardisziplinen gehalten (cf. Christmann 1985, 12–17). Mit der Ausrichtung der neueren Philologien an der Konzeption der klassischen Philolo-
20 Auch diese Phase in der Entwicklung der Romanistik stellt keine Berliner Besonderheit dar. Dass Professoren anderer Fächer über die neuere Literaturgeschichte lesen, wird von Christmann in seinem Aufsatz zur Herausbildung der Romanistik und Anglistik als Universitätsfächer als typisch für die Zeit vom späten 18. bis ins erste Drittel des 19. Jahrhunderts beschrieben (cf. 1985, 8–10).
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gie rückt die praktische Sprachbeherrschung in der universitären Romanistik zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den Hintergrund (cf. Christmann 1976, 426).²¹ Nachdem der Weg der Institutionalisierung des Fachs Romanistik in Berlin beleuchtet worden ist, sollen nun, mit dem Fokus auf dem Italienischen, die Themen skizziert werden, die in dieser Frühphase zur Gründung des Faches führen und mit denen sich auch Francesco Valentini auseinandersetzen wird. Dazu ist ein Schritt zurück in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts notwendig. Mit Johann Nicolaus Meinhards Versuche[n] über den Charakter und die Werke der besten italienischen Dichter erschien 1763/64 die erste deutsche Literaturgeschichte des Italienischen. Meinhardt studierte Dante, der bis zu dieser Zeit in Deutschland nahezu unbekannt geblieben war, und setzte sich als einer der Ersten in Deutschland mit dessen Traktat De vulgari eloquentia auseinander (cf. Albrecht 2000, 79; zu Meinhard cf. auch Rehder 1953). 1767 erfolgte die erste vollständige Danteübersetzung von Leberecht Bachenschwanz und es setzte eine verstärkte Beschäftigung mit Dante ein: «Als Liebhaber, Dilettanten im besten Sinn, studieren ihn die Brüder Schlegel, der Jurist Karl Witte, der König Johann von Sachsen. Und neben sie treten jetzt, im 19. Jahrhundert, die Fachleute, die Italianisten» (Christmann 1992, 52).²² Neben der Beschäftigung mit der Literatur, die zu Beginn im Zentrum steht und sich auch in der Folge in der Bezeichnung für die neu geschaffenen Lehrstühle ausdrückt – etwa «Geschichte der mittleren und neueren Literatur» für die Professur von Diez (cf. Christmann 1976, 428) – und mit deren Studium eng verbunden, befasst man sich vor der universitären Institutionalisierung in unterschiedlichen Kontexten mit der italienischen Sprache. Im Berliner Kontext stammen wichtige Beiträge von Carlo Denina (1731–1813), der 1782 von König Friedrich II. an die dortige Akademie der Wissenschaften geholt worden war.²³ Seine für die Romanistik bzw. Italianistik relevanten Beiträge befassen sich insbesondere mit
21 Zu einer allgemeinen Fachgeschichte der Romanistik im 19. Jahrhundert cf. neben der grundlegenden Arbeit von Christmann (1985) auch Briesemeister (1988). 22 Zur Entdeckung Dantes in der Romantik und seiner Auslegung durch Herder, Goethe, Friedrich und A. W. Schlegel, Schelling und Hegel cf. Auerbach (1967). Zur Beschäftigung mit Dante in der frühen Hochschulromanistik cf. Storost (1961), allgemein zur Danterezeption in Deutschland Elwert (1971), mit reicher Bibliographie. Als jüngere Publikation zur Übertragung von Dante ins Deutsche, insbesondere in der Goethezeit, cf. auch Polledri (2010, 118–124; 273–286). 23 Die Erfahrung in Berlin ermöglicht Denina eine europäische Perspektive. «Unico caso tra le opere di autori italiani del Settecento, esso può essere degnamente collocato tra i primi tentativi di studio comparativo delle lingue» (Marazzini 1999, 124). Für eine Synthese seiner sprachwissenschaftlichen Arbeiten verweise ich auf Marazzini (1981, 1985, 2001 und 2004), auf Haßler (1999) sowie auf Storost (2001, 112–131 mit aktualisierter Auswahlbibliographie zu dem Piemonteser, cf. Storost 2001, 112).
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zwei großen Themen, nämlich dem Ursprung der europäischen und insbesondere der romanischen Sprachen und ihrem Verhältnis zueinander zum einen, und den italienischen Dialekten zum anderen. Im Zusammenhang mit der Bedeutung des Italienischen in Weimar war schon von einem anderen Vertreter der voruniversitären Italianistik die Rede: Carl Ludwig Fernow. Wie im Übrigen auch Denina in seiner Bedeutung für die Geschichte der Romanistik lange nahezu in Vergessenheit geraten, wurde Fernow in den 1970er Jahren wiederentdeckt.²⁴ Seine Arbeiten zur italienischen Sprache entstanden überwiegend während seines Aufenthalts in Rom 1793–1803 und sind stark durch diesen geprägt, was Fernows Positionen teilweise in die Nähe der Positionen des Römers Valentini stellt. Neben der Italienischen Sprachlehre für Deutsche von 1804,²⁵ der Herausgabe von Anthologien, der Beschäftigung mit einzelnen Autoren und einigen Beiträgen in Periodika (cf. Albrecht 2000, 72–75), findet sich Fernows wichtigster Aufsatz zur Italianistik, «Über die Mundarten der italienischen Sprache», 1808 im dritten Band der Römischen Studien. Bei der Betrachtung von Fernows Ausführungen ist zu bedenken, dass er sich selbst in erster Linie als Künstler und Kunsttheoretiker verstand und die Arbeiten zum Italienischen nur «Nebenprodukte» (Albrecht 1996, 140) seiner Tätigkeit darstellen und der Autodidakt erst mit dreißig Jahren überhaupt Italienisch lernte.²⁶ Seinen Ausführungen liegt kein tiefergehendes Quellenstudium zu Grunde, ihren Schwerpunkt bildet klar die synchron-deskriptive Ebene auf der Basis geschriebenen Materials (cf. Thun 1976, 150, 155). Dennoch lässt sich in der Mundartenstudie bereits eine historisch-vergleichende Perspektive erkennen (cf. Albrecht 1996, 143). Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Schrift als Referenz geschätzt, sicher auch, da sie «die erste umfassende Darstellung der italienischen Dialekte und die erste umfassende Studie der Mundarten einer romanischen Sprache überhaupt seit Dante» (Thun 1976, 159) darstellte. Fuchs bezieht sich in seiner
24 Anlässlich eines Kolloquiums [i]n memoriam Friedrich Diez widmen ihm Thun und Izzo (1976) je einen Beitrag. In der Folge beschäftigen sich Luck (1984), Storost (1990), Albrecht (1996 und 2000), Thun (2000) und Glaser (2008) erneut ausführlicher mit seiner Leistung auf dem Gebiet der italienischen Sprachwissenschaft. 25 Zur Italienischen Sprachlehre von Fernow cf. das Kapitel 5.3 zu Valentinis Sprachlehrwerken. Fernows erster Beitrag zum Italienischen, «Vom Wohllaut der italienischen Sprache», war bereits 1802 in Wielands Teutschem Merkur erschienen und wurde dann für die Italienische Sprachlehre weiter verarbeitet. Hier kommt Fernows ästhetischer Ansatz zum Ausdruck, cf. auch Thun (1976, 149). 26 Abweichend davon die Interpretation Glasers, die während der römischen Zeit einen klaren Paradigmenwechsel zur Sprache in Fernows Œuvre sieht (cf. Glaser 2008, 57–59; cf. in diese Richtung auch Albrecht 2000, 80).
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Arbeit zu den Mundarten von 1840, (cf. Storost 1990, 66–67), Blanc 1844 in seiner Grammatik auf Fernow (cf. Glaser 2008, 72) und auch Diez verweist auf ihn: «Friedrich Diez, in the second (but not the first) and later editions of his monumental Grammatik der romanischen Sprachen (1856 to 1876) presented a sketch of Italian dialects which was based entirely on Fernow and directed his readers to Fernow’s ‹outstanding work› for further information; and Diez cites Fernow as his authority at at least four other points». (Izzo 1976, 125)
Als weiterer Rezipient ist auch Francesco Cherubini zu nennen, wie ein Brief Valentinis an diesen von August 1829 belegt (cf. Kapitel 4.5.1). Aus demselben Brief, ebenso wie aus einer Fußnote im Vollständigen Wörterbuch (cf. Vollst. Wb., vol. 1, LVIII–LIX, n. 86)²⁷ geht zudem Valentinis eigene Auseinandersetzung mit Fernow hervor. Auch Deninas Schriften wurden rezipiert (cf. Vollst. Wb. vol. 3, 1327 und Raccolta, VI–VII). Diese gemeinhin als vorwissenschaftlich eingestuften Stränge befassen sich in Ansätzen mit eben den Fragestellungen und verlaufen teils parallel zu den Arbeiten, die heute als Beginn der Romanistik bekannt sind.²⁸ Nach den Arbeiten von Sir William Jones weist Friedrich Schlegel 1808 endgültig die Verwandtschaft des Griechischen, Lateinischen, Germanischen und des Sanskrit nach. Hiervon beeinflusst bereitet Franz Bopp mit seiner Arbeit Über das Conjugationssystem der Sanskritsprache in Vergleichung mit jenem der griechischen, lateinischen, persischen und germanischen Sprache von 1816 und der Vergleichenden Grammatik des Sanskrit, Zend, Griechischen, Lateinischen Litthauischen, Gothischen und Deutschen (1833–1852) das Terrain der vergleichenden Sprachwissenschaft. Friedrichs Bruder August Wilhelm Schlegel veröffentlicht 1818 die Observations sur la langue et la littérature provençales und legt mit der auf morphologischen Kriterien basierenden Unterscheidung von synthetischen und analytischen Sprachen gemeinsam mit Wilhelm von Humboldt einen Grundstein zur Sprachtypologie. Parallel beginnt François Raynouard, eingehend altprovenzalische Texte zu studieren. 1816–1821 veröffentlicht er die Anthologie Choix des poésies originale des Trouba-
27 Wird aus dem Vollständigen Wörterbuch zitiert, so werden die einzelnen Bände mit arabischen Ziffern in der Reihenfolge ihres Erscheinens bezeichnet: Vol. 1 bezeichnet den ersten Band des italienisch-deutschen Teils von 1831, 2 den ersten Band des deutsch-italienischen Teils von 1832, 3 den zweiten Band des italienisch-deutschen Teils von 1834 und 4 den zweiten Band des deutschitalienischen Teils von 1836. 28 Zu einer ausführlicheren Darstellung der frühen Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft cf. Gröber (1888), Richert (1914), Vitale (1955), Varvaro (1968), Lüdtke (1988), Wunderli (1988), Swiggers (2001) und in einem weiteren Rahmen der Linguistik des 19. Jahrhunderts Arens (1969, 155–399) sowie Morpurgo Davies (1994 und erweitert 1996).
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dours mit einer Grammaire de la langue romane im ersten und dem Versuch einer Grammaire comparée des langues de l’Europe latine, die einen Vergleich von sieben romanischen Sprachen zum Gegenstand hat, im sechsten Band. 1838–1844 folgt der Lexique roman ou dictionnaire de la langue des Troubadours. Mit seinen Arbeiten steckt Raynouard das Arbeitsfeld der frühen Romanistik ab: Auf der Basis älterer Texte, vornehmlich des Provenzalischen, die ediert werden, soll die Frage nach dem Ursprung der romanischen Sprachen, ihrem Verhältnis untereinander und ihrer Ausdifferenzierung beantwortet werden. Trotz seiner richtungsgebenden Leistung unterliegt Raynouard der irrtümlichen Interpretation, dass die einzelnen romanischen Sprachen sich nicht direkt aus dem Lateinischen entwickeln, sondern dass ihnen eine aus dem Vulgärlatein entstandene gemeinsame «lingua romana» zugrunde liege, die vom 7. bis 9. Jahrhundert gesprochen worden und mit dem Altprovenzalischen gleichzusetzen sei (cf. Tagliavini 2 1998, 7), eine These, der von A. W. Schlegel heftig widersprochen wird. Raynouards Grammatik ist nach antiker Tradition aufgebaut, der für den historischen Vergleich der Sprachen zueinander fundamentalen Lautentwicklung wird nur wenig Raum gegeben. Raynouards Schriften bilden einen Ansatzpunkt für die Arbeit von Friedrich Diez, der durch seine Anwendung der von Franz Bopp für die indogermanischen und von Jacob Grimm für die germanischen Sprachen eingeführten historischvergleichenden Methode als Begründer der wissenschaftlichen romanischen Sprachwissenschaft angesehen wird. In der deutschen Romantik verhaftet, befasst sich Diez in seinen frühen Arbeiten mit der altspanischen und altprovenzalischen Literatur, bevor 1836–1843 seine Grammatik der Romanischen Sprachen und 1854 das Etymologische Wörterbuch der Romanischen Sprachen erscheinen (cf. Tagliavini 2 1998, 7–8). Die Grammatik orientiert sich an der zweiten Auflage der Grimmschen Grammatik des Deutschen und beginnt, im Gegensatz zu der von Raynouard, mit der Lautlehre, anhand derer wichtige Abgrenzungen und Gemeinsamkeiten aufgezeigt werden. Für die Einordnung des Werks von Valentini ist es von Interesse, an dieser Stelle bereits einen Blick auch auf die linguistische Tätigkeit in Italien zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu werfen. Die Beschäftigung mit der indoeuropäischen Philologie und der Anwendung der historisch-vergleichenden Methode beginnt dort mit Übersetzungen und der Rezeption der europäischen Beiträge und ihrer Adaption insbesondere durch Castiglioni und Cattaneo ab den 1830er Jahren (cf. Santamaria 1986, 205–213). In der vorwissenschaftlichen Phase hatten sich schon im 18. Jahrhundert Autoren wie Giusto Fontanini, Scipione Maffei, Ludovico Antonio Muratori und Uberto Benvoglienti, beeinflusst von den französischen Vorreitern Fauchet und Du Cange, mit dem Ursprung des Italienischen, seiner Entwick-
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lung und seinem Verhältnis zu den anderen romanischen Sprachen beschäftigt.²⁹ Aufgeworfen durch die Zirkulation des Textes der Straßburger Eide stand dabei die Frage nach einer allgemeinen lingua romana im Zentrum, die in allen nichtgermanischen Teilen des Reichs Karls des Großen gesprochen worden sei und die Basis der romanischen Sprachen dargestellt habe. In Italien suchte man in der Folge nach einem Textzeugnis ähnlicher Bedeutung, das die frühe Verwendung eines italo-volgare hätte belegen können (cf. Marazzini 1989, 76–79). Auf die Fragestellung kommt in den 1820er Jahren Giulio Perticari zurück, der wie Raynouard eine lingua romana annimmt, die jedoch nicht mit dem Provenzalischen identisch sei (cf. Marazzini 1989, 190–195; ausführlicher zu Perticari und Valentinis Bezugnahme auf ihn cf. Kapitel 7.1.1.2). Ein wichtiges Betätigungsfeld bieten etwa im selben Zeitraum die italienischen Dialekte (cf. Marazzini 1989, 195–205).³⁰ In einer ersten Phase entsteht eine Vielzahl von Dialektwörterbüchern, die in erster Linie einem praktischen Zweck, nämlich der Verbreitung der italienischen Einheitssprache, dienen, jedoch im Falle der Wörterbücher von Cherubini zum Mailändischen (1839–1856), von Boerio zum Venezianischen (1829) oder von Morri zum Romagnolo (1840) durchaus einen gelehrten Anspruch besitzen. An diese erste Phase schließt sich ab den 1840er Jahren eine zweite mit Dialektstudien stärker wissenschaftlichen Charakters durch Cattaneo, Monti, Biondelli oder Rosa an, bevor schließlich mit Ascoli die italienische Dialektologie und Sprachwissenschaft als wissenschaftliche Disziplinen fest verankert werden. Auch im 19. Jahrhundert stehen in der italienischen Auseinandersetzung mit der italienischen Sprache schließlich verschiedene Positionen zur Questione della lingua im Zentrum (cf. dazu auch Kapitel 3.1).
29 Als Referenzwerk für die Beschäftigung mit diesen Fragestellungen in Italien vom Humanismus bis zur Romantik sei auf Marazzini (1989) verwiesen. 30 Cf. auch Cortelazzo (1980, 118–120), der auf die Bedeutung Deninas und Fernows auf diesem Feld eingeht. Ein Interesse an den Dialekten als Repräsentanten eines konservativen Sprachstandes zur Ergänzung des Studiums alter Dokumente, um die Ursprünge des Italienischen zu ergründen, ist, vermittelt durch französische Vorbilder, in Italien bereits im 18. Jahrhundert bei Gelehrten wie Fontanini oder Scipione Maffei belegt (cf. Marazzini 1989, 78).
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2.2 Deutsch in Italien Die ersten Sprachlehrbücher³¹, die belegen, dass in Italien Deutsch³² unterrichtet und gelernt wurde, stammen aus dem 15. Jahrhundert. Sie sind in Venedig entstanden, dem Zentrum des Levantehandels, wo bereits im Mittelalter engste Kontakte zwischen venezianischen Kaufleuten und den süd- und westdeutschen Handelsstädten bestanden und wo deutsche Händler mit dem um 1200 gegründeten Fondaco dei Tedeschi eine feste Präsenz darstellten. Für die venezianischen Kaufmannssöhne sowie die institutionalisierte Figur des sensal, der über alle Transaktionen der deutschen Händler wachte, war der Erwerb von handelsbezogenen Deutschkenntnissen fester Teil ihrer Ausbildung. Kontakt mit Deutschsprachigen fand, ebenfalls seit dem Mittelalter, überdies über die Anwesenheit von deutschen Rompilgern und Studenten (besonders in Padua und Bologna) sowie durch Handwerker, Gesandte und Kaufleute statt, die insbesondere in Rom, aber auch in anderen, vor allem norditalienischen Städten feste Niederlassungen gründeten. Eine zahlenmäßig große und die Wahrnehmung der Deutschen über Jahrhundert prägende Gruppe stellten Söldner und Soldaten dar. Im 15. und 16. Jahrhundert wurde der Germanismus lanzichenecco, verkürzt zu lanzo, stellvertretend für den Deutschen allgemein. «Die lanzi hatten einen miserablen Ruf, der das ohnehin schlechte Ansehen der Deutschen und Deutschlands nachhaltig prägte: sie galten als gewalttätig […], dazuhin als verfressen, versoffen, schmutzig und ungehobelt, ihre Sprache als roh und unverständlich». (Glück 2002, 253; cf. auch Amelung 1964, 151–175)
Die deutsche Sprache wurde als hart und misstönend empfunden, was sich aufgrund des vom Italienischen stark abweichenden Lautinventars und Silbenschnitts sprachintern erklären lässt (zur Übersicht cf. z. B. Auer 2001, 367–369). Darüber hinaus war sie als Barbarensprache stigmatisiert, über die man sich lustig machte, und galt überdies als schwer zu erlernen (cf. Glück 2002, 257–259;
31 Zu diesen Sprachbüchern, die sowohl Elemente von Lehrbüchern als auch von Wörterbüchern tragen, cf. Kapitel 3.3 mit entsprechenden Literaturhinweisen. Auch die in den letzten Jahren einsetzende Forschung zur Geschichte des Fachs Deutsch als Fremdsprache hat sich mit den venezianischen Sprachbüchern befasst und sie als erstes Zeugnis einer systematischen Sprachlehre des Deutschen identifiziert, cf. Eder (2010, 57). Cf. auch Bischoff (1961, 211). 32 Wird hier und im Folgenden davon berichtet, es werde «Deutsch» gelernt, so wird dabei nicht differenziert, um welche Varietät es sich jeweils handelt. In den frühen Sprachbüchern etwa wird ein mittelbairischer bzw. schwäbisch-alemannischer Dialekt des 15. Jahrhunderts vermittelt, cf. Blusch (1992). Für die vorliegende Darstellung ist an dieser Stelle nur von Bedeutung, dass in Italien eine Beschäftigung mit der Sprache der tedeschi stattfindet, die in der allgemeinen Wahrnehmung sowie in den entsprechenden Lehrwerken als Deutsch bezeichnet wird.
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zum sich stets erneuernden Topos des Deutschen als hässlicher Sprache cf. auch Amelung 1964, 33; 173–174). Dennoch bestand aus praktischen Gründen, wie den erwähnten Handelsbeziehungen, das Bedürfnis nach Deutschunterricht.³³ Dies belegen das Erscheinen des Lehrbuches Istruttione della Lingua Tedesca, et Italiana von Giovanni Alessandro Lonchamps um 1640 in Mailand, oder der Grammatica della Lingua Tedesca des Tirolers Mattia Chirchmair 1688 in Florenz, die in 40 Auflagen bis 1799 verlegt wurde.³⁴ In Deutschland gedruckt, aber vorwiegend für italienische Lerner bestimmt, waren auch einige der zahlreichen Werke des aus Köln stammenden Matthias Kramer: die zuvor auf Französisch erschienenen Veri fondamenti della lingua tedesca ò germanica (1694) sowie mit den Ragionamenti Tedesco-Italiani (1679) und Das neue Parlament (1708) zwei Dialogsammlungen und mit dem Banco-Secretarius (1693) die Zusammenstellung von modellhaften Handelsbriefen.³⁵ Während aufgrund des negativ geprägten Deutschlandbildes Deutsch in Italien vor dem 18. Jahrhundert nicht aus Interesse an der Kultur des anderen Landes, sondern wenn dann lediglich aus einer konkreten Notwendigkeit heraus gelernt wurde, beginnt sich das Verhältnis zwischen den beiden Ländern im Laufe des 18. Jahrhunderts umzukehren. Während in Deutschland die Beschäftigung mit Italien langsam zurückgeht, wendet man in einem kulturell provinzialisierten, nicht mehr wie in der Renaissance und der Barockzeit ausstrahlenden Italien verstärkt den Blick nach Norden. Das Deutschlandbild enthält Neuakzentuierungen dadurch, dass Unterschiede im Charakter der Menschen im Norden durch die Klimatheorie erklärt werden, durch ein aufkommendes Interesse an den ökonomischen Gegebenheiten, durch eine präromantische neue Wahrnehmung der deutschen Landschaft sowie durch einen aufklärerischen Vergleich zwischen dem katholischen und dem protestantischen Teil der Bevölkerung (cf. Heitmann 2003, vol. 1, 435). Zentral für den Umbruch in der Wahrnehmung ist, dass Deutschland ab dem 18. Jahrhundert immer mehr als Ausgangspunkt von Literatur, Philosophie und
33 Andere Gründe für das Erlernen der deutschen Sprache bis in die Barockzeit stellten Handwerkerwanderungen, Reisen und Fernheiraten, die jedoch freilich nur kleine Personengruppen betrafen, dar. Zu nennen sind auch längere Aufenthalte von italienischen Künstlern und Facharbeitern in Deutschland sowie die Migration von italienischen Anhängern der Reformation, die aus Glaubensgründen ihr Land verließen, cf. Glück (2002, 83–154). 34 Zu den weiteren Auflagen cf. Hetterich (1989, 239–240). 35 Auch die beiden umfangreichen deutsch-italienischen Wörterbücher Kramers (cf. Kapitel 3.3) enthalten Elemente einer systematischen Sprachlehre, cf. Glück (2002, 441–446). Für eine detaillierte Bibliographie der Werke Kramers verweise ich mit Glück (2002) auf Bray (2000, 59–167), für eine biographische Darstellung auf Radtke (1996).
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Wissenschaften gesehen wird. Eine wichtige Rolle spielt auch die Faszination der Figur des Preußenkönigs Friedrichs des Großen. Bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts sieht Carlo Denina, der in Berlin die Entwicklungen vor Ort mitverfolgen kann, Deutschland innerhalb Europas im Bereich der Philosophie und der Wissenschaften an der Spitze. Er schreibt in La Prusse littéraire: «Il est certain que dans les Sciences, soit démonstratives, soit expérimentales l’Allemagne a contribué & contribue actuellement à leurs progrès autant ou plus qu’aucune nation» (Denina 1790/91, vol. 3, 63).³⁶ Besonders im Bereich der Geographie, der Statistik, der Theologie, der Astronomie, der Physik und der Geisteswissenschaften nehme Preußen eine Vorreiterrolle ein. Zu ergänzen sind die Chemie und die Mineralogie (cf. Meacci 2002, 628). Italienische Gelehrte suchen den Kontakt zu deutschen Kollegen – Heitmann nennt als Beispiel die Verbindung zwischen Muratori und Leibniz (cf. 2003, vol. 1, 397) –, italienische Ärzte kommen zur Ausbildung nach Deutschland. Insgesamt ist das Jahrhundert durch den regen Austausch und die guten Beziehungen zwischen Deutschland und Italien gekennzeichnet (cf. Heitmann 2003, vol. 1, 437). Nachdem man sich bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts, abgesehen von wenigen Ausnahmen «nicht einmal die Frage [stellte], ob es in Deutschland Dichter und Dichtung gebe» (Heitmann 2003, vol. 1, 405), setzt in Folge auch das Interesse für die deutsche Literatur ein.³⁷ Aufgrund fehlender Sprachkenntnisse findet die Vermittlung häufig über das Französische statt. Französische, bereits sehr freie Übersetzungen der deutschen Texte werden wiederum ins Italienische übertragen, was zu einem beträchtlichen Abstand der italienischen Versionen zum Ausgangstext führt. Es gibt jedoch auch Leser, die direkt auf den deutschen Text zugreifen können, wobei der 1750 gegründeten Accademia Roveretana degli Agiati mit ihren engen Verbindungen zu Österreich eine wichtige Brückenfunktion zukommt. Als Vermittler agieren auch Figuren wie der bereits zitierte Carlo Denina oder Aurelio de’ Giorgi Bertola mit seinen Reisebeschreibungen, Übersetzungen und der 1779 erschienenen Idea della poesia alemanna, die in erweiterter Fassung 1784 unter dem Titel Idea della bella letteratura alemanna erneut veröffentlicht wurde (cf. Buck 1993, 161–164; Heitmann 2003, vol. 1, 410–414; ausführli-
36 Zum Deutschlandbild Deninas in La Prusse littéraire cf. auch Steinkamp (1993); zu Denina als Vermittler deutscher Literatur in Italien Berger (1999). 37 Die tatsächliche Verbreitung von Kenntnissen zur deutschen Literatur ist sehr schwierig zu bewerten. Jagemann beschreibt im Vorwort zur zweiten Auflage seines deutsch-italienischen Wörterbuchs von 1803, Italien als «desiderosissima di conoscere l’opere più cospicue delle [sic!] Letteratura tedesca» (Jagemann 1803, dt.-ital. Teil, Vorwort). Albrecht schlussfolgert dagegen aus der Lektüre von Leopardis Zibaldone, «daß die Kenntnisse der deutschen Literatur in Italien auch eine gute Generation später nicht wesentlich fortgeschritten waren» (Albrecht 1996, 136).
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cher zu Bertola cf. auch den Sammelband von Battistini 2000). Zum meistübersetzten deutschsprachigen Autor des 18. Jahrhunderts wird, nicht zuletzt durch Bertolas Vermittlung, der Schweizer Dichter und Maler Salomon Geßner. Übertragen werden auch Klopstock, in geringem Umfang Lessing und Wieland. 1782 wird Goethes Werther übersetzt, der wie überall in Europa großen Erfolg hat und im Werk Vincenzo Montis und in Foscolos Ultime lettere di Iacopo Ortis stark auf die italienische Literatur wirkt (cf. Heitmann 2003, vol. 1, 421–427). Bis Mitte des 19. Jahrhunderts ist der Großteil Goethes literarischer Produktion in Italien rezipierbar und der Autor, insbesondere als Verfasser des Werther und des Faust, weithin bekannt und geschätzt. 1835 legt Giovita Scalvini (1791–1843) die erste komplette Faust-Übersetzung vor,³⁸ bis 1900 erscheinen insgesamt mindestens 17 Faust-Übertragungen. Als produktivster Goethe-Übersetzer ist unter den verschiedenen Bearbeitern Andrea Maffei (1798–1885) zu nennen,³⁹ und mit Christian Joseph Jagemann, dessen Übersetzung von Herrmann und Dorothea 1803 erschien (cf. Kofler 2006, 207–208), gehört auch ein Deutscher zu den Überträgern von Goethe ins Italienische. Neben Scalvini zählt mit Giuseppe Mazzini eine weitere herausragende Gestalt des Risorgimento zu den wichtigsten Kennern von Goethes Werk in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (cf. Heitmann 2008, vol. 2, 494–500). Gegenseitige Wertschätzung und ein freundschaftlicher Briefwechsel verbinden Goethe mit Alessandro Manzoni. Die deutsche Literatur wird durch literaturgeschichtliche Darstellungen und Anthologien vermittelt. Eine besondere Rolle der Verbreitung deutscher Kultur kommt Literaturzeitschriften zu. So erscheinen beispielsweise in der Mailänder Zeitschrift L’Eco fast monatlich übersetzte Goethe-Gedichte (cf. Meacci 2002, 630).⁴⁰ Das bekannte Mailänder Verlagshaus Silvestri gibt zwischen 1832 und 1846 die Reihe Biblioteca scelta di opere tedesche tradotte in lingua italiana mit insgesamt 28 Bändern heraus (cf. Allegri 1995, 379). Insgesamt wird deutsche
38 Scalvinis Übersetzung ist 2012 von Beniamino Mirisola neu herausgegeben und kommentiert worden, cf. Scalvini (1835/2012). 39 Zu den Übertragungen Goethes ins Italienische cf. Heitmann (2008, vol. 2, 491–493) sowie die umfassende Übersicht der Übertragungen einzelner Werke in Fasola (1895) sowie Fasola (1909, 158, n. 1). Eine an die vorliegende Arbeit anknüpfende Frage wäre, ob Valentinis Wörterbuch den Übersetzern als Hilfsmittel gedient haben könnte. Für Scalvinis bereits zwischen 1829 und 1834 in Paris entstandene Übertragung – die beiden deutsch-italienischen Bände des Wörterbuchs sind 1832 bzw. 1836 erschienen – ist die Frage wohl zu verneinen. 40 Eine umfassende Bestandsaufnahme von Beiträgen zur deutschen Literatur in italienischen Zeitschriften der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bietet Carmassi (cf. 1984, 411–432) mit übersichtlichen Verzeichnissen zu den einzelnen übersetzten Autoren und Werken, ihren Übersetzern und Rezensenten.
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Literatur weiterhin über Übersetzungen rezipiert, deren Nähe zum Original auch im 19. Jahrhundert nicht unbedingt gegeben ist: «Risultano oltre un centinaio i traduttori di ‹cose tedesche› che forniscono i propri lavori a ‹Biblioteche›, a riviste o a giornali tra gli anni Venti e Quaranta. Ma, se si va pazientemente a discernere tra le versioni originali e quante si rivelano invece parafrasi disinvolte di seconda e, persino, di terza mano, immancabilmente dal francese, il campo può ristringersi a una ventina appena di nomi». (Allegri 1995, 384)
Wie auch in Deutschland zur Goethezeit wird mit heute vergessenen Autoren wie Christoph von Schmid, Caroline Pichler oder August Lafontaine viel Trivialliteratur verbreitet (cf. Heitmann 2008, vol. 2, 482–490). Aus der gehobenen Literatur sind weiterhin Geßner und neben Goethe auch Schiller⁴¹, in der zweiten Jahrhunderthälfte Heine erfolgreich. In der Zeit der Restauration erreicht, vermittelt vor allem über die Schriften Madame de Staëls zu Deutschland, die deutsche Romantik Italien und befeuert in Mailand die hitzige Debatte zwischen classicismo und romanticismo. Während die großen deutschen Romantiker wie Novalis, Eichendorff, Brentano oder von Arnim unübersetzt bleiben, werden Schlegels Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur zunächst in französischer Übersetzung rezipiert und 1817 von Giovanni Gherardini aus dem Französischen ins Italienische übertragen. In der RomantikDebatte bleibt zu beachten, dass die Strömung in Italien sich trotz gleichen Namens mit ihrem konkreten politischen Bezug stark von der deutschen, mystischidealistischen unterscheidet (cf. Heitmann 2008, vol. 2, 465–481). Deutschland kann im Laufe des 19. Jahrhunderts die bereits bei Denina angeklungene Vorbildrolle im Bereich der Bildung und der Wissenschaften ausbauen. Das Bildungssystem nördlich der Alpen genießt von der Elementarschule bis zur Universität hohes Prestige, anders als in vorigen Jahrhunderten verbringen nun italienische Gelehrte einen Teil ihrer Ausbildung in Deutschland. Deutsche Verleger mit Niederlassungen in Italien tragen entschieden zur Verbreitung der wissenschaftlichen Literatur von nördlich der Alpen bei (cf. Weiss 1983, 17). Eine Hürde im Wissenstrafer stellt die nach wie vor als schwierig empfundene deutsche Sprache dar, so dass wie in der Literatur ein Großteil der Vermittlung über das Französische stattfindet, auch wenn hier gilt: «in questo campo a poco a poco la mediazione francese fece posto alla conoscenza diretta, come dimostrano i viaggi di studio di Antonio Benci, di Alessandro Poerio o il lungo soggiorno tedesco del Berchet» (Weiss 1983, 16). Letzterer etwa nimmt auch Übersetzungen direkt aus
41 Zu den ersten Schillerübersetzungen in Italien cf. Goldin Folena (2007).
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dem Deutschen vor. Dabei handelt es sich um Arbeiten zur Pädagogik, einem Forschungsfeld, in dem von Deutschland wichtige Innovationen ausgehen (cf. Weiss 1983, 16–17). Eine der weiteren Disziplinen, in denen bedeutende Ideen und Fortschritte in Deutschland erzielt werden, ist die Altertumsforschung, die die Archäologie und die Altphilologie unter sich vereint. Die italienische Altphilologie übernimmt aus Deutschland Methoden der Textkritik sowie das Teilgebiet der Gräzistik. Aus der Altphilologie schöpft in Deutschland die aufkommende Philologie der neueren Sprachen, deren Methoden ebenfalls in Italien rezipiert werden. Auch in den Geschichtswissenschaften werden deutsche Theoriebildungen, insbesondere die im Positivismus verwurzelte historisch-kritische Methode, in Italien adaptiert. Eine Schlüsselfunktion kommt dabei dem Werk und der Figur Nibuhrs zu (cf. Weiss 1983, 17). Auf dem Gebiet der Jurisprudenz sind deutsche Beiträge richtungsweisend (cf. Heitmann 2008, vol. 2, 165–243). Aufgrund der Rückständigkeit der medizinischen Ausbildung in Italien orientiert man sich ab dem frühen 19. Jahrhundert stark an den deutschsprachigen Ländern, wobei Wien und den Universitäten des Lombardo-Veneto eine besondere Rolle als Ausstrahlungszentren der neuen Ansätze in Italien zukommt. Lehrstühle in Padua und Pavia werden von Österreichern bzw. von Italienern, die in Wien ausgebildet wurden, besetzt (cf. Bergdolt 1997, 228–229). Was die Medizin sowie die Naturwissenschaften betrifft, sind aus Deutschland zwar wichtige Entdeckungen und Neuerungen zu beachten, stark bleiben jedoch, auch in der Nomenklatur, die französischen Modelle als Orientierungspunkt. Besonders stark durch Deutschland geprägt wird im 19. Jahrhundert die Philosophie. Nach einem wahrgenommenen Verfall der italienischen Philosophie zu Beginn des 19. Jahrhunderts erfolgt, mit einer gewissen Verspätung, eine Erneuerung mit der Entdeckung Kants. Eine enorme Bedeutung für das italienische Geistesleben erlangt darauf Hegel, der, insbesondere ausgehend von Neapel, der «roccaforte della filosofia tedesca» (Weiss 1983, 26) der Mitte des 19. Jahrhunderts, nirgendwo so tiefgehend und so lange rezipiert wurde wie in Italien (cf. Heitmann 2008, vol. 2, 269–318).⁴² Es blieb nicht bei einer akademischen Beschäftigung mit den Ideen Kants und Hegels. «[Nell’] incontro con la filosofia tedesca […] si manifestò la tendenza ad attualizzare le idee provenienti dalla Germania» (Weiss 1983, 18). Der Bereich der Philosophie führte im Ottocento zu einer Vielzahl von tedeschismi im Italienischen. Genannt seien mit Meacci (2002, 632) als Beispiele
42 Als erstes Werk Hegels wurde 1840 die Geschichte der Philosophie ins Italienische übersetzt (cf. Weiss 1983, 19). Es ist nicht auszuschließen, dass der Übersetzer, der Utopist G. B. Passerini, sich dabei des Valentinischen Wörterbuchs bediente.
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der hier interessierenden ersten Jahrhunderthälfte nur divenire, imperativo categorico, meismo als Lehnbildung von Ichheit, non-essere und non-io. In einem harschen Gegensatz zur Bewunderung des Geisteslebens in den deutschsprachigen Ländern stehen die historisch-politischen Entwicklungen in Italien, die zur gleichen Zeit eine regelrechte Germanophobie auslösen. Nach den Jahren der napoleonischen Herrschaft wird in der Zeit der Restauration die habsburgische Präsenz in der Toskana und dem Lombardo-Veneto als Fremdherrschaft wahrgenommen. Die Weichen zu einer zentralistischen Reorganisation der habsburgischen Länder mit stark beschnittener Selbstverwaltung waren bereits unter Joseph II. gestellt worden und treten nun in Konflikt mit der aufkeimenden Nationalstaatsidee. Der direkte Kontakt mit Deutschsprachigen, vor allem Angehörigen der österreichischen Armee, in Norditalien lässt alte Stereotypen wieder aufleben und führt zu einer nicht differenzierten, vom Hass auf Österreich zu einem Hass auf die tedeschi insgesamt ausgeweiteten Abneigung alles Deutschen (cf. Heitmann 2003–, vol. 1, 435–436; vol. 2, 651–652). Zugleich hat der Einfluss Österreichs in weiten Teilen Nord- und Mittelitaliens vielfältige Formen des Sprachund Kulturtransfers zur Folge. Bereits beschrieben wurde die Rolle der deutschsprachigen Universitäten bei der medizinischen Ausbildung, daneben sind auch bestimmte Mode- und Kulturerscheinungen zu nennen, die sich in Fremdwörtern wie valzer im Italienischen niedergeschlagen haben. Die Notwendigkeit der Verwaltung der norditalienischen Gebiete erforderte Italienischkenntnisse nördlich und Deutschkenntnisse südlich der Alpen, was zu vermehrtem Sprachunterricht führte. Die habsburgischen Gebiete in Italien erfüllten im Risorgimento eine wichtige Brückenfunktion zwischen Italien und den deutschsprachigen Ländern. Deutsch lernte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem, wer in diesen Gebieten direkt mit dieser Sprache in Kontakt kam. «La classe nobiliare trentina per tradizioni e vincoli familiari storici conosceva la lingua del sovrano» (Filippi 1995, 344). Deutschkenntnisse benötigte dort auch, wer etwa in der Verwaltung, der Jurisprudenz, dem Handel tätig war.⁴³ Im schulischen Bereich wurde der Deutschunterricht in den zum Habsburgerreich gehörenden Gebieten 1823 per Dekret als Wahlfach an Gymnasien eingeführt. Im Trentino erfolgte die Umsetzung 1827. Bereits vorher war dort in der italienischsprachigen Volksschule Deutsch als Unterrichtsfach angeboten worden (cf. Filippi 1996, 323–325). Ein Schwerpunkt der von Österreich propagierten Sprachausbildung lag auf der Ausbildung der Kompetenz schriftlicher Kommunikation, der «capacità di comunicare in forma corretta, vale a dire anche appropriata, per iscritto.
43 Zu Problemen der Kommunikation auf Deutsch im Kontext der Verwaltung und der Schule im Trentino cf. Filippi (1996, 322).
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La modalità per eccellenza di tale forma di interazione era lo scambio epistolare» (Filippi 2000, 364, n. 4). Dieser war auf Verwaltungsebene, aber wie oben ausgeführt auch unter Literaten und Gelehrten im 19. Jahrhundert die frequenteste Form der Kommunikation zwischen den deutschsprachigen Ländern und Italien.⁴⁴ Eine weitere zwar kleine, jedoch nicht zu vernachlässigende Gruppe möglicher Deutschlerner stellten Gelehrte dar, die am geistigen Geschehen in den deutschsprachigen Ländern interessiert waren, die wissenschaftliche Produktion in den Disziplinen, in denen Deutschland führend war, rezipieren⁴⁵ oder die bedeutendsten literarischen Werke in der Originalsprache lesen wollten. Zur Verbreitung des Deutschen als Fremdsprache schreibt Jagemann bereits 1786: «Die Kenntnis der deutschen Sprache nimmt in Italien, besonders in der Lombardei und in [sic!] Toskana, seit dem Ende des siebenjährigen Preussischen Krieges (1763) von Tag zu Tage mehr zu» (Jagemann 1786, 418; zitiert nach Bergdolt 1997, 227). Jagemanns Einschätzung wird in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch die wachsende Zahl an Veröffentlichungen deutscher Grammatiken und Lehrwerke sowie deutsch-italienischer Wörterbücher bestätigt. Auf die Wörterbücher wird in Kapitel 3.3 näher eingegangen, doch sei bereits jetzt erwähnt, dass ihre Zahl bereits ab Ende des 18. Jahrhunderts leicht und ab Mitte des 19. Jahrhunderts sprunghaft ansteigt und dass sie, wie italienische Nach- und Raubdrucke deutscher Produktionen beweisen, auf dem italienischen Markt stark nachgefragt waren. Zur Geschichte der Deutschlehrwerke in Italien liegt meines Wissens bisher keine systematische Untersuchung vor.⁴⁶ Die Suche im Onlinekatalog des italienischen Servizio Bibliotecario Nazionale (SBN) nach grammatica tedesca für die zweite Hälfte des 18. bzw. die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts ergibt für den Zeitraum von 1760 bis 1799 fünf Veröffentlichungen von Grammatiken bzw. Lehrwerken (Neuerscheinungen sowie Neuauflagen). Für die Zeit der napoleonischen Herrschaft in Italien sind keine Lehrwerke nachgewiesen,⁴⁷ für
44 Allerdings fanden diese «rapporti di amicizia a distanza» (Meacci 2002, 629) meist in italienischer Sprache statt. 45 Auch hier ist jedoch zu beachten, dass die Rezeption zu großem Teil über französische Übersetzungen erfolgte. 46 Zur Geschichte des Sprachunterrichts im italienischen Kontext besteht seit 2002 ein von der Universität Bologna koordiniertes interuniversitäres Forschungszentrum, das CIRSIL (Centro Interuniversitario di Ricerca sulla Storia degli Insegnamenti Linguistici). Unter den bisherigen Publikationen sind auch einige Arbeiten zur Geschichte des Deutschunterrichts, cf. www2.lingue. unibo.it/cirsil/ [letzter Zugriff: 15.11.2015]. 47 Trotz der fehlenden Aufnahme im SBN online werden in dieser Zeit Deutschlehrwerke veröffentlicht, etwa die Grammatik Filippis von 1803. Es ist jedoch erklärlich, dass der Bedarf nach Deutschunterricht in jener Zeit gering war.
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die Periode zwischen 1819 und 1843 siebzehn Veröffentlichungen. Die Belege im SBN geben selbstverständlich nicht die vollständige Produktion der Zeit wieder, stellen jedoch eine klare Tendenz dar. Bis auf zwei Titel erfolgen alle Veröffentlichungen in Wien oder im Lombardo-Veneto, nämlich in Venedig und vor allem in Mailand. Hohe Verkaufszahlen und mehrere Auflagen erreichen die Werke von Bartolomeo Borroni, dessen Grammatica della lingua tedesca ad uso degli italiani 1799 in fünfter Auflage erscheint, und von Luigi F. A. Argenti, dessen Grammatik Elementi della lingua tedesca ad uso degli italiani zwischen 1819 und 1842 in vier Auflagen veröffentlicht wird.⁴⁸ Einige Lehrwerke sind, wie ihre Untertitel verraten, von Lehrern im schulischen Kontext verfasst worden, so die Grammatik von Argenti, «professore di lingua e letteratura tedesca nell’i. r. liceo di s. Alessandro in Milano» (Argenti 1819, Titel) oder das Manuale di grammatica tedesca ad uso degli allievi della regia militare accademia von De Bartolomeis (1843). Im Kontext der österreichischen Kirchengemeinde in Rom ist dagegen 1760 die Grammatik Martin Binders, «sacerdote dell’ imperiale, e regia Chiesa di S. Maria dell’anima» (Binder 1760, Titel) entstanden. Eine herausragende Stellung unter den Lehrwerkautoren nimmt Domenico Antonio Filippi ein, der uns bereits als Professor der italienischen Sprache in Wien begegnet und der auch als Lexikograph hervorgetreten ist. Die erste Auflage seiner Grammatik stammt von 1803 und trägt den Titel Grammatica della lingua alemanna ad uso degl’italiani o sia nuovo metodo d’imparare con facilita l’alemanno. Ab der 3. Auflage ist alemanno durch tedesco ersetzt. Die letzte von mir recherchierte Auflage ist die 15., 1872 in Wien erschienen.⁴⁹ Im Vorwort zur ersten Auflage bringt Filippi, das alte Stereotyp des Deutschen als schwierige und harte Sprache aufgreifend, die Schwierigkeiten des italienischen Publikums beim Erlernen des Deutschen und zugleich die Wichtigkeit der Beherrschung dieser Sprache zum Ausdruck: «Non v’è forse nazione in Europa, che men si trovi disposta ad apprender lingue straniere dell’ Italiana. Di ciò n’ è forse la cagione, che avendo gl’Italiani a passare d’una lingua molle, ed armoniosa ad altra men dolce, e più aspirata, devono per necessità più d’ogn’altro aver pena […]. Ma segnatamente la Lingua Alemanna son essi soliti a riguardare come tra tutte la più aspra, la più discordante al loro orecchio, e la più difficile ad esser appresa; cosicchè i moltiplici, e forti interessi di politica, di commercio, e di coltura, che li lega strettamente colla Germania ad essi finitima, non poterono divenir per anco motivi sufficienti, sicchè
48 Argentis Elementi gehören, zusammen mit einer weiteren Grammatik von Fornasari (1825) sowie einer Textanthologie, der Sammlung deutscher Beispiele von 1823, zu den vorgeschriebenen Deutschlehrwerken am Regio Istituto Filosofico di Trento, cf. Filippi 1995, die eine erste Analyse der Lehrwerke bezüglich ihres Aufbaus und ihrer Lehrmethode vorgenommen hat. 49 Zu Filippi cf. ausführlicher Raffaelli (1998) und Boaglio (2012, 108–114).
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indurli a famigliarizzarsi col suo linguaggio, e vivono in questo conto come se fossero separati d’ un emisfero». (Filippi 1803, III–IV)
Ein vor allem im außerinstitutionellen Kontext gepflegtes Interesse am Italienischen in Preußen, parallel zu einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Sprache und Literatur, eine beginnende Auseinandersetzung mit der deutschen Literatur und Deutschland als Ausstrahlungszentrum der Philosophie und Wissenschaften in Italien sowie die enorme Bedeutung des Erlernens beider Sprachen im Kontext der Habsburgermonarchie sind das Panorama, in das sich die Aktivität Francesco Valentinis einschreibt. Als Sprachlehrer noch eng an der Tradition der Sprachmeister stehend integriert er in seinem grammatischen Werk die didaktischen Strömungen seiner Zeit, ist an der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Sprache interessiert und trägt im lexikographischen Œuvre den beschriebenen Bedürfnissen der beiden Benutzergruppen Rechnung.
3 Italienische und deutsche Lexikographie um 1800: Valentini als Wörterbuchautor zwischen zwei Traditionen Valentinis Wörterbuch ist eng an den Interessen des anvisierten weiten Benutzerkreises des frühen 19. Jahrhunderts ausgerichtet. Diese stets im Blick, orientiert sich der Autor bei der Erstellung jedoch eng an den bestehenden ein- und zweisprachigen Wörterbüchern der beiden Sprachen. Zur Einordnung seines Werks bietet das folgende Kapitel ein Panorama der lexikographischen Produktion der beiden Länder. Da sie weitgehend gut erforscht ist und umfangreiche Referenzwerke vorliegen,¹ fällt die Darstellung der einsprachigen Lexikographie knapper aus und beschränkt sich auf den für die Einordnung Valentinis relevanten Zeitraum des 18. und 19. Jahrhunderts. Es werden die für sein Werk bedeutsamen Arbeiten in den Fokus genommen. Die zweisprachige Lexikographie, deren Geschichte als weniger bekannt vorausgesetzt werden kann und zu der eine umfangreichere Arbeit bisher noch aussteht, wird dagegen ausführlicher von ihren Anfängen an nachgezeichnet. Es sei betont, dass eine Trennung der ein- von der zweisprachigen Lexikographie ausschließlich der Übersichtlichkeit der Darstellung dient und die Abfolge der Kapitel keinesfalls eine Chronologie widerspiegelt. Die ersten Wortlisten als Vorläufer der Lexikographie waren zweisprachig,² in der Folge bedingen und ergänzen ein- und zweisprachige Wortschatzdarstellungen einander.
3.1 Lexikographie des Italienischen um 1800 «L’Ottocento fu il secolo d’oro dei dizionari: una stagione quale non si era mai vista prima, vivacissima per ricchezza di produzione, per qualità, per varietà di realizzazioni» (Marazzini 2009, 247). In der allgemeinsprachlichen Lexikographie
1 Für die italienische Lexikographie sei nur auf Della Valle (1993) und Marazzini (2009), für die deutsche auf Henne (2001a) und Haß-Zumkehr (2001) als Referenzwerke mit weiterführender Bibliographie verwiesen. 2 Cf. Schweickard (2013, 672–674). Die frühen lateinisch-italienischen Glossare stammen aus dem 14. Jahrhundert und dienten dem Verständnis sowie dem Erlernen des Lateinischen. Im 14. Jahrhundert beginnt auch die Tradition von Glossaren des Italienischen mit anderen Volkssprachen. Sie waren zu Jahrhundertbeginn vorwiegend für die Lektüre einzelner Autoren bestimmt, bevor sie gegen Ende des Jahrhunderts für den praktischen Gebrauch, insbesondere im Rahmen von Handelsbeziehungen, konzipiert wurden.
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sind zu Beginn des Jahrhunderts zwei Faktoren prägend: die anhaltende Bezugnahme auf die Tradition der Crusca, deren Wörterbuch 1729–1738 in der vierten Edition erschienen war,³ und die Auseinandersetzung mit den grundlegenden Neuerungen durch Francesco D’Alberti di Villanuova (1737–1801). Die Figur D’Albertis ist für die Betrachtung des Werks von Valentini von besonderem Interesse. Auch sein lexikographisches Œuvre ist wesentlich durch die kontrastive Erfahrung, in seinem Fall die «perfetta disinvoltura con la quale egli si muove tra i due ambienti culturali, quello francese e quello italiano» (Sessa 1984, 206), und die genaue Kenntnis nicht nur der italienischen, sondern auch einer anderen nationalsprachlichen Lexikographie geprägt. Seine Ergänzung des traditionell verzeichneten Wortschatzes um Einheiten des aktuellen Sprachgebrauchs und insbesondere um fachsprachliche Terminologie wird von Valentini aufgenommen. Valentini hat sich genau mit den Arbeiten D’Albertis, den er als «Principe de’ Lessicografi Italiani» bezeichnet (Raccolta, XI), auseinandergesetzt, und an verschiedenen Stellen in seinem Werk scheint er sich als eine Art D’Alberti für das Sprachenpaar Deutsch-Italienisch stilisieren zu wollen. Die folgende Analyse des Valentinischen Wörterbuchs wird Orientierungen und Parallelen gezielt in den Blick nehmen. 1771–1772 erscheint in Marseille D’Albertis Dizionario francese-italiano e italiano-francese.⁴ Der Sprach- und Kulturvergleich sowie die genaue Auseinandersetzung mit der enzyklopädisch geprägten französischen Lexikographie, die der Arbeit am zweisprachigen Wörterbuch zugrunde liegen (cf. Sessa 1984, 206), wird zu einer Quelle der Innovation auch für die einsprachig italienische Lexikographie. 1797–1805 wird dann in Lucca in sechs Bänden das Dizionario universale critico, enciclopedico della lingua italiana veröffentlicht. «[R]appresentò un’autentica rivoluzione nella tradizione lessicografica italiana, legata ancora agli schemi della Crusca» (Zolli 1981, 589)⁵. Die Tradition und ihre auctores nicht verneinend, erweitert D’Alberti sein Wörterbuch um Einheiten des lebendigen Sprachgebrauchs und zeigt sich offen für Fremdwörter. Seine größte Leistung liegt in der Integration von Fachwortschatz. Dabei geht er auch methodisch neue Wege. Neben der Ergänzung von wissenschaftlichem Wortschatz über Exzerpte aus Autoren wie Mattioli, Cocchi, Vallisnieri, Targioni Tozzetti etc. (cf. Della Valle
3 Cf. hierzu Vitale (1986a, 349–382), zu seiner «fortuna e sfortuna» Sessa (1985). 4 Zu diesem, insbesondere auch zu den weiteren Editionen, cf. Zolli (1981) sowie Mormile (1991, 58–63; 73–75). 5 Diese «svolta più decisa» gegenüber der Tradition stellt auch Della Valle (1993, 65) heraus. Für weitere Stellungnahmen zur Bedeutung D’Albertis cf. Marazzini (2009, 210–211). Eine eingehende Analyse des Dizionario universale hat Mura Porcu (2 2000) vorgenommen.
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1993, 66), reist D’Alberti durch die Toskana, wo er ab 1793 lebt, und erhebt über Feldstudien die wichtigsten Termini technici der arti e mestieri. «La maggior novità consiste nella larga inclusione delle voci scientifiche e di arti e mestieri: il D’Alberti aveva percorso la Toscana intrattenendosi con artieri e maestranze; e così il suo è il primo grande vocabolario italiano che rimedii alle lacune della Crusca in questi campi del lessico». (Migliorini 11 2004, 468)
Einem ähnlichen Konzept folgt 1824 Bazzarini (cf. Serianni 1989c, 64), dessen Ortografia Valentini in einem Streifzug durch die italienische Lexikographie im Vorwort nennt (cf. Vollst. Wb., vol. 1, LXXVI). D’Albertis Dizionario universale wird 1825 von Antolini in Mailand in einer zweiten, verbesserten und mit einer Biographie des Autors von Francesco Federighi versehenen Ausgabe erneut herausgegeben. Für die erste Hälfte des Jahrhunderts bleibt neben dieser Innovation die Bezugnahme auf die Lexikographie der Crusca prägend und zwar einerseits in Form zahlreicher nicht offizieller Nachdrucke und andererseits in Form kritischer Auseinandersetzungen und Ergänzungen. Mit «[p]iù Crusca della Crusca» betitelt Marazzini (2009, 254) das Kapitel zur Ausgabe des Wörterbuchs von Antonio Cesari, dem wichtigsten Vertreter des italienischen Purismus. Für seine siebenbändige Crusca veronese (1806–1811) kehrt er zu den Autoren des Tre- und Cinquecento, aus denen er ergänzende Exzerpte vornimmt, als absolute Autorität zurück. Es werden alte Varianten sowie idiomatische Wendungen ergänzt, alles Moderne dagegen ausgeschlossen. Auf Basis der IV Crusca, jedoch mit einer erheblichen Öffnung gegenüber den Innovationen der Zeit, erscheinen in den folgenden Jahren zwei Wörterbücher, die für Valentini zur wichtigsten Grundlage werden. Zunächst das Dizionario della lingua italiana von Francesco Cardinali und Paolo Costa unter der Mitarbeit von Francesco Orioli, das 1819–1826 mit einem Umfang von 7 Bänden in Bologna publiziert und in der Forschung und auch im Folgenden als Dizionario di Bologna oder einfach Bologna bezeichnet wird.⁶ Im Wesentlichen der IV Crusca folgend, enthält es Ergänzungen aus Cesari, D’Alberti, Bergantini, Muzzi, der Proposta von Monti sowie weitere Ergänzungen, insbesondere wissenschaftlicher Terminologie (cf. Sessa 1991, 169–178). Einem ähnlichen Ansatz folgt das gleichnamige, ebenfalls siebenbändige Wörterbuch von Luigi Carrer und Fortunato Federici, das 1827–1830 in Padua
6 Zum Wörterbuch von Bologna cf. die unveröffentlichte Abschlussarbeit von Frintino (1968), die in Florenz unter der Leitung von Bruno Migliorini entstanden ist.
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gedruckt und nach dem Verlag als Minerva bezeichnet wird. «Tale vocabolario della ‹Minerva› si presenta come una riproposta riveduta e corretta del dizionario di Bologna, con nuove ulteriori aggiunte» (Marazzini 2009, 262–263). Diese stammen besonders aus der Sektorial- und Wissenschaftssprache (cf. den Index der zusätzlich exzerpierten Werke in der Minerva, vol. 1, XVII–XVIII). In beiden Wörterbüchern werden die Neuerungen gegenüber der Crusca präzise angezeigt. Während dazu im Wörterbuch von Bologna dem Lemma je nach Quelle unterschiedliche Symbole – Asterisken in unterschiedlicher Zahl und Kreuz – verwendet werden, stellt die Minerva stets einen Asterisk vor und ergänzt am Ende des Artikels jeweils eine Abkürzung für die entsprechende Quelle, die im oben zitierten Verzeichnis im ersten Band aufgelöst wird.⁷ Eine erweiternde Ausgabe der IV Crusca ist auch das zweibändige Vocabolario della lingua italiana von Giuseppe Manuzzi (Florenz, 1833–1842), das jedoch erst nach bzw. parallel zum Wörterbuch von Valentini erscheint, sowie das Vocabolario universale italiano, das 1829–1840 unter der Leitung von Raffaele Liberatore von der neapolitanischen Buchgesellschaft Tramater veröffentlicht wird und unter deren Namen bekannt ist. Letzteres erweitert den traditionellen Artikelbestand erheblich, insbesondere um Fachwortschatz, und zeichnet sich durch seine präzisen Definitionen mit tendenziell enzyklopädischem Charakter aus (cf. Serianni 1989c, 64–65). Valentini hat Kenntnis davon, kann es jedoch für sein Vollständiges Wörterbuch nicht mehr heranziehen.⁸ Eine kritische Auseinandersetzung mit der Crusca erfolgt in polemisierender Form von Seiten des antitoskanischen und antiflorentinischen Flügels der lombardischen Klassizisten. Von 1817 bis 1824, mit einem Anhang von 1826, erscheint die Proposta di alcune correzioni ed aggiunte al Vocabolario della Crusca von Monti, die sich auf die Fehler im Crusca-Wörterbuch stürzt und Ergänzungen vorschlägt. Die Schrift enthält überdies die zu jener Zeit stark rezipierten Abhandlungen Perticaris zur Geschichte der italienischen Sprache sowie lexikographietheoretische Beiträge von Grassi (cf. Marazzini 2009, 258). Rund zwanzig Jahre später schlägt Gherardini, wiederum in teils polemischem Ton, in seinen Voci e Maniere (1838–1840) Ergänzungen für künftige Wörterbücher vor, welche sowohl Fachtermini als auch Ausdrücke der lebendigen gesprochenen Sprache berücksichtigen.⁹ 7 Zum Wörterbuch der Minerva cf. auch Sessa (1991, 178–179), speziell zu den hierin gegenüber der Crusca vorgenommenen Ergänzungen die exemplarische Analyse von Marazzini (2009, 264–270). 8 Cf. Fußnote 75, Kap. 7. Wahrscheinlich ist jedoch eine Berücksichtigung für die Dialoghi, cf. Kapitel 6.3.3.3. 9 Zu Montis Schriften zur Sprache cf. Dardi (1990), zu Gherardini Vitale (1984, 419–421) und Zolli (1985).
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Die heftige Kritik wendet sich nicht nur gegen die Crusca selbst, sondern besonders gegen die zeitgenössischen Anhänger des Purismus. Diese wiederum beginnen im betreffenden Zeitraum einen wahren Kampf gegen lexikalische Neuerungen: «La lotta al neologismo condotta dalla lessicografia puristica si concentra su tre bersagli principali: i forestierismi (per la quasi totalità: francesismi); i latinismi; i dialettismi» (Serianni 1989c, 73). Diese «‹caccia al neologismo›» (Zolli 1974a, 7) manifestiert sich in einer ganze Serie von Repertoires, die Neologismen und Barbarismen zusammenstellen. Im Elenco di alcune parole oggidì frequentemente in uso, le quali non sono ne’ vocabolarj italiani sammelt Giovanni Bernardoni, auf Auftrag des Innenministers Vaccari, «[q]ue’ tanti barbarismi, dei quali le scritture d’oggidì ridondano» (Bernardoni 1812, III) und schlägt Ersatztermini vor.¹⁰ Eine Reaktion darauf erfolgt im gleichen Jahr von Gherardini, der den Gebrauch einiger der Wörter aus der Liste Bernardonis rechtfertigt (cf. Zolli 1974a, 10). Diese beiden Arbeiten stehen paradigmatisch für eine Reihe ähnlicher Sammlungen von Autoren unterschiedlicher regionaler Herkunft und Bildung, die ab den 1830er Jahren erscheinen.¹¹ Neben den allgemeinsprachlichen Wörterbüchern und den Ergänzungen und Diskussionen dazu ist das frühe 19. Jahrhundert von weiteren lexikographischen Linien gekennzeichnet, in welche die Arbeit Valentinis sich einschreibt. Mit den methodischen und terminologischen Neuerungen in den Wissenschaften seit Ende des 18. Jahrhunderts – verwiesen sei nur auf die Klassifizierung Linnés in der Botanik und die terminologische Revolution Lavoisiers in der Chemie – und
10 Zu möglichen Quellen Bernardonis cf. Zolli (1974b). Bernardonis Liste hat jedoch nicht das Ziel, alle aufgeführten Wörter zu verbieten und zu ersetzen: «ho posto tutt’i vocaboli che mi sono caduti sott’occhio; i quali non hanno l’approvazione di alcun dizionario, e nè anche di quello, già citato, dell’Alberti, per avventura più copioso d’ogni altro. Nessuno mi reputi pure così intollerante da sentenziarli tutti di proscrizione. Ce ne sono di così espressivi, che mal si avviserebbe chi volesse surrogarvene altri. Tali, per esempio, sono quelli da me distinti con un asterisco; ai quali l’uso quasi generale ha fatta pienissima ragione. Molti di essi sono anzi usati da buoni scrittori; […] Di alcuni altri, ai quali ho messo una crocetta, non si può far senza nelle segreterie allorchè si ragiona delle leggi e dei decreti, ove sono inseriti. […] Ma le colte persone, delle quali non sono scarsi i pubblici uffij, dovrebbero, a parer mio, cospirar tutte nel rigettare assolutamente quelli che non hanno alcun segno; perchè o aspri di suono, o d’indole non italiana, o almanco non necessarj» (Bernardoni 1812, VI–VII). 11 Für die verschiedenen Autoren, eine exemplarische Analyse ihrer Schriften, eine detaillierte Bibliographie und eine zeitliche Übersicht der Veröffentlichungen sei auf Zolli (1974a, 12) verwiesen. Wie diese zeitliche Übersicht (1974a, 65–66) zeigt, folgt auf die Listen Bernardonis und die Reaktion Gherardinis 1812 ein Zeitsprung. Die nächsten Repertoires entstehen erst um 1830, was für meine Analyse erklärt, dass sich Valentini nicht auf diese stützt. Trotz Valentinis Offenheit gegenüber Neologismen scheinen auch die Listen Bernardonis nicht berücksichtigt worden zu sein, wie die Analyse zeigen wird.
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dem Interesse an Fachwortschatz aus den Sektorialsprachen bereits seit D’Alberti kommt es zu einer Blütezeit für Fachwörterbücher (cf. Serianni 1989c, 67–68). Lexikographisch erfasst werden insbesondere der Wortschatz des Kriegs- und Seewesens, der Politik und der Verwaltung, des Handels und des Rechtswesens. Aus den Wissenschaften wird die Terminologie jener Felder berücksichtigt, die im frühen 19. Jahrhundert an Bedeutung gewinnen und in denen ein Wissenszuwachs zu verzeichnen ist: die Agrikultur und die Botanik, die Geologie und die Mineralogie, die Chemie und die Physik, die Pharmazie, die Medizin und die Tiermedizin, aus den Geisteswissenschaften die Archäologie und die Geschichte.¹² Im 18. Jahrhundert handelt es sich bei den entsprechenden Werken vorwiegend um Übersetzungen aus dem Französischen. Im Ottocento entstehen in der Mehrzahl italienische Wörterbücher (cf. Zolli 1973, 8–9). Genannt seien, mit Migliorini (11 2004, 556) und im Hinblick auf die Relevanz für Valentini, das Vocabolario agronomico von Gagliardo (Mailand 1804), das Dizionario botanico italiano von O. Targioni Tozzetti (Florenz 1809), das Vocabolario di marina von Stratico (Mailand 1813–1814), das Dizionario militare von Grassi (Turin 1817), die Spiegazione di alcuni vocaboli geologici, litologici e mineralogici von Bossi (Mailand 1817) sowie, speziell zu Fachwörtern aus dem Griechischen, das Dizionario etimologico di tutti i vocaboli usati nelle scienze, arti e mestieri che traggono origine dal greco von Bonavilla und Marchi (Mailand 1819–1821) und das Dizionario tecnico-etimologico-filologico von Marchi (Mailand 1828–1829). Nach einigen Vorläufern im 18. Jahrhundert¹³ erreicht die Dialektlexikographie im 19. Jahrhundert einen Höhepunkt. Hintergrund sind das Interesse der Romantik für die Volkskultur (cf. Marazzini 2009, 313), didaktische Gründe im Hinblick auf das Erlernen der späteren Nationalsprache sowie die Beschäftigung mit den Dialekten als einem der ersten Interessensfelder der entstehenden Philologie (cf. Kapitel 2.1.2). Für Valentinis Werk relevant sind das Vocabolario milaneseitaliano von Cherubini (1814) und das Dizionario del dialetto veneziano von Boerio (1829). Ein Feld, das zur Tätigkeitszeit Valentinis im Rahmen der Aufdeckung von Verwandschaftsverhältnissen zwischen Sprachen entscheidende Fortschritte macht und eine methodische Grundlage erhält, ist die Etymologie. So ist auch Valentinis Interesse zu erklären, in seinem lexikographischen Werk entsprechende Angaben zu integrieren und in der Dissertazione sul linguaggio italo volgare den Versuch einzelner Etymologien zu unternehmen. Allerdings bewegt er sich hier-
12 Die Auflistung entnehme ich dem Index aus Zolli (1973), der eine reiche Bibliographie der Fachwörterbücher des 19. Jahrhunderts zusammenstellt. Zur Terminologie der Medizin und ihrer lexikographischen Verzeichnung im frühen 19. Jahrhundert cf. speziell Serianni (1985). 13 Zu diesen cf. Cortelazzo (1980, 105–112).
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mit noch auf unsicherem Terrain, bevor die methodische Festigung der Disziplin auf Basis der Erkenntnisse über sprachhistorische Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten von Laut- und Formwandel zu Untersuchungen mit wissenschaftlich abgesichertem Erkenntniswert führt. Die vorwissenschaftlichen Arbeiten zu Etymologien des Italienischen enthalten, neben durchaus zahlreichen korrekten Herkunftsbestimmungen, aufgrund eines eher intuitiven Vorgehens und einer Überbetonung der Semantik auch viele Fehlgriffe (cf. Schweickard 2003, 347; 2011, 141–142). Als erstes speziell etymologisches Wörterbuch des Italienischen sind Gilles Ménages Origini della lingua italiana von 1669 zu nennen. 1739 veröffentlicht Muratori, auf den Valentini sich in seiner dem Wörterbuch vorangestellten Abhandlung wiederholt beruft (cf. Kap. 7.1.1.2), einen Catalogus complurium vocum Italicarum quarum origo investigatur, der auf dem Material seiner Antiquitates Italicae Medii Aevi beruht. In der allgemeinen italienischen Lexikographie bildet sich eine Tradition der Integration etymologischer Angaben mit den verschiedenen Ausgaben des Crusca-Wörterbuchs heraus (cf. Schweickard 2003, 348). Zur Zeit Valentinis erschienen die bereits erwähnten Wörterbücher von Bonavilla/Marchi (1819–1821) sowie Marchi (1828–1829), die der Römer konsultierte und wahrscheinlich als Grundlage verwendete (cf. Kap. 7.2.3.1), «deren Erkenntniswert jedoch eher bescheiden blieb» (Schweickard 2003, 348; cf. auch Cortelazzo 1988, 413). Grundlage für tatsächlich wissenschaftliche etymologische Arbeiten zum Italienischen bieten erst die gesamtromanische Forschung und speziell das Etymologische Wörterbuch der romanischen Sprachen von Diez (1853), «and it took one more century until the publication of the first Italian dictionaries that met the demands of modern etymology» (Schweickard 2013, 676). Ein weiteres wichtiges Thema im linguistischen Diskurs des frühen 19. Jahrhunderts ist die Frage nach Synonymieverhältnissen. Für die Lexikographie ist sie für die definitorische Praxis von Relevanz, wird aber auch im Kontext der Diskussion um die Überlegenheit des Französischen als rationaler Sprache diskutiert. Einen besonderen Einfluss haben die französischen Arbeiten zur Synonymie von Gabriel Girard.¹⁴ Vor dem Nuovo dizionario de’ sinonimi della lingua italiana von Tommaseo (1830) entstehen für das Italienische die Arbeiten von Giovanni Romani und Giuseppe Grassi, auf die Valentini direkt Bezug nimmt. Grassis Saggio intorno ai sinonimi von 1821 wird im 19. Jahrhundert stark rezipiert und erlebt mehrere Nachdrucke und Erweiterungen. Es handelt sich weniger um ein Wörterbuch als um eine Reihe von «saggi semantici» (Marazzini 2009, 332) mit teils narrativem Stil (cf. Giovanardi 1987, 487). Bei der Zusammenstellung der Synonyme orientiert
14 Zu italienischen Synonymwörterbüchern des 18. und 19. Jahrhunderts cf. ausführlicher Giovanardi (1987, 383–496) und Marazzini (2009, 317–343).
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sich Grassi eng an Girard und legt den Schwerpunkt stärker auf die Etymologie als auf den Sprachgebrauch. Romani dagegen legt 1825–1826 ein vollständiges Dizionario generale de’ sinonimi italiani vor und diskutiert im Vorwort die semantischen Unterschiede von Wörtern, die im Crusca-Wörterbuch als Synonyme dargestellt werden (cf. Della Valle 1993, 79).¹⁵ Wie die Analyse zeigen wird, gliedert sich Valentini mit seiner praktischen Lexikographie wie mit seinem theoretischen Beitrag in die italienischen Diskussionen der Zeit ein, bezieht die deutsche Lexikographietradition mit ein und greift weiteren Entwicklungen teilweise voraus.
3.2 Lexikographie des Deutschen Die deutsche Lexikographie kann ab der Renaissance eine reiche zweisprachige Tradition aufweisen, wohingegen in der einsprachigen Wörterbuchschreibung eine Verspätung gegenüber den europäischen Nachbarsprachen zu beobachten ist (cf. Kühn/Püschel 1990, 2051; Waentig 2007, 119–120).¹⁶ Für Waentig liegt ein Grund dafür im Fehlen einer nationalen Akademie sowie in der langen Konzentration auf die Stammwortlehre, die von Schottel 1663 in der Ausführliche[n] Arbeit von der teutschen HaubtSprache entwickelt und als Lemmatisierungsprinzip propagiert worden war (cf. Reichmann 1989, 231–233). Im 17. Jahrhundert drückt sich in den Diskussionen um ein Wörterbuchprogramm, die v. a. von Mitgliedern der nach dem Vorbild der Accademia della Crusca gegründeten Fruchtbringenden Gesellschaft geführt werden, zusammen mit dem Rang des Deutschen als Haubtsprache «ein politisch motiviertes wissenschaftliches Interesse an der deutschen Sprache aus: Schon hier wird der politischen Zerrissenheit Deutschlands die Einheit der Sprache gegenübergestellt, verbunden mit der Abwehr des als bedrohlich empfundenen Französischen» (Kühn/Püschel 1990, 2052). Als Produkte dieser Reflektionen sind die Stammwörterbücher von Kaspar Stieler, Der Teutschen Sprache Stammbaum und Fortwachs (1691) sowie später das Vollständige Deutsche Wörterbuch von Christoph Ernst Steinbach (1734) zu nennen. Programmatische Diskussionen um ein umfassendes Gesamtwörterbuch der deutschen
15 Zu Grassi und Romani cf. vertiefend Giovanardi (1987, 477–488 und 466–477). 16 So wird in Darstellungen zur Geschichte der deutschen Lexikographie das zweisprachig italienisch-deutsche Wörterbuch von Matthias Kramer (1700–1702) als eine der wichtigsten Stationen erwähnt, cf. z. B. Haß-Zumkehr (2001, 83–87) und Kühn/Püschel (1990, 2053). Auf Kramer wird hier im folgenden Kapitel näher eingegangen. Vor seinem Werk ist das deutsch-französische Wörterbuch von Christian Schwanvon Levinus Hulsius ein wichtiger Meilenstein in der lexikographischen Erfassung des Deutschen, cf. Kühn/Püschel (1990, 2051).
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Sprache werden Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts mit Beiträgen von Johannes Bödiker, Johann Gottfried Leibniz, Daniel Ernst Jablonski und Johann Leonhard Frisch weitergeführt (cf. Reichmann 1989, 233–236 sowie die Zusammenfassungen in Kühn/Püschel 1990, 2053–2054 und Haß-Zumkehr 2001, 91–94).¹⁷ Die ersten großen einsprachigen Wörterbücher des Deutschen entstehen erst im 18. Jahrhundert, motiviert von der Aufklärung und dem pädagogischem Antrieb ihrer Autoren. An der Schnittstelle zwischen den Vorläufern und der nun beginnenden Dokumentationslexikographie steht das Teutsch-Lateinische WörterBuch von Frisch (1741). Es ist in der Anlage noch von der Stammwortlehre geprägt, in der Auswahl des Lexikons dagegen schon an der Dokumentation des gesamten Wortschatzes interessiert. Neben dem Gemeinwortschatz verzeichnet Frisch als erster nun auch Fremdwörter, dialektale Einheiten sowie Einheiten aus Fach- und Sondersprachen, wodurch ihm ein besonderer Platz in der Lexikographiegeschichte zusteht. Valentini würdigt sein Wörterbuch im Vorwort zum Gran Dizionario als «[d]as erste mit wissenschaftlichem Geist entworfene Wörterbuch der deutschen Sprache» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXIV). Hauptquellen für Valentini werden die wichtigsten deutschen Wörterbücher vor dem Erscheinen des Grimmschen Wörterbuchs, nämlich die von Adelung und Campe.¹⁸ Johann Christoph Adelungs fünfbändiger Versuch eines vollständigen grammatisch-kritischen Wörterbuchs der Hochdeutschen Mundart (1774–1786) ist ein Verlagsprojekt, mit dem der Leipziger Verleger Breitkopf nach dem Tod Gottscheds, der zunächst damit beauftragt worden war, an Adelung herantritt. Dokumentiert werden soll nach dessen Plan die Hochdeutsche Mundart, worunter die gesprochene und geschriebene Sprache der höheren Klassen Obersachsens und Meißens verstanden werden (cf. Henne 2001b, 150). Die Darstellung soll dem Anspruch eines «grammatisch-kritischen Wörterbuchs» genügen, wobei grammatisch für Adelung, wie er im Umständlichen Lehrgebäude der Deutschen Sprache von 1872 ausführt, «mit Bewußtseyn und Beobachtung der Sprachregeln» bedeutet, unter denen wiederum die «allgemeine[n] Vorschriften, nach welchen die Wörter einer Sprache gebildet, gesprochen, gebeuget, verbunden und ge-
17 Neben Frisch, auf den im Folgenden kurz eingegangen wird, bietet nur Gottsched auch eine praktische Umsetzung der theoretischen Überlegungen zumindest in Ansätzen. Von ihm stammen Entwürfe zu einem «Grammatischen Wörterbuch», abgedruckt in Adelung (1774, vol. 1, III–V). 18 Für eine aktuelle Übersicht der sehr umfangreichen Forschungsarbeiten zu Adelung und Campe verweise ich auf die Auswahlbibliographie in den Beiträgen von Schrader bzw. Orgeldinger im Sammelband Große Lexika und Wörterbücher Europas von Haß-Zumkehr (cf. Schrader 2010, 175–177; Orgeldinger 2010, 189–190).
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schrieben werden» (Adelung: 1782, vol. 1, 91) zu verstehen sind. Kritisch «meint das prüfende Beurteilen des Gelehrten, der seine sprachwissenschaftlichen Arbeiten auf Regeln gründet, die er der Sprache entnimmt» (Henne 2001b, 149). Der verzeichnete Wortschatz muss sprachsoziologisch-stilistisch dem Sprachgebrauch der gehobenen Klassen angehören, sprachgeographisch in Obersachen und Meißen verortet und zeitlich auf die Gegenwartssprache beschränkt sein. Bis auf wenige Ausnahmen, die insbesondere den Gebrauch lexikalischer Einheiten bei bestimmten Autoren betreffen, sind somit obsolete, provinzielle und stilistisch niedrige Wörter ausgeschlossen (cf. Henne 2001b, 150–151), was einen erheblichen Unterschied zur italienischen Lexikographie in der Tradition der Crusca bedeutet. Gegenüber Fremd- und «Lehnwörtern nahm Adelung eine rationalistische und damit positivere Haltung ein als die [deutschen] Puristen des 17. Jahrhunderts: Die Strecke C umfasst gut 70ʾSpalten» (cf. Haß-Zumkehr 2001, 108). Die Präsentation des Wortschatzes erfolgt in alphabetischer Ordnung. In den einzelnen Wortartikeln folgen auf das Lemma die Grammatikangaben, wobei die Terminologie aus der Deutschen Sprachlehre von 1781 verwendet wird, auf diese die Bedeutungsangabe und bei den Simplizia der Versuch einer etymologischen Analyse (cf. Henne 2001b, 164). In der Bedeutungsangabe, die durch semantische Definitionen oder Synonyme erfolgt, liegt die besondere Leistung Adelungs. Bei mehreren Bedeutungen eines Lemmas sind diese «der Sache gemäß geordnet, das ist, wie sie vermutlich aus und aufeinander gefolget sind» (Adelung 1774, vol. 1, XIV). In der Praxis wird eine Anordnung aus historischen, logischen und empirischen Prinzipien befolgt. Die auf diese Weise systematische Anordnung wird durch Ziffern, Punkte und Einrückungen auch graphisch abgesetzt. Der Gebrauch des Lemmas in den einzelnen Bedeutungen wird durch Beispiele – zumeist Autorenzitate, aber auch durch phraseologische Wendungen – verdeutlicht. Die Qualität der Bedeutungsangaben hebt Adelung von der italienischen Lexikographie der Zeit ab. Dies wird auch von Valentini, den Wörterbuchautoren seiner Heimat gegenüber kritisch, betont (cf. Kapitel 6.2). Um die Stilebene der Lexeme anzugeben, verwendet Adelung ein System von 5 Klassen, von der «höhere[n] oder erhabene[n] Schreibart» bis zur «ganz pöbelhafte[n]» (Adelung 1774, vol. 1, XIV). In der zweiten, von Adelung selbst korrigierten und erweiterten Auflage von 1793–1801 werden durch Asterisk und Kreuz zudem veralteter bzw. niedriger Wortschatz markiert. Eine dritte Auflage erschien 1808 nach dem Tod Adelungs in Wien. Sie ist von Franz Xaver Schönberger revidiert und enthält eine Ergänzung aus dem Schiff- und Seewesen von D. W. Soltau (cf. Henne 2001b, 164–165). Adelungs Wörterbuch ist aufgrund seiner Eingrenzung auf die «hochdeutsche Mundart», die als zu eng gefasst empfunden wurde, von Zeitgenossen kritisiert worden. Dennoch bildet es bis zum Erscheinen des Wörterbuchs der Grimms das
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Referenzwerk, mit dem sich alle Lexikographen und Literaten der Zeit auseinandersetzten, und «sein wissenschaftlicher Einfluss war enorm» (Haß-Zumkehr 2001, 106). Das Grammatisch-kritische Wörterbuch wird auch zur Basis des deutschen Teils mehrerer deutsch-italienischer Wörterbücher. Nicht erst Valentini beruft sich explizit auf ihn,¹⁹ sondern vor ihm bereits Jagemann (1790–1791) sowie Heucke (1806) und ein 1818 ohne Autorenangabe in Wien erschienenes Taschenwörterbuch (cf. Kapitel 3.3). Schon früher war Adelung Grundlage für die zweisprachige Lexikographie des Deutschen mit anderen Sprachen, etwa des deutschfranzösischen Wörterbuchs von Christian Schwan von 1787–1793. Adelung ist auch Ausgangs- und ständiger Bezugspunkt für Joachim Heinrich Campe, der sich mit seinem in 5 Bänden in Braunschweig erschienenen Wörterbuch der Deutschen Sprache (1807–1811) vornimmt, ein «vollständigeres, sprachrichtigeres» und «der jetzigen Ausbildung unserer Sprache um vieles angemesseneres Wörterbuch» (Campe 1807, vol. 1, XVI) vorzulegen. Das Ergebnis übertrifft Adelung jedoch in erster Linie quantitativ. Bei etwa gleichem Umfang enthält Campes Wörterbuch etwa dreimal so viele, entsprechend kürzere Artikel, die eng an Adelung orientiert sind (cf. Henne 2001c, 190; 182).²⁰ Die Bereicherung des Lemmabestands erfolgt programmatisch durch Schöpfen «nicht bloß aus einer Quelle des Deutschen Sprachschatzes (etwa nur aus einer Mundart, z. B. der Meißnischen oder Obersächsischen), sondern aus allen Quellen, die für die allgemeine Deutsche Sprache, Hochdeutsch genannt, etwas zu liefern haben» (Campe 1807, vol. 1, VIII), in der Praxis durch die Lemmatisierung einer Vielzahl von Komposita und Derivationen. Ausführlich berücksichtigt werden dichterische sowie puristische Neubildungen. Zur diasystematischen Indizierung der verzeichneten Lexeme verwendet Campe ein System von vierzehn Kürzungszeichen, mit denen obsolete, regionale, stilistisch niedrige, poetische sowie neu gebildete Lemmata markiert werden (cf. die «Legende und Erläuterungen» in Campe 1807, vol. 1, XX–XXI).
19 Im Vorwort zum Vollständigen Wörterbuch liest sich der Absatz, in dem auf Adelung Bezug genommen wird, wie eine Lobeshymne: Der «hochverdiente Johann Christoph Adelung» sei «allein für Deutschland so viel werth als eine ganze Academie; sein mit Fleiß und Gelehrsamkeit wahrscheinlich nach dem Vorbilde Johnson’s gearbeitetes grammatisch-kritisches Wörterbuch erschien zu Leipzig in den Jahren 1774–1786. Diejenigen, welche im jetzigen Jahrhundert ähnliche Werke verfaßt haben, übertreffen ihn nur in der Zahl der Wörter, welche sie verzeichnen, nicht an Gelehrsamkeit» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXIV). 20 Valentini bewertet das Wörterbuch der Deutschen Sprache als «in vielen Rücksichten ausgezeichnetes Werk, das zweimal so viel Wörter enthält, als das Adelungische [sic!]» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXIV).
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Campes Arbeit ist von puristischen Bestrebungen geprägt, wobei seine Ablehnung von Fremdwörtern weniger «patriotisch oder gar national, sondern aus einer demokratischen Haltung heraus» (Haß-Zumkehr 2001, 112) sprachpädagogischaufklärerisch motiviert ist. Die Bildung der Menschen wird für Campe sprachlich vermittelt. «Wer also die Sprache formt und weiterentwickelt, bildet zugleich den Menschen» (Henne 2001c, 183–184). Die Weiterentwicklung und Bereicherung der Sprache «soll nun aber ausschließlich aus den Quellen der eigenen Sprache, nicht durch Vermittlung anderer Kulturen, erfolgen» (Henne 2001c, 184). Ein Grund hierfür liegt in der eingeschränkten Verständlichkeit von Fremdwörtern für große Teile der Bevölkerung: «Ein fremd-artiges, nur für wenige Deutsche verständliches Wort […] verdient nicht aufgenommen oder nicht beibehalten zu werden, sobald ein anders da ist oder gefunden werden kann, das den nämlichen Begriff, wenn gleich nicht ganz so schön und nicht ganz so wohlklingend, aber doch der Hauptsache nach richtig, und zugleich auf eine für alle Deutsche verständliche Weise auszudrucken im Stande ist». (Campe 1794, XXXV)
Bereits 1801 hatte Campe ein Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke als Ergänzung zu Adelungs Wörterbuch herausgegeben, das 1813 in vermehrter Ausgabe erneut erschien. Darin werden im Deutschen verbreiteten Fremdwörtern deutsche Ausdrücke, ggf. ergänzt durch weitere Definitionen, Ausführungen und Gebrauchsbeispiele gegenübergestellt.²¹ Eine Vielzahl der Verdeutschungen sind auch im Wörterbuch der Deutschen Sprache enthalten und durch entsprechende Zeichen markiert. Von der Kritik ist Campe stets mit Adelung verglichen und als schlechter beurteilt worden (cf. Henne 2001c, 197–199; Kühn/Püschel 1990, 2058). Dennoch stellt er aufgrund seines Wortreichtums eine bedeutende Quelle der Sprache des frühen 19. Jahrhunderts dar und wird auch von Valentini extensiv genutzt. Neben dem großen Wörterbuch greift dieser auch auf das Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung zurück, dessen nach Campe zu ersetzende Stichwörter er als Lemmata ansetzt.
21 Darauf, dass Fremdwortlexikographie in Form von Verdeutschungswörterbüchern nicht immer in Einheit mit Sprachpurismus zu sehen ist, sondern vielmehr «informierend-erklärende Ziele» verfolgt und von «pädagogisch-aufklärerischem Impetus» geprägt ist, weisen Kühn/ Püschel hin (1990, 2063). Der Bildung breiterer Volksschichten dienen beispielsweise das Gemeinnützige Lexicon für Leser aller Klassen von Roth (1788) oder das Enzyklopädische Wörterbuch, oder alphabetische Erklärung aller Wörter aus fremden Sprachen, die im Deutschen angenommen sind von Heinse (1793–1805). Parallel dazu entstehen jedoch auch solche mit klar sprachpuristischer Zielsetzung, z. B. Mosquas Wörterbuch zur Beförderung der Reinigung der deutschen Sprache von fremden Wörtern (1812) oder Heyses Kurzgefasstes Verdeutschungs-Wörterbuch von 1807.
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Eine weitere Quelle für Valentini, die explizit im Vorwort genannt wird (cf. Vollst. Wb., vol. 1, LXXIV), ist das Volksthümliche Wörterbuch der Deutschen Sprache mit Bezeichnung der Aussprache und Betonung für die Geschäfts- und Lesewelt von Theodor Heinsius,²² das von 1818 bis 1822 in vier Bänden in Hannover erscheint. Wie der Titel anzeigt, zeichnet sich dieses an Adelung und Campe angelehnte Wörterbuch durch einen stärkeren Praxisbezug aus. Es integriert Fremdwörter und ergänzt Angaben zu Aussprache und Betonung (cf. Eichinger 1996, 169) und «ist, wie alle seine [Heinsius‘] Sachen, praktisch nicht wissenschaftlich, ohne Belege, ohne etymologische Versuche, übrigens recht vollständig, und angenehm zu gebrauchen» (Scherer 1880, 660). Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das zweibändige Vollständige deutsche Handwörterbuch für die Geschäftsführung, den Umgang und die Lectüre (1805–1807) von Christian Friedrich Traugott Voigt. Neben der Dokumentationslexikographie sind für den betreffenden Zeitraum verschiedene Formen von Spezialwörterbüchern zu beachten. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts wird auch in Deutschland unter rationalistisch-aufklärerischen Gesichtspunkten die Frage nach Synonymenverhältnissen diskutiert. In Form einer «Versammlung von semasiologischen und onomasiologischen Artikeln, vermehrt um allerlei sonstige Bemerkungen» (Kühn/Püschel 1990, 2058) veröffentlicht Gottsched 1758 seine Beobachtungen über den Gebrauch und Misbrauch vieler deutscher Wörter und Redensarten. 1785–1786 folgt, wie die italienische Synonymenlexikographie von Girard geprägt und darüber hinaus in der zweiten Auflage die Bedeutungsdifferenzierungen Adelungs berücksichtigend, der Versuch in richtiger Bestimmung einiger gleichbedeutender Wörter von Samuel Johann Ernst Stosch. Zum Referenzwerk für Synonymie im Deutschen wird in seinen verschiedenen Bearbeitungen der sechsbändige Versuch einer allgemeinen deutschen Synonymik (1795–1802) von Johann August Eberhard. Zunächst sollten hier «Begriffe und deren sprachliche Bezeichnungsmöglichkeiten exakt voneinander geschieden sowie ihre Beziehungen untereinander beschrieben werden» (Kühn/Püschel 1990, 2059). Ein auf dem Versuch basierendes Synonymisches Handbuch, für den praktischen Gebrauch verdichtet, erschien 1802 und wurde bis 1910 nachgedruckt. Eberhards Synonymik wird auch von Valentini im Vorwort zum Vollständigen Wörterbuch erwähnt (cf. Vollst. Wb., vol. 1, LXXIX, n. 6).
22 Wenn auch keine expliziten Quellen vorliegen, so ist es doch recht wahrscheinlich, dass Valentini und Heinsius in direktem Kontakt standen. Heinsius lebte in Berlin, wo er als Lehrer an verschiedenen Gymnasien tätig war, u. a. am Grauen Kloster, dem er zuletzt als Rektor vorstand (cf. Eichinger 1996, 160) und zu dem Valentini mehrere Bezugspunkte hatte. Außerdem war auch Heinsius Freimaurer, er gehörte in Berlin der Loge Pythagoras zum flammenden Stern an, die wie Valentinis Loge unter dem Dach der Großen Loge Royal York zur Freundschaft stand.
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Auf weitere Werke der deutschen Speziallexikographie geht Valentini nicht ein, sie scheinen für seine lexikographische Praxis nicht herangezogen worden zu sein. Eine hohe Bedeutung kommt dagegen den zweisprachig italienisch-deutschen Vorläufern zu.
3.3 Zur Geschichte der zweisprachigen Lexikographie mit dem Sprachenpaar Italienisch-Deutsch Während die Lexikographie der Einzelsprachen Italienisch und Deutsch inzwischen weitgehend gut erforscht ist, bleibt die Literatur zur Geschichte der zwei- oder mehrsprachigen Wörterbücher mit dem Sprachenpaar überschaubar. Eine umfassende Arbeit, wie sie etwa Mormile (1993) für die Geschichte der französisch-italienischen Wörterbücher vorgelegt hat, bzw. eine systematische publizierte Bibliographie mit ausführlichen Daten zu den einzelnen Wörterbüchern, wie sie 2008 von Lillo für das gleiche Sprachenpaar herausgegeben wurde, fehlen. Eine Überblicksdarstellung bieten Bruna/Bray/Hausmann 1991. Dabei stützen sie sich in weiten Teilen auf die unveröffentlichte Abschlussarbeit von Bruna (1983), die eine breite Bibliographie von Wörterbüchen erschlossen hat.²³ Auch in Darstellungen zur nationalsprachlichen Lexikographie haben Abschnitte zu mehrsprachigen Wörterbüchern Eingang gefunden, so etwa in Pfisters Übersicht zur italienischen Lexikographie (cf. Pfister 1990; cf. auch Tancke 1984; Schweickard 2013) oder im Artikel zu deutschen Wörterbüchern vor Grimm von Kühn/Püschel (1990). Abrisse der Geschichte der zweisprachigen Lexikographie enthalten zudem einige Arbeiten, die die Analyse moderner zweisprachiger Wörterbücher zum Gegenstand haben (cf. z. B. Marello 1989; Schweickard 2000; Nied Curcio 2006). Daneben liegen einige Arbeiten zu einzelnen Autoren bzw. Zeitabschnitten vor. Besonders umfangreich ist die Bibliographie zur Frühphase der Gegenüberstellung von Deutsch und Italienisch, namentlich zu den in Venedig entstandenen Glossaren und Sprachbüchern aus dem 15. Jahrhundert. Das Interesse an dieser Zeit ist damit zu erklären, dass es sich bei den Sprachbüchern um Pionierwerke handelt, die entscheidend zur Herausbildung der Genres Wörterbuch, aber auch Sprachlehrwerk und Grammatik beigetragen haben. Zudem repräsentieren sie einen frühen Sprachstand und sind somit auch aus streng
23 Mit der Zielsetzung «di colmare una grossa lacuna in questo campo, fornendo un quadro completo delle varie edizioni dei dizionari bilingui esisteni» (Bruna 1983, 1) hat Bruna über 300 Seiten Bibliographie von allgemeinsprachlichen deutsch-italienischen Wörterbüchern aus dem Zeitraum 1477 bis 1982 zusammengestellt (cf. zur Methode Bruna 1983, 30–35), versehen mit einer kurzen Einleitung sowie Namens-, Bibliotheks- und chronologischem Index.
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linguistischer bzw. dialektologischer Perspektive von besonderem Wert. Genannt seien hier nur Pausch (1972), Rossebastiano Bart (1971, 1977, 1983, 1984 und 2002) und Giustiniani (1987). Für einen Überblick mit Schwerpunkt auf dem Studium des Italienischen in Deutschland zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert sei auf die Artikelserie von Eméry in den 1940er und 50er Jahren in Lingua Nostra verwiesen. Mit dem 17. Jahrhundert befasst sich vertieft Bray (1987; 1988), der sich mit seiner Reihe Archiv der Europäischen Lexikographie (ALE) auch die Neuedierung seltener Wörterbücher aus dem 17. und 18. Jahrhundert zur Aufgabe gemacht hat.²⁴ Für das 18. Jahrhundert gibt Hausmann (1987a) einen Überblick der lexikographischen Produktion. Kaum eingehend behandelt ist bisher das 19. Jahrhundert. Die Aufarbeitung und übersichtliche Darstellung der lexikographischen Produktion bis ins 19. Jahrhundert hinein wird erschwert durch die Tatsache, dass sich kaum eine lineare Abfolge origineller Werke feststellen lässt. Stattdessen hat man es mit wenigen von Grund auf bearbeiteten Wörterbüchern zu tun, die dann über mehrere Jahrzehnte neu aufgelegt und dabei oft von anderen Autoren wiederaufgegriffen, erweitert und verändert werden: «In der Nachfolge der genannten Pionierschriften des 15. Jahrhunderts bilden sie eine lange Reihe, fast unübersehbar mit ihren verschiedenen Nachdrucken und Neubearbeitungen, wie die mindestens zehn Ausgaben des Dizionario bzw. der Fontana della Crusca (1700 bis 1771) von Nicolò (di) Castelli». (Christmann 1992, 49–50)
Bei nahezu allen Autoren, auch bei solchen des 19. Jahrhunderts wie Valentini, die originelle Werke verfassen, ist ein starkes Bewusstsein dafür vorhanden, in einer längeren Tradition zu stehen. In den Vorworten der Wörterbücher fehlt selten die Aufzählung früherer Autoren, auf die sich der Verfasser entweder direkt beruft, deren Tätigkeit er zumindest würdigt oder die er kritisiert. Als Beispiel sei hier aus dem Vorwort von Flathe (1782) zitiert, der eine äußerst ablehnende Haltung gegenüber den Vorgängerwerken zum Ausdruck bringt: «Genug, solche unzeitige Geburten verdienen mit allem Rechte in ihr voriges Nichts zurückzufallen, und die wulstigen Veneroni mit samt den vier Sprachen, die Kramer, die Castelli, und wie sie weiter Namen haben, können in Deutschland und Italien kein Bürgerrecht erlangen, und wenn sie auch noch so lange mitgelaufen wären, und unter diesen zwo Nationen herumgeschwärmt hätten». (Flathe 1782, Vorrede c. 3)
24 Für eine aktuelle Übersicht der bisher erschienenen Werke cf. die Homepage des Harald Fischer Verlags, der die Reihe veröffentlicht: www.haraldfischerverlag.de/hfv/woerterbuecher.php [letzter Zugriff: 15.11.2015].
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Wie ein Blick auf die unterschiedlichen Seitenzahlen des italienisch-deutschen bzw. des deutsch-italienischen Teils der Wörterbücher zeigt, ist der erste fast immer stärker ausgebaut, was damit zusammenhängt, dass die Werke überwiegend für ein deutsches Publikum bestimmt sind, das Italienisch verstehen will. Dies ändert sich erst mit Verschiebung des Kulturgefälles im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts (cf. auch Kapitel 2). Im 20. Jahrhundert wird der Großteil der deutschitalienischen Wörterbücher in Italien gedruckt (cf. Hausmann 1987a, 209). Bis Ende des 18. Jahrhunderts hingegen erscheinen mit wenigen Ausnahmen wie der Reggia di Mercurio von 1710 alle Wörterbücher in Deutschland, wenn auch viele der Verfasser italienische Namen tragen. Oftmals handelt es sich um italienische Glaubensflüchtlinge, die sich in Deutschland niederlassen und Sprachunterricht erteilen. Bedeutende Verlagsorte sind Leipzig, Nürnberg²⁵ und Frankfurt. Was die Norm des Italienischen, die in den Wörterbüchern vermittelt wird, aber auch die Lemmaauswahl und den Artikelaufbau betrifft, so bezieht man sich nach dessen Erscheinen 1612 und besonders ab dem 18. Jahrhundert stark auf das Vocabolario degli Accademici della Crusca und seine verschiedenen Nachdrucke. Außerdem erfolgt eine enge Orientierung an der Lexikographie mit Französisch. Auch für den deutschen Teil spielt das Voranschreiten der einsprachig deutschen Lexikographie eine bedeutende Rolle. Ein wichtiger Einschnitt ist hier das Erscheinen des Versuchs eines vollständigen grammatisch-kritischen Wörterbuchs von Adelung (1774–1786). Neben zweisprachigen Wörterbüchern ist bis ins frühe 18. Jahrhundert hinein auch eine breite mehrsprachige Tradition zu beachten. Wie Hausmanns Aufstellung von Wörterbuchausgaben zwischen 1605 und 1800 zeigt, machen sie in diesem Zeitraum ein Viertel aller Veröffentlichungen aus (cf. 1987, 208–209). Neben Italienisch und Deutsch steht bei Hulsius (1616), Oudin (1674), Erberg (1710), Rädlein (1711) und Veneroni/Castelli (1713) und deren Neuauflagen Französisch, neben diesen drei Sprachen bei Hulsius (1628) und Veneroni (1700) außerdem Latein. Im 19. Jahrhundert sind solche mehrsprachigen Wörterbücher dann nicht mehr denkbar. Das 19. Jahrhundert ist von Marazzini als «secolo d’oro della lessicografia» (2009, 247) des Italienischen bezeichnet worden. Dies gilt auch für die zweisprachige lexikographische Produktion. Eine Auswertung des chronologischen Verzeichnisses in Bruna (cf. 1983, 400–403)²⁶ ergibt, dass vom Erscheinen des ersten deutsch-italienischen Wörterbuchs moderner Gestalt 1605 bis 1900 insgesamt
25 Zu Nürnberg als Druckort von mehrsprachigen Wörterbüchern bis 1700 cf. Müller (2010). 26 Hier werden auch Neuauflagen und Wiederbearbeitungen bereits veröffentlichter Werke mit eingerechnet. Nicht berücksichtigt sind dagegen mehrsprachige und fachsprachliche Wörterbücher.
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205 Wörterbücher für das Sprachenpaar veröffentlicht werden. Ein sprunghafter Anstieg der Produktion ist im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts zu verzeichnen, er steht neben der allgemeinen Zunahme der Buchproduktion sicher auch in Zusammenhang mit den von D’Alberti in Italien und Adelung in Deutschland erzielten Fortschritten. Das Niveau bleibt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in etwa gleich, bevor in der zweiten Hälfte eine Verdopplung der Veröffentlichungen stattfindet (cf. untenstehende Grafik nach Gärtig 2013, 174, auf der Basis der Zahlen von Bruna 1983, 400–403). 90
80
80 70 60 50
41
40 30 8
3
5 17 51 –1 77 5
10
17
17 26 –1 75 0
20
21
18
18 76 –1 90 0
18 51 –1 87 5
18 26 –1 85 0
18 01 –1 82 5
00 18 17 76 –
17 00 –1 72 5
0
Abb. 1: Anzahl der zwischen 1700 und 1900 veröffentlichten deutsch-italienischen Wörterbücher
Die Darstellung der wichtigsten Stationen der deutsch-italienischen Lexikographie erfolgt im Folgenden übersichtsartig und mit dem Ziel, das Werk Valentinis einzuordnen und seine Innovativität bzw. Sonderstellung herauszuarbeiten. Die zeitlich weiter von ihm entfernten Werke werden daher knapper, die näherliegenden und von ihm erwähnten bzw. diejenigen mit besonderem Bezug zu Valentinis Werk etwas ausführlicher vorgestellt. Das erste deutsch-italienische Sprachbuch, Vorläufer der späteren Wörterbücher, ist 1424 in Venedig, im Umfeld des Fondaco dei Tedeschi entstanden.²⁷ Wie bereits in Kapitel 2 ausgeführt, bestanden schon seit dem Hochmittelalter
27 Zu früheren, nur wenige Seiten umfassenden Glossaren, die sich auf die lateinisch-volkssprachliche Tradition stützen, aber ab Ende des 14. Jahrhunderts auch die Volkssprachen Deutsch und Italienisch nebeneinander stellen, verweise ich auf Rossebastiano (2002, 1–4), für
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enge Handelskontakte zwischen Venedig, Mailand und Genua jenseits und Nürnberg, Augsburg, Ulm, Regensburg und Köln diesseits der Alpen. Zur Kaufmannsausbildung wurden Deutsche nach Venedig geschickt, junge Venezianer lernten im Rahmen ihrer Ausbildung Deutsch. Aus dem Rahmen dieses Deutschunterrichts stammt vermutlich das erwähnte Sprachbuch, das auf den Unterrichtsnotizen eines in Venedig als Sprachmeister aktiven Georg von Nürnberg beruht.²⁸ Das Sprachbuch, das in verschiedenen handschriftlichen Traditionen überliefert ist,²⁹ gliedert sich in drei Teile: ein Wörterverzeichnis in methodischer Anordnung, das italienischen Einheiten deutsche gegenüberstellt, einen Grammatikteil zur Verbmorphologie und einen Dialogteil, in dem deutschsprachige Dialoge italienischen gegenüberstehen. Besonders in diesen Dialogen, doch auch in der Auswahl des Wortschatzes, sind der Schauplatz Venedig und die besonderen Bedürfnisse der Handelskontakte mit deutschen Städten stets präsent: «si manifesta esplicitamente l’ambiente culturale che fa da sfondo all’opera: quello mercantile di una Venezia ancora ricca e fiorente, strettamente collegata col retrostante mondo germanico» (Rossebastiano Bart 1984, 7; zum kulturhistorischen Hintergrund cf. auch Simonsfeld 1893). Der oben als italienisch bezeichnete Teil des Buches trägt in den ältesten Handschriften stark venezianische Züge, bevor er in späteren Kodizes in paduanischer und toskanischer Form erscheint, der deutsche Teil zeigt Züge eines bairischen sowie eines schwäbisch-alemannischen Dialekts.³⁰
das wohl erste dieser deutsch-italienischen Glossare, das in Mittelitalien zu verortende Frammento di guida turistica italo-tedesca con frasi e parole d’uso corrente, auf Scarpa (1991). 28 Cf. zur Zuschreibung Rossebastiano Bart (1983, II–III). Das Sprachbuch trägt keinen Autorennamen, eine Passage aus einem fiktiven Dialog, den Rossebastiano Bart (1983) auf S. XXI wiedergibt, lässt aber den Rückschluss zu, dass es sich bei dem Verfasser um einen aus Nürnberg stammenden «Maistro Zorzi» handelt. Weitere Hinweise zu dessen Person konnten bisher nicht aufgespürt werden, cf. dazu auch Pausch (1972, 52). 29 Zu den unterschiedlichen Manuskripten cf. Rossebastiano Bart (1983, IX–XVII); Rossebastiano Bart (1984, 9–31); Rossebastiano (2002, 7–15); Höybye (1974, 143–151); Blusch (1992, 4–18). Brenner (1895) enthält eine Edition des Münchner Kodex, mit einem kritischen Apparat der Varianten der Wiener Handschrift. Für den Dialogteil gibt er allerdings nur die deutsche Hälfte wieder, die italienische findet sich erstmals bei Höybye (1964). Pausch (1972) bietet eine Edition des Wiener Kodex. Höybye (1974) publiziert Auszüge aus den Handschriften von Heidelberg, Modena und der Vatikanischen Bibliothek. Rossebastiano Bart veröffentlicht 1983 eine synoptische Gegenüberstellung des Wörterbuch- sowie des Grammatikteils der ältesten Manuskripte (aus München, Wien, Heidelberg und Modena), 1984 folgen die Dialoge. Blusch bietet eine vollständige Edition der Heidelberger Handschrift. 30 Die erste vollständige systematische Analyse des deutschen Texts einer Handschrift, nämlich der aus Heidelberg, stammt von Blusch (1992). Das Interesse an der bei Meister Georg verwendeten Sprache reicht jedoch weit ins 19. Jahrhundert zurück. Bereits Friedrich Diez und die Brüder
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Georg von Nürnberg hatte sicherlich Einfluss auf das erste gedruckte Sprachbuch, Introito e porta des Meister Adam von Rottweil. Der Erstdruck erfolgte 1477 in Venedig, also im gleichen Umfeld und aus den gleichen Bedürfnissen heraus, die auch die frühere handschriftliche Tradition prägen, nämlich dem Kontakt zwischen Personen, die nicht über die traditionelle Bildung verfügen, um in Latein miteinander kommunizieren zu können: «Se gli ambasciatori veneziani alla corte imperiale e i rappresentanti papali ai concilij di Costanza e di Basilea e alle diete imperiali potevano in ogni caso far ricorso al latino, e se piú generalmente del latino si servivano nella loro corrispondenza i dotti delle due nazioni, gl’illetterati dovevano ovviamente comunicare nella lingua del posto». (Giustiniani 1987, 11)
Im Unterschied zu den Vorläufern wendet sich das Sprachbuch ausdrücklich sowohl an Lerner des Deutschen als auch an solche des Italienischen, wie der vollständige Titel verrät: Introito e porta de quele che voleno imparare e comprendere todesco o latino cioè taliano. Das Werk gliedert sich in zwei Bücher und umfasst Wortlisten mit insgesamt ca. 3000 Lemmata sowie fertige Sätze für Reisende. Die Anordnung des Wortschatzes erfolgt, mehr oder weniger systematisch, nach Themen: «non ci troviamo dinanzi a vocabolari veri e propri, in cui le parole siano ordinate secondo l’alfabeto, ma a prontuari o manuali di conversazione, nei quali sono riunite l’una dietro l’altra, senza nessuna preoccupazione dell’alfabeto, voci attinenti più o meno strettamente – e allora, a dir il vero, tutt’altro che strettamente – ad un dato soggetto». (Boselli 1937, 79)
Themenfelder sind Gott, der menschliche Körper, Verwandtschaftsverhältnisse, Kleidungsstücke, Handelswaren, Spiele und Vergnügungen, Flora, Fauna etc. Im Laufe des 15. und 16. Jahrhunderts entstehen unter dem Titel Solenissimo Vochabuolista oder Libro utilissimo verschiedene Nachfolger des Sprachführers Adams von Rottweil.³¹ Neben den zweisprachigen Versionen – erwähnt sei hier
Grimm interessierten sich dafür, cf. Tancke (1984, 18). Weitere Analysen des 19. Jahrhunderts stammen von Schmeller (cf. Hinweis bei Simonsfeld 1893, 419) und Brenner (1886 sowie 1895) aus germanistischer, von Mussafia (1873) aus romanistischer Perspektive. Die erwähnten Editionen aus den 1970er bis 90er Jahren sowie die Untersuchungen von Holtus/Schweickard (1985) zu Elementen der gesprochenen Sprache zeigen ein modernes linguistisches Interesse an dem venezianischen Sprachbuch. Jüngere Arbeiten beschäftigen sich neben dem sprachlichen v. a. mit dem didaktischen Aspekt, cf. dazu Rossebastiano (2002); Glück (2002, 418–432) und Glück/ Morcinek (2006). 31 Für den Zeitraum bis 1522 finden sich diese zusammengestellt in Rossebastiano Bart (1971). Giustiniani (1987) stellt die Ausgaben von 1477 und 1500 nebeneinander.
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nur die von Bologna 1479, die Boselli mit der von 1477 vergleicht und die vermutlich im Umfeld der Universität mit ihren zahlreichen Studenten aus Deutschland entstanden ist (cf. 1937, 84) – entwickelt sich auch eine breite mehrsprachige Tradition, die das ganze 16. Jahrhundert prägt. Das Sprachbuch wird unter Hinzunahme des Französischen sowie, je nach Ausgabe, des Spanischen, Katalanischen, Tschechischen, Englischen oder auch des Niederländischen, Griechischen und bisweilen des Ungarischen und Polnischen auf einen Umfang von bis zu acht Sprachen ausgebaut.³² Zusätzlich zu dieser Tradition bildet sich ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein weiterer Zweig mehrsprachiger Glossare heraus. Dessen Basis stellt das ursprünglich einsprachige normative lateinische Wörterbuch von Ambrogio Calepino dar, das 1550 erstmals um italienische Äquivalente und dann in schneller Folge um weitere Sprachen, auch das Deutsche, erweitert wird (cf. Tancke 1984, 4243; Bray 1988, 316 und 339, Anh. 6.2; Pfister 1990, 1847). Zu beachten ist zudem der Traditionsstrang mehrsprachiger Wörterbücher, der auf das Vokabular des flämischen Sprachmeisters Noël de Berlaimont (gest. 1531 in Antwerpen) zurückgeht. Dieses flämisch-französische Wörterbuch wurde in der Folge auf vier bis acht Sprachen, darunter auch Deutsch und Italienisch, ausgebaut (cf. Gallina 1959, 87–91; Rossebastiano Bart 1975, 63–85; Bray 1988, 316 und 340, Anh. 6.3). Zweisprachig italienisch-deutsche Werke sind erst ab dem 17. Jahrhundert wieder nachweisbar. Als «erste[s] alphabetische[s] Wörterbuch moderner Prägung, das die italienische und deutsche Sprache in beide Richtungen verbindet» (Bruna/Bray/Hausmann 1991, 3013), erscheint 1605 das Dictionarium TeutschItaliänisch und Italiänisch-Teutsch³³ von Levinus Hulsius. Der Flame, eigentlich Lievin Hulst (cf. Bruna 1983, 6), war als Glaubensflüchtling nach Nürnberg gekommen und von dort später nach Frankfurt übersiedelt, wo auch das Wörterbuch in Druck ging. Bereits 1596 hatte er ein deutsch-französisches Wörterbuchvon Christian Schwan veröffentlicht (cf. Behrens 1910, 318–325; Merkel 1980; Hausmann 1984). Mit dem Dictionarium schließt sich eine Lücke, nachdem im Zuge der Renaissance auch in Deutschland ein großes Interesse an Italien und der italienischen Sprache erwachsen war (cf. Tancke 1984, 83–84) und zuvor für das Italienische nur zweisprachige Wörterbücher mit Französisch bzw. Latein zur Verfügung standen.
32 Zu den unterschiedlichen Sprachkombinationen und Ausgaben cf. zur Übersicht Tancke (1984, 19–20), sowie die Aufstellung bei Gallina (1959, 38–42); Bray (1988, 315–316 und 338), Anh. 6.1 sowie die Bibliographie von Claes (1977). 33 Eine Edition des Wörterbuchs auf Mikrofiche, versehen mit einer Einleitung, hat Bray (1992) vorgelegt.
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Tancke findet Anhaltspunkte dafür, dass Hulsius’ Wörterbuch an die Tradition des mehrsprachigen Calepino anknüpft und sich der Autor zudem vermutlich an den italienisch-französischen Wörterbüchern von Pierre Canal und Jean Antoine Fenice sowie dem italienisch-lateinischen Wörterbuch von Filippo Venuti orientiert. Dennoch ist sein Wörterbuch ein originelles eigenständiges Werk.³⁴ Betrachtet man den Umfang, so ist der italienisch-deutsche Teil mit 322 Seiten wesentlich stärker als der deutsch-italienische mit 165 Seiten. Beide Teile wurden unabhängig voneinander verfasst, wie wiederum Tancke nachweist (cf. Tancke 1984, 85). Der deutsch-italienische Teil orientiert sich eindeutig an Hulsius’ deutsch-französischem Wörterbuch von Christian Schwan, neu ist die erstmals vollständig verwirklichte alphabetische Anordnung der Lemmata (cf. Bruna/ Bray/Hausmann 1991, 3013–3014). Eine weitere Neuerung stellt die Konzentration auf die Darstellung des Wortschatzes dar. Die in früheren Werken stets stark präsente Grammatik wird auf ein Minimum reduziert. Des Weiteren wird, im italienisch-deutschen Teil, der Phraseologie weiterer Raum zugestanden (cf. Bray 1987, 200), und über eine Gegenüberstellung von Übersetzungsäquivalenten hinaus stellt Hulsius dem Benutzer kurze Erklärungen zu den Lemmata bzw. mehrere Äquivalente zur Verfügung. Dem Dictionarium von Hulsius kommt die Bedeutung zu, das erste und für seine Zeit umfassendste Wörterbuch für das Sprachenpaar Deutsch und Italienisch zu sein. Innerhalb kurzer Zeit entstehen mehrere im Umfang erweiterte Ausgaben.³⁵ Zudem bildet es den Ausgangspunkt für eine Serie von mehrsprachigen Wörterbüchern. 1616 veröffentlicht Francesco Martino Ravelli, ein in Heidelberg tätiger Sprachmeister aus Mailand, auf Grundlage des deutsch-italienischen sowie des deutsch-französischen Wörterbuchs von Christian Schwan eine dreisprachige deutsch-französisch-italienische Ausgabe.³⁶ Später folgt unter Hinzufügung von Latein eine viersprachige (cf. zu deren Auflagen Bray 1987, 202; Tancke 1984, 86; Eméry 1949, 81). Das bereits bei Hulsius-Ravelli gesehene Schema eines dreisprachigen deutsch-französisch-italienischen Wörterbuchs findet sich im Nuovo et ampio dittionario di tre lingue des Franzosen Antoine Oudin (1595–1653) wieder, das 1674
34 Zu den Quellen von Hulsius cf. auch Bray (1988, 319–320). 35 Für eine genaue Aufstellung der Auflagen und ihres Umfangs cf. Bray (1987, 201 und 1988, 320–321). 36 Während Ravelli nach Bruna/Bray/Hausmann «die beiden Hulsianischen Wörterbücher in ein dreisprachiges zusammengegossen und erweitert» hat (1991, 3014), unterstreicht Bray, «le trilingue n’est pas une véritable fusion des deux ouvrages: il s’agit plutôt d’une augmentation du bilingue français-allemand. […] Il ne nous a pas été possible de localiser les sources de la nomenclature italienne de 1616» (Bray 1987, 202).
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in Frankfurt gedruckt wird. Es enthält einen italienisch-französisch-deutschen, einen französisch-italienisch-deutschen sowie einen deutsch-französisch-italienischen Teil. Ersterer ist mit 1005 Seiten am umfangreichsten und enthält einen Anhang zur italienischen Grammatik in deutscher und französischer Sprache (cf. Eméry 1951, 38). Wie die Titelerweiterung, «Composto prima in quelle due lingue da Antonio Udino […] ed aumentato adesso nuovamente della terza», anzeigt, gründet das Werk auf dem zweisprachig französisch-italienischen Wörterbuch von Oudin, den 1640 in Paris erschienenen Recherches italiennes et françoises.³⁷ Als direkte Nachfolger sind als Autoren französisch-italienischer Wörterbücher vor allem Giovanni Veneroni, eigentlich Jean Vigneron (1642–1708), mit seinem Dictionnaire italien et françois von 1681 zu nennen, zudem auch Annibale Antonini, der ein in erster Linie am Wörterbuch der Crusca angelehntes Wörterbuch verfasst, sich aber trotz gegenteiliger Angaben im Vorwort auch an Veneroni orientiert (cf. Pfister 1988, 49–50 und 1989, 81–82). Beide spielen auch für die Lexikographie mit Italienisch und Deutsch eine wichtige Rolle. Mit Veneronis Namen ist das viersprachige Dittionario imperiale verbunden, das erstmals 1700 in Frankfurt gedruckt wird und unter Hinzunahme des Lateinischen und auf der Basis des zweisprachigen Wörterbuchs von Veneroni die Linie des dreisprachigen Oudin weiterführt. «In diesem Wörterbuch ging es in erster Linie darum, das Italienische, und in geringerem Maße das Französische, auf Französisch, Italienisch, Deutsch und Latein zu erklären. Der deutsche und der lateinische Teil haben vornehmlich Indexcharakter. Das Buch beweist
37 Das Werk erlebte bis 1674 mindestens sieben Neuauflagen, cf. dazu Bingen (1987, 79–84; 184–193). Für die französisch-italienische Lexikographie des 17. Jahrhunderts stellt Oudin, der u. a. Ludwig XIV. Italienischunterricht erteilt und neben Wörterbüchern auch eine Sammlung von Dialogen in vier Sprachen verfasst hat, eine herausragende Figur dar, an dem sich in der Folge weitere Lexikographen orientieren, darunter einige, die auch das Deutsche mit einbeziehen. Daher lohnt sich eine genauere Betrachtung der Grundlagen Oudins, wie sie Pfister (1989) vorgenommen hat. Die wichtigste Quelle für das Italienische ist vor allem das italienisch-englische Wörterbuch von Florio, Queen Anna’s new World of words, or dictionarie of the Italien and English tongues, in seiner Ausgabe von London 1611, wie Oudin selbst in seinem Vorwort angibt und wie Pfister anhand einiger Fehler sowie auffälliger regionaler Formen, die Oudin aus dem Werk Florios übernommen hat, nachweist. Zu nennen sind außerdem das 1612 erschienene Vocabolario degli Accademici della Crusca, «qui est le meilleur de tous» (Oudin 1640, Vorwort Advertissement aux amateurs de la langue Italienne) sowie Politis Dittionario toscano in der Ausgabe von 1614. Außerdem konnte Oudin sich für bestimmte toskanische Formen wohl auf mündliche Quellen stützen. Einige auffällige Formen lassen sich bei späteren Autoren wiederfinden, die sich auf Oudin stützen (cf. Pfister 1989, 83–89).
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durch das ganze 18. Jh. hindurch die nach wie vor starke Stellung des Latein als internationaler Wissenschaftssprache». (Bruna/Bray/Hausmann 1991, 3014)
Das Dittionario imperiale wurde bis 1804 viermal aufgelegt. Der Name Antonini bekommt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch für die Lexikographie in Deutschland Bedeutung. Die Nachfrage nach neueren Wörterbüchern ist dort zu dieser Zeit so hoch, dass 1760 in Leipzig sein italienisch-französisches Wörterbuch von 1735 aufgelegt wird, das keinerlei Angaben auf Deutsch enthält. Das Compendio del Vocabolario della Crusca benutzt eine gekürzte Fassung der vierten Crusca-Ausgabe als Grundlage und fügt darin lediglich französische Übersetzungsäquivalente der Lemmata zu. Um einem deutschen Publikum gerechter zu werden, nimmt Johann August Lehninger, Sekretär der Kursächsischen Staatskanzlei, 1763 eine Übersetzung vor. Sein Dizzionario italiano-tedesco, tedesco-italiano, das bis 1802 unter dem Namen Antoninis sechs Auflagen erlebt, beschränkt sich nicht auf deutsche Äquivalente der Lemmata, sondern stellt auch den Definitionen der Crusca eine deutsche Übersetzung gegenüber (cf. Hausmann 1987a, 212–213). Folgt man wieder einem chronologischen Abfolge der lexikographischen Produktion, so erreicht diese nach den in Vergessenheit geratenen deutschitalienischen Wörterbüchern von Messerschmid (1625) und Güntzel (1648)³⁸ in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts einen Höhepunkt mit den Werken von Matthias Kramer. Der in Köln geborene Kramer, wie so viele Sprachlehrer und Lexikographen ein Glaubensflüchtling, verfügte über enorme Sprachkenntnisse. Ab 1670 war er in Nürnberg als Sprachmeister für Italienisch, Französisch, Spanisch, Niederländisch sowie weitere westliche und auch exotische Sprachen tätig, später als Hoflehrer in Regensburg. Seine breiten Kenntnisse haben in zahlreichen
38 Zu diesen beiden Wörterbüchern cf. Bray (1988, 330–333). Das Vocabularium, das ist Wörterbuch Teutsch-Italienisch des aus Straßburg nach Wimpfen und Heilbronn geflohenen Messerschmid ist sehr selten. Es gilt: «continue la tradition des ouvrages bilingues du sizième siècle: le traitement lexicographique auquel il soumet les unités lexicales qu’il enregistre reste rudimentaire. L’entrée allemande n’y est exclusivement suivie que d’un (ou plusieurs) équivalent(s) italien(s): aucune donnée grammaticale, aucune marque d’usage, aucun exemple d’emploi ne complète l’article» (Bray 1988, 331). Bray hat das Wörterbuch 1996 neu ediert. Auch beim Haubtschlüssel der Teutschen und Italiänischen Sprache des Nürnberger Autors Johann Güntzel von 1648 handelt es sich um ein äußerst seltenes Werk. Eméry verweist auf ein Exemplar im British Museum (1949, 82), Bray sieht eines der Universitätsbibliothek Erlangen ein. Güntzel steht in der Tradition der puristischen Sprachgesellschaften. Das Wörterbuchmaterial ist nach Stammwörtern angeordnet (cf. Bray 1988, 332–333).
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Sprachlehren und Wörterbüchern verschiedener Sprachen Eingang gefunden.³⁹ Viele seiner Arbeiten, die eine eher praktische Ausrichtung aufweisen, waren große Publikumserfolge (cf. Haß-Zumkehr 2001, 82–83). Dies gilt jedoch nicht für seine umfangreichen deutsch-italienischen Wörterbücher. Grundlage für deren Erstellung bilden die Stammwortlehre von Justus Georg Schottel sowie die Arbeiten des Sprachdidaktikers Johann Joachim Becher, auf die Kramer in seiner anspruchsvollen Methodendiskussion in den Vorworten Bezug nimmt (cf. auch Bray 1988, 325–326). Dort diskutiert er neben dem Problem der Vollständigkeit in einem Wörterbuch auch die Schwierigkeit des Nachschlagens bei der Anordnung nach Stammwörtern sowie die Notwendigkeit von Hinweisen zum Gebrauch der lexikalischen Einheiten. Auf diesen Überlegungen gründet sich die Theorie seiner eigenen Wörterbücher. Er unterscheidet verschiedene Arten lexikographischer Arbeiten, nämlich das Dictionarium, das den Wortschatz strikt alphabetisch präsentiert und somit besonders bei der Lektüre ein schnelles Auffinden der gesuchten Einheit ermöglicht, und das Lexicon, in dem nur die Stammwörter alphabetisch geordnet sind und das den Benutzer zur eigenständigen Produktion führen und Synonymik und Phraseologie umfassen sollte (cf. Bray 1987, 202–203). In Kramers zweisprachigem Werk zu Deutsch und Italienisch findet diese Unterscheidung in folgender Weise Umsetzung: 1676 veröffentlicht er den italienischdeutschen Teil des Neuen Dictionarium oder Wort-Buch, das trotz des irreführenden Titels nach Art eines Lexicons aufgebaut ist, und das reiches phraseologisches Material enthält. 1678 folgt der deutsch-italienische Teil nach Art eines Dictionarium, sehr viel beschränkter im Umfang, «eine Art striktalphabetischer Index zum italienisch-deutschen Gegenstück» (Bruna/Bray/Hausmann 1991, 3014). 1693 erscheint ein stark erweiterter italienisch-deutscher Teil, der mit 3858 Spalten den ersten Teil des Neuausgefertigten herrlich-grossen Italiänisch-Teutschen Sprach- und Wörterbuchs bildet. 1700/1702 wird dann in zwei Bänden mit insgesamt 7446 Spalten der deutsch-italienische Teil gedruckt, Das herrlich Große Teutsch-italiänische Dictionarium (cf. Bruna/Bray/Hausmann 1991, 3014). Er stellt mit seinem phraseologischen Reichtum nicht nur für die Geschichte der zweisprachigen Lexikographie einen Meilenstein dar, sondern ist für lange Zeit vor einsprachigen Wörterbüchern die umfangreichste Beschreibung des deutschen Wortschatzes.⁴⁰
39 Für einen biographischen Abriss zu Kramer cf. Bray (2000, 17–57) und Ising (2 2001, 97–100), für eine Zusammenstellung seiner lexikographischen und sprachdidaktischen Werke Ising (2 2001, 104–105). 40 Cf. Ising (2 2001, 100). Zu Kramers Bedeutung für die Erfassung der deutschen Sprache und im Vergleich mit dem Zeitgenossen Kaspar Stieler cf. ausführlicher Ising (1956).
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Trotz des großen Umfangs nimmt Kramer eine sehr bewusste Auswahl des Wortschatzes vor. Gegen den von Stieler in seinem Wörterbuch Der Teutschen Sprache Stammbaum und Fortwachs von 1691 verfolgten Ansatz, der einen gehobenen Wortschatz bevorzugt und in größerem Umfang poetische Ausdrücke und auch nicht-usuelle Wortverbindungen aufnimmt, konzentriert sich Kramer auf aktuellen Wortschatz, der den praktischen Bedürfnissen des öffentlichen Lebens gerecht wird, der z. B. den Bereich des Handels und auch Alltagssprache mit einbezieht. Innovativ ist die Aufnahme von als Redearten bezeichneten Satzbeispielen, durch die veranschaulicht wird, in welchen semantisch-paradigmatischen bzw. syntaktischen Relationen ein Wort zu benutzen ist. Die einzelnen Wörterbuchartikel sind nach semasiologischen Kriterien gegliedert, bei der Erläuterung verschiedener Bedeutungen wird von der konkreten zur übertragenen fortgeschritten (cf. Haß-Zumkehr 2001, 84–85; Kühn/Püschel 1990, 2053). Kramers Werke waren aufgrund ihres wissenschaftlichen Anspruchs und vor allem ihres großen Umfangs und des damit verbundenen hohen Preises für ein breites Publikum kaum zugänglich.⁴¹ Weite Verbreitung fand dagegen die Fontana della Crusca von Nicolò Castelli, «eine Art in das strikte Alphabet gebrachte[r] Auszug aus Kramer» (Bruna/Bray/Hausmann 1991, 3014). Castelli, eigentlich Biaggio Anguselli, ist einer der am meisten beachteten Autoren und Sprachmeister. Benedetto Croce widmet ihm 1931 einen Aufsatz, Eméry 1951 spricht über ihn als «curiosa figura di questo frate avventuriero» (1951, 37). Castelli war 1680 nach Deutschland gekommen, wo er später als Sprachmeister, dann als Professor in Halle und Jena arbeitete. Für sein deutsch-italienisches Wörterbuch, das 1700 in Leipzig gedruckt wurde, schöpft Castelli neben Kramer auch aus Oudin und Veneroni (cf. Hausmann 1987a, 210). Die Fontana della Crusca erfuhr bis 1771 acht Neuauflagen. Darüber hinaus war Castelli an der Veröffentlichung von vier weiteren Wörterbüchern beteiligt. 1710 publizierte er unter seinem wirklichen Namen Anguselli in Venedig die Reggia di Mercurio, ein vierbändiges Werk mit einem italienischdeutschen, einem italienisch-französischen, einem italienisch-spanischen sowie einem lateinisch-italienischen Teil, der als Index dient (cf. Eméry 1951, 38). 1713 folgte mit dem Neuen Dictionarium ein auf Veneroni basierendes dreisprachiges Taschenwörterbuch, 1714 gab Castelli das viersprachige Wörterbuch Veneronis neu heraus. 1718 schließlich stellte er Il nuovo dizionario de’ viaggianti italianotedesco e tedesco-italiano fertig. Dessen Autor Adam Friedrich Kirsch, der sich
41 So schreibt ein Zeitgenosse, der Leipziger Sprachmeister Mühlmann, Kramers Wörterbuch sei «so wohl wegen des hohen Preiszes als der Grösse ausser der Bequemlichkeit des Gebrauchs gesetzet» (zitiert nach Ising 2 2001, 99).
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seinerseits auf das einsprachig italienische Memoriale della Lingua von Pergamini stützt, war vor Fertigstellung des Werks verstorben (cf. Eméry 1951, 38–39; Hausmann 1987a, 210). In die Wirkungszeit Castellis fällt auch die Tätigkeit von Matthias Erberg, der an der ersten Ausgabe der Fontana della Crusca mitgearbeitet hatte. Der als Sprachlehrer in Nürnberg tätige Erberg hatte bereits eine deutsch-italienische Grammatik sowie verschiedene Arbeiten zur Handelssprache veröffentlicht, als 1710 sein Hauptwerk erschien. Das ökonomisch wenig erfolgreiche Gran Dizzionario universale e perfetto umfasst in drei Bänden die Sprachen Italienisch, Französisch und Deutsch. Während die Bände mit den Ausgangssprachen Italienisch und Französisch über 1200 Seiten stark sind, kommt der deutschfranzösisch-italienische Band auf knapp 1000 Seiten. Erberg verarbeitet Material von Kramer und Castelli. Innovativ sind seine umfangreiche Hinzunahme von Wortschatz und Phraseologie aus dem Handelswesen sowie die Integration von Sprichwörtern (cf. Eméry 1951, 36; Bruna/Bray/Hausmann 1991, 3014; Hausmann 1987a, 211). Ein Jahr später, 1711, veröffentlicht in Leipzig Johann Rädlein ebenfalls ein dreisprachiges Wörterbuch. Für den Europäischen Sprachschatz dient das Material aus Kramer und Castelli als Grundlage. Anders als seine direkten Vorgänger, die er im Vorwort kritisiert, legt Rädlein größeres Gewicht auf das Deutsche und setzt sich besonders mit der gesprochenen Sprache seiner Zeit auseinander. Wie das lange Vorwort weiter ankündigt, hatte Rädlein ein nie veröffentlichtes einsprachiges deutsches Universalwörterbuch geplant, für das er umfangreiches Material zusammengestellt hatte, das im deutsch-italienisch-französischen Sprachschatz verarbeitet wird (cf. Hausmann 1987a, 212; Bruna/Bray/Hausmann 1991, 3014). Ein weiteres, jedoch zweisprachig italienisch-deutsches Wörterbuch des frühen 18. Jahrhunderts blieb nach dem Tod seines Autors, des aus Antwerpen stammenden und in Altdorf tätigen Sprachmeisters Franz Jocob Leys 1732 unveröffentlicht. Laurent Bray hat das fast 6000 Seiten starke Manuskript 1992 ediert und mit einer Einleitung versehen (cf. Leys 1732/1992). Mit der Bedeutung des Italienischen als internationaler Verkehrssprache, als Sprache bei Hofe und mit dem großen Ansehen, das die italienische Literatur, Musik und Kunst in Europa genießen, steigt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Deutschland die Nachfrage nach italienischen Wörterbüchern. Neben der bereits erwähnten deutschen Adaption von Antonini dient weiterhin «der alte Castelli» (Bruna/Bray/Hausmann 1991, 3015) als Rückgriff, sei es in Form von Neuauflagen, sei es als Orientierung für neue Werke. 1764 veröffentlicht Wolfgang Jäger in Nürnberg postum das Vollständige italienisch-deutsche und deutsch-italienische Wörterbuch des an der Universität Er-
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langen tätigen Lektors Clemente Romani, eines weiteren italienischen Glaubensflüchtlings. Das kompakte Wörterbuch lehnt sich eng an Castelli an und erscheint bis 1820 in drei Auflagen (cf. Hausmann 1987a, 213). 1782 erstellt der Leipziger Lektor Philipp Jacob Flathe mit dem Nuovo dizionario italiano-tedesco e tedesco-italiano eine völlige Neubearbeitung Castellis. In diese integriert er Material aus dem Wörterbuch der Crusca sowie aus dem Dizionario francese-italiano e italiano-francese von D’Alberti, womit er sich der scharfen Kritik Valentinis aussetzt. Für diesen stellt das Nuovo dizionario in erster Linie eine Übersetzung D’Albertis dar: «Von dem Sammelwerk Flathe’s wissen wir (wenn Wahrheit und eigene Ueberzeugung hier ausgesprochen werden dürfen) weiter nichts zu sagen, als daß es eine bloße Uebersetzung des französisch-italienischen Wörterbuchs vom Abate Alberti ist; daher diese dichte Menge von Gallicismen, daher diese Gewalt, womit beide Sprachen fortwährend in französische Ausdrücke und Wendungen gezwängt werden». (Vollst. Wb., vol. 1, LXXV)
Neben der großen Ausgabe von 1782 erscheint Flathes Wörterbuch 1785 auch als Dizionario manuale. Nur ein Jahr später publiziert mit Schwickert ein weiterer Leipziger Verleger ein italienisch-deutsches, an der Crusca und D’Alberti ausgerichtetes Wörterbuch, bearbeitet von Karl Heinrich Reich. Für den 1789 folgenden deutsch-italienischen Teil dient hier erstmals Adelung als Grundlage. In diesen Werken der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts manifestieren sich zwei wichtige Tendenzen, nämlich diejenige, Elemente der Umgangssprache sowie von Technolekten mit einzubeziehen, wie der Rückgriff auf Francesco D’Alberti di Villanuova, den Vertreter einer neuen Art von Lexikographie in Italien, zeigt, sowie die, sich auch für das Deutsche auf die Autorität einer herausragenden Figur der einsprachigen Lexikographie, Johann Christoph Adelung, zu stützen. Dieser wird auch zur Basis für das wohl wichtigste zweisprachige Wörterbuch des ausgehenden 18. Jahrhunderts, das Dizionario italiano-tedesco e tedesco italiano von Christian Joseph Jagemann (1735–1804).⁴² Es erfuhr zahlreiche Neuauflagen und eine große Wertschätzung. Bruna/Bray/Hausmann stufen Jagemann als den «eigentliche[n] Nachfolger von Castelli» (1991, 3015) ein. Sein Wörterbuch bildet zusammen mit der Sprachlehre (1792) und den Editionen italienischer Literatur ein komplettes Bildungsprogramm, dessen Ziel es in erster Linie ist, dem deutschen Publikum die Lektüre der italienischen Klassiker im Original zu erlauben (cf. Glaser 2006, 148). Nach seinem Erscheinen 1790 wird Jagemanns Wörter-
42 Für eine ausführlichere Analyse des Jagemannschen Wörterbuchs verweise ich mit Glaser (2008) auf die unveröffentlichte Abschlussarbeit von Olivieri (1997). Kürzere Darstellungen bieten Albrecht (2006, 19–24) und Glaser (2008, 41–43).
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buch 1799 in neuer, etymologischer Anordnung herausgegeben. Weitere Auflagen in alphabetischer Ordnung folgen 1803 sowie postum 1816 und 1838 in Wien (cf. Bruna 1983, 13–14). Auch Valentini teilt die große Anerkennung für das Werk: «Zu den besten Wörterbüchern für beide Sprachen gehört dasjenige, welches in den letzten Jahren des verflossenen Jahrhunderts Christian Joseph Jagemann herausgab. Es genießt in Deutschland wie in Italien ein wohlverdientes und wohlbegründetes Ansehn». (Vollst. Wb., vol. 1, LXXV)
Wie Jagemann selbst im Vorwort angibt, folgt sein Wörterbuch weitestgehend dem Vocabolario der Crusca, so wie Jagemann überhaupt uneingeschränkt der toskanischen Position nach Bembos Auslegung in der Questione della Lingua anhängt (cf. Albrecht 2006, 18). Benutzt wurde «die siebente und neueste Auflage desselben, welche im Jahre 1763 bei Francesco Pitteri zu Venedig in fünf Quartbänden erschien und unter allen bisherigen Auflagen die vollständigste ist» (Jagemann 2 1803, I). Um der neuen Zeit gerecht zu werden, so führt Jagemann weiter aus, sei aber auch die Aufnahme technischer und naturwissenschaftlicher Benennungen nötig. Für diese greift er auf das französisch-italienische Wörterbuch von D’Alberti di Villanuova zurück. Außerdem stehen ihm aus seiner Zeit in Italien eigene Sammlungen zur Verfügung, die Wortschatz aus dem Alltagsleben, aber auch aus verschiedenen Fachbereichen umfassen. Für Fachterminologie hat Jagemann zudem neuere Autoren, u. a. aus den Bereichen Physik, Anatomie, Ackerbau, Handel, Seewesen und Mineralogie exzerpiert (cf. Jagemann 2 1803, II–III). Für den deutsch-italienischen Teil dient Jagemann das Wörterbuch Adelungs als Grundlage, von dem er auch viel Phraseologie übernimmt und ins «echt Toskanische» (Jagemann 2 1803, IV) übersetzt. Eine wichtige Basis für Jagemann stellt Flathe dar: Dessen Wörterbuch bietet Orientierung, zusätzlich hilft Flathe bei der Korrektur von Jagemanns Dizionario mit. Dieses richtet sich sowohl an Deutsche als auch an Italiener. Jeder der beiden Gruppen ist ein eigenes Vorwort gewidmet. So wendet sich Jagemann auf Deutsch an die deutschen «Liebhaber der italienischen Sprache und Litteratur» (Jagemann 2 1803, I) und auf Italienisch an die Leserschaft in Italien, «desiderosissima di conoscere l’opere più cospicue delle [sic!] Letteratura tedesca». Entsprechend enthält das Wörterbuch grammatische Informationen für beide Zielgruppen. Sowohl zu italienischen als auch zu deutschen Verben auf Lemmaebene werden irreguläre Formen angegeben, der italienische Nutzer findet außerdem Genus- und Pluralangabe zu deutschen Nomen. Unterschiedliche Wortbedeutungen sind weitgehend nach logisch-semantischen Gesichtspunkten angeordnet (cf. Jagemann 2 1803, IV; cf. auch Albrecht 2006, 21). Weniger konsequent ist die Anordnung von Phraseologie. Während
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Hinweise zur Paradigmatik nur ansatzweise vorhanden sind, fehlen solche zur Syntagmatik völlig. Hinweise zur diasystematischen Zugehörigkeit einer lexikalischen Einheit werden nur rudimentär gegeben. So finden sich z. B. s. v. cavolo, stimare uno come il cavolo a merenda als «niedrige Redensart» und portare il cavolo a Legnaja als «Florentinismus» indiziert (cf. Albrecht 2006, 22). Aufgrund des bereits beleuchteten Kulturgefälles (cf. Kapitel 2) und der damit verbundenen Tatsache, dass vorwiegend in Deutschland Italienisch und weniger in Italien Deutsch gelernt wird, ist es nicht verwunderlich, dass mit Ausnahme der frühen Sprachbücher sowie Anguselli 1710 alle Wörterbücher in Deutschland erscheinen. Dies ändert sich mit der Jahrhundertwende, auch wenn in Italien «im 19. Jh. über lange Strecken nur schmalbrüstige Werke» (Bruna/Bray/Hausmann 1991, 3016) entstehen. Die italienische Tradition beginnt mit Bartolommeo Borronis ab 1793 in Mailand gedrucktem und 1806 in Venedig neu aufgelegtem Nuovo vocabolario italiano-tedesco e tedesco-italiano ad uso de’principianti. Vom selben Autor war 1788 bereits eine deutsche Grammatik «ad uso degli italiani» erschienen. Borronis Wörterbuch ist eng an Castelli und Flathe angelehnt, in der zweiten Auflage nimmt es außerdem Integrationen aus Jagemann vor. Eine höchst bedeutsame Neuerung, die die Ausrichtung auf ein italienisches Publikum dokumentiert, ist die Angabe von Artikel sowie Genitiv- und Pluralendung deutscher Substantive, die Kennzeichnung deutscher Verben als regelmäßig oder unregelmäßig sowie die Zufügung einer Liste deutscher Präpositionen (cf. Bruna 1983, 54–55). Obgleich in Augsburg erschienen, richtet sich auch das Nuovissimo dizionario italiano-tedesco von Johann Joachim Heucke von 1806 vorwiegend an ein italienisches Zielpublikum, wie der Titelzusatz, «um vorzüglich den italiänischen Liebhabern der deutschen Sprache die Erlernung derselben zu erleichtern», und die im Vorwort ausgedrückte Sensibilität für die besonderen Schwierigkeiten, mit denen sich italienische Muttersprachler beim Deutschlernen konfrontiert sehen, verrät. Das 1818 in Wien erneut aufgelegte Wörterbuch beruft sich auf die Crusca und D’Alberti, außerdem auf Flathe und Jagemann sowie auf das Adelungsche Wörterbuch als Grundlagen (cf. Bruna 1983, 135–136). Mit dem Namen Adelungs steht auch der Verfasser eines weiteren zweisprachigen Wörterbuchs, des Nuovo dizionario manuale italiano-tedesco e tedescoitaliano von 1820 in Verbindung. Karl Benjamin Schade, der zudem ein deutschfranzösisches Wörterbuchvon Christian Schwan sowie eine auch ins Englische und Französische übersetzte deutsche Grammatik verfasst hat, bearbeitet 1824 dessen Kleines deutsches Wörterbuch neu.
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Einen wichtigen Absatzmarkt für deutsch-italienische Wörterbücher stellt nach der Restauration das Kaisertum Österreich dar.⁴³ Für die Verwaltung des neugegründeten Königreichs Lombardo-Venetien sind Italienischkenntnisse auf der einen und Deutschkenntnisse auf der anderen Seite und die Verfügbarkeit von administrativer Terminologie unabdingbar. Aus diesem Bedürfnis heraus wird das Jagemannsche Wörterbuch hier 1816 und 1838 in Überarbeitungen von Vogtberg und Kappherr bzw. Bolza wieder aufgelegt,⁴⁴ es entsteht die zweite Auflage von Heucke 1818 in Wien und Triest, und in diesem Traditionsstrang steht auch Domenico Antonio Filippi, auf den bereits als Autor von Italienischlehrwerken für Muttersprachler des Deutschen, die sehr erfolgreich waren (cf. Kapitel 2.1), und auch von Deutschlehrwerken für Italiener eingegangen wurde. Sein 1817 in Wien und Leipzig erschienenes Dizionario italiano-tedesco e tedescoitaliano erntet in der Einleitung zum Gran Dizionario die Kritik Valentinis: «Ein anderes [Wörterbuch], das unter dem Namen Filippi’s 1817 zu Wien herausgekommen ist, nennt man am füglichsten eine neue Auflage des Jagemannschen Werkes, nur daß es ein wenig, und zwar schlecht, verändert und um einige Worte reicher ist».⁴⁵ Wie ein Abgleich zeigt, liegen tatsächlich einige Übereinstimmungen mit Jagemann vor, jedoch mit deutlichen Erweiterungen, insbesondere um wissenschaftliche Fachterminologie sowie um Termini aus den Bereichen der Seefahrt und des Handels (cf. hierzu auch das Vorwort, Filippi 1817, vol. 2, V). Deren Aufnahme stellte im Kontext der Habsburgermonarchie ein besonderes Bedürfnis bezüglich der Verwaltung der norditalienischen Häfen, allen voran Triest, dar. Eine bedeutende Abweichung Filippis zu Jagemann liegt zudem in der Angabe von Genitiv- und Pluralendung der deutschen Substantive sowie der Einordnung unregelmäßiger Formen deutscher Verben ins Lemmarium (cf. auch Kap. 7.5.3) und der Überarbeitung der italienischen Übersetzungsäquivalente (cf. Filippi 1817, vol. 2, IV und VI). Wie die Werke zum Italienischunterricht ist auch Filippis Wörterbuch vor allem an den praktischen Bedürfnissen des vor-
43 Zur Situation des Italienischen in Österreich in der Restaurationszeit und im Neoabsolutismus cf. Boaglio (2012, 98–106). 44 Bolza schreibt 1837 im Vorwort, das Bedürfnis sei «doppelt fühlbar geworden, besonders in dem österreichischen Kaiserthume, rücksichtlich des lombardisch-venetianischen Königreiches» (Jagemann 1837, vol. 1, III). Bolzas eigener Beitrag zur deutsch-italienischen Lexikographie in diesem Kontext erfolgt zeitlich nach der Aktivität Valentinis, cf. dazu Boaglio (2014, 32–36). 45 Gegenüber Filippi abmildernd fügt Valentini in einer Fußnote hinzu: «Ich muß hier noch bemerken, daß ich aus guten Gründen glaube, das Ganze sei nur eine Buchhändlerspeculation gewesen (leider entstehen nur zu viele Wörterbücher auf diesem Wege); war dies der Fall, so könnte es mich gereuen, daß mich in der Ankündigung meines Werkes der Verdruß verleitet hat, den Namen meines Landsmannes bloßzustellen; um so mehr als er nicht mehr lebt und sich vertheidigen kann» (Vollst. Wb., vol. 1, XXV).
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gesehenen Benutzerkreises ausgerichtet. Grundlage bieten Cesaris Ausgabe des Crusca-Wörterbuchs sowie «die letzte sehr vermehrte Remondini’sche Auflage des großen Wörterbuchs von Alberti» (Filippi 1817, vol. 2, IV), doch Filippi «fügte jedem Worte, wo es nöthig schien, andere gleichbedeutende hinzu, wobei durch sichere Merkmale das Veraltete von dem Gangbaren, das Rednerisch-Erhabene und Dichterische von dem in der jetzigen Sprache des Umgangs Gewöhnlichen unterschieden sind». In Bruna/Bray/Hausmann (1991) wird Filippis Wörterbuch gar nicht erwähnt, Bruna (1983) verzeichnet es zwar in ihrer Bibliographie (cf. 1983, 107), widmet ihm aber ebenfalls keine weiteren Kommentare. Eine Darstellung bieten Bastiaensen (2001) und Boaglio (2014, 29). Es wäre einer genaueren Analyse wert, ist es doch in Italien weit verbreitet und nehmen doch folgende Lexikographen Bezug darauf, nicht zuletzt Valentini, der Filippi zwar kritisiert, sein Wörterbuch jedoch, zumindest auf Lemmaebene, eindeutig als wichtigste zweisprachige Ausgangsbasis für das eigene Gran Dizionario heranzieht und sich auch in metalexikographischen Reflexionen mit Filippis Werk auseinandersetzt (cf. Kap. 8.2.1). Abschließend sei aus der österreichischen Tradition noch ein für die deutschitalienische Lexikographie wohl einzigartiges Werk erwähnt, das im gleichen Jahr wie der erste Band von Valentinis großem Wörterbuch, 1831, erscheint und wie dieses auf einen Missstand in der italienischen Lexikographie aufmerksam macht, der sich auch auf die Produktion zweisprachiger Wörterbücher auswirkt: der Supplimento ad ogni dizionario Italiano-Tedesco e Tedesco-Italiano, che comprende tutte le voci ed espressioni neologiche, tecniche, curiali, mercantili e marittime, infine più parole e termini provinciali oggidì frequentemente in uso, i quali non sono nei vocabolarj italiani. Supplement-Band zu jedem italienischdeutschen und deutsch-italienischen Wörterbuch, […], aufgenommen in Brunas Bibliographie (cf. 1983, 359). Der Autor ist Johann Vogtberg, der 1816 an der ersten Wiener Ausgabe des Jagemannschen Wörterbuchs mitgewirkt hatte. In seiner auf dem Titelblatt angegebenen Funktion als «Hofkriegsbuchhaltungs-MarineDepartements Rechnungsrath» und «Professor an der Wiener Hochschule» hatte er die Erfahrung gemacht, dass Termini aus dem Bereich der Verwaltung, der Rechtsprechung, des Handels sowie der Seefahrt, unabdingbar im Kontakt mit den italienischen Kronländern, in den bestehenden allgemeinsprachlichen Wörterbüchern fehlten. In drei Abteilungen stellt er «für den Beamten und für jeden Geschäftsmann überhaupt, dann für den Rechtsgelehrten, den Wechsler, und den Kaufmann insbesondere» (Vogtberg 1831, III) im Supplement entsprechende Terminologie mit ihren deutschen Äquivalenten und ggf. Erklärungen sowie «venetianische und sonstige Provincialismen, die nicht selten im Sprechen als auch im Schreiben anstatt der toskanischen Wörter gebraucht werden», zusammen. Zwei weitere Abteilungen sind der Lesrichtung deutsch-italienisch gewidmet. Als
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Grundlagen nennt Vogtberg im Vorwort «mir während meiner in italienischen Departements geleisteten, fünfzehnjährigen Dienstzeit vorgekommene» (Vogtberg 1831, IV) Gebrauchstexte wie Verordnungen und Dekrete, Kostenüberschläge, Gesetzestexte und Ausrüstungstabellen sowie einige Fachwörterbücher. Insgesamt wird das 19. Jahrhundert von einer großen Zahl von Hand- und Taschenwörterbüchern dominiert. Für den Zeitraum kurz vor der Jahrhundertwende bis zur Aktivität Valentinis sind in Bruna (1983) zunächst einige ohne Autorenangabe erschienene, jeweils zweibändige Taschenwörterbücher aufgeführt: Ein Nuovo dizionario da tasca italiano-tedesco e tedesco-italiano mit 403 Seiten für den italienisch-deutschen und 311 Seiten für den deutsch-italienischen Teil erscheint 1793–1794 in Stuttgart, ein weiteres Taschenbuch gleichen Titels, aber erweiterten Umfangs (478/388 S., cf. Bruna 1983, 240–241) 1799 in Venedig. In Leipzig wird 1801 ein Nuovo dizionario portatile italiano-tedesco e tedesco-italiano mit nur 205 bzw. 202 Seiten veröffentlicht (2. Auflage 1819), unter dem gleichen Titel erscheinen 1818 in Graz, 1821 in Mailand in der Società Tipografica dei classici italiani sowie bei Volke in Wien und im gleichen Jahr in Leipzig drei etwas umfangreichere Taschenwörterbücher (cf. Bruna 1983, 245–246; 35–37). Dasjenige von 1821 ist wohl eine Bearbeitung des umfangreicheren Wörterbuchs von Reich (1786–1789, cf. Bruna 1983, 13). Das erste Taschenwörterbuch mit Angabe eines Autors, oder zumindest eines Herausgebers, scheint das Dizionario portatile italiano-tedesco des berühmten Mailänder Lexikographen Francesco Cherubini zu sein, das ohne Jahreszahl und nur aus einem italienisch-deutschen Teil bestehend ebenfalls in der Società Tipografica dei classici italiani⁴⁶ veröffentlicht wurde. Kurz nach Valentinis Taschenwörterbuch, ebenfalls von 1821, erscheint 1824 in Leipzig das einbändige Dizionario portatile von Stöckhardt (cf. Bruna 1983, 326). Bruna/Bray/Hausmann nennen in ihrer Überblicksdarstellung als Autor von Taschenwörterbüchern außerdem Beretti (1825/1848, cf. Bruna/Bray/Hausmann 1991, 3016) und Philipp Zeh (1825), der sich in seinem Vorwort auf Jagemann und Filippi beruft. Allen Taschenwörterbüchern gemein sind ihr geringer Umfang und ihre klare Ausrichtung auf den praktischen Gebrauch. Der Wörterbuchnutzer sitzt nicht mehr im Studierzimmer, um die Werke der Klassiker zu lesen, sondern möchte in der konkreten Kommunikation, auf Reisen oder beim Lernen bequem auf das Wörterbuch als Hilfsmittel zurückgreifen können, wie das Vorwort des Grazer Taschenwörterbuchs von 1818 zum Ausdruck bringt:
46 Cf. Bruna (1983, 68). Aus der Bibliographie geht nicht klar hervor, welche Verbindung insbesondere zwischen den beiden im Mailänder Verlag erschienenen Wörterbüchern besteht.
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«A facilitare questo studio, a rendere più spedite ed agevoli le giornaliere comunicazioni, ed a servire specialmente al comodo de’ viaggiatori, abbiamo creduto che potesse, più che qualunque mezzo, giovare un Dizionario portatile, o tascabile». (zitiert nach Bruna 1983, 13)
Dafür wird der mit dem Umfang zwangsläufig reduzierte Inhalt in Kauf genommen. Trotz der hohen Zahl von Taschenwörterbüchern und ihrer weiten Verbreitung bereits im 19. Jahrhundert steht eine genauere Studie zu ihrer Tradition noch aus. Mit dem Verfassen eines Taschenwörterbuchs sowie dem Stützen auf Jagemann und besonders Filippi für das große Wörterbuch schreibt sich Valentini in die Geschichte der deutsch-italienischen Wörterbücher des 19. Jahrhunderts ein. In seinem wissenschaftlichen Anspruch, der Absicht, den Wortschatz der beiden Sprachen möglichst in seiner Gesamtheit abzubilden und mit der Teilnahme an der italienischen Lexikographiediskussion durch die Raccolta geht er jedoch über die vornehmlich praktisch ausgerichteten Arbeiten seiner unmittelbaren Vorgänger hinaus.
4 Der Sprachmittler und Lexikograph Francesco Valentini (1789–1862) Eine zusammenhängende Biographie von Francesco Valentini hat De Botazzi (1895) verfasst.¹ Dabei stützt er sich allem Anschein nach überwiegend auf Informationen der von Valentini gegründeten Società Italiana, die ab 1875 von dessen Sohn geleitet wurde. Dementsprechend ist die Biographie teilweise stark subjektiv gefärbt und stellt einige Stationen in Valentinis Leben von anderen Quellen abweichend dar. Zahlreiche Hinweise auf das Leben und Wirken Valentinis – neben einer Aufstellung aller Werke auch umfangreiches Archivmaterial – hat 1988 Boerner für eine Ausstellung der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin zusammengetragen. Die Biographie von De Botazzi lag Boerner offensichtlich nicht vor, so dass in seinem Ausstellungskatalog dort gesammelte Informationen, insbesondere zu den letzten Lebensjahren Valentinis, fehlen. Im Folgenden wird auf der Basis der beiden Arbeiten sowie weiterer, von mir in Archiven in Deutschland und Italien recherchierter Dokumente, eine einheitliche Biographie Valentinis rekonstruiert.² Nachstehende Tabelle stellt vorab die wichtigsten Lebensstationen des Römers zusammen und bietet eine chronologische Übersicht seiner Werke.
4.1 Von Rom nach Berlin Francesco Cosimo Damiano Valentini wurde am 27. September 1789 (cf. Boerner 1988, 7) in Rom-Trastevere geboren.³ Sein Vater war Philipp Valentini, «Kaufmann
1 Die Arbeit Italiani in Germania ist 1993 ins Deutsche übersetzt und erneut herausgegeben worden, cf. De Botazzi (1895/1993). 2 Es wurden Unterlagen in der Zentral- und Landesbibliothek sowie der Staatsbibliothek in Berlin, dem dortigen Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, der Biblioteca Braidense di Milano und der Biblioteca Estense in Modena gefunden, die innerhalb dieses Kapitels zum Leben Valentinis zitiert werden. Einzelne einzubeziehende Hinweise auf sein Leben gibt zudem Valentini selbst in den Vorworten seiner Werke bzw. eingeflochten in Modelldialogen der sprachdidaktischen Arbeiten. Hingewiesen sei schließlich auf eine kurze Biographie auf der Grundlage Boerners sowie auf Material zu Bad Freienwalde, dem Alterssitz Valentinis, die der Bad Freienwalder Zahnarzt und Lokalhistoriker Denk 2005 veröffentlicht hat. 3 Die Spezifizierung Trastevere findet sich in De Botazzi (1895, 39). Das Geburtsdatum wird hier mit dem 29. September 1789 angegeben, weder Boerner noch De Botazzi benennen hierzu Quellen. Das Verzeichniss im Jahre 1825 in Berlin lebender Schriftsteller und ihrer Werke, das sich auf
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Tab. 1: Chronologische Übersicht der Werke und Lebensstationen Francesco Valentinis 27. 9.1789 1813 1814 1818 1821 1822 1824 1825 1826 1827–1828 1829 1831–1836 1832 1834 1836 1839 1842–1843 1843 1848 15. 3.1862
Geburt in Rom-Trastevere Ankunft in Berlin Aufnahme der Tätigkeit als Italienischlehrer Lettere sulle regole della lingua italiana Deutsch-italienisches Taschenwörterbuch Gespräche und Briefe über die Ehre und das Duell Neue theoretisch-praktische italienische Grammatik für Teutsche Verleihung des Titels eines Königlich Preußischen Professors der italienischen Sprache und Litteratur Trattato su la Commedia dell’Arte Der italienische Lehrer Reise nach Italien Vollständiges italienisch-deutsches und deutsch-italienisches grammatischpraktisches Wörterbuch Raccolta di mille e più Vocaboli italiani Gründliche Lehre der Italienischen Aussprache Gründung der Società italiana Dialoghi e Colloquj italiani e tedeschi Strenna italiana pei tedeschi Versuch der Einrichtung einer Professur für italienische Sprache und Literatur Rückzug nach Bad Freienwalde Tod in Berlin
zu Rom gewesen»⁴, der Name der Mutter Maria (cf. Boerner 1988, 7). Es waren keine Hinweise darauf zu finden, ob ein Elternteil Valentinis deutscher Muttersprache war,⁵ ebenso wenig, ob Valentini bereits in Rom in irgendeiner Weise eine linguistische Ausbildung erhalten hatte. In seinen Werken definiert er sich klar als Römer. Die frühen Arbeiten sind ganz in italienischer Sprache verfasst bzw. enthalten in den deutschen Teilen bisweilen Unsicherheiten.
von den Autoren selbst zur Verfügung gestellte Informationen stützt, gibt wie Boerner den 27. September 1789 als Geburtsdatum an (cf. Verzeichniss 1826, 286). 4 Traubuch der Jerusalem-Gemeinde zu Berlin, Jahrgang 1816/17, zitiert nach Boerner (1988, 9). 5 Für Anfang des 19. Jahrhunderts sind in Rom zwei preußische Konsuln mit dem Namen Valentini nachgewiesen: Dominico Valentini, «Consul für Rom u. Civita Vecchia, Geh. Commerzient» (Handbuch 1820, 160) und General und Bankier Vincenzo Valentini (ca. 1760–1842, cf. Manuale di notizie, 38). Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass verwandtschaftliche Beziehungen bestanden. Für nähere Hinweise auf die Herkunft von Valentinis Familie wurden die erhaltenen Kirchenbücher der Gemeinden von Trastevere im Archivio Storico Diocesano di Roma eingesehen, die jedoch keine Eintragungen enthielten. Im Taufbuch von S. Maria in Trastevere ist am 27. September 1789, dem Geburtstag Valentinis, die Taufe eines Paolo Antonio Valentini verzeichnet. Hierbei dürfte es sich jedoch vermutlich um einen Zufall handeln.
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Knapp zwanzigjährig begann Valentini ein Medizinstudium, das er jedoch nach kurzer Zeit wieder beenden musste, um an Napoleons Russlandfeldzug teilzunehmen: «All’età di 20 anni, poco tempo dopo aver incominciati gli studi di medicina, dovette abbandonarli e partire sotto le bandiere di Napoleone I. A Verona, ricevuta in fretta un’istruzione pratica per la chirurgia di campo, venne aggregato in qualità di Chirurgien d’armée ad un reggimento d’artiglieria. Con questo egli fece la campagna di Russia». (De Botazzi 1895, 39)
Nach der Gefangenname durch die gegnerischen Truppen und einer anschließenden Flucht, die in De Botazzi (1895) abenteuerlich beschrieben wird, gelangte Valentini 1813 nach Berlin (cf. De Botazzi 1895, 39), wo er sich 1814 (cf. Verzeichniss 1826, 286) für den Rest seines Lebens niederließ.⁶ Trotz seiner medizinischen Ausbildung begann Valentini kurz darauf seine Tätigkeit als Italienischlehrer:⁷ «Avrebbe allora dovuto essere occupato in qualità di medico chirurgo nel lazzaretto prussiano, ma quest’occupazione non accordandosi colle sue inclinazioni e meno ancora colle sue attitudini e colla sua capacità, chiese ed ottenne d’esserne dispensato. Pertanto volendo fissare la sua dimora a Berlino, onde renderla possibile per mezzo d’un’onesta occupazione, prese il partito di dare lezioni di lingua italiana». (De Botazzi 1895, 39–40)
4.2 «Königlich Preußischer Professor der italienischen Sprache und Litteratur» Mit privatem Italienischunterricht konnte der Römer sich rasch etablieren und Schüler aus den höchsten Kreisen der Berliner Gesellschaft gewinnen.⁸
6 Dass Valentini 1812 als Arzt in der französischen Armee und anschließend als Privatlehrer in Berlin tätig war, lässt sich auch dem Verzeichniss im Jahre 1845 in Berlin lebender Schriftsteller und ihrer Werke entnehmen, cf. Verzeichniss 1846/1973, 351–352, zitiert in Boerner (1988, 8). 7 Auf den Feldzug und die Gefangenschaft in Russland sowie die Anfänge als «maestro di Lingua» (Lettere, 2) weist Valentini auch selbst in den einleitenden Briefen aus dem frühen Grammatikwerk Lettere sulle regole della lingua italiana hin, cf. Lettere, 1–2. 8 Eine Idee davon, in welchem Umfeld Valentini sich bewegte, geben auch seine Berliner Adressen. Seine erste erhaltene Publikation zur italienischen Grammatik, die 1818 im Selbstverlag erschienenen Lettere sulle regole della lingua italiana, nennt als Anschrift Markgrafen Strasse 6. 1834 wohnte Valentini in der Dorotheenstrasse 12 (cf. Brief von Schinkel an Valentini vom 11. Mai 1834, zitiert in Boerner 1988, 30), nur wenige Meter von der heutigen Museumsinsel, der Humboldt-Universität und dem damaligen Haus der Freimaurerloge Royale York zur Freundschaft
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«Il Valentini avendo saputo inspirare a’ suoi scuolari il più grande interesse per lo studio della lingua e letteratura del nostro paese, divenne in breve il maestro più ricercato di Berlino, e malgrado le sue maniere un po’ vivaci egli diede lezioni nelle famiglie più distinte ed illustri della città». (De Botazzi 1895, 40)
Die ersten Stunden erteilte Valentini 1814 der Tochter des Generalstabsarztes von Wiebel. Zu seinen Schülern zählten dann Graf von Meuron, dem er seine erste Schrift zur italienischen Grammatik, die Lettere sulle regole della lingua italiana von 1818, widmete, Prinz Friedrich (1794–1863)⁹, Prinz Albrecht (1809–1872)¹⁰ sowie Kaiserin Augusta und ihre Schwester, Prinzessin Marie, denen er neben Italienisch- auch Spanischunterricht erteilte (cf. De Botazzi 1895, 40) und die seine wichtigsten Gönnerinnen waren. Im Januar 1842 schließlich hatte Valentini «il sommo onore di dare la prima lezione d’italiano al principe Guglielmo di Prussia, che fu poi augusto Imperatore e Re» (De Botazzi 1895, 40–41). Bereits 1825 wurde ihm der Titel eines Königlich Preußischen Professors der italienischen Sprache und Litteratur in Berlin verliehen (cf. De Botazzi 1895, 42).¹¹ Aus der Unterrichtstätigkeit gingen eine Abhandlung über die Commedia dell’Arte (1826) und diverse didaktische Arbeiten zum Italienischen hervor, die in Kapitel 5.2 vorgestellt werden. Es handelt sich um eine 1818 im Selbstverlag erschienene Behandlung einzelner Grammatikkapitel in Briefform (Lettere sulle regole della lingua italiana); die Neue theoretisch-praktische italienische Grammatik für Teutsche (1824); ein zweibändiges mit dem Titel Der italienische Lehrer (1827–1828); die Gründliche Lehre der Italienischen Aussprache (1834); die Dialoghi e Colloquj italiani e tedeschi (1839), die eine Sammlung von Modelldialogen mit einem systematischen Wörterbuch verbinden und die Strenna italiana pei tedeschi (1842–1843), eine unterhaltende und zugleich lehrhafte Lektüresammlung.
entfernt. Als letzte Adresse ist die ebenfalls sehr zentrale Potsdamer Straße 24 nachgewiesen (cf. den Kirchenbucheintrag von St. Hedwig zu Valentinis Tod, zitiert in Boerner 1988, 15). 9 Ihm ist der Trattato su la Commedia dell’arte von 1826 gewidmet. Diese Abhandlung ist aus dem Unterricht für den Prinzen heraus entstanden. 10 Prinz Albrecht widmet Valentini das Lehrwerk Der Italienische Lehrer (1827–1828). 11 Cf. auch Boerner (1988, 8). Im Titelzusatz zu Valentinis Werken wird der volle Titel jedoch erstmals 1831 im Vollständigen Wörterbuch angegeben: «Von Dr. Franz Valentini aus Rom, Königl. Preußischem Professor der italienischen Sprache und Litteratur in Berlin». Der Zusatz zu den Gesprächen und Briefen über die Ehre und das Duell in der zweiten Ausgabe von 1829 lautet «Dr. V.......i, Königlicher Preußischer Professor», der im Lehrbuch Der Italienische Lehrer enthält 1827 zwar den Professorentitel, jedoch nicht den Zusatz eines königlich preußischen Professors: «Von Dr. Fr. Valentini, Professor der italienischen Sprache und Litteratur in Berlin». Das Taschenwörterbuch von 1821 weist den Autor lediglich als «Dr. Francesco Valentini aus Rom» nach. Der Doktortitel bezieht sich vermutlich auf Valentinis Ausbildung als Arzt.
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Außerdem liegt von Valentini eine nicht-linguistische Veröffentlichung vor. 1822 publizierte er anonym die Gespräche und Briefe über die Ehre und das Duell, die 1829 in zweiter Auflage erschienen.¹² Die dem preußischen Generaladjutant Freiherr Job von Witzleben (1783–1837) gewidmete Schrift verfolgt das Ziel, mit den «Waffen der Vernunft» (Ehre und Duell, VII) der verbreiteten Duellkultur entgegenzutreten. Dazu werden in drei Teilen – fiktiven Gesprächen zwischen In., der Stimme Valentinis, und seinem Gesprächspartner von Spr., Briefen In.s an von Spr. sowie Vorschlägen zur Verminderung der Duelle von In. an Spr. – und unter Zitierung von Cesare Beccaria, des deutschen Historikers und Staatsmannes Justus Möser sowie unterschiedlichen antiken und modernen Geschichtsschreibern zunächst der für das Duell zentrale Begriff der Ehre historisch definiert, die Geschichte des Duells von der Antike an nachgezeichnet und dessen Unvereinbarkeit mit typisch preußischen Werten wie Gesetzestreue, Selbstdisziplin, Religion und Fürstentreue herausgearbeitet. Die Argumentation ist rhetorisch ausgearbeitet und geschickt aufgebaut. In ihrer Entwicklung zeigt Valentini über die Metaebene des Austauschs mit seinem Gesprächspartner, dass er diesen überzeugen kann. Als interessante Information zur Person Valentinis enthält die Vorrede folgendes Selbstzeugnis: «Von der Natur mit einem heftigen Temperament begabt, beinahe aufgewachsen unter dem Geräusche der Waffen, und von falschen Begriffen über die Ehre geblendet, ließ ich mehr als einmal mich fortreißen zur Selbstrache. Noch kann ich jedem die Narben von den Wunden zeigen, die ich einst für EhrenDenkmale hielt. Aber Zeit, Erfahrung und Nachdenken haben mich eines andern belehrt» (Ehre und Duell, V–VI). Nicht nur als Lehrer, auch privat etabliert sich Valentini in Berlin. 1816 heiratet er Caroline Stage, deren Vater in der königlichen Porzellan-Manufaktur arbeitet und mit der er vier Kinder bekommt. Nach dem Tod Carolines heiratet er 1826 erneut, seine zweite Frau ist die königlich preußische Opernsängerin Henriette Reinwald. Aus dieser Ehe gehen drei Kinder hervor.¹³ Neben Francesco Valentini selbst scheint auch eine Schwester von ihm in Preußen gelebt zu haben. Teodor 12 Zur ersten Auflage ist im Verlagsarchiv de Gruyter in Berlin die Berechnung der Herstellungskosten überliefert, cf. Boerner (1988, 39–40). Von mir konnte nur ein Exemplar der zweiten Auflage recherchiert und eingesehen werden. 13 Cf. zur familiären Situation ausführlich Boerner (1988, 8–12). Hier seien nur zwei Söhne aus der ersten Ehe namentlich erwähnt: Der älteste Sohn, Franz Lorenz Friedrich Valentini, studierte wie der Vater Medizin und stieg bis zum Leibarzt des Kaisers Wilhelm I. auf (cf. Boerner 1988, 11). Außerdem war er 1869 Mitglied der Deutschen Dante-Gesellschaft und füllte wichtige Rollen in der vom Vater 1836 gegründeten Società italiana aus, cf. Kapitel 4.4. Bei dem 1824 geborenen dritten Sohn Valentinis, Philipp Johann Joseph, handelt es sich wahrscheinlich um den Verfasser von drei Wörterbüchern zu Indiosprachen: Das Vocabulario de la lengua de los Indios de Boruca,
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Fontane erinnert sich in seinem autobiographischen Roman Meine Kinderjahre an einen Hofrat Dr. Kind: «Er war mit einem Fräulein Valentini verheiratet, einer Schwester des um jene Zeit als Universitätslehrer in Berlin lebenden italienischen Professors Valentini» (Fontane 1894/1955, 63).¹⁴ Francesco Valentini verfügte in Berlin über ein dichtes Netz an sozialen Kontakten. Wie aus Briefen, die Boerner recherchiert hat, hervorgeht, korrespondierte er mit dem Altphilologen Friedrich August Wolf (cf. 1988, 18–19) sowie mit Karl Friedrich Schinkel (cf. 1988, 29–30), um nur einige Kontakte zu nennen.¹⁵ Beide schreiben Valentini in italienischer Sprache. Ein freundschaftlicher Umgang ist auch mit dem Grafiker und Bildhauer Johann Gottfried Shadow nachgewiesen.¹⁶ Der Rechtsgelehrte Friedrich Carl von Savigny und der Philologe Karl Lachmann unterstützen Valentini bei seiner Arbeit an einer Abhandlung über die Geschichte der italienischen Sprache (cf. Vollst. Wb., vol. 1, LXVIII). Zahlreiche weitere Kontakte sind über die Mitgliederlisten der von Valentini gegründeten Società italiana (cf. Kapitel 4.4) sowie über die Mitgliederverzeichnisse der Freimaurerloge, der er angehörte, erschließbar. Wie Boerner recherchiert hat (cf. 1988, 13), taucht Valentinis Name 1818 im Verzeichniss sämtlicher Mitglieder der unter Sr Majestät des Königs von Preußen allerhöchstem Schutze dirigierenden Grossen Loge der Freimaurer Royale York zur Freundschaft im Orient von Berlin (cf. Verzeichniss sämtlicher Mitglieder 1818, 24) auf. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Valentini bereits in Rom Freimaurer war. Zur Zeit, als er dort seine medizinische Ausbildung erhielt und dann als Feldchirurg in den Russlandfeldzug aufbrach, war das Freimaurertum in Italien eng mit der napoleonischen Herrschaft verbunden und Mediziner sowie Militärangehörige waren in den Lo-
Costa Pacifica de Costarica (1862), das Vocabulario de la lengua de las Viceitas en Costarica (1866) und das Vocabulario del idioma de los Indios blancos, lengua bribri (s. a., cf. Boerner 1988, 10). 14 Fontane bezeichnet Valentini, vermutlich aufgrund des Professorentitels, fälschlicherweise als Universitätslehrer. Der Hinweis auf Valentinis Schwester findet sich auch in Schmidt (1934, 155, n. 652), dessen Darstellung zur Geschichte von Bad Freienwalde aufgrund der Entstehungszeit und -umstände jedoch nur bedingt heranziehbar ist. 15 Über die in Boerner (1988) zitierten Briefe hinaus konnten ein Brief vom Dezember 1833 an einen nicht näher identifizierten Dr. Buschmann in Berlin (aufbewahrt in der Zentral- und Landesbibliothek Berlin, Album von Schätzle, S. 76) sowie ein Brief an eine unbekannte Adressatin vom 8. 12. 1841 (Staatsbibliothek Berlin, Autogr. I/1094–81) recherchiert werden. Ersterer stellt, wie der Großteil der erhaltenen Korrespondenz, lediglich eine kurze Notiz dar, in der Valentini sich für das Versäumen eines verabredeten Termins entschuldigt und über ein «gran dolore d’occhi» klagt. Mit Letzterem übersendet Valentini der Dame eine Dichtung des General B. L. Clouet in italienischer Sprache. 16 Boerner zitiert aus den Aufzeichnungen Schadows zu einem Besuch von Valentini: «Valentini war da mit Frau u[nd] Kinder u[nd] machte einen Mordlärm in 3 Sprachen» (1988, 14).
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gen überproportional vertreten.¹⁷ Eine Mitgliedschaft bereits vor der Ankunft in Berlin würde, zumal angesichts der internationalen Verbindung der Logen,¹⁸ Valentinis rasche gesellschaftliche Etablierung dort erklären. Leider ließen sich bisher keine dementsprechenden näheren Hinweise finden. Anhand einer im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz aufbewahrten Mitgliederliste konnte lediglich spezifiziert werden, dass er der Urania zur Unsterblichkeit, einer Tochterloge der Großen Loge von Preußen genannt Royale York zur Freundschaft, angehörte. Diese stand seit 1798 unter königlichem Protektorium und war in Berlin eng mit dem Herrscherhaus und dem geistigen und gesellschaftlichen Leben verbunden.¹⁹ Allerdings ist Valentinis Mitgliedschaft in dieser Tochterloge erst ab 1835 nachgewiesen.²⁰ Valentini scheint in seiner Loge recht aktiv gewesen zu sein. Bezeugt sind Gelegenheitsdichtungen, die er für sie verfasst hat. Auf den 24. Oktober 1820 ist ein Gedicht zum Geburtstag von Johann Georg Marmalle, Lehrer am Joachimsthalschen Gymnasium in Berlin, datiert (cf. Boerner 1988, 13; Wolfstieg 1911, 868). Auch das Festlied der Loge könnte von ihm stammen (cf. Wolfstieg 1911, 868). Eine eigene Untersuchung wert wäre sicherlich auch der Einfluss, den Valentinis Mitgliedschaft bei den Freimaurern auf sein Werk hatte.²¹
17 Für die Hinweise zur Geschichte der Freimaurerei in Italien danke ich Fulvio Conti. 18 Cf. hierzu Hoffmann (2000, 42–43): «Folglich sahen sich die Freimaurer nicht nur als Untertan oder Staatsbürger, sondern als Weltbürger. Die Logen besaßen ein überstaatliches Kommunikationsnetz, dessen Bedeutung für die Zirkulation von aufgeklärten Ideen nicht unterschätzt werden sollte. Freimaurer konnten auf Reisen die Logen anderer Städte besuchen und fanden dort oft Anschluß an die lokalen Geselligkeitskreise. Die Mitgliedschaft in geheimen Gesellschaften war eine Art ›Wechselbrief der Geselligkeit‹, der überall eingelöst werden konnte». 19 Zur Geschichte der Loge im betreffenden Zeitraum cf. Endler/Schwarze (1994, vol. 1, 163–169). Das Haus der Urania befand sich in der Dorotheenstraße 21, in der Nähe von Valentinis Wohnung. 20 Durchgesehen wurden die im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz überlieferten Mitgliederverzeichnisse der Urania zur Unsterblichkeit für die Jahre 1825, 1835 und 1845. Verzeichnet ist Valentinis Name in den Verzeichnissen von 1835 und 1845, cf. GStA PK, I. HA Rep. 77 Ministerium des Innern, Tit. 267 Nr. 1 adh. 1 Bd. 14 und GStA PK, I. HA Rep. 77 Ministerium des Innern, Tit. 267 Nr. 1 adh. 1 Bd. 24. Im Eintrag von 1835 (Lfd. Nr. 139) ist Valentinis Stand mit «Professor», im Eintrag von 1845 (Lfd. Nr. 232) als «Dr. Ph. u. Professor» angegeben. Für den Erwerb des Doktortitels konnten keine weiteren Quellen aufgefunden werden, cf. Kapitel 4.5.2. Für die Hilfe bei der Recherche danke ich Michaela Utpatel und Guido Behnke vom Geheimen Staatsarchiv. Der Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland danke ich für die Erlaubnis der Einsicht in die Freimaurerdokumente, die im Geheimen Staatsarchiv aufbewahrt werden. 21 Dabei könnte über eine allgemeine Welt- und Wissenschaftsansicht hinaus auch ganz konkret in den Blick genommen werden, inwiefern freimaurerische Terminologie im lexikographischen Werk berücksichtigt und präsentiert wird. Bereits eine oberflächliche Durchsicht des Vollstän-
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4.3 Vom deutsch-italienischen Taschenwörterbuch (1821) zum Vollständigen Wörterbuch (1831–1836): Valentini als Lexikograph Parallel zur Unterrichtstätigkeit erwuchs das lexikographische Interesse Valentinis. Sein erstes gedrucktes Werk, mit dem er einen größeren Nutzerkreis erreichte und sich über Berlin hinaus einen Namen erwarb, ist ein 1821 bei Amelang erschienenes Taschenwörterbuch. Insgesamt besteht Francesco Valentinis Beitrag zur Lexikographie im Wesentlichen aus drei Titeln, nämlich zwei zweisprachigen deutsch-italienischen Wörterbüchern sowie einem Beitrag zur italienischen Lexikographiediskussion des frühen 19. Jahrhunderts. Das Taschenwörterbuch von 1821 umfasst zwei Bände und trägt den Titel Nuovo Dizionario portatile italiano-tedesco e tedesco-italiano. Vollständiges deutsch-italienisches und italienisch-deutsches Taschenwörterbuch. Es erschien bis 1906 in 21 autorisierten Auflagen sowie einer italienischen Raubkopie. Valentinis Hauptwerk, das im Zentrum der vorliegenden Arbeit steht, ist das Vollständige italienisch-deutsche und deutsch-italienische grammatisch-praktische Wörterbuch, das der Leipziger Verleger Barth²² in vier Bänden 1831–1836 herausbrachte. Es bescherte Valentini weniger Verkaufserfolge, ist jedoch als Meilenstein in der Geschichte der zweisprachigen italienisch-deutschen Lexikographie zu betrachten. Im Rahmen der Arbeiten am großen Wörterbuch verfasste Valentini die Raccolta di mille e più vocaboli italiani, die 1832 vom gleichen Verlag veröffentlicht wurde. Sie stellt einen Diskussionsbeitrag zu den Entwicklungen in der einsprachigen italienischen Lexikographie dar und besteht aus Überlegungen zur bisherigen italienischen Lexikographie sowie einer Sammlung von bisher nicht oder nur unzureichend in Wörterbüchern verzeichneten italienischen Lexemen.
digen Wörterbuchs diesbezüglich zeigt z. B. die Lemmatisierung von Deutschmeister, Deutschmeisterthum, Elephantenorden, Logenbruder oder die Integration von blaues Ordensband, die in früheren deutsch-italienischen Wörterbüchern teilweise fehlen. 22 Auch die meisten der anderen Werke Valentinis wurden bei Johann Ambrosius Barth verlegt. Das Verlagshaus, das von 1813 bis 1851 von Wilhelm Ambrosius Barth geführt wurde, richtete sich in der betreffenden Zeit zunehmend wissenschaftlich aus und legte mit der Veröffentlichung einiger bedeutender Arbeiten einen besonderen Schwerpunkt auf Sprach- und Literaturwissenschaften. «Valentinis italienisch-deutsches und deutsch-italienisches Wörterbuch, das einem ‹längst gefühlten dringenden Bedürfnis› entgegenkam und in Italien zweimal nachgedruckt wurde, und die Poesie der Troubadours von Friedrich Diez (1845 ins Französische übersetzt), treten vollkommen in den Hintergrund, wenn man an Wilhelms Ausgaben von Rabelais, Jakob Böhme und der Minnesänger denkt» (Meiner/Meiner 1930, 80).
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Schließlich enthalten auch Valentinis 1839 erschienene Dialoghi e Colloquj italiani e tedeschi, die im Folgenden zunächst unter den sprachdidaktischen Arbeiten behandelt werden, neben Modelldialogen eine systematische Darstellung des italienischen Wortschatzes. Er ist in der Art eines Lernerwörterbuchs gruppiert und trägt teilweise enzyklopädische Züge. Dieser lexikographische Teil der Dialoghi wird zu einer vollständigen Übersicht des lexikographischen Œuvre Valentinis in Kapitel 6 zu seinen kleineren lexikographischen Werken dargestellt (für die Modelldialoge cf. die Darstellung im Rahmen der sprachdidaktischen Arbeiten Valentinis, Kapitel 5.4.1). Neben den Beiträgen zur Lexikographie i. e. S. enthalten auch die sprachdidaktischen Arbeiten nomenklatorische Abschnitte sowie Darstellungen zur semantischen Distinktion.
4.4 Die Società italiana Im Jahr 1836 bekamen Valentinis Aktivitäten rund um die italienische Sprache und Kultur einen institutionellen Rahmen. Am 3. Oktober²³ gründete er die Società italiana, eine italienische Kulturgesellschaft,²⁴ der sowohl Italiener als auch an Italien interessierte Deutsche, ausschließlich Männer, angehörten. Die deutschen Mitglieder mussten einmal in Italien gewesen sein und zumindest über Grundkenntnisse der italienischen Sprache verfügen, da bei den Treffen nur Italienisch gesprochen werden durfte.²⁵ Zu Beginn betrug die Mitgliederzahl 36, sie wurde im Laufe der Zeit auf 50 erhöht (cf. De Botazzi 1895, 38; Schnakenburg 1865, 6). Boerner gibt, ohne Angabe seiner Quelle, die Liste aller Mitglieder zur Zeit Va-
23 Cf. De Botazzi (1895, 38) und Mazzoni (1836, 1). Boerner gibt den 1. Oktober als Gründungstag an (cf. 1988, 48). Für seine Ausführungen, denen ich für die Struktur dieses Kapitels folge, soweit dies nicht anders gekennzeichnet ist, stützt er sich auf mehrere Zeitungen als zeitgenössische Quellen, cf. Boerner (1988, 58, n. 1). 24 Die Gründung steht in der Tradition ihrer Zeit. Im Vormärz entstanden eine Vielzahl neuer Vereinigungen und Gesellschaften. «Die Sphäre der Kultur emanzipierte sich von der Fixierung auf Hof, Aristokratie und Kirche und entwickelte sich zum eigenständigen Handlungs- und Anschauungsbereich der entstehenden bürgerlichen Gesellschaft […]. [I]ndividualisierte Bildung und eigenständige Pflege der Kultur bleiben für das Vereinswesen von 1800 bis 1848 ausschlaggebende Antriebskräfte» (Hardtwig 1984, 13). Zu gelehrten Vereinen cf. auch Voss (1986). 25 De Botazzi schreibt dazu: «Nelle adunanze, essendo d’obbligo di parlare italiano, egli [Valentini] ne guidava la conversazione e co’ suoi sforzi ottenne che anche a tavola non si parlasse altra lingua. Notisi infine che nelle cartoline d’invito d’allora stava stampato: L’itala lingua solo si favella, e che egli in un tono di amichevole ammonizione venne più d’una volta ad interrompere la conversazione tedesca, più comoda e naturale ai soci riuniti» (1895, 44).
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lentinis wieder (cf. 1988, 49–56).²⁶ Ein Viertel der verzeichneten 48 Mitglieder sind Italiener. Unter den Eingeschriebenen finden sich mit Beamten, Architekten, Musikern und Künstlern, Altertumswissenschaftlern, Rechtsgelehrten und Philologen wichtige Vertreter des Preußischen Bildungsbürgertums und mehrere Gesandte, sowohl in Preußen tätige Italiener als auch Deutsche, die längere Zeit in Italien tätig waren. Auffällig ist, dass eine große Zahl an Mitgliedern zugleich auch einer Freimaurerloge angehörte. Die Organisationsstruktur sah einen Direktor an der Spitze der Società, einen zweiten Direktor, einen Sekretär sowie einen Kassenwart vor. Direktor war von 1836 bis 1848 Valentini selbst (cf. De Botazzi 1895, 44), ihm folgte Johann Ferdinand Schnakenburg, ab 1875 übernahm Valentinis ältester Sohn den Vorsitz der Gesellschaft (cf. De Botazzi 1895, 56). Die anderen Ämter wurden zu Lebzeiten Valentinis vom Direktor des Ägyptischen Museums Passalacqua (zweiter Vorsitzender), dem Philologen Schnakenburg (Sekretär) und dem Literaten G. Claude (Kassenwart) besetzt (cf. De Botazzi 1895, 38). Alle Mitglieder mussten einen Beitrag entrichten. Aufgrund leerer Kassen scheint 1858 der Bestand der Gesellschaft in Gefahr gewesen zu sein. Es gehörte zu den Mythen der Società, dass ein Mitglied in dieser Situation vorschlug, jeder solle zur Erhaltung einmalig einen Taler zahlen, woraufhin alle Versammelten einen Taler auf den Tisch legten und so das Fortbestehen sicherten. Schnakenburg schrieb anschließend das Lied Il Crocchio liberato, das zur Hymne der Gesellschaft wurde (cf. De Botazzi 1895, 50–53). Kern der Aktivitäten der Società italiana war ein monatliches Treffen, das jeweils am letzten Montag des Monats in Arnims Hotel, Unter den Linden 44, stattfand. Bei diesen Treffen wurde stets ein Vortrag gehalten. Dieser konnte sich, in italienischer Sprache, mit einem beliebigen Thema aus dem Spektrum der Wissenschaften, Sprache, Kunst und Literatur befassen. Vorträge in deutscher Sprache mussten einen direkten Bezug zu Italien haben. Zuvor war eine halbe Stunde der Konversation in italienischer Sprache vorgesehen, im Anschluss gehörte das gemeinsame Essen zum festen Bestandteil des Abends (cf. De Botazzi, 55–56). In den ersten vier Jahren wurden alle Vorträge, zur italienischen Sprache und Litera26 De Botazzi enthält eine Liste aller italienischen Mitglieder von der Gründung bis 1893 sowie die Namen aller zeitgenössischen, also 1893 eingeschriebenen Mitglieder (cf. De Botazzi 1895, 46–48 bzw. 57–60). Eine Auflistung aller Gründungsmitglieder mit kurzer Charakterisierung gibt Schnakenburg 1865. Sie spiegelt schön den scherzhaft-ironischen Ton, der die Gesellschaft charakterisiert haben muss, wieder: «Ed era una bella ed ornatissima Adunanza quella del 3 Ottobre 36, quando si videro per la prima volta sedere intorno alla vasta tavola il focoso e tonante Val entini , l’egiziano Pas s al acqu a, il dotto e grazioso Roes tel l , lo spiritosetto Hens el , l’amabile Kopis ch, l’inefesso opponente Fed. För s ter, il viaggiatore e letterato Cl au d e, il romano Lengerich, il compitissimo Wach, il sarcastico e mordente Fed. Tieck, il sagace Wa age n , l’ingegnoso S ch i n ke l , […]» (Schnakenburg 1865, 3–4).
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tur, von Valentini selbst gehalten, später übernahmen auch Mitglieder und Gäste Vorträge (cf. De Botazzi 1895, 44). Ein besonderer Schwerpunkt lag, der aufkommenden Beschäftigung mit dem Werk des Autors in Deutschland entsprechend, auf Ausführungen zu Dante und speziell der Divina Commedia. So sprach beispielsweise Valentini 1843 «Sulle viste politiche e sullo scopo morale della Divina Commedia», der Danteübersetzer Kopisch 1845 über Dante e la filosofia cattolica oder Schnakenburg 1853 über die Vita nuova (cf. De Botazzi 1895, 48–49). Einmal im Jahr, Ende Januar zur Opernsaison, fand das Stiftungsfest statt, zu dem auch Gäste und Damen eingeladen waren, und bei dem stets ein brindisi auf Italien ausgebracht wurde.²⁷ Zum Fest anlässlich des siebten Jahrestages 1843 war zusammen mit dem Komponisten Giacomo Meyerbeer, Mitglied der Gesellschaft, der bekannte Tenor Giovanni Battista Rubini zu einem Konzert anwesend (cf. Boerner 1988, 7). Zu dieser Gelegenheit verlas Valentini «ein Gedicht an Rubini, das gleichen Anklang fand» (Königlich privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen Nr. 26, 31. 1. 1843, fol. 3, zitiert nach Boerner 1988, 30). Nicht datiert ist eine Introduzione scherzosa anlässlich eines Stiftungsfests – möglicherweise desselben –, die Valentini gedichtet hat und die im Wechsel von verschiedenen Mitgliedern als Lied vorgetragen werden sollte.²⁸ Abschließend zur Società italiana sei aus den Erinnerungen ihres späteren Direktors und Mitarbeiters an Valentinis Wörterbuch, Johann Ferdinand Schnakenburg, zitiert, die dieser 1861 anlässlich des 25jährigen Jubiläums der Gesellschaft festgehalten hat. Sie geben einen authentischen Einblick in den Charakter der Società italiana: «ha saputo conservare intatto il carattere impronto ad essa dal suo fondatore, il nostro venerato Valentini. […] Lontana dalle discussioni acerbe, benchè seria ne’ lavori dotti delle letture e de’ discorsi, allegra e gioviale alla mensa e tra’ bicchieri, essa ha offerto sempre e offre ancora quella doppia faccia dell’attività e del piacere».²⁹ (Schnakenburg 1865, 3)
27 De Botazzi gibt die Satzung der Gesellschaft zur Zeit um 1893 wieder, nach der das Stiftungsfest im November stattfand. Dort ist außerdem von einem jedes Jahr im Juni stattfindenden Ausflug der Società die Rede, wo ebenfalls auch Damen als Gäste zugelassen waren (cf. 1895, 56). 28 Das heute in der Staatsbibliothek Berlin aufbewahrte dreiseitige Manuskript (Autogr. I/1094–82) enthält auf der ersten Seite die handschriftliche Notiz: «Gedicht und Handschrift des berühmten Sprachgelehrten Professor Valentini, Verfassers eines Lexicons der ital. Sprache etc. Er schrieb es bei Gelegenheit der Stiftung der ital. Gesellschaft in Berlin u. übergab es dem ruhmhaft bekannten Ferdin. Seiber». 29 Der bereits angesprochene scherzhafte Ton und die Bedeutung des geselligen Beisammenseins wird gleich in der Einleitung augenfällig: «Anzi per rendere questo giubbileo più festoso, la Direzione ha deciso di publicare [sic!] un perdono generale ed indulgenza piena per tutti quei Membri, i quali […] volessero con vero pentimento rientrare nel suo grembo come Membri attivi,
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Interessant ist die Rede aber auch, da sie von einem internen Streit der Mitglieder in der frühen Phase der Gesellschaft berichtet, der eng mit der Sprachenfrage und dem auch von Valentini diskutierten Primat des Toskanischen verknüpft war: «Poco tempo dopo la fondazione della Società erano arrivati a Berlino, per motivo di studio, tre Italiani, un conte, un prete e un’ avvocato, tutti e tre amabilissimi e garbatissimi Toscani³⁰ […]. Ora avenne che probabilmente nel sangue del nostro Direttore c’era qualche elemento ghibellino e in quello de’Toscani un certo che di guelfo, di modo che in poco tempo nacquero certe piccole contese, certi mal celati disgusti […]. Un frequente soggetto di disputa era la pretesa preferenza del linguaggio toscano sul romano, e quando il prete allora, con isplendida gorgia fiorentina sosteneva ‹he le honsonanti e le hohali erano in Toscano le più belle hose he si possano sentire e un vero hanto in homparazione di huel he si sentiva in altre hontradi›, gli si rispondeva dell’altra parte ‹he le harozze hoi havalli di holor hastagno a Roma all inhontrario non erano hattivi». (Schnakenburg 1865, 5)
Der Streit um die Überlegenheit des Toskanischen gegenüber dem Italienischen Roms³¹ spitzte sich zu – Diskussionen entspannen sich auch um Geosynonyme wie sedano vs. sellerì oder alici vs. sardelle, sardine – und es kam zu einer Spaltung der Società in ein toskanisches, um die drei Gäste, und ein römisches, um Valentini herum gruppiertes Lager. Externe Vorkommnisse verschärften die Situation und brachten das Bestehen der Gesellschaft ernsthaft in Gefahr, bis ein Mitglied, Graefe, zwischen den Parteien vermitteln konnte und es schließlich zur Versöhnung kam (cf. Schnakenburg 1865, 5–6). Schnakenburgs Ricordi schließen mit einem wohl von ihm selbst verfassten Sonett auf Italien (cf. Schnakenburg 1865, 8). Wie gesehen stellten Gelegenheitsdichtungen einen festen Bestandteil bei den Treffen der Società italiana dar. Dass die Gesellschaft auch zum Ende des 19. Jahrhunderts noch aktiv war, belegt eine Buchbesprechung von 1898 zu Paul Pochhammers Danteführer. Dieser ist dem Andenken Valentinis gewidmet und enthält ebenfalls einige Verse auf
ovvero se tanto non fosse giunta la loro conversione, saranno pietosamente venuti a questa festa per mangiare i maccheroni con noi» (Schnakenburg 1865, 3). 30 Vermutlich sind es die gleichen Toskaner, die im Gründungsjahr 1836 noch ein sechsseitiges Gedicht Agli onorevoli e cari membri della nuova società italiana eretta in Berlino il di III. ottobre MDCCCXXXVI per le amorose cure del professore Francesco Valentini romano in testimonio di grato animo a nome della patria d. o. c. i sottoscritti membri onorari della medesima società geschrieben hatten: Prof. Domenico Mazzoni, Prof. G. Calandrelli, Avvo. Pietro Conticini und Alberto Lenzoni, cf. Mazzoni u. a. (1836). Ich danke Teresa Dolfi von der Biblioteca Comunale Forteguerriana in Pistoia, die mir sehr freundlich eine Kopie dieses Textes zur Verfügung gestellt hat. 31 Zum Verhältnis des Toskanischen und der Varietät Roms, die seit dem 15. Jahrhundert stark toskanisiert und nicht erst zur Zeit Valentinis ein Ausstrahlungszentrum eines italiano comune ist, cf. Fußnote 46 in Kapitel 5.3.3.
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die Società italiana. Der Autor der Rezension, Locella, bezeichnet die Società als «in der Welt einzig» (Locella 1898, 64) und liefert einige Informationen über ihren Zustand in den 1890er Jahren: Mitglieder zu dieser Zeit seien «hohe Militärs und Staatsbeamte, hervorragende Gelehrte und Künstler und ihrem jährlichen Stiftungsfeste pflegt der italienische Botschafter mit seinen Räthen und Attachés beizuwohnen» (Locella 1898, 64). Zu ihrem fünfzigjährigen Bestehen habe die Gesellschaft Glückwünsche von Kaiser Wilhelm erhalten, der überdies den Sohn Valentinis als dessen Nachfolger im Präsidentenamt mit einem Orden geehrt habe.
4.5 Valentini und der Beginn der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den modernen Sprachen Valentinis Arbeit zur italienischen Sprache ging über seine Unterrichtstätigkeit und das Verfassen von zum praktischen Gebrauch bestimmten Werken hinaus, und auch seine Beschäftigung mit der deutschen Sprache überschritt die Bedürfnisse eines Wörterbuchautors. Sein Umgang mit Autorenzitaten im Wörterbuch, aber auch in der Raccolta di mille e più vocaboli italiani beweist seine große Vertrautheit mit der italienischen Literatur. Die Raccolta di mille e più vocaboli italiani (cf. Kapitel 6.2) von 1832 stellt einen eigenen Beitrag Valentinis zur Questione della Lingua des frühen 19. Jahrhunderts dar, deren Themen den Römer sehr beschäftigten, wie auch weitere Dokumente belegen. Valentini versuchte hierzu überdies, in Verbindung mit Literaten und Philologen in Italien zu treten. Als Beitrag zur deutschen Sprache für italienische Nutzer sind dem ersten deutsch-italienischen Band des Vollständigen Wörterbuchs eine «Dissertazione su la lingua e letteratura tedesca, da’ più remoti secoli fino a’ nostri tempi» und ein «Compendio della Grammatica tedesca in tavole sinottiche» vorangestellt, in dem Valentini sich eng an der Deutschen Grammatik Grimms orientiert und zu dem er überdies Anregungen vom in Berlin tätigen Karl Lachmann erhielt (cf. Förster 1833a, 257 und Beleuchtung, 8 sowie Kapitel 7.1.2.2 und 7.1.2.3). Was die italienische Sprache betrifft, befasste Valentini sich mit den Themen der frühen Romanistik, wie die dem italienisch-deutschen Teil des Wörterbuchs vorangestellte «Dissertazione sul linguaggio italo volgare in Italia parlato nei secoli VII, VIII, IX, X, XI, e XII, con una appendice in cui si da nozione degli scrittori, e dei progressi dell’italiana favella ne’ seguenti quattro secoli» zeigt (cf. Kapitel 7.1.1.2). Neben dieser Abhandlung war auch eine ausführlichere Arbeit zu den italienischen Dialekten geplant, mit der Valentini sich auf das von Denina und Fernow bereitete Terrain begeben hätte, die jedoch nicht erschienen ist. Valentini muss das ambitionierte Werk Anfang der 1830er Jahre begonnen bzw. ins Auge gefasst haben. Hinweise darauf finden sich 1831 in der dem Vollständigen Wörter-
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buch vorangestellten Dissertazione (cf. Vollst. Wb., vol. 1, XLIV und LVIII), 1834 im Vorwort zum Anhang des dritten Bandes (cf. Vollst. Wb., vol. 3, 1238) sowie 1832 in der Raccolta (cf. Raccolta, IV). Im Anhang zur Dissertazione wird bereits der geplante Aufbau skizziert: «1. Trattato de’ Dialetti d’Italia; loro divisione; quanti i principali, e quanti gli affini ec. 2. Tavola o Prospetto generale comparativo delle principali alterazioni, sviamenti, mutazioni e trasposizioni di lettere ec. di dodici Dialetti, ove si dimostra in che, e come dall’ Italiano illustre si discostano. 3. Grammatica particolare d’ognuno d’essi, ove in una seconda parte si parlerà de’ più cospicui suoi scrittori, delle loro opere, e quando da questi ad una certa coltura fu ridotto. 4. Biblioteca scelta delle migliori Opere scritte ne’ varii Dialetti. 5. Poliglotto delle Voci proprie de’ Dialetti d’Italia, le quali dal buono Italiano si scostano in quanto al nome, o al significato, e di cui non si toccò nelle particolari Grammatiche, né alla Tavola comparativa». (Vollst. Wb., vol. 1, LVIII–LIX, n. 86)
Wäre das Projekt zur Umsetzung gekommen, hätte es die umfassendste Arbeit zu den italienischen Dialekten seiner Zeit dargestellt. Wie Valentini an gleicher Stelle ausführt, war bereits eine Veröffentlichung bei Barth, dem Verleger des Wörterbuchs, geplant. Als grundlegende Arbeit nennt Valentini die Dialektstudie Fernows. Er erhoffe sich die Mitarbeit italienischer Philologen und weist darauf hin, im Rahmen seiner Italienreise 1829 bereits mit Alessandro Manzoni, Francesco Cherubini sowie Giovanni Gherardini in Kontakt getreten zu sein sowie die Hilfe eines «nobile Anonimo» (Vollst. Wb., vol. 1, LVIII–LIX, n. 86) zugesichert bekommen zu haben.
4.5.1 Kontakte mit Italien Das Treffen Valentinis mit Manzoni wird durch einen Brief des Römers an den Mailänder Dichter vom 23. Juli 1831 belegt. Valentini fürchtet darin, Manzoni «possa essersi di me dimenticata» und erinnert sich an die «bontà, cui, due anni or sono, verso di me si degnò dimostrare» (zitiert nach Boerner 1988, 20–21). Zu Details über das Treffen, das im Jahr 1829 stattgefunden hat, konnten keine weiteren Dokumente gefunden werden. Über die Treffen mit Cherubini und Gherardini berichtet Boerner, wohl auf der Basis der oben genannten Ausführung im Vollständigen Wörterbuch, ohne Belege anzuführen (cf. 1988, 8; 36). Die Zusammenkunft mit Cherubini im Rahmen der Italienreise, die Valentini 1829 unternommen hat, wird durch einen Brief desselben an Cherubini vom 20. August 1829 belegt.³² Nach einer Zusammenkunft 32 Cf. Abb. 2. Der von mir recherchierte Brief wird heute in der Biblioteca Braidense in Mailand aufbewahrt (Coll.: AH.XIII.2/37).
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sendet Valentini von Mailand aus Cherubini «il libro da lei bramato (unico mio compagno di viaggio e sola mia guida) del Fernow», die Römischen Studien Carl Ludwig Fernows von 1808, was einerseits Valentinis Auseinandersetzung mit dem Werk Fernows, andererseits auch dessen Rezeption in Italien anzeigt. Außerdem schickt Valentini Cherubini das Programm seines Vollständigen Wörterbuchs und bittet ihn um eine Einschätzung. Valentini zeigt sich überaus erfreut über die Bekanntschaft mit Cherubini und hofft, über den Austausch unter Kollegen hinaus freundschaftliche Beziehungen über die Ländergrenzen hinweg aufbauen zu können, «una salda amicizia, la quale non solo riuscir dovesse di scambievole utilità nella quasi stessa carriera letteraria da noi entrambi professata, ma che legar volesse Suo cuore rinchiusi in due salme in si opposti paesi viventi». Es war nicht nachzuvollziehen, wie der Kontakt zwischen den beiden sich weiter entwickelt hat. Ebenso ist nicht belegbar, ob Cherubini sich für seine eigenen Übersetzungen aus dem Deutschen des Valentinischen Wörterbuchs, evtl. des bereits 1821 erschienenen Taschenwörterbuchs, bedient hat. Zeugnisse zu einem direkten Kontakt mit Gherardini konnten nicht gefunden werden.³³ Wie auszuführen ist, steht Valentini dem Mailänder in seinen linguistischen Ansätzen sehr nah.³⁴ Gherardini seinerseits zitiert Valentinis Trattato su la Commedia dell’Arte als Beleg in den Voci e maniere (1838–1840) und später im Supplimento (1852–1857) (cf. Gherardini 1838–1840, vol. 2, Tavola degli scrittori e de’ libri citati in quest’opera, 47 und Gherardini 1852–1857, vol. 6, Tavola degli scrittori e de’libri citati in questo supplimento, 36). Nach Italien wendet Valentini sich auch wiederholt, um Neuerscheinungen des dortigen Buchmarkts zu bestellen. In der Biblioteca Braidense in Mailand bzw. der Biblioteca Estense e Universitaria in Modena sind Briefe von ihm an Francesco Cusani Confalonieri und die Buchhändler Fusi und Resnati erhalten, in denen er um die Zusendung mehrerer Bände bittet. Einige davon scheint er für den eigenen Gebrauch, andere für die königliche Bibliothek bestellt zu haben, die er bei der Anschaffung italienischer Titel beraten hat. Die Auflistung der gewünschten Bücher zeigt, dass Valentini über italienische Neuerscheinungen insbesondere aus dem Bereich der Geschichte, der Philologie und natürlich der Lexikographie bestens informiert war.³⁵
33 Anfragen an den Indice dei carteggi e i fondi speciali delle biblioteche lombarde sowie an die Bibliotheken Palatina di Parma, Estense di Modena, Piancastelli di Forlì, die Briefwechsel von Gherardini verwahren, ergaben keinen Briefe von Valentini und Gherardini. 34 Es verwundert diesbezüglich, dass Valentini, der seine Quellen im Allgemeinen sehr genau benennt, Gherardini weder als Grundlage des Wörterbuchs noch der Raccolta angibt. 35 Cf. Boerner (1988, 22–23; 24–25) sowie zu den lexikographischen Titeln Kapitel 7.2.3.1. Im Brief an Fusi und Resnati schlägt Valentini auch einen Tausch von Büchern vor: «Potrà mandarmi, se
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Abb. 2: Valentini an Cherubini, 20. August 1829 (Biblioteca Braidense Mailand, Sign. AH.XIII.2/37, abgedruckt mit Genehmigung des Ministero dei beni e delle attività culturali e del turismo)
vuole, in cambio del mio trattato su le maschere, com’Ella m’ha esibito, forse la divina commedia di Dante con rami Bologna 1826» (Brief an Fusi und Resnati vom 8. Juni 1835, zitiert nach Boerner 1988, 25; das Original wird mit der Signatur Autografoteca Campori, Valentini Francesco in der Biblioteca Estense in Modena aufbewahrt, die mir freundlicherweise eine Reproduktion zur Verfügung gestellt). Es ist nicht auszuschließen, dass es sich beim genannten Exemplar des Trattato
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4.5.2 Versuch der Einrichtung einer Professur für italienische Sprache und Literatur Die Tätigkeit Valentinis fand weitestgehend ohne institutionelle Anbindung an die Berliner oder eine andere Universität statt.³⁶ Am 29. April 1843 wendete der Römer sich dann an den preußischen Minister für die geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten Eichhorn und schlug die Einrichtung einer Professur für italienische Sprache und Literatur an der Friedrich-Wilhelms-Universität vor, die er selbst gerne besetzen wollte.³⁷ Der Minister leitete seine Anfrage am 6. Juni 1843 mit einem Geleitschreiben an den Dekan der philosophischen Fakultät, Prof. Trendelenburg, weiter, der die Angelegenheit in einer Fakultätssitzung zur Sprache brachte und am 13. Juni die Professoren Lachmann, von Raumer, Toelken und Bekker zu einer Stellungnahme aufforderte, die sich sowohl mit der Notwendigkeit der Einrichtung des Lehrstuhls als auch mit der Qualifikation Valentinis auseinandersetzen sollte. Erhalten sind die Gutachten Lachmanns, von Raumers und Toelkens. Insbesondere aus dem sehr ausführlichen Gutachten von Lachmann geht hervor,
su la Commedia um dasjenige handelt, das Gherardini in den Voci e maniere und im Supplimento zitiert. Auch Gherardini bezieht Bücher über Francesco Fusi (cf. Nardin 1977, 185). 36 Gleichwohl ist belegt, dass Valentini an der Philosophischen Fakultät der Berliner FriedrichWilhelms-Universität als italienischer Sprachlehrer bekannt war. Prof. Dr. J. Eckenstein führt ihn 1835 in seinem Buch Der akademische Mentor in einer Liste von in Berlin lebenden Vertretern der neueren Sprachen auf (cf. Eckenstein 1835, 272, erwähnt in Risop 1910/1988, 52). Neben Valentini werden dort die Namen Fabrucci, Franceson, Schäfer, Seymour, Burkhardt, Jost und Schmitz genannt. Fabrucci, Franceson, Seymour und Schmitz sind im Vorlesungsverzeichnis der Universität Berlin als Lektoren nachgewiesen (cf. Verzeichniß der Vorlesungen, Sommerhalbenjahr 1820 bis Winterhalbenjahr 1858/59). Wie die zahlreichen Bezugnahmen auf die Arbeiten von Mitgliedern der Berliner Universität und die Hinweise auf den persönlichen Austausch mit diesen in den sprachwissenschaftlichen Werken sowie die Behandlung gleicher Fragestellungen zeigen, muss Valentini in das Wissensnetzwerk eingebunden gewesen sein. Der Doktortitel, der Valentini im Eintrag des Mitgliederverzeichnisses seiner Freimaurerloge zugeschrieben wird (cf. Fußnote 20 in diesem Kapitel), findet sich jedoch in keiner der weiteren ausgewerteten Quellen bestätigt. 37 Die einzelnen Schritte zu Valentinis Gesuch um die Errichtung einer Professur haben Boerner (cf. 1988, 56–58) und Risop (cf. 1910/1988, 65–68) nachgezeichnet, die sich auf eine fast vollständige Dokumentation des Verfahrens im Archiv der Humboldt-Universität Berlin stützen können (Bestand Phil. Fak. 1456; cf. auch Kossack 1972, 183). Erhalten sind das Schreiben von Minister Eichhorn an die Fakultät vom 6. Juni 1843, in dem auch das Datum der Anfrage Valentinis genannt wird (c. 133); der Vermerk des Dekans Trendelenburg vom 13. Juni 1843 (c. 134); ein Erinnerungsschreiben an die Gutachter (c. 136); die Gutachten Lachmanns, von Raumers (beide ebenfalls c. 134 und auszugsweise zitiert in Boerner 1988, 57) und Toelkens (c. 135) sowie das Protokoll der abschließenden Fakultätssitzung zu der Angelegenheit vom 10. August 1843 (c. 138). Bisher nicht auffindbar ist das Schreiben Valentinis an Eichhorn.
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wie eng die Überlegungen zu einer möglichen Einrichtung der Professur mit der grundsätzlichen Ausrichtung des Fachs Romanistik und seiner Besetzung in Berlin verbunden waren. Kurz zuvor war Victor Aimé Huber als Professor für neuere Philologie, Literatur und Literaturgeschichte berufen worden,³⁸ der mit Veranstaltungen zur provenzalischen, spanischen, italienischen und auch englischen Literatur ein sehr viel breiteres Spektrum abdecken konnte (cf. Boerner 1988, 57; Risop 1910/1988, 66–68) und dessen Lehrveranstaltungen sich mit denen Valentinis hätten überschneiden können. Dieser hatte bezüglich seines Lehrangebots mündlich angekündigt, er wolle vor allem «Vorträge über die Hervorbildung der italienischen Dialekte aus dem Lateinischen halten, […] und die Kenntniß der neueren Ital. Literatur, die er in Deutschland vernachlässigt glaubt, vermitteln» (Gutachten Toelkens vom 5. August 1843)³⁹ und zu Dante vortragen. Falls auch Huber, dessen Lehrangebot zum Zeitpunkt des Gutachtens noch nicht bekannt war, ebenfalls Vorlesungen zu Dante halten würde, müsse eine gesonderte Professur für Italienisch entfallen, führt Lachmann weiter aus (cf. Gutachten Lachmann vom 5. August 1843;⁴⁰ Boerner 1988, 57), der sich grundsätzlich eine eigene Professur für das Italienische vorstellen konnte, da das Fach Romanistik in seiner Breite nicht von einer einzigen Person abgedeckt werden könne, jedoch bei der Aussonderung einzelner Sprachen durchaus auch eine Gefahr für die Einheit der romanischen Philologie sah (ähnlich äußert sich auch Toelken; cf. auch Risop 1910/1988, 65–68).⁴¹ Bezüglich der Qualifikation Valentinis für eine Universitätsprofessur zeigt sich Lachmann unsicher. Valentini, «von durchaus achtenswerthem Charakter» (Gutachten Lachmann) sei ihm wie auch den übrigen Fakultätsmitgliedern bisher vor allem durch seine erfolgreiche Tätigkeit als Sprachlehrer bekannt und auch seine Schriften gründeten vor allem auf der praktischen Unterrichtstätigkeit. Lachmann würdigt die dem Vollständigen Wörterbuch vorgestellte Abhandlung über die Geschichte der italienischen Sprache, die in Zukunft zu berücksichtigen sei, wenn man tiefergehend über die Geschichte des Italienischen oder auch der
38 Die Umstände der Berufung von Prof. Huber waren nicht unumstritten und seine Lehrtätigkeit nahm, so Risop, einen «peinliche[n] Verlauf» (1910/1988, 80; cf. ausführlicher 68–80). 1852 schied er aus dem Staatsdienst aus, nur bis einschließlich Sommersemester 1847 sind im Vorlesungsverzeichnis der Universität Berlin Lehrveranstaltungen von ihm nachgewiesen. 39 Archiv der Humboldt-Universität Berlin, Bestand Phil. Fak. 1456, c. 135; leicht abweichend vom Original und mit c. 134 als Quellenangabe zitiert auch in Risop (1910/1988, 65). 40 Archiv der Humboldt-Universität Berlin, Bestand Phil. Fak. 1456, c. 134. 41 Ganz ähnliche Überlegungen stellen sich auch für die heutige Italianistik als Teildisziplin einer weiter angelegten Romanistik immer wieder, cf. für den Bereich der Literatur z. B. Hausmann (1996, 439–441).
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romanischen Sprachen im Allgemeinen arbeiten wolle, zeigt sich jedoch aufgrund der Arbeiten Valentinis außerstande, über dessen Qualifikation auf dem Gebiet der älteren italienischen Literatur zu urteilen. Von Raumer schreibt in seiner sehr kurzen Stellungnahme, es sei gar nicht nötig, Valentinis Befähigung ausführlicher zu prüfen, da bereits Prof. Huber berufen worden sei (cf. Gutachten von Raumer vom 5. August 1843⁴² und Boerner 1988, 57). In einer Fakultätssitzung wird am 10. August 1843 schließlich über die Errichtung des Lehrstuhls und Valentinis Berufung beraten und das Gesuch wird mit folgender Begründung abgelehnt: «Die Fac. erklärt sich gegen eine Particularisirung der Professur und glaubt bei aller Anerkennung des Prof. Valentini um so weniger sein Gesuch unterstützen zu dürfen, da erst Prof. Huber für neuere Philologie, Literatur und Literaturgeschichte berufen ist».⁴³ Mit der Ablehnung seitens der Universität endet Valentinis philologische Aktivität. Das letzte eigenständige Werk ist der zweite Band des Italienischen Jahrgeschenks für Deutsche, einer Sammlung von Lesetexten in italienischer Sprache, der 1843 erscheint. 1859 wird noch die dritte Auflage des italienisch-deutschen Taschenwörterbuchs veröffentlicht, eine wissenschaftliche, tiefergehende Beschäftigung mit der italienischen Sprache findet nicht mehr statt.
4.6 Rückzug nach Bad Freienwalde Die Enttäuschung darüber, dass die Einrichtung eines Lehrstuhls für italienische Sprache und Literatur abgelehnt worden war, nachlassende Kräfte und auch die historisch-politischen Entwicklungen der 1848er Revolution⁴⁴ mögen dazu geführt haben, dass Valentini 1848 Berlin verließ und sich im etwa 50 Kilometer
42 Archiv der Humboldt-Universität Berlin, Bestand Phil. Fak. 1456, c. 134. 43 Protokoll vom 10. August 1843, Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin, Best. Phil. Fak. 1456, c. 138; zitiert nach Boerner (1988, 58). De Botazzi erklärt die Tatsache, dass Valentini nicht an der Universität unterrichtete, in seiner Biographie in einer für den Römer beschönigten Interpretation: «non seppe pertanto decidersi ad accettare il dottorato di lingua e letteratura italiana presso questa Università a causa del suo temperamento imperioso, per tema di non potersi al caso signoreggiare in faccia a qualche studente indisciplinato» (1895, 42). 44 Eine entsprechende Interpretation findet sich bei Schnakenburgs Beschreibung der Geschichte der Società italiana: «L’anno 48 tanto fatale a molti troni fece anche sentire le sue scosse alla nostra Società. La paura di un cataclismo generale fu tanta che molti de’ nostri Membri più doviziosi e più distinti pel loro rango ricessero, i ministri stranieri furono richiamati ed ebbero successori non accreditati presso noi, e il nostro Direttore e fondatore lui stesso lasciò Berlino per ritirarsi nel suo castello di Monte Caprino per godere i frutti della sua vita laboriosa in ozio decoroso» (Schnakenburg 1865, 7).
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entfernten Bad Freienwalde, einem Kur- und Badeort des preußischen Hofs und der Berliner Gesellschaft, niederließ.⁴⁵ Valentini blieb hier nicht untätig, sondern suchte sich, neben der Beschäftigung mit Philosophie und Astronomie, bald ein neues Betätigungsfeld: «appassionato come un fanciullo alla bella natura, concepì l’idea di fondarvi una società di abbellimento. La sua idea trovò fautori e le contribuzioni ottenute per effettuare i suoi progetti d’abbellimento gli permisero di rendere sulle colline accessibili molti punti di vista, ai quali impose un nome italiano. Monte Caprino però rimase come il coronamento de’ suoi sforzi, essendo divenuto una specie di pellegrinaggio per tutti i visitatori di Freienwalde». (De Botazzi 1895, 45; cf. auch Schmidt 1938, 155–158; 310)
Der Römer avancierte schnell zu einer Art Lokalberühmtheit. Ein Zeugnis davon geben etwa die zeitgenössischen Beschreibungen von Teodor Fontane sowie des Malers Adolph von Menzel über ihre Aufenthalte in Freienwalde,⁴⁶ und auch in
45 Zum Zeitpunkt der Übersiedlung Valentinis nach Bad Freienwalde finden sich unterschiedlich Angaben. Während Schnakenburg 1865 das Jahr 1848 nennt, spricht De Botazzi von 1849 (cf. 1895, 45) und Schmidt von 1846 (cf. 1934, 155–156). 46 Fontane beschreibt im Kapitel zu Freienwalde in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg den Monte Caprino: «Unser nächster Besuch gilt dem Ziegenberg, früher ‹Zickenberg›, der sich jedoch an seiner einfachen Erhebung ins Hochdeutsche nicht genügen ließ und in einen ‹Monte Caprino› verwandelt wurde. […] Professor Valentini, manchem unsrer Leser aus alten Berliner Tagen her bekannt, hat dem Städtchen, in das er sich zurückzog, diesen Berg erobert und die höchste Kuppe desselben in die Liste der Freienwalder Schönheiten eingereiht. Wofür ihm zu danken. Ob wir ihm auch für das Häuschen zu danken haben, das unter dem Namen ‹Valentinis Ruh› sich an höchster Stelle des Berges erhebt und, mit blau und roten Gläsern ausstaffiert, den Besucher auffordert die Wiesenlandschaft abwechselungshalber auch mal blau und rot auf sich wirken zu lassen, ist ungewiß. Als desto gewisser aber wird es gelten können, daß die doppelspaltige, fünf Fuß hohe Inschrift des Häuschens auf den Professor allerpersönlichst zurückgeführt werden muß. Wer hier gestanden und diesen Versen gegenüber nach Verständnis gerungen, denkt mit Wehmut an den Ruinenberg und den kurzgefaßten Höltyschen Nachklang zurück» (Fontane 1863/1976, 57–58). Auf Valentinis Haus auf dem Monte Caprino und eine davon erhaltene Darstellung im Freienwalder Oderlandmuseum weist auch Denk (2005, 14–15) hin. Voll Spott ist die Beschreibung Valentinis durch von Menzel vom 31. Juli 1861: «Aus demselben Urgrund, aus dem den Pferden die Schwänze, gestutzt und die Mähnen zu Zöpfen eingeflochten werden, ist vom Schöpfer aller Dinge der hiesigen Natur auch ein Verschönerungsverein zugeordnet worden. Der Hauptwüterich in selbigem ist, was keine dächte – ein Römer und zwar der alte Valentini, der Sprachmatematikus [sic!]; der seit 14 Jahren hier wohnt, und außer den Wegbahnungen, Stufenbauten, Blickdurchhauen etc. auch die meisten Höhen und Berge dahier aus der Taufe gehoben hat. Und so steigt der irdische Wasserschlucker […] von Montecaprino nach Casa rivera, und vom dunklen Grund nach Bella vista, […]» (zitiert nach Schmidt 1938, 156–157).
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heutigen Reiseführern und Zeitungsartikeln zu Bad Freienwalde wird Valentinis Wirken dort stets erwähnt.⁴⁷ Aus Freienwalde stammt auch eine Beschreibung der Gestalt Valentinis durch einen Zeitgenossen, Robert Springer: «Der Professor Valentini, ein geborener Römer, war ein Greis in der Fülle der Manneskraft, ungebeugt, rüstig und breitschultrig, mit gebräuntem Gesicht, lebhaften Augen, weißem Haupt- und Barthaar; der Kopf erinnerte an die Abbildung, die uns vom Sokrates überkommen ist, der Bart, die Gestalt und das Gebahren fast an den alten Jahn». (zitiert nach Schmidt 1938, 310)
Abb. 3: Francesco Valentini (De Botazzi 1895, 43; Bayerische Staatsbibliothek München)
47 Cf. z. B. den Reiseführer Oderbruch von Worch (2012, 141), sowie die Zeitungsartikel Ein Römer in Bad Freienwalde von Ernst-Otto Denk (erschienen im Neuen Tag am 13. Oktober 1989, 4) und Sonnenbaden unterm Monte Caprino von Christoph Stollowsky (erschienen im Tagesspiegel und in leicht veränderter Fassung in den Potsdamer Neuesten Nachrichten am 18. 5. 2005, cf. http://www.tagesspiegel.de/berlin/sonnenbaden-unterm-monte-caprino/609060.html bzw. http://www.pnn.de/potsdam/136650/ [letzter Zugriff: 15.11.2015]).
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De Botazzi druckt, ohne Angabe des Künstlers, ein Porträt Valentinis ab (De Botazzi 1895, 43; cf. Abb. 3) und beschreibt ihn als «forte e ben costrutto […] d’una natura energica, attiva, infaticabile, e nel tempo stesso d’una tenerezza squisita, propria di fanciullo, d’un’amabilità naturale e piena di brio» (De Botazzi 1895, 46), jedoch auch als imperioso (De Botazzi 1895, 42), Schnakenburg als «focoso e tonante» (Schnakenburg 1865, 3). Dass Valentini, wenn er verärgert war, heftig reagieren konnte, belegt auch eine Schrift, mit der er auf den Raubdruck seines Wörterbuchs antwortete (cf. Kapitel 8.2.1). Zugleich muss er sich durch einen großen Sinn für Humor ausgezeichnet haben, was seine Gelegenheitsdichtungen, die Modelldialoge in den didaktischen Werken oder die Riten der Società italiana belegen. Am 15. März 1862 verstarb Francesco Valentini in Berlin und wurde am 19. März auf dem St. Hedwigsfriedhof beigesetzt (cf. Boerner 1988, 15). Heute befindet sich das Familiengrab der Valentinis auf dem Friedhof am Columbiadamm in Berlin-Neukölln.
5 Valentinis Beitrag zur Vermittlung italienischer Sprache und Kultur 5.1 Überblick über die sprach- und kulturvermittelnden Arbeiten Wenn Francesco Valentini heute ein Platz in der Geschichte der Italianistik gebührt, so ist dies in erster Linie aufgrund seines lexikographischen Werks. Daneben hat der Römer jedoch auch Werke zur Sprach- und Kulturvermittlung verfasst, die direkt aus seiner Unterrichtstätigkeit hervorgegangen sind. Es handelt sich um die Lettere sulle regole della lingua italiana (1818), ergänzende Ausführungen zur italienischen Grammatik in Briefform; die Neue theoretisch-praktische italienische Grammatik für Teutsche (1824), eine vollständige Grammatik; das Lehrbuch Der italienische Lehrer (1827–1828); die Aussprachelehre (1834), einen schmalen Band mit Regeln zur Aussprache und zur Sprache der Poesie; die Dialoghi e Colloquj italiani e tedeschi (1839), eine Sammlung von Modelldialogen in Verbindung mit einem systematischen Wörterbuch und die Strenna italiana pei tedeschi (1842–1843), eine Lektüresammlung; schließlich um einen Trattato su la Commedia dell’Arte (1826). Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf dem lexikographischen Werk Valentinis. Eine Integration seiner sprach- und kulturvermittelnden Arbeiten – abweichend von der eingehenden Analyse des lexikographischen Œuvres in überwiegend deskriptiver Perspektive – sollte in diesem Rahmen jedoch nicht ausbleiben, da 1) sich in ihnen die Entwicklung seiner philologischen Tätigkeit und seiner Sprachkonzeption von den Anfängen ab Ende der 1810er Jahre (und in zeitlicher Nähe zum ersten Taschenwörterbuch von 1821) bis zum Erscheinen des Vollständigen Wörterbuchs und darüber hinaus ablesen lässt; 2) die Integrierung gesprochensprachlicher Elemente in die überwiegende Ausrichtung auf literarische Texte und die Auswahl der in den Übungen und Lektüren als modellhaft vorgeschlagenen Autoren in den Lehrwerken Hinweise auf die Sprachkonzeption bietet, die auch in den Wörterbüchern Ausdruck findet; 3) der Vermittlung von Grammatik und Aussprache auch im Vollständigen Wörterbuch weiter Raum zugestanden wird und die Ausführungen in den Lehrwerken ergänzend und erläuternd herangezogen werden können; 4) es als Exkurs erhellend ist, Valentinis Situierung in der Grammatikschreibung und in der Methodologie des Fremdsprachenunterrichts im frühen 19. Jahrhundert aufzuzeigen. Dabei scheinen Parallelen zu Tendenzen in der
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Lexikographie des Römers auf: Auch in den Lehrwerken und in seinen Methoden steht Valentini zwischen modernen Strömungen seiner Zeit – dem Beginn der wissenschaftlichen Grammatikschreibung mit Einflüssen aus Frankreich, Italien sowie den deutschen Grammatiken von Adelung und später Grimm sowie der Übernahme der Grammatik-Übersetzungsmethode aus den klassischen Sprachen – und zeigt sich zugleich verhaftet in der Tradition. So steht er noch eng in der Folge der Sprachmeister, bringt jedoch in die bestehenden Strömungen eigene neue Impulse ein. Als besonders beachtenswert unter den sprachdidaktischen Arbeiten und an der Schnittstelle zum lexikographischen Werk präsentieren sich die Dialoghi. Ihnen wird im Folgenden eine etwas ausführlichere Darstellung gewidmet, da sie erstens auch einen lexikalischen Teil enthalten und zweitens eine interessante Textsorte zur Erforschung der Geschichte der gesprochenen Sprache – in Valentinis Werk besonders wichtig – darstellen. Während zur Geschichte der italienischen Grammatiken und Lehrwerke in Deutschland mit Gorini (1997) eine Arbeit vorliegt, die den Zeitraum von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert abdeckt, endet die Darstellung zu Gesprächsbüchern mit dem 18. Jahrhundert (cf. Radtke 1994; Franceschini 2002 und 2003; Waentig 2006). Die Textsorte besteht jedoch auch im 19. Jahrhundert fort und erfährt mit dem Beitrag Valentinis eine Neuerung. Daher ist die Darstellung hier als erster Vorschlag zu werten, die Forschungslücke zu schließen. Gegenüber früheren Dialogsammlungen werden bei Valentini Themen ergänzt, deren Wortschatz auch für seine Lexikographie ausschlaggebend ist. Aus der unterschiedlichen Natur der sprach- und kulturvermittelnden Werke, zusammen mit der chronologischen Reihenfolge ihres Erscheinens, ergibt sich für dieses Kapitel folgende Gliederung: Zunächst wird der Trattato su la Commedia dell’arte als isoliertes Werk zur Kulturvermittlung vorgestellt. Es folgt eine Betrachtung der Werke mit Beitrag zur Grammatikvermittlung – Lettere, Neue Grammatik und Italienischer Lehrer –, die in die zeitgenössische Grammatikproduktion in Deutschland und Italien eingeordnet und bezüglich der vermittelten Sprachnorm, der befolgten Methode und der Zielgruppe dargestellt werden, vor einigen Ausführungen zur Aussprachelehre, die einen Bereich der Sprachvermittlung vertieft, der Valentinis gesamtes Werk durchzieht, und eine erste Analyse der Dialoghi als Werk zur Vermittlung gesprochener Sprache. Nach einer rein deskriptiven Darstellung zum Italienischen Jahrgeschenk wird abschließend nochmals gesondert herausgearbeitet, nach welchen Methoden Valentini in seiner Unterrichtspraxis vorgeht – dieser Abschnitt ist als Ergänzung zu künftigen Arbeiten zur Geschichte des Fremdsprachenunterrichts zu lesen – und an welche Zielgruppe er sich richtet, was wiederum zum Vergleich der Zielgruppe des Vollständigen Wörterbuchs beiträgt.
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5.2 Trattato su la Commedia dell’Arte (1826): Porträt der italienischen Masken und lebendige Schilderung des römischen Karnevals Der 1826 bei Wittich in Berlin veröffentlichte Trattato su la Commedia dell’Arte, ossia improvvisa. Maschere italiane, ed alcune Scene del Carnevale di Roma ist dem preußischen Prinzen Friedrich, einem Sohn des Bruders von König Friedrich Wilhelm III. (1770–1840) und Schüler Valentinis, gewidmet. Der XVI-70 Seiten nebst 20 kolorierten Kupferstichen umfassende Band besteht aus vier Abtheilungen: einem Abriss über die Commedia dell’Arte, der Darstellung ihrer Masken, der Beschreibung der Masken des römischen Karnevals sowie der Beschreibung einiger Szenen des Karnevals. Die Texte sind sowohl in deutscher als auch in italienischer Sprache verfasst. Anders als in den späteren Werken, wo zweisprachige Textteile parallel präsentiert werden, steht hier, als handele es sich um zwei Bücher, zuerst der vollständige italienische, dann der vollständige deutsche Teil. Zu jeder der beschriebenen Masken, sowohl der Commedia dell’Arte als auch des römischen Karnevals und zu einigen Szenen des römischen Karnevals, sind zwischen den beiden Teilen kolorierte Kupferstiche von Johann Heinrich Stürmer als Illustration beigefügt, für die Valentini selbst Modell gestanden hat.¹ Folgende Abbildung zeigt ihn in der Maske des Tartaglia. Die Abteilung «Die Comödie aus dem Stegreif» bietet, ohne in die Tiefe zu gehen, einen kurzen Abriss der Entwicklung der italienischen Commedia dell’Arte, deren Krise und die unterschiedlichen Auswege bei Gozzi und Goldoni (cf. Trattato, dt. 1–8), beides Dichter, die Valentini sehr schätzt und die er auch als Quellen für seine Lehrwerke und Wörterbücher heranzieht, wobei Goldoni, insbesondere als Beispiel für gesprochene Sprache und Phraseologie, sehr häufig, Gozzi aufgrund der starken dialektalen Einschübe und der geringeren Ausarbeitung der Szenarien seltener zitiert wird. Als Beispiel für ein canovaccio einer traditionellen
1 Der deutsche Text liest sich bisweilen recht holprig. Dieser Eindruck nimmt bei den deutschen Textteilen in den später entstandenen Werken Valentinis ab. Mit seinen Kupferstichen und durch die vermutlich geringe Auflage ist der großformatigen Band ein Buch von einem gewissen materiellen Wert. Die eingesehene Ausgabe der Bonner Universitäts- und Landesbibliothek trägt auf der Innenseite des Deckeleinbands einen Revisionseintrag, der den Wert auf 4600,– DM beziffert. Der Universitätsstempel auf der Rückseite des deutschen Titelblatts verrät zudem, dass der Band bereits zur Zeit, als die Bibliothek noch den Titel einer königlichen Universitätsbibliothek trug, nach Bonn gekommen ist. Andere Ausgaben in Deutschland weist der KVK in der Bibliothek des deutschen Theatermuseums in München, im Landesamt für Denkmalpflege in Schwerin, in der Anna Amalia-Bibliothek sowie in den Staatlichen Museen Berlin nach. Für Italien ist der Band über den SBN in Rom nachgewiesen (Biblioteca provinciale sowie Biblioteca vaticana).
Trattato su la Commedia dell’Arte (1826)
Abb. 4: Porträt des Tartaglia (Trattato, dt. V; Universitäts- und Landesbibliothek Bonn)
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improvisierten Komödie enthält der Abschnitt einen Auszug aus I contratti rotti (Trattato, 3–6; im deutschen Text in deutscher Übersetzung, cf. Trattato, dt. 4–6). Es schließt sich die Beschreibung der wichtigsten Masken der Commedia dell’Arte an. Vorgestellt werden Arlecchino, Pantalone, Dottor Balanzoni, Brighella, Tartaglia, Smeraldina und Pulcinella, jeweils mit ihrem typischen Kostüm, ihrem Charakter und ggf. dem Auszug eines Stücks, in dem die Maske eine Rolle spielt (z. B. eine Szene aus Gozzis Il Corvo zu Pantalone, cf. Trattato, dt. 11–13, oder aus Goldonis Impostore zu Arlecchino und Brighella, cf. Trattato, dt. 14–17). Als Zielgruppe fasst Valentini, über Gelehrte und an der italienischen Literatur und dem italienischen Theater Interessierte allgemein hinaus, im Vorwort auch Theaterdirektoren ins Auge, denen die Darstellungen und Abbildungen der Masken als Orientierung dienen könnten (cf. Trattato, dt. V). Zum römischen Karneval hatte bereits Goethe in der Italienischen Reise seine Eindrücke geschildert und Valentini bittet im Vorwort, dass man ihn nicht «einer Anmassung beschuldigen möge, dass ich einen Gegenstand gewählt, der schon von dem grossen Göthe behandelt worden ist» (Trattato, dt. IV). Er beginnt seine Beschreibung mit der Darstellung der im Karneval am häufigsten anzutreffenden Masken (z. B. bajacci, Zauberer, Kehrerinnen, Bettlerinnen und Bettler, deutsche Bäcker, Gespenster, Gärtnerinnen und Gärtner), ihrem Kostüm, ihren Gesten und ihren typischen Verhaltensweisen während der Karnevalsfeierlichkeiten (cf. Trattato, dt. 23–29). Die Beschreibung soll dem deutschen Leser als Muster zum Maskieren dienen, denn eines der Ziele, die der Trattato verfolgt, ist die Adaption des italienischen Karnevals in Deutschland (cf. Trattato, dt. V). Entsprechende Versuche hatte Valentini auch im Rahmen der Aktivitäten der Società italiana unternommen. Im Abschnitt zu einigen Szenen des römischen Karnevals spielt Valentini den Reiseführer, der seine Leser mit Beschreibungen des Karnevalstreibens rund um den Corso führt. Dabei beweist er in der Schilderung der Szenerie, der Scherze und Streiche einzelner Masken große Erzählkraft und komisches Talent. Hier lohnt sich ein Vergleich mit den entsprechenden Absätzen in Goethes Kapitel «Das römische Karneval» aus der Italienischen Reise. Wenngleich zahlreiche Elemente des Karnevalstreibens, die beide Texte für beschreibenswert halten, deckungsgleich sind – z. B. die Wahl des Pulcinellenkönigs; das Pferderennen auf dem Corso; der Brauch, am letzten Karnevalstag moccoli, kleine Kerzen, zu tragen und mit dem Ruf «Sia ammazzato chi non porta moccolo!» die Kerzen der anderen auszublasen und Scherze zu treiben – und ist an einzelnen Stellen nicht auszuschließen, dass Valentini sich stärker an Goethe als an den eigenen Erinnerungen an den Karneval seiner Heimatstadt orientiert, so sind doch Darstellungsabsicht und Erzählstil stark abweichend. Während Goethe die Rolle eines externen Beobachters einnimmt, taucht Valentini in die Szene ein und reißt seinen Leser mit. Ein
Trattato su la Commedia dell’Arte (1826)
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Beispiel ist die angesprochene Schilderung des Kerzenausblasens: Sowohl Goethe als Valentini berichten eine Szene, in der ein Priester verspottet wird, («Sia ammazzato il signor Abbate che fa l’amore», Trattato, dt. 36; «Sia ammazzato il Signore Abbate che fa l’amore», Goethe 1786/1997, 513), doch während bei Goethe die Beschreibung der Szene aus der Distanz heraus fortgesetzt wird, endet sie bei Valentini wie folgt: «Werfen Sie nur noch den letzten Blick hinaus, wie diese Lichtfluthen sich regen, steigen und sinken, so weit nur unser Auge reicht! Geschrei, Gelächter, Glanz, Dampf, Qualm. Aber um Himmelswillen, wo ist mein Licht geblieben? Wer hat es mir treuloser Weise ausgeblasen? Was bedeutet das ironische Gelächter um mich herum? ‹Sia ammazzato il signor Valentini che fa il descrittore!› O ich Aermster, das ist mein Lohn. – Gute Nacht». (Trattato, dt. 37)
Goethe selbst gehört zu den Rezipienten des Trattato su la Commedia.² Er schreibt darüber in einem Brief vom 19. April 1830 an Marianne von Willemer: «Sollten Sie aber ein gewisses Werk nicht kennen: ‹Abhandlung über die Comödie aus dem Stegreif […]›, so sende solches zu heiterer Unterhaltung. Gern sollte es Ihnen gänzlich als Erb- und Eigenthum überlassen seyn, wenn es meine Familie nicht als Hausschatz ansähe, der jederzeit im Anfange des Jahrs seine Zinsen tragen müsse. Auch dießmal wurde das Werkchen so lebhaft benutzt daß es dem Buchbinder zu übergeben war um solches zu retten und wieder herzustellen; und in solcher neuer Kleidung steht es zu Diensten». (Goethe Werke, vol. 4, 47, 23–25)
Die von Valentini anvisierte Absicht, dass der Trattato als Vorbild zum Verkleiden dienen möge, scheint also erreicht worden zu sein. Als weiterer prominenter Nutzer ist auch Giovanni Gherardini zu nennen, der den Trattato als Quelle für die Voci e Maniere und den Supplimento verwendet (cf. Kapitel 4.5.1). Schließlich wird der Trattato im 19. und 20. Jahrhundert in verschiedenen Arbeiten zur Theatergeschichte zitiert (cf. z. B. Merlini 1894, 135; Klingler 1902, 21, der vermutet, dass die Arbeit «Sand zum Vorbild gedient haben mag» sowie Tessari 1981, 180).
2 Cf. Boerner (1988, 43). Ein Exemplar von Valentinis Trattato ist auch im Italiensaal des Goethe-Museums in Düsseldorf ausgestellt, cf. www.goethe-museum.com/register/de/dept_39. html [letzter Zugriff: 15.11.2015].
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5.3 Die sprachdidaktischen Arbeiten vor dem Vollständigen Wörterbuch: Spiegel eines Normmodells des Italienischen vor Manzoni Im Zeitraum von 1750 bis 1850 erschienen in Deutschland nicht weniger als 68 Grammatiken und Lehrwerke des Italienischen (cf. Albrecht 1997, 206, auf der Basis der Bibliographie von Gorini 1997). Die Autoren kamen häufig aus der Praxis, viele von ihnen waren italienische Lektoren. Aus Valentinis Umfeld in Berlin traten etwa C. F. Franceson (1822) und Fabrizio Fabbrucci (1835; auf beide verweist Boerner 1988, 44) als Autoren von Sprachlehren hervor. Ein großer Verkaufserfolg war die bereits in Kapitel 2.1.1 erwähnte Italienische Sprachlehre des in Wien unterrichtenden Domenico Antonio Filippi, die der von Valentini wohl am stärksten ähnelt. Daneben kommen bedeutende Grammatiken der Zeit auch von deutschen Autoren: Prominente Beispiele, denen die Forschung in den letzten Jahren größere Aufmerksamkeit gewidmet hat, sind die Grammatiken von Meidinger, die Sprachlehren von Moritz (1791), Jagemann (1792) und Fernow (1804).³ Auch die im 17. Jahrhundert in Frankreich entstandene Sprachlehre Maître Italien Giovanni Veneronis, auf den in seiner Rolle als Lexikograph in Kapitel 3.3 hingewiesen wurde, strahlt in einer ihrer zahlreichen deutschen Ausgaben (cf. Gorini 1997, 112) weiter aus. Der Sprachunterricht des frühen 19. Jahrhunderts ist gekennzeichnet vom Neuhumanismus nach dem Ideal Wilhelm von Humboldts. Der Unterricht moderner Fremdsprachen an den Gymnasien wird zurückgedrängt, und wo er noch stattfindet, wird nach dem gleichen Prinzip wie bei den klassischen Sprachen verfahren: Der Schwerpunkt liegt auf dem Auswendiglernen von Grammatik und Lexik, wobei die Grammatikreflexion einen übergeordneten Stellenwert einnimmt. Dies findet auch Umschlag in den Lehrbüchern, die einen methodischen Übergang von der Tradition der Sprachmeister zur Grammatik-Übersetzungsmethode
3 Jagemann, Moritz und Fernow verfassten ihre Sprachlehren nach der Rückkehr von längeren Italienaufenthalten, cf. Albrecht (1997, 206). Meidinger, der als Begründer der GrammatikÜbersetzungsmethode gilt (cf. Niederländer 1981, 21), war Italienisch- und Französischlehrer in Frankfurt. Zur Sprachlehre von Meidinger cf. Gorini (1997, 166–175); zu der von Jagemann Albrecht (1996, 137–138; 1997, 210–213 und 2006, 18–19) sowie Glaser (2006 und 2008, 123–130; 145–148; 171–264); zu der von Moritz cf. Albrecht (1997, 213–216) sowie insbesondere Tintemann (2005 und 2006); zur Sprachlehre von Fernow Albrecht (1996, 141–143; 1997, 216–218 und 2000, 82–84); Gorini (1997, 176–186) sowie Glaser (2008, 130–143; 149–258; 264–279). Eine nahezu vollständige chronologisch geordnete Bibliographie der erschienenen Italienischlehrbücher des genannten Zeitraums bietet Gorini (1997, 360–364).
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widerspiegeln.⁴ Für das Italienische, das häufig außerhalb eines institutionellen Kontexts gelehrt wird, bleiben jedoch auch praktische Bedürfnisse ausschlaggebend, was sich in der Lehrbuchproduktion in einer Vielzahl von Konversationsbüchern bzw. Lehrbüchern mit reicherem Übungsteil neben den reinen Grammatiken niederschlägt (cf. Gorini 1997, 164–165; 204–206). Die Mischung unterschiedlicher Darstellungsformen ist auch in Valentinis grammatischem Werk nachweisbar und zwar sowohl im Vergleich der einzelnen Werke zur Grammatik untereinander⁵ als auch innerhalb der einzelnen Arbeiten. Zudem kennzeichnet sie das Bestreben, sprachliche Phänomene, die zuvor nicht systematisch beschrieben worden sind, zu erfassen, bisher als gegeben Dargestelltes logisch zu durchdringen und in Regeln festzuhalten. Was die in den in Deutschland verfassten Grammatiken kodifizierte Sprache betrifft, so ist neben dem «inevitabile ‹ritardo› rispetto agli sviluppi dell’analisi e descrizione grammaticale in territorio italiano⁶ […] una generale tendenza conservatrice in fatto di lingua» (Gorini 1997, 320) zu konstatieren. Sie findet sich auch in der Grammatikdarstellung von Valentini wieder, wohingegen der Römer im Bereich der Lexik und auch in der Darstellung von gesprochener Sprache etwa in den Dialoghi eine stärker progressive Haltung einnimmt. Die Grammatikschreibung in Italien ist in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht besonders produktiv. Statt neuer Werke werden überwiegend neue Ausgaben der Grammatiken des vorigen Jahrhunderts bzw. Grammatiken in der Ausrichtung der beiden wichtigsten Grammatiken des Settecento veröffentlicht. Dabei handelt es sich um die Regole ed osservazioni della lingua toscana (1745) von Corticelli und die Grammatica ragionata (1771) von Soave. Corticellis Grammatik, in der Tradition Buonmatteis, beruft sich auf die Autorität der Tre Corone und der Accademia della Crusca und ihres Wörterbuchs: «nelle Regole […] assumono il ruolo di quarta, celebratissima corona» (Patota 1993, 119). Als Grammatik mit didaktischer Absicht, für den Gebrauch in Seminaren, stellt sie die Regeln zur
4 Zum frühen 19. Jahrhundert «sotto il segno della ‹grammatica›» verweise ich mit Gorini (1997, 204) auf die Arbeiten von Balboni (1985), Titone (1980), Schröder (1980) und Hüllen (1981) zur Geschichte des Fremdsprachenunterrichts, für einen Überblick der unterschiedlichen Methoden auf Neuner (1989). 5 Die Lettere sind in ihrer Form sehr frei, die Neue Grammatik an der GrammatikÜbersetzungsmethode orientiert und auf die Beschreibung der Grammatik konzentriert, der Italienische Lehrer dagegen wieder offener und teilweise an der Schnittstelle zur Lexikographie. 6 Diese Einschätzung Gorinis ist bezüglich einzelner in Deutschland verfasster Arbeiten zu revidieren. So stellt die Sprachlehre Fernows, was die Ausführlichkeit der Syntaxdarstellung angeht, bis Ende des 19. Jahrhunderts in Italien erschienene Grammatiken in den Schatten (cf. Albrecht 1996, 142 und 2000, 82) und wird von italienischen Zeitgenossen als beste italienische Grammatik überhaupt gewürdigt (cf. Trabalza 1963, 436).
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leichten Memorisierung übersichtlich gegliedert dar. In der deutschen Grammatikographie lehnt sich Jagemann eng an sie an (cf. Albrecht 1996, 138; Glaser 2006, 148–149). Die grammatica ragionata dagegen steht in der Tradition der französischen Grammatik von Port Royal (1660) und geht von der Grundannahme aus, dass die verschiedenen Sprachen unterschiedlich geformter Ausdruck der Gedanken seien. Ihr Kern ist die analisi logica. Für die puristische Grammatikschreibung mit ihrer stark normativen Ausrichtung, die neben den Arbeiten in der Tradition Soaves den zweiten wichtigen Strang des 19. Jahrhunderts bildet, werden die Regole elementari della lingua italiana (1833) von Puoti beispielgebend. Die überwiegend mit literarischen Beispielen arbeitende Grammatik schließt Formen des zeitgenössischen Gebrauchs wie lui in Subjektsfunktion oder gli als unbetontes Personalpronomen in Funktion des indirekten Objekts im Plural anstelle von loro konsequent als Fehler aus. Andere Grammatiken der Zeit Valentinis wie die 1828 veröffentlichte Grammatica della lingua italiana des Klassizisten Ambrosoli verzeichnen die Formen zumindest und überlassen den Gebrauch der Entscheidung des Nutzers. Mit dem Beginn und dem Fortschreiten des 19. Jahrhunderts ist die Grammatikschreibung immer enger an die Bedürfnisse der Schule und die Verbreitung des Italienischen als Nationalsprache gebunden. Dies drückt sich in einer klaren Struktur mit festen Regeln, einfachen Beispielen und Übungen aus (cf. z. B. die Introduzione alla grammatica italiana Gherardinis von 1825). Ein Phänomen des hier interessierenden Zeitraums stellen neben vollständigen Grammatiken Verbtabellen dar, welche die zahlreichen Varianten der Verbmorphologie in der literarischen Tradition verzeichnen.⁷ Ähnliche Tabellen enthält auch die Neue Grammatik Valentinis (cf. Kapitel 5.3.2). Die folgende Darstellung zu Valentinis Beitrag im Bereich Lehrwerke und Grammatik ist zweigeteilt. Zunächst werden die drei Werke mit Grammatikregeln – Lettere, Neue Grammatik, Italienischer Lehrer – einzeln vorgestellt. Leitfragen dabei sind die nach der im Vorwort zum Ausdruck gebrachten Motivation zur Verfassung des Werks und dessen Ziel, die nach herangezogenen Quellen und zugrundeliegendem Grammatikmodell und die nach der beschriebenen Varietät (cf. auch Albrecht 1997, 210). Außerdem wird auf das didaktische Prinzip, die befolgte Methode und die Zielgruppe (cf. zu diesem Kriterium auch Glaser 2006, 145, bezüglich der Sprachlehre von Jagemann) sowie die als Lese- und Überset-
7 Diese mehr als synthetische Zusammenfassung der italienischen Grammatikproduktion des frühen 19. Jahrhunderts lehnt sich an Serianni (1989c, 58–61), Fornara (2005, 78–88; 92–95) und Migliorini (11 2004, 553–554) an. Cf. ausführlicher, jedoch stellenweise überholt, die klassische Geschichte der italienischen Grammatik von Trabalza (1963, 377–506), außerdem Bonomi (1998b, 75–81); Patota (1993, 118–128) und Poggi Salani (1988, 779–780). Zur Entwicklung der Schulgrammatik des hier interessierenden Zeitraums cf. Marazzini (1997).
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zungstexte zitierten Autoren eingegangen. Die Grammatikkonzeption und die kodifizierte sprachliche Norm werden dann in einem abschließenden Kapitel für alle drei Werke synoptisch zusammengestellt.
5.3.1 Lettere sulle regole della lingua italiana (1818) Vom ersten Werk, das Valentini veröffentlichte, dem Tableau pour conjuger tous les Verbes réguliers et irréguliers de la langue italienne (Berlin 1816, cf. Boerner 1988, 41), konnte kein Exemplar mehr aufgefunden werden. Die früheste erhaltene Arbeit Valentinis dürften somit die Lettere ad un amico concernenti degli schiarimenti sulle regole della lingua italiana von 1818 sein.⁸ Sie sind in kleiner Auflage im Selbstverlag erschienen und heute sehr selten. Die einzigen recherchierbaren Exemplare befinden sich in Italien, in Bari (Biblioteca Nazionale Sagarriga ViscontiVolpi) und in der Biblioteca comunale von Siena.⁹ Bereits in der Widmung dieses frühen Werks an Valentinis Privatschüler Graf von Meuron kommt das Konzept der «lingua toscana in bocca romana» zum Ausdruck, das sich schon ab dem 17. Jahrhundert in Sprachlehren niederschlägt (cf. Radtke 1986, 108–110; Schweickard 2010, 104–105) und das auch für Valentinis Sprachauffassung entscheidend ist. So beschreibt er das Italienische des Grafen folgendermaßen: «quella favella che ho avuto il piacere, e che ho tuttavìa l’onore d’insegnarle […], e la quale ella è giunta a parlare coll’armoniosa pronunzia romana, ed a scriverla con quella scelta di voci, costruzioni, modi di dire, e leggiadri motti, ch’al puro Idioma toscano appartengono». (Lettere, [VII])
Allerdings wird sich Valentinis Sprachkonzeption im lexikalischen Bereich im Laufe seines Schaffens wandeln und das Toskanische hier nicht mehr als Ideal angesehen werden. Im Vorwort geht Valentini auf die Umstände der Verfassung der Lettere ein. Bereits seit 1816 hätten seine Schüler ihn aufgefordert, seine Grammatik-
8 Der Titel auf dem äußeren Einband, Lettere del Dr. F. Valentini sulle regole della lingua italiana, weicht von dem auf der ersten, Lettere concernenti degli schiarimenti sulle regole della lingua italiana, und dieser wiederum von dem auf der dritten Seite, Lettere ad un amico concernenti degli schiarimenti sulle regole della lingua italiana ad uso degli studiosi di questa favella da Francesco Valentini Maestro di lingua e letteratura italiana, leicht ab. 9 Dieses von mir eingesehene Exemplar diente auch Boerner für die Ausstellung in Berlin (cf. 1988, 42).
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ausführungen aus dem Unterricht zu veröffentlichen.¹⁰ Der konkrete Anlass, diesen Wunsch umzusetzen, sei schließlich die Bitte eines in Schlesien lebenden Kameraden des Russlandfeldzugs gewesen, der per Brief um Erklärungen zu einzelnen Grammatikkapiteln gebeten habe. Die Lettere bestehen dementsprechend aus einzelnen Heften zu bestimmten Regeln der italienischen Sprache und Begleitbriefen an den Freund. Sie sind als appendice zu anderen Grammatiken gedacht, als Ergänzung für fortgeschrittene Schüler, «che voglionsi perfezionare in conoscere la forza reale di tante frasi mal interpretate, e gli avvantaggi, che l’impiego delle nostre regole, procura all’abile scrittore» (Lettere, XIII). Mit dieser Zielgruppe im Blick und wohl auch aufgrund der eigenen noch eingeschränkten Deutschkenntnisse ist das Werk ganz in italienischer Sprache verfasst. Die Inhalte umfassen, mit besonderer Berücksichtigung der literarischen Sprache, sowohl Grammatik- als auch Wortschatzfragen, wobei die Abfolge nicht linear ist. Die ersten vier Hefte enthalten Grammatikregeln, auf die im Folgenden näher eingegangen wird. Heft VII umfasst einige Regeln zur Orthographie, die sich mit der Konsonantendopplung bei zusammengesetzten Wörtern und der Groß- und Kleinschreibung befassen. Zu letzterem beruft sich Valentini auf die Ausführungen von Salviati (cf. Lettere, 102). Das Heft schließt mit literarischen Beispielen zum Phänomen der Ellipse. Die Hefte V, VI und VIII beschäftigen sich mit einzelnen lexikalischen Phänomenen: Verben, die in besonderer Bedeutung von bestimmten Autoren verwendet werden (Lettere, Heft V, §. 1),¹¹ Verben in festen Wendungen (Heft V, §. 2)¹² und dem Bedeutungsunterschied zwischen
10 Hierbei greift Valentini, wie bereits die meisten seiner Vorgänger – verwiesen sei nur auf Jagemann, cf. Glaser (2006, 144) oder Fernow (1804, V–VI) auf den Topos zurück, dass alle zuvor veröffentlichten Grammatiken und Lehrwerke große Mängel enthielten (cf. Lettere, XI). Auch im dritten Brief wiederholt er: «altro proposto non mi sono, che dilucidare e supplire, a quello che gli altri hanno imbrogliato, ommesso, o spiegato non come si deve; e così agevolare la via a’ miei allievi» (Lettere, 3). 11 Zu diesen Verben wird jeweils eine Definition der Bedeutung beim jeweiligen Autor angegeben, gefolgt vom Autorenbeispiel, etwa: «CONDURRE per indurre. Con la maggior fatica del mondo a prendergli, ed a mangiare la condusse […] (Bocc.)» (Lettere, 69). Valentini gibt im vorausgehenden Brief an, sie aus einer «recentissima Grammatica italiana» (Lettere, 67) übernommen zu haben, die jedoch nicht zu ermitteln war. 12 Aufgelistet sind die Hilfsverben sowie die Verben andare, dare, fare, favellare, stare, sapere, tenere und venire in festen Verbindungen. Diese sind jeweils mit einer französischen Übersetzung versehen, z. B. unter «Differenti significazioni di Sapere»: «Sapere a mente savoir par coeur saper di buono sentir bon […]» (Lettere, 82). Es gehört zu Valentinis Methode, dem Lerner feste Wendungen, bisweilen auch Versatzstücke an die Hand zu geben, «molto utili e necessarie per sapere spandere, nel tradurre o nel favellare,
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«Sinonimi apparenti» (Lettere, 86), also semantisch nah beieinander liegenden Wörtern, die Valentini, teilweise in veränderter Anordnung, ohne Quellenangabe aus Veneronis Maître Italien übernimmt (Lettere, VI).¹³ Das letzte Heft ist eine Sammlung von Ausdrücken der poetischen Sprache. Es stellt im Vers gebrauchte lautliche Varianten (Lettere, Heft VIII, §. 1) und eine Liste dichterischer Ausdrücke, wiederum mit französischer Übersetzung (Heft VIII, §. 2), zusammen. Auch bei dieser handelt es sich um eine Übernahme aus Veneronis Maître italien (cf. Veneroni 1803, 492–513). Insgesamt sind weite Teile der Lettere auf Erklärungen zur Literatursprache zugeschnitten. Im zehnten Brief schreibt Valentini explizit, dass die meisten Schüler Italienisch mit dem Ziel, die wichtigsten Dichter lesen zu können, lernten: «Ella sa benissimo, che la maggior parte di quei ch’intraprendono lo studio dell’ italiana favella, vi sono incitati dal desio di ricavare dalla lettura de’ nostri Poeti una nuova sorgente d’istruzione e di piacere» (Lettere, 111). Dementsprechend sind alle Regeln an literarischen Beispielen veranschaulicht, grammatische Regeln werden auf das Vorkommen der entsprechenden Phänomene in der Literatur hin interpretiert (cf. z. B. die Komparation, Lettere, 37–43 oder die Ellipse, 108–110). Die am häufigsten zitierten Autoren sind Dante, Petrarca und Boccaccio sowie Bentivoglio¹⁴. Daneben finden sich Auszüge aus Metastasio, Tasso, Davanzati, Sacchetti, Giovanni Villani, Chiari, dem Malmantile sowie den Libri sagri. Zitiert werden aus allen Autoren lediglich kurze Ausschnitte. Bei den seltenen Hinweisen auf zugrundeliegende Grammatiken und linguistische Arbeiten des eigenen Werks sowie bei direkten Übernahmen wie denen aus Veneroni fehlt die Angabe der Quellen. Meist wird auf andere Grammatiken als Negativbeispiele referiert. Positiv bewertet werden lediglich die neu erschienene Grammatik, auf die Valentini sich bezüglich bestimmter Bedeutungen von Verben beruft (cf. Lettere, 67), sowie «l’immortale Ab. Alberti» (Lettere, 85), von dem eine Einschätzung zu den Charakteristika des Italienischen wiedergegeben wird. Auch die linguistische Terminologie ist in den Lettere noch nicht gefestigt, wie
quell’aria nazionale che caratterizza la nostra favella» (Lettere, 45). Zum Rückgriff auf das Französische zur Erklärung in den Lettere cf. weiter unten in diesem Kapitel. 13 Cf. als Beispiel «DISCONTINUARE, CESSARE. Diremo discontinuare un lavoro, un’ impresa cominciata che s’interrompe; cessare, quando si abbandoni» (Lettere, 90). Andere Ausführungen sind sehr viel länger und stellen bis zu vier vermeintliche Synonyme gegenüber. Es ist nicht nachweisbar, welche Ausgabe des von 1678 bis mindestens 1844 (cf. Gorini 1997, 112) in zahlreichen Auflagen erschienenen Maître italien Valentini verwendet hat. Verglichen wurde für diese Arbeit mit der Ausgabe von 1803 (cf. dort für das oben zitierte Bsp. S. 442). 14 Werke Bentivoglios kommen bereits im 17. Jahrhundert in Lehrwerken des Italienischen zum Einsatz, so auch bei Veneroni, cf. Mattarucco (2003, 72–73, n. 59).
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die Beschreibung der in Heft VIII, §. 1 beschriebenen Phänomene mit Begriffen wie soppressioni oder addizioni (cf. Lettere, 112) zeigt. Um die Lettere als Beitrag zur Grammatikvermittlung einzuordnen, sei abschließend näher betrachtet, wie Valentini in den entsprechenden Heften vorgeht, welche Themen er behandelt und was sich daraus auch über seine Unterrichtsmethode ableiten lässt. Als Supplement stellen die Lettere keine systematische Grammatik dar, sondern behandeln lediglich einzelne Phänomene: zum Gebrauch der Artikel und Präpositionen, zur Pluralbildung der Nomen, zu den Pronomen, der Alteration und Komparation der Adjektive, zum Gebrauch der Verben. Das Ziel ist es, auf Feinheiten und Zweifelsfälle einzugehen, die sich aus der konkreten Unterrichtspraxis ergeben.¹⁵ Dem dient die sehr freie Darstellungsform in den Briefen, aber auch in den Erklärungen, die über Regeln hinaus häufig Reflexionen und weiteren Ausführungen Valentinis Raum geben.¹⁶ Z. B. werden die Wortarten zu Beginn ihrer Behandlung sehr ausführlich und unter Rückgriff auf sprachgeschichtliche und semantische Kriterien sowie in der Tradition der grammaire raisonnée unter Betrachtung von sprachlichen Einheiten als Ausdruck von Gedanken und Konzepten definiert,¹⁷ wohingegen in der späteren Neuen Grammatik die Definitionen sehr knapp gefasst sind. An anderen Stellen hält Valentini es für notwendig, die Logik des Italienischen und daraus abgeleitet seine Überlegenheit gegenüber dem Französischen zu beweisen.¹⁸ So zeigt er im Abschnitt zu den
15 Im Abschnitt zum Gebrauch der Artikel werden beispielsweise Fragen zur unterschiedlichen Bedeutung bzw. den unterschiedlichen Kontexten von fuori di Prussia und fuori della Prussia oder Veggo Uomini vs. Veggo degli Uomini diskutiert und anhand von literarischen Beispielen aus Texten von Boccaccio illustriert (cf. Lettere, 12–14). Man kann sich gut die Unterrichtssituation vorstellen, in der der Schüler fragt, warum in einem Beispiel der Artikel zu setzen sei, im anderen dagegen nicht. 16 Darin sind die Lettere vergleichbar mit der Italienischen Sprachlehre von Moritz (1791), deren Stil Albrecht als «essayistisch» (1997, 214) beschreibt und in der er eher eine «Sprachbeschreibung für Kenner und Liebhaber als eine[…] Grammatik sensu stricto» (Albrecht 1997, 215) sieht. 17 Cf. z. B. die Ausführungen zur Alteration der Adjektive: «Se è vero che le parole in generale sono le immagini de’ pensieri, ed i pensieri le immagini delle cose; allora appunto i pensieri di alcuno debbonsi riputare giusti e felici, quando rappresentan la verità delle cose; ed allora le parole ne riescano fortunate quando espongono accuratamente, quasi in uno specchio, i pensieri e tutte le loro circostanze. Ora una qualunque cosa può essere, e conseguentemente può ancora pensarsi corredata delle qualità di grande, di piccola, di aggradevole, di nojosa, di stimabile, di spregevole, di cara, di odiosa, e di mille altri tali. All’espressione di questi accidenti i quali talora in un bisogno colpiscono più che la cosa stessa, si sogliono impiegar gli aggettivi o gli avverbj. Ma la nostra Lingua superiore in questo punto ad ogni altra, con accidenti di parole spiega comodamente, e felicemente, gli accidenti delle cose» (Lettere, 35–36). 18 Vergleiche mit dem Französischen ex negativo und mit ideologischer Motivation finden sich etwa auch in der Sprachlehre Jagemanns, cf. Albrecht (1997, 213).
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Pronomen die Eigenschaft des Italienischen, durch die verschiedenen Stellungen und Formen der Pronomen eine pragmatische Markierung vorzunehmen, belegt dies wiederum an literarischen Beispielen und leitet daraus eine Sonderstellung des Italienischen unter den europäischen Sprachen ab (cf. Lettere, 23–26). Ein erklärtes Ziel der Lettere über die Darstellung der Sprache hinaus ist die Erläuterung der eigenen Unterrichtsmethode (cf. Lettere, 3; 14–15). Diese zeichnet sich besonders durch zahlreiche Rückgriffe auf das Französische aus, wohl auch, weil Valentini zu dieser frühen Phase seiner Aktivität als Italienischlehrer noch nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt, um Erklärungen in der Muttersprache seiner Schüler und Leser geben zu können. Vor allem aber kann er bei Erklärungen einzelner Phänomene der Grammatik und der Aussprache (beispielsweise der Realisierung des stimmhaften palatalen Nasals) auf Analogien mit dem Französischen zurückgreifen, das er bei seinem Publikum zumindest in Grundkenntnissen als bekannt voraussetzen kann: «Quasi ognuno ch’impara l’italiano sà il francese» (Lettere, 33) schreibt er selbst in den Lettere. Auch die Benutzung der Veneronischen Grammatik als Grundlage mag schließlich den Gebrauch des Französischen, insbesondere der französischen Äquivalente zu italienischen Verben, erklären. Seine Methode, die Konjunktion und den Gebrauch der italienischen Verben zu unterrichten, erklärt Valentini sehr ausführlich im sechsten Brief: «Imparato che [i miei scolari] hanno i due Ausiliarj ed il Verbo Amare di cui mi servo di Tipo per la 1. Conjugazione, dò loro parecchj Verbi a conjugare, perchè s’addestrino ed imprimano le loro desinenze; passo poscia alla 2. Conjugazone, e gli¹⁹ faccio conjugare i Verbi regolari posti accanto a Credere, Tipo dei Verbi desinenti in ere; faccio lo stesso colla 3. Conjugazione. Nell’istesso tempo mi debbono imparare l’impiego delle persone, de’modi e tempi, particolarmente del Soggiuntivo, avendo perciò dilucidato il loro impiego, con semplicità e chiarezza». (Lettere, 44)
Dabei geht er auch auf die Bedeutung des Auswendiglernens und der Übersetzung als Methoden in der Fremdspachendidaktik ein: «stò principalmente attento nelle traduzioni, che non s’avvezzino a fare queste servilmente, ciòe [sic!] senza fare alcuna inversione, senza curarsi d’impadronirsi di certi giri e maniere gentili ed eleganti» (Lettere, 44–45). Schließlich ist auch die Form des Werks selbst, also die Ausführungen zur Grammatik in Form eines Dialogs mit dem Schüler, hier schriftlich in den Briefen,
19 Auffällig hier der Gebrauch von gli anstelle von loro, den Valentini in den Regeldarstellungen der frühen Grammatikarbeiten nicht zulässt, cf. Kap. 5.3.4.
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in der Grammatik später in fiktiven Gesprächen, ein kennzeichnendes Element von Valentinis Unterrichtspraxis.
5.3.2 Neue theoretisch-praktische italienische Grammatik für Teutsche (1824) Nach den als Supplement gedachten Lettere in ihrer freien Form legt Valentini 1824 mit der Neuen theoretisch-praktischen Italienischen Grammatik für Teutsche²⁰ eine vollständige, systematische Grammatik vor. Sie erscheint mit einem Umfang von XVI-633 Seiten in 8°bei Amelang in Berlin und ist «[d]en Teutschen» gewidmet (Neue Grammatik, [III]).²¹ Im Vorwort nimmt Valentini eine Definition von Grammatik vor: «Unter Grammatik versteht man die Art und Weise, eine Sprache in ihre einzelnen und einfachsten Merkmale und Theile aufzulösen, die Darstellung, wie dieselben unter einander verbunden sind, und die Aufführung der Regeln, denen eine Sprache unterworfen ist» (Neue Grammatik, VII). Mit dem Ziel des Lerners im Blick, die Sprache «nicht oberflächlich zu lernen, sondern ganz mit dem Geiste derselben vertraut zu werden» (Neue Grammatik, V), dürfe der Grammatiker nicht bloß mechanisch Regeln aufzählen, sondern habe bei der Erstellung eine analytische Methode zu befolgen, sich dabei jedoch in der Darstellung von einer synthetischen
20 Der vollständige Titel lautet Neue theoretisch-praktische Italienische Grammatik für Teutsche, worin im ersten Theile alle zur Erlernung der Sprache dienende [sic!] Regeln nach einer ganz neuen Methode klar und faßlich dargestellt sind. Der zweite Theil enthält eine Auswahl unterhaltender Aufsätze in beiden Sprachen; einige der im gemeinen Leben gebräuchlichsten Redensarten; zwölf belehrende Gespräche, als Erläuterung jedes Hauptstücks der Grammatik, und einen Abriß der Geschichte der italienischen Sprache und Literatur. Zum Gebrauche in Schulen und beim Selbstunterrichte, die Verfasserangabe «Dr Fr. Valentini, Lehrer der italienischen Sprache und Literatur in Berlin». Sie ist deutschlandweit in Bibliotheken verbreitet. Eingesehen wurde das Exemplar der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart. 21 In der Widmung gibt Valentini Pflicht, Erkenntlichkeit und Nothwendigkeit als Triebfedern für die Erstellung an: Pflicht, «weil ich von meiner frühesten Jugend an zu dem Stande berufen war, der mir auch späterhin vom Zufall und auf eine ungewöhnliche Art beschieden wurde», Erkenntlichkeit «gegen eine Nation, deren Wohlwollen mir (wenigstens in der Hauptstadt, in welcher ich lebe,) in so hohem Grade zu Theil wurde, daß ich nicht anstehen konnte, dem Verlangen Genüge zu leisten» und Nothwendigkeit, da nach den bisher bestehenden Lehrsystemen «die scharfsinnigen und gegründeten Fragen denkender Teutsche[r]» nicht genügend beantwortet werden und sie außerdem «weder auf logischen, noch überhaupt auf philosophischen Grundsätzen» beruhen (Neue Grammatik, [III–IV]).
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leiten zu lassen.²² Valentini gibt keine Quellen an, auf die er sich stützt, sondern schreibt im Gegenteil, er sei «zuweilen genöthigt gewesen, die Meinungen und Behauptungen anderer anzufechten» (Neue Grammatik, VIII). Insbesondere die Darstellungsweise Fernows, dessen Grammatik von 1804 für das frühe 19. Jahrhundert als Referenz gilt, wird in den folgenden Kapiteln immer wieder scharf kritisiert.²³ Die Neue Grammatik besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil werden in fünfzehn Kapiteln (Lernstücken) die Aussprache, die Wortarten (unterschieden werden wie in heutigen Grammatiken zehn Wortarten), die Syntax sowie bestimmte grammatische Figuren behandelt. Der Anlage der Grammatik als theoretisch-praktisch²⁴ gemäß folgen auf die Regeln jeweils Übungen,²⁵ meist in Form von Übersetzungen. Der zweite Teil bietet eine Sammlung unterschiedlicher Texte und Materialien: Auszüge literarischer Texte zum Übersetzen, kleine Modelldialoge und -briefe, Erläuterungen zu einzelnen Grammatikkapiteln in Dialogform, Verbtabellen, Ausführungen zur Entwicklung der italienischen Sprache, zu den wichtigsten italienischen Autoren sowie zu den Dialekten. Mit diesem Aufbau stellt Valentinis Neue Grammatik einen Mischtyp nach der Klassifikation Gorinis dar, der die Sprachlehren des 19. Jahrhunderts in zwei Gruppen einteilt: Die erste Gruppe ist am Praxisbezug orientiert und weist mit Übun-
22 Bezüglich der Grundsätze zur Erstellung sowie zur Darstellung verweist Valentini im Vorwort auf den Grundsatz Wolfs «Methodus analytica vocatur methodus inventionis; methodus vero synthetica methodus doctrinae» (Neue Grammatik, VII). 23 Cf. insbesondere die Darstellung der Präpositionen, wo Valentini nach dem Zitieren einer von Fernows Regeln schreibt: «Ich bitte alle diejenigen, welche die italienische Sprache lernen, auch die Gelehrten, wer es auch sey, mir zu sagen, ob sie nach dieser Regel einen deutlichen Begriff von dem Verhältnißworte erhalten, und ob sie die Anwendung desselben verstanden haben? Ich greife hier Euer Idol: Fernow! an; ich setze mich dadurch dem Unwillen Vieler aus, ich weiß es; aber ich will den Teutschen die italienische Grammatik lehren, daher kann ich nicht ein blinder Lobredner seyn […]. Aber es ist unläugbar, daß die Teutschen sowohl als die Neuern Italiener alle mehr oder weniger Abschreiber und Plünderer des Fernow sind» (Neue Grammatik, 31). Bei dieser Kritik ist zu beachten, dass Fernows Grammatik zwar durchaus den Charakter einer Sprachlehre hat, Fernow aber stärker «ein Sprachwissenschaftler [ist], der die Form des Lehrwerkes gleichsam nutzt, sprachtheoretische Reflexionen, kognitive Zusammenhänge und zeichentheoretische Erkenntnisse zu vermitteln» (Glaser 2008, 254). Valentinis Bezug auf Fernow ist bisher in der Rezeptionsgeschichte von dessen Werk nicht beachtet worden. Glaser, die in ihrer Monographie zur Sprachlehre Fernows die in Deutschland erschienenen italienischen Grammatiken, die sich auf Fernow stützen, auflistet (cf. Glaser 2008, 290–304), erwähnt Valentini nicht. 24 Auch Filippis Sprachlehre trägt im Titel den Zusatz «practisch-theoretisch» und vereint mit dem Ziel, eine konkrete Methode anzubieten (cf. Raffaelli 1998, 476), Grammatikbeschreibung, Übungen, Dialoge und Wörtersammlung. 25 Ausnahmen bilden lediglich die Kapitel 11 bis 15.
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gen zur Aussprache, Glossaren und Modelldialogen noch größere Ähnlichkeiten zur Zeit der Sprachmeister auf. Die zweite dagegen ist an einer stärker wissenschaftlichen Beschreibung der Sprache mit der Darstellung aller Redeteile und der Syntax interessiert und präsentiert sich häufig als reine Grammatik ohne weitere Zusätze (cf. Gorini 1997, 205). Durch die vielfältigen Inhalte, verbunden mit der theoretisch-praktischen Grammatikdarstellung mit klaren Regeln und Übungen, ist die Neue Grammatik für unterschiedliche Zielgruppen interessant. Wie der Untertitel angibt, ist sie sowohl von Schulen – dabei ist zu bedenken, dass institutionalisierter Unterricht in neuen Fremdsprachen im frühen 19. Jahrhundert entweder in der Universität oder aber in Bürgerschulen, Realschulen, Höheren Handelsschulen, kaum jedoch im Gymnasium stattfindet (cf. Kapitel 2.1.1 sowie Gorini 1997, 162–164) – als auch im Selbststudium verwendbar, enthält neben der Grammatikdarstellung Inhalte sowohl für Liebhaber der italienischen Sprache mit überwiegend literarischem Interesse als auch für Lerner mit eher praktischen Bedürfnissen. Der erste Teil, der die systematische Grammatikdarstellung enthält, öffnet mit Definitionen, in denen die Grundbegriffe der Syntax (für Valentini zählen dazu Wort, Satz, Subjekt, Attribut, Phrase, Periode, Beiläufige oder zufällige Bestimmungen; cf. Neue Grammatik, 1) bestimmt sowie die Redeteile aufgezählt werden. Valentini folgt innerhalb der einzelnen Kapitel, die sich an den Wortarten orientieren, der deduktiven Methode: Zuerst werden Regeln gegeben, dann folgen Übungen dazu. Gemäß der Strömung des Neuhumanismus befolgt Valentini hier die Grammatik-Übersetzungsmethode, nach der die modernen Fremdsprachen wie das klassische Latein oder Griechische gelehrt werden, und die ab dem Ende des 18. Jahrhunderts Eingang in die Lehrwerke findet (cf. auch Gorini 1997, 164–165). Die Grammatik ist in deutscher Sprache verfasst. In den Regeln fehlen nun die Analogien zum Französischen, die die Lettere kennzeichneten. Die Darstellung ist präziser, meist übersichtlich gegliedert und gegenüber den Lettere relativ stark formalisiert, enthält jedoch auch diskursive Elemente, in denen Valentini selbst über seine Regeln reflektiert und in einen teilweise umgangssprachlichen Stil fällt.²⁶ Die Ausführungen sind sehr ausführlich, gehen auf Sonderfälle ein und versuchen, diese zu motivieren. Zumeist erfolgt zunächst eine Definition der Wortart, gefolgt von allgemeinen Regeln, die dann feiner untergliedert und anhand von Beispielen zum konkreten Gebrauch ausgeführt werden. Die Gram-
26 Dieser findet sich insbesondere in der Auseinandersetzung mit früheren Grammatiken, z. B. im folgenden Auszug: «Vor allen Dingen bewahre mich der Himmel, die Verfasser und deren angewandte Mühe verschreien zu wollen. Mühe? nun ja, die ist nicht zu verkennen – indeß auch nichts als Mühe! Keine wirkliche Erforschung oder einleuchtende Zergliederung der Sprachregeln!» (Neue Grammatik, 30)
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matik weist in dieser Ausführlichkeit, der starken Auseinandersetzung mit den Vorgängern, insbesondere Fernow, und der Betonung, dass Regeln selbst erarbeitet und eigenständig dargestellt würden, durchaus einen wissenschaftlichen Anspruch auf. Alle Regeln werden sowohl im Fließtext als auch in diesem nachgestellten Tabellen durch Beispiele veranschaulicht, wobei es sich teils lediglich um einzelne Syntagmen, teils um konstruierte Beispielsätze und, insbesondere in den nachgestellten Tabellen, auch um Autorenzitate handelt. Als Beispiel sei ein Ausschnitt aus dem Abschnitt zur Präposition a zitiert: «III. Anwendung des Verhältnißwortes a. Das Verhältnißwort a hat keine andere Bestimmung, als den B e g r i ff d e s S t re b e n s d e s Z eitwor ts mit dem er s trebten G egen s tand e in Beziehung zu bringen; dieses Streben aber kann verschieden seyn, nämlich: 1. Ein Streben nach einem Orte; dann muß das Zeitwort ein solches Streben ausdrücken, z. B. andare a Roma, a casa etc., avviarsi al giardino (nach Rom, nach Hause gehen, sich nach dem Garten begeben u. dgl. […]) […] Beispiele über das Verhältnißwort a. I. Seguitai poi il mio viaggio per terra, e venni in due giorni a Cremona, in due altri a Pavia, ed in uno e mezzo a Casale di Monferrato. Bent. (Neue Grammatik, 42–43)
Ich setzte dann meine Reise zu Lande fort, und kam in zwei Tagen nach Cremona, in zwei andern nach Pavia, und in einem und einem halben nach Casale di Monferrato».
Der Autorenkanon weicht von dem der Lettere deutlich ab. Zitiert werden nun überwiegend neuere Autoren wie Alfieri, Bentivoglio, Foscolo, Zanotti, Verri, Pindemonte, Guarini, Pignotti, Metastasio, Gozzi, Casti, Baretti und Goldoni. Dieser Trend wird im Italienischen Lehrer, der sich auf Autoren des 19. Jahrhunderts hin konzentriert, noch verstärkt. Die Grammatik enthält verschiedene Übungstypologien. Zunächst wird, zur Einübung der Aussprache, mit Leseübungen gearbeitet. Auf die Erklärungen zu den einzelnen Lauten folgen Wortlisten zum lauten Vorlesen (Neue Grammatik, 7–11), am Schluss des Kapitels stehen Lesetexte von Dichtern, um alle eingeführten Phänomene gemeinsam zu wiederholen. Laut Valentini sei dies eine gute Methode für den Anfänger «damit sich seine Zunge, so zu sagen, löse, und an die verschiedenen Kombinationen der Sylben und Wörter gewöhne» (Neue Grammatik, 12; cf. auch Kapitel 5.3.5 zur Aussprachelehre von 1834). Bei den ausgewählten Stücken handelt es sich um La Zucca von Lorenzo Pignotti sowie Auszüge aus Petrarca und aus Tassos Gerusalemme liberata.
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Der bei weitem häufigste Übungstyp ist die Übersetzung.²⁷ Dabei finden sich verschiedene Abwandlungen, nämlich – die Übersetzung vom Deutschen ins Italienische von erfundenen Beispielsätzen (cf. z. B. Neue Grammatik, 24, zu den Adjektiven); – die Übersetzung vom Deutschen ins Italienische von Einzelsätzen und Auszügen aus deutschen literarischen Texten (cf. z. B. Neue Grammatik, 72; 74, zu Präpositionen und Artikeln);²⁸ – die Rückübersetzung vom Deutschen ins Italienische von italienischen Texten, die zuvor vom Autor ins Italienische übertragen wurden (cf. z. B. Neue Grammatik, 24; für die ursprünglichen italienischen Texte, die als Lösungen dienen, 333–355); – die Übersetzung vom Italienischen ins Deutsche; hierbei sind meist literarische Texte in Auszügen oder Einzelsätze daraus zu übersetzen (cf. z. B. Neue Grammatik, 25 zu den Adjektiven; 73; 75; 77; 79; 81 zu den Artikeln und Präpositionen), die Aktivität ist zugleich als Lektüreübung gedacht. Zu den Übersetzungsübungen erfolgen jeweils am Seitenende Vokabelangaben. So wird für den Benutzer teilweise ausgeglichen, dass im Bereich der Lexik keinerlei Rücksicht auf den Lernstand genommen, sondern von Beginn an ein breit gefächertes, häufig nicht dem Grundwortschatz angehörendes Vokabular verwendet wird (z. B. im dritten Lernstück, zu den Adjektiven, die Einführung von Vokabeln wie leutselig, jähzornig; Rubin, Hyazinth etc., cf. Neue Grammatik, 20). Teilweise werden auch ganze Versatzstücke als Vokabelhilfe angegeben, insbesondere, wenn der Ausgangstext komplexe grammatikalische Strukturen oder idio-
27 Zur Bedeutung der Übersetzung in Lehrwerken des Italienischen cf. auch Kofler (2008). 28 Bei den deutschen Sätzen zum Übersetzen ins Italienische handelt es sich zumeist nicht um kohärente Texte, sondern aneinandergereihte Sätze. Häufig handelt es sich um Sprichwörter und Weisheiten oder Sätze, die mit der gesellschaftlichen Ordnung zusammenhängen (und in denen sich Valentinis enger Bezug zum Hof widerspiegelt). Andere kurze Texte lassen das bildungsbürgerliche Zielpublikum erkennen. Zur Veranschaulichung mögen zwei kurze Auszüge aus Übungen zu den Präpositionen mit Artikel, entnommen dem Italienischen Lehrer, der ebenfalls diese Übungsform enthält, dienen: «Im Zorn muß man nichts ausführen. – Man erkennet die guten Brunnen in der Dürre, und die Freunde im Unglück. – Die Fürsten thun mehr durch Erwägung und Ueberlegung als mit der Hand und mit den Waffen. In dem Dintenfasse ist keine Dinte und in dem Schubladen kein Papier. […]». (Ital. Lehrer, vol. 1, 30) «Die heilige Tiber, die ägyptischen Obelisken, die Tempel noch umwölkt vom Dampfe der Opfer; das flavische Amphitheater, welches da liegt wie ein zerstückelter Riese, und die Säulen, welche beschreiben die Gebräuche des Kriegerstandes, […] erfüllen die Seele mit sanfter Bewunderung». (Ital. Lehrer, vol. 1, 27)
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matische Wendungen enthält (cf. z. B. Neue Grammatik, 84). Die Übersetzungsübungen sind in fortschreitender Komplexität angeordnet. So konzentrieren sich die ersten Texte stets auf ein zu übendes grammatikalisches Phänomen – in italienischen Ausgangstexten ist dies zudem durch Kursivdruck hervorgehoben – die folgenden, längeren Texte umfassen mehrere Phänomene bzw. mehrere Aspekte eines Phänomens (cf. z. B. die Übungen zu den Pronomen oder zu den Verben, bei denen zunächst die einzelnen Konjugationsklassen geübt, bevor zum Schluss «Uebungen über alle Zeitwörter in allen ihren Modi und Tempi» angeboten werden, Neue Grammatik, 126–130; 325–332). Der zweite Teil ist nach der Konzentration auf die reine Grammatik im ersten Teil in der Zusammenstellung der Inhalte freier. Er zeichnet sich durch einen stärkeren Praxisbezug aus und nimmt verschiedene Themen auf, die für zeitgenössische Lerner des Italienischen von Interesse sind. Zunächst enthält er weitere Auszüge zum Übersetzen, nämlich für die Übertragung in die Fremdsprache Christian Friedrich Wilhelm Jacobs’ Aus Rosaliens Nachlaß, für die Übertragung ins Deutsche «alcune delle ultime lettere die Jacopo Ortis» von Foscolo, einen «Squarcio delle Prose e Poesie» von Pindemonte, Il Parricida von Verri sowie einen «Squarcio della Vita» von Alfieri. Außerdem werden als Beispiel für die italienische Komödie – vielleicht auch im Hinblick, diese als Modell für die gesprochene Sprache zu verwenden – einige Szenen aus den Innamorati von Goldoni wiedergegeben. Mit einer Sammlung von «Frasi famigliari» folgt eine Zusammenstellung fester Wendungen, Gruß- und Höflichkeitsformeln sowie Auszügen typischer Gesprächssituationen, die als Modell für die mündliche Kommunikation in der Fremdsprache dienen. Dabei ist der italienische Text dem deutschen gegenübergestellt: Che fate, carissimo, state bene? Benissimo, a’commandi vostri; e voi, come ve la passate? Così, così, (bene); sempre disposto a servirvi. […] (Neue Grammatik, 477)
Was machen Sie, Theuerster, befinden Sie sich wohl? Sehr wohl, zu Ihrem Befehl; und Sie, wie geht es mit Ihrem Befinden? So, so, (gut); immer bereit Ihnen zu dienen. […]
Hier ist im Lehrwerk noch die praktische Ausrichtung, die in der Tradition der Sprachmeister steht, sich aber an die Bedürfnisse der neuen Zeit anpasst, erhalten. Sie setzt sich in den folgenden «Lettere diverse» (cf. Neue Grammatik, 490–499) als Modelle geschriebener Sprache fort. Die konstruierten Briefe, jeweils mindestens aus einem Schreiben und der Antwort darauf bestehend, bieten konkrete Muster für den Schriftwechsel in italienischer Sprache zwischen Ge-
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schäftspartnern, Freunden und Verwandten. Als authentische Briefe sind in der Folge einige Lettere Famigliari von Zanotti wiedergegeben.²⁹ Ein Anklang an die Methode der Sprachmeister, in der die Lehrer-Schüler-Beziehung, nicht das Lehrbuch im Mittelpunkt steht (cf. Gorini 1997, 204), findet sich auch in den «Dodici dialogi, che servono d’Appendice ai Capitoli di questa Grammatica» (Neue Grammatik, 500).³⁰ Die Themen der Dialoge sind: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.
Si parla della Pronunzia Romana³¹ Si parla dell’ irregolarità d’alcuni Nomi al plurale … dell’ Aggettivo passivo, detto Participio … delle Preposizioni … dell’ Articolo … d’alcuni Pronomi … del modo di contar le ore in Italia … delle Comparazioni … di Superlativi, e de’ Verbi alterati Si discute di qual vantaggio siano le innovazioni introdotte nei Modi e Tempi de’ Verbi Si parla dell’uso di dar del LEI, e del VOI, in vece del TU Si discute, se l’armonia e dolcezza delle Voci della Lingua italiana, dalla desinenza, e quantità delle Vocali provenga, oppure dalla sede dell’accento, e dal Numero.
Hier werden also zum einen Bereiche vertieft, die dem deutschen Italienischlerner erfahrungsgemäß Schwierigkeiten bereiten bzw. die Zweifelsfälle aufweisen (z. B. Präpositionen, Artikel, Pronomen) oder die Valentinis Meinung nach in anderen Grammatiken nicht adäquat behandelt werden (z. B. die Präpositionen bei Fernow, cf. Neue Grammatik, 509), zum anderen solche, die für Valentinis Sprachkonzeption wichtig sind (z. B. die römische Aussprache) und die Gelegenheit bieten, die eigene Darstellung zu loben. Überdies stellen die Dialoge in begrenzter
29 Modellbriefe bietet auch Filippi in seiner Sprachlehre an, cf. z. B. diese in der Ausgabe von 1802 (269–306). Die Tradition geht bereits auf Veneroni zurück, cf. Gorini (1997, 18). Die Integration authentischer Briefe dient der Präsentation eines Sprachmodells, das Antonelli in Anlehnung an Sabatini (1985) als «italiano scritto dell’uso medio» bezeichnet (Antonelli 2003, 9). Auf die Bedeutung dieser Varietät für Fremdsprachenlerner kommt Valentini, wie die weitere Analyse zeigen wird, an mehreren Stellen in seinem Werk zurück. 30 Die Tradition der Grammatikvermittlung durch fiktive Lehrer-Schüler-Dialoge in Lehrbüchern geht bis in die Spätantike zurück und basiert auf dem zum Lateinunterricht weit verbreiteten Donatus minor. Für die Vermittlung der modernen Fremdsprachen finden sich die ersten derartig aufgebauten Lehrwerke im 14. Jahrhundert in Flandern und England, cf. Franceschini (2002, 133–134; 141). 31 Einen Dialog, in dem eine regionale Aussprache als Norm thematisiert wird, bietet auch die Sprachlehre von Filippi. Hier wird Siena, Rom und Pistoia der Vorzug gegeben, cf. den Auszug in Palermo/Poggiogalli (2010, 236–238).
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Form Ausschnitte von Konversationssituationen mit modelhaften typischen Gesprächseröffnungen und Höflichkeitsformen sowie der Abbildung gesprochener Sprache dar. Als Beispiel sei aus dem Dialog zur Aussprache zitiert: A. Si può venire avanti? V*. Resti servita. A. Buon giorno signor V*. Come se la passa? V*. Passabilmente. E lei? A. Benissimo, ai suoi comandi. Non so, se ben si ricorda, che l’altro jeri ebbi l’onore di conoscerla in Casa B***. […] Se si ricorda, noi entrammo in discorso della Pronunzia Italiana, e nel più bello fummo interrotti. […] Prima di tutto vorrei sentire pronunziare dalla sua bocca la s dopo una liquida: l, n, r. […] Veda, ella pronunzia tutto altrimenti, non dice contzolare, geltzo etc. […] Ma mi dica, questa regola non l’ho vista in nessun altra grammatica. V*. Questa Pronunzia è solo Romana; e gli altri Italiani, che l’hanno intesa alcune volte, la imitano o cercano d’imitarla. Io mi sono azzardato a darla in luce la prima volta, perchè fondata sull’Eufonia, e perchè la Pronunza Romana viene stimata, ed è riconosciuta da tutti, e dappertutto per essere la migliore. […] (Neue Grammatik, 500–501)
Als Hilfe für Lerner, die poetische oder ältere Texte in italienischer Sprache lesen möchten, sind in einem weiteren Kapitel fünf Tafeln mit in solchen Texten vorkommenden, von der Norm des Ottocento abweichenden Verbendungen zusammengestellt (Neue Grammatik, 532–536; cf. auch im Italienischen Lehrer, vol. 2, 54–67). Ähnliche «repertori di verbi, cioè del settore della morfologia in cui più ricca era tradizionalmente la gamma delle varianti attestate nell’uso letterario» (Serianni 1989c, 60), ergänzen auch die italienische Grammatikographie der Zeit (cf. Kapitel 5.3). Für Liebhaber des Italienischen sind am Ende des Bandes Texte anderer Autoren wiedergegeben, die nicht der praktischen Sprachvermittlung dienen, sondern die Geschichte der Sprache, die wichtigsten Autoren und die Dialekte behandeln. Dabei handelt es sich um die «Storia del nascimento e de’progressi della Lingua Italiana», eine Abhandlung über die Entstehung des Italienischen in Form von Auszügen aus Perticaris Dell’Amor Patrio di Dante, e del suo libro intorno il volgare eloquio, 1820 in der Proposta Montis veröffentlicht;³² um einen «Elenco de’ più ri-
32 Valentinis intensive Beschäftigung mit Perticari und sein Anlehnen an dessen Ausführungen zeigen sich auch in der dem Vollständigen Wörterbuch vorangestellten Dissertazione, cf. Kapitel 7.1.1.2.
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nomati e famosi Scrittori e Poeti italiani, per ordine cronologico disposti»³³ sowie einen von Salviati in die wichtigsten italienischen Dialekte übertragenen Auszug aus einer Novelle von Boccaccio.
5.3.3 Der Italienische Lehrer (1827–1828) Mit dem Italienischen Lehrer von 1827–1828³⁴ wird das Programm der Grammatik zu einem noch umfassenderen Lehrwerk ausgebaut. Die zweibändige Arbeit, die dem Prinzen Albrecht von Preußen gewidmet ist, erscheint in zwei Ausgaben: einmal bei Barth in Leipzig und einmal bei Cosmar und Krause in Berlin.³⁵ Zum ersten Band der Berliner Ausgabe ist in den Beständen des Verlagsarchivs Barth der Vertrag zwischen Valentini und Cosmar und Krause erhalten. Daraus geht hervor, dass das Lehrwerk in Berlin in einer Auflage von 2000 Exemplaren gedruckt und dass dem Autor pro Druckbogen ein Honorar von 2 Friedrichs d’or gezahlt wurde.³⁶ Der Italienische Lehrer richtet sich sowohl an Anfänger als auch an fortgeschrittene Lerner, «che più provetti in tale studio, braman tuttavia d’andarsi vieppiù perfezionando» (Ital. Lehrer, vol. 1, [V]). Besonders wichtig scheint darin die Verbindung zwischen Sprache und Literatur, ist doch das Italienischlernen in vielen Fällen durch das Interesse an der italienischen Literatur motiviert. Dem Lehrwerk liegt die Basisüberlegung zugrunde, dass das Erlernen einer Fremdsprache vorwiegend über den Vergleich mit der Muttersprache erfolge. Daraus leitet Valentini die Notwendigkeit einer möglichst klaren kontrastiven Darstellung der Grammatik ab (cf. Ital. Lehrer, vol. 1, X).³⁷ Aufbauend auf die Beherrschung der Grammatikregeln habe dann eine Einweihung des Schülers zu 33 Für eine weitergehende Beschäftigung mit den hier aufgeführten Autoren verweist Valentini in einer Fußnote auf die Crestomatia oder Handbuch der italienischen Sprache und Litteratur von Ideler, cf. Neue Grammatik, 624. 34 Der vollständige Titel lautet: Der Italienische Lehrer, oder theoretisch-praktischer Lehrgang des italienischen Sprachunterrichts, worin, nach einer einfachen und leicht faßlichen Methode, die ersten Anfangsgründe dargestellt, und dann stufenweise die schwierigsten Punkte der Sprache erläutert werden. Zum Gebrauch beim Schul- und Privatunterricht. 35 Für die Analyse herangezogen wurde der erste Band in der Berliner, der zweite Band in der Leipziger Ausgabe, beides meine Privatexemplare. 36 Cf. Verlagsvertrag Cosmas und Krause – Valentini, aufbewahrt im Staatsarchiv Leipzig, Bestand 21101 Johann Ambrosius Barth Verlag Leipzig, Akte 581. 37 Die Überlegung steht in der Tradition der Zeit. Auch die Grammatiken Jagemanns, Fernows und Filippis sind kontrastiv ausgerichtet (cf. Albrecht 1997, 212–213; 218; Glaser 2006, 147; 151; Raffaelli 1998, 468–469). Im Italienischen Lehrer ist die Idee konsequent umgesetzt. Alle Grammatikregeln werden im Vergleich zum Deutschen formuliert, auf die Problembereiche deutscher
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erfolgen «in jene feinern und tiefern Eigenthümlichkeiten der Sprache […], welche erst den Gesetzen der Grammatik innere Belebung und organischen Zusammenhang geben» (Ital. Lehrer, vol. 1, X). Dieser zweite Schritt, so Valentini weiter, fehle aber in den meisten bestehenden Lehrwerken und sei ihm Motivation zur Verfassung des seinigen gewesen. Hierbei habe er sich auf sein «fünfzehnjähriges Lehren und eifriges Studium» (Ital. Lehrer, vol. 1, XI) stützen können. Der Italienische Lehrer ist als ganzheitliches Lehrwerk konzipiert. Die einzelnen Abteilungen bauen nach Valentinis didaktischem Prinzip aufeinander auf: Die Basis bildet das Grammatikstudium, darauf haben eine Auseinandersetzung mit Feinheiten der Lexik sowie die Aneignung idiomatischer Ausdrücke zu erfolgen, wobei auch im Bereich der Lexik Vergleiche mit der Muttersprache notwendig seien. Die Vertiefung des Gelernten wird dann durch Übersetzen in die Fremdsprache erreicht, für Valentini, gemäß seiner Zeit, die wichtigste Übung: «il più necessario sarà di tradurre dal linguaggio in cui si concepisce, in quello che s’impara, per andarsi così avvezzando a render le idee secondo le leggi ed il genio di esso» (Ital. Lehrer, vol. 2, 148). Die Aufteilung des Lehrstoffs wird im Vorwort bzw. in den jeweiligen Untertiteln der beiden Bände erklärt: Der erste Band, «enthaltend die Lehren der Grammatik, nebst praktischen Uebungen zum Uebersetzen ins Italienische» (Ital. Lehrer, vol. 1, Titel), umfasse «das rein Grammatische» sowie «einen reichen Vorrath italienischer Redensarten […], an denen die aufgestellten Regeln sich bewähren» (Ital. Lehrer, vol. 1, XI). Der zweite Band enthält «eine Uebersicht der Grammatik in italienischer Sprache, Bemerkungen hinsichts der Uebertragung der Eigenthümlichkeiten beider Sprachen, und eine Auswahl deutscher und italienischer Musterstücke zum Uebersetzen» (Ital. Lehrer, vol. 2, Titel). Besonders interessant für unsere Analyse ist er aufgrund der zahlreichen Stellen, an denen die Grenzen der Grammatik verschwimmen und Raum gegeben wird für Anmerkungen zu lexikalischen Charakteristika des Italienischen, typischen Fehlern von deutschen Lernern im Bereich der Lexik, Listen und Tabellen von idiomatischen Aus-
Lerner wird gezielt eingegangen. Ein Beispiel bietet die besonders ausführliche Darstellung zu den italienischen Vergangenheitsformen, wo «ich eine ausführliche und verdeutlichende Auseinandersetzung der verschiedenen Natur des Imperfetto und Passato, welche den Deutschen so viele Schwierigkeit [sic!] machen, hinzugefügt habe» (Ital. Lehrer, vol. 1, 235, n.). Diese erfolgt in Form von italienischen Beispielen, welche die jeweilige Vergangenheitsform kursiviert gedruckt enthalten, mit deutschen Übersetzungen: «Entrando in un viale tutto alberi, stretto, lunghissimo, vidi una persona … ripresi le briglie; ma il cavallo più s’irritava e più impetuosamente lanciavasi. | Beim Eintritt in einen engen und sehr langen Baumgang sah ich einen Menschen …. Ich ergriff die Zügel wieder, aber das Pferd erhitzte sich immer mehr und bäumte sich immer ungestümer» (Ital. Lehrer, vol. 1, 237). Der konsequente Sprachvergleich wird auch auf den Bereich der Lexik, mit der genauen Analyse von Synonymen- und Äquivalentverhältnissen, ausgedehnt.
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drücken, zu vermeidenden Übersetzungen etc. 1828, also während der Arbeit am Vollständigen Wörterbuch entstanden, weist der Italienische Lehrer bereits auf dieses hin, wenn auch die Theorie und die offene Sprachauffassung, die das Wörterbuch kennzeichnen und in der Raccolta zum Ausdruck kommen, noch nicht ausgereift sind. Der erste Band weicht in seiner Grammatikdarstellung leicht von der Neuen Grammatik ab (zu Abweichungen bezüglich Normfragen und Terminologie cf. Kapitel 5.3.4). Ein Unterschied liegt in der knapperen Darstellung zu den Wortarten – auf Ausnahmen wird weniger eingegangen, es fehlen stärker theoretischwissenschaftliche Ausführungen sowie die Auseinandersetzungen mit früheren Grammatiken – und dem statt dessen etwas weiter ausgebauten Übungsteil.³⁸ Die Darstellung der Grammatik erfolgt in präzisen, knappen Regeln und anhand zahlreicher Beispiele. Über die rein deskriptive Darstellung hinaus durchziehen die Grammatik zahlreiche Versuche, gemäß der Tradition der grammaire raisonnée bestimmte Formen und Phänomene, die vom Deutschen abweichen, zu motivieren, so z. B. die polyrhematischen Bildungen mit der Präposition da (cf. Ital. Lehrer, vol. 1, 40) oder die Konstruktion mit stare bzw. andare + Gerundium (cf. Ital. Lehrer, vol. 1, 164).³⁹ In den Grammatikregeln werden, anders als noch in den Lettere, als Beispielsätze kaum Autorenzitate verwendet. Dort, wo dies doch der Fall ist, hat sich der Kanon der Autoren grundlegend geändert und weicht auch leicht von dem der Neuen Grammatik ab: Zitiert werden in den meisten Fällen Alfieri und Foscolo, seltener Monti, daneben einige Male Tasso und Bentivoglio. Diese Verschiebung in der Auswahl der Autoren zeigt eine deutliche Neuorientierung Valentinis hin zu einem moderneren Sprachmodell an. Gegenüber dem ersten Teil der Neuen Grammatik wurde außerdem eine «Sammlung der nothwendigsten Wörter» (Ital. Lehrer, 330–354) zugefügt, die, nach Art eines (thematisch stark eingeschränkten) Lernwortschatzes gegliedert,
38 Zugefügt werden z. B. Einsetzübungen, etwa zur Festigung der Regeln zum Genus der Substantive und zu ihren Artikeln: «Der Lernende soll nachstehenden Hauptwörtern das ihnen zukommende Bestimmungszeichen in der Einheit und Mehrheit beifügen» (Ital. Lehrer, vol. 1, 22). 39 «Wenn nämlich der Italiener eine Handlung genau und lebendig darstellen will, was er fast immer beabsichtigt, so braucht er andare und setzt das Zeitwort der Haupthandlung in das Gerundium, z. B. statt der einfachen Frage: che cerchi? was suchst du? bedient er sich des bei weitem lebendigern Ausdrucks: che vai cercando? was gehst du suchend (umher)? Die letztere Weise bringt uns die doppelte Handlung des wirklichen Gehens und Suchens vor die Augen. Dieser Gebrauch von andare ist also keinesweges als überflüssig oder mit dem einfachen Zeitwort gleichbedeutend anzusehen, es giebt vielmehr erst der Handlung die wahre Kraft der Bewegung. Durch die Analogie wird aber andare auch mit Zeitwörtern verbunden, welche die Bedeutung des eigentlichen Gehens nicht zulassen, z. B. mio figlio va crescendo, […]» (Ital. Lehrer, vol. 1, 164).
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Substantive aus den Bereichen Erde, Mensch, Lebensmittel, Küchenutensilien und Hausrat, Kleidung, Krankheiten, Verwandtschaft, Religion und Kirche, Staat und Militär, Tiere, Kunst- und Handwerk (cf. auch die Anordnung des systematischen Wortschatzes in den Dialoghi, Kapitel 6.3) versammelt sowie eine Liste der frequentesten Verben enthält. Der zweite Band öffnet mit dem «Compendio di Grammatica Italiana». Während die Metasprache im ersten Teil Deutsch ist, erfolgen Regeln und Ausführungen hier in italienischer Sprache.⁴⁰ Die Regeln sind knapp, enthalten wenige Beispiele und keine Übungen. An mehreren Stellen geht Valentini jedoch über eine reine Zusammenfassung der Regeln hinaus, so z. B. im Abschnitt zu den Pronomen der höflichen Allokution, wo er die unterschiedlichen Formen sprachgeschichtlich motiviert (cf. Ital. Lehrer, vol. 2, 20–21). Besonders interessant sind auch die zahlreichen Anmerkungen Valentinis in Fußnoten. Häufig werden hier die Grammatiken seiner Vorgänger als unpräzise kritisiert (cf. z. B. zu den Possessivpronomen, Ital. Lehrer, vol. 2, 21–23, n. 8). Es werden keine Namen genannt, die Ausführungen zeigen jedoch eine genaue Analyse der Werke durch Valentini.⁴¹ Das präzise Studium der Vorgängerwerke und Quellen kennzeichnet die nun beginnende philologische Arbeit des Römers, die auch seinen Beitrag zur Lexikographie charakterisiert. Die enthaltenen Grammatikthemen betreffen die Aussprache, Genus und Numerus der Nomen, Artikel und Präposition, Adjektive, Pronomen, Alterationsformen, Zahlen und Verben. Integriert ins Kapitel zu den Verben sind einige Überlegungen zu Interferenzerscheinungen aus dem Bereich der Lexik. Zunächst wird auf Fehler eingegangen, die deutsche Italienischlerner mit Französischkenntnissen typischerweise begehen,⁴² im Folgenden auch auf Interferenzen mit dem Deutschen sowie, vom
40 Der verwendete Stil ist dort, wo Valentini über knappe Regeln hinausgeht, häufig umgangssprachlich (cf. z. B. «Ed oramai V. S. va dando gli ultimi tratti» in den Ausführungen zu den Höflichkeitsformen, Ital. Lehrer, vol. 2, 20) und in den Abschnitten, wo Kritik an den Grammatiken seiner Vorgänger geübt wird, polemisch, z. B. zu den Possessivpronomen, wo jene keine klare Regel zum Gebrauch des Artikels geben: «Poi, avendo veduto che talvolta l’articolo non c’è, dunque ‹talvolta, hanno soggiunto, non si mette.› – Ma quando? – Vattelo a cercare. –» (Ital. Lehrer, vol. 2, 22). 41 Als positives Beispiel wird lediglich auf die Sprachlehre von Fernow Bezug genommen, die als Maßstab gelte und von späteren Autoren nur unvorteilhaft imitiert worden sei (cf. Boerner 1988, 44). 42 «La simiglianza di un non picciol numero di Voci Francesi con le Italiane, lungi di recare ognora quella utilità, che ognun che sa quel Linguaggio, si aspetta e crede, l’ esperienza ne insegna, che spesse fiate essa non fa che danno, e danno non lieve nel trascinare, per così dire, a comettere de’ barbarismi nel volgere molti Gallicismi letteralmente in Italiano» (Ital. Lehrer, vol. 2, 43).
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eigentlichen Thema abweichend, auf die Einflüsse des Französischen auf die italienische Sprache, die zu diesem Zeitpunkt von Valentini eher negativ bewertet werden. Speziell zu den Verben amare und ricevere, die von deutschen Italienischlernern häufig unangebracht verwendet werden – amare aufgrund von Interferenzen mit dem Französischen, wo das Verb in Valentinis Augen inflationär verwendet wird («In Francese s’ama tutto», Ital. Lehrer, vol. 2, 43),⁴³ ricevere aufgrund falscher Rückübersetzung der in Wörterbüchern für das italienische Verb angegebenen deutschen Verben empfangen, erhalten, bekommen und kriegen – ist eine Sammlung von «Barbarismi e modi di dire improprj» zusammengestellt (cf. Ital. Lehrer, vol. 2, 45–51), die nach dem Muster dicesi: … invece di: … aufgebaut ist, z. B. «dicesi: 5) Una volta Gianfico amava il disegno, ora però non l’ ama più. (Ital. Lehrer, vol. 2, 45)
invece di: 5) Una volta Gianfico aveva gusto al disegno, ora però non (l’ ha) più».
«1) Il Generale B. ha ricevuto la vittoria. (Ital. Lehrer, vol. 2, 49)
1) Il Generale B. ha riportata la vittoria».
Zur Bestimmung der Bedeutungsdifferenzierungen und der jeweiligen Äquivalenzbeziehungen zwischen dem Deutschen und dem Italienischen zitiert Valentini ausführlich die Deutsche Synonymik von Eberhard, «dotta ed eccellente Opera» (Ital. Lehrer, vol. 2, 48), was zeigt, dass er sich in der Entstehungszeit des Italienischen Lehrers bereits ausgiebig mit Problembereichen befasst, die das Vollständige Wörterbuch betreffen. In ähnlicher Weise wie zu den beiden zitierten Verben äußert sich Valentini unter «Barbarismi di teatro» (cf. Ital. Lehrer, vol. 2, 51–54) zu einigen Vokabeln, die rund um das Theater verwendet werden. Dabei kritisiert er seiner Meinung nach unnötige oder falsche Französismen im Italienischen⁴⁴ und thematisiert typisch deutsche Fehler.⁴⁵ Es wird aber auch bereits das Fehlen vieler wichtiger und
43 «In Tedesco potrebbesi pur dire che man auch beinahe Alles liebt; […] Noi pure Italiani fummo un po’ infetti da questa pericolosissima malattia di amar tutto […]; bensì […] con cautela badiamo che non trascenda ad un’ amor per tutti e per tutto indistintamente» (Ital. Lehrer, vol. 2, 43–44). Auch auf lexikalischer Ebene steht für Valentini, im Geiste der grammaire raisonnée, die Verbindung von Sprache und Denken an der Basis seiner Ausführungen: «Si attenda adunque di non fare un’abuso del Verbo amare, per voler bene, o portare affezione, se non si vuol cadere non solo in espressioni improprie o alterate, ma tradire altresì il proprio pensiero, anzi il sentimento» (Ital. Lehrer, vol. 2, 44). 44 Z. B. debuto und debutare, cf. Ital. Lehrer, vol. 2, 51. 45 U. a. wird der klassische Fehler genannt, der auch heute nach nahezu jeder Vorstellung in deutschen Opernhäusern zu hören ist: «Bravo poi dicesi ad un uomo, e bravi a più; brava a una
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gebräuchlicher Ausdrücke in den italienischen Wörterbüchern beklagt (z. B. von botteghino, cf. Ital. Lehrer, vol. 2, 53, n. 39; von prima recita, cf. vol. 2, 54, n. 41). Wo Valentini kein toskanisches bzw. überregionales Lexem für einen deutschen Ausdruck kennt, nennt er römische Regionalismen, z. B. piccionara für den obersten Rang (cf. vol. 2, 52), oder chiavettaro für den Logenschließer (vol. 2, 53).⁴⁶ Damit wird erneut auf die eigene lexikographische Arbeit hingewiesen: Die hier angesprochenen Ansätze und die anklingende, aber noch nicht radikal ausgeführte Kritik an der Crusca werden in der für das Vollständige Wörterbuch theoriegebenden Raccolta von 1832 wieder aufgenommen und entwickelt. Abschließend enthält das Verbkapitel, wie in geringerem Umfang bereits die Neue Grammatik, in zehn übersichtlichen Tabellen Varianten von Verbformen (cf. Ital. Lehrer, vol. 2, 54–67), auf die der Nutzer beim Lesen älterer italienischer Texte stoßen kann. Die «Sezione Seconda» ist als Aufbau zum Grammatikstudium gedacht. Hier sind zunächst typische und zu vermeidende germanismi, die jedem Italienischlerner bekannt sein dürften, aufgelistet, «a cui la traduzion litterale delle locuzioni di sua Lingua potrebbero indurlo [lo Studioso Tedesco]» (Ital. Lehrer,
donna, e brave a più; […] ma non bravo indistintamente» (Ital. Lehrer, vol. 2, 54). Ein anderes Beispiel ist die Verwendung von piazza für Platz i. S. v. ‘posto’, den der Autor allzu oft gehört zu haben scheint: «In nome di Dio, non commettiamo più questo ridicolissimo e sì frequente barbarismo di dire piazza, cioè luogo spazioso, circondato d’ edifici, per luogo o posto!» (Ital. Lehrer, vol. 2, 53, n. 37) 46 Auch an anderen Stellen in seinem Werk bringt Valentini regionale Elemente in sein Sprachmodell ein, cf. besonders in den Dialoghi (Kap. 5.4.1.4 in dieser Arbeit), der Raccolta (Kap. 6.2.2.1 und 6.2.2.6) und im Vollständigen Wörterbuch (Kap. 7.4.3.2). Bei der Betrachtung der Anteile von Wortschatz und fonomorphologischen Elementen römischer Herkunft ist zu beachten, dass das romanesco des 19. Jahrhunderts nur wenig charakteristische Merkmale und stattdessen eine hohe Übereinstimmung mit dem Toskanischen aufweist (cf. Trifone 1992, 65–68; 73–74; Serianni 1981, 86–90). Kein Dialekt ist so stark durch das Toskanische beeinflusst worden wie der römische, besonders stark im Quattro- und Cinquecento (cf. ausführlich Ernst 1970; für eine Zusammenfassung des weiteren Forschungsstands Vignuzzi 1993, 359–364), doch weit darüber hinaus, so dass Migliorini seine Geschichte als «storia del suo disfacimento» (Migliorini 1948, 113) beschreibt, der seinen Zielpunkt im 19. Jahrhundert erreicht (cf. Serianni 1989b, 296). Die römische Besonderheit liegt darin, dass die Toskanisierung direkt die gesprochene Sprache betrifft (cf. Trifone 1990, 430). «Roma, più che centro regionale, è, per servirci dell’espressione del Gioberti, uno dei due fuochi dell’ellisse italiana» (Migliorini 1948, 114), also ein Ausstrahlungszentrum des italiano comune. Das Italienische Roms genießt im 18. und 19. Jahrhundert ein hohes Ansehen, es nimmt eine überregionale Modellfunktion ein (cf. Serianni 2002a, 97–98) und wird auch in Sprachlehren kodifiziert. Dialekt und lingua sind in Rom Pole eines Kontinuums (cf. Trifone 1992, 63), was auch von Zeitgenossen so wahrgenommen wird und sich etwa darin widerspiegelt, dass selbst Römer nicht klar unterscheiden können, welche Wortschatzeinheiten dem romanesco und welche der lingua angehören (cf. hierzu z. B. die Glossierungspraxis Giuseppe Gioachino Bellis, Zeitgenosse Valentinis, die Serianni untersucht hat, 1989b, 284–290).
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vol. 2, 68). Die Darstellung mit dem stattdessen zu verwendenden italienischen Ausdruck folgt dem Schema des Beispiels:
«Ich werde Sie bald besuchen. (Ital. Lehrer, vol. 2, 70)
Germ. Jo la visiterò presto. { { statt: Jo verrò a vederla (a inchinarla) { { { quanto prima».
Im Anschluss werden Übersetzungen zu deutschen Verben mit Präpositionen, gegliedert nach diesen Präpositionen, gegeben, mit der Präposition an z. B.: «An einer Blume riechen. An der Hand führen. Eine Sache an ihren Ort legen. (Ital. Lehrer, vol. 2, 73)
Odorare un fiore. Condurre (menare) per la mano. Mettera una cosa a suo luogo».
Anschließend an diese von der Muttersprache des Lerners ausgehenden Darstellungen zur Vermeidung typischer Fehler sind, ähnlich wie bereits in den Lettere, jedoch sehr viel ausführlicher, die unterschiedlichen Bedeutungen sowie die wichtigsten festen Verbindungen und Ausdrücke mit den Verben andare, dare, fare, stare und venire mit ihrer deutschen Übersetzung sowie italienischen Beispielsätzen zusammengestellt, z. B. zu dare: «Dare addosso ad alcuno, auf Jemand losgehen: Le mosche danno addosso a’ cavalli magri». (Ital. Lehrer, vol. 2, 89)
Die Beispielsätze können Autorenzitate (bei denen nicht immer die Quelle mit angegeben ist), konstruierte Beispiele oder auch Sprichwörter sein (cf. dazu auch die Beispiele im Vollständigen Wörterbuch, Kapitel 7.5.9). Am Abschluss der Lektion steht eine Sammlung von «Cento frasi metaforische». Ihre Anordnung scheint willkürlich zu sein. Zu jeder Redewendung bzw. jedem Sprichwort ist sowohl eine wörtliche deutsche Übersetzung angegeben als auch eine solche, die mit einer idiomatischen deutschen Wendung – so eine solche existiert – die Bedeutung des italienischen Sprichworts widergibt. Wie das zweite Beispiel zeigt, wird dabei nicht unbedingt auf Übereinstimmung des sprachlichen Registers in Ausgangs- und Zielsprache geachtet: «11. Strillarsi il cervello, Sich das Gehirn destilliren. (Ital. Lehrer, vol. 2, 139)
} Sich den Kopf zerbrechen».
«100. Qui sta il punto, hier steht der Punkt. (Ital. Lehrer, vol. 2, 147)
}
Hier sitzt der Knoten; hier liegt der Hund begraben; hier liegt der Haase im Pfeffer».
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Es ist mehr als wahrscheinlich, dass diese Sammlungen Nebenprodukte der Arbeit Valentinis am Gran Dizionario darstellen bzw. in diesem innerhalb der einzelnen Artikel als Bedeutungsdifferenzierungen, Lokutionen, Beispiele und Äquivalente wieder aufgenommen sind. In der «Sezione Terza» führt Valentini seinen Lehrgang der Sprache weiter mit der Überlegung, dass nur das Übersetzen in die Fremdsprache schließlich zur sicheren Beherrschung dieser Sprache führe. Um die gesprochene Sprache zu erlernen, böten sich hierzu insbesondere Komödien als Übersetzungstexte an (cf. Ital. Lehrer, vol. 2, 148). Hierbei täten sich jedoch zahlreiche Fehlerquellen auf. Um diese aufzuzeigen wird als Negativbeispiel, bevor ein eigener Text mit Vokabelhilfen und grammatischen Kommentaren zum Übersetzen angeboten wird (Der Neffe als Onkel, Lustspiel in drei Aufzügen. Aus dem Französischen des Picard, von Schiller, cf. Ital. Lehrer, vol. 2, 171–248), ein vergleichbarer deutscher Komödienauszug mit italienischen Vokabeln aus einem anderen Lehrbuch zitiert und dessen Vokabelhilfen äußerst kritisch kommentiert. Der Name des anderen Lehrbuchautors wird nicht explizit genannt, der Hinweis auf «Prof. F*.» (Ital. Lehrer, vol. 2, 148), den «Professore di lingua Italiana» (vol. 2, 149) und folgende Fußnote lassen recht klar auf Domenico Antonio Filippi schließen, gegen den Valentini auch an anderen Stellen polemisiert (cf. z. B. Vollst. Wb., vol. 1, XXV), mit dem sein Werk jedoch zahlreiche Gemeinsamkeiten aufweist. «ma … E il soggetto della frase dov’ è mo? … Eh! … è restato nel cannoncin della penna, ovver restò nella città di Vienna». (Ital. Lehrer, vol. 2, 157)
Es ist anzunehmen, dass Valentini mit einem gewissen Neid auf den großen Erfolg von Filippis Lehrwerken und seine Stelle an der Universität blickt. Über die Polemik hinaus sind die Anmerkungen Valentinis jedoch insbesondere ein interessantes sprachgeschichtliches Dokument. Hierzu sei nur ein Beispiel genannt, nämlich Valentinis Kritik an der Übersetzung von Verlegenheit mit imbarazzo, wohingegen er imbroglio vorschlägt (Ital. Lehrer, vol. 2, 162–163).⁴⁷ Auch auf die angemessenen Varietäten und Stilebenen der Übersetzungsäquivalente wird eingegangen: Zum Übersetzungsvorschlag Filippis «ERA D’UOPO che NOSTRA MADRE DISPONESSE» für «die Mama sollte […] dazu bereden» merkt Valentini an: «è frase di stile troppo elevato; metti qui dovere; e si traduca: ‹Mammà (parola Italianissima, e confacente al discorso delle due giovanette) doveva disporre ec. – Avverto
47 Imbroglio ist im DELI nicht in der Bedeutung von ‘Verlegenheit’ verzeichnet, im GDLI dagegen schon, mit Beispielen von De Sanctis und Nievo, also aus der Zeit Valentinis. Imbarazzo i. S. v. ‘Verlegenheit’ ist im DELI bereits vor 1568 bei L. Tansillo und auch im GDLI früher belegt.
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inoltre, che Esser d’uopo non è dello stile comune, ma dello elevato o forbito» (Ital. Lehrer, vol. 2, 158).⁴⁸ In der eigenen vorgeschlagenen Übersetzungsübung wird zu den Vokabelangaben sehr genau reflektiert. Jede Seite enthält zu diesen weitere Fußnoten, in denen die Wahl der jeweiligen Angabe motiviert, vermeintliche Synonyme diskutiert und die in Wörterbüchern verzeichneten Äquivalente zum Ausdruck des deutschen Texts abgewogen werden. In die «Sezione Terza» ist auch ein Abschnitt zur Lexik eingeschoben, in Form von Reflexionen Valentinis, oder, wie er selbst überschreibt, «Due righe di sfogo d’ un Italiano a Berlino», zum Bedeutungsunterschied von bugia und menzogna, der vielmehr dem Vergleich der italienischen und der deutschen Lexikographie und ihrer Definitionspraxis dient. Ausgangspunkt der Ausführungen bildet der Versuch, das deutsche Unwahrheit ins Italienische zu übersetzen. Während im Wörterbuch der Crusca bugia durch menzogna und menzogna durch bugia definiert wird, lauten die Definitionen in Adelung (zitiert nach Ital. Lehrer, vol. 2, 166): «Die Lüge, eine jede Unwahrheit, und, im engern Verstande, eine mit Wissen und Vorsatz wieder die Pflicht der Wahrhaftigkeit vorgebrachte Unwahrheit etc. Die Unwahrheit, als ein Abstraktum und ohne Plural, die Eigenschaft eines Ausspruches, da derselbe mit der Sache selbst nicht übereinkommt. […] Zielet die Unwahrheit auf den Schaden Anderer ab, so heißt sie in engerer Bedeutung eine Lüge».
Die Bedeutungsdifferenz, so Valentini, bestehe ebenso im Italienischen. Seine sprachlich ausgeschmückte Ausführung zeigt, wie ihn die deutsche Lexikographie beeinflusst, zum Ausgangspunkt für die Kritik an der italienischen (die hier noch sehr verhalten geäußert ist) und schließlich auch ein Baustein für die eigene lexikographische Praxis wird. Der Italienische Lehrer schließt mit einer Sammlung italienischer Texte zum Herübersetzen in die Muttersprache Deutsch mit deutschen Vokabelangaben (cf. Ital. Lehrer, vol. 2, 308–394). Ausgewählt wurden: – Sventurata moglie von Gasparo Gozzi; – «Contesa d’opinione d’un’uomo industre ed ingegnoso col Piovano Arlotto, uomo lepido ed arguto»; – Verschiedene Briefe (Claudio Tolomei, Le acque e le fontane di Roma; Cardinal Bentivoglio, La Germania; Anton Maria Salvini, L’autore in conversazione; Petrarca, La tempesta di mare);
48 Dementsprechend wird è d’uopo bei Manzoni durch bisogna ersetzt (cf. z. B. Durante 1981, 237). Valentini selbst verwendet in seinen Werken, der Stilebene von Erklärungen allerdings durchaus angemessen, häufig noch è d’uopo.
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Auszüge aus Manzonis Promessi Sposi («Don Abbondio e i Bravi»; «Renzo Tramaglino e il Curato»; «Il Padre Cristoforo da ***»; «Don Rodrigo appestato, e il Griso suo Capo bravo»; «Squarcio descrizione della peste della città di Milano»).
Es werden keinerlei Einführungen zu den Texten gegeben, ganz kurze Angaben zu den Autoren erfolgen, mit den Worten Bartolommeo Gambas, lediglich zu den ersten Briefen. Mit den Texten werden Beispiele für gesprochene Sprache (die Komödie Gozzis) und die schriftliche Konversation (die Briefe) abgedeckt sowie Auszüge aus den erst wenig zuvor erschienenen Promessi Sposi von Manzoni integriert. Der Italienische Lehrer ist also als ganzheitliches Lehrprogramm mit Grammatik, Literatur und weitem Raum für die Lexik konzipiert. Es scheint, dass hier ein Umschlag im Werk Valentinis beginnt, hin zu zeitgenössischen Autoren als Modellen, zur Kritik an den italienischen und zur Auseinandersetzung mit den deutschen Wörterbüchern, zu einer genauen Reflexion über Wortbedeutungen und Äquivalenzunterschiede zwischen dem Deutschen und dem Italienischen. Der Italienische Lehrer ist nicht nur parallel zum Vollständigen Wörterbuch entstanden, sondern greift in vielen Ausführungen bereits auf dieses vor.
5.3.4 Synthese der drei Lehrwerke: Die vermittelte Norm Welche sprachliche Norm sie kodifizieren, sei abschließend zu den drei Grammatikarbeiten Valentinis in einer Übersicht dargestellt. Betrachtet wurde hierzu, wie Valentini sich bezüglich bestimmter Phänomene verhält, deren Gebrauch im frühen Ottocento oszilliert, und die Auskunft über eine eher konservative oder aber eine dem aktuellen, auch mündlichen Sprachgebrauch gegenüber offene Haltung geben. Ausgewählt wurden folgende Parameter, die von der italienischen Sprachgeschichtsforschung traditionell als Indikatoren der grammatischen Norm betrachtet werden (cf. z. B. Serianni 2003, 785; Migliorini 11 2004, 564–568; Gensini 1988, 394; für die Geschichte der Grammatik in Italien Fornara 2005, 106–108; für die Geschichte der Grammatik für Fremdsprachenlerner Gorini 1997, 207–212). Als «d’uso antico a Firenze, ma a lungo osteggiata dalla tradizione grammaticale» beschreibt Serianni (1989c, 141) im Bereich der Verbalmorphologie die durch Analogie gebildete Endung -o statt der etymologischen und mehrheitlich verwendeten Endung -a (io leggeva > io leggevo) für die 1. Pers. Sg. des Imperfekts; im Bereich der Pronomina wird die Akzeptabilität von lui und lei als Subjekt, von gli als indirektes Objekt für le und loro und schließlich von cosa für das Interrogativpronomen che cosa beleuchtet. Von Grammatiken des Sette- und
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des frühen Ottocento in unterschiedlicher Strenge als nicht nachzuahmend oder als errore (cf. z. B. Corticelli zum Gebrauch von lui und lei in Subjektsfunktion, 1745, 58) getadelt und von Schreibenden der Zeit noch eher selten verwendet,⁴⁹ setzen sich diese Formen erst mit Manzoni, also kurz nach der Tätigkeit Valentinis, durch.⁵⁰ Des Weiteren wurde überprüft, ob die im Schwinden begriffenen
49 Die Indikativ Imperfektform vom Typ io aveva ist im frühen 19. Jahrhundert ohne Zweifel bereits im Rückgang (cf. Serianni 1989a, 200), auch wenn Grammatiken vor Manzonis 1840er Version der Promessi Sposi sie präferieren bzw. als einzige Form angeben (cf. Fornara 2005, 90; 107). Eine etwa gleich starke Verteilung der Belege von Formen auf -a und -o attestiert Migliorini (cf. 11 2004, 568) und bestätigt auch die Analyse von Antonelli (2003), der mit privaten Texten gebildeter Schreiber das «italiano scritto dell’uso medio» (Antonelli 2003, 9, nach den Termini von Sabatini 1985 und Patota 1990, 109) des frühen 19. Jahrhunderts untersucht hat, eine Varietät, die auch für die Zielgruppe Valentinis höchst relevant ist (cf. Antonelli 2003, 150–153). Zur Praxis bei weiteren Autoren des frühen Ottocento cf. die bibliographischen Hinweise ebd., (150–151, n. 94), zum Gebrauch bei Manzoni Serianni (1989a, 199–200). Es ist jedoch zu beachten, dass die traditionelle Variante auf -a trotz Manzoni auch im späteren 19. und bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch in Gebrauch bleibt. Unter den «novità grammaticali» (Serianni 1989a, 141) bei Manzoni sind in der Forschung besonders häufig die Personalpronomina lui, lei, loro in Subjektsfunktion betrachtet worden, die unter seinem Einfluss auch Eingang in die Grammatiken finden, allerdings langsamer als andere Phänomene (cf. Fornara 2005, 108; Patota 1993, 126–130). Im frühen 19. Jahrhundert überwiegen klar Belege von egli. Lui in rein anaphorischem Gebrauch findet sich selten, lei und loro noch seltener belegt (cf. zu privaten Briefen Antonelli 2003, 130–132; zur literarischen Prosa zusammenfassend Serianni 1989c, 94; 97; Coletti 1993, 274–279). Zur Diskussion um die Akzeptabilität von lui, lei und loro als Subjekt cf. auch Palermo (1997, 331–340); D’Achille (1990, 313–341) mit weiteren bibliographischen Angaben. Ähnlich umstritten und dies bis heute ist auch der Gebrauch von gli als unbetontem Pronomen in indirekter Objektsfunktion anstelle von loro und le. Gli statt loro stellt im Ottocento die Ausnahme dar, wird als toscanismo colloquiale von Grammatikern angefeindet und findet sich auch in der Quarantana selten (cf. Serianni 1989, 193–195; cf. auch Antonelli 2003, 137–138). Noch seltener und noch stärker kritisiert ist gli anstelle von le (cf. ebd.). Widersprüchlich ist die Angabe in Migliorini, nach der dieser Gebrauch nicht selten ist und der auch für gli anstelle von loro einige Belege anführt (cf. Migliorini11 2004, 565). Als Interrogativpronomen wird häufig che cosa beibehalten (cf. Serianni 1989c, 97). Die elliptische Form cosa, von puristischen Grammatiken der Zeit als Fehler eingestuft (cf. z. B. Puoti 1839, 76), jedoch von anderen Grammatikern der Zeit bereits verteidigt (cf. Migliorini 11 2004, 565), ersetzt che cosa weitgehend in der Quarantana Manzonis (cf. Serianni 1989a, 196; cf. hier auch zur weiteren, vom Gebrauch bei Manzoni ausgehenden Verbreitung) und findet bei Autoren, die sich an den «aspetti di lingua viva e corrente» und einem «stile medio epistolare» (Patota 1987, 153) orientieren, Verwendung (z. B. bei Foscolo, cf. Serianni 1989c, 100). Es ist zu beachten, dass es sich um einen panitalienischen Typ handelt (Zolli 1974d, 179–183). 50 Die Literatur zu Manzonis sprachlichen Ideen, den Überarbeitungen der Promessi Sposi nach dem Vorbild des gesprochenen Florentinischen und den Folgen für die weitere Entwicklung des Italienischen ist extrem umfangreich. Verwiesen sei hier lediglich auf die klassische Arbeit von
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Personalpronomina eglino, elle, elleno als Pluralformen von egli und ella, die Variante ei für egli und die Serie gli, la, le anstelle von egli, ella, elle im Inventar der Pronomen genannt werden,⁵¹ und schließlich, ob im Bereich der Artikel die Regel von lo und gli vor s + Konsonant bei maskulinen Substantiven formuliert wird (cf. Migliorini 11 2004, 565–566). Die zur Darstellung entworfene Tabelle, aus der sich die entsprechenden Regeln in den einzelnen Lehrwerken ablesen lassen, dient auch zum Vergleich mit der Kodifizierung im Wörterbuch (cf. Kap. 7.6.2).
D’Ovidio (1882) sowie auf Nencionis Band zu Manzoni aus der von Francesco Bruni herausgegebenen Reihe Storia della lingua italiana (Nencioni 1993), zu einer knappen Orientierung auf die Abschnitte zu Manzoni im von Serianni verfassten Band derselben Reihe (Serianni 1989c, 133–143; 208–213) sowie in Migliorini (11 2004, 548–553), auf Vitale (1986b), Sabatini (1987) und Serianni (1989a). Einen übersichtlichen Zugang zur Überarbeitung der Promessi Sposi von der Ventisettana zur Quarantana bietet die Interlinearversion von Caretti (Manzoni 1971). 51 Als Pluralformen des Personalpronomens in der 3. Person setzen sich im frühen 19. Jahrhundert, nachdem eglino und elleno in der Praxis Manzonis drastisch reduziert wurden, überwiegend essi und esse durch (cf. Antonelli 2003, 132; cf. auch Migliorini 11 2004, 564; Serianni 1989a, 192). Eine gewisse Verbreitung findet noch elle, mit der Variante le (cf. Antonelli 2003, 132; zur Praxis bei weiteren Autoren cf. die Verweise ebd., n. 31), wobei anzumerken ist, dass eglino und elleno von toskanischen Autoren wie Palazzeschi bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts hinein verwendet werden. Als maskulines Pronomen der 3. Person Singular bleibt ei zu Beginn des Jahrhunderts lebendig, auch in der literarischen Prosa, und wird von manchen Autoren gleichwertig zu egli benutzt (cf. Migliorini 11 2004, 564; Antonelli 2003, 131). Manzoni reduziert den Gebrauch der Form deutlich (cf. Serianni 1989a, 192). Antonelli fasst den Forschungsstand und die Bewertung durch zeitgenössische Grammatiker zusammen (cf. 2003, 131, n. 23): Trotz der Verbreitung in der Prosa bewerten einige Grammatiken ei bereits im Settecento als archaisch und empfehlen den Gebrauch nur in der Lyrik, andere wie Corticelli (cf. 1745, 57) führen es ohne Markierung an. Als aphäretische Varianten zu egli, ella und elle beschreibt Migliorini die literarisch und toskanisch markierten Formen gli, la, le als noch relativ häufig belegt, «anche in scrittori non toscani» (11 2004, 564). Nicht gezielt betrachtet wird im Folgenden und bei der Analyse von Valentini die Beschreibung in der Funktion eines soggetto neutro (cf. hierzu Palermo 1997, 35–36). La und le, in der Grammatiktradition als familiare und gesprochensprachlich markiert (cf. Patota 1987, 73–75), sind auch im Korpus von Antonelli sporadisch belegt (cf. Antonelli 2003, 132; 134; 137). Belege von la finden sich auch in der Quarantana (cf. Vitale 1986b, 27, der auch die Verwurzelung von la im Mailändischen betont; zu la im Venezianischen cf. Folena 1983, 118–118, n. 17).
130 | Valentinis Beitrag zur Vermittlung italienischer Sprache und Kultur
Tab. 2: Grammatiknorm in den sprachdidaktischen Arbeiten Betrachtetes Phänomen
Lettere
Neue Grammatik
Ital. Lehrer
Verben 1. Pers. Imp. -a/-o
-a⁵²
-a
-a
Artikel lo/gli vor s + Kons.
ja
ja
ja⁵³
— — eglino, elleno
— — eglino, elleno⁵⁵
—⁵⁴ — eglino, elleno
egli o ei — —⁵⁸
—⁵⁶ — —
—⁵⁷ für loro —⁵⁹
Pronomen lui/lei als Subjekt gli/la/le als Subjekt eglino, elle, elleno als Pluralformen des Subjekts ei für egli gli für le und loro cosa für che cosa
52 Auch in seinen eigenen Schriften verwendet Valentini ausschließlich -a als Endung, z. B. in einem Brief der Lettere, «m’immaginava la sua sorpresa particolarmente nel sentire […]» (Lettere, 2). Auf -o als mögliche Variante wird an keiner Stelle eingegangen, auch nicht in den Ausführungen und Imitationen von gesprochener Sprache, cf. Kapitel 5.4.1.4 zu den Dialoghi. 53 Dazu wird ausgeführt: «L’articolo lo, innanzi la S impura e alle Vocali, si usa per Eufonia, giacchè, se si ponesse il innanzi tali Nomi, ne risulterebbe un’accumulamento di tre o quattro Consonanti» (Ital. Lehrer, vol. 2, 8). 54 Nur im Abschnitt zur höflichen Anrede mit Ella ist als Beispiel «Se Lei […] mi facesse questo favore, gliene sarei molto obligato» angegeben, versehen mit der Fußnote: «Lei (eigentlich Objekt) wird auch in einigen Provinzen Italiens öfters statt Ella gebraucht» (Ital. Lehrer, vol. 1, 91). 55 Dem Paradigma, das die Pronomen in Subjektsfunktion angibt und das lediglich die Formen egli, ella, eglino und elleno enthält, ist in einer Fußnote beigefügt: «Die Alten haben zuweilen ei oder e’ gebraucht, statt egli; so wie auch elli und elle statt eglino, elleno» (Neue Grammatik, 88). 56 Cf. die vorhergehende Fußnote. 57 In den expliziten Ausführungen zu den Pronomen wird ei nicht angegeben, findet sich aber in Beispielsätzen zu anderen Kapiteln mehrfach verwendet, z. B. im Lehrstück zu den Adjektiven: «Ei porta un giustacore corto corto» (Ital. Lehrer, vol. 1, 70), oder in den Vokabelangaben zu einer Übersetzung mit dem Schwerpunkt Superlative: «er setzte sich auf, ei si mise» (Ital. Lehrer, vol. 1, 74). Im Compendio des zweiten Bandes findet sich die Fußnote: «In vece di egli talvolta impiegasi esso, ei e e’» (Ital. Lehrer, vol. 2, 17). 58 Im sehr kurzen Abschnitt zu den Interrogativpronomen wird lediglich che allein als akzeptabel präsentiert, jedoch mit folgendem Vermerk: «quando s’impiega che come negli esempj precedenti, è sempre sott’inteso cosa, o altro nome analogo alla circostanza» (Lettere, 52). 59 Im Kapitel zu den Interrogativpronomen werden Che cosa oder che allein eingeführt, cf. Ital. Lehrer, vol. 1, 112. Im Compendio des zweiten Bandes wird che als die eigentliche Form, che cosa als Erweiterung und cosa allein explizit als Fehler beschrieben: «Impiegando che come interrogativo, si suol aggiungere il nome cosa; […] Qualora esso tralasciasi, si deve sottintendere. – Si
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Wie die meisten in Deutschland erschienenen Sprachlehrwerke⁶⁰ zeigt sich Valentini mit dem Ausschluss von lui und lei in Subjektsfunktion, dem Ausschluss von cosa statt che cosa und der klaren Kodifizierung von -a als Desinenz der 1. Pers. des Imperfekts – die er konsequent auch in den eigenen Schriften verwendet – in seiner Grammatiknorm konservativ. Bei den Formen der Pronomen wird der literarischen Tradition Raum gegeben, während die Regel bezüglich des Definitartikels vor s+Konsonant präzise und modern ist. Li als im frühen 19. Jahrhundert noch gebräuchliche Variante zu gli (cf. Migliorini 11 2004, 565–566) wird nicht aufgeführt.⁶¹ Die insgesamt konservative Haltung im Bereich der Grammatik steht im Kontrast zur sehr viel offeneren, Crusca-kritischen Haltung, die Valentini im Bereich der Lexik einnimmt.
5.3.5 Orthoepie und Dichtersprache: Gründliche Lehre der Italienischen Aussprache (1834) Nach dem Vollständigen Wörterbuch erscheint 1834 ein Werk, das vollständig der Orthoepie und der Dichtersprache gewidmet ist. Die Gründliche Lehre der Italienischen Aussprache, Skansion und Betonung der Italienischen Verse; nebst einer Sammlung der in den italienischen Dichtern am häufigsten vorkommenden poetischen Ausdrücke wird 1834 mit einem Umfang von 107 Seiten bei Barth in Leipzig veröffentlicht und richtet sich nicht nur an Lernende, sondern auch Lehrer der italienischen Sprache (cf. Aussprachelehre, IV). Sie ist ganz auf Deutsch verfasst. Valentini hat sie parallel zur Erstellung des Vollständigen Wörterbuchs, vermutlich auf gleicher Materialbasis, erarbeitet, und in ihr Informationen versammelt, die ihm bei der Arbeit am Wörterbuch interessant erschienen, darin jedoch nicht untergebracht werden konnten.⁶² Wie bereits der Titel verrät, verfolgt das Werk drei Absichten, nämlich badi però di non commettere il solecismo da taluni usato di, viceversa, usar cosa, e tralasciar che, e dire contra l’uso de’ buoni, e come la Grammatica insegna: cosa c’ è? cosa volete? etc.» (Ital. Lehrer, vol. 2, 29). Interessant an dieser Stelle, dass der uso noch vor der Grammatica als regelgebend genannt wird, jedoch in der Beschränkung auf den uso de’ buoni. 60 Zur kodifizierten Sprache in italienischen Sprachlehrwerken in Deutschland cf. auch Gorini (1997, 320–321), der mit den konservativen Tendenzen eine allgemeine Verspätung gegenüber der Grammatikschreibung in Italien feststellt. 61 Der Artikel li befindet sich allerdings bereits im 18. Jahrhundert im Rückgang, cf. Migliorini (11 2004, 486). 62 Z. B. enthält die Sammlung poetischer Ausdrücke lateinische Übersetzungen, um Etymologien darzustellen. Aus einem Brief des Verlegers Barth an Valentini vom 8. April 1829 wissen wir, dass Valentini für das Wörterbuch Etymologien zusammengestellt hatte und sie darin einbringen wollte, was vom Verleger jedoch abgelehnt wurde (cf. Kapitel 7.2.5).
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«theils die reine und wahre […] italienische Aussprache in ihrem ganzen Umfange festzustellen und in Deutschland zu verbreiten, theils nach einer leichten, faßlichen unterrichtenden Methode die Skansion und Betonung der italienischen Verse zu lehren, und durch eine erklärende Darstellung der Eigenthümlichkeiten der dichterischen Sprache der Italiener dem Lernenden zugleich Mittel an die Hand zu geben, nicht nur die Schönheit der Dichterwerke vollständig zu genießen, sondern auch in sprachlicher Hinsicht den möglichsten praktischen Nutzen daraus zu ziehen». (Aussprachelehre, [III])
5.3.5.1 «nur die […] der gebildeten Römer und Toskaner»: Regeln zur Aussprache Bezüglich der Aussprache wird, wie im Kapitel zu den Lettere bereits kurz ausgeführt (cf. Lettere, [VII]), die Aussprache Roms als Norm beschrieben: «ascolta i Romani, maestri di pronunzia», rät der Italienische Lehrer (Ital. Lehrer, vol. 2, 3) bei paralleler Kritik regionaler Aussprachen (cf. Ital. Lehrer, vol. 2, 2). Einige ihrer Charakteristika scheint Valentini dabei als erster in Regeln zu formulieren.⁶³ Auch die spätere Aussprachelehre benennt explizit als modellhafte Aussprache «nur die, als die beste anerkannte, der gebildeten Römer und Toskaner» (Aussprachelehre, [III], n.; cf. auch 15, n. 15).⁶⁴ Die toskanisch-römischen Züge zeigen sich insbesondere in der Beschreibung zur Realisierung der stimmlosen palata-
63 So erklärt er zur Aussprache von und , diese müssten nach einem Vokal «mit noch größerer Weichheit ausgesprochen werden» (Ital. Lehrer, vol. 1, 2) und führt in einer Fußnote aus: «Diese Regel ist von mir zuerst gegeben worden, und da dieselbe bisher in keiner Grammatik zu finden gewesen, so hat sie viel Veranlassung zu reden gegeben». Cf. bereits in der Neuen Grammatik, 2 und im Dialog zur Aussprache in derselben (500–502). Die Regel ist an der römischen und toskanischen Aussprache orientiert und später von anderen Grammatiken übernommen worden, so z. B. in Filippis Sprachlehre in der von Philipp Zeh bearbeiteten Ausgabe von 1829 (cf. Filippi 11 1829, 2). 64 Auch Fernow benennt die toskanische und römische Aussprache klar als Modell: «[…] denn auch gilt die toskanische und besonders die florentinische Aussprache, mit welcher die römische fast gänzlich übereinstimmt, als Muster» (1804, 10). Cf. auch Filippi (1813), der dagegen den Unterschied zwischen toskanischer und römischer Aussprache betont und der römischen den Vorzug gibt: «Die Römer aber, deren Aussprache überhaupt in Italien von gebildeten Personen der Toskanischen vorgezogen wird, […]» (1813, 2). Das Konzept der «lingua toscana in bocca romana», das sich auf das Italienische der gebildeten Schichten Roms bezieht, findet sich ab dem 17. Jahrhundert, besonders im Bereich der Didaktik des Italienischen als Fremdsprache verbreitet. Schweickard hat hierzu beispielhafte Zitate aus zeitgenössischen Lehrwerken aus England, Frankreich, Deutschland und der Schweiz zusammengestellt (cf. 2010, 104–105; 115, n. 9) Cf. auch Radtke (1986, 109), Serianni (2002a, 97–98) und Galli de’ Paratesi (1984), die für die Zeit ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts das Konzept der «lingua toscana in bocca ambrosiana» entgegensetzt.
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len Affrikata nach Vokal. Valentini weist im Vorwort darauf hin, dass aufgrund der zahlreichen italienischen Dialekte und Regionalakzente nicht die Aussprache jeden Italieners als Vorbild aufzufassen sei. Er beklagt, dass bisher keine zufriedenstellende Darstellung der italienischen Aussprache vorliege⁶⁵ und nutzt das Werk, um über die allgemeinen Regeln, die dem Vollständigen Wörterbuch vorangestellt sind und die dort im Lemmarium angegebenen Akzente, über die Kapitel in der Grammatik und dem Italienischen Lehrer und über die Übungen zum lauten Vorlesen hinaus, die in seinem didaktischen Prinzip eine hohe Bedeutung haben, eine ausführliche Darstellung zu bieten. Diese zeichnet sich durch folgende Charakteristika aus: Bei Lauten, die vom Phoneminventar des Deutschen abweichen, wird mit kontrastivem Blick eine genaue Erklärung gegeben, wie sie zu realisieren sind. So liest man z. B. zur Aussprache des geschlossenen o: «Das geschlossene o wird mit einer geringen Zusammenziehung der Lippen und zwar so ausgesprochen, daß der Ton desselben zwischen dem o und u mitten inne steht, wie das o in den deutschen Wörtern Mond, Gebot, los etc.» (Aussprachelehre, 3–4). Valentini geht besonders auf typische Fehler deutscher Lerner ein, etwa wenn er in einer Fußnote zum finalen -e anmerkt, dass dieses «immer einen vernehmlichen Laut und nie den des französischen e muet hat»,⁶⁶ oder wenn er an anderer Stelle warnt: «Man hüte sich, den Diphtong eu so auszusprechen wie das deutsche eu in deuten, erbeuten, etc.» (Aussprachelehre, 9, n. 14).⁶⁷ Auch auf Probleme,
65 Systematische Erklärungen zur Aussprache anderer Lehrwerksautoren der Zeit finden sich fast ausschließlich in kurzen Kapiteln der Grammatiken und sind dort tatsächlich häufig wenig zufriedenstellend. Filippi schreibt in seiner Sprachlehre in der Ausgabe von 1813 beispielsweise: «Die italienische Aussprache dürfte die Leichteste unter allen von den europäischen Sprachen seyn. […] Ihre Aussprache [der italienischen Buchstaben] ist von der Deutschen im Allgemeinen wenig unterschieden; nur C und G ausgenommen, die vor e und i auf eine Art ausgesprochen werden, davon man beynahe keine schriftliche Anweisung zu geben im Stande ist» (Filippi 1813, 1; der Band trägt keine Angabe, um die wievielte Ausgabe es sich handelt. Die erste Ausgabe ist 1802, eine neunte Ausgabe 1816 erschienen). 66 Hier greift Valentini zur Erklärung auf einen Vergleich mit dem Französischen zurück, wohl weil er die deutsche Realisierung des finalen -e als Schwa nicht benennen kann (im deutschen Grammatikteil des Vollständigen Wörterbuchs wird für den italienischen Nutzer die entsprechende deutsche Realisierung beschrieben, cf. Vollst. Wb., vol. 2, XXXI). Interessant die Begründung Valentinis für die Anfügung dieser Regel in der Aussprachelehre: «Ich würde diese Bemerkung nicht gemacht haben, wenn mich die Erfahrung nicht gelehrt hätte, daß diese Aussprache von mehren [sic!] Lehrern nicht nur geduldet, sondern sogar gelehrt wird» (Aussprachelehre, 3, n. 10). 67 Einen Abschnitt zu häufigen Fehlern von deutschen Lernern findet sich beispielsweise auch in der Italienischen Sprachlehre von Fernow (cf. 1804, 66). Auch Fernow greift zur Erklärung der Opposition von [ɛ] : [e] und [ɔ] : [o] auf Vergleiche mit deutschen Wörtern zurück, (cf. 1804, 9–10).
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die aufgrund regionaler Aussprachen des Deutschen bei einem Lerner auftreten können, wird eingegangen (cf. Aussprachelehre, 12). Häufig greift Valentini zur Erklärung von Lauten auf Analogien mit dem Französischen, das er bei seiner potentiellen Zielgruppe als bekannt voraussetzen kann, zurück, z. B. zur Aussprache von g: «Man bezeichnet diesen Laut auch wohl durch dsche; aber Erfahrung hat uns gelehrt, daß nur das französische jé oder gé, wenn es mit einem vorhergehenden d verbunden gedacht wird, zur Bezeichnung dieses Tones fähig ist» (Aussprachelehre, 1). Der Rückgriff auf französische Graphemfolgen als diakritische Zeichen wird bereits von anderen Lehrwerkautoren des frühen 19. Jahrhunderts und früherer Jahrhunderte verwendet (cf. Gorini 1997, 172, 207). Auf jeden Abschnitt mit Regeln folgen Übungen in Form von Wortlisten, jeweils mit deutscher Übersetzung versehen, deren Wörter das zuvor erklärte Phänomen enthalten und laut vorzulesen sind. Am Ende des gesamten Aussprachekapitels steht als abschließende Leseübung, die alle Phänomene abdeckt, ein Brief von Metastasio an Domenico Diodati (Aussprachelehre, 30–31). Die Aussprachelehre geht über eine rein synchron-deskriptive und normgebende Darstellung und Sprachlehre hinaus. So werden für einige Phänomene sprachgeschichtliche Erklärungen angefügt, zum Beispiel zu den doppie,⁶⁸ zur geschlossenen Realisierung des e, wo es aus dem Lateinischem i hervorgegangen ist, oder zu den Ausführungen zur Aussprache von ce (s. unten). Wenn Valentini bei den Ausführungen zu den Lippenbuchstaben b, p, f, v und den Zungenbuchstaben d und t unterstreicht, dass die stimmhafte bzw. stimmlose Aussprache der bilabialen und dentalen Okklusiva bedeutungsunterscheidend ist und zum Beleg eine ganze Reihe von Beispielen anführt, von denen viele Minimalpaare darstellen (z. B. basso–passo, tardo–dardo etc.; cf. Aussprachelehre, 12), wird augenscheinlich, dass er sich, wenngleich eine weitere Theoretisierung ausbleibt, auf einer ersten Beschreibungsstufe für die spätere Phonologie befindet. Besonders ausführlich sind die Erklärungen zur Aussprache des betonten e und o,⁶⁹ die Ausführungen zu den Diphtongen sowie zur Aussprache der Graph-
68 «Für diejenigen, welche Latein verstehen, bemerken wir, daß solche Verdoppelungen von Konsonanten immer vorkommen, wenn in lateinischen Wörtern auf einen der Mittellaute b, c, d, g, m, p noch ein anderer unmittelbar folgt. Im Italienischen fallen jene alsdann weg, und der zweite wird dafür doppelt gesetzt» (Aussprachelehre, 2). 69 Wie in einer Fußnote angegeben wird, beruhen die Regeln zum Öffnungsgrad des betonten o und e auf eigenen Studien. Sie seien «das Resultat mehrjähriger mühevoller Nachforschungen» und gültig für «etwa 7/8 aller betreffenden Wörter» (Aussprachelehre, 4, n.). Für Ausnahmen verweist Valentini auf das Vollständige Wörterbuch, wo die Aussprache der entsprechenden Wörter mit Akzent markiert sei. Den Versuch, klare Regeln zu formulieren, macht auch Fernow (cf. 1804,
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eme c, s und z. Die Diphtonge, so beklagt Valentini, seien zuvor nie ausreichend beschrieben worden. Er selbst bezeichnet jede Folge von Vokalen, auch Hiats, als Diphtong, und nimmt eine Einteilung in vier Klassen vor (cf. Aussprachelehre, 6–7): dittonghi sdruccioli (Formen des Hiat, in dem der erste Vokal akzentuiert ist, z. B. in áere), dittonghi piani (Hiat mit Akzent auf dem zweiten Vokal, z. B. in paése), dittonghi equilibrati (Hiat, mit schwächerem Akzent auf einem der Vokale, z. B. in empíreo, creatóre) und dittonghi raccolti (Diphtonge nach heutiger Definition, nach Valentini «solche, welche auf eine Weise ausgesprochen werden, daß der erste Vokal viel von seinem Tonwerth verliert. Sie werden nur von einem i oder u mit einem andern Vokal gebildet»; Aussprachelehre, 7). Tatsächlich ist die Beschreibung in den Grammatiken der Zeit recht knapp. Puoti etwa geht gar nicht auf Diphtonge ein, Corticelli nimmt lediglich eine Einteilung in distesi, «che fanno sentire amendue le vocali in maniera, ch’e’ non appariscono quasi dittonghi, come aere, […], Europa, e simili, ne’quali la principal vocale è la prima» (Corticelli 1745, 13), und in raccolti, «che si pronunziano talmente unite, che la prima vocale pere molto di suonoo, e la seconda è la principale, […], come in piano, cielo» (ebd.), vor. Diese wird in den Lehrwerken von Jagemann und Filippi für deutsche Lerner des Italienischen übernommen (cf. Jagemann 2 1801, 8–9; Filippi 1813, 4). Ausführlicher und differenzierter ist dann allerdings die Sprachlehre Fernows (cf. 1804, 29–33), der zwar ebenfalls mit der Einteilung in distesi und raccolti arbeitet, gegenüber Corticelli jedoch klar diakritische Zeichen und gegenüber Valentini Hiats von Diphtongen unterscheidet (cf. 1804, 31). Was die Aussprache von c betrifft, differenziert Valentini in der Aussprachelehre wie in der Grammatik neben den allgemeinen Regeln zur Realisierung als [k] oder [ ʧ ] je nach folgender Umgebung den besonderen Wert von ce, ci, cia und cio, wenn ein Vokal vorausgeht. Die Verbindung habe dann «einen sanftgleitenden, nicht so hart als tsch lautenden, sich dem sch nähernden Ton» (Aussprachelehre, 14). Valentini schreibt somit auch auf lautlicher Ebene – in den Dialoghi und im Vollständigen Wörterbuch erfolgt dieselbe Zuschreibung auf lexikalischer Ebene – den Standard der Toskana, aber auch Roms als Norm fest und erklärt auch explizit, dass es sich hierbei um die Aussprache, «wie sie im Munde aller gebildeten Römer und Toskaner ist» (Aussprachelehre, 15), handele. Zur Untermauerung der Wichtigkeit dieser Regel wird ausgeführt, dass sie sich in der teilweise durch sce und sci wiedergegebenen Schreibung bei alten Autoren widerspiegele. Auch parallele Entwicklungen in den lombardischen Dialekten werden beschrieben sowie
12–20). Andere Sprachlehren der Zeit verweisen bezüglich der Aussprache von betontem o und e lediglich auf Übung und Gebrauch (cf. Gorini 1997, 207). Gorini hebt erst Vockeradts Sprachlehre von 1878 als Versuch einer genauen Regelformulierung und Beispiel für die Einführung einer speziellen Kennzeichnung der offenen Realisierung hervor.
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die Hypothese gewagt, «daß diese Aussprache auf der Apenninischen Halbinsel seit undenklichen Zeiten gebräuchlich war, was die Uebergänge einiger Namen wenigstens sehr wahrscheinlich machen» (Aussprachelehre, 16, n. 15). Diese Überlegungen zeigen deutlich Valentinis Beschäftigung mit Fragestellungen, Methoden und Interessensgebieten der frühen Romanistik der Zeit.⁷⁰ Über die Aussprache hinaus äußert sich Valentini auch zur Graphie. Wie Gherardini (cf. Gherardini 1843, 524–525) gehört er gegen die Empfehlung der Crusca zu den Verfechtern des Gebrauchs von j statt i als Halbvokal am Wortanfang sowie in intervokalischer Position im Wortinneren und als Pluralendung von Wörtern auf -io (cf. Aussprachelehre, 7).⁷¹ Als Pluralendung wird j auch in den anderen Italienischgrammatiken für Deutsche des 19. Jahrhunderts durchgängig empfohlen (so in allen von Gorini für den Zeitraum analysierten Lehrwerken, cf. 1997, 207). Auch spricht Valentini sich für die Einführung einer konsequenten Akzentuierung bei parole sdrucciole aus: «Um diese peinigende Ungewißheit auf einmal zu beseitigen, wäre es sehr wünschenswerth, wenn die Schriftsteller unserers Vaterlandes, unserem gutgemeinten Vorschlage folgend, alle sdrucciole, bisdrucciole etc. mit einem Accut (´) zu bezeichnen sich entschließen könnten». (Aussprachelehre, 27)
5.3.5.2 Zur Skansion und Betonung der italienischen Verse Der zweite Teil der Aussprachelehre behandelt die Silbenzählung und die Betonung der italienischen Verse und stellt, jeweils an konkreten Beispielen, die wichtigsten Versformen vor. Am Ende sind als «Uebungsstücke zur Anwendung aller über die Skansion und Betonung der italienischen Verse gegebenen Regeln» (Aussprachelehre, 52) Texte von Dante, Petrarca, Ariost, Tasso, Metastasio, Chiabrera, Cesarotti und Giovanni Meli, die alle unterschiedlichen Versformen abdecken, zusammengestellt. Zielgruppe dieses Teils sind Künstler, «Liebhaber des Gesangs» (Aussprachelehre, IV), vor allem aber Tonsetzer, da «durch eine unrichtige Betonung nicht nur an sich klare und schöne Verse undeutlich werden, sondern […] auch die Musik
70 Zur Auseinandersetzung mit italienischen Dialekten cf. auch den Hinweis auf eine geplante Arbeit zu den Dialekten in der Raccolta und dem Vollständigen Wörterbuch (Raccolta, IV; Vollst. Wb., vol. 3, 1238); zu lautlichen Besonderheiten einzelner Dialekte in der Aussprachelehre cf. auch Aussprachelehre, 29. 71 Zur Verbreitung dieser Tendenz in der ersten Hälfte des Ottocento cf. Migliorini (11 2004, 560); Serianni (1989c, 151; 157).
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selbst nicht mehr im Einklange mit den Worten steht» (Aussprachelehre, IV), wie Valentini im Vorwort anmerkt.
5.3.5.3 Bemerkungen über die dichterische Sprache der Italiener In diesem letzten Teil sind «alle die vielen sogenannten poetischen Freiheiten methodisch geordnet und erklärt, so daß sie größtentheils nicht mehr als solche, sondern vielmehr als feststehende Merkmale einer für sich bestehenden Sprache betrachtet werden müssen» (Aussprachelehre, IV), bevor eine Sammlung von rund 1000 poetischen Ausdrücken das Werk abschließt. In den einleitenden Bemerkungen zur dichterischen Sprache versucht Valentini, dem ihm eigenen Prinzip gemäß, sprachliche Phänomene systematisch darzustellen, den Mythos der ungeregelten «dichterischen Freiheiten» zu widerlegen. Dazu stellt er eine Reihe von Gesetzmäßigkeiten der poetischen Sprache zusammen, wobei «einer der hervorstechendsten Züge […] die häufige Wiederaufnahme ursprünglich lateinischer Wörter» (Aussprachelehre, 69) sei. Die Arten der Wiederaufnahme aus dem Lateinischen teilt Valentini in sechs Klassen ein (cf. Aussprachelehre, 70–72). Anschließend geht er auf Formen der Verbflektion ein, die in der Poesie von den prosaischen Formen abweichen (cf. Aussprachelehre, 72–75), um schließlich unter der Überschrift grammatische Figuren die Phänomene der Prothesis, der Epenthesis, der Paragoge, der Aphärese, der Synkope und der Apokope zu erklären. Im Vorwort zur Sammlung der poetischen Ausdrücke erläutert Valentini aus seiner Unterrichtspraxis heraus, wie jene zu verwenden sei. Mit ihrer Hilfe lasse sich vermeiden, dass der Lerner, der bereits früh mit der poetischen Sprache in Kontakt komme, entsprechende Ausdrücke unpassenderweise in der eigenen (prosaischen) Sprachproduktion verwende, und dagegen der Schüler, der erst später im Lernprozess die italienische Dichtung kennenlerne, Verständnisschwierigkeiten habe (cf. Aussprachelehre, 81). Die Sammlung enthält in alphabetischer Reihenfolge poetische Ausdrücke, jeweils mit Angabe ihrer Wortart und, so sie sich aus dem Lateinischen ableiten, einer lateinischen Übersetzung.⁷² Es folgen eine deutsche Übersetzung und die italienischen prosaischen Äquivalente: allôro, m. laurus, der Lorbeer, il lauro.
72 «Für Kenner der lateinischen Sprache sind, der Etymologie wegen, die lateinischen Benennungen derjenigen italienischen Wörter beigefügt, welche ihren Ursprung aus dieser Sprache herleiten» (Aussprachelehre, 81).
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Kommen Ausdrücke nur in bestimmten Wendungen vor, so wird der jeweilige Kollokator in runden Klammern mit angegeben: allôri (trionfali, immortali etc.) fig. m. plur. Siegeslorbeer, unsterbliche Lorbeeren.
Manchmal sind in runden Klammern auch Bedeutungseingrenzungen angegeben: lutta, f. lucta, das Ringen, combattimento (di forza, di destrezza).
Die Wortliste dürfte dem von Valentini auch in den anderen Werken anvisierten Zielpublikum, dessen Hauptinteresse am Lernen des Italienischen gerade in der Lektüre der bekanntesten Dichter bestand, von großem Nutzen gewesen sein. Heute ist die Aussprachelehre nurmehr in wenigen Bibliotheken vorhanden.⁷³
5.4 Die Arbeiten nach dem Erscheinen des Vollständigen Wörterbuchs 5.4.1 Lebendige Landeskunde und Modell eines gesprochenen Italienischen: Dialoghi e Colloquj italiani e tedeschi (1839) 1839, drei Jahre nach der Veröffentlichung des Vollständigen Wörterbuchs und zwei Jahre nach der des Taschenwörterbuchs in seiner zweiten Auflage, publiziert Valentini die Dialoghi e Colloquj italiani e tedeschi su d’ogni possibil soggetto e faccenda famigliare⁷⁴. Dabei handelt es sich um eine Arbeit, die sehr unter-
73 Über den KVK ist sie in der Stadtbibliothek Trier, der Stadtbibliothek Aachen, der Stadtbibliothek Braunschweig, sowie den Universitätsbibliotheken von Bamberg, München, Halle und Jena nachgewiesen. Das Aachener Exemplar könnte möglicherweise zur Sammlung des DanteÜbersetzers und Crusca-Mitglieds Reumont gehört haben, was für die Rezeptionsgeschichte interessant wäre. Möglich ist jedoch auch eine Übernahme aus der Sammlung Hermann Ariovist von Fürth. Ich danke Manfred Sawallich, Leiter der Stadtbibliothek Aachen, für die Auskunft. 74 Der vollständige Titel lautet: Dialoghi e Colloquj italiani e tedeschi su d’ogni possibil soggetto e faccenda famigliare; cadauno de’quali è fornito delle più occorrevoli espressioni, termini e locuzioni; il tutto disposto a modo di Dizionario sistematico, ad uso degli Studiosi e Dilettanti d’ambe gl’Idiomi, in ispezie delle Scuole e de’ Viaggiatori, dal Dr. F. Valentini, Romano, Regio Professore di Lingua e Letteratura italiana, a Berlino. Italienische und deutsche Gespräche und Unterredungen über alle im gemeinen Leben vorkommende Gegenstände und Geschäfte; mit den gebräuchlichsten Ausdrücken, Kunstwörtern und Redensarten; nach Art eines systematischen Wörterbuches zum Gebrauch Studirender und Liebhaber beider Sprachen, insbesondere für Schulen und Reisende, von Dr. F. Valentini, aus Rom, königl. Preuß. Professor der italienischen Sprache und Literatur in
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schiedliche Darstellungsformen in sich vereint, was eine klare Zuordnung zum lexikographischen oder didaktischen Werk Valentinis unmöglich macht. Sie besteht einerseits aus Modelldialogen verschiedenster Situationen des Alltagslebens der gehobenen Gesellschaft und ist andererseits eine Art Lernwortschatz, der in weiten Zügen die Eigenschaften einer Enzyklopädie in der Anordnung eines methodologischen Wörterbuchs trägt.⁷⁵ Durch diesen Lernwortschatz wird der Leser wie in der Grammatik von fiktiven Gesprächen des Sprachlehrers Valentini mit einem Schüler geleitet. Der bei Amelang erschienene Band umfasst 406 Seiten zzgl. XXVIII Seiten Vorwort und Inhaltsverzeichnis. Der Text ist durchgehend zweispaltig, links in italienischer, rechts in deutscher Sprache, gesetzt. So sind die Dialoghi sowohl für Italiener als auch für Deutsche gewinnbringend nutzbar. Die Sprache, die kommentiert wird, ist jedoch klar das Italienische, wie insbesondere die Einleitung und die fiktiven Unterredungen Valentinis mit seinem Schüler zeigen.⁷⁶ Unter dem Gesichtspunkt, dass in der vorliegenden Untersuchung der Schwerpunkt auf dem lexikographischen Werk Valentinis liegt, erfolgt eine Analyse der Darstellung des Wortschatzes in den Dialoghi in Kapitel 6, zusammen mit den anderen kleineren lexikographischen Arbeiten. An dieser Stelle dagegen werden die Dialoghi als Beitrag zum Sprachunterricht und als sprachhistorisches Dokument vorgestellt. Dazu wird, nach einer Übersicht über das Werk, der Fokus auf die darin enthaltenen Modelldialoge gelenkt. Von Interesse sind dabei die Rückschlüsse, die sich auf Valentinis Unterrichtsmethode ziehen lassen, die vermittelte Sprache, die Zielgruppe sowie die Vermittlung von soziokulturellen Hintergründen zu Italien und Deutschland. Im Vorwort (Dialoghi, V–XVI) erklärt Valentini, dass die Künste, Wissenschaften und industriellen Erfindungen in Europa niemals stärker gefördert worden seien als in jener Zeit, weshalb auch die Sprachen als «die vorzüglichsten Mittel zu Erlangung dieses Zweckes» (Dialoghi, V) mehr gepflegt würden als je zuvor. Unter den Angehörigen der gebildeten Schicht spräche jeder mehrere, was aufgrund der «wachsenden Beziehungen und Annäherungen der Nationen» (Dialoghi, VI)
Berlin. Für eine Kurzdarstellung cf. auch Boerner (1988, 47). Für die vorliegende Arbeit herangezogen wurde das Exemplar der Staatsbibliothek Hamburg. Es befindet sich in gutem Zustand und scheint wenig benutzt worden zu sein. 75 Eine Erklärung zum Aufbau findet sich im Vorwort. Ohne diese ist es für den Benutzer nicht erkennbar, wo welcher Teil endet bzw. beginnt, ist doch die Absetzung im Inhaltsverzeichnis nicht ganz klar. Der Haupttitel zeigt die Art des Werks nicht an, erst aus dem Untertitel ist ersichtlich, dass hier sehr unterschiedliche Gegenstände zusammengefasst werden. 76 Zur bidirektionalen Verwendungsmöglichkeit von Sprachbüchern cf. auch Franceschini (2002, 138; 2003, 75).
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auch notwendig sei. Indes gäben die bisherigen Instrumente und Methoden zum Sprachunterricht viel Anlass zur Kritik. Insbesondere in den praktischen Hilfsbüchern, den Dialogsammlungen, «stoppelte [jeder] zusammen, was ihm beliebte» (Dialoghi, VII). Zur Vermittlung der gesprochenen Sprache, die für den direkten Austausch zwischen den beiden Nationen zur Zeit Valentinis immer mehr an Bedeutung gewinnt, waren Dialogsammlungen und Konversationsbücher seit jeher ein wichtiges und weit verbreitetes Instrument, dazu bestimmt, «den Lernern sozusagen den uso corrente vorzuführen» und zum «Einüben gepflegter, standesgemäßer kommunikativer Praktiken» (Franceschini 2003, 76). Bereits in den ältesten bekannten Werken zum Erlernen von Italienisch und Deutsch als Fremdsprachen, den Sprachbüchern Georgs von Nürnberg und Adams von Rottweil,⁷⁷ werden Modelldialoge zur Vermittlung von gesprochener Sprache eingesetzt, und auch dort werden sie zusammen mit der Darstellung von Wortschatz präsentiert. Wie Waentig (2006), der eine Reihe von Gesprächsbüchern des 14. bis 16. Jahrhunderts analysiert hat, ausführt, handelt es sich bei den Dialogsammlungen von Anfang an häufig nicht nur um «testi dialogati bensì di lemmari bilingui distinti dai lessici alafabetici latini e volgari […] e successivamente dalla combinazione dei due volgari» (2006, 96). Der Dialogteil der Gesprächsbücher stellt als Abbildung gesprochener Sprache der jeweiligen Zeit mit hohem Authentizitätsgrad (cf. dazu Radtke 1994, 27–29; Franceschini 2002, 130) – unter der Prämisse, dass jede schriftliche Repräsentation gesprochener Sprache der Vergangenheit eben nur eine Imitation von Gesprochensprachlichkeit darstellt – ein wertvolles sprachhistorisches Dokument für eine pragmatica diacronica (Franceschini 2002, 132) dar, das sprachliche Konventionen vergangener Zeit widergibt und die Entwicklung der lingua parlata comune (Dialoghi, 135) zu verfolgen erlaubt. Darüber hinaus informieren die Dialoge über die kulturgeschichtlichen Gegebenheiten der jeweiligen Zeit (cf. auch Waentig 2006, 107). In den letzten zwanzig Jahren hat sich eine Reihe von Studien mit Dialogen in Sprachlehrbüchern befasst,⁷⁸ dabei jedoch vorwiegend die Zeit bis zum 18. Jahrhundert in den Blick genommen. Da das Italienische in Deutsch77 Noch ältere Vorbilder finden sich für das Erlernen des Englischen und des Französischen in Flandern und England, cf. Franceschini (2003, 141). 78 Neben dem zitierten Artikel von Waentig (2006) sind für das Italienische insbesondere die Arbeiten von Radtke (1994) zu Dialogen in französischen Sprachlehrbüchern des 17. Jahrhunderts und ihrer italienischen Adaption sowie die zum Italienischen in Dialogbüchern von Franceschini (2002, mit Akzent auf ihr Potential zur Erforschung des italiano parlato sowie 2003, mit Akzent auf der Vermittlung von interkulturellem Wissen) von Bedeutung (für eine ausführlichere Bibliographie verweise ich auf die in Franceschini 2003, 150–154 angegebene Literatur). Die Arbeiten beschränken sich auf den Zeitraum von den Anfängen im Trecento (Waentig) bis zum 18. Jahrhundert (Franceschini). Franceschini und Radtke bemerken, dass die Blütezeit der
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land, kaum in Schulen, sondern häufig im privaten Rahmen des gehobenen Bürgertums gelehrt, traditionell eher mit praktischer Ausrichtung vermittelt wurde, ist auch im Ottocento die Publikationszahl der Dialog- und Konversationsbücher hoch (cf. Gorini 1997, 165).⁷⁹ Häufig handelt es sich dabei allerdings um Übersetzungen aus dem Französischen.⁸⁰ Ein Beispiel zu Beginn des Jahrhunderts ist die Sammlung Il viaggiatore von Domenico Antonio Filippi (Wien 1803)⁸¹, ein späteres das Neue italienische Konversations-Lesebuch (1862) sowie die Dialoghi italiani (1866) von C. M. Sauer.⁸² Die unüberlegte Auswahl der behandelten Gegenstände sowie deren mangelnde sprachliche Richtigkeit in vielen Sprachbüchern führt Valentini beispielhaft am ersten Dialog eines in Straßburg erschienenen, ebenfalls aus dem Französischen übersetzten Werks mit dem Titel Italienische und deutsche Gespräche für beide Nationen vor (cf. Dialoghi, VIII–X)⁸³ und schlussfolgert: «Da nun diese Art Bücher an so vielen und so wesentlichen Fehlern leiden, glaubte ich es mei-
Produktion solcher Sprachbücher das 17. Jahrhundert ist, während das 18. Jahrhundert weitgehend auf bestehende Gesprächsmodelle zurückgreift und Dialoge unverändert übernimmt, womit die Authentizität abnimmt und die Texte keinen zeitgenössischen Sprachstand mehr abbilden (cf. Radtke 1994, 30). Meines Wissens bisher nicht untersucht sind Dialogbücher des 19. Jahrhunderts. Besonders für das Italienische bleibt die Darstellungsform bestehen und bringt, wie das Beispiel der Dialoghi Valentinis zeigt, Neubearbeitungen mit sich, deren Sprache sowie Konversationskontexte an die neue Zeit angepasst sind. 79 Eine systematische Bibliographie, die weitere entsprechende Dialogbücher für das 19. Jahrhundert verzeichnet, liegt meines Wissens nicht vor; cf. auch Franceschini, die vermutet: «tali manuali pratici non saranno stati ritenuti degni di archiviazione» (2002, 138). Neben den zweisprachigen sind für das Ottocento auch einsprachig italienische bzw. italienisch-dialektale Dialogsammlungen zu beachten, die eine wichtige Rolle als Modell für Umgangssprache im Rahmen der italienischen Einigung gespielt haben und die bislang kaum untersucht sind. Für den Hinweis darauf danke ich Edgar Radtke. 80 Zu französischen Sprachbüchern und ihrer Adaption im Italienischen cf. die bereits zitierte Arbeit von Radtke (1994). 81 Der volle Titel lautet: Il viaggiatore: opera utile alla Gioventù e a’viaggiatori che bramano rendersi famigliari le frasi e l’espressioni le più occorevoli ne’molteplici incontri della vita sociale. Es handelt sich um eine Übersetzung des Manuel du voyageur von Madame de Genlis, cf. Raffaelli (1998, 449). 82 Sauer hat auch an Valentinis Taschenwörterbuch in seiner dritten Auflage mitgearbeitet, cf. Kapitel 6.1.4. Wie der volle Titel Neues italienisches Konversations-Lesebuch f. den Schul- u. Privatunterricht m. Anmerkungen u. e. vollständigen Wörterbuche verrät, enthält auch sein Konversationsbuch ein Wörterbuch. 83 Die Kritik an seinen Vorgängern, die mit der Anführung eines konkreten misslungenen Beispiels untermauert wird, ist nicht nur als Werbung für das eigene Werk zu verstehen. Vielmehr zeigt die minutiöse Analyse des Dialogs aus dem Straßburger Gesprächsbuch Valentinis philologische Sensibilität und seinen (vor)wissenschaftlichen Anspruch. Mit ähnlicher linguistischer
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nem Stande und meinem Berufe schuldig zu sein, denselben nach meinen Kräften bestmöglich abzuhelfen» (Dialoghi, IX–X). Den eigenen Dialoghi gehe eine jahrlange Materialsammlung und -anordnung voran, wobei, um den Umfang und den Preis des Werks in Grenzen zu halten, auch erhebliche Kürzungen vorgenommen wurden (cf. Dialoghi, XI).⁸⁴ Doch das Werk ist nicht ganz so originell, wie der Autor uns glauben machen möchte. So zeigt sich beispielsweise eine gewisse Übereinstimmung der Themenauswahl und auch einiger Textpassagen mit den «EASY DIALOGUES» aus den Italian Extracts von Montucci (1806). Hierbei handelt es sich um ausschließlich italienischsprachige Dialoge, die Montucci wiederum «verbatim […], with a few corrections and additions, from Goudar’s French Grammar» (Montucci 1806, vi), übernimmt. Wie Valentini jedoch gegenüber diesen kürzt, ergänzt und v. a. sprachliche Adaptionen vornimmt, lässt sich z. B. im in Kapitel 5.4.1.4 zitierten Auszug aus einem Gespräch beim Schumacher zeigen. Valentinis Dialoghi umfassen, wie im Vorwort (cf. Dialoghi, XII–XIV) ausgeführt wird, folgende Bestandteile: a) b)
c) d)
zwölf Unterredungen/Colloqui, in mehreren Abteilungen und ca. 70 Paragrafen mit Wortschatz zu Gott, Schöpfung, Natur und Mensch; dreißig Gespräche/Dialoghi famigliari aus den gebräuchlichsten Sprechsituationen, mit den «gewähltesten und gebräuchlichsten Phrasen und Redensarten des gewöhnlichen Lebens» (Dialoghi, XII); vier Paragraphen mit Wortschatz zu Wissenschaften, Künsten, Gewerbe, Handwerk etc.; acht Unterredungen/Colloqui zu den drei Reichen der Natur (Thierreich, Pflanzenreich, Mineralreich).
Die Modelldialoge aus verschiedenen Alltagssituationen sind im Vorwort unter b), als Dialoghi famigliari bzw. Gespräche und im Inhaltsverzeichnis mit «L’Uomo in compagnia. Der Mensch in Gesellschaft. Gespräche verschiedenen Inhaltes» bezeichnet und erstrecken sich von Seite 159 bis Seite 272. Die Teile a), c) und d) bilden dagegen das systematische Wörterbuch und werden in Kapitel 6.3 näher behandelt.
Akribie geht er bei der Reaktion auf den illegalen Mailänder Nachdruck seines Vollständigen Wörterbuchs vor, cf. Kapitel 8.2.1. 84 Der ökonomische und verlegerische Aspekt wird auch in den Dokumenten zu den Wörterbüchern immer wieder thematisiert.
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5.4.1.1 Colloqui und Dialoghi und ihre Zielgruppe In Valentinis Werk von 1839 kommen zwei Arten von fiktiven Dialogen vor, die es zu unterscheiden gilt. Bei den Unterredungen/Colloqui handelt es sich um fiktive Gespräche Valentinis mit einem Schüler namens Germanus, die ins Thema der folgenden Wörtersammlung einführen und das Werk moderieren.⁸⁵ Aus den Gesprächen geht hervor, dass es sich bei dem fiktiven Schüler wohl um einen jungen Kaufmann handelt (cf. Dialoghi, 84, wo er zu Terminologie des Seewesens äußert, ihre Kenntnis hätten «wir Kaufleute in einer Seestadt so nöthig»), der einer gehobenen sozialen Schicht angehört (mehrere Gespräche eröffnen mit dem Ritual, dass man sich lange nicht gesehen habe, da Germanus in der Sommerfrische oder dem Landsitz eines Verwandten gewesen sei, cf. Dialoghi, 54, Colloquio V; 102, Colloquio IX; 331, Colloquio XIII). Damit gewinnt man einen interessanten Hinweis auf die Schülerschaft Valentinis und insbesondere auf die Zielgruppe der Dialoghi. Über diese ist zu ergänzen, dass einer ihrer vornehmlichen Gründe, Italienisch zu lernen, das Ziel ist, die italienischen Klassiker zu lesen (cf. Dialoghi, 65, Colloquio VI, in dem die Aufnahme der Bezeichnung alter Waffen damit erklärt wird, dass diese in den klassischen Autoren häufig vorkämen). Auch Musiker und Musizierende stellen explizit eine Zielgruppe dar, wie aus einem Dialog dreier Schwestern am Klavier hervorgeht (cf. Dialoghi, 176–177).⁸⁶ Die Gespräche oder Dialoghi dagegen sind Modelldialoge aus verschiedenen Gesprächssituationen, z. B. «Si domanda della salute etc./Man fragt nach dem Befinden u. s. w.»; «A colazione; si parla del tempo […]/Beim Frühstück; man
85 Diese Unterredungen sind denen ähnlich, die der Grammatik zur Erklärung einzelner Regeln und Phänomene des Italienischen beigefügt sind. Auch Franceschini weist auf diese Form von Dialogen hin (cf. 2002, 75; 2003, 133–134; 141), die sie in der Tradition der «minimalen Lateinschulgrammatiken, nach der Art des Donatus» (2002, 75) sieht. Die Charakteristika dieses besonders in der Renaissance verbreiteten Typs finden sich auch in Valentinis umrahmenden Unterredungen. 86 Somit zeigt sich für das 19. Jahrhundert ein anderes Zielpublikum als das von Radtke (1994) für das 17. Jahrhundert ermittelte, das gerade nicht durch ein Interesse an der Literatursprache gekennzeichnet ist (cf. Radtke 1994, 53). Hierbei bleibt jedoch zu beachten, dass Radtke das italienische Zielpublikum, das Französisch lernt, fokussiert. Die Besonderheit der Sprachlehrbücher für das Italienische lag, wie Franceschini unterstreicht, bereits in dieser Zeitspanne in folgender Eigenschaft: «in essi la funzione culturale occupa un posto di rilievo (accanto alle funzioni pratiche, comuni a tutti i testi). La musica, l’architettura, le arti figurative, la pittura, il teatro dovevano conferire alla conoscenza della lingua italiana un’aura di competenza culturale di grande eccellenza» (2002, 439). Zeitbedingt ist, dass Valentinis Zielpublikum hinausgeht über die Einschränkung auf Adlige und Kaufleute als Hauptnutzer ähnlicher Werke bis zum 18. Jahrhundert (cf. Dialoghi, 138–139).
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spricht vom Wetter»; «Si presenta un’amico⁸⁷/Man stellt einen Freund vor». Auch sie lassen Rückschlüsse auf die Zielgruppe des Werks zu: Wie der Rahmen der Gespräche, z. B. in der Reit- oder Fechtschule, am Schminktisch einer Dame, oder die Gesprächskonventionen zeigen, handelt es sich um Alltagssituationen der gehobenen Gesellschaft. Der soziale Kontext, in denen die Modelldialoge situiert sind, ist also der, in dem sich Valentini als Italienischlehrer bewegt: das gehobene Bürgertum und das Umfeld des Hofes. Die Dialoghi sind in doppelter Hinsicht ein interessanter Forschungsgegenstand, dokumentieren sie doch zum einen eine Vielzahl von Gesprächssituationen eben dieses sozialen Kontexts, mit den entsprechenden sprachlichen Konventionen und Formen der Alltagssprache, und stellen zum anderen ein kulturhistorisches Dokument des frühen 19. Jahrhunderts dar. Zur Veranschaulichung lohnt es, die Gegenstände der Dialoge näher zu betrachten.
5.4.1.2 Gegenstände der Dialoge Dialog- und Gesprächsbücher haben traditionell alltägliche Kommunikationssituationen zum Gegenstand, etwa «viaggi, soggiorni alberghieri, conviti, attività mercantili presso fiere ed empori, attività legate alle compra e vendita, ecc.» (Waentig 2006, 98; zu den typischen Situationen in französischen Sprachbüchern des 17. Jahrhunderts cf. Radtke 1994, 70). Diese Situationen werden in Valentini teilweise übernommen – die Liste der in den Gesprächen behandelten Gegenstände ähnelt noch stark der der Gemeinen Gespräche in Veneroni (cf. die Auflistung in Gorini 1997, 117) –, jedoch um typische Situationen seiner Zeit sowie dem wissenschaftlichen Anspruch und den kommunikativen Bedürfnissen der gehobenen, gebildeten Schichten als Zielpublikum entsprechend ergänzt. Das Spektrum der Gespräche verschiedenen Inhaltes (cf. das Inhaltsverzeichnis, Dialoghi, XXI–XXII), reicht von den bereits erwähnten, recht stark routinisierten Alltagsgesprächen unter Freunden über Gespräche an bestimmten Orten des Zeitvertreibs der gehobenen Gesellschaftsklassen (Reitbahn, Fechtschule) und Glückwünsche zu diversen Anlässen (zu einer Heirat; zu einem Amt; zu einem gewonnenen Prozess, hier mit dem entsprechenden Fachvokabular) bis zu Unterhaltungen in bestimmten Geschäften (Putzladen, Tuchladen, Schneider,
87 Valentini schreibt, den Ausfall des finalen -o als Elision und nicht als Apokope interpretierend, den unbestimmten Artikel vor Maskulina mit Vokal konsequent mit Apostroph. Dieser Gebrauch ist im Ottocento weit verbreitet, wie auch die Kritiken an dieser Praxis belegen, cf. z. B. Gherardini (1843, 547–548). Eine andere Sprachlehre, in der sich die Schreibweise findet, ist die von Filippi, cf. Raffaelli (1998, 489). Weitere Beispiele in den Dialoghi sind: «E, lo sturare il fiasco, vuotarsene un colmo bicchiere, e poi un’altro, […]» (Dialoghi, 215); «un’altro giorno» (378).
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Schuhmacher).⁸⁸ Andere Gespräche berühren bestimmte gesellschaftliche Themen wie Spiele, Oper und Theater, die Jagd etc. Auch Reisesituationen fehlen nicht (Reise mit der Post, auf dem Dampfschiff, mit der Eisenbahn). Darin fließen teilweise konkrete, praktische Informationen ein, z. B. zu unterschiedlichen Maßeinheiten für Entfernungen: «P. Quante miglia abbiamo fatte? S. Nove delle nostre, cioè due di Germania». (Dialoghi, 249)
Allerdings gehen die Dialoge über konkrete sprachliche Modelle für Reisende, wie die älteren Konversationsbücher und heutige Reisesprachführer sie bieten, hinaus,⁸⁹ und scheinen bisweilen eher Valentinis Reflektionen über die Neuerungen seiner Zeit und seiner Weltsicht Raum zu geben, wie folgender Ausschnitt aus dem Gespräch zweier Freunde auf ihrer ersten Zugreise verdeutlichen mag: «Dite pur quel che volete, ma la celerità, anzi rattezza, e ’l comodo di viaggiare per mare, e per terra, dei nostri giorni, fa molto onore ai trovati del secolo. Quello scorrere con più sicurezza, e in brevissimo tempo immensi tratti di mare co’ vascelli a vapore; quel fare in un’ ora un tratto di strada, che prima ce sene mettevano otto o dieci; quel facilitar di tanto la comunicazione, il commercio; quel poter vedere, e scorrere a volo il mondo, e…. per così dire, compendiarlo, oh! dica chi vuol dire, è pur la bella cosa! […] Il secolo XIX vedrà alla fine quella maravigliosa catena, che riunendo tutte le nazioni Europee, ne formerà una sola, omogenea, e …». (Dialoghi, 256–257)
Zudem scheint der Zweck der Dialoghi weniger der zu sein, konkrete, zu imitierende Modelle zu geben, als vielmehr Redewendungen, Konstruktionen, speziellen Wortschatz (z. B. des Rechtswesens, des Reitens, der Jagd etc.) und Konversationskonventionen im Gebrauch zu zeigen und über Unterschiede zwischen den Kulturen zu berichten. Häufig werden in den Gesprächen, die teilweise in Italien, teilweise in Deutschland situiert, häufig jedoch nicht klar lokalisierbar sind, kulturelle Unterschiede zwischen den beiden Ländern thematisiert, etwa unterschiedliche Gebräuche im Theater oder auf der Jagd.⁹⁰
88 Bei diesen handelt es sich nicht um Gespräche unter Geschäftsleuten oder Händlern, wie in den älteren Sprachbüchern, sondern um Verkaufsgespräche zwischen Händler und Kunde. 89 Dies macht sie als Forschungsobjekt authentischer gesprochener Sprache und historischer Pragmatik besonders interessant. Wie Radtke (1994) hervorhebt, sind Dialoge, die lediglich feste Muster z. B. für Reisesituationen bieten, für diese Forschungsfelder weniger aufschlussreich als solche mit komplexem Gesprächsaufbau (cf. Radtke 1994, 29). 90 Dass der Ort der Gespräche und auch die Nationalität der Interlokutoren aus ihrem verbalen Verhalten nicht klar zu erschließen sind, stimmt mit den Ergebnissen von Franceschini (2003) für
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5.4.1.3 Landeskunde und Kulturgeschichte Für den zeitgenössischen Nutzer stellen die so präsentierten kulturellen Unterschiede eine Art Landeskundevermittlung dar. Für den heutigen Leser sind sie ein interessantes historisches Dokument zur Kulturgeschichte des frühen 19. Jahrhunderts. Als Beispiel sei hier nur auf das «Tischgespräch über Neuigkeiten, Sängerinnen, Opern, Theater etc.» (Dialog XVI, Dialoghi, 206–213) eingegangen, das in Italien stattfindet. Herr F., offenbar bestens mit der deutschen Kultur vertraut, ist bei M. und seiner Frau zum Essen eingeladen. Man unterhält sich über eine neue Sängerin am Theater, was Valentini die Gelegenheit gibt, umfangreichen Wortschatz aus dem Bereich der Oper anzubringen (overtura, finali, prima donna, prima recita, recita di passaggio, impresario, virtuosa etc.). Kulturgeschichtlich besonders interessant ist der Abschnitt, in dem sich die Gesprächsteilnehmer über die Vertragsbedingungen der Sängerin unterhalten, wobei die sich anschließende Diskussion unweigerlich an heutige Debatten über die Gehälter von Profisportlern denken lässt: «F. Oh sì, mi è stato detto, d’aver preteso una scrittura singolare per noi Italiani; ella vuole cinquanta zecchini da pagarsi anticipatamente ogni recita; a capo a un mese si sceglierà una sera per la sua benefiziata; spese del viaggio; e carrozza al suo comando. […] F. Se oggigiorno un’impresario vuole avere una cantatrice di grido, deve darle, senza replica, tanto oro quanto pesa. M. Pur troppo! E l’Inghilterra n’è la colpa, che paga somme esorbitanti di quelle loro ghinee, ai primi virtuosi, i quali poi fanno gli schizzinosi ad ogni equa proposta d’altri paesi: il che porterà seco la rovina de’nostri teatri». (Dialoghi, 209–210)
Es schließt sich ein Abschnitt an, in dem die unterschiedlichen Gewohnheiten im Theater in Deutschland und Italien thematisiert werden und auch die unterschiedliche Wesensart der Besucher anklingt: «A. A proposito, è vero che in Germania ci si critica tanto su questa nostra usanza di conversare in teatro?
Modelldialoge des 16.-18. Jahrhunderts überein: «Man kann in heutigen Worten sagen: Die Dialoge sind multinational angelegt. Aus der Perspektive dieser Dialoge sieht es so aus, wie wenn überall in Europa in gleicher Weise beispielsweise über Preise verhandelt wird, Rabatte gewährt werden, […]» (Franceschini 2003, 77). Abweichend von den Dialogen des von Franceschini untersuchten Zeitraums, in denen kulturelle Unterschiede nicht direkt angesprochen werden und keine explizite Vermittlung von korrektem sprachlichem und interkulturellem Verhalten gegeben werden (cf. Franceschini 2003, 74, 76–77), sind interkulturelle Unterschiede zwischen Italien und Deutschland bei Valentini dagegen ein Thema, dass sich wie ein roter Faden durch die Dialoge zieht.
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F. Certissimo; ma, io vo opinando, che, se i Tedeschi avessero l’uso, come noi, di dare, quindici, venti e più serate di seguito, la stessa opera; se appaltassero, per tutta la stagione, i due o tre ordini di palchetti; se questi fossero costrutti come i nostri, cioè quali altrettanti stanzini, con le tendine, canapè etc. in cui possiamo fare quel che ci pare e piace, credo ch’eglino farebbero lo stesso. A. Sono dunque molto dissimili da’ nostri, i palchetti de’ teatri tedeschi? F. Sicuro! e se la signora Angelica vuol godere la sua libertà al teatro, non si muova d’Italia. M. Generalmente parlando, pochi sono i Tedeschi che vadano più di tre o quattro volte il mese al teatro; ogni giorno poi, si dà qualche cosa di nuovo; ben poche persone sono le stesse di jeri sera. I palchi son divisi solamente sino al parapetto, cosicché pare un loggiato a semicircolo, ove chi prima arriva si prende il miglior posto. […] A. Io m’immagino poi una incomoda soggezione, nel teatro tedesco, dove ognuno ha il diritto d’importi silenzio. M. Ogni paese ha le sue usanze, il suo modo di vedere e sentire le cose. I Tedeschi soffrono anche il mediocre, noi gli volgiamo le spalle; noi facciamo cadere il teatro dagli applausi sentendo una bell’ aria, un duetto, e simili; quelli si contentano di batter le mani, o d’esserne internamente soddisfatti». (Dialoghi, 212)
Ähnliche Beschreibungen und Vergleiche finden sich etwa zur Jagd, zum Kartenspiel, zum Fechten etc. Äußerst eindrucksvoll ist auch die bereits auszugsweise zitierte Schilderung einer Fahrt mit der Eisenbahn⁹¹, welche die Eindrücke der Menschen bezüglich dieses neuen Transportmittels, die anfängliche Furcht davor, verbunden mit der Hoffnung auf ein Zeitalter, das Menschen und Nationen zusammenbringt, ausdrückt (cf. Dialog XXIX, Dialoghi, 256–261). Eine verstärkte Heranziehung solcher Modelldialoge bietet sicherlich aufschlussreiche Informationen für die kultur- und auch gedankengeschichtliche Forschung, so wie es auch methodische Wörterbücher tun, die zudem den Vorteil bieten, die einzelnen Themen in wohlgeordneter Form zu präsentieren.
5.4.1.4 Die vermittelte Sprache Wird es auch nirgendwo explizit angegeben, so geht aus den Situationen der Dialoge, den Akteuren sowie den verwendeten Formen doch klar hervor, dass es sich bei der als modellhaft dargestellten Sprache um die gesprochene Alltagssprache der gehobener Schichten handelt. Der zeitgenössische Benutzer findet innerhalb
91 Im italienischen Dialog wird Eisenbahn mit strada di ferro übersetzt, Ausdruck, der zur gleichen Zeit auch bei Carlo Cattaneo belegt ist (Cattaneo 1836). Im Vollständigen Wörterbuch fehlen sowohl der italienische als auch der deutsche Ausdruck noch. Die erste öffentliche Eisenbahnstrecke wurde 1825 in England eingeweiht, als erste Strecke in Deutschland gilt die 1835 frei gegebene Bayerische Ludwigsbahn zwischen Nürnberg und Fürth.
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der einzelnen Gespräche eine Vielzahl von Beispielen für Gesprächskonventionen in der Fremdsprache Italienisch bzw. Deutsch⁹². Um den Benutzer an die unterschiedlichen Formen der höflichen Anrede zu gewöhnen, werden in den Colloqui sowohl die 3. Pers. Sg. (Germanus an Valentini) als auch die 2. Pers. Pl. (Valentini an Germanus) verwendet. Dazu führt Valentini in einer Fußnote aus: «Per avvezzare il lettore alle due varie persone (terza del singolare, e seconda del plurale), in cui gl’Italiani soglion parlare, ad uno fo dar del Lei, all’altro del Voi» (Dialoghi, 1, n.). In den Dialogen wird eine Vielzahl von Formen der Begrüßung und Gesprächseröffnung unterschiedlichen Formalitätsgrads verwendet, z. B. «F. La riverisco divotamente. A. Servo suo, signor Filippo: come sta di salute? F. Benissimo per ubbidirla». (Dialoghi, 159) «A. È permesso? I. Favorisca; ah, il signor Arminio! E che buon vento l’ha portata in queste parti?». (Dialoghi, 213) «B. Ben venuto […] pregiatissimo signor Gregorio. G. Ben trovato, signor Bernardi, e come va ora la sua salute? B. Obligato tanto alla sua bontà, molto meglio, come vede». (Dialoghi, 196)
92 Das Vorwort wendet sich sowohl an Deutsch- als auch an Italienischlerner als Zielgruppe. Wie ausgeführt liegt jedoch der Fokus auf dem Italienischen als Fremdsprache. Valentini bemüht sich, gezielt dessen Schwierigkeiten und Besonderheiten in den Modelldialogen unterzubringen. Der deutsche Text ist eine Übersetzung des Italienischen. Dies zeigt sich auch in Holprigkeiten bei einigen Übertragungen. So wird beispielsweise im Dialog zu einer Reise mit der Postkutsche der italienische Satz «in un quarticello d’ora ci siamo» mit «in einer kleinen Viertelstunde sind wir da» (Dialoghi, 249) wiedergegeben. Auch enthält der deutsche Text an mehreren Stellen Grammatik- und Wortschatzfehler, etwa in Gespräch II beim Frühstück, wo eine Gesprächsteilnehmerin auf die Frage, was sie essen wolle, antwortet: «Kaffee mit Milch, und zwei geröstete Brotschnitte» (Dialoghi, 161) und weiter unten erklärt, sie dürfe «keine fette Speisen und hitzige Getränke» (Dialoghi, 162) genießen. Auch in den Abschnitten der Wortschatzdarstellung finden sich Fehler. Zum Beispiel beginnt das Kapitel zu den Amphibien (Dialoghi, 363) im Deutschen mit dem Satz: «Mehr oder weniger haben alle ein ekelhaftes und widerliches Aeußere […]», in dem das substantivisch verwendete Adjektiv nicht dekliniert ist. Auf das Problem der nicht garantierten sprachlichen Richtigkeit in zumindest einer der gegenübergestellten Sprachen in Sprachlehrbüchern geht auch Radtke ein (1994, 29–30). Im Folgenden konzentriere ich mich auf das vorgeschlagene Modell des Italienischen, das die Dialoghi bieten.
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Der Begrüßung durch Ben venuto und Ben trovato im letzten Beispiel (verwendet auch z. B. in Colloquio XIII, Dialoghi, 331) gibt Valentini eine erklärende Fußnote in deutscher Sprache bei: «Man bemerke, daß im Italienischen oft statt buon giorno u. s. w. die Ausdrücke ben venuto, ben trovato angewendet werden, und zwar ersterer vom Empfangenden, letzterer vom Kommenden. Buon mattino wird niemals gesagt» (Dialoghi, 196, n.). Weitere Beispiele für Höflichkeitsformen sind «Mi permetta che la serva di braccio?», geäußert von einem Herrn, der eine Dame zu einem Spaziergang einlädt (Dialoghi, 213), oder die Vorstellung eines Bekannten in einem Gespräch unter drei Freunden: «I. […] Ella conosce già il signor Lamberti. A. Mio padron riverito … L. Devotissimo servo».⁹³ (Dialoghi, 213–214)
An gleicher Stelle findet sich als Kontrast zu den stark konventionalisierten, höflichen Formen, welche die Mitglieder der gehobenen Schicht untereinander verwenden, auch ein Beispiel für das Sprechen mit einem sozial niedriger Stehenden. An seinen Diener gewandt ruft Signor I.: «Eh, di là! un po’di legna!» Erwähnt sei auch die häufige Angabe von Alternativen zu festen Formen, auf die auch Franceschini hinweist (cf. 2002, 146), z. B. im folgenden Auszug aus einem Dialog zwischen einem Klienten und seinem Sachwalter: «Passi! (Favorisca!) … Oh, ben venuto signor Ciampi!» (Dialoghi, 198) Die Alternative wird dabei stets in runden Klammern direkt in den Redebeitrag eingeschoben. Alternativen werden auch im deutschen Text angegeben, etwa zum übernächsten Redebeitrag im gleichen Dialog: «womit kann ich Ihnen dienen? (Was steht zu Befehl?)». Neben den Formen sprachlicher Konvention dokumentieren die Modelldialoge auch umgangssprachliche und typisch gesprochensprachliche Formen. Hierzu seien, ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder systematische Erschließung, nur einige Beispiele zitiert. Ein erster Auszug, der eine Annäherung an authentische gesprochene Sprache belegt, ist dem Gespräch XXVI beim Schuhmacher entnommen: «C. Ohe! mi fate male! M. Eccola calzata. Ora batta due o tre volte il piede a terra.
93 Bemerkenswert die häufige Verwendung von Demuts- bzw. servitor-Floskeln zur Begrüßung in den Modelldialogen, die Radtke für das Französische bereits für das 18. Jahrhundert als im Schwinden begriffen beschreibt (cf. 1994, 77; 100), die im Italienischen jedoch bis weit ins 19. Jahrhundert hinein häufig belegt sind.
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C. Battere, battere; voi dite bene, ma quando mi stringono. […] M. Patisce forse di lupinelli? Se no, non la capisco. C. Che c’entra mo questo? Se non li ho, le vostre scarpe me li faranno venire». (Dialoghi, 247)
Gesprochensprachliche Elemente sind die Interjektion ohe (im deutschen Text mit O! wiedergegeben),⁹⁴ die Wiederholung von battere, die elliptische Konstruktion «ma quando mi stringono», der Gebrauch von «che c’entra» und des Adverbs mo, das auch in anderen Gesprächen mit hoher Frequenz auftaucht (cf. z. B. Dialoghi, 205; cf. auch in der Raccolta, z. B. s. v. agostiniano und toletta).⁹⁵ Hierin verrät sich der regionale Einfluss, den der Römer Valentini in sein Modell einer einheitlichen italienischen Umgangssprache einbringt und zugleich seine Originalität gegenüber bestehenden Dialogsammlungen. Eine Szene beim Schuhmacher wird z. B. auch in den Dialogen der Italian Extracts von Montucci präsentiert, jedoch ohne das Adverb und, trotz erheblicher Übereinstimmungen, auch in anderen Merkmalen von Valentini modifiziert und an eine authentischere und situationsgerechtere Form der gesprochenen Sprache angepasst.⁹⁶
94 Im Vollständigen Wörterbuch ist ohe nicht lemmatisiert. 95 Mo, bereits bei Dante belegt, wird heute als veraltet bzw. regional markiert empfunden (centro-meridionale, cf. Treccani Vocabolario, s. v. mo). Bereits Tommaseo/Bellini beschreiben es für das 19. Jahrhundert als im Florentinischen nicht mehr gebräuchlich: «MO. Avv. di tempo. Ora, adesso, Dinanzi. Modo aureo lat. [L. B.] Non è del presente uso fior». Dagegen gehört es zum zeitgenössischen Gebrauch des romanesco und findet sich entsprechend in den schede Filippo Chiappinis, die Migliorini postum als Vocabolario Romanesco herausgegeben hat, verzeichnet (cf. Chiappini 1933, s. v.; cf. auch den Gebrauch von mo, parallel zu adesso, bei Belli, beschrieben in Serianni 1989b, 292). In Valentinis Vollständigem Wörterbuch wird mo ohne diasystematische Indizierung dargestellt: «Mo, avv. [Ora, Adesso], jetzt, nun. §. Mo, Mo, alsbald, gleich: Sta pur, dic’ei, con l’animo posato, Che a servirti mo mo vo’ dar di piglio. §. als Füllwort: Mo vedi tu? siehst du nun?» Bereits für die Modelldialoge des 17. Jahrhunderts weist Radtke (1994), der Fragen nach der regionalen Norm nur streift, im italienischen Teil auf «Ausdrücke[…], die auf das romanesco verweisen» und «eine markierte Regionalsprachlichkeit […], die römische Formen über florentinische stellt» (1994, 340), hin. 96 Die entsprechende Passage in den Italian Extracts lautet: «C. Ohe ! mi fate male. T. Eccola calzata. Ora, batta due o tre volte il piede a terra. C. Sì, sì ; quando mi fanno tanto male, che non mi posso muovere. […]
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Interjektionen, «quasi Indikatoren spontanen Sprechens» (Radtke 1994, 322; cf. ganz ähnlich auch Poggi 1981, 86), kommen mit hoher Frequenz in den Dialogen vor. Ein weiteres Beispiel findet sich im Gespräch eines Kunden mit einem Schneider. Der Kunde verspricht: «Se lo cuce bene gli darò la mancia; eh!» (Dialoghi, 244) Eh! hat hier den Wert eines «segnale conclusivo di richiesta di conferma del contenuto del messaggio» (Treccani Sinonimi, s. v. eh).⁹⁷ An dieser Stelle ist auch die expressive Zeichensetzung zu beachten. In den Gesprächen finden sich zahlreiche Beispiele für die Verwendung von Ausrufezeichen⁹⁸ oder Auslassungspunkten, z. B. vorangehend im gleichen Dialog beim Schneider, wo der Kunde sein Misstrauen gegenüber der Arbeit der Gehilfen des Meisters zum Ausdruck bringt: «Caro mastro, penserete voi a lavorar le pistagne, e gli occhielli un po’ meglio, perché cotesti …» (Dialoghi, 244; cf. auch im oben zitierten Auszug zur Reise im Zug).⁹⁹ Ein anderer Fall, in dem gesprochensprachliche Merkmale auch graphisch wiedergegeben werden, sind die häufigen aphäretischen Formen des Artikels (z. B. «e ’l comodo», Dialoghi, 256), apokopierte Formen (z. B. das oben zitierte «a lavorar le pistagne») und Kontraktionen (z. B. pel für per il, Dialoghi, 378). Häufig ist die Verwendung von «un po’», z. B. im zitierten Gespräch unter Freunden: «Ce la racconti un po’» (Dialoghi, 215). Im gleichen Gespräch sind im Redebeitrag von A. ein dativo etico, mit netto netto eine erneute verstärkende Wie-
T. […] Mi favorisca, patisce forse di lupinelli ? C. Che v’ importa questo ? le vostre scarpe farebber venir de’ lupinelli a chi non ne avesse». (Montucci 1806, xc) 97 Cf. auch den Artikel zu eh im Vollständigen Wörterbuch. Dort ist u. a. ein interrogativer Wert verzeichnet, der den Gebrauch im Beispiel aus den Dialoghi aber nicht genau wiedergibt: «Eh! interj. […] §. Nelle interrogazioni, wie? Tu sei ancora a colei, , [sic!] eh?» 98 Cf. auch die oben zitierte Anweisung eines Herrn an seinen Diener und das im Anschluss wiedergegebene Gespräch bei einem Schuhmacher. 99 Zum Gebrauch expressiver Zeichensetzung im Ottocento cf. Antonelli (2008, 197–203). Noch keine Konvention besteht für die Groß- und Kleinschreibung nach solchen Zeichen. In Valentinis Dialoghi erfolgt nach einem Ausrufezeichen nahezu konsequent Kleinschreibung (cf. auch im Italienischen Lehrer, wo in den Beispielen zu den Interjektionen, die mit Ausrufezeichen dargestellt werden, nach diesen stets klein geschrieben wird, z. B. vol. 1, 312). So verfährt z. B. auch Manzoni im Carmagnola, cf. die Beispiele in Petrocchi (1992, 277). Gherardini, der sich im Kapitel zur Zeichensetzung in der Lessigrafia bezüglich expressiver Zeichensetzung sehr progressiv zeigt – vorgeschlagen werden etwa !!! und ?! (cf. Gherardini 1843, 543) – gibt dazu keine expliziten Anweisungen. In seinen Textbeispielen im Abschnitt zum Ausrufezeichen kommen sowohl Großals auch Kleinschreibung vor (cf. Gherardini 1843, 543). Die Regeln zur Großschreibung scheinen aber Kleinschreibung zuzulassen, denn bezüglich der Großschreibung nach Satzzeichen heißt es lediglich: «La prima parola d’ogni senso che nel discorso sia separato dal precedente per mezzo del punto fermo» (Gherardini 1843, 528) sei groß zu schreiben.
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derholung sowie in der Reaktion von L. der Fall eines che polivalente mit kausaler Bedeutung belegt:¹⁰⁰ «A. […] Egli […] dà di piglio con una mano ad un coltello, con l’altra al fiasco, e te lo decolla netto netto. L. Fece la cosa più sbrigativa, che sboccarlo, e asciugarlo con la bambage, avrebbe durato troppo». (Dialoghi, 214)
Im Bereich der Lexik findet man z. B. godersela («Ve la siete ben goduta?», Dialoghi, 102, Colloquio IX)¹⁰¹ und auch den Gebrauch von Lexemen, die in zeitgenössischen Wörterbüchern noch nicht in der jeweiligen Bedeutung verzeichnet sind und die in Valentinis Raccolta von 1832 besprochen werden, z. B. caricatura, im Gespräch einer Dame am Schminktisch mit ihrer Zofe: «Non ambisco di piacere a quella caricatura» (Dialoghi, 223; cf. Raccolta, s. v. caricatura). Ausgesprochen zahlreich sind feste Wendungen und Redensarten, von denen hier nur eine kleine Auswahl aus dem Gespräch von drei Freunden am Kamin wiedergegeben sei. Dabei wird jeweils die deutsche Übersetzung der entsprechenden Wendung mit dargestellt, so dass nachvollziehbar wird, ob als Äquivalent ebenfalls eine idiomatische Wendung gewählt wurde bzw. gewählt werden konnte. Das erste Beispiel betrifft die Gesprächseröffnung mit der Frage nach dem Befinden. «I: […] ha una ciera da imperadore. A. Lode al cielo, sto sano come un pesce. L. Che nuove corrono per la città? (Dialoghi, 214)
Sie sehen aus wie die Gesundheit selbst. Gott sei Dank, ich bin munter wie ein Fisch. Was giebt’s Neues in der Stadt?»
Im weiteren Gesprächsverlauf findet man: «Ce la racconti un po’, n’avrà fatta già una delle sue.¹⁰² […] il fiasco era bello e asciugato. (Dialoghi, 215)
O, erzählen Sie uns das, er wird gewiß wieder einen seiner gewöhnlichen Streiche gemacht haben. […] war die Flasche leer».
100 Zum Phänomen des che polivalente cf. D’Achille (1990, 205–260). Zu Belegen im frühen 19. Jahrhundert cf. Antonelli (2003, 197–201), mit weiterführenden Literaturhinweisen. 101 Cf. auch im Vollständigen Wörterbuch, s. v. godere: «§. Godersela, sich’s wohlsein lassen». Das GDLI belegt godersela mit Beispielen von Goldoni sowie Manzoni (Promessi Sposi) ebenfalls als eher der gesprochenen Sprache angehörig, cf. s. v. godere. 102 Wie der Abgleich mit dem DELI, dem GDLI und dem BIZ-Korpus zeigt, könnte der Beleg von ne ha fatta una delle sue in den Dialoghi einen Erstbeleg darstellen. Bisher ist die erste Verzeichnung auf 1873 bei Tommaseo/Bellini datiert (cf. DELI, s. v. suo).
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«E [sic!] un capo d’opera, colui. Bel trovato, per immollare il becco!¹⁰³
Er ist einzig. Schön erfunden, um sich die Gurgel auszuspülen!»
(Dialoghi, 216) […] che ci fece morire di ridere.
[…], daß wir vor Lachen hätten bersten mögen».
(Dialoghi, 217)
Neben gesprochensprachlichen, teilweise regionalen Elementen, weist die Sprache der Dialoghi bezüglich anderer Merkmale traditionelle Varianten auf, wie Valentini sie auch in der Grammatik kodifiziert. Auch in den Dialoghi endet die 1. Pers. Sg. des Imperfekt auf -a, z. B. «Era venuto pel consaputo affare …» – «Ich komme wegen der bewußten Sache» (Dialoghi, 198); «Se non la strappava di mano a quel curialaccio, che aveva prima, l’avrei forse perduta» – «Ja, und wenn ich die Führung desselben nicht meinem ersten, höchst ungeschickten Sachwalter entzogen hätte, konnte ich ihn leicht verlieren» (Dialoghi, 200). Auch hier werden als Personalpronomen der 3. Pers. Sg. in Subjektsfunktion egli und ella verwendet. Ein Beispiel mit ella als Anredeform ist an gleicher Stelle «Quanto mai mi son rallegrato nel sentire ch’ alla fin fine Ella abbia vinto quella sua lite». Das Partizip nach der höflichen Anrede wird auch bei maskulinem Referenten in femininer Form verwendet, z. B.: «Sa, che sono più di sei settimane, che non l’ho veduta?» (Dialoghi, 213) Als 1. Pers. Sg. Präs. von andare wird konsequent die toskanisch-literarische Form vo benutzt, die Valentini auch in der Grammatik und im Italienischen Lehrer als Standardform angibt (cf. Ital. Lehrer, vol. 1, 162), ebenso fo statt faccio (cf. Ital. Lehrer, vol. 2, 64). Die Sprache der Dialoghi stellt also noch kein einheitliches Modell, sondern eine Mischung aus tatsächlich an der gesprochenen Sprache orientierten Stellen, regional römischen Charakteristika, Modellen des Settecento sowie traditionellen Elementen des Toskanischen dar und steht damit nah am Italienischen, dass Goldoni in seinen Komödien präsentiert.¹⁰⁴
103 Auch bei diesem Phraseologismus könnte es sich um einen Erstbeleg handeln. Cf. bisher bagnarsi il becco im Devoto-Oli (1967), DELI, s. v. becco1 . 104 Cf. zur Sprache in Goldonis italienischen Komödien z. B. die Synthese in Trifone (2015), den Beitrag von Dardi (2011), der Goldoni als sprachliche Quelle für die Promessi Sposi untersucht, und zu Valentinis Stützen auf Goldoni Kap. 6.2.1 dieser Arbeit.
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5.4.2 Italienisches Jahrgeschenk für Deutsche (1842 und 1843) Das letzte eigenständige Werk Valentinis ist das Italienische Jahrgeschenk für Deutsche/ Strenna italiana pei tedeschi, gedacht «als Serie von Sammelbänden literarischer Texte, die jährlich erscheinen sollten» (Boerner 1988, 48). Erschienen sind schließlich jedoch nur zwei Jahrgänge (1842 und 1843, bei E. S. Mittler),¹⁰⁵ was Boerner mit der negativen Fakultätsentscheidung bezüglich Valentinis Gesuch um eine Professur in Verbindung bringt. Die im Jahrgeschenk gesammelten Texte sollten in erster Linie eine angenehme Lektüre, zugleich aber auch eine praktische Sprachübung bieten (cf. Jahrgeschenk 1843, VII). Alle Texte werden in italienischer Sprache präsentiert. Es handelt sich nicht ausschließlich um Auszüge italienischer Autoren, sondern auch um von Valentini selbst vorgenommene italienische Übersetzungen deutschsprachiger Literatur. Damit wenden sich die Jahrgeschenke sowohl an ein italienisches als auch an ein deutsches Publikum. Der deutsche Leser kann sich durch die Lektüre in italienischer Sprache üben und bekommt dazu entsprechende Wortschatzhilfen an die Hand: «An das Ende jeder Seite habe ich diejenigen Ausdrücke, Redensarten und Konstruktionen des Textes gesetzt, auf die ich den Deutschen aufmerksam machen zu müssen glaubte, sowohl der Bedeutung halber (für den, der sie nicht kennen sollte), als auch, um anzudeuten, wie man sie ins Italienische übersetzen könne oder müsse». (Jahrgeschenk 1842, VII)¹⁰⁶
105 Das Jahrgeschenk ist heute nur in Deutschland und nur in drei Bibliotheken, der Universitätsund Landesbibliothek Halle, der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung Berlin sowie der Universitätsbibliothek Bamberg, nachgewiesen. Eingesehen wurde das Bamberger Exemplar, das beide Jahrgänge umfasst. 106 Bei der Übersetzung von Lexemen, Ausdrücken oder Textpassagen, die im jeweiligen Textkontext eine spezielle Bedeutung haben, ist in der Angabe am Seitenende nur diese spezielle, keine zusätzliche allgemeine Übersetzung angegeben. Ein Hinweis, dass es sich nicht um die Übersetzung der Grundbedeutung des jeweiligen Ausdrucks handelt, fehlt, wie beispielsweise im folgenden Auszug: «in un solo però riuscì alla signora Scriba d’azzecarvi; – den rechten Mann zu treffen» (Jahrgeschenk 1843, 6, n. 24). Sprichwörter und feste Wendungen werden mit einer idiomatischen Wendung in der Zielsprache wiedergegeben: «si rassomigliano proprio come due gocce d’acqua – die sich so ähnlich sehen, wie ein Ey dem andern» (Jahrgeschenk 1843, 7, n. 29). Die Übersetzung längerer Versatzstücke erfolgt in entsprechender syntaktischer Struktur. Die nur durch praktische Übung zu erlernenden Abweichungen im Gebrauch zweier Sprachen, die sich in einzelnen Wörtern und insbesondere in bestimmten Konstruktionen, Redensarten und Sprichwörtern manifestierten, interpretiert Valentini als Ausdruck des unterschiedlichen Klimas, der Lage, Verfassung, Religion, Kultur, Sitten und Gebräuche eines Volkes.
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Wie Valentini weiter anmerkt, habe sich diese Methode des Übersetzungsvergleichs, bei dem der Lerner «die Eigenthümlichkeiten einer Sprache leichter auffassen» (Jahrgeschenk 1842, IX) könne gegenüber einer parallelen Präsentation des vollständigen italienischen und deutschen Textes bewährt und sei auch für den italienischen Leser hilfreich. Für diesen stellen die Jahrgeschenke ansonsten vor allem eine Möglichkeit dar, mit deutscher Literatur in Kontakt zu kommen (cf. Jahrgeschenk 1842, XI), vergleichbar mit den Anthologien und übersetzten Auszügen in Literaturzeitschriften, die zur gleichen Zeit in Italien veröffentlicht werden (cf. Kap. 2.2).¹⁰⁷ Von italienischen Autoren bzw. der italienischen Tradition entstammend enthalten die Jahrgeschenke folgende Texte (als Titel werden hier die Überschriften angegeben, die dem Auszug jeweils vorangestellt sind und die aufschlussreiche Angaben zur Bearbeitung des jeweiligen Textes durch Valentini enthalten): –
Romeo e Giulietta. Novella di Messer Luigi da Porto. Secondo il testo originale data in luce, e d’opportune note ed interpretazioni, ad uso dei Tedeschi, corredata dal Prof. Francesco Valentini; (Jahrgeschenk 1842, 127–165; mit einer kurzen Einführung Valentinis, cf. 129–130)
–
Ingegnosa Negromanzia, improvvisata da un’ Alfiere Spagnuolo. Aneddoto storico, raccontato da Fr. Valentini; (Jahrgeschenk 1842, 33–48)
–
Ghirlandetta di Scelte poesie liriche, di classici italiani; (Jahrgeschenk 1843, 137–206)
–
Il Moro. Novella di G. B. Giraldi Cinzio. Secondo il testo originale; castigato, e a miglior lezione, e ortografia ridotto, dal Prof. Francesco Valentini. (Jahrgeschenk 1843, 207–231; mit einer kurzen Einführung Valentinis, cf. 209–211)
Nachdem der erste Jahrgang ausschließlich Prosatexte enthalten hatte, ist im zweiten auf Wunsch der Leser mit der Ghirlandetta di Scelte poesie liriche auch eine Gedichtsammlung mit Werken von Lorenzo de’ Medici, Angiolo Poliziano, Annibale Caro, Maria Molza, Pier Martelli, Torquato Tasso, Chiabrera, Filicaja
107 Ähnliche Anthologien und Sammlungen von literarischen Texten mit Vokabelhilfen und Anmerkungen finden sich auch im Werk anderer Lehrbuchautoren, cf. z. B. von Jagemann die Antologia poetica italiana (1776–1777) sowie die Italienische Chrestomatie aus den Werken der besten Prosaisten und Dichter (1794–1796; cf. dazu Albrecht 1996, 136 und 2006, 15), von Fernow die Raccolta di autori classici italiani (1805–1809; cf. dazu Albrecht 2000, 76–77), beide jedoch nicht mit dem von Valentini verfolgten sprachdidaktischen Ansatz. Filippi dagegen hat Anthologien und Lesebücher sowohl deutsch- als auch italienischsprachiger Autoren speziell für Fremdsprachenlehrer herausgegeben, cf. Boaglio (2012, 114) und Raffaelli (1998, 446–448).
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und Benedetto Menzini beigefügt. In einem vorangestellten einleitenden Gedicht (cf. Jahrgeschenk 1843, 139–144) erklärt Valentini, für die Sammlung bewusst in Deutschland weniger bekannte Werke ausgewählt zu haben, und stellt die einzelnen Dichter kurz vor. Zu jedem Autor werden in einer Fußnote Angaben zu Person und Werk gemacht, jedes Gedicht ist mit kurzen Anmerkungen und Interpretationen versehen, wird jedoch ohne Vokabelhilfen präsentiert. Auffällig ist, dass unter den Prosatexten die bekannten klassischen Autoren fehlen, sondern dem Ziel gemäß, eine unterhaltsame Lektüre zu bieten, Werke ausgewählt wurden, deren Stoff in Deutschland als bekannt vorausgesetzt werden kann, die den Leser mit ihrem italienischen Schauplatz ansprechen und die nicht unbedingt einer weiten Interpretation und Erklärung bedürfen. Insgesamt überwiegen jedoch die deutschen, von Valentini ins Italienische übertragenen Texte: –
La brocca rotta. Racconto di Arrigo Zschokke. Tradotto dal Prof. Francesco Valentini; (Jahrgeschenk 1842, 1–32)
–
Il Biondin Namurese. Novella di Arrigo Zschokke. Tradotta dal Prof. Francesco Valentini; (Jahrgeschenk 1842, 48–126)
–
Da Picciole cause, grandi effetti. Racconto di Arrigo Zschokke. Tradotto dal Prof. Francesco Valentini; (Jahrgeschenk 1842, 167–216)
–
Zia Annuccia Rosmarini, o Tutto alla Rovescia. Racconto di Arrigo Zschokke. Tradotto dal Prof. Francesco Valentini; (Jahrgeschenk 1843, 13–136)
–
I Gemelli. Fatto veritiero. Raccontato da E d. Stern. Tradotto dal Prof. Francesco Valentini. (Jahrgeschenk 1843, 1–11)
Bis auf eine Ausnahme handelt es sich um Erzählungen des Schweizer Autors Heinrich Zschokke, der wie viele heute vergessene, zu ihrer Zeit jedoch populäre Schriftsteller häufiger ins Italienische übertragen wurde.¹⁰⁸ Valentini begründet die Auswahl der Zschokke-Texte mit ihrem schönen, fließenden Erzählstil sowie mit den zahlreichen darin enthaltenen Dialogen (cf. Jahrgeschenk 1842, VII).
108 Zur Rezeption deutscher (populärer) Literatur durch Übersetzungen in Literaturzeitschriften cf. Kapitel 2.2. Ein anderes Werk Zschokkes, «Das Wirtshaus von Cransac», erschien ohne Angabe eines Übersetzers als «libera versione dal tedesco» 1844 in der Triester Literaturzeitschrift «Vaglio (Il) Giornale di scienze lettere ed arti» (cf. Carmassi 1984, 336). Zu den Übersetzern von Zschokke gehört auch Carlo Cattaneo, zusammen mit Stefano Franscini.
Darstellungsformen und Publikum | 157
5.5 Darstellungsformen und Publikum Trotz hoher Methodenreflexion und übersichtlicher, um einen wissenschaftlichen Anspruch bemühter Darstellungen zeigt sich Valentini in seinen Lehrwerken noch weniger innovativ und originell als in der Lexikographie. Dies betrifft nicht nur die kodifizierte Norm. Auch didaktisch steht Valentini zwischen den modernen Tendenzen seiner Zeit (Grammatik-Übersetzungsmethode, präzise Grammatikbeschreibung mit durchaus wissenschaftlichem Anspruch, für die Valentini sorgfältig Quellentexte studiert, eine Vielzahl der Vorgängerwerke kritisch rezipiert, eine historische und kontrastive Perspektive einfließen lässt und versucht, selbst Regeln zu finden, z. B. zur Aussprache, wobei er durchaus innovativ vorgeht) einerund der Tradition der Sprachmeister andererseits. Erklärungen werden teilweise in Dialogform gegeben, die Werke enthalten Modellbriefe und -dialoge und Übernahmen aus Veneroni. Die wichtigsten Methoden zur Regelerklärung, exzerpiert aus allen Lehrwerken, sind folgende: – Erklärungen über Analogien mit dem Französischen (cf. z. B. Lettere, 33; Aussprachelehre, 17); – kontrastive Analyse im Vergleich zum Deutschen (cf. z. B. Aussprachelehre, 17; Ital. Lehrer, vol. 1, X ); – Erklärungen in Form von Dialogen (cf. z. B. Neue Grammatik, 500–531; Dialoghi, Colloqui); – Deduktive Regelerklärung, Patterndrill (cf. z. B. Grammatikerklärungen in der Neuen Grammatik sowie dem Ital. Lehrer; Lettere, 44). Als Übungen enthalten die Werke: – Lektüreübungen (cf. z. B. Jahrgeschenk 1843, VII); – Übersetzungen aus der und in die Fremdsprache (cf. z. B. Lettere, 44–45; Übungen in der Neuen Grammatik sowie dem Ital. Lehrer); – Übersetzungsvergleich (cf. z. B. Ital. Lehrer, vol. 2, 249); – feste Versatzstücke zur Wortschatzvermittlung (cf. z. B. Lettere, 45; Jahrgeschenk 1842, IX); – lautes Vorlesen (cf. z. B. Aussprachelehre, 4–26; 30–31; Dialoghi, 2; 13); – selten Einsetzübungen (cf. Ital. Lehrer, vol. 1, 22); – Auswendiglernen (cf. z. B. Dialoghi, 390); – Abschreiben (cf. Dialoghi, 55).¹⁰⁹
109 An anderer Stelle wird diese Praxis kritisiert, cf. Neue Grammatik, 25.
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Elemente, die sich stärker in der Tradition verhaftet zeigen, sind aus Valentinis Lehrsituation im Privatunterricht an die höhere bürgerliche und auch höfische Gesellschaft heraus zu erklären. Einige Werke nennen explizit spezielle Zielgruppen, nämlich – als größte Gruppe Nutzer mit Interesse an der italienischen Literatur (cf. z. B. Lettere, 111; Ital. Lehrer, IX; Aussprachelehre, IV; Dialoghi, 65); – Musiker und Sänger (cf. Aussprachelehre, IV; 176–177); – Tonsetzer (cf. Aussprachelehre, IV); – Kaufleute (cf. Dialoghi, 84); – allg. angehörige der oberen Gesellschaftsschichten (cf. z. B. Dialoghi 54 sowie die Themenauswahl in den Dialogen). Allgemein richten sich die frühen Werke eher an ein Liebhaberpublikum, das sich durch sein Interesse an der italienischen Literatur und Sprache und durch Spaß an der Reflexion zu dieser Sprache auszeichnet, weniger an ein Publikum, das aus praktischen Gründen Italienisch lernt. Dieses Publikum tritt erst später vermehrt als Zielgruppe hinzu. Es findet sich implizit in den Dialoghi mit seinen fiktiven Dialogen zwischen Valentini und einem jungen Kaufmann und der weiten Aufnahme von wissenschaftlichem und technischem Vokabular angesprochen. Die Neue Grammatik und der Italienische Lehrer spezifizieren nicht. Sie und insbesondere die Wörterbücher, die in hohen Auflagen erscheinen, wenden sich an ein weites Publikum mit den unterschiedlichsten Interessen.
6 Francesco Valentinis Lexikographisches Œuvre: Untersuchungen zu den kleineren Arbeiten Bevor eine eingehende Analyse von Valentinis Hauptwerk, dem Vollständigen Wörterbuch, erfolgt, werden im Folgenden zunächst die kleineren lexikographischen Arbeiten (die Taschenwörterbücher, die Raccolta sowie der stärker lexikographische Teil der Dialoghi) vorgestellt. Da der Schwerpunkt dieser Arbeit auf der Betrachtung des Vollständigen Wörterbuchs liegt, beschränkt sich die Darstellung zu den anderen Arbeiten auf eine Übersicht bzw. greift gezielt einzelne Elemente heraus, um ihre Darstellung dann mit der entsprechenden Praxis im Vollständigen Wörterbuch vergleichen zu können. Eine Sonderstellung kommt der Raccolta als ausschließlich an ein italienisches Publikum gerichtetem theoretischem Werk und Diskussionsbeitrag zu.
6.1 Ein großer Verkaufserfolg: Die Taschenwörterbücher 6.1.1 Die Ausgabe von 1821 Als erste lexikographische Arbeit Valentinis erscheint 1821 bei Amelang in Berlin das Nuovo Dizionario portatile italiano-tedesco e tedesco-italiano. Vollständiges deutsch-italienisches und italienisch-deutsches Taschenwörterbuch. Es umfasst zwei Bände (italienisch-deutsch: VIII-403 Seiten zzgl. Grammatikanhang in 12 Tafeln¹; deutsch-italienisch: IV-600 Seiten; 15 cm). Der Titelzusatz «Zusammengetragen aus den vorzüglichsten über beide Sprachen bisher erschienenen Wörterbüchern und vermehrt mit einer großen Anzahl Wörter aus allen Fächern der Künste und Wissenschaften» weist auf die Grundlagen sowie auf die diesen gegenüber vorgenommene Vermehrung hin. Im Vorwort wird präzisiert: «Bey der Verfassung dieses Werks habe ich mich besonders bemüht, die klarsten und deutlichsten Bemerkungen über die bestimmte Bedeutung eines jeden Worts zu geben, indem ich zum Leitfaden die Wörterbücher von Adelung, der Akademie della Crusca, von Jagemann und besonders das vorzügliche von Abbè [sic!] Alberti und andere vom besten Rufe nahm».² (Taschenwörterbuch 1821, vol. 1, II–III) 1 Bei der Erstellung der Grammatikübersichten, insbesondere bei der sprachlichen Revision der deutschen Texte, erhält Valentini Unterstützung von August Brandes, einem Lehrer moderner Fremdsprachen in Braunschweig. Boerner hat Brandes’ Lebensdaten (1798–1858) und Näheres zu seiner Tätigkeit in Braunschweig recherchiert, cf. Boerner (1988, 31). 2 Im italienischen Text unterscheidet Valentini die einsprachigen Wörterbücher als Vocabolario von den zweisprachigen Dizionarii. Bemerkenswert scheint mir die Eingangsformel «nel com-
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Von der Kritik an der Wörterbuchtradition der Crusca, die das spätere lexikographische Werk Valentinis kennzeichnen wird, ist hier noch nichts zu spüren. Das Vorwort zeigt zudem klar an, dass der Ausgangspunkt für Valentinis Wörterbucharbeit die Benutzerbedürfnisse sind, ein Charakteristikum, das sein gesamtes lexikographisches Schaffen und seine Kritik an der bisherigen italienischen Lexikographie prägt. «Die vorzüglichste und gewöhnlichste Absicht eines Jeden, welcher ein Wörterbuch zu Rathe zieht, ist (und muß seyn), das seinem Bedürfniß entsprechende Wort zu finden, den Werth, die verschiedenen Steigerungen, so wie auch die richtige und bestimmte Anwendungen desselben genau kennen zu lernen. Die bis jetzt erschienenen Taschenwörterbücher scheinen mir jedoch diesem Zwecke nicht genügen zu können, indem ihr größeres oder geringeres Verdienst nur in einem mehr oder weniger vollständigen Wörterverzeichniß besteht, und gewöhnlich diejenigen am meisten geschätzt wurden, welche die größte Anzahl Wörter enthielten». (Taschenwörterbuch 1821, vol. 2, I)
Der Aufbau der einzelnen Artikel wird dadurch bestimmt, dass zu jedem Lemma zunächst das Äquivalent der Grundbedeutung angegeben wird, bevor übertragene Bedeutungen und der «verschiedene[…] Gebrauch im eigenthümlichen und figürlichen Sinne» (Taschenwörterbuch 1821, vol. 2, III) – gemeint sind Verbindungen mit häufigen Kollokatoren, wie im folgenden Beispiel s. v. naso – folgen. Naso, m. Nase, f.; – aquilino, Habichtsnase, f.; – rivelato, gestülpte Nase, f.; – schiacciato, platte Nase, f.; – affilato, spitze Nase, f.; dar del – in ogni cosa, seine Nase in alles stecken.
Die Kollokatoren kennzeichnen Valentinis Taschenwörterbuch maßgeblich. Ein weiteres Beispiel, zu einem verbalen Lemma, ist folgendes: Mutàre, v. a. ändern, verändern; – i panni, casa, luogo etc., andere Kleider anziehen; in ein anderes Haus, in einen andern Ort ziehen; – aria, in freie Luft gehen, die Luft verändern; – cielo, in ein anderes Land ziehen: – faccia, eine andere Gestalt bekommen. Mutarsi, sich umkleiden.
Mit der Ersetzung des Lemmas durch zwei Bindestriche, einer Technik, die später im Vollständigen Wörterbuch nicht wiederholt wird, kann Valentini wertvollen Platz sparen. Am Ende des Artikels werden in einem Block «die verschiedenen Redensarten, die Anwendungen, und wo es nöthig war, die Beyspiele» (Taschen-
pilare io quest’Opera […]» (Taschenwörterbuch 1821, vol. 1, V), die sich an die entsprechende Formulierung im Vocabolario degli Accademici della Crusca anlehnt: «Nel compilare il presente Vocabolario […]» (Crusca I, A’ lettori, c. 2).
Ein großer Verkaufserfolg: Die Taschenwörterbücher | 161
wörterbuch 1821, vol. 2, III) aufgelistet. Dieser Teil ist aufgrund des begrenzten Raums im Taschenwörterbuch wenig umfangreich. Besonders wichtig ist Valentini, wie die Ausführungen im Zusammenhang mit den Grundlagenwerken seines Wörterbuchs zeigen, die klare Darstellung der einzelnen Bedeutungen. Die Umsetzung dieses Ansatzes fällt qualitativ jedoch sehr unterschiedlich aus. Im Artikel zu attore sind zu zwei unterschiedlichen Bedeutungen lediglich zwei Äquivalente kumulativ gereiht, ohne dass für den Benutzer eine semantische Distinktion vorgenommen wird. S. v. seccare dagegen sind die eigentliche sowie die übertragene Bedeutung durch die Sigle fig. sowie ein italienisches Synonym klar voneinander getrennt: Attòre, m. Kläger; Schauspieler, m. Seccare, v. a. trocknen; fig. für annojare, belästigen, beschweren. – v. n. vertrocknen.
Besonderen Wert legt Valentini auch auf die Angaben zur Aussprache. Zu jedem italienischen Lemma wird mithilfe eines Gravis die Betonung sowie bei e und o durch Gravis (geschlossene Realisierung) oder Zirkumflex (offene Realisierung) zusätzlich der Öffnungsgrad angezeigt.³ Im deutsch-italienischen Teil wird «zum Nutzen meiner Landsleute […] das è der deutschen Wörter, die offen ausgesprochen werden, mit diesem Accente bezeichnet, wie in begèben, E`rbnehmer, E`rbrècht etc.» (Taschenwörterbuch 1821, vol. 2, III). Wohl aus der eigenen Erfahrung als Deutschlerner sowie der Praxis als Italienischlehrer weiß Valentini, dass gerade diese Differenzierung «beyden Nationen so viele Schwierigkeiten macht». Als Grammatikangaben ist den unregelmäßigen Verben in beiden Sprachen das Partizip Perfekt, den italienischen zusätzlich die erste Person des passato remoto beigegeben.⁴ Zu jedem Lemma erfolgt die Angabe der Wortart, über Abkürzungen der entsprechenden lateinischen Termini. Für die Nomen wird lediglich das Genus angegeben. Eine Besonderheit ist, dass im italienisch-deutschen Teil auch für das zielsprachige Äquivalent bzw. die Äquivalente das Genus beigefügt ist (cf. obenstehendes Beispiel zu naso). Dies gibt Auskunft über die Funktion des Wörterbuchs: Es soll nicht nur der Herübersetzung in die eigene Muttersprache
3 Im Vollständigen Wörterbuch werden nicht mehr alle Lemmata akzentuiert sein. Durch dem Lemmarium vorangestellte allgemeine Regeln kann Valentini das Wörterbuch in diesem Bereich verschlanken und setzt Akzente nur dort, wo sich die Betonung nicht aus den allgemeinen Regeln ableiten lässt. 4 Im italienisch-deutschen Teil folgt die Angabe unmittelbar auf das Lemma, z. B. «Nàscere, def. nacqui, part. nato, v. n. geboren werden; für derivare, provenire, […]», im deutsch-italienischen Teil steht sie am Ende des Artikels: «Schlafen, v. n. dormire; riposare; leise –, avere un sonno leggiero […]; part. geschlafen».
162 | Untersuchungen zu den kleineren lexikographischen Arbeiten
dienen, sondern auch der Produktion in der Fremdsprache sowie dem didaktischen Zweck, neue lexikalische Einheiten der Fremdsprachen, deren «Werth, […], so wie auch die richtige und bestimmte Anwendungen de[r]selben genau kennen zu lernen» (Taschenwörterbuch 1821, vol. 2, I; zu den verschiedenen Wörterbuchfunktionen cf. Kapitel 7.3.1). Im deutsch-italienischen Teil fehlt die Genusangabe in der Zielsprache, zum einen, weil Genusfehler beim Lernen des Italienischen erfahrungsgemäß nur geringe Probleme bereiten, zum anderen, weil dieser Teil aufgrund der zahlreicheren Aufnahme nicht übersetzbarer Redensarten sowie der für das Deutsche typischen Vielzahl von Komposita ohnehin bereits umfangreicher ist (cf. Taschenwörterbuch 1821, vol. 2, III). Zur Übersetzung der Komposita merkt Valentini an gleicher Stelle an, dass er es «in Ermangelung gleichbedeutender italienischer, nicht unterließ, sie durch Umschreibungen zu erklären». Ein Beispiel bietet der Artikel zum durch die Sigle T. als fachsprachlich markierten Lemma Schmalthier: Schmalthier, n. T. cervo o cavriolo dell’età d’un anno, finchè entra in amore.
Das Fehlen von italienischen Äquivalenten zu deutschen Ausdrücken, das nicht nur sprachintern zu erklären ist, wird später in der Raccolta, die parallel zur Arbeit am großen Wörterbuch entsteht, erneut thematisiert. Valentini empfindet es nun als großes Problem und die Übersetzung durch Umschreibungen als «sempremai disgrata» (Raccolta, s. v. primarola; cf. Kapitel 6.2.2.1). Der tatsächliche Umfang des Lemmariums beträgt schließlich für den italienisch-deutschen Teil 396 Seiten (bei dreispaltigem Druck also 1188 Spalten), für den deutsch-italienischen 593 Seiten bzw. 1779 Spalten. Die jahrhundertelange Tendenz eines stärkeren italienisch-deutschen Teils ist, vor allem aus sprachinternen Gründen, damit umgekehrt. Obwohl der Lemmabestand in beiden Teilen aufgrund des Genre eines Taschenwörterbuchs eingeschränkt ist, verzichtet Valentini nicht auf die umfassende Aufnahme von Komposita, darunter zahlreiche transparenter Bildungen, im deutsch-italienischen Teil. Auch im italienischen Teil finden sich Lemmata, die aufgrund ihrer niedrigen Frequenz in einem Taschenwörterbuch eher überraschen, wie z. B. improvvisànte ‘der aus dem Stegreif dichtet’. Der erste Band enthält ein ausführliches Abkürzungsverzeichnis, das die im Lemmarium verwendeten Siglen auflöst (Taschenwörterbuch 1821, vol. 1, VIII; cf. Abb. 5). Die für die Angaben verwendete grammatische Terminologie, von der sich die Abkürzungen ableiten, ist Lateinisch. Das Verzeichnis ist vierspaltig und stellt der Sigle die volle lateinische Bezeichnung sowie deren deutsche und italienische Übersetzung gegenüber. Für die deutsche Terminologie werden genuin deutsche Bezeichnungen wie Zeitwort, Bindewort, Ausrufungswort etc.
Ein großer Verkaufserfolg: Die Taschenwörterbücher | 163
Abb. 5: Abkürzungsverzeichnis Taschenwörterbuch (Taschenwörterbuch 1821, vol. 1, VIII; Universitätsbibliothek Salzburg)
verwendet. Neben den Wortarten, die den größten Teil der Angaben ausmachen, finden sich auch einige Abkürzungen zur Bezeichnung der Stilebene (fam., poet., pop.), zur semantischen Differenzierung (fig.) und zum Hinweis, dass ein Lexem einer Fachsprache angehört (T., ohne Spezifizierung des Sektors bzw. der wissenschaftlichen Disziplin). Auch normative Hinweise (b. für besser) sowie Verweise, teils an die Frequenz gebunden, werden durch Abkürzungen angegeben (s., übl.). Letztere drei leiten sich vom Deutschen ab. Valentini geht mit diesen Angaben in der Systematizität über seine Vorgänger hinaus. Für das Vollständige Wörter-
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buch wird das Markierungssystem noch weiter differenziert und ausgebaut (cf. Kapitel 7.5.4).
6.1.2 Die nicht autorisierte Mailänder Ausgabe (1836) Eine italienische Ausgabe des Taschenwörterbuchs erscheint 1836 unter dem Titel Deutsch-Italienisches und Italienisch-Deutsches Handwörterbuch mit Verbesserungen und Zusätzen von Franz Lanzinger und Wilhelm Treves. Nuovo Dizionario portatile italiano-tedesco e tedesco-italiano del Dottor Francesco Valentini con correzioni ed aggiunte dei signori Francesco Lanzinger e Guglielmo Treves bei der Tipografia e Libreria Pirotta in Mailand. In diesem von Giovanni Pirotta gegründeten und ab 1834 von seinem Sohn Francesco geführten Verlag sind auch weitere Nachdrucke von Werken aus anderen Staaten verlegt worden (cf. Berengo 1980, 279). Valentini reagiert auf den offenbar nicht autorisierten Nachdruck, indem er einer von ihm selbst überarbeiteten zweiten Auflage des Taschenwörterbuchs von 1837 folgenden Hinweis zufügt: «AVVERTIAMO IL PUBBLICO, che questa è l’edizione originale, corretta, ed aumentata dall’autore; quella del PIROTTA, con correzioni ed aggiunte dei signori F. TREVES e G. LANZINGER (Milano 1836), venne riconosciuta per una di quelle sconce ristampe, in cui i plagiarj aumentatori cercano d’abbagliare il Publico [sic!]». (Taschenwörterbuch 1837, vol. 1, II)
Zudem tragen alle weiteren in Deutschland erschienenen Ausgaben des Taschenwörterbuchs den eindeutigen Zusatz «rechtmäßige Ausgabe» (Taschenwörterbuch 1837, vol. 2, Titel) bzw. «Original-Auflage» (Taschenwörterbuch 1859, vol. 1, Titel). Auf Kontakte zwischen Pirotta und Valentinis Leipziger Verleger Barth deutet ein Brief von Wilhelm Ambrosius Barth an Valentini vom 1. Februar 1837 hin (abgedruckt in Boerner 1988, 29; cf. auch 33), Genaueres zur Art dieser Kontakte ließ sich jedoch nicht ermitteln. Alles weist darauf hin, dass es sich bei der Mailänder Ausgabe des Taschenwörterbuchs um eine Raubkopie handelt, weist sie doch die typischen Merkmale der nicht autorisierten Nachdrucke auf, die zu jener Zeit keine Seltenheit waren: «Quando l’editore agisce col consenso, o addirittura l’invito, dell’autore straniero, non perde […] l’occasione di dichiararlo espressamente. Quando invece il volume esce col semplice avviso che la nuova edizione è di gran lunga migliorata rispetto a quella originale ‹straniera›, perché adorna di rami e liberata dagli errori tipografici che la sconciavano, allora possiamo essere quasi certi che la guerra corsara ha fatto una nuova vittima». (Berengo 1980, 287)
Ein großer Verkaufserfolg: Die Taschenwörterbücher | 165
Vergleicht man den Umfang des Berliner Originals (VIII-403 Seiten für den italienisch-deutschen und IV-600 Seiten für den deutsch-italienischen Band) und den der Mailänder Ausgabe (XII-1279 Seiten für den deutsch-italienischen, 835 für den italienisch-deutschen Band bei einem größerem Format von 19 cm, wenn auch lediglich zweispaltigem Satz), so ist klar, dass Erweiterungen und Änderungen vorgenommen wurden. Einige werden explizit im Vorwort von Lanzinger und Treves, das dem ersten Band vorangestellt ist, erklärt. Die Bedürfnisse des italienischen Nutzers im Blick wurden die unregelmäßigen Verben im deutschitalienischen Teil durch die Abkürzung ir. als solche gekennzeichnet. Neben der in Valentinis Original enthaltenen Angabe des Partizip II wurden ihnen das Präteritum sowie der Imperativ beigegeben, so dass alle Stammformen ablesbar sind. Zusätzlich enthält der Band am Ende ein Verzeichnis unregelmäßiger Verben. Zu den Nomen wurden die Genitiv- (für Maskulina und Neutra) sowie die Pluralform angegeben. Diese Änderungen bedeuten einen enormen Fortschritt für den italienischen Nutzer und sind in heutigen Wörterbüchern standardisiert. Modern ist auch die Entscheidung, auf ein Verzeichnis der Eigennamen von Personen und der geographischen Bezeichnungen zu verzichten, und diese stattdessen direkt ins Lemmarium zu integrieren (cf. Nachdruck Pirotta, vol. 1, III–IV). Zudem wurden auch im deutsch-italienischen Teil Genusangaben zum Übersetzungsäquivalent eingefügt. Was die Erweiterung um sprachliches Material betrifft, so führen Lanzinger und Treves aus: «venne per noi accresciuto di moltissime voci, modi di dire e proverbj tolti da altri ottimi lavori [e] voci proprie solo dello stile commerciale (nel che fummo graziosamente coadjuvati da persona assai versata e nel commercio e nelle lingue)» (Nachdruck Pirotta, vol. 1, III). Das Berufen auf «ottimi lavori» sowie die «persona assai versata» ohne Präzisierung, um welche Quellen bzw. welchen Mitarbeiter es sich dabei handelt, ruft indes Zweifel hervor. Und so ist zwar gegenüber Valentinis Taschenwörterbuch von 1821 eine Erweiterung im Lemmarium klar nachzuweisen – der Vergleich der zufällig ausgewählten Lemmastrecke bischero – bisogno (24 Artikel) aus Valentini (1821) mit der gleichen Strecke im Nachdruck von Pirotta ergibt den Zusatz von 8 zusätzlichen Lemmata sowie Ergänzungen zu 5 bereits vorhandenen Artikeln –,⁵ doch all diese Zusätze finden
5 Mit zusätzlichen Artikeln ergänzt wurden bischetto ‘Schustertisch’; bisciabova ‘heftiger Wirbelwind’; biscottato ‘hart gebacken’ mit der Verbindung cavallo biscottato ‘ein Schulpferd’; biscroma ‘Sechzehntel’; bisegolo ‘Glättholz’; bisi mit Verweis auf piselli; bislacco ‘eigensinnig, wunderlich, launisch’; bismalva ‘eibisch’. Ergänzungen finden sich zu den Artikeln von bischero («it. pop. das männliche Glied»), biscia («prov. andarvi come la biscia all’incanto, sehr ungern an etwas gehen; it. a biscia, adv. reichlich, in Menge»), biscotto («imbarcarsi senza biscotto, etwas Wichtiges ohne Mittel unternehmen; it. unbesonnen handeln; prov. biscotto a chi non ha denti, was nutzt
166 | Untersuchungen zu den kleineren lexikographischen Arbeiten
sich auch im inzwischen erschienenen Vollständigen Wörterbuch. Es wurde also höchstwahrscheinlich Valentini mit Valentini ergänzt.⁶
6.1.3 Die zweite Ausgabe von 1837 Die zweite von Valentini selbst überarbeitete und autorisierte Ausgabe des Taschenwörterbuchs erscheint 1837, ein Jahr nach Veröffentlichung des letzten Bandes des großen Wörterbuchs. Während der Nachdruck von Pirotta sich mit seinem Seitenumfang am Rande dessen bewegt, was noch als Taschenwörterbuch zu bezeichnen ist, begnügt sich die Ausgabe von 1837 mit einer moderaten Vermehrung auf 448 Seiten für den italienisch-deutschen und 638 Seiten für den deutsch-italienischen Teil. Auch das kleinere Format wird beibehalten. Eine Änderung betrifft die verwendeten Abkürzungen der Grammatikangabe. Sie leiten sich in dieser Ausgabe nicht mehr von den lateinischen Termini für die Wortklassen, sondern von den italienischen ab, also z. B. prep. statt praep. Sonstige Orientierungen am Vollständigen Wörterbuch sind nicht nachweisbar. Valentini scheint bewusst das Konzept eines schmalen, leicht konsultierbaren Taschenwörterbuchs beizubehalten, das er bereits im Vorwort zur ersten Ausgabe beschrieben hatte, nämlich «daß der große Ueberfluß an Worten, Ausdrücken, Redensarten, Sprichwörtern u. s. w., welche sich in den großen Wörterbüchern finden, für den Lernenden, der mit einer Sprache noch nicht genug vertraut und folglich außer Stande ist, eine passende Wahl zu treffen, eher schädlich als nützlich seyn dürfte; denn wenn er auf einen jener weitläufigen Artikel stößt, welche sich gewöhnlich (und wie es doch nöthig ist) in einem großen Wörterbuche finden, so wird er, statt in demselben das was ihm nöthig ist aufzusuchen, von der Länge abgeschreckt». (Taschenwörterbuch 1821, vol. 2, II)
Die Ausgabe von 1837 erscheint erneut bei Amelang in Berlin. Es müssen jedoch auch Überlegungen stattgefunden haben, eine neue Ausgabe des Taschenwörterbuchs beim Verleger des Gran Dizionario, Barth in Leipzig, herauszubringen. Dies belegen zwei Briefe von Barth an Valentini vom 27. August 1836 bzw. vom 1. Fe-
das Brot, wenn man keine Zähne mehr hat»), bisestile, bisesto («anno bisestile, Schaltjahr, n.»); bisogno («it. Rekrut, m.; […] prov. il bisogno fa vecchia trottare, v. bisognìno; prov. al bisogno si conoscono gli amici, Freunde erkennt man in der Noth; prov. bisogno fa buon fante, Noth bricht Eisen»). 6 Dies legt auch die Verwendung der für das Vollständige Wörterbuch charakteristischen Siglen für sektorialsprachliche Einheiten im Nachdruck von Pirotta nahe, z. B. s. v. biscroma «T. di Mus.», s. v. bisegolo «T. de’ Calz.».
Ein großer Verkaufserfolg: Die Taschenwörterbücher | 167
bruar 1837. Aus diesen Briefen geht hervor, dass Valentini doch intensiver über eine umfangreichere Neubearbeitung, in die das Material des Vollständigen Wörterbuchs stärker einfließen sollte, nachgedacht hat. Barth zeigt sich besorgt über den zu großen Umfang der ersten Entwürfe: «Das würde dann statt eines portatile ein carozzabile ‹…› und wäre die Pferde hinter den Wagen gespannt, da unter 6, 7 rh /Reichstaler/ das Buch nicht zu verkaufen wäre» (Brief von Barth an Valentini vom 27. 8. 1836, zitiert nach Boerner 1988, 28). Das Projekt scheint dann im Sande verlaufen zu sein. Nach der Veröffentlichung des Taschenwörterbuchs bei Amelang vergehen über zwanzig Jahre, bis eine dritte Auflage bei Brockhaus in Leipzig erscheint.
6.1.4 Die dritte Ausgabe von 1859 und die weiteren Auflagen Die dritte, 1859 bei Brockhaus publizierte Auflage trägt den veränderten Titel Taschen-Wörterbuch der italienischen und deutschen Sprache und wird im Titelzusatz als «vom Verfasser durchgesehen, verbessert und vielfach vermehrt» vorgestellt. Ihr Umfang beträgt VIII-446 Seiten für den italienisch-deutschen und 619 für den deutsch-italienischen Teil. Valentini bringt sie nach zwanzigjähriger Materialsammlung und -überarbeitung mit dem Anspruch auf den Markt, «daß das Werk in seiner neuen Gestalt vor jedem anderen Lexikon dieser Art den Vorzug verdienen dürfte» (Taschen-Wörterbuch 1859, vol. 1, V). Zugefügt wurden «mehrere tausend neuer Artikel», schärfere Bedeutungsabgrenzungen und, «soweit der beschränkte Raum eines Taschenwörterbuchs es mir gestattete […] eine[…] Menge sprichwörtlicher Ausdrücke und andere[…] dem gewöhnlichen Leben entnommene[…] Wendungen» (Taschen-Wörterbuch 1859, vol. 1, V). Ein Beispiel für einen derartig erweiterten Artikel bietet sich s. v. naso. Gegenüber der früheren Ausgabe des Wörterbuchs (zitiert in Kapitel 6.1.1, zur Ausgabe von 1821) wurden hier ergänzt: «dar di – in tasca, in cúpola, langweilig, beschwerlich fallen; restare con tanto di –, con un palmo di – mit einer langen Nase, mit Schimpf und Schande abziehen; soffiarsi il –, sich schnäuzen». Eine weitere Neuerung betrifft die Praxis, dass Termini technici nicht mehr durch Umschreibungen, sondern wo möglich durch eine Entsprechung in der Zielsprache wiedergegeben werden (cf. Taschen-Wörterbuch 1859, vol. 1, VI). Die in Kapitel 6.1.1 zitierte Übersetzung zu Schmalthier etwa wurde zu «cerviatto, caprioletto d’un anno» zumindest verknappt. Im Bereich der Grammatikangaben wird nun zu den unregelmäßigen italienischen Verben neben dem Partizip II durchgängig die 1. Pers. des passato remoto angegeben, wohingegen die Angabe der 1. Pers. Präs. Indikativ sowie Konjunktiv und das Futur aus Platzmangel nicht berücksichtigt wurden (cf. Taschen-
168 | Untersuchungen zu den kleineren lexikographischen Arbeiten
Wörterbuch 1859, vol. 1, VII). Für den italienischen Nutzer wurde im zweiten Band nach dem geographischen Verzeichnis eine Tabelle der unregelmäßigen deutschen Verben beigegeben. Ein bedeutender Zusatz, der die Bedürfnisse des fortgeschrittenen 19. Jahrhunderts widerspiegelt, ist ein zusätzliches Verzeichnis kaufmännischer Ausdrücke am Ende des Wörterbuchs, mit dessen Erstellung der Verleger Carl Marquard Sauer, Professor an einer Wirtschaftsschule in Leipzig, beauftragt hatte (cf. Taschen-Wörterbuch 1859, vol. 1, VIII; cf. auch Boerner 1988, 32).⁷ Zur Darstellung in einem getrennten Verzeichnis bemerkt Valentini im Vorwort:⁸ «Trovansi in essa quelle voci che, per lo più, devono la loro esistenza meno alla purità del linguaggio che all’ uso comune, e arbitrario, le quali, appunto per questa cagione, furono dal’autore escluse dal vocabolario stesso» (Taschen-Wörterbuch 1859, vol. 1, VI). Es ist bemerkenswert, dass Valentini zu diesem Zeitpunkt, nachdem er in der Raccolta von 1832 eine in erster Linie an praktischen Bedürfnissen orientierte Sprachauffassung vertreten hatte, Sprachreinheit als Kriterium anbringt. Als Beispiel für das Vocabolario Mercantile sei hier die Lemmastrecke Bigliétto–Bullettíno wiedergegeben: Bigliétto, m. (di promesso), Schuldverschreibung, f.; -i di banco, Bankzettel, m. Bilanciáre il conto, die Bilanz ziehen. Biláncio, m. (s. d. W.); – d’entráta (d’ingresso), Eröffnungsbilanz, f.; – d’uscita, Ausgangsbilanz, f.; a – del debito, zur Saldirung der Schuld. Binário, m. Geleise der Bahn, n. Bolláre, plombiren. Bollétta, f. Mauthzettel, m. Bullettíno (stampáto), m. (gedruckter) Preiscourant, m.
7 Sauer ist auch als Autor von sprachdidaktischen Werken des Spanischen und Italienischen hervorgetreten. Zum Italienischen verfasste er eine Italienische Konversationsgrammatik zum Schulund Privatunterricht, die 1938 die zwanzigste Auflage erreichte (für eine Analyse der Konversationsgrammatik und die entsprechenden bibliographischen Angaben cf. Gorini 1997, 235–244; 354; Palermo/Poggiogalli 2010, 192–197) und später in modifizierter Form unter dem Titel Italienische Sprachlehre bis in die 1980er Jahre hinein in über dreißig Auflagen erschienen ist (fehlerhaft hier die Angabe in Gorini 1997, 236, dass die letzte Auflage von 1968–1969 stammt). Nach ihm und zwei Kollegen benannt ist die Gaspey-Otto-Sauer-Methode, eine konversationsorientierte Methode des Sprachunterrichts, die im Rahmen der Bearbeitung verschiedener Sprachlehrwerke des Heidelberger Verlegers Groos entstanden ist. Sauer verfasste auch eine Studie zu Manzoni (1871), eine Geschichte der italienischen Litteratur von ihren Anfängen bis auf die neueste Zeit (1883) sowie einen Roman mit dem Titel Die Spiritisten (1872). 8 Es wird aus dem italienischen Vorwort zitiert, das in der dritten Auflage parallel zum deutschen am Anfang des ersten Bandes steht, da dieses hier ausführlicher ist.
Ein großer Verkaufserfolg: Die Taschenwörterbücher | 169
Neben Einzellexemen sind häufige Kollokationen, nominale Syntagmen wie Nomen-Verb-Verbindungen, verzeichnet. Wie im allgemeinen Wörterbuch ist auch hier bei jedem Lemma der Wortakzent durch Gravis markiert. Für Lemmata, die auch im allgemeinen Verzeichnis enthalten sind, erfolgt ein Verweis auf dieses durch s. d. W. (siehe das Wörterbuch). Das Vocabolario mercantile ist ein wertvolles Zeugnis für die Entwicklung der Handelssprache zur Mitte des 19. Jahrhunderts. 1861, im Jahr der italienischen Einigung, erscheint eine Rezension zur dritten Auflage des Valentinischen Taschenwörterbuchs, die das Verzeichnis der kaufmännischen Ausdrücke überaus positiv aufnimmt, «zumal bei dem jetzt in Aussicht stehenden regeren Verkehr mit Italien» (Rezension Taschen-Wörterbuch 1861, 333). Nach der Besprechung der Neuerungen, die auch im Vorwort angegeben werden, erfolgt eine sehr gute Bewertung des Gesamtwerks inklusive der typographischen Aufmachung, über die sich auch Valentini selbst sehr erfreut zeigt (cf. Taschen-Wörterbuch 1859, vol. 1, VIII). Die Rezension schließt mit einigen Desideraten aus der Perspektive des deutschen Nutzers, die vor allem mehr Angaben zu italienischen Verben zum Inhalt haben. Für folgende Auflagen sei es wünschenswert, die aus Platzgründen ausgeschlossenen Formen des Präsens und des Futur mit anzugeben, «ganz besonders aber bei Bei- und Zeitwörtern die Angabe der Rectionsverhältnisse, indem z. B. gesetzt würde degno di q. c., domandare q. c. […]» (Rezension Taschen-Wörterbuch 1861, 333). Auch die Angabe der Pluralform von Nomen und Adjektiven auf -co und -go wird vermisst. Im Brockhausverlag wird das Taschenwörterbuch von Francesco Valentini bis 1906 weiteraufgelegt und erreicht in diesem Jahr die 21. Auflage. Die vierte Auflage, zu der der Autor noch selbst ein kurzes Vorwort verfasst (TaschenWörterbuch 1862, vol. 1, VIII), erscheint 1862 und ist gegenüber der dritten nahezu unverändert. Die weiteren, postumen Auflagen sind, wie auch der unveränderte Umfang von 446 Seiten für den italienisch-deutschen und 619 für den deutschitalienischen Teil anzeigt (cf. die genauen Angaben in der Bibliographie von Bruna 1983, 341–349), lediglich Nachdrucke. Die folgende Tabelle bietet eine Übersicht über alle Ausgaben des Taschenwörterbuchs. Neben genauem Kurztitel, Nummer der Auflage, Erscheinungsjahr und Verlag ist jeweils eine besitzende Bibliothek in Deutschland und Italien angegeben. Basis für die Darstellung bieten die Bibliographie von Bruna (1983, 337–349) sowie Boerner (1988, 31–34). Ein Asterisk neben der Auflage zeigt an, dass diese in Bruna nicht aufgeführt wird. Für die Angabe der besitzenden Bibliothek gilt: Wird diese Angabe von Bruna übernommen, ist dies durch die hochgestellte Abkürzung Br gekennzeichnet, stammt sie von Boerner (1988) durch hochgestelltes Bo. Zur Ergänzung wurde im Karlsruher Vituellen Katalog (KVK) sowie im SBN online recherchiert.
Pirotta, Mailand
18369
1837
1859
1862
nicht autorisierter Nachdruck
2.
3.
4.*
Nuovo dizionario portatile italianotedesco e tedesco-italiano con correzioni ed aggiunte dei Signori Francesco Lanzinger e Gugl. Treves/DeutschItalienisches und Italienisch-Deutsches Handwörterbuch (…).
Nuovo dizionario portatile italianotedesco e tedesco-italiano/Vollständiges deutsch-italienisches und italienischdeutsches Taschenwörterbuch.
Taschenwörterbuch der italienischen und deutschen Sprache/Dizionario portatile italiano-tedesco.
Taschenwörterbuch der italienischen und deutschen Sprache/Dizionario portatile italiano-tedesco.
Berlin, BundesgesundheitsamtBo ; Padua, Biblioteca Universitaria
München, Bayerische StaatsbibliothekBr ; Neapel, Biblioteca nazionale Vittorio Emanuele III
Nürnberg, Bibliothek des Germanischen NationalmuseumsBo ; Triest, Biblioteca CivicaBr
Münster, Universitäts- und Landesbibliothek; Udine, Istituto di Storia della Lingua e Letteratura Italiana dell’UniversitàBr
Berlin, Bibliothek des Instituts für Romanische Philologie der FUBo ; Triest, Biblioteca CivicaBr
Besitzende Bibliothek
9 In Boerner wird außerdem auf eine mit 1834 datierte, bei Pirotta erschienene Ausgabe verwiesen (cf. 1988, 33). Eine solche Ausgabe wird jedoch weder in Bruna genannt, noch ist sie in einem der modernen Bibliotheksverzeichnisse bzw. im CLIO verzeichnet.
F. A. Brockhaus, Leipzig
F. A. Brockhaus, Leipzig
C. F. Amelang, Berlin
C. F. Amelang, Berlin
1821
1.
Nuovo dizionario portatile italianotedesco e tedesco-italiano/Vollständiges deutsch-italienisches und italienischdeutsches Taschenwörterbuch.
Verlag
Erscheinungsjahr
Auflage
Titel
Tab. 3: Ausgaben des Taschenwörterbuchs und deren Präsenz in öffentlichen Bibliotheken
170 | Untersuchungen zu den kleineren lexikographischen Arbeiten
F. A. Brockhaus, Leipzig
F. A. Brockhaus, Leipzig
1868
1870
1873
187410
1878
1882
6.
7.
8.
9.
10.
11.
Taschenwörterbuch der italienischen und deutschen Sprache/Dizionario portatile italiano-tedesco.
Taschenwörterbuch der italienischen und deutschen Sprache/Dizionario portatile italiano-tedesco.
Taschenwörterbuch der italienischen und deutschen Sprache/Dizionario portatile italiano-tedesco.
Taschenwörterbuch der italienischen und deutschen Sprache/Dizionario portatile italiano-tedesco.
Taschenwörterbuch der italienischen und deutschen Sprache/Dizionario portatile italiano-tedesco.
Taschenwörterbuch der italienischen und deutschen Sprache/Dizionario portatile italiano-tedesco.
10 In Boerner (1988) ist die Ausgabe von 1874 fälschlicherweise als 5. Auflage bezeichnet.
F. A. Brockhaus, Leipzig
F. A. Brockhaus, Leipzig
F. A. Brockhaus, Leipzig
F. A. Brockhaus, Leipzig
F. A. Brockhaus, Leipzig
1865
5.
Taschenwörterbuch der italienischen und deutschen Sprache/Dizionario portatile italiano-tedesco.
Verlag
Erscheinungsjahr
Auflage
Titel
Tab. 3: (fortgesetzt)
Heidelberg, Universitätsbibliothek; Padua, Biblioteca UniversitariaBr
Berlin, StaatsbibliothekBo ; Parma, Biblioteca PalatinaBr
Münster, Universitäts- und Landesbibliothek; —
Köln, Universitäts- und Stadtbibliothek; Mailand, Biblioteca dell’Università CattolicaBr
Paderborn: Erzbischöfliche Akademische Bibliothek; Mailand, Biblioteca ComunaleBr
Berlin, StaatsbibliothekBr ; —
Leipzig, UniversitätsbibliothekBr ; Rom, Biblioteca della Fondazione Camillo Caetani
Besitzende Bibliothek
Ein großer Verkaufserfolg: Die Taschenwörterbücher | 171
1888
1889
1891
1892
1894
1895
12.*
13.*
14.
15.
16.
17.
Taschenwörterbuch der italienischen und deutschen Sprache/Dizionario portatile italiano-tedesco.
Taschenwörterbuch der italienischen und deutschen Sprache/Dizionario portatile italiano-tedesco.
Taschenwörterbuch der italienischen und deutschen Sprache/Dizionario portatile italiano-tedesco.
Taschenwörterbuch der italienischen und deutschen Sprache/Dizionario portatile italiano-tedesco.
Taschenwörterbuch der italienischen und deutschen Sprache/Dizionario portatile italiano-tedesco.
Taschenwörterbuch der italienischen und deutschen Sprache/Dizionario portatile italiano-tedesco.
F. A. Brockhaus, Leipzig
F. A. Brockhaus, Leipzig
F. A. Brockhaus, Leipzig; auch: Carlo Clausen, Palermo/Turin; Loescher, Rom/Turin/Florenz11
F. A. Brockhaus, Leipzig
F. A. Brockhaus, Leipzig
F. A. Brockhaus, Leipzig
Verlag
Berlin, StaatsbibliothekBr ; —
Koblenz, Rheinische Landesbibliothek; —
—; Forlì, Biblioteca comunale Aurelio Saffi
Marburg, Universitätsbibliothek; Florenz, Biblioteca geomineralogica, Sezione di geologia e paleontologia
—; Turin, Biblioteca del Seminario arcivescovile
—; Neapel, Biblioteca nazionale Vittorio Emanuele III
Besitzende Bibliothek
11 Die Angabe, dass die 15. Ausgabe des Taschenwörterbuches auch bei diesen beiden italienischen Verlagshäusern erschienen ist, findet sich in Bruna (1983, 347), die das Privatexemplar von Paolo Zolli eingesehen hat, nicht jedoch im SBN.
Erscheinungsjahr
Auflage
Titel
Tab. 3: (fortgesetzt)
172 | Untersuchungen zu den kleineren lexikographischen Arbeiten
Erscheinungsjahr 1897*
1899
1902*
1906
Auflage 18.
19.
20.
21.
Titel
Taschenwörterbuch der italienischen und deutschen Sprache/Dizionario portatile italiano-tedesco.
Taschenwörterbuch der italienischen und deutschen Sprache/Dizionario portatile italiano-tedesco.
Taschenwörterbuch der italienischen und deutschen Sprache/Dizionario portatile italiano-tedesco.
Taschenwörterbuch der italienischen und deutschen Sprache/Dizionario portatile italiano-tedesco.
Tab. 3: (fortgesetzt)
F. A. Brockhaus, Leipzig
F. A. Brockhaus, Leipzig
F. A. Brockhaus, Leipzig
F. A. Brockhaus, Leipzig
Verlag
Kiel, UniversitätsbibliothekBr ; Lucca, Biblioteca statale
Berlin, StaatsbibliothekBo ; —
Augsburg, Universitätsbibliothek; —
München, Bibliothek des Franziskanerklosters S. AnnaBo ; —
Besitzende Bibliothek
Ein großer Verkaufserfolg: Die Taschenwörterbücher | 173
174 | Untersuchungen zu den kleineren lexikographischen Arbeiten
Das Taschenwörterbuch war, anders als das Vollständige Wörterbuch, ein großer Verkaufserfolg. Dies zeigt sich in den zahlreichen Neuauflagen und seiner weiten Verbreitung.¹² Neben den aufgeführten Bibliotheken ist es, sowohl in der Originalausgabe als auch im Nachdruck von Pirotta, in vielen weiteren nachgewiesen (cf. den KVK sowie den SBN). Zahlreiche Exemplare der unterschiedlichen Auflagen sind zudem antiquarisch zu erwerben.
6.2 Valentinis Beitrag zur italienischen Lexikographiediskussion: Die Raccolta di mille e più Vocaboli italiani (1832) Nach dem Taschenwörterbuch und nachdem der erste italienisch-deutsche Band des Vollständigen Wörterbuchs bereits erschienen war, veröffentlichte Valentini 1832 ein kleineres Werk, das wertvolle Einblicke in seine lexikographische Praxis gibt. Es handelt sich um die Raccolta di mille e più Vocaboli italiani, die 1832 mit einem Umfang von XXVII-152 Seiten bei Barth, dem Verleger des Vollständigen Wörterbuchs, gedruckt wurde. Sie ist ganz in italienischer Sprache verfasst und das einzige Werk, das sich explizit und ausschließlich an ein italienisches Publikum, den Kreis der «saggi filologi Italiani» (Raccolta, III), wendet. Die Raccolta stellt damit in erster Linie einen Beitrag dar, mit dem Valentini an der italienischen Lexikographiediskussion des frühen 19. Jahrhunderts (cf. Kapitel 3.1) teilnehmen wollte. Wie ähnliche, zum gleichen Zweck in Italien erschienene Beiträge, etwa die Proposta Montis oder die Wörtersammlungen von Gherardini, ist die Raccolta zweigeteilt: Am Anfang steht eine Abhandlung zum Stand der italienischen Lexikographie, die, ausgehend vom Wörterbuch der Accademia della Crusca, Kritik und Vorschläge zu einer künftigen Erweiterung enthält. Den zweiten Teil bildet eine konkrete, alphabetisch angeordnete Sammlung von möglichen Zusätzen, versehen mit Reflexionen und Kommentaren, die künftige Wörterbuchautoren berücksichtigen sollten. Die Raccolta ist ohne Zweifel als eigenständiges Werk konzipiert und als solches als erhellender Beitrag zur Sprachenfrage rezipierbar. Zugleich ist sie ebenso zweifellos aus der Arbeit am Vollständigen Wörterbuch heraus verfasst worden.
12 Cf. auch Boerner (1988, 31): «Mit diesem Titel […] hatte Valentini sehr viel Erfolg». Boerner gibt jedoch auch zu bedenken: «Gewiß verweist ein Wörterbuch, das 80 Jahre nach seiner Ausarbeitung noch angeboten wird, […] auf das ganze Ausmaß der Probleme zwischen der Sprachentwicklung, der Sprachwissenschaft und den wirtschaftlichen Interessen» (Boerner 1988, 33).
Die Raccolta di mille e più Vocaboli italiani (1832)
| 175
Zum Zeitpunkt der Entstehung der Raccolta hat Valentini bereits die verfügbaren Wörterbücher der beiden Sprachen genauestens studiert, zusätzlich selbst Exzerpte angefertigt und eine Vielzahl von Artikeln, sowohl des italienisch-deutschen als auch des deutsch-italienischen Teils, vollendet. Der erste italienischdeutsche Band ist schon 1831 erschienen, der erste deutsch-italienische in Druck, doch erst zu einem späten Zeitpunkt hat Valentini mit dem Wörterbuch von Padua ein weiteres wichtiges einsprachiges Wörterbuch des Italienischen erhalten und außerdem seine eigenen spogli vorangetrieben. Die Beobachtungen, die er dabei anstellt, möchte er in die Diskussion einbringen und tut dies mit der Raccolta. Zur Analyse des lexikographischen Werks von Francesco Valentini ist die Raccolta von vier Seiten zu beleuchten: 1) als Beitrag zur italienischen Lexikographiediskussion; 2) als Dokument zur Konzeption und Erstellung des Vollständigen Wörterbuchs; 3) als Schlüssel zur systematischen Erfassung der Neuerungen im Vollständigen Wörterbuch gegenüber früheren zwei- und einsprachigen Wörterbüchern; 4) als Dokument von Erstbelegen und sprachlichen Innovationen des frühen 19. Jahrhunderts. Die Analyse der Raccolta i. S. v. 1) und 2) kann explizit über den Einleitungsteil, aber auch über das Wörterverzeichnis erfolgen, für 3) und 4) ist insbesondere das Wörterverzeichnis zu beachten. Die Punkte 2) und 3) werden in Kapitel 7.2.4, 7.3 und 7.4 zur Analyse des Wörterbuchs vertieft. Der Schwerpunkt an dieser Stelle liegt auf dem Beitrag zur Lexikographiediskussion und der Beschreibung der Raccolta als eigenständigem Werk. Vorgriffe auf die Analyse des Wörterbuchs und dessen Konzeption sind dabei jedoch unvermeidbar. Was der Theoretiker Valentini in der Raccolta als lexikographische Grundsätze formuliert, findet sich in seiner praktischen Wörterbucharbeit in großen Teilen umgesetzt. Ebenso nimmt Valentini selbst in der Raccolta immer wieder Bezug auf die Arbeit am Vollständigen Wörterbuch.
6.2.1 Bestandsaufnahme und Kritik der zeitgenössischen italienischen Lexikographie: Die einleitenden Osservazioni Bereits das Titelblatt der Raccolta lässt die Richtung ihres Programms erkennen. Dem vollen Titel, Raccolta di mille e più vocaboli italiani, pretermessi ne’ nuovissimi dizionarii; preceduta da alcune osservazioni sul Vocabolario degli Academici della Crusca ist ein Zitat von Daniello Bartoli, unter seinem Pseudonym Ferrante Longobardi, nachgestellt:
176 | Untersuchungen zu den kleineren lexikographischen Arbeiten
«,Razzolando per entro i buoni autori si ,trovano tuttavia de’ Vocaboli non avvisati ,da’ primi, e secondi, e terzi ancorchè ,diligentissimi raccoglitori». (Raccolta, I)
Auch die zweite Seite enthält mit Zitaten von Favorinus, Johnson und Zanotti Reflexionen, die gleichsam den Rahmen für Valentinis Diskussionsbeitrag zur italienischen Lexikographie abstecken. Die Einleitung öffnet mit einem Zitat von Perticari, das sofort einen wichtigen Grundsatz Valentinis zum Ausdruck bringt: «Non già chi scrive insegna le parole a’ popoli: ma siano bene i popoli le prestì a chi le scrive». (Raccolta, III)
Seinen Diskussionsbeitrag formuliert der Römer in drei Argumentationsschritten. Zunächst geht er auf den Ursprung der italienischen Literatursprache und deren Kodifizierung durch Bembo und insbesondere die Accademia della Crusca ein. Die ersten Autoren, so Valentini über ein langes Zitat von Zanotti, mussten für ihre Texte auf sprachliche Elemente aller Teile Italiens zurückgreifen. Mit den herausragenden Werken von Villani, Boccaccio, Dante und Petrarca war der Florentinische Anteil dabei besonders hoch, jedoch nicht ausschließlich, und in jedem Fall war das sprachliche Ergebnis eine «lingua viva, […], la qual parve a tutti bella e leggiadra» (Raccolta, III). Bembo habe als erster eine Kodifizierung der Sprache des Trecento und damit eine Rückführung und unnatürliche Festigung der Sprache versucht: «fu il primo a tentare di ridurre a Grammatica quella della lingua del Trecento» (Raccolta, IV). Zu beachten ist die an Dante angelehnte Terminologie, die Valentini zur Beschreibung einer nicht-lebenden Sprache verwendet, und die negative Bewertung Bembos, die auch in einer Fußnote zum Ausdruck kommt. Für Valentini bleibt das Toskanische nur ein Dialekt unter vielen, wie im Absatz zur Diskussion um die Benennung der von Bembo geforderten Varietät klar wird: «I Toscani, d’allora in poi, vollero, che Toscano l’elegante Linguaggio chiamar si dovesse. Se avessero detto: il più elegante dialetto, nessuno, crediam noi, li avrebbe contraddetti» (Raccolta, IV). Trotz seiner Sonderstellung sei der Toscano dialetto klar von der «colta, e commun Favella de’ dotti Italiani» (Raccolta, IV) zu unterscheiden. Als Grundmodell für eine italienische Einheitssprache scheint Valentini ein eklektisches Modell, das seinen Ursprung in der lingua cortigiana hat, zu bevorzugen.¹³ 13 So zitiert er in Fußnote c Galeani Napione, der ausführt: «ogni particolar dialetto Italiano abbia diritto di somministrare voci alla lingua colta e comune, purchè intese, o facili ad intendersi
Die Raccolta di mille e più Vocaboli italiani (1832) |
177
Auf Basis des bisher Gesagten nähert sich Valentini an das Crusca-Wörterbuch, das in Folge den Angelpunkt aller Überlegungen in seiner Diskussion darstellt.¹⁴ Für Valentini ist es voll toskanischer Dialektismen und in seiner Anlehnung an den Calepino, als lateinisches Wörterbuch für eine lingua morta konzipiert, für eine lingua viva schon in der Grundanlage ungeeignet. In Konzentration auf den eigenen Dialekt hätten die accademici viele für ein italiano comune¹⁵ unnötige Einheiten gesammelt, dagegen Termini technici und Einheiten der Naturwissenschaften, der Politik, der Ökonomie oder der Musik, die wichtig gewesen wären, grundlegend ausgelassen. Auch die verzeichneten Autoren seien nicht erschöpfend exzerpiert worden (cf. Raccolta, IV–VI). Für die Untermauerung seiner Ausführungen sucht Valentini sich angesehene Verbündete, z. B. Tiraboschi, Galeani Napione und Carlo Denina, und auch Vertreter der Crusca selbst wie Giovanni Lami, die er ausgiebig zitiert. Abschließend kommt er zur These: Wer Italienisch schreiben will, braucht zwangsläufig Wörter, die er im Crusca-Wörterbuch nicht finden wird. Im zweiten Schritt nimmt Valentini sich vor, den Beweis seiner These – die, wie er schreibt, bereits von anderen zur Genüge vorgebracht worden sei – «per
in tutta Italia» (zitiert in Raccolta, IV), und weiters vom «tesoro del nostro comun cortigiano Linguaggio» spricht (ebd., S. VIII). Wie weitere explizite Äußerungen und speziell die praktische Umsetzung in der Wörtersammlung der Raccolta und die Auswahl im Gran Dizionario zeigen werden, schwebt Valentini ein Sprachmodell vor, das möglichst viele Varietäten und Register abdecken und dabei weniger einer Ideologie folgen, sondern in erster Linie den Kommunikationsbedürfnissen der Sprecher seiner Zeit gerecht werden soll (cf. Kapitel 7.2.4.2). 14 «[A]l di là del gusto polemico e dello spirito beffardo» (Zolli 1985, 243), der Valentinis Raccolta wie Gherardinis Voci e maniere durchzieht, ist eine Parallele der beiden Werke eben diese ständige Bezugnahme auf die Crusca; cf. auch Zolli (1985, 241). 15 Die Vision einer «lingua comune italiana» findet sich auch bei Gherardini wieder (Gherardini 1838–1840, vol. 1, 61), dessen Voci e maniere, wie bereits angedeutet wurde, mehrere Parallelen zu Valentinis Raccolta aufweisen. Auch für Gherardini stimmt diese nicht mit dem Florentinischen oder Toskanischen überein. Ein Unterschied zu Valentinis Konzeption liegt jedoch darin, dass Gherardini in den Voci e maniere die Möglichkeit einer lingua parlata comune anzweifelt und lediglich von einer «lingua scritta comunemente usata in tutta la penisola» (Zolli 1985, 245) ausgeht. Valentini, als Römer mit einer frühen mündlichen Verbreitung eines italiano comune vertraut und aus dem Bedürfnis heraus, als Fremdsprachenlehrer eine Form des gesprochenen Italienisch unterrichten zu müssen, geht von der Existenz eines gemeinsamen «stile famigliare civile» (Raccolta, XX, n. q) auch in der gesprochenen Sprache aus, auf den im Folgenden zurückzukommen ist. Aus heutiger Forschungsperspektive gilt: «la circolazione di un italiano parlato comune – sia pure a uno stadio embrionale – tende a essere significativamente retrodatata» (Antonelli 2003, 10), zumindest auf die Zeit zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert bezogen. Cf. hierzu auch Serianni (2002b), für dessen Aufsatz, der sich auf die Zeugnisse von Reisenden im Italien jener Zeit stützt, wiederum die Perspektive des Fremdsprachenlehrers wichtig ist, sowie die Einleitung von Bruni (1996).
178 | Untersuchungen zu den kleineren lexikographischen Arbeiten
via di fatto» (Raccolta, VIII) zu führen und die Indizien gewissermaßen im Lager des Gegners zu sammeln: Einer systematischen Methode folgend sieht er die Atti dell’Imperiale e Reale Accademia della Crusca durch und exzerpiert daraus alle Lexeme sowie Bedeutungen, die im neuesten Wörterbuch der Crusca nicht verzeichnet sind.¹⁶ Auf diese Weise möchte er Folgendes nachweisen: «se talvolta eglino [gli Accademici] costretti non sono di raccogliere molta di quella farina, che quale crusca da loro stimata viene» (Raccolta, VIII). Dies ist eine argumentativ natürlich hochwirksame, zugleich stark polemische und provozierende Methode, die durch den Gebrauch der typischen Crusca-Metaphorik verstärkt wird.¹⁷ Valentini ist sich dessen voll bewusst und setzt zur Abmilderung eine Fußnote, in der er beteuert, niemanden kritisieren zu wollen, sondern nur aus der Liebe zur Muttersprache hinaus zu schreiben. An dieser Stelle findet sich auch Hinweis, dass vor allem die Perspektive aus dem Ausland, seine eigene Wörterbucharbeit, ihn zum Verfassen des Traktats veranlasst hätten: «Nè voglia taluno imputarci questa nostra disamina, e in generale il nostro ingenuo e franco parlare in quest’ Opuscolo tenuto, non dimenticanza d’urbanità, o mancanza di rispetto pe’ passati, o presenti Accademici; piuttosto però ad amore del nostro patrio Linguaggio, per lo quale tutto faremmo per vederlo vieppiù tenuto in prego presso le straniere nazioni, le quali, i nostro classici ed illustri autori nè gustare nè comprender potendo, per la grettezza de’ nostri Dizionarii, tutta la colpa ai lessicografi de’ due Linguaggi ne ascrivono». (Raccolta, VIII, n. g)
In den Atti findet Valentini eine Vielzahl von Lexemen, festen Verbindungen und Bedeutungen verwendet, die im Wörterbuch der Crusca fehlen. Aus dem Vortrag «Delle cognizioni botaniche di Dante espresse nella divina comedia» von O. Targioni Tozzetti (cf. Atti, vol. 3, 351) beispielsweise exzerpiert Valentini folgende,
16 An dieser Stelle gibt Valentini nicht klar an, welche Ausgabe des Wörterbuchs er verwendet. Die neueste vollständige von der Akademie herausgegebene Ausgabe ist die vierte von 1729–1738. An anderer Stelle zieht Valentini die Crusca veronese von Padre Cesari als «edizione ultima» heran, cf. Raccolta, IX, so dass davon auszugehen ist, dass er diese auch für den Vergleich verwendet hat. Bei den Atti dell’Imperiale e Reale Accademia della Crusca handelt es sich um eine dem Österreichischen Kaiser Ferdinand III. gewidmete Sammlung von Dokumenten der Akademie aus dem Zeitraum 1819–1829. Vermutlich kann Valentini sie direkt in Berlin einsehen. Zumindest sind die Atti heute in der Staatsbibliothek Berlin vorhanden. 17 Hier, wie auch an anderen Stellen in seinem Werk, macht sich Valentini die Sprache und Metaphorik der Crusca zu eigen, cf. auch Raccolta, VIII: «gli Atti […], ne’ quali del certo i Signori Toscani Accademici il più bel fiore sfoggiato avranno», und die Fußnoten 2, Kap. 6 und 67, Kap. 7 in der vorliegenden Arbeit. Auch hierin ähnelt sein Stil dem Gherardinis. Als Beispiel cf. dessen Artikel s. v. allichisare in den Voci e maniere mit Ausdrücken wie «mia garbata frullonica famiglia», «si sfaciano e sfarinano al primo tocco», zitiert in Zolli (1985, 243).
Die Raccolta di mille e più Vocaboli italiani (1832) |
179
zum Großteil der Wissenschaftssprache angehörende Einheiten: Intrattenere alcuno, (Lezioni recitate nella) società, Rapidissimo, (Fisica) sperimentale, (Sofismi) peripatetici, Analisi, i tre regni della natura, Mineralogia, Caratteri fisici de’ minerali, Botanica, Struttura delle piante (Raccolta, X–XII). Am Ende des Abgleichs stehen insgesamt 92 Auslassungen im Wörterbuch in 290 durchgesehenen Textzeilen (cf. Raccolta, XVII). Im letzten Teil der Einleitung macht Valentini konkrete Vorschläge zu einer zukünftigen Erweiterung des Crusca-Wörterbuchs. Er nimmt die neuesten italienischen Wörterbucherscheinungen, die Dizionari von Bologna und Padua, in den Blick und schlägt zu deren Ergänzung das Exzerpieren weiterer Autoren vor. Für Hinzufügungen im Bereich des «stile epistolare, narrativo, o pel libero, e sciolto conversare» (Raccolta, XVIII) seien Autoren wie Magalotti, F. M. Zanotti oder Bentivoglio und Caro als Quellen besonders geeignet. Von den beiden erstgenannten exzerpiert Valentini exemplarisch jeweils einen Brief, und kommt mit Einheiten wie spirito libertino, carità morale, non curanza, cliente (d’un avvocato), rendere fruttifero un capitale, uscir da tavola bollente di vino u. a. allein in Magalotti auf 14 in den bisherigen Wörterbüchern vernachlässigte significazioni und 7 parole (cf. Raccolta, XVIII–XIX). Für eine weitere, grundlegende Stilebene ist es aufgrund ihrer großen Veränderlichkeit dagegen schwieriger, geeignete schriftliche Modelle zu finden. Es handelt sich um die informelle Umgangssprache der gebildeten Schichten, die Valentini als «stile famigliare civile» bezeichnet und folgendermaßen charakterisiert: «Ogni nazione ha fatto sempremai gran caso della sua famigliar favella. (Si noti che per tale non intendiamo nè la plebea, nè quella mescolata di frasi o parole vernacole, ma la colta della gente civile.) Di fatto dessa è quella che la prima impariamo dalle persone a noi più care; essa ci presta in ogni occorrenza i maggiorii servigj; con essa conversiamo, ci rallegriamo, cresciamo; per mezzo di essa perveniamo ad imparare, indi a sviluppare le idee, e i concetti nostri con più pellegrine espressioni, non che ogni altro stile, sia l’epistolare, il ricercato, il cattedratico, il poetico, il sublime. Dessa è pur quella che imparar dobbiamo la prima in un idioma straniero, viaggiar volendo in oltremontani paesi. E dessa è appunto quella, che più venne ne’ Dizionarii negletta. Così, forse, non sarebbe andata la bisogna se invece di riguardare solamente al luogo natio di tanti illustri autori, si fosse andato da ognuno di loro il più bel fiore cogliendo, e posto senza parzialità a registro». (Raccolta, XX, n. q)
Als mögliche Autoren, deren Stil dieser gerade auch für den Fremdsprachenlerner, also für den Benutzer eines zweisprachigen Wörterbuchs wichtigen Varietät nahe kommt, nennt Valentini Monti mit seinen Dialoghi, Goldoni und Rossi¹⁸ als 18 Valentini spezifiziert den Namen nicht weiter. Höchstwahrscheinlich ist der Vicentiner Quirico Rossi gemeint.
180 | Untersuchungen zu den kleineren lexikographischen Arbeiten
Komödienautoren und außerdem Casti. Um die Überlegungen zum stile familiare und seine schriftliche Fixierung bei bestimmten Autoren weiter auszuführen, wird ausgiebig der «dotto toscano» Antonio Montucci zitiert, der sich im Vorwort zu einer von ihm veranstalteten Goldoni-Ausgabe ausführlich damit auseinandergesetzt hat.¹⁹ Goldoni ist im Gesamtwerk Valentinis das wichtigste Modell der lingua viva.²⁰ Auch im Bereich poetischer Ausdrücke seien noch Ergänzungen möglich und wünschenswert. Valentini geht davon aus, in bereits im Crusca-Kanon aufgenommenen Autoren wie Sannazzaro (Arcadia) und Rucellai (Api) noch einiges zu finden, fordert besonders aber das Exzerpieren neuerer Autoren wie Alfieri und Foscolo (cf. Raccolta, XXII–XXIV), die er selbst in der Neuen Grammatik und im Italienischen Lehrer ausgiebig als Beispiele zitiert hatte. Zum Schluss der Einleitung kommt Valentini auf die neuesten einsprachigen Wörterbücher, das Dizionario von Bologna und das der Minerva, zu sprechen, die ihm Anlass zur Freude geben. In ihnen sieht er die Prinzipien D’Albertis übernommen, findet zahlreiche weitere Einheiten, sowohl moderne voci als auch Termini technici. Allerdings sind für Valentini in diesen Bereichen weiterhin Lücken zu beklagen, und es fehle an Systematizität. Das Wörterbuch von Padua, das dasjenige von Bologna bereits übertreffe, habe beispielsweise im Bereich der Botanik zwar die Klassen und Ordnungen nach Linné berücksichtigt, abgesehen von Einheiten unter M, O und P jedoch nur unvollständig. Zudem seien viele Artikel in ihrem enzyklopädischen Umfang für ein Sprachwörterbuch unangemessen (cf. Raccolta, XXIV–XXVII).
19 Cf. Raccolta, XX–XI. Zu Antonio Montucci s. auch Fußnote 17 in Kap. 2. Seine Goldoni-Ausgabe war 1828 in Leipzig erschienen, cf. Goldoni (1828). Auf Komödien als Beispiel von gesprochener Sprache, auch für den Erwerb des Italienischen als Fremdsprache, geht Valentini selbst im Italienischen Lehrer ein: «A chi importa più il favellare, miglior consiglio si è di leggere commedie, d’ estrarne voci e locuzioni, per arricchirsene la mente» (Ital. Lehrer, vol. 2, 148). 20 Cf. auch Raccolta, s. v. pettegola, pettegolezzi. Zu Goldonis Sprachmodell in den Komödien in Italienisch cf. Folena (1983, 89–215); Spezzani (1997); Bonomi (2005); Matarrese (2009). Wie Trifone zusammenfasst, bezieht sich Goldoni nicht auf ein «specifico modello di parlato reale ma al ‹linguaggio più comune›, ad una sorta di koinè dell’uso le cui forme sarebbero suonate familiari al pubblico socialmente e geograficamente differenziato che egli intendeva raggiungere. Il sincretismo della lingua goldoniana, nella quale coesistono calchi dal veneziano, forme letterarie, screziature auliche, modi toscani, fraseggi colloquiali e frequenti francesismi, riflette la natura sperimentale di uno strumento che vorrebbe soddisfare insieme esigenze di ancoramento realistico e di generalizzazione comunicativa» (Trifone 2015, 199). Hierin fließen typische Merkmale der gesprochenen Sprache wie Diskursmarker, unflektiertes che etc. ein (cf. Trifone 2015, 200). Aufgrund dieser Charakteristika scheint es mir gestattet, den Ansatz, mit dem Valentini wie dargestellt in seinen Dialoghi gesprochene Sprache präsentiert, mit dem Modell Goldonis zu vergleichen, wobei statt venezianischen römische Versatzstücke verwendet werden.
Die Raccolta di mille e più Vocaboli italiani (1832) |
181
Valentini beteuert, seine Vorgänger nicht kritisieren, sondern mit seinen Überlegungen lediglich zu einer klareren Methode beitragen zu wollen. Auch seine eigene Wörtersammlung solle in erster Linie einem gesunden Wettstreit zwischen Lexikographen dienen, der wiederum zu einer größtmöglichen Perfektion zukünftiger Wörterbücher führen möge (cf. Raccolta, XXVII²¹ und VII, n. f). Liest man heute die Einleitung der Raccolta, drängt sich die folgende Interpretation auf. Während Valentini intensiv an seinem Gran Dizionario arbeitet, erscheinen die Neuauflagen von D’Alberti und das Wörterbuch von Bologna. Valentini erkennt, dass in Italien eine Veränderung in der lexikographischen Praxis ins Rollen gekommen ist, die seine Ideen widerspiegelt, und an dieser Diskussion möchte er teilhaben. Dieser Eindruck wird beim Studium des alphabetischen Teils verstärkt.
6.2.2 Valentinis Ergänzungs- und Verbesserungsvorschläge: Die eigentliche raccolta Ausgangspunkt für Valentinis Wörtersammlung sind Lücken und Schwächen in den bisher verfügbaren einsprachigen italienischen Wörterbüchern. Sie enthält, in alphabetischer Anordnung und teilweise mit längeren Ausführungen versehen, lexikalische Einheiten, die in jenen völlig fehlen, aber auch Ergänzungs- und Verbesserungsvorschläge zu in den Wörterbüchern vorhandenen Artikeln.²² Valentini schöpft seine Vorschläge sowohl aus dem Vergleich der italienischen Wörterbücher untereinander als auch aus seinen Autorenexzerpten und seiner eigenen sprachlichen Erfahrung. Auch sind einige Ergänzungen direkt aus der Notwendigkeit entstanden, italienische Übersetzungsäquivalente für deutsche Lemmata im Vollständigen Wörterbuch zu finden. Bei den aufgeführten Einheiten handelt es sich vor allem um Fachtermini, Elemente der Regional- und Umgangssprache, Redewendungen und Bedeutungsdifferenzierungen, aber auch um Vorschläge für eine systematischere Artikelgestaltung. Den Versuch einer genaueren Klassifizierung der Artikel bieten die folgenden beiden Tabellen. Sie geben Auskunft über Valentinis Vorschläge und stellen über die exemplarisch zitierten Artikel gleichsam Beispiele für Neologismen und sprachliche Neuerungen des frühen 19. Jahrhunderts dar. Tab. 4 führt Lemmata auf, die in den bis 1832 erschienenen italienischen Wörterbüchern fehlen. In Tab. 5 dagegen sind Verbesserungs- und Ergänzungsvorschläge zu in diesen Wörterbü-
21 Die letzte Seite der Einleitung ist fälschlicherweise wie die vorhergehende mit XXVII beziffert. 22 Cf. wiederum Gherardinis Voci e maniere, die folgendes Ziel verfolgt: «integrare e correggere i vocabolari precedenti» (Zolli 1985, 241).
182 | Untersuchungen zu den kleineren lexikographischen Arbeiten
chern bereits vorhandenen Artikeln zusammengestellt. In beiden Tabellen ist jeweils angegeben, ob und ggf. wo die jeweilige Einheit bzw. Ergänzung auch ins Vollständige Wörterbuch integriert wurde.
6.2.2.1 Vorschläge zur Ergänzung von Lemmata Die von Valentini für die Aufnahme in ein Wörterbuch vorgeschlagenen Lexeme lassen sich wie folgt kategorisieren: Tab. 4: Vorschläge zur Ergänzung von Lemmata in der Raccolta Kategorie
Beispiel
Aufnahme im Vollst. Wb.
1a) Wissenschaftliche Fachtermini Botanik nach Linné
Antidesma
App.
Cacto
App.
Cardiospermo
—
Zoologie
Orangutango, Orangutano
Vol. 3
Medizin
Amputare, Amputato
Amputare: Vol. 1 Amputato: —
Dermatotomia
App.
Physik
Elaterometro
App.
Geometrie
Cotangente
App.
Poetik
Alessandrino
App.
Grammatik
Aggettivale
App.
Didaktik
Didattica
App.
Geschichte
Giacobini, Giacobinismo
Giacobíni: App. Giacobinísmo: Vol. 1
Ordalie
Vol. 3
Paginare
—
Redatto, Redattore, Redazione
Vol. 3
1b) Sektorielle Fachtermini Verlagswesen
Die Raccolta di mille e più Vocaboli italiani (1832)
| 183
Tab. 4: (fortgesetzt) Kategorie
Beispiel
Aufnahme im Vollst. Wb.
Accio
—
Battimani
App.
Caciotta
Vol. 1
Chiavettaro
App.
Intenzionato
Vol. 1
Lunediana, e Lunigiana
Vol. 2, 4²³
Magari
Vol. 3
als stile famigliare gekennzeichnet
Puranche
Vol. 3
diastratisch markiert
Settimanata
Vol. 3
uso scritto
Summentovato, Summenzionato
Vol. 3
2) Voci dell’uso nicht weiter markiert
3) Neologismen des 18./19. Jahrhunderts Arbeitsorganisation, Ökonomie, Verwaltung, Politik und Justiz
Mode und Lebensart
Berufsbezeichnungen
Collaboratore
App.
Economizzare
App.
Impiegato
App.
Rappresentante
Vol. 3
Seduta
Vol. 3
Vertenza
Vol. 3
Bigliardo
Vol. 1
Sofà
Vol. 3
Soprabito
Vol. 3
Bustajo. Bustaro
App.²⁴
23 Lunediana bzw. Lunegiana fehlt im Lemmarium des italienisch-deutschen Teils, ist aber als Äquivalent zur als T. degli Artig. gekennzeichneten Redensart blauen Montag machen im deutschitalienischen Teil verzeichnet: «Montag, m. lunedì. §. der blaue, gute Montag, il lunedì grasso. §. T. degli Artig. blauen Montag machen, fare la lunegiana; stare a sportello». Cf. auch s. v. blau, hier ohne Markierung: «§. der blaue Montag, lunediana, lunigiana. §. blauen Montag machen, far la lunegiana». 24 «Bustájo, Bustáro, m. ein Schnürbrustmacher». Obwohl Valentini angibt, bustajo als Übersetzung für einen deutschen Terminus benötigt zu haben, fehlt ein entsprechender Artikel im
184 | Untersuchungen zu den kleineren lexikographischen Arbeiten
Tab. 4: (fortgesetzt) Kategorie
Beispiel
Aufnahme im Vollst. Wb.
Aggranfiare
App.
Furastico
Vol. 1
Garofolo
App.²⁵
Ceroferario
App.
Abbachino
Vol. 1
Acquavitaro
Vol. 1
Cerino
Vol. 1²⁶
Germanismen
Raus
—
Französismen
Cocarda. Coccarda.
Vol. 1
Deserre
App.
Puddingo, Pudino, o Podino
Puddingo: Vol. 3 Pudino: Vol. 3 Podino: —
Sentimentale
Vol. 3
Casta
App.
Ospodaro
Vol. 3
4) Regionalismen Rom
Lombardei, Toskana, Romagna Außerhalb der Toskana 5) Fremdwörter
Anglizismen
Exotismen
deutsch-italienischen Teil des Wörterbuchs. Weder Schnürbrustmacher noch ähnliche denkbare Lexeme wie Bustier- oder Korsett-, Leibchen- oder Miedermacher sind lemmatisiert. 25 Im deutsch-italienischen Teil wird garofolo als Übersetzungsäquivalent zu Nelke in der ersten Bedeutung ‘Gartennelke’ angegeben. Nelke als Gewürz wird dagegen mit «garofano, chiovo di garofano» übersetzt. Für Valentini ist garofolo keine bloße regionale Variante, sondern trägt eine andere Bedeutung. Dies wird auch in der Raccolta ausgeführt: «Garofolo. Trovasi ne’ nostri Lessici Garofano, e ci si dice che tale è il Caryophyllum aromaticum, e il Dianthus caryophyllus, Linnei. Ci sbaglieremo, ma opiniamo noi, che ben pochini nostri compatrioti diranno garofano all’odorifero fiore, che siccome pure il suo nome latino dimostra, ognun garofolo appellar deve, ed appella. Ed a Roma facciam sempre mai la distinzione, chiamando garofani que’ chiodi aromatici, che dalle molucche a noi vengono, e garofolo il fiore. Almeno non si bandisca da’ Dizionarii la Voce garofolo, e si grazi d’un povero vedi Garofano». 26 Im deutsch-italienischen Teil ist cerino als Äquivalent zu Wachsstock angegeben: «Wachsstock, m. cerino. §. eine Rolle Wachsstock, ruotoletto di cerino. §. gelber, weißer Wachsstock, cerino giallo, bianco». Außerdem sind die Komposita Wachsstockbüchse und Wachsstockschere als eigene Eingangslemmata verzeichnet und mit bossolo del cerino bzw. portacerino übersetzt.
Die Raccolta di mille e più Vocaboli italiani (1832)
| 185
Tab. 4: (fortgesetzt) Kategorie
Beispiel
Aufnahme im Vollst. Wb.
6) Italienische Äquivalente zu fremdsprachlichen Lexemen Deutsch
Brontofobo
App. Vol. 2 Donnerscheu, agg. Voce poet. brontofobo, che teme il tuono.
Communella, (chiave), o Chiave commune.
App.²⁷ Vol. 2 Hauptschlüssel, m. chiave maestra.
Contraggiuoco
App. Vol. 2 Gegenspiel, n. vedi Widerspiel. It. T. di Giuoc. contraggiuoco.
Dindarolo
Vol. 1 Vol. 4 Sparbüchse, f. dindarolo; gruzzolo, salvadanajo.
Gastriloquo
Vol. 1 Vol. 2 Bauchredner, m. ventriloquo, gastriloquo.
Installare, Installazione
Installare: Vol. 1 Vol. 2 Einsetzen, v. a. […]. §. Einen in ein Amt einsetzen, stabilire uno in un uffizio, installarlo. Installazione: Vol. 1 Vol. 2 Einsetzung, f. […] §. (in ein Amt), installazione, l’installare.
Nostalgia
Vol. 3²⁸
27 Communella ist hier lemmatisiert, Chiave comune wird als Synonym angegeben: «Communella, f. [Chiave commune], ein Hauptschlüssel». 28 Nostalgía ist hier als medizinischer Terminus markiert: «Nostalgía, f. T. de’ Med. das Heimweh». Im deutsch-italienischen Teil fehlt nostalgia als Äquivalent. Heimweh ist dort mit der Paraphrase «mestizia [che si ha] per essere lontano dalla patria; desiderio intenso, brama di ripatriare» übersetzt.
186 | Untersuchungen zu den kleineren lexikographischen Arbeiten
Tab. 4: (fortgesetzt) Kategorie
Beispiel
Aufnahme im Vollst. Wb.
Primarola
Vol. 3 Vol. 2 Erstgebärerin, f. primarola [donna che partorisce la prima volta].
Cavastracci, Cavaturaccioli
Cavastrácci: Vol. 1 Cavaturáccioli: Vol. 2
Synonyme des uso
Ditino. Ditone.
Ditíno: App. Ditóne: App.
Synonyme des stile famigliare
Traaperto, o Fraaperto
Traaperto: Vol. 3 Fraaperto: —
Geosynonyme
Biocca
Vol. 1
Cappiola
App.
Concolina
App.
Scaldino
—
Frequenterere morphologische Variante
Archivario
Vol. 1
Zu bevorzugende morphologische Variante
Socio
Vol. 3
Französisch 7) Vorschlag von Varianten
8) Lexeme aus Autorenexzerpten Casti
Alfieri
Foscolo
Aggiotatore
App.
Ambasciadoretto
App.
Astuziola
App.
Autoruzzo
App.
Discoleria
Vol. 1
Desunto. Participio di Desumere.
App.
9a) Systematische Ergänzungen (über die signifiant-Ebene) Konsequente Ergänzung von Wortfamilien
Archeologo
App.
Cinefare
App.
Civilizzazione
Vol. 1
Demagogia, demagogico
demagogia: App. demagogico: —
Die Raccolta di mille e più Vocaboli italiani (1832) |
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Tab. 4: (fortgesetzt) Kategorie
Beispiel
Aufnahme im Vollst. Wb.
Adverbien zu Adjektiven
Bisbeticamente
App.
Boriosamente
App.
Adagino
Vol. 1
Cinturone
App.
Deputatello
App.
Intendicchiare
App.²⁹
Contentabile
App.
Ergänzung von Alterationsformen
Ergänzung der unnegierten Form
9b) Systematische Ergänzungen (über die signifié-Ebene) Ordensnamen
Masken der Commedia dell’Arte
Agostiniano
App.
Benedittino
—
Cisterciense
App.
Gesuita
Vol. 1
Brighella
App.
10) Aufnahme von Tabuisierungen Masturbare, Masturbazione
Masturbare, Masturbarsi: Vol. 3 Masturbazione: Vol. 3
Prostituire
Vol. 3
Während die unter den Kategorien 1)–6) verzeichneten Einheiten, so es sich um Inhaltswörter handelt (Fachtermini, voci dell’uso, Regionalismen, typische Neologismen der Zeit, Fremdwörter, Übersetzungen zu Wörtern aus anderen Sprachen), Konzepte bezeichnen, für die es bisher keine italienische Bezeichnung gibt, stellt 7) den Versuch Valentinis dar, zu bereits vorhandenen Einheiten Varianten anzubieten und ist daher von 4) getrennt. Die Aufnahmen unter 8) und 9) bieten wichtige Hinweise auf die Arbeitsweise Valentinis. 10) schließlich zeigt seine Toleranz bezüglich tabuisierten und aus diesem Grund zuvor aus der Lexikographie ausgeschlossenen Einheiten. Es versteht sich von selbst, dass die Kategori-
29 Der volle Artikel lautet: «Intendicchiare, v. a. etwas, ein wenig verstehen: Quanto più mi pareva d’andarlo [il greco] intendicchiando ec. Alf. vita». Da die Alterationsform im Deutschen über keine direkte Entsprechung verfügt, wird zum besseren Verständnis ein Beispiel angeführt.
188 | Untersuchungen zu den kleineren lexikographischen Arbeiten
sierung nicht die einzig denkbare Einteilung und dass die Zuordnung der einzelnen Artikel nicht immer eindeutig möglich und unstrittig ist. So sind etwa einige Neologismen ihrem Ursprung nach Fremdwörter (z. B. sofà) oder einige Einheiten, die als Übersetzungsäquivalente eines deutschen Lexems vorgeschlagen werden, zugleich Regionalismen (z. B. dindarolo). Die Zusammenstellung der obenstehenden Tabelle folgt der jeweiligen Begründung Valentinis im entsprechenden Artikel, wobei auch der Römer selbst unter einem Lemma oft mehrere Gründe nennt, weshalb es einerseits bisher aus der Lexikographie ausgeschlossen wurde und weshalb andererseits seine Anerkennung wünschenswert wäre. Ein gutes Beispiel bietet der Artikel zu primarola. Primarola, dicesi in Roma a quella donna che partorisce la prima volta; noi dovemmo impiegare tal voce (per evitare la sempremai disgrata circonlocuzione) al Vocabolo Tedesco Erstgebärerin. Forse le si potrebbe aggiungere Voce dell’ uso, bassa, o simili.
Dieser Artikel gibt Auskunft – zur Haltung Valentinis gegenüber Regionalismen: es wird eine römische Form vorgeschlagen; – zur Notwendigkeit, eine italienische Bezeichnung zu finden: für das Vollständige Wörterbuch war ein deutsches Lexem zu übersetzen; – zu Valentinis lexikographischer Reflexion und Terminologie: circonlocuzioni sollen vermieden werden; – zur Reflexion über Varietäten und Stilebenen: im Wörterbuch sollte eine Markierung vorgenommen werden. Zu den einzelnen Kategorien und Beispielen der Übersicht sind einige weitere Anmerkungen notwendig. Die wissenschaftlichen Fachtermini (1a) betreffen Disziplinen, die im 18. und 19. Jahrhundert an Bedeutung gewinnen bzw. neue Entdeckungen und Erkenntnisse hervorbringen. Besonders häufig sind in der Raccolta Termini aus der Botanik, der Medizin sowie der Linguistik bzw. Poetik verzeichnet. Die botanischen Termini entstammen alle der Klassifizierung Linnés. Die gewählten Beispiele aus der Medizin sollen verdeutlichen, dass Valentini sowohl Einheiten, die wie amputare den Übergang in die Allgemeinsprache schaffen, als auch streng fachsprachliche Einheiten wie dermatotomia integriert sehen möchte. Die Beispiele aus den Geschichtswissenschaften veranschaulichen, dass sowohl im Bereich der neuesten (giacobini, giacobinismo) als auch der älteren – mit ordalie der mittelalterlichen – Geschichte Ergänzungen vorgenommen werden. Unter der Überschrift «Sektorielle Fachtermini» (1b) wurde hier mit dem Verlagswesen stellvertretend eine Branche ausgewählt, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine rasante Entwicklung erlebt. Auffällig ist, dass ein zentraler Bereich,
Die Raccolta di mille e più Vocaboli italiani (1832) |
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der im Ottocento viele Termini hervorbringt und dem im Vollständigen Wörterbuch viel Platz eingeräumt wird, in der Raccolta völlig fehlt: die Seefahrt, wohl einerseits, weil die entsprechenden Termini häufig regional geprägt sind, und andererseits, weil ihre Wichtigkeit für das gebildete Publikum der Wörtersammlung eher gering ist. Die voci dell’uso (2) sind vom Autor selbst als solche markiert. Ins Auge springt das pejorative Suffix accio, das, wie in der Raccolta s. v. ausgeführt wird, im uso comune bisweilen auch als Adjektiv Verwendung findet, «dicendosi talora ad un’uomo: ma quanto sei accio! sei pur accio! e simili». Als Beleg zitiert Valentini aus einem Brief von Caro. Mehrere weitere Einheiten entnimmt er, wie das in der Tabelle aufgeführte battimani, aus den Werken Castis,³⁰ für andere ist keine Quelle angegeben. Einige Einheiten sind explizit als stile famigliare gekennzeichnet, andere wiederum als diastratisch markiert. So schreibt Valentini s. v. settimanata: «Questa Voce dell’ uso la sentiamo pronunziare spesse fiate da’ lavoranti, i quali così chiamano la paga che ogni settimana ricevono». Auch für Ausdrücke aus dem schriftlichen, nicht literarischen Gebrauch wie summentovato, summenzionato zeigt sich die Raccolta sensibel. Unter Neologismen (3) sind hier solche Lexeme gefasst, die in der Zeit des 18./ 19. Jahrhunderts aufkommen bzw. verbreitet verwendet werden³¹ und eng mit den politischen, sozialen und kulturellen Veränderungen jener Zeit verbunden sind. Eine nähere Betrachtung verdient der Artikel zu collaboratore, gibt er doch einen interessanten Einblick in Valentinis Kriterien für die Aufnahme eines Neologismus sowie in seine Quellen: Collaboratore. Questo Vocabolo si chiami pur neologismo quanto si voglia, ma noi lo troviamo Italiano perchè d’origine latina; bello, perchè formato secondo le regole di nostra Lingua; comodo, perchè non ne abbiamo uno che ne dica altrettanto; che sia chiaro, poi, e comodo ognuno sel vedrà; che molti letterati di vagli (in ispezie oggidì in cui moltissime opere esigono più collaboratori), se ne sono già serviti, chiunque legge giornali scientifici lo saprà.
Zahlreich sind in der Raccolta die Berufsbezeichnungen, deren Aufnahme teilweise mit der Notwendigkeit, eine deutsche Bezeichnung zu übersetzen, teilweise mit der Verbreitung und Bedeutung der entsprechenden Berufe begründet wird. Auffällig ist, dass wie im zitierten Beispiel bustajo, bustaro stets sowohl die toskanische als auch die römische bzw. centro-meridionale Form angegeben werden. 30 Sowohl der Artikel in der Raccolta als auch der im Gran Dizionario enthalten das CastiBeispiel «Scoppia tutta la turba ivi adunata[/] In applausi, in evviva, in battimani», im Gran Dizionario fehlt jedoch die Quellenangabe. 31 Sofà beispielsweise ist bereits 1579 erstmals im Italienischen belegt, setzt sich jedoch erst im Settecento über den Einfluss des Französischen weiter durch, cf. DELI, s. v. sofà.
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Valentini schlägt eine Vielzahl von Regionalismen (4) zur Kodifizierung in Wörterbüchern vor. Die Mehrzahl der vorgeschlagenen Einheiten ist römischen Ursprungs. Valentini zeigt sich dabei teilweise unsicher und stellt die Aufnahme zur Diskussion, z. B. s. v. aggranfiare: Noi Romani usiamo pure il verbo aggranfiare (da granfia) che più volte ci sarebbe caduto in acconcio d’impiegarlo, se pur ne avessimo avuto l’autorità. Se gli eruditi Italiani, e i signori Accademici trovano che questa voce sia di buon conio, e degna d’essere ammessa, ne intercediamo la grazia; […]
Auch Lexeme aus anderen Regionen werden eingebracht, wie abbachino und acquavitaro, von denen Valentini angibt, sie in der Lombardei, der Toskana sowie der gesamten Romagna gehört zu haben (s. v. abbacchino). Schließlich werden auch nicht speziell einer Region zuzuordnende, aber in der Toskana nicht gebräuchliche und daher in keinem der traditionellen Wörterbücher verzeichnete Wörter wie cerino erwähnt. Alle der genannten Beispiele hat Valentini auch ins Vollständige Wörterbuch integriert, jedoch ohne sie als Regionalismen zu markieren.³² Bei den meisten der vorgeschlagenen Fremdwörter (5) handelt es sich um Französismen. Aus dem Deutschen wird, stellvertretend für «le tante Parole, e Termini militari, che i Tedeschi in Italia ci portarono» (Raccolta, s. v. raus), raus zur Aufnahme in italienische Wörterbücher vorgeschlagen. Es gehört jedoch zu den Einheiten, die den Eingang ins Vollständige Wörterbuch nicht schaffen und die in keinem historischen Wörterbuch des Italienischen und auch in Grassis Dizionario militare nicht verzeichnet sind. S. v. puddingo, pudino, o podino geht Valentini auf ein Problem ein, das allgemein Fremdwörter betrifft, deren Gebrauch in der Zielsprache aus puristischen Gründen abgelehnt wird und die somit nicht kodifiziert werden: Es konkurriert eine Vielzahl lautlicher und graphischer Varianten. Puddingo, Pudino, o Podino. Ecco la povera Voce Inglese pudding alterata e storpiata variamente. La prima lezione sarebbe da adottare come la più giusta, e di cui altresì l’ Al garo t t i si servì in una lettera all’ Ab. Patr i archi . Finattantochè non si registreranno queste Voci, fissando altresì la miglior lezione, saranno impiegate arbitrariamente. – Possiamo farne a meno? No; finchè ci piacerà di mangiare questa squisita vivanda. – Ma è brutta Voce, e … – Dobbiamo forse rammentare più centinaja di straniere ed arcisgarbatissime Voci graziate?³³
32 Andere Regionalismen sind im Vollst. Wb. durchaus als solche gekennzeichnet, cf. Kapitel 7.4.3.2. 33 Im Vollständigen Wörterbuch sind im zweiten Band des italienisch-deutschen Teils die Varianten puddingo und pudino und im Anhang die in der Raccolta separat verzeichnete Form bodino
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Mit Einheiten wie casta und ospodaro fordert Valentini die Aufnahme einiger Exotismen. Auch im Vollständigen Wörterbuch sind sie zu finden, wobei ospodaro, um das Verständnis durch den Nutzer zu sichern, zusätzlich zum Übersetzungsäquivalent mit einer kurzen Definition in runden Klammern versehen wird (cf. hierzu auch Kap. 7.5.7): Ospodáro, m. ein Hospodar (ein Fürst der Moldau und Walachei).
Die Raccolta ist parallel zum Vollständigen Wörterbuch entstanden. Auf einige der vorgeschlagenen italienischen Lexeme ist Valentini, wie er selbst angibt (cf. auch das zitierte Beispiel s. v. primarola) während der Arbeit am deutsch-italienischen Wörterbuchteil – dessen erster Band wird 1832, also im gleichen Jahr wie die Raccolta veröffentlicht – gestoßen. Valentini bemerkt bei der Suche nach italienischen Übersetzungsäquivalenten zu deutschen Lexemen (6), dass das in den Wörterbüchern kodifizierte Toskanische lexikalische Lücken aufweist, und muss deshalb auf regionale Varianten (z. B. das römische dindarolo, im Vollständigen Wörterbuch zusätzlich als Voce puerile markiert; primarola), Fremdwörter (z. B. brontofobo, installare, nostalgia) oder auch Lehnbildungen (z. B. contraggiuoco) zurückgreifen, um nicht mit einer Definition oder Paraphrase übersetzen zu müssen. Diese schlägt er in der Raccolta auch zur Aufnahme in einsprachige italienische Wörterbücher vor. In obenstehender Tabelle ist bei den italienischen Äquivalenten zu fremdsprachlichen Lexemen in der letzten Spalte jeweils mit angegeben, ob die Einheit hier tatsächlich auch als Übersetzungsäquivalent zum deutschen Ausgangslexem aufgeführt wird.³⁴ Neben Äquivalenten zu deutschen Lexemen finden sich in der Raccolta auch solche zu französischen Einheiten. Sie belegen Valentinis genaues Studium von D’Alberti, wie der Artikel zu Cavastracci, Cavaturaccioli zeigt:
lemmatisiert, nicht jedoch podino. Bodino wird zudem als Synonym s. v. pudino angegeben, pudino und puddino wiederum als Synonyme s. v. bodino. Im deutsch-italienischen Teil sind s. v. Pudding die drei in der Raccolta verzeichneten Varianten als gleichwertige Übersetzungsäquivalente aufgeführt: vol. 3: «Puddingo, m. ein Pudding»; «Pudino, m. [Bodino], ein Pudding»; App.: «Bodino, m. [Pudino, Puddingo], ein Pudding»; vol. 4 (dt.-ital.): «Pudding, m. Voce ingl. puddingo, pudino, podino». 34 Auf die Bedeutung zweisprachiger Wörterbücher zur Dokumentation des Eingangs eines Fremdwortes ins Italienische weist Serianni (1989c, 22) hin. Dementsprechend zitiert etwa Zolli in seiner Darstellung der parole straniere im Italienischen für jede Epoche engeren Sprachkontakts die wichtigsten zweisprachigen Wörterbücher (cf. z. B. für italienisch-französisch im 18. und 19. Jahrhundert Zolli 1976, 19–20; 27–28).
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Cavastracci, Cavastracci non può servire, che a rendere la voce francese tire} Cavaturaccioli, bourre; Cavaturaccioli sarebbe forse da adottare per rendere quel ch’eglino chiamano tire-bouchon. L’Al b e r t i si vide costretto di circonscrivere questo Vocabolo come segue: „Rampinetto per isturare i fiaschi (anzi le bottiglie, dovea dire). Più i vini francesi saranno ricercati ne’ paesi esteri, più si avrà d’uopo di questo strumento.
In seiner Wörtersammlung fordert Valentini des Weiteren die Berücksichtigung von diaphasischen, diatopischen und frequenzbedingten Varianten zu verzeichneten Lexemen (7). Die meisten davon nimmt er auch im Vollständigen Wörterbuch auf, das sich, wie im Analysekapitel herausgearbeitet wird, gerade durch seine Öffnung gegenüber Varianten auszeichnet. Als «vocaboli dell’ uso per mignolo, e pollice» (Raccolta, s. v. ditino. ditone) werden ditino und ditone vorgeschlagen. Beide finden sich auch im Anhang des dritten Bandes des Vollständigen Wörterbuchs, ditino, als modo basso markiert, sogar als Übersetzungsäquivalent zu der zweite Finger s. v. Finger im deutsch-italienischen Teil. Allerdings stimmt die Zuordnung der Äquivalente in den verschiedenen Artikeln nicht überein: App. Ditíno, m. [Mignolo], der kleine Finger, Ohrfinger. Ditóne, m. [Pollice], der Daumen. Finger, […] §. der zweite Finger, l’indice. It. modo basso, il ditino. Ohrfinger, m. dito auricolare, mígnolo.
Zu den Geosynonymen ist anzumerken, dass unter den aufgeführten, ins Vollständige Wörterbuch übernommenen Einheiten dort keines als regional markiert gekennzeichnet ist. Eine Markierung trägt mit dem selten verwendeten Marker voce dell’uso allein biocca. Neben den genannten sind im Wörterbuch auch die kodifizierten, traditionelleren Varianten verzeichnet: chioccia (zu biocca), lacciuolo (zu cappiola), catinella (zu concolina), caldano (zu scaldino). Archivista ist mit dem Hinweis versehen, dass archivario die üblichere Variante sei. Unter socio und sozio finden sich Abweichungen bei den Übersetzungsäquivalenten: Sôcio, m. ein Gefährte. It. ein Mitglied (einer Verbindung, Gesellschaft). Sôzio, m. [Compagno], ein Gefährte, Begleiter, Gesellschafter. […]
Valentini exzerpiert zur Erweiterung des Lemmabestands auch literarische Texte und fordert die lexikographische Aufnahme von Lexemen, wenn sie von bestimmten Autoren verwendet wurden (8). Dies betrifft in der Wörtersammlung
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der Raccolta insbesondere Casti, Alfieri, Goldoni (für phraseologische Einheiten) und Foscolo. Dabei werden einfache Wortformen (z. B. das von Casti verwendete aggiotatore), besonders häufig aber auch Alterationsformen bzw. flektierte Formen, die in den Texten verwendet werden, vorgeschlagen. Deren Übernahme ins Vollständige Wörterbuch ist aufschlussreich für Valentinis lexikographische Praxis (cf. auch Kapitel 7.2.4 zur Konzeption und 7.4.1.1 zur Lemmatisierung). Die zitierten Fälle enthalten in der Raccolta alle ein Autorenzitat. Exemplarisch sei hier der Artikel zu discoleria widergegeben: Discoleria. Inclineremmo a opinare, che l’ Al fi e ri sia stato il creatore di questa parola; […] Ecco l’esempio: „Ripigliai anche con piacere a rileggere per la terza e quarta volta il Plutarco, e sempre il Montaigne; onde il mio capo era una strana mistura di filosofia, di politica, e di discoleria.“ Alfieri, Vita an. 1770.
Im Vollständigen Wörterbuch finden sich teilweise dieselben Autorenbeispiele. So sind s. v. discolería in verkürzter Form das gleiche Alfieri-Beispiel und s. v. desunto ein mit der Raccolta übereinstimmendes Beispiel von Foscolo zu finden, letzteres jedoch ohne Autorenangabe. Für Valentinis lexikographische Praxis grundlegend ist ein möglichst systematisches Vorgehen. Dies gilt auch für die Erweiterung des Lemmabestands und zwar sowohl über die Form- (9a) als auch über die semantische (9b) Ebene. So wundert sich der Autor s. v. archeologo, dass bisherige Wörterbücher zwar archeologia verzeichnen, nicht jedoch die Berufsbezeichnung archeologo, und nimmt selbst im Anhang des Vollständigen Wörterbuchs mit archeología, archeologicamente, archeolôgico und archeôlogo sämtliche Derivationen mit auf. Ebenso werden z. B. cinefare (zum in italienischen einsprachigen Wörterbüchern vorhandenen cinefazione), civilizzazione (zu civilizzare, civilizzato) und demagogia³⁵ (zu demagogo) ergänzt. Außerdem fordert Valentini die Integration von Adverbien, Alterationsformen und die positive Form von zumeist negiert verwendeten Adjektiven wie contentabile zu incontentabile. Als Beispiel für die Ergänzung von Lexemen zu bestehenden Lemmata über die semantische Ebene dient das Wortfeld der religiösen Orden. S. v. agostiniano fragt sich Valentini: «Furon posti a registro i Cappuccini, i Francescani, i Domenicani ed altri Padri e Frati di parecchi Ordini, perchè mo si trovano esclusi gli Agostiniani, i Benedettini, i Cisterciensi?» In gleicher Weise vermisst er, unter den verzeichneten Masken der Commedia dell’Arte, diejenige des Brighella. Schließlich wird vorgeschlagen, tabuisierte Wörter als feste Bestandteile des Wortschatzes nicht länger aus den Wörterbüchern auszuschließen (10). 35 Das in der Raccolta im gleichen Artikel mit vorgeschlagene Adjektiv demagogico jedoch fehlt im Gran Dizionario.
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6.2.2.2 Vorschläge zur Verbesserung von Wörterbuchartikeln Die Artikel der Raccolta beziehen sich nicht nur auf bisher lexikographisch nicht erfasste Lexeme, sondern enthalten auch Vorschläge, wie Artikel in den von Valentini durchgesehenen italienischen Wörterbüchern zu ergänzen und verbessern seien:
Tab. 5: Vorschläge zur Verbesserung von Wörterbuchartikeln in der Raccolta Art der Vorschläge
Beispiel
Aufnahme im Vollst. Wb.
1) Ergänzung von Bedeutungen Clausura ‘Klausur’³⁶
Vol. 1
Passaporto ‘Reisepass’
Vol. 3
Cameriere ‘Kellner’
Vol. 1
Manifattura ‘Manufaktur’
Vol. 3
… aus der Wissenschaftssprache
Antagonista ‘Antagonist (Muskel)’
Vol. 1
… aus Technolekten: Bsp. Verlagswesen
Proto ‘Faktor’
Vol. 3
Prova ‘Probedruck, Probebogen’
Vol. 3
Tascabile ‘Taschenbuch’
Vol. 3
Paglietta ‘pej. für Anwalt’
Vol. 3
Zendale, e Zendaletto ‘Kleidungsstück der venezianischen Damen’
Vol. 3
Convulsione ‘Verwirrung, Durcheinander’
—
… zu in Wörterbüchern verzeichneten obsoleten Bedeutungen … mit engem Bezug zur zeitgenössischen Arbeitswelt
… aus Regionalsprachen
… aus literarischen Texten
2) Polylexikalische Einheiten³⁷ Nominale Syntagmen
Pollini (occhi)
Vol. 3, s. v. pollino §. Occhio pollino, ein Hühnerauge, Elsterauge (am Fuße).
36 Einzig in D’Albertis Dizionario enciclopedico ist die Bedeutung, wie Valentini anmerkt, bereits mit aufgeführt. 37 Der Terminus wird hier in Anlehnung an Burgers Begriff der Polylexikalität (2010, 15) verwendet für Ausdrücke, die aus mehr als einem Einzellexem bestehen, aber als semantische Einheit zu interpretieren sind. Was ihre lexikographische Erfassung betrifft, werden darunter sowohl Mehr-
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Tab. 5: (fortgesetzt) Art der Vorschläge
Verbale Syntagmen
Beispiel
Aufnahme im Vollst. Wb.
Scala a lumaca vs. scala a chiocciola, s. v. Lumaca
Vol. 3, s. v. scala §. Scala a lumaca, eine Wendeltreppe. App., s. v. lumaca Lumaca, f. …³⁸ §. Scala a lumaca, eine Wendeltreppe.
farsi addietro, s. v. Addietro
App., s. v. addietro Addietro, avv. … §. Farsi addietro, wieder zurückgehen (in der Erzählung), den Faden der Geschichte, des Gespräches wieder aufnehmen.
dare un’ / l’appuntamento, s. v. Appuntamento
Vol. 1, s. v. appuntamento §. Dare un’ appuntamento, oder Dare il convegno, Jemanden bestellen, ein Stell dich ein geben.
Capitare alle mani
Vol. 1, s. v. capitare §. Capitare nelle mani, nelle unghie di uno, Einem in die Hände gerathen, in die Klauen fallen (in seine Gewalt geraten)
essere di mia competenza, s. v. Competenza
App., s. v. competenza Competenza, f. … It. Questo non è di tua, sua competenza, das ist deines, seines Amtes nicht, das kommt dir, ihm nicht zu, dazu bist du, ist er nicht befugt.
Pigliarsi gusto
—
worteinheiten «mit einem bestimmten lexikologischen Status (Lexikalisierung, phraseologische Fixierung etc.)» (Hausmann/Werner 1991, 2731) als für diese Tabelle auch frequente Kollokationen (cf. ebd.) gefasst. Zu Definitionen und zur Behandlung im Wörterbuch cf. auch Kap. 7.5.8. 38 Die Auslassungspunkte nach Lemma und Grammatikangabe bei Artikeln im Anhang zeigen an, dass im ersten Band des Vollständigen Wörterbuchs bereits ein Artikel zu dem gleichen Lemma existiert, zu dem nun Ergänzungen angegeben werden.
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Tab. 5: (fortgesetzt) Art der Vorschläge
Beispiel
Aufnahme im Vollst. Wb.
Adjektivische Syntagmen
armato fino ai denti, s. v. Dente.
App., s. v. dente Dente, m. … […] §. Essere armato fino a’ denti, bis an die Zähne bewaffnet sein.
Idiomatische Wendungen
essere un, fare il, avere del Bernardone, s. v. Bernardone
App. 1, s. v. Bernardóne §. Aver del bernardone, etwas Tölpelhaftes an sich haben.
essere/essere posto sul candeliere, s. v. Candeliere
App., s. v. candeliere Candeliere, m. … §. Esser posto sul candeliere, eine hohe Stelle, ein Ehrenamt bekleiden.
entrare sotto lo scappellotto, s. v. Scappellotto
—
versi correlativi, s. v. Correlativo
—
ameni studi, s. v. Ameno
—
Frogia
Vol. 1 Frôge, f. plur. […]
Suola
Vol. 3 Suola, f. […]
Istrioni
Vol. 1 Istrione, m. […]
Angabe von Kollokationen
3) Lexikographische Praxis Problemfälle der Lemmatisierung
Artikelstruktur
Coro
Definition Qualität der Definitionen
Baciamano Dieresi Mora
Definition durch Synonym
Acciaccare
Definition über Etymologie
Archeografia, Archeografo
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Viele der Ergänzungs- und Verbesserungsvorschläge zu Artikeln der zeitgenössischen italienischen Wörterbücher betreffen die Aufnahme fehlender Bedeutungen zu einzelnen Lemmata (1). In den Wörterbüchern der Crusca-Tradition sind häufig ausschließlich die in der Literatur des Tre- und Cinquecento belegten Bedeutungen verzeichnet, während frequentere zeitgenössische Bedeutungen, welche die anderen teilweise haben obsolet werden lassen, fehlen. Beispiele sind clausura i. S. v. ‘Klausur’ und passaporto ‘Reisepass’. Beide Bedeutungen sind auch im Vollständigen Wörterbuch übernommen. Zu passaporto ist dort ausschließlich die neuere Bedeutung aufgeführt, während zu clausura auch die anderen nicht fehlen:³⁹ Clausùra, f. die Klosterzelle. §. Für Luogo clauso, ein Behältniß, Gemach. §. Clausura del sepolcro, ein Todtengewölbe, Begräbnißgewölbe. It. die Clausur. Passapôrto, m. ein Paß, Reisepaß.
Weitere Bedeutungsdifferenzierungen sind eng mit der zeitgenössischen Arbeitswelt verbunden. Ein Beispiel für ein Lexem, das in der Wissenschaftssprache eine neue Bedeutung erhält, ist antagonista, Beispiele aus der sektoriellen Fachsprache sind wiederum dem Verlagswesen entnommen. Wie bei den Vorschlägen zu neuen Artikeln berücksichtigt Valentini auch bei den Bedeutungserweiterungen regionale Varietäten und schlägt etwa paglietta als abwertende Bezeichnung für einen Anwalt und zendale als Bezeichnung einer typischen venezianischen Damenbekleidung zur Aufnahme in die entsprechenden Artikel vor. Zu zendale gibt er ein Goldoni-Zitat und damit den Hinweis auf den Erstbeleg des Lexems in dieser Bedeutung an.⁴⁰ Beide Bedeutungen sind auch im Vollständigen Wörterbuch verzeichnet, allerdings ohne eine regionale Markierung. Die Angabe weiterer Bedeutungen wird gefordert, da die jeweiligen Lexeme von wichtigen Autoren entsprechend benutzt werden, so beispielsweise convulsione i. S. v. ‘Verwirrung’ aufgrund eines Zitats von Casti. Die Bedeutung fehlt jedoch im Vollständigen Wörterbuch. Eine zweite wichtige Art von Ergänzungen zu Artikeln in zeitgenössischen Wörterbüchern betrifft die Aufnahme polylexikalischer Einheiten unter einem ihrer Bestandteile. Dazu zählen nominale Syntagmen des uso wie occhi pollini oder Phraseologismen, die fehlen, da sie eine nicht-toskanische Variante darstellen,
39 Cf. auch den entsprechenden Hinweis in der Raccolta, s. v. clausura: «Oggigiorno alcun pensa d’impiegare questa voce per Chiostro, e luogo chiuso; ma ci deve stare; solo avremmo voluto il suo usitatissimo significato veder non negletto, che è l’obbligo di non uscire da monastero ». 40 Das DELI weist die Bedeutung erstmals 1840 in einer Stampa milanese nach, cf. DELI s. v. zendado.
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wie scala a lumaca. Beide Beispiele finden sich auch im Vollständigen Wörterbuch. Scala a lumaca ist im deutsch-italienischen Teil zusammen mit der toskanischen Form scala a chiocciola als Äquivalent zu Wendeltreppe angegeben. Die Variante ist außerdem allein s. v. scala und im Anhang s. v. lumaca verzeichnet. Zahlreich sind die verbalen Syntagmen wie farsi addietro, dare un’ / l’appuntamento, capitare alle mani, essere di mia competenza oder pigliarsi gusto. Im Vollständigen Wörterbuch ist farsi addietro s. v. addietro erst im Anhang ergänzt worden, zusammen mit einer ganzen Reihe anderer Phraseologismen: Addietro, avv. … §. Andare addietro, zurückgehen. §. Dare, Darla addietro, sich zurückziehen, weichen. It. Fig. sich verschlechtern, zurückgehen. §. Farsi addietro, wieder zurückgehen (in der Erzählung), den Faden der Geschichte, des Gespräches wieder aufnehmen. §. Stare, Restare addietro, zurückbleiben. §. Essere addietro in, con alcuna cosa, in Etwas (in einer Wissenschaft, Kunst, mit einer Arbeit) sehr zurück sein. §. In addietro, von hinten, hinten, rückwärts.
Auch essere di mia competenza ist erst im Anhang hinzugefügt worden, was zeigt, dass Valentini nach der Publikation des ersten Bandes insbesondere im Bereich der Phraseologismen noch Erweiterungen vornimmt. Dare un’appuntamento dagegen ist wie capitare alle mani im Vollständigen Wörterbuch bereits im ersten Band mit aufgenommen und mit der Campe-Bildung ein Stell dich ein geben übersetzt. Den Eingang ins Wörterbuch nicht geschafft hat das in der Raccolta als stile famigliare gekennzeichnete pigliarsi gusto. Zu den vorgeschlagenen polylexikalischen Einheiten zählen auch zahlreiche idiomatische Redewendungen. Beispiele bieten essere un, fare il, avere del Bernardone (mit Goldoni-Zitat) und essere/essere posto sul candeliere (mit einem Beispiel von Casti), außerdem entrare sotto lo scappellotto. Erstere sind auch im Vollständigen Wörterbuch zu finden, jedoch ohne Beispiele, während letzteres dort fehlt. Eventuell liegt dies daran, dass Valentini die Redensart nicht an einem Autor belegen kann. Neben lexikalisierten Wortverbindungen wird mehrfach auch die Aufnahme von Kollokationen gefordert. Die beiden zitierten Beispiele der Raccolta sind nicht im Vollständigen Wörterbuch enthalten, das an sich jedoch zahlreiche Kollokationen aufführt. Zusammen mit Vorschlägen zur Ergänzung aus der Objektsprache fordert Valentini auch die Überdenkung der lexikographischen Praxis (3). Dies betrifft verschiedene Ebenen, die sich, da die Raccolta in erster Linie einen Diskussionsbeitrag zur einsprachigen Lexikographie darstellt, nur teilweise auf das Vollständige
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Wörterbuch abbilden lassen. Zunächst spricht Valentini Probleme der Lemmatisierung von häufig bzw. ausschließlich im Plural verwendeten Substantiva an (zur entsprechenden Praxis im Vollständigen Wörterbuch cf. Kap. 7.4.1.1). In polemischem Ton kritisiert er die Lemmatisierung von frogia in der Pluralform und weist auf die Bedürfnisse des Wörterbuchbenutzers hin: «Se taluno scritto avesse: ‹dalla sola frogia sinistra gli colava il cimurro,› e che il leggitore cercasse questa Voce ne’ dizionarii, e non la trovasse, avrebbe ragione di lagnarsene? Qual ghiribizzo mo, di metter solo Froge?» Ein anderes Beispiel bietet der Artikel zu suola, das in Lemmaposition bisher ebenfalls im Plural aufgeführt ist.⁴¹ Im Vollständigen Wörterbuch ist suola im Singular lemmatisiert, während mit froge die Pluralform zu finden ist, vielleicht, weil dieser Artikel für den ersten Band bereits verfasst war und das Stichwort dann nicht als wichtig genug angesehen wurde, um den Artikel im Anhang zu ändern. Umgekehrt wünscht sich Valentini, abweichend von der Crusca, für istrioni in der Raccolta die Lemmatisierung im Plural: «Istrioni al singolare pare non si possa bene usare». Er folgt damit Affò, der überdies eine differenziertere Bedeutungsangabe des Lexems bietet. Während diese auch ins Vollständige Wörterbuch eingeht, ist die Lemmatisierung dort im Singular erfolgt: Istrione, m. der Gaukler, Possenreißer (im Schauspiele der Alten). §. Für Commediante vagabondo, ein umherziehender Schauspieler.
Über die Reflexion zur Lemmaposition hinaus fordert Valentini zu mehreren voci eine Revision des gesamten Artikelaufbaus. Besonders deutlich ist die Kritik an der bisherigen italienischsprachigen Lexikographie s. v. coro: «Se un dotto filologo Italiano volesse rendersi benemerito a’ suoi compatrioti, dovrebbe prendere l’assunto di riordinare, e correggere tutti i paragrafi di questa Voce. Si esamini, si compari con Dizionarii d’altre Lingue, e si giudichi, se non a giusta ragione così la pensiamo».⁴² Eine besondere Bedeutung – und hier ist eine Übertragung auf das Vollständige Wörterbuch als zweisprachiges Werk nicht mehr möglich – misst Valentini den lexikographischen Definitionen bei. In vielen Artikeln der Raccolta nimmt er einen Vergleich von deren Qualität in unterschiedlichen einsprachigen Wör-
41 Heutige Wörterbücher bestätigen bezüglich der beiden Stichwörter Valentinis Position. So finden sich z. B. im PONS oder im Treccani Vocabolario frogia und suola im Singular lemmatisiert. 42 Ein Vergleich des Artikels zu coro in Bologna und im Vollständigen Wörterbuch ergibt jedoch, dass Valentini selbst sich von der Grundstruktur des einsprachigen italienischen Vorbilds kaum entfernt. Zu Recht kritisiert er aber die unglückliche Zuordnung von Beispielen und Definitionen in Bologna (1819–1826).
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terbüchern vor. S. v. dieresi beispielsweise wird die Definition Affòs derjenigen D’Albertis, der ansonsten zumeist als Vorbild zitiert wird, vorgezogen: Dieresi. L’ Al b e r t i disse: „Figura per cui una sillaba si divide in due.“ A noi parve migliore la diffizionione del P. Ir. Aff ò : „Figura per cui dividiamo due vocali in due sillabe, quando amerebbero piuttosto a guisa di dittongo formarne una sola.“ – I Giovinetti, che cercano un qualche lume nelle diffinizioni, non saranno malcontenti di questo cambiamento.
Verwiesen sei hier außerdem auf den ausführlichen Artikel zu baciamano, in dem Valentini die Definition der Crusca als zu unpräzise kritisiert und dagegen diejenige D’Albertis als «bella, viva e vera» lobt. Folgende Formulierung suggeriert gleichsam die Ambition Valentinis, selbst an der Erstellung eines einsprachigen Wörterbuchs mitzuwirken oder mit seinen Ideen zumindest dazu beizutragen: «Se noi avessimo avuto la bella sorte di contribuire a compilare il Dizionario di B. o di P. senza alcuno scrupolo avremmo […]». Dieser Eindruck verstärkt sich in mehreren Artikeln, in denen eigene Definitionen vorgeschlagen werden, z. B. s. v. mora und passaporto: „Mora si dice […].“ Cru s ca. – Ci si perdoni, ma questa dichiarazione non è esatta, essendo state omesse alcune necessarie circostanze; forse così: Giuoco che si fa in due, alzando ognuno il pugno serrato, ed insieme buttando uno o più dita, chiamando un numero (da due fino a tutte: dieci) cercando così d’apporsi quanto faranno le dita d’entrambi. Chi l’indovina segna un punto; onde Fare, o Giuocare alla mora. Passaporto. […] un foglio, per lo più, stampato, munito delle arme del sovrano, sottoscritto da uno o più ministri, e il quale, chiunque voglia andare da un paese all’altro deve aver seco per legittimarsi alla polizia, o ad altre autorità. […]
Mit der Länge und Ausführlichkeit der Definitionen überschreitet Valentini dabei den Rahmen eines herkömmlichen Sprachwörterbuchs. Noch weiter wird dieser Rahmen im Artikel zu muse gedehnt, wo Valentini die Aufnahme ausführlicher enzyklopädischer Informationen wünscht. Doch Valentini äußert sich auch präzise zu den spezifischen Formen sprachlexikographischer Definition. Bezüglich der wohl häufigsten, der Erklärung eines Lemmas durch Synonyme, geht es ihm um die Korrektheit von Synonymenverhältnissen. S. v. acciaccare werden die von der Crusca zur Definition verwendeten Synonyme ammaccare, soppestare, pestare grossamente nach Sostitutionsprobe in konkreten Beispielen als unpassend eingestuft und statt dessen schiacciare vorgeschlagen. Außerdem fordert Valentini, stärker Etymologien zur Definition heranzuziehen. Ein Beispiel bietet der folgende Artikel:
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Archeografia, Dal greco αρχαιος, antico, e γραφω, scrivo: Descri} Archeografo, zione, e Descritore de’ monumenti antichi. Una per quanto breve diffinizione è necessaria a questi grecismi“.
In den Vorschlägen zur Verbesserung der Definitionen zeigt sich der Einfluss der deutschsprachigen Lexikographie, insbesondere der Neuerungen Adelungs, auf Valentini ganz deutlich. Im Vorwort zur zweiten Ausgabe des Grammatischkritischen Wörterbuchs der hochdeutschen Mundart führt Adelung aus: «Der Begriff eines Wortes, einer Bedeutung muß aus der Etymologie, verbunden mit dem Sprachgebrauche, hergeleitet werden» (Adelung 1793/1975, vol. 1, VI).
6.2.2.3 Die Wörtersammlung als eigenständiger Beitrag und in Relation zum Vollständigen Wörterbuch Wie sich in der dritten Spalte der Tabellen ablesen lässt, stimmt die Wörtersammlung der Raccolta insbesondere mit dem dritten Band des Vollständigen Wörterbuchs überein, das den italienisch-deutschen Teil mit Lemmata ab M sowie den Anhang enthält. Valentini hat also während der Wörterbucherstellung noch Material gesammelt und, nachdem der erste Band bereits erschienen war, teilweise nachträglich eingefügt.⁴³ An mehreren Stellen in der Raccolta nimmt Valentini bei seinen Ausführungen direkt Bezug darauf, dass seine Reflexionen aus den Bedürfnissen der Erstellung des Vollständigen Wörterbuchs heraus entstanden sind. So gesteht er beispielsweise s. v. acciarpamento, einem Substantiv, das von vielen Seiten kritisiert worden sei: «non ci sarebbe caduto in mente, forse, se non avessimo dovuto servircene per tradurre una voce equivalente in Tedesco». Mehrere voci aus der Raccolta finden sich jedoch auch nicht im Wörterbuch wieder. Valentini kann in der Raccolta freier sein, da er hier, anders als im Wörterbuch, wo die Benutzer Nicht-Muttersprachler sind, die die verzeichneten Einheiten als korrekt annehmen müssen, keine Norm festschreiben muss. Bei der Lektüre der in der Raccolta gesammelten Artikel drängt sich der Verdacht auf, dass Valentini mit dem Werk nicht nur an der lexikographischen Diskussion teilnehmen, sondern hier auch all die Informationen und Reflexionen unterbringen möchte, die er während der Arbeit am Gran Dizionario gesammelt hatte, aber dort nicht umsetzen konnte. Dies zeigt sich an den oben besproche-
43 Dies scheint besonders Einheiten aus den Texten von Casti, Alfieri, der Goldoni-Ausgabe Montuccis, sowie Termini von Linné, den Crusca-Akten und dem Wörterbuch von Affò zu betreffen, die fast ausschließlich im zweiten, erst nach der Raccolta erschienenen italienisch-deutschen Band des Vollständigen Wörterbuchs auftreten. Die Texte sind also sehr wahrscheinlich erst nach 1830, Druckbeginn des ersten Bandes, exzerpiert worden.
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nen Ausführungen zu semantischen Differenzierungen, für deren Erklärungen er italienische Definitionen erarbeitet, die er in dieser feinen Nuancierung in einem zweisprachigen Wörterbuch nicht anbringen kann. Dies zeigt sich aber auch in den Ausführungen zur Etymologie, denen im Vollständigen Wörterbuch kein Platz eingeräumt wird.⁴⁴ In den Artikeln der Raccolta erfüllen sie zwei Funktionen. Zum einen werden sie als weitere, vertiefende Information zu den Lemmata angebracht, so z. B. s. v. acciaccare, wo Valentini in einer Fußnote hypothisiert: «È altresì possibile, che entrambi questi vocaboli ci vengano dal verbo Tedesco quetschen, pure onomatopea, che si usa in tutti i significati de’ Verbi Acciaccare, e schiacciare». Zum anderen fordert Valentini, italienische Wörterbuchautoren mögen die Etymologie eines Lexems zu dessen Definition heranziehen, und führt diese Praxis selbst in einigen Artikeln vor, z. B. im bereits zitierten Artikel zu archeografia, archeografo. Um die Raccolta hinreichend zu charakterisieren, ist auch der in den Artikeln verwendete Stil zu berücksichtigen. Was Della Valle zu den lexikographischen Beiträgen Gherardinis schreibt, ließe sich in gleicher Weise auch für Valentini sagen: «Con il Gherardini fa il suo ingresso nel vocabolario l’abitudine a inserire considerazioni personali, citazioni scherzose, ironiche o maliziose, all’interno delle voci, abitudine di cui s’era già visto qualche esempio tra i lessicografi del Cinquecento, e che verrà ripresa fino alla stucchevolezza dal Tommaseo, dal Fanfani e da altri». (Della Valle 1993, 70)
Valentinis Anmerkungen sind mal bissig, mal scherzhaft, teils umgangssprachlich formuliert, teils regional gefärbt. Als besonders expressives Beispiel sei auf den bereits zitierten Artikel zu puddingo, pudino, o podino verwiesen, es finden sich jedoch zahlreiche weitere Beispiele. So schlägt Valentini s. v. dermottero vor: «Se si vuò s’accolga». S. v. diatiposi, durch das er diatriompipereon bzw. diatriontonpipereon ersetzen möchte, bezeichnet er diese beiden als «quelli arcimostruosissimi Vocabolanacci».⁴⁵ S. v. frogia, in den bisherigen Wörterbüchern nur im Plural lemmatisiert, fragt der Römer: «Qual ghiribizzo mo, di metter solo Froge?» Der Stil wechselt jedoch je nach Artikel und kann, insbesondere bei wissenschaftli-
44 Der Ausschluss von Etymologie im Vollständigen Wörterbuch erfolgt auf Betreiben des Verlegers Barth, wie aus einem Brief von ihm an Valentini hervorgeht. Der Brief belegt jedoch zugleich, dass Valentini selbst bereits Vorarbeiten zu einer Aufnahme von Etymologie ausgeführt hatte, cf. Kapitel 7.2.4 45 Zum Umgang mit dem als verstärkendes Präfix gebrauchten arci- bei Valentini cf. Fußnote 209 in Kap. 7.
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chen und technischen Termini, auch den Ton einer äußerst präzisen, nüchternen Definition annehmen.
6.2.2.4 Quellen der Wörtersammlung Aus der Wörtersammlung kann man schön ablesen, wie Valentini mit seinen unterschiedlichen Quellen, seien es Wörterbücher, seien es literarische und andere Texte, arbeitet, und wie er sie bewertet. Vieles deckt sich mit den Angaben im Vollständigen Wörterbuch (cf. Kapitel 7.2.3 zu dessen Erstellung), es lassen sich jedoch auch Abweichungen feststellen.
a. Wörterbücher An Wörterbüchern stellen in den Artikeln der Raccolta immer wieder das der Crusca, das Dizionario universale critico enciclopedico und das italienisch-französische Wörterbuch von D’Alberti sowie diejenigen von Bologna und Padua den Ausgangspunkt für Reflexionen und Verbesserungsvorschläge dar. Außerdem werden, wie im Vorwort des Vollständigen Wörterbuchs, Campe und Romani erwähnt. Zusätzlich beruft sich Valentini in der Raccolta auf das Dizionario Veneziano von Boerio sowie das Vocabolario milanese von Cherubini und das Dizionario precettivo critico ed istorico della poesia volgare von Padre Ireneo Affò. Aus den Anmerkungen und Vergleichen in den Artikeln lässt sich eine klare Bewertung und Hierarchisierung der Wörterbücher durch Valentini erkennen. Die Crusca wird zusammen mit D’Alberti am häufigsten genannt. Sie bildet den Ausgangspunkt für alle Recherchen und Reflektionen, wird jedoch fast durchweg negativ bewertet, während D’Alberti als positives Beispiel dargestellt wird.⁴⁶ Direkte Gegenüberstellungen nimmt Valentini z. B. s. v. apotemma, azzeccare und biroccio vor. Im letztgenannten Artikel werden auch die Wörterbücher von Bologna und Padua genannt: Biroccio. Biroccio vedi Baroccio, disse la Crusca, e ripeterono i compilatori di B. e } Biroccino. di P. – „Barroccio. Sorta di carretta piana a due ruote, che serve per trasportar robe.“ – L’Alberti però che scrisse il suo Diz. encicl. per li viventi, e non per gli arcitrapassati, disse: „Biroccio: Specie di carrozza scoperta a due luoghi e quattro ruote. Biroccio con alie. §. Biroccio per Baroccio è disusato.“ Non è egli vero? […]
46 Eine Auswertung der ersten 100 Artikel der Raccolta ergibt, dass die Crusca in 13 Artikeln negativ, D’Alberti in 16 Artikeln positiv bewertet wird.
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An Bologna und der Minerva hebt Valentini sowohl negative als auch positive Aspekte hervor. Die beiden Wörterbücher werden bereits in der Einleitung für ihre Öffnung, insbesondere was technischen und wissenschaftlichen Wortschatz anbelangt, gewürdigt (cf. z. B. s. v. artefatto). Im Wörterbuchteil überwiegen jedoch leicht die negativen Bewertungen – weil die Öffnung der Dizionari für Valentini nicht weitreichend genug ist (z. B. s. v. biglia), weil sie zu stark an der Crusca festhalten (z. B. unter dem zitierten Artikel zu biroccio, biroccino) und wegen ihres unsystematischen Vorgehens (z. B. s. v. archeologo). Häufig herangezogen und positiv bewertet werden Romanis Ausführungen zu Synonymen sowie das Poesie-Wörterbuch von Affò (z. B. s. v. bisticciante). Mehrmals werden seine Definitionen denen der Crusca direkt gegenübergestellt und als besser bewertet, etwa s. v. intercalare oder im folgenden Artikel zu lirico: Lirico, da lira. „È aggiunto di poesia che si può cantare al suono della lira, o di poeta autor di cotal poesia.“ Crusca. – Non sarebbe stato di gran lunga meglio come nel Diz. della poesia volg. del P. Ir. Aff ò : „Lirica poesia. Sotto questo nome vengono intesi tutti i componimenti di genere sublime, che […]“
b. Autorentexte Um die Bedeutung abzuschätzen, die Valentini den einzelnen exzerpierten Autoren beimisst, wurde ausgezählt, wie häufig die einzelnen Autoren bzw. Werke in den ersten 100 Artikeln (Abbachino – Bodino) genannt bzw. zitiert werden. Mit großem Abstand am häufigsten, nämlich vierzehn mal, taucht dabei der Name von Casti auf, gefolgt von Goldoni (5), Alfieri, Cesari als Literat (je 2),⁴⁷ Caro und Alemanni (je 1). In der Folge werden außerdem Foscolo, Magalotti und Tasso mehrmals zitiert. Zitate von Goldoni erfolgen über die o. g. Montucci-Ausgabe und dienen vor allem der Illustration von Phraseologismen des uso vivo.⁴⁸ Valentini ist sich bewusst, dass er mit Goldoni einen nicht unumstrittenen Autor heranzieht, cf. s. v. pettegola, pettegolezzi: «Ad alcuni non piaceranno le nostre autorità Goldoniane, ma noi ripeteremo sempremai, che se vogliamo inserire ne’ Dizionarii un po’ di Lingua viva, egli è una delle sorgenti, a cui dobbiamo attingere».
47 Der Anteil an Verweisen auf Alfieri ist im Gesamtlemmarium jedoch wesentlich höher. 48 Auf die Bedeutung von Goldoni für den Beleg von Phraseologismen und seine Vernachlässigung in der Lexikographie weist auch Dardi hin (cf. 2011, 127). Mit ihm sei auch auf das Vocabolario del veneziano di Carlo Goldoni von Folena (1993) verwiesen, «in cui tuttavia non tutte le locuzioni sono state registrate» (Dardi 2011, 127, n. 18).
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c. Sonstige Texte Insbesondere für Termini technici zitiert werden auch im Wörterbuchteil häufig die bereits in der Einleitung erwähnten folgenden Autoren und Texte zitiert: die Crusca-Akten (fünfmal in den ersten 100 Artikeln), die botanische Klassifizierung Linnés (3), Montucci (3), außerdem Galeani Napione di Cocconato sowie weitere wissenschaftliche und musiktheoretische Traktate.
6.2.2.5 Die Wörtersammlung als Diskussionsbeitrag In erster Linie, und dies zeigt sich bereits über die Wahl der Publikationsform, die den Beiträgen Montis, Gherardinis, aber auch den Wortlisten wie der Bernardonis entspricht, stellt die Raccolta den Wunsch Valentinis dar, einen Beitrag zur italienischen Lexikographiediskussion zu leisten. Ganz explizit zeigt sich dies in einigen Artikeln, in denen er den gelehrten Leser um seine Einschätzung zu den vorgeschlagenen Einheiten bittet. Meist handelt es sich dabei um Übersetzungsäquivalente zu deutschen Lexemen oder um Regionalismen und Fachtermini, zu deren Aufnahme der Autor selbst Zweifel hegt. Beispiele finden sich unter dem botanischen Terminus artopo, oder der römischen Variante zu lacciuolo, cappiola, wo Valentini schreibt: «Se si stima degno, s’accolga». Mit seiner Außenperspektive auf Italien und das Italienische und dem Vergleich mit anderen Sprachen, den Valentini über seine Arbeit an einem zweisprachigen Wörterbuch anstellen kann, zeigt sich der Römer, wie vor ihm bereits D’Alberti, als noch sensibler für die Unzulänglichkeiten eines rein am literarischen Toskanischen orientierten Wörterbuchs als die Lexikographen innerhalb Italiens, und kann neue Ansatzpunkte in die Diskussion einbringen. Dazu gehört das Bewusstsein, dass die Wortschatzerweiterung einer Sprache in weiten Teilen über andere Sprachen erfolgt, und dementsprechend eine offenere Haltung gegenüber Fremdwörtern. Ganz konkret gehört dazu aber auch das Bedürfnis des zweisprachigen Lexikographen, für Lexeme der Fremdsprache ein italienisches Übersetzungsäquivalent zu finden, also lexikalische Lücken im Wortschatz der Standardsprache zu schließen, um im Wörterbuch Umschreibungen anstelle von Äquivalenten zu vermeiden und dabei auf Einheiten aller Varietäten und Stilebenen zurückzugreifen: Lattaruolo, – a. Così sentimmo sempremai appellare Colui, o Colei che vende il latte. Sono Voci necessarie ed usate, e che un povero lessicografo di due Linguaggi non può fare a meno, se circonscrivere non deve assai parole.
Das Fehlen wichtiger Vokabeln in einsprachigen italienischen Wörterbüchern, so schreibt Valentini s. v. trionfo, sei von Seiten deutscher Benutzer mehrmals an-
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gemerkt worden: «Più volte ci è stato dimandato in Germania, per qual motivo trovansi tante inette quisquilie ne’ nostri lessici, e poi omesse vengono tante necessarie parole». Zudem bringt Valentini eine profunde Kenntnis der europäischen, insbesondere deutschsprachigen Lexikographie und deren Fortschritte in die italienische Diskussion mit ein, vor allem, was den logischeren Artikelaufbau und die Qualität der Definitionen betrifft. Sehr deutlich wird dies s. v. coro bzw. s. v. poesia. Letztere verbindet den Vergleich mit einem flammenden Appell an die italienischen Lexikographen. Coro. Se un dotto filologo Italiano volesse rendersi benemerito a’ suoi compatrioti, dovrebbe prendere l’assunto di riordinare, e correggere tutti i paragrafi di questa Voce. Si esamini, si compari con Dizionarii d’altre Lingue, e si giudichi, se non a giusta ragione così la pensiamo. Poesia. […] Se un Tedesco, un’ Inglese si prendesse il dilletto di confrontare la diffinizione (come per troppo, si è fatto) della Crusca, con quella di un’Ad e l u n g o d’ un John so n , non gli parrebbe di vedere uno sconcio pimmeo accanto a ben costrutto gigante? Affrettiamoci quindi a far disparire tante incoerenze, e non ci facciamo più nutrir d’erba trastulla. Oh, voi migliaja di eruditi Italiani, date mano alla grand’ opera, riformate il primo libro della vostra Nazione, il Dizionario della vostra impareggiabile Favella.
6.2.2.6 Das zugrundeliegende Sprachkonzept Was die in künftigen Wörterbüchern zu kodifizierende Sprache betrifft, hat sich Valentini mit den gegensätzlichen Tendenzen der Questione della Lingua des frühen Ottocento auseinanderzusetzen: – Primat des Toskanischen vs. Offenheit gegenüber anderen Regionalsprachen; – Autorität der Autoren vs. Einbeziehung des uso; – Beschränkung auf Literatursprache vs. Integration von Fachtermini; – Purismus vs. Offenheit gegenüber Einflüssen anderer Sprachen. Als außenstehender Beobachter der Diskussion von Berlin aus ist Valentini nicht an die Position einer Region bzw. Schule gebunden. Motiviert vom Wunsch, dass der Benutzer seines Wörterbuchs möglichst alle Einheiten, die er für seine praktischen sprachlichen Bedürfnisse nachschlägt, auch findet, ist er vielmehr offen, Lexemen unterschiedlichster Varietäten und Stilebenen Platz einzuräumen. Zugleich ist er jedoch tief in der italienischen Tradition verhaftet, was bereits die ständige Bezugnahme auf die Crusca als Ausgangspunkt aller Kritik belegt. In der Sprachkonzeption des Römers ist daher ein kontinuierliches Spannungsverhältnis zwischen Tradition und Innovation spürbar.
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Was die regionale Dichotomie betrifft, zeigt sich Valentini wie bereits in der Einleitung und im Vorschlag von Regionalismen gesehen eindeutig kritisch gegenüber dem Primat des Tos-kanischen, erkennt jedoch prinzipiell dessen historisch begründete Vormachtstellung an. «Dar la preferenza alle Toscane Voci quando esse generalmente intese sono, è saggio consiglio, che i nostri padri osservarono, e che noi seguitar possiamo; ma quando per la Toscana, non altrove intesa, trasandar si voglia la Voce commune Italiana, lodevole non sembra». (Raccolta, s. v. scopa, scopatura)
Diese Vormachtstellung endet im lexikalischen Bereich für Valentini dort, wo sie zum Ausschluss nicht-toskanischer, aber auf überregionaler Ebene verbreiteter Einheiten führt (cf. s. v. ditino, ditone), oder wo das Toskanische eine lexikalische Lücke aufweist, die durch ein nicht-toskanisches Wort besetzt werden könnte (z. B. s. v. cerino). Das mit seinem Blick aus dem Ausland leicht verständliche Bestreben Valentinis ist es, nicht das Toskanische, sondern ein italiano commune zu beschreiben. Dass dem aktuellen Sprachgebrauch in Valentinis lexikographischer Theorie und Praxis weiter Raum gegeben wird, wurde bereits gezeigt. Es ist jedoch gleichzeitig zu bemerken, dass Valentini bei der Aufnahme entsprechender Einheiten um die Legitimation durch Autoritäten bemüht ist. Während es heutigen Lexikographen gestattet ist, sich – in Zweifelsfällen natürlich nach Rücksprache mit anderen Muttersprachlern und dem Rückgriff auf Korpora – auf ihr eigenes Sprachgefühl zu verlassen, spürt man in Valentini ein deutliches Unbehagen, wo er keine schriftlichen Belege einer Einheit vorweisen kann. Für viele Einheiten der Umgangssprache führt er daher, wie ausgeführt, Autoren wie Casti als Beispiele an. Mehrmals findet sich in Artikeln auch der Hinweis Valentinis, er habe ein Wort bei einem Autor gefunden, dann aber den Beleg verlegt (z. B. s. v. portato: «Trovammo in buon autore»; cf. auch s. v. antidiluviano, archivario). Dies ist auch s. v. lunediana, lunigiana der Fall, hier jedoch ist hinzugefügt, dass der uso keiner weiteren Autoritäten bedürfe: Lunediana, Lunigiana: Queste parole, che gli artigiani dal far tuttavia festa il lunedì formarono, sono usate fra loro. Noi le trovammo in una nota ad un’ autor fiorentino e sollecitamente ce le notammo, rendendo esse appuntino il significato della Tedesca espressione der blaue Montag. Per nostra mala sorte smarrimmo il libriccino, e non possiamo citare l’autore. Essendo però queste voci in Italia usate, d’altra autorità non n’è d’uopo.⁴⁹
49 Cf. auch s. v. pagnottella: «[…]; e caso che rinvenir non possa una tanta autorità, s’appoggi a tutti i fornaj d’Italia».
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Bezüglich der letzten beiden Diskussionspunkte ist Valentinis Position gefestigter. Für ihn bedeutet es keinen Widerspruch, sowohl Elemente der Literatursprache als auch Termini technici in einem Wörterbuch zu versammeln, im Gegenteil, das Abdecken eines weiten Varietätenspektrums ist für ihn ein erklärtes Ziel. Ein Wörterbuchnutzer soll mithilfe des Dizionario literarische Texte verstehen können – wie gesehen wünscht Valentini zu diesem Zweck explizit die Aufnahme bestimmter Wortformen, die wenig frequent und zudem in ihrer Bildung transparent sind, weil sie von bestimmten Autoren verwendet wurden –, zugleich aber auch wissenschaftliche und fachspezifische Termini finden. Valentini kennt die Positionen des Purismus, die schließlich auch in Deutschland starke Vertreter haben, und weiß, dass er sich mit dem Vorschlag insbesondere von französischen Termini in seinen Ausführungen angreifbar macht. Es scheint aber, dass er auf diese Diskussion nicht weiter eingehen möchte. Für den Römer stehen kommunikative Bedürfnisse und der tatsächliche Sprachgebrauch an erster Stelle. Wenn ein Fremdwort im Italienischen frequent gebraucht wird, eine lexikalische oder onomasiologische Lücke füllt und in seiner Formgestalt an die Regeln der Sprache angepasst ist, kann und sollte es seiner Meinung nach in einem Wörterbuch nicht fehlen. Belege bieten sich s. v. installare, risorsa und toletta, wo Valentini schreibt: «Eccoti una altra Voce francese! – Ma se tutta Italia se ne serve, se tuttodì si sente: fa la sua toletta; sta alla toletta, e così va discorrendo. Perchè mo non la dobbiamo registrare, essendo stata italianizzata, non che adottata».⁵⁰ Als weiterer Grund für die offene Haltung gegenüber Fremdwörtern scheint mir auch die Tatsache bedeutsam zu sein, dass Valentini sich trotz der wiederholt ausgedrückten Liebe zu Italien als Kosmopolith begreift, der an mehreren Stellen in seinem Werk betont, in Deutschland eine zweite Heimat gefunden zu haben und der die Idee eines umfassenden Dialogs zwischen den Nationen vertritt (cf. z. B. den zitierten Dialog zur Eisenbahn in den Dialoghi, 256–257). «[I]l patriottismo culturale tende sempre al purismo linguistico» (Waentig 2007, 121), dahingegen kann eine weltoffene Einstellung zweifellos zu einer größeren Toleranz gegenüber Phänomenen des Sprachkontakts führen.
50 Hierbei ist Valentini möglicherweise auch vom deutschen Einfluss geprägt. Seine Haltung erinnert an die Grimms, die Morpurgo Davies folgendermaßen paraphrasiert: «l’uso (passato e presente) e la conseguente integrazione nella struttura del linguaggio sono l’unico criterio di accettabilità» (Morpurgo Davies 1996, 203).
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6.2.2.7 Die Wörtersammlung als Quelle von Erstbelegen Die Raccolta stellt selbst eine wichtige Quelle für Erstbelege dar bzw. weist im Falle der Einheiten, die auch im Vollständigen Wörterbuch verzeichnet sind, auf dieses als Erstbeleg hin. Allein von den in den obigen Tabellen als Beispiele aufgeführten Lexemen erweisen sich nach Abprüfung an DELI, GDLI, GRADIT, Zingarelli, BIZ und wo möglich LEI 11 als erstmals bei Valentini belegt. Sie sind im Folgenden aufgeführt, wobei die bisher in den sprachhistorischen Wörterbüchern angegebenen und in den Korpora gefundenen Erstbelege in Klammern folgen. bustaio/bustaro 1832, Raccolta
(ohne Bsp., cf. GDLI, s. v. bustaio. Die feminine Form bustaia ist erstmals 1865 in Tommaseo/Bellini belegt, cf. DELI, s. v. bustaia)
chiavettaro 1828, Ital. Lehrer cinefare 1832, Raccolta
(vor 1863, Belli, über BIZ) (1865, Tommaseo/Bellini, cf. GDLI, s. v. cinefare)
communella 1832, Raccolta
(1923/1939, Ojetti, cf. GDLI, s. v. chiave)
concolina 1832, Raccolta
(1832, Leopardi, über BIZ)⁵¹
didattica 1832, Raccolta
(1869, Tommaseo/Bellini 1869, cf. DELI s. v. didattica)
dindarolo 1831, Vollst.Wb.
(1834, Belli, über BIZ)
furastico 1831, Vollst.Wb.
(vor 1863, Belli, über BIZ)
ordalie 1832, Raccolta
(1834, cf. GRADIT s. v. ordalia)
paginare 1832, Raccolta
(1925, Arneudo, s. v. paginare, cf. GDLI; GRADIT, s. v. paginare)
summenzionato 1832, Raccolta
(nach 1835, Carducci, cf. GDLI, s. v. summenzionato)
Einige Lexeme sind in keinem der historischen Wörterbücher und Korpora belegt: contraggiuoco, settimanata, traaperto. Zu ditone wird kein Erstbeleg angegeben (cf. GRADIT, s. v.). Zu garofolo ist anhand der Belege im BIZ nicht eindeutig nachvollziehbar, ob seine Bedeutung wie von Valentini von jenen von garofano unterschieden werden. Ditino (cf. Zingarelli, s. v.; BIZ) wird nicht in der von Valentini
51 Der Beleg bei Leopardi im Zibaldone ist allerdings bereits auf den 24. Dezember 1823 datiert.
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verzeichneten Bedeutung angegeben, raus ist lediglich als Name eines Kartenspiels im 16. Jahrhundert in Garzonis Piazza universale nachweisbar (BIZ). Die Raccolta erweist sich hier als wertvolles Zeugnis zur Dokumentation des Sprachgebrauchs, aber auch der Kultur des frühen 19. Jahrhunderts. An weiteren Bedeutungen des bereits lexikographisch dokumentierten Wortschatzes sind in der Raccolta erstmals belegt: sentimentale ‘empfindsam, sentimental’ 1832, Raccolta
(1839–41, Molossi, cf. DELI, s. v. sentire)
Zendale, Zendaletto ‘Kleidungsstück der venezianischen Damen’ 1832, Raccolta
(1840, Stampa milanese, cf. DELI, s. v. zendado)
Zudem bietet Valentini den Erstbeleg für folgende Phraseologismen: entrare sotto lo scappellotto 1832, Raccolta
(1872, Tommaseo/Bellini, cf. GDLI, s. v. scappellotto)
occhio pollino 1832, Raccolta
(1833, Stampa milanese, cf. DELI, s. v. pollo)
6.2.3 Verbreitung und Rezeption der Raccolta Die Tatsache, dass die Raccolta an ein italienisches Fachpublikum gerichtet, aber bei einem deutschen Verlag erschienen ist, war ihrer Verbreitung nicht zuträglich. Im italienischen SBN ist sie nicht verzeichnet. Die einzigen in Italien recherchierbaren Exemplare befinden sich in der Bibliothek der Accademia della Crusca, eines davon im Fondo Migliorini. In Deutschland sind über den KVK Ausgaben in der Staatsbibliothek Berlin, der Landesbibliothek Dresden sowie der Universitätsbibliothek Leipzig nachgewiesen.⁵² In modernen Darstellungen zur Questione della Lingua und im Besonderen zur Lexikographiediskussion des 19. Jahrhunderts wird Valentinis Beitrag an keiner Stelle erwähnt. Auch in zeitgenössischen italienischen Autoren findet sich kein Hinweis, dass die Schrift des Römers rezipiert worden wäre. Eine zeitgenössische deutsche Rezension stammt vom Petrarca-Übersetzer Karl Förster. Er schließt sie im Repertorium der neueren Sprachen von 1833 direkt an seine Besprechung des Gran Dizionario an. Förster lobt Valentinis Sprachgelehrsamkeit und sein rhetorisches Geschick: «Der sprachgelehrte Verfasser […]
52 Für diese Arbeit konsultiert wurden die Exemplare der UB Leipzig und der Accademia della Crusca.
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hat Waffen, die nicht zu verachten sind, und er weiss sie zu führen» (Förster 1833b, 260). Nach der Beschreibung von Valentinis Vorgehen weist Förster darauf hin, dass Valentini selbst bei einigen seiner Vorschläge «Bedenken getragen [habe], sie alle in sein Wörterbuch einzureihen» (Förster 1833b, 260). Kritisch zeigt er sich im Hinblick auf Valentinis häufiges Heranziehen von Affò als Autorität bezüglich poetischer Termini. «Hätte sich Herr V. mit den teutschen Kunstansichten so befreundet, wie mit den Forschungen unserer Grammatiker; so würde er die für die Begriffe: Lirico, Elegia, Favola, Epinicio, Poesia empfohlenen Erklärungen als unzureichend unterdrückt oder berichtigt haben» (Förster 1833b, 260).
6.3 Ein onomasiologisch ausgerichtetes Lernerwörterbuch: Dialoghi e Colloquj italiani e tedeschi (1839) II Bereits im Kapitel 5 zu Valentinis sprachdidaktischen Arbeiten wurden die Dialoghi e Colloquj italiani e tedeschi vorgestellt, die auch eine systematische Darstellung des italienischen und deutschen Wortschatzes nach Sachgebieten enthalten. Über die Nutzbarkeit der Dialoghi als systematisches Wörterbuch merkt Valentini selbst im Vorwort an: «Die Gegenstände sind so geordnet, daß das Werkchen auch als systematisches Wörterbuch dienen kann, indem, wenn man im Inhalts-Verzeichniß den Gegenstand, über welchen man Ausdrücke oder Redensarten wissen will, sucht, man die entsprechende Seite angegeben finden wird». (Dialoghi, XIV, n.)
Systematische Wortschatzdarstellungen finden sich an drei Stellen im Werk: a) am Anfang, wo in mehreren Abteilungen und ca. 70 Paragraphen Wörter und Ausdrücke zu Gott, der Schöpfung, der Natur und dem Menschen präsentiert werden (Dialoghi, 1–158); b) nach den Modelldialogen, in vier Paragraphen zu Wissenschaften, Künsten, Gewerbe, Handwerk etc. (Dialoghi, 273–330); c) auf diese folgend in Form von elf Abschnitten zum Pflanzen-, Tier- und Mineralreich (Dialoghi, 331–406). Der erste sowie der letzte Block werden von Colloqui bzw. Unterredungen, fiktiven Gesprächen Valentinis mit einem Schüler Germanus, moderiert, die ins Thema der folgenden Wörtersammlung einführen.
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6.3.1 Funktion der Colloqui Die Unterredungen dienen dazu, den Nutzer der Dialoghi durch den umfangreichen Wortschatz zu führen, ihm zu erklären, wie dieser zu benutzen ist, und um ihn in interessanter, emotional ansprechender Weise zu transportieren. Stellenweise nutzt Valentini die Colloqui, um die den lexikographischen Darstellungsformen im Werk zugrundeliegenden Überlegungen zu erklären. Eine Passage zur Darstellungsform nach Sachgebieten findet sich vor der Sammlung zu juristischer Terminologie. Der Schüler berichtet, bei der Übersetzung eines Urteilsspruchs Schwierigkeiten gehabt zu haben. Es hätten ihm «eine Menge Wörter gefehlt; und was noch schlimmer war, eine Menge davon fand ich nicht einmal im Wörterbuche, und einige sind in einer Art gegeben, daß man den Verstand darüber verlieren könnte», worauf Valentini entgegnet: «Ich hab’s Ihnen ja gesagt, daß insbesondere (Kunst-)Ausdrücke, wenn sie klar sein sollen, unter die Rubrik ihrer eigenen Wissenschaft oder Kunst gebracht werden müssen, sonst sind sie gleichsam wie eine Heerde verirrter Schafe, von denen selbst für das Auge des Schäfers, der sie suchen geht, eine Menge verloren ist». (Dialoghi, 93)
An anderer Stelle, nämlich in der Unterredung «Von den Küchengewächsen», geht Valentini auf die Schwierigkeit der Aneignung von kulturspezifischem Wortschatz ein. Auch dieser erfordere eine besondere lexikographische Darstellung. Der entsprechende Dialogauszug zwischen ihm und dem Schüler lautet: «G. […] Sehen Sie, ein Drittel jener Vokabeln wollen mir nicht in den Kopf. V. Und was sind denn das für böse Wörter? G. Alle diejenigen, welche Dinge bezeichnen, die wir wenig oder gar nicht kennen, z. B. broccoli, ceci, giúggiole. V. Der größte Theil der Wörter, besonders diejenigen, welche Sie nennen hören, müssen Sie nothwendigerweise nicht nur namentlich kennen, sondern sich auch vermittelst einer Beschreibung einen richtigen Begriff davon machen, weil alsdann der Geist, dabei verweilend, sie besser unterscheidet und leichter behält. G. In der That, wenn bei vielen dieser Namen nicht eine Erklärung wäre, so würde ich sie nicht vermittelst des anderen Wortes allein verstehen, und sie überdies vielleicht eine Stunde darauf vergessen». (Dialoghi, 389–390)
Der Auszug ist hilfreich, um die Beifügung teils längerer, erklärender Kommentare zu den deutschen Äquivalenten kulturspezifischer italienischer Lemmata im Vollständigen Wörterbuch zu verstehen. In einer anderen Unterredung wird, am Beispiel der Bezeichnung von historischen Waffen, die ausgedehnte Aufnahme historischen Wortschatzes in den
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Dialoghi begründet: In der klassischen italienischen Literatur stoße der Leser des frühen 19. Jahrhunderts häufig auf die Bezeichnung von alten Waffen, die er nicht mehr kenne, selbst in der Muttersprache nicht, so dass ein einfaches zweisprachiges Wörterbuch für das korrekte Verständnis eines Textes nicht helfen würde. Valentini nutzt daher die Dialoghi zu einer genauen Definition (cf. Dialoghi, 65–66). Ebenso kann er in den Colloqui Anmerkungen zu einigen Bereichen des italienischen Wortschatzes zu machen. In der fünfzehnten Unterredung führt er beispielsweise zu Schalen- und Muscheltieren aus, dass deren Bezeichnungen «nicht selten provinzielle Ausdrücke sind» (Dialoghi, 355). Die Unterredungen können zudem zur Erklärung bestimmter italienischer Wortbildungsprinzipien dienen, z. B. im Kapitel zu Pflanzen, wo auf die Bezeichnungen von Bäumen und Früchten eingegangen wird (cf. Dialoghi, 373–375). Die Darstellungen sind mit einigen Grundlagen botanischer Klassifikation verbunden, die über eine rein sprachliche Ausführung hinausgehen. An anderen Stellen gehen die Unterredungen direkt in die Erläuterungen zum Wortschatz über (cf. weiter unten). Teil b) ist nicht durch Colloqui eingeleitet. Ihm ist dagegen noch einmal eine Einleitung direkt vorgestellt (Dialoghi, 273), welche den Aufbau der «Darstellung des wissenschaftlich gebildeten, kunstbeflissenen, arbeitenden Menschen» in vier Paragraphen erklärt (cf. folgendes Kapitel).
6.3.2 Gliederung des Wortschatzes Jedes systematische Wörterbuch muss sich die Frage nach den Anordnungsprinzipien des Wortschatzes stellen. Valentini kann sich dabei an einer langen lexikographischen Tradition orientieren. Ihm steht einerseits der Strang der zwei- und mehrsprachigen Sprachbücher zur Verfügung, die wie seine Dialoghi Modelldialoge und Wortschatz in einem Werk vereinen. Diese entwickeln sich nach dem ältesten Modell für zwei Volkssprachen, den bereits mehrfach erwähnten Sprachbüchern des 15. Jahrhunderts in der Folge von Georg von Nürnberg und Adam von Rottweil. Sie gliedern den Wortschatz nach Themenfeldern wie Gott, Mensch und menschlicher Körper, Verwandtschaftsverhältnisse, Kleidung, Handel und Waren, Spiele, Tiere, Pflanzen etc. (cf. Kapitel 3.3).⁵³
53 Cf. aus der gleichen Zeit auch die lateinisch-volkssprachlichen Glossare, die Arcangeli analysiert hat. Sie nehmen eine onomasiologische Einteilung des Wortschatzes in die Kategorien Mensch, Haustiere, Kleidung, Werkzeuge etc. vor (cf. Arcangeli 1992, 198). Der Einfluss des auf Georg von Nürnberg basierenden Werks von Adam von Rottweil für die weitere Tradition ist nicht zu unterschätzen. «Bis ins 18. Jahrhundert wird das Buch immer wieder neu bearbeitet und ge-
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Andererseits gab es auch in der einsprachig italienischen Lexikographie immer wieder Vorschläge und konkrete Projekte, die durch onomasiologische Anordnung die Welt in einem Wörterbuch widerspiegeln sollten. Für Valentini direkt von Interesse dürfte darunter das von D’Alberti di Villanuova vorgeschlagene Modell gewesen sein,⁵⁴ das in Form eines Albero sistematico am Ende der Einleitung zur ersten Ausgabe des Dizionario enciclopedico von 1797 steht (cf. D’Alberti di Villanuova 1797–1805, vol. 1, XXXIII). Es schlägt eine grobe Dreiteilung des Wortschatzes in die Kategorien Gott – Mensch – Welt vor, innerhalb derer fein weiter untergliedert wird. Valentini hat dieses Modell nicht übernommen – in seinem unten rekonstruierten Anordnungsschema weicht die Zuordnung einzelner Untergruppen zu den Makrokategorien zu stark ab –, doch eine Auseinandersetzung wird angesichts der hohen Bedeutung, die Valentini D’Alberti beimisst, sicherlich stattgefunden haben, und zudem weisen die auch in den Dialoghi vorkommenden Makrokategorien Gott, Mensch, Welt, die Bedeutung, die wissenschaftlichen Kategorien zukommt, sowie einige Unterkategorien (z. B. Seefahrt mit den Untergliederungen in Schiffstypen, Teile eines Schiffs, Segel und Tauwerk, Personen und Verrichtungen auf See oder Tiere, mit der Einteilung in vierfüßige Tiere, Vögel, Fische, Schalentiere, Reptilien, Insekten) starke Ähnlichkeiten zu D’Alberti auf. Bei Valentini entspricht die Grobgliederung des Wortschatzes nach Sachbereichen einer Dreiteilung in die Abschnitte Gott, Schöpfung, Mensch – Wissenschaften, Künste, Gewerbe, Handwerk – die drei Naturreiche. Diese Dreiteilung wird im Vorwort erklärt, ist jedoch im Inhaltsverzeichnis nicht abgetragen. Ein Baum wie bei D’Alberti fehlt. Innerhalb der Dreiteilung erfolgt eine weitere Untergliederung der Sachbereiche (im dritten Abschnitt etwa in Tier-, Pflanzen-, Mineralreich), die durch fette Überschriften im Inhaltsverzeichnis dargestellt wird. Innerhalb dieser Untergliederung wird wiederum durch die moderierenden Colloqui gegliedert, teilweise erfolgt dazwischen eine weitere Feineinteilung, teils mit, teils ohne Zwischenüberschriften. Einzelne kleinere Sachbereiche werden als eigene Paragraphen dargestellt. Aus diesen nicht immer trennscharfen Kapitelangaben ergibt sich für Valentinis methodische Wortschatzdarstellung folgendes Gliederungsschema:⁵⁵
druckt. Es hat mittelbar oder unmittelbar die gesamte spätere Lehrbuchproduktion beeinflußt» (Rossebastiano 2002, 18). 54 Als frühere, aus dem Cinquecento stammende Beispiele seien hier mit Marazzini (2009, 80–92) zudem Alunnos Fabrica del Mondo (1548), Citolinis Tipocosmia (1561) und Garzonis Piazza universale di tutte le professioni del mondo (1585) erwähnt. Für eine Kurzdarstellung cf. auch Della Valle (1993, 42), zu Citolini Nencioni (1983, 263–268). 55 Dargestellt werden drei Gliederungsebenen: die drei Hauptabschnitte, die durch die fetten Überschriften aus dem Inhaltsverzeichnis bezeichneten Untergruppen, sowie Gruppen von Para-
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Gott, Schöpfung, Natur, Mensch (erste zwölf Unterredungen) – Gott und die Schöpfung – Gott und Himmel (inkl. Astronomie, Wetterphänomene) – Erde und Wasser – Der Mensch – Der menschliche Körper – Physische und psychische Eigenschaften des Menschen – Der Mensch im geselligen Leben – Bevölkerung, Stadt, Kirche – Feste, Religion, Ämter, Verwandtschaft – Alte Ritterrüstung, ihre Bestandtheile und Waffen (inkl. Militär, Krieg) – Seewesen – Rechtswissenschaft – Inventarium eines Hauses mit allem Zubehör – Schöne Wissenschaften – Von den Krankheiten⁵⁶ – Von der Poesie – Ueber die Musik – Kaufleute und Handel Der wissenschaftlich gebildete und kunstbeflissene Mensch⁵⁷ – Künste und Wissenschaften – Mechanische Künste und Handwerke – Verkäufer von Lebensmitteln – Dienerschaft, Gesinde und deren Verrichtungen Acht Unterredungen, die drei Naturreiche betreffend – Thierreich – Vierfüßige Thiere – Geflügel – Von den Fischen – Von den Amphibien
graphen, die Valentini durch die Colloqui zusammenfasst. Meist sind diese im Inhaltsverzeichnis mit einer weiteren Zwischenüberschrift versehen; wo eine solche nicht gegeben ist, habe ich eine (dann kursiv gesetzte) Überschrift ergänzt. Valentini vergibt jeweils sowohl italienische als auch deutsche Überschriften. Der Übersichtlichkeit halber sind hier nur die deutschen Überschriften wiedergegeben. 56 Es überrascht, dass dieses Kapitel hier eingeschoben und nicht im Absatz zum menschlichen Körper behandelt wird, zumal hierdurch die an sich eng zusammen gehörenden Kapitel der Künste und der Poesie voneinander getrennt werden. 57 Bereits die von Waentig untersuchten Gesprächsbücher des 14.–16. Jahrhunderts weisen eine Vielzahl von Berufsbezeichnungen, größtenteils des Handwerks, Beschreibungen der entsprechenden Tätigkeiten sowie des jeweiligen Fachvokabulars auf (cf. Waentig 2006, 98). Valentini ergänzt diese Tradition um die unterschiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen mit ihren jeweiligen Arbeitsmethoden, Instrumenten etc.
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–
–
Pflanzenreich – Ueber Bäume und Obst – Ueber die bekanntesten Blumen – Von den Küchengewächsen Mineralreich – Metalle – Verschiedene Steine – Edelsteine
6.3.3 Die unterschiedlichen Formen der Wortschatzdarstellung Innerhalb der einzelnen Sachbereiche ist der Wortschatz wie die Einleitungsteile, die Unterredungen und Gespräche jeweils zweispaltig italienisch-deutsch angeordnet. Die Darstellung weist bereits viele Charakteristika eines modernen Lernund Aufbauwortschatzes für Fremdsprachenlerner auf. Die Vokabelsammlung erlaubt es dem Benutzer, seinen Wortschatz systematisch zu erweitern. Er bekommt dabei nicht nur Einzelwörter, sondern in den thematischen Blöcken jeweils auch typische Kollokationen, phraseologische Bildungen und den Gebrauch der Einheiten in konkreten Kontexten präsentiert. Ein Beispiel für eine reiche Sammlung solcher Beispiele und Redensarten ist das Kapitel zum menschlichen Körper, dem folgender Auszug entnommen ist: «§. 7. Locuzioni e frasi co’ precedenti vocaboli Il braccio destro, o dritto, il sinistro. Tenere in braccio, o stretto nelle braccia. […] Appoggiarsi su la palma della mano. Agostino in quella casa è portato in pianta di mano. Non saper quante dita si ha nelle mani. Legarsela, allacciarsela al dito. (Dialoghi, 29)
§. 7. Ausdrücke und Redensarten mit den vorhergehenden Wörtern Der rechte, der linke Arm. Auf dem Arme halten, in den Armen halten. […] Sich auf die flache Hand stützen. Augustin wird in jenem Hause auf Händen getragen. Nicht drei zählen können. Sich etwas hinter’s Ohr schreiben».
Zugleich sprengt die Darstellung in den Dialoghi jedoch den Rahmen eines Lernerwortschatzes und nimmt an vielen Stellen den Charakter eines ausführlichen enzyklopädischen Werks an. Der Wortschatz wird auf beiden Seiten ausführlich und über die Grenzen eines Sprachwörterbuchs hinaus definiert, so dass sich der Wörterbuchteil in weiten Teilen so darstellt, als hätte man zwei einsprachige Wörterbücher, wenn nicht Enzyklopädien nebeneinander gestellt. Die Definitionen geben einen Hinweis darauf, wie Valentini als einsprachiger Lexikograph – das Vorhandensein entsprechender Ambitionen oder zumindest eine weitreichende
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Reflexion zur definitorischen Praxis lassen sich in den Artikeln der Raccolta ablesen – gearbeitet hätte. Die Ausführungen erfolgen dabei «in größerer oder geringerer Vollständigkeit, je nachdem sie der Umgangssprache mehr oder weniger nöthig sind» (Dialoghi, 273), wie Valentini im Vorwort zum Bereich der Wissenschaften schreibt, oder je nach der Bedeutung, die der jeweilige Sachbereich für die angenommene Zielgruppe des Werks hat. Besonders ausführlich und lehrhaft sind beispielsweise die Abschnitte zur Poesie (cf. Dialoghi, 127–135) und zur Musik (cf. Dialoghi, 135–150) gestaltet, was auf die Ausrichtung der Dialoghi als Nachschlagewerk für Liebhaber der italienischen Literatur bzw. für Musiker, welche die italienischen Vortragsbezeichnungen lernen wollen,⁵⁸ hinweist. Die unterschiedlichen Darstellungsformen des Wortschatzes lassen sich für die drei großen Sachbereiche wie folgt klassifizieren.
6.3.3.1 Darstellung im Abschnitt «Gott, Welt, Mensch» Im ersten Block zu Gott, Welt und Mensch wird der Rahmen durch die Colloqui gegeben. Stellenweise gehen diese direkt in die Erklärung des Wortschatzes über, etwa, wenn Valentini und sein Schüler Spaziergänge unternehmen, während derer Valentini erklärt, wie z. B. die Gebäude, Pflanzen etc., die sie sehen, heißen. Der Spaziergang während der vierten Unterredung führt sie beispielsweise durch die Stadt, in eine Kirche und schließlich auf den Friedhof: «Eccoci arrivati al cimiterio; guardate gli avelli, o archi di marmo, le tombe, o sepolture, i tùmuli, e i sepolcri. […] O, ecco appunto un morto, che con funeral pompa di ceri, e di canti, viene accompagnato. […] (Dialoghi, 52–53)
Da sind wir nun auf dem Kirchhofe; wir sehen Grabmäler, Leichensteine, Gräber, Begräbnisstätten, Grabhügel und Grüfte. […] Da kommt gerade ein Leichenzug, im Traueraufzuge von Kerzen und Gesang begleitet. […]».
58 Musizierende als Zielgruppe werden auch in einem der Modelldialoge, dem Gespräch dreier Schwestern am Klavier, vorgestellt. In der entsprechenden Szene macht Valentini das eigene Werk zum Thema der Schwestern und gibt damit auf ironische Weise ein Beispiel für eine Gebrauchssituation: «R. […] Dimmi un po’, sapresti che voglia dire allegretto? A. Che vuoi ch’io sappia? Là sul tavolino c’è quel nuovo libro di V. Cerca all’articolo musica, e lo troverai, forse. R. Ah sì, eccolo! Volete che vi legga quest’ articolo? E. Oh, non mi stare a seccare con quel nojoso libro. R. Nojoso? Tu sei nojosa. È tanto istruttivo». (Dialoghi, 176)
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Die Einbettung des Wortschatzes in einen fiktiven Kontext geht über die Unterredungen hinaus. So ist die Darstellung des Wortschatzes zu Haus und Hausrat so gestaltet, als ob ein Nachlassverwalter ein Haus inspiziere und für einen potentiellen Käufer ein Inventar aufstelle (cf. Dialoghi, 102–115). Der größte Teil des lexikalischen Materials wird jedoch separat von den Colloqui präsentiert, und zwar in der bereits angesprochenen Form, die gleichsam zwei einsprachige Wörterbücher mit enzyklopädischem und belehrendem Charakter nebeneinanderstellt. Als Beispiele sei hier jeweils ein Artikel aus dem Abschnitt zu den Körperteilen und einer zum Seewesen⁵⁹ zitiert: «§ 4. Parti nobili, e viscere del corpo, ossiano gl’interiori.
§ 4. Edle Theile und Eingeweide des Körpers.
[…] Il cuore è un sacco muscoloso situato nel petto, le cui continue contrazioni, propulsano il sangue nel corpo. Cotesto contrarre sentito, è il battere, o palpitare del cuore.
[…] Das Herz ist ein in der Brust befindlicher Muskelsack, dessen fortwährende Zusammenziehungen das Blut durch den Körper treiben. Die Wahrnehmungen derselben ist der Herzschlag, oder das Herzpochen. Das Herz ist von dem Herzbeutel umgeben und hat vier Höhlen oder Kammern und zwei Ohren».
Esso sta chiuso nel pericardio, e ha quattro cavità, o ventrícoli, e due aurícole. (Dialoghi, 22) «§ 1. Legni di varia portata. […] La galea, o galera, è una nave lunga di basso bordo, va a remi, o a vele con antenne. Quando èssa è leggiera dicesi sottile.
§ 1. Fahrzeuge verschiedener Last. […] Die Galeere ist ein Schiff mit niedrigem Bord, und wird theils durch Ruder, theils durch Segel bewegt. Wenn sie leichter ist, heißt sie Halbruderschiff».
(Dialoghi, 85)
Neben der Einbettung in die Colloqui und der Gegenüberstellung von italienischen und deutschen Definitionen kann der Wortschatz im ersten Hauptkapitel auch in Form reiner Wortlisten dargestellt werden. In zwei Spalten stehen italienische Begriffe deutschen gegenüber, wobei die Anordnung alphabetisch nach dem italienischen Begriff erfolgt. Dazu als Beispiel ein vierzeilig gesetzter Ausschnitt, der dem Abschnitt zu Waffen, Krieg, Militär entnommen ist: 59 Die Darstellung des Wortschatzes aus dem Seewesen wird von einer Unterredung eingeleitet, in der Valentini und Germanus einen Spaziergang zum Hafen unternehmen wollen, der dann aber nicht weiter ausgeführt wird. Durch Germanus lässt Valentini die Besonderheiten der Termini der Seefahrt zum Ausdruck bringen: Die meisten bezeichnen Referenten, «die ich nicht einmal in meiner Sprache zu benennen weiß, und die zu kennen wir Kaufleute in einer Seestadt so nöthig haben» (Dialoghi, 84).
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«§ 6. Gradi militari, soldatesca etc. Adjutante, Adjutant; alabardiere, Hellebardierer; alfiere, Fähnrich; ammiraglio, Admiral; archibugiere, Büchsenschütz; […] (Dialoghi, 75)
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§ 6. Militairische Grade, die Mannschaft etc. carporale, Korporal; carabina, } Karabinier; carabiniere, cavaliere, Reiter; colonnello, Oberist; […]».
Die Wortlisten verzichten zumeist auf weitere Angaben grammatischer oder semantischer Art. Nur unregelmäßig ist etwa zu Nomen der Artikel angegeben (z. B. bei der Bezeichnung kirchlicher Feste, cf. Dialoghi, 55). Manchmal ist einzelnen Elementen der Listen eine kurze Definition beigefügt. In Listenform dargestellt werden auch feste Wendungen und verbale Syntagmen, z. B. bestimmte «Verrichtungen zur See» im Kapitel zum Seewesen: «§ 5. Operazioni marinaresche. Abbittare, ossia dar volta alla gómona. Abbordare una nave, o andare all’abbordo, cioè investirla. Abbraneare i forzati etc. Abbrivare la nave. (Dialoghi, 90)
§ 5. Verrichtungen zur See. Das Ankertau um die Läthingshölzer schlingen. Ein Schiff anborden, an Bord legen, entern. Die Galeerensklaven zusammenketten. In See stechen, unter Segel gehen».
6.3.3.2 Darstellung im Abschnitt zu Wissenschaften, Künsten, Gewerbe etc. In den Paragraphen «Der wissenschaftlich gebildete und kunstbeflissene Mensch» fehlen einleitende Unterredungen. Die Wortschatzdarstellung erfolgt in einzelnen Artikeln zu den jeweiligen Sektoren, Berufen etc., die sich in weiten Teilen als durchlaufender Text präsentieren. Die Artikel sind innerhalb der vier Paragraphen alphabetisch, nach dem italienischen Stichwort, geordnet. Der erste Paragraph, zu den Künsten und Wissenschaften (15 S.), ist nach den einzelnen Disziplinen (z. B. Ackerbau, Anatomie, Astronomie, Botanik, Zeichenkunst) gegliedert. Innerhalb der Artikel erfolgt, in vollständigen Sätzen, zunächst eine kurze Definition des Sektors, der einen interessanten Einblick vermittelt, wie sich die Wissenschaften zur jeweiligen Zeit darstellen. Es folgt die Benennung des Vertreters der jeweiligen Disziplin mit einer genauen Beschreibung seiner Tätigkeiten und ggf. eine weitere Gliederung des Sektors in Unterdisziplinen (z. B. der Anatomie in Osteologie, Myologie, Splanknologie, Anigologie, Nervologie, cf. Dialoghi, 276). Neben der überwiegenden Darstellung in Textform finden sich auch eingeschobene Wortlisten, in denen vor allem die wichtigsten Geräte und Instrumente der jeweiligen Disziplin aufgeführt werden (z. B. bei Ackerbau, Chirurgie).
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Zur Veranschaulichung sei der Ausschnitt Botanica bis Chirurgía wiedergegeben, der Wissenschaften umfasst, die im 19. Jahrhundert eine bedeutende Entwicklung erlebten und deren Terminologie auch im Vollständigen Wörterbuch besondere Beachtung findet. «La B o t a n i c a fa notomia [sic!] delle piante. Il botan ico le distingue, classifica, e nomina. (vedi Regno vegetale) La C h i m i c a , (oggidì vastissima scienza divenuta) suol separare, per mezzo di varie operazioni, p. e. col calore etc. le particelle de’ misti; o separate le riunisce, per conoscerne, dimostrarne, e caratterizzarne le sostanze onde son composte.
La Ch i r u rg í a consiste a fare varie operazioni (con la mano) sul corpo umano, ed ha per oggetto di medicare, e guarire le ferite, le piaghe, le fratture, gli ascessi, ed altrettali malattie.
Il chiru rgo ha, per le sue operazioni, adatti strumenti; eccone i più ovvj: i coltelli anatomici; gli scalpelli etc; il bistorino per far le incisioni; le cisoje per tagliare; il trapano; […] (Dialoghi, 281–282)
Die B ota n i k beschäftigt sich mit den Pflanzen. Der B otaniker unterscheidet, classificirt und benennt die Pflanzen (siehe Pflanzenreich). Die Chemie (Scheidekunst, eine heutzutage sehr ausgedehnte Wissenschaft) pflegt vermittelst verschiedener Verrichtungen, z. B. durch die Wärme u. s. w., die Theile gemischter Körper zu trennen, oder getrennte zu vereinigen, um die Bestandtheile derselben auseinander zu setzen und zu beschreiben. Die Chiru rgie (Wundarzneikunde) besteht darin, allerlei Operationen (mit der Hand) am menschlichen Körper zu machen, und hat zum Gegenstande die Heilung der Verwundungen, der Wunden oder Schäden, die (Arm- oder Bein-) Brüche, der Geschwüre und dergleichen Krankheiten. Der Wu ndarzt (Chirurg) hat zu seinen Verrichtungen passende Instrumente; hier die gewöhnlichsten: anatomische und Skalpirmesser etc.; das Bisturi, um Einschnitte zu machen; die Schere zum Zerschneiden; der Schädelbohrer oder Trepan; […]».
Im deutschen Teil sind zusätzlich zu den lateinischen und griechischen Termini meist auch die deutschen angegeben. Die Wortlisten enthalten häufig zumindest Minimaldefinitionen, die den Einsatzbereich der entsprechenden Geräte erläutern. Der zweite Paragraph, zu den mechanischen Künsten und zum Handwerk, ist mit 33 Seiten der ausführlichste. Die Artikel zu den einzelnen Berufen (z. B. Metallscheider, Schleifer, Goldschläger, Knopfmacher etc.) beschreiben die jeweiligen Tätigkeiten und enthalten – innerhalb der Beschreibung oder wiederum in separaten Listen – teilweise die Bezeichnung der entsprechenden Produkte und Geräte, der verarbeiteten Materialien, der Mitarbeiter. Ein Beispiel bietet der folgende Ausschnitt:
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«Il Fo r n a c i ajo d i ve t r i , o Ve t r ajo , compone a forza di fuoco, di rena bianca, e di (cenere) soda una pasta di vetro; da esse il Gonfia ne soffia le vasella come: bottiglie, fiaschi, buffoni, campane, bicchieri, lastre e simili.
Der G l a s s ch m e l z e r oder G l a sb re n n e r bereitet durch die Kraft des Feuers aus weißem Sande und Kali eine Glasmasse; aus derselben bläs’t der Glasbläser die Glasgefäße, als: Flaschen, Bauchflaschen, Kühlflaschen, Glocken, Gläser, Scheiben und dergleichen mehr».
(Dialoghi, 300)
Weniger umfangreich sind die letzten beiden Paragraphen, zu den Verkäufern von Lebensmitteln und zur Dienerschaft. Ersterer umfasst 8 Seiten und beschreibt in seinen Artikeln die Tätigkeiten sowie die verkauften Produkte (z. B. der Branntweinhändler, der Waffelbäcker, der Brezelbäcker, der Milchmann etc.).⁶⁰ Letzterer stellt auf drei Seiten die jeweiligen Verrichtungen dar.
6.3.3.3 Darstellung im Abschnitt «Tier-, Pflanzen-, Mineralreich» Dieser wiederum durch Colloqui moderierte letzte Abschnitt bildet den Enthusiasmus für die neuen Erkenntnisse aus dem Bereich der Naturwissenschaften ab und ist ein Versuch, einen weiten Sachbereich möglichst umfassend und systematisch zu erfassen. Die Darstellung des Wortschatzes erfolgt hier durchgängig in Art einer Enzyklopädie. Wie im vorigen Abschnitt folgt die Anordnung der Artikel in den einzelnen Untergruppen (z. B. Vierfüßige Thiere, Singvögel, Insekten etc.) dem Alphabet. Ausführlichkeit und inhaltliche Fokussierung der Artikel variieren. Bei der Darstellung der «vierfüßige[n] Tiere» hängen sie etwa von der Bekanntheit des jeweiligen Tiers ab. Bei allgemein als bekannt anzunehmenden Tieren wie Esel, Lamm, Pferd etc. enthalten die Artikel die Gattungsbezeichnung, alternative Bezeichnungen, Bezeichnung des weiblichen Tieres und der Jungen, die Geräusche,
60 Die Artikel sind unterschiedlich ausführlich gehalten. In vielen finden sich kulturgeschichtlich interessante Hinweise auf kulinarische Traditionen der Zeit, z. B. zur Tätigkeit des sorbettiere: «Il S orbettiere fa i sorbetti, cioè bevande (per lo più di frutte, o di latte) congelate, e mantecate, nella sorbettiera, che si gira nel ghiaccio salato, e che poi vende in bottega a giare, o a mattonelle, ovvero, a chi le ordina, in caciotte. Come pure ogni spezie di rinfreschi: limonee, gramolate, acqua cedrata in ghiaccio, e così va discorrendo» (Dialoghi, 327). Aufschlussreich auch die Ausführungen unter trattoria: «Es sind dies heutzutage Speisehäuser des ersten Ranges, in welchen nur zu Mittag oder zu Abend gegessen wird. – Zu bemerken ist, daß in den Hauptstädten Hotels sind. Der Besitzer derselben pflegt nicht nur Mahlzeiten zu geben, sondern vermiethet auch Quartiere, möblierte Stuben, Betten, Remisen u. s. w. an vornehme Reisende. In die andern Gasthöfe kehren gewöhnlich Lohnkutscher, Fuhrleute, und Fremde von geringerem Stande ein, oder auch Leute, die wenig ausgeben wollen; selten findet man da einen guten Tisch» (Dialoghi, 328, n.).
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die das Tier von sich gibt, die Art der Fortbewegung, zugehörige Ausdrücke zum Stall oder zum Halter des Tieres und Ähnliches: «L’ As i n o; animale da basto, o da soma (perciò dicesi pure Somaro). Dimenando i suoi lunghi orecchi, se ne va sempre passo passo, per quanto l’asinajo lo batta e gridi: arri! arri! Il suo verso è il raglio, o ragliare. Chiamasi pure Ciuco, Bricco, Ciuccio etc.
Der E s el ; ein Last- oder Saumthier (weshalb er auch Last- oder Packesel heißt). Seine langen Ohren hin und her bewegend, geht er immer Schritt für Schritt, wie sehr ihn der Eseltreiber auch schlage oder durch sein ho! ho! antreibe. Sein Geschrei ist: I ah. Er heißt auch Grauthier, Müllerthier, Langohr etc.».
(Dialoghi, 333)
Auch die altbekannte Crusca-Definition bekannter Tiere als «animale notissimo» findet sich (z. B. zu cavallo, Dialoghi, 335). Bei Tieren, die nicht als bekannt vorausgesetzt werden können, erfolgt dagegen eine genauere Definition des Aussehens: «La G i r a ff a , animale silvestro, che si addomestica, Ha lunghissimo il collo, e le gambe dinanzi; la groppa bassa, e la testa piccola, su la quale si scorgono due specie [sic!] di corna. La pelle è chiazzata di macchie come quella del leopardo. Ha poca coda.
Die G i r a ff e, ein wildes Thier, welches sich zähmen läßt. Sie hat einen sehr langen Hals und dergleichen Vorderfüße, ein niedriges Hintertheil und kleinen Kopf, auf welchem zwei Hörner sichtbar werden. Das Fell ist gefleckt, wie das des Leoparden. Sie hat einen kurzen Schwanz».
(Dialoghi, 336)
Es ist nicht klar zu beantworten, ob Valentini die Definitionen eigenständig vornimmt, oder sich an einsprachigen Wörterbüchern zumindest orientiert. Es gibt keine direkten Übereinstimmungen, wie sie sich für Synonyme, kurze Definitionen oder Autorenzitate im Vollständigen Wörterbuch nachweisen lassen (cf. Kapitel 7.5.6), wohl aber Anhaltspunkte für Übernahmen. So könnte die Definition zu Bison, «una specie di Bue, o Toro selvatico, ha una lunga barba sotto il mento» (Dialoghi, 333), ein Auszug aus dem entsprechenden Artikel im Tramater sein. Dromedario, «specie di Cammello, a doppio scrigno, più robusto però, e più veloce al corso» (Dialoghi, 335), wird ganz ähnlich, lediglich in anderer Reihenfolge, im Dizionario universale von D’Alberti definiert,⁶¹ völlig anders jedoch im Dizionario della Minerva, das für das Vollständige Wörterbuch den wichtigsten Bezugspunkt darstellt.
61 In der Ausgabe von 1825 des Dizionario enciclopedico lautet der entsprechende Artikel: «Dromedario: s. m. Carmelus dromas, dromedarius. Quadrupede della medesima specie de’ Cammelli, ma più robusto, più veloce al corso, ed ha doppio scrigno o gobba sul la schiena».
Dialoghi e Colloquj italiani e tedeschi (1839) II |
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Nach den Säugetieren wendet sich Valentini der Darstellung der Vögel, in drei Klassen unterteilt, zu. Auch hier variiert die Art der Definitionen je nach Bekanntheit des Vogels. Sehr lange Definitionen finden sich zu Arten, die auch eine mythologische Bedeutung haben: «Il Pe l l i c a n o è il maggiore uccello acquatico; campa nell’Asia minore. Esso ha nell’ inferior parte del collo un falso esofago, da cui si cava dallo stomaco una parte de’ cibi trangugiati, e ne nudrisce [sic!] i suoi figliuoli. Lo che ha dato luogo alla favola, ch’egli si ferisca il petto col becco, o facciane spicciare il sangue, e con esso li nutrisca. Quindi venne preso per simbolo dell’ amor materno.
Der Pe l ikan ist der größte Wasservogel. Er lebt in Klein-Asien. Am unteren Theile des Halses hat er einen zweiten Schlund, durch welchen er sich, aus dem Magen, einen Theil der verschluckten Nahrungsmittel hervorholt und seine Jungen damit nährt. Dies hat zu der Fabel Veranlassung gegeben, daß er sich mit dem Schnabel die Brust aufritze, so daß das Blut hervorspritze, mit welchem er sie nähre. Daher wurde er als Sinnbild mütterlicher Liebe gebraucht».
(Dialoghi, 353)
Immer wird der Gesang des Vogels benannt, worum der Schüler im einleitenden Colloquio gebeten hatte: «erlauben Sie mir indeß, daß ich Sie bitte, mir auch den Gesang derselben zu bezeichnen, weil dies eine besondere Schwierigkeit hat und ich schon oft in den Büchern vergebens Belehrung darüber suchte» (Dialoghi, 341–342). In den Artikeln sind bisweilen zwei Varianten angegeben, nämlich dann, wenn neben der toskanischen auch eine verbreitete italienische Form existiert. Bei den Vögeln liest man z. B.: «La Q u agl i a , dai Toscani detta a cce gg i a , ha le penne» (Dialoghi, 346). Weitere Aufnahmen regionaler Varianten finden sich etwa im ersten Block unter dem Paragraph zu Schreibmaterialien, wo für Bleistift «il lapis, o la matita» angegeben ist (Dialoghi, 119), oder im Abschnitt zu Pflanzen bei den Küchengewächsen mit der Auflistung von «Cocómero, o Anguria» (Dialoghi, 393). Auch auf deutscher Seite können sich mehrere Varianten finden. Im Paragraph zu den Raubvögeln hat man beispielsweise nibbio übersetzt mit «Weihe oder Hühnergeier» oder «Cùcule, o Cúculo» wiedergegeben mit den unterschiedlichen Schreibweisen «Kuckuck oder Guguck» (Dialoghi, 349). Im Vollständigen Wörterbuch finden sich ebenfalls jeweils beide Varianten lemmatisiert.⁶² Wenn Valentini als Nebenfigur heute ein Platz in der Sprachgeschichte zukommt, dann ist es aufgrund dieses umfassenden Werks, das nach
62 S. v. anguria wird cocómero als Synonym «im Römischen» verzeichnet. Im eigenen Artikel ist cocómero dagegen als botanischer Fachterminus markiert.
224 | Untersuchungen zu den kleineren lexikographischen Arbeiten
der Darstellung der weiteren lexikographischen Arbeiten – die vermutlich auf der Basis des für das Gran Dizionario gesammelten Materials entstanden sind – im Folgenden ausführlich analysiert wird.
7 Analyse des Vollständigen grammatischpraktischen italienisch-deutschen, deutschitalienischen Wörterbuchs (1831–1836) Das Vollständige italienisch – deutsche und deutsch – italienische grammatisch – praktische Wörterbuch ist 1831 bis 1836 bei Johann Ambrosius Barth in Leipzig erschienen. Es besteht aus vier Bänden im Format «hoch median Quart» (Vertrag zwischen Valentini und dem Verleger Barth vom 1. Januar 1829, zitiert nach Boerner 1988, 34),¹ je zwei für die Richtungen italienisch-deutsch und deutschitalienisch. Der vollständige Titel lautet Vollständiges / italienisch – deutsches und deutsch – italienisches /grammatisch – praktisches / Wörterbuch / nach / den neuesten und besten Quellen beider Sprachen bearbeitet / und / mit ungefähr 40,000 technischen und wissenschaftlichen Wörtern und Ausdrücken und beinahe 60,000 neuen Artikeln versehen.² / Von / Dr. Franz Valentini / aus Rom, / Königl. Preußischem Professor der italienischen Sprache und Litteratur in Berlin. GRAN / DIZIONARIO / GRAMMATICO-PRATICO / ITALIANO-TEDESCO, TEDESCO-ITALIANO, / COMPOSTO SUI MIGLIORI E PIÙ RECENTI VOCABOLARII DELLE DUE LINGUE, / ED / ARRICCHITO DI CIRCA 40,000 VOCI, E TERMINI PROPRII DELLE SCIENZE ED ARTI, E DI 60,000 NUOVI ARTICOLI, / DAL / Dr. Francesco Valentini, / ROMANO, / REGIO PROFESSORE DI LINGUA E LETTERATURA ITALIANA A BERLINO.
1 Das für ein zweisprachiges Wörterbuch ungewöhnliche, unhandliche Format ist von folgenden Wörterbuchprojekten kritisiert worden, cf. Kapitel 8.4 zur Rezeption. 2 Die Zahlen sind nicht eindeutig verifizierbar. Zunächst ist nicht klar nachzuvollziehen, was mit der Vermehrung um rund 40 000 Termini technici und 60 000 neue Artikel gemeint ist, ob Valentini hier auf eine Ergänzung gegenüber den vorherigen zweisprachigen Wörterbüchern oder aber auch gegenüber den einsprachigen Basiswerken referiert, und wie er einen neuen Artikel definiert. Damit kann sowohl ein ganz neues Lemma als auch lediglich die Variation einer Definition oder eines Übersetzungsäquivalents gemeint sein. Aus der Analyse eines Wörterbuchausschnitts von 30 Seiten des italienisch-deutschen Teils, mit dem jedoch lediglich 2,3 % des Lemmariums abgedeckt werden, geht hervor, dass auf Lemmaebene gegenüber Valentinis zweisprachigen Vorgängern im italienisch-deutschen Teil dort 223 Zusätze gegenüber den einsprachigen und 67 Zusätze gegenüber den Grundlagenwerken insgesamt vorgenommen wurden. Schließt man hiervon auf den gesamten italienisch-deutschen Teil, kommt man auf knapp 10 000 Zusätze gegenüber den einsprachig italienischen und knapp 3000 gegenüber den ein- und zweisprachigen Wörterbüchern. Diese Rechnung bietet nur einen sehr groben Richtwert, zeigt aber doch, dass die Angabe von 40 000/60 000 Zusätzen vermutlich zu hoch gegriffen ist. Wahrscheinlich ist jedoch, dass mit den hinzugefügten «technischen und wissenschaftlichen Wörtern und Ausdrücken» nicht nur solche auf Lemmaebene, sondern auch in die Mikrostruktur integrierte, und mit «neuen Artikeln» nicht nur solche zu erstmals lemmatisierten Lexemen, sondern auch solche gemeint sind, die gegenüber den bisherigen zweisprachigen Wörterbüchern völlig überarbeitet wurden. Damit scheint die Zahl plausibel.
226 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
Abb. 6: Titel Vollständiges Wörterbuch (Vollst. Wb., vol. 1, [II–III]; Universitätsbibliothek Salzburg)
Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836) |
Abb. 6: (fortgesetzt)
227
228 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
Dem Titel ist in den einzelnen Bänden jeweils ein Untertitel beigefügt, der die weiteren im Band enthaltenen Bestandteile angibt. Die folgende Tabelle fasst Erscheinungsjahr, Umfang und Titelzusatz der einzelnen Bände zusammen: Tab. 6: Inhalt der vier Bände des Vollständigen Wörterbuchs Sprachrichtung
Lemmastrecke
Erscheinungsjahr
Seitenzahl
Titelzusatz (dt.)
Ital.-Dt.
A–L
1831
CIV; 596
Nebst einer einleitenden Abhandlung über den Zustand der italienischen Sprache im 7ten, 8ten, 9ten, 10ten, 11ten und 12ten und Andeutungen über deren Fortschritte und die Schriftsteller im 13ten, 14ten, 15ten und 16ten Jahrhundert […].
M–Z
1834
600–1392
Am Ende dieses Bandes befindet sich Ein Anhang von mehr als 11,000 Artikeln. Eine Sammlung von 2,000 männlichen und weiblichen Eigennamen, mit den dazu gehörenden gebräuchlichen Adjektiven. Ein orthographisches Wörterbuch der alten und neuen Geographie, etwa 12,000 Namen und Adjektiven von Völkern, Städten, Flüssen etc. enthaltend.
A–L
1832
C; 759
Nebst einer einleitenden Abhandlung über die deutsche Sprache und Literatur von den frühesten Jahrhunderten bis auf unsere Zeiten, und einem Abriß der Sprachlehre, in synoptischen Tabellen, besonders als Anleitung zur Kenntniß der Zeitwörter und ihrer Conjugationen, sowie der Zusammensetzung und Bildung der deutschen Wörter […].
M–Z
1836
763–1414; 74³
Am Ende dieses Bandes befindet sich Eine Sammlung von 2,000 männlichen und weiblichen Eigennamen, mit den dazu gehörenden gebräuchlichen Adjektiven. Ein orthographisches Wörterbuch der alten und neuen Geographie, etwa 12,000 Namen und Adjektive von Völkern, Städten, Flüssen etc. enthaltend. […]
Dt.-Ital.
3 Im deutsch-italienischen Teil enthält die Sammlung der Eigennamen eine eigene Paginierung.
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Insgesamt umfasst das Lemmarium, ohne die Sammlung der Personen- und Ortsnamen, für das gesamte Wörterbuch 2732 Seiten oder rund 8196 Spalten. Der italienisch-deutsche Teil ist mit 1318 Seiten, die einen Anhang einschließen,⁴ etwas weniger umfangreich als der deutsch-italienische mit 1414 Seiten, was vor allem auf die deutsche Wortbildung und die entsprechende Lemmatisierungspraxis – Komposita werden in großer Zahl mit eigenem Artikel verzeichnet – zurückzuführen ist.
7.1 Wörterbuchaußentexte und Verzeichnis der Eigennamen Im Vor- bzw. Nachspann der einzelnen Bände bilden weitere Komponenten die textuelle Rahmenstruktur des eigentlichen Wörterverzeichnisses. Dabei handelt es sich zum einen um Sorten von Peritexten, die auch in heutigen Wörterbüchern zu finden sind⁵ – sowohl dem italienisch-deutschen als auch dem deutschitalienischen Teil ist eine Widmung vorangestellt, beide enthalten ein zusätzliches Wörterverzeichnis zu Personen- und geographischen Namen, der erste italienisch-deutsche Band eine Vorrede, die in Aussprachehinweise und Abkürzungsverzeichnis übergeht sowie Flexionstabellen der Verben, der erste deutschitalienische eine umfangreichere Wörterbuchgrammatik –, zum anderen um zwei Abhandlungen zur Geschichte des Italienischen und des Deutschen, die Valentinis tiefer gehende Beschäftigung mit den beiden Sprachen belegen und den wissenschaftlichen Anspruch des Wörterbuchs manifestieren. Vor der Analyse der Makro- und Mikrostruktur bieten die folgenden Seiten einen Überblick über diese Wörterbuchaußentexte, um das enge Zusammenspiel von Sprachgeschichte und -reflexion, Grammatik und eigentlichem Wörterverzeichnis aufzuzeigen.
4 Der Anhang folgt auf das Lemmarium der Lemmastrecke M–Z und ist mit Appedice betitelt. Er enthält Ergänzungen zu den Artikeln der Strecken A–L im ersten Band (Vollst. Wb., vol. 3, 1235–1322). Dabei handelt es sich teilweise um völlig neue, teilweise um Ergänzungen zu bereits bestehenden Artikeln (zur Notwendigkeit der Einfügung eines Anhangs cf. Kapitel 7.2 zur Wörterbucherstellung). 5 Zu Wörterbuchaußentexten in modernen Printwörterbüchern cf. Enbelberg/Lemnitzer (4 2009, 135–140). Cf. auch Cop, die diese Außentexte folgendermaßen einteilt: «such containing information which is essential to the effective use of the dictionary or which can be considered as an integral part of the main body, and such which complements the information given in the main part of the dictionary or which provides additional linguistic and/or encyclopedic information» (Cop 1989, 761). Eine solche Einteilung wird auch in Valentini sichtbar, ist teilweise jedoch durch die enge Anbindung der Teile aneinander überwunden.
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7.1.1 Vor- und Nachspann im italienisch-deutschen Teil 7.1.1.1 Widmung «Den Deutschen» Der erste Band des Vollständigen Wörterbuchs öffnet mit einer Widmung an das deutsche Publikum (Vollst. Wb., vol. 1, [V]) in deutscher Sprache. Valentini drückt darin aus, in Deutschland sein «zweites Vaterland gefunden» zu haben und macht Angaben über die Dauer der Arbeit am Wörterbuch, «Frucht zehnjährigen rastlosen Fleißes». Nach der Beteuerung, seine ganze Kraft auf dessen Erstellung verwendet zu haben, schließt er mit dem Wunsch, den Anforderungen des Lesers zu genügen. Widmungen in Wörterbüchern sind insbesondere im 16.–18. Jahrhundert üblich und verlieren sich dann langsam. Zumeist waren sie an den Herrscher des Druckortes gerichtet (cf. Cop 1989, 763). Eine Widmung an die Gesamtheit der Bevölkerung der Ausgangssprache wie bei Valentini ist seltener.⁶
7.1.1.2 Die Dissertazione sul linguaggio italo volgare Auf die Widmung folgt, in italienischer Sprache, eine Dissertazione sul linguaggio italo volgare in Italia parlato nei secoli VII, VIII, IX, X, XI, e XII. Con una appendice in cui si dà una nozione degli scrittori, e de’ progressi dell’italiana favella ne’ seguenti quattro secoli (Vollst. Wb., vol. 1, VII–LXVIII). Sie stellt Valentinis eingehendste Beschäftigung mit der italienischen Sprache und Literatur über einen didaktischen Zweck hinaus dar. Vorwiegend auf ihr begründete sich wohl sein Anspruch, eine Professur an der Berliner Universität einzurichten. Sie zeigt, zusammen mit dem Diskussionsbeitrag der Raccolta und dem Projekt einer Studie zu den italienischen Dialekten, dass sich Valentini nicht als reiner Sprach- und Kulturmittler verstand, sondern einen wissenschaftlichen Anspruch verfolgte. Unterstützung erhielt er bei der Erstellung von Karl Lachmann sowie dem Rechtsgelehrten De Savigny, der ihm seltene Handschriften zur Verfügung stellte (cf. Vollst. Wb., vol. 1, LXVIII).⁷
6 Eine ähnliche Praxis findet sich beispielsweise bei Jagemann. Die zweite Auflage seines Wörterbuchs enthält zwar keine Widmung, jedoch zwei nach Benutzergruppen getrennte Vorreden, eine an das deutsche Publikum gewandte an den «Liebhaber der italienischen Sprache und Litteratur» (Jagemann 2 1803, vol. 1, I), eine in italienischer Sprache: «Al cortese lettore italiano» (vol. 2, Vorrede). 7 Savignys Zugang zu alten Handschriften hängt mit seinem eigenen Forschungsinteresse zusammen. Er strebte eine Reform der zeitgenössischen Rechtslehre an, die ausging von der «Einsicht in die Geschichtlichkeit des Rechts. […] Grundlage dieses rechtsgeschichtlichen Neuansatzes bildete eine gründliche Quellenkritik mit Archivrecherche und umfänglicher Exzerpier-
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Valentini hat für die Dissertazione mit Raynouards Choix des poésies originales des troubadours (1816–1821), A. W. Schlegels Reaktion darauf, den Observations sur la langue et la littérature provençales von 1818 sowie Die Poesie der Troubadours (1826) von Diez die jüngsten Arbeiten der frühen Romanistik in Deutschland und Frankreich genauestens studiert sowie die in Italien maßgeblichen Arbeiten zur Herausbildung der romanischen Sprachen gelesen. Besonders stützt er sich hier auf Schriften von Perticari und Muratori.⁸ Ersterer hatte mit Degli scrittori del Trecento e de’ loro imitatori (1818) und mit Dell’amor patrio di Dante e del suo libro intorno il volgare eloquio (1820) zwei Beiträge zu Montis Proposta geliefert, für die, wenn sie auch eine Fehlinterpretation von Dantes Traktat enthalten und daher heute kritisch betrachtet werden, gilt: «sono una chiave indispensabile per comprendere le cognizioni linguistiche comunemente diffuse all’inizio del secolo XIX: questi saggi, infatti, godettero di una fortuna grandissima» (Marazzini 1999, 152; cf. auch Marazzini 1989, 188–189). Auch für die Geschichte der historischen Sprachwissenschaft in Italien ist Perticaris Beitrag nicht zu unterschätzen: «rappresentò l’esito più autorevole, in Italia, negli anni Venti dell’Ottocento, nel campo della linguistica storica» (Marazzini 2009, 342). Auch Muratoris Betrachtungen zur Herausbildung des Italienischen, veröffentlicht bereits 1739 in den Aufsätzen XXXII und XXXIII der Antiquitates Italicae Medii Aevi⁹, die Einzelaspekte der Geschichte des Mittelalters behandeln, prägen die italienische Sprachgeschichtsschreibung des frühen 19. Jahrhunderts noch maßgeblich (cf. Marazzini 2009, 342). Auf der Basis dieser Lektüren sowie eigener weiterführender Quellenstudien befasst sich Valentini in der Dissertazione mit den wichtigsten Themen der frü-
arbeit» (Bluhm 1997, 278–279). In die Recherchearbeit war auch Savignys Schüler Jacob Grimm eingebunden, der vermutlich in der Bibliothek des Rechtsgelehrten seinen ersten Zugang zu mittelhochdeutschen Texten erwarb (cf. Bluhm 1997, 279–283; cf. auch Morpurgo Davies 1996, 197–198). Zur Bedeutung Savignys für den historistischen Ansatz Grimms cf. Morpurgo Davies (1996, 213, Anm. 14). 8 Weitere Autoren, auf die sich Valentini für seine Argumentation stützt, sind u. a. Simon Pelloutier, Verfasser der Histoire des Celtes und Bullet mit seinem dreibändigen Wörterbuch des Keltischen; Pierre Louis Ginguené, der eine italienische Literaturgeschichte verfasst hatte (cf. Vollst. Wb., vol. 1, XXIX); Affò, der auch in der Raccolta mehrmals zitiert wird (cf. Vollst. Wb., vol. 1, XXVI). Eine Fußnote, in der Valentini auf die wichtigsten Werke zur provenzalischen Dichtung verweist, stellt seine Referenzwerke zusammen (cf. Vollst. Wb., vol. 1, XLI, n. 1). Besonders hervorgehoben wird hier die Arbeit Perticaris: «Non che ogni Italiano, qualunque dilettante di nostra Favella non deve trascurare di leggerla». 9 Zu Muratoris Dissertazione XXXII sopra le antichità italiane und ihrer Bedeutung cf. die Edition von Marazzini mit Einführung, Muratori (1988).
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hen Romanistik.¹⁰ Er berührt die großen Fragen zum Übergang des Lateinischen ins volgare – nach Differenzierungen bereits innerhalb des Lateinischen, einer allgemeinen lingua romana als Zwischenstufe, der Rolle des Sprachkontakts mit Sub- und Superstratsprachen insbesondere durch die Völkerwanderungen – und geht sprachspezifischen, interlingualen Details wie der Herausbildung einzelner grammatischer Formen, Auswirkungen des Sprachkontakts auf das Lexikon und Lautwandelerscheinungen nach. Das Programm wird in der Einleitung abgesteckt. An die Archivrecherchen Muratoris anknüpfend soll versucht werden, anhand eines genaueren Quellenstudiums von Textzeugnissen aus dem 8. bis 10. Jahrhundert, «scritti in un Linguaggio, che più Latino chiamar non potevasi» (Vollst. Wb., vol. 1, VII), für das Italienische den Übergang aus dem Lateinischen davvicino nachzuvollziehen. Valentini fragt sich: «Non si potrebbe forse raccapezzare dalla ignoranza o negligenza di quegli scrittori, dagli errori, che commetter loro avrà fatto la forza dell’ uso della Volgar Lingua, tanto da poterne trarre men vaghe ipotesi, ed esaminare di secolo in secolo, come il Latino s’andò disfacendo delle sue forme sintetiche, ed in qual modo s’andarono introducendo quelle nuove parti elementari, d’Articoli, Preposizioni, Verbi ausiliari ec. per le quali l’Italiana Lingua analitica divenne?» (Vollst. Wb., vol. 1, VII)
Im Einzelnen sollen folgende Punkte beleuchtet werden: – der Zustand des Lateinischen in den ersten fünf Jahrhunderten n. Chr.; – der sprachliche Einfluss der Völkerwanderungen auf das volgare in Italien; – der Zustand des volgare vom 8. bis zum 10. Jahrhundert; – der keltische Einfluss; – der Einfluss des Provenzalischen; – die ersten literarischen Zeugnisse (cf. Vollst. Wb., vol. 1, VIII). Wie Muratori, auf den er verweist, sieht Valentini bereits vor dem Barbareneinfall in Italien Differenzierungen und Veränderungen innerhalb des Lateinischen (cf. Vollst. Wb., vol. 1, VIII).¹¹ Für die weiteren Veränderungen werden dann die
10 Cf. die Zusammenfassung in Lüdtke (1989, 3–4). Für einen knappen Überblick über die Frühphase der Romanistik als Hintergrund für die Aktivität Valentinis cf. auch Kapitel 2.1.2 dieser Arbeit mit entsprechenden Literaturverweisen. Als zentrale Arbeit zur Geschichte der Frage nach dem Ursprung des Italienischen cf. Marazzini (1989). 11 Bezüglich des Beitrags von Muratori wird in der Forschung häufig auf seine Herausstellung der Bedeutung der Völkerwanderungen fokussiert. Marazzini weist jedoch darauf hin: «Basta rileggere la XXXII Dissertazione delle Antiquitates per rendersi conto di quanto Muratori ritenesse importanti i fattori di mutamento già presenti nel latino prima del V secolo» (Marazzini 1989, 85). Darin zeigt sich seine Beschäftigung mit Cittadini, der ebendiese These betont hatte (cf. ebd.).
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Völkerwanderungen als entscheidendes Moment benannt, wobei auch hier, wiederum in Anlehnung an Muratori, eine differenzierte Interpretation geleistet wird, die diastratische und diatopische Faktoren mit einbezieht (cf. Vollst. Wb., vol. 1, IX–X; cf. auch Marazzini 1989, 72). Die lexikalischen Folgen des Sprachkontakts werden in Form von Germanismen im Italienischen dokumentiert, wobei auf lautliche Adaptierungen sowie semantischen Wandel eingegangen wird (cf. Vollst. Wb., vol. 1, XI–XII). Ein eigener Beitrag Valentinis zur Dokumentation des germanischen Wortschatzes liegt in der Sammlung von «un mezzo migliajo d’altrettali Vocaboli», die jedoch nicht publiziert, sondern auf die lediglich verwiesen wird (cf. Vollst. Wb., vol. 1, XII). Die strukturellen Veränderungen, die zur Herausbildung von Präpositionen und Artikeln als Folge der Schwächung der Nominalmorphologie (cf. Vollst. Wb., vol. 1, XIII–XIV) bzw. zu zusammengesetzten Zeitformen im Bereich der Verbalmorphologie führen (cf. Vollst. Wb., vol. 1, XXXIV–XXXV), werden mit Schlegel als Übergang von synthetischen zu analytischen Sprachen beschrieben. Die Korruption der lateinischen Futurformen wird ausführlich erklärt und durch die formale Schwäche der Formen, soziolinguistische sowie interlinguale Faktoren erklärt: «Il Futuro delle due prime conjugazioni de’ Latini amabo, docebo, avea troppo somiglianza coll’Imperfetto amabam, docebam; non meno somigliante si era il Futuro della terza e quarta conjugazone legam, leges, audiam, audies, col Conjuntivo presente legam, legas, audiam, audias, quindi facile a confondersi da popoli rozzi quali erano la maggior parte di quei barbari, e forse gl’ Italiani tutti d’allora. Un’ altra circostanza si è pur quella, che le nazioni Germane non avendo un Futuro semplice […], difficilissimo quindi esser dovea loro di distinguerlo, e d’impiegarlo». (Vollst. Wb., vol. 1, XXXIV–XXXV)
Diese Ausführungen zeigen, dass Valentini sich auf der Höhe der Ansätze seiner Zeit bewegt, ohne jedoch einen originellen Beitrag zu leisten. An zwei Stellen äußert sich der Römer zu Fragen, die in der beginnenden Romanistik des frühen 19. Jahrhunderts noch kontrovers diskutiert werden. Die eine betrifft die Entwicklung der italienischen Substantivformen, die sich für Raynouard und auch für Diez in Die Poesie der Troubadours aus den lateinischen Akkusativformen ableiten. Valentini vertritt dagegen die aus heutiger Sicht zu verneinende These, die Formen hätten sich aus dem Ablativ entwickelt, «essendo un caso spessissimo impiegato» (Vollst. Wb., vol. 1, XVII, n. 1). Er führt diese anhand zahlreicher Quellenbeispiele¹² aus dem 8.–10. Jahrhundert aus (Vollst. Wb., vol. 1, XV–XVII). 12 Für die herangezogenen Quellen cf. die Abbreviazione de’ Documenti, Codici, e Parpiri in questa Dissertazione citati am Ende der Abhandlung, Vollst. Wb., vol. 1, LXVIII. Neben den von Muratori zitierten Quellen handelt es sich größtenteils um weitere bereits edierte spätantike bzw.
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Die größere Kontroverse mit Raynouard betrifft die Frage, ob das Italienische zusammen mit den anderen romanischen Sprachen, wie von Raynouard postuliert, nicht direkt aus dem Latein, sondern aus einer einheitlichen lingua romana als Zwischenstufe hervorgegangen sei, die Raynouard mit der Sprache der Troubadours gleichsetzt. Diese These wird allerdings nicht belegt: «non si dà dimostrazione alcuna, se non appunto che, se il provenzale è la lingua romana, poiché quest’ultima è l’unica lingua volgare di cui si abbia ricordo per l’alto medioevo ne consegue che è la lingua madre della famiglia romanza» (Varvaro 1968, 35). Valentini stellt mit Schlegel, der Raynouard 1818 in den Observation sur la langue et la littérature provençales widersprochen hatte, fest, dass es bisher nicht möglich sei, Raynouard zu widerlegen: «non [si può] con argomenti positivi rifiutare l’opinione del Renuardo nulla esistendo in Lingua Volgare, che provar possa qual Lingua in Italia parlata fosse prima del XII o XIII secolo» (Vollst. Wb., vol. 1, XV). Die Dissertazione ist vor allem von der Motivation getragen, diese Dokumentationslücke für die Frühgeschichte des Italienischen zu schließen und Belege beizubringen, die den direkten Übergang des volgare in Italien aus dem Lateinischen bezeugen und Folgendes zeigen: «che in Italia dall’ VIII secolo in poi, e forse prima, una Favella parlata veniva non gran fatta da quella del secolo XIII discosta» (Vollst. Wb., vol. 1, XV). Spuren, die die Existenz eines eigenen Italo-Volgare (Vollst. Wb., vol. 1, XVIII) in dieser Zeit belegen, findet Valentini im Latein von Inschriften und dem der unter Fußnote 12 angegebenen Quellen, das bereits klare Züge des späteren Italienischen in sich trägt. Dieser Ansatz ist jedoch nicht neu – die Jagd auf entsprechende Zeugnisse in Italien beginnt bereits im 18. Jahrhundert als Reaktion auf die Zirkulation der Straßburger Eide in Frankreich (cf. Marazzini 1989, 78–79) – und Valentini kommt kaum über die Befunde Muratoris hinaus, dessen Abhandlung «tante presenze affioranti del volgare in un contesto latino» enthält (Marazzini 1989, 81). Die entsprechenden strukturellen und lautlichen Abweichungen vom klassischen Latein in den Texten sowie die Konsistenz des Lexikons werden von Valentini anhand zahlreicher Beispiele ausführlich beschrieben (cf. Vollst. Wb., vol. 1, XV–XXVII).¹³
frühmittelalterliche Gebrauchstexte: die Documenti Lucchesi, den Codex diplomaticus civitatis, et ecclesiae Bergomatis, die Papiri diplomatici dell’ abate I Marini, den Codice diplomatico Sant’ Ambrosiano d’Angelo Fumagalli, den Codice diplomatico Toscano di F. Brunetti, die Codici Ravennati sowie die Italia Sagra. 13 Die sprachlichen Analysen scheinen originell und von Valentini selbst durchgeführt zu sein. Wo er sich auf Vorarbeiten stützt, zeigt er ein feines philologisches Gespür für relevante Phänomene, etwa, wenn er mit Muratori auf soprannomi als Beleg von expressivem Sprachgebrauch eingeht (cf. Vollst. Wb., vol. 1, XVIII). Auf ihre Bedeutung weist auch die moderne Linguistik hin, cf. z. B. Marazzini (1989, 82 und 1999, 122).
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Als weiteren Argumentationsschritt gegen Raynouard führt Valentini die Keltenthese an. Oberitalien sei bereits früh keltisch besiedelt gewesen, die in den entsprechenden Gebieten gesprochenen Ausprägungen des Keltischen hätten sich bedingt durch das milde Klima und den Sprachkontakt im Süden anders entwickelt: «Non è quindi da dubitare, che il Linguaggio di costoro, […], mescolato con quello degl’ indigeni, sotto un bel cielo, in un clima sì moderato, prendesse terminazioni meno aspre e rozze» (Vollst. Wb., vol. 1, XXIX). Aus diesem Substrat seien viele Wortschatzeinheiten, die gemeinhin als Provenzalismen interpretiert würden, direkt ins italo-volgare übergegangen (cf. Vollst. Wb., vol. 1, XXX–XXXI).¹⁴ Ausgehend von der Lemmastrecke Ba- bis Bu- des keltischen Wörterbuchs von Bullet wird für eine Reihe von Lexemen des Italienischen eine keltische Herkunft postuliert (cf. Vollst. Wb., vol. 1, XXXI–XXXII).¹⁵ Die Konservativität des Italienischen betonend – «alcuna [lingua] seguì tanto d’appresso la madre, quanto la nostra Italiana» (Vollst. Wb., vol. 1, XL) – widerspricht Valentini der These des Altokzitanischen als allgemeiner lingua romana zumindest für Italien. Für die romanischen Sprachen nördlich der Alpen räumt er eine mögliche Existenz dieser Übergangssprache ein bzw. gibt an, sich nicht weiter mit dem Ursprung dieser Sprachen befassen zu wollen (cf. Vollst. Wb., vol. 1, XLI, n. 2) und weicht damit von Perticari ab, der unabhängig von Raynouard eine für die gesamte Romania gültige einheitliche Sprache zur Zeit Karls des Großen annimmt, die sich aus dem Vulgärlatein herausgebildet habe und für ihn grö-
14 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts zirkulieren diverse Theorien zur vorrömischen Besiedlung Italiens. Valentini orientiert sich an Ginguené, den er – was aus heutiger Sicht unreflektiert erscheint – auch anerkennend zitiert (cf. Vollst. Wb., vol. 1, XXIX, n. 16). Dieser hatte in der Einleitung zu seiner Geschichte der italienischen Literatur von 1811, unter Rückgriff auf die Kelthen-Skythenthese von Pelloutier und Bullet, beschrieben, wie sich die Kelten in vorrömischer Zeit von Norden her zunächst südlich der Alpen, dann auch in etruskischem, oskischem und sabinischem Siedlungsgebiet niedergelassen hätten und schließlich mit den aus dem Süden vordringenden Griechen zu einem neuen Volk, dem der Latiner, verschmolzen seien und zur Herausbildung von dessen Sprache, dem Latein, beigetragen hätten (cf. Marazzini 1989, 114–116; zu den unterschiedlichen Ausgaben der Histoire littéraire d’Italie cf. Marazzini 1989, 114, n. 45). Durch die Völkerwanderungen habe sich das Latein erneut mit dem Keltischen vermischt: «cette même langue latine qui, après un si beau règne, terminé par un long et triste déclin venoit s’amalgamer encore une fois avec le celtique, source comune des dialectes barbares des Goths, des Lombards, des Francs et des Germains, pour devenir peu de temps après, la langue de Dante, de Pétrarque, et de Boccace» (Ginguené, zitiert nach dem Vollst. Wb., vol. 1, XXX, n. 16). 15 Valentini räumt in einer Fußnote ein, dass es sich bei seinem Ansatz lediglich um eine These handele, da man zum Keltischen bisher zu wenig wisse (cf. Vollst. Wb., vol. 1, XXXI, n. 1). Für die Liste der vermeintlichen Keltizismen erweist sich die Etymologie aus heutiger Sicht in vielen Fällen als falsch bzw. unklar, z. B. für borgo (für Valentini von kelt. bouellou), bottone, burlare.
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ßere Ähnlichkeit zum Italienischen aufweist.¹⁶ Um seiner Interpretation gegen die Autorität Raynouards das nötige Gewicht zu verleihen, schließt Valentini den Argumentationsgang mit einem sich über vier Seiten erstreckenden Zitat aus A. W. Schlegels Observations (cf. Vollst. Wb., vol. 1, XLI–XLIV) und endet mit einem Appell zur Erschließung weiterer Quellentexte: «Il nostro ardente desiderio si è, che questa Dissertazione, o sbozzo, animar possa i nostri compatriotti [sic!]¹⁷ a fare più diligenti ricerche ne’ codici e documenti antichi, ove del certo la Favella del duecento sparsa si trova, e si persuaderanno ch’ essa quasi tale vivea più secoli prima del suo apparire in iscritto». (Vollst. Wb., vol. 1, XLIV)
Trotz der teilweise nationalistischen Motivation der Dissertazione, das Italienische weiter zu erforschen, um so seine Stellung neben dem Provenzalischen als Kultursprache zu stärken, die aus diesem Appell hervorklingt – und die allgemein die Beschäftigung mit Sprache im frühen 19. Jahrhundert prägt –, ist das philologische Gespür Valentinis, das sich darin zeigt, anzuerkennen. Er hat erkannt, dass nur eine Ausweitung des Quellenstudiums die Erkenntnisse zur Herausbildung der romanischen Sprachen voranbringen kann (zu dessen Bedeutung für die Geschichte der romanischen Sprachwissenschaft cf. Lüdtke 1989, 4) und leistet hier trotz einiger Fehlinterpretationen einen Beitrag. In seinen Ausführungen zum Italoromanischen geht er immer wieder auch auf regionale und dialektale Unterschiede ein.¹⁸ Der Römer untermauert seine Thesen durchgängig mit gründ-
16 Cf. Perticari (1820, 102–106). Die These hatte Perticari bereits zwei Jahre zuvor, in der ebenfalls in Montis Proposta erschienenen Abhandlung Degli scrittori del Trecento e de’ loro imitatori vertreten. Erst danach hatte er Raynouard gelesen, auf den er dann in Dell’amor patrio di Dante 1820 Bezug nimmt (cf. Perticari 1820, 94; cf. auch Vitale 1986a, 393–396; Marazzini 1989, 190–195 und Marazzini 1999, 153). Innerhalb der italienischen Auseinandersetzung mit der Frage nach der Herausbildung der romanischen Sprachen steht Valentini näher an der Position des Romantikers Ludovico di Breme, auch wenn er diesen nicht rezipiert zu haben scheint bzw. ihn zumindest nicht erwähnt. Auch Breme hatte intensiv A. W. Schlegel studiert und lehnt mit diesem die These einer lingua romana comune ab. Den Übergang vom synthetischen Latein zum analytischen Italienischen sieht Breme durch den germanischen Einfluss in Folge der Völkerwanderungen begründet. Wie für Valentini, der das Italienische zumindest ästhetisch dem Latein überlegen sieht (cf. Vollst. Wb., vol. 1, XLIII), so nähern sich auch für Breme die Sprachen mit der Zeit der Perfektion an (cf. Marazzini 1999, 156–158; ausführlicher zu Breme cf. Marazzini 1989, 204–214). 17 Diese Variante ist im frühen 19. Jahrhundert weit verbreitet. 18 Cf. z. B. den Absatz zu den Verben, wo er die Besonderheiten der Futurbildung thematisiert: «Osserveremo però che alcuni Italiani, in ispezie i Toscani, molti Romani, e tutti i Napolitani non seguono l’eufonico cambiamento dell’ a in e; quelli amArò, amArei etc. dicendo, e questi, amAraggio, amArria etc.» (Vollst. Wb., vol. 1, XXXIX, n. 2), wobei allerdings nicht ganz klar ist,
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lichen Textstudien, wobei er sich überwiegend nicht auf eigene Archivrecherchen, sondern auf bereits publizierte bzw. bei anderen Autoren besprochene Quellen stützt. Valentinis Arbeitsweise zeichnet sich durch einen sorgfältigen Umgang mit den Ausgangstexten, präzise Zitate und genaue Referenzen darauf aus. Wie Perticari, der Raynouard liest, oder die Romantiker, die sich intensiv mit Schlegel auseinandersetzen, rezipiert Valentini die grundlegenden Arbeiten zur Romanistik außerhalb Italiens und versucht, sie in die italienische Debatte einzubringen. Ebenso werden italienische Veröffentlichungen und Ansätze einem deutschen Gelehrtenpublikum bekannt gemacht. Wie für die Lexikographietheorie zeigt sich in der Person Valentinis auch für die junge Disziplin der Sprachgeschichtsschreibung, dass es jenseits der bekannten Autoren Nebenfiguren gegeben hat, die eine Mittlerfunktion zwischen den beiden nationalen Traditionen einnehmen. Zur Ergänzung der Frühgeschichte der Romanistik bezüglich wichtiger Fragestellungen, Methoden und Themen ist es wichtig, auch solche kleineren Texte und weniger rezipierten Autoren einzubeziehen. «Zu größerer Präzision kann man hier nur kommen, wenn die personen- und die methodenbezogene Betrachtung ergänzt werden durch eine ins einzelne gehende Analyse der wichtigen Thesen und Aspekte einer Theorie. Dafür können neben den großen und über die Zeiten hin berühmt gebliebenen Werken auch die anderen Schriften der betreffenden Autoren oder die ihnen bekannten Schriften anderer Autoren herangezogen werden […]. Zumindest für diejenigen Thesen, die in einer wissenschaftsgeschichtlichen Darstellung als Orientierungspunkte genannt werden sollen, ist eine solche breiter angelegte Untersuchung erforderlich». (Rettig 1976, 266)
In dieser Richtung auch auf die Arbeiten von Autoren zweisprachiger Wörterbücher zurückzugreifen fordert bereits Hausmann 1987b. Das Beispiel des französisch-lateinischen Wörterbuchs von Pierre Danet (1673–1691) heranziehend führt er aus, wie diese Praktiker insbesondere in den Vorwörtern ihrer Wörterbücher Aussagen zur Diachronie machen oder originelle, von den großen Schulen abweichende Positionen in sprachlichen Diskussionen vertreten. Für den Beitrag Valentinis sei ergänzt, dass mit der unmittelbar der praktischen Grammatik vorangestellten Abhandlung über die Entstehung des Italienischen die häufig in der Zeit beobachtete Trennung zwischen Sprachpraxis (synchron, beschreibend) und Sprachwissenschaft (diachron) aufgehoben wird. Wie in Kapitel 4.5.2 bereits erwähnt, wurde die Dissertazione im Gutachten Karl Lachmanns zur Befähigung Va-
auf welchen toskanischen Dialekt Valentini sich bezieht. Für das Florentinische ist der Übergang von ar in er charakteristisch.
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lentinis als Universitätsprofessor als für zukünftige Forschungen zu beachtende Arbeit zur italienischen Sprachgeschichte gelobt. An die eigentliche Dissertazione schließt sich eine Appendice, in cui si dà una nozione degli Scrittori, e de’ progressi dell’Italiana Favella nei primi quattro secoli an, in der knapp auf die wichtigsten italienischen Autoren des 13. bis 16. Jahrhunderts eingegangen wird (cf. Vollst. Wb., vol. 1, XLV–LXVIII). Innerhalb dieses Textes lässt sich ein Bruch zwischen dem ersten Kapitel, über die Autoren des Duecento, und den folgenden Kapiteln feststellen, der eine Erklärung in der Anmerkung Valentinis findet, er habe zunächst nur eine nähere Ausführung zu eben jenen frühen Autoren geplant (cf. Vollst. Wb., vol. 1, XLV, n. 1). Während die Kapitel zum Tre- und besonders zum Quattro- und Cinquecento eine weitgehend tatsachenbezogene, lineare Übersicht der literarischen Produktion der jeweiligen Jahrhunderte darstellen, ist der Abschnitt zum Duecento im Wesentlichen eine Zusammenfassung von Perticaris Dell’amor patrio di Dante¹⁹ mit dem Ziel, das Primat des Florentinischen zu widerlegen und die Herausbildung eines volgare illustre zu belegen, «non da un solo dialetto, ma dalla universale Favella, e fondato da tutti gli eccellenti Italiani» (Vollst. Wb., vol. 1, XLVI).²⁰ Diese Vorstellung eines italiano comune entspricht der Sprachauffassung, die auch in der Raccolta vertreten wird (cf. Kapitel 6.2.1). Sich mit Perticari auf Dantes De vulgari elquentia stützend führt Valentini aus, wie sich in den ersten hochrangigen literarischen Zeugnissen des Italienischen, den Dichtungen der Scuola siciliana, das volgare cortigiano dort manifestierte, wo Gelehrte aus ganz Italien am Hofe Friedrichs II. versammelt waren: «non iscrissero ne’ volgari dialetti loro, bensì in quella Lingua d’Italia, che già appellar si potea Cardinale ed Illustre» (Vollst. Wb., vol. 1, XLVIII). Mit der Interpretation der Sprache der Sizilianer unterliegt Valentini dem gleichen Irrtum wie Perticari – und bereits Dante –, dem nicht bewusst war, dass er ihre Texte in einer von den Kopisten über die Zeit toskanisierten Form las (cf. Marazzini 1999, 154–155). Dieser Irrtum wird bei Valentini besonders deutlich, wo er ein Gedicht in weniger toskanisierter Ausgabe widergibt und sich für die «rozzezza delle espressioni» entschuldigt (Vollst. Wb., vol. 1, XLVII, n. 13).
19 In einer Fußnote zu seinen Quellen gibt Valentini auch explizit an, «l’aurea Apologia del C. G. Perticari » (Vollst. Wb., vol. 1, XLVI, n. 4) nicht selten herangezogen und zitiert zu haben. Ausführlicher zu Perticari cf. Marazzini (1989, 188–204) und Di Martino (1997). 20 Die Heranziehung von Dantes Traktat De vulgari eloquentia zur Widerlegung einer Vormachtstellung des Florentinischen und zur Untermauerung eines Koine-Modells beginnt bereits mit seiner Widerentdeckung durch Giangiorgio Trìssino im 16. Jahrhundert. Im 18. Jahrhundert wird es besonders durch Gravina (cf. Vitale 1984, 234), Muratori, Denina und Cesarotti weiter herangezogen (cf. auch Marazzini 1989, 189).
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«Guidati dal zelante apologista dell’Alighieri» (Vollst. Wb., vol. 1, XLIX), Perticari, folgt Valentini der Reise Dantes durch Italien auf der Suche nach weiteren Spuren der genannten «Lingua d’Italia». Dantes Traktat wird, in italienischer Übersetzung, ausführlich zitiert, wobei Belegstellen ähnlich gewählt sind und sich der Wortlaut häufig dem Perticaris annähert.²¹ Nahezu wörtliche Übernahmen von Perticari finden sich auch an anderen Stellen, z. B. im Abschnitt zu Franz von Assisi.²² Zu den einzelnen Dichtern, die Valentini mit Dante-Perticari vorstellt, werden, zumeist in Fußnoten, Textausschnitte, Hinweise zu den Autoren und den Texteditionen sowie Referenzen auf Arbeiten, die sich mit ihnen befassen, angegeben. Die Quellen, auf die sich Valentini stützt, sind neben Perticari die Werke Giovan Mario Crescimbenis, die von Lodovico Valeriani in drei Bänden herausgegebene Anthologie Poeti del primo secolo della Lingua Italiana (1816) und die Raccolta di Rime antiche Toscane (1817). Mehrmals wird, wie es in der Argumentation für ein italiano comune Tradition hat, außerdem Trìssino zitiert (cf. z. B. Vollst. Wb., vol. 1, XLVII, n. 14; XLVIII, n. 17). Valentini schließt den ersten Abschnitt mit einer Zusammenfassung des Sprachzustands des Duecento, die an die zuvor in der Dissertazione beschriebenen Entwicklungsstufen des italo-volgare anknüpft. Durch die enge Anlehnung an die Argumentation Perticaris in diesem ersten Teil des Appendice ist ein gewisser Widerspruch zur Dissertazione spürbar, in der Perticari nur beiläufig als Referenz angegeben worden war. In der Dissertazione hatte Valentini gegen die These einer allgemeine lingua romana argumentiert, die er nun annehmen muss. Die Haltungen schließen sich jedoch insofern nicht aus, als Valentini sehr wohl von einer allgemeinen, überregionalen Basis der lingua volgare für Italien ausgeht, und lediglich deren Gültigkeit außerhalb Italiens, wie Perticari sie postuliert, nicht weiter verfolgt. Der erste Teil des Appendice ist im Rahmen der italienischen Sprachgeschichtsschreibung eine interessante Ergänzung zur Rezeption Perticaris außerhalb von Italien, bevor dessen Einschätzung
21 Cf. z. B. einen Ausschnitt aus De Vulgari eloquentia I, 12 auf S. XLVI: «In quel tempo tutto ciò, che gli eccellenti Italiani componevano tutto primamente usciva dalla corte di sì gran re, […]». Bei Perticari liest man: «in quel tempo, tutto ciò che gli eccellenti italiani componevano, tutto primamente usciva alla corte di sì alti Monarchi, […]» (Perticari 1820, 73). Die gleiche Stelle aus Dantes Traktat wird in ähnlicher Übersetzung jedoch auch von anderen zeitgenössischen Autoren widergegeben, cf. z. B. Maffei (1824, vol. 1, 24): «in quel tempo tutto ciò che gli eccellenti Italiani componevano, tutto parimente usciva alla corte di sì alti monarchi». 22 Perticari schreibt: «Cercando adunque esso volgare per gli Stati Romani, ci viene pel primo innanzi Moriconi d’Assisi: ch’ indi fu detto Francesco, e fu santo, e patriarca d’innumerabile famiglia […]» (Perticari 1820, 227). In Valentinis Appendice liest man: «Cercando per gli stati Romani, ci viene pel primo innanzi Giovanni Moriconi d’Assisi: ch’ indi fu detto Francesco, e fu santo, e patriarca d’innumerabile famiglia; […]» (Vollst. Wb., vol. 1, XLVIII).
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bezüglich der Sprache der Scuola Siciliana 1830 von Galvani – den Valentini offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen hatte – widerlegt wurde (cf. Marazzini 1989, 188–204). Mit den großen Autoren des Trecento, den «primi padri dell’Italiana Favella» (Vollst. Wb., vol. 1, LIX), Dante, Petrarca und Boccaccio, sei das italienische volgare schließlich erhoben worden «all’altezza della madre Latina» (Vollst. Wb., vol. 1, LIX). Als wichtigster der drei großen Dichter wird Dante erachtet, «COLUI che a tanto era destinato; […] cogli esempj, e gli avvertimenti suoi, da alto sapere dettati, si mise a riprovare tutti i Volgari d’Italia, e a fondare la Lingua aulica, cortigiana, o illustre, il più bel fiore da ognuna cogliendo, e il rimanente al volgo lasciando» (Vollst. Wb., vol. 1, LVIII). Valentini stellt ihn hier nicht in erster Linie als Autor der Commedia, sondern, die eigene Sprachauffassung untermauernd, über seinen theoretischen Beitrag zur Sprache dar. Ausführlich wird aus De vulgari eloquentia, der Vita nuova und dem Convivio zitiert (cf. Vollst. Wb., vol. 1, LX–LXIII), bevor auch für das Trecento weitere wichtige Autoren aufgezählt werden. Zur Vertiefung verweist Valentini erneut auf Crescimbeni und Perticari, auf Allacci, Mazzucchelli (cf. Vollst. Wb., vol. 1, LXIV) und die Literaturgeschichte von Giuseppe Maffei (cf. Vollst. Wb., vol. 1, n. 49). An anderer Stelle wird ausführlich Bezug auf Tiraboschi genommen (cf. Vollst. Wb., vol. 1, LXVI, n. 1). Im Folgenden enthält Valentinis Text kaum weitere Verweise. Für das Quattrocento geht er auf die Bedeutung der Erfindung des Buchdrucks ein, lobt die Leistungen des Humanismus, aber erinnert auch an die Gefahren der Wiederentdeckung von Latein und Griechisch für das Italienische. Als herausragende Persönlichkeiten werden u. a. Lorenzo de’ Medici, Angiolo Poliziano, Pico della Mirandola, Luigi Pulci, Boiardo, Savonarola, Leonardo da Vinci genannt (cf. Vollst. Wb., vol. 1, LXIV–LXV). Im 16., von Valentini als maraviglioso (Vollst. Wb., vol. 1, LXVI) bezeichneten Jahrhundert, kommt es in Italien zur höchsten kulturellen Blüte und zu einer überaus reichen literarischen – im weitesten Sinne – Produktion in italienischer Sprache. Nach Gebieten und literarischen Genres geordnet werden die wichtigsten Autoren und Werke aufgelistet, für die Geschichtsschreibung etwa Machiavelli, Guicciardini, Adriani, Bembo, Paruta, Varchi, Vasari, Borghini u. a. Die Zusammenstellung der Autoren deckt sich weitgehend mit dem Crusca-Kanon der vierten Ausgabe. Auffällig ist auch an dieser Stelle die sprachliche Anlehnung an die Akademie, etwa im oben zitierten Abschnitt zu Dante («il più bel fiore […] cogliendo»; cf. auch Fußnote 2 in Kap. 6). Diese Entlehnungen, teilweise sicher polemisierend, stehen im Widerspruch zur von der Crusca abweichenden Sprachauffassung. Anknüpfend an die Darstellung der Autoren schließt sich dann die Vorrede zum eigentlichen Wörterbuch an, wo Valentini einleitend beschreibt, wie Anfang
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des 16. Jahrhunderts erstmals versucht wird, die Sprache der großen Autoren in Regeln zu kodifizieren.
7.1.1.3 Die Vorrede Diese Vorrede in elf Paragraphen (Vollst. Wb., vol. 1, LXIX–LXXXI), die sich sowohl an den italienischen als auch an den deutschen Benutzer richtet, ist sehr ausführlich. Valentini zeichnet, von der Questione della Lingua des Cinquecento ausgehend, zunächst detailliert die Geschichte der italienischen Lexikographie von den Anfängen in diesem Jahrhundert bis zum Erscheinen des Wörterbuchs von Bologna ab 1819 nach (§. 1–6). Es folgt eine knappe Übersicht der deutschen Wörterbücher ab der Mitte des 18. Jahrhunderts, der sich ein Panorama der zweisprachig italienisch-deutschen Wörterbücher anschließt (§. 7).²³ Dieses geht wiederum in die Darstellung von Valentinis eigener lexikographischer Praxis über (§. 7–11), die in dieser Arbeit in einem separaten Kapitel zur Entstehung und Konzeption des Valentinischen Wörterbuchs (cf. Kap. 7.2) abgehandelt wird. Der Autor reiht sich somit selbst in die Geschichte der Lexikographie ein. Präzise Wörterbuchbenutzungshinweise fehlen. Ebenfalls zweisprachig, wenngleich für den italienischen Nutzer von geringerem Interesse, sind die folgenden «Bemerkungen über die Stellung des Accents in den italienischen Wörtern» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXXI–LXXXIV), in denen allgemeine Hinweise zur italienischen Aussprache gegeben und die entsprechende Kennzeichnung an den Lemmata im Wörterbuch erklärt werden (cf. zu Hinweisen zur Aussprache Kapitel 7.5.2). Es schließt sich ein sehr ausführliches Verzeichnis der im Wörterbuch verwendeten Abkürzungen an (Vollst. Wb., vol. 1, LXXXIV–LXXXVI; cf. Kapitel 7.5.4). In der Ausführlichkeit des Vorworts, der detaillierten Erklärung der befolgten Grundsätze und dem präzisen Abkürzungsverzeichnis, in den metalexikographischen Erklärungen also, liegt ein großer Fortschritt Valentinis gegenüber den zweisprachigen Vorgängerwörterbüchern, der bei der Benutzung des Wörterbuchs, trotz des Fehlens expliziter Benutzungshinweise, einen erheblichen Unterschied ausmacht und die lexikographische Reflexion Valentinis belegt. Die zahlreichen Verweise auf frühere lexikographische Werke sowie Abhandlungen und Studien zur deutschen und italienischen
23 In älteren Wörterbüchern finden sich häufiger solche «major excursions on the history of lexicography» (Kromann/Riiber/Rosbach 1991, 2715); auch in modernen Wörterbüchern ist im Vorwort eine «Einordnung des Wörterbuchs in die bestehende Wörterbuchlandschaft» (Engelberg/Lemnitzer 4 2009, 137) möglich.
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Sprache zeigen, welch eingehende Beschäftigung mit den Sprachen dem Wörterbuch zugrunde liegt.²⁴
7.1.1.4 Das Dizionario ortografico di Nomi Proprii e di Geografia universale Der italienisch-deutsche Teil schließt im Nachspann des zweiten Bandes mit einem Dizionario ortografico di Nomi Proprii e di Geografia universale, antica e moderna (Vollst. Wb., vol. 3, 1323–1392). Jeder Wörterbuchautor hat die Entscheidung zu treffen, wie er bei der Verzeichnung von geographischen Bezeichnungen und Personennamen verfährt. Während bereits Rigutini/Bulle und auch heutige Wörterbücher sie zumeist in den regulären Lemmabestand einordnen (cf. z. B. PONS, 13), ist es in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts üblich, ein getrenntes Verzeichnis einzufügen. Von Valentinis unmittelbaren Vorgängern enthalten etwa Flathe (1782), Borroni (1793), Heucke (1806) und Filippi (1817) entsprechende Verzeichnisse (zu den drei erstgenannten cf. Bruna 1983, 54; 66–67; 136; in Filippi 1817 cf. vol. 2, 651–658). Diese Praxis hängt auch damit zusammenhängen, dass Eigennamen aus Fremdsprachen bei der Verwendung in anderssprachlichen Texten nahezu konsequent in diese übersetzt bzw. zumindest adaptiert wurden.²⁵ Wie seine Vorgänger entscheidet sich Valentini für ein getrenntes Verzeichnis²⁶ und hält es in der Vorrede zu diesem Dizionario ortografico di Nomi Proprii e di Geografia für «fast unnütz hier beweisen zu wollen, wie sehr die beiden gebildeten Nationen eines reichhaltigeren und genügenderen Wörterbuchs sowohl der Personen, als besonders der
24 Wörterbuchvorwörter als «Reflex des Lexikographieverständnisses und des metalexikographischen Problembewußtseins ihrer Verfasser» (Herberg 1989, 750) sind ein Kennzeichen der großen, mehrbändigen Wörterbücher des 18. und 19. Jahrhunderts. In ihnen wird «der Begründung der jeweiligen Praxis und der weitläufigen Problemerörterung in Auseinandersetzung mit Vorläufern und Zeitgenossen – oft in Form veritabler Abhandlungen – breiter Raum gegeben» (Herberg 1989, 750). Aus der Perspektive moderner Metalexikographie erfüllen die Angaben solcher Vorwörter die wichtigsten Anforderungen an eine Vorrede für Fachleute, die Informationen zu konzeptionellen Überlegungen, Traditionsbezügen, Kriterien der Lemmaauswahl oder Wörterbuchbasis enthalten sollten (cf. Herberg 1989, 752; cf. auch Engelberg/Lemnitzer 4 2009, 138). 25 Bereits Valentini beobachtet, dass «in unsern Tagen der entgegengesetzte Gebrauch, die fremden Namen unverändert beizubehalten, vorherrschend zu werden scheint» (Vollst. Wb., vol. 3, 1326). Zu Personen- und Ortsnamen in modernen zweisprachigen Wörterbüchern cf. auch Marello (1989, 40), zu Personennamen in deutschsprachigen Wörterbüchern Seibicke (1983), zu Ortsnamen Greule (1984). 26 Einige wenige Bezeichnungen finden sich dennoch auch im regulären Wörterbuchteil eingeordnet, so z. B. Roma (mit der Angabe Nome pr.), romano; tedesco.
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geographischen Namen bedürfen» (Vollst. Wb., vol. 3, 1325).²⁷ Die in fünf Paragraphen gegliederte Vorrede ist sowohl in deutscher als auch in italienischer Sprache verfasst, wendet sich jedoch mit Hinweisen zu den italienischen Eigennamen vorwiegend an den deutschen Benutzer. Gegenüber den vorigen Wörterbüchern, die, so Valentini, lediglich knapp 300 Personen- und rund 500 geographische Namen verzeichnen, habe er eine «ungemeine Vermehrung» (Vollst. Wb., vol. 3, 1325) auf 2000 Personennamen und 12 000 geographische Bezeichnungen vorgenommen.²⁸ Als Grund für die Vermehrung gibt er die Vielzahl von Varianten an, die sich im Italienischen über die Jahrhunderte für Eigennamen aus anderen Sprachen herausgebildet habe, und die für den nicht muttersprachlichen Leser eines italienischen Textes die Grundform oft nicht mehr erkennen ließen, «und welche daher unfehlbar in einem Wörterbuche, das als Führer zweier Nationen dienen soll, gesammelt und erklärt werden müssen» (Vollst. Wb., vol. 3, 1326).²⁹ Als Beispiele führt Valentini Varianten von Orts- und Personennamen bei Schriftstellern und Historikern des 14. bis 19. Jahrhunderts an. Für das 14. Jahrhundert
27 Dass ein solches Verzeichnis von zeitgenössischen gelehrten Benutzern nachgefragt wurde, zeigt eine Rezension des Petrarca-Übersetzers Förster zu den ersten beiden Bänden des Valentinischen Wörterbuchs. Er schreibt: «Sollen wir noch einen Wunsch für die Folge des Werks beifügen; so ist es der, dass es dem Verfasser gefallen möge, in einem Anhange zu dem Ganzen ein möglichst vollständiges Verzeichniss der abweichenden geographischen Namen zu geben. Herr V. weiss es gewiss aus eigener Erfahrung, welche Noth dieselben selbst dem Kundigeren oft machen» (Förster 1833a, 259–260). Valentini zitiert die Passage im Vorwort zum Namensverzeichnis, cf. Vollst. Wb., vol. 3, 1326, n. 2. 28 Es wird nicht präzisiert, ob jeweils nur italienische bzw. deutsche, oder aber die Zahl der Bezeichnungen in beiden Sprachen gemeint sind. Das italienisch-deutsche Verzeichnis der Personennamen umfasst 36 Spalten mit rund 2000 Einträgen, das deutsch-italienische mit 30 Spalten etwas weniger. Valentinis direkter Vorläufer Filippi enthält im italienisch-deutschen Teil rund 240, im deutsch-italienischen etwa 120 Personennamen. Der Umfang der geographischen Bezeichnungen beläuft sich bei Valentini auf 147 Spalten mit rund 7000 Einträgen im italienischdeutschen und 186 Spalten mit etwas mehr Einträgen im deutsch-italienischen Teil. Filippi hingegen verzeichnet auf 12 Spalten ca. 500 italienische und auf ebenfalls 12 Spalten etwas weniger deutsche Einträge. Hierbei handelt es sich um Überschlagswerte, die jedoch den von Valentini im Vorwort angegebenen Umfang in etwa bestätigen. 29 In ähnlicher Weise wird auf der Folgeseite bezüglich veralteter Varianten ausgeführt: «Die Zeit hat sie uns entfremdet; aber es bleibt darum nicht minder die Sache der Philologen und Lexikographen, uns mit denselben wiederum vertraut zu machen» (Vollst. Wb., vol. 3, 1327, n. 4). Diese Haltung Valentinis bezüglich Varianten, die in einem Wörterbuch nicht fehlen dürfen, um dem fremdsprachlichen Nutzer das Verständnis einer möglichst breiten Zahl von Textsorten aller Zeiten und Stilebenen zu ermöglichen, ist nicht auf Eigennamen beschränkt, sondern fester Teil des lexikographischen Programms, cf. auch Kapitel 7.4.1.2 zur Integration von Varianten im Lemmarium.
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werden Varianten bei Giovanni Villani³⁰, für das 15. Varianten bei Machiavelli und Guicciardini zitiert.³¹ Stellvertretend für das 16. Jahrhundert stehen Bernardo Davanzati, Angelo di Costanzo und Ariosto, für das 17. Bentivoglio, für das 18. Carlo Denina und für das 19. schließlich Carlo Botta. Die Nennung dieser Autoren gibt Auskünfte über Valentinis Lektüren und zeigt, welches Spektrum von Texten er mithilfe seines Wörterbuchs dem deutschen Nutzer erschließen möchte. Nach der Benennung der Gründe für die Vermehrung werden die für die Erstellung des Verzeichnisses befolgten Methoden erklärt. Bezüglich der Personennamen betreffen sie: a) die Angabe von weiblichen Namen, die von der männlichen Form nur durch den finalen Vokal abweichen; b) die Kennzeichnung der Namen als mask./fem.; c) die Kennzeichnung veralteter Formen durch Asterisk sowie Verweise von weniger üblichen Formen auf gebräuchlichere durch vedi; d) Angaben zur Aussprache (das unter c und d beschriebene Vorgehen ist mit der Kennzeichnung der Lemmata im allgemeinen Wörterbuch identisch); e) allgemeine Regeln zur Alteration bei Personennamen, «um unser Wörterbuch nicht noch mehr anzuschwellen» (Vollst. Wb., vol. 3, 1328); f) Hinweise zu Unregelmäßigkeiten und Abwandlungen von Namen durch «im gewöhnlichen Leben sehr gebräuchliche Aphäresis und Apokope» (Vollst. Wb., vol. 3, 1328), wobei die gebräuchlichsten der alterierten und unregelmäßigen Formen im Verzeichnis aufgenommen sind (g). Das Besondere an Valentinis geographischem Verzeichnis, das seinen Umfang ausmacht und es von dem seiner Vorgänger (und Nachfolger) unterscheidet, ist die Aufnahme nicht nur der
30 In einer Fußnote versucht Valentini hier, einige Varianten lautgeschichtlich zu erklären, zunächst Sansogna für Sassonia: «Wenn man annimmt, daß das deutsche Sachsen von den Lateinern in Saxonia umgewandelt wurde; daß in der Volgarsprache das x, außer Gebrauch gekommen, unbestimmt wie ns lautete, und die Endung onia im gewöhnlichen Leben häufig wie ogna gesprochen wird, so werden wir darin den Grund der Abweichung von der regelmäßigen Schreibart Sassonia finden. Soavia statt Svevia wurde wol von demjenigen gebildet, welcher Schwaben mit einem sächsischen b (welches sich dem v nähert) aussprechen hörte. Eben so findet sich Hohens tau f fen verstümmelt in Stuffo wieder, weil der Hauchlaut der H h in Hoh en den Italienern nicht fühlbar war, und nur die letzten beiden Sylben S tau ffen oder Stuffen, wie damals gesprochen wurde, einen deutlich hörbaren Laut hatten» (Vollst. Wb., vol. 3, 1327, n. 4). 31 Kurios ist die Mischung von Deutsch und Italienisch als Metasprache bei der Auflistung der Beispiele, etwa bei denen des 15. Jahrhunderts: «Nomi di Paesi: Arbinga, st. Albenga; Ghiaradadda, st. Ghiara d’Adda; Granopoli, für Grazianopoli, o Grenoble; Ligorno, (Fiorentinismo) für Livorno; […]» (Vollst. Wb., vol. 3, 1327). Zu beachten hier auch die diatopische Markierung von Ligorno sowie im Folgenden von Inghilese für Inglese und Gostanza statt Costanza als Florentinismen.
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«vorzüglichsten Länder und Städte der fünf Welttheile […], sondern auch [der] Gebiete, Flecken, Dörfer, Flüsse, Berge etc., welche irgend eine geschichtliche Wichtigkeit haben; allen diesen Namen haben wir die Provinz, Departement oder Canton hinzugefügt, worin sie liegt». (Vollst. Wb., vol. 3, 1330)
Jedem Eintrag ist in Form einer Abkürzung in italienischer Sprache³² eine kurze Erläuterung beigegeben, ob es sich um eine Stadt, ein Land, eine Insel, ein Volk, ein Dorf etc. handelt, und wo es geographisch zu lokalisieren ist. Dies entspricht dem allgemeinen Trend zu weitergehenden enzyklopädischen Informationen in Außentexten älterer Lexikographie (cf. Cop 1989, 763). Die verwendeten Abkürzungen werden in einem Verzeichnis am Ende des Bandes aufgelöst (Vollst. Wb., vol. 3, 1392). Als Beispiel für die Vielfalt der verzeichneten geographischen Bezeichnungen und ihrer Varianten und die beigefügten Angaben sei die Lemmastrecke Sardegna–Sarsina widergegeben: Sardégna (la), Is. del Mediterran., it. Regno d’Italia, Sardinien. Sardêno (un), o Sardiano, or. di Sarde, Sarder. Sardesco, vedi Sardico. Sárdico, agg. di Sardegna, sardisch. Sardo (un), Or. di Sardegna, Sardinier, Sarde; sardinisch, sardisch. Sardoáti (i), Pop. d’Illiria, Sardoater. Sarepta, C. della Stor. sacra, Zarpath. Sargánte, C. di Svizzera, Sargans. Sargantése (un), Or. di Sargante, Sarganter. Sarghemína, C. d’Alsazia, Saargemünd. Sarluígi, C. della Prussia ren., Saarlouis. Sarmáte (un), Or. di Sarmazia, Sarmat. Sarmático, agg. de’ Sarmati, sarmatisch. Sarmázia (la), P. d’Europa, Sarmatien. Sarmísia, P. di Transilvan., Haczog. Sarna, villaggio di Svizzera, Sarnen. Sarônico (Golfo), nella Grecia, Saronischer Meerbusen. Sársina, C. dello Stato pont., Sarsina.³³
32 Nicht immer werden Siglen verwendet, cf. z. B. folgenden Eintrag: «Samar o Tandaja, una delle Filippine, Samar». 33 Der gleiche Ausschnitt bei Filippi (1817) enthält lediglich zwei Einträge und keinerlei weitere Angaben: Sardègna, Sardinien; – Sardo, ein Sardinier. Sarmàzia, Sarmatien.
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Diskutabel ist sicherlich die Wahl des Italienischen als Metasprache im italienisch-deutschen Verzeichnis. Das Verzeichnis wird vermutlich vornehmlich von deutschen Nutzern zur Herübersetzung konsultiert worden sein, für die deutsche Angaben hilfreicher gewesen wären, auch wenn die verwendeten Siglen transparent und über das beigefügte Abkürzungsverzeichnis mit seiner Übersetzung auch für den deutschen Nutzer problemlos verständlich sind. Es sei vorweggenommen, dass im deutsch-italienischen Verzeichnis der Eigennamen die gleichen, italienischen Siglen Verwendung finden (zum Verzeichnis der Eigennamen im deutschitalienischen Wörterbuchteil cf. das folgende Kapitel). Valentinis Verzeichnis deckt geographische Bezeichnungen und Adjektive aller Weltteile ab, je nach Bekanntheit zu Beginn des 19. Jahrhunderts in unterschiedlicher Ausführlichkeit. Beispiele für geographische Bezeichnungen anderer Kontinente sind Baltimôre, C. degli Stati Uniti, Baltimore. Ôhio (l’), fiume nell’Amer. sett., der Ohio. Panáma, C. di Lima, Panama.³⁴ Topinámbi (i), Pop. dell’Amer. merid., die Topinambus. Quirémba o Querimba, Is. all’ Orient. d’Afr., Quiremba. Sabù, Regno d’Africa, Sabu. Sáfia, o Saffì, C. del Marocco, Saffy. Cin-Jango, C. della China, Ching-Yang. Maratti (i), Pop. dell’ India orient., Maratten. Sidája, C. di Giava, Sidaye. Australásia, Austrália³⁵ (l’), vedi Oceanica. Oceánica (l’), parte del Mondo, Australien, Südindien.
Überproportional vertreten sind verständlicherweise Bezeichnungen von Orten in Italien und Deutschland, und hier auch von kleinen und weniger bekannten
34 Orte, die im Deutschen und Italienischen die gleiche Schreibweise sowie die gleiche lautliche Realisierung aufweisen, werden im geographischen Wörterbuch aus Platzgründen nicht verzeichnet (cf. Vollst. Wb., vol. 3, 1329). Fälle wie Panama werden aufgrund der unterschiedlichen Akzentuierung aufgenommen. 35 Hierbei scheint es sich um einen der frühesten Belege der Bezeichnung des Kontinents als Australia im Italienischen zu handeln. Das Deonomasticon Italicum gibt als Erstbeleg «dal 1858 ca.» (s. v.) an. Das Adjektiv australiano ist im Singular erst 1892 belegt (cf. ebd.), bei der Übersetzung des entsprechenden Lemmas Australier im deutsch-italienischen Teil greift Valentini auf oceánico zurück.
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Ortschaften, insbesondere für Deutschland, da für diese, häufiger als bei italienischen, zwei abweichende Formen in den beiden Sprachen vorliegen. Beispiele sind Borcuma, C. della Frisia Orient., Borkum; lat. Byrchanis, o Fabaria. Marca (la), così viene chiamata per Antonomasia la Marca di Brandeburgo, die Mark (Brandenburg); la Nuova, la Vecchia M., die Neu-, die Altmark. Michelstadio, C. d’Assia, Michaelstadt. Sáuria (la), Prov. di Vesfal., Sauerland. Uccello (Monte), nelle Alpi Rezie, der Vogelsberg.³⁶ Zulllicávia, C. del Brandeb., Züllichau.
Zahlreich auch die Aufnahme historischer Orts- und Volksnamen, z. B. Bisánzio, C. di Tracia, Byzanz; Byzantium. Etrúria (l’), P. ant. d’Italia, Etrurien, Hetrurien; heutzutage: Toskana. Etrúsco (un), Or. di Etruria, Etrurier, etrurisch; it. Hetrurier, hetrurisch; Etrusker, Hetrusker. Ettapôlide (l’), P. d’Egitto, Heptapolis.
7.1.1.5 Weitere Außentexte Der italienisch-deutsche Teil enthält, anders als der deutsch-italienische, keine umfangreichere Wörterbuchgrammatik.³⁷ Vor dem eigentlichen Wörterbuchteil steht hier im ersten Band lediglich ein Abriss über die Conjugationen der regelmäßigen und unregelmäßigen Italienischen Zeitwörter für Deutsche (Vollst. Wb., vol. 1, LXXXVII–CIV), auf den in dieser Arbeit im Rahmen der italienischen Grammatikdarstellung im Wörterbuch eingegangen wird (cf. Kapitel 7.6.1). Im zweiten Band fügt Valentini einen Anhang zum Wörterverzeichnis des ersten Bandes ein (cf. Vollst. Wb., vol. 2, 1235–1322). Dort werden zahlreiche Artikel zu
36 Bei den präzisen Ausführungen zu Uccello, ebenso wie denen zu Marca, stellt sich die Frage, an wen sich diese richten. Beim deutschen Benutzer ist davon auszugehen, dass er den Berg bzw. die preußische Provinz kennt. Bei einem italienischen Benutzer ist es hingegen unwahrscheinlich, dass er den italienisch-deutschen Teil eines Wörterbuchs zur Klärung heranziehen würde. Vermutlich kehrt Valentini die Angaben aus dem deutsch-italienischen Teil um, die dort s. v. Mark und Vogelberg identisch lauten. 37 Gründe für den Verzicht hierauf, der zu einem Ungleichgewicht in den beiden Wörterbuchteilen führt, könnte die Tatsache sein, dass Valentini zur italienischen Grammatik bereits ausführlichere Lehrwerke vorgelegt hatte. Möglich ist auch, dass er im Bereich der deutschen Grammatik für Italiener zur Zeit der Wörterbucherstellung eher Nachholbedarf an innovativen Ansätzen sieht. Kurz zuvor war die Deutsche Grammatik Grimms erschienen, deren Ansätze Valentini in der deutschen Wörterbuchgrammatik ausführlich adaptiert (cf. Kapitel 7.1.2.3).
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den Lemmastrecken von A–L nachgetragen bzw. ergänzt, die durch nachträgliche Quellenrecherchen erschlossen wurden (cf. Kapitel 7.2.2).
7.1.2 Vor- und Nachspann im deutsch-italienischen Teil 7.1.2.1 Widmung «Agl’ Italiani» Auch der deutsch-italienische Teil beginnt mit einer Widmung, in italienischer Sprache. Er ist den italienischen Nutzern des Wörterbuchs zugeneigt, «[a]gl’ Italiani, Studiosi e dilettanti della lingua tedesca» (Vollst. Wb., vol. 2, [V]).³⁸ Nach dem Hinweis auf seine lange unablässige Arbeit an dem Wörterbuch weist Valentini explizit auf die vorangestellte deutsche Grammatik hin, mit der er seinen Landsleuten das Erlernen des Deutschen erleichtern möchte: «Per rendervela più accetta, e in un agevolarvi la conoscenza del Tedesco Idioma, divisai un Compendio di Grammatica in Tavole sinottiche, che l’Opera precede […]. Per la qual fatica spero eziandio, che, nell’ invogliare coloro, i quali spaventati dalle difficoltà, ch’ esso Linguaggio presenta, ne rifuggono lo studio, saper me ne vorranno buon grado». (Vollst. Wb., vol. 2, [V])
Hierbei greift er den alten Topos des Deutschen als schwerer Sprache auf, der die Geschichte des Kontakts mit der Sprache in Italien seit den Anfängen durchzieht und in nahezu allen Grammatiken und Lehrwerken des Deutschen thematisiert wird (cf. z. B. das in Kapitel 2.2 zitierte Vorwort zur deutschen Grammatik Filippis).
7.1.2.2 Die Dissertazione su la lingua e letteratura tedesca Wie dem italienisch-deutschen, so ist auch dem deutsch-italienischen Teil eine Abhandlung in italienischer Sprache vorangestellt, eine Dissertazione su la lin-
38 Die Tatsache, dass der italienisch-deutsche Teil «[d]en Deutschen» (Vollst. Wb., vol. 1, [V]), der deutsch-italienische Teil «[a]gl’ Italiani» (Vollst. Wb., vol. 2, [V]) gewidmet ist, suggeriert Rückschlüsse auf die vorangig beabsichtigte Benutzungsrichtung der jeweiligen Teile. Hierdurch scheint in erster Linie eine jeweilige passive Wörterbuchbenutzung intendiert. Es ist wahrscheinlich, dass ein Wörterbuchbenutzer im frühen 19. Jahrhundert vor allem aus der Fremd- in die Muttersprache übersetzt, allerdings werden in den Artikeln auch zahlreiche Hilfestellungen für die Hinübersetzung gegeben, cf. dazu näher die Synthese zur Wörterbuchtheorie in Kapitel 7.3.1 und die Analyse des Lemmariums. Zudem sind andere metalexikographische Text im gleichen Wörterbuchteil wiederum in der anderen Sprache verfasst, wichtige Teile wie die Vorrede zweisprachig. Dass die Widmung der einzelnen Teile an die Muttersprachler der Zielsprache erfolgt, kann auch schlichtweg traditionell bedingt sein, cf. etwa das gleiche Verfahren bei Jagemann (2 1803).
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gua e letteratura tedesca, da’ più remoti secoli fino a’ nostri tempi (Vollst. Wb., vol. 2, VII–XXX). Sie erhebt jedoch nicht den gleichen gelehrten Anspruch wie die Dissertazione zum Italienischen.³⁹ Ihr liegen keine eigenen Studien Valentinis zugrunde, es wird kaum Referenzliteratur angegeben und kein eigener Argumentationsgang aufgebaut. Vielmehr soll sie in einer Zeit, in der in Italien ein Interesse für deutsche Literatur beginnt (cf. Kapitel 2.2) und in Deutschland, insbesondere in Valentinis Berliner Umfeld und mit der Deutschen Grammatik Jacob Grimms, die deutsche Philologie einen ersten Höhepunkt erreicht, einen Überblick, einen Trattatello (Vollst. Wb., vol. 2, XXX) ohne Kapiteleinteilung über die deutsche Sprachund Literaturgeschichte bieten. Valentini, der die frühen Arbeiten Grimms, Bopps und die Schlegels genau rezipiert haben muss, beginnt seine Sprachgeschichte in germanischer Zeit. Er weist auf die Verwandtschaft des Germanischen mit dem Sanskrit und dem Persischen hin und beschreibt seine Ausbreitung in Europa und seine weitere Aufgliederung in Nord-, West- und Ostgermanisch (Vollst. Wb., vol. 2, VII–VIII).⁴⁰ Das Nordgermanische beiseite lassend, wird näher auf das Gotische und dann auf den deutschen Sprachraum mit seiner Gliederung in Nieder- und Hochdeutsch und die Periodisierung Alt-, Mittel- und Neuhochdeutsch eingegangen. Für die einzelnen Epochen werden kurz der geschichtliche Hintergrund geschildert, die wichtigsten schriftlichen Zeugnisse vorgestellt und die jeweils belegten literarischen Gattungen benannt. Valentini skizziert die Charakteristika der jeweiligen Sprach-
39 Aus diesem Grund scheint es gerechtfertigt, in dieser schwerpunktmäßig romanistischen und lexikographischen Arbeit die Überlegungen zur Dissertazione über das Deutsche nicht zu vertiefen. Als Ausgangspunkt für weitere Beschäftigungen damit – zur Ergänzung der Frühgeschichte der Germanistik sowie der Rezeption deutscher Sprach- und Literaturgeschichte in Italien – seien lediglich die wichtigsten Inhalte widergegeben und auf den Aufbau der Abhandlung eingegangen. Zum Hintergrund über die behandelten Themen sei auf folgende Arbeiten zur Herausbildung der Germanistik im 19. Jahrhundert verwiesen: Bahner/Neumann (1985), Bluhm (1997), Fohrmann/Voßkamp (1994), Gardt (1999), Janota (1980) sowie die über die Behandlung des Deutschen herausgehenden linguistischen Wissenschaftsgeschichten von Arens (1969) und Morpurgo Davies (1996). 40 Auffällig ist die – wohl aus dem Respekt für sein Gastland, aus der Strömung der Zeit und dem Wunsch, in seinem Umfeld anerkannt zu werden, heraus motivierte – sehr positive Darstellung der germanischen Völker, die doch erheblich von der italienischen Geschichtssicht, die sich in der ersten Dissertazione ausdrückt, abweicht. Z. B. heißt es über jene, «si presentano sul teatro del mondo, il quale già invecchiato vennero […] a ringiovanire, e fargli cangiar d’aspetto» (Vollst. Wb., vol. 2, VII). Auch das Urteil über die deutsche Sprache ist ausgesprochen positiv: «La bella Lingua, che Tedesca oggidì appelliamo, fu in ogni tempo propria al popolo che tuttavia la parla. Nè da straniere Favelle prestata, nè di varii elementi formata, essa è una Lingua primigenia, originale» (Vollst. Wb., vol. 2, VII). Das linguistisch natürlich nicht ganz korrekte Urteil ist sicherlich von der Sprachauffassung Grimms mitgeprägt.
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stufe, diatopische Variation, lautliche und grammatikalische Veränderungen. In deren Beschreibung wird die genaue Kenntnis der Deutschen Grammatik von Jacob Grimm deutlich,⁴¹ etwa wenn Valentini präzise auf die wesentlichen Lautwandelprozesse eingeht oder, wahrscheinlich als einer der ersten italienischen Philologen, die von Grimm eingeführte Terminologie der starken und schwachen Verben, übersetzt in «Verbi potenti ed impotenti» (Vollst. Wb., vol. 2, XXII), verwendet bzw. von «declinazione potente» und impotente spricht (Vollst. Wb., vol. 2, XXIII).⁴² Besonders ausführlich fällt denn auch die Darstellung bezüglich des Zusammenfalls der starken und schwachen Deklination mit Tendenz zu Mischklassen bereits im Mittelhochdeutschen aus. Hintergrund hierfür ist, dass Valentini in dem Abriss der Grammatik des Gegenwartsdeutschen, der der Dissertazione folgt, für sich in Anspruch nimmt, den schwierigen und im Neuhochdeutschen unsystematischen Bereich der Nominalmorphologie entwirrt und schlüssig erklärt zu haben («d’aver[lo], almeno in parte, sbrogliato», Vollst. Wb., vol. 2, XXII). Zur Dokumentation und zum Vergleich der einzelnen Sprachstufen bis zum Frühneuhochdeutschen wird, der Praxis Adelungs im Mithridates folgend (cf. Gardt 1999, 186) und in der Linie der komparativen Methode der Zeit, jeweils der gleiche Text, das Vaterunser, von der Version der Wulfila-Bibel bis zu der Martin Luthers wiedergegeben. Dem Text ist jeweils eine italienische Interlinearübersetzung beigefügt. Für die Perioden bis zum Mittelhochdeutschen einschließlich wird die literarische Produktion durch Textauszüge, wiederum mit italienischer Übersetzung, dokumentiert. Dabei wird auf die Arbeiten und Textausgaben der Berliner «Kollegen» Valentinis referiert. Zum Nibelungenlied bezieht sich Valentini auf Lachmann (cf. Vollst. Wb., vol. 2, XIX), zur Dichtung der Minnesänger⁴³
41 Deren erster Band war in erster Ausgabe 1819 erschienen. Von der zweiten Auflage, für die der erste Band völlig überarbeitet worden war (cf. Gardt1999, 278), waren bei Erscheinen des Valentinischen Wörterbuchs drei Bände veröffentlicht (cf. Vollst. Wb., vol. 2, XXX, n. 36). 42 In der Filippischen deutschen Grammatik für Italiener etwa wird auch in den durchgesehenen Ausgaben nach Erscheinen von Grimm noch ausschließlich die Terminologie verbi regolari und irregolari verwendet (cf. z. B. Filippi 1840, 135). Zur Durchsetzung der Terminologie von Grimm cf. auch die Rezension des Vollständigen Wörterbuchs von Förster, der darauf hinweist, dass die Begriffe selbst im Deutschen noch nicht allzu verbreitet waren: «Herr Val. ist bei J. Grimm in die Schule gegangen, und seine Leser werden ihn schon verstehen, wenn er in lichtvoller Darstellung von einer Declinazione potente und impotente und ,[sic!] mit Verwerfung der Ausdrücke «regelmässig» und «unregelmässig», von verbi pot. und impotenti spricht, während noch mancher in seiner Sprache sonst wohlbewanderte Teutsche vor dem Namen ‹starke und schwache Decl. und Conjug.›, wie vor unheimlichen Zauberformeln, scheu sich entsetzt» (Förster 1833a, 257). Zur Bedeutung der Terminologie Grimms cf. auch Morpurgo Davies (1996, 214, Anm. 19) und Arens (1969, 196). 43 Ältere Darstellungen deutscher Literatur für Italiener setzten zumeist erst sehr viel später an. Die in Kapitel 2.2 erwähnte Anthologie von Bertola etwa ergänzte erst in ihrer erweiterten Aus-
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auf Friedrich Heinrich von der Hagen (cf. Vollst. Wb., vol. 2, XVI, n. 15). Dessen Edition mit dem Titel Minnesinger, auf die Valentini verweist, war etwa zeitgleich zum Wörterbuch beim gleichen Verleger, Barth in Leipzig, erschienen.⁴⁴ Für die Zeit ab dem 16. Jahrhundert geht Valentini verstärkt auf die einsetzenden Arbeiten zur deutschen Grammatikographie und Lexikographie,⁴⁵ die entstehenden Sprachgesellschaften und später die philologischen Arbeiten ein. Textzeugnisse fehlen für diesen Zeitraum, die Darstellung einzelner Autoren fällt bisweilen unpräzise und recht blumig aus.⁴⁶ Für die neueste Literatur nach Lessing und Wieland – interessant die Periodisierung als «il seguente periodo della Letteratura Tedesca, che è quello in cui ci troviamo» (Vollst. Wb., vol. 2, XXI) –, findet keinerlei Vertiefung mehr statt, da die entsprechenden Werke und Autoren als bekannt vorausgesetzt werden: «Troppo ci dilungheremmo se dar volessimo un solo abbozzo di questa epoca novella. I nomi degli He rd e r , dei G o e t h i , degli S ch i ll e r , e de’ Je a n P au l ( R i ch te r ) son conosciuti ed ammirati in Europa tutta, non che in Italia» (Vollst. Wb., vol. 2, XXI). Valentinis Darstellung fällt nicht neutral aus. Zur Qualität der Sprache und literarischen Produktion der einzelnen Epochen finden sich vielmehr Bewertungen, oft mit den historischen Umständen verbunden, wie die Einschätzung der
gabe von 1784 auch diese Zeugnisse deutscher Literatur (cf. Bonfatti 2000, 425; s. Bertola 1784, vol. 1). Dabei ist zu bedenken, dass die deutsche Literatur überhaupt erst spät ins Bewusstsein der europäischen Nachbarn getreten war. «Il richiamo all’esistenza di documenti poetici antichi e di prima qualità è ciò che può fugare l’opinione comune secondo cui i tedeschi non avrebbero una tradizione poetica» (Bonfatti 2000, 428). Wie Valentini beschreibt auch Bertola nach der Zeit der Minnesänger einen Niedergang der deutschen Sprache und Literatur, die erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts wieder zum Aufstieg gelangten. Ansonsten weichen die Werke jedoch stark voneinander ab. 44 Die ersten vier Bände erschienen 1838, der 5. 1856 (cf. Hagen 1838–1856). Ein Austausch mit von der Hagen bzw. eine Kenntnis von dessen Manuskript könnte Valentini bei der Auswahl seiner Textbeispiele als Orientierung gedient haben. 45 Genannt wird für das 17. Jahrhundert Der Deutsche Sprachschatz (1691) von Kaspar Stieler (cf. Vollst. Wb., vol. 2, XXVII), für die Folgezeit wird auf die kurze Geschichte der Lexikographie im Wörterbuchvorwort des ersten Bandes verwiesen (cf. Vollst. Wb., vol. 2, XXX). 46 Cf. z. B. die Passage zu Opitz, dessen Leistungen für die deutsche Sprache hochgelobt werden, ohne dass ausgedrückt wird, worin sie bestehen: «Ma che giovato avrebbero tutte quelle Accademie, e coteste Grammatiche, e come avrebbe potuto il sovrabbondante rigoglio di queste guadagnar campo, e terreno, se da un’ altro lato il Palladio di Germania non fosse stato salvato? Ad un poeta che bene addentro conosceva l’indole, il genio, l’energia e la ricchezza del suo materno Linguaggio riserbata era la gloria di rompere il guado; e nel segnare una nuova via, restituire al pericolante Linguaggio la sua facoltà ed energia primitiva, non meno, che dargli flessibilità, e venustà; e nel purgarlo da tanti sconci e strani Vocabolacci, surrogare in vece parole e modi di parlare, or nobili, or leggiadri, e sempremai semplici e naturali. Mar tin o Op itz si fu […]» (Vollst. Wb., vol. 2, XXVII–XXVIII).
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Sprache des späten 15. bzw. frühen 16. Jahrhunderts als «rozzo anzi che no, talvolta anzi malagevole, mostrandosi tuttavia implicato fra i nuovi e i vecchi tempi» (Vollst. Wb., vol. 2, XXIII–XXIV) oder das Urteil zur Sprache während des Dreißigjährigen Krieges, die Valentini als Ausdruck der «mattezze di questo secolo» (Vollst. Wb., vol. 2, XXV)⁴⁷ sieht. Noch stärker als in der Abhandlung zum Italienischen lässt sich in der zum Deutschen Valentinis Rolle als Brückenschläger zwischen Deutschland und Italien herauslesen. So werden hier etwa die Straßburger Eide, zu denen in der italienischen Dissertazione gleichsam in Konkurrenz der romanischen Sprachen untereinander ein vergleichbares italienisches Dokument zur Belegung eines älteren italo volgare gesucht wurde, nun ohne nationalistische Vorbehalte als einendes Dokument zwischen deutscher und romanischer Kultur interpretiert und dem Wörterbuchband beigegeben (cf. Vollst. Wb., vol. 2, XII). Vergleiche zwischen Deutschland und Italien werden bezüglich der Sprachgesellschaften gezogen. Über die nach dem Vorbild der Accademia della Crusca gegründete Fruchtbringende Gesellschaft hinaus wird u. a. die Nürnberger Gesellschaft Der gekrönte Blumenorden vorgestellt und mit der italienischen Romana Arcadia verglichen (cf. Vollst. Wb., vol. 2, XXV–XXVI). Für die Geschichte der Germanistik ist Valentinis Dissertazione su la lingua e letteratura tedesca zur Ergänzung der Rezeptionsgeschichte der bedeutendsten Philologen des 18. und insbesondere des frühen 19. Jahrhunderts aus italienischer Perspektive bzw. für ein italienisches Publikum von Interesse. Valentini tadelt Gottsched – trotz seiner ausdauernden Studien zeige sich in seinem Werk ein Mangel an Scharfsinn, historischem Wissen und Unvoreingenommenheit, vielmehr sei er Vorreiter der vielen imbrattafogli (Vollst. Wb., vol. 2, XXX) der deutschen Grammatikschreibung. Hoch gelobt wird Adelung, «ma forse un po’ troppo fondavasi su la vocazione al primato di legislatore; e in Germania si crede, ch’ egli con la sua indefessa assiduità, avrebbe recato maggiori servigj, s’avesse voluto porre salutari termini alla sua letteraria attività» (Vollst. Wb., vol. 2, XXX). Valentini geht auf die Leistungen deutscher Philologen auf dem Gebiet der mittelalterlichen Literatur, der Texteditionen ein und unterstreicht besonders die Entwicklung der historischen Grammatik des 19. Jahrhunderts mit Jacob Grimm als Begründer und Kopf. Die diesbezüglichen Ausführungen des Römers sind sicherlich weder neu noch originell, jedoch wertvoll als die Einschätzung eines Zeitgenossen, der die
47 Solche Urteile sind für die Sprachauffassung der Zeit nichts Außergewöhnliches. Für die entsprechende Praxis in anderen italienischen Darstellungen deutscher Sprache cf. z. B. den bereits erwähnten Bertola, Fußnote 43.
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Veröffentlichung der Deutschen Grammatik in ihrer zweiten Ausgabe und die Entwicklung der Philologie in Berlin aus unmittelbarer Nähe verfolgt:⁴⁸ «Lo studio della letteratura Tedesca del medio evo di bel nuovo ravviato […] ha finalmente condotto, in questo, anche la Grammatica sul retto sentiero, cioè, su quello delle indagazioni storiche, ed etimologiche, che comprendono tutti gli stipiti, e i Dialetti del Linguaggio, dalle più remote sorgenti fino a noi; […]. Il fondatore e capo della summentovata nuova scuola Grammaticale, la cui vantaggiosa influenza comincia a farsi sentire eziandio nello studio degli antichi Idiomi affini, si è G i a co m o G r i m m […]. Sul da lui aperto e additato sentiero, che alla volta della scienza direttamente conduce, si sono già più o meno distinti, o con grammaticali, etimologiche ricerche, o col dare alla luce Monumenti dell’ antico Idioma, gravi letterati, quali sono: B ecker, B enecke, Docen, Gr aff, Gugl ielmo Grimm, von der Hagen, Hoffmann, Kober s tein, L achmann, S chmeller, Wackernagel,ed altri. Non dobbiamo pretermettere d’osservare (e sia un nuovo ramo d’aloro che poniamo sul capo di questo celeberrimo Grammatico), che la maggior parte de’ nomati filologi, prima che la sua opera apparisse, ognuno da per se solo accudiva allo studio della materna Favella, e Letteratura; e che nientedimeno, tutti, da quel tempo in poi, riconoscendo la giustezza de’ suoi principj, si dichiararono apertamente e di buon grado suoi seguaci». (Vollst. Wb., vol. 2, XXX)
Der Wissenschaftstransfer der Arbeiten Grimms und der frühen deutschen Germanistik für ein italienisches Publikum setzt sich in Valentinis kurzer Grammatik des Gegenwartsdeutschen fort.
7.1.2.3 «Herr Val. ist bei J. Grimm in die Schule gegangen»⁴⁹: Der Compendio della Grammatica tedesca Dieser bereits in der Widmung angekündigte Compendio della Grammatica tedesca in tavole sinottiche (Vollst. Wb., vol. 2, XXXI–C) bietet auf 70 Seiten⁵⁰ eine kompakte Darstellung der deutschen Grammatik in italienischer Sprache,
48 Zur ungeheuren Ausstrahlung Grimms auf die zeitgenössische Philologie cf. als Ausgangsbasis Morpurgo Davies (1996, 197). Zur Position beider Grimms innerhalb des Geflechts der frühen deutschen Philologie cf. Bluhm (1997). 49 Förster (1833a, 257). 50 Damit liegt der Umfang ungefähr gleich hoch wie im Durchschnitt bei modernen Wörterbuchgrammatiken, cf. Mugdan (1989, 742–743). Mugdans Überlegungen zur Konzeption einer Wörterbuchgrammatik – als eine solche ist das Compendio zu interpretieren – können und sollten für dessen Analyse im Hinblick auf die Frage, wo sich Valentini als ein Vorläufer moderner Lexikographie erweist, herangezogen werden. Auch die meisten heutigen deutsch-italienischen Wörterbücher enthalten mehr oder weniger umfassende Grammatikausführungen im Einleitungsteil, wobei in den meisten Wörterbüchern dem Deutschen, wie im Vollständigen Wörterbuch, wesentlich mehr Platz eingeräumt wird, cf. Marello/Rovere (1999, 184–185).
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zumeist in Form von knappen Regeln und Überblickstabellen, die in einer zeitgenössischen Rezension von Förster hoch gelobt wird (cf. Förster 1833a, 257; in dieser Arbeit cf. Kapitel 8.1). Anders als in der Dissertazione werden hier keine Literaturangaben gemacht oder verwendete Quellen erwähnt. Von den in Deutschland verfassten Grammatiken wurde, wie die Würdigung Grimms in der Dissertazione vermuten lässt und wie die Analyse bestätigt, dessen Deutsche Grammatik ausgiebig als Basis herangezogen, während die anderen deutschen Grammatiken auf dem Markt, die in der Abhandlung nur gestreift und eher negativ beurteilt wurden, keine besondere Rolle für Valentini gespielt zu haben scheinen.⁵¹ Die aktuelleren italienischdeutschen Wörterbücher zur Zeit Valentinis enthalten keine vorangestellte Wörterbuchgrammatik des Deutschen. Zur Orientierung wären auch Grammatiken für Italiener in Frage gekommen. Um deren Einfluss zu überprüfen, wurden die zur Zeit der Wörterbucherstellung am weitesten verbreiteten, nämlich Filippi und Argenti,⁵² verglichen, wobei zu bedenken ist, dass diese aufgrund des deutlich weiteren Umfangs von 395 (Filippi) bzw. 328 Seiten (Argenti) und der abweichenden Anlage – beide enthalten umfangreiche Übungs- und Lektüreteile, die eine Wörterbuchgrammatik natürlich nicht berücksichtigt – nur bedingt einen Vergleichspunkt bieten. Unabhängig von diesen Faktoren zeigt die Gegenüberstellung starke Abweichungen von diesen Werken. Der Compendio ist also besonders interessant in der Hinsicht, dass Valentini innovativ die Erkenntnisse der beginnenden Germanistik, speziell der historisch-vergleichenden Grammatik Grimms, wenige Jahre nach deren Erscheinen in eine praktische Grammatik des Deutschen für Italiener einbringt. Das enge Orientieren an Grimm und das Abweichen von den bisherigen didaktisch ausgerichteten Grammatiken zeigen sich bereits in den Bestandteilen. Valentinis Compendio enthält sechs Hauptkapitel: Ortoepia – Declinazioni tedesche – De’ numeri tedeschi – De’ Pronomi – De’ Verbi tedeschi – Della formazione delle parole tedesche. Während Kapitel zur Aussprache und zu den einzelnen Wortarten auch die verglichenen Grammatiken für Italiener konstituieren, wird dort
51 Prägend für die Grammatiken von Ende des 18. bis Mitte des 19. Jahrhunderts sind Adelungs Deutsche Sprachlehre von 1781 und insbesondere sein Umständliches Lehrgebäude der Deutschen Sprache von 1782. Zu den Grammatiken in dieser Tradition bis 1856, die v. a. für den muttersprachlichen Unterricht an Gymnasien und höheren Schulen erstellt wurden, cf. Naumann (1986). 52 Cf. Kapitel 2.2. Für den Abgleich wurden die neuesten Auflagen zur Zeit der Erstellung des Wörterbuchs eingesehen: Die Filippische in der sechsten Auflage von 1830 und die Argentis in zweiter Auflage von 1827. In einer Fußnote des Compendio gibt Valentini an, selbst eine eigenständige deutsche Grammatik für Italiener geplant zu haben (cf. Vollst. Wb., vol. 2, LXXIX, n. 8).
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die Wortbildung nur äußerst knapp abgehandelt.⁵³ In dem Umfang, den Valentini der Wortbildung einräumt, spiegelt sich der Einfluss Grimms, dessen zweiter und dritter Band der Deutschen Grammatik ganz dieser gewidmet sind. Ein weiterer Hinweis auf die enge Anlehnung ist das gänzliche Fehlen der Syntax, der in Filippi und Argenti weiter Raum gegeben wird, bei Valentini. Freilich ist dies durch den begrenzten Umfang mit bedingt und überhaupt Merkmal von Wörterbuchgrammatiken (cf. Mugdan 1989, 738), wo das Wort gemeinhin als größte Kategorie angenommen wird. Es scheint mir jedoch kein Zufall, dass es sich bei der Syntax um einen Aspekt handelt, der von Grimm erst im 1837 erschienenen vierten Band der Deutschen Grammatik in Angriff genommen wurde, den Valentini noch nicht berücksichtigen konnte. Wie Grimm (cf. Morpurgo Davies 1996, 214, n. 19) gibt Valentini im Compendio die deutsche Grammatikterminologie zugunsten der lateinischen Termini auf und weicht damit von der eigenen Praxis in den italienischen Grammatiken, wo deutsche Termini verwendet wurden, und auch von Argenti und Filippi ab.⁵⁴ Auf die Übernahme von Grimms Terminologie der starken und schwachen Verben bzw. der starken und schwachen Deklination wurde bereits im vorigen Kapitel zur Dissertazione hingewiesen. Auch in der eigentlichen grammatischen Deskription lässt sich die Auswertung der Arbeit Grimms deutlich ablesen,⁵⁵ wobei beim Vergleich und in der Adaption Valentinis gewiss die unterschiedliche Zielsetzung der Grammatiken zu bedenken ist. Der Römer verfasst eine Wörterbuchgrammatik mit didaktischen Zügen, in der knappe Regeln für die Gegenwartssprache aufgestellt werden müssen, während Grimms bahnbrechendes Werk, explizit antinormativ (cf. Morpurgo Davies 1996, 203) und interessiert am «studio del linguaggio di per sé» (Morpurgo Davies 1996, 202), eine historisch-vergleichende Grammatik ist. Die Orientierung
53 Argenti (2 1827) etwa enthält trotz des weiteren Umfangs lediglich eine Seite zur Derivation und drei zur Komposition. 54 Sowohl Valentini als auch Filippi verfassen ihre deutschen Grammatiken in italienischer Sprache. Filippi gibt den latinisierenden italienischen Grammatiktermini jedoch noch einen deutschen Terminus in Klammern bei, cf. z. B.: «capitolo v. del verbo (Von [sic!] Zeitworte)» (Filippi 6 1830, 117). 55 Valentini stellt jedoch in einigen Formulieren die eigene Leistung in den Vordergrund, weist darauf hin, selbst Regelhaftigkeiten durchdrungen und dargestellt zu haben, z. B. im Kapitel zur Wortbildung: «Noi dal canto nostro, nulla più ardentemente desiderando, che di contribuire a facilitarne l’intelligenza a’ nostri compatrioti, tenteremo d’andar compendiosamente mettendo in chiaro il mirabile […] artificio di Composizione, e Derivazione, nel modo che noi lo comprendemmo» (Vollst. Wb., vol. 2, LXXIV; cf. auch XLI; LV).
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des Compendio an Grimm zeigt sich besonders in den Bereichen der Adjektiv- und Substantivdeklination, der Behandlung der Verben und der Wortbildung.⁵⁶ Die Deklination der Substantive und hier speziell die Pluralbildung mit der nicht einfachen Zuordnung der einzelnen Lexeme zu den unterschiedlichen Klassen ist ein besonders schwieriges Kapitel für Fremdsprachenlerner. Filippi, der auf Adelung hinweist, nimmt in seiner Darstellung die Einteilung der Deklinationsklassen in erster Linie über die Pluralbildung, unabhängig vom Genus der jeweiligen Substantive, vor (cf. 6 1830, 91). Valentinis Grundeinteilung erfolgt wie bei Grimm über das Genus, er vereinfacht aber dessen Schema. Zu jedem Genus werden zwei Prototypen der Deklination angenommen und in Tabellen, aus denen die jeweiligen Endungen abzulesen sind, dargestellt: Prototipo I. de’ Sostantivi neutri. SINGOLARE PLURALE das Beil, la scure, = Nominativo, = die Beil e, le scuri. des Beil es, della scure, = Genitivo, = der Beil e, delle scuri. dem Beil e alla scure, = Dativo, = den Beil en, alle scuri. das Beil, la scure = Accusativo, = die Beil e, le scuri. Osservazione 1ma . Le Voci neutre desinenti in el, en, er, chen, e lein, vengono declinate secondo lo stesso modello; se non che si fogna loro sempre l’ e flessivo. Si noti quindi, che il solo genitivo singolare prende sempre un s; P. E. Pinsels [sic!], Lasters, Leidens, Mädchens, Fräuleins; e il dativo plurale un n (solo però in quelli desinenti in el, ed er, giacchè agli altri convien fognare l’n, per non raddoppiarla; quindi den Leiden, den Mädchen, den Fräulein); gli altri casi restano invariabili. – NB. Das Kloster, il chiostro, fa al Plurale die Klöster. (Vollst. Wb., vol. 2, XLIV)
Wie das zitierte Beispiel zum Prototyp I der Neutra zeigt, folgen auf die Tabellen stets Anmerkungen zur Zuordnung und in Form knapper Regeln auch die Deklination der Gruppen, die von den Prototypen abweichen (cf. Vollst. Wb., vol. 2, XLI–LXV; cf. auch Grimm 1822, vol. 1, 695–705)⁵⁷. Mit diesen Regeln meint Valen-
56 An dieser Stelle kann nicht auf die linguistische Korrektheit der Grammatikdeskription Valentinis eingegangen oder deren didaktische Brauchbarkeit vertiefend diskutiert werden. Ziel der Darstellung ist es lediglich, darauf hinzuweisen, wo der als innovativ vorgestellte und Brücken zwischen den Wissenschaftskulturen bauende Lexikograph Valentini auch im Bereich der deutschen Grammatik versucht, gegenüber den italienischen Vorgängern neue Wege zu gehen und dazu aus dem modernsten Ansatz der Zeit in Deutschland schöpft. In weiteren Forschungen zur Grammatikschreibung des Deutschen für italienische Lerner wären die Ansätze unter den o. g. Perspektiven zu vertiefen. 57 Zitiert wird aus der Ausgabe, die Valentini zur Verfügung gestanden hat. Diese umfasst die zweite Ausgabe des ersten Bandes von 1822 sowie die erste Ausgabe des zweiten (1826) und evtl. des dritten Bandes (1831).
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tini, die Zuordnung aller Substantive zu ihrer Deklinationsklasse erfassen und damit in den Wörterbuchartikeln auf eine entsprechende Grammatikangabe verzichten zu können. Grimms historische Perspektive wird bei Valentini nur angedeutet, die Klassifizierung in starke und schwache Deklination nicht berührt. Von starker und schwacher Deklination (cf. Grimm 1822, vol. 1, 751–754) spricht Valentini dagegen bei den Adjektiven und formuliert die Regel, dass deren Endung bei starker Deklination die des bestimmten Artikels ist. Zuerst wird im vor allem an der Flexion interessierten Compendio der Unterschied der Deklinationsarten formuliert: «Due forme si danno nella declinazione degli Aggettivi, da’ moderni Grammatici l’una stark, potente, l’altra schwach, impotente, chiamata. Quando gli aggettivi secondo questa declinar si vogliono, prendono per desinenza un n in tutti i casi, salvo al nom. singolare; quando però secondo la potente, prendono in tutti i casi le desinenze degli articoli der, die, das». (Vollst. Wb., vol. 2, XLVI)
Erst zwei Seiten später wird darauf eingegangen, dass der Gebrauch der jeweiligen Deklinationsart vom vorangehenden Artikel abhängt. Filippis stärker am Gebrauch orientierte Regeln (cf. 2 1830, 104–108) erweisen sich hier für den Nutzer als deutlich griffiger. Ein großes Abweichen von den Grammatiken für Italiener zeigt sich auch in der Darstellung der Verben. Während in den Verbkapiteln von Filippi und Argenti (cf. Filippi 6 1830, 117–146 und Argenti 2 1827, 112–164) die Konjunktion am Ende steht und hier zuerst auf die als verbi regolari bezeichneten regelmäßigen Verben eingegangen wird, folgt Valentini Grimm und der Sprachgeschichte. Er beginnt mit den starken Verben, die er nicht als unregelmäßig bezeichnet, sondern zu denen er erklärt: «Essi ci presentano proprietà particolari, le quali ci proveremo di mettere in chiaro» (Vollst. Wb., vol. 2, LV). Er benennt die Änderung des Wurzelvokals mindestens im Präteritum als entscheidendes Merkmal und teilt die einfachen starken Verben über die Bildung ihres Partizip Perfekts in drei Klassen mit je drei Spalten, die sich vom jeweiligen Vokalwechsel im Präteritum⁵⁸ ableiten, ein. Basis für diese Klassifizierung sind die zwölf Konjugationsklassen bei Grimm (cf. 1822, vol. 1, 835–839; 981–989), die jedoch für die eigenen Zwecke einer Wörterbuchgrammatik angepasst und in Form von Regeln und Tabellen präsentiert werden (cf. Vollst. Wb., vol. 2, LV–LIX). Nach knappem Eingehen auf die Verbi impotenti (cf. Vollst. Wb., vol. 2, LX–LXI) kommt Valentini zu den Verbi anomali, zu deren unregelmäßigen Formen er mit Grimm eine historische Begründung liefert: 58 Dieses wird als imperfetto bezeichnet. In einer Fußnote merkt Valentini kurz an, dass der Tempusgebrauch der Vergangenheit im Deutschen stark von dem des Italienischen abweicht (cf. Vollst. Wb., vol. 2, LV, n. 1).
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«il Presente d’oggigiorno era originariamente l’Imperfetto; ed il primigenio Presente è andato perduto» (Vollst. Wb., vol. 2, LXII; cf. Grimm 1822, vol. 1, 851–853; 1053–1054). Der Rest des Kapitels, zur Bildung von Formen mit Hilfsverben, ist dann wesentlich knapper als die Darstellung bei Filippi oder Argenti. Bereits Valentinis grammatische Arbeiten zum Italienischen zeichneten sich durch das Bestreben aus, auch komplexe, zuvor als unregelmäßig beschriebene Regelhaftigkeiten zu durchdringen und dem fremdsprachlichen Lerner darzulegen. Nun nutzt er zum gleichen Zweck für die Darstellung des Deutschen Grimms Arbeit, «finalizzato alla scoperta di leggi e regolarità di base sotto le superficiali anomalie» (Morpurgo Davies 1996, 202). Bei der Suche nach Regelhaftigkeit, der Priorität von Regelwissen gegenüber Listenwissen, gerät jedoch bisweilen das Bedürfnis des fremdsprachlichen Wörterbuchnutzers aus dem Blick. Dem wäre mit alphabetischen Listen u. U. bezüglich der unregelmäßigen Verben besser geholfen gewesen, zumal in einem Wörterbuch, das unregelmäßige Formen nicht im Lemmarium verzeichnet. Die zentrale Aufgabe einer Wörterbuchgrammatik, nämlich die, dass der Nutzer bei passiver Benutzung eine im Text gefundene Form auf die Nennform zurückführen und entsprechend nachschlagen bzw. bei der Textproduktion zu einer Nennform anhand klarer Regeln schnell die flektierte Form bilden kann (cf. Mugdan 1989, 736), wird vernachlässigt. Sicherlich liegt sowohl der Substantivdeklination als auch der Flexion der starken Verben im Deutschen eine Regelhaftigkeit zugrunde. Deren Komplexität übersteigt jedoch die Möglichkeiten eines schnellen Nachschlagens in einer Wörterbuchgrammatik. Im letzten Kapitel des Compendio wird die Wortbildung als «parte […] eminente del Tedesco Idioma» (Vollst. Wb., vol. 2, LXXIII) beschrieben. Valentini geht auf die Komposition (zu der, wie bei Grimm, auch die Präfigierung gezählt wird) und die Derivation ein und singt ein wahres Loblied auf den Reichtum, die Effizienz und die Präzision, die die deutsche Sprache durch diese Möglichkeiten gewinne, «che per poco non vince la stessa Greca, superando però ogni altro Europeo Linguaggio» (Vollst. Wb., vol. 2, LXXIV). Zur Komposition werden zunächst Zusammensetzungen mit Substantiven, Adjektiven und Verben als Erst- und Zweitelement behandelt. Für alle möglichen acht Kombinationen geht Valentini auf morphologische Besonderheiten und Semantik ein und illustriert sie anhand zahlreicher Beispiele. Die Anlehnung an Grimm wird deutlich an der Einteilung in composizione propria und impropria (cf. Vollst. Wb., vol. 2, LXXV), wenn diese auch leicht anders gefasst wird (cf. eigentliche und uneigentliche Komposition in Grimm 1826, vol. 2, 410–411; 597), und in der semantischen Beschreibung, z. B. bezüglich der Zusammensetzung von zwei Substantiven, wo Valentini die Art der Beziehung, über die das zweite Element durch das erste spezifiziert wird, häufig eine «relazione di luogo, o di tempo, o altre simili riferenze» (Vollst. Wb., vol. 2, LXXV), übernimmt (cf. Vollst. Wb., vol. 2, LXXVI und Grimm 1826, vol. 2, 427–438).
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Unter «Della composizoine de’ Nomi, e de’ Verbi con le Particelle» wird auf die Modifikation von Nomen und Verben durch Präfixe, gesondert nach trennbaren Präfixen – zumeist Präpositionen und Adverbien, die auch isoliert verwendet werden können – und untrennbaren Präfixen – solchen, die nur als Wortbildungselemente vorkommen – eingegangen (cf. Vollst. Wb., vol. 2, LXXVIII; cf. zu dieser Unterteilung auch Grimm 1826, vol. 2, 698). Die Darstellung erfolgt in synoptischen Tabellen mit zahlreichen Beispielen. Zu untrennbaren Präfixen erfolgt eine kurze Ausführung zu deren Semantik, auch über Etymologien (cf. Vollst. Wb., vol. 2, LXXXI–LXXXI). Besonders vertieft wird das Kapitel der Präfixverben. Die Derivation wird ohne längere Regeln in synoptischer Methode mit Beispielen dargestellt. Zu den einzelnen Suffixen wird erklärt, aus welcher Wortklasse Einheiten welcher neuen Wortklasse durch die Zufügung entstehen, es werden morphologische Prozesse und Semantik beschrieben (cf. Vollst. Wb., vol. 2, LXXXVIII–C). Dabei werden auch nicht native Suffixe wie -ei, -ion, -tät, -ier behandelt.⁵⁹ Durch das Aufführen der Affixe im Compendio kann auf deren Lemmatisierung im eigentlichen Wörterbuch verzichtet werden. Insgesamt ziehen sich vereinzelte historische Erklärungen für Phänomene, die in synchroner Perspektive Unregelmäßigkeiten darstellen, durch Valentinis Wörterbuchgrammatik.⁶⁰ Neben dem bereits zitierten Beispiel zu den Verbi anomali (cf. Vollst. Wb., vol. 2, LXII) und den Etymologien zu nicht mehr transparenten Präfixen (cf. Vollst. Wb., vol. 2, LXXXI; LXXXV) sei etwa auf Anmerkungen zur Deklination der femininen Substantive (cf. Vollst. Wb., vol. 2, XLIII) und zur Adjektivkomparation (Vollst. Wb., vol. 2, XLIX, n. 3) verwiesen. Valentini wendet die historisch-vergleichende Methode zudem zu didaktischen Zwecken an, indem er im Abschnitt zur analytischen deutschen Futurbildung einen Vergleich zum Italienischen anstellt und die historische Herausbildung der dortigen Futurformen skizziert (cf. Vollst. Wb., vol. 2, LXXI, n. 1).
59 Die Darstellung ist jedoch knapp gehalten mit dem Zusatz: «Non faremo motto d’altre Voci con varie terminazioni straniere le quali da migliori autori, o evitate, o condannate sono; né scopo di questo saggio si è di parlare di quei tanti Vocaboli d’altri Linguaggi da’ Tedeschi adottati» (Vollst. Wb., vol. 2, XCVI, n. 22). 60 Sprachhistorische Kommentare in einer Wörterbuchgrammatik werden aus der modernen Perspektive Mugdans heraus negativ bewertet (cf. 1989, 742). Im Fall des Valentinischen Wörterbuchs aus den 1830er Jahren ist hingegen zu beachten, dass Grimms wenige Jahre zuvor veröffentlichte Grammatik in jener Zeit den neuesten Ansatz darstellt. Die Einbeziehung innovativer grammatischer Deskriptionsmodelle wiederum ist auch in heutiger Perspektive als modern und positiv zu werten (cf. Mugdan 1989, 743).
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Daneben charakterisiert ein Eingehen auf regionale Varietäten, besonders bezüglich der Aussprache (cf. Vollst. Wb., vol. 2, XXXII u. XXXIV),⁶¹ und auf diachrone Varianten, die sich z. T. noch bei bestimmten Autoren finden lassen (cf. Vollst. Wb., vol. 2, vol. 2, LIV), den Grammatikabriss. Dies entspricht der Praxis im eigentlichen Wörterbuch, das in weitem Umfang Varianten verzeichnet (cf. Kapitel 7.4.2.2). Überhaupt gilt es bei der Analyse des Compendio della Grammatica Tedesca, diesen ins Verhältnis zum Lemmarium zu setzen und in erster Linie in seiner Funktion als Wörterbuchgrammatik zu betrachten, die das Wörterbuch ergänzen und entlasten soll.⁶² Valentini erklärt explizit, durch die Regeln zur Substantivund zur starken Verbalflexion auf eine weitere Grammatikangabe in den entsprechenden Wörterbuchartikeln verzichten zu können. So enthalten die Artikel zu Substantiven keine Genitiv- und Pluralangabe, die zu den starken Verben keine Stammformen. Unregelmäßige Formen werden nicht separat lemmatisiert (cf. hierzu Kapitel 7.5.3). Das Kapitel zur Wortbildung, vom Rezensenten Förster besonders gelobt, ergänzt die Artikel, «indem es den Ausländer in den Stand setzt, sich selbst ohne Schwierigkeit jede richtig gebildete, in dem Wortschatze übergangene Wortform nach dem Gesetze der Analogie zu erklären» (Förster 1833a, 257). Ausführungen zur Wortbildung fehlen in Valentinis Vorgängerwörterbüchern und können als Kennzeichen von Modernität gewertet werden. Mugdan empfiehlt für neue Wörterbuchproduktionen einen Überblick der verschiedenen produktiven Wortbildungsprozesse unter Beachtung von morphophonemischen und morphologischen Besonderheiten, (cf. 1989, 738) die Valentini, so gut es der frühe Forschungsstand ermöglicht, berücksichtigt. Doch der Nutzer wird nicht nur vom Wörterbuch in Richtung der Grammatik gelenkt, sondern es wird umgekehrt auch von der Grammatik auf das Wörterbuch verwiesen. Dies geschieht z. B. dort, wo einzelne Aspekte aus Platzgründen nicht weiter vertieft werden können, etwa bezüglich der Wahl des korrekten Hilfsverbs
61 Wie in den italienischen Grammatikarbeiten für Deutsche greift Valentini auch hier zur Erklärung der Realisierung einzelner Laute auf Analogien mit dem Französischen zurück (cf. Vollst. Wb., vol. 2, XXXII). 62 Cf. dazu Mugdan, der die primäre Aufgabe einer Wörterbuchgrammatik folgendermaßen umreißt: «Im Rahmen eines Wörterbuchs dient eine Grammatik zunächst dazu, den Gebrauchswert des Nachschlagewerks durch zusätzliche Informationen zu erhöhen» (1989, 732). Dazu kann sie u. a. «zur Platzersparnis beitragen, indem sie es erlaubt, […] auf bestimmte grammatische Angaben ganz zu verzichten» (Mugdan 1989, 732).
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für die zusammengesetzten Zeiten einzelner Verben,⁶³ wenn bezüglich der Semantik des Verbs mögen auf den entsprechenden Artikel geleitet wird (cf. Vollst. Wb., vol. 2, LXII, n. 2), oder wenn Valentini zum Beweis der Produktivität der Wortbildung mittels einer gegebenen Zahl von « Pre p o s i z i o n i , o P a r t i ce l l e p re p o s i t ive » (Vollst. Wb., vol. 2, LXXIII) auf eine Strecke des eigenen Lemmariums als eine Art Belegkorpus verweist: «di 6870 Parole che la lettera A del nostro Dizionario novera, 4250 sono composizioni di quattro sole P a r t i ce l l e p re p o s i t ive » (Vollst. Wb., vol. 2, n. 3). Die wechselseitige Bezugnahme von Wörterbuchgrammatik und Lemmarium aufeinander trägt zur Konstitution eines «grammatischpraktischen Wörterbuchs» als Gesamtheit bei.
7.1.2.4 Das Wörterbuch der Eigennamen der Personen und der älteren und neueren Geographie Dem eigentlichen Wörterbuchteil ist im zweiten deutsch-italienischen Band, wie im italienisch-deutschen, ein Orthographisches Wörterbuch der Eigennamen der Personen und der älteren und neueren Geographie beigegeben (mit eigener Paginierung am Ende des Bandes, Vollst. Wb., vol. 4, 1–74). Die Verzeichnisse der Personennamen sowie der geographischen Bezeichnungen folgen den gleichen Prinzipien. Auch im deutsch-italienischen Teil ist den geographischen Bezeichnungen jeweils eine kurze Angabe zur Lokalisierung des jeweiligen Orts beigefügt, die die gleichen italienischen Siglen benutzt und für den italienischen Benutzer auch ohne weitere grundsätzliche Ausführungen leicht rezipierbar ist. Es fehlt die Kennzeichnung von veralteten Varianten. Der Rahmen der aufgenommenen geographischen Bezeichnungen ist ebenso weit wie im italienisch-deutschen Teil, jedoch sind beide Teile nicht umkehrbar. Einträge, die aus unterschiedlichen Gründen keine Entsprechung im italienisch-deutschen Teil haben, sind beispielsweise Freienwalde, jener kleine Ort der Sommerfrische vor den Toren Berlins, in den Valentini sich im Alter zurückzog und dessen italienische Übersetzung möglicherweise nur bei Valentini selbst zu finden ist; Neuseeland und Neu York; Siebenhügelstadt als poetische Bezeichnung Roms (auch im regulären Lemmarium verzeichnet), das im italienischen nur polyrhematisch ausgedrückt werden kann:
63 «In quanto a que’ Verbi i quali delle difficoltà presentar potrebbero, se coll’ ausiliare haben, o con sein costrutti esser debbono, si cerchi il rispettivo Verbo nel Dizionario, ove si troverà con esempj dichiarato l’impiego» (Vollst. Wb., vol. 2, LXXI).
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Freienwalde, C. di Brandenb., Frivalda. Neuseeland, Is. dell’ Oceania, la Nuova Zelánda, o Neozelánda. Neu York, C. e P. dell’Amer. settent. Nuova Jork, Neojôrca. Siebenhügelstadt (die), nome poet. di Roma, le sette colline; la setticolli Roma.
7.2 Entstehung und Konzeption des Vollständigen Wörterbuchs⁶⁴ Eine Besonderheit des Vollständigen Wörterbuchs, die es zu einem prädestinierten Objekt für das Studium der Erstellung von zweisprachigen Wörterbüchern in der Vergangenheit macht, liegt darin, dass zahlreiche Schriften und Dokumente vorliegen, die über seine Entstehung und Konzeption detailliert Auskunft geben.
7.2.1 Quellen zur Erstellung und Konzeption In erster Linie ist es Valentini selbst, der auf implizite und explizite Weise in verschiedenen seiner Werke Hinweise über sein Vorgehen liefert. Explizit tut er dies im Vorwort zum Vollständigem Wörterbuch, nämlich was die Arbeitszeit betrifft in der Widmung an das deutsche (Vollst. Wb., vol. 1, [V]) sowie an das italienische Publikum (Vollst. Wb., vol. 2, [V]) und ausführlicher zu den Wörterbüchern, die dem seinen zu Grunde liegen, und zur Konzeption im Vorwort des ersten Bandes (Vollst. Wb., vol. 1, LXIX–LXXXI), außerdem im Vorbericht zum Anhang des dritten Bandes (Vollst. Wb., vol. 3, 1237–1238). Explizite Informationen in besonderer Form gibt Valentini auch in einer Schrift, mit der er auf einen 1837–1839 in Mailand erschienenen Raubdruck seines Wörterbuchs reagiert.⁶⁵ In dieser Schrift, die den noch unverkauften Exemplaren des Vollständigen Wörterbuchs beigelegt wurde, deckt er nicht nur das Vorgehen des Mailänder Verlegers Nervetti auf, sondern gibt zugleich wertvolle Hinweise zur eigenen Arbeitsweise, insbesondere zum deutsch-italienischen Teil. Valentini hat diese achtseitige Beleuchtung des Verfahrens, welches der Buchhändler L. Nervetti in Mailand bei dem von ihm veranstalteten Nachdrucke des ItalienischDeutschen und Deutsch-Italienischen Wörterbuchs vom Professor Valentini befolgt
64 Ein Auszug dieses Kapitels ist, in leicht modifizierter Form, als Artikel in den Studi di lessicografia italiana erschienen, cf. Gärtig (2013). 65 Zu diesem Raubdruck und Valentinis Reaktion darauf cf. vertiefend Kapitel 8.2.
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hat sowohl in italienischer als auch in deutscher Sprache verfasst.⁶⁶ Der Autor ist spürbar angegriffen und stark polemisch, weshalb der Text stellenweise mit Vorsicht zu interpretieren ist. Präzise sind dagegen die enthaltenen Anhaltspunkte für von Valentini verwendete Wörterbücher. Des Weiteren ist die Raccolta di mille e più vocaboli italiani als Quelle zu nennen (cf. Kapitel 6.2). Bezüglich dieser ist zu beachten, dass es sich in erster Linie um ein eigenständiges Werk, einen Beitrag zur italienischen Lexikographiediskussion, handelt. Zugleich erlauben die zeitliche Nähe ihrer Erstellung zur Publikation des Vollständigen Wörterbuchs und die häufigen Verweise in der Raccolta auf diese es, das theoretische Werk auch als nachträgliches Programm für das Vollständige Wörterbuch zu lesen. Valentini selbst weist im Vorbericht zu einem Anhang im zweiten Band des italienisch-deutschen Teils des Wörterbuchs auf die Raccolta hin (cf. Vollst. Wb., vol. 3, 1237–1238). Implizite Hinweise auf Valentinis Sprachverständnis können überdies aus seiner Auswahl von Beispieltexten und -autoren für die didaktischen Arbeiten gezogen werden. Eine externe Beschreibung, insbesondere zum zeitlichen Verlauf der Erstellung, zu Mitarbeitern und zum praktischen Aspekt, bietet die Biographie von De Botazzi (cf. 1895, 41–42). Eine historische Quelle stellen der von Valentini und Wilhelm Ambrosius Barth unterschriebene Verlagsvertrag über das Wörterbuch von 1829 sowie zwei Briefe Barths an Valentini aus den Jahren 1828 und 1829 dar. Sie geben Auskunft über das Voranschreiten der Arbeiten am Wörterbuch, über grundsätzliche lexikographische Entscheidungen bezüglich der Benutzerbedürfnisse und über Überlegungen zur «Vermarktung». Es handelt sich um Reaktionen des Verlegers auf Vorschläge Valentinis, dessen Briefe nicht erhalten oder zumindest bisher nicht aufzufinden sind, deren Inhalt sich aber weitestgehend aus der Antwort Barths erschließen lässt. Im Folgenden werden auf Basis der genannten Quellen drei Aspekte der Erstellung beschrieben, die natürlich eng miteinander verzahnt sind:
66 Der italienische Titel lautet Sposizione del modo di procedere del librajo L. Nervetti, nella ristampa del Dizionario del Professor Valentini. In deutscher Sprache ist die Schrift im Exemplar des Gran Dizionario der Bibliothèque Nationale in Paris (Sign.: X-5410), in italienischer Sprache in der Ausgabe der Biblioteca Comunale in Mailand (Sign.: P. Dig. 228) erhalten (nachgewiesen in Boerner 1988, 25; 37). Im Folgenden wird, Boerner (1988, 24) folgend, die Schrift als Warnprospekt bezeichnet. Wird aus der deutschen Ausgabe zitiert, so wird sie als Beleuchtung abgekürzt, bei Zitaten aus der italienischen folgt Sposizione. Der polemische Text ist auch stilistisch interessant. Es wird deshalb stellenweise aus der italienischen Fassung der Verfahrensbeleuchtung zitiert, um den Autor in entsprechenden Passagen in seiner Muttersprache zu Wort kommen zu lassen. Für folgende Studien könnte auch eine Paralleltextanalyse interessant sein.
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1) der zeitliche Ablauf, die praktischen Aspekte der Arbeit, die Mitarbeiter; 2) lexikographische Quellen sowie weitere exzerpierte Texte, die die Basis des Vollständigen Wörterbuchs bilden; 3) das zugrunde liegende lexikographische und sprachliche Konzept.
7.2.2 Die lexikographische Praxis Valentinis 7.2.2.1 Zeitlicher Ablauf der Erstellung Zu den Anfängen der Arbeit am Vollständigen Wörterbuch schreibt Valentini in seiner Schrift zur Mailänder Raubkopie, das Projekt sei nicht allein auf seine Initiative zurückzuführen, sondern von außen an ihn herangetragen worden: «Terminato che avemmo il nostro portatile, fummo richiesti, ed eccitati più volte, a compilarne uno di maggior mole» (Sposizione, 1). Allerdings führt er nicht an, von welcher Seite diese Aufforderungen gekommen seien, was den Zweifel erlaubt, dass Valentini in der Auseinandersetzung mit dem Mailänder Verleger seine eigene Rolle als Lexikograph leicht übertrieben darstellt. Der zitierte Auszug hilft jedoch, den Beginn der Arbeiten am Vollständigen Wörterbuch in etwa auf die Zeit nach Veröffentlichung des Taschenwörterbuchs, also um 1821, festzusetzen. Aus einem Brief des Verlegers Barth an Valentini vom 17. September 1828 geht hervor, dass Valentini zu diesem Zeitpunkt «erst bis G gediehen» (zitiert nach Boerner 1988, 26) war. Ein weiteres konkretes Datum zur Entstehung des Vollständigen Wörterbuchs nennt der Vertrag zwischen Valentini und dem Verleger, geschlossen am 1. Januar 1829. Er bietet keinerlei Hinweise, wie weit die Arbeiten zu diesem Zeitpunkt gediehen sind, doch die Tatsache, dass Valentini als Verfasser sich unter § 1 verpflichtet, «das Manuscript des ersten italienisch deutschen Bandes spätestens zu Ostern 1829, das zum zweiten, deutsch-italienischen Bande aber spätestens zu Johannis 1831 Herrn Verleger volständig [sic!] und zum Druck fertig zu überliefern» (Boerner 1988, 35) lässt darauf schließen, dass die Erstellung gut voranschreitet. Insgesamt muss sich die enge Arbeit am Wörterbuch über mehr als zehn Jahre erstreckt haben. In der Widmung des ersten deutsch-italienischen Bandes präsentiert Valentini sein Werk als «frutto di ben tre lustri d’infinite ricerche, e d’indefesso studio» (Vollst. Wb., vol. 2, Widmung). Das eigentliche Verfassen der Artikel beschäftigt Valentini und seine Mitarbeiter für die letzten fünf Jahre (cf. De Botazzi 1895, 41). Darüber hinaus erforderte die Entwicklung einer überzeugenden Methode ihre Zeit: «Due anni e più scorsero in fare e disfare, in cambiare ordine e metodo, sino a tanto che ne parve averci dato dentro» (Sposizione, 1) schreibt Valentini im Warnprospekt.
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Während der Arbeit am Wörterbuch erteilt Valentini weiterhin Sprachunterricht (cf. De Botazzi 1895, 35). Außerdem erscheinen in der Zwischenzeit die Neue theoretisch-praktische Italienische Grammatik (1824), der Trattato su la Commedia dell’Arte (1826), Der italienische Lehrer (1827–1828) und während der Veröffentlichung der einzelnen Bände des Vollständigen Wörterbuchs auch die Raccolta di mille e più vocaboli italiani von 1832 sowie die Aussprachelehre von 1834. Als erster Band des Vollständigen Wörterbuchs geht 1830 der italienisch-deutsche Teil mit Artikeln von A bis L in Druck und wird 1831 veröffentlicht. 1832 folgt die Publikation des ersten deutsch-italienischen Bandes (A–L). Der zweite Band des italienisch-deutschen Teils wird zunächst zurückgehalten, denn, wie Valentini im Vorwort zum Anhang im selbigen beschreibt, «[w]ährend im Jahre 1830 der erste Band A – L […] unter der Presse war, kamen uns noch eine Menge Wörter und Ausdrücke vor, welche, obgleich von gutem Gepräge, gebräuchlich, ja selbst von den besten Schriftstellern angewendet, sich dennoch in keinem Wörterbuche fanden. Im Laufe des nämlichen Jahres erhielten wir auch die ersten Bände des in Padua erschienenen Wörterbuchs, welches uns ebenfalls eine große Anzahl Artikel lieferte». (Vollst. Wb., vol. 3, 1237)
Valentini arbeitet also in den bereits nahezu fertig vorliegenden zweiten Band eine Reihe von Zusätzen, vornehmlich aus dem 1827 bis 1830 in Padua erschienenen Dizionario della Minerva ein, und gleicht zudem «die neue Sammlung und unser Wörterbuch mit Alberti’s allgemeinem, kritisch encyklopädischem Werke (neue Auflage in sechs Groß-Octavbänden)» (Vollst. Wb., vol. 3, 1237–1238) ab. Da der Band zu den Artikeln von A–L bereits in Druck ist, können hier keine Ergänzungen mehr vorgenommen werden, Valentini fügt stattdessen dem zweiten Band einen Anhang mit den zusätzlichen Lemmata und Wortbedeutungen an, wodurch «allein die Buchstaben A, B, C eine Vermehrung von etwa dreitausend siebenhundert Artikeln erhielten» (Vollst. Wb., vol. 3, 1237). Der zunächst zurückgehaltene zweite italienisch-deutsche Band (M–Z und Anhang) erscheint schließlich 1834, 1836 komplettiert der zweite deutsch-italienische Band (M–Z) das Wörterbuch.
7.2.2.2 Arbeitsweise Wie zu Beginn des Kapitels angesprochen ist nicht ganz klar, auf welcher Basis Valentini die Arbeit an seinem Wörterbuch beginnt. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass er bestehende zweisprachige Wörterbücher als Ausgangspunkt nimmt. Im Vorwort zum Gran Dizionario beschreibt er, er könne, ausgehend von in diesen vorgefundenen Schwächen, zeigen, «inwiefern wir gesucht haben sie gut zu machen, und zugleich Rechenschaft von der Art unserer Arbeit geben» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXVI).
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Auch im Warnprospekt zur Raubkopie führt Valentini aus, wie die Planung des eigenen Werks von den bereits bestehenden zweisprachigen Wörterbüchern ausgeht, und versäumt es dabei nicht zu erwähnen, welchen Schwierigkeiten er sich dabei bisweilen ausgesetzt sah: «Wir begannen auch bald darauf den Plan eines solchen Werkes zu entwerfen, welches in jeder Hinsicht seine Vorgänger übertreffen sollte. Die unglaublichen Schwierigkeiten aber, welchen wir im Verlaufe dieser Arbeit begegneten, erschreckten uns dergestalt, daß wir mehrmals auf dem Punkte waren, den Gedanken gänzlich aufzugeben. Welche Unzahl von Mängeln zu ergänzen! Wieviel blieb zu schaffen, zu ordnen und zu berichtigen übrig! Wieviel und was für Wörter und namentlich Redensarten, die doch den Genius einer Sprache erst repräsentiren, blieben zu übersetzen, wieviel andre neu umzugestalten! Welche Reinigung mußte mit dem Vorhandenen vorgenommen werden!»⁶⁷ (Beleuchtung, 1)
Der größte Mangel in den bestehenden Wörterbüchern liege, was den italienischen Wortschatz betrifft, im Fehlen wichtiger Wörter und Redensarten, da die Wörterbuchautoren es nicht wagten, sich über den Einfluss der Crusca hinwegzusetzen und Einheiten aufzunehmen, die in deren Wörterbüchern nicht verzeichnet seien (cf. Vollst. Wb., vol. 1, LXXVI). Um den Wortschatz für sein eigenes Wörterbuch gegenüber den bestehenden zu ergänzen und so ein Werk zu schaffen, das den Bedürfnissen des zeitgenössischen Benutzers gerecht wird, verfolgt Valentini zwei Strategien. Zum einen exzerpiert er seinerseits weitere, sowohl literarische als auch wissenschaftliche Texte sowie Zeitschriften. Zum anderen zieht er einsprachige Wörter beider Sprachen heran, wie er im Vorwort zum Vollständigen Wörterbuch ausführt: «Wir haben im Verlauf von etwa zwölf Jahren nach und nach mehrere Tausende von Wörtern aus den Werken Alfieri’s, Bentivoglios, Caro’s, Casti’s, Monti’s, Pindemonti’s [sic!], Spallanzi’s und anderer geschätzter Autoren zusammengetragen. Eine nicht minder kleine Zahl boten uns die belletristischen und wissenschaftlichen Zeitschriften dar: Worte, die zwar jeder Italiener versteht und anwendet, nach denen man aber dennoch umsonst in den Wörterbüchern sucht. In dem von Bologna […] fanden wir auch noch einige Tausende, sodaß wir das unsrige um etwa 11,000 Wörter, um unzählige Bedeutungen bei mehr als zwei Dritteln derselben, um mehr als 8000 Phrasen, Wendungen, Redensarten, Idiotismen u. dgl. und um vielleicht eben so viele Beispiele bereichern konnten». (Vollst. Wb., vol. 1, LXXVI–LXXVII)
67 In der italienischen Version des Warnprospekts orientiert sich Valentini auch an dieser Stelle sprachlich mehrmals an der Terminologie bzw. Metaphorik der Accademia della Crusca, benutzt Ausdrücke wie rassettare oder spricht von der «lega di favella da ripurgare» (Sposizione, 1).
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Das Stützen auf andere Wörterbücher führt, wie die Analyse zeigen wird, zur größten Zahl von Zusätzen, wird jedoch von Valentini in den expliziten Hinweisen auf sein Vorgehen gegenüber eigenen Sammlungen in den Hintergrund gestellt, um seine eigene Leistung als Lexikograph zu betonen. Besonders wichtig ist ihm dies in der Streitschrift zur Raubkopie, in der andere Wörterbücher für das Italienische gar nicht erwähnt werden. Valentini führt dort zunächst lediglich aus, er habe «ununterbochen Auszüge aus den klassischen Schriftstellern gemacht, Kunstausdrücke gesammelt und zu diesem Zwecke mehrere Reisen in Deutschland und Italien unternommen» (Beleuchtung, 1). Auch die weitere große Schwierigkeit, nämlich die, zu jedem Lemma ein passendes Übersetzungsäquivalent zu finden, spricht Valentini im Vorwort zum Vollständigen Wörterbuch an und geht besonders auf Termini der Wissenschaften und der Handwerke ein, die in vielen zweisprachigen Wörterbüchern, für den Benutzer unbefriedigend, in der Zielsprache mit einer Art Definition wiedergegeben werden. «Wir haben, um nicht in denselben Fehler zu verfallen, im J. 1829 Italien durchreist und für eine Masse deutscher Ausdrücke die entsprechenden italienischen aufgesucht; dasselbe haben wir für italienische Ausdrücke in Deutschland gethan» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXVIII).⁶⁸ Ein Hinweis darauf, dass Valentini sich etwa für Ergänzungen aus dem Bereich der Chemie an Spezialisten gewandt hat, findet sich auch in der Raccolta s. v. edulcorare. Der Römer verweist hier «a quel che mi fu detto da’ coltivatori di queste arti maggiori» (cf. auch s. v. neroli). Während der Reise nach Italien hatte Valentini darüber hinaus die Gelegenheit, drei der bedeutendsten Vertreter des lombardischen Kreises von Philologen und Literaten der Zeit zu treffen: Giovanni Gherardini, wichtige Stimme in der Lexikographiediskussion des 19. Jahrhunderts, Francesco Cherubini, den Autor des berühmten, von Manzoni benutzten Vocabolario milanese-italiano, und Alessandro Manzoni selbst. Leider geben die Dokumente, die die Treffen belegen, keine
68 Die Informationen zur Reise nach Italien, die Valentini für die Erstellung seines Wörterbuchs gemacht hat, sind widersprüchlich. Während das zitierte Vorwort von einer einzigen Reise berichtet, die ausschließlich der Suche nach Übersetzungsäquivalenten gedient habe, spricht Valentini im Warnprospekt von «mehre [sic!] Reisen in Deutschland und Italien», während derer er «Kunstausdrücke gesammelt» (Beleuchtung, 1) habe. Der Biographie De Botazzis zufolge ist der Römer nach seiner Niederlassung in Berlin nur zweimal nach Italien zurückgekehrt (cf. 1895, 42). Mit der Entscheidung, zur lexikalischen Erweiterung des Wörterbuchs eine Reise und Feldstudien zu unternehmen, zeigt Valentini eine offene und moderne lexikographische Haltung, ähnlich der D’Albertis. Die Tendenz Valentinis, in der Darstellung der Reisen zu übertreiben, lassen sich vielleicht mit seinem Wunsch erklären, eine Gemeinsamkeit zwischen sich und dem berühmten Vorbild zu unterstreichen.
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Hinweise, ob die italienischen Philologen durch Ratschläge direkten Einfluss auf die Entscheidungen zur Wörterbucherstellung genommen haben.⁶⁹ Bezüglich des deutsch-italienischen Teils macht Valentini im Vorwort weniger Angaben zu seinem Vorgehen, sondern führt lediglich aus, auch hier eine Vermehrung um «28,000 höchst nothwendige Wörter» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXVII) vorgenommen zu haben, ohne zu präzisieren, aus welcher Quelle und auf welche Weise.⁷⁰ Es werden an keiner Stelle Autoren oder andere Texte genannt, die er zusätzlich exzerpiert haben könnte. Dass Valentini sich intensivst mit den einsprachigen Wörterbüchern des Deutschen auseinandergesetzt hat, wird im Warnprospekt bestätigt. Auf den Seiten 3–7 (2–6 im italienischen Text) vergleicht er ausgewählte Seiten der Raubkopie mit dem eigenen Wörterbuch und führt bei feinen Abweichung genaue Zitate aus den Wörterbüchern von Adelung, Campe und Heinsius an, um die Richtigkeit der eigenen lexikographischen Entscheidungen zu untermauern (cf. Fußnote 79 in diesem Kapitel). Die Erstellung des Valentinischen Wörterbuchs hat vermutlich vorwiegend auf der Basis schriftlicher Quellen, ob über Wörterbücher oder eigene Exzerpte unterschiedlicher Textsorten, stattgefunden. Abgesehen von den Entnahmen aus schriftlichen Texten, die Mündlichkeit nachahmen, insbesondere Komödien, ist nicht zu ermitteln, über welchen Weg die gesprochene Sprache eingeht, die im Vollständigen Wörterbuch zweifellos vorhanden ist und sich nicht nur in Lemmata, sondern v. a. auch in Kollokationen und konstruierten Beispielen manifestiert.
7.2.2.3 Mitarbeiter Es versteht sich von selbst, dass ein so umfangreiches Projekt wie das Gran Dizionario nicht von einer einzigen Person allein umgesetzt worden sein kann, und dass Valentini als Muttersprachler des Italienischen auf die Unterstützung deutschsprachiger Mitarbeiter angewiesen war, um die sprachliche Korrektheit in den deutschen Teilen zu garantieren. Sehr bildlich wird die gemeinschaftliche Arbeit am Wörterbuch in der Biographie von De Botazzi beschrieben: «Benchè occupato durante il giorno a dar lezioni, per cinque anni di seguito [Valentini] fu veduto ogni mattina dalle 4 alle 9 tutto immerso a questo gigantesco lavoro […], prima col suo collaboratore Vahl e più tardi collo Schnakenburg, ora seduto al tavolino sfogliando libri e dizionari, ora andar su e giù per la stanza dettando. Non soddisfatto d’una semplice
69 Zum Kontakt Valentinis mit Cherubini, Gherardini und Manzoni cf. Kapitel 4.5.1. 70 Valentini gibt an, im Vorwort des deutsch-italienischen Teils näher auf die entsprechenden Zusätze einzugehen. Dort sucht man jedoch vergeblich.
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compilazione, egli non aveva riposo se non quando era ben penetrato nel senso e nello spirito d’una frase, d’un vocabolo e d’una maniera di dire, e ne aveva trovata la vera, esatta interpretazione». (De Botazzi 1895, 41)
Den ersten Mitarbeiter, Vahl, nennt auch Valentini selbst im Vorwort zum Anhang im zweiten italienisch-deutschen Band und versäumt es nicht, ihm ausgiebig zu danken: «Aber weder unsere Zeit noch unsere Kräfte würden vielleicht für so viel anstrengende Arbeiten ausgereicht haben, wenn wir darin nicht von unserm Hauptmitarbeiter, Hr. F. Vahl, dessen Eifer übrigens im Laufe so vieler Jahre und in einer so vielfach unangenehmen Arbeit nie erkaltete, nicht unermüdlich unterstützt worden wären. Wir ergreifen diese Gelegenheit, um ihm dafür unsern besten Dank zu sagen».⁷¹ (Vollst. Wb., vol. 3, 1238)
Zu Vahl konnten keine weiteren Informationen gefunden werden. Der andere Mitarbeiter, Johann Ferdinand Schnakenburg (1807–1873), hat hingegen zahlreiche Spuren in Berlin hinterlassen. Schnakenburg war wie Valentini Freimaurer, bekleidete von 1863 bis 1873 sogar das Amt des Großmeisters der Großloge Royale York zur Freundschaft. Der Philologe unterrichtete an der Kriegsakademie und am evangelischen Gymnasium zum Grauen Kloster. Schnakenburg war außerdem Mitglied der Société d’Histoire de France und zu Lebzeiten Valentinis Mitglied in der Società italiana. Nach Valentinis Tod wurde er deren erster Direktor (cf. Boerner 1988, 55 und Peters 1980, 59). Neben diesen direkten Mitarbeitern erhielt Valentini Anregungen, Hinweise und Hilfe bei der Materialsammlung von anderen Personen aus dem Umfeld der Berliner Universität, aber auch aus Italien, die er nicht namentlich nennt. Im Vorbericht zum Anhang spricht er vage von «denjenigen Gelehrten, welche uns auf eine so zuvorkommende Weise ihre Sammlungen von Wörtern, die sich in den Wörterbüchern nicht fanden, zukommen ließen» (Vollst. Wb., vol. 3, 1238), in der Schrift zur Raubkopie von der «Mithülfe vieler Gelehrten [sic!] und der Unterstützung «von tüchtigen Mitarbeitern» (Beleuchtung, 1).
71 Zwischenzeitlich scheint Valentini um die Motivation seiner Mitarbeiter besorgt gewesen zu sein. Hinweise darauf finden sich im Brief von Verleger Barth an Valentini vom 17. September 1827: «Deiner Collaboratoren Fleiß und Intereße wird nicht erkalten, wenn das Deinige aushält u das glaube ich unbedingt» (zitiert nach Boerner 1988, 26).
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7.2.3 Valentinis Referenzwerke Wie bereits ausgeführt, greift Valentini für die Erweiterung des Lemmabestands sowie des phraseologischen Teils sowohl auf andere Wörterbücher als auch auf eigene Exzerpte zurück. Die folgende Liste der Grundlagenwerke wurde aus impliziten sowie expliziten Hinweisen Valentinis in den oben genannten Dokumenten rekonstruiert und um die Daten aus der Analyse des Lemmariums ergänzt, die stellenweise Abweichungen von den expliziten Angaben zeigen.
7.2.3.1 Wörterbücher und andere lexikographische Werke Im Vorwort des Taschenwörterbuchs von 1821 gibt Valentini knapp und präzise seine Quellen an und nennt einerseits die vocabolari von Adelung und der Crusca, andererseits die dizionari von Jagemann und D’Alberti di Villanuova (cf. Taschenwörterbuch 1821, vol. 1, V) als Grundlagen. Das Gran Dizionario ist dagegen zugleich reicher an Informationen zu anderen lexikographischen Werken und weniger präzise bezüglich der tatsächlich benutzten Wörterbücher. Sein Vorwort enthält eine kleine Geschichte zur ein- und zweisprachigen Lexikographie des Italienischen und Deutschen ab dem 16. Jahrhundert und geht ausführlicher auf die jüngsten Werke ein (cf. Vollst. Wb., vol. 1, LXXIII–LXXV; LXXVI–LXXVIII, n. 5). Valentini zeigt sich als genauer Kenner der Lexikographie beider Sprachen, insbesondere der des Italienischen. Es ist nicht ganz einfach herauszulesen, welche der aufgeführten Werke er zur Erstellung seines eigenen Wörterbuchs heranzieht und welche er nur ihrer Bedeutung für die Lexikographiegeschichte wegen erwähnt. Zudem liefert er nur für wenige präzise bibliographische Angaben, speziell zur von ihm benutzten Auflage eines Wörterbuchs. Die folgende Tabelle bietet einen Überblick der teilweise mit Sicherheit, teilweise zumindest mit großer Wahrscheinlichkeit für die Erstellung des Vollständigen Wörterbuchs herangezogenen Werke. Neben den Wörterbüchern, die Valentini klar als Grundlagen seines eigenen benennt, sind auch diejenigen modernen Wörterbücher mit aufgelistet, die der Römer in seiner Geschichte der Lexikographie als besonders bedeutend herausstellt. Es handelt sich dabei um die Werke, die nach bestimmten Wendepunkten veröffentlicht worden sind. Für das Italienische sieht Valentini einen solchen Wendepunkt mit der ab 1817 veröffentlichten Proposta von Monti und dem ab 1819 veröffentlichten Wörterbuch von Costa und Cardinali. Für das Deutsche wird der entscheidende Einschnitt von Adelungs Versuch eines vollständigen grammatisch-kritischen Wörterbuchs von 1774–1786 markiert, für die zweisprachige Lexikographie der beiden Sprachen von Jagemann (1790).
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Entstehung und Konzeption des Vollständigen Wörterbuchs
Die Tabelle führt die lexikographischen Arbeiten getrennt nach ein- und zweisprachigen bzw. nach allgemein- und fachsprachlichen Wörterbüchern auf und gibt für jedes Werk an, ob Valentini es explizit als Grundlage oder lediglich als wichtiges neueres Wörterbuch nennt. Zusätzlich wird markiert, ob ein Wörterbuch aufgrund meiner Analyse als von Valentini herangezogen einzustufen ist, und ob die von Valentini gegebene bibliographische Angabe es erlaubt, klar die von ihm konsultierte Ausgabe zu ermitteln.⁷² Die innerhalb einer Zelle zusammengefassten Wörterbücher sind chronologisch nach dem Zeitpunkt ihrer Publikation geordnet. Drei Wörterbücher sind mit einem Asterisk versehen. Es handelt sich um die Dialektwörterbücher von Boerio und Cherubini und das Dizionario precettivo critico ed istorico della poesia volgare von Ireneo Affò. Anders als die übrigen Wörterbücher sind sie nicht im Vorwort des Vollständigen Wörterbuchs genannt, werden aber mehrmals in der Raccolta di mille e più vocaboli italiani zitiert.⁷³
Aufgrund der Analyse als Grundlage anzunehmen⁷⁴
verwendete Ausgabe klar angegeben/identifizierbar
Werk
als wichtiges zeitgenössisches Werk erwähnt
Wörterbuchtyp
explizit als Grundlage genannt
Tab. 7: Lexikographische Grundlagen des Vollständigen Wörterbuchs
– –
× ×
× ×
– ×
Zweisprachige Wörterbücher Jagemann (1790–1791) [2. Aufl. 1803] Filippi (1817)
72 Ist dies nicht der Fall, oder sind zur Zeit der Arbeit am Vollständigen Wörterbuch mehrere Ausgaben auf dem Markt, wird in der Tabelle die erste Auflage angegeben, gefolgt von der neuesten für Valentini zugänglichen Ausgabe in eckigen Klammern. 73 Nicht mit aufgeführt ist die Crusca Veronese von Antonio Cesari. Für die Raccolta hat Valentini sie, als neueste Crusca-Ausgabe, als Ausgangsbasis für seine Kritik herangezogen (cf. Kapitel 6.2.1). Im Vollständigen Wörterbuch wird sie jedoch nicht unter den möglichen Grundlagen der Erstellung genannt. 74 Fehlt in dieser Spalte eine Markierung, so bedeutet dies, dass die Analyse ein Stützen Valentinis auf das betreffende Werk weder bestätigen noch ausschließen konnte.
272 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
explizit als Grundlage genannt
als wichtiges zeitgenössisches Werk erwähnt
Aufgrund der Analyse als Grundlage anzunehmen⁷⁴
verwendete Ausgabe klar angegeben/identifizierbar
Tab. 7: (fortgesetzt)
Für das Italienische
Bologna D’Alberti di Villanuova (2 1825) Minerva Tramater⁷⁵
× – × –
× × × ×
× × × –
× × × ×
Für das Deutsche
Adelung (1774–1786) [2., verm. und verb. Aufl. 1793–1801] Campe (1807–1812) Heinsius (1818–1822)
–
×
×
–
– –
× ×
× ×
× ×
– – – – – –
– × × × × ×
×
– – – – – –
Wörterbuchtyp
Werk
Einsprachige allgemeinsprachliche Wörterbücher
Einsprachige Spezialwörterbücher Für das Italienische
Affò (1777)* [2. Aufl. 1824] Bonavilla/Marchi (1819–1821) Bazzarini (1824–1826) Bazzarini (1830–1836⁷⁶) Nesi (1825) Marchi (1828–1829)
75 Bis zur Drucklegung des zweiten Bandes des Gran Dizionario sind hiervon die Bände 1 und 2, bis Lemmastrecke D einschließlich, erschienen. Valentini scheint sie jedoch vor Abschluss seines Wörterbuchs nicht erhalten zu haben. In einem Brief vom 8. Juni 1835, also nach Erscheinen des zweiten italienisch-deutschen Bandes, bitter er die Mailänder Buchhändler Fusi und Resnati, ihm einige Hefte des Buchstaben B zu schicken, «giacché prima d’accolarmi tanta spesa vorrei prima esaminare se fa per me; e per raccomandarlo alla nostra regia biblioteca prima devo darne il mio parere, ed io non lo conosco punto» (Brief zitiert nach Boerner 1988, 25). 76 Im bereits zitierten Brief an die Buchhändler Fusi und Resnati bestellt Valentini 1835 «la continuazione di Bazzarini». Dabei könnte es sich um den siebten Band des Dizionario enciclopedico handeln, der in diesem Jahr veröffentlicht wurde. Das Dizionario enciclopedico bildet eine Einheit mit der Ortografia enciclopedica Bazzarinis: «Fra il 1824 e il 1837 usci a Venezia, edita dallo stesso B. associato coi tipografi veneziani G. Tasso e F. Andreola, l’Ortografia enciclopedica, monumentale opera in quindici volumi, divisa in due pani (1: Dizionario linguistico; 2: Enciclopedia delle
Entstehung und Konzeption des Vollständigen Wörterbuchs |
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Grassi (1821) [10. Aufl. 1827]⁷⁷ Romani (1825) Romani (1825–1826)
× × –
× × ×
– × ×
Für das Deutsche
Eberhard (1795–1802) [3. Aufl. 1826–1830]
×
×
–
– –
– –
× ×
× ×
– –
× ×
× ×
× ×
Werk
verwendete Ausgabe klar angegeben/identifizierbar
als wichtiges zeitgenössisches Werk erwähnt
Für das Italienische
Wörterbuchtyp
Aufgrund der Analyse als Grundlage anzunehmen⁷⁴
explizit als Grundlage genannt
Tab. 7: (fortgesetzt)
Einsprachige Synonymika
Dialektwörterbücher Für das Italienische
Cherubini (1814)* Boerio (1829)*
Sonstige lexikographische Arbeiten Monti (1817–1828) D’Alberti di Villanuova (2 1826–1828)
Zweisprachige deutsch-italienische Wörterbücher Das Vorwort zitiert als bestes jüngeres Wörterbuch dasjenige, «welches in den letzten Jahren des verflossenen Jahrhunderts Christian Joseph Jagemann herausgab» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXV). Außerdem wird das 1817 in Wien veröffentlichte Wörterbuch des Italieners Filippi genannt, das als «neue Auflage des Jagemannschen Werkes, nur daß es ein wenig, und zwar schlecht verändert und um einige Worte reicher ist» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXV) kritisiert, jedoch, wie die Analyse
scienze, lettere e arti). Con quest’opera – che ha il merito, fra le tante enciclopedie che seguirono in Italia nel sec. XIX, per lo più traduzioni e raffazzonamenti dal francese, di essere originale – il B. fu iniziatore e suscitatore di una generazione di vocabolaristi» (Treccani Diz. Biografico, s. v. Bazzarini, Antonio). 77 In dem bereits in den beiden vorhergehenden Fußnoten genannten Brief vom 8. Juni 1835 bittet Valentini auch, ihm «il Grassi» zuzusenden, allerdings ohne Spezifizierung des Werks bzw. der Ausgabe. Boerner vermutet, es handele sich um die elfte Auflage des Saggio intorno ai sinonimi (cf. Boerner 1988, 25, Anm. 3).
274 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
zeigen wird, von Valentini noch stärker als das Jagemannsche, das stark auf der Crusca aufbaut und damit für Valentinis Projekt zu enge Grenzen hat, für sein eigenes herangezogen wird. Einen Hinweis, dass der Römer sich sehr genau mit dem Filippischen Wörterbuch auseinandergesetzt hat, bieten der Warnprospekt, wo Valentini auf Filippis Art der Grammatikangabe eingeht (cf. Beleuchtung, 7), und außerdem der Brief des Verlegers Barth, in dem dieser darauf hinweist, dass in einem Prospektentwurf Valentinis zu seinem Wörterbuch der Einfluss Filippis zu erkennen sei (Brief vom 17. September 1828, cf. Boerner 1988, 27). Es verwundert, dass Valentini sein eigenes Taschenwörterbuch von 1821 nicht aufzählt, vielleicht, weil es sich um ein Werk vergleichsweise geringen Umfangs handelt. Der Autor schließt den Absatz zu den beiden genannten zweisprachigen Wörterbüchern wie folgt: «Keines der zuletzt genannten Wörterbücher ist noch im Stande, dem Bedürfniß der beiden gebildeten Nationen zu genügen. Wir übersehen es nicht, daß die Sammler dieser und anderer Wörterbücher noch keinen Nutzen von den Fortschritten der Zeit und von den neuen lexicographischen Arbeiten, namentlich denen der Italiener, ziehen konnten, […] wir müssen ihre Werke in jeder Beziehung als verdienstliche Leistungen vergangener Zeiten betrachten, ohne die es schwieriger sein würde etwas Besseres zu liefern». (Vollst. Wb., vol. 1, LXXV)
Wörterbücher des Italienischen In der Raccolta di mille e più Vocaboli italiani schreibt Valentini, «ben ventisette» (Raccolta, s. v. cerino) italienische Wörterbücher zu besitzen. Das einzige im Vollständigen Wörterbuch klar als Grundlage benannte ist das nach seinem Erscheinungsort als Bologna bezeichnete Dizionario della lingua italiana von Costa/Cardinali (1819–1826). Die entscheidende Information «wir haben es dem unsrigen zu Grunde gelegt» wird lediglich in Klammern in einer Fußnote gegeben (Vollst. Wb., vol. 1, LXXVI, n. 5). Wie in Kapitel 3.1 ausgeführt, gehört das Wörterbuch von Bologna zu einer Serie von Wörterbüchern des frühen 19. Jahrhunderts, die sich eng an das Wörterbuch der Accademia della Crusca anlehnen, dieses aber um Einträge aus D’Alberti, der Proposta von Monti, Cesari sowie eigene spogli ergänzen. Explizit ist auch der Hinweis, dass das Vollständige Wörterbuch für den zweiten Band mit Hilfe des Dizionario della Minerva erweitert wurde sowie ein Anhang für Artikel von A bis L hinzugefügt worden ist, der sich vorwiegend, aber nicht ausschließlich auf die Minerva stützt (cf. Vollst. Wb., vol. 1, LXXVII, n. 5 und vol. 3, 1237). Außerdem wurden alle Artikel an der neuen Ausgabe in 6 Groß-Oktav-
Entstehung und Konzeption des Vollständigen Wörterbuchs | 275
bänden des Dizionario universale von D’Alberti aus dem Jahr 1825, von Valentini als «aureo Lessico» (Raccolta, s. v. azzeccare) bezeichnet, abgeglichen.⁷⁸
Wörterbücher des Deutschen Anders als für die einsprachigen italienischen Wörterbücher finden sich für die deutschen keine expliziten Angaben darauf, welche benutzt worden sind. Das Vorwort des Vollständigen Wörterbuchs nennt als wichtige Wörterbücher an erster Stelle das 1774–1786 in erster Ausgabe veröffentlichte von Adelung und an zweiter Stelle das von Campe (Braunschweig 1807–1811), gefolgt vom Volksthümlichen Wörterbuch der Deutschen Sprache von Heinsius aus dem Jahr 1818. Es fehlt nicht der Zusatz, dass die beiden Wörterbücher des 19. Jahrhunderts Adelung wohl «in der Zahl der Wörter, welche sie verzeichnen, nicht an Gelehrsamkeit» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXIV) überträfen, mit dem Valentini sich im Einklang mit den meisten Stimmen der zeitgenössischen Kritiker zeigt, die Adelung loben (cf. Kühn/Püschel 1990, 2057) und Campe als Wörter-Fabrik tadeln (cf. Henne 2001c, 197; 198; HaßZumkehr 2001, 113; cf. auch Kühn/Püschel 1990, 2058). Im Warnprospekt zieht Valentini bei der Besprechung einzelner Artikel seines Wörterbuchs im Vergleich mit dem Raubdruck wiederholt einsprachig deutsche Wörterbücher als Autoritäten heran, und zitiert hierbei in erster Linie Campe. Die gesamte Passage macht deutlich, dass Valentini die einsprachigen Wörterbücher des Deutschen genauestens studiert hat.⁷⁹ Weder im Vorwort noch in einer der anderen Quellen zu den verwendeten Werken explizit erwähnt, aufgrund eines Abgleichs zahlreicher Artikel zu Fremdwörtern jedoch mit großer Sicherheit als Grundlage für das Vollständige Wörterbuch zu identifizieren, ist zudem das Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke (1801; neue, vermehrte und verbesserte Ausgabe 1813) von Campe.
78 Valentini selbst und die Wörterbücher von Bologna und Padua hatten sich zuvor an der ersten Auflage von 1797–1805 orientiert (cf. Minerva, vol. 1, XVII). 79 Bei der Diskussion des Artikels zu Aass beispielsweise werden sowohl Adelung als auch Campe angeführt, Campe mit dem «großen Campe’schen Wörterbuch» jedoch zuerst (Beleuchtung, 3). S. v. Ackerbauwissenschaft wird wieder auf beide verwiesen. An dieser Stelle geht Valentini allgemein auf die Aufnahme von Komposita in seinem Wörterbuch ein und gibt, zumindest für Bildungen mit Acker- explizit an, hierbei aus dem reichen Schatz Campes auszuwählen: «Es stehen in Campe’s Wörterbuch 147 mit Acker zusammengesetzte Wörter; nach unserm Plane nahmen wir aber nur 62 auf» (Beleuchtung, 3). An einer dritten Stelle geht Valentini auf Bildungen mit aus- ein und verweist auf Campe und hier auch auf Heinsius (cf. Beleuchtung, 6).
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Spezialwörterbücher In der Fußnote des Vorworts, die das Wörterbuch von Bologna als Grundlage des Vollständigen Wörterbuchs nennt, wird beschrieben, wie mit jenem ein «wahre[r] lexicographische[r] Wettstreit» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXVI, n. 5) begonnen worden sei, der u. a. zur Erstellung einer Reihe von Spezialwörterbüchern geführt habe, die aufgelistet werden (s. Tab. 7). In der Liste fehlen einige bedeutende Werke, wie etwa das Dizionario militare Grassis von 1817 oder das dreisprachige Marinewörterbuch von Stratico (1813–1814), die für die Zeit wichtigen sektoriellen Wortschatz enthalten. Die lexikographischen Quellen der Erweiterung des Vollständigen Wörterbuchs um sektoriellen und wissenschaftlichen Fachwortschatz sind – abgesehen von den Ergänzungen aus dem Dizionario della Minerva – schwer festzustellen. Aus dem Wörterbuchteil der Raccolta geht lediglich hervor, dass Valentini für das Feld poetisch-linguistischer Ausdrücke häufig und mit sehr positivem Urteil auf das Dizionario precettivo critico ed istorico von Affò zurückgreift (cf. z. B. s. v. allitterazione; dieresi).
Synonymwörterbücher In der Einleitung geht Valentini auf die Problematik der Synonymenverhältnisse bei der Setzung von Übersetzungsäquivalenten ein (cf. Vollst. Wb., vol. 1, LXXVIII–LXXIX) und verweist in einer Fußnote auf die Arbeiten zu diesem Thema von Giuseppe Grassi und Giovanni Romani für das Italienische und Johann August Eberhard für das Deutsche, die ihm für die eigene lexikographische Arbeit nützlich waren.
7.2.3.2 Zusätzlich exzerpierte Texte Literarische Texte In Vorwort zum Vollständigen Wörterbuch gibt Valentini an, Alfieri, Bentivoglio, Caro, Casti, Monti, Pindemonte, Spallanzi und «anderer geschätzte […] Autoren» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXVI) sowie belletristische Zeitschriften exzerpiert zu haben. Es ist zudem anzunehmen, dass auch von Autoren, die Valentini in seinen während der Arbeit am Vollständigen Wörterbuch erschienenen didaktischen Werken als Beispiel- und Übungstexte anführt, Autoren also, die er als nachahmenswertes sprachliches Modell ansieht, lexikalische Einheiten übernommen wurden. Schon im Kapitel 6.2 zur Raccolta wurde der dort formulierte Vorschlag Valentinis erläutert, bestimmte Autoren gezielt als Quelle der Erweiterung um Einheiten bestimmter sprachlicher Varietäten zu exzerpieren.
Entstehung und Konzeption des Vollständigen Wörterbuchs |
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Es überrascht, dass trotz des Treffens in Mailand und trotz seiner einsetzenden Popularität der Name Manzonis im Vorwort fehlt, zumal Valentini einen Auszug aus den Promessi Sposi als Lesestück in seinem Lehrbuch Der italienische Lehrer vorgeschlagen hatte. Die untenstehende Tabelle bietet eine vollständige Übersicht aller Autoren, die Valentini im Vollständigen Wörterbuch und in der Raccolta nennt bzw. als Modelltext in den didaktischen Arbeiten benutzt.
Luigi Alamanni (Florenz 1495 – Amboise 1556) Vittorio Alfieri (Asti 1749 – Florenz 1803)
× ×
×
×
×
×
Giuseppe Baretti (Turin 1719 – London 1789) Cornelio Bentivoglio (Ferrara 1668 – Rom 1732)
×
Annibale Caro (Civitanova Marche 1507 – Rom 1566)
×
×
Giovan Battista Casti (Acquapendente 1724 – Paris 1803)
×
×
Antonio Cesari (Verona 1760 – Ravenna 1828)
×
Ugo Foscolo (Zante 1778 – Turnham Green 1827)
×
Carlo Goldoni (Venedig 1707 – Parigi 1793)
×
×
Carlo Gozzi (Venedig 1720 – Venedig 1806)
×
Lorenzo Magalotti (Rom 1637 – Florenz 1712)
×
Alessandro Manzoni (Mailand 1785 – Mailand 1873) Vincenzo Monti (Alfonsine 1754 – Mailand 1828)
Text im Ital. Lehrer
Text im Trattato sulla Commedia
Text in der Neuen Gramm.
angegeben/zitiert in der Raccolta
Autor
angegeben im Vollst. Wb.
Tab. 8: Exzerpierte literarische Texte
× ×
×
Francesco Petrarca (Arezzo 1304 – Arquà 1374)
×
×
Lorenzo Pignotti (Figline Valdarno 1739 – Pisa 1812)
×
×
Ippolito Pindemonte (Verona 1753 – Verona 1828)
×
×
Quirico Rossi (Vicenza 1697 – Vicenza 1760)
×
Giovanni Rucellai (Florenz 1475 – Rom 1525)
×
Anton Maria Salvini (Florenz 1653 – Florenz 1729)
×
Iacopo Sannazzaro (Neapel ca. 1456 – Neapel 1530)
×
Torquato Tasso (Sorrent 1544 – Rom 1595)
×
×
Claudio Tolomei (Asciano ca.1492 – Rom 1556)
×
Alessandro Verri (Mailand 1741 – Rom 1816) Francesco Maria Zanotti (Bologna 1692 – Bologna 1777)
× ×
278 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
Wissenschaftliche und Fachtexte Anders als bei den literarischen Texten, wo Autoren klar benannt werden, ist Valentini in der Angabe der Quellen, aus denen er Termini technici schöpft, nicht besonders präzise. Im Vorwort zum Vollständigen Wörterbuch fügt er den Namen der exzerpierten literarischen Autoren den des in verschiedenen Sektoren aktiven Naturwissenschaftlers Lazzaro Spallanzani (1729–1799) hinzu und erklärt zudem allgemein, wissenschaftliche Zeitschriften nach Termini durchsucht zu haben (cf. Vollst. Wb., vol. 1, LXXVI). In der Raccolta di mille e più vocaboli italiani erkennt Valentini die Erweiterung des Dizionario della Minerva um zahlreiche wissenschaftliche Termini an, wünscht sich bei deren Integration jedoch eine größere Systematizität. Die Botanik als Beispiel heranziehend schlägt er vor, sich an den Klassen und Ordnungen Linnés zu orientieren (cf. Raccolta, XXVI und Kapitel 6.2.2.1). Es kann also angenommen werden, dass er selbst in seinem Wörterbuch systematisch Termini aus diesem lateinischsprachigen enzyklopädischen Werk, dem 1781 in Braunschweig erschienenen Supplementum plantarum Systematis vegetabilium editionis decimae tertiae, Generum plantarum editionis sextae, et Specierum plantarum editionis secunda, exzerpiert und jeweils die italienischen und deutschen Entsprechungen integriert hat. Valentini kritisiert das Crusca-Wörterbuch für sein Desinteresse gegenüber «espressioni scientifiche, Termini technici, e d’arti, sia di Fisica, d’Astronomia, di Medicina, di Storia naturale, e di Matematica, che i Galilei, i Viviani, i Redi, i Magalotti, i Bellini, i Vallisnieri, e i Cocchi in nostra Lingua scritti ci lasciarono» (Raccolta, V). Neben den genannten Wissenschaftsfeldern und Autoren, deren Fehlen bereits in der Vergangenheit Gegenstand der Kritik an der Crusca war, benennt Valentini auch einige jüngere Disziplinen, die seiner Meinung nach in einem Wörterbuch nicht fehlen sollten, und schlägt zur Ergänzung von Termini das Exzerpieren einer Reihe von Autoren der neuen aufklärerischen Kultur vor: «Non meno l’espressioni di politica, di pubblica economia, di Chimica, di Metallurgia vergate da un Pompei [sic!] Neri, da un Pagnini, da un Ab. Galiani, da un Co. Carli, da un Gaetano Filangieri, da uno Scopoli, Spallanzani, ed altri molti; senza far menzione di que’ Termini di Fortificazione, che nel Demarchi, nel De Antoni, e que’ di Musica che nell’ opera del P. Martini si rinvengono, in vano in quel Vocabolario [della Crusca] si cercano». (Raccolta, V–VI)
Obwohl es sich bei diesem Auszug um eine Anmerkung zum Wörterbuch der Crusca handelt, ist es wahrscheinlich, dass Valentini die genannten Autoren auch für die Erstellung seines eigenen Wörterbuchs berücksichtigt hat.⁸⁰
Entstehung und Konzeption des Vollständigen Wörterbuchs | 279
Wie gesehen, bereitet es Valentini in der Raccolta außerdem sichtlich Freude, Spezialtermini auch im Feld des Gegners, in den Atti dell’Accademia della Crusca, zu suchen (cf. Vollst. Wb., VIII–XVII und Kapitel 6.2.1).
7.2.4 Konzeption des Vollständigen Wörterbuchs Nachdem die Arbeitsweise Valentinis, der zeitliche Verlauf der Erstellung und die Grundlagen für das Vollständige Wörterbuch dargestellt wurden, ist das lexikographische Konzept nachzuzeichnen, auf das Valentinis Arbeit gründet. Dazu werden im Folgenden die metalexikographischen Grundsätze sowie Valentinis Sprachkonzeption herausgearbeitet. Die tatsächliche Umsetzung wird dann im Rahmen der Analyse der Makro- und Mikrostruktur in den Kapiteln 7.4 und 7.5 überprüft.
7.2.4.1 Lexikographische Grundsätze Im Vorwort geht Valentini in fünf Paragraphen auf einige Bereiche ein, in denen er bei den deutsch-italienischen Wörterbüchern auf dem Markt Schwächen sieht und auf die er in seinem Wörterbuch besondere Sorgfalt verwendet hat. Sie betreffen das Hinzufügen von wichtigen lexikalischen Einheiten, die systematische Integration von Phraseologie, korrekte und angemessene Übersetzungsäquivalente sowie klare Bedeutungsabgrenzungen, also Punkte, deren sorgfältige Berücksichtigung auch heute als Qualitätskriterien für ein gutes Äquivalenzwörterbuchs gelten.⁸¹ Die erste Verbesserung liegt in der Vermehrung des Wörterbuchs um mehrere tausend Einträge, auf die hier bereits im Kapitel 7.2.2.2 zum Vorgehen Valentinis hingewiesen wurde (§. 7.). An gleicher Stelle betont Valentini die Wichtigkeit von klaren Bedeutungsangaben, der Integration von Kollokationen und
80 Die Angaben Valentinis sind nicht für alle Autoren ganz einfach zu interpretieren. Es handelt sich um Pompeo Neri (1706–1776), Giovanni Francesco Pagnini del Ventura (1714–1789), Abate Ferdinando Galiani (1728–1787) sowie Gian Rinaldo Carli (1720–1795), die bedeutende ökonomische Arbeiten verfasst haben; um den politischen Denker Gaetano Filangieri (1752–1788); den Arzt und Naturwissenschaftler Giovanni Antonio Scòpoli (1723–1788); den bereits genannten Naturwissenschaftler Lazzaro Spallanzani (1729–1799). Außerdem um Francesco De’Marchi (1504–1576), Militärarchitekt des 16. Jahrhunderts, und um den Verfasser von Traktaten zur Militärarchitektur Alessandro Papacino d’Antoni (1714–1786). Schließlich wird Padre Giovan Battista Martini (1706–1784) zitiert, der sich als Komponist, besonders aber als Autor musiktheoretischer Abhandlungen einen Namen gemacht hat. 81 Cf. z. B. Schweickards Analyse des DIT (Schweickard 2000).
280 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
Beispielen (cf. Vollst. Wb., vol. 1, LXXVII), weshalb er auch in diesem Bereich sein Wörterbuch gegenüber den Vorgängern erweitert hat. Auf Phraseologismen i. w. S. kommt er in §. 10. zurück. Hier liegt ein enormer Fortschritt des Gran Dizionario gegenüber seinen zweisprachigen Vorgängern, sowohl was die Anzahl als auch was die lexikographische Darstellung betrifft. Redensarten, Wendungen, Idiotismen und Sprichwörter sollen «unter ihrem Grundworte in Reih und Glied» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXIX) einsortiert werden. Des Weiteren gibt Valentini als Grundsatz des Lexikographen beim Umgang mit Phraseologismen an, «daß er ihre intensive und extensive Bedeutung bemerke, daß er ihren eigentlichen Gehalt mit andern entsprechenden wiedergebe, und daß er ihre Syntax, die damit verbundenen Constructionen und Inversionen u. dgl. anzeige» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXIX) und geht darauf ein, dass die Bedeutung einer phraseologischen Verbindung häufig nicht aus der Bedeutung ihrer einzelnen Bestandteile abzuleiten ist (Vollst. Wb., vol. 1, LXXX). §. 8. beschreibt die Schwierigkeit, passende Übersetzungsäquivalente zu einem ausgangssprachlichen Lemma zu finden, insbesondere für Fachtermini. Valentini verfolgt den Grundsatz, in der Zielsprache keine Definitionen, sondern Äquivalente anzugeben (cf. Vollst. Wb., vol. 1, LXXVIII sowie auch Raccolta, s. v. primarola). Natürlich ist dies nicht immer möglich, beispielsweise bei den lexikalischen Einheiten, die eng an die Kultur der Ausgangssprache gebunden sind und die auch für den heutigen Lexikographen eine kontinuierliche Herausforderung darstellen. Zudem sieht Valentini sich im deutsch-italienischen Teil mit deutschen Lexemen konfrontiert, die zwar über ein italienischsprachiges Äquivalent verfügen, welches jedoch in keinem italienischen Wörterbuch kodifiziert ist, etwa, weil es sich um einen Neologismus oder ein Fremdwort handelt oder weil es einer regionalen Varietät angehört.⁸² Bei allen Arten von Äquivalenten, auch denen zu Redensarten, sei es überdies wichtig, eine feste Methode zu befolgen – soweit die Wortbedeutung einfach ist und eine direkte Gegenüberstellung zulässt, wie Valentini einschränkend bemerkt (cf. §. 11). Um dem fremdsprachlichen Wörterbuchnutzer ein klares Verständnis sowie eine korrekte Verwendung der jeweiligen Einheiten zu ermöglichen, dürfen eine Angabe «zu welcher Klasse von Ausdrücken ein jeder gehört» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXX) sowie eine klare Absetzung der einzelnen Wortbedeutungen, sowohl graphisch, durch Textgliederung sowie den Einsatz von Paragraphenzeichen und Ziffern, als auch durch passende Beispiele nicht fehlen.
82 Auf dieses Problem geht Valentini ausführlich in der Raccolta di mille e più Vocaboli italiani ein, cf. Kapitel 6.2.2.1 sowie Kapitel 7.5.7.2.
Entstehung und Konzeption des Vollständigen Wörterbuchs | 281
In §. 9. beschreibt Valentini die Unsicherheit, die es beim Benutzer auslösen kann, wenn zu einem Lemma in der Zielsprache kumulativ mehrere Äquivalente angegeben werden. Wo metalinguistische Unterscheidungen fehlen, könne vor allem der Anfänger nicht entscheiden, ob es sich hierbei tatsächlich um Synonyma handele. Valentinis Praxis, um dieses Problem zu lösen, wird im Vorwort nicht ganz deutlich. Er gibt an, folgendermaßen Klarheit zu schaffen: «Wir haben sie [die zusammenstehenden Wörter] zu sondern gesucht, das am meisten verwandte Synonymon setzen wir in Parenthese, und geben es jedesmal an, wann ein Wort statt des andern und wann im eigenthlichen, wann im figürlichen Sinne gebraucht werden darf». (Vollst. Wb., vol. 1, LXXIX)
Hier vermischt der Autor zwei Arten von Synonymen im Wörterbuch, nämlich zum einen diejenigen, die als Übersetzungsäquivalente zum Lemma angegeben sind, und zum anderen die Synonyma zum Lemma in der Ausgangssprache, also italienische Synonyme im italienisch-deutschen und deutsche Synonyme im deutschitalienischen Teil. Letztere werden in eckigen Klammern abgesetzt und noch vor dem Übersetzungsäquivalent angegeben. Unter den Übersetzungsäquivalenten wiederum werden untereinander synonyme zusammengestellt und durch Semikolon bzw. die Abkürzung it. von zu ihnen nicht synonymen, jedoch als Übersetzungsäquivalente zum gleichen Lemma in Frage kommenden Einheiten abgesetzt. Für die Bestimmung von Synonymenverhältnissen greift Valentini auf die Arbeiten von Grassi, Romani und Eberhard zurück, verweist jedoch in einer Fußnote auf die Schwierigkeit, die dort ausgearbeiteten Bedeutungsbeziehungen in einem zweisprachigen Wörterbuch umzusetzen (cf. Vollst. Wb., vol. 1, LXXIX, n. 6). Bereits besprochen wurden die lexikographischen Grundsätze, die Valentini in der Raccolta formuliert und die insbesondere eine größtmögliche Systematizität fordern (cf. Kapitel 6.2.2). Darüber hinaus bietet auch der Warnprospekt einige Hinweise zur lexikographischen Praxis Valentinis, insbesondere dort, wo der Römer auf den Vorwurf eingeht, in seinem Wörterbuch fehlten wichtige morphologische Angaben, wie die des Genitivs sowie des Plurals zu deutschen Substantiven und die der unregelmäßigen Formen starker Verben, ein Vorwurf, der aus der Sicht des italienischen Benutzers durchaus Berechtigung besitzt. Valentini erklärt, es handele sich um bewusste Entscheidungen, die durch eine umfangreiche, dem Lemmarium vorgestellte Grammatik, «gegründet auf die Autorität der berühmtesten Grammatiker» (Beleuchtung, 7), ausgeglichen würden. Hinweise auf ursprüngliche Absichten Valentinis, die dann nicht umgesetzt wurden, finden sich in einem Brief seines Verlegers Barth vom 8. April 1829. Valen-
282 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
tini hatte überlegt, eine «Samlung der deutschen Wurzelwörter» aufzunehmen, worauf Barth entgegnet, «indeß führt jedes Etymologisiren zum Hypothesenwesen, und wird von der Kritik meistens sehr hart mitgenommen. […] Darum mein Freund, depresiire ich aufs feyerlichste alle und jede Etymologie in unserem Wörterbuch, denn es handelt sich um ein großes Kapital und das würde durch solche Dinge gerade zu aufs Spiel gesetzt». (zitiert nach Boerner 1988, 27; Unterstreichungen im Original)
Auch die von Valentini angedachte Verwendung spezieller graphischer Zeichen zur Markierung der korrekten Aussprache lehnt Barth entschieden ab: «Ebenso ja keine andern Charaktere als die gebräuchlichen! Auch das würde uns für sonderbar gesucht ausgelegt werden» (Boerner 1988, 27). Das Dokument verdeutlicht die Bedeutung editorischer Überlegungen bei der Umsetzung eines so großen Wörterbuchprojekts, das seinerseits auch eine erhebliche Investition darstellt. Daher ist es dem Verleger wichtig, der Kritik keine Angriffsfläche zu bieten und den Preis für das fertige Werk im Rahmen zu halten. Barths im Brief geäußerte Grundsätze finden sich im Vollständigen Wörterbuch umgesetzt: «In unser Wörterbuch gehört nur das, was zum Nachschlagen und Finden in möglichster Umfaßenheit, Klarheit, Präcision und Concision gehört /,/ allenfalls hie und da bey wichtigen Dingen die Anführung schlagender Autoritäten, so wie in die Einleitung die gedrängte Einführung in den analytischen und prosodischen Theil der Sprache /,/ Bemerkungen über das Wesen der Sprache den /!das/ Wesen eines vollkomnen guten Wörterbuchs meinetwegen auch mit Anziehung einiger gehörige begründeten Puncte; – alles übrige /,/ viel eher in die philosophische Behandlung einer Sprache gehörende /./ muß durchaus aus einem Wörterbuche fort bleiben, den/n/ niemand dankt es dem Verfaßer und es hift nur den Druck vertheuern /,/ das Volumen vergrößern und den Preis höher schrauben». (Boerner 1988, 27–28)
7.2.4.2 Sprachkonzeption Um herauszuarbeiten, welche Idee von Sprache Valentini seinem Wörterbuch zugrunde legt, muss man sich vor allen theoretischen Diskussionen vor Augen halten, mit welcher Absicht das Werk erstellt wird. Valentinis zweisprachiges Wörterbuch ist ein Gebrauchswörterbuch, das in erster Linie den Benutzerinteressen gerecht werden soll.⁸³ Wer im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts zu einem deutschitalienisches Wörterbuch greift, tut dies, weil er
83 Cf. hierzu auch die Definition Schweickards: «Modern bilingual lexicography first of all serves practical needs (in particular text comprehension and translation into foreign languages) and thus constitutes a category of its own» (2013, 679).
Entstehung und Konzeption des Vollständigen Wörterbuchs | 283
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die wichtigsten literarischen Werke in der jeweils anderen Sprache im Original lesen möchte. Während dies über Jahrhunderte besonders für ein deutsches Publikum mit Interesse an den italienischen Klassikern galt, lernt nun eine immer noch vergleichsweise kleine, aber stetig wachsende Zahl an Italienern Deutsch und möchte sich mit den Werken Goethes oder Schillers beschäftigen (cf. Kapitel 2). wissenschaftliche Texte in der jeweils anderen Sprache rezipieren möchte. Die Fortschritte der Naturwissenschaften zu Beginn des 19. Jahrhunderts machen es nötig, auf die jeweilige Terminologie zurückgreifen zu können. In den Geisteswissenschaften wird in Disziplinen wie Philosophie, Archäologie oder auch in den Rechtswissenschaften das Deutsche zur wichtigsten Wissenschaftssprache. direkte Kontakte, seien es Handelsbeziehungen, politischer oder persönlicher Austausch (z. B. während Reisen oder in Form eines Briefwechsels) mit dem anderen Land unterhält und in einem Wörterbuch daher entsprechende Ausdrücke und Wendungen des tatsächlichen Sprachgebrauchs benötigt.
In diesen Benutzerinteressen laufen unterschiedliche Varietäten zusammen, die bisher nicht in einem einzigen Wörterbuch zu finden sind. Zeitgenössische Beobachter wie Förster in der bereits genannten Rezension (cf. Förster 1833a, 255–256) und auch Valentini selbst sprechen von dem Bedürfnis nach einem «den immer wachsenden Beziehungen der beiden Völker und dem Standpunkte der Wissenschaften des Jahrhunderts angemessenere[n] Wörterbuch» (Beleuchtung, 1). Diesem Bedürfnis entsprechend entwickelt der Römer sein sprachliches Programm. Wahrscheinlich von den Ideen Montis und Gherardinis beeinflusst, beginnt er auch im Vollständigen Wörterbuch mit einer Kritik der am Vorbild der Crusca ausgerichteten Lexikographie, deren Wörterbuch ihm für das Taschenwörterbuch noch als Basis gedient hatte, ihm nun aber jegliche Entwicklung zu blockieren scheint: «Seit langer Zeit schon hatte man große Klage und Beschwerde erhoben, daß die italienischen Wörterbücher nicht mehr dem Bedürfniß Genüge leisten. Dennoch wagte Niemand auch nur ein einziges Wort anzugeben, welches im Verzeichniß der Crusca fehlte» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXVI). In der Raccolta di mille e più vocaboli italiani entwickelt er die Vision eines Wörterbuchs, das eine möglichst breite Spanne von Varietäten abdeckt und dabei sowohl literarische und poetische als auch wissenschaftliche und Fachtermini und wichtige Einheiten der gehobenen Umgangssprache mit einschließt. Trotz der grundsätzlichen Öffnung bleibt in Valentinis Ausführungen die in der Tradition verhaftete Haltung spürbar, dass die Erweiterung des Wortschatzes vorwiegend über Autorenexzerpte vorzunehmen sei. Diese Haltung tritt in Konflikt mit dem modernen Ansatz, Einheiten des uso nicht auszuschließen (cf. Kapitel 6.2.1 und 6.2.2.1 zur Raccolta).
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Vor ihrer Aufnahme ins Vollständige Wörterbuch müssen lexikalische Einheiten gewissen Kriterien gerecht werden, nämlich «von gutem Gepräge, gebräuchlich, […] von den besten Schriftstellern angewendet» sein (Vollst. Wb., vol. 3, 1237). Die Sprache, die im Vollständigen Wörterbuch klassifiziert werden soll, ist die «classische[…] Sprache» (Vollst. Wb., vol. 3, 1237). Ausgeschlossen aus dem Varietätenspektrum bleiben dialektale und regional stark eingeschränkte bzw. markierte Einheiten. Den Ausschluss erklärt Valentini explizit im Vorwort zum Anhang: «Getreu unserm angenommenen Grundsatz, nur die Wörter der classischen Sprache zu sammeln, mußten viele solche Ausdrücke aus unserm Werke ausgeschlossen bleiben, welche irgend einem Dialekt angehören, obgleich wir überzeugt sind, daß sie in anerkannten Schriftstellern vorkommen mögen. […] Dem Lexikographen kommt es aber nicht zu, solchen Ausdrücken in einem Wörterbuche der gebildeten und allgemeinen Sprache Raum zu gestatten, insofern sie nicht allgemein üblich sind, von jedem Italiener verstanden werden und durch einen classischen Schriftsteller ihre Anwendung und Bestätigung erhalten haben». (Vollst. Wb., vol. 3, 1238)
Dialektismen können demnach ausschließlich dann aufgenommen werden, wenn sie in synchroner Perspektive zur Allgemeinsprache gehören, regional übergreifend, allgemein verständlich und von einem dem klassischen Kanon angehörenden Schriftsteller verwendet worden sind. Die Ausführungen in der Raccolta aber zeigen, dass diese Haltung durchaus Ausnahmen zulässt.⁸⁴ Bezüglich eines weiteren wichtigen Punkts in der Sprachdiskussionen des frühen 19. Jahrhunderts, der Einstellung gegenüber Fremdwörtern insbesondere des Französischen, zeigt sich Valentini ebenso gespalten. Im Vorwort des Vollständigen Wörterbuchs urteilt er äußerst negativ über das zweisprachig deutschitalienischen Wörterbuch Flathes, eben aufgrund der Vielzahl der darin enthaltenen Gallizismen (cf. Vollst. Wb., vol. 1, LXXV). Die in der Raccolta vertretene Position dagegen ist, wie gesehen, weit weniger strikt und sieht vor, dass Fremdwörter anzuerkennen sind, wenn sie sich im effektiven Sprachgebrauch durchgesetzt haben und lexikalische Lücken besetzen. In ähnlicher Weise erfolgt, wie in der Analyse herauszuarbeiten ist, auch die Lemmatisierung von Forestierismen. Möglicherweise sieht sich Valentini angesichts der vorherrschenden Ablehnung von Fremdwörtern dazu gezwungen, an so exponierter Stelle wie im Vorwort nicht allzu offen dagegen zu argumentieren.
84 Cf. Kapitel 6.2.2.1. Auch die Analyse des italienischen Lemmariums ergibt, dass durchaus Regionalismen aufgenommen wurden, insbesondere solche aus dem Sprachgebrauch Roms, aber auch aus anderen Regionen, cf. Kapitel 7.4.3.2.
Entstehung und Konzeption des Vollständigen Wörterbuchs | 285
Insgesamt scheint für Valentini gegenüber allen theoretischen Diskursen der Grundsatz zu überwiegen, dass «der Lexicograph also die Worte nicht so auszuführen und zu erklären hat, wie sie sein sollten, sondern so wie sie sind» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXIX). Anders als die zeitgenössische Lexikographie im Traditionsstrang der Habsburgmonarchie, wo eine gut standardisierte Sprache für die Machtausübung in den italienischen Kronländern gebraucht wurde,⁸⁵ braucht Valentini keine Sprachnorm zu kodifizieren, sondern ist geprägt von der «filosofia romantica, che mira a una nuova scientificità e a una completezza tesaurizzante» (Kolb 2004, 407).
7.2.5 Verlegerische Aspekte Zur Vervollständigung der Ausführungen über die Erstellung des Vollständigen Wörterbuchs ist es abschließend interessant, einen Blick auf die Vermarktung des Werks und die Rolle des Verlegers in dem Projekt zu werfen. Der bereits zitierte Brief von Wilhelm Ambrosius Barth an Valentini vom 17. September 1828 zeigt sehr schön die Rollen zwischen ihm und seinem Autor. Barth versichert Valentini seinen Rückhalt («rechne darauf daß ich treu ausharre wie Du») und betont die Bedeutung des Wörterbuchprojekts («Es wird Dein Hauptwerk, liebster Freund, das Werk Deines Lebens!»). An mehreren Stellen erinnert er Valentini daran, wie sehr auch ihm als Verleger am Gelingen gelegen ist, nicht zuletzt wegen seiner Investitionen («Mir kostet es ein sehr bedeutendes Kapital»; «da ich ja so bedeutendes Geld daran zu wagen gemeint»). Der Verleger inszeniert sich selbst als ruhigen Pol gegenüber dem enthusiastischen Valentini («Du mein alter Freund, bey deinem Enthusiasmus hast gerade einen so ruhigen Verleger nöthig als ich bin»). Nicht nur aus den Anreden geht hervor, dass zwischen den beiden Männern über die geschäftlichen Interessen hinaus ein freundschaftliches Verhältnis bestanden haben muss. Der Autor wird schon in der Erstellungsphase in die Überlegungen zur Bewerbung und Vermarktung des Wörterbuchs eingebunden. Mit seinen guten Kontakten bei Hofe soll er sich um den Schutz vor Nachdruck in Österreich kümmern und darauf einwirken, dass das Werk in allen Gymnasien in Preußen angeschafft werden soll.⁸⁶ Zugleich bemerkt Barth, dass das Wörterbuch für einen weit größeren,
85 Für den Hinweis auf diesen Aspekt danke ich Gualtiero Boaglio. 86 Cf. Boerner (1988, 27–28). Die entsprechende Passage im Brief enthält überdies einen interessanten Hinweis zum preußischen Buchmarkt: «Gerire Dich immerhin als Selbstverleger so wird es Dir doppelt leichter werden, da man in Berlin das Prinzip hat nichts zu empfehlen, was im Ausland verlegt wird. Du kannst aber auch anführen, daß Du in Berlin keinen Verleger gefunden».
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über Berlin und Preußen hinausgehenden Käuferkreis bestimmt ist. Der Hinweis auf Österreich legt nah, dass er auch die Gebiete der Donaumonarchie als wohl größten potentiellen Absatzmarkt im Auge hat. Valentini selbst macht sich Gedanken zum Absatz. Schon frühzeitig, 1828, denkt er daran, einen Prospectus zu erstellen, um ihn rechtzeitig zu den bevorstehenden Weihnachts- und Karnevalsfeierlichkeiten herauszubringen. Der Verleger warnt allerdings, das Werk zu früh zu bewerben, damit bei eventuellen Verzögerungen des Drucks keine potentiellen Käufer abspringen. Das Bedürfnis nach einem umfassenden Wörterbuch der beiden Sprachen, davon ist er überzeugt, sei vorhanden, und es werde «auch noch u vielleicht noch mehr in ein paar Jahren gefühlt werden» (zitiert nach Boerner 1988, 25–26). Der erhaltene Verlagsvertrag schließlich gibt Aufschluss über die Auflage des Wörterbuchs und die Verpflichtungen, die beide Seiten eingehen. Das Vollständige Wörterbuch erscheint in «2500 Exemplare[n] auf gewöhnlichem Papier, 500 Exemplare[n] auf feinem weißen Velin-Druckpapier und 500 Exemplare[n] auf feinem ‹…› Velinpapier» (Vertrag zwischen Valentini und Barth, zitiert nach Boerner 1988, 35). Dem Verleger obliegt es, «für neue, scharfe Lettern, reinen Druck, gutes, weißes Papier und die sorgfältigste Correctur genauest Sorge zu tragen» (Boerner 1988, 34). Valentinis Lohn beläuft sich laut Vertrag auf siebzehn Thaler für jeden Druckbogen nach Beendigung des Druckes eines jeden Bandes sowie sechshundert Thaler nach Beendigung des Gesamtdrucks «als Entschädigung für die bei der darmaligen Bearbeitung angestellten Hilfsarbeiten» (Boerner 1988, 35). Valentini erhält 15 Freiexemplare, auch der Rabatt auf weitere Exemplare sowie weitere «vom Herrn Verfaser sonst bezogen werdende[…] Schriften» (Boerner 1988, 35) und die Bedingungen für eventuelle Neuauflagen sind im Vertrag festgeschrieben. Valentini verpflichtet sich, «alle Kräfte aufzubieten dem Werke nach dem dermaligen Stande beider Sprachen des größtmöglichen Grad sprachlicher Vollkommenheit zu geben» (Boerner 1988, 35).
7.3 Makro- und Mikrostruktur des Vollständigen Wörterbuchs: Anlage der Analyse 7.3.1 Methodische Grundlagen Die folgende Analyse nimmt die Makro- und Mikrostruktur des Vollständigen Wörterbuchs unter die Lupe. Dabei wird jeweils sowohl auf den kodifizierten Wortschatz als auch auf die metalexikographische Darstellung eingegangen. Für die Betrachtung der verzeichneten Sprache gilt die Leitfrage, inwiefern Valentinis Sprachkonzept von seinen lexikographischen Vorgängern geprägt wird und wo er
Makro- und Mikrostruktur des Vollständigen Wörterbuchs: Anlage der Analyse | 287
hingegen, von seiner Außenperspektive als Römer in Berlin und den praktischen Bedürfnissen der jeweiligen Nutzergruppen geleitet, davon abweichend eine eigene Konzeption entgegensetzt. Die in den vorigen Kapiteln bereits dargestellten expliziten Hinweise aus den anderen Werken sowie dem Vorwort werden in die Interpretation des Lemmabestandes sowie des sprachlichen Materials in der Mikrostruktur mit einbezogen.⁸⁷ Einem philologischen Erkenntnisinteresse folgend werden die Verzeichnung von Varianten im Wörterbuch und das zugrundeliegende Normmodell analysiert sowie das Wörterbuch als Quelle für Erstbelege bzw. für die lexikographische Dokumentation von Lexemen des frühen 19. Jahrhunderts herangezogen und mit dem Beleg in anderen Quellen der Zeit verglichen. Dabei liegt der Fokus auf dem italienischen Wortschatz. Zur Einordnung in die Lexikographiegeschichte und im engeren Sinne zur Beantwortung der Frage, wie eng sich Valentini an die von ihm genannten Referenzwerke anlehnt und wo er innovativ vorgeht, ist der systematische Abgleich des Vollständigen Wörterbuchs mit diesen ein zentraler Bestandteil der Analyse. Stets wird dabei für den italienisch-deutschen Teil das Dizionario di Bologna (1819–1826) durchgesehen, das Valentini in der Einleitung seines Wörterbuchs als Basis angibt (cf. Vollst. Wb., vol. 1, LXXVI), und zu seiner Ergänzung für den zweiten Band auch das Dizionario della Minerva (1827–1830). Für den deutschitalienischen Teil wird mit Campe und Adelung verglichen. Zudem werden die zweisprachigen Wörterbücher von Jagemann und insbesondere Filippi, auf den Valentini sich am engsten stützt, zum Vergleich herangezogen. Die metalexikographischen Entscheidungen Valentinis sollen im Hinblick darauf interpretiert werden, inwiefern die unterschiedlichen zugrundeliegenden Lexikographietraditionen des Deutschen und Italienischen die beiden Teile des Vollständigen Wörterbuchs prägen, wo spezifische Benutzerinteressen berücksichtigt werden und wo Valentini gegenüber seinen zweisprachigen Vorgängern innovativ vorgeht. Eine Schwierigkeit für die metalexikographische Analyse ergibt sich daraus, dass kein etabliertes Instrumentarium zur eingehenden und funktionsbezogenen Analyse zweisprachiger Wörterbücher der Vergangenheit besteht. Teilweise kann auf die Kriterien zur Untersuchung historischer einspra-
87 Eine ähnliche Methode zur Analyse eines modernen zweisprachigen Wörterbuchs, Langenscheidts Handwörterbuch Italienisch (DIT) von 1997, wählt Schweickard (2000). Auch er betrachtet, in stark geraffter Form, die Makrostruktur hinsichtlich der Verzeichnung von Wortschatzbereichen, die für den zeitgenössischen Nutzer besondere Relevanz haben bzw. lexikographische Herausforderungen darstellen, sowie die Mikrostruktur bezüglich paralleler Qualitätskriterien wie der Angemessenheit von Übersetzungsäquivalenten (bei ihm «Definitionen», cf. Schweickard 2000, 79) und Markierungen, und stellt regelmäßige Vergleiche mit dem unmittelbaren Vorgängerwerk, dem Grande Sansoni, an.
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chiger Wörterbücher zurückgegriffen werden, zu denen einige Arbeiten vorliegen, aufgrund der abweichenden Funktion und der anderen Informationstypen ist mit diesen jedoch natürlich keine eingehende Analyse zu leisten: Das einsprachige Wörterbuch identifiziert und beschreibt die Einheiten einer Sprache, macht Aussagen über lexikalische Einheiten einer Sprache durch andere Einheiten derselben Sprache. Zweisprachige Wörterbücher dagegen stellen Relationen zwischen lexikalischen Einheiten zweier Sprachen her (cf. Herbst/Klotz 2003, 103, 106–107). In einer engeren, an der Wörterbuchfunktion orientierten Definition schreibt Marello: «dizionari bilingui […] mettono in contatto due lingue ai fini della traduzione» (Marello 1989, 5).⁸⁸ Um dieser speziellen Natur gerecht zu werden, erfolgt ein Rückgriff auf moderne Wörterbuchkritik und metalexikographische Arbeiten zu heutigen zweisprachigen Wörterbüchern. Selbstverständlich werden diese nicht als Qualitätsmaßstab verwendet, an denen ein Wörterbuch des frühen 19. Jahrhunderts in ahistorischer Perspektive zu messen wäre. Vielmehr dienen sie als Ausgangspunkt, um über spezifische Funktionen, Bauteile und Strukturen zweisprachiger Wörterbücher zu reflektieren und so Analysekategorien zur Verfügung zu haben, die dann kontinuierlich am Gran Dizionario abgestimmt werden. Valentinis eigener hoher Anspruch und seine ausführliche metalexikographische Reflexion rechtfertigen den Vergleich mit modernen Kriterien. So kann gezeigt werden, dass der Autor in vielen Bereichen als wichtiger Vorläufer einer modernen deutschitalienischen Lexikographie zu betrachten ist. Grundlegend für die Betrachtung eines zweisprachigen Wörterbuchs ist die Frage, inwiefern seine Bestandteile und Strukturen seine primäre Funktion unterstützen. Diese liegt in der «Bewältigung aktueller Probleme beim Umgang mit Texten» (Hausmann/Werner 1991, 2741), also dem Übersetzen im weitesten Sinne von Texten aus der bzw. in die Fremdsprache. Hierbei ergeben sich für das Sprachenpaar Italienisch und Deutsch, die Kriterien der Textproduktion und -rezeption sowie die Muttersprache der Wörterbuchbenutzer berücksichtigend, vier Anfragesituationen an das Wörterbuch: a) Übersetzung aus der Fremdsprache Italienisch in die Muttersprache Deutsch für deutschsprachige Benutzer mithilfe des italienisch-deutschen Teils; b) Übersetzung aus der Fremdsprache Deutsch in die Muttersprache Italienisch für italienischsprachige Benutzer mithilfe des deutsch-italienischen Teils; c) Übersetzung aus der Muttersprache Italienisch in die Fremdsprache Deutsch für italienischsprachige Benutzer mithilfe des italienisch-deutschen Teils;
88 Eine ähnliche Definition des zweisprachigen Wörterbuchs, über die Übersetzungsfunktion, geben auch Kromann/Riiber/Rosbach (cf. 1991, 2712).
Makro- und Mikrostruktur des Vollständigen Wörterbuchs: Anlage der Analyse | 289
d) Übersetzung aus der Muttersprache Deutsch in die Fremdsprache Italienisch für deutschsprachige Benutzer mithilfe des deutsch-italienischen Teils. Die Pionierarbeit zu den unterschiedlichen Funktionen, die den Wörterbuchteilen damit zukommen, geht auf Ščerba (1940) zurück.⁸⁹ Im Falle von a) und b) haben sich die Begriffe der Herübersetzung (cf. den Begriff des Herübersetzungswörterbuchs bei Hausmann 1977) bzw. der passiven Wörterbuchbenutzung (cf. Lötzsch 1979) etabliert, im Falle von c) und d) die der Hinübersetzung und des Hinübersetzungswörterbuches bzw. der aktiven Wörterbuchbenutzung. Aus den vier unterschiedlichen Anfragesituationen ergeben sich unterschiedliche Bedürfnisse bezüglich der Art und Ausführlichkeit der lexikographischen Angaben zu Lemma und Äquivalenten sowie zur Metasprache, die sich im Idealfall in einer Vierteilung des Wörterbuchs mit zwei italienisch-deutschen und zwei deutsch-italienischen Teilen, jeweils einem für deutsch- und einem für italienischsprachige Benutzer ausdrücken würde (cf. Rey 1982, 38), was in konkreten Wörterbuchproduktionen aus Platz- und Kostengründen kaum umzusetzen ist. Die Reflexion der Benutzungsrichtung und der entsprechenden Lemmaauswahl und lexikographischen Bearbeitung ist bereits für Valentini wichtig, dessen Wörterbuch sich sowohl an deutsch- als auch an italienischsprachige Nutzer wendet. Wenn auch im frühen 19. Jahrhundert das Herübersetzen von zentralerer Bedeutung ist,⁹⁰ so muss ein Wörterbuch doch auch zum Hinübersetzen verwendbar sein.⁹¹ Eine Grundfrage, die sich durch die Analyse der beiden Teile und der einzelnen Elemente der Mikrostruktur zieht, ist daher, für welches Publikum die jeweiligen Informationen, in der gewählten Darstellungsform, bestimmt sind. Es sei vorweggenommen, dass jedoch nicht selten Reflexionen zu Benutzerbedürfnissen mit der Orientierung an den unterschiedlichen einsprachigen Wörterbuchtraditionen miteinander konkurrieren.
89 Für eine Übersicht der weiteren Forschungsgeschichte zu den Wörterbuchfunktionen cf. Kromann/Riiber/Rosbach (1991, 2715–2716). Für meine kurze Darstellung folge ich Wolski (1991, 2840). 90 Cf. Kapitel 2. Auf die vornehmlich passive Benutzung weist auch die Widmung des deutschitalienischen Teils an die Italiener und des italienisch-deutschen Teils an die Deutschen hin. Zudem ist der materielle Tatbestand, dass in den Wörterbuchexemplaren italienischer Bibliotheken der deutsch-italienische Teil wesentlich stärkere Abnutzungsspuren aufweist als der deutsche und umgekehrt ein starker Indikator. 91 Diese Funktion wird bereits durch die Grammatik-Übersetzungsmethode im Fremdsprachenunterricht vorgegeben, die auch Übersetzungen in die Fremdsprache vorsieht.
290 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
Über die Grundfunktion hinaus kann ein zweisprachiges Wörterbuch auch für den Erwerb und die Erweiterung von Fremdsprachkompetenzen verwendet werden (cf. Hausmann/Werner 1991, 2741). Spuren dieser Lernfunktion scheinen auch bei Valentini auf.⁹²
7.3.2 Zusammenstellung eines Analysekorpus Der eigentliche Wörterbuchteil des Gran Dizionario umfasst insgesamt 2727 Seiten, davon 1316 im italienisch-deutschen und 1411 im deutsch-italienischen Teil (cf. Tab. 9). Um seine Analyse so systematisch wie möglich zu gestalten und auch quantitative Aussagen, etwa zum Anteil bestimmter Teilbereiche des Wortschatzes, zu erlauben, wurde ein abgegrenztes, festes Korpus von Artikeln zusammengestellt. Dieses musste umfangreich genug sein, um Repräsentativität zu gewährleisten, jedoch deutlich genug umgrenzt, um handhabbar zu bleiben und präzise Ergebnisse zu liefern. Zur Zusammenstellung bestehen verschiedene Möglichkeiten. Ausgehend vom Lemma als Bezugsgröße kann beispielsweise für jeden Buchstaben des Alphabets eine bestimmte Zahl Lemmata ausgewählt werden. Ein Problem hierbei besteht darin, dass die Auswahl von Artikeln direkt unter einem Graphem automatisch dazu führt, dass ausschließlich Lemmata mit dem jeweiligen Graphem plus -a und dementsprechender Wortschatz Eingang ins Korpus finden. Wird dagegen freier verfahren, besteht die Gefahr, durch gesteuerte Auswahl die Repräsentativität zu verlieren. Eine andere Möglichkeit der Korpuszusammenstellung geht von Spalten bzw. Seiten als Bezugsgröße aus. Hierbei muss der Tatsache Rechnung getragen werden, dass diese sehr unterschiedlich gefüllt sein können, da die einzelnen Artikel eine unterschiedliche Länge aufweisen. Während etwa einige Artikel lediglich Lemma, Grammatikangabe und einen Verweis enthalten und damit nicht mehr als eine Zeile füllen, erstrecken sich andere, z. B., wenn sie viel Phraseologie enthalten, über mehr als eine Spalte oder sogar über mehrere Seiten (cf. etwa den Artikel zu andare, der von S. 43–45 reicht). Diese Überlegungen abwägend wurde zur Korpuszusammenstellung folgendes Vorgehen gewählt. Als Referenzgröße diente die Seite, wobei Seiten in einem
92 Eine weitere Funktion wird bei Piotrowski beschrieben: «A bilingual dictionary, however, can be used not only for translation, but, like a monolingual dictionary, for explanation of the left-hand expressions, i.e. metalinguistically. […] [W]hile most often a bilingual dictionary is described as a tool for translation, it is usually constructed like a metalinguistic dictionary» (2000, 18). Das trifft an einigen Stellen, insbesondere dort, wo dem Äquivalent weiter reichende Kommentare enzyklopädischer Art beigegeben sind, auch auf Valentini zu.
Makro- und Mikrostruktur des Vollständigen Wörterbuchs: Anlage der Analyse | 291
regelmäßigen Abstand von vierzig bis fünfzig Seiten betrachtet wurden. Für das gesamte Wörterbuch ergab sich so eine Seitenzahl von insgesamt 60. Um Vergleiche zwischen dem italienisch-deutschen und dem deutsch-italienischen Teil anstellen zu können, sollten gleich große Korpora für beide Teile entstehen, also solche mit einem Umfang von 30 Seiten für jeden Teil. Rechnerisch ergab sich aus dieser Vorgabe, dass im italienisch-deutschen Teil grob jede vierundvierzigste (43,9), im deutsch-italienischen Teil jede siebenundvierzigste (47,0) auszuwählen war. Die Auswahl nach Seitenabstand, also eine rein rechnerische Wahl, bietet den Vorteil des Zufallsprinzips. Aus den oben angedeuteten Gründen war es aber nötig, die Wahl leicht zu steuern, um die quantitative Analyse nicht allzu stark zu verzerren. Neben dem besprochenen Fall, dass der Artikel zu einem Lemma sehr umfangreich ist – außer Inhaltswörtern mit viel Phraseologie betrifft dies auch grammatische Wörter, die viele Hinweise und Beispiele zur Konstruktion bzw. zur korrekten Übersetzung in der jeweils anderen Sprache umfassen –, kommt es besonders im deutschitalienischen Teil auch vor, dass ganze Seiten lediglich Komposita zu einem einzigen Determinans enthalten. Als Beispiel sei hier die Seite 564 genannt, die mit der Lemmastrecke Hausgenossenschaft bis Hausteufel ausschließlich Komposita mit Haus- vesammelt. Zudem müssen auch besonders produktive Präfixe beachtet werden. Zahlreiche Seiten in Folge können nur Lemmata mit demselben Präfix umfassen. Daher wurde ein teilselektives Verfahren befolgt. Grundsätzlich wurde jede vierundvierzigste Seite im italienisch-deutschen bzw. siebenundvierzigste Seite im deutsch-italienischen Teil ausgewählt. Transkribiert und in die Analyse eingeschlossen wurden alle Artikel, die auf dieser Seite beginnen. Das heißt, dass überlappende Artikel der vorhergehenden Seite ausgeschlossen blieben, während Artikel, die am Seitenende beginnen und sich auf die folgende Seite erstrecken, vollständig berücksichtigt wurden. Entsprechend nimmt auch Valentini selbst die Seitenzuordnung vor, wenn er in der Kopfzeile im Gran Dizionario die auf einer Seite stehenden Lemmata in eben dieser Abgrenzung angibt, und auch die meisten modernen Wörterbücher gehen so vor. Die entsprechend nach numerischen Kriterien ausgewählte Seite wurde jedoch übersprungen und es wurde stattdessen die Folgeseite berücksichtigt, – wenn ein überlappender Artikel der vorigen Seite mehr als eine halbe Spalte ausfüllt; – wenn der Artikel zu einem Lemma mehr als eine Spalte umfasst; – wenn der Artikel zu einem Strukturwort deutlich mehr als eine halbe Spalte umfasst.
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Mit diesen Steuerungen kann eine zu starke Verringerung der Artikelzahl und eine damit zusammenhängende Verschiebung der zu ermittelnden Zahlenverhältnisse ausgeschlossen werden. Um bei der Analyse eine inhaltliche Verzerrung der Art des Wortschatzes vorzubeugen, wurden zudem Seiten nicht ins Korpus aufgenommen, – wenn mehr als zwei Spalten ausschließlich Komposita zu einem Determinans enthalten. Ein genaueres Hinsehen ist im Fall der Präfixbildungen notwendig. Wie angesprochen, füllen entsprechende Bildungen viele Seiten, u. U. jedoch insgesamt so viele, dass man etwa eine Seite mit Bildungen mit in- als repräsentativ ansehen muss, da insgesamt über fünfzig Seiten solche Bildungen enthalten. Diese letzte Überlegung mag verdeutlichen, dass jede einzelne Seite genau betrachtet und in jedem Einzelfall nach sorgsamem Abwägen über ihre Aufnahme ins Korpus entschieden werden musste. Es ist ein begründeter Einwand, dass mit dem Ausschluss von Seiten nach den oben genannten Kriterien wichtige Bestandteile des Valentinischen Wörterbuchs unberücksichtigt bleiben. Dies ist aber insofern zu rechtfertigen, als der Ausschluss mit Rücksicht auf Erkenntnisgewinn nur für den quantitativen Analyseabschnitt erfolgt.⁹³ Bei der Betrachtung bestimmter Teilbereiche des Wortschatzes bzw. bestimmter Adressen in der Mikrostruktur, die im Analysekorpus nur unzureichend repräsentiert sind (z. B. Phraseologismen), wurden auch außerhalb liegende Artikel mit einbezogen. Auf die Anwendung dieses Vorgehens wird an den jeweiligen Stellen stets explizit hingewiesen, um die Überprüfbarkeit der Aussagen zu gewährleisten. Das Analysekorpus umfasst die in nachstehender Tabelle aufgeführten Seiten mit insgesamt 2055 Artikeln für den italienisch-deutschen und 1901 Artikeln für den deutsch-italienischen Teil. Die zunächst folgenden Abbildungen reproduzieren je eine Korpusseite der beiden Wörterbuchhälften.
93 Bei der Angabe von Anteilen in Prozenten wird jeweils auf ganze Zahlen gerundet, da sonst eine statistische Sicherheit suggeriert wird, die anhand des begrenzten Korpusausschnitts nicht gewährleistet ist.
Makro- und Mikrostruktur des Vollständigen Wörterbuchs: Anlage der Analyse
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Abb. 7: Korpusausschnitt ital.-dt. (Vollst. Wb., vol. 1, 46; Universitätsbibliothek Salzburg)
294 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
Abb. 8: Korpusausschnitt dt.-ital. (Vollst. Wb., vol. 2, 613; Universitätsbibliothek Salzburg)
Makro- und Mikrostruktur des Vollständigen Wörterbuchs: Anlage der Analyse
Tab. 9: Korpusausschnitt Sprachrichtung
Band
Seite
Ital.-dt. Teil.
Bd. 1
46 86 129 175 215 258 301 344 387 430 473 516 559
Bd. 2
604 647 690 739 781 819 862 908 948 991 1034 1081 1120 1165 1206
Magistrato–Magreide Miliare–Minaccio Nume–Nuro Parvipendere–Passaggio Pigmatico–Pilotaggio Principesco–Pro Rappurare–Rassegnante Rinzaffare–Ripasso Satireggiare–Saziamento Sembianza–Seminato Sommozione–Sontuoso Stellante–Stentare Tavolare–Tegolajo Trincerato–Tristarello Versorio–Verspertillo
Anhang
1253 1296
Antidiluviano–Apione Ebbro–Eliostato
Dt.–ital. Teil
Bd. 1
50 96 143 189 235 282 331 376 424 470 517
Lemmastrecke Andazzaccio–Anfratto Atto–Attribuire Bombardare–Bordo Cassale–Castaldo Collisione–Colombara Convulso–Coppa Delicatello–Demergere Disparimento–Disperato Estimabile–Esula Fragilezza–Frangola Granajo–Grandinoso Incollorire–Incongiungibile Irreligione–Isoperimetro
Amalgama–Amt Aufblasung–Aufbruch Aussonderung–Ausspritzen Berill–Beruhigend Brauchlich–Braut Dorfpfarre–Drahteisen Einschmierung–Einsegnen Erleiden–Ermahnungsschreiben Fingerbeine–Fiscal Gedrange–Gefallen Glette–Glockentreter
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296 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
Tab. 9: (fortgesetzt) Sprachrichtung
Band
Bd. 2
Seite
Lemmastrecke
567 613 659 705 752
Heerwagen–Heidenbekehrung Hochzeitfeier–Hoffähig Kauung–Kehrbürste Krustig–Kugelbahn Logenbruder–Los
802 854 896 943 990 1037 1084 1133 1178 1225 1291 1319 1366 1413
Mittelwand–Mitwissend Object–Ochsenfrosch Publicirung–Pulverthurm Rüstwagen–Säbelfinne Schlußrede–Schmalzfaß Sickern–Siechen Stille–Stimmensammlung Trichterfisch–Trinkglas Ungereimt–Ungeschmeidigkeit Verhältnißantheil–Verheerung Vulkanglas–Wachsband Weigerung–Weilen Würze–Wüthend Zwergpudel–Zwirnhandel
7.4 Makrostruktur: Adaption des traditionellen Lemmabestands an die Neuerungen des 19. Jahrhunderts Die Entscheidungen, die ein Lexikograph im Bereich der Makrostruktur vorzunehmen hat, betreffen die Auswahl der als Lemmata präsentierten lexikalischen Einheiten, ihre Anordnung und ihre lexikographische Darstellung (cf. Marello 1989, 37; Hausmann 1977, 3). Die Analyse der Lösungsansätze bei Valentini gliedert sich in zwei Teile. Ein erster Block zeigt auf, wie er beim Ansetzen seiner Stichwörter vorgeht. Aus sprachinternen Gründen und aufgrund der unterschiedlichen lexikographischen Traditionen für das Italienische und Deutsche sind hier in den beiden Wörterbuchteilen vom Lexikograph sehr unterschiedliche Aspekte zu berücksichtigen, weshalb der italienisch-deutsche und der deutsch-italienische Teil in diesem Analyseabschnitt getrennt betrachtet werden. Für beide Teile wird der Fokus zunächst auf den metalexikographischen Aspekt gelegt mit der Frage, wie die lexikalischen Einheiten lemmatisiert und wie sie angeordnet werden, und inwiefern Valentini hier, anknüpfend an oder abweichend von seinen Vorgängern modern, in Richtung heutiger lexikographischer Praxis, vorgeht. Im Anschluss wird der Blick auf den normativen Aspekt
Die Makrostruktur |
297
gelenkt, nämlich anhand der Fragestellung, wie mit Varianten umgegangen wird. Schließlich wird anhand eines Korpusabgleichs der Lemmarien des Vollständigen Wörterbuchs und derjenigen seiner Vorgänger Valentinis produktiver Umgang mit den Grundlagenwerken herausgearbeitet: Welcher Teil des Wortschatzes wird in welcher Form übernommen? Was wird ausgelassen, was hinzugefügt? Das Erkenntnisinteresse liegt hierbei auf der Fragestellung, wie der Autor von den jeweiligen einsprachigen Traditionen beeinflusst wird, die auch Unterschiede in den beiden Teilen mit ausmachen, und wo er andererseits mit seinem zweisprachigen Wörterbuch die Lücke in der lexikalischen Dokumentation schließen kann, die von einsprachigen gelassen wird. Der zweite Block nimmt bestimmte Teilbereiche des Wortschatzes in den Blick, die im Wörterbuch dokumentiert sind. Nach einer Übersicht über deren Anteile wird gezielt auf die Wortschatzbereiche eingegangen, deren Aufnahme bzw. Ausschluss bis heute Lexikographen vor grundsätzliche Entscheidungen stellt und die in der Sprachenfrage des frühen 19. Jahrhunderts besonders diskutiert wurden: fachsprachliche Termini, Regionalismen und Dialektismen, Fremdwörter und archaischer Wortschatz. Hierfür werden die beiden Wörterbuchteile zusammen betrachtet, um direkt Vergleiche anstellen und aufzeigen zu können, wie sich die unterschiedlichen lexikographischen Traditionen sowie die teils gleichen, teils voneinander abweichenden Bedürfnisse deutscher und italienischer Nutzer auf die Stichwortauswahl auswirken. Der Schwerpunkt aus linguistischer Perspektive liegt jedoch auf dem italienischen Teil, für Regionalismen wird nur dieser betrachtet.
7.4.1 Der italienisch-deutsche Teil 7.4.1.1 Aspekte der Lemmatisierung a. Alphabetische Ordnung Die einzelnen Wörterbuchartikel werden, auf jeder Seite in drei Spalten angeordnet, in alphabetischer Reihenfolge präsentiert.⁹⁴ Zu Beginn einer jeden Sektion von Artikeln, die mit dem gleichen Graphem beginnen, ist dieses Graphem in
94 Die Anordnung ist nach moderner lexikographischer Terminologie als glattalphabetisch zu bezeichnen, cf. Hausmann/Werner (1991, 2748). Nest- und nischenalphabetische Strukturen sind noch nicht in Verwendung. In engerem Sinne weist das Vollständige Wörterbuch eine artikelalphabetische Anordnung (cf. Hausmann/Werner 1991, 2748) auf, die teilweise mit infralemmatischen Adressen arbeitet.
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Großdruck zentriert vorangestellt. In die Spalten der Artikel eingeordnet stellt das Graphem das erste Lemma dar. Der entsprechende Artikel lautet z. B. O, m. das O. §. Das O hat zwei verschiedene Laute: einen offnen wie in Polo, Gloria, Rosa ec., […]
Auf das Paragraphenzeichen folgen Hinweise zur Realisierung des durch das jeweilige Graphem bezeichneten Lauts und weitere Hinweise zum Gebrauch des Graphems. Abweichend von heutigen Wörterbüchern fasst das Gran Dizionario das ⟨i⟩ und das ⟨j⟩ in der Überschrift, nicht aber in ihrer Verwendung, als ein Graphem zusammen. Im ersten Artikel wird jedoch klar die unterschiedliche Verteilung erläutert, die im Wörterbuch sowohl auf Lemmaebene als auch in der Mikrostruktur sowie in den einleitenden Textteilen konsequent befolgt wird. Gegenüber seinen einsprachigen italienischen Basiswerken nimmt Valentini bei der alphabetischen Anordnung einige Anpassungen vor. Eine grundlegende Modernisierung betrifft die klare Unterscheidung zwischen ‹u› und ‹v›, die in den Wörterbüchern von Bologna und Padua zwar in ihrem Druckbild unterschieden, jedoch bezüglich der alphabetischen Reihenfolge als ein Graphem behandelt werden. Hierdurch ändert sich bei Valentini für einige Artikel gegenüber den Referenzwerken die Reihenfolge. Darüber hinaus stellt der Autor Artikel, die im Wörterbuch von Bologna aus Versehen oder durch eine etymologische Anordnung, die teilweise die alphabetische überlagert, nicht korrekt ins Alphabet eingeordnet sind, in ihre streng alphabetische Abfolge. Castaldo etwa folgt nun auf castaldione, während die Autoren des Dizionario della lingua italiana es diesem voranstellen. Kleine Fehler und Verstöße gegen die systematisch alphabetische Anordnung finden sich jedoch auch im Vollständigen Wörterbuch, zum Beispiel unter In- mit Lemmaabfolge incompositamente, incompossibile, incompôsito.⁹⁵ Ein bewusstes Abweichen von der alphabetischen Ordnung nimmt Valentini mit einer bestimmten Präsentationsform von Varianten in Kauf, auf die am Ende dieses Kapitels eingegangen wird.
b. Die Lemmaposition Die Lemmata sind gegenüber dem übrigen Artikel etwas größer und in Fettdruck gesetzt, eingerückt und beginnen mit großer Initiale. Die Lemmaposition kann
95 Die scheinbar falsche Einordnung von imbusto zwischen incombustibile und *incomiatare stellt dagegen wohl lediglich einen Kopierfehler dar, durch den incombusto eben zu imbusto verkürzt wurde. Dies zeigt nicht zuletzt das deutsche Äquivalent ‘unverbrannt; it. unverbrennbar’.
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bereits Angaben enthalten, nämlich einerseits zur diasystematischen Markierung und andererseits zur Aussprache. Diese sind zwar formal dem Lemma und damit der Makrostruktur zugeordnet, ihrer Funktion nach handelt es sich aber um Angaben, die zur Mikrostruktur gehören, weshalb sie in dieser Arbeit im entsprechenden Kapitel behandelt werden.⁹⁶ Ist dem Lemma ein Asterisk vorangestellt, so ist dies ein die diachronische Ebene betreffender Marker (zur systematischen Darstellung der von Valentini verwendeten Marker cf. Kapitel 7.5.4), der angibt, dass es sich bei der entsprechenden lexikalischen Einheit um eine voce antica bzw. ein veraltetes Wort (Vollst. Wb., vol. 1, LXXXIV) handelt. Einzelne Lemmata sind durch Akzente ausgezeichnet, die nicht der Orthographie entsprechen, sondern Hinweise zur korrekten Aussprache geben (cf. Kapitel 7.5.2). Das Lemma als formale Einheit ist durch Komma vom Rest des Artikels abgesetzt.
c. Problem- und Zweifelsfälle der Lemmatisierung Lexikalische Einheiten werden im Vollständigen Wörterbuch, wie in den meisten modernen Wörterbüchern europäischer Sprachen üblich, als Lemma in ihrer Nennform angegeben. «For most European languages this means that adjectives are listed in their undeclined singular positive form, verbs in the infinitive and nouns in the singular» (Schnorr 1991, 2813). Trotz Orientierung an diesem Grundprinzip muss sich ein Lexikograph mit einer Reihe von Problem- und Sonderfällen der Lemmatisierung auseinandersetzen. Diese betreffen insbesondere den Umgang mit Homonymen, Mehrworteinheiten, Einheiten, die nur in einer festen Kombination bzw. nur in einer flektierten Form vorkommen, die Aufnahme von Varianten und die Lemmatisierung von Produkten einer Konversion. Im Bereich der Substantive ist bei solchen mit natürlichem Geschlecht, die sich auf Personen beziehen, abzuwägen, ob die Femininform mit angegeben wird. Für das Italienische ist über die Aufnahme von Alterationsformen zu entscheiden, die auch die Adjektive betreffen, außerdem über das Ansetzen eigener Lemmata für mit -mente gebildete Adverbien. Einen Zweifelsfall stellt auch die Lemmatisierung von Partizipien dar. Im Vorwort zum Gran Dizionario gibt Valentini keine Hinweise auf den Umgang mit diesen Sonderfällen. Die Analyse der Lemmata zeigt, dass er nicht immer konsequent entscheidet, sich jedoch klare Tendenzen erkennen lassen.
96 Zum Konzept von Adresse und Angabe im zweisprachigen Wörterbuch cf. Hausmann/Werner (1991, 2729–2730). Zu Angaben in Lemmaposition cf. auch Marello (1989, 40–41) und Marello/Rovere (1999, 179–181).
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Eigennamen und geographische Bezeichnungen Wie bereits in Kapitel 7.1.1.4 gesehen werden diese bis auf wenige Ausnahmen nicht im regulären Lemmarium, sondern in einem eigenen geographischen Verzeichnis am Ende des zweiten Bandes präsentiert.
Substantive Unter der Wortklasse der Substantive stellen die Defektiva, für die Lemmatisierung insbesondere diejenigen ohne bzw. mit kaum gebrauchter Singularform, eine besondere Schwierigkeit für den Lexikographen dar. Lexeme mit entsprechenden Charakteristika im Italienischen wie i forbici oder gli occhiali, «in cui si possono distinguere due o più parti» (Dardano/Trifone 3 2005, 187), oder Substantive, «che designano una pluralità di cose o di azioni» (ebd.) wie i viveri, i bronchi oder le dimissioni, gibt Valentini in der Pluralform mit der Grammatikangabe m. bzw. f. pl. an. Im Analysekorpus handelt es sich bei den entsprechend lemmatisierten Substantiven nahezu ausschließlich um Fachtermini bzw. voci dotte aus dem Griechischen oder Lateinischen, zu denen keine Singularform existiert. Als Beispiel sei ein Artikel aus dem Bereich der alten Geschichte zitiert: Apatúrie, f. pl. T. di Stor. die Apaturien, das Betrugsfest.
Neben diesen Fachtermini sticht mit der Grammatikangabe f. pl. das Lemma tedescherie mit dem Übersetzungsäquivalent ‘deutsche Einfalt und Grobheit’ heraus. Tedescherie ist ein Beispiel für ein Lexem, das über eine Singularform verfügt, die jedoch, zumindest in der Beurteilung Valentinis, nicht frequent ist.⁹⁷ Die feminine Form von Substantiven, die sich auf Personen beziehen, gibt Valentini recht konsequent unter dem Lemma der maskulinen Form mit an, wenn es sich um Deverbativa auf -tore in der maskulinen und -trice in der femininen Form handelt, die die handelnde Person bezeichnen.⁹⁸ Als Beispiel dient der folgende Eintrag: Copiatore, m. -trice, f. ein, eine Copist–in.
Das feminine Suffix ist durch Fettdruck als Teil des Lemmas ausgezeichnet und wird in der Angabe des deutschen Äquivalents durch den Anschluss von -in an
97 Das Nuovo dizzionario italiano-tedesco e tedesco-italiano (1764) von Jäger/Romani verzeichnet den Singular, cf. Roeck (2006, 684). 98 Eine Ausnahme bilden bei Berufsbezeichnungen ganz klar männliche Berufe wie z. B. attrazzatore. Ansonsten wird, wie das Beispiel von copiatore zeigt, auch bei Berufsbezeichnungen die feminine Form mit aufgeführt.
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die maskuline Form wiedergegeben. Gegenüber dem Wörterbuch von Bologna verhält sich Valentini in der Aufnahme der femininen Formen wesentlich demokratischer. Hinsichtlich der Personenbezeichnungen, die auf andere Weise gebildet werden, folgt er keiner einheitlichen Strategie. Manchmal, insbesondere, wenn bei Berufsbezeichnungen beide Formen gebräuchlich sind, werden Maskulin- und Femininform jeweils mit eigenem Artikel aufgeführt. Ein Beispiel sind die beiden Artikel zu trippajuola und trippajuolo. Bei der Lemmatisierung von Substantiven ist des Weiteren zu entscheiden, ob Alterationsformen mit aufgenommen werden. Heutige Wörterbücher verfolgen dabei zumeist den Ansatz, dass «keine Verkleinerungs- und Vergrößerungsformen verzeichnet [werden], es sei denn, ihre Bedeutung ist nicht vom Grundwort abzuleiten» (PONS, 13). Im Vorwort macht Valentini keine entsprechenden Angaben, in der Raccolta di mille e più vocaboli italiani fordert er jedoch die Integration: «Nullo Idioma vanta una fecondità di gentilissimi diminutivi, ec. come il nostro, e mancar non si dovrebbe d’accoglierli quando ben formati sono, e da autori classici» (Raccolta, s. v. prosapietta). Das Analysekorpus enthält insgesamt 85 nominale Alterationsformen, die mit den Angaben accresc., dim., disprezz. und pegg. gekennzeichnet sind und fast durchweg einen Verweis auf ihre Grundform enthalten. Bis auf vertebretta und piletta, deren Artikel lediglich aus Grammatikangabe und Verweis besteht, sind alle Formen mit einem Übersetzungsäquivalent versehen. Die Mehrheit der Formen ist transparent, also von einem Benutzer mit Grundkenntnissen in der italienischen Wortbildung auch ohne Wörterbucheintrag zu verstehen. Ein Hauptkriterium für die Aufnahme stellt, wie das Zitat der Raccolta zeigt, wohl die Verwendung der Formen bei wichtigen Autoren dar. Beispielhaft angegeben seien hier für Augmentativa nur tazzone mit der Übersetzung ‘eine große Tasse; eine große Schale’, für Diminutiva die Einheiten elegietta ‘eine kleine Elegie’ und prismetto ‘ein kleines Prisma’ und für Pejorativa sonettaccio ‘ein elendes, mattes Sonett’, die dem heutigen Leser doch ein wenig befremdlich vorkommen. Ein Vergleich mit dem Dizionario di Bologna zeigt, dass bis auf wenige Ausnahmen – im Korpus lediglich magnanaccio ‘ein elender, ungeschickter Schlosser, ein Pfuscher von Schlosser’, principessina ‘eine junge Prinzessin’ und sonettelluccio ‘ein elendes Sonett’ – die Alterationsformen bereits dort verzeichnet sind, das Gran Dizionario also eine alte, an literarischen Beispielen orientierte lexikographische Tradition weiterführt. Daneben sind hier jedoch auch Alterationsformen verzeichnet, deren Bedeutung sich nicht klar aus der ihres Grundworts ableiten lässt. Dies sind delicatello ‘ein Süßling, ein Schwächling, Weichling’ von delicato ‘zart, weich’, milordino ‘ein süßes Herrchen, ein Stutzer’ und rasetto ‘halbseidener Atlas’ von raso ‘der Atlaß’, copertone ‘die Bockdecke (an Kutschen)’ von coperta ‘die Decke, die Hülle’, und satrapone ‘ein Großthuer, Prahler’
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von satrapo ‘ein Satrape, Statthalter, Landvoigt (besonders in Persien)’. Zu milordino ist keine Grundform angegeben, es leitet sich vom englischen mylord ab. Auf die Einheit wird zurückzukommen sein, da sie in einsprachig italienischen Wörterbüchern vor Valentini nicht verzeichnet ist.
Adjektive Vom Phänomen der Alteration sind auch Adjektive betroffen. Das Vollständige Wörterbuch verzeichnet im Analysekorpus insgesamt 375 Adjektive in der Grundform, d. h. für das Italienische in der Positivform mask. Sg. Daneben sind 37 Alterationsformen, vorwiegend im Superlativ (35 Formen) aufgenommen. Valentini verzeichnet damit zu nur rund 10 % der Adjektive eine Alterationsform, tendiert also dazu, sie eher nicht zu setzen. Wiederum ist ein Abgleich mit den einsprachigen italienischen Referenzwerken aufschlussreich. Bis auf zwei Ausnahmen, nämlich estremissimo und incomodissimo, wobei letzteres auch bei Jagemann und Filippi zu finden ist, sind alle Alterationsformen auch in den Wörterbüchern von Bologna und Padua enthalten und belegen, wie schwer die Tradition dieser auf der Crusca basierenden Wörterbücher wiegt.
Adverbien Moderne Wörterbücher verzeichnen Adverbien, die aus einem qualitativen Adjektiv in der Femininform und der Endung -mente gebildet werden, normalerweise nicht als Lemma. Im Vollständigen Wörterbuch sind zu 24 % der verzeichneten 412 Adjektive, die Superlativformen mit eingeschlossen, Adverbien mit -mente aufgenommen, insgesamt 98, die bis auf bonamente, incoltamente, inconfusamente (alle drei in Filippi und Jagemann) bereits in den Wörterbüchern von Bologna bzw. Padua verzeichnet sind. Nur vier dort im interessierenden Korpusausschnit nachgewiesene Adverbien mit -mente werden von Valentini nicht übernommen.
Verben In der Klasse der Verben sei zunächst ein rein formaler Aspekt angesprochen, nämlich die Form, in der Verben, die ausschließlich reflexiv gebraucht werden, lemmatisiert werden. Hierfür besteht zur Zeit Valentinis noch keine feste Konvention. Von den 7 im Korpus vorkommenden Reflexivverben verzeichnet das Vollständige Wörterbuch drei mit dem Infinitiv ohne Reflexivpronomen (z. B. incollorire), weitere drei mit doppeltem Infinitiv, wobei eine Form das Reflexivpronomen enthält (Bsp. stellare, stellarsi) und eines mit dem Infinitiv mit Reflexivpronomen
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(incompararsi). In allen Fällen wird der Gebrauch der Verben durch die Grammatikangabe v. n. p. für verbo neutro passivo erklärt. Incollorire, v. n. p. [Adirarsi], sich erzürnen. Stellare, Stellarsi, v. n. p. sich stirnen, gestirnt werden: […] Incompararsi, v. n. p. zum Gevatter werden.
Auch im Dizionario di Bologna ist die Präsentationsform reflexiver Verben im Lemma noch nicht festgelegt, es finden sich sowohl Formen wie incompararsi als auch solche wie stellare. Bei der Bearbeitung der Verben hat der Lexikograph zu entscheiden, wie er mit Partizipien umgeht, insbesondere mit solchen, die vorwiegend adjektivisch gebraucht werden. «According to the principle of base forms, present and past participles should be dealt with in the entry of the infinitive. However, problems develop where there is no infinitive form in use, […]. And problems occur where the participle in its adjectival use has lost most of its connection with the verb». (Schnorr 1991, 2815)
In diesen Fällen und auch bei unregelmäßigen Partizipformen, von denen nicht automatisch auf den Infinitiv zu schließen ist, kann es für den Benutzer hilfreich sein, wenn das Partizip als Lemma herausgestellt wird. Valentini führt einige adjektivisch gebrauchte Partizipien, zu denen er keinen Infinitiv verzeichnet, mit eigenem Artikel auf und kennzeichnet sie als Adjektive, so etwa attrabaccato und cassulato: *Attrabaccato, agg. [Accampato con trabacche], übl. Attendato, unter Gezelten gelagert. Cassulato, agg. T. de’ Bot. eingekapselt.
Auch Partizipien, zu denen ein Artikel mit dem Infinitiv besteht, werden trotz ihrer Transparenz bisweilen, im Korpus in 53 Fällen, zusätzlich mit eigenem Artikel mit deutschem Äquivalent aufgeführt, wenn der adjektivische Gebrauch häufig ist und/oder bedeutende literarische Beispiele dieses Gebrauchs vorliegen, wie im folgenden Auszug. Anelante, part. att. keuchend, athemlos: Qual dopo lunga, e faticosa caccia Tornansi mesti, ed anelanti i cani. Tass. Ger. […]
Bei den betreffenden Partizipien handelt es sich bis auf die Ausnahme grandinato um Formen des Partizips Präsens. Möglicherweise gibt Valentini hier Äquivalente
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an, da er unsicher ist, ob der deutsche Benutzer die Form richtig verstehen kann. Es ist nicht zu vergessen, dass der italienisch-deutsche Wörterbuchteil sich vorwiegend an Deutsche wendet, die aus dem Italienischen übersetzen und denen mit Übersetzungsäquivalenten wie dem unter anelante angegebenen zumindest ein erster Verständniszugriff auf einen italienischen Text ermöglicht wird. Teilweise sind die Partizip Präsens-Formen in der Grammatikangabe mit part. att., teilweise unspezifiziert als part. gekennzeichnet. Mit Ausnahme von principiante übernimmt Valentini alle Partizipien mit vollständigem eigenem Artikel aus seinen einsprachigen italienischen Referenzwerken. Doch nur gut ein Drittel der Partizipien erhält ein Übersetzungsäquivalent. Von den im Korpus nachgewiesenen 156 als Partizip gekennzeichneten Formen in Lemmaposition – bei 236 Verben bedeutet diese Zahl, dass zu 66 % aller Verben eine Partizipform verzeichnet ist – folgt auf 103 Partizipien im Lemma lediglich ein Verweis auf den Infinitiv wie in den folgenden Beispielen. Raso, part. di Radere, vedi. […] Seminato, part. di Seminare, vedi.
Wie die hohe Zahl solcher Verweislemmata vermuten lässt, handelt es sich hierbei nur zu einem äußerst geringen Teil um unregelmäßige Partizipformen wie raso, die aufgenommen werden, da ein Benutzer mit weniger sicheren Italienischkenntnissen sie nicht direkt unter dem Infinitiv nachschlagen könnte, sondern häufig um Partizipien wie seminato zu völlig regelmäßigen Verben. Die meisten finden sich bereits in den einsprachigen Referenzwerken.
Wortbildung: Umgang mit Produkten von Konversion Eine grundsätzliche Entscheidung, die ein Wörterbuch zu treffen hat, betrifft die Frage, ob für Produkte einer Konversion, also lexikalische Einheiten, die bei gleicher Gestalt mehreren Wortarten angehören können, jeweils ein eigenes Lemma anzusetzen ist, oder ob lediglich innerhalb eines Artikels eine Subadresse mit Grammatikangabe abgesetzt wird. Heutige Wörterbücher wählen meist letztere Lösung und arbeiten innerhalb des Artikels mit einem Numerierungssystem von Ziffern und Buchstaben, um die Wortarten abzugrenzen (cf. z. B. PONS, 15). Valentini entscheidet sich hingegen sehr konsequent für die erste Variante.⁹⁹ Für das
99 Das Analysekorpus enthält nur wenige Ausnahmen wie den Artikel zu francesce oder zu isabella, in denen die Verwendung als Adjektiv und Substantiv unter eigenen Absätzen, aber einem Lemma zusammengefasst wird.
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Vollständige Wörterbuch sei die Praxis an den drei Artikeln mit dem Lemma raro beispielhaft veranschaulicht. Raro, agg. [Rado], dünn, nicht dicht. §. Für Poco, Scarso, wenig, gering. §. Für Lento, langsam: E rivolsesi a me con passi rari. §. Für Singolare, Prezioso, selten, kostbar; rar. It. was sich selten zuträgt; seltsam. […] Raro, m. das Seltene, die Seltenheit. Raro, avv. [Raramente, Di rado], selten.
Auch das Wörterbuch von Bologna verzeichnet zu raro drei Lemmata, gibt die Artikel zu den einzelnen Wortklassen aber in einer anderen Reihenfolge an, nämlich zuerst den zu raro als Substantiv, dann denjenigen zu raro als Adjektiv und schließlich den zu raro als Adverb. Diese Ordnung Substantiv – Adjektiv – Adverb, der vermutlich eine Hierarchie unter den Wortarten zugrunde liegt, ist im Dizionario della lingua italiana fest, wohingegen Valentini in ähnlichen Fällen zumeist die wohl eher den Prozess der Wortbildung berücksichtigende Anordnung Adjektiv– Substantiv wählt. In der sauberen Trennung der Wortarten, auch unter Einbeziehung der Absetzung der deutschen Äquivalente, liegt ein klarer Fortschritt des Vollständigen Wörterbuchs gegenüber den zweisprachigen Vorgängerwerken von Jagemann und Filippi. Beide markieren etwa das Lemma isabella – als Farbbezeichnung sicherlich schwierig zu kategorisieren – als Substantiv, geben als Übersetzungsäquivalent dann aber ‘Isabell; isabellfarbig (von Pferden)’ (Filippi 1817; ähnliches Vorgehen auch s. v. sauro) bzw. ‘Isabell, Isabellfarbig, von Pferden’ (Jagemann 1790–1791) an. Valentini wählt hier ein klareres Verfahren, indem er zwar ebenfalls nur ein Lemma ansetzt, darin aber zwischen der Verwendung als Adjektiv und als Substantiv unterscheidet und die Äquivalente jeweils klar zuordnet: Isabêlla, agg. isabellfarbig. §. m. das Isabell, die Isabellfarbe.
Während zu isabella nur eine Wortart angesetzt wurde, geben Jagemann und Filippi (1817) beispielsweise s. v. isolano zwei, Substantiv und Adjektiv, an, um dann als Übersetzungsäquivalente nur Adjektive anzubieten (cf. auch s. v. savio). Insbesondere für italienische Benutzer, die ins Deutsche übersetzen wollen, führt diese Praxis zwangsläufig zu Fehlern. Auch hier ist das Vorgehen Valentinis, der zwei Artikel setzt, sehr viel klarer.
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Jagemann (1790–1791): Isolano, na, s. & adj. Insulaner, Eyländer; Inselbewohner, […]. Filippi (1817): Isolàno, na, s. und adj. Insulaner, Eiländer, Inselbewohner. Vollst. Wb. Isolano, agg. eiländisch. Isolano, m. der Insulaner, der Inselbewohner.
Umgang mit Homonymen Wie die meisten modernen Wörterbücher und wie auch Costa/Cardinali setzt Valentini für Homonyme zwei getrennte Artikel an. Das Analysekorpus enthält als Beispiel rio: Río, m. [Rivo], der Bach, das Flüßchen. […] Río, m. [Reita, Colpa], das Verbrechen, die Missethat. It. für Reo, der Verbrecher. §. Für Male, das Uebel, Böse.
Zur klaren Unterscheidung, insbesondere auch für den italienischen Benutzer, sind jeweils italienische Synonyme in eckigen Klammern mit angegeben (zur Angabe von Synonymen cf. Kapitel 7.5.5).
Polylexikalische Einheiten Während Valentinis einsprachige italienische Referenzwerke und auch Filippi polylexikalische Einheiten, also Wortverbindungen, die aus mindestens zwei getrennt geschriebenen Elementen bestehen, aber ihrer Bedeutung nach als ein Lexem interpretierbar sind, als Lemmata verzeichnen, wird diese Praxis im Vollständigen Wörterbuch verworfen. Das Wörterbuch von Bologna führt insbesondere Mehrworteinheiten der Untergruppe adverbiale Kollokation konsequent als Lemmata auf, z. B. del resto, del sicuro, del tanto etc. Sie sind, wie auch bereits bei Filippi, im Vollständigen Wörterbuch in der Regel nicht auf Lemmaebene zu finden, sondern als Subadressen unter einem ihrer Bestandteile oder zusammen mit einer Variante eingeordnet (zur Behandlung von Phraseologismen i. w. S. cf. Kapitel 7.5.8, zum Umgang mit Varianten s. weiter unten in diesem Kapitel), z. B. del resto s. v. resto, oder a traverso als zweites Lemma hinter der univerbierten Form attraverso, was eine erhebliche Abweichung bedeutet.
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Nur in wenigen Ausnahmen werden Mehrworteinheiten als Lemmata gesetzt. Im Analysekorpus betrifft dies lediglich drei Einheiten oder weniger als ein Lemma von 1000: das aus dem Hebräischen stammende Magraphe Temid, den militärischen Fachterminus Semigôla del bastione und te, te! In Filippi dagegen sind zahlreiche nominale Syntagmen lemmatisiert. Ein Beispiel bietet folgende Lemmastrecke: †anelli da bollo, anelli da cucire, anelli da cortine, anelli per le chiavi, anelli da cravatta, anelli con motto. All diese Mehrworteinheiten sind bei Valentini s. v. anello verzeichnet. Ein Sonderfall bei der Zuordnung einer Mehrworteinheit unter einen ihrer Bestandteile ergibt sich, wenn der bedeutungstragende Bestandteil nur in einer festen Kombination vorkommt. Im Korpus betrifft dies beispielsweise das Lexem magoga, das nie isoliert, sondern nur in der Wendung oga magoga verwendet wird, ‘[p]arola usata per ischerzo per indicare un Paese lontanissimo e di pericolo’ (Crusca V, s. v. gogamagoga). Valentini verzeichnet magoga als Lemma mit Verweis auf oga, das ebenfalls nicht isoliert stehen kann. Der Artikel zu oga bietet denn auch kein Äquivalent zum Lemma, sondern es folgt direkt die als modo basso markierte Redensart Andare in oga mugoga [sic!] mit der Übersetzung ‘bis ans Ende der Welt, in weit entfernte Länder reisen’. In manchen Fällen ist die Verwendung einer Einheit außerhalb einer festen Kombination zwar denkbar, aber im tatsächlichen Sprachgebrauch nicht frequent. Das Vollständige Wörterbuch verzeichnet zahlreiche solcher Fälle, indem er auf das betreffende Lemma und die Grammatikangabe nicht direkt ein deutsches Äquivalent der lemmatisierten Einheit folgen lässt, sondern stattdessen die Mehrworteinheit aufführt und diese übersetzt, wie s. v. semimembranoso. Semimembranoso, agg. T. degli Anat. Muscolo semimembranoso, der halbhautförmige Muskel (des Unterschenkels).
Wie das Beispiel zeigt, sind von dieser lexikographischen Praxis vor allem Adjektive betroffen, die zu bestimmten Fachtermini gehören. Im Analysekorpus sind es insgesamt 47, davon 42 im zweiten Band und hier wiederum 21 allein im Anhang. Diese ungleiche Verteilung lässt sich damit erklären, dass Valentini für den zweiten Band das Dizionario della Minerva mit einbezieht, das wiederum Spezialwörterbücher unterschiedlichster Bereiche wie Medizin, Chemie, Seefahrt etc. (cf. Kap. 3.1) integriert, in denen er eine große Fülle von Fachtermini finden kann. Weitere Beispiele für in festen Mehrworteinheiten gebrauchte Adjektive aus einzelnen Fachbereichen sind mit dem Marker T. degli Anat. ischiadico in «Vene ischiadiche, die Hüftadern, Hüftvenen», mit dem Marker T. dei Bot. disparipennato in «Foglia disparipennata, ein ungleich gefiedertes Blatt (das an der Spitze ein einzelnes Blättchen hat, daher die Zahl der Blättchen ungerade wird)», mit dem Marker
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T. di Chim. bombico in «Acido bombico, die Raupensäure», mit dem Marker T. de’ Leg. nunucaptivo in «Testamento nuncupativo, ein mündliches Testament», mit dem Marker T. de’ Nat. numismale in «Pietre numismali, die Nummuliten, Pfennigsteine», markiert als voce lat. nundinale, «Lettere nundinali, die Marktzeichen (Buchstaben, welche die Jahrmärkte im alten Rom andeuteten)»¹⁰⁰, als T. de’ Med e Farm. pillolare in «Massa, Consistenza pillolare, die Pillenmasse, Pillenconsistenz», als T. eccles. semidoppio in «Ufficio semidoppio, ein Gebet (im Brevier), wobei die Antiphonen nicht wiederholt werden», als T. degli Astr. triottile in «Aspetto triottile, der gedritte Schein», als T. matem. aoristo in «Quantità aoriste, unendliche Größen», als T. de’ Chir. ecpetameno in «Ferita ecpetamena, eine klaffende, breite Wunde» und ohne Markierung eleusino in «Misterj eleusini, die eleusinischen Geheimnisse». Die größte Zahl von Artikeln dieser Art findet sich zu den Fachbereichen Medizin und Anatomie. Besonders der Anhang im zweiten Band umfasst eine Vielzahl von Adjektiven, die zu medizinischen Fachtermini gehören. Valentini weicht in der Lemmatisierung dabei häufig vom Dizionario della Minerva ab. Dies betrifft Fälle wie den folgenden, in dem das Adjektiv zur Bezeichnung bestimmter Arzneimittel gehört und in Kombination mit rimedi vorkommt. In der Minerva wird das Adjektiv dementsprechend im Plural lemmatisiert, wohingegen das Vollständige Wörterbuch die maskuline Singularform als Eintrag wählt. Minerva (1827–1830): *antidinici. Lat. Antidinica. T. di Med. Rimedj contro le vertigini; […]. (Aq) Vollst. Wb. Antidínico, agg. T. de’ Med. Rimedj antidinici, Mittel gegen den Schwindel.
d. Einordnung von Varianten Valentinis Umgang mit Varianten gibt wertvolle Aufschlüsse über seine lexikographische Praxis und ist für seine Sprach- und Normauffassung von höchster Bedeutung. Bevor die Aufnahme von Varianten im folgenden Kapitel unter die-
100 Nundinale gehört zu den lexikalischen Einheiten, die Valentini nicht im Wörterbuch von Bologna findet, sondern sehr wahrscheinlich aus Filippi übernimmt. Dort sieht der Artikel folgendermaßen aus: «Nundinali, adj. die Benennung der ersten acht Buchstaben, welche den Römern, um die Markttage anzuzeigen dienten, so wie uns die Sonntagsbuchstaben». Filippi lemmatisiert unter der Pluralform, da auch er das Adjektiv vermutlich nur in der Kollokation lettere nundinali findet, gibt die Kollokation jedoch nicht an und bietet dem Benutzer statt eines Äquivalents – das für das isolierte Adjektiv auch kaum zu geben ist – eine beinahe enzyklopädische Bedeutungserklärung.
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sem Aspekt betrachtet wird, sei zum Abschluss des Blocks zur lexikographischen Präsentation ihre formale Darstellung im Vollständigen Wörterbuch besprochen. Die Vielzahl der Varianten wird in unterschiedlicher Weise aufgenommen. Grob ist zu unterscheiden zwischen der Zusammenfassung mehrerer Varianten eines Lexems in einem Artikel und der Darstellung einer Variante in einem eigenen Artikel. Werden mehrere Varianten zusammengefasst – im Analysekorpus ist dies in insgesamt 107 Fällen belegt –, geschieht dies zumeist, im Korpus in 75 Fällen, indem die einzelnen Varianten wie zwei Lemmata untereinander stehen, mit einer geschweiften Klammer zusammengefasst, jeweils fett gedruckt und dann in einem einzigen Artikel mit Angaben und Übersetzungsäquivalent versehen werden, wie im untenstehenden Beispiel. Auch Filippi und Jagemann nutzen diese Form der Darstellung von Varianten. *A’nfola, f. die Amphora (der Römi} A’nfora, sche Eimer von ungefähr 24 unsrer Kannen).
Wie anfola im Beispiel können die einzelnen Varianten durch weitere Marker gekennzeichnet sein. Die zweite Variante erscheint im Druckbild wie ein eigenes Lemma. Es ist zu diskutieren, ob sie über Lemmastatus verfügt. Da kein eigener Artikel folgt, werden solche Varianten in der Analyse als Zweitlemma bezeichnet und nicht zur Gesamtzahl der Lemmata und Artikel gerechnet. Bei dieser Art der Darstellung kann es vorkommen, dass die alphabetische Ordnung durch das Zweitlemma scheinbar durchbrochen wird. Beispielsweise fasst Valentini auf die s. v. anfola gesehene Weise irsuto und irto in einem Artikel zusammen, auf irto folgt in vertikaler Lesart als nächstes Lemma dann irsuzia. Diese Unterbrechung nimmt Valentini vermutlich aus Platzgründen in Kauf. Es werden jedoch nur Einheiten, die in alphabetischer Ordnung nicht allzu weit voneinander entfernt stehen, auf diese Weise zusammengefasst. Die einsprachigen Wörterbücher von Bologna und Padua benutzen keine geschweifte Klammer, auch sie fassen jedoch manchmal Varianten in einem Artikel zusammen. Valentini übernimmt ihre Gliederung nicht immer: Bonaeremente und bonariamente etwa, in Bologna in einem Artikel zusammengefasst, sind bei Valentini eigenständige Lemmata, bomicare und bomire hingegen, die in Bologna getrennte Lemmata darstellen, fasst das Vollständige Wörterbuch zusammen. Neben der vertikalen Anordnung von Varianten nutzt Valentini in den übrigen Fällen auch eine horizontale. Die Varianten werden auch hier durch Fettdruck ausgezeichnet, jedoch nebeneinander gereiht. Die Kohäsion wird dabei durch Kommata, die Konjunktionen o oder e, letztere auch auf Deutsch, und, oder durch eine Kombination von Komma und Konjunktion verbunden. Es zeigt sich
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ein großer Unterschied zwischen dem ersten und dem zweiten Band. Während im ersten noch 35 % der Varianten mit einem Artikel horizontal gereiht und alle Möglichkeiten der Kohäsion ausgeschöpft werden, sind im zweiten Band nur 26 % nebeneinander angeordnet und nur noch auf zwei Weisen, durch Komma oder Komma zusammen mit e, verbunden. Valentini hat eine feste Darstellungsform gefunden und etabliert. Eine Sonderstellung unter den horizontal gereihten Varianten stellt folgendes Muster dar: Copiosità, f. [ poet. Copiositade e Copiositate], die Menge, der Ueberfluß, die Häufigkeit. Parzialità, f. Parzialitade, e Parzialitate, f. poet. die Parteilichkeit.
Auf die apokopierte, der Allgemeinsprache angehörige Form auf -tà folgen die Formen auf -ade und -ate, die der poetischen Ebene angehören und durch Marker entsprechend ausgezeichnet werden.¹⁰¹ Die Darstellung der drei Varianten gereiht in einem Artikel findet sich mit teils abweichender Markierung bereits im Wörterbuch von Bologna¹⁰² und durchgängig ohne Markierung bei Filippi. Bei entsprechenden Fällen im ersten Band (cf. das Bsp. zu copiosità) sind die zweiten beiden Varianten wie Synonyme zum Lemma in eckigen Klammern abgesetzt, unterscheiden sich von solchen aber durch den Fettdruck. Im zweiten Band wählt Valentini dagegen die Darstellung ohne eckige Klammern (cf. das Bsp. zu parzialità), er findet also erst während der Arbeit am Wörterbuch zu einem festen System. Neben der zusammenfassenden Darstellung führt Valentini die Varianten eines Lexems häufig auch jeweils in einem eigenen Artikel auf. Diese Darstellungsform erfordert mehr Platz, bietet jedoch den Vorteil, dass gezieltere Angaben etwa zur Markierung der Variante möglich sind, und dass durch Verweise eine Art Hierarchisierung erreicht werden kann. Zudem bietet sich die Darstellung an
101 Im Vorwort unter «Bemerkungen über die Stellung des Accents in den italienischen Wörtern» führt Valentini in einer Fußnote zu den entsprechenden Wörtern aus: «Verkürzte Wörter sind solche, die auf tà und tù ausgehn, z. B. carità, santità, virtù, gioventù u. dgl. Man beachte, daß diese Worte in den ersten Jahrhunderten so geschrieben wurden wie der Ablativ der entsprechenden lateinischen Wörter, also caritate, gioventute u. dgl. In der Folge ward, um den Klang weicher zu machen, te mit de vertauscht, und es hieß nun caritade, gioventude. Als dann auch der Ton der letzten Sylbe von der starken Aussprache des a und des u unterdrückt wurde, verkürzte man die Wörter und bezeichnete jene Vocale mit dem gravis» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXXI). Zur modernen Erklärung der Varianten cf. Rohlfs (1954, 351); Tekavčić (1972, 49–53); Serianni (2006, 29–30; 643). Die vollen, nicht apokopierten Formen dieser Feminina, die in der literarischen Tradition verwurzelt sind, finden sich auch in der Poesie des frühen 19. Jahrhunderts noch häufig belegt (cf. Serianni 1989c, 109). 102 Von den beiden zitierten Beispielen enthält ersteres in Bologna keine Markierung, letzteres ist mit «all’ant.». gekennzeichnet.
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für Einheiten, die im Alphabet weiter getrennt voneinander stehen. Die Artikel können aufeinander verweisen, wie etwa der Artikel von anatra auf den von anitra, tun dies aber nicht in jedem Fall, wie der Artikel zu anetra, der nur das deutsche Äquivalent, jedoch keinerlei Hinweis auf die anderen beiden Formen enthält.
7.4.1.2 Normierungstendenzen und Umgang mit Varianten Nicht nur bezüglich der lexikographischen Präsentation, sondern auch in der Gestalt von lexikalischen Einheiten nimmt Valentini gegenüber seinen Vorgängerwerken Anpassungen vor und zeigt darin seine Sprachauffassung an. Im Folgenden werden Normierungstendenzen im Sinne von orthographischer Vereinheitlichung und dem Umgang mit Varianten besprochen.
a. Orthographische Normierung Eine konsequente, auf Lemmaebene relevante orthographische Vereinheitlichung nimmt Valentini vor, indem er durchgängig das semikonsonantische i, sowohl am Wortanfang als auch im Wortinneren, durch j ersetzt. Diese Veränderung gegenüber den Wörterbüchern von Bologna und Padua, die, in der Tradition der Accademia della Crusca stehend, das j nicht verwenden, betrifft nicht nur die Makrostruktur. Beispiele auf Lemmaebene sind für initiales j jacana, jeri, jonico, juridico, für intervokalisches j borchiajo, colombaja, granajuolo, milojoideo, semejologia. Auch Filippi wählt j als Graphem für das semikonsonantische i.¹⁰³ Eine Verbesserung Valentinis gegenüber Filippi und insbesondere Jagemann im Bereich der Orthographie liegt in der Vermeidung der dort zahlreichen Druckfehler.
b. Umgang mit Varianten In seinem Bestreben, die Sprache möglichst vollständig in all ihren Facetten abzubilden, zeigt sich Valentini insgesamt sehr offen für die Aufnahme von formalen Varianten und integriert sie in großer Zahl in sein Wörterbuch.¹⁰⁴ Dies ist teilweise bereits durch die italienische Lexikographietradition bedingt. Schon «le varianti
103 Gherardini empfiehlt diese Graphie in der Lessigrafia (cf. Gherardini 1843, 524–525). Sie ist zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch verbreitet und wird auch in Lehrwerken des Italienischen für Deutsche vermittelt (cf. Gorini 1997, 207), geht dann jedoch zurück (cf. Migliorini 11 2004, 560). 104 Programmatisch ist hierzu die Aussage, die der Autor bezüglich der Varianten von Eigennamen im Vorwort zum entsprechenden Verzeichnis macht: Sie müssen «in einem Wörterbuche,
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della lingua scritta registrate dalla Crusca sono numerose e per lo più senza una netta dichiarazione di preferenza» (Migliorini 11 2004, 480). Zudem ist die Sprache des frühen 19. Jahrhunderts selbst noch stark von Varianten geprägt. «Anzitutto, la sempre forte differenza tra la lingua della prosa e quella della poesia e il desiderio di molti poeti e di qualche prosatore di valersi di varianti più o meno peregrine contribuiscono a mantener vivi numerosi doppioni. Poi, da un lato di fautori dell’italiano antico ravvivano forme e vocaboli che altrimenti sarebbero scomparsi; da un altro, i cultori dell’uso vivo tendono a mettere in circolazione voci e forme regionali». (Migliorini 11 2004, 559)
Betrachtet man zunächst ausgehend von den Referenzwerken nur die Lemmata im Vollständigen Wörterbuch, so ist kaum eine normative Auswahl festzustellen. Vielmehr ist zu beobachten, dass Valentini versucht, möglichst viele Varianten zu erfassen. Wo Bologna und Filippi unterschiedliche Formen anbieten, übernimmt er häufig beide, wie im folgenden Beispiel. Erstere ist bei Filippi, letztere im Wörterbuch von Bologna als jeweils einzige verzeichnet. Stendardiere, Stendardiero
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m. der Standartenträger, Fahnenträger.¹⁰⁵
Abgesehen von den Varianten, die ohne weitere Angaben zu Stilebene und Gebrauchskontexten zusammengefasst in einem Artikel präsentiert werden, stellt das Vollständige Wörterbuch Varianten jedoch zumeist nicht unkommentiert und gleichwertig nebeneinander. Innerhalb eines Artikels können Varianten mit unterschiedlichem diasystematischem Marker versehen sein, wie etwa in den oben zitierten Artikeln zu anfola und parzialità. Unter den aufgenommenen Varianten, die separat lemmatisiert werden, sind darüber hinaus über ein Verweissystem auch klare Hinweise zum zeitgenössischen Gebrauch der Einheiten zu erkennen: Weniger empfohlene oder weniger frequente Formen sind zwar lemmatisiert, aber nicht mit Übersetzungsäquivalent versehen. Sie verweisen lediglich auf die bevorzugte Form, die einen vollständigen Artikel mit Äquivalent enthält. Das Lemma mit vollständigem Artikel ist die
das als Führer zweier Nationen dienen soll, gesammelt und erklärt werden» (Vollst. Wb., vol. 3, 1326); cf. auch Kapitel 7.1.1.4. 105 «Lo scambio fra -iere e -iero è larghissimamente ammesso», merkt Migliorini (11 2004, 581) zu Bildungen mit den vom französischen -ier abgeleiteten Suffixen im frühen 19. Jahrhundert an. In -iero sieht Rohlfs den «einen Versuch zu stärkerer Italianisierung» (1954, 324; cf. auch 323–324). «In ciascuna di queste coppie si è poi imposta come più comune una delle due forme, sicché l’altra è sentita oggi come arcaica» (Grossmann/Rainer 2004, 202). Cf. auch Tekavčić (1972, 36–38; Serianni 2006, 117–118).
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für Valentini unmarkierte Form, die der Benutzer für die eigene Produktion kennen sollte. Es enthält seinerseits keinen Rückverweis auf die anderen Varianten. So sind im Vollständigen Wörterbuch als italienische Lexeme mit der Bedeutung ‘französisch’ und ‘Franzose’ mit francesco, francioso und francese drei Varianten verzeichnet. Die beiden erstgenannten verweisen jedoch lediglich auf das moderne francese, das seinerseits keinen Verweis auf die beiden anderen erhält. Die Verweise s. v. francesco und francioso markieren francese als die üblichere Form, francioso ist zudem durch Asterisk als antiquierte Form ausgezeichnet.¹⁰⁶ Das Analysekorpus enthält insgesamt 226 Artikel mit Verweis auf Varianten,¹⁰⁷ was bei insgesamt 2055 Artikeln einen hohen Anteil an Verweisartikeln von 11 % ausmacht. Verweise erfolgen in der Regel in der im folgenden Beispiel verwendeten Form: Estirpazione, f. vedi Estirpamento.¹⁰⁸
Das Lemma erhält als Angabe lediglich die grammatische Markierung, es folgt der Verweis durch vedi. 109 oder 48 % der Verweise auf andere Varianten werden auf diese Art dargestellt. Fast genauso häufig, nämlich in 102 Fällen oder 45 % aller Verweise auf Varianten, markiert Valentini die Variante, auf die verwiesen wird, als üblicher,¹⁰⁹ wie im folgenden Beispiel:¹¹⁰ Estimabile, agg. übl. Stimabile, vedi.
Im Vorwort erklärt er, was die unterschiedlichen Arten des Verweises über den Gebrauch der jeweiligen Einheit aussagen: «Hinter viele andere [Worte], die jetzt wenig oder gar nicht mehr gebräuchlich sind, haben wir gesetzt: übl. (üblicher), um deutschen Lesern anzuzeigen, daß der darauf folgende synonime Ausdruck gebräuchlicher ist, z. B. Furtare, übl. Rubare, Involare, vedi; Ginebro,
106 Zu den einzelnen Formen cf. das Deonomasticon Italicum, s. v. Francia. Cf. auch Rohlfs (1954, 330–332); Tekavčić (1972, 102–103). 107 Nicht mit eingerechnet sind dabei Artikel mit Verweis auf etymologisch nicht eng verwandte Synonyme sowie lemmatisierte Partizipien, Superlativformen etc., deren Artikel auf die Grundform verweist. 108 -mento und -zione sind die grundlegenden Suffixe, um deverbale Nomen zu bilden, wobei -zione heute produktiver ist (cf. Dardano 1978, 46–47; Serianni 2006, 645–646; cf. auch Grossmann/Rainer 2004, 323–334; Rohlfs 1954, 300–301; 355; Tekavčić 1972, 71–72). 109 Auffällig ist bei dieser Art des Verweises die Vermischung von Deutsch und Italienisch als Metasprache, cf. dazu Kapitel 7.5.1. 110 Sehr selten, aber durchaus zu finden, sind auch Artikel, in denen auf ein frequenteres Lemma hingewiesen, jedoch trotzdem ein Übersetzungsäquivalent zum Eingangslemma angeboten wird. Ein Beispiel ist folgender Artikel: *Miluôgo, m. übl. mezzo, die Mitte.
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übl. Ginepro, vedi. Giocondezza, übl. Giocondità, vedi. Bei andern, die nicht gänzlich außer Gebrauch gekommen sind, haben wir blos: vedi gesetzt; z. B. Giocolare, Giocolaro, vedi Giuocolare, und Giuocoliere; Giovine, vedi Giovane; und so weiter». (Vollst. Wb., vol. 1, LXXXIV)
Das Verweissystem ist also vor allem für den deutschsprachigen Benutzer gedacht. Wenn dieser die lemmatisierte Einheit in einem Text gefunden hat, wird ihm über den Verweis einerseits das deutsche Äquivalent angeboten. Andererseits erhält er für eine etwaige aktive Textproduktion im Italienischen in der Zukunft den Hinweis, dass die gefundene Einheit im zeitgenössischen Sprachgebrauch kaum noch oder eben nur selten in Gebrauch ist. Es wird klar eine Präferenz für die modernere Form zum Ausdruck gebracht. In 46 Fällen (45 %) wird der Verweis mit übl. für Lemmata verwendet, die zusätzlich durch Asterisk als antiquierte Form ausgezeichnet sind: *Semiliánza, f. übl. Simiglianza, vedi.¹¹¹
Neben der Kombination der Marker * und übl. finden sich im Korpus auch 9 als veraltet markierte Formen mit einfachem Verweis. *Tebertino, m. vedi Tiburtino.
In einzelnen Fällen werden auch auf andere Weise diasystematisch markierte Varianten lediglich als Verweislemmata aufgenommen. In den folgenden Beispielen handelt es sich um eine als voce popolare bzw. Pöbelausdruck (Vollst. Wb., vol. 1, LXXXIV) markierte und zudem dialektale Variante, einen scherzhaften Ausdruck sowie um einen Latinismus: Magnare, v. a. e n. Voce popolare, übl. Mangiare, vedi. Magnificággine, f. (im Scherz), vedi Magnificenza.¹¹² Numine, m. Voce lat. Vedi Nume.¹¹³ 111 Zu Schwankungen zwischen solchen Varianten im 18. und frühen 19. Jahrhundert cf. Migliorini (11 2004, 480–482; 581–582). 112 Zur Grundlage des scherzhaften Gebrauchs der Bildung auf -aggine cf. Rohlfs (1954, 272–273): «Dann dient es [das Suffix] zur Bezeichnung von geistigen Gebrechen oder abstrakten Eigenschaften: asinàggine, fanciullàggine, […]. Von dimenticanza, sfacciatezza, unterscheidet sich dimenticàggine, sfacciatàggine dadurch, daß ersteres den einmaligen oder vorübergehenden Zustand, das zweite mehr die dauernde Eigenschaft bezeichnet». Zu Wortbildungen mit den beiden Suffixen cf. auch Rohlfs (1954, 318); Tekavčić (1972, 43; 44; 62–66); Grossmann/Rainer (2004, 306–309; 310). 113 Nume wird, als poetischer Ausdruck, auch in der entsprechenden Sammlung der Aussprachelehre aufgeführt (cf. Aussprachelehre, 98; zu dieser Sammlung cf. hier Kap. 5.3.5.3). Migliorini
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Valentini legt Wert darauf, einen möglichst breiten Ausschnitt des italienischen Wortschatzes in seinen Varietäten zu erfassen, um ihn zu dokumentieren und seinem deutschen Benutzer als Hilfe beim Herübersetzen zur Verfügung zu stellen. Zugleich nimmt er beim Vorliegen von Varianten eine Einschränkung in dem Sinne vor, dass er lediglich die gegenwärtige, allgemeinsprachliche Form mit einem eigenen Artikel versieht, die anderen auf sie verweist und jene damit als eine Art von Normalform auszeichnet, auf welche der deutschsprachige Benutzer bei der aktiven Produktion ohne die Gefahr, stilistisch unangemessen zu schreiben, zurückgreifen kann.¹¹⁴ Einen weiteren Hinweis darauf, welche Variante Valentini bei zwei oder mehreren parallel existierenden Formen präferiert, kann die Angabe der entsprechenden Form als Äquivalent eines deutschen Lemmas mit der gleichen Bedeutung im deutsch-italienischen Teil liefern (cf. hierzu den Exkurs in Kapitel 7.5.7.3 zu den Übersetzungsäquivalenten). Einige Normierungstendenzen sind schließlich auch an den Auslassungen bzw. Hinzunahmen gegenüber den italienischen Referenzwerken ablesbar: So fügt der Römer Valentini etwa bei einigen denominalen Substantiven die toskanische Form auf -aio bzw. -ajo ein, wo die Referenzwerke nur die auf -aro verzeichnen, z. B. granajo zusätzlich zu granaro, welchem im Vollständigen Wörterbuch nur der Status eines Verweislemmas zugesprochen wird. Jedoch findet sich auch umgekehrt calzolaro neben calzolajo.¹¹⁵ Weitere Varianten aus dem Analysekorpus, die sich im Gran Dizionario, nicht jedoch in den Wörterbüchern von Bologna und Padua nachweisen lassen, sind a’nfola, attonitazzione, boragine, copistuzzo, estôrcere, estráere, fragoroso, irresolutezza, ismagrare, isolotta, nunziería, pignattajo, pilastrino, riparella, sausto, sembola und vertire (cf. Tab. 10).
führt, am Beispiel von addome – addomine, solche Bildungen als Beleg für Schwankungen des Settecento an (cf. Migliorini 11 2004, 481) 114 Hierbei gilt allerdings die große Heterogenität des 19. Jahrhunderts zu bedenken. «A differenza dell’italiano contemporaneo […], la lingua scritta e parlata del secolo scorso presentava una serie di allotropi sinonimici, ossia di forme intercambiabili come significato e livello stilistico […], spesso compresenti nello stesso testo» (Serianni 1989c, 88). 115 Zu Bildungen mit den beiden Suffixen, die auf das lateinische -arius zurückgehen, cf. Rohlfs (1954, 282–284); Tekavčić (1972, 34–39); Grossmann/Rainer (2004, 194–200). Zu einem Nebeneinander der Formen, auch in der lexikographischen Behandlung, führen Grossmann/Rainer aus: «In tutto il corso della nostra storia le due forme hanno poi pacificamente convissuto, presentando molte parole entrambe le possibilità: così ancora oggi il DISC dà come varianti dello stesso lemma campanaro (a lemma) e campanaio, pifferaio (a lemma) e pifferaro), […]» (2004, 194–195).
316 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
Tab. 10: Varianten im Vollständigen Wörterbuch und in den lexikographischen Grundlagenwerken Verzeichnete Varianten im Vollst. Wb.
Verzeichnete Varianten in Bologna/Minerva (Min)
Verzeichnete Varianten in Filippi (1817)
* A’nfola, Anfora¹¹⁶
† ánfora
* A’nfola, s. A’nfora.
* Attonitággine, * Attonitazzione
attonitággine
* Attonitaggiòne, Attonitazziòne
Boragine; Borraggine, Borrána
* borrággine, borrana
Borràggine, Borràna
Copistaccio, Copistuzzo
copistáccio
Copistàccio
Estôrcere, Estôrquere
* estórquere
Estôrcere, * Estorquere
Estráere; Estrarre
estrarre
Estrarre
Fragoroso, Fragoso
† * fragoso
Fragoròso
Irresoluzione, Irresolutezza
irresoluzione
irresoluziòne, irresolutezza
Ismagrare; Smagrare
† smagrare, smagrìre
Smagrare
Isoletta, Isolotta
isoletta
Isoletta, Isolôtta
Nunziatura, Nunziería
nunziatura
Nunziatùra
Pignattajo, Pignattaro
pignattaro (Min)
Pignattaro
Pilastrello, Pilastrino
(*) pilastrello
Pilastrêllo
Riparella; Raperella.
* raperella
Raperêlla
Sausto; Esausto
esausto
Esausto
Sembola; Semola
semola
Sèmola
Stenderello; Stenderetto
—
Stenderetto
Vertire; Vertere
vertere
Vêrtere
Die meisten davon sind in Filippi (1817) verzeichnet, sodass Valentini sie mit höchster Wahrscheinlichkeit und eventuell ohne weitere grundlegende Reflexion aus dieser Quelle schöpft. Filippi verzeichnet auch stenderetto ‘das Mangelholz’, die Bezeichnung für ein Küchengerät, die im an der Crusca orientierten Wörterbuch von Bologna nicht zu finden ist. Auch bei Filippi fehlen jedoch die Varianten
116 Die Aufzählung der Varianten in dieser Tabelle mit Komma zeigt an, dass die Varianten im Vollständigen Wörterbuch in einem Artikel zusammengefasst angegeben werden. Die Aufzählung mit Semikolon gibt dagegen an, dass die Varianten bei Valentini in jeweils eigenen Artikeln, ggf. mit Verweis aufeinander, stehen.
Die Makrostruktur |
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copistuzzo, nunzieria, pignattajo, pilastrino, sausto, sembola, stenderello und vertere, die Valentini vermutlich direkt aus Autorenexzerpten erlangt. Umgekehrt übernimmt Valentini auch nicht alle Varianten aus seinen Referenzwerken. Gegenüber dem Dizionario von Costa/Cardinali fehlen im Vollständigen Wörterbuch bonaga, bonarità, bono, bontia, borboglimento, frailezza, granchiella, mimetico, riparella, satisfattorio, trìpola und trisperma (cf. Tab. 11). Tab. 11: Nicht übernommene Varianten aus Bologna (1819–1826) Verzeichnete Varianten in Bologna (1819–1826)
Verzeichnete Varianten im Vollst. Wb.
† bonaga
Bonágra
bonarietà, bonarietade, e bonarietate; bonarità
* Bonarietà, Bonarietade, Bonarietate
bene; ** bono
Bene
bontà, bontade, e bontate; ** bontía, e bontiade
Bontà, Bontade, Bontate
borbogliamento, borboglimento; borboglianza; borboglimento
Borbogliamento, Borboglianza
* estragiudiciale
Estragiudiziále
fragilezza; fragilità, fragilitade, fragilitate; † ** frailezza. V. A.
Fragilezza; Fragilità, Fragilitade, Fragilitate
† granchiessa, e granchiella
Granchiêssa
mimico, mimetico
Mimesco, Mimêstico, Mímico
* trípola. v. triplo
Triplo
*** trisperma
Trispermo
7.4.1.3 Produktiver Umgang mit den Referenzwerken: Übernahmen, Abweichungen, Ergänzungen Der Abgleich der Makrostruktur des Vollständigen Wörterbuchs – 2055 Artikel und 135 in diese Artikel integrierte Varianten, also insgesamt 2190 Adressen – mit der des Wörterbuchs von Bologna sowie dem Dizionario italiano-tedesco e tedesco-italiano von Filippi zeigt, dass rund 97 % des Wortschatzes von Valentini bereits dort belegt und vermutlich von dort übernommen ist. Die erste Quelle scheint, entgegen der Angaben im Vorwort, wo dessen Wörterbuch kritisiert wird (cf. Vollst. Wb., vol. 1, LXXV), Filippi zu sein: Die Übereinstimmung in der Lemmaauswahl ist hier am höchsten. Wichtiger Indikator ist auch, dass sich kaum Stichwörter in Filippi finden, die Valentini nicht übernimmt, während gegenüber Bologna –
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sicherlich auch bedingt durch den größeren Umfang, den diese als einsprachiges Wörterbuch aufweist – die Auslassungen zahlreicher sind (s. unten). Auch die Markierung des Wortschatzes mit Asterisk stimmt auffällig häufig überein. Der Wortschatz aus Filippi ergänzt sich mit dem Wörterbuch von Bologna, das im Vorwort explizit als Hauptgrundlage genannt wird (cf. Vollst. Wb., vol. 1, LXXVI, n. 5) und mit dem rund 90 % der im Vollständigen Wörterbuch vorhandenen Adressen übereinstimmen. Bereits unter 7.4.1.2 wurde gezeigt, dass Valentini im Bereich der Varianten nicht alle Einträge aus Bologna adaptiert. Auch auf Ebene der eigenständigen Lexeme finden sich im Vollständigen Wörterbuch Auslassungen. Lemmata, die nicht aus Bologna übernommen wurden, sind: † andreasbergolíte, T. di st. Nat.
† incolpato sust.
† andreolíte, T. di st. Nat.
* incompartíbile
† andrógina, v. Monecia.
* irreperíbile
† anfigástrio, t. botanico, v. stipula;
† * irrevelábile
† anfigena, t. di st. Nat.
† ** irrevocabilità * irrilevanza. T. de’ Forensi.
† borácico v. borico. * bordiglione. T. de’ Lanajuoli. *** copertino, T. di Marineria
† * irrisivo. † ** irrisoluzione. (†) irritabilità. T. de’ Medici. * irrubináre. V. A.
† ** delicazione estráneo, e estrano V. L. Sust. estranéo. Add. estránio estrano. v. estraneo * estroversione. t. de’ falsi mistici. * estrovértere, e estrovértersi. t. de’ falsi mistici. † * estrutto. V. L. *** fraina. T. degli Agric. * frammentúccio
* ischeto * ischíade T. de’ Medici. * ischiadica. * ischio-cavernoso. T. degli Anatomici. * isentérico. T. de’ Medici. * isfrucinata. Voce Contadinesca in vece di Sfucinata. (*) isolotto *** isomeri. t. de’ Nat. (†) nuotatore.
† ** francioso. Voce poco usata. Sust.
* pignoratário. T. de’ Legali.
† *** francogállico. T. degli Antiquarj.
† *** Pilone, o Pistone
† granato Punica Granatum, T. de’ Botanici
*** raschietta, T. di Marineria
* Granbretagna. T. de’ Fioristi. * Grancella *** granchierella. T. de’ Botanici
*** ráschio *rasciugatura † * raspino. T. degli Archibusieri *** raspoluzzo. v. racimoluzzo
Die Makrostruktur |
† (*) satisfattório
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*** trinúzia *** trípoli. t. de’ nat.
tavolatore, t. degli agrimensori trinciato. sust. T. de’ Manifatturieri di Tabacco.
** vescováccio.
Wie die Kennzeichnung zeigt, handelt es sich, abgesehen von estraneo, estrano, tavolatore und trinciato, ausschließlich um Lemmata, die gegenüber dem Vocabolario degli Accademici della Crusca in seiner vierten Ausgabe im Wörterbuch von Bologna neu hinzugefügt wurden. Die mit einfachem Asterisk versehenen Einheiten stammen aus D’Albertis Dizionario Universale, Zusätze mit doppeltem Asterisk aus Cesari und solche mit Kreuz von den Verfassern der Bologna selbst. Die Markierung durch dreifachen Asterisk wird nicht aufgelöst. Die Auslassung gerade dieser Elemente könnte ein Hinweis darauf sein, dass Valentini doch stärker an der Autorität der Crusca hängt, als er offenlegt, oder zumindest im Bereich der Zusätze eine stärkere Selektion vornimmt. Ein Beispiel für eine Auslassung gegenüber Filippi (und Jagemann) ist Andróna, s. f. (im Venezianischen) der Abtritt.
Grund für die Auslassung dürfte der Grundsatz sein, dass nichts regional Markiertes, das nicht in ganz Italien gebräuchlich ist, Platz im Wörterbuch finden sollte. Das Wörterbuch von Filippi sowie die einsprachigen Wörterbücher von Bologna und Padua ergänzen sich in Valentinis Lemmarium. Das Korpus enthält 166 Lexeme, die nicht in den beiden einsprachigen Wörterbüchern, jedoch in Filippi verzeichnet sind. Unter den Zusätzen aus Filippi finden sich viele Fachtermini, Elemente der Umgangs- und Alltagssprache sowie Bezeichnungen für Alltagsgegenstände, die die einsprachigen Wörterbücher der Crusca-Tradition nicht erfassen, sowie einige Neologismen der Zeit (z. B. milordino, attossicazione). Beispiele für aus Filippi übernommene Fachtermini sind aus dem Bereich Botanik andriala, androsace und bonagra, aus der Rechtsterminologie vertenza, aus der Zoologie cassida, milvagino und milvo, Begriffe aus dem Bereich der Textilproduktion sind bordino di filo, frangiare und rasetto. Besonders stark vertreten sind Fachtermini aus der Seefahrt: attrappe, attrazzare, attrazzatore, pilotaggio, trinchetta (zu Fachwortschatz im Vollständigen Wörterbuch cf. ausführlicher Kapitel 7.4.3.1). Zur Umgangssprache gehören borbígi ‘Tölpel, dummer Laffe’ (Äquivalent aus Filippi), borborigmo ‘das Knurren in den Gedärmen’, sonde ‘ich bin von der Zahl, dabei’, trippone ‘ein garstiger, dicker Wanst’. Stenderello ‘das Mangelholz, die Mangel (zum Ausrollen des Teiges)’ bezeichnet ein Küchengerät. Die Ergänzungen aus Bologna gegenüber Filippi lassen sich teilweise auf die unterschiedliche Lemmatisierungspraxis zurückführen. So übernimmt Valentini
320 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
aus dem Dizionario della lingua italiana die Lemmatisierung einiger Partizipien (z. B. attorniato, attortigliato, attoscato) sowie Alterationsformen (z. B. anditino, bonacciosissimo, bonissimo). Wirkliche Zusätze hieraus gegenüber Filippi betreffen fast ausschließlich Wortschatz, der im Wörterbuch von Bologna bzw. dem von Padua gegenüber der vierten Crusca neu hinzugefügt worden ist, zumeist Fachtermini, z. B. anemometría, anfímacro, bordatura, magnatízio (in Bologna mit einfachem Asterisk gekennzeichnete Zusätze aus D’Albertis Dizionario Universale); anfitríte, bômbico, boracíte, magnetometro (mit Kreuz gekennzeichnete Zusätze der Autoren des Dizionario selbst). Der Anhang mit Ergänzungen zu den Lemmastrecken A bis L enthält im Analysekorpus auf Lemmaebene fast ausschließlich Fachtermini. Die Ergänzungen stammen überwiegend aus der Minerva, es finden sich, im Vergleich zu den regulären Wörterbuchteilen, hier jedoch auch überproportional viele eigene Ergänzungen Valentinis. Insgesamt schöpft der Römer lediglich 67 oder 3 % der als Adresse angegebenen lexikalischen Einheiten nicht aus seinen wichtigsten Referenzwerken. Dabei handelt es sich, neben Partizipien und Superlativformen, die er von diesen abweichend als Lemmata herausstellt, und den bereits in 7.4.1.2 aufgezeigten Varianten, um folgende Einheiten: Bd. 1
Bd. 2
Anellato, agg. ringförmig. Bonello, m. T. degl’ Idraul. vedi Mezzano. Cassále, f. T. de’ Med. ein tödliches Fieber.¹¹⁷ Cassáto, m. die Schiffsschanze. Castagnuole, f. pl. T. di Mar. [Pastieri], die Schiffslucken. Coobligato, m. T. de’ For. ein Mitverpflichteter, Mitbürge. Coordinata, f. T. de’ Geom. die Kurvenlinie. Estramissione, f. die Ausschickung, Aussendung. Estrattívo, m. T. di Chim. der Extraktivstoff. Estuario, m. Voce lat. [Flusso e Riflusso del mare] die Ebbe und Fluth. Incombenzare, v. a. beauftragen. Inconcludenza, f. die Bedeutungslosigkeit; Unbündigkeit. Magnesíaco, agg. Terra magnesiaca, Bittererde, Magnesia.¹¹⁸ Magnetizzare (dsa), v. a. magnetisieren. Magnetizzato, part. des Vorigen. Magnetizzatore, m. der Magnetiseur.
117 Cassale ist, wie auch coobligato, estrattivo und militare, bereits in Filippi verzeichnet, allerdings nicht als Substantiv. Bei allen vier handelt es sich um Fachtermini. 118 Magnesíaco ist, wie auch ripário, satiropastorale sowie eleusino, ein Lexem, das nur in einer polylexikalischen Verbindung vorkommt und vielleicht aus diesem Grund in anderen Wörterbüchern nicht lemmatisiert wird.
Die Makrostruktur |
321
Militáre, m. das Militär; das Soldatenwesen. It. der Soldat, Kriegsmann. Mímica, f. [Arte mimica], die Mimik, Geberdenkunst. Numismático, m. ein Münzkundiger, Numismatiker.¹¹⁹ Parziale, m. [Fautore, Sostenitore], ein Gönner. Pigmêo, agg. pygmäisch, zwergartig.¹²⁰ Pigozzo, m. der Buntspecht. Principessina, f. dim. eine junge Prinzessin. Priora, f. eine Priorin. Rapúglio, m. eine Menge Rüben. §. Prov. Chi vuole un buon rapuglio, lo semini di Luglio, […] Ripário, agg. Rondine riparia, die Uferschwalbe. Ripásso, m. die Rückkehr, Wiederkehr, das Wiederdurchgehen. Satiropastorale, agg. Poesia satiropastorale, ein Hirten- und Faunengedicht. Sembolína, f. vedi Cruscherella. Sementíno, m. der Saatschwamm. Sonettellúccio, m. pegg. di Sonetto, ein elendes Sonett. Stenôgrafo, m. ein Geschwindschreiber. Te, te! komm her! (die Hunde zu rufen) 2) ein Kinderspiel (mit Stecknadeln oder Strohhalmen) Tedescheríe, f. pl. deutsche Einfalt und Grobheit. It. Fressen und Saufen.¹²¹ Tedesco, agg. deutsch. […] Tedésco, m. ein Deutscher. Trinchettíno, m. T. di Mar. der Außenbord (einer Galeere). Trinitario, m. T. eccles. ein Trinitarier. Triobolare, agg. einen Dreier werth. It. Fig. Für Viele, gering, niedrig. Trippajuolo, m. ein Kaldaunenhändler. Trippamadáma, f. der Mauerpfeffer, Trippmadame. Vertécchio, m. [Cocca], der Wirtel, Spinnwirtel. It. Fig. Für Truffatore, ein Gauner. Anhang Antidiluvíano, agg. antediluvianisch, vorsündflutlich. Antropolátro, m. T. teol. ein Menschenanbeter, Fleischanbeter. Aônidi, Aônie, f. pl. T. mitol. e poet. Die Aoniden (Musen). Aorísto, agg. T. matem. Quantità aoriste, unendliche Größen.¹²² A’palo, m. T. de’ Nat. der Sanftkäfer. Eccoprôtico, m. ein gelindes Abführungsmittel.¹²³ Eclíttico, agg. Via eclittica, die Sonnenbahn. Economizzare (dsa), v. n. sparen, sparsam, haushälterisch leben. Edíre, v. a. herausgeben (ein Werk).
119 Numismatico ist in Bologna nur als Adjektiv verzeichnet. 120 Pigmeo ist in Bologna nur als Substantiv aufgenommen. 121 Tedescherie fehlt in Valentinis Grundlagenwerken, ist jedoch bereits 1764 im Nuovo dizzionario italiano-tedesco e tedesco-italiano von Jäger/Romani verzeichnet. Roeck merkt in einer Zusammenstellung von italienischen concetti über Deutschland an, dass es sich um einen «termine piuttosto raro» (2006, 684) handele. 122 Aoristo konnte in dieser Bedeutung in keinem historischen Wörterbuch gefunden werden. 123 Die Minerva verzeichnet eccoprotico lediglich als Adjektiv.
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Elaterômetro, Elatômetro, m. T. fis. der Elatometer (Dichtigkeitsmesser der Luft). Eleusino, agg. Misterj eleusini, die eleusinischen Geheimnisse. Eliminare, v. a. fortschaffen, wegschaffen.
Bei den Zusätzen handelt es sich überwiegend um technisch-wissenschaftlichen Fachwortschatz. Die Aufnahme bei Valentini ist wortgeschichtlich von besonderem Interesse für folgende Einheiten, für die sich das Vollständige Wörterbuch nach Abgleich mit dem BIZ-Korpus, mit dem DELI und dem GDLI, dem Zingarelli und dem GRADIT, dem Tommaseo/Bellini und wo möglich dem LEI als Erstbeleg erweist: antropolatro, castagnuole in der verzeichneten Bedeutung, coobligato Subst., magnetizzato, magnetizzatore, sementìno ‘Saatschwamm’, vertecchio in dieser Variante und Bedeutung, eccoprotico (zeitgleich 1834 im 3. Bd. des Tramater). Cassato, satiropastorale, trippamadama, trisperma in dieser Variante, aoristo in dieser Bedeutung und apalo sind in den historischen Wörterbüchern und den Korpora nicht belegt. Wenn auch keine Erstbelege, so doch Neologismen der Zeit, stellen edire, inconcludenza, magnetizzare und militare dar. Auf einige der im Analysekorpus nachgewiesenen Zusätze Valentinis geht der Autor selbst explizit in der Raccolta di mille e più vocaboli italiani ein, wo Ergänzungen zu den bisher erschienenen einsprachigen italienischen Wörterbüchern vorgeschlagen werden. Die doppelte Aufnahme in der Raccolta und im eigenen Wörterbuch zeigt den engen Zusammenhang zwischen Lexikographietheorie und -praxis im Werk Valentinis. Ausführungen finden sich zu incombenzare, inconcludenza, principessina, tedescheria, trinitario, antidiluviano, economizzare, edíre, elaterometro, eleusino und eliminare, besonders häufig also zu Lexemen, die im zweiten Band und insbesondere im Anhang beigefügt wurden, den Teilen, die parallel zur Raccolta entstanden sind. Zur Dokumentation von Valentinis Reflexion bezüglich der Aufnahme einer Einheit folgen einige der entsprechenden Artikel aus der Raccolta: Principino, Principessina, dicesi per vezzo, a giovane principe, o principessa. Non dovrebbero essere omesse parole tali. Tedescheria adoperò (se pur non la formò) il nostro Tas s o n i , nella sua Secchia rapita. Con la qual Voce espressivissima e in una naiva, collettivamente disegnar volle i Tedeschi, le loro maniere, e tutto ciò che Tedesco era: „Il Potta che sapea, che i Parmegiani Eran nemici a la Tedescheria ec.“ C. IV. st. 15. Altre simili ne abbiamo in nostra Favella come Fiorentineria ec.¹²⁴
124 Es ist wohl kein Zufall, sondern Polemik, dass Valentini hier gerade Fiorentineria als Vergleichsbeispiel benutzt.
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Antidiluviano. Questo notissimo aggiunto della storia antica, ce lo notammo per averlo trovato in un buon’ autore, ma ci scappò di mente chi sia. Economizzare. Forse c’inganniamo, ma questo verbo ci sembra di grand’ uso nel significato di Fare economia, Risparmiare, siccome Economia per Risparmio impiegasi. Edire. Per Pubblicare, dare alla luce un libro ec. parci espressione usata. Se il Buti in vece di edita e compiuta (vedi Cru s ca) detto avesse, che voglio edire e compiere, avrebbe impiegato l’infinitivo? Elaterometro (dal Greco έλατήϱ, agitatore, e μέτρον, misura). Instrumento per misurare le condensazione dell’ aria, sotto il recipiente, e de’ vapori imprigionati. Son di que’ termini di cui gli scientifici non ponno fare a meno, e che trovansi adottati da quasi tutte le lingue d’Europa. Eleusini (misterj.) T. della storia Greca. Misterj della Dea Cerere ad Eleusi, instituiti da Orfeo, il cui segreto era inviolabile. Quantunque un Dizionario di Lingua non debbe fare grande sfoggio co’ Termini della storia, in ispezie della mitologia, noi credemmo dover dare a questo un luogherello all’ Indice del nostro, trovandosi ne’ Tedeschi. Inoltre, molti altri simili furono inseriti ne’ Vocabolarii Italiani. Eliminare. Di questo bellissimo Verbo di Latina origine (da e, e limen, limitare: metter fuori del limitare) se ne servì il ch. Cav. Monti, come ognuno ben saprà; ci prendiamo quindi l’ardire di raccomandarlo ai Vocabolaristi; e gli autori non ce ne sapranno mal grado.
Abschließend sei exemplarisch noch auf eine Lemmastrecke hingewiesen, an der Valentini die Möglichkeiten der Wortbildung voll auszuschöpfen scheint, nämlich die zahlreichen Derivate zu sonetto: sonettaccio, sonettante, sonettare, sonettatore, sonettellucciaccio, sonettelluccio, sonetterello, sonettessa, sonettiere, sonettieri, sonettino, sonettista, sonettolucciaccio, sonettone, sonettucciaccio, sonettuccio, sonettuzzo. Der heutige Leser bleibt automatisch an diesen Bildungen hängen, empfindet ihre Aufnahme als überflüssig und mag den Verdacht hegen, dass Valentini hier eine Methode gefunden hat, die Lemmazahl zu erhöhen. Mit Ausnahme von sonettelluccio handelt es sich jedoch durchgängig um Übernahmen aus dem Dizionario von Bologna. Auffällig ist schließlich auch folgender, in nahezu identischer Form auch bei Filippi nachweisbarer Eintrag: Isbaccaneggiare, Isbaccellato, Isbadigliamento, ec. vedi Sbaccaneggiare, Abaccellato, Sbadigliamento, Scabbia, Scabre ec. [NB. Die meisten Wörter, welche mit einer S impura anfangen, können das I vor dem S des Wohllauts wegen haben].
Über einen Verweisartikel hinaus handelt es sich hierbei um eine allgemeine Erklärung zum prosthetischen i. Solche Artikel tragen zur Benutzbarkeit des Gran Dizionario als «grammatisch-praktischem Wörterbuch» bei.
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7.4.2 Der deutsch-italienische Teil 7.4.2.1 Aspekte der Lemmatisierung Wie im italienisch-deutschen Teil erfolgt die Anordnung der Artikel in alphabetischer Reihenfolge. Im deutsch-italienischen Teil sind die Lemmata, wie alle deutschen Artikelbestandteile, in Fraktur geschrieben, typographisch etwas größer gesetzt. Die Lemmaposition enthält auch hier mit Akzenten eine Ausspracheangabe. Geographische Bezeichnungen sind überwiegend in das Wörterbuch der alten und neuen Geographie am Ende des zweiten Bandes ausgelagert (cf. Kapitel 7.1.2.4), nur einzelne Bezeichnungen (z. B. Deutschland) sind mit Artikel ins reguläre Lemmarium integriert.
a. Substantive: Verzeichnung von Komposita, Umgang mit Defektiva, Aufnahme der femininen Form und nominalisierte Adjektive Für das deutsche Lemmarium hat der Lexikograph insbesondere zu entscheiden, wie er bezüglich der Aufnahme von Komposita verfährt. Heutige zweisprachige Wörterbücher tendieren dazu, bei der Auswahl nach der Frequenz- sowie der Transparenzregel¹²⁵ zu verfahren und zudem die Äquivalenz in der Zielsprache zu berücksichtigen (cf. Lötzsch 1991, 2780). Valentini verhält sich ambivalent. Einerseits bietet er in der vorangestellten Grammatik ein ausführliches Kapitel zur deutschen Wortbildung, das die Mechanismen der Komposition beschreibt (cf. Vollst. Wb., vol. 2, LXXIV–LXXXVIII) und auch dazu dienen soll, das Lemmarium um transparente Bildungen zu entlasten. So schreibt er im Warnprospekt zum Verfahren des Mailänder Verlegers Nervetti zum Kompositum Ackerbauwissenschaft, das der Raubdruck ergänzt: «Wir haben dies Wort nicht aufgenommen […] weil solche aus drei Wörtern bestehenden Zusammensetzungen an und für sich klar sind, und man dreißig Bände anfüllen könnte, wollte man sie alle aufnehmen» (Beleuchtung, 4), und verweist auf die vorgestellte Grammatik¹²⁶:
125 Diese wird von Kromann folgendermaßen definiert: «die Elemente der Zusammensetzung behalten bei der syntaktischen Auflösung ihre Bedeutung bei, d. h. die Bedeutung der Zusammensetzung kann aus den Bestandteilen erschlossen werden» (1985, 408). Die Diskussion um die Aufnahme von Komposita in deutschen Wörterbüchern reicht, von der Praxis Kaspar Stielers angeregt, bis ins 18. Jahrhundert zurück (cf. einzelne Stellungnahmen in Dill 1992, 408, n. 190). Auch Adelung schlägt vor, nur solche Komposita zu integrieren, deren «Bedeutung aus der Zusammensetzung selbst nicht sogleich merklich wird» (Adelung 1774, vol. 1, XIII). 126 Auch in der Grammatik selbst geht Valentini auf Komposita mit mehr als zwei Bestandteilen ein. Allzu lange Bildungen seien seiner Meinung nach zu vermeiden. Als extremes Beispiel, ähn-
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«Wie ausgedehnt übrigens der tiefe und bewunderungswürdige Mechanismus der deutschen Wortbildung ist, suchten wir in dem Cap VI. […] zu zeigen, und glauben hierin Alles gethan zu haben, um unsern Landsleuten das Geheimniß zu lehren, alle mögliche [sic!] Wörter zu bilden, zusammenzusetzen und zu verstehen». (Beleuchtung, 8)
Andererseits wird an gleicher Stelle klar, dass als Aufnahmekriterium stärker als die Transparenz auch das Vorkommen in den einsprachigen Referenzwörterbüchern zählt, und dass sich das Vollständige Wörterbuch bezüglich des Reichtums auch an Komposita gegenüber den zweisprachigen Vorgängern auszeichnet. Hierzu seien erneut die Ausführungen Valentinis zu Ackerbauwissenschaft in der Beleuchtung zitiert, das nicht aufgenommen worden sei, «weil wir es weder im Campe noch im Adelung fanden; […] Es stehen in Campe’s Wörterbuch 147 mit Acker zusammengesetzte Wörter; nach unserm Plane nahmen wir aber nur 62 auf, welche gerade das Doppelte von dem ausmachen, was man in allen andern deutschitalienischen Wörterbüchern findet». (Beleuchtung, 4)
Das Vollständige Wörterbuch ist ausgesprochen reich an Komposita, die alle als eigenständige Adressen mit vollständigem Artikel lemmatisiert werden. Als Beispiel mag die Lemmastrecke Hofacker bis Hofdienst aus dem Analysekorpus dienen:¹²⁷ Hofacker, Hofadvokat, Hofagent, Hofamt, Hofapotheke, Hofapotheker, Hofarbeit, Hofarbeiter, Hofart, Hofarzt, Hofbäcker, Hofbäckerei, Hofbeamte, Hofbediente, Hofbedienung, Hofbefreit, Hofböttcher, Hofbrauch, Hofbuch, Hofbuchdrucker, Hofcapellan, Hofcapelle, Hofcavalier, Hofceremoniel, Hofdame, Hofdiener, Hofdienerschaft, Hofdienst.
lich dem heutigen Donaudampfschifffahrtskapitän, nennt Valentini das Umzugskostenbeitragsausbezahlungsbeschleunigungsbitterinnerungswiederholungsgesuch (Vollst. Wb., vol. 2, LXXV). Die im Kompositionskapitel angegebenen Regeln enthalten bisweilen kulturelle Informationen, so zur Motivation der Komposita «Steinpflaster, lastricato (di pietra); Weinessig, aceto (di vino)» (Vollst. Wb., vol. 2, LXXVI): «Osserviamo che in Germania talvolta si lastrica con quadrelli di legno, e si fa l’aceto dalla birra» (Vollst. Wb., vol. 2, LXXVI, n. 7). Nicht alle Ausführungen sind linguistisch korrekt, so z. B. die Interpretation des Fugenelements als Genitivendung, cf. Vollst. Wb., vol. 2, LXXV. 127 Cf. auch die zahlreichen Komposita etwa zu Obst- und Pulver-. Lexeme wie Obstbrecher, Obstdarre, Obsthüter oder Pulverkammer, Pulverkorn, Pulvermagazin, Pulvermaß, Pulverrinne, Pulverschlange, pulverscheu etc. sind zudem als kulturgeschichtlicher Spiegel interessant.
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Die Mehrzahl dieser Lemmata ist für den italienischen Benutzer, der mit den Wortbildungsregeln vertraut ist, transparent, nicht bei allen handelt es sich um Einheiten, deren Eingang über das Frequenzkriterium gerechtfertigt wäre.¹²⁸ Auch andere Wortbildungsprodukte werden in weitem Umfang aufgenommen, etwa deverbale Nomina auf -er oder -ung, auch wenn die entsprechenden Nomen wenig frequent sind, z. B. Ausspieler und Ausspielung zu ausspielen, wobei es sich häufig um Bildungen handelt, die Campe nicht verzeichnet. Ebenso lemmatisiert Valentini, von Campe und auch von Filippi abweichend, häufig den nominalisierten Infinitiv eines Verbs (z. B. das Ausspielen). Durch die Ausschöpfung der Wortbildungsmöglichkeiten erreicht Valentini eine erhebliche Vermehrung der Lemmazahl gegenüber Filippi und Jagemann, wie er selbst in der vorgestellten Grammatik darlegt (cf. Vollst. Wb., vol. 2, LXXIII), zeigt sich zugleich in der Beleuchtung jedoch kritisch zu diesem Verfahren der Erweiterung des Wortbestands. An den Mailänder Verleger Nervetti gewandt schreibt er: «Wenn Sie selbst nur oberflächlich unsere Methode und unser ‹Compendio della Grammatica Tedesca in tavole sinottiche› studirt hätten, so würden Sie eingesehen haben, daß die deutsche Sprache unerschöpflich ist, und daß man nur die Wahl hat, entweder ein zwanzig bis dreißig Bände starkes Wörterbuch zu schreiben, oder aber eine angemessene Methode zu befolgen, wie wir es thaten, indem wir unserm Werke, in Form eines Supplements, acht und zwanzig Seiten hinzufügten, welche von der deutschen Wortbildung handeln». (Beleuchtung, 6)
Bezüglich weiterer Zweifelsfälle der Lemmatisierung von Substantiven verfährt Valentini wie folgt. Defektiva werden wie im italienisch-deutschen Teil in der Pluralform lemmatisiert und mit entsprechender Grammatikangabe versehen: Hochzeitleute, pl. i convitati alle nozze, delle, di nozze.
Zu Substantiven, die Personen bezeichnen und zu denen eine feminine Form auf -in existiert, wird diese nahezu konsequent angegeben. Dies geschieht nicht nur bei Berufsbezeichnungen oder Bezeichnungen, die eine feminine Form erwarten lassen, wie etwa das folgende Beispiel zeigt: Erlöser, m. -in, f. [Befreier], liberatore, -trice, deliberatore, -trice. […]
128 Zu berücksichtigen ist dabei allerdings das kulturelle Umfeld, in dem das Wörterbuch entstanden ist. Adelung, an den sich Valentini anlehnt, ist wie der Römer selbst in einem höfischen Umfeld beheimatet, ein Teil der Zielgruppe gehört dem Umfeld des Hofes an. Cf. hierzu auch Haß-Zumkehr (2001, 114–117).
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Gebräuchliche substantivierte Adjektive und Partizipien werden als Nomen in der Form der schwachen Deklination des Nominativs Singular lemmatisiert, also in der Form, die auch moderne Wörterbücher angeben (cf. z. B. PONS). Anders als in solchen, die auf das Lemma folgend die Angabe der besonderen Deklination enthalten (z. B. «dekl wie adj», PONS, s. v. Gefangene), fehlt im Vollständigen Wörterbuch allerdings eine entsprechende Angabe über das Genus hinaus: Gefangene, m. e f. prigioniere, prigione, incarcerato –a, carcerato –a. […]
b. Adjektive und Adverbien Zur Lemmatisierung von Adjektiven ohne undeklinierte Form folgt Valentini keinem festen Schema und weist den Leser nicht durch entsprechende Angaben auf die Besonderheit hin:¹²⁹ Besondere, agg. separato, particolare, speziale, a parte; […] Letzt, agg. ultimo; […]
Adverbien werden häufig, auch wenn sie mit dem Adjektiv formal identisch sind, mit eigenem Artikel lemmatisiert: Geduldig, agg. paziente; it. indulgente. Geduldig, avv. pazientemente, con pazienza, in pace. […]
In anderen Fällen ist nur ein Artikel angesetzt, in dem entweder direkt auf das Lemma die Grammatikangabe «agg. e avv.» erfolgt (z. B. s. v. fingersbreit), oder aber der adverbiale Gebrauch in den Artikel des Adjektivs eingebunden ist wie im folgenden Beispiel: Logisch, agg. logico, loico, logicale. It. avv. logicamente, loicamente.
c. Verben: Lemmatisierung von Reflexivverben und Partizipien Verben, die ausschließlich reflexiv verwendet werden, werden im deutsch-italienischen Teil folgendermaßen lemmatisiert: Beeilen, v. n. [sich], affrettarsi, spicciarsi.
129 Heutige Wörterbücher wie der PONS dagegen wählen folgende Darstellungsform: letzter, letzte, letztes, die im Vorwort erklärt wird (cf. PONS, 13).
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Dagegen ist zu Verben, die sowohl einen reflexiven als auch einen nicht-reflexiven Gebrauch zulassen, nur ein einziger Artikel angesetzt, in dem per Grammatikangabe die unterschiedliche Konstruktion angezeigt wird: Bräunen, v. a. [braun machen], abbrunare, abbrunire. […] 2) v. n. e sich bräunen, v. n. p. Per braun werden, diventar bruno, abbrunire, abbrunirsi; […]
Was die Lemmatisierung von Partizipien betrifft, so werden sowohl Partizip IIFormen von unregelmäßigen Verben mit Verweis auf ihren Infinitiv alphabetisch eingeordnet als auch solche von regelmäßigen, so sie frequent als Adjektiv verwendet werden (z. B. beritten, gedunsen, geeignet). Ebenso werden Partizip I-Formen mit häufigem adjektivischem Gebrauch lemmatisiert. Bei diesen ist häufiger auch direkt eine Übersetzung angegeben, z. B. s. v. beruhigend: Beruhigend, part. att. calmante, sedante, buono, che serve a quietare, a tranquillare. […]
Die Grammatikangabe weist sie stets als Partizip aus.
d. Umgang mit Homonymen Valentini ist nicht konsequent, was den Umgang mit Homonymen betrifft bzw. in der Entscheidung dessen, was er als solche interpretiert. Zumeist werden zwei oder mehr Lemmata angesetzt, z. B. für laut: Laut, agg. alto, chiaro, sonoro; accuto. […] Laut, avv. altamente, ad alta voce. […] Laut, prep. [che ammette il genit.] a tenore, secondo, giusta, conforme, in conformità. […]
Dabei werden die einzelnen Artikel nicht, wie dies in heutigen Wörterbüchern geschieht, durch Ziffern oder ähnliche Auszeichnungen nach dem Lemma, voneinander unterschieden. In anderen Fällen und insbesondere dort, wo die Wortart nicht wechselt, werden Homonyme auch wie unterschiedliche Bedeutungen eines Lexems in ein und demselben Artikel behandelt, wie im folgenden Beispiel zu Ball i. S. v. ‘Kugel, Spielgerät’ vs. ‘Tanzveranstaltung’ (genauso z. B. Schloß): Ball, m. palla. […] 2) ein Ball [im Billard], palla, biglia. […] 3) einen Ball geben, dare una festa di ballo. […]
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In anderen Fällen wiederum werden Homonyme gleicher Wortklasse in zwei Artikeln behandelt, z. B. Reif (‘Ring’–‘Eiskristall’) oder Strauß (‘Vogel’–‘Blumengebinde’).
7.4.2.2 Umgang mit Varianten und Normierungstendenzen Die Aufnahme von Varianten und damit zusammenhängende Normierungstendenzen werden hier weniger ausführlich betrachtet als für den italienisch-deutschen Teil, da Valentini als Nicht-Muttersprachler des Deutschen weniger stark eine eigene Position entwickeln und vertreten kann. Einige Tendenzen sind jedoch erkennbar. Auch im deutsche Lemmarium werden Varianten aufgenommen, teilweise zusammengefasst in einem Artikel, teilweise jeweils mit eigenen Artikeln und teilweise mit Angabe einer bevorzugten Form durch Verweise. Sehr viel seltener als im italienisch-deutschen Teil werden Varianten zu einem Lemma im gleichen Artikel mit verzeichnet. Dies hängt mit der Art der Varianten zusammen: Es handelt sich nur selten um lautliche oder formale, sondern zumeist um lexikalische Varianten, die dann ggf. in ihrer Position im alphabetisch angeordneten Lemmarium auftreten. Frequent sind daneben graphische Varianten, die das im frühen 19. Jahrhundert noch starke Oszillieren der Orthographie wiedergeben.¹³⁰ Auch Lemmata mit Verweis sind gegenüber dem italienisch-deutschen Teil seltener. Häufiger als in diesem wird auf Synonyme, also lexikalische Varianten, verwiesen. Besonders häufig werden Synonyme zu Komposita angegeben, wobei das Synonym ebenfalls ein Kompositum, meist mit anderem Determinatum, darstellt. Als Verweislemmata finden sich z. B. Dornzaun mit Verweis auf Dornhecke, Drahtbauer mit Verweis auf Drahtkäfich, Küchenspind mit Verweis auf Küchenschrank; als Varianten in einem Artikel Einschreibegebühr und Einschreibegeld, Hochzeitschmuck und Hochzeitstaat, Pulverflasche und Pulverhorn. Besonders häufig sind Varianten bei Fachtermini. Aus der Botanik finden sich z. B. Dörnling mit Verweis auf Dornschwamm, aus der Chemie aufblitzen mit Verweis auf aufblicken, aus der Medizin Dörrsucht mit Verweis auf Darre oder in einem Artikel Gliedergicht und Gliederkrankheit. Manchmal sind in einem Artikel gelehrter und volkssprachlicher Terminus gleichberechtigt präsentiert, z. B. Ammonit und Ammonshorn. Valentini verzeichnet auch im deutschen Teil zahlreiche Fremdwörter, in vielen Fällen jedoch nur als Verweislemma, das zu einem deutschsprachigen Syno-
130 Auch im Bereich der deutschen Äquivalente im italienisch-deutschen Teil ist die deutsche Orthographie nicht einheitlich, cf. z. b. privilegierend (meine Hervorh.) als Äquivalent zu privilegiante, aber privilegiren als Äquivalent zu privilegiare im italienisch-deutschen Teil.
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nym leitet, z. B. Ambassáde mit Verweis auf Gesandtschaft, Ambition mit Verweis auf Ehrgefühl oder Triglyph mit Verweis auf Dreischlitz. Bei einigen Synonymen, die aufeinander verweisen, handelt es sich um regionale Synonyme. Für keine dieser Einheiten wird allerdings eine diatopische Markierung gesetzt. Verwiesen wird auf das Lexem mit der weiteren Verbreitung, z. B. von Firner auf Gletscher oder von babbeln auf schwätzen. Verwiesen wird auch von älteren Formen auf neuere, auch hier meist ohne Angabe der Markierung, z. B. von triegen auf trügen. Bisweilen wird von einem stilistisch markierten Lemma auf ein unmarkiertes verwiesen, z. B. vom als Voce poet. gekennzeichneten braunlockig auf braungelockt, vom als basso markierten hehlingen auf heimlich. Verzeichnete Varianten können auch unterschiedliche synonyme Wortbildungen betreffen, z. B. im Falle von Aufbruch mit Verweis auf Aufbrechung, Aussprechung mit Verweis auf Aussprache, oder in einem Artikel Aufblühen und Aufblühung. Besonders häufig ist die Aufnahme von orthographischen, seltener von orthophonischen Varianten, womit der oszillierenden Rechtschreibung der Zeit Rechnung getragen wird. Valentini folgt hier Adelung, und wie dieser zeigt er ebenfalls durch Verweise an, welche Form im zeitgenössischen Gebrauch seiner Auffassung nach zu bevorzugen ist (cf. Dill 1992, 224). Es finden sich z. B. aemsig mit Verweis auf emsig, Baare mit Verweis auf Bahre, Waage mit Verweis auf Wage, bar mit Verweis auf baar, Kaviar mit Verweis auf Caviar, Kayser mit Verweis auf Kaiser; im gleichen Artikel dort und dorten, Dost und Dosten, Gedrange und Gedränge, Ochs und Ochse. Das Verweissystem dient wie im italienisch-deutschen Teil dazu, dem italienischen Wörterbuchnutzer zwar möglichst alle Formen, die er in einem fremdsprachlichen Ausgangstext finden kann, aufzuführen, ihm aber für eine eventuelle Nutzung des Wörterbuchs zur Erweiterung des Wortschatzes aufzuzeigen, dass für die eigene Produktion eine andere Form zu bevorzugen ist. Damit hat das Verweissystem Normierungscharakter. Insgesamt sind Verweise im deutschitalienischen Teil seltener. Besonders sind gegenüber dem italienisch-deutschen Teil die Verweise der Form übl. …, vedi stark reduziert, die noch stärker auf die Ungebräuchlichkeit des Lexems hindeuten, bei dem sie stehen. Im deutsch-italienischen Teil machen sie weniger als 20 % aller Verweise aus. Valentini als NichtMuttersprachler hält sich also in diesem Teil mit der Angabe von zu bevorzugenden Formen zurück.¹³¹
131 Verweise auf Lemmaebene – nicht mitgezählt werden Verweise von einem lemmatisierten Partizip auf seinen Infinitiv oder Verweise in der Mikrostruktur eines Artikels – sind im ersten
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Zudem kann durch das Verweissystem Platz gespart und eine doppelte lexikographische Bearbeitung bedeutungsgleicher Lemmata vermieden werden. Die Fälle, in denen Valentini besonders häufig mit Verweisen arbeitet – orthographische Varianten, synonyme Ausdrücke bestimmter Fachbereiche, synonyme Komposita und Fremdwörter – decken sich mit der entsprechenden Praxis bei Adelung (cf. Dill 1992, 57–58).
7.4.2.3 Produktiver Umgang mit den Referenzwerken: Übernahmen, Abweichungen, Ergänzungen Auf Ebene der Makrostruktur lassen sich als Hauptquellen Valentinis in diesem Teil eindeutig das einsprachige Wörterbuch Campes sowie das zweisprachige Wörterbuch Filippis identifizieren,¹³² wobei die erste Quelle Filippi zu sein scheint. Indikator dafür ist, dass Nicht-Übernahmen von dort präsenten Stichwörtern so gut wie nicht vorkommen.¹³³ Die Übernahme der Stichwörter erfolgt jedoch kritisch und unter Adaptierung des zu kodifizierenden aktuellen Sprachmodells, was die Korrektur von obsoleten orthographischen oder morphologischen Varianten belegt. Im Vollständigen Wörterbuch finden sich beispielsweise aufbojen statt aufboyen in Filippi, ausspazieren statt ausspatzieren, berüchtigt statt berüchtiget, Braugerät statt Braugeräth, Drachme statt Drachma, Kuchenspritze statt Kuchensprütze, Puderquast statt Puderquaste, Sabbathfrau statt Sabbathsfrau etc. Aus Campe werden, der Notwendigkeit gemäß, in einem zweisprachigen Wörterbuch Platz zu sparen, zahlreiche Stichwörter nicht übernommen. Dabei handelt es sich vor allem um Komposita. Im Vollständigen Wörterbuch ergänzen sich die Lemmarien Filippis und Campes. Während von Filippi aktueller Wortschatz, Fachtermini und fremdsprachliche Ausdrücke übernommen werden, die in Campe fehlen – als Beispiele
deutsch-italienischen Band fast doppelt so häufig wie im zweiten. Dies dürfte mit dem Korpusausschnitt zusammenhängen: Der erste Band umfasst zahlreiche Wortbildungen mit auf -, aus-, be-, ein- und er-, bei denen Verweislemmata besonders frequent sind. 132 Der Abgleich der Lemmastrecken des Analysekorpus ergibt hier die höchsten Übereinstimmungen. Der Einfluss Adelungs lässt sich stärker innerhalb der Artikelgliederung und für die Bestimmung von Synonymenverhältnissen nachweisen. Auf Lemmaebene bleibt zu berücksichtigen, dass Campe sich seinerseits auf Adelung stützt, also kaum Wortschatz aus Adelung in Campe fehlt. Jagemann, dessen zweisprachiges Wörterbuch im Vorwort ebenfalls gewürdigt wird, wird weniger herangezogen, was auch damit zusammenhängen mag, dass dieses, um die Jahrhundertwende erschienen, für die Stichwortauswahl den Bedürfnissen nicht mehr entspricht. 133 Der Abgleich des Korpus mit Jagemann dagegen zeigt häufiger Nicht-Übernahmen, für die Lemmastrecke Publicirung bis Pulverturm etwa Publicist, Puchwerk, Puderhändler, Puderpisser, Puffbohne, Pulle, Pulster, Pulverhandel, Pulverisirung, Pulverprobe.
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aus dem Analysekorpus seien aus der Lemmastrecke Ambra bis Amphitheater Ambra und seine Komposita, Amianth, Ammoniak, Amor, Amphibie, Amphietheater genannt –, sind von Campe insbesondere Komposita zugefügt, die Filippi nicht verzeichnet, z. B. zu Bernstein-: Bernsteinarbeit, Bernsteinfang, Bernsteinfirniß, Bernsteinhandel, Bernsteinöl, Bernsteinsalz, Bernsteinsauer, Bernsteinsäure. Auch zahlreiche von Campes Verdeutschungen, teilweise mit Angabe des jeweiligen Fremdworts als Synonym in eckigen Klammern, lassen sich im Vollständigen Wörterbuch nachweisen, z. B. Meinungswuth, f. [Fanatismus], fanatismo.¹³⁴ Sittenlehre, f. la morale, l’etica.¹³⁵ Stelldichein, n. convegno, appuntamento.¹³⁶ Zartgefühl, n. delicato sentimento; delicatezza. Zerrbild, n. [Caricatur], caricatura.
Abweichungen von den Referenzwerken ergeben sich, wie im vorigen Kapitel zur Lemmatisierungsprinzipien bereits im Ansatz aufgezeigt, teilweise durch eine abweichende Lemmatisierungspraxis. Gegenüber Campe werden zahlreiche Komposita nicht übernommen, so diese transparent oder wenig gebräuchlich sind. Ein Beispiel für Nicht-Übernahmen sind Komposita mit dem Determinans Brau-: Brauerbe, Braugilde, Brauherr, Brauhof, Brauholz, Brauinnung, Braukrug, Braumagd, Brauofen und Braureihe findet man im Vollständigen Wörterbuch nicht. Dagegen sind hier deverbale Substantive auf -ung lemmatisiert, die bei Campe nicht oder im Artikel des jeweiligen Verbs verzeichnet sind, z. B. Aussonderung, Ausspähung, Ausspannung. Gegenüber Filippi sind Infinitive bei Valentini teilweise auch als Nomen lemmatisiert, z. B. Triefen. Einige Komposita, die Filippi als Sublemmata unter ihrem Determinans einordnet, verzeichnet Valentini mit eigenem Artikel, z. B. Ammenlohn. Zudem korrigiert Valentini die alphabetische Reihenfolge bei Stichwörtern,
134 Nicht adaptiert wurden jedoch die anderen Bildungen mit Meinung-: Meinungssonderbarkeit und Meinungssonderling. Überhaupt ist die Übernahme der Verdeutschungen Campes partial und scheint sich am tatsächlichen Sprachgebrauch zu orientieren. 135 Verzeichnet ist jedoch auch Moral, wobei Sittenlehre als Synonym angegeben wird: «Moral, f. Voce lat. [Sittenlehre], la morale, l’etica. […]» 136 Stelldichein wird auch als Äquivalent im italienisch-deutschen Teil verwendet, nämlich zur Übersetzung von Dare un’appuntamento, oder Dare il convegno durch Jemanden bestellen, ein Stell dich ein geben (s. v. appuntamento). Rendezvous ist nicht lemmatisiert.
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die in Filippi, zumeist aus etymologischen Gründen, an einigen Stellen unterbrochen ist.¹³⁷ Über diese, der Lemmatisierungspraxis geschuldeten Abweichungen hinaus ergänzt Valentini zahlreiche Stichwörter, die in seinen Grundlagenwerken fehlen, die er in einem den modernen Nutzerinteressen entsprechenden Wörterbuch jedoch für notwendig hält. Bei den meisten Zusätzen handelt es sich um Fachwörter unterschiedlicher Sektoren und/oder Fremdwörter. Beispiele aus dem Analysekorpus, entnommen der Lemmastrecke Amalgamíren bis Amputíren, sind amalgamíren, Ambassáde, Ambitión, ambrosianisch, ambrosisch, Ameisenfuchs, Ammoniákgummi, Ammoniáksalz, Ammonsschrift, Amnestíe, Amortisatiónskasse, Amortisatiónsschein, amortisíren, Amputatión, Amputíren. Als Quelle für diese Zusätze lässt sich mit großer Sicherheit in vielen Fällen das Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung von Campe nachweisen. Die von Campe darin zur semantischen Erklärung verwendeten Ersatzwörter werden von Valentini als Synonyme beigegeben, z. B. verquicken zum Stichwort amalgamíren, oder es wird auf diese verwiesen, z. B. von Ambassáde auf Gesandtschaft oder von Ambitión auf Ehrgefühl. Andere Zusätze gehören der zeitgenössischen Umgangssprache an, so etwa Sabber und seine Wortbildungen: Sabber, Sabberbarth, Sabberig, Sabberläppchen, Sabbermaul, Sabbern, Sabbertuch. Darüber hinaus ergänzt Valentini auch Komposita, die selbst in Campes Wörterbuch der Deutschen Sprache fehlen. Im Analysekorpus finden sich etwa Ammenvermietherin oder mitteninneliegend. Unter den zahlreichen Komposita zu Hof - sind Hofadvokat, Hofagent, Hofapotheke, Hofapotheker und Hofbuchdrucker Ergänzungen Valentinis, die den zeitgenössischen Umständen bei Hofe Rechnung tragen. Bei einigen Ergänzungen im deutschen Lemmarium könnte es sich um Übersetzungen aus dem Italienischen bzw. Ausdrücke, auf die Valentini bei der lexikographischen Bearbeitung italienischer Artikel stößt, handeln. Logenschließer beispielsweise ist das Äquivalent zu chiavettaro, auf das Valentini in der Raccolta und auch im Italienischen Lehrer explizit eingeht (cf. Kapitel 6.2.2 und 5.3.3). Mitverpflichtet und der Mitverbundene sind Übersetzungen zu coobligato, für dessen substantivischen Gebrauch das Vollständige Wörterbuch Erstbeleg sein könnte (cf. Kapitel 7.4.1.3). Beispiel für die Ergänzung eines Lemmas, das unmittelbar mit der italienischen Kultur verbunden ist, sind Wurmnudeln (außerhalb des Analysekorpus), Valentinis Übersetzung für vermicelli. Als Fachtermini, welche
137 Z. B. führt Filippi Rüthchen als Diminutiv nach Ruthe auf, oder lässt auf Schmalz die Komposita Schmalzbirn und Schmalzgrube vor dem Verb Schmalzen folgen.
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sich direkt aus dem Italienischen ableiten und vor Valentini in keinem deutschen Wörterbuch verzeichnet sind (und auch im Grimmschen Wörterbuch fehlen), seien Machiavellismus, Machiavellist und machiavellistisch zitiert. Die zitierten Beispiele für Ergänzungen zum deutschen Wortschatz legen die These nahe, dass Valentinis Wörterbuch – wie ansatzweise auch andere zweisprachige Wörterbücher – mit diesen Aufnahmen eine Lücke in der lexikographischen Dokumentation der Sprache des 19. Jahrhunderts füllt. Es steht chronologisch zwischen den pädagogisch-aufklärerischen Wörterbüchern Adelungs und Campes und dem Grimmschen Wörterbuch, ergänzt, geprägt vom frühen Positivismus, gegenüber ersteren Fremdwörter, enthält philosophische, soziopolitische und technisch-wissenschaftliche Terminologie, die im Deutschen Wörterbuch (DWB) fehlt (cf. Waentig 2007, 126).¹³⁸ Gegenüber dem zweisprachigen Vorgänger Filippi fügt Valentini besonders viele Artikel im deutsch-italienischen Teil hinzu. Dass die größte Erweiterung hier stattfindet ist nicht verwunderlich, denn während die früheren zweisprachigen Wörterbücher überwiegend für ein deutsches Publikum bestimmt waren, wird nun für beide Zielgruppen auch der italienisch-deutsche Teil ausgebaut.
7.4.3 Die Berücksichtigung verschiedener Teilbereiche des Wortschatzes Für heutige Lexikographen liegt eine der größten Herausforderungen in der Entscheidung, welche Bereiche des Wortschatzes ausgeschlossen werden müssen, da sie nicht zur Allgemeinsprache gehören. Insbesondere betroffen von dieser Entscheidung sind Termini technici, die zu stark an ihre jeweilige Fachsprache gebunden sind.¹³⁹ Für Valentini scheint sich dieses Problem weniger zu stellen, sein Bestreben aus einem romantischen Anspruch heraus ist es, möglichst alles abzubilden und, auch im Interesse der Nutzerinteressen des 19. Jahrhunderts, insbesondere die Fachsprachen mit zu berücksichtigen.¹⁴⁰
138 Neben Machiavellismus, Machiavellist und machiavellistisch sind, mit Ausnahme von Sabber und Sabberbart, von den hier zitierten Zusätzen Valentinis auch die anderen im Deutschen Wörterbuch nicht verzeichnet. 139 Ich danke der deutschen Autorin des PONS, Susanne Kolb, an dieser Stelle herzlich für das Gespräch zum Einblick in die moderne Arbeit einer zweisprachigen Lexikographin. 140 In diesem Bestreben, «möglichst alle existierenden Wörter [zu] verzeichnen» (Hausmann 1977, 5), ist das Vollständige Wörterbuch mit Hausmann als extensiv zu klassifizieren. Für die deutschsprachige Lexikographie ist Frisch (1741) der erste, der in größerem Umfang auch fachsprachlichen Wortschatz in größerem Umfang in ein Sprachwörterbuch aufnimmt, cf. Kühn/ Püschel (1990, 2054).
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Nachdem im vorigen Kapitel beleuchtet wurde, wie Valentini mit seinen Referenzwerken arbeitet, wird nun darauf eingegangen, wie er bei der Aufnahme der im frühen 19. Jahrhundert besonders stark diskutierten Teilbereiche des Wortschatzes – fachsprachliche Termini, Regionalismen und Dialektismen sowie Fremdwörter als die Einheiten, welche in der traditionellen Lexikographie ausgeschlossen blieben, und Archaismen, die in der italienischen Lexikographie in der Crusca-Tradition über Jahrhunderte lemmatisiert, aber vom Erscheinen des ersten Wörterbuchs der Crusca an besonders heftig kritisiert wurden – verfährt.
7.4.3.1 Fachsprachliche Termini Der hohe Anteil von Fachtermini, ihre systematische Aufnahme und ihre recht konsequente Markierung¹⁴¹ gehören zu den wesentlichen Kennzeichen des Valentinischen Wörterbuchs. Durch ihre Integration greift es der reichen Produktion zweisprachiger Spezialwörterbücher mit dem Italienischen voraus, die die Lexikographie der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts charakterisieren werden (cf. Zolli 1973, 20). Insgesamt sind im italienisch-deutschen Teil 324 Lemmata des Analysekorpus als fachsprachlich gekennzeichnet, was einen Anteil von 16 % aller Artikel betrifft.¹⁴² Allerdings ist zu beachten, dass das Korpus zwei Seiten des Anhangs umfasst, in dem Valentini vorwiegend Fachtermini ergänzt, so dass deren Anteil auf den entsprechenden Seiten 70 % beträgt. Schließt man daher den Anhang aus, so stellen Fachtermini in den ersten beiden Bänden mit 219 markierten Einheiten rund 11 % der Artikel dar. Im deutsch-italienischen Teil sind es mit 252 Fachtermini 13 %. Als anteilsmäßig überaus stark repräsentiert stechen wissenschaftliche Termini der Botanik, der Naturwissenschaften (T. de’ Naturalisti) und der Medizin hervor. Besonders häufig sind auch Termini der Seefahrt. Jeder dieser Bereiche umfasst sowohl im italienisch-deutschen als auch im deutsch-italienischen Teil
141 Dazu werden Marker des Schemas T. di [Disziplin bzw. Sektor] bzw. T. de’ [Repräsentanten der Disziplin bzw. des Sektors], also z. B. T. di Mus. oder T. de’ Med., verwendet. Allerdings tragen eine Vielzahl von Fachtermini auch keine Markierung, so z. B. der medizinische Fachbegriff Aneurísma ‘eine Pulsadergeschwulst, ein Aderbruch’ oder ein Terminus aus der Poetik wie Anfímacro ‘der Amphimacer’. Dagegen ist das nur zwei Zeilen davorstehende Anfíbraco als T. de’ Poet. markiert. Zum System der diasystematischen Markierungen im Wörterbuch cf. ausführlicher Kapitel 7.5.4. 142 Bei diesen quantitativen Angaben ist zu berücksichtigen, dass zwar der größte Teil, jedoch nicht alle Fachtermini konsequent durch ein Markierungsetikett als solche gekennzeichnet sind. Die Eingrenzung der Zugehörigkeit eines Terminus zur Fach- bzw. Allgemeinsprache ist nicht immer klar möglich. Um ein klares Kriterium zu haben, werden für dieses Kapitel nur im Wörterbuch als solche markierte Fachtermini einbezogen.
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des Korpus mindestens 20 Lemmata. Gemeinsam stellen sie jeweils rund 50 % aller Fachtermini im Vollständigen Wörterbuch dar.¹⁴³ Als T. de’Bot. gekennzeichnet sind im italienisch-deutschen Teil (ohne Anhang) 14 % der Fachtermini oder 1,6 % aller Lemmata. Dazu gehören die Bezeichnungen von Pflanzen, die nicht als allgemeinsprachlich angesetzt werden können (z. B. andriála ‘die Wolldistel’, androsáce ‘das Mannsschild, der Mannsharnisch (eine Pflanze)’, collutéa ‘der Blasenstrauch’, colocásia ‘die ägyptische Aaronwurz’), aber auch Termini zur Beschreibung von Pflanzen (z. B. semiamplessicáule ‘halbumfassend (den Stengel)’, semiflosculo ‘ein geschweiftes, bandförmiges Blütenblatt’, tripetalo ‘dreiblätterig, mit drei Kronenblättern’). Im deutsch-italienischen Teil machen botanische Termini 19 % aller Fachtermini bzw. 2,5 % des gesamten Lemmabestands aus. Hier werden nicht lateinische, sondern deutsche Pflanzenbezeichnungen angegeben (z. B. Amaranttulpe ‘tulipano amarantino’, Bertramwurzel ‘pietro, pilatro’, Dornbaum ‘biancospine’, Lorbeerkraut ‘laureola, mezzeron, mezzereon, dafnoide, calmolea’). Wie in der Raccolta mehrfach betont wird, gehört die systematische Aufnahme von botanischen Fachtermini nach dem System Linnés fest zu Valentinis Programm (cf. Kapitel 6.2.2.1). Termini der Naturlehre stellen im italienisch-deutschen Teil 9 % des fachsprachlichen Wortschatzes und 1,0 % aller Lemmata dar. Im deutsch-italienischen Teil sind es 15 % bzw. 2,1 %. Unter Naturlehre fallen dabei nach der zeitgenössischen Klassifikation sowohl die Zoologie als auch Geologie und Mineralogie, so dass unter den als T. de’Nat. markierten Lemmata Bezeichnungen von Tieren, die nicht als allgemein bekannt gelten können und deren Bezeichnung nicht der Allgemeinsprache angehört, Gesteine und Mineralien zusammenfallen (Bsp. im italienisch-deutschen Teil: anfesibena ‘die Ringelschlange, der Doppelschleicher’, bondrea ‘der Wespenfalke’, milvagino ‘der Seefalk, Meerfalk (ein Fisch)’; boracite ‘der Boracit, Borarspath (ein borarsaures Kalkfossil bei Lüneburg)’, colofonite ‘ein heller Granatstein (mit muschlichem Bruch)’, magnesite ‘der Magnesit, die reine Talkerde’; Bsp. im deutsch-italienischen Teil: Ameisenfuchs ‘volpe americana’, Pudelfisch ‘siluro’, Ochsenfrosch ‘ranocchia mugghiante’; Amianth ‘amianto, asbesto’, Berill ‘berillo’, Vulkanschörl ‘sciorlo vulcanico’). Bei der Klassifizierung der Termini der Naturlehre sind Überschneidungen mit nahe-
143 Ähnlich sind auch die Anteile des Fachwortschatzes im Dizionario universale von D’Alberti. Wie Mura Porcu erhoben hat, sind am stärksten Termini aus der Seefahrt, gefolgt von Wortschatz der Botanik, der Naturwissenschaften, der Medizin und Anatomie sowie der Chemie vertreten (cf. Mura Porcu 2 2000, 114; 129–138). Anhaltspunkt für einen Vergleich können auch die Anteile von Fachwortschatz im GRADIT liefern. Dort sind Termini der Medizin mit 13,70 %, der Botanik mit 5,91 %, und der Zoologie zusammen mit der Mineralogie mit 10,07 % vertreten (cf. GRADIT, vol. 1, LXIX–LXXII).
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liegenden Kategorien nicht immer vermeidbar. So gibt es bei den Begriffen aus der Disziplin der Geologie und Mineralogie Überschneidungspunkte mit der Sektorialsprache der Minatori. Umfasst diese als Sektorialsprache zwar auch die Bezeichnung bestimmter Werkzeuge (z. B. s. v. Kübel ‘mastello’) und Ausdrücke der Arbeitspraxis (z. B. Weilarbeit ‘lavoro nelle ore di riposo’), sind als T. de’Min. doch auch einige Bezeichnungen von Gesteinen, Mineralien und Erden (z. B. Ochroit ‘ocroite’; Ochrolit ‘ocrolite’) gekennzeichnet, die auch in der Wissenschaftssprache der Zeit verwendet werden (zu Ochrolit z. B. cf. die chemische Arbeit von Schuster 1807, 33–34). Medizinische Fachterminologie – dazu werden hier als Termine de’ Medici, Termine d’Anatomia und Termine de’ Chirurgi bezeichnete Lemmata gezählt – stellen im italienisch-deutschen Teil 15 % der Fachtermini (1,7 % am gesamten Lemmabestand) dar. Im deutsch-italienischen Teil ist ihre Anzahl mit 10 % bzw. 1,4 % etwas niedriger. Besonders hoch ist der Anteil an Zusätzen aus diesem Bereich im italienischen Anhang: Im betrachteten Korpusausschnitt beträgt ihr Anteil mit 54 Lemmata 36 %¹⁴⁴. Der große Umfang, der medizinischer Fachterminologie eingeräumt wird, ist mehrfach motiviert. Zunächst ist die Medizin eine der Disziplinen, in denen im 19. Jahrhundert umfassende Fortschritte erreicht werden. Dann stellt sie ein Terrain dar, auf dem Valentini als ausgebildeter Arzt selbst über Fachwissen verfügt. Vor allem aber erfolgt, wie in Kapitel 2.2 ausgeführt, in der Restaurationszeit die Ausbildung italienischer Ärzte in großem Umfang in einem deutschsprachigen Kontext bzw. werden Lehrstühle für Medizin in Norditalien mit deutschen oder vielmehr österreichischen Ärzten besetzt. Mediziner stellen also sowohl auf italienischer als auch auf deutscher Seite eine hohe Zahl potentieller Wörterbuchnutzer dar, deren Bedürfnisse bei der Lemmaauswahl berücksichtigt werden müssen. Es ist jedoch zu beachten, dass Valentini sich dabei, wie auch für die botanischen und naturwissenschaftlichen Termini, auf die einsprachig allgemeinsprachlichen Wörterbücher von Bologna und Padua, die ihrerseits auf D’Alberti beruhen, stützen kann: Von den medizinischen Fachtermini im Gran Dizionario sind bis auf wenige Ausnahmen im italienisch-deutschen Teil alle bereits dort verzeichnet.¹⁴⁵ Während die in diesem Teil angegebenen Termini vorwiegend gelehrten Ursprungs sind (z. B. iscûretico ‘harntreibend’, semejologia ‘die Semiotik, Zeichenlehre’, stênia ‘die Styenie, Hyperstyenie (zu große Thätigkeit der Funktionen aller Organe)’ als T. de’ Med.;
144 Diese Zahlen sind jedoch keineswegs repräsentativ, sondern stark von der Auswahl der Lemmastrecke Antidiluviano–Apione beeinflusst. 145 Lediglich «Cassále, f. T. de’ Med. ein tödliches Fieber» im ersten Band und das unmarkierte «Eccoprôtico, m. ein gelindes Abführungsmittel» im Anhang werden von Valentini dem dortigen Lemmabestand hinzugefügt.
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anfiártrosi ‘die unmerkliche Bewegung der Gelenke’, anfíbronchie ‘Räume um die Drüsen des Zahnfleisches, der Kehle u. s. w.’, vertebrale ‘zu den Wirbelbeinen gehörig’ als T. d’Anat.), werden im deutsch-italienischen Teil fast ausschließlich genuin deutsche Begriffe lemmatisiert (z. B. Gliederspannen ‘spasmo; tensione di nervi’, Kehlsucht ‘angina, schinanzia’, Pulsadergeschwulst ‘aneurisma’, Pulsmesser ‘pulsilogio’ als T. de’Med.; Fingerbeine ‘falange’, Gliedwasser ‘sinovia’, Gliedwassersucht ‘idropisía articolare, delle giunture’, Zwillingsmuskeln ‘i muscoli gemelli, quadrigemini, i gambieri posteriori’ als T. d’Anat.). Italienische Termini werden mit solchen übersetzt, wie im folgenden Beispiel: Estravasione, f. T. de’ Med. die Austretung des Blutes.
Neben Termini, die vom Laien vielleicht nicht verwendet werden, ihm jedoch verständlich sind, erstaunt die für ein heutiges Wörterbuch undenkbare Aufnahme der zahlreichen hochspezialisierten Fachtermini, z. B. ambi: Ambi, m. Term. di Chir. Instrument zum Einrenken.
Neben den genannten wissenschaftlichen Disziplinen bildet der Sektor der Seefahrt eine der wichtigsten Quellen von Fachtermini. Dies ist auf die bedeutenden Entwicklungen in diesem Bereich gegen Ende des 18. bzw. zu Beginn des 19. Jahrhunderts wie den Bau der ersten Dampfschiffe zurückzuführen, außerdem auf die Tatsache, dass die Notwendigkeit der Kommunikation zwischen Sprechern unterschiedlicher Sprachen in der Seefahrt besonders hoch ist und eine schnelle, präzise Verständigung ohne Paraphrasen erfordert. Entsprechend entstehen zu Beginn des 19. Jahrhunderts zahlreiche praktische lexikographische Arbeiten zum Wortschatz des Seewesens wie das Vocabolario di marina in tre lingue von Stratico (1813–1814), die sich besonders mit den starken regionalen Differenzen der Terminologie auseinanderzusetzen haben (cf. Zolli 1973, 10–11; Lisma 2007, 165; für die deutsche Lexikographie cf. z. B. die Ergänzung der 3. Auflage von Adelung 1808 um einen Anhang von Termini des Seewesens). Im italienisch-deutschen Kontext besteht ein besonderes Bedürfnis an der Übersetzung entsprechender Terminologie in der Donaumonarchie, die mit den Häfen an der Adria einen Zugang zum Meer hat. Auf dieses Bedürfnis reagierten auch das Wörterbuch von Filippi von 1817 und zeitgleich zu Valentini Vogtberg mit dem Supplimento ad ogni dizionario Italiano-Tedesco e Tedesco-Italiano. Valentini baut die Terminologie der Seefahrt gegenüber Filippi noch weiter aus. In seinem Wörterbuch stellen im italienischdeutschen Teil marine Fachtermini 11 % des Spezialwortschatzes und 1,3 % der Lemmata im Analysekorpus dar (Bsp.: attrappe ‘das Anhaltseil, die Aufhalter in Winden, Bullen oder Kiellichter’, bompresso ‘das Bogspriet (der über dem Schiffsvordertheile, dem Bug, hervorragende Mast)’, borda ‘das Hauptsegel der Galee-
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ren’, bordare ‘ein Schiff verkleiden (mit Planken besetzen)’, bordeggiare ‘laviren (wegen widrigen Windes bald links bals rechts segeln)’), im deutsch-italienischen Teil 7 % bzw. 0,9 % (Bsp.: aufbojen ‘alleggerire un vascello per via di botti e di reggitoj’, Aufbringer ‘colui, che ha fatta una presa’, Drachenanker ‘ancora di galea’, Drague ‘draja’, Keep ‘incanatura; incastro’). Das leichte Ungleichgewicht lässt sich damit erklären, dass Kontakte von Seeleuten deutscher und italienischer Muttersprache bzw. die Notwendigkeit, große Häfen zu verwalten, besonders in den Häfen Norditaliens gegeben waren und damit die italienische Terminologie im Zentrum steht. Die wissenschaftlichen Termini lassen sich grob den Naturwissenschaften, der Medizin, der Mathematik sowie den Geisteswissenschaften zuordnen. Die folgenden Tabellen zeigen, weiter getrennt in Unterdisziplinen und jeweils für den italienisch-deutschen und den deutsch-italienischen Teil, wie stark entsprechende Termini im Korpus vertreten sind (für den italienisch-deutschen Teil werden die Belege aus dem Anhang für die quantitative Angabe nicht einbezogen) und veranschaulichen jede Disziplin durch Beispiele (hier werden, gekennzeichnet durch den Zusatz [Anh.], auch Beispiele aus dem Anhang berücksichtigt). Die Anteile werden in absoluten Zahlen angegeben, da sie für viele Disziplinen zu gering sind, um verlässliche relative Angaben machen zu können. Es fällt auf, dass im deutsch-italienischen Teil wenige Termini für die geisteswissenschaftlichen Bereiche, in denen die deutsche Wissenschaft der Zeit besonders stark ist – die Geschichte, die Philologie, die Philosophie –, verzeichnet sind. Dies mag an der Zeitverzögerung liegen, mit der Begriffe in das Wörterbuch eingehen, vor allem aber wohl am Korpusausschnitt.¹⁴⁶
146 Auf die Bedeutung philologischer und poetischer Terminologie geht Valentini, freilich auf das Italienische bezogen, in der Raccolta ein. Beispiele für die Berücksichtigung philosophischer Begriffe im deutsch-italienischen Teil, außerhalb des Analysekorpus und die Mikrostruktur mitberücksichtigend, sind: Aufklärer, m. (eines Volkes), colui che spande, che propaga la luce, la cultura; che istruisce. Aufklärung, f. […] §. die Aufklärung der Völker, la cultura de’ popoli. §. die Aufklärung befördern, verhindern, promuovere, favorire, impedire la cultura, la coltivazione dello spirito. Anschauung, f. […] §. T. de’ Fil. contemplazione. Ich, n. io; me, io stessa. […] §. T. de’ Fil. das Ich ist dem Nichtich entgegengesetzt, quel che son’io, sta opposto a tutto ciò che io non sono. Ichheit, f. [Individualität], individualità, il proprio essere. §. wenn ich mich ändern sollte, müßte ich meine ganze Ichheit ablegen, per cambiarmi bisognerebbe che mi spogliassi di tutta la mia individualità, di tutto il mio essere; che cessassi d’essere chi sono. Imperativ, m. […] It. T. de’ Fil. der kategorische Imperativ, l’imperativo categorico. Nichtsein, n. non esistenza, il non esistere. Weltansicht, f. opinione che uno ha del mondo, modo di giudicare il, maniera di pensare del mondo.
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Tab. 12: Wissenschaftliche Fachtermini im italienisch-deutschen Teil Wiss. Disziplin
Teildisziplin
Naturwissenschaften
Botanik (T. de’Bot) Naturlehre (T. de’Nat.) Chemie (T. de’Chim.)
Anteil im ital.-dt. Teil 30 20 8
Astronomie (T. degli Astr.)
7
Physik (T. de’Fis.)
1
Beispiele s. o. s. o. bombiato ‘raupensauer’; deliquescente ‘an der Luft zerfließend, zerfließlich (Salze)’; estrattivo ‘der Extraktivstoff’; satturazione ‘die Sättigung’ andromeda ‘Andromeda, ein nördliches Gestirn von 27 Sternen’; eliostato ‘ein Heliostat (Instrument)’ [Anh.]
Medizin
Medizin (T. de’Med.) Anatomie (T. degli Anat.) Chirurgie (T. de’Chir.) Pharmazie (T. de’Farm.)
15 14 3 2
Mathematik
Mathematik (T. de’Mat.)
2
Algebra (T. degli Algebr.)
1
Arithmetik (T. degli Aritm.) Geometrie (T. de’Geom.)
– 8
Geschichte (T. di Stor.)
4
delie ‘athenische Feste (dem Apollo zu Ehren)’; pileo ‘der Hut (Zeichen der Freiheit bei den alten Römern)’
Poetik (T. de’Poet.)
3
Philologie (T. de’Filol.) Grammatik (T. di Gram.)
1 2
Philosophie (T. de’Fil.)
–
Theologie (T. de’Teol.)
–
anfiamacro ‘der Amphimacer (ein dreisylbiger Versfuß)’ pritaneo ‘das Prytaneion (in Athen)’ antisteco ‘die Antistichon (die Buchstabenverwechselung)’ [Anh.] eclettici ‘die Eklektiker (philosophische Sekte)’ [Anh.] trino ‘dreieinig; aus dreien Personen bestehend’; antropopatia ‘die Andichtung, Beilegung menschlicher Leidenschaften an Gott’ [Anh.]
Theologie und Geisteswissenschaften
s. o.
prisma ‘das Prisma (ein länglicher, drei-, vier-, fünfeckiger, besonders durchsichtiger Körper)’ trinomio ‘eine dreinamige Größe, ein Trinom’ — coordinata ‘die Curvenlinie’; incommensurabile ‘durch gemeinschaftliche Größen nicht ausmeßbar, nicht gleichmeßbar’; semiellittico ‘halbelliptisch’
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Tab. 13: Wissenschaftliche Fachtermini im deutsch-italienischen Teil Wiss. Disziplin
Teildisziplin
Naturwissenschaften
Botanik (T. de’Bot) Naturlehre (T. de’Nat.) Chemie (T. de’Chim.)
Anteil im dt.-ital. Teil 48 39 5
Astronomie (T. degli Astr.)
1
Physik (T. de’Fis.)
– 7 14 5 3
Beispiele s. o. s. o. ameisensauer ‘formico’; Bernsteinsäure ‘acido succinico’¹⁴⁷ Mitternachtspunkt ‘punto settentrionale, boreale, artico’ —
Medizin
Medizin (T. de’Med.) Anatomie (T. degli Anat.) Chirurgie (T. de’Chir.) Pharmazie (T. de’Farm.)
s. o.
Mathematik
Mathematik (T. de’Mat.) Algebra (T. degli Algebr.) Arithmetik (T. degli Aritm.) Geometrie (T. de’Geom.)
1 – 2 4
Trigonometrie ‘trigonometria’ — Wurzelzeichen ‘segno radicale’ Kegelachse ‘asse del cono’
Theologie und Geisteswissenschaften
Geschichte (T. di Stor.)
1
Poetik (T. de’Poet.) Philologie (T. de’Filol.) Grammatik (T. di Gram.)
– – 3
Philosophie (T. de’Fil.) Theologie (T. de’Teol.)
– –
Vulkansfeste ‘vulcanali; feste in onore di Vulcano’ — — Mittelwort ‘participio’; Verhältnißwort ‘preposizione’ — —
Im Bereich der Sektorialsprache stellen die in der Kultur der Zeit fundamentalen Bereiche Seefahrt, Militär und Rechtswesen eine besonders große Zahl von Fachtermini, allerdings mit recht unterschiedlicher Verteilung in den beiden Wörterbuchteilen. Auf die Terminologie der Seefahrt als überdurchschnittlich stark repräsentiertem Sektor wurde bereits eingegangen. Das Militär stellt einen Bereich dar, zu dem im italienisch-deutschen Teil im Korpus lediglich 3 als T. mil. markierte Lemmata verzeichnet sind, die überdies auf historische Gegebenheiten referieren (z. B. pilo ‘ein Spießträger, Wufschütz’), während der deutschitalienische auf 12, eher dem zeitgenössischen Gebrauch angehörende Einhei-
147 Es fällt auf, dass im Italienischen die moderne Terminologie Lavoisiers verwendet wird, während für das Deutsche die alte, alchemistisch geprägte Nomenklatur verzeichnet ist. Zur Terminologie der Chemie cf. auch die folgende exemplarische Analyse.
342 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
ten kommt (z. B. Löhnung ‘soldo, paga’; Wachmeister ‘sergente di cavalleria’; Wachparade ‘parata’; Observationsarmee ‘esercito, armata d’osservazione’). Dies lässt sich mit der Bedeutung des Militärwesens insbesondere im Preußen des 19. Jahrhunderts erklären. Dagegen sind aus dem Bereich des Rechtswesens auf Lemmaebene ausschließlich im italienisch-deutschen Teil markierte Fachtermini nachgewiesen, nämlich insgesamt 13 (z. B. collitigante ‘die Gegenpartei (im Proceß)’; colludere ‘ein heimliches Einverständniß haben’; vertenza ‘der Streitpunkt, streitige Punkt’). Im deutsch-italienischen Teil ist mit 10 Lemmata in größerem Umfang Terminologie des Bergbaus (T. de’Min) verzeichnet (z. B. Firstenerz ‘minerale dalla parte superiore d’un monte’; Glimmerschiefer ‘schisto miccaceo; micaschisto’; Ruthengänger ‘minatore che cerca filoni colla bacchetta indovinatoria’), der im italienisch-deutschen Teil auf Lemmaebene fehlt. Der Bergbau stellt einen Sektor dar, in dem Deutschland traditionell eine Sonderstellung einnimmt und zwar sowohl in der Praxis, der Bergbautechnik, als auch in der wissenschaftlichen Forschung zur Mineralogie (cf. Kapitel 2.2). Andere Sektoren ergeben im Korpus sehr kleine Gruppen mit oftmals nur einem Beispiel. Die Aufnahme der entsprechenden Terminologie mit eigenem Marker für über achtzig Berufsgruppen (cf. die lange Tabelle aller Abkürzungen, die dem ersten Band vorgestellt ist und noch nicht alle Marker umfasst, Vollst. Wb., vol. 1, LXXXV–LXXXVI, Abb. 9; cf. auch Kapitel 7.5.4 dieser Arbeit) zeigt den Anspruch Valentinis, den Wortschatz beider Sprachen möglichst allumfassend abzubilden und spiegelt außerdem die fortschreitende Spezialisierung der einzelnen Disziplinen im 19. Jahrhundert wieder (cf. Zolli 1973, 19). Vertreten sind sämtliche Sektoren, vom traditionellen Handwerk (z. B. der Schuhmacher mit dem Ausdruck trincetto ‘ein Schuhmacherkneif’) bis zu Zweigen, die zur Zeit der Wörterbucherstellung ein starkes Wachstum erleben (z. B. das Buch- und Verlagswesen mit Ammonsschrift ‘garamone’) und auch kulturgebundene Sektoren wie die Bierbraukunst (T. de’ Birr., nicht im Abkürzungsverzeichnis), letztere freilich nur im deutsch-italienischen Teil. An Termini aus den Künsten sind in beiden Teilen wenige aus der Malerei verzeichnet (im italienisch-deutschen Teil), zahlreicher sind dagegen, insbesondere im italienisch-deutschen Teil, Begriffe der Architektur (insgesamt 7 Lemmata, z. B. pigna ‘der Gegenpfeiler am Brückenjoche’; echino ‘das Ei (Zierath)’) und besonders der Musik (10, z. B. semibreve ‘das Viertel, die Viertelnote’; trio ‘das Trio’; im deutsch italienischen Teil 7, z. B. Stimmenführer ‘corifeo’; Triller ‘trillo, gorgheggio’).
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344 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
Abb. 9: Abkürzungsverzeichnis Vollständiges Wörterbuch 2 (Vollst. Wb., vol. 1, LXXXV–LXXXVI; Universitätsbibliothek Salzburg)
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Die Aufnahme von Fachsprache ist nicht auf die Lemmaebene beschränkt. Auch auf der Ebene der Mikrostruktur sind in Form von Bedeutungsdifferenzierungen sowie Mehrworteinheiten zahlreiche Elemente aus Wissenschaften und Sektoren verzeichnet.¹⁴⁸ Hierzu verweise ich auf die Kapitel 7.5.6.1 und 7.5.8. Zur Übersetzung der Fachterminologie cf. Kapitel 7.5.7.2.
Exemplarische Analyse von Fachwortschatz: Chemie und Elektrizismus Beispielhaft sei abschließend die Berücksichtigung von Vokabular aus zwei naturwissenschaftlichen Disziplinen herausgegriffen, die im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert durch Entdeckungen richtungsweisend geprägt werden und zugleich eine spezifische neue Terminologie herausbilden: Elektrizismus und Chemie. Für beide liegen für das Italienische lexikologische Untersuchungen vor, die zu einer Überprüfung der Aktualität Valentinis für die Disziplinen zum Vergleich herangezogen werden können. Für den Bereich der Elektrizität, die sich im 18. Jahrhundert von einer Kuriosität zu einer eigenen wissenschaftlichen Disziplin entwickelt, deren Terminologie in Europa und Amerika rasch Verbreitung findet, hat Atzori auf der Basis von Traktaten, Handbüchern, Briefen, Memoiren und Zeitschriftenbeiträgen aus dem Zeitraum von 1667 bis 1798 ein 316-seitiges Glossar zusammengestellt (cf. Atzori 2009). Zu jedem Terminus sind drei Erstbelege, die Verzeichnung bei Belloc (1889)¹⁴⁹ sowie Verweise auf weitere Belege und die Datierung in modernen Wörterbüchern des Italienischen (GDLI, DELI, DEI sowie GRADIT) zusammengestellt. Auf dieser Materialbasis habe ich zwanzig grundlegende Termini mit mindestens 3 Textbelegen des 18. Jahrhunderts und Verzeichnung im GDLI ausgewählt und ihre Aufnahme bei Valentini überprüft. Nicht berücksichtigt werden dort accumulare ‘raccogliere (elettricità) in un corpo o apparecchio’, attrazione elettrica, batteria, boccia di Leyden, carica (elettrica),
148 Dies betrifft insbesondere solche Sektoren, die ihre Terminologie überwiegend aus der Allgemeinsprache übernehmen, deren Termini also kein eigenständiges Lemma, sondern die weitere Bedeutung einer allgemeinsprachlichen lexikalischen Einheit darstellt. Ein Beispiel im italienisch-deutschen Teil ist das Militärwesen. Hier sind im Korpus 17 Ausdrücke als T. mil. markiert, davon stehen jedoch nur 4 auf Lemmaebene, der Großteil findet sich in der Mikrostruktur, z. B. «§. Cassare soldati, T. di Mil. Soldaten verabschieden, den Abschied ertheilen» s. v. cassare; «§. Cassone, T. mil. der Pulverkarren, Protzkasten, die Pulverwurst» s. v. cassone; «§. Strada coperta, T. mil.» s. v. coperto. 149 Bellocs Spezialwörterbuch Terminologia elettrica sammelt die Terminologie Ende des 19. Jahrhunderts und kann somit zur Überprüfung der Beständigkeit eines Terminus herangezogen werden (cf. Atzori 2009, 33). Es enthält Äquivalente des italienischen Begriffs in französischer, englischer und deutscher Sprache.
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circolo dell’elettricità, circuito ‘giro, percorso compiuto dall’elettricità’, coibente, colpo (elettrico), conducibilità ‘proprietà di trasmettere l’elettricità’, condurre, corrente (elettrica), elettricista ‘studioso di elettrologia’, elettroscopio ‘strumento che serve a scoprire la presenza di elettricità in un corpo’, facoltà conduttrice, isolamento, luce elettrica, negativamente, positivamente, potenza elettrica, resistenza ‘resistenza alla diffusione dell’elettricità’, scarica, scaricare, scintilla, scossa elettrica, tensione elettrica. Verzeichnet finden sich: Condensatore, m. T. de’ Fis. Ein Condensator (der Luft und der elektrischen Materie), Luftpresse. Conduttore, m. -trice […] §. T. de’ Fis. Ein Conduktor, Elektrizitätsleiter. §. Für Parafulmine, ein Blitzableiter.¹⁵⁰ Elettricamente, avv. Elektrisch. Elettricísmo, f. [sic!] Elettricità, m. [sic!]
} die Elektricität, elektrische Kraft.
Elêttrico, agg. elektrisch.¹⁵¹ Elettrizzare (dsa), v. a. T. fisico, elektrisiren, elektrisch machen. §. v. n. p. Elettrizzarsi, sich elektrisiren lassen.¹⁵² Elettrôfo, m. ein Elektricitätsträger, Elektrophor. Elettrômetro, m. der Elektricitätsmesser, Elektrometer. Idioelêttrico, agg. Neolog. Scient.¹⁵³ Idioelektrisch } Idiolettrico, (ursprünglich elektrisch und nichtleitend, z. B. Glas, Harz, Seide). Isolare, v. a. frei, abgesondert stellen. §. T. de’ Fis. Isoliren (außer Verbindung mit Elektrizitätsleitern setzen).
150 Parafulmine aus der Liste Atzoris ist selbst nicht lemmatisiert. Im deutsch-italienischen Teil findet sich jedoch ein Artikel zu Blitzableiter mit der Übersetzung parafulmine. 151 Im Anhang des zweiten Bandes finden sich die Zusätze: «Elettrico, agg. … §. Osservazioni elettriche, elektrische Beobachtungen. §. Macchina elettrica, eine Elektrisirmaschine». 152 In Anhang findet sich der Zusatz: «Elettrizzare, v. a. … §. v. n. p. Elettrizzarsi, elektrisch werden». Nicht bei Atzori verzeichnet, jedoch als Artikel bei Valentini außerdem: «Elettrizzato (dsa), part. des Vorigen. Elettrizzatore (dsa), m. -trice, f. ein, eine Elektrisirer-in». 153 Die Abkürzung fehlt im vorgestellten Verzeichnis.
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Der zweite betrachtete Bereich, die Chemie, ist die wissenschaftliche Disziplin, die gegen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit neuen Entdeckungen und Methoden den größten Veränderungen unterliegt, und in der die Veränderungen sich in besonderer Weise in der Sprache ausdrücken. Im 18. Jahrhundert beginnt mit der Entdeckung von Wasser- und Sauerstoff sowie weiterer Elemente, der Neudefinition des Begriffs der Elemente und der Oxidation die wissenschaftliche Chemie. Die Disziplin definiert sich durch ein methodisches, experimentelles Vorgehen, das sich auf systematische Messungen mit Waage und Thermometer sowie neue Instrumente stützen kann. Daltons Atomtheorie prägt den Beginn des 19. Jahrhunderts. Die Reform der chemischen Nomenklatur in Frankreich durch Lavoisier ist das Ergebnis jahrzehntelanger Bemühungen, die chemische Nomenklatur strikt und rational nach den neuen wissenschaftlichen Klassifikationssystemen zu ordnen.¹⁵⁴ In Italien findet sie ab Ende des 18. Jahrhunderts durch die Übersetzungen der Arbeiten Lavoisiers durch Vincenzo Dandolo und sein Dizionario vecchio e nuovo, nuovo e vecchio di nomenclatura chimica von 1791 Eingang.¹⁵⁵ Neben der Bezeichnung chemischer Stoffe wird die Terminologie durch die Benennung der neuen Instrumente, Methoden und Prozesse bereichert. Mit Giovanardi (1987) liegt eine Arbeit vor, die systematisch untersucht, wie die neue chemische Terminologie des 18. Jahrhunderts in Italien Fuß fasst und, über ihre Verwendung in Traktaten hinaus, auch in Fach- und allgemeinen Sprachwörterbüchern Eingang findet. Anhand dieser Vorarbeiten kann überprüft werden, inwiefern auch ein zweisprachiges Wörterbuch mit dem Anspruch, den Wortschatz umfassend und einschließlich der modernen wissenschaftlichen Terminologie abzubilden, die Neuerungen bereits verzeichnet. Als Beispiel für die Übernahme der reformierten Terminologie stellen die folgenden beiden Tabellen die Bezeichnungen von 20 Säuren mit dem Suffix -ico sowie von 4 Salzen auf -uro zusammen. Aus Giovanardi (cf. 1987, 137–138) wurde dabei die Information entnommen, ob diese bereits in Valentinis Referenzwörterbüchern – D’Albertis Dizionario enciclopedico in der Ausgabe von 1797–1805 (D’Alb), den Wörterbüchern von Bologna (Bol) und Padua (Min) sowie im Spezialwörterbuch von Marchi (1818–1829; Marchi) verzeichnet sind. Die dritte Spalte zeigt die Verzeichnung im Vollständigen Wörterbuch an.
154 Zu den sprachlichen Charakteristika der reformierten Terminologie cf. Giovanardi (1987, 71–87). 155 Cf. Giovanardi (1987, 32); dort wird auch die Vermittlung durch Luigi Valetini Brugnatelli gewürdigt.
348 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
Tab. 14: Reformierte Terminologie der Chemie, Säuren auf -ico Terminus
Verzeichnung in Valentinis Referenzwb.
Verzeichnung im Vollst. Wb.
Acetico
Bol Min
Acético, agg. T. de’ Chim. Essigsauer. §. Acido acetico, die Essigsäure. §. Fermentazione acetica, die saure Gährung. §. Êtere acetico, der Essigäther.
Benzoico
D’Alb Bol Min
Anh.: Benzôico, agg. T. de’ Chim. benzoesauer. §. Acido benzoico, die Benzoesäure.
Bombico
D’Alb Min
Bômbico, agg. T. di Chim. Acido bombico, die Raupensäure.
Boracico
D’Alb Bol Min
—
Canforico
D’Alb Bol Min Marchi
Anh.: Canfôrico, m. T. de’ Chim. kamphersauer. §. Acido canforico, die Kamphersäure.
Carbonico
D’Alb Bol Min
Carbônico, agg. T. di Chim. kohlensauer. §. Acido carbonico, die Kohlensäure.
Citrico
D’Alb Bol Min Marchi
Cítrico, agg. T. de’ Chim. Acido citrico, die Zitronensäure.
Fluorico
—
Anh.: Fluôrico, agg. T. de’ Chim. Acido fluorico, die Flußspathsäure.
Formico
D’Alb Bol Min
Fòrmico, agg. T. de’ Chim. Ameisensauer. §. Acido formico, die Ameisensäure.
Fosforico
D’Alb Bol Min Marchi
Fosfôrico, agg. T. de’ Filos. Nat. phosphorisch, phosphorhaltig. §. T. de’ Chim. mod. phosphorsauer. §. Acido fosforico, die Phosphorsäure.
Gallico
D’Alb Bol Min
Gállico, agg. gallisch, französisch. §. T. de’ Chim. Acido gallico, die Galläpfelsäure, Gallussäure.
Die Makrostruktur |
349
Tab. 14: (fortgesetzt) Terminus
Verzeichnung in Valentinis Referenzwb.
Verzeichnung im Vollst. Wb.
Lattico
D’Alb Bol Min
Láttico, agg. T. de’ Chim. Acido lattico, die Milchzuckersäure, Milchsäure.
Malico
D’Alb Bol Min
Málico, agg. T. de’ Chim. apfelsauer. §. Acido malico, die Apfelsäure.
Muriatico
D’Alb Bol Min
Muriático, agg. T. de’ Chim. [Idroclorico], salsauer. §. Acido muriatico, die Salzsäure.
Nitrico
D’Alb Bol Min Marchi
Nítrico, agg. T. de’ Chim. salpetersauer. §. Acido nitrico, die Salpetersäure, das Scheidewasser.
Ossalico
D’Alb Bol Min Marchi
Ossálico, agg. T. de’ Chim. kleesauer. §. Sale, alcali ossalico, das Kleesalz.
Prussico
—
—
Solforico
Bol Min
Solfôrico, agg. T. de’ Chim. schwefelartig.
Succinico
—
Succínico, agg. T. de’ Chim. bernsteinsauer. §. Acido succinico, die Bernsteinsäure, das Bernsteinsalz.
Tungstico
—
—
Diese und die folgende Tabelle zeigen, dass Valentini die neue Terminologie umfassend verzeichnet, dabei allerdings, mit Ausnahme von fluôrico und succínico, nichts aufführt, was nicht bereits in seinen Grundlagenwerken belegt ist, die Orientierung also vermutlich in erster Linie an diesen erfolgt. Nicht übernommen wurden lediglich ammoniuoro und boracico. Es erfolgt eine konsequente Markierung als chemische Termini, bei fosforico zudem mit dem Zusatz als modern, bei fosfuro als Neologismus. Die Gegenüberstellung mit dem deutschen Äquivalent zeigt, dass im Deutschen das lavoisiersche System nicht adaptiert wurde.
156 Es findet sich, im Anhang, lediglich: «Ammoniacále, agg. T. de’ Chim. ammoniakalisch. §. Sal ammoniacale, das Ammonium, flüchtige Laugensalz».
350 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
Tab. 15: Reformierte Terminologie der Chemie, Salze auf -uro Terminus
Verzeichnung in Valentinis Referenzwb.
Verzeichnung im Vollst. Wb.
Ammoniuro
Bol Min
—¹⁵⁶
Carburo
D’Alb Bol Min
Carbúro, m. T. de’ Chim. Kohlenstoffverbindungen (des Kohlenstoffs mit einer Basis). §. Carburo di ferro, das gekohlte Eisen.
Fosfuro
D’Alb Bol Min Marchi
Fôsfuro, m. Neol. de’ Chim. Fosfuro di ferro, Phosphoreisen, phosphorhaltiges Eisen.
Solfuro
Bol Min
Sólfuro, m. T. de’ Chim. eine Schwefelverbindung. §. Solfuro di ferro, Schwefelkies. §. Solfuro di alcali, Schwefelleber.
Die nächste Tabelle zeigt, wiederum ausgehend von Giovanardi (cf. 1987, 138–163), die Adaption weiterer Prä- und Suffixbildungen sowie Komposita der neuen chemischen Terminologie: Tab. 16: Weitere Neubildungen der Chemie Terminus
Verzeichnung in Valentinis Referenzwb.
Verzeichnung im Vollst. Wb.
Acidificabile
D’Alb Bol Min
Acidificabile, agg. T. de’ Chim. säuerbar.
Fermentescibile
—
—
Gassificabile
—
—
Salificabile
—
—¹⁵⁷
Espansibilità
—
—
157 Verzeichnet ist in Valentini jedoch «Salificare, v. a. T. de’ Chim. ein Salz bilden (Basen und Säuren zusammen)». Der Erstbeleg datiert laut DELI auf 1701. Eine Verzeichnung findet sich auch in D’Alberti, Bologna und Minerva, mit der Definition: «T. Chimico. Ridurre in sale». Der Eintrag fehlt in Filippi.
Die Makrostruktur | 351
Tab. 16: (fortgesetzt) Terminus
Verzeichnung in Valentinis Referenzwb.
Verzeichnung im Vollst. Wb.
Refrangibilità
D’Alb Bol Min
Rifrangibilità, f. T. di Fis. die Brechbarkeit (der Lichtstralen)
Incandescenza
—
—
Gassiforme
—
—
Albumina
Bol Min
—
Trementina
D’Alb Bol Min
Trementína, f. der Terpentin.
Magnetismo
D’Alb Bol Min Marchi
Magnetísmo, m. der Magnetismus (die Eigenschaft und Kraft des Magnets). §. Magnetismo animale, der thierische Magnetismus.
Barite
D’Alb Bol Min Marchi
Baríte, m. T. di Stor. nat. der Baryt (eine Erdart).
Pirite
D’Alb Bol Min Marchi
Piríte, f. T. de’ Chim. ein Schwefelmetall (zum Verpuffen geeignet).¹⁵⁸ §. T. de’ Nat. der Schwefelkies, Eisenkies, Markasit.
Cristallizzare
D’Alb Bol Min
Cristalizzare (dsa), v. n. T. de’ Nat. e Chim. kristallisiren, anschießen (in den Kristallen).
Vaporizzare
—
—¹⁵⁹
Volatilizzare
D’Alb Min
Volatilizzare (dsa), v. a. T. de’ Chim. verflüchtigen.
158 Die beigefügte enzyklopädische Information ist wohl der Definition in den Wörterbüchern von Bologna und Padua entnommen. Diese lautet: «T. de’ Chimici. Unione di solfo e metallo atto ad essere acceso». Bei Filippi fehlen eine Markierung oder Definition. 159 Das DELI belegt vaporizzare erstmals für 1853, cf. s. v. vapore.
352 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
Tab. 16: (fortgesetzt) Terminus
Verzeichnung in Valentinis Referenzwb.
Verzeichnung im Vollst. Wb.
Sfregamento
D’Alb Bol Min
Sfregamento, m. [Fregamento], das Reiben, die Reibung.¹⁶⁰
Soffregamento
D’Alb Bol Min
Soffregamento, m. ein sanftes, gelindes Reiben.¹⁶¹
Aerometro
D’Alb Bol Min Marchi
Aerômetro, m. der Luftmesser (ein Instrument).
Calorimetro
D’Alb Bol Min Marchi
Calorímetro, m. T. degli Scient. der Wärmemesser (der thierischen Wärme).
Eudiometro
D’Alb Bol Min Marchi
Eudiômetro, T. di Fis. der Eudiometer (ein Instrument, die Güte der Luft zu messen).
Fotometro
D’Alb Bol Min Marchi
Fotômetro, m. T. degli Ottici, [Lucimetro], ein Lichtmesser.
Gazometro
D’Alb Bol Min Marchi
Gasômetro, m. der Luftmesser, Gasmesser (die Schwere der verschiedenen Luftarten zu bestimmen).¹⁶²
160 Das Lemma wird nicht speziell als chemischer Terminus behandelt. Auch in den Referenzwörterbüchern erfolgt die Verzeichnung nicht explizit als chemischer Terminus, worauf Giovanardi bei seinem Abgleich nicht eingeht. Es ist ein Dantezitat beigefügt. 161 Auch hier wird der Gebrauch als chemischer Terminus nicht berücksichtigt. 162 Hier weicht Valentinis beigegebene Definition von der in D’Alberti und, von dort übernommen, in den Wörterbüchern von Bologna und Padua ab: «T. Chimico. Strumento di moderna invenzione, con cui si determina la quantità del gas».
Die Makrostruktur | 353
Tab. 16: (fortgesetzt) Terminus
Verzeichnung in Valentinis Referenzwb.
Verzeichnung im Vollst. Wb.
Goniometro
Marchi
Goniômetro, m. ein Winkelmaß.¹⁶³
Igrometro
D’Alb Bol Min Marchi
Igrômetro, m. T. di Fisica, der Feuchtigkeitsmesser.
Manometro
Min Marchi
Manômetro, m. T. de’ Fis. ein Manometer, Dichtigkeitsmesser (der Luft).
Pirometro
D’Alb Bol Min Marchi
Pirômetro, m. T. de’ Fis. ein Feuermesser, Hitzemesser, Pyrometer (die Grade der Hitze beim Glühen, Schmelzen zu messen).¹⁶⁴
Gassoso
—
—
Termoscopio
D’Alb Bol Min Marchi
Termoscôpio, m. Voce greca, ein Thermoscop, Wärmeanzeiger.¹⁶⁵
Serbatoio
—¹⁶⁶
Svaporatoio
—
Coagulazione
D’Alb Bol Min
Coagulazione, f. das Gerinnen, Erstarren.
163 Eintrag im Anhang des 2. Bandes. Die Belegangabe bei Giovanardi scheint fehlerhaft, das DELI belegt goniometro erstmals bei D’Alberti (1798). 164 Im deutsch-italienischen Teil lautet der Artikel: «Pyrométer, m. Voce greca [Feuermesser], pirômetro». Er wird nicht als T. de’ Chim., sondern, der Etymologie nach, als Voce greca markiert (cf. auch termoscôpio). Eine Definition, wie sie dem italienischen Artikel beigegeben ist, fehlt. Hier zeigt sich einmal mehr die Nicht-Umkehrbarkeit der Wörterbuchteile. 165 Die Markierung ist abweichend von der in den Referenzwerken, die den Marker T. della Fisica beigeben. 166 Das Lemma ist in Valentini und seinen Vorgängern verzeichnet, jedoch nicht in seiner Bedeutung als chemischer Terminus, sondern als ‘Mästkoben’, ‘Gewächshaus’.
354 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
Tab. 16: (fortgesetzt) Terminus
Verzeichnung in Valentinis Referenzwb.
Verzeichnung im Vollst. Wb.
Cristallizzazione
D’Alb Bol Min Marchi
Cristallizzazione (dsatsio), f. T. de’ Chim. die Kristallisirung, das Anschießen. It. T. de’ Nat. das Kristallgefüge, die Kritallisation.
Feltrazione
D’Alb Bol Min
Feltrazione, f. [Filtrazione], das Filtriren.
Sottocoppa
D’Alb Bol Min
Sottocôppa, f. ein Becheruntersatz, Credenzteller.¹⁶⁷
Ipertermossigenato
—
—
Pneumato-chimico
Marchi
—
Auch hier zeigt sich Valentinis grundsätzliche Offenheit bezüglich der Aufnahme neuer Terminologie, jedoch wiederum verbunden mit der Orientierung an den Referenzwerken: Was dort nicht lexikographisch festgehalten wurde, fehlt zumeist auch im Vollständigen Wörterbuch. Um Valentinis Berücksichtigung neuer Entdeckungen zu überprüfen, stellt die letzte Tabelle die von der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis zum Abschluss des Vollständigen Wörterbuchs entdeckten Elemente zusammen und zeigt auf, welche davon lexikographisch erfasst wurden. Tab. 17: Lemmatisierung von ab 1750 neu entdeckten chemischen Elementen Element
Jahr der Entdeckung
Verzeichnung im Vollst. Wb.
Nichel
1751
—
Bismuto
1753
Bismutte, übl. Bismuto, m. der Wismuth (ein Halbmetall).¹⁶⁸
Idrogeno
1766
Idrogeno, m. T. de’ Chim. der Wasserstoff.
Azoto
1772
Azotto, m. T. di Chim. die Stickluft, der Stickstoff (mit dem Sauerstoff die Salpetersäure erzeugend).
167 Das Lemma wird nicht in seinem Gebrauch als Fachterminus angegeben. 168 Bismuto als eigenes Lemma fehlt.
Die Makrostruktur |
355
Tab. 17: (fortgesetzt) Element
Jahr der Entdeckung
Verzeichnung im Vollst. Wb.
Cloro
1774
Cloro, m. T. de’ Chim. das Chlor (Basis der Salzsäure).
Manganese
1774
Manganese, m. T. de’ Nat. der Braunstein, das Mangan.
Ossigeno
1774
Ossigeno, Ossigene,
Molibdeno
1782
Molibdeno, m. T. de’ Nat. das Molybdänmetall.
Tellurio
1783
—
Tungsteno
1783
Tungsteno, m. T. de’ Nat. der Tungstein, Eisenschwerstein, Schwerstein.
Uranio
1789
—
Zirconio
1789
—
Titanio
1791
—¹⁶⁹
Ittrio
1794
—
Berillio
1797
—
Cromo
1798
Cromo, m. T. de’ Nat. das Chrom (Halbmetall).
Niobio
1801
—
Vanadio
1801
—
Tantalio
1802
—
Cerio
1803
Cerio, m. T. de’ Chim. Cererium, Demetrium (ein neuerdings entdecktes Metall).
Palladio
1803
Palladio, m. T. de’ Nat. das Palladium (ein neuerlich entdecktes Metall).
Rodio
1803
Rodio, m. T. de’ Nat. das Rhodium (neu entdecktes Metall).
Iridio
1804
Iridio, m. T. de’ Nat. das Iridium neu entdecktes Metall).¹⁷⁰
Osmio
1804
Osmio, m. T. de’ Nat. das Osmium (ein neuerdings entdecktes Metall).
Potassio
1807
—
Sodio
1807
—
Bario
1808
—
Boro
1808
—
Calcio
1808
—
} m. der Sauerstoff.
169 Verzeichnet ist: «Titano, m. T. de’ Nat. das Titanmetall». 170 Im Anhang des 2. Bandes; öffnende Klammer fehlt.
356 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
Tab. 17: (fortgesetzt) Element
Jahr der Entdeckung
Verzeichnung im Vollst. Wb.
Magnesio
1808
—¹⁷¹
Stronzio
1808
—
Iodio
1811
Iodina, f. Iodio, m. Iodo, m.
Cadmio
1817
—
Litio
1817
—
Selenio
1818
—
Silicio
1824
—
Alluminio
1825
—
Bromo
1826
—¹⁷³
Torio
1828
—
} } T. de’ Chim. die Jodine, das Jod.¹⁷² } } }
15 von 39 neu entdeckten Elementen sind nachgewiesen. Bemerkenswert ist die frequente Hinzufügung enzyklopädischer Informationen sowie für die nach 1800 entdeckten Elemente die Ergänzung «ein neuerdings/neu/neulich entdecktes Metall».
7.4.3.2 Regionalismen und Dialektismen¹⁷⁴ Ein weiterer Wortschatzbereich, dessen Aufnahme in den Lexikographiediskussionen des 19. Jahrhunderts heftig umstritten war, betrifft Lexeme mit eingegrenzter geographischer Reichweite. Im Vorwort zum Anhang des zweiten Bandes schließt Valentini den Einschluss solcher Einheiten als widersprüchlich zu seinem lexikographischen Programm aus:
171 Lemmatisiert ist nur «Magnesio, agg. magnetisch». 172 Verzeichnung im Anhang des 2. Bandes. 173 Verzeichnung nur als «T. de’ Bot., die Trespe (eine Grasart)». 174 Zu Dialektismen und Regionalismen des Italienischen in heutigen zweisprachigen Wörterbüchern cf. Ferrara (2013). Er prüft die lexikographische Behandlung einer Sammlung von rund 290 aus elektronischen Wörterbüchern gewonnenen dialettismi – der Terminus wird synonym zu regionalismo, dialettalismo, idiotismo und localismo verwendet (cf. Ferrara 2013, 9, n. 1) – in rund 65 ein- und zweisprachigen Wörterbüchern des Italienischen.
Die Makrostruktur |
357
«Getreu unserm angenommenen Grundsatz, nur die Wörter der classischen Sprache zu sammeln, mußten viele solche Ausdrücke aus unserm Werke ausgeschlossen bleiben, welche irgend einem Dialekt angehören, obgleich wir überzeugt sind, daß sie in anerkannten Schriftstellern vorkommen mögen». (Vollst. Wb., vol. 3, 1238)
Ihr Anteil im Vollständigen Wörterbuch ist dementsprechend gering und nicht quantitativ auswertbar. In der Raccolta wird jedoch zugleich ausgedrückt, dass manche Einheiten regionalen Ursprungs inzwischen zum allgemeinen italienischen Sprachgebrauch gehören und daher aus einem Wörterbuch des italiano comune nicht ausgeschlossen werden sollten (cf. Kapitel 6.2.2.1). In der Wörtersammlung wird ebenfalls deutlich, dass Valentini in seinem Bestreben, auch den aktuellen Sprachgebrauch und die gesprochene Sprache abzubilden, als Römer auf seine eigenen regionalen Spracherfahrungen zurückgreift. Zudem ist zu berücksichtigen, dass zu den explizit genannten Quellen für das Vollständige Wörterbuch auch Dialektwörterbücher und hier mit Boerio und Cherubini solche norditalienischer Dialekte gehören (cf. Kap. 7.2.3.1). Das Verzeichnis der Abkürzungen (Vollst. Wb., vol. 1, LXXXIV) sieht keine speziellen Marker für regionalen und dialektalen Wortschatz vor. Vereinzelt werden solche Etiketten im Lemmarium jedoch trotzdem verwendet, z. B. voce lomb. im Artikel zu parussola¹⁷⁵. Das Korpus enthält keine entsprechend markierten Einheiten. Um systematisch nach der quantitativ und qualitativ begrenzten Gruppe der Regionalismen und Dialektismen des frühen 19. Jahrhunderts, die ins allgemeine Italienische übergegangen sind, zu suchen, wurde ein Abgleich mit der entsprechenden Sammlung in Serianni (1989c, 83) vorgenommen: «proviene quasi esclusivamente dalle regioni settentrionali ed è legata a realtà locali che in alcuni casi (per esempio per i termini gastronomici) sono ancora oggi chiaramente avvertite nella comune coscienza linguistica» (Serianni 1989c, 83). Neben dieser Zusammenstellung sind auch puristische Repertorien des frühen 19. Jahrhunderts interessante Quellen: «Quasi ogni repertorio contiene un certo numero di regionalismi, perlopiù legati alla provenienza del rispettivo autore» (Serianni 1989c, 74; cf. auch Avolio 1994, 576). Für Lexeme römischen Ursprungs ist insbesondere das Vocabolario domestico della lingua italiana des römischen Puristen Tommaso Azzocchi von 1828 (2. Aufl. 1846) zu beachten (cf. auch Zolli 1974c, 158–161; weiterführend zu Azzocchi cf. Serianni 1981), außerdem der Wortschatz von Giuseppe Gioachino Belli, auf den sich die Zusammenstellung von Romanismen bei Zolli
175 Den Lombardismus verzeichnet bereits Filippi, dort ist er mit dem Zusatz ‘lombardisch’ in runden Klammern versehen. Das Lemma fehlt in der Minerva.
358 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
(cf. 1986, 107–132) stützt.¹⁷⁶ Weitere Hinweise bieten schließlich entsprechende Vorschläge von Romanismen in der Raccolta. Von den in Serianni (1989c, 83) zitierten kulinarischen, administrativen und allgemeinen Dialektismen finden sich in Valentini lediglich stracchino und birichino: Stracchíno, m. Voce lomb. Stracchinokäse.
Das Lemma ist mit einer Markierung versehen und mit einem Kompositum übersetzt, das das italienische Lexem als Determinans enthält. Bereits Filippi verzeichnet stracchino und kennzeichnet das Lemma mit einem Kreuz als neu aufgenommenes Wort. † Stracchìno, Mayländischer Käse.
Auch die Minerva enthält das Lemma, gekennzeichnet als Zusatz zur Crusca aus dem Vocabolario Agronomico Italiano von G. B. Gagliardo (Neapel 1813). Birichino findet sich im Anhang des Vollständigen Wörterbuchs: Birichino, m. Voce del dial. Bolognese, gewöhnlich Birichin di Bologna, ein abgefeimter Kerl, Straßenjunge.
Es ist wiederum als Dialektismus gekennzeichnet und fehlt in Filippi und der Minerva.¹⁷⁷ Als Beispiele für centralismi enthält das Vollständige Wörterbuch, ohne Markierung, cica (Teil der Negation) und gallinaccio ‘tacchino’¹⁷⁸. Beispiele für Lexeme aus dem Gebrauch Roms sind: Caldarrôste, f. plur. geröstete Maronen. Caldarrostáro, m. ein Kastanienbrater, Maronenröster. Dindárolo, m. Voce puerile, eine Sparbüchse.¹⁷⁹
176 Ein historisches Wörterbuch des romanesco fehlt. Zu Wortschatzsammlungen des 17. und 18. Jahrhunderts cf. Trifone (1992, 71–73). 177 Zum Gebrauch von birichino in Bologna und seiner Verbreitung außerhalb, im Ausdruck birichino di Bologna, cf. auch Zolli (1974d, 199); Coronedi Berti (1869, vol. 1, 181) und Folena (1956, 66, n. 1). 178 Bsp. aus dem Repertoire Ugolinis, cf. Serianni (1989b, 74). Beide sind auch bereits in Valentinis Referenzwerken verzeichnet. 179 Die Beispiele caldarroste und dindarolo entnehme ich Azzocchi, über Serianni (1989b, 74–75). Caldarroste und caldarrostáro finden sich bereits in Filippi und, über D’Alberti aus Magalotti, auch im Wörterbuch von Bologna. Auf dindarolo weist Valentini selbst in der Raccolta hin,
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359
Magnare, v. a. e n. Voce popolare, übl. Mangiare, vedi.¹⁸⁰ Pifferari, m. pl. Dudelsackpfeifer.¹⁸¹ Rióne, m. ein Viertel (der Stadt), Stadtviertel.¹⁸²
Folgende Romanismen schlägt Valentini selbst in der Raccolta zur Aufnahme in ein allgemeinsprachiges Wörterbuch des Italienischen vor: Aggranfiare, v. a. mit den Krallen packen, anpacken. Cappiôla, f. eine Schlinge, Falle. Ceroferário, m. T. eccles. ein Lichtträger (bei Processionen).¹⁸³ Furástico, agg. wild. Garôfolo, m. [Viola garofanata], die Nelke, Gartennelke.¹⁸⁴
Alle fehlen in den Referenzwerken. Bis auf furastico fügt Valentini sie erst im Anhang ins eigene Wörterbuch ein, möglicherweise nach seiner Reise nach Italien 1829, die vermutlich nach der Abgabe der Druckvorlage für den ersten Band stattgefunden hat.¹⁸⁵ Insgesamt ist die Zahl der Romanismen gering. Von den bei Zolli zitierten, bereits bei Belli belegten Einheiten, sind fast keine im Vollständigen Wörterbuch übernommen. Obwohl Belli und Valentini Zeitgenossen waren – ihre Lebensdaten sind tatsächlich fast parallel –, nimmt der römische Lexikograph an keiner Stelle Bezug auf den römischen Dichter.
cf. auch Kapitel 6.2.2.1. Caldarosta und dindarolo gehören zu den ganz wenigen Einheiten des «lessico individuabile come esclusivamente romanesco o romanesco-laziale» (Trifone 2008, 89, synthetisiert nach Serianni 1981, 86–90) des Ottocento. Zum Verhältnis des Wortschatzes römischer gegenüber dem toskanischer Herkunft cf. Fußnote 46, Kap. 5. 180 Bsp. aus Migliorini (11 2004, 512–513). Der Eintrag findet sich bereits bei Filippi, der das Lemma als lombardisch kennzeichnet. 181 Cf. Zolli (1986, 124). Der Eintrag fehlt sowohl in Filippi als auch in der Minerva. 182 Nach Zolli (1986, 122) ist rione erst im Novecento außerhalb Roms verbreitet. Es findet sich jedoch bereits in Valentinis Referenzwerken Filippi und der Minerva belegt. Beide weisen, im Gegensatz zu Valentini, auf den Gebrauch im Bezug auf Rom hin: «Riòne, s. m. ein Viertel von der Stadt (man sagt es meist nur von Rom)» (Filippi, s. v.); «Rione. Quasi Regione. Una delle parti, nelle quali è divisa Roma» (Minerva, s. v.). 183 Auch im deutsch-italienischen Teil s. v. Lichtträger: «It. T. eccles. ceroferario». 184 Auch im deutsch-italienischen Teil, cf. Fußnote 25, Kap. 6. 185 Cf. den Verlagsvertrag, der die Abgabe für April 1829 vorsieht, und den Brief an Cherubini von August 1829.
360 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
7.4.3.3 Fremdwörter Besonders diskutiert wird in der sowohl in Italien als auch in Deutschland stark vom Purismus geprägten Zeit der Wörterbucherstellung der Status von Fremdwörtern. Im Folgenden wird gezeigt, wie Valentini bezüglich der Aufnahme von Französismen, Anglizismen, Gräzismen und Latinismen sowie Fremdwörtern weiterer Sprachen verfährt. Nach dem Verfahren im italienisch-deutschen Teil wird synthetisch auch das im deutsch-italienischen analysiert.
a. Französismen Mit weitem Abstand am stärksten und am meisten als Bedrohung empfunden ist nach einem bereits im 18. Jahrhundert engen Sprach- und Kulturkontakt und nun vermehrt durch die Erfahrung der französischen Besatzung und das napoleonische Zeitalter im frühen Ottocento der Einfluss des Französischen auf den italienischen Wortschatz (cf. Serianni 1989c, 15–28; Migliorini 11 2004, 557–558; 571–572). «[L]a potentissima influenza politica e culturale del francese sull’italiano ha ancora aumentato la schiera dei francesismi, già così numerosi nel Settecento. Se, nella lingua letteraria più elevata, alcuni francesismi recedettero in seguito alla reazione puristica, nella lingua più andante, parlata e scritta, essi abbandonano». (Migliorini 11 2004, 592)
Besonders viele Französismen finden in den Bereichen Militär, Politik und Verwaltung Eingang. Eine wichtige Neuerung ist das metrische System mit den Einheiten Kilo, Meter und Gramm, weiterhin stark bleiben die Einflüsse aus den Feldern Haus, Küche und Mode. Die italienische Lexikographie puristischer Prägung ist durch ihre ablehnende Haltung dieser Einflüsse gekennzeichnet (cf. Kapitel 3.1; cf. auch Serianni 1989c, 73–74). Valentini in seinem Anspruch, die Sprache möglichst breit und ihrem tatsächlichem Gebrauch gemäß abzubilden, und sicherlich auch geprägt durch die eigene kosmopolitische Biographie, zeigt eine offene Haltung bezüglich der Integration von Fremdwörtern (cf. Kapitel 6.2.2.6). Sein Markierungssystem sieht mit Etiketten wie Voce franc., Voce ingl., Voce tedesc. etc. (cf. Vollst. Wb., vol. 1, LXXIV) eine entsprechende Kennzeichnung vor. Für Französismen im italienisch-deutschen Teil soll im Folgenden gezeigt werden, welche semantischen Bereiche das Vollständige Wörterbuch berücksichtigt, welchem Typ (adaptierte oder nicht adaptierte Fremdwörter; Lehnbildungen) die Französismen angehören, ob sie entsprechend als solche gekennzeichnet sind und ob Valentini sie bereits in seinen Referenzwerken findet. Dabei beschränke ich mich auf wenige Beispiele der wichtigsten semantischen Bereiche – größten-
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teils außerhalb des Analysekorpus, das keine als solche markierten Französismen enthält –, die ich den Sammlungen von Französismen des frühen 19. Jahrhunderts in Serianni (1989c, 22–25) und Migliorini (11 2004, 592–596) sowie für das 18. Jahrhundert in Migliorini (11 2004, 518–523) entnehme.¹⁸⁶ Ein weiteres Hilfsmittel zur gezielten Suche von Französismen im Vollständigen Wörterbuch stellt die Raccolta dar. Nicht oder nur schwach adaptierte Französismen, zumindest die in Serianni (1989c, 22–23) aufgeführten, fehlen bei Valentini.¹⁸⁷ Dies ist verständlich, da sie in den Textsorten, die der deutsche Nutzer mithilfe des Wörterbuchs dekodiert, wohl nicht enthalten sind bzw. da es sich um Wörter handelt, die auch ins Deutsche eingegangen und daher ohnehin verständlich sind. Als marginal adaptierte und zu der Zeit noch nicht gefestigte Form, welche die italienische Aussprache des französischen Worts wiedergibt, findet sich z. B. deserre,¹⁸⁸ das Valentini im Anhang des zweiten Bandes ergänzt: Desêrre, m. Voce franc. das Desert, der Nachtisch.¹⁸⁹
Aus dem Feld Transportmittel ist, ebenfalls im Anhang und als voce franc. markiert, cuppè lemmatisiert. Cuppè, m. Voce franc. eine Halbchaise.
Übersetzt wird es im deutschen mit einem partiellen Französismus. Das Lemma fehlt in Filippi und Bologna.¹⁹⁰
186 Für eine umfassendere Dokumentation der Französismen im Italienischen im betreffenden Zeitraum verweise ich auf Dardi (1992) sowie mit Serianni (1989c, 22) auf Hope (1971, vol. 2, 461–573) und Zolli (1976, 26–37). 187 Quellen für Serianni sind puristische Repertorien, dem umgangssprachlichen Register zugehörige bzw. an der gesprochenen Sprache orientierte Textsorten und «testi appartenenti a quegli àmbiti settoriali più aperti per ragioni storico-culturali all’accoglimento dei gallicismi» (Serianni 1989c, 22). An gleicher Stelle weist er auch auf die Bedeutung zweisprachiger Wörterbücher für die Datierung des Eingangs von Französismen ins Italienischen hin. 188 Serianni zitiert Azzocchi (1846), der die ebenfalls nicht adaptierte Variante desèr verzeichnet und Valeriani (1855), bei dem man dessert findet (cf. 1989c, 22). Für weitere belegte Varianten cf. Zolli (1971, 93–96). 189 Cf. auch den Eintrag in der Raccolta, s. v. deserre. Das Lemma fehlt sowohl in Filippi als auch in den italienischen Referenzwerken Valentinis. 190 Das Lexem ist in der Form copé ab 1700 im Italienischen belegt, cf. DELI s. v. coupé. Für weitere Varianten des 18. und 19. Jahrhunderts cf. Dardi (1992, 157–158). Die bei Valentini lemmatisierte Variante ist dort nicht aufgeführt.
362 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
Vergeblich sucht man in Valentini noch die Einheiten des neuen metrischen Systems. Weder litro noch grammo sind lemmatisiert, metro lediglich in seiner ursprünglichen Bedeutung. Aus dem Bereich der Mode ist keiner der nach Migliorini (11 2004) und Serianni (1989c) im 19. Jahrhundert ins Italienische eingegangenen Französismen verzeichnet. Französismen des 18. Jahrhunderts sind hier andrienne, bottoniera und flanella: Andriênne, f. (ein langes fliegendes Hauskleid für Frauen) eine Andrienne. Bottoniêra, f. die Reihe Knöpfe (am Kleide): Pare che s’affaccino in punta di piedi per di sopra alla bottoniera della sottovesta. Flanella, f. Flanell.
Keines der Lexeme wird als Französismus markiert. Andrienne, das auf Deutsch mit dem gleichen Fremdwort wiedergegeben wird, findet sich bereits bei Filippi belegt, ebenso bottoniera (mit dem Verweis auf bottonatùra) und flanella (mit dem Zusatz ‘Art geblümter Zeug’). Letztere sind auch in D’Alberti und, als Übernahme aus diesem markiert, in Bologna verzeichnet (bottoniera mit einem Zitat von Magalotti, flanella gekennzeichnet als T. de’Mercadanti).¹⁹¹ Nicht in Valentinis Referenzwerken lemmatisiert ist coccàrda. Im Vollständigen Wörterbuch findet sich, ohne Markierungsetikett, der Artikel Coccárda, f. [Nappa], die Kokarde, die Hutschleife.
Valentini geht darauf auch in der Raccolta ein. Hier wird zusätzlich die Variante cocarda lemmatisiert und das Lexem als Französismus, der jedoch einen festen Platz im italienischen Wortschatz eingenommen habe, beschrieben: «Di veder questa voce tuttavia negletta ne’ Dizionarii, ci maravigliò per dire la verità, non poco. Chi dice più oggigiorno Nappa? E quand’anche ce ne fossero molti, nientemeno la Voce francese è tanto in uso in Italia (in Tedesco chiamasi anche die Cocarde), che non possiamo più darle l’espulsione».¹⁹² (Raccolta, s. v. Cocarda. Coccarda)
191 Magalotti stellt den Erstbeleg von bottoniera dar, cf. GDLI, DELI, s. v. Die Verbreitung des Lexems im Ottocento wird auch durch den mehrfachen Beleg in der zeitgenössischen Mailänder «Frauenzeitschrift» Corriere delle Dame bezeugt, cf. die Untersuchung von Sergio (2010, 294). Auch flanella ist in dessen Korpus von 208 Artikeln zur Mode aus dem Corriere verzeichnet, andrienne fehlt dort. 192 In Sergios Glossar auf Basis des Corriere delle Dame fehlt ein entsprechender Eintrag.
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Aus dem Bereich Hauseinrichtung und Küche verzeichnet Valentini casserola und burò. Casserôla, f. die Kasserolle (ein Kochgeschirr). Burò, m. Voce franc. [Scrivania], ein Schreibtisch, Bureau. Noi } Burrò. abbiamo addottato questa voce solo nel senso di: Espèce de table a plusieurs tiroirs, tablettes etc. où l’on enferme des papiers etc.
Casserôla steht bereits in Filippi und, übernommen von D’Alberti, dessen Verzeichnung im Nouveau dictionnaire françois-italien den italienischen Erstbeleg darstellt (cf. DELI, s. v. casseruola), auch in Bologna. Der Artikel zu burò, das in den Vorgängerwerken fehlt, steht im Vollständigen Wörterbuch im Anhang. Der Französismus wird als solcher markiert und adaptiert in zwei Varianten angegeben. Valentini geht auf die Bedeutungsverengung im Italienischen gegenüber der Ausgangssprache ein. Die Definition in französischer Sprache – die einen Einzelfall im Vollständigen Wörterbuch darstellt – entnimmt Valentini dem Dictionnaire français-italien von D’Alberti, s. v. bureau.¹⁹³ Relativ selten scheinen die Französismen aus den für das frühe 19. Jahrhundert wichtigen Kernbereichen des Sprach- und Kulturkontakts, nämlich Militär, Politik und Verwaltung. Aus den Listen bei Migliorini und Serianni finden sich lediglich ambulanza und das bereits im 18. Jahrhundert im Italienischen verbreitete baionetta. Ambulanza (tsa), f. Term. milit. das Feldlazareth. Bajonetta, f. das Bajonnett.
Ambulanza wird nach seinem semantischen Feld bzw. Gebrauchssektor, nicht nach der Ausgangssprache gekennzeichnet. Es fehlt noch in Filippi, ist jedoch bereits in Bologna verzeichnet und dort als von den Verfassern des Wörterbuchs selbst zugefügt markiert. Bajonetta, ohne jegliche Markierung, steht bereits in Filippi und auch in Bologna. Als politischer Terminus, den Valentini allerdings als historischen Terminus kennzeichnet, ist im Anhang giacobini aufgenommen, außerdem giacobinismo:
193 Cf. auch den Artikel Burò. Burrò in der Raccolta, wo Valentini den Gebrauch des Französismus bei Goldoni und Casti nachweist und auf die Anmerkungen dazu bei Montucci und den Artikel zu burò in Boerio eingeht. Die Verwendung bei Goldoni stellt den italienischen Erstbeleg für bureau dar, cf. DELI s. v. bureau. Die Raccolta erweist sich somit, über die Fälle hinaus, wo sie selbst einen Erstbeleg darstellt, als ein Hilfsmittel zur Auffindung von Erstbelegen.
364 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
Giacobini, m. pl. T. stor. die Jakobiner. Giacobinísmo, m. der Jakobinismus.
Beide fehlen sowohl in Filippi als auch in den Wörterbüchern von Padua und Bologna. Bereits seit längerer Zeit im Italienischen belegt, jedoch mit einer weiten Ausbreitung im 18. Jahrhundert, sind als Ausdruck des sozialen Lebens folgende Anredeformen: Madáma, f. die Dame (Titel der Frauen vom höchsten Range): Madama la Reina, l’Imperatrice, la Principessa. Madamigella, f. eine Demoiselle, ein Fräulein. Madamosella, f. Voce franc. vedi Madamigella.
Eine Kennzeichnung als Französismus wird nur der weniger adaptierten Form madamosella beigegeben. Alle Lexeme sind auch in Bologna/Minerva verzeichnet, wobei madama unmarkiert, die anderen beiden als Zusätze gegenüber der IV Crusca ausgezeichnet sind. Madamosella ist als Franzesismo gekennzeichnet. Alle drei finden sich auch in Filippi, der zu madamosêlla «nach dem Französ.» anmerkt.¹⁹⁴ Als Fazit aus der Betrachtung dieser Beispiele sowie aus den Ausführungen in der Raccolta lässt sich ziehen, dass Valentini eine grundsätzlich offene Haltung gegenüber der Aufnahme von Französismen in sein Wörterbuch zeigt. Zu einigen der aufgenommenen Einheiten bietet die Wörtersammlung Raccolta wiederum weiterreichende Reflexionen und Belege. Die neuesten Französismen des frühen 19. Jahrhunderts selbst fehlen, was sich damit erklären lässt, dass Valentini bereits ab den 1810er Jahren nicht mehr in Italien lebt und dass ihr Eingang, der vornehmlich in der Umgangssprache bzw. daran angelehnten Textsorten erfolgt, nicht Teil seiner sprachlichen Erfahrung sind. Auch unadaptierte Formen fehlen aus diesem Grund sowie daher, dass sie noch nicht unbedingt als fest in einem Wörterbuch zu kodifizierender Teil des Wortschatzes angesehen werden. Die Termini aus Politik und Verwaltung sind überwiegend in Gesetzestexten, Dekreten und administrativen Rundschreiben der Italienischen Republik bzw. später des italienischen Königreichs belegt, die nicht zu Valentinis Quellentexten ge-
194 Zur Geschichte von madama im Italienischen und zu seiner Bewertung durch die Puristen des 19. Jahrhunderts verweise ich, mit Zolli (cf. 1974d, 203), auf Zolli (1971, 190–191) und Viani (1858–1860, s. v. dama).
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hören.¹⁹⁵ Eine Markierung als Voce franc. erfolgt nur für Lexeme, die ihrer Form nach als Französismen auffallen bzw. die Valentini selbst als solche wahrnimmt. Sie fehlt bei denen, die über den Kanal D’Alberti > Bologna in sein Wörterbuch eingehen. Dieser Kanal dokumentiert auf interessante Weise, wie Französismen zunächst als Übersetzungsäquivalente in D’Albertis zweisprachigem Wörterbuch, dann als Lemmata in seinem Dizionario enciclopedico, über dieses im Wörterbuch von Bologna und über dieses wiederum auch in den zweisprachigen Wörterbüchern mit anderen Sprachen wie dem Deutschen Eingang in die Lexikographie des Italienischen finden.
b. Andere Fremdwörter Keine Sprache übt im betrachteten Zeitraum einen so einem starken Einfluss auf das Italienische aus wie das Französische. Zunehmend ist seit dem 18. Jahrhundert die Rolle des Englischen, besonders in den Feldern der Politik – hier allerdings zumeist auf die Verhältnisse in England bezogen –, der Fortbewegung und speziell der Eisenbahn sowie der Mode und Lebensart. Viele Anglizismen gehen über das Französische ins Italienische ein, zu beachten ist zudem eine große Zahl von Anglolatinismen (cf. Migliorini 11 2004, 597–598; Zolli 1976, 44–58). Politische Termini – abgeglichen wurden die in Migliorini und Zolli aufgeführten Begriffe – fehlen im Vollständigen Wörterbuch noch, ebenso die Terminologie zur Eisenbahn. Letztere findet sich, wie in Kapitel 5.4.1.3 gezeigt, bereits wenige Jahre später in den Dialoghi. Als Beispiele aus anderen Bereichen, die in jedem Fall Valentinis offene Haltung auch dem Englischen gegenüber belegen, seien die verschiedenen lemmatisierten Varianten von budino, deren Aufnahme bereits in der Raccolta vorgeschlagen wird (s. v. Puddingo, Pudino, o Podino, cf. Kapitel 6.2.2.1), genannt: Puddíngo, m. ein Pudding. Pudíno, m. [Bodino], ein Pudding. Bodíno, m. [Pudino, Puddingo], ein Pudding.
195 Diese Texte dürften zu den Quellen Bernardonis gehört haben, cf. Zolli (1974b). Das Fehlen der entsprechenden Terminologie im Vollständigen Wörterbuch interpretiere ich auch als Beweis dafür, dass Valentini die Liste Bernardonis, in der viele Französismen aus dem administrativen Bereich enthalten sind, nicht als Quelle für seine Arbeit heranzieht.
366 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
Keine der Varianten ist als Anglizismus gekennzeichnet. Sie fehlen sowohl in Filippi als auch in den einsprachigen italienischen Wörterbüchern. Ein weiteres Beispiel (cf. Migliorini 11 2004, 597) ist sciallo: Sciallo, m. Neol. de’ Merc. ein Shawl.
Es wird nicht als Anglizismus, sondern als Neologismus des Handels ausgezeichnet und fehlt ebenfalls in den Grundlagenwerken.¹⁹⁶ Auch für Lehnwörter anderer Sprachen ist das Vollständige Wörterbuch offen. Ein Beispiel aus dem Analysekorpus ist der Hebraismus Magraphe Temid: Magraphe Temid, f. Voce ebrea, T. di Mus. ant. eine Art Metallbecken (der alten Juden, das die Stelle einer Glocke vertrat, um das Volk in den Tempel zu rufen).¹⁹⁷
Das Lemma erhält eine doppelte Markierung, die sowohl seine Herkunft als auch den Sektor angibt. Die enzyklopädische Information anstelle eines Übersetzungsäquivalents zeigt, dass eine Übersetzung im Deutschen fehlt und das Lexem auch im Italienischen nicht wirklich integriert ist. Das Lemma fehlt in Filippi, ist jedoch in Bologna als Zufügung aus Gianellis Gran Dizionario di Musica enthalten. Über Forschungsreisen, allgemein Reisebeschreibungen, Literaturübersetzungen und den Handel mit ferneren Ländern gehen ab dem 18. und im frühen 19. Jahrhundert verstärkt weitere Begriffe nicht-europäischer Sprachen ins Italienische ein, die teilweise Realia, teilweise «immagini culturali» (Mancini 1994, 869) transportieren und von den zeitgenössischen allgemeinsprachlichen Wörterbüchern nur teilweise berücksichtigt werden. Valentini fordert in der Raccolta die Aufnahme von casta – einem Lusitanismus, von Valentini, in nicht ganz korrekter Weise, ausschließlich auf Indien bezogen¹⁹⁸ – und ospodaro (cf. Kapitel 6.2.2.1), die beide im Vollständigen Wörterbuch integriert sind (ersterer im Anhang): Casta, f. eine Kaste: Non tai saranno i successor, che regio Sangue vantar potranno, e regia casta ec. Casti An. p. Vii. 29. Ospodáro, m. ein Hospodar (ein Fürst der Moldau und Walachei).
196 Sciallo ist im Italienischen ab 1621 belegt, cf. Zingarelli s. v. Sergio weist in seinem Korpus aus dem Corriere delle Dame die Verbindungen sciallo algerino, sciallo bournous, sciallo clelia und sciallo dell’India nach, cf. Sergio (2010, 534). 197 Auf Hebraismen aus dem Bereich der Liturgie weit auch Mancini hin, cf. (1994, 868). 198 Cf. den Artikel in der Raccolta: «Casta. Così vien chiamata una Tribù Indiana. È un nome storico da non trascurarsi in un Dizionario. Eccone due esempj del Ca s t i : […]»
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Weitere Beispiele aus dem Vollständigen Wörterbuch, nur teilweise als Fremdwörter markiert, sind: Benzoíno, m. die Benzoe (ein wohlriechendes ostind. Harz).¹⁹⁹ Capoc, m. Voce ind. die Capockbaumwolle. Bostangi-Bascì, m. der Oberhofgärtner; Obergartenmeister des Großsultans.²⁰⁰ Cangiáro, m. Voce turc. türkischer Dolch.²⁰¹ Chiôsco, m. ein Kiosk (türkisches Gartenhaus).²⁰² Elêscof, m. Voce araba, eine Art Latwerge.²⁰³ Vampíro, m. T. de’ Nat. der Vampyr, Blutsauger. It. ein Vampyr (fabelhaftes Gespenst).²⁰⁴
Die Fokussierung auf die Tierart im Artikel zu vampiro zeigt einmal mehr Valentinis besonderes Interesse im Bereich der Naturwissenschaften. Zur Zoologie gehören auch die «realia che piú frequentemente sono legati all’introduzione di esotismi» (Mancini 1994, 869). Beispiele hierfür im Gran Dizionario sind die aus
199 Der Arabismus ist seit dem 16. Jahrhundert im Italienischen belegt, in der Variante benzoíno erstmals 1797 bei D’Alberti. Er fehlt in Bologna, findet sich aber bereits bei Filippi. 200 Verzeichnet in Filippi, nicht jedoch in Bologna. 201 Das Lemma, als türkische Entlehnung markiert, fehlt sowohl bei Filippi als auch in Bologna. Es handelt sich entgegen Valentinis Einschätzung um einen Arabismus und wohl um einen derjenigen, die zunächst nur regional in Italien eingehen und evtl. bedingt durch Valentinis Herkunft in seinem Wörterbuch Aufnahme finden: «voce d’area meridionale canciarro, cangiarro ‹specie di spada e pugnale›» (Zolli 1976, 100). Das Vollständige Wörterbuch könnte ein Erstbeleg sein. Im GDLI ist cangiaro erstmals als Aufnahme bei Graf (1848–1913) verzeichnet. 202 Abweichend von Valentini, der auf eine Markierung verzichtet, weist Filippi das Lemma als türkisch aus, und übersetzt mit einer deutschen Paraphrase: «Chiôsco, s. m. (ein türkisches Wort) ein Gartenzelt auf der Terrasse». 203 Das Lemma ist bereits in Filippi enthalten, der es allerdings nicht markiert (Eslèscof, s. m. eine Art Lattwerge), und als Übernahme von D’Alberti und als Voce araba gekennzeichnet auch in Bologna. 204 Ein Artikel zum aus dem Serbokroatischen stammenden und um Mitte des 18. Jahrhunderts über das Deutsche und Französische ins Italienische eingegangene vampiro fehlt in der Minerva, findet sich jedoch in Filippi. Während Valentini auf die Bezeichnung der Tierart (ab 1772 im Italienischen, cf. DELI s. v.) fokussiert, ist bei Filippi lediglich die mythologische Bedeutung verzeichnet, wobei dem Äquivalent eine erläuternde Glosse zugefügt ist: «Vampìro, s. m. Vampyr; ein Todter, der, wie man im Norden glaubt, vom Herzen der Leute das Blut aussaugt».
368 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
Peru stammende und über das Spanische eingeführte Bezeichnung lama sowie das malaysische orangutango. Lama, f. T. de’Nat. das Lama, die Kameelziege. Orangutángo, Orangutáno.
} m. der Orangutang, Waldmensch.
Beide fehlen in den Referenzwerken. Auf orangutángo, orangutano, im Wörterbuch ohne Markierung, wird auch in der Raccolta eingegangen (cf. s. v.). Valentini verzeichnet zwei monoverbierte Varianten, die er vermutlich von Casti übernimmt.²⁰⁵
c. Latinismen und Gräzismen Ein weiterer Wortschatzbereich, der von den Puristen abgelehnt wird – zumindest was die Allgemeinsprache betrifft, während für Sektorialsprachen Ausnahmen zulässig sind – umfasst die Latinismen und Gräzismen (cf. Serianni 1989c, 74). Für Valentini, der in der Raccolta auf die mögliche Ablehnung entsprechender Einheiten in ein Wörterbuch eingeht (cf. z. B. s. v. brontofobo), sind diese für die umfassende Abbildung der gesamten Sprache wichtig. Sie werden in großer Zahl aufgenommen, für sie wird systematisch eine eigene Markierung (Voce lat. bzw. Voce grec.) angesetzt. Das Analysekorpus enthält 42 gekennzeichnete Latinismen und 8 Gräzismen, wobei zu beachten ist, dass Fachtermini – insbesondere solche der Medizin, der Botanik etc. – zumeist nicht ihrem Ursprung nach, sondern als Terminus technicus markiert werden (cf. z. B. antidínico, T. de’ Med.; antídio, T. de’ Nat.). Auf diese Einheiten wurde bereits in Kapitel 7.4.3.1 eingegangen. Als Voce lat. gekennzeichnet sind, entnommen der Lemmastrecke delicatello – demergere, S. 301, mit dem Präfix de- besonders viele Bildungen: delimare, delinquente, delínquere, delitescenza, delubro, delucidazione, delúdere, delusione, delúso, dementare, demente, demenza, demêrgere. Bis auf zwei Latinismen (estuario und nundinale) sind alle gekennzeichneten bereits in den Wörterbüchern von Bologna und Padua verzeichnet und bis auf ganz wenige Ausnahme bereits dort mit V. L. als Latinismen markiert. Als Gräzismen gekennzeichnet finden sich im Analysekorpus z. B. dêlta (nicht gekennzeichnet hingegen z. B. deltôide), ecnêfia, antroposofía.
205 Cf. die Belege in DELI, s. v. oràngo. Orang-outang ist im Italienischen erstmals bei den Fratelli Verri (1766–70) belegt, cf. DELI, s. v. orang-utan. Varianten des frühen 19. Jahrhunderts sind hourangutan und urang utan (1819, cf. ebd.).
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d. Fremdwörter im Deutsch-Italienischen Teil Zur Berücksichtigung von Fremdwörtern im deutschen Lemmarium liegen keine expliziten Stellungnahmen Valentinis vor. Die einzige, leicht negative Bemerkung bezüglich Fremdwörtern im Deutschen findet sich in der vorangestellten Grammatik. Der Autor geht hier im Kapitel zur Wortbildung auf nicht-indigene Suffixe nicht ein (cf. Vollst. Wb., vol. 2, XCVI) und merkt kritisch an: «Non faremo motto d’altre Voci con varie terminazioni straniere le quali da migliori autori, o evitate, o condannate sono; nè scopo di questo saggio si è di parlare di quei tanti Vocaboli d’altri Linguaggi da’ Tedeschi adottati» (Vollst. Wb., vol. 2, XCVI, n. 22). Im Wörterbuch selbst sind jedoch zahlreiche Fremdwörter aufgenommen. Es bestätigt sich auch an dieser Stelle, dass die Außentexte eines Wörterbuches, sein «Kleid», nicht unbedingt den tatsächlichen Inhalt nach außen tragen. Valentinis Haltung in der Fremdwortfrage scheint offen, doch um sich im zeitgenössisch stark puristischen Diskurs nicht angreifbar zu machen, ist eine zumindest vordergründig kritische Haltung wohl notwendig.²⁰⁶ In der Integration von Fremdwörtern weicht der Römer stark von seinen Referenzwerken ab (cf. auch Kapitel 7.4.2.3), dokumentiert weitaus mehr, als einsprachige Wörterbücher der Zeit sie verzeichnen, was sein Wörterbuch einmal mehr zu einer interessanten ergänzenden Quelle des Wortbestandes des frühen 19. Jahrhunderts macht. Wie für das Italienische geht der stärkste, aber auch der am stärksten diskutierte Einfluss auf das Deutsche vom Französischen aus (cf. von Polenz 1999, 266; 392). Im Analysekorpus finden sich als Voce franc. gekennzeichnet die Stichwörter Doublette (in keinem der Referenzwerke verzeichnet) und Lombard (bereits in Filippi). Außerhalb belegt die Lemmastrecke Cha- besonders gut den Eingang von Französismen: Chagrín, m. Voce franc. (gekörntes Leder), zigrino. Cháise, f. Voce franc. calesse, sedia. Chamáde, f. T. mil. chiamata. […] Champágner, Champágnerwein, m. vino di Sciampagna, Sciampagna. Champignon, m. Voce franc. [Feldschwamm], pratolino, pratajuolo, fungo campereccio. Changeánt, part. Voce franc. cangiante; it. vedi schillernd.
206 Zum deutschen Fremdwortpurismus im frühen 19. Jahrhundert cf. den Überblick bei von Polenz (1999, 266–268) sowie Kirkness (2 1998, 410–413) sowie die ausführliche Dokumentation in Kirkness (1975). Besonders präsent war der Diskurs im direkten Umfeld Valentinis, dem sprachgelehrten Berlin, wo er sich als Lexikograph und Philologe zu positionieren hatte: Er blieb «zwar ohne großes Echo in der breiten Öffentlichkeit, […] wurde aber in akademisch gebildeten Kreisen, bes. in Berlin und Braunschweig, wie kaum ein anderes sprachwissenschaftliches Thema intensiv diskutiert» (Kirkness 2 1998, 410).
370 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
Changíren, v. n. vedi schillern. Chárlatan, m. Voce franc. [Marktschreier], ciarlatano, saltimbanco; giullare. Charnier, n. Voce franc. (einer Dose, u. dergl.), cerniera. Chatúlle, f. Voce franc. scrigno, cassettino. Chaussée, f. Voce franc. [Kunststraße], strada maestra [brecciata], inghiarata; ghiajata; it. una carreggiata. Chausseeeinnehmer, m. stradiere. Chausséegeld, n. pedaggio, dazio. Chausséegraben, m. fossato laterale della strada maestra.²⁰⁷
Auch für Fremdwörter weniger einflussreicher Sprachen finden sich Beispiele. Als Fremdwort und Entlehnung aus dem Englischen etwa sind im Analysekorpus Lord und Pudding verzeichnet, außerhalb finden sich etwa Club und Clubbist, für deren italienische Übersetzung interessanterweise noch auf andere, italienische Lexeme zurückgegriffen wird.²⁰⁸ Clubb, m. Voce inglese, crocchio, conciliabolo [adunanza di gente d’un partito]. Clubbist, m. partigiano, socio, membro d’un crocchio.
Für die Integration von Fremdwörtern entfernterer Sprachen mögen die folgenden entsprechend markierten Artikel aus dem Analysekorpus genügen. Bemerkenswert ist bei den letzten beiden die dem Äquivalent zugefügte Definition in eckigen Klammern, die häufig bei exotischeren Fremdwörtern steht und ausweist, dass das entsprechende Lexem vermutlich vom italienischen Nutzer auch in seiner Muttersprache nicht verstanden wird. Drágoman, m. Voce turca [Dolmetscher], turcimanno; dragomanno. Kazíke, m. Voce Indiana, Cacico [capo d’una stirpe originaria degl’ Indiani Americani]. Pud, n. Voce russa, pud [peso di quaranta libbre].
Auch Gräzismen und Latinismen werden, abweichend von der Praxis der einsprachigen Referenzwörterbücher, in weitem Umfang berücksichtigt. Bei den meisten handelt es sich um wissenschaftliche Fachtermini – auch wenn hier für das Deutsche, wie in Kapitel 7.4.3.1 aufgezeigt, auch die deutschsprachige Terminologie in
207 Alle zitierten Französismen fehlen im Deutschen Wörterbuch Campes, sind jedoch, mit Ausnahme von Champágner, in dessen Verdeutschungswörterbuch aufgeführt, das als Valentinis Quelle anzunehmen ist. Demgegenüber hinzugefügt sind die Komposita mit Chaussée. Viele der Französismen (Chagrin, Chaise, Champignon, Charlatan, Charnier, Chatoulle, Chaussée) verzeichnet allerdings bereits Filippi. 208 Club ist im Italienischen ab 1763 belegt, cf. DELI s. v.
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großer Breite verzeichnet wird. Beispiele für als Voce lat. gekennzeichnete Latinismen aus dem Analysekorpus (insgesamt 9) sind fingíren, Firmament, fiscal. Verzeichnet sind ebenfalls Wortbildungen mit eurolateinischen Lehnpräfixen, z. B. mit super-. Neben gelehrten Fremdwörtern (Supernaturalismus) sind auch Mischbildungen, in denen super- die Graduierung anzeigt, aufgenommen, z. B., mit negativer Bedeutungskomponente, Superklug, agg. Saccente, saccentone, presontuoso, arrogante. Superkluge, m. un saputone, saccentone, presontuosello, arrogantuzzo. […] Superklugheit, f. saccenteria, presontuosità, arroganza.²⁰⁹
Als Voce greca gekennzeichnet enthält das Korpus – neben nicht entsprechend gekennzeichneten – insgesamt 5 Einheiten, darunter Amnestie, Krýptocalvinist, Kryptographie, Logik. Außerhalb des Korpus belegt die Lemmastrecke Ph–, die sich von Phaeton bis Phytologie über drei Spalten erstreckt, exemplarisch die große Akzeptanz von Gräzismen im Vollständigen Wörterbuch.
7.4.3.4 Archaismen Es gehört zu Valentinis Wörterbuchkonzeption, dass nicht nur neuer und zeitgenössisch aktiv gebrauchter Wortschatz verzeichnet wird, sondern auch Archaismen im Lemmabestand Berücksichtigung finden. Dies betrifft vor allem den italienisch-deutschen Teil und hier insbesondere solche Einheiten, die der deutsche
209 Die Präfigierung mit super- wurde ab dem 19. Jahrhundert zum bevorzugten Ausdruck der Graduierung, cf. von Polenz (1999, 396). Auch als Äquivalente im italienisch-deutschen Teil wird auf Bildungen mit super- zurückgegriffen, was auf die Aktualität im Sprachgebrauch hinweist, z. B. «Salamistro, m. [Saccente], ein Superkluger». Im Italienischen des frühen 19. Jahrhunderts erlebt dagegen in der Umgangssprache die Graduierung mit arci- eine wahre Blüte, wie auch das Vollständige Wörterbuch umfassend belegt. Valentini erläutert s. v. arci: «(aus dem Griechischen) verstärkt, vergrößert und oder erhebt den Begriff der Wörter, mit denen es am Anfange verbunden ist. Im deutschen dient dafür meistens die Vorsylbe Erz, Ur u. dgl.». Verzeichnet sind Verbindungen mit Adjektiven (arcibêllo ‘überaus schön’; arcicredibile ‘sehr leichtgläubig’; arcifallito ‘gänzlich mißlungen’; auch in Kombination mit der Superlativform, z. B. arcigrandissimo ‘außerordentlich groß’; arcigratissimo ‘ausnehmend gefällig, überaus angenehm’; arcimpossibilissimo ‘durchaus, schlechterdings, platterdings unmöglich’), mit Nomen (arcicotale ‘ein Erzlaffe’; arcidiávolo ‘ein Erzteufel’; arcipoltrone ‘Erzfaulenzer’) und sogar Verben (arciballare ‘sich recht satt, ganz müde tanzen’; arcifanfanare ‘übertrieben prahlen, großsprechen, aufschneiden’; arcimentire ‘übertrieben, unverschämt lügen’). Valentini selbst verwendet arci- häufig in seinen polemischen Texten, die eine hohe Nähe zur gesprochenen Sprache aufweisen, cf. z. B. in der Raccolta s. v. biroccio, biroccino; diatiposi; puddingo. In den Grammatiken geht er explizit auf die Möglichkeit der Graduierung durch arci- ein (cf. Lettere, 43; Ital. Lehrer, vol. 1, 70). Cf. auch die Erläuterung bei Gherardini (1838, s. v.).
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Benutzer in den Texten bedeutender Schriftsteller finden könnte. Um den Benutzer darauf hinzuweisen, dass diese Einheiten in der zeitgenössischen Sprache nicht mehr verwendet werden, sind sie durch Asterisk gekennzeichnet bzw. mit einem Verweis auf gebräuchlichere synonyme Lexeme versehen. Im italienisch-deutschen Teil (ohne Anhang) sind insgesamt 110 Lemmata durch Asterisk als Archaismen markiert, was einem Anteil von 6 % am gesamten Lemmabestand entspricht (Bsp.: *aneghittoso ‘träg, faul’; *bonariamente ‘treuherzig; in aller Einfalt’; *estremare ‘aufs Aeußerste bringen’; *magrána ‘die Migräne, der einseitige Kopfschmerz’; *pasquare ‘das Osterfest feiern’). Der Großteil (61 %, darunter vor allem Lexeme mit in der zeitgenössischen Sprache gebräuchlicheren lautlichen Varianten) ist nicht mit einem Übersetzungsäquivalent versehen, sondern lediglich mit einem Verweis (cf. auch Kapitel 7.4.1.2 zu Normierungstendenzen). Valentini scheint im Bereich der Archaismen kaum Ergänzungen durch Exzerpieren alter Schriftsteller mehr vorgenommen zu haben. Im Analysekorpus sind alle entsprechend markierten Einheiten aus den italienischen Referenzwerken bzw. aus Filippi übernommen. Interessanterweise enthält dessen zweisprachiges Wörterbuch eine ganze Zahl antiker Formen, die im Wörterbuch von Bologna fehlen, neben weiteren Lexemen wie *andronítide ‘eine Wohnung für Männer’ vor allem Varianten zu Einheiten, die auch in Bologna verzeichnet sind, z. B. *anellare neben anelare etc., was den Anspruch der zweisprachigen Lexikographie des frühen 19. Jahrhunderts auf Vollständigkeit zeigt. Bereits in Bologna und Filippi sind Archaismen recht konsequent als solche gekennzeichnet (bei Filippi wie bei Valentini durch Asterisk, im Wörterbuch von Bologna durch den Zusatz V. A. für voce antica). Valentini geht in der Vollständigkeit der Kennzeichnung jedoch noch einen Schritt darüber hinaus. Im deutsch-italienischen Teil spielen Archaismen so gut wie keine Rolle. Im gesamten Korpusausschnitt ist lediglich ein Lemma mit Asterisk markiert: *Dorten, avv. übl. Dort, vedi.
Wenige weitere sind über die Verweisform übl., vedi allein als wenig gebräuchlich ausgezeichnet, so etwa Erlesung mit Verweis auf Auswahl oder erletzen mit Verweis auf ergötzen, laben. Die unterschiedliche Berücksichtigung von Archaismen in den beiden Wörterbuchteilen geht klar auf die unterschiedlichen Valentinis Projekt zugrundeliegenden Lexikographietraditionen des Deutschen bzw. Italienischen zurück. Hinzu kommt als sprachinterner Faktor die größere Konservativität des Italienischen. Zu beachten sind auch unterschiedliche Benutzerbedürfnisse: Während ein Großteil der deutschen Nutzer daran interessiert ist, Texte der Autoren des Trecento im Original zu lesen, stehen für einen Großteil der potenziel-
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len italienischen Benutzer praktische Bedürfnisse – etwa die Auseinandersetzung mit administrativen oder wissenschaftlichen Texten – im Vordergrund. Der an der deutschen Literatur interessierte italienische Benutzer wird kaum Texte rezipieren, die aus einer Zeit vor dem 18. Jahrhundert stammen.
7.5 Mikrostruktur: Das Vollständige Wörterbuch als Wegbereiter einer modernen deutsch-italienischen Lexikographie Bei der Analyse der Mikrostruktur liegt der Fokus auf der metalexikographischen Beschreibung, eine Betrachtung der hier ergänzten Wortbedeutungen und Wortverbindungen von linguistischem Interesse erfolgt nur exemplarisch. Nach einer Übersicht über den Aufbau der einzelnen Artikel und seine konstituierenden Bestandteile werden die einzelnen Angaben im Hinblick auf ihre Form und Funktion unter die Lupe genommen: die Aussprachehinweise, die Grammatikangabe, die Arbeit mit ausgangssprachlichen Synonymen, die diasystematische Indizierung, die Bedeutungs- und Äquivalenzdifferenzierung, sowie die in der Mikrostruktur angeordneten phraseologischen Einheiten und Beispiele. Dabei wird jeweils herausgearbeitet, inwieweit Valentini innovativ oder auf seine Vorgänger gestützt vorgeht bzw. auch gegenüber diesen zurückfällt. Besonders ausführlich behandelt werden, weil sich hier das Spannungsfeld von Tradition und Innovation besonders stark zeigt, die lexikographischen Beispiele des italienisch-deutschen Teils. Bei der Analyse, die ihrem Aufbau nach den konstituierenden Artikelbauteilen folgt, ist zu beachten, dass die einzelnen Kategorien sich teilweise überschneiden und bei der Erfüllung bestimmter Funktionen zusammenspielen. So trägt etwa der Hinweis auf einen Gebrauchssektor durch einen Markierungsmarker bereits zur Bedeutungsdifferenzierung bei. Somit sind Wiederholungen in den folgenden Ausführungen, in denen die einzelnen Angaben systematisch betrachtet werden sollen, unvermeidbar. Wie bereits für die Analyse der Makrostruktur stellt sich auch für die der Mikrostruktur die Frage, ob italienisch-deutscher und deutsch-italienischer Teil in einzelnen Unterkapiteln getrennt oder in einem übergreifenden Kapitel gemeinsam zu beschreiben sind. Da die Abweichungen zwischen den Teilen in der lexikographischen Praxis für die einzelnen Artikelbauteile unterschiedlich stark sind – im Bereich der diasytematischen Indizierungen etwa treten kaum Unterschiede zwischen italienisch-deutschem und deutsch-italienischem Teil auf, während die Differenzen im Bereich der Bedeutungsdifferenzierungen erheblich sind – wurde
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bewusst kein einheitliches Vorgehen gewählt, sondern je nach Stärke der Unterschiede entschieden, ob eine Trennung der Analyse nach Wörterbuchteil erforderlich oder aber wenig sinnvoll ist.
7.5.1 Aufbau der Artikel: eine Übersicht Abhängig vom jeweiligen Lemma und der Ausführlichkeit der dazu gemachten Angaben weisen die einzelnen Artikel unterschiedliche Strukturen auf. Auch zwischen dem italienisch-deutschen und dem deutsch-italienischen Teil gibt es Abweichungen. Als Basisbauplan liegt den Artikeln folgendes Schema zu Grunde: Lemma, Grammatikangabe. Diasystematischer Marker²¹⁰ [Synonym], Äquivalent²¹¹. Cassale, agg. T. de’ Med. [Mortale], tödlich. Ambrósia, f. T. di Mitol. [Götterspeise], ambrosia.
Wie in Wörterbüchern der Zeit üblich, sind alle deutschsprachigen Elemente im Artikel in Fraktur, alle italienischsprachigen in Antiqua gesetzt. Während Lemma, Grammatikangabe und Äquivalent – letzteres manchmal ersetzt durch einen Verweis, worauf im Folgenden näher eingegangen wird – konstituierende Artikelbestandteile darstellen, werden diasystematische Marker nur bei entsprechend markiertem Wortschatz eingesetzt, mit Synonymen in der Ausgangssprache wird im italienisch-deutschen Teil in etwa jedem fünften (im deutsch-italienischen in weniger als jedem zehnten) Artikel gearbeitet, wobei ihre Setzung bzw. NichtSetzung nicht immer einem transparenten Schema folgt. Einige italienisch-deutsche Artikel verfügen zusätzlich über eine Phonetikangabe, die in runden Klammern unmittelbar auf das Lemma folgt. Sie wird nur bei Lemmata eingesetzt, die eine alveolare Affrikata enthalten, um deren stimmhafte bzw. stimmlose Realisierung anzuzeigen wie im folgenden Beispiel:²¹² Attrazzare [sic!] (tsa), v. a. T. di Marin. [Guarnire una nave], ein Schiff ausrüsten, ausrheden; takeln, betakeln.
210 Neben in die Mikrostruktur integrierten Markern wird im Wörterbuch auch ein dem Lemma vorgestellter Asterisk verwendet. Er kennzeichnet obsoleten Wortschatz, cf. näher Kapitel 7.5.4. 211 Die Äquivalentposition kann um eine zusätzliche Glosse in runden (im deutsch-italienischen Teil auch in eckigen) Klammern ergänzt sein, cf. Kapitel 7.5.7. 212 Auf weitere Phonetikangaben direkt in der Lemmaposition wird in Kapitel 7.5.2 gezielt eingegangen.
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Einige Artikel im deutsch-italienischen Teil enthalten dagegen eine Angabe, die formal wie ein Synonym in eckigen Klammern abgesetzt ist, jedoch eine völlig andere Funktion erfüllt, wie an den folgenden Beispielen deutlich wird: Aufbojen, v. a. T. di Mar. [ein Schiff], alleggerire un vascello per via di botti e reggitoj. Einschwatzen, v. a. [Einem Etwas], persuadere alcuno con paroline, con molte chiacchiere a fare q. c. […]
Angaben dieser Art stehen überwiegend in Artikeln zu Verben und explizieren deren Konstruktions- und Selektionsbeschränkungen. Über die beschriebenen Grundmuster hinaus werden Artikel entsprechend erweitert, wenn zu einem Lemma mehr als eine Bedeutung zu verzeichnen ist, wenn – insbesondere im italienisch-deutschen Teil – Mehrworteinheiten und längere Phraseme mit dem Lemma als Bestandtteil in dessen Mikrostruktur eingeordnet werden, wenn dem Benutzer Kollokationen und Beispiele an die Hand gegeben werden. Nicht immer sind die einzelnen Kategorien klar voneinander zu trennen. Charakteristisch für den italienisch-deutschen Teil des Valentinischen Wörterbuchs ist die systematische Integration von Autorenbeispielen, welche trotz aller Polemik gegen die Akademie die Verankerung des Römers in der Tradition der Crusca repräsentieren. Die Beispiele folgen direkt auf das Äquivalent und werden nicht übersetzt (cf. ausführlicher Kapitel 7.5.9.1). Verfügt ein Lemma über mehr als eine Bedeutung, folgen im Artikel nach der Angabe der zielsprachlichen Äquivalente zur Grundbedeutung die weiteren Bedeutungen mit den entsprechenden Äquivalenten. Wie in Valentinis für den Artikelaufbau wohl wichtigstem Referenzwerk, dem Wörterbuch Adelungs, ist die Gliederung der Artikel überwiegend nach Bedeutungen (cf. Dückert 1984, 231–232) eines der konstitutiven Merkmale des Gran Dizionario. Im italienischdeutschen Teil erfolgt die Absetzung der einzelnen Bedeutungen zumeist durch Paragraphen, im deutsch-italienischen wird daneben sehr systematisch mit einem Ziffernsystem gearbeitet, wie die folgenden beiden Beispiele verdeutlichen: Collôquio, m. Voce lat. eine Unterredung, ein Gespräch. §. Für Locutorio, das Sprachzimmer (in Klöstern). Brauer, m. birrajo, colui che fa la birra. 2) Per Braueigner, vedi.
Zur Differenzierung der einzelnen Bedeutungen verwendet Valentini weitere typographische Absetzungen und unterschiedliche metasprachliche und formale Strategien, auf die im Unterkapitel 7.5.6 näher eingegangen wird. Auch Mehrwor-
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teinheiten werden mit Paragraph abgesetzt angeschlossen (cf. das Beispiel s. v. deltôide),²¹³ ebenso frequente Kollokatoren und Konstruktionen (c.f. s. v. teátro), feste Wendungen, Redensarten und Sprichwörter (s. hierzu untenstehendes Beispiel zu stentare). Deltôide, agg. deltaförmig. §. Il muscolo deltoide, T. degli Anat. der deltaförmige Muskel des Oberarms. Teátro, m. das Theater, die Bühne, Schaubühne, die Breter. It. das Theater, Schauspielhaus. §. Teatro ampio, superbo, magnifico, reale, ein geräumiges, großes, prachtvolles, königliches Theater. §. Andare al teatro, ins Theater, ins Schauspiel gehen.
Für den globalen Aufbau von komplexen Artikeln, welche die Polysemie ihres Lemmas klar darstellen, Mehrworteinheiten, Kollokationen, Beispiele und Phraseologie beinhalten, erfolgt die Grundstruktur über die Abgrenzung der einzelnen Bedeutungen, bei Verben auch der jeweiligen syntaktischen Verwendung. Mehrworteinheiten, längere Phraseme und entsprechende Beispiele etc. werden jeweils hinter der passendsten Bedeutung eingeordnet, wie der folgende Artikel zu stentare zeigt (cf. auch den Artikel zu coperta, hier zitiert in Kapitel 7.5.6). Dieses Verb gliedert Valentini in die Bedeutungen ‘darben, dürftig leben’, ‘Leiden, ausstehen’, ‘Mühe haben, etw. zu tun’, ‘zögern, zaudern’, ‘erschweren’, ‘sich quälen’ und ‘hinstrecken’ und unterscheidet dabei intransitiven, transitiven und reflexiven Gebrauch: Stentare, v. n. [Avere scarsità delle cose necessarie], darben, dürftig leben, in Noth sein. §. Für Patire, leiden, ausstehen: E stenti poi per altro come un cane. §. Stentare in prigione, im Gefängniß. [sic!] §. Stentare a fare q. c., Mühe haben, Etwas zu thun, es schwer thun. §. Egli stenterà a entrare in città, er wird zu thun haben, er wird Noth haben, in die Stadt zu kommen; er wird schwerlich hineinkommen. §. Stento a crederlo, ich kann es kaum glauben. §. Für Indugiare, zögern, anstehen, zaudern: Stentava a darmi questi pochi soldi. §. Mentre si stenta, e stenta, le buone occasioni se ne vanno, während man zaudert, geht die Gelegenheit vorüber. §. Fare stentare uno, Einen Noth leiden, darben lassen. It. ihn schmachten, lange warten lassen.
213 Einen Sonderfall stellt es dar, wenn ein Lexem nicht isoliert, sondern nur in einer festen Verbindung verwendet werden kann. In diesem Fall folgt auf die Grammatikangabe kein Äquivalent des lemmatisierten Einzellexems, sondern direkt die Mehrworteinheit, ggf. mit einem Marker versehen, mit der entsprechenden Übersetzung, z. B. «Bômbico, agg. T. di Chim. Acido bombico, die Raupensäure».
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§. Fare stentare uno a q. c., Einen lange auf Etwas warten lassen. §. Stentare a vivere, kümmerlich leben. §. Stentare, v. a. Für Dare, Arrecare stento, Mandare in lungo, es schwer, sauer machen, erschweren; aufhalten, verzögern. §. Stentarsi, v. n. p. Für Darsi fatica, sich abmühen, sich quälen. §. Prov. Sempre stenta, chi mai non si contenta, der Ungenügsame darbt immer. §. Stentare, v. a. Für Stendere pel lungo, hinstrecken (selten).
Eine Ausnahme von dieser Art der Strukturierung bilden lediglich die Artikel zu den Lexemen, zu denen eine solche Vielzahl von Phraseologismen und Adverbialverbindungen zu verzeichnen ist, dass eine zeitsparende Benutzung bei deren Einordnung nach der jeweils nächsten Bedeutung des Lemmas nicht gewährleistet sein könnte. Bei diesen Lexemen – zu ihnen zählen die Verben andare, dare, fare, stare, venire, einige Präpositionen sowie einige Nomen, die Kopf vieler Phraseologismen sind, insbesondere die Bezeichnungen für Tiere, Pflanzen und Körperteile – erfolgt zunächst isoliert die Darstellung der einzelnen Bedeutungen, Mehrworteinheiten sowie der typischen Kollokationen und Konstruktionen, bevor in einem getrennten Block am Artikelende bzw. nach der den Ausdrücken semantisch am nächsten liegenden Unterbedeutung des Lemmas längere Phraseologismen, alphabetisch geordnet, zusammengestellt sind. Diese Artikel können mehrere Seiten umfassen. Hierzu zwei zwei Ausschnitte der Artikel zu piêde und fare als Beispiel: Piêde, m. der Fuß (der Menschen und Thiere); it. das Bein. §. T. de’ Cacciat. der Lauf (vom Wilde). 2) Fig. der Fuß, der unterste Theil (von vielen Sachen, z. B. eines Tisches, Stuhles, Bettes, Berges, Baumes u. s. w.). […] Redensarten, alphabetisch geordnet §. Andare a’ piè d’Iddio, für Morire, sterben, hinübergehen. §. Andare a piedi, zu Fuße gehen. […] Adverbialverbindungen mit Piede, o Piè. §. A piede, a piedi, zu Fuß. §. Servir a piede, zu Fuß, unter dem Fußvolk dienen. […] Fare, v. a. (Zusammenziehung von Fácere), thun, machen. §. Für Creare, schaffen, erschaffen: Io son fatto da Dio ec. Dante Inf. 2. §. Für Dar forma, ec. a checchessia, bilden, formen, verfertigen. […]
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Redensarten mit Fare in seinen verschiedenen Bedeutungen alphabetisch geordnet. §. Fare abilità [nel prezzo], den Preis ermäßigen, erniedrigen, sich billig finden lassen. §. Fare und Farsi abito, o l’abito, zur Gewohnheit werden: Natura inchina al male, e viene a farsi L’abito poi difficile a mutarsi. […]
a. Kommentare Neben den genannten Komponenten sind einigen wenigen Artikeln – im gesamten Analysekorpus kommt dies nur einmal, insgesamt jedoch häufiger vor – zusätzliche Kommentare beigefügt, die oft, jedoch nicht konsequent, mit NB. (notabene) markiert und in eckigen Klammern abgesetzt sind. Sie sind teils in der Ziel-, teils in der Ausgangssprache des jeweiligen Wörterbuchteils verfasst. Meist stehen sie nach grammatischen Wörtern, bestimmten Varianten und regelmäßig nach dem lemmatisierten Initialgraphem zu Beginn einer Lemmastrecke und enthalten Hinweise zu Wortbildung, Grammatik oder Aussprache. Ein Beispiel im italienisch-deutschen Teil findet sich s. v. isbaccaneggiare: Isbaccaneggiare, Isbaccellato, Isbadigliamento, ec., vedi Sbaccaneggiare, Scabre ec. [NB. Die meisten Wörter, welche mit einer S impura anfangen, können das I vor dem S des Wohllauts wegen haben].
Ein weiteres Beispiel, außerhalb des Analysekorpus, betrifft die historische Morphologie. S. v. arco wird mit der mit einem literarischen Beispiel versehenen Anmerkung «N. B. Die Alten gebrauchten, statt der Mehrheit Archi, auch Arcora: E tutti i Saraceni di Nocera con arcora, e balestra, e con molto saettamento» auf eine Form hingewiesen, die der Wörterbuchnutzer in älteren Texten finden und u. U. nicht auf die Nennform zurückführen könnte.
b. Metasprache Zweisprachige Wörterbücher sind dadurch charakterisiert, dass sie zwei Objektsprachen zueinander in Relation setzen. Zur Beschreibung dieser Sprachen muss der Lexikograph eine Sprache wählen, die der potentielle Nutzer versteht, also typischerweise eine der beiden oder beide Objektsprachen (cf. Rey-Debove 1991, 2861).²¹⁴ Bei Valentini erfolgt die Angabe von grammatikalischer Kategorie so-
214 Eine Alternative stellt der Einsatz von Symbolen dar. Valentini greift darauf zur Kennzeichnung von veraltetem Wortschatz zurück, indem er entsprechende Lemmata mit einem Asterisk markiert. Problematisch am Einsatz von Symbolen sind deren Arbitrarität und das Fehlen von Konventionen über ein Wörterbuch hinaus. So wird etwa der Asterisk im Wörterbuch von Bologna
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wie diasystematischer Zugehörigkeit durch festgelegte Abkürzungen, die sich von italienischen Termini ableiten und zwar in beiden Wörterbuchhälften (cf. die zitierten Artikel). Die Abkürzungen werden zusammen mit dem vollständigen italienischen Terminus sowie dessen deutscher Entsprechung zu Beginn des ersten Bandes in zwei Tabellen aufgelöst (Vollst. Wb., vol. 1, LXXXIV–LXXXVI; cf. Abb. 10 und die bereits in Kap. 7.4.3.1 reproduzierte Abb. 9).
Abb. 10: Abkürzungsverzeichnis Vollständiges Wörterbuch 1 (Vollst. Wb., vol. 1, LXXXIV; Universitätsbibliothek Salzburg)
Die erste, eine halbe Seite umfassende Tabelle, enthält in alphabetischer Reihenfolge Abkürzungen, die zur Grammatikangabe zählen (z. B. die der Wortarten; der Alteration, wie accresc., pegg., die eng mit der Bedeutungsdifferenzierung verknüpft sind etc.), einige, die der Artikelstrukturierung dienen (z. B. It. item, ferner), solche, die der semantischen Beschreibung dienen (z. B. fig., met.) und solche, die diasytematische Markierung anzeigen (z. B. fam., voce poet., voce franc.
in gänzlich anderer Weise, nämlich zur Kennzeichnung von aus D’Alberti übernommenen lexikalischen Einheiten verwendet. Der Wörterbuchnutzer muss also die Zeichen lernen, was bei einem umfassenderen Zeicheninventar, wie etwa Campe es verwendet, einen beträchtlichen Aufwand darstellt.
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etc.). Die zweite, sich über zwei Seiten erstreckende Tabelle enthält die Abkürzungen zur Markierung von Fachtermini. Sie ist dreispaltig und nach dem Schema Abkürzung der italienischen Angabe – italienische Angabe – deutsche Übersetzung (Bsp.: T. degli Agric. – Termine degli Agricoltori – Kunstwort im Ackerbau) aufgebaut. Während die Marker in italienischer Sprache angegeben werden, wird als Metasprache für die Orientierung im Wörterbuch – ausgenommen ist der Verweis mit vedi – überwiegend Deutsch verwendet. Auch dies ist in beiden Wörterbuchhälften gleich. Bereits eingegangen wurde auf Verweise in der Form von übl., wobei zu reflektieren ist, dass übl. durchaus auch die Funktion eines diasystemischen Markers übernimmt, der anzeigt, dass das vorangehende Lemma in der Gegenwartssprache wenig frequent ist. Außerhalb von Verweisen sind deutsche metasprachliche Elemente außerdem in den Bedeutungsdifferenzierungen zu finden. Sehr häufig ist für wie im folgenden Beispiel: Attrappare, v. a., vedi Rattrappare. §. fig. für Sorprendere con inganno, hintergehen, betriegen: […]
Zu den Gründen, die zur Wahl der jeweiligen Metasprache geführt haben, und die nicht klar auf Benutzungsrichtungen der Wörterbuchhälften zurückgeführt werden können, lassen sich lediglich Spekulationen anstellen. Für die Wahl des Italienischen sprechen folgende Gründe: 1) Die Wahl des Italienischen in den stark konventionalisierten grammatischen und diasystematischen Abkürzungen lässt sich zunächst durch die lexikographische Tradition erklären, in der Valentini steht. Er orientiert sich stark an Bologna und Filippi, in denen das Abkürzungssystem bereits angelegt, wenn auch weniger konsequent angewendet und aufgelöst ist. Als italienischem Muttersprachler, der sich, wie seine Beiträge zur italienischen Lexikographiediskussion zeigen, stärker in der italienischsprachigen Lexikographie beheimatet fühlt, ist ihm dieses System wohl auch näher. 2) Auch praktische, sprachinterne Gründe bevorzugen den Gebrauch italienischer Terminologie. Dies betrifft zunächst die grammatischen Termini. Insbesondere in der abgekürzten Form unterscheiden sie sich nur geringfügig von den entsprechenden lateinischen Termini, die Valentini auch beim deutschen Benutzer als bekannt voraussetzen kann. Insbesondere bezüglich der sektoriellen Marker ist das Italienische, wird es in eine Abkürzung überführt, dem Deutschen gegenüber aufgrund seiner Wortbildung präziser. Von T. di Mar. für Termine di Marineria kann sich der Nutzer vermutlich intuitiv sogleich leichter eine Vorstellung machen als von einem möglichen Kunstw. im Seew. für Kunstwort im Seewesen.
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3) Schließlich sind die Sprachkenntnisse der Nutzer zu berücksichtigen. Aufgrund der langen Tradition, mit der in Deutschland Italienisch gelernt wird, kann Valentini beim deutschen Wörterbuchbenutzer eine höhere Sprachkompetenz in der Fremdsprache voraussetzen als umgekehrt und davon ausgehen, dass ihm die italienischen Markierungen keine Schwierigkeiten bereiten werden. Warum aber mischt das Vollständige Wörterbuch italienische metasprachliche Elemente mit deutschen? Hierbei könnten wiederum sprachinterne Gründe, aber auch Aspekte der Artikelstrukturierung eine Rolle spielen. 1) Das am häufigsten verwendete deutschsprachige Element ist übl., abgeleitet von üblicher (cf. Vollst. Wb., vol. 1, LXXXIV). Die italienische Entsprechung, più frequentemente, ist komplexer und wäre schwieriger in eine verkürzte Form zu bringen gewesen. 2) Die deutschsprachigen Elemente dienen der Orientierung im Artikel bzw. zwischen Artikeln. Häufig treten sie in Kombination mit anderen, italienischsprachigen metasprachlichen Elementen auf (z. B. «fig. für Sorprendere»; «part. des Vorigen»). Durch ihre Schreibung in Fraktur sind sie graphisch klar von diesen anderen Elementen abgehoben und vermeiden so eine Verwechselung zwischen Objekt- und Metasprache bzw. eine falsche Segmentierung innerhalb der einzelnen metasprachlichen Hinweise.
c. Fortschritte gegenüber den Vorgängern im Bereich der Artikelstruktur und Metasprache Ein klarer Fortschritt in Valentinis metalexikographischer Praxis gegenüber seinem Vorgänger Filippi liegt in der systematischeren Verwendung von Elementen wie Synonymen, Markern und weiteren Angaben und deren eindeutiger Abgrenzung von der Objektsprache durch typographische Mittel wie eckige und runde Klammern. Bei Filippi fehlen solche Trennungen, sodass Meta- und Objektsprache nicht immer zu unterscheiden sind. Im folgenden Beispiel zu vertere könnte der Kommentar «nur in diesem Sinne gebräuchlich» von einem italienischen Nutzer mit eingeschränkten Deutschkenntnissen als Übersetzungsäquivalent in Form einer Definition aufgefasst werden. Überdies weist die deutsche Übersetzung des Beispielsatzes eine fehlerhafte Syntax auf. Die Kontexteingrenzung «von Geschwülsten» s. v. irresolubile könnte für einen Teil des Übersetzungsäquivalents gehalten werden. Vêrtere, v. n. betreffen; nur in diesem Sinne gebräuchlich: ora la quistione verte su questo, nun der Streit betrifft dieses.
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Irresolùbile, adj. unzertheilig; was sich nicht zertheilen läßt, von Geschwülsten.
Bei Valentini sind diese Kommentare und Kontexteingrenzungen in runden Klammern klar von der Objektsprache unterscheidbar.
7.5.2 Hinweise zur Aussprache 7.5.2.1 Ausspracheangaben im italienisch-deutschen Teil Ausspracheangaben erfolgen an drei Stellen im Wörterbuch: in den dem eigentlichen Wörterbuchteil vorgestellten Bemerkungen über die «Stellung des Accents in den italienischen Wörtern» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXXI–LXXXIV), im Artikel – hier in der Lemmaposition sowie in einer eigenen Position unmittelbar auf diese folgend – und zu Beginn der einzelnen Lemmastrecken, wo das jeweilige Initialgraphem lemmatisiert ist. Vorbemerkung und Markierung im Artikel spielen zusammen. Durch allgemeine Regeln im vorgestellten Teil kann Valentini die einzelnen Artikel entlasten. Hier geht er vorwiegend auf die Betonung der italienischen Wörter ein (cf. Vollst. Wb., vol. 1, LXXXI–LXXXIII), die im Artikel durch Akzente direkt in der Lemmaposition angezeigt werden. Von seinen Vorgängern abweichend möchte er grundsätzlich keine Akzente zur Betonung setzen, um beim Benutzer eine Verwechselung dieser mit Akzenten, die zur Schreibung der Wörter gehören, zu vermeiden.²¹⁵ Aus dem gleichen Grund verwendet er dort, wo Akzente nicht vermeidbar sind, nicht wie seine Vorgänger den Gravis, der zur Orthographie der parole tronche (z. B. virtù) gehört, sondern den Akut. Neben dem Wortakzent wird markiert, ob e und o in betonter Silbe offen oder geschlossen realisiert werden. Hier liegt für den Italienischlerner eine große Schwierigkeit. Für offene Aussprache wird der Zirkumflex (^), für geschlossene der Akut (´) verwendet. Bereits bei Filippi ist bei Wörtern mit mehr als zwei Silben, deren Betonung nicht bestimmten Regeln folgt, die Akzentuierung markiert, jedoch nicht immer systematisch und unter Benutzung des Gravis statt des Akuts. Auch die offene bzw. geschlossene Realisierung von e und o markiert er, mit Zirkumflex und Gravis, jedoch nicht immer konsequent.²¹⁶
215 Auf dieses Problem geht auch die heutige Lexikographieforschung ein, cf. speziell zu italienisch-deutschen Wörterbüchern z. B. Marello/Rovere (1999, 183). 216 Kein Anhaltspunkt ist für Valentini bezüglich der Akzentuierung das Wörterbuch von Bologna, das sich vorwiegend an ein muttersprachliches Publikum richtet. Hier werden beispiels-
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Valentini geht schließlich in den vorgestellten Ausführungen auf die Aussprache der alveolaren Affrikata als [ ʦ ] oder [ dz ] ein. Zur stimmhaften bzw. stimmlosen Realisierung gibt er auch hierzu Grundregeln, um die Artikel verknappen zu können: «Er [der Buchstabe z] wird scharf ausgesprochen wie das deutsche z, nach einer liquida (l, n, r), z. B. bolzo, stanza, scorze u. dgl.; ebenso auch in den lateinischen Wörtern auf tia, tio u. s. w., die jetzt auf zia, zio, zione u. s. w. ausgehen […]. Bei andern, deren z auch eine scharfe Aussprache haben muß, setzen wir in Parenthese (tsa), (tse), (tsi), (tso), (tsu), z. B. Zana (tsa), Carezza (tsa), Nôzze (tse), Zìo (tsio) […]. Dagegen wird man, wenn das z mehr milde und sanft gesprochen werden muß, in Parenthese bemerkt finden: (dsa), (dse), (dsi) usw.». (Vollst. Wb., vol. 1, LXXXIII–LXXXIV)
Diese Phonetikangabe fehlt bei Filippi und auch in den einsprachigen Referenzwörterbüchern. Bei Valentini folgt sie unmittelbar auf die Lemmaposition, wie im bereits zitierten Beispiel zu attrazzare oder s. v. cristalizzazione, wo gleich zwei Affrikaten aufeinanderfolgen: Attrazzare (tsa), v. a. T. di Marin. [Guarnire una nave], ein Schiff ausrüsten, ausrheden; takeln, betakeln. Cristallizzazione (dsatsio), f. T. de’ Chim. die Kristallisirung, das Anschießen. […]
Mit Angabe des Wortakzents, der offenen bzw. geschlossenen Realisierung von betontem e und o sowie der stimmhaften bzw. stimmlosen Realisierung der alveolaren Affrikata finden sich bei Valentini alle für den deutschsprachigen Wörterbuchbenutzer notwendigen Ausspracheangaben, die auch ein heutiges italienisch-deutsches Wörterbuch berücksichtigt (cf. Marello/Rovere 1999, 183).
7.5.2.2 Ausspracheangaben im deutsch-italienischen Teil Im deutsch-italienischen Teil fehlt eine eigene Phonetikposition. Die Aussprachehinweise im Artikel beschränken sich auf die Angabe der Akzentuierung in der Lemmaposition. Valentini kann die Phonetikangaben beschränken, da er dem Wörterbuchteil als erstes Kapitel des Compendio della Grammatica tedesca eine
weise durchgehend Adjektive auf -ábile, íbile, -évole und Verben auf -áre akzentuiert. Über die unterschiedliche Darstellung hinaus finden sich auch einige Abweichungen in der Angabe der korrekten Betonung einzelner Lemmata, nämlich von estimo (estímo in Valentini, éstimo in Bologna), iscuria (iscúria in Valentini, iscuría in Bologna), magniloquo (magnilôquo in Valentini, magníloquo in Bologna).
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zehnseitige Ortoepia²¹⁷ voranstellt. Diese gliedert sich in zwei Teile: eine «Pronunzia delle lettere Tedesche» (Vollst. Wb., vol. 2, XXXI–XXXIX) sowie einen Abschnitt «Della sede dell’Accento Tedesco» (XXXIX–XL). Im zweiten Teil, zur Akzentuierung, wird als Grundregel der Initialakzent angegeben. Im Anschluss erklärt Valentini die Betonung von Komposita, geht auf Wortbildungen mit trennbarem bzw. nicht trennbarem Präfix sowie auf Lehnwörter ein. Anders als im italienisch-deutschen Teil führt er nicht explizit aus, welche Konsequenzen sich aus den beschriebenen Regelhaftigkeiten zur Betonung für die Angabe von Akzenten im Wörterbuchteil ergeben. Implizit wäre ableitbar, dass Akzente nur gesetzt werden, wo die zuvor sowie an anderer Stelle im Grammatikteil ausgeführten Regeln (insbesondere zu Wortbildungen mit nicht-nativen Suffixen wie -iren, -ei, -ion, -tät, -ier, die den Wortakzent tragen und damit dem Prinzip des Initialakzents widersprechen) nicht greifen. Akzente stehen entsprechend auch meist – bei Fremdwörtern, denn diese «conservano sempremai l’accento su la sillaba in cui posa nella originale» (Vollst. Wb., vol. 2, XL). Ihr Akzent ist nicht aus den angegebenen Regeln erschließbar, sondern muss Wort für Wort bestimmt werden (z. B. Auctión, Audiénz, Cabále, Cacáo, marodíren²¹⁸ etc.); – bei Präfixverben auf dem Präfix, wenn dieses trennbar ist, jedoch nur bei denjenigen Präfixen, die sowohl trenn- als auch untrennbar sein können, also durch-, um-, über-, unter-, wider- (z. B. dúrchrechnen);²¹⁹
217 Im italienisch-deutschen Teil fehlen entsprechende Ausführungen in dieser Ausführlichkeit. Valentini kann bei den deutschen Benutzern von einem höheren Wissensstand ausgehen sowie an eine ausführliche Beschreibung der Ausspracheregeln in der eigenen italienischen Grammatik anknüpfen. 218 Auf Verben auf -iren geht Valentini im Grammatikteil im Kapitel zur Derivation ein und erwähnt hier auch ihre Betonung auf der vorletzten Silbe. Im Wörterbuchteil werden sie zusätzlich meist mit Akzent lemmatisiert, jedoch nicht konsequent. So steht etwa marschiren, ein Verb, das Valentini vielleicht aufgrund seines frequenten Gebrauchs als bekannter voraussetzt, ohne Akzent. Insgesamt werden Fremdwörter jedoch recht konsequent markiert. 219 Die Betonung von Präfixbildungen mit nichttrennbarem Präfix (be-, ent-, em-, er-, ge-, ver-, zer-) wird nicht durch Akzent angezeigt, da sie trotz Abweichung vom Initialakzent vom Einzelwort unabhängig regelhaft ist und in den vorgestellten Ausführungen erklärt wurde. Die Betonung von Präfixverben mit einem Präfix, das immer trennbar ist (ab-, auf -, etc.), wird ebenfalls nicht markiert, da sie unter die Regel des Initialakzents fällt. Diese Handhabung ist aus heutiger Sicht problematisch, setzt sie doch voraus, dass dem Benutzer die Eigenschaften der einzelnen Präfixe beim Nachschlagen eines unbekannten Lexems bewusst präsent sind. Dies wiederum kann aus der vorangestellten Grammatik heraus kaum vorausgesetzt werden, da Valentini hier die stets trennbaren Präfixe nicht explizit aufführt.
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beim Aufeinandertreffen von zwei gleichen Vokalen, die abweichend von der Regel, dass diese graphische Darstellung die Länge des Vokals anzeigt, zwei Silben angehören und daher getrennt ausgesprochen werden (z. B. beénden; beérdigen).²²⁰
Nicht immer werden Akzente jedoch konsequent nach diesen Prinzipien gesetzt. Neben den in den Anmerkungen formulierten Ausnahmen werden in einigen Fällen bei regelhaft zu betonenden Lemmata Akzente gesetzt, in anderen Fällen nicht. So findet man Gespött ohne Akzent, aber Gestált; Drucker ohne Akzent, aber als erstes Element von Komposita akzentuiert, z. B. in Drúckerballen, Drúckerfarbe etc. Manchmal ist dagegen die gegenteilige Praxis zu beobachten, z. B. Makróne als Fremdwort mit Akzent, aber Makronenteig, Makronentorte ohne. Bei Präfixbildungen kommt es vor, dass in einer Lemmastrecke, in der mehrere Wortbildungen aufeinander folgen, nur am ersten Lemma der Strecke die Aussprache markiert wird, nicht jedoch bei den folgenden, etwa beérdigen mit Akzent, Beerdigung jedoch ohne, was für den Nutzer, der ja zumeist ein Einzelwort nachschlägt, ohne systematisch die vorigen Lemmata mit zu betrachten, eine Einschränkung an Informationen darstellt. In der gleichen Strecke markiert Valentini in der Folge Béere, was wiederum angesichts der Regel, dass Initialakzent nicht extra markiert wird, irreführend sein kann. Nicht markiert werden Lang- bzw. Kurzvokale, die sich gegen Valentinis Ausführungen nicht stets aus der Gestalt des geschriebenen Worts ableiten lassen. Aufgrund der Darstellung im Lemmarium lässt sich etwa kein lautlicher Unterschied zwischen dem Adverb weg, das mit kurzem, offenem e zu realisieren ist, und dem Nomen Weg, mit langem, geschlossenem e, feststellen. Uneinheitlich sind auch die Ausführungen zur lautlichen Realisierung der einzelnen Grapheme zu Beginn der jeweiligen Lemmastrecke. Unter A etwa finden sich Angaben, unter E nicht, unter I wird direkt auf den Ausspracheteil in der vorgestellten Grammatik verwiesen. Im deutsch-italienischen Teil werden Aussprachehinweise also nicht konsequent und weniger ausgearbeitet als im italienisch-deutschen Teil gegeben.²²¹
220 Valentini geht in den Ausführungen zu Langvokalen auf diese Ausnahme ein: «Si noti, che, quantunque di rado, pure talvolta s’incontrano due ee formanti due sillabe, ed allora separati pronunziarli conviene» (Vollst. Wb., vol. 2, XXXIII, n. 5). 221 Valentini geht dennoch über die Angabe bei seinem Vorgänger Filippi heraus. Dort wird im Vorwort in keinster Weise auf die Aussprache und Betonung eingegangen, im Lemmarium erfolgen Angaben durch Akzente nur äußerst selten, fehlen auch bei Fremdwörtern und werden nach keinem festen Schema vorgenommen.
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7.5.3 Die Grammatikangabe Ausführungen zur Grammatik der beiden Sprachen bzw. zu den morphologischen und in begrenztem Umfang zu den syntaktischen Eigenschaften der einzelnen Lexeme finden sich im Wörterbuch wiederum an drei Stellen: in den bereits beschriebenen eigenen Grammatikabschnitten in den Einleitungsteilen, in den Artikeln zu grammatischen Wörtern wie Konjunktionen und Präpositionen sowie in der Grammatikangabe aller Artikel. An dieser Stelle soll nur die Grammatikposition im Artikel betrachtet werden (ausführlicher zur Grammatik im Wörterbuch cf. Kap. 7.1.2.3 zur deutschen sowie 7.6 zur italienischen Grammatik). Sie folgt – im italienisch-deutschen Teil kann eine Phonetikangabe eingeschoben sein – unmittelbar auf das Lemma, ist kursiv gesetzt und besteht in einer von italienischen Termini abgeleiteten Abkürzung, die im Abkürzungsverzeichnis aufgelöst wird (Vollst. Wb., vol. 1, LXXXIV). Für die deutsche Übersetzung der italienischen Termini im Verzeichnis werden keine lateinischen, sondern genuin deutsche Termini verwendet, also Eigenschafts-, Beiwort für Adjektiv, Vorwort für Präposition etc. In beiden Wörterbuchteilen bezieht sich die Angabe in erster Linie auf die Wortklassen. Adverbien werden als avv., Interjektionen als interj., Präpositionen als prep. etc. ausgezeichnet. Bei Filippi wurden lateinische Abkürzungen verwendet (adv., interj., praep. etc.). Systematisch ausführlicher sind die Informationen zu Nomen, Verben und Adjektiven.
7.5.3.1 Grammatikangabe im italienisch-deutschen Teil Zu den Nomen wird, in Form der Abkürzungen f., m., n., stets das Genus angegeben. Da durch die Eigenschaft, ein Genus zu besitzen, bereits die Zugehörigkeit der Einheiten zur Klasse der Nomen impliziert wird – Adjektive erhalten eine eigene Markierung –, fällt die zusätzliche Markierung der Wortart weg (cf. z. B. «Castagno, m. der Kastanienbaum»). Hierdurch kann Valentini seine Artikel gegenüber Filippi verknappen, der auch die Wortart Substantiv in der Abkürzung mit angibt, also z. B. s. m. für maskuline Substantiva. Valentini fügt in der Grammatikangabe der italienischen Substantive dagegen eine Information hinzu, die bei Filippi fehlt, nämlich die der Alteration, und geht hierbei ziemlich konsequent vor. Beispiele sind folgende Artikel: Casseretto, m. dim. di Cassero, eine kleine Festung. Anellone, m. accres. di Anello , ein großer Ring. Andazzaccio (tsa), m. pegg. di Andazzo, eine böse Seuche: […]
Die Artikel verweisen jeweils auch auf die nicht-alterierte Form.
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Nomen, die nur eine Pluralform besitzen, sind in dieser lemmatisiert (cf. Kapitel 7.4.1.1), die Grammatikangabe weist entsprechend darauf hin, z. B. s. v. andirivieni: Andiriviêni, m. pl. die Irrgänge.
Entsprechend verfährt bereits Filippi, der s. m. pl. angibt. Adjektive sind bei Valentini als agg. gekennzeichnet. Auch hier werden Alterationsformen, die bei Filippi entweder nicht lemmatisiert (Superlative) oder nicht weiter gekennzeichnet sind (Diminutive), als solche angezeigt: Collorosissimo, agg. sup. di Coloroso, äußerst zornig. Delicatuzzo (tso), agg. dim di Delicato [Delicatello, Troppo delicato], allzuzart, überfein: […] Grandáccio, agg. accresc. di Grande, gewaltig groß; ungeheuer.
Zu Verben wird jeweils angegeben, ob sie transitiv (v. a. für verbo attivo, thätiges Zeitwort) oder intransitiv (v. n. für verbo neutro, unthätiges Zeitwort) sind. Diese Kennzeichnung findet sich bereits bei Filippi, der darüber hinaus die Sigle v. r. für reflexive Verben verwendet, die Valentini dagegen als v. n. p. (verbo neutro passivo, leidendes, beziehendes Zeitwort) bezeichnet. Bei Verben, die z. B. als v. a. lemmatisiert sind, aber auch reflexiv gebraucht werden, wird dies innerhalb der Mikrostruktur angegeben und dazu ebenfalls die Sigle v. n. p. verwendet: Collocare, v. a. [Porre in un luogo], stellen, legen. […] §. Collocarsi, v. n. p. sich stellen: Parrebbe Luna locata con esso, come stella con Stella si colloca. Dante Par. 28. §. Für Allogarsi, vedi.
Filippi zeigt solche Fälle zwar ebenfalls in der Mikrostruktur an, verwendet dazu jedoch meist keine Grammatikangabe und keine spezielle Absetzung: Côllocàre, v. a. allôgàre, accomôdàre, stellen, setzen, legen; […] collocarsi, so wie allogarsi, sich setzen, einen bequemen Platz nehmen.
Partizipien werden häufig einzeln lemmatisiert. Das participio passato kennzeichnet Valentini dann als part. und verweist meist auf den Infinitiv (während Filippi meist direkt ein Äquivalent anbietet), das participio presente markiert er teils ebenfalls unbestimmt als part., teils explizit als part. att. (während Filippi es mal als part., z. B. s. v. minacciante, mal als adj., z. B. s. v. principiante, kennzeichnet). Eine Schwäche des Vollständigen Wörterbuchs ist es, dass unregelmäßige Verbformen – mit Ausnahme des separat lemmatisierten Partizips II – nicht
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konsequent angegeben werden, weder im Artikel zum jeweiligen Infinitiv, noch alphabetisch im Lemmarium mit Verweis auf die Infinitivform. Durch das Voranstellen der Verbtabellen meint Valentini, auf diese Angaben im Wörterbuchteil verzichten und diesen entlasten zu können. Da jedoch unter dem Infinitiv des unregelmäßigen Verbs auch jeder Hinweis darauf fehlt, dass es sich um ein solches handelt, kann es vom Benutzer nicht entsprechend identifiziert werden. Neben der beschriebenen standardisierten Grammatikangabe finden sich in einzelnen Artikeln Hinweise zu grammatischen Eigenschaften des Lemmas in nicht fest schematisierter, verdichteter Form. Als Beispiel sei hierzu der Artikel zu attraverso genannt: Attravêrso, und A traverso, avv. e prep. mit di und a, quer über, quer durch: Che si pose a quell’ albero attraverso. It. durch und durch.
Hier wird, auf die Grammatikangabe folgend und mit Deutsch als Metasprache, angegeben, mit welchen weiteren Präpositionen attraverso verbunden wird. Zu Verben finden sich über die Angaben wie v. a. hinaus detailliertere Konstruktionsangaben. Die Darstellung erfolgt in unterschiedlich standardisierter Form. Zumeist wird die Angabe mit Paragraph abgesetzt nach der nächstliegenden Bedeutungsangabe des Verbs in die Serie von Beispielen, Kollokationen und Sprichwörtern integriert, cf. z. B. s. v. rimettere: Riméttere, v. a. wieder hinlegen, hinsetzen, hinstellen u. s. w. […]. Z. B. Rimettere una cosa al suo luogo, eine Sache wieder an ihren Ort legen. […] §. Rimettere alcuna cosa a uno, Einem Etwas übergeben, übertragen; anheimstellen. §. Rimettere alcuno al giudizio, al tribunale, Einen den Gerichten übergeben. […]
7.5.3.2 Grammatikangabe im deutsch-italienischen Teil Die standardisierten Grammatikangaben im deutsch-italienischen Teil unterscheiden sich nicht von denen im italienisch-deutschen. Dabei ist das Fehlen zusätzlicher Morphologieangaben insbesondere zu den Nomen für den italienischen Benutzer äußerst problematisch und stellt zudem einen Rückschritt gegenüber der Praxis bei Filippi dar. Valentini rechtfertigt die Verknappung der Grammatikposition in der Reaktion auf die Mailänder Raubkopie seines Wörterbuchs (cf. Kapitel 8.2.1) damit, dass er dem deutsch-italienischen Teil eine ausführliche Grammatik vorangestellt habe, in der die grundlegenden Regeln zur Substantivdeklination erklärt seien:
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«Statt die Filippi’sche Methode, welche wir für unpassend hielten, zu befolgen, stellten wir für unsere Landsleute eine neue auf, gegründet auf die Autorität der berühmtesten deutschen Grammatiker, wie man in dem ‹Compendio della Grammatica in tavole sinottiche› pag. XXXI u. folg. sehen kann. Der Lernende kann sich dadurch in kurzer Zeit die Mittel aneignen». (Beleuchtung, 7)
Nur für einige Arten von Nomen ist jedoch an der Formgestalt klar zu erkennen, welcher Deklinationsklasse sie angehören. In den anderen Fällen ist im Wörterbuch bei Maskulina und Neutra die Angabe der Genitiv- sowie bei allen Nomen die der Pluralform notwendig. Für den Nutzer ist das Nachschlagen in der Grammatik zudem umständlich, zumal der Artikel auch keinen Verweis enthält, welcher Flexionsklasse ein Lexem angehört (cf. hierzu auch Engelberg/Lemnitzer 4 2009, 208). In Filippi werden die Formen in den meisten Fällen wie im folgenden Beispiel über die jeweiligen Endungen angegeben: Bett, s. n. gen. es, plur. en, letto; […].
Bereits Borroni (1793–1799) gibt Genitiv- sowie Pluralendung an (cf. Bruna 1983, 54) und auch die einsprachigen Referenzwörterbücher von Adelung und Campe enthalten die Angabe. Bezüglich der Verbmorphologie finden sich in Filippi ebenfalls bereits Angaben, die Valentini für sein Wörterbuch als nicht relevant erachtet.²²² Zwar fehlt die alphabetische Einordnung unregelmäßiger Formen ins Lemmarium – hierin wird ein Fortschritt in der Praxis des Mailänder Raubdrucks von Valentinis Wörterbuch liegen – jedoch enthält die Grammatikangabe nach dem lemmatisierten Infinitiv eines unregelmäßigen Verbs den Zusatz irreg., der auf die Unregelmäßigkeit hinweist. In runden Klammern folgen die 1. Pers. Sg. Prät., die 1. Pers. Konj. II sowie der Imperativ der 2. Pers. Sg., bei Verben mit Stammwechsel im Präsens auch die ersten 3. Pers. Sg. Präs. Ind.: Gehen, v. n. irreg. (ich ging, ich gienge; geh) […] Fahren, v. n. irreg. (ich fahre, du fährst, er fährt; ich fuhr, ich führe; fahr) […]
Filippis Praxis ist jedoch noch nicht konsequent durchdacht und durchgeführt. Mischverben etwa enthalten keine näheren Grammatikangaben. Das Partizip II, das zu den unregelmäßigen Formen gehört, wird nur zu einigen – auch einigen
222 Auch hier hätte Valentini sich zudem an Adelung orientieren können, der zu den Verben markiert, ob sie regel- oder unregelmäßig sind und zu den unregelmäßigen die jeweiligen Formen im Artikel angibt (cf. zur Grammatikangabe bei Adelung auch Dill 1992, 213–218).
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schwachen – Verben am Ende des Artikels angegeben. Valentini wiederum ordnet dieses an seiner Stelle im Lemmarium ein, nicht jedoch die unregelmäßige Präteritumsform. Eine konsequente Angabe von Genitiv und Plural bei Substantiven sowie der Stammformen bei unregelmäßigen Verben und eine klare Erklärung dieser Angaben im Vorwort finden sich erst bei Rigutini/Bulle (cf. 1900, vol. 2, VI). Bei Valentini erfolgen in nicht konsequenter Setzung und ohne feste Form einige weitere Angaben zur Verbmorphologie. Diese betreffen die Präfixverben, jedoch ausschließlich diejenigen, die bei gleicher graphischer Gestalt, aber unterschiedlicher Akzentuierung sowohl trennbar als auch untrennbar sein können (z. B. übersetzen vs. übersetzen).²²³ Diese werden in einem Artikel zusammengefasst, wobei das Verb mit trennbarem Präfix lemmatisiert und das mit untrennbarem Präfix als Subadresse mit arabischer Ziffer in der Mikrostruktur abgesetzt ist, wie im folgenden Artikel: Dúrchströmen, v. n. (pres. ich ströme durch; part. durchgeströmt), scorrere, passare rapidamente per … §. der Fluß strömt unter der Brücke durch, il fiume scorre, passa rapidamente, [per di] sotto il ponte. 2) Durchströ´men, v. a. (pres. ich durchströme; part. durchströmt), Poet. p. e. der Gießbach durchströmt schäumend die Felsengründe, il torrente schiumante precipitandosi inonda i burroni. §. Fig. Freude durchströmte mein Herz, la gioja inondò il cuor mio.
Am Lemma bzw. an der Subadresse wird jeweils durch Akzent markiert, wo das Verb zu betonen und ob es dementsprechend trennbar oder nicht trennbar ist. Auf die standardisierte Grammatikangabe mit der Wortklasse folgen in runden Klammern die 1. Pers. Sg. Präs. sowie das Partizip II. Der Gebrauch des Verbs wird zudem durch Beispiele illustriert. Wie bereits im Kapitel zum Artikelaufbau angesprochen wurde, folgt im Artikel zu einigen Verben auf die Angabe der Wortart in eckigen Klammern in schwach konventionalisierter Form eine Angabe, die über die Information hinaus, ob es sich um ein transitives oder intransitives Verb handelt, Hinweise zu seiner Rektion gibt. Im folgenden Beispiel zu mittheilen zeigt die Angabe an, dass das Verb nicht lediglich eine Ergänzung im Akkusativ erfordert, wie es die Markierung als v. a. ausdrückt, sondern darüber hinaus eine Dativergänzung, wobei erstere durch ein sächliches Objekt [Etwas], zweitere durch ein menschliches Objekt [Einem]
223 Trennbare Verben mit stets trennbarem Präfix sind im Lemmarium nicht weiter markiert. Auf sie geht Valentini in der vorangestellten Grammatik im Kapitel zur Wortbildung ein (cf. Vollst. Wb., vol. 2, LXXVIII–LXXXVIII), allerdings ohne ihre morphosyntaktischen Eigenschaften näher zu beschreiben.
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ausgefüllt werden muss. Die folgenden Beispiele verdeutlichen die Konstruktion und die Kontexte, in denen das Verb verwendet werden kann: Mittheilen, v. a. [Einem Etwas], comunicare, q. c. ad uno, parteciparlo, farlo partecipe di q. c., compartirgliela. §. Einem eine Nachricht mittheilen, comunicare, compartire una nuova ad uno. §. ein Geheimnis mittheilen, comunicare, scoprire un segreto ad uno. […]
Meistens stehen Konstruktionsangaben in eckigen Klammern bei transitiven Verben. Neben der Angabe, welche syntaktischen Ergänzungen neben dem Akkusativobjekt nötig sind und wie diese befüllt werden können (menschlich, sächlich) werden bei Verben mit engem semantischem Skopus auch konkrete Einschränkungen angegeben, was als Objekt möglich ist, wie in den folgenden Beispielen: Aufbojen, v. a. T. di Mar. [ein Schiff], alleggerire un vascello per via di botti e di reggitoj. Brauen, v. a. [Bier, Essig], fare la birra, l’aceto. […]
Konstruktionsangaben werden nicht jedem Verb beigefügt. Im analysierten Korpusausschnitt enthalten knapp über ein Fünftel der Artikel zu Verben solche Angaben. Bei Filippi fehlen sie in allen abgeglichenen Artikeln. Selten wird im Vollständigen Wörterbuch bei Präpositionen als grammatikalische Information hinzugefügt, welchen Kasus sie erfordern.²²⁴ Die ist z. B. der Fall im Artikel zu durch, nicht jedoch in dem zu für. Durch, prep. [col quarto caso], per, attraverso; da. […] Für, prep. [anstatt], per, in vece, in luogo. […]²²⁵
Wenn auch ein erheblicher Fortschritt in der Qualität der vorangestellten Grammatik klar feststellbar ist und von zeitgenössischen Rezensenten entsprechend gewürdigt wurde (cf. Kapitel 8.1) und das Vollständige Wörterbuch in den Angaben besonders zur Verbrektion ausführlicher ist als seine Vorgänger, fällt es aus den genannten Gründen im Bereich der Grammatikangaben im Artikel für den deutsch-italienischen Teil doch klar hinter seinen Vorgänger Filippi zurück.
224 Das Fehlen der «Angabe der Rection bei Eigenschafts- und Verhältnisswörtern» kritisiert auch Förster in einer zeitgenössischen Rezension (1833, 259), cf. zu dieser auch Kapitel 8.1. 225 Hier scheint Valentini sich an Filippi zu orientieren, der ebenfalls uneinheitlich vorgeht und im Falle der zitierten Beispiele zu durch eine Angabe des Kasus macht, zu für dagegen darauf verzichtet.
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7.5.4 Diasystematische Indizierung durch Markierungsetiketten In der systematischen Art, mit der im Vollständigen Wörterbuch diasystematisch markierter Wortschatz²²⁶ gekennzeichnet wird, liegt ein großer Fortschritt Valentinis gegenüber seinen Vorgängern. Dabei ist zu bedenken, dass diese Kennzeichnung in einem Wörterbuch wie dem Valentinis, das eine möglichst breite Spanne von Varietäten abbildet, von besonderer Bedeutung ist (cf. Mura Porcu 2 2000, 251). Wie bereits unter Metasprache ausgeführt, erfolgt die Markierung in beiden Wörterbuchteilen auf die gleiche Weise. Valentini verwendet zum Großteil standardisierte Markierungsetiketten²²⁷, typographisch durch Kursivierung abgehobene Abkürzungen italienischer Termini mit einer festen Position im Artikel, die im Einleitungsteil des italienisch-deutschen Bandes in zwei Tabellen aufgelöst werden (Vollst. Wb., vol. 1, LXXXIV–LXXXVI; cf. Abb. 9 in Kapitel 7.4.3.1 und Abb. 10 in Kap. 7.5.1). Hierzu erklärt er im Vorwort: «Außerdem ist immer angegeben, ob ein Wort oder eine Redensart dichterisch, niedrig, volksmäßig, scherzhaft, ob es ein wissenschaftlicher oder Kunstausdruck ist u. dgl., wie man aus folgenden Abkürzungen ersehen kann» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXXIV). Valentini benennt damit bereits einige Ebenen, auf denen eine lexikalische Einheit markiert sein kann: die diatextuelle (poetisch), die diastratische (volksmäßig), die diasituative (scherzhaft), die diatechnische (wissenschaftlicher- oder Kunstausdruck). Im Wörterbuch werden jedoch weitere Ebenen erfasst und markiert. Das folgende Schema soll sie systematisch darstellen. Es orientiert sich am Makromodell der Markierung im Wörterbuch von Hausmann (1989, 651), das an die Befunde im Valentinischen Wörterbuch angepasst wird.²²⁸ Verzeichnet sind je-
226 Als diasystematisch markiert werden hier, unter Berücksichtigung der Relevanz in einem zweisprachigen Wörterbuch, mit Hausmann (1989) die sprachlichen Einheiten verstanden, die vom Durchschnittssprecher aufgrund seiner conscience linguistique als auffällig, von der Normalität abweichend wahrgenommen werden. «Es ist eine unmittelbare Auffälligkeit gemeint, nicht eine, die erst nach eingehender linguistischer Analyse zutage tritt. Solche Auffälligkeit ergibt sich durch ein gegenüber der Normalität zusätzliches Merkmal, das der sprachlichen Einheit wie ein Etikett anhaftet. […] Für die Textproduktion ergeben sich aus der Markiertheit Verwendungsrestriktionen, Wortverwendungsgrenzen, um die der Muttersprachler intuitiv weiß, die der Fremdsprachler jedoch […] eigens lernen muß» (Hausmann 1989, 649). Es ist anzumerken, dass die Restriktionen nicht nur für die Textproduktion, sondern auch für die korrekte Interpretation eines fremdsprachlichen Textes relevant sind und damit auch bei der passiven Wörterbuchbenutzung berücksichtigt werden müssen. 227 Für den Begriff des Markierungsetiketts cf. Hausmann (1989, 649). Alternativ wird der Terminus Marker verwendet. 228 Ausführlicher zu Markierungsarten cf. auch Hausmann (1977, 112–143), dem die Kategorie der Diakonnotativität entnommen ist; zu Markierungen in Äquivalenzwörterbüchern, in denen eine der Sprachen das Italienische ist, cf. Marello (1989, 49–51).
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Voce ebr., Voce franc., Voce grec., Voce ingl., Voce lat., Voce spagn., Voce tedesc.
fam., mod. bass., mod. bassiss.; mod. pop.; pop.; Voce bass., Voce pop.
diachronisch
diatopisch
diaintegrativ
diastratisch
Trippa, f. [Pancia, Ventre], der Wanst, Bauch. §. modo basso. Ella ha una trippa insino agli occhi, sie ist hochschwanger. Brausewind, m. Fam. giovane impetuoso, volubile, vivacissimo.
Madamosella, f. Voce franc. vedi Madamigella. Lord, m. Voce ingl. lord.
z. B. Voce turc., Voce araba231 Voce puerile; Voce dell’uso
Parussola, f. Voce lomb. vedi Cingallegra. Verta, f. Parola Toscana [Borsa del giaccio], der enge Sack des Netzes (in welchen die gefangenen Fische fallen).
*Mináccio, m. übl. Minaccia, vedi. Colmo, m. [Cima, Sommità], der Gipfel, die Spitze, der Kulm. […] §. Für Quadro [veraltet], ein Gemälde. *Dorten, avv. übl. Dort, vedi.230
(veraltet)229 Neolog.
z. B. Voce lomb., Parola Toscana
Beispiel
Marker (zusätzlich verwendete)
229 Dieser nicht im Verzeichnis aufgeführte Marker wird zur Kennzeichnung von außer Gebrauch gekommenen Einzelbedeutungen eines Lemmas verwendet, wo in der Mikrostruktur kein Asterisk gesetzt werden kann. 230 Das zitierte Beispiel ist der einzige Artikel im Analysekorpus, in dem im deutsch-italienischen Teil obsoleter Wortschatz mit Asterisk markiert ist. 231 Neben Fremdwörtern aus den Sprachen, für die ein Marker im Abkürzungsverzeichnis aufgeführt ist, enthält das Wörterbuch auch solche aus exotischeren Sprachen. Auch sie sind mit einem Marker gekennzeichnet, der jedoch im Verzeichnis fehlt, so z. B. «Cangiáro, m. Voce turc. türkischer Dolch» oder «Elêscof, m. Voce araba, eine Art Latwerge».
Marker (im Einleitungsteil angegeben)
Art der Markierung
Tab. 18: Diasystematische Indizierung durch Marker
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poet., voce poet.
diaevaluativ/ diakonnotativ
diatextuell
übl.233
Voce oscena; Voce sconcia ed oscena
(im Scherz), (im Spott)232 , Per ischerzo, Voce scherzevole
Marker (zusätzlich verwendete)
Castaldo, m. der Verwalter, übl. Fattore di campagna. […] Küchenlöffel, m. übl. Kochlöffel, vedi.
Hefte, f. T. de’ Vign. il legare le viti a’ bronconi.
Bómbiato, m. T. di Chim. ein raupensaures Salz.
Frale, agg. Voce poet. [Fragile, Fievole], zerbrechlich, gebrechlich, vedi Fragile. Hehr, agg. Voce poet. [hoch, erhaben], augusto, sublime, maestoso. It. santo. […]
Fottitúra, f. Voce sconcia ed oscena, die Hurerei. Fottuto, Voce oscena, part. di Fottere.
Nuovona, f. Voce scherz. eine große, gewaltige Neuigkeit. Millanta, f. (im Scherz), eine große Menge, sehr viel. Fingerhut, m. ditale. […] §. (im Scherz), ein Fingerhut voll Wein, un ditale, un goccio di vino. […]
Beispiel
232 Die Angabe steht stets in runden Klammern und damit an der Grenze zwischen standardisiertem Markierungsetikett und zur Bedeutungsdifferenzierung eingesetzter, nicht standardisierter Glosse (cf. Kapitel 7.5.6). 233 Verwendet meist zusammen mit einem Verweis.
diafrequent
T. d’ Anat., T. degli Aritm., T. di Bot., … z. B. T. degli Agric., T. de’ Battil., T. de’ Bott. etc.
Voce scherz.
diasituativ
diatechnisch – wissenschaftsspr. – sektorial
Marker (im Einleitungsteil angegeben)
Art der Markierung
Tab. 18: (fortgesetzt)
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weils die Art der Markierung, der verwendete Marker sowie zu jeder Kategorie ein Beispiel aus dem italienisch-deutschen und dem deutsch-italienischen Teil. Nicht immer erfolgt die Markierung im Lemmarium über die im Abkürzungsverzeichnis angegebenen Marker. Die Tabelle verzeichnet daher auch einige von Valentini im Wörterbuch zusätzlich verwendete Siglen. Wie in den Kapiteln zu bestimmten Bereichen des Wortschatzes bereits angemerkt wurde, sind diasystematische Einheiten nicht immer als solche markiert. Regionalismen etwa sind es häufig nicht, wie z. B. furastico, das Valentini selbst in der Raccolta als römisch ausweist. Bezüglich der Regionalismen ist anzumerken, dass nur im italienisch-deutschen Teil eine entsprechende Markierung vorgenommen wird. Auch unter den aufgenommenen sektoriellen und wissenschaftlichen Termini sind zahlreiche nicht als solche markiert, z. B. andracefalôide ‘ein versteinerter Menschenkopf’ oder anfizioni ‘die Amphiktionen (Abgeordnete bei den Altgriechen)’. Auch ist die Zuordnung zu den einzelnen Disziplinen nicht immer klar nachvollziehbar (z. B. die Kennzeichnung von prisma als T. de’ Matem., dagegen prismatico als T. de’Fis.). Fachtermini stellen die größte Gruppe innerhalb des markierten Wortschatzes dar. Gegenüber den übrigen Markierungsetiketten, die ein geschlossenes System darstellen, sind ihre Marker entsprechend der Vielzahl der wissenschaftlichen Disziplinen und Sektoren eine prinzipiell offene Klasse. Valentini hat im Abkürzungsverzeichnis bereits eine immense Zahl an Kategorien berücksichtigt. Dennoch kommt es vor, dass sich im Wörterbuch Marker zu Klassen finden, die dort fehlen, z. B. T. de’ Birr. (Termine de’ Birrai), T. de’ Contad. (Termine de’ Contadini), T. de’ For. (Termine de’ Forensi) etc., oder dass die tatsächlich verwendeten Marker formal geringfügig von der Angabe im Verzeichnis abweichen (z. B. neben T. degli Astr. auch T. di Astron., T. d’ Astr.; neben T. de’ Geom. auch T. de’ Geometr. etc.).
7.5.4.1 Orientierung an den Referenzwerken und Verbesserungen Valentini kann für die diasystematische Indizierung seine Grundlagenwerke als Ausgangspunkt heranziehen, geht jedoch an Systematizität, formaler Verdichtung und Umfang der Kennzeichnung über sie hinaus. Die Wörterbücher von Bologna und Padua kennzeichnen recht konsequent diachronisch (mit der Sigle V. A. für voce antica) und diaintegrativ (V. L. für voce latina) markierten Wortschatz. Es erfolgen auch Angaben zur Frequenz (z. B. als Voce poco o nulla usata) und zur diastratischen bzw. diasituativen Markierung (z. B. Voce scherzevole, e bassa; Voce bassa), wobei jedoch, wie auch für die Kennzeichnung von fachsprachlichen Termini (z. B. als Voce de’ Naturalisti, T. usato da’ Botanici) keine festen Siglen verwendet werden. Bezüglich der Konsequenz, mit
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der markiert wird, zeigt ein Abgleich zwischen Valentini und Bologna, dass bei Valentini keine der Einheiten, die im einsprachigen Wörterbuch markiert sind, unmarkiert bleibt, er jedoch darüber hinaus zahlreiche weitere Einheiten, insbesondere aus den Fachsprachen, kennzeichnet, die in Bologna keinen Marker tragen (z. B. collitigante als T. de’ Leg., colloquíntida als T. de’ Bot. etc.). Ausführlicher ist die Markierung im Dizionario Universale von D’Alberti (cf. Mura Porcu 2 2000, 255–268). Die deutschen einsprachigen Wörterbücher, die Valentini heranzieht, Adelung und Campe, verfügen, insbesondere was die diastratische bzw. stilistische Markierung angeht, über ein fein abgestuftes Indizierungssystem (cf. Kapitel 3.2). Auch diatopische und diachrone (hier insbesondere im Falle von Neologismen) Markierung wird angezeigt, in gewissem Umfang auch fachsprachliche. Formal arbeitet Adelung mit nicht verdichteten Angaben (z. B. zur Stilebene: niedrig, im gemeinen Leben, in der höheren Schreibart; zu Fachsprachen: ein nur im Bergbaue übliches Wort, s. v. Päuschel, cf. auch Dill 1992, 133, etc.), Campe mit einem System von Symbolen. Weder formal noch inhaltlich scheinen beide für Valentini eine große Rolle gespielt zu haben, der Abgleich des Analysekorpus zeigt keine Übereinstimmungen in der Markierung. Bedeutender als der Vergleich mit den einsprachigen Wörterbüchern, die als solche in der Markierung ganz anderen Strategien folgen können – die Wahl der Metasprache ist auf eine Sprache beschränkt, das Platzproblem und damit die Notwendigkeit der Verdichtung ist geringer, es können mehr Informationen zum Lemma angebracht werden etc. – ist lexikographiehistorisch der Vergleich mit den zweisprachigen Vorgängern. Im Wörterbuch von Filippi ist zunächst einmal das Abkürzungsverzeichnis sehr viel eingeschränkter, was die Auflösung diasystematischer Markierungsetiketten angeht (cf. Abb. 11). Lediglich Marker zur Angabe der Diachronität (* für veralteten Wortschatz) sowie zur Art der Bedeutung (fig., met.) sind verzeichnet.²³⁴ Die Kennzeichnung durch den Asterisk erfolgt im Wörterbuch systematisch und stimmt fast immer mit der bei Valentini, der hier offensichtlich direkt von Filippi übernimmt, überein. Auch die Verweistechnik mit übl. ist, obwohl die Abkürzung im Verzeichnis nicht auftaucht, bereits bei Filippi angelegt, wird von ihm jedoch seltener angewendet. An weiteren, nicht im Verzeichnis aufgenommenen Markierungen, findet man in Filippis Wörterbuchpraxis diatopische Hinweise, z. B. «(tosk.)» s. v. anfanare oder «(lombardisch)» s. v. magnare; situative,
234 Wie bei Bologna sind in Filippi neu aufgenommene Einheiten durch † gekennzeichnet. Allerdings war die Information für den Nutzer vermutlich wenig interessant, zumal auch nicht klar wird, gegenüber welchem Wörterbuch diese Neuaufnahmen stattfinden.
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Abb. 11: Abkürzungsverzeichnis Filippi (Filippi 1817, vol. 2, 659; Bayerische Staatsbibliothek München, 10870255 L.lat.f 403-1,1/2, S. 659, urn:nbn:de:bvb:12-bsb10588015-4)
z. B. «(im Scherz)» s. v. attopato oder «(ein Scherzwort)» s. v. bordelleria; diaintegrative, z. B. «(lat.)» s. v. magno; diastratische, z. B. «(Kinderwort)» s. v. bombare. Fachtermini sind bei Filippi seltener belegt als bei Valentini, die vorhandenen werden weniger systematisch markiert. Die frequenten Termini aus dem Seewesen sind es, bis auf wenige Ausnahmen (z. B. attrappe), nicht, ebenso wenig etwa botanische Termini. Ab und zu werden Fachwörter der Anatomie markiert, wobei ein festes Kennzeichnungsschema fehlt. So steht beispielsweise s. v. anfiartrosi «(bei den Anatomikern)», s. v. anfíbronchie «(in der Anatomie)». Regelmäßiger erfolgt die Kennzeichnung von chemischen Fachtermini durch «(t. chim.)». Im Artikel zum sektorialsprachlichen passacorde ist die Angabe des Fachbereichs in die zielsprachliche Paraphrase eingebunden, die anstelle eines Äquivalents steht: ‘ein Werkzeug der Sattler, um die Riemen durchzuziehen’. Einheiten der poeti-
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schen Sprache werden tendenziell nicht markiert, es gibt jedoch Ausnahmen. So steht etwa bei zusammen zitierten Varianten nach dem Typ sonorità, sonoritade e sonoritate kein Marker nach den bei Valentini als poetisch markierten Formen. In einigen Artikeln wird eine Abkürzung zur Markierung benutzt, z. B. «(poet.)» s. v. pasco, in anderen eine Art Kommentar, z. B. «(mehr in der Poesie)» s. v. numine. Wie die wenigen Ausführungen zeigen, sind Kennzeichnungen bei Filippi zumeist in runden Klammern abgesetzt, erfolgen in deutscher Sprache,²³⁵ meist nicht in verdichteter Form und weniger systematisch als später bei Valentini. Dass Valentini nicht nur formal das Kennzeichnungssystem überarbeitet, sondern auch für jeden Artikel die Zugehörigkeit der Einheit zu bestimmten Mikrosystemen gegenüber seinen Vorgängern überdenkt, sei an zwei Beispielen gezeigt: Anfanare und magnare, bei Filippi als diatopisch markiert gekennzeichnet, sind bei Valentini mit den Markern pop. bzw. Voce popolare versehen. Numine markiert Valentini nicht mehr diatextuell, sondern diaintegrativ als Voce lat. Die besprochenen Beispiele von Markierung bei Filippi stammen nicht zufällig alle aus dem italienisch-deutschen Teil. Der deutsch-italienische Teil enthält bei ihm so gut wie keine Markierungsangaben. Dagegen wird bei Valentini das systematische Markierungsschema auf beide Wörterbuchhälften angewendet.
7.5.4.2 Typen von markierten Elementen Neben der Frage, welche Arten sprachlicher Markierung im Wörterbuch indiziert werden und auf welche Weise dies geschieht, ist auch die Frage zu beantworten, welche Elemente im Artikel markiert werden, ob Markierungen an der Ausgangsoder der Zielsprache vorgenommen werden und welche Funktion die Markierung dabei jeweils erfüllt (cf. dazu auch Werner 1991, 2797–2798).²³⁶ Zumeist erfolgt die Markierung an Elementen der Ausgangssprache. Je nach Art der Markierung ist der Skopus der Angabe dabei auch klar auf die Ausgangssprache beschränkt. Dies gilt ohne Abstriche für diatopische Markierungen, die
235 Eine Ausnahme bildet «(t. chim.)». Vermutlich hängt die Wahl der Metasprache des in Wien erschienenen Wörterbuchs eng mit deutschsprachigen Nutzern als Hauptzielgruppe zusammen. 236 Ob Markierungen vornehmlich an der Ausgangs- oder der Zielsprache vorgenommen werden, hängt einmal mehr vor allem mit der Wörterbuchfunktion zusammen. In einem Wörterbuch zur aktiven Produktion wären Angaben der diasystematischen Indizierung (wie überdies auch der Grammatik, der Aussprache etc.) insbesondere zur Zielsprache erforderlich, was in der Praxis jedoch selten konsequent berücksichtigt wird. Diese Diskussion soll hier jedoch nicht weiter vertieft werden. Vielmehr wird von der allgemeinen lexikographischen Praxis ausgegangen, dass der Großteil der Angaben auf die Ausgangssprache adressiert ist. Auf Markierungen bezüglich der Äquivalente wird daher speziell eingegangen.
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sich nur auf Elemente innerhalb des Systems einer der beiden Sprachen beziehen können. Dagegen können andere Markierungsetiketten, insbesondere diastratische und stilistische, auch wenn sie nach der ausgangssprachlichen Einheit gesetzt werden, sich durchaus auch auf die Zielsprache beziehen.²³⁷ In der Mehrzahl der bisher zitierten Beispiele bezieht sich die diasystematische Angabe auf das ausgangssprachliche Lemma. Wie im Kapitel zum Artikelaufbau gesehen, folgt sie in diesem Fall unmittelbar auf die Grammatikangabe und ist graphisch durch Kursivierung abgesetzt. Eine Ausnahme bilden der Asterisk zur Kennzeichnung von antiquierten Einheiten, der vor der Lemmaposition steht, sowie die Verweise, die nach ihrer Funktion, wenn auch nicht nach ihrer Struktur, ebenfalls zu den Markern gehören.²³⁸ Die (ausschließliche) Indizierung direkt am Lemma betrifft neben der diatopischen insbesondere die diachronische, die diaintegrative, die diatextuelle und die diafrequente Ebene. Die anderen Ebenen können auch an anderen Artikelbestandteilen markiert sein und sind dies auch häufig.²³⁹
237 Idealerweise sollten sich im zweisprachigen Wörterbuch Äquivalente und lexikalische Einheiten der Ausgangssprache nicht nur auf denotativer, sondern auch auf konnotativer Ebene weitestgehend entsprechen (cf. Werner 1991, 2800). In Fällen, wo dies möglich ist, wären entsprechende Marker prinzipiell erlässlich, wenn die Funktion des Wörterbuchs lediglich darin besteht, für eine ausgangssprachliche Einheit eine entsprechende zielsprachliche Einheit zu finden. Oft aber ist eine direkte Entsprechung auf konnotativer Ebene nicht gegeben. Hier wird die Indizierung durch Marker unablässig. Ein Wörterbuch wie das Valentinis, das zudem den didaktischen Ansatz verfolgt, dem Nutzer möglichst viele Informationen zur ausgangssprachlichen Einheit an die Hand zu geben, markiert jedoch zumeist auch dort, wo sich ausgangs- und zielsprachliches Lexem auch auf konnotativer Ebene decken, wie im folgenden Beispiel: «Ochsendumm, agg. Voce bassa. babbuasso, stupidissimo, più grosso che l’acqua de’ maccheroni». Die Markierungspraxis ist für den Benutzer nicht unproblematisch, da in anderen Artikeln auf völlig gleiche Weise eine Indizierung nach dem Lemma erfolgt, das Äquivalent jedoch stilistisch unmarkiert bzw. lediglich eine Paraphrase ist: «Brausewind, m. Fam. giovane impetuoso, volubile, vivacissimo». 238 Anders als von Valentini im Vorwort beschrieben, wird durch sie nicht nur veralteter Wortschatz gekennzeichnet. Enthält ein Artikel einen Verweis, wird damit über das Lemma ausgesagt, dass es in der zeitgenössischen Allgemeinsprache wenig frequent ist, oder es wird, etwa im Falle von diasystematisch als niedrig gekennzeichneten Einheiten, auf eine stärker standardsprachliche Einheit verwiesen (cf. dazu die Beispiele in Kapitel 7.4.1.2 und 7.4.2.2 zu Varianten). 239 Wenn innerhalb eines Artikels mehrere Elemente, z. B. mehrere Bedeutungen, Bedeutungen und Kollokationen etc. der gleichen Markierungsebene angehören, wird der Marker nicht unbedingt in jedem Element wiederholt, wie im folgenden Beispiel die Markierung als T. di Mar., die für beide Bedeutungen gilt: «Einschnitt, m. incisione, taglio, intaglio; tacca. […] §. T. di Mar. ein Einschnitt (oder Kepp), incanalatura. §. (in dem Kiele), incastro, mortisa». Auch in einer Lemmastrecke von Komposita mit dem gleichen Determinans oder von Ableitungen kann es vorkommen, dass nur bei den ersten Lemmata markiert wird. So ist z. B. Glimmer als T. de’ Min. markiert, Glimmererde, das der gleichen Ebene angehört, hingegen nicht.
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Bei Artikeln, in denen mehrere Varianten eines Lexems als gleichwertige Lemmata verzeichnet sind, kann es vorkommen, dass sich ein Markierungsetikett nur auf eines davon bezieht wie im folgenden Beispiel: *A’nfola, f. die Amphora (der Römi} A’nfora, sche Eimer von ungefähr 24 unsrer Kannen).
Regelmäßig werden Marker auch zur Kennzeichnung von Mehrworteinheiten eingesetzt, wie im folgenden Beispiel: Nummo, m. Voce lat. ein Silberling: […] §. T. de’ Min. Nummi diabolici, Teufelspfennige.
Der Komplex der Mehrworteinheit ist hier wie in den meisten Fällen durch Paragraph abgesetzt. Das Markierungsetikett folgt unmittelbar auf den Paragraph und geht der ausgangssprachlichen Mehrworteinheit voran. Sein Skopus bezieht auch das zielsprachliche Äquivalent, ebenfalls ein als sektorialsprachlich markierter Ausdruck, mit ein. Auch im Block der Bedeutungsdifferenzierungen spielen Marker eine wichtige Rolle (cf. dazu Kapitel 7.5.6). Kann ein Lexem, das in seiner Grundbedeutung der Allgemeinsprache angehört, innerhalb einer Fachsprache (oder ein bereits in der Grundbedeutung fachsprachlich konnotiertes Lexem in einer anderen Fachsprache) eine spezielle Bedeutung umfassen, wird diese Gebrauchsweise im Gran Dizionario mithilfe von Markierungsetiketten angegeben. Sie tragen als eine von mehreren verwendeten Strategien zur Bedeutungseingrenzung bei. Dabei kann der Marker in Verbindung mit einem ausgangssprachlichen Synonym des Lemmas in der speziellen Bedeutung (z. B. s. v. cássero), nach der Wiederholung des Lemmas (z. B. s. v. cassetta) oder einfach mit dem zielsprachlichen Äquivalent (z. B. s. v. attore) stehen. Es werden italienische Beispiele zitiert, die Strategie wird jedoch im deutsch-italienischen Teil auf gleiche Weise verwendet: Cássero, m. T. degli Anat. die Brusthöhle. […] §. Für Castello di poppa, T. di Mar. die Schiffsschanze. Cassetta, f. dim. di Cassa, vedi. […] §. Cassetta, T. di Mugn. der Mahltrichter. Attore, m. [Facitore], ein Handelnder, ein Bewirker, Wirkender: […] §. T. de’ Giur. ein Kläger (vor Gericht).
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Während die Markierungen bei der Abgrenzung von Mehrworteinheiten und Bedeutungsdifferenzierungen fast ausschließlich diatechnischer Art sind,²⁴⁰ finden sich im Block der Kollokationen und phraseologischen Einheiten vornehmlich diastratisch und diasituativ markierte Wendungen, die häufig, jedoch nicht konsequent, entsprechend indiziert werden. Dazu jeweils Beispiele aus dem italienisch-deutschen und aus dem deutsch-italienischen Teil: Cássia, f. T. de’ Bot. Kassia. […] §. Fig. modo basso, Dare l’erba cassia, den Laufpaß geben. Cassone, m. accresc. di Cassa, ein großer Kasten. §. Mandare uno al cassone, Einen in die andere Welt befördern, zu seinem Tode beitragen. §. Andare al cassone, modo basso, ins Gras beißen, sterben. […] Trippa, f. [Pancia, Ventre], der Wanst, Bauch. §. modo basso. Ella ha una trippa insino agli occhi, sie ist hochschwanger. […] Amen! interj. amen! ammen! così sia! […] §. Fam. das ist so sicher wie Amen in der Kirche, è certissimo, è così vero come l’evangelo.
Im Beispiel s. v. cássia steht der Marker unmittelbar nach dem Paragraphenzeichen, vor der ausgangssprachlichen idiomatischen Wendung, und kann sich sowohl auf diese als auch auf das zielsprachliche Äquivalent, das der gleichen Ebene angehört, beziehen. S. v. cassone ist die erste Wendung nicht durch einen Marker gekennzeichnet, obwohl sie in der Ausgangssprache auch zum modo basso gehört. Das zielsprachliche Äquivalent gehört hingegen der nichtmarkierten Stilebene an. Möglicherweise setzt Valentini deshalb keinen Marker, weil dessen Skopus unklar wäre, obwohl es gerade hier für den Nutzer wichtig wäre, auf den Unterschied der Markierung von ausgangs- und zielsprachlicher Einheit hingewiesen zu werden. In der zweiten Wendung, andare al cassone, hingegen, steht der Marker zwischen ausgangs- und zielsprachlicher Verbindung und könnte sich auf beide beziehen. S. v. trippa steht der Marker wieder vor der ausgangssprachlichen Wendung und indiziert nur diese, denn die deutsche Übersetzung gehört der Standardsprache an. In der Adressierung der Angaben liegt also noch eine Unsystematizität im Vorgehen Valentinis. Im deutschen Beispiel s. v. Amen steht der Marker vor der ausgangssprachlichen Wendung und scheint sich nur auf diese zu beziehen, kann doch die Übersetzung ins Italienische nicht
240 Es finden sich jedoch auch diastratisch markierte Verwendungen von Lemmata, z. B. im italienisch-deutschen Teil s. v. frángia «§. Fig. modo basso, erdichtete Zusätze, Auszierung» oder im deutsch-italienischen Teil s. v. Pulverfaß «It. Fig. Fam. uomo pronto, facile all’ ira, che prende subito fuoco».
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mittels einer entsprechenden idiomatischen Wendung erfolgen. Insgesamt finden sich diastratische Markierungsmarker deutlich häufiger im deutsch-italienischen Teil. Insbesondere der Marker fam. scheint im italienisch-deutschen Teil so gut wie nicht verwendet zu werden, im deutsch-italienischen dagegen regelmäßig.
7.5.5 Die Verwendung ausgangssprachlicher Synonyme Ausgangssprachliche Synonyme zum Lemma wie z. B. barbiere im Artikel Rasiere, m. [Barbiere], Barbier […]
werden nicht regelmäßig gesetzt, sondern stellen einen ergänzenden Bestandteil eines Teils der Wörterbuchartikel dar. Sie treten in zwei Funktionen und Positionen auf: Bei polysemen Lemmata dienen sie der Bedeutungsdifferenzierung (cf. Kapitel 7.5.6), wobei sie zur Abgrenzung der Unterbedeutungen in weniger verdichteter Form durch Für (im italienisch-deutschen) bzw. per (im deutsch-italienischen Teil) eingeleitet werden,²⁴¹ z. B. s. v. raso, «§. Für Spianato, Pareggiato, der Erde gleich gemacht». Zur Grundbedeutung folgt das Synonym auf die Grammatikangabe und ist formal durch eckige Klammern klar abgegrenzt (cf. das zitierte Beispiel zu rasiere), worauf Valentini im Vorwort explizit hinweist: «das am meisten verwandte Synonymon setzen wir in Parenthese» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXIX). Auch moderne zweisprachige Wörterbücher arbeiten zur Bedeutungsdifferenzierung vorwiegend mit Synonymen (cf. z. B. PONS, 15), die aufgrund des geringeren Platzes im zweisprachigen Wörterbuch die bevorzugte Alternative zu lexikographischen Paraphrasen darstellen. Im Vollständigen Wörterbuch werden Synonyme jedoch, in gleicher Absetzung und Position nach der Grammatikangabe, auch bei monosemen Lemmata eingesetzt. Ihre Funktion ist hier nicht klar nachzuvollziehen, denn während in einsprachigen Wörterbüchern «mindestens eine Angabe zur Lemmazeichenbedeutung ein obligatorischer Textbaustein» (Wolski 1989, 620) ist, ist dies in zweisprachigen, wo es nicht um eine Erklärung der Bedeutungen der Lemmata, sondern ihre Inbeziehungsetzung zu zielsprachlichen Äquivalenten geht, nicht notwendig. Dementsprechend sind Synonyme zu monosemen Lemmata in modernen Wörterbüchern i. d. R. nicht zu finden. Möglicherweise soll das Vollständige Wörterbuch hier die Funktion eines Lernwörterbuchs erfüllen, das dem fremdsprachlichen Benutzer über das Syno-
241 Diese weniger standardisierte Form der Einführung ist typisch für ältere Wörterbücher, cf. Wolski (1989, 623).
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nym zusätzlich zum Lemma weitere, standardsprachliche Formen an die Hand gibt. Häufig, wenn auch nicht immer, werden Synonyme zu in der Allgemeinsprache weniger frequenten Lexemen angegeben. Es finden sich z. B. sforacchiato, spugnoso als Synonyme zu vespasioso; figliastro und piccolo zu den als solchen markierten Latinismen privigino und parvo; orto zum als veraltet gekennzeichneten *verziere. Eine ganze Reihe von Synonymen stellt schließlich formale Varianten zum Lemma dar, z. B. mit alternativem Präfix intemperanza zu stemperanza, mit alternativem Suffix delicatello zu delicatuzzo, mit Konsonantenwechsel verdume zu verzume. Diese Art von Synonymen stellen, statt einer bedeutungserklärenden Komponente, ähnlich wie das Verweissystem einen normierenden Aspekt im Wörterbuch dar.²⁴² Ein weiterer Grund für die Aufnahme der Synonyme liegt wohl in der vorausgehenden Wörterbuchtradition, insbesondere der italienischen. Die einsprachigen Wörterbücher der Crusca-Tradition arbeiten zur Bedeutungsangabe vorwiegend mit Synynomen, nicht mit lexikalischer Paraphrase, und auch sie verzeichnen zahlreiche Varianten, die wiederum durch standardnähere Varianten definiert werden. So bieten sie Valentini die Möglichkeit einer direkten Übernahme, und tatsächlich finden sich viele der Synonyme des Vollständigen Wörterbuchs bereits in der Definition der Wörterbücher von Bologna und Padua (cf. als Beispiele die in Kapitel 7.5.6.1 übernommenen Artikel zu attore und vescovado). Für diesen Grund der Übernahme spricht auch der großer Unterschied des Ansetzens von Synonymen in den beiden Wörterbuchteilen: Im italienisch-deutschen Teil (ohne Anhang) werden solche zu 21 % der Lemmata angegeben, im deutschitalienischen lediglich zu 7 %. Auch in den zweisprachigen Vorgängern Valentinis gehören Synonyme, eingeflossen über den Kanal der einsprachig italienischen Vorbilder, zum festen Bestandteil. Bei Filippi sind sie in sehr viel mehr Artikeln als bei Valentini zu finden. In seinem Wörterbuch folgen sie, wie im Gran Dizionario, auf die Grammatikangabe, sind jedoch graphisch nicht besonders hervorgehoben. Auch reiht Filippi oftmals drei und mehr Synonyme kumulativ aneinander, ohne sie direkt den entsprechenden zielsprachlichen Äquivalenten zuzuordnen, z. B. s. v. versùto, wo astùto, maliziòso, versipêlle aufeinander folgen. Womöglich richtet sich Valentinis Kritik aus dem Vorwort direkt auf diese Methode: «Nicht minder verwirrend für einen Anfänger ist der Wust italienischer Wörter, um die Bedeutung eines einzigen deutschen wiederzugeben, und umgekehrt, ohne daß jemals dabei bemerkt würde, ob alle diese zusammengehäuften Wörter wirklich lauter Synonyma sind
242 Bestärkt wird diese These durch die Tatsache, dass von den an ihrer Position im Lemmarium lemmatisierten Synonymen nicht auf die jeweiligen Lemmata zurückverwiesen wird.
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oder nicht […]; wenn es aber an den gebührenden Bemerkungen fehlt, muß man wol die nächst zusammenstehenden Wörter für wahre Synonyma halten». (Vollst. Wb., vol. 1, LXXIX)
Ein Abgleich zeigt, dass Valentini, neben dem Wörterbuch von Bologna, auch Filippi als Quelle für Synonyme verwendet, dabei jedoch stets selektiv vorgeht. Zusätzlich und als große Verbesserung nicht nur der zweisprachigen Lexikographie für die beiden Sprachen stützt er sich für die Bestimmung von Synonymverhältnissen auf die zeitgenössischen Arbeiten von Romani und Grassi für das Italienische und von Eberhard für das Deutsche: «Daß wir für diesen Punkt der Lexicographie, welche (der Crusca zu geschweigen) in allen Wörterbüchern beider Sprachen so sehr vernachlässigt ist, etwas thun konnten, haben wir drei vortrefflichen Werken zu verdanken, beim italienisch-deutschen Theil dem Dizionario de’ sinonimi dell’ ab. G. Romani und dem Saggio di G. Grassi,« beim deutsch-italienischen der „Synonymik“ von I. A. Eberhard». (Vollst. Wb., vol. 1, LXXIX n. 6²⁴³)
Valentini deutet an dieser Stelle auch das Problemfeld der Synonymie im zweisprachigen Wörterbuch an. Es sei «fast unmöglich, ihnen [den Ausführungen zu Synonymen von Romani, Grassi, Eberhard] bei Ausarbeitung eines Wörterbuches für zwei Sprachen zu folgen, wo es darauf ankommt, die Sprache der Autoren und die technischen Ausdrücke verständlich zu machen, der Lexicograph also die Worte nicht so aufzuführen und zu erklären hat, wie sie sein sollten, sondern so wie sie sind». (Vollst. Wb., vol. 1, LXXIX n. 6)
Im deutsch-italienischen Teil sind Synonyme, wie anhand der Anteile des Analysekorpus dargestellt, seltener. Auch hier scheinen sie teilweise eingesetzt zu werden, um auf in der zeitgenössischen Allgemeinsprache frequentere Alternativen hinzuweisen (cf. z. B. Riß als Synonym s. v. Berst, Beule s. v. Brausche), als Varianten zu Derivationsprodukten (z. B. verbrauchen s. v. aufbrauchen, erbrechen s. v. aufbrechen) oder, in Form einer Paraphrase, um den italienischen Nutzer bei solchen Präfixbildungen auf deren spezielle Semantik hinzuweisen, etwa s. v. erlesen, das die Angabe ‘durch Lesen erwerben’ enthält. Besonders oft tauchen Synonymangaben nach Fremdwörtern auf (z. B. verquicken s. v. amalgamiren; Sammtblume, Tausendschön s. v. Amaránt; Götterspeise s. v. Ambrósia; 243 Im italienischen Fließtext ist die Fußnote fälschlicherweise mit 5, im deutschen mit 4 beziffert. Auf Eberhard als Stütze bei der Bestimmung von Synonymieverhältnissen, besonders im Hinblick auf die Synonymie in Äquivalenzbeziehungen, geht Valentini bereits im Italienischen Lehrer ein (cf. Kapitel 5.3.3 und Ital. Lehrer, vol. 2, 48).
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Tilgungskasse s. v. Ammortisationskasse; Abnahme, Ablösung s. v. Amputation), wobei auch die umgekehrte Hinzufügung eines Fremdworts als Synonym zu einem genuin deutschen Lexem auftritt (z. B. Brünette s. v. Braune, Marionette s. v. Gliederpuppe). Als Erklärung für die häufige Verwendung von Synonymen hier mögen didaktische Gründe in Frage kommen – in der ersten Reihe von Synonymen kann die Kenntnis des Fremdworts auch beim deutschen Benutzer bisweilen nicht vorausgesetzt werden, in der zweiten Reihe ist das fremdsprachliche Lexem das bekanntere –, es ist jedoch auch wahrscheinlich, dass Valentini sich an Adelung und Campe orientiert, die, wo Fremdwörter verzeichnet werden, zu diesen deutsche Synonyme angeben und umgekehrt. Besonders frequent sind Synonymangaben auch als alternative Bezeichnungen zu zoologischen und botanischen Begriffen. Im Korpus finden sich z. B. Dostenkraut mit dem Synonym Hirschklee oder Drachenfisch mit Seedrache, was zum einen die Uneinheitlichkeit der entsprechenden Terminologie offenlegt, zum anderen sicher eine Hilfe für den italienischen Leser eines naturwissenschaftlichen Textes darstellt, der in der Folge auf den anderen Begriff stoßen könnte. Seltener kommt es vor, dass, wie Synonyme in eckigen Klammern angegeben, Definitionen in Form einer semantischen Paraphrase in der Ausgangssprache aufgeführt werden. Für den deutsch-italienischen Teil wurde bereits auf die Bedeutungsangabe ‘durch Lesen erwerben’ s. v. erlesen hingewiesen, die als Bedeutungsdifferenzierung zu erlesen i. S. v. ‘auswählen, auslesen’, das als eigenständiges Lemma abgesetzt ist, verwendet wird. Beispiele aus dem italienisch-deutschen Teil finden sich mit ‘Nipote in terzo grado’ s. v. trinipóte oder mit ‘Spezie di pannolana’ s. v. rascia. Bei diesen monosemen Lemmata handelt es sich um Lexeme, die wohl auch beim italienischen Benutzer nicht als bekannt vorausgesetzt werden können und daher einer Definition bedürfen, die durch ein Synonym nicht zu leisten ist. Die Paraphrase ‘Avere scarsità delle cose necessarie’ s. v. stentare dagegen dient der Abgrenzung von weiteren folgenden Bedeutungen. In wenigen Ausnahmefällen erfolgt in eckigen Klammern nach der Grammatikangabe eine ausführlichere ausgangssprachliche Definition. Bei den entsprechenden Lemmata handelt es sich um Eigennamen und Fachwortschatz, deren Bekanntheit auch bei Muttersprachlern nicht unbedingt vorausgesetzt werden kann und deren korrektes Verständnis weniger vom Sprach- als vom Weltwissen des Nutzers abhängt. Ein Beispiel, das zudem vor einem häufig falschen Gebrauch warnt, bietet der Artikel zu elicóna. Elicóna, m. [Monte della Beozia, sacro alle Muse, che sovente da Poeti si confonde col Parnasso che gli è vicino], der Helikon, Musenberg: […]
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7.5.6 Bedeutungs- und Äquivalenzdifferenzierung «Bei ausgangssprachlichen Stichwörtern mit mehreren Lesarten ist es notwendig, jede Lesart zu glossieren, wenn das Wörterbuch für die Hinübersetzung oder für die Textproduktion in der Zielsprache verwendet werden soll. Die als […] Disambiguator fungierende […] Glosse ist in erster Linie dafür da, dem Benutzer einen Hinweis auf das passende Äquivalent zu geben». (Engelberg/Lemnitzer 4 2009, 211)
Die klare Diskrimination der Bedeutungen des ausgangssprachlichen Lemmas und die Zuordnung des jeweils passenden Äquivalents sind ein wichtiges Qualitätskriterium für die Kritik eines zweisprachigen Wörterbuchs, und in ihr liegt ein deutlicher Fortschritt Valentinis gegenüber seinen Vorgängern. Zur Beschreibung der Bedeutungs- und Äquivalenzdifferenzierung im zweisprachigen Wörterbuch ist wie für das einsprachige auf metalexikographischer Ebene zunächst zu beachten, in welcher Reihenfolge die einzelnen Bedeutungen angeordnet und präsentiert werden und wie in diese Folge eventuelle phraseologische Einheiten eingebettet sind, wobei für das zweisprachige Wörterbuch im Grundsatz zusätzlich zu diskutieren ist, ob die Ansetzung und Anordnung der unterschiedlichen Bedeutungen von der Bedeutungsstruktur des Lemmas oder aber der der unterschiedlichen Äquivalente ausgeht. Valentini orientiert sich im frühen 19. Jahrhundert vorwiegend an der Bedeutungsstruktur der Ausgangssprache und nimmt «lemmazeichenadressierte Bedeutungsangaben» (Wolski 1989, 618) vor.²⁴⁴ Dann ist zu analysieren, wie die einzelnen Bedeutungen differenziert werden und wie dabei mikrostrukturelle Elemente der Ausgangssprache – Markierungsetiketten, Synonyme, etc. – sowie Äquivalente und deren Ergänzungen in der Zielsprache zusammenspielen. Auf sprachhistorischer Ebene ist zudem von Interesse, welche Bedeutungen Valentini gegenüber seinen Vorgängern erstmals verzeichnet. Dieser Aspekt kann im Folgenden allerdings nur gestreift werden. Bezüglich der Einbettung von phraseologischen Einheiten wurde bereits im Kapitel zum Artikelaufbau ausgeführt, dass Valentini diese, außer in langen Artikeln mit besonders viel Phraseologie, nicht in einem Block ans Ende des Artikels stellt, wie es z. B. der PONS tut und wie es die moderne Lexikographieforschung zur größeren Benutzerfreundlichkeit vorschlägt, sondern sie nach semantischen Kriterien jeweils der am nächsten liegenden Einzelbedeutung des Lemmas zuordnet.
244 Zur Diskussion in der modernen Metalexikographie cf. auch Hausmann/Werner (1991, 2730; 2732–2740) und Marello (1989, 55–61). Heute wird vertieft eine Anordnung, die sich stärker an der Zielsprache orientiert, diskutiert, cf. Svensen (1993, 159–162).
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Einen großen Fortschritt stellt seine Anordnung der einzelnen Bedeutungen zu polysemen Lemmata dar, die frühere Wörterbücher ohne klar erkennbares Ordnungsprinzip und ohne klare graphische Absetzung aneinanderreihen. Eine systematische Anordnung dient dem schnellen und sicheren Auffinden der jeweiligen Bedeutung eines Lemmas durch den Nutzer. Grundsätzlich kann eine systematische Anordnung grob nach vier Kriterien erfolgen, die in Hausmann (1977) für moderne Wörterbücher des Französischen klassifiziert werden (cf. Hausmann 1977, 41–43).²⁴⁵ Sie finden sich bereits in der Lexikographie Adelungs angelegt und diskutiert (cf. Dückert 1984, 229–232; Dill 1992, 317–321) und können daher für die Analyse des Valentinischen Wörterbuchs herangezogen werden. Bei der historischen Anordnung wird zunächst die früheste in einer Sprache belegte Bedeutung eines Lemmas angegeben, dann folgen die weiteren Bedeutungen in der Reihenfolge ihres Auftretens in der Sprachgeschichte. Auch der logischen Anordnung wohnt eine historische Perspektive inne. Sie «impliziert vorgegebene Grund- oder Hauptbedeutungen, die im Wörterbuchartikel an erster Stelle definiert werden und auf deren Definition die Definition der Einzelbedeutungen folgen, von denen angenommen wird, daß sie in bestimmten ‹logischen› Beziehungen zu ersterer stehen. Als logische Beziehungen gelten dabei die aus der diachronischen Sprachwissenschaft übernommenen Kategorien der Bedeutungsverengung, Bedeutungserweiterung, Bedeutungsübertragung und der analogischen Verwendung». (Werner 1982, 152)
Bedeutungen «mit relativ vielen gemeinsamen Bedeutungskomponenten» (Werner 1982, 154) folgen dabei aufeinander. Übertragene Bedeutungen können als metaphorisch, figürlich etc. gekennzeichnet werden. Die frequenzorientierte Anordnung sortiert die Einzelbedeutungen nach der Häufigkeit ihres Vorkommens von der häufigsten zur seltensten Bedeutung und bezieht dabei ihren Stellenwert im Sprachsystem ein, was für die Einordnung von Bedeutungen aus Fachsprachen von besonderer Wichtigkeit ist. Die distributionelle Anordnung schließlich gruppiert Einzelbedeutungen, die in bestimmten syntaktischen Umgebungen vorkommen, was für die Strukturierung von Artikeln zu Verben mit unterschiedlicher Rektion zu beachten ist. Bis auf eine streng chronologische Anordnung ist keines der Kriterien als ausschließliches Kriterium anwendbar und auch in Valentini – wie bereits bei Adelung – finden sich Mischformen. Im Vorwort betont der Römer die Wichtigkeit einer klaren Struktur in der Anordnung. Es sei notwendig, dass der Lexikograph
245 Die Bezeichnung der Anordnungsprinzipien mit parallel formulierten Kurzbezeichnungen ist aus Hausmann (1977) übernommen. Für eine ausführlichere Darstellung und eine Diskussion der Prinzipien cf. auch Werner (1982, 150–155).
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«die verschiedenen und abweichenden Bedeutungen aber eines Wortes so vertheilt und in eine gute logische Ordnung bringt, daß daraus für den Gebrauch ihr Unterschied und der Charakter der einen Sprache im Vergleich mit der andern klar wird. Nur wenn Artikel dieser Art gehörig eingetheilt und auf die angegebene Weise geordnet sind, werden sie sowol eine klare und genügende Anschauung von der Ausdehnung und Mannichfaltigkeit der Bedeutung eines Ausdrucks geben, als auch zugleich jede gesuchte besondere Anwendung leicht auffinden lassen». (Vollst. Wb., vol. 1, LXXX, §. 11.)
Mit dieser Überlegung geht Valentini auch auf die besondere Natur des zweisprachigen Wörterbuchs ein, das bei der Bedeutungsdifferenzierung nicht nur die Einzelbedeutungen des Lemmas in der Ausgangssprache klar abgrenzen, sondern auch die zielsprachigen Äquivalente klar zuordnen und so darstellen muss, dass das Wörterbuch zur Textproduktion in der Fremdsprache genutzt werden kann. Grundsätzlich folgt Valentini einer logischen Anordnung, die von einer Grundbedeutung ausgeht und diese als erste angibt und mit einem Äquivalent in der Zielsprache übersetzt. Es folgen die weiteren Bedeutungen, wobei die Übereinstimmung der einzelnen Bedeutungsmerkmale immer weiter abnimmt. Fachtermini werden nicht ans Ende gestellt, sondern nach dem Kriterium der Nähe zur Grundbedeutung eingeordnet, ebenso übertragene Bedeutungen, die als fig. oder met. markiert werden. Die Abfolge der Einzelbedeutungen bildet die Grundstruktur des Artikels, um die sich Phraseologismen, Beispiele etc. legen. Zur Illustration mag der Artikel zu copêrta dienen. Auf die Angabe der Einzelbedeutungen, die hier von mir zur Übersichtlichkeit unterstrichen sind, können vor der nächsten Einzelbedeutung Mehrworteinheiten folgen, die der vorangehenden Einzelbedeutung semantisch zuzuordnen sind, sowie Phraseologismen, die sich von diesen ableiten: Copêrta, f. die Decke, die Hülle. §. Coperta di cavallo, eine Pferdedecke; it. die Schabracke. §. Coperta da letto, eine Bettdecke. §. Coperta da sedia, ein Stuhlbezug. §. Coperta da tavola [Gallic.], das Couvert. §. Dar la coperta ad uno, Einen prellen, vedi Balzare. §. Coperta di libro, der Umschlag eines Buchs, Deckel. §. Coperta di lettera, für Sopraccarta, der Briefumschlag, das Couvert. §. Far la coperta sopra una lettera, einen Briefumschlag machen, den Brief couvertiren. §. Für Tetto, das Dach. §. Coperta di rame, ein Kupferdach, Kupferbedachung. §. Coperta del duomo, die Kuppel: Nel detto anno si cominciò a rivolgere, e rinnovare la coperta del duomo di san Giovanni. §. T. de’ Calz. ein Flicken, Riester. §. Coperta, sottana nelle Magone, ein Theil am Drahtzug.
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§. Coperta della nave [Ponte], T. di Mar. das Verdeck. §. Für Giova, vedi. §. Per met. Für Pretesto, der Vorwand; it. der Deckmantel, die Vermäntelung. §. Für Apparenza, der Schein: Sotto coperta di carità t’allontani dalla pietà. §. Parlar sotto coperta, verblümt reden.
Neben dem logischen verfolgt Valentini auch das distributionelle Ordnungsprinzip und zwar bei Verben, die mit unterschiedlichen Ergänzungen gebraucht werden können, wie colmare: Colmare, v. a. [Empier la misura a trabocco], häufeln, aufhäufen. It. Füllen, anfüllen: Le donne dovranno starsene tutte intente a colmar di lini le casse. It. Per met. erfüllen: Per colmarmi di doglia, e di disire. Petr. Son. 122. §. v. n. überfließen, überströmen: Corrono i fiumi dell’ acque intra’ monti, fiatano i venti, dissolvonsi i nuvoli, colmano i fonti. §. v. n. p. Colmarsi, sich füllen, voll werden. […]
Der Artikel zeigt, wie sich beide Anordnungsprinzipien verschränken. Im ersten Absatz werden die unterschiedlichen Bedeutungen des Verbs in transitivem Gebrauch aufgezählt, wobei von der Grund- zur metaphorischen Bedeutung fortgeschritten wird.²⁴⁶ In jeweils eigenen Absätzen werden dann intransitiver und reflexiver Gebrauch dargestellt. Neben dem Grundprinzip der logischen Anordnung ist die Abfolge der Einzelbedeutungen in den beiden Wörterbuchhälften jeweils stark an den zugrundeliegenden einsprachigen Wörterbüchern orientiert. Auch die Absetzung und Differenzierung der Bedeutungen weichen in den beiden Teilen deutlich voneinander ab, weshalb sie im Folgenden getrennt voneinander betrachtet werden.
7.5.6.1 Darstellung der unterschiedlichen Bedeutungen im italienischdeutschen Teil a. Anordnung der Bedeutungen Im italienisch-deutschen Teil folgt Valentini, was die Abfolge der Bedeutungen, aber auch deren Differenzierung mithilfe von italienischen Definitionen und Syn-
246 Die Trennung der einzelnen Bedeutungen innerhalb des Absatzes erfolgt hierbei schwach durch die metasprachliche Abkürzung it. und ohne weitere Absetzung. Dominierendes Strukturierungskriterium ist das distributionelle. Auf die unterschiedlichen Formen der metalexikographischen Bedeutungsdarstellung und Bedeutungsabsetzung wird in den folgenden Unterkapiteln eingegangen. Die jeweiligen Gebrauchsweisen werden zusätzlich durch Beispiele erläutert.
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onymen betrifft, überwiegend dem Wörterbuch von Bologna. Eine Gegenüberstellung der Artikel zu attore in Bologna und Valentini mag dies verdeutlichen: Bologna (1819–1826) attore. Add. Facitore. […] §. I. Per Colui, che nel litigare domanda, il cui avversario si chiama Reo. […] §. II. Per colui, che amministra i fatti altrui. […] Vollst. Wb. Attore, m. [Facitore], ein Handelnder, ein Bewirker, Wirkender: […]. §. T. de’ Giur. Ein Kläger (vor Gericht): […]. §. Für Colui, che amministra i fatti altrui, ein Geschäftsführer, Verwalter, ein Sachwalter: […]
Auch die zu den jeweiligen Bedeutungen angefügten Beispiele, die im obenstehenden Zitatausschnitt der Übersichtlichkeit wegen ausgeschnitten wurden, stimmen in Bologna und dem Vollständigen Wörterbuch überein.²⁴⁷ Bei Valentinis Vorgänger Filippi sieht der Artikel folgendermaßen aus: Attòre, s. m. ein Wirkender; ein Schauspieler
Es werden zwei Äquivalente zu zwei unterschiedlichen Bedeutungen des Lemmas angegeben, dabei jedoch in keinster Weise differenziert. Ein aus dem Italienischen übersetzender deutschsprachiger Benutzer kann evtl. mithilfe des Kontexts, in dem er das Lexem gefunden hat, die richtige Bedeutung interpretieren. Für den italienischen Benutzer fehlen jegliche Angaben, um die korrekte Übersetzung von attore zu wählen. An anderer Stelle kann Valentini sich jedoch auch an Filippi orientieren. Im Artikel zu andazzo ist die Abfolge der Bedeutungen in ihren Wörterbüchern gleich: Filippi (1817) Andazzo, s. m. für epidemìa, Seuche; essere andazzo di malattie etc., Krankheiten herumgehen; - it. eine kurzdauernde Mode. Vollst. Wb. Andazzo (tso), m. die Seuche: esservi andazzo di malattie, ec., böse Krankheiten u. s. w. gehen umher: Corre un andazzo di vajuolo e di pestilenze mortali. §. für Usanza di poca durata, eine kurzdauernde Mode: Con calze contigiate van ragazzi, E con sì fatti andazzi i fanti vanno. 247 Valentini setzt anders als Bologna jedoch einen zweiten Artikel an, in dem er den Gebrauch von attore im Kontext des Theaters behandelt: «Attore, m. -trice, f. ein, eine Schauspieler-in. §. Attori, Personen (eines Stücks). […]». Cf. hierzu D’Alberti (2 1825), der einen einzigen Artikel zu attore ansetzt, der zunächst die auch in Bologna angegebenen Bedeutungen enthält, aber zufügt: «§. 4. attore: nel Dramma dicesi Colui che rappresenta persona, o carattere, in Teatro».
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Valentini ergänzt Filippi gegenüber Beispiele, die den jeweiligen Gebrauch illustrieren, und gibt dem Artikel mithilfe von Paragraphen eine übersichtlichere Struktur. Aus dem Wörterbuch von Bologna übernimmt Valentini in diesem Artikel zweifellos die Autorenbeispiele, nicht jedoch den Aufbau.²⁴⁸ Die Kombination von Beispielen aus dem einen und der Gliederung aus dem anderen Wörterbuch belegt die enge Orientierung Valentinis an beiden und zeigt zugleich, dass er nicht unreflektiert die Darstellung seiner Quellen übernimmt, sondern für jeden Artikel eigens die Anordnung, Differenzierung und Illustrierung überdenkt. Ein großer Fortschritt Valentinis gegenüber den zweisprachigen Vorgängern liegt im Bereich der systematischen Anordnung der einzelnen Bedeutungen und in ihrer Abgrenzung. Hierfür kommen ihm seine festen Grundsätze sowie seine genaue Kenntnis der Lexikographie Adelungs zugute (cf. Kapitel 6.2.2.5 und Raccolta, s. v. poesia), dessen Prinzipien er teilweise adaptiert. Während bei Filippi wie s. v. attore unterschiedliche Bedeutungen eines Lemmas häufig nicht speziell differenziert, sondern lediglich unterschiedliche Äquivalente angegeben werden – die der Nutzer für Synonyme halten kann und die ihrerseits wieder polysem sein können –, besteht Valentinis Leistung in ihrer Differenzierung durch kurze Definitionen oder Synonyme in der Ausgangssprache und ggf. durch Marker, bisweilen auch durch Angaben in der Zielsprache und durch Beispiele. Wichtig für das rasche Auffinden der gesuchten Bedeutung bzw. korrekten Verwendungsweise ist auch die klare Absetzung der einzelnen Bedeutungen durch Zeichensetzung, Paragraphen und metasprachliche Angaben. Dazu wird im Vorwort ausgeführt: «Um es aber dem Suchenden recht bequem zu machen, haben wir die Worte von ausgedehnter und vielfältiger Bedeutung nach Paragraphen (§) und Zahlen eingetheilt, sodaß er gleich beim ersten flüchtigen Ueberblick im Stande ist, das Gesuchte zu finden, und eine genaue und klare Anschauung der verschiedenen Bedeutungen, Constructionen u. s. w. bekommt». (Vollst. Wb., vol. 1, LXXX)
Die Absetzung der einzelnen Bedeutungen durch Paragraphen erfolgt im italienisch-deutschen Teil recht konsequent (auf Ausnahmen und Sonderfälle wird im folgenden Abschnitt genauer eingegangen). Dagegen wird die Nummerierung der Einzelbedeutungen mit arabischen Ziffern, die den deutsch-italienischen Teil kennzeichnet, im italienisch-deutschen Teil nur im zweiten Band und auch hier nicht regelmäßig vorgenommen: Im Analysekorpus werden bei 235 Artikeln mit
248 Costa/Cardinali geben als erste die übertragene Bedeutung ‘Mode von kurzer Dauer’ und erst in der Folge die Bedeutung ‘Seuche’ an und definieren umschweifiger, cf. s. v. andazzo.
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Unterbedeutungen²⁴⁹ nur in 10 Artikeln Ziffern eingesetzt. Eine Motivation, wann durch Ziffern strukturiert wird, ist nicht klar erkennbar. Mit dem weiter unten zitierten Artikel zu vescovado ist ein Lemma mit vielen Unterbedeutungen so strukturiert – wohingegen andere sehr lange Artikel wie die zu passaggio oder pila ohne Strukturierung durch Ziffern auskommen –, s. v. nunzio dagegen wird eine Ziffer für eine einzige weitere Bedeutung verwendet.
b. Strategien der Bedeutungsdifferenzierung Zur Bedeutungsdifferenzierung nutzt Valentini in den einzelnen Artikeln verschiedene Strategien: Die beiden häufigsten sind die Glossierung der einzelnen Bedeutungen durch ausgangssprachliche Synonyme ausgehend von der Bedeutungsstruktur der Ausgangssprache sowie die durch it. oder Semikolon abgesetzte Aufführung nicht synonymer Äquivalente ohne explizite Differenzierung ihrer jeweiligen Bedeutungen im Bezug zur Ausgangssprache. Hinzu kommt die Bedeutungsdifferenzierung beim Gebrauch eines Lemmas in Fachsprachen durch Marker sowie Angaben in der Zielsprache nach den einzelnen Äquivalenten. Damit werden die gleichen Disambiguatoren verwendet, die auch die moderne Lexikographie nutzt und die heutige Metalexikographie diskutiert (cf. z. B. Hausmann 1977, 59–61; Svensen 1993, 145–148; Engelberg/Lemnitzer 4 2009, 211–212). Am häufigsten wird folgende Struktur verwendet, die auch am klarsten ist: §. für [italienisches Synonym], [deutsches Äquivalent].
Die Einzelbedeutung des Lemmas wird durch ein italienisches Synonym – zumeist ein monolexikalisches Synonym (z. B. s. v. numerare), bisweilen aber auch ein Syntagma oder eine kurze Definition (z. B. s. v. pillácchera) – eingegrenzt, es folgen das deutsche Äquivalent bzw. die deutschen Äquivalente zum Lemma in der jeweiligen Bedeutung. Numerare, v. a. [Noverare, Annoverare], zählen. §. Für Enumerare, aufzählen, herzählen, herrechnen. Pillácchera, f. [Zacchera], ein Kothklumpen. […] §. Für Uomo sordido e avaro, ein Knicker, Filz, schmuziger [sic!] Geizhals.
249 Hinzugezählt werden diejenigen Artikel, die zum Einzellexem in Lemmaposition eine klare Zusatzbedeutung enthalten, nicht jedoch solche, die neben der Grundbedeutung lediglich Mehrworteinheiten, Phraseologie etc. umfassen.
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In den zitierten Beispielen ist die Einzelbedeutung, wie in den meisten Fällen im Wörterbuch, in einem eigenen Absatz gesetzt und eingerückt.²⁵⁰ Wenn eine Einzelbedeutung bildlich, übertragen oder uneigentlich ist, wird dies meist metasprachlich markiert durch Met. bzw. Per met., Fig. oder Per simil. Ein Beispiel findet sich s. v. coperchiella: Coperchiella, f. [Coperto, Ricoperta], eine Decke. §. Per met. Für Frode, der Betrug. […]
Die Angabe eines deutschen Äquivalents zu einer uneigentlichen Bedeutung kann auch ohne ein italienisches Synonym nach dem gleichen Schema erfolgen wie im folgenden Beispiel: Anelante, part. att. keuchend, athemlos: […] §. Met. sehnsuchtsvoll.
Eine seltener eingesetzte Erweiterung dieser Strategie der Bedeutungsabgrenzung zeigt folgendes Schema: §. [Wiederholung des Lemmas], für [italienisches Synonym], [deutsches Äquivalent].
Sie wird meist benutzt, wenn eine Bedeutungsangabe auf längere Blöcke von Mehrworteinheiten, Kollokationen oder Phraseologismen folgt, also auf das Lemma als Ausgangseinheit zurückgeführt werden muss. Ein Beispiel bietet folgender Artikel: Maglia, f. die Masche. §. Maglia d’armadura, ein Ring eines Panzerhemdes. §. Maglia d’una catena, ein Ring, ein Glied einer Kette. §. Maglia, für Armadura di maglia, ein Panzerhemd. […]
Die von Valentini zur Definition verwendeten Synonyme oder Paraphrasen stammen, wie unter dem Artikel zu attore bereits gesehen, größtenteils aus dem Wörterbuch von Bologna bzw. für den zweiten Band auch aus dem von Padua sowie der neueren Auflage von D’Alberti. Noch deutlicher wird dies an der Gegenüberstellung der Artikel zu vescovado, wo Valentinis Definitionen bis auf III. exakt mit denen von Bologna (und der identischen Darstellung in der Minerva) übereinstimmen und er zudem die genaue Abfolge der Bedeutungen übernimmt.
250 Dies ist jedoch nicht immer der Fall (cf. untenstehendes Beispiel s. v. coperchiella). Manchmal, wenn die Einzelbedeutung wenig gebräuchlich ist, wird statt eines deutschen Äquivalents auch nur der Verweis auf ein lemmatisiertes italienisches Synonym gesetzt, z. B. s. v. anelare i. S. v. ‘esalare’.
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Bologna (1819–1826) VESCOVADO. Dignità di Vescovo. §. I. Per Ufficio del Vescovo. […] §. II. Per Abitazione del Vescovo. […] §. III. Per Territorio della giurisdizione del Vescovo […] §. IV. Per Curia, o Tribunale del Vescovo. […] Vollst. Wb. Vescovado, m. [Dignità del Vescovo], die Bischofswürde: […] 2) Für Uffizio del vescovo, das Bischofsamt, die bischöflichen Verrichtungen. 3) Für Abitazione del Vescovo, der Bischofssitz, das bischöfliche Schloß. 4) Für Territorio, Diocesi del Vescovo, das Bisthum. 5) Für Curia, Tribunale del vescovo, das bischöfliche Gericht, Tribunal.
Stellt man zum Vergleich auch den entsprechenden Artikel bei Filippi gegenüber, wird erneut Valentinis Verbesserung klar. Vescovàdo, s. m. Bischofthum, Bisthum; – die bischöfliche Wohnung; – für territorio, giurisdizione del vescovo, das Gericht des Bischofs.
Prinzipiell sind die unterschiedlichen Bedeutungen bereits bei Filippi angelegt, auch er verwendet zur Differenzierung einer Bedeutung hier eine italienische kurze Definition (territorio, giurisdizione del vescovo), die Abgrenzung der einzelnen Bedeutungen im Bezug auf die jeweiligen Äquivalente bleibt jedoch unklar und die Wahl der Äquivalente weniger präzise. Neben der klaren Angabe der Einzelbedeutung des ausgangssprachlichen Lemmas durch ein ebenfalls ausgangssprachliches Synonym, das zudem übersichtlich durch Paragraph abgesetzt ist, wird im Vollständigen Wörterbuch ebenfalls häufig eine weniger klare Absetzung weiterer Bedeutungen verwendet: Sind zu einem Lemma mehrere untereinander nahezu bedeutungsgleiche Äquivalente angegeben, bevor ein weiteres, zu den anderen nicht synonymes folgt, so ist dieses letzte oft lediglich durch «it.» von den anderen abgesetzt, wie das folgende Beispiel aus dem schon zitierten Artikel zu colmare zeigt: Colmare, v. a. [Empier la misura a trabocco], häufeln, aufhäufen. It. Füllen, anfüllen: […]. It. Per met. erfüllen: […]
Diese Strategie wird dort eingesetzt, wo die Einzelbedeutung ähnlich der vorhergehenden ist und insbesondere dort, wo ein Sprecher der Ausgangssprache keinen Bedeutungsunterschied in der Gebrauchsweise des Lemmas annimmt, jedoch je nach Kontext die Zielsprache über unterschiedliche, untereinander nicht synonyme Äquivalente verfügt. Manchmal erfolgt die Absetzung eines zu den anderen Äquivalenten nicht synonymen Traduzenten auch ohne die meta-
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sprachliche Angabe «it.». In einer Reihe von Äquivalenten werden dasjenige oder diejenigen, die in ihrer Bedeutung von den vorherigen abweichen, lediglich durch Strichpunkt abgetrennt, wie beispielsweise s. v. bonificamento. Bonificamento, m. die Verbesserung; Vergütung.
Das so aufgeführte Äquivalent kann lediglich vom deutschsprachigen Benutzer, der in die Muttersprache übersetzt, nach dem Kontext, in dem er das italienische Lexem aufgefunden hat, korrekt interpretiert werden. Das trotz der grundsätzlich systematischen Bedeutungsdarstellung Valentinis häufige Vorkommen solcher Anführung von Äquivalenten zu unterschiedlichen Bedeutungen des Lemmas stellt noch eine deutliche Schwäche seines Wörterbuchs dar und legt nahe, dass die traditionelle Ausrichtung des italienisch-deutschen Wörterbuchteils auf die passive Benutzung durch Muttersprachler des Deutschen auch im Gran Dizionario noch wirkt. Ein besonderer Fall der Bedeutungsdifferenzierung liegt beim Gebrauch des Lemmas in einer Fachsprache vor. Die Angabestrategien sind hier, dem Grundschema folgend, §. [Marker] für [italienisches Synonym], [deutsches Äquivalent] (cf. s. v. cássero); §. [Marker] [deutsches Äquivalent] (cf. s. v. cassetta, 2. Unterbed.); §. [Wiederholung Lemma], [Marker] [deutsches Äquivalent] (cf. s. v. cassetta, 1. Unterbed.): Cássero, m. T. degli Anat. die Brusthöhle. […] §. Für Castello di poppa, T. di Mar. die Schiffsschanze. […] Cassetta, f. dim. di Cassa, vedi. […] §. Cassetta, T. di Mugn. der Mahltrichter. §. T. de’ Giard. das Blumenbeet, Mistbeet.
Mit der Eingrenzung des Gebrauchskontexts durch den Marker wird die spezielle Bedeutung klar abgesteckt und eine längere Definition überflüssig gemacht (cf. auch Kapitel 7.5.4). Auch auf das Äquivalent kann bisweilen eine zielsprachliche Glosse in runden Klammern folgen. Sie kann eine kurze Definition liefern, um bei Äquivalenten, die innerhalb ihres Sprachsystems ebenfalls polysem sind, die entsprechende Bedeutung zu präzisieren (z. B. s. v. bordo, hier in Zusammenspiel mit dem Marker); in Fällen, in denen davon auszugehen ist, dass der Wörterbuchnutzer auch die Bedeutung des Äquivalents nicht kennt, diese zumindest grob in Form eines Hyperonyms erläutern (z. B. s. v. castagna); in Form einer Bedeu-
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tungsparaphrase das fachsprachliche Äquivalent detaillierter umschreiben (z. B. s. v. isolare). Oder es werden Kollokatoren angegeben, mit denen das Lemma in der jeweiligen Bedeutung üblicherweise auftritt (z. B. s. v. cassare, wo die Hinzufügung in Klammern die typische Akkusativergänzung und damit zugleich den Verwendungskontext des Lemmas in der Bedeutung anzeigt). Bordo, m. [Frangia, Lista], eine Borte. §. Für Orlo, der Rand, Saum. §. T. di Mar. Bordo, der Bord (Rand des Schiffs über dem Wasser). […] Castagna, f. die Kastanie. […] §. Castagna, T. de’ Veter. der Stollschwamm (eine Krankheit der Pferde). Isolare, v. a. frei, abgesondert stellen. §. T. de’ Fis. Isoliren (außer Verbindung mit Elektrizitätsleitern setzen). Cassare, v. a. Für Cancellare, ausstreichen, auslöschen: […] §. It. Absetzen, entsetzen, kassiren (Beamte, Offizire).
Neben diesen Funktionen übernimmt die Ergänzung in runden Klammern nach Äquivalenten zu den weiteren Bedeutungen eines Lemmas jedoch eine weitere, die direkt zur Bedeutungsdifferenzierung beiträgt und die im Beispiel s. v. cassare bereits angedeutet ist: Sie grenzt den Kontext ein, in dem das Lemma in der jeweiligen Bedeutung zu verwenden ist, ihr Skopus geht also über den des Äquivalents hinaus. Ein typisches Beispiel findet sich s. v. estrazione: Estrazione, f. das Herausziehen, die Herausziehung. […] §. L’Estrazione, die Ziehung (in der Lotterie).
Durch das Fehlen von Synonymen oder anderen Strategien der Differenzierung vor dem Äquivalent und dort, wo das Äquivalent semantisch unspezifisch ist, nimmt allein die zielsprachliche Ergänzung nach dem Äquivalent die Kontextund damit die Bedeutungseingrenzung vor.²⁵¹ Im folgenden Beispiel s. v. irritare dagegen übernimmt die Kontexteinschränkung in Klammern diese Aufgabe zusammen mit dem Markierungsmarker. Irritare, v. a. [Provocare, Inasprire], reizen (zum Zorn); erbittern; it. Erzürnen, aufbringen. […] §. It. T. de’ Med. reizen, irritiren (die Wunden).
251 Cf. auch «§. Attori, Personen (eines Stücks)», s. v. attore, -trice.
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Wie im zitierten Artikel zu colmare gesehen, werden bei der Darstellung von Einzelbedeutungen besonders häufig zusätzlich Autorenbeispiele eingefügt, um einen Kontext anzugeben und den jeweiligen Gebrauch zu illustrieren. Hierzu sei auf Kapitel 7.5.9.1 zu den Autorenbeispielen verwiesen.
c. Ergänzung von Bedeutungen Neben der verbesserten metalexikographischen Darstellungsform besteht ein grundlegender Fortschritt Valentinis gegenüber Filippi und der bisherigen zweisprachigen Lexikographie, wie am Beispiel zu attore gesehen, in der Erweiterung der einzelnen Artikel um zusätzliche Einzelbedeutungen der jeweiligen Lemmata. Zum Großteil erfolgt diese, wie am gleichen Beispiel deutlich wurde, über die einsprachigen italienischen Wörterbücher, teils aber auch gegenüber diesen durch eigene Studien. Hierzu sei auf Kapitel 6.2.2.2 zur Raccolta di mille e più vocaboli italiani verwiesen, wo Valentini auf fehlende Bedeutungen in italienischen Wörterbüchern eingeht und systematische Ergänzungen vorschlägt, die er auch in sein Gran Dizionario übernimmt. Ein besonderes Augenmerk bei der Aufnahme zusätzlicher Bedeutungen gegenüber den früheren zweisprachigen Wörterbüchern gebührt der Ergänzung von fachsprachlichen Bedeutungen. Hierzu ein Beispiel aus der Wissenschafts- (s. v. saturníno) und eines aus der Sektorialsprache (s. v. rinzaffare): Saturníno, agg. T. degli Astr. saturnisch, zum Saturn gehörig: Una cometa saturnina. §. Giove saturnino, der Saturnssohn, Jupiter. §. Für Malinconico, mürrisch, grämlich: Viso saturnino. It. T. de’ Farm. bleihaltig. Rinzaffare, v. a. [Stoppare, Riturare], zustopfen; einen Ritz, das Leere (mit Werg, Baumwolle), ausfüllen. §. T de’ Mur. bewerfen.
In Filippi fehlt die fachsprachliche Bedeutung jeweils: Saturnìno, adj. manincònico, fantastico, mürrisch, unfreundlich. Rinzaffàre, v. a. stoppàre, rituràre. zustopfen; einen Ritz, das Leere mit Werg, Baumwolle ausfüllen.
Die systematische Ergänzung fachsprachlicher Bedeutungen bei Valentini ergänzt die Integration von Fachtermini auf Lemmaebene. Die Gegenüberstellung der Artikel zu saturnìno bei Valentini und Filippi zeigt zudem die logische Bedeutungsanordnung (mit der Grundbedeutung ‘zum Saturn gehörig’ an erster Stelle),
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die übersichtlichere Darstellung mit Paragraphen und Absätzen, die Integration von Mehrworteinheiten (Giove saturnino) und Beispielen (cometa saturnina, viso saturnino), die genaue Bedeutungsdifferenzierung («Für malinconico») und die Arbeit mit Markierungsetiketten (T. degli Astr., T. de’ Farm.). S. v. rinzaffare wird deutlich, wie Valentini zwar das Äquivalent der Grundbedeutung von Filippi übernimmt, jedoch Äquivalent i. e. S. und weitere Angaben dazu durch die Absetzung in runden Klammern deutlich trennt, während bei Filippi das Äquivalent eher die Gestalt einer Definition annimmt.
7.5.6.2 Darstellung der unterschiedlichen Bedeutungen im deutschitalienischen Teil Zur Ansetzung der Bedeutungen und ihrer Gliederung folgt Valentini im deutschitalienischen Teil im Grundsatz Adelung,²⁵² der im Vorwort zur ersten Auflage seines Wörterbuchs schreibt: «Die Bedeutungen, welche in den meisten Wörterbüchern nur auf gut Glück durch einander geworfen zu werden pflegen, sind der Sache gemäß geordnet, das ist, wie sie vermuthlich aus und auf einander gefolget sind» (Adelung 1774, XIV).²⁵³ Die einzelnen Wortbedeutungen des Lemmas werden also prinzipiell ausgehend von der eigentlichen, ursprünglichen Bedeutung zur übertragenen, von der allgemeinen zur speziellen angeordnet, Bedeutungen nach dem Grad der Übereinstimmung dezisiver Bedeutungskomponenten zusammengestellt. Es erfolgt jedoch eine Anpassung an die Bedürfnisse eines zweisprachigen Wörterbuchs: Die konkrete Benutzererwartung, möglichst schnell die richtige Bedeutung nachzuschlagen und das jeweilige Äquivalent aufzufinden und der geringere Platz zwingen zu einer verknappten Darstellung. Außerdem ist zum einen die Bedeutungsstruktur der zielsprachlichen Äquivalente mit zu berücksichtigen, zum anderen muss auf bestimmte Bedeutungen, die für die spezielle Nutzergruppe nur geringe Relevanz haben, verzichtet, andere müssen hinzugefügt werden. Daher übernimmt das Vollständige Wörterbuch so gut wie nie blind Adelungs Bedeutungsauswahl und deren Reihenfolge, sondern im konkreten Artikel findet fast immer eine Anpassung statt. Diesen Prozess veranschaulicht die direkte Gegenüberstellung der Artikelstruktur zu einigen Stichwörtern aus Adelung und Valentini. In anderer Abfolge
252 Zur Orientierung zweisprachiger an einsprachig deutschen Wörterbüchern für die Artikelstrukturierung cf. auch Rigutini/Bulle (1896–1900, vol. 2, IX). Ihr Hauptreferenzwerk, das Wörterbuch von Heyne, «ci ha fornito spesso i principi linguistici per la trattazione d’un articolo esteso» (ebd.). 253 Zu Adelungs Bedeutungsangaben cf. auch Henne (2001, 161–163); Dückert (1984, 229–232); Strohbach (1984, 222–231); Kühn/Püschel (1990, 2056–2057); Dill (1992, 317–321).
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präsentieren sich etwa die einzelnen Bedeutungen s. v. Stimme. Bei Adelung sind folgende Bedeutungen angesetzt: Die Stimme, plur. die -n, […] Laut, welchen organische Geschöpfe durch die Luftröhre von sich geben, lautbar oder hörbar gemachter Athem. 1. Im weitesten Verstande. […] Die Stimme des Löwen, der Vögel des Himmels, […] Figürlich leget man auch wohl leblosen Dingen, die durch das Gehör empfunden werden, in der dichterischen Schreibart eine Stimme bey. Die Stimme des Donners […] 2. In engerer Bedeutung, die menschliche Stimme […] (2) In engerer Bedeutung, bedeutet es in der Musik. (a) Die Beschaffenheit der Stimme, […] (b) Die Arten der Stimme in Ansehung der Tiefe und Höhe heißen in der Musik gleichfalls Stimmen. […] Die Violin-Stimme, die Noten für die Violine. (3) Figürlich. (a) In der höhern und dichterischen Schreibart ist die Stimme die Wirkung eines leblosen Dinges auf das Erkenntniß und Begehrungsvermögen. Die Stimme der Natur, […] (b) Die durch Worte oder Zeichen ausgedruckte Meinung in der Berathschlagung mehrerer. […] (c) Das Recht, in der Berathschlagung mehrerer, seine Stimme zu geben, d. i. seine Meinung, sein Urtheil zu sagen, das Stimmrecht, ohne Plural. […] (d) An verschiedenen musikalischen Instrumenten ist die Stimme ein Theil, welcher den Klang oder Ton des Werkzeuges bestimmet. […]
Valentini orientiert sich zwar an den einzelnen identifizierten Bedeutungen, deren Abfolge wird jedoch aufgebrochen und nach anderen Kriterien neu zusammengesetzt. Bei Valentini lautet der entsprechende Artikel, auf die Bedeutungsstruktur reduziert: Stimme, f. voce. […] §. Fig. die Stimme des Donners, la voce, il fragore del tuono. §. die innere Stimme, la voce interna, interiore. […] §. T. di Mus. die vier Stimmen, le quattro voci. §. die erste Stimme, il soprano. §. eine einelne Stimme, un solo. […] 2) Per Wahlstimme, voce, voto, suffragio. […] 3) Per Meinung, opinione, sentimento. […]
Auf die Grundbedeutung ‘voce’ folgen, gekennzeichnet als übertragene Bedeutungen, die Gebrauchsweisen, welche die Bedeutungskomponenten ‘Lautäußerung’ bzw. ‘Ausdruck von Gedanken’ beibehalten. Davon abgesetzt werden alle Gebrauchsweisen von Stimme im Feld der Musik dargestellt, bevor mit ‘Wahlstimme’ und ‘Meinung’ eigene, von der Grundbedeutung weiter emanzipierte Bedeutungen aufgeführt werden. Ein Beispiel für Zusätze und Auslassungen gegenüber Adelung bietet der Artikel zu Ochsenauge. Bei Adelung lautet er
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Das Ochsenauge, des -s, plur. die -n, eigentlich, das Auge eines Ochsen. Figürlich. 1) In den Küchen einiger Gegenden werden auf zerlassene Butter geschlagene und gebackene Eyer, so daß der Dotter ganz bleibt, Ochsenaugen genannt […] 2) In der Baukunst ist das Ochsenauge ein rundes oder oval rundes Fenster in einem Dache. 3) In einigen Gegenden führet das große Gänsekraut, Chrysanthemum Leucanthemum L. wegen einiger Ähnlichkeit der Blumen, den Nahmen des Ochsenauges. 4) Auch eine Art Zaunkönige, S. Goldhähnchen.
Valentini streicht in seiner Übernahme den regional beschränkten Gebrauch des Lemmas zur Bezeichnung eines Gerichts als für den Benutzer eines zweisprachigen Wörterbuchs irrelevant, tilgt die Bedeutung ‘Goldhähnchen’ und fügt andererseits die Bezeichnung eines Sternbildes sowie eines Fisches hinzu: Ochsenauge, n. occhio di bue, bovino. It. Per simil. T. d’Arch. occhi [di bue], finestrella rotonda. §. T. d’Astr. Aldebaram. §. T. de’ Bot. occhio di bue, buttalmo. §. T. de’ Nat. boga [pesce].
Die Veränderung der Artikelstrukturierung über die Hinzufügung weiterer Bedeutungen sowie deren logischere Strukturierung bei Valentini gegenüber seinem zweisprachigen Vorgänger Filippi mag der Artikel zu Hof belegen. Filippi (1817) Hof, s. m. gen. es, plur. Höfe, in Gebäuden, corte, cortile; (Herrnhof auf dem Lande) castello, villa, podere, signoria; – Bauernhof, Meyerhof, podere, tenuta; – it. la corte d’un principe; – […]; – die europäischen Höfe, le potenze d’Europa; – (Hofstaat) corteggio, seguito; – einem den Hof machen, far la corte ad alcuno, corteggiarlo; – ein Hof um die Planeten, alone, cerchio del sole, o della luna. Vollst. Wb. Hof, m. (hinter einem Gebäude), cortile, corte. §. (für das Federvieh), pollajo. It. Per simil. (um Mond und Sonne), alone. §. T. degli Anat. der Hof um die Brustwarzen, areola delle mammelle. 2) Per Meierei, fattoria, massaria, tenuta. It. Per Herrenhof, villa, podere, signoria; castello. […] 3) Per Feuerstelle, focolare, fuoco, famiglia. […] 4) der Hof eines Fürsten, la corte d’un principe. […]
Auf Hof in seiner Grundbedeutung lässt Valentini, nach der Ergänzung von Hof i. S. v. ‘Hühnerstall’ mit dem Äquivalent pollajo, das als notwendig erachtet wird, da sonst sowohl beim Hin- als auch beim Herübersetzen Fehler auftreten können und das semantisch nah an der Bedeutung zu ‘Hof hinter einem Gebäude’ liegt, mit ‘alone’ und ‘areola delle mammelle’ zwei Bedeutungen folgen, die nah an der Grundbedeutung von Hof i. S. v. ‘abgegrenzte Umgebung um etwas herum’ liegen.
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Es folgen, durch Ziffern stärker abgesetzt, die Bedeutungen von Hof, die mit der frequentesten sowie der Grundbedeutung weniger semantische Schnittmengen haben. Bei Filippi ist keine logische Abfolge der Bedeutungen zu erkennen. Auch fehlt eine klare graphische Absetzung, was die Distinktion und das Auffinden der jeweils in einem zu übersetzenden Text vorkommenden Bedeutung für den Nutzer erschwert.
a. Absetzung und Darstellung der Bedeutungen Die Absetzung der einzelnen Bedeutungen ist teilweise kohärent zur Darstellungsweise im italienisch-deutschen Teil, zeigt auf definitorischer und formaler Ebene aber auch grundlegende Abweichungen. Wie im italienisch-deutschen Teil folgt Valentini auch für Bedeutungsdifferenzierungen zu deutschen Lexemen häufig dem Schema Per [deutsches Synonym], [italienisches Äquivalent],
z. B. s. v. Dorn. […] «§. Per Dornstrauch, spino», wobei der Wechsel der Metasprache zu beachten ist, der hier auf eine überwiegend auf den italienischen Benutzer ausgelegte Anlage des deutsch-italienischen Teils hinweist. Auch die schwächere Strukturierung mit it. ist zu finden (cf. die oben zitierten Beispiele zu Ochsenauge und Hof ), ebenso die Kennzeichnung bildhafter und übertragener Bedeutungen durch fig. etc. (z. B. im zitierten Artikel zu Stimme). Wie etwa die Beispiele zu Hof oder zu Ochsenauge belegen, wird das gleiche System von diasystematischen Markern verwendet. Eine bedeutende Abweichung der Bedeutungsabsetzung auf formaler Ebene liegt, dem von Adelung eingeführten System folgend (cf. Dill 1992, 317–318), in der Bezeichnung der einzelnen Bedeutungen mit Ziffern: Gliedkraut, n. T. de’ Bot. erba giudaica. 2) siderite. 3) be [sic!]tonica. 4) asperula odorata.²⁵⁴
254 Die Aufzählung der unterschiedlichen Pflanzen, die diese Bezeichnung tragen, stimmt mit der bei Adelung nicht exakt überein. Dessen Artikel lautet: «Das Gliedkraut, des -es, plur. inus. außer von mehrern Arten, die -kräuter. 1) Eine Pflanze, von welcher einige Arten in Deutschland, andere aber in wärmern Gegenden wachsen; Sideritis L. Besonders diejenige Art, welche auch unter dem Nahmen des Berufkrautes bekannt ist; Sideritis Scordioides L. 2) Eine andere Pflanze eben dieser Classe, welche am häufigsten Betonien genannt wird; Betonica officinalis L. 3) Das
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Im Vergleich zum italienisch-deutschen Teil, wo die Nummerierung eine Ausnahme darstellt, ist sie hier die Regel, es lassen sich jedoch ebenso unnummerierte, nur mit §. bzw. mit it. abgesetzte Bedeutungsdifferenzierungen und Mischformen finden, z. B. in den zitierten Artikeln zu Stimme oder Hof. Dort werden die Bedeutungen, die aufgrund von Analogien einzelner Bedeutungskomponenten semantisch nah aneinander liegen, mit einzelnen Paragraphen unterhalb einer Ziffer zusammengefasst. Auf die Ziffer kann, wie im zitierten Beispiel zu Gliedkraut, direkt das italienische Äquivalent der jeweiligen Bedeutung oder aber die volle Angabeform mit Per [deutsches Synonym], [italienisches Äquivalent] etc.
folgen, wie z. B. s. v. Stimme. Unterschiede gegenüber dem italienisch-deutschen Teil zeigen sich auch auf definitorischer Ebene. Neben der beschriebenen Technik, die Unterbedeutung durch ein synonymes ausgangssprachliches Lexem einzugrenzen, greift Valentini im deutsch-italienischen Teil häufig auf die Methode zurück, eine Bedeutungseingrenzung in Klammern in deutscher Sprache vor das italienische Äquivalent zu stellen. Ein Beispiel hierfür bietet der Artikel zu Höcker: Höcker, m. (auf der Erde), scabrosità, alzata. It. (eines Kamels u. s. w.), gobba. §. (am Hirschgeweih), bitorzolo. §. T. degli Anat. (am Elbogen), olecrano. §. (an Gußarbeit), bava. §. (eines Menschen), gobba, scrigno.
Diese Angaben grenzen den Gebrauchskontext des deutschsprachigen Lemmas in der jeweiligen Bedeutung ab. Ihrer Funktion nach gleichen diese Angaben also denen, die im italienisch-deutschen Teil in der Zielsprache auf das Äquivalent folgen, unterscheiden sich von diesen aber durch Position und Sprache. Es lassen sich verschiedene Hypothesen dazu aufstellen, warum Valentini diese Form im deutschen Teil häufiger gegenüber der durch deutschsprachige Synonyme wählt. An vielen Stellen scheint dies aus einer Notwendigkeit heraus zu geschehen, nämlich wenn es kein Synonym gibt, sondern, insbesondere bei fachsprachlichen Gebrauchsweisen, eine längere Definition nötig wäre. Hierbei mag auch die lexikographische Tradition der einsprachigen Grundlagenwerke eine Rolle spielen: Während die Wörterbücher der Cruscatradition zur Definition häufig mit Synonymen arbeiten, die Valentini übernehmen kann, verwendet Adelung
Eisenkraut; Stachys annua L. 4) Das Behen; Cucubalus Behen L. Alle diese Pflanzen führen diesen Nahmen wegen ihrer Wirkung wider die Gicht oder Gliederkrankheit».
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längere semantische Paraphrasen, die in einem zweisprachigen Wörterbuch nicht zu adaptieren sind. Eine weitere Strategie der Bedeutungsdifferenzierung auf definitorischer Ebene ist die Angabe über einen konstruierten Beispielsatz nach dem Schema Per [deutsches Synonym], p. e. [deutsches Beispiel], [italienische Übersetzung des deutschen Beispiels],
z. B. s. v. Kehle: «§. Fig. Per Stimme, p. e. sie hat eine schöne Kehle, ella ha una bella voce». Hierbei erfolgt keine Einzelübersetzung des Lemmas. Diese Art der Bedeutungsabgrenzung ist im italienisch-deutschen Teil so nicht bzw. seltener zu finden, sondern scheint aus der deutschen Lexikographie übernommen. Beispiele zur semantischen Explikation, die gegenüber einer Definition «überdieß auch den Vortheil haben, daß sich der grammatische Gebrauch eines Wortes, und dessen Verbindung mit andern» (Adelung 1783, X) daraus ablesen lässt, und die dem Nutzer «zugleich Hinweise für sein sprachliches Handeln» (Dückert 1984, 226) geben, sind konsequent bereits in Adelung angelegt.²⁵⁵ Neben Beispielen wie dem zitierten Ausschnitt s. v. Kehle, also «vollständige[n] Sätze[n] mit finiten Verbformen, die gewissermaßen sprachliche Realisierungen darstellen» (Dill 1992, 336), gibt Valentini besonders häufig infinite Konstruktionen, mehr oder weniger feste lexikalische Verbindungen unterschiedlicher Idiomatizität, die die lemmatisierte Einheit frequent eingeht, an (cf. dazu Kapitel 7.5.8). Ein Beispiel bietet der Artikel zu stillen, in dem die einzelnen Bedeutungsnuancen des Verbs – ‘etw. zum Stillstand bringen’, ‘jdn. beruhigen’, ‘einen Säugling an der Brust Muttermilch trinken lassen’ (Definition aus DUDEN, s. v.), ‘(ein Bedürfnis) befriedigen, zum Aufhören bringen’ – nicht durch metalexikographische Mittel, sondern lediglich durch solche Beispiele abgesetzt werden. Stillen, v. a. calmare, quietare, acchetare, abbonacciare, tranquillare; sedare. §. das Blut stillen, stagnare, ristagnare il sangue. §. die Thränen stillen, asciugare le lagrime, far cessare di piangere. §. das Meer stillen, abbonacciare, calmare il mare. §. Einen stillen, far tacere alcuno. §. ein Kind stillen, quietare, tranquillare un bambino. It. Dargli la poppa. §. Fig. einen Aufruhr stillen, sedare, calmare un ammutinamento. §. den Durst stillen, spegnere, cavarsi la sete, dissetarsi. §. den Hunger stillen, sbramare, cavare, cavarsi la fame; sfamarsi. §. den Schmerz stillen, calmare, acchetare il dolore. §. die Begierde stillen, soddisfare, saziare, sbramare, appagare, cavarsi la voglia. §. die Leidenschaften stillen, calmare, acchetare le passioni. §. die Gemüther stillen, calmare, acquetare, rappacificare gli animi. §. die Gläubiger stillen, contentare, soddisfare i creditori. […]
255 Zu dieser Technik bei Adelung cf. Dill (1992, 330–361). Zu bedeutungsdeterminierenden Beispielsätzen in der modernen Metalexikographie cf. Zöfgen (1986, 227).
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Wie der Ausschnitt zeigt, ist es in vielen Fällen im Vollständigen Wörterbuch nicht möglich, gewöhnliche illustrierende Beispielsätze sowie Kollokationen von der Abgrenzung einer eigenen Bedeutung durch ein Beispiel zu unterscheiden, da nicht immer wie im aufgezeichneten Schema eine Eingrenzung durch ein Synonym erfolgt. Es kommt auch vor, dass ein zur Definition eingesetztes Beispiel wie ein illustrierender Beispielsatz oder eine Kollokation isoliert steht. Zumeist, jedoch nicht konsequent, wird es jedoch hiervon abweichend durch eine Ziffer abgegrenzt, z. B. s. v. heftig: «2) ein heftiger Mann, uomo collerico, pronto, facile all’ ira, impetuoso». Bisweilen wird es wie eine weitere Bedeutung abgesetzt, wenn ein mögliches italienisches Äquivalent einer anderen Stilebene angehört, z. B. s. v. Hochzeitkleid «it. poet. abito nuziale».
b. Ergänzung von Bedeutungen Auf die Ergänzung von Bedeutungen, die frühere Wörterbücher nicht verzeichnen, kann hier für den deutsch-italienischen Teil nicht vertieft eingegangen werden. Gegenüber den einsprachigen Referenzwerken sei nur auf die oben zitierten Zusätze in den Artikeln zu Hof und Ochsenauge verwiesen. Gegenüber Filippi sei die Erweiterung um zahlreiche Bedeutungen aus Fachsprachen erwähnt, z. B. s. v. aufblicken um eine Bedeutung aus der chemischen Fachsprache: «§. T. di Chim. das Goldkorn blickt auf, l’oro risplende», während Filippi nur «alzare gli occhi, guardare in alto all’insù’ verzeichnet.
7.5.7 Die Äquivalentposition Das Herzstück und konstituierende Element eines zweisprachigen Wörterbuchartikels stellen ohne Zweifel seine Übersetzungsäquivalente dar. Exemplarisch aus der metalexikographischen Literatur sei hierzu lediglich aus den Studienbüchern von Marello und Engelberg/Lemnitzer zitiert: «I traducenti, cioè le parole in lingua d’arrivo corrispondenti alla parola-lemma in lingua di partenza, sono il cuore della glossa del dizionario bilingue» (Marello 1989, 51). «Das Herzstück eines jeden zweisprachigen Artikels sind die Übersetzungsäquivalente zu den Lesarten der ausgangssprachlichen Lemmata oder Sublemmata» (Engelberg/Lemnitzer 4 2009, 211). Bezüglich des Status von Äquivalenten und der Anforderungen, die an sie gestellt werden, ist zu unterstreichen, dass sie nicht als Definitionen des Lemmas in einer anderen Sprache betrachtet werden dürfen (cf. z. B. Herbst/ Klotz 2003, 109). Vielmehr werden mit der Wahl eines Äquivalents zum Lemma Einheiten aus zwei Sprachen miteinander in eine Relation gesetzt, die Marello
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als «sinonimi in un sistema linguistico diverso» (1989, 51) beschreibt. Übersetzungsäquivalente sind im Verhältnis zum Lemma funktionell Wörter, «die in einem Text in einer Sprache L2 als Entsprechung von Wörtern einer L1 verwendet werden können» (Herbst/Klotz 2003, 110; cf. auch Engelberg/Lemnitzer 4 2009, 211). Nicht immer sind das Herstellen einer entsprechenden Relation und das Auffinden einer passenden lexikalischen Einheit befriedigend lösbar. Nur teilweise bestehende oder völlig fehlende Äquivalenz – z. B. aufgrund abweichender Distinktionsmerkmale, Fällen von Divergenz und Konvergenz und zwischen L1 und L2 abweichenden Kollokationen im ersten und insbesondere kulturspezifisch geprägten Wortschatzes, aber auch onomasiologischen Lücken im zweiten Fall (cf. z. B. Kromann/Riiber/Rosbach 1991, 2717–2718; Svensen 1993, 143–145; zur Schwierigkeit der Übersetzung von kulturspezifischem Wortschatz Svensen 1993, 153–155 und besonders Schnorr 1986) – machen eine zusätzliche Kennzeichnung des Äquivalents bzw. den ergänzenden oder ersetzenden Rückgriff auf Glossen notwendig. Entsprechend werden auf metalexikographischer Ebene und je nach Gebrauchsrichtung des Wörterbuchs zwei Arten von Äquivalenten unterscheiden: das translational und das explanatory equivalent, wobei ersteres besteht aus einer «lexical unit which can be immediately inserted into a sentence in the target language» (Al-Kasimi 1977, 60), während letzteres «tends to be similar to a definition or description» (Al-Kasimi 1977, 60; die Unterscheidung geht zurück auf Zgusta 1971, 318–325). Im Finden der passenden Äquivalente liegt die vielleicht größte Herausforderung für den Verfasser eines zweisprachigen Wörterbuchs und seine Leistung ist vor allem an der Bewältigung dieser Herausforderung zu messen,²⁵⁶ auf die Valentini selbst im Vorwort des Vollständigen Wörterbuchs unter §. 8 hinweist: «Wir müssen hier eine nicht geringe Schwierigkeit berühren, die sich einem Lexicographen zweier Sprachen in den Weg stellt. Es ist die Schwierigkeit, für die Wörter der einen Sprache die entsprechenden gleichbedeutenden und gleichgeltenden in der andern aufzufinden». (Vollst. Wb., vol. 1, LXXVIII)
An gleicher Stelle geht er auf das Problem von Definitionen als Äquivalenten ein: Die «langen Umschreibungen, wie sie in den Wörterbüchern an der Tagesordnung sind, [setzten] den Leser in Verzweiflung, dem es auf einen gleichbedeutenden Ausdruck ankommt und nicht auf eine Definition der Sache» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXVIII).²⁵⁷
256 Für den nachdrücklichen Hinweis auf diesen Aspekt danke ich Susanne Kolb. 257 Cf. hierzu auch das in der Raccolta s. v. primarola ausgedrückte Ziel, die «sempremai disgrata circonlocuzione» zu vermeiden. An dieser Stelle sei ein Brückenschlag zur modernen Meta-
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7.5.7.1 Verbesserungen gegenüber den Vorgängern Ein Vergleich mit den Vorgängern Jagemann und Filippi zeigt, dass es Valentini tatsächlich in vielen Fällen gelingt, im Bereich der Äquivalente eine Verbesserung vorzunehmen.²⁵⁸ Unter Verbesserung ist dabei zum einen zu verstehen, dass er eine reflektiertere Lösung der o. g. Problembereiche erreicht, welche zweisprachige Wörterbücher jeder Zeit betreffen und über welche die heutige Metalexikographie nachdenkt, zum anderen, dass er den eigenen, im Vorwort ausgedrückten Anspruch erfüllen und eine Lösung für die speziellen Herausforderungen an die Lexikographie des 19. Jahrhunderts anbieten kann. Dies schließt ein, dass im Vergleich zu den Vorgängern fehlende Äquivalente ergänzt, modernere und wo möglich solche Einheiten als Äquivalente verwendet werden, die sich direkt in einen zielsprachigen Text einsetzen lassen. Schließlich ist auch schlichtweg die Korrektheit der Äquivalenzbeziehung und der in Äquivalentposition präsentierten Einheiten zu überarbeiten. Ohne Zweifel hat Valentini sich auch für die Äquivalente an Filippi und Jagemann orientiert und sie in einigen Fällen nachweisbar als Ausgangspunkt genommen. Übereinstimmungen sind unvermeidlich in den Fällen, wo klare Eins-zuEins-Übersetzungen möglich sind und v. a. dort, wo das entsprechende Lexem in beiden Sprachen zum Allgemeinwortschatz gehört.²⁵⁹ Fälle, an denen sich eine Übernahme des Äquivalents besonders gut nachweisen lässt, sind Artikel zu Lemmata, die mit plurilexikalischen Äquivalenten wiedergegeben werden müssen, z. B. zu verticalità oder grandeggiare: Hier übersetzt Valentini wie Jagemann und Filippi mit ‘die scheitelrechte Richtung’ bzw. ‘groß thun; den großen Herrn spielen’. Trotz solcher Übernahmen sind die Übersetzungsäquivalente und ihre Anordnung im Vollständigen Wörterbuch jedoch der Teil der Mikrostruktur, in dem Valentini die höchste Freiheit von seinen Vorgängern beweist. Die Verbesserungen seien anhand einiger Beispiele veranschaulicht. Ein Artikel, in dem Äquivalente hinzugefügt werden, ist der zu versùto. Zusätzlich zu Filippis Übersetzung
lexikographie erlaubt, die ganz ähnlich fordert: «the dictionary should offer not explanatory parapharases or definitions, but real lexical units of the target language» (Zgusta 1984, 147). 258 Im Bereich der Äquivalente geht Filippi bereits über Jagemann hinaus. Cf. dazu die Reflexion im Vorwort, wo er schreibt, Jagemann sei häufig «unbestimmt in der Angabe des passenden italienischen Wortes für das deutsche […]. Auch ist die fremdartige Steifheit im italienischen Ausdrucke bey Uebersetzung deutscher Redensarten jedem gebildeten Italiener anstößig» (Filippi 1817, vol. 1, IV). 259 Allerdings finden auch hier Normanpassungen statt, z. B. auf Ebene der Orthographie. S. v. pane etwa findet sich bei Filippi Brot, bei Valentini Brod.
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mit ‘verschlagen, verschmitzt’ bietet Valentini, durch Semikolon von ersteren getrennt, ‘gewandt’ und ‘listig’ an. Veraltete bzw. nicht der Standardsprache entsprechende Übersetzungen werden getilgt. S. v. vertiginòso etwa streicht das Vollständige Wörterbuch ‘schwindlicht’ und lässt nur ‘schwindlig’ stehen. Eine genauere semantische Entsprechung des Äquivalents bei Valentini findet sich s. v. vespajòso, wo Filippi mit ‘schwammig’ übersetzt. Valentini dagegen wählt ‘löcherig, durchlöchert, schwammartig’, was passender ist, da ‘schwammig’ nicht die von vespajòso ausgedrückte Eigenschaft eines Schwammes betont, Löcher zu haben, sondern diejenige, weich und im übertragenen Sinne unpräzise zu sein. Neben den eigenen Studien kann Valentini auf die Hilfe von muttersprachlichen deutschen Mitarbeitern zurückgreifen, (cf. Kapitel 7.2.2.3), was natürlich für eine höhere Korrektheit der Äquivalente bürgt.²⁶⁰ Die Tendenz zum Ersetzen von explanatory durch translational equivalents sei am Artikel zu verticàle gezeigt. Statt Filippis Äquivalent ‘gerade über dem Haupt’ lautet Valentinis Übersetzung ‘scheitelrecht, senkrecht, lothrecht’. Die Äquivalente entsprechen der Wortart des Lemmas und sind direkt in eine Übersetzung einfügbar. Entsprechend findet eine Verbesserung der Äquivalente zu Adverbien statt, die bei beiden Autoren konsequent separat vom Adjektiv lemmatisiert sind. Während Filippi Äquivalente nach dem Muster ‘auf x Art’ anbietet, findet man bei Valentini eine Übersetzung, die dem Adjektiv entspricht, zumindest zugefügt und so als translational equivalent für die Textproduktion zur Verfügung gestellt. Ein Beispiel bieten die Artikel zu irrevocabilmente, irrevochevolmente, die bei Filippi als Äquivalent nur ‘auf eine unwiderrufliche Art’, bei Valentini ‘auf eine unwiderrufliche Art, unwiderruflich’ erhalten. Als entsprechender Vergleich mit Jagemann sei das Äquivalent aus dem Artikel zu trippajuola zitiert. Während dieser in Form eines explanatory equivalent recht umständlich formuliert, ‘die Kaldaunen zu verkaufen hat’, bietet Valentini die Bildung ‘eine Kaldaunenhändlerin’ an. In einigen Fällen ersetzt bzw. ergänzt das Vollständige Wörterbuch Äquivalente, die stilistisch bzw. der Varietät nach dem ausgangssprachlichen Lemma besser entsprechen.²⁶¹ Fachtermini beispielsweise übersetzt Filippi häufig nur
260 Sprachliche Fehler, insbesondere im Deutschen und hierbei vor allem im Bereich der Konstruktionen, finden sich jedoch auch bei Valentini in mehreren Artikeln. Cf. z. B. ‘eines Partei verlassen, von ihn abfallen’ als Übersetzung zu abbandonare un partito s. v. abbandonare oder ‘an Etwas verzweifelt haben’ zu Essere disperato di qualche cosa s. v. disperato. 261 Idealerweise entsprechen Lemma und Äquivalent sich im Wörterbuch auch auf konnotativer und stilistischer Ebene. Dann sind auch Marker erlässlich. Häufig ist dies jedoch nicht möglich (cf. Werner 1991, 2800).
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mit einem allgemeinsprachigen deutschen Lexem bzw. einer Phrase, Valentini fügt dagegen ein fachsprachlich markiertes Fremdwort als deutsche Übersetzung hinzu, etwa s. v. magràna, bei Filippi mit ‘einseitiger Kopfschmerz’, bei Valentini mit ‘die Migräne, der einseitige Kopfschmerz’ widergegeben. Das letzte Beispiel berührt zugleich das Problem, Fachtermini adäquat zu übersetzen. Das Prinzip, Definitionen zu vermeiden, das in der Einleitung des Vollständigen Wörterbuchs ausgedrückt wird, gilt zu dessen Entstehungszeit insbesondere für Fachtermini, denn der entsprechende Wortschatz ist in den beiden Sprachen nicht gleich gut ausgebaut, Äquivalente stehen in der Zielsprache nicht unbedingt zur Verfügung. Dazu ergänzt Valentini im Vorwort: «Die Ausdrücke der Wissenschaften, die der Künste, insonderheit aber die der Handwerke sind zuweilen ganz launenhaft gebildet und recht eigentlich nach dem Geist der einen gänzlich von der andern abweichenden Sprache geprägt» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXVIII). Um die kritisierten Definitionen anstelle von Äquivalenten im eigenen Wörterbuch zu vermeiden, hatte der Römer zum Zweck von Materialsammlungen sul campo 1829 die bereits erwähnte Reise durch Italien und Deutschland unternommen (cf. Kapitel 4.5.1 und 7.2.2). «So sind wir dahin gelangt, eine möglichst große Menge neuer Ausdrücke aus beiden Sprachen und bei vielen, die bisher weitläuftig [sic!] umschrieben wurden, die eigentlichen entsprechenden Uebersetzungen aufführen zu können» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXVIII). Ein Beispiel für den Fortschritt Valentinis in diesem Bestreben gegenüber seinen Vorgängern aus dem Bereich der Sektorialsprachen bietet der Artikel zu passacorde im italienisch-deutschen Teil. Filippi (1817) Passacôrde, s. m. ein Werkzeug der Sattler, um die Riemen durchzuziehen. Vollst. Wb. Passacôrde, m. T. de’ Vall. die Schnürnadel.
Valentinis Artikel zeigt nicht nur, wie ein Einwortlexem als Äquivalent eine Paraphrase ersetzt, sondern auch, wie Äquivalent und Markierungsetikett zusammenspielen und es ermöglichen, in gedrängter Form eine klare Bedeutungsbestimmung vorzunehmen. Als Beispiel aus der geisteswissenschaftlichen, hier poetischen Fachterminologie, sei einer der Artikel zu den unterschiedlichen Versfüßen aus dem Analysekorpus zitiert: Anfíbraco, m. T. di Poet. der Amphibrachys (dreisylbiger Versfuß ˘ – ˘).
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Während Jagemann im gleichen Artikel mit ‘ein Fuß in Versen, der aus einer langen, zwischen zwey kurzen Sylben, besteht’ lediglich eine Definition liefert, bietet Valentini auch in der Zielsprache ein Lexem, ein fachsprachlich markiertes Fremdwort, an. Als zusätzliche Information werden ein Marker sowie eine nachgestellte Definition beigefügt (cf. zu solchen Definitionen weiter unten Kapitel 7.5.7.2). Ein Beispiel aus der medizinischen Terminologie dagegen findet sich s. v. vertebràle. Die Mehrworteinheit artêrie vertebràli, bei Filippi definitorisch mit ‘Arterien, die neben dem Rückgrat nach dem Vorderhaupt gehen’ übersetzt, wird von Valentini mit einer deutschen Einwortform, dem Fachwort Wirbelarterien als Äquivalent versehen. Die Schwierigkeit, lexikalisierte Äquivalente für wissenschaftliche Fachtermini zu finden, betrifft um 1800 zumeist den deutsch-italienischen Teil. Ein Artikel, in dem Jagemann noch mit einer langen Definition arbeiten muss, ist der zu Ameisenbär bzw. zum Synonym Ameisenfresser. Ameisenbär wird mit ‘specie d’orso, ghiotto di formiche’ widergegeben, Ameisenfresser durch die lange, enzyklopädische Definition ‘quadrupede dell’America meridionale, che porgendo la lingua in fuori ne piglia le formiche, e sene ciba, detto da Linneo Myrmecophaga, e nel paese nativo Tamendoa’, die zudem den lateinischen Namen nach der Klassifikation Lynnés sowie den autochtonen Namen enthält.²⁶² Valentini dagegen kann auf weitere Definitionen verzichten und den entsprechenden Terminus mirmicofaga als Äquivalent wählen, der 1821 erstmals im Italienischen belegt ist (cf. DELI, s. v.). Ein Abgleich des Korpusausschnitts mit Jagemann und Filippi zeigt auch für die Äquivalente insgesamt eine deutlich größere Übereinstimmung mit dem Wiener Lexikographen. Veranschaulicht sei die Art der Unterschiede am Beispiel des Artikels zu attonato: Jagemann übersetzt hier mit ‘wozu aufgelegt von Natur, oder durch Erziehung und Gewohnheit’, Filippi mit ‘ganz zu etwas geeignet, ganz dazu geboren’ und Valentini, nah an letzterem, mit ‘ganz geeignet, ganz geboren, geschaffen zu Etwas’. Auffällig ist zudem, dass im italienisch-deutschen Teil der Anteil an direkten Übernahmen deutlich höher ist als im deutsch-italienischen.
262 Jagemann selbst weist im Vorwort zur zweiten Auflage auf die Schwierigkeiten bei der Wiedergabe von deutschen Fachtermini im Italienischen hin: Dort, wo er in seinen Primärreferenzen, der Crusca und D’Alberti, nicht fündig wird, habe er auf die Erfahrungen seines eigenen Italienaufenthalts zurückgegriffen, wo er eine Übersetzung der Geographie von Büsching ins Italienische angefertigt hatte. Außerdem habe er die Terminologie aus den Viaggi von Targioni Tozzetti herangezogen, die v. a. den Bereich der Mineralogie, der Geologie und der Naturwissenschaften abdeckten. Wo keine Entsprechungen zu finden gewesen seien, habe er eine Übersetzung der Definition von Adelung übernommen (cf. Jagemann 2 1803, Vorwort dt.-ital. Teil, nicht pag.).
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In letzterem kann Valentini seine Kompetenz als Muttersprachler bei der Wahl der Äquivalente sehr viel stärker einsetzen.
7.5.7.2 Umgang mit Problemfällen Im Folgenden soll unabhängig vom Vergleich mit den Vorgängern betrachtet werden, welche lexikographischen Lösungen das Vollständige Wörterbuch für die Fälle bietet, in denen Äquivalenzbeziehungen zwischen den beiden Sprachen nicht oder nur teilweise hergestellt werden können: bei partieller Äquivalenz, dem Fehlen von Äquivalenz sowie bei der Übersetzung von Idiomen. Zunächst soll, ausgehend von Fachtermini, jedoch aufgezeigt werden, dass auch Valentini die im eigenen Vorwort geschmähten Definitionen und Erläuterungen, bisweilen mit Tendenz zur Enzyklopädie, häufig anwendet.
a. Übersetzung von Fachtermini Die Übersetzung eines Fachterminus ist abhängig davon, ob ein ebenfalls fachsprachlich markiertes Lexem in der Zielsprache existiert und als wie verbreitet es vorausgesetzt werden kann. Fehlt ein entsprechendes Lexem, wird auf eine Definition ausgewichen. Im deutsch-italienischen Teil ist dies z. B. im Artikel zu Ruthengänger der Fall: Ruthengänger, m. T. de’ Min. minatore che cerca filoni colla bacchetta indovinatoria.
Das Lexem gehört zur Terminologie des Bergbaus, einem Sektor, in dem die deutschsprachigen Länder im betreffenden Zeitraum eine Vorreiterstellung einnehmen und in dem das Deutsche entsprechend über differenzierte Bezeichnungen verfügt. Interessant ist die Lösung zum deutschen botanischen Terminus Dornschwamm. Hier wird mit dem allgemeinsprachlichen Hyperonym spugnola übersetzt und zur Präzisierung die lateinische Bezeichnung nach der Klassifikation Linnés angegeben: Dornschwamm, m. T. de’ Bot. spugnola; agaricus mamosus. Lin.
Sehr häufig kommt es vor, dass das Vollständige Wörterbuch einen italienischen Fachterminus in Form eines Latinismus oder Gräzismus durch ein genuin deutsches, zur Allgemeinsprache gehörendes Lexem wiedergibt, was mit dem Problem zusammenhängt, dass die Zuordnung von Fachtermini eben zu Fachsprachen oder zur Allgemeinsprache in Ausgangs- und Zielsprache nicht immer übereinstimmt (cf. Scholze-Stubenrecht 1995, 7). Ein Beispiel bietet der untenstehende
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Artikel zu stenografía. In anderen Fällen, wie dem folgenden Artikel zu trinômio, werden sowohl das genuin deutsche als auch ein Fremdwort angegeben. Stenografía, f. die Geschwindschreibkunst. Trinômio, m. T. degli Algeb. eine dreinamige Größe, ein Trinom.
Eine andere Art von Entscheidung hat der Lexikograph zu treffen, wenn ein Äquivalent zu einem Terminus in der Zielsprache vorhanden, dort jedoch weniger verbreitet bzw. aufgrund von unterschiedlicher Bildung, unterschiedlichem Weltwissen der zielsprachlichen Benutzer bzw. der Bindung des Terminus an Kultur und Land der Ausgangssprache hier weniger bekannt ist (cf. ScholzeStubenrecht 1995, 15). In solchen Fällen fügt das Vollständige Wörterbuch, wie dies auch die moderne Metalexikographie diskutiert, diesem Äquivalent zumeist eine zusätzliche Erklärung bzw. Definition in eckigen Klammern bei: Triebsand, m. sabbia mobile [che cede al passo, che vien alzata dal vento]. Schmacke, f. T. di Mar. semacca [specie di barca Olandese].
Wie das zweite Beispiel zeigt, wird dabei bisweilen auf eine Definition mit «specie di» im Stile der Crusca-Lexikographie zurückgegriffen.²⁶³ Zufügungen zum Äquivalent tauchen jedoch sehr häufig auch dort auf, wo die Zielsprache über eine Übersetzung verfügt, die dem ausgangssprachlichen Terminus sowohl in der Markierung als auch in der Bekanntheit entspricht, wie im folgenden Beispiel aus dem italienisch-deutschen Teil: Dêlio, m. T. degli Spez. Adellium (ein Harz).
Besonders häufig wird eine Glosse dieser Art in Form eines Hyperonyms bei Fachtermini der Botanik, der Naturwissenschaften, der Astronomie oder auch einzelner Sektorialsprachen verwendet. Bei der Glossierung solcher Fachtermini, die für beide Benutzergruppen gleichermaßen bekannt bzw. dem nicht-fachlichen Nutzer unbekannt sind, stellt sich die Frage, ob ein Lexikograph, der im engeren Sinne ein Sprachwörterbuch erstellt, sich hier nicht auf eine bloße Übersetzung
263 Hierbei wird sowohl die Form spezie di als auch specie di verwendet. Erstere taucht ausschließlich im ersten deutsch-italienischen Band auf (im Analysekorpus insgesamt viermal), zweitere vorwiegend im zweiten Band (dort vier-, im ersten Band sechsmal). Es scheint im Laufe der Wörterbucherstellung eine Normierung der Sprache der Definitionen vorgenommen worden zu sein.
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beschränken sollte.²⁶⁴ In anderen Artikeln wird der im frühen 19. Jahrhundert insgesamt noch sehr viel weniger scharfe Übergang zur Enzyklopädie noch stärker überschritten. Im folgenden Artikel wird dem allgemeinsprachlichen mehrteiligen Äquivalent eine lange, wahrhaft enzyklopädische Ergänzung in Klammern beigegeben: Anfísci, m. pl. T. di Geogr. die zweischattigen Völker (zwischen den Wendekreisen, die in einer Jahreszeit ihren Schatten gegen Mittag, in der anderen gegen Mitternacht haben).
Die Hinzufügung solcher enzyklopädischer Informationen ist relativ häufig und muss als eines der Charakteristika des Vollständigen Wörterbuchs herausgestrichen werden. Hierin zeigt sich, wie in der möglichst umfangreichen Verzeichnung des Gesamtwortschatzes der beiden Sprachen Valentinis romantischer, frühpositivistisch motivierter didaktischer Anspruch. Bisweilen beschränken sich die enzyklopädischen Informationen formal nicht auf sprachliche Zeichen. Bereits unter 7.5.7.1 wurde der Artikel zu anfíbraco zitiert, der die metrische Struktur des Versfußes abbildet. Ähnliche Beispiele finden sich s. v. dêlta, wo ein Symbol angegeben und auf ein sprachliches Äquivalent völlig verzichtet wird, sowie im Artikel s. v. complesso (im Anhang, außerhalb des Analysekorpus), der eine Summenformel bietet: Dêlta, f. Grec. das griechische Δ. […] Complesso, agg. […] §. T. d’ Algebr. Quantità complessa, eine zusammengesetzte, vielnamige Größe [a+b+b+d].
b. Teiläquivalenz Für die lexikographische Lösung von nur partiell vorliegenden Äquivalenzbeziehungen sollen zwei Bereiche betrachtet werden: der Umgang mit Divergenz- und Konvergenzphänomenen sowie mit fehlender Äquivalenz auf konnotativer Ebene. Während Konvergenz für den Wörterbuchbenutzer i. d. R. kein Problem darstellt – er wird, ausgehend von der Struktur der Ausgangssprache, nur unter je-
264 Die moderne Metalexikographie erinnert diesbezüglich daran, dass «what is described in a dictionary is linguistic units, not phenomena in the world outside the language» (Svensen 1993, 163), räumt jedoch ein, dass es sich um «a clear distinction, not a complete separation» (ebd.) handele. Zusätzliche Informationen, die nicht mehr sprachabhängig sind und eigentlich bereits durch einen fachsprachlichen Marker hinreichend ausgedrückt sein müssten, werden als «extra service to the reader» (Svensen 1993, 166) beschrieben. Cf. z. B. auch Schnorr (1986, 56 und 60), die einen Ausschluss solcher Glossen empfiehlt.
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weils einer Form nachschlagen und das Wörterbuch leitet ihn direkt zum passenden Äquivalent – erfordern Fälle von Divergenz eine spezielle lexikographische Darstellung: «depending on the direction of translation – some more specific information must be given […] to avoid loss of information. […] [T]here is divergence when a lemma, contrasted with the lexical units of the target language, must be divided into several ‹sub-meanings› ». (Kromann/Riiber/Rosbach 1991, 2718)
Ein Beispiel von Divergenz für die Übersetzungsrichtung deutsch-italienisch bietet sich mit ledig, das im Italienischen mit celibe bzw. nubile übertragen werden muss. Das Vollständige Wörterbuch (Artikel außerhalb des Analysekorpus), stellt die partielle Äquivalenzbeziehung folgendermaßen dar: Ledig, agg.[…] 2) Per unverheirathet (von Männern), scapolo, non ammogliato, celibe. It. (von Frauenzimmern), nubile, non maritata. […]
Durch eine Glosse zum Lemma wird eine Bedeutungseingrenzung vorgenommen, um anzuzeigen, dass das Äquivalent ihm nur in dieser Teilbedeutung entspricht. Ein Beispiel von Teiläquivalenz aufgrund nicht übereinstimmender Distinktionsmerkmale im italienisch-deutschen Teil bietet folgender Artikel: Delirante, part. att. irre redend, phantasirend (in einer Krankheit).
Durch eine Glosse zum Äquivalent wird dessen Bedeutung so eingegrenzt, dass Äquivalent und Glosse in der Summe der Bedeutung des ausgangssprachlichen Lemmas entsprechen. Beides sind Techniken, die auch in der modernen Metalexikographie beschrieben werden (cf. z. B. Kromann/Riiber/Rosbach 1991, 2718). Der zweite Bereich von Teiläquivalenz betrifft Unterschiede in Konnotation und Stilebene. «L’équivalence parfaite implique un même niveau de dénotation, c’ést a dire la référence à un même élément de la réalité extérieure, et un même niveau de connotation, c’est à dire le même réseau d’associations culturelles liées au terme dans les deux langues». (Duval 1991, 2818–2819)
Wenn Lemma und Äquivalent die gleiche Konnotation besitzen, ist keine gesonderte Markierung nötig. Bei Abweichungen kann durch die Arbeit mit Markern zum Äquivalent eine Lösung gefunden werden. Ein Beispiel im deutsch-italienischen Teil bildet folgender Artikel: Gefährlich, agg. pericoloso, Poet. periglioso; […]
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Hier ist das Lemma unmarkiert. Zusätzlich zum ebenfalls unmarkierten ersten Äquivalent pericoloso wird mit periglioso auch eine stilistisch markierte Übersetzungsmöglichkeit angegeben, die durch Poet. entsprechend gekennzeichnet ist. Im folgenden deutsch-italienischen Beispiel dagegen wird einem markierten Lemma ein unmarkiertes Äquivalent zugeordnet. Die Markierung des Lemmas ist an diesem durch Marker angezeigt, die Übersetzung entspricht dem unmarkierten Synonym. *Pascipéco, m. (im Scherz) Für Membro virile, das männliche Glied.
Es handelt sich um ein Lexem, das aufgrund seines Belegs bei Franco Sacchetti lemmatisiert wird.
c. Fehlen von Äquivalenz In Fällen fehlender Äquivalenz bieten sich dem Lexikographen zwei grundlegende Möglichkeiten für die Wiedergabe des Lemmas in der Zielsprache. «One method emphasizes the expressional aspect, and is applied when there is a word which, at least as a last resort, can act as a counterpart in the target language. It is then necessary to add some sort of explanation or at least to point out that the counterpart proposed is an approximate one. The other method emphasizes the content aspect, and is applied where no approximate counterpart is available. The meaning is then given by means of a definition or explanation». (Svensen 1993, 153)²⁶⁵
Äquivalente fehlen insbesondere zu Lexemen, deren Inhaltsseite eng an die Kultur der Ausgangssprache gebunden ist. Valentinis Umgang damit sei exemplarisch am Bereich des gastronomischen Wortschatzes vorgeführt. Zu ihrer lexikographischen Behandlung ist zu hinterfragen: Inwieweit ist der Referent in der Kultur der Zielsprache zur gegebenen Zeit bekannt? Gibt es bereits ein Lehnwort? Als wie verbreitet kann dieses vorausgesetzt werden (cf. Schnorr 1986, 58–59)? Auf das Problem der Übersetzung von kulturgebundenem Wortschatz geht auch Valentini selbst in den Dialoghi, in einem fiktiven Gespräch mit seinem Schüler über Küchengewächse, ein (cf. Dialoghi, 389–390; zitiert in Kapitel 6.3.1): Eine Übersetzung von deren Bezeichnung allein nutze nicht viel, wenn der Fremdsprachenlerner den Referenten nicht kenne. Dementsprechend arbeitet auch das
265 Cf. auch Schnorr (1986, 55–56), die die Entscheidung «whether to give an explanation, an equivalent, or an equivalent plus an explanation» (Schnorr 1986, 55) aus praktischer Perspektive diskutiert.
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Vollständige Wörterbuch selbst dort, wo die Zielsprache im frühen 19. Jahrhundert für ein kulturgebundenes Lemma bereits ein Lehnwort besitzt, häufig zusätzlich mit einer erläuternden Glosse. Ausgangsbasis für die Zusammenstellung der folgenden Beispiele ist Valentinis eigene Auswahl im Italienischen Lehrer, der eine «Raccolta dei più occorrevoli Vocaboli. Sammlung der nothwendigsten Wörter» enthält (cf. Ital. Lehrer, vol. 1, 330–354), die um weitere Artikel außerhalb des Analysekorpus ergänzt wurde. Die Sammlung enthält eine ganze Reihe von Bezeichnungen von Pastasorten (cf. Ital. Lehrer, vol. 1, 334), die sich, zusammen mit weiteren, auch im Vollständigen Wörterbuch wiederfinden: Fettuccíne, f. pl. sehr feine Nudeln, Fadennudeln. Laságna, f. eine dünne und breite Nudel: Lasagna è pasta di farina di grano, che si distende sottilissimamente sopra graticci, e si secca per cibo; ovvero si taglia a lunghi nastri quando è fresca, i quali si cuocono poscia nel brodo. Maccheroni, m. pl. Makaroni, italienische Nudeln. […] Pappardêlle, f. pl. Pappardellen (fein geschnittene Nudeln, in Brühe gekocht). Raviuôli, m. eine Fastenspeise (von Eiern, Käse und Kräutern). Tagliolini, m. pl. [Pappardelle], flache Nudeln. […]
Für die Übersetzung werden unterschiedliche Strategien gewählt. Nur zu maccheroni und pappardelle wird als Äquivalent eine orthographisch bzw. morphologisch adaptierte Entlehnung angegeben. Dass Makkaroni zur Entstehungszeit des Wörterbuchs in Deutschland verbreitet und beliebt waren, wird auch im Artikel zu Nudel in Adelung²⁶⁶ oder beispielsweise in der Beschreibung der Feste der Società italiana von Schnakenburg (cf. Fußnote 29, Kap. 4) belegt. Dennoch
266 «Die so beliebten Maccaroni der Italiäner sind nichts anders als Nudeln» (Adelung 1793–1801/1975, s. v. Nudel). Die Entlehnung Maccaroni ist ab dem 15. Jahrhundert in unterschiedlichen Varianten im Deutschen belegt, ab dem 19. Jahrhundert weiter verbreitet (cf. DIFIT, s. v. maccarone). Zu pappardelle ist dagegen im DIFIT kein Italianismus im Deutschen verzeichnet. Das Vollständige Wörterbuch könnte hier als zusätzliche Quelle herangezogen werden. Dass sich seine Entlehnung jedoch nicht durchgesetzt hat – was damit zusammenhängen mag, dass die Pastasorte bereits in Italien nur in der Toskana verbreitet und in Deutschland kaum bekannt ist – zeigt sich auch darin, dass selbst heutige Wörterbücher wie der PONS zum italienischen Lemma statt eines Äquivalents lediglich eine Erklärung geben: «gastr ‘breite, gewellte Bandnudeln»’, s. v. pappardèlla.
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wird dem Äquivalent als zweite Übersetzungsmöglichkeit eine Definition in Form eines deutschen Hyperonyms zugefügt. Auf das Äquivalent Pappardellen folgt, in runden Klammern, ebenfalls eine Definition, die auch die Zubereitungsart der Pasta einschließt und eher eine zusätzliche enzyklopädische Information darstellt. Fettuccine wird mit einer Paraphrase als Äquivalent sowie dem deutschen Kompositum Fadennudeln (cf. hierzu auch Adelung 1793–1801/1975, s. v.) übersetzt, tagliolini nur mit einer Paraphrase. Zu raviuôli wird ein Hyperonym als Äquivalent angegeben, das um eine enzyklopädische Information in runden Klammern ergänzt wird. Interessant ist der Artikel zu laságna. Auch hier wird lediglich eine Paraphrase als Äquivalent angegeben, auf diese folgt jedoch, in der Art eines unübersetzten Autorenbeispiels, eine lange Definition in italienischer Sprache. Diese ist dem Wörterbuch von Bologna entnommen, findet sich in ihrem ersten Teil so jedoch bereits in der zweiten Ausgabe des Crusca-Wörterbuchs von 1623.²⁶⁷ Weitere Beispiele von gastronomischem Wortschatz im italienisch-deutschen Teil sind: Brôccolo, m. die neue Sprosse, der Schößling an Kohlstauden im Anfange der Blüthe. It. der italienische Spargelkohl (von einer bläulich weißen, römischen und schwärzlichen, neapolitanischen, Kohlart). §. Un piatto di broccoli, eine Schüssel Kohlsprossen. Mascarpone, m. eine Art Gericht aus Sahne (in der Lombardei). Mortadella, f. Mortadello, m.
} die Mortadelle (eine Art geräucherter Wurst).
Parmigiano, m. Formaggio Parmigiano, der Parmesankäse. Pizza (tsa), f. eine Art Kuchen. […] *Polênda, Polênta
}
f. Maismehl. It. La polenta, die Polenta (ein Gericht davon): Mangeremo un piatto di delicata polenta, col cacio e ’l butirro.
Polentina, f. dim. eine appetitliche Polenta: Oh, buona eh, quella polentina. Ricotta, f. gelabte Milch zu süßem Käse; it. eine Art köstlicher Käse.
267 Lasagne ist als Italianismus im Deutschen ab 1808–09 im Verdeutschungswörterbuch von Campe belegt, cf. DIFIT s. v. lasagne.
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Entlehnungen als Äquivalente werden zu mortadella, parmigiano und *polênda, polênta angegeben.²⁶⁸ Es überrascht, dass dagegen für brôccolo auf eine Entlehnung als Äquivalent verzichtet wird, denn Broccoli ist, zusammen mit Parmesankäse, die einzige Übersetzung zu einem der zitierten Lemmata, die sich bei der Gegenprobe als Lemmata im deutsch-italienischen Teil wiederfinden: Broccoli, m. [Spargelkohl], broccoli. Parmesankäse, m. formaggio, cacio parmigiano, lodigiano.
Stattdessen wird auf eine extrem ausführliche, enzyklopädische Definition zurückgegriffen. Bezüglich des Artikels zu *polênda, polênta sei auf das konstruierte Beispiel hingewiesen. Ein solches findet sich auch zu polentina, dessen Äquivalent den italienischen Diminutiv durch ein wertendes Adjektiv widergibt. Die übrigen Lexeme werden mit Definitionen übersetzt,²⁶⁹ wobei häufig auf die Form der Crusca, specie di, auf Deutsch eine Art, zurückgegriffen wird. Die Artikel zu den Käsesorten mascarpone und ricotta tendieren erneut zum Enzyklopädischen. Die Formulierung mit eine Art + Gen innerhalb einer Erklärung, die anstelle eines Äquivalents gegeben wird, zusammen mit einem Werturteil, findet sich auch in mehreren Artikeln zu Eigennamen typischer Produkte, z. B. s. v. artimíno und colmár: Artimíno, m. ein vorzüglicher toskanischer Wein. Colmár, f. eine Art schöner toscanischer Birnen.
Im deutsch-italienischen Teil fällt auf, dass Definitionen anstelle von Äquivalenten wesentlich seltener sind, sondern Valentini eher ein Lehnwort verwendet oder ohne zusätzliche einschränkende Erklärungen mit einem italienischen Lexem übersetzt, das einen ähnlichen Referenten der Kultur der Zielsprache bezeichnet.
268 Der Italianismus Mortadella, in unterschiedlichen Varianten, ist im Deutschen seit 1728 belegt (cf. DIFIT, s. v. mortadella). Parmesan ist über das Französische, wo die Entlehnung bereits im 16. Jahrhundert belegt ist, ins Deutsche eingegangen (cf. DIFIT, s. v. parmigiano). Polenta findet sich ab 1614 im Deutschen belegt, cf. DIFIT s. v. polenta, Brokkoli bzw. Broccoli ab 1806, cf. DIFIT s. v. broccoli. 269 Wie ein Vergleich mit dem DIFIT zeigt, stehen sie zur Entstehungszeit des Vollständigen Wörterbuchs noch nicht als etablierte Entlehnungen im Deutschen zur Verfügung. Mascarpone und Pizza sind erstmals 1879, Ricotta ab 1838 belegt (cf. DIFIT, s. v.). Kurios ist, dass Valentini im deutsch-italienischen Teil den gastronomischen Begriff Lohkuchen mit pizza übersetzt.
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Bretzel, f. ciambella; it. bracciatello, bracciatella. Sauerkohl, Sauerkraut
} n. salcraut, cavoli sotto aceto.
Strudel, m. […] 2) frittella. Weihnachtsstolle, f. pangiallo, focaccia di Natale. Würstchen, n. dim. salsicetta, piccolo sanguinaccio.
Bei einer solchen Praxis erhält der Wörterbuchnutzer zwar direkt ein Lexem in der Zielsprache, das er in einen Text einsetzen kann. Es ist jedoch mehr als fraglich, ob ein italienischer Nutzer, der z. B. das Äquivalent ciambella oder bracciatello erhält, damit auf den Referenten zum deutschen Bretzel schließen wird. Eine mögliche Erklärung für die weniger präzise lexikographische Bearbeitung könnte darin liegen, dass das Vollständige Wörterbuch bei diesen Lexemen eher den deutschen Benutzer im Auge hat, der in die Fremdsprache Italienisch übersetzt. Eine zusätzliche Glosse in eckigen Klammern enthält schließlich der Artikel zu Milchreis. Milchreis, m. riso col latte [sorta di Pietanza Tedesca].
Das Lemma wird wörtlich mit einer italienischen Mehrworteinheit übersetzt, doch da der Referent unbekannt und die Vorstellung, Reis mit Milch zuzubereiten, für den italienischen Nutzer wohl eher befremdlich ist, wird die Glosse «[sorta di Pietanza Tedesca]» beigegeben. Ein weiterer Bereich kulturgebundenen Wortschatzes, der nicht unbedingt mit einem einfachen zielsprachlichen Lexem wiedergegeben werden kann – selbst dann nicht, wenn ein solches existiert – umfasst die sprachlichen Einheiten, deren Verständnis stark von der Bildungstradition und dem Weltwissen der ausgangssprachlichen Kultur geprägt ist, also beim Sprecher der Zielsprache nicht unbedingt vorausgesetzt werden kann (cf. Scholze-Stubenrecht 1995, 15; Schnorr 1986, 59–60). Zu Valentinis Umgang hiermit sei ein Beispiel aus dem italienisch-deutschen Teil angeführt. Es betrifft den konkreten Bereich der Maße, Münzen etc. Das italienische carlino lässt sich zwar durch Karolin in einer 1 : 1–Übersetzung wiedergeben, doch fehlt einem deutschen Wörterbuchbenutzer das Weltwissen, die Währungseinheit einzuordnen. Um diese Lücke auszugleichen, um also eine Äquivalenz auch auf Wissensebene herzustellen, gibt Valentini dem entsprechenden Artikel eine ausführliche Glosse bei, die enzyklopädische Informationen zur Etymologie der Bezeichnung der Münze ebenso
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enthält wie Hinweise zu ihrem Wert im Vergleich zur preußischen Währung, zu ihrer Unterteilung in eine Unterwährung sowie zur unterschiedlichen regionalen Verteilung:²⁷⁰ Carlino, m. ein Karolin (Neapolitanische Silbermünze, von Karl VI. so benannt. Sie ist bezeichnet mit 10 grani, ein grano ist 3 Pfennige, doch hat man sie auch zu 5, 20, 60 und 120 grani. §. Der Römische und Florentinische Carlino gilt 2 gr. 8 pf. §. Carlino o Carolina d’oro, in Sardinien eine Goldmünze, gilt 12 Thlr. 3 gr. Tour. [schließende Klammer fehlt im Original]
Für den deutsch-italienischen Teil seien schließlich noch die Äquivalente einiger Einzellexeme wiedergegeben, die bis heute als besonders schwer übersetzbar gelten, da sie an nationalpsychologische Konzepte gebunden bzw. in ihrer Wortbildung stark idiomatisch sind. […] §. Sich worauf freuen, star aspettando q. c. con la massima impazienza, rallegrarsi d’avere, di vedere ec. q. c., non poter aspettare il momento. Heimath, f. patria, paese, luogo natale. […] Sehnsucht, f. brama, bramosia, anelito; desiderio intenso, vivo. […] Strohwittwe, f. persona abbandonata. It. consorte soletta [il cui marito è in viaggio]. Strohwittwer, m. marito soletto, abbanadonato [la cui moglie è in viaggio]. §. ich bin jetzt Strohwittwer, ora son solo soletto.
d. Phraseologie und Idiomatik Bei der Wahl von Äquivalenten zu Sprichwörtern und idiomatisierten Wendungen ist der Lexikograph bestrebt, entsprechend ebenfalls mit einem idiomatischen Ausdruck, wenn möglich unter Beibehaltung der gleichen oder zumindest einer ähnlichen Bildlichkeit zu übersetzen (cf. den Praxisbericht zum deutsch-englischen Wörterbuch von Scholze-Stubenrecht 1995, 10–11; cf. auch Duval 1991, 2822–2823 sowie Svensen 1993, 156–157). Valentini selbst schreibt dazu im Vorwort, man könne erwarten, «daß er ihre intensive und extensive Bedeutung bemerke, daß er ihren eigentlichen Gehalt mit andern entsprechenden wiedergebe» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXIX).
270 Zu enzyklopädischen Informationen bei solchen kulturspezifischen Fragen, besonders im passiven Wörterbuch, cf. auch Svensen (1993, 165).
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Beispiele aus dem italienisch-deutschen Teil, in denen bildhafte Phraseologismen mit anderen bildhaften in der Zielsprache wiedergegeben werden können, finden sich s. v. gránchio: Gránchio, m. [Gambero], der Krebs. […] §. Pigliare un granchio, Pigliar un granchio a secco, einen Bock schießen. It. sich verfehlen. […] §. Prov. 3. I Granchi vogliono morder le balene, die Mücke will es mit dem Elephanten aufnehmen; der Zwerg will sich an den Riesen wagen.
Im folgenden Beispiel s. v. pigro dagegen wird eine Übersetzung gewählt, die in der Zielsprache Deutsch von zweifelhafter Idiomatik ist: §. A casa de’ pigri, ogni dì è festa, bei den Faulen ist immer Feiertag.
S. v. pila wird eine Wendung wörtlich übersetzt. Der Nutzer kann die Bedeutung vermutlich erschließen, da die Wendung jedoch im Deutschen nicht idiomatisiert ist, fügt das Vollständige Wörterbuch zusätzlich eine Glosse bei: §. Ella è come la pila dell’ acqua santa, sie ist wie das Weihwasserbecken, d. h. sie nimmt von Jedem Besuche an.
In den folgenden Beispielen (ersteres außerhalb des Analysekorpus) verfügt das Deutsche ebenfalls nicht über eine entsprechende feste Wendung. Hier wird auf den Versuch einer wörtlichen Übertragung verzichtet und direkt mit einer Übersetzung gearbeitet, die gleichsam einer Definition lediglich den Sinn des Phraseologismus wiedergibt: Paternôstro, m. das Vaterunser. […] §. Prov. 1. Aver detto il paternostro di san Giuliano, eine gute Herberge finden. Milza, f. die Milz. §. Tirare, o Stiracchiar le milze, kümmerlich, dürftig leben.
Schließlich sei bezüglich idiomatischer Wendungen, die nicht mit solchen übersetzt werden können, noch auf die gelegentlich verwendete Praxis hingewiesen, Erläuterungen zum Ursprung von deren Bildhaftigkeit in runden Klammern anzugeben, so z. B. s. v. anice: §. Sono dati gli anici, das Geschäft ist zu Ende (weil in Italien der Anis am Ende der Mahlzeit gegeben wird).
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Beispiele für feste Wendungen aus dem deutsch-italienischen Teil, für die Valentini versucht, in eine idiomatische italienische Bildhaftigkeit zu übertragen, sind: Sieben, agg. num. indecl. Sette. §. Fam. seine sieben Sachen einpacken, far fagotto de’ suoi quattro cenci. Saus, m. [Gesause], stridore, rumore sordo. §. In Saus und Braus leben, vivere, stare in festa e in gioja; gozzovigliare.
7.5.7.3 Exkurs: Äquivalente als Ausdruck von Normierung (italienische Äquivalente zu deutschen Lemmata) Ein Merkmal des Valentinischen Wörterbuchs ist es, dass ein breites Spektrum von Varianten lemmatisiert wird, dass auf Lemmaebene Einheiten verschiedenster Varietäten zu finden sind. Anknüpfend an die in Kapitel 7.4.1.2 gestellte Frage, was innerhalb dieses Varietätenspektrums als Norm gesetzt wird, ist es aufschlussreich, einen Blick auf die italienischen Äquivalente zu deutschen Lemmata zu werfen. Der deutsche Muttersprachler, der das Wörterbuch für die Produktion eines italienischen Texts benutzt, hat den Anspruch, hier Einheiten zu finden, die in einer möglichst weiten Zahl von Kontexten als «korrektes Italienisch» gelten, die dem Standard entsprechen und im Gegenwartsitalienischen möglichst nicht markiert sind. Die Varianten zu tronkierten Formen (z. B. pietade und pietate zu pietà), die im italienisch-deutschen Teil mit lemmatisiert sind, werden als Äquivalente nicht mit angegeben. S. v. Erbarmen und Mitleiden wird, neben anderen Lexemen, lediglich pietà angeboten, was auf die nicht poetisch markierte Norm der Zeit hinweist. Von den Berufsbezeichnungen, die auf Lemmaebene teils in toskanischer Variante auf -ajo, teils in römischer Variante auf -aro verzeichnet sind, wird als Übersetzung lediglich die toskanische angegeben, z. B. fornajo s. v. Bäcker. Auch bezüglich der Regionalismen, die Valentini als Übersetzung für deutsche Lexeme in der Raccolta vorschlägt bzw. die im Vollständigen Wörterbuch lemmatisiert sind, ist bei der Angabe als Äquivalent eine vorsichtigere Haltung ablesbar. Dindarolo etwa wird als erstes Äquivalent zu Sparbüchse verwendet, ceroferario als Übersetzung zu Lichtträger, cerino zu Wachsstock. S. v. Erstgebärerin ist primarola als Übersetzung angegeben, allerdings mit einer erläuternden Glosse versehen (cf. auch Kapitel 6.2.2. und 7.4.3.2): Erstgebärerin, f. primarola [donna che partorisce la prima volta].
Die übrigen betrachteten Regionalismen werden nicht als Äquivalente verzeichnet. Es ist also insgesamt festzuhalten, dass die auf Äquivalentebene gesetzte
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Norm enger und konservativer als die ist, die Valentini in der Theorie fordert bzw. auf Lemmaebene zulässt.
7.5.8 Phraseologische Verbindungen Eine erhebliche Verbesserung des Vollständigen Wörterbuchs gegenüber seinen Vorgängern liegt in der Erweiterung der Mikrostruktur um zahlreiche phraseologische Verbindungen. Unter phraseologischer Verbindung werden hier in einem weiten Sinne des Begriffs sämtliche polylexikalischen Einheiten unterschiedlicher Idiomatizität und Festigkeit gefasst, die für den fremdsprachlichen Wörterbuchnutzer ein «unabsehbares Inventar ‹vorgefertigter› Kombinationen von Wörtern […], die aus dem mentalen Speicher [des Muttersprachlers] abgerufen werden können, ohne jedes Mal neu zusammengesetzt zu werden» (Burger 2010, 31), darstellen. Sowohl aus linguistischer als auch aus lexikographischer Perspektive wird eine Vielzahl von Untergruppen unterschieden und mit unterschiedlicher Terminologie beschrieben.²⁷¹ Für die Analyse der lexikographischen Erfassung von Phraseologismen ist die Abgrenzung zu einer anderen polylexikalischen Kategorie, die in der Mikrostruktur untergebracht ist, von Bedeutung: den Beispielen. Das Problem stellt sich weniger bei einem engen Phraseologiebegriff, der nur feste und stark idiomatisierte Wendungen einschließt, da diese eindeutig der Zeichenebene zuzuordnen sind (cf. Zöfgen 1986, 221), wird jedoch evident, wenn auch Kollokationen²⁷² hinzugerechnet werden, die zwischen freien Verbindungen und Idiomen (cf. Cop 1991, 2775), am Übergang zwischen langue-
271 Zur Begriffsbestimmung der Phraseologie, unterschiedlichen Ansätzen zu Klassifikation und Terminologie aus linguistischer Sicht cf. Pilz (1978); Thun (1978); Burger/Buhofer/Sialm (1982); Fleischer (1997); Burger/Dobrovol’skij/Kühn/Norrick (2007). 272 Der Begriff der Kollokation wird sowohl innerhalb der Phraseologieforschung als auch innerhalb der Metalexikographie sehr unterschiedlich gefasst. Hausmann versteht darunter in einem engeren Sinne eine «typische, spezifische und charakteristische Zweierkombination von Wörtern» (1985, 118), wobei «die Kollokationspartner hierarchisch zueinander angeordnet sind. […] Kollokationen haben eine Basis und einen hinzutretenden Kollokator» (Hausmann 1985, 119). Den sehr viel weiteren, in der angelsächsischen Forschung zumeist verwendeten Begriff, von Burger als «lexikalisch-semantische Selektionsbeziehungen, die nur zu einem Teil als phraseologisch gelten können» (2010, 52, n. 18), paraphrasiert, lehnt er ab und bezeichnet die entsprechenden Verbindungen, die nach der Frequenz des gemeinsamen Auftretens beurteilt werden, abweichend als Kookkurrenzen (cf. Hausmann 1985, 124). Burger schlägt vor, «den Terminus Kollokation für den ganzen Bereich der festen Wortverbindungen, die nicht oder nur schwach idiomatisch sind, zu verwenden» (2010, 52). Cop verwendet für die Berücksichtigung von Kollokationen in zweisprachigen Wörterbüchern eine zwischen diesen Polen stehende Definition: «Collocations are affinitive, bipartite lexical combinations which, in terms of the attractive force
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und parole-Ebene stehen. In der Forschung zur Metalexikographie herrscht keine scharfe Trennung vor²⁷³ und auch in modernen Wörterbüchern wird nicht immer klar unterschieden.²⁷⁴ Es ist nicht möglich und nicht Aufgabe dieser Arbeit, für ein Wörterbuch des 19. Jahrhunderts eine genaue Klassifizierung zu entwerfen. Zur Strukturierung der Analyse werden im Folgenden jedoch phraseologische Einheiten, wie oben definiert als für den nicht-muttersprachlichen Benutzer des Wörterbuchs nicht voraussagbare und nur beschränkt modifizierbare Kombina-
between their two component parts, can be situated between free combinations and idioms. […] Collocations consist of a base and a collocator which are not on the same hierarchical level, and so they fulfil differing functions in dictionaries» (1991, 2775–2776). Herbst/Klotz verwenden den Terminus, die spezifischen Funktionen zweisprachiger Wörterbücher im Blick, in sprachkontrastiver Perspektive. Bei der Integration von Kollokationen sei insbesondere auf solche Verbindungen zu achten, bei denen zumindest ein Partner in der Zielsprache anders zu übersetzen ist, als dies erwartet werden könnte (cf. Herbst/Klotz 2003, 138). In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff, soweit nicht anders spezifiziert, unter Berücksichtigung des Frequenzkriteriums und der Sprachkontrastierung im zweisprachigen Wörterbuch Rechnung tragend, im weiten Sinne Burgers verwendet. 273 So schreibt Hausmann: «Wer Beispiel sagt, meint zuerst einmal die Kollokationen vom Typ Termin einhalten, Schuld begleichen, […]» (1988, 139). Zöfgen sieht eine Manifestation von Beispielen «in Form der Aufzählung ‹typischer Zweierkombinationen› (Kollokationen)» und «in ganzen Beispielsätzen oder satzähnlichen (meist infinitivischen) Kontextualisierungen» (1985, 221). Auch Herbst/Klotz weisen auf das Problem der Abgrenzung von Kollokationen und Beispielen hin (cf. 2003, 140). Marello behandelt Kollokationen, Phraseologie und Beispiele im zweisprachigen Wörterbuch in einem Kapitel, diskutiert die unterschiedlichen theoretischen und begrifflichen Ansätze und metalexikographischen Schlussfolgerungen und nimmt eine klare Trennung des Beispiels von den anderen beiden Kategorien vor (cf. 1989, 61–65). 274 Exemplarisch sei hier auf die Praxis des PONS verwiesen, wo als getrennte syntagmatische Kategorien Kollokatoren und Konstruktionen, Beispiele, feste Wortverbindungen, Redewendungen sowie der phraseologische Block angesetzt und typographisch unterschieden werden. Im Vorwort zeigt sich jedoch, dass die Kategorien nicht trennscharf sind. So werden Kollokatoren als «‹kondensierte› Beispiele» (PONS, 14) zur Wahl des richtigen Äquivalents beschrieben und «Phraseologie» unter Beispielen subsummiert (cf. PONS, 15). Zur Praxis im Duden cf. Burger (2010, 179–180). Ungeachtet der Tatsache, dass trotz erheblicher Verbesserungen bezüglich der Integration von phraseologischen Einheiten zur Entstehungszeit des Vollständigen Wörterbuchs natürlich immer noch eine Diskrepanz zwischen wissenschaftlicher Theorie und Wörterbuchpraxis besteht, sei unterstrichen, dass eine klare Unterscheidung der Kategorien nicht in allen Fällen möglich und auch nicht immer sinnvoll ist. Dies liegt zum einen an der Übergangs-Stellung zwischen langue und parole von Kollokationen – Kollokationen können eben auch verdichtete Beispiele sein – zum anderen an der Funktion, welche die Kategorien Kollokation und Beispiel im Wörterbuch übernehmen. Das Beispiel ist i. e. S. illustrierend, kann aber, wie in Kapitel 7.5.6 gesehen, auch zur Bedeutungsdifferenzierung oder im zweisprachigen Wörterbuch zur Kontrastierung von Ziel- und Ausgangssprache (cf. Herbst/Klotz 2003, 143) eingesetzt werden; die gleiche Funktion kann auch eine Kollokation erfüllen.
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tionen, die der langue-Ebene zuzurechnen sind, einschließlich Kollokationen im weiteren Sinne, getrennt von Beispielen betrachtet, die der Veranschaulichung des Gebrauchs von Einzellexemen in ihren unterschiedlichen Bedeutungen und Kontexten, aber auch von Phraseologismen dienen, vom Wörterbuchautor konstruiert bzw. aus einem anderen, häufig literarischen Text entnommen sind und der parole-Ebene angehören.²⁷⁵ Diese Trennung ist für die Betrachtung des Valentinischen Wörterbuchs nicht zuletzt deshalb erforderlich, als hier Autorenzitaten als Beispielen im italienisch-deutschen Teil eine besondere Funktion zukommt, und ihre Integration für Valentinis Verortung als Lexikograph zwischen Tradition und Innovation besonders zu beachten ist. Valentini selbst scheint die Elemente in seiner lexikographischen Theorie zu trennen. Im Vorwort geht er in unterschiedlichen Paragraphen auf phraseologische Einheiten als «die Redensarten, die Wendungen, die gewählten und für gut anerkannten Idiotismen, die Sprichwörter u. s. w. […], deren Sinn der Ausländer nie fassen, deren Bedeutung er nie verstehen […] wird» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXIX–LXXX, §. 10), und auf Beispiele ein, die dagegen die Funktion erfüllen, den ausgangssprachlichen Lexemen und Ausdrücken «Licht, Leben und Seele zu verleihen» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXX, §. 11). Eine Orientierungsschwierigkeit für den Nutzer liegt darin, dass das frühe 19. Jahrhundert nicht die Möglichkeit hat, die unterschiedlichen Einheiten der Mikrostruktur typographisch voneinander abzugrenzen, wie moderne Wörterbücher dies etwa durch Kursivierung, Fettdruck, unterschiedliche Klammern etc. tun.²⁷⁶ Alle werden gleichermaßen durch Absatz
275 Die Zuordnung phraseologischer Einheiten zur langue-, der von Beispielen zur parole-Ebene kann in der Metalexikographie als gesichert gelten, wobei Kollokationen, je nach Grad ihrer Festigkeit und Idiomatizität, an der Schnittstelle stehen (cf. z. B. Zöfgen 1985, 223, der diese Position betont; Hausmann 1985, 118, der Kollokationen der langue, Beispielsätze der parole-Ebene zuschreibt, beide jedoch unter dem Terminus des lexikographischen Beispiels subsummiert; cf. auch 2004, 1, wo Kollokationen, die Distinktion Coserius einbeziehend, als «Norm-Phänomen der langue» eingeordnet werden). Beispiele in Form von Belegsätzen sind klar auf der paroleEbene einzuordnen (cf. Zöfgen 1986, 225). Auf die Definition der Kategorie des Beispiels wird in Kapitel 7.5.9 zurückzukommen sein. 276 Auf die Grenzen der scharfen Trennung auch in modernen Wörterbüchern wurde bereits unter Fußnote 274 hingewiesen. Die sich anschließende Forderung, die einzelnen Kategorien im Artikel graphisch entsprechend abzusetzen, betonen auch Hausmann und Werner (1991, 2731), Zöfgen (1986, 222, insbesondere bezüglich der Absetzung von lexikalisierten Einheiten mit Zeichencharakter) sowie Herbst und Klotz: «Geht man nämlich von dem Prinzip aus, dass jedem Informationstyp im Wörterbuch eine Darstellungsform entsprechen soll, so besteht in Hinblick auf die Differenzierung von Beispielen, Kollokationsrestriktionen und Probabemen (und eventuell sogar auch Kollokationen, Wortbildungen und Idiomen) in vielen zweisprachigen Wörterbüchern noch erheblicher Handlungsbedarf» (Herbst/Klotz 2003, 147).
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bzw. Paragraphenzeichen abgesetzt, wobei der Autor mit diesen Möglichkeiten, was die Übersichtlichkeit betrifft, bereits deutlich seine Vorgänger übertrifft. Die Erfassung phraseologischer Einheiten ist für Valentini ein wichtiger Qualitätsmaßstab für ein modernes zweisprachiges Wörterbuch: «Von dem Verfasser eines wohlgeordneten und so viel als möglich vollständigen Wörterbuches, besonders eines Wörterbuches für zwei Sprachen, darf man es heut zu Tage mit Recht verlangen, daß er die Redensarten, die Wendungen, die gewählten und für gut anerkannten Idiotismen, die Sprichwörter u. s. w. sammle, daß er sie unter ihrem Grundworte in Reih und Glied stelle, daß er ihre intensive und extensive Bedutung bemerke, daß er ihren eigentlichen Gehalt mit andern entsprechenden wiedergebe, und daß er ihre Syntax, die damit verbundenen Constructionen und Inversionen u. dgl. anzeige […]. Wir haben mehrere Tausend Wörter mit fünf, zehn zwanzig und noch mehr Phrasen, Redensarten u. s. w. bereichert». (Vollst. Wb., vol. 1, LIXXX–LXXX)
Damit nennt Valentini im Vorwort bereits die Kriterien, welche die moderne Metalexikographie für die Verzeichnung von Phraseologismen im zweisprachigen Wörterbuch als Benutzererwartung formuliert, nämlich dass ein phraseologischer Ausdruck überhaupt verzeichnet, nach einem System findbar und in seiner Bedeutung bzw. seinen Bedeutungen adäquat übersetzt und verwendbar gemacht wird (cf. Schemann 1991, 2789). Dementsprechend ist für die folgende Analyse zum einen metalexikographisch zu betrachten, wie die lexikographische Darstellung erfolgt, also wo phraseologische Einheiten eingeordnet und zudem, wie Gebrauchsrestriktionen angegeben werden. Die Frage nach dem Ort, an dem phraseologische Einheiten einzuordnen sind, wird im Vorwort zwar angeschnitten, jedoch mit dem Verweis auf ihr Grundwort und dort auf die Anordnung «in Reih und Glied» nicht präzise beantwortet. Es ist also zu analysieren, ob Valentini bezüglich des Lemmas, unter dem ein Phraseologismus einsortiert wird, bereits einem festen Schema folgt²⁷⁷ und auch, wo im Artikel die Einheiten dann stehen.²⁷⁸ Zum anderen ist in linguistischer und lexikographiehistorischer Perspektive zu beleuchten, was verzeichnet wird, also welchen sprachlichen Ebenen die Phraseme angehören, und inwiefern Valentini sich dabei von seinen
277 Für die Einordnung von Kollokationen im Sinne Hausmanns etwa ist zu überprüfen, ob die Einordnung unter dem Kollokator oder der Basis erfolgt und ob dabei Unterschiede bezüglich der in erster Linie hinübersetzenden Funktion des jeweiligen Wörterbuchteils berücksichtigt werden (cf. Hausmann 1985, 121–122). Zu unterschiedlichen Möglichkeiten der Einordnung von phraseologischen Einheiten im zweisprachigen Wörterbuch in der heutigen Metalexikographie cf. Schemann (1991, 2790–2792); Schnorr (1993, 2815–2816). 278 Auf diesen Aspekt wurde im Rahmen der Globalstrukturierung der Artikel im Vollständigen Wörterbuch bereits in Kapitel 7.5.1 eingegangen.
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Referenzwerken entfernt bzw. wo die unterschiedlichen nationalen Lexikographietraditionen sich bezüglich phraseologischer Einheiten in seinem Wörterbuch niederschlagen. Ohne Extension und Anspruch auf Vollständigkeit werden hierzu im Folgenden Beispiele für ausgewählte Typen von phraseologischen Einheiten in den Blick genommen, nämlich Mehrworteinheiten mit dem Status eines Sublemmas, die eine hohe Festigkeit aufweisen und wie ein Lexem behandelt werden (nominale und adverbiale Syntagmen), verbale Syntagmen mit unterschiedlichem Grad an Idiomatizität und Festigkeit (von Verbindungen wie menar un sonno, die der deutsche Wörterbuchnutzer passiv versteht, aber aktiv wohl nicht korrekt bilden könnte, bis zu stark idiomatisierten Redensarten), nominale Kollokationen mit schwacher Idiomatizität, aber hoher Frequenz und schließlich Sprichwörter. Das Vollständige Wörterbuch enthält eine hohe Zahl an nominalen Kollokationen, die einen unterschiedlichen Grad an Idiomatizität und Festigkeit aufweisen. Weiter Raum wird im italienisch-deutschen Teil den fest lexikalisierten Verbindungen gegeben, die als semantische Einheit aufzufassen sind und im Deutschen mit einem Einzellexem ausgedrückt werden können, im Italienischen mit seinen geringen Möglichkeiten der Komposition jedoch als Verbindung von N + Adj oder N + Präp + N formal in der Mikrostruktur des Artikel zu einem ihrer Komponenten einsortiert werden (cf. zu diesem Problem auch Hausmann 1988, 140). Die meisten dieser Verbindungen, denen man den Status eines Sublemmas zuweisen könnte, sind fachsprachliche Termini unterschiedlicher Sektoren, wie §. Ruota a cassetta, T. degli Idraul. das Schöpfrad, s. v. cassetta; §. Collo porco, T. de’ Veter. der Speckhals (ein Fehler am Pferde), s. v. collo; §. Collo d’oca, T. di Mar. ein eiserner Haken (auf Seeschiffen), s. v. collo; §. Maglio di calafato, T. de’ Mar. der Kalfaterstock, s. v. maglio
oder verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen, z. B. Terra magnesiaca, s. v. magnesiaca; acido bombico, s. v. bombico;²⁷⁹ §. T. de’ Nat. Estro poetico, die Bremse, s. v. estro; §. T. de’ Fis. Estro venero, der Begattungstrieb, s. v. estro,
oder sie gehören anderen engen Kontexten an, z. B. dem ekklesiastischen:
279 Diese beiden Sublemmata folgen, wie diverse weitere im Wörterbuch, im Artikel unmittelbar auf Lemma, Grammatikangabe und Markierungsetikett. Die Praxis wird angewendet, wenn das Lemma nicht als Einzellexem, sondern nur in festen Verbindungen gebraucht wird und isoliert nicht übersetzt werden kann: «Bômbico, agg. T. di Chim. Acido bombico, die Raupensäure».
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§. La sagra coppa [Calice], der Kelch (beim Abendmahl), s. v. coppa.
Einen Sonderfall bilden historische Eigennamen und Termini: §. Alessandro ec. il Grande, Alexander der Große, s. v. grande; §. Tavola Isiaca, die Tafel der Isis (ein berühmtes Denkmal des alten Aegyptens), s. v. isiaca; §. Carlo magno, Alessandro magno, Karl der Große, Alexander der Große., s. v. magno; §. Regno millenario, das tausendjährige Reich, s. v. millenario.
Wie die Beispiele zeigen, sind die Verbindungen häufig, jedoch nicht konsequent als Fach- bzw. Sonderwortschatz gekennzeichnet. Ohne Markierungsetikett finden sich etwa §. Fiori androgini, Zwitterblumen, s. v. androgini; §. Nave d’alto bordo, ein Hochbord (ein Schiff mit hohem Bord und bloß mit Segeln), s. v. bordo; §. Magnesia di Saturno, für Antimonio, der Spießglanz, s. v. magnesia.
Neben Fachwortschatz verzeichnet Valentini auch Verbindungen des uso comune, wobei wie auf Lemmaebene auch nicht-toskanische regionale Formen berücksichtigt werden, so z. B. (außerhalb des Analysekorpus) die auch bei Carena belegten und von Manzoni kritisierten (cf. Della Valle 1993, 77) Verbindungen §. Capo di latte, Fiore del latte, Milchrahm, Sahne., s. v. latte.²⁸⁰
Bezüglich der Einordnung der fest lexikalisierten Kollokationen mit nominaler Basis befolgt Valentini keine einheitliche Praxis, scheint also in seinem lexikographischen Programm keine feste Entscheidung getroffen zu haben, welche Komponente das Grundwort (Vollst. Wb., vol. 1, LIXXX) ist.²⁸¹ Bildungen vom Typ N + Adj werden mal unter dem Nomen (estro poetico, estro venero), mal unter dem Ad-
280 Unter dem Stichwort latte finden sich auch: «§. Latte rappreso, latte quagliato, geronnene Milch, dicke Milch; Quark». Quagliato ist ebenfalls regional markiert. 281 Die moderne Metalexikographie schlägt unterschiedliche Prinzipien vor. Denkbar ist beim Typ N + Präp + N die Einordnung unter dem ersten Element, bei Bildungen aus N + Adj die Einordnung unter dem Nomen (cf. Schnorr 1993, 2816). Diesem letzten Vorschlag entspricht die grundsätzliche Idee, Mehrworteinheiten nach einer festen Hierarchisierung der darin vorkommenden Wortarten einzuordnen. Substantive werden dabei vor Verben, diese wiederum vor Adjektiven, Adverbien, Pronomen etc. als Grundwort gelistet (cf. Wahrig 1983, 57–80; Schemann 1993, 2790). Hausmann fordert, bei der Einordnung von Kollokationen i. e. S. die Wörterbuchfunktion zu beachten: Im vorwiegend zur Textrezeption gedachten Wörterbuch sollte die Kollokation unter dem Kollokator, im überwiegend zur Produktion gedachten Wörterbuch dagegen unter der Basis eingetragen werden (cf. Hausmann 1985, 121; 1988, 149–151).
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jektiv (acido bombico; terra magnesiaca) einsortiert, wobei die Einordnung unter dem Adjektiv in den genannten Beispielen damit begründbar ist, dass das entsprechende Adjektiv gegenüber der nominalen Basis ein sehr begrenztes Kollokationspotential hat, also außerhalb der Verbindung nicht verwendet wird, hoch spezifisch ist und der Wörterbuchnutzer eher unter diesem spezifischen Bestandteil sucht, wohingegen der nominale Teil, sowohl terra als auch acido, als bekannt vorausgesetzt werden dürften. Die Artikel zu diesen Nomen mit breitem Kollokationspotential würden bei der Aufnahme sämtlicher Kollokationen extrem lang. Bildungen vom Typ Präp + N werden mal unter dem erstem, mal unter dem zweiten Bestandteil integriert, nie unter beiden. Aus dem Analysekorpus ist keine klare Tendenz zur Einordnung unter einem der Elemente abzulesen: Einige Beispiele sprechen für die Bevorzugung einer alphabetischen Hierarchisierung der Elemente, also die Integration unter dem im Alphabet zuerst stehenden Bestandteil, es finden sich jedoch auch Gegenbeispiele (etwa maglio di calafato, s. v. maglio). Ebenso finden sich Beispiele, die unter dem Kollokator und andere, die unter der Basis einsortiert werden. Neben den fest lexikalisierten Verbindungen finden sich unter nominalen Lemmata häufig auch ganze Reihen von möglichen Kollokatoren, die zusammen mit dem lemmatisierten Lexem schwach oder gar nicht idiomatisierte Kollokationen schwacher Festigkeit, jedoch von hoher Frequenz eingehen. Ein Beispiel bietet sich s. v. sonno: §. Sonno alto, profondo, ein tiefer, fester Schlaf. §. Sonno dolce, placido, tranquillo, breve, interrotto, legiero, bramato, ein sanfter, friedlicher, ruhiger, kurzer, unterbrochener, leichter, ersehnter Schlaf.
Der italienischer Nutzer wird durch die Verzeichnung mit dem jeweiligen deutschen Äquivalent vor der Wahl eines möglicherweise unpassenden Kollokators im Deutschen bewahrt; für den deutschen Nutzer sind die Verbindungen zwar transparent, er erspart sich jedoch doppeltes Nachschlagen der einzelnen Komponenten.²⁸²
282 Besonders viele solcher frequenter Verbindungen sind im Anhang des zweiten Bandes nachträglich verzeichnet worden. Ein Beispiel bietet der Artikel zu chiesa, wo, neben anderen Mehrworteinheiten, folgende freie Kollokationen ergänzt wurden: «§. La chiesa cattolica, apostolica, romana, die katholische, apostolische, römische Kirche. […] §. La chiesa militante, trionfante, die streitende, triumphirende, siegende Kirche. §. La chiesa orientale, greca, occidentale, latina, die orientalische [griechische], die abenländische [lateinische] Kirche.
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Für den deutsch-italienischen Teil ist die Verzeichnung nominaler Syntagmen angesichts der Möglichkeit des Deutschen, Komposita zu bilden, weniger relevant. Auch im deutsch-italienischen Teil finden sich jedoch häufig Beispiele für die eben genannte Aufzählung von schwach idiomatisierten, frequenten Verbindungen aus Nomen und Adjektiv, z. B. s. v. Aussprache: §. eine gute, schlechte, fehlerhafte Aussprache, pronunzia buona, cattiva, difettosa.
Die Angabe häufiger Kollokatoren, die in modernen Wörterbüchern zum Standard geworden ist, findet sich bei Valentinis Vorgängern noch nicht so systematisch. Für das Italienische typisch und für den Fremdsprachenlerner häufig schwierig zu übersetzen sind adverbiale Syntagmen (vom Typ Präp + Nom, Präp + Adj). Valentini verzeichnet sie sehr vollständig und versieht sie mit der Grammatikangabe avv., z. B. §. In copia, avv., in Menge, in Fülle, s. v. copia; §. Alla disperata, avv. verzweiflungsvoll; it. wüthend, wie rasend, s. v. disperato; §. avv. Alla grande, herrlich, stattlich, auf eine vornehme Weise, s. v. grande.
Die Verbindungen stehen dabei jeweils unter ihrem bedeutungstragenden Element, also dem Nomen oder Adjektiv. In den Wörterbuchartikeln zu Präpositionen finden sich im Vollständigen Wörterbuch nur einige Beispiele als Hinweis auf ihre Verwendungsweise. Exemplarisch sei aus dem Artikel zu a zitiert: A, prep. […]. Sie ist unter den italienischen Präpositionen von der allgemeinsten Anwendbarkeit, und faßt die Bedeutung vieler deutschen [sic!] Verhältnißwörter in sich. Zu übersetzen nämlich ist sie: I) durch den dritten Fall, oder Dativ, des dabei stehenden Wortes: […] IV) Durch einen adverbialen oder verbalen Ausdruck: Z. B. A buon mercato, wohlfeil; Alla scapestrata, zügellos; Alla peggio, so schlecht wie möglich; […]
Die von Valentini gewählte Einordnungspraxis ist für den Benutzer sehr viel praktischer als die z. B. noch von Filippi verwendete, der adverbiale Kollokationen – zudem sehr viel unvollständiger – unter der jeweiligen Präposition (cf. z. B. s. v. a) verzeichnet, so dass der Nutzer dort lange Listen durchzusehen hat. Im Wörterbuch von Bologna werden adverbiale Kollokationen dagegen meist auf Lemmaebene aufgeführt (cf. auch Kapitel 7.4.1.1).
§. Chiesa augusta, magnifica, frequentata, venerabile, devota, consacrata, eine erhabene, majestätische, prächtige, besuchte, ehrwürdige, heilige, geweihte Kirche. §. Chiesa matrice, soccursale, suffraganea, die Mutterkirche, Tochterkirche, Filialkirche».
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In großer Zahl und mit einer weiten Spannbreite unterschiedlicher Konstruktionen sind im Vollständigen Wörterbuch Kollokationen mit verbaler Basis berücksichtigt. Valentini selbst erachtet sie als besonders wichtig und hier insbesondere, aber nicht ausschließlich, diejenigen zu den Verben andare, dare, fare, stare und venire, die eine Vielzahl solcher Ausdrücke bilden. Auf sie geht der Autor bereits in seinen grammatischen Arbeiten gezielt ein (cf. Kapitel 5.3.3) und reflektiert besonders über Konstruktionen des Typs V + Präp + N. Wie adverbiale Ausdrücke mit Präpositionen werden diese Verbindungen nicht unter den Präpositionen verzeichnet,²⁸³ sondern unter dem jeweiligen Verb. Als Beispiel mögen imparare a mente, s. v. imparare und bordare a rambo ‘entern’, s. v. bordare dienen. Bei den Verben andare, dare, fare, stare und venire wird ein eigener Block solcher fester Verbindungen angesetzt. Innerhalb dieses Blocks sind die Ausdrücke streng alphabetisch angeordnet, wobei jedes Lexem für die Anordnung beachtet wird, z. B. s. v. andare, wo der Block eingeschoben in den nach Bedeutungen des Verbs strukturierten Artikel steht: Redensarten und Adverbialverbindungen mit Andare, gehen, alphabetisch geordnet. §. Andare a bene, gut gehen, gut von Statten, glücklich gehen. §. Andare a bisogno, vedi Abbisognare. §. Andare a Buda, modo basso, für Morire, sterben, abfahren.²⁸⁴ §. Andare a buon fine, einen guten Ausgang haben, sich glücklich enden. […]
Wie der folgende Artikelausschnitt zu rimettere belegt, werden auch zu anderen Verben zahlreiche Kollokationen und Konstruktionen unterschiedlichster Festigkeit und Idiomatizität verzeichnet, Ausdrücke der Allgemeinsprache ebenso wie entsprechend gekennzeichnete Wendungen bestimmter Fachsprachen: Riméttere, v. a. wieder hinlegen, hinsetzen, hinstellen u. s. w. […]. Z. B. Rimettere una cosa al suo luogo, eine Sache wieder an ihren Ort legen. […] Redensarten alphabetisch geordnet. §. Rimettere alcuna cosa a uno, Einem Etwas übergeben, übertragen; anheimstellen. §. Rimettere alcuno al giudizio, al tribunale, Einen den Gerichten übergeben. §. Rimettere del suo, von dem Seinigen zusetzen; einbüßen. §. Rimettere i cavallli, ec., die Pferde wieder in den Stall bringen. […]
283 Cf. den bereits zitierten Artikelausschnitt zur Präposition a mit dem entsprechenden Verweis. 284 Wie das Beispiel belegt, erfolgen auch im Bereich der verbalen Kollokationen Markierungen der Stilebene, wobei die Kennzeichnung als modo basso aus dem Wörterbuch von Bologna übernommen ist und sich bereits in der IV Crusca findet.
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§. Rimettere i danari spesi, le spese, die Kosten, Ausgaben wiedererstatten. §. Rimettere il debito, die Schud erlassen. §. Rimettere il conto, Rechnung ablegen; Rechenschaft ablegen. §. Rimettere, o Rinviare il lettore a qualche luogo, den Leser zurückweisen (auf irgend eine Stelle). […] §. Rimettere nel buon dì, T. leg. wieder in den vorigen Stand setzen (selten). […] §. Rimettervi del suo, Etwas daran verlieren. §. Rimettere una somma di danari per lettera di cambio ad uno, T. de’ Merc. Einem eine Summe in Wechseln übermachen. […] §. Rimettere un osso slogato, einen Knochen wieder einrenken. §. Rimettere un tallo sul vecchio, Fig. sich wieder verjüngen. §. T. mil. Rimettere il nemico, den Feind zurückschlagen, zurücktreiben.
Die Anordnung der einzelnen Kollokationen erfolgt in diesem Beispiel streng alphabetisch, wobei wiederum nicht nach Wortarten differenziert wird. Unter Lemmata mit weniger Kollokationen stehen diese im Artikel integriert, jeweils hinter der am nächsten liegenden Einzelbedeutung des Lemmas, wie attribuire per sentenza im folgenden Artikel (zur Bedeutungsstruktur des lemmatisierten Lexems als Grundgerüst der Artikelstrukturierung cf. auch Kapitel 7.5.1). Zur Erklärung der Bedeutung dieser Kollokation wird mit aggiudicare zusätzlich ein ausgangssprachliches Einzellexem als Synonym angegeben. Attribuire, v. a. [Appropriare], beilegen, zueignen §. Für Imputare, beimessen, zurechnen, zuschreiben. §. Attribuire per sentenza, für Aggiudicare, gerichtlich zuerkennen. §. V. n. p. Attribuirsi, sich beimessen, sich zuschreiben.
Auch Filippi führt eine Vielzahl verbaler Kollokationen an. In seinen ohne Absätze und Paragraphen verfassten Artikeln sind diese jedoch graphisch nur schwach durch Gedankenstriche hervorgehoben. Eine Markierung der stilistischen Ebene fehlt ebenso wie eine logische Anordnung, was das Auffinden und die Anwendung der Kollokationen für den Benutzer äußerst zeitaufwendig macht. Im Wörterbuch von Bologna sind ebenfalls viele Kollokationen verzeichnet, die sich mit denen in Filippi als Datenbasis für Valentini ergänzen, doch auch hier fehlt eine logische Ordnung. Valentinis Leistung liegt also in der Ergänzung und systematischeren Anordnung des phraseologischen Materials im Wörterbuch. Ein Beispiel für die umfangreiche und systematische Dokumentation von Kollokationen mit verbaler Basis im deutsch-italienischen Teil findet sich s. v. Amt: Amt, n. [öffentliche Bedienung], carica, impiego, uffizio, ufficio. §. ein Amt antreten, entrare in carica. §. ein Amt bekleiden, rivestire un impiego. §. nach einem Amte streben, ambire ad
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una carica. §. seinem Amte wohl vorstehen, adempire a’ doveri dell’ impiego, amministrare bene la sua carica. §. Einen seines Amtes entsetzen, deporre uno dal suo impiego, spogliarlo della sua carica. §. Einem ins Amt, in sein Amt greifen, ingerirsi nelle funzioni altrui. §. es ist nicht meines Amtes, darüber zu entscheiden, non è l’uffizio mio di decidere questo. §. eine Person, di in einem öffentlichen Amte steht, persona in carica, publica; un’ impiegato. §. Prov. 1. was deines Amts nicht ist, da lasse deinen Vorwitz, non t’ingerire di ciò che non ti risguarda; non metter la falce nell’ altrui messe. §. Prov. 2. es ist kein Amt so klein, das nicht den Galgen verdient (richtiger: wobei man nicht den Galgen verdienen kann), in ogni ufficio, per piccolo che sia uno si può meritar le forche. §. Prov. 3. wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand, Dio manda le forze secondo il bisogno. 2) T. eccles. [Messe], messa. §. das hohe Amt [Hochamt], la messa cantata. §. ins Amt kommen, divenir sacerdote, esser consagrato prete. §. das Amt des Wortes, il ministero della Santa Parola. §. das Amt der Schlüssel, chiavi di S. Pietro, la potestà delle chiavi, jus clavium. §. das Amt halten, uffiziare, celebrar la S. messa.; it. comunicare, amministrare la S. Eucaristia. §. dem Amt beiwohnen, assistere all’ uffizio divino. It. ascoltar la messa. 3) podesteria, distretto, il tribunale del Balì. […]
Hier sind zahlreiche verbale Kollokationen, zusammen mit anderen phraseologischen Einheiten, unter einem Nomen verzeichnet, was im deutsch-italienischen Teil häufig der Fall ist.²⁸⁵ Im italienisch-deutschen Teil kommt diese Zuordnung deutlich seltener vor. Es wäre durchaus denkbar, etwa die Syntagmen mit carica, die s. v. Amt als Äquivalente aufgeführt werden, auch dort s. v. carica anzuordnen, was aber nicht geschieht, vermutlich, da diese Praxis sich auch im italienischen Referenzwörterbuch von Bologna nicht findet. Hier zeigt sich die Übernahme der unterschiedlichen nationalen Traditionen in den beiden Wörterbuchteilen. In den einsprachigen deutschen Wörterbüchern werden verbale Kollokationen häufig unter den jeweiligen Nomen aufgeführt. Für das zitierte Beispiel sind die Sprichwörter aus Campe übernommen. Für die zuvor aufgeführten Kollokationen werden gegenüber Campe Ergänzungen vorgenommen und das Material neu angeordnet. Insgesamt enthalten die Artikel des deutsch-italienischen Teils häufig mehr Phraseologie und Beispiele und sind dadurch länger. Bezüglich der Anordnung der Kollokationen im Artikel zeigt das Beispiel zu Amt, wie die einzelnen Kollokationen jeweils unter der Bedeutung des lemmatisierten Lexems aufgeführt werden, die seiner Bedeutung in der Wortverbindung am nächsten liegen – zunächst der von Amt i. S. von ‘impiego, uffizio pubblico’, dann der im kirchlichen Sinne. Innerhalb der Kollokationen zu einer Bedeutung
285 Als weiteres Beispiel aus dem Analysekorpus cf. z. B. auch den Artikel zu Stimme. Ein Auszug aus diesem mag auch als Beleg dafür dienen, dass Valentini in den deutschen Phrasemen häufiger sprachliche Fehler unterlaufen: «§. er hatte die mehrsten Stimmen, egli ebbe la pluralità delle voci».
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erfolgt die Ordnung nach der syntaktischen Funktion, die das Lemma darin einnimmt. Übernimmt es in mehreren Kollokationen die gleiche Funktion, erfolgt die Reihung dieser alphabetisch nach dem Verb als Kollokationspartner (ein Amt antreten mit Amt als Akkusativergänzung aufgrund der alphabetischen Reihenfolge vor ein Amt bekleiden in der gleichen Konstruktion; dann nach einem Amte streben mit Amt als Präpositionalergänzung; seinem Amte wohl vorstehen mit Amt als Dativergänzung; Einen seines Amtes entsetzen mit Amt als Genitivergänzung). Als Prov. gekennzeichnet sind in diesem Artikel auch Sprichwörter integriert. Nicht alle Sprichwörter im Vollständigen Wörterbuch sind jedoch derartig ausgezeichnet, andererseits werden mit Prov. bisweilen auch Redensarten²⁸⁶ und andere stark idiomatisierte Wendungen eingeleitet. Ein Beispiel aus dem italienischdeutschen Analysekorpus bietet der folgende Ausschnitt aus dem Artikel zu granchio, wo sehr Unterschiedliches als Prov. gekennzeichnet ist: §. Prov. 1. Faremo un mazzo di granchi, es wird und alles fehlschlagen. §. Prov. 2. Che ha a far la luna coi granchi? wie reimt sich das zusammen? das paßt wie Faust auf’s Auge. §. Prov. 3. I Granchi vogliono morder le balene, die Mücke will es mit dem Elephanten aufnehmen; der Zwerg will sich an den Riesen wagen. §. Prov. 4. Esser più lunatico che i granchi, wetterwendisch, wunderlich, launisch sein.
Beispiele für im Analysekorpus (Lemmastrecke P–) enthaltene Sprichwörter i. e. S. aus dem italienisch-deutschen Teil sind s. v. pignatta §. Prov. Alla pignatta che bolle, le mosche non vi s’approssimano, dem Wüthenden muß man aus dem Wege gehen. s. v. pigrizia §. La pigrizia è la madre della povertà, die Trägheit ist die Mutter der Armuth. s. v. pigro: §. Prov. Pigro marmotto, per non far un passo, ne fa otto, wer aus Faulheit einen Schritt ersparen will, muß nachher oft zehn andere machen. §. Il campo del pigro è pieno d’ortiche, der Faule kommt zu nichts. §. A casa de’ pigri, ogni dì è festa, bei den Faulen ist immer Feiertag. s. v. principiare §. Prov. Chi ben principia, ha la metà dell’ opera, gut begonnen, ist halb gewonnen. 286 Der Terminus Redensart ist linguistisch nicht fest verankert. Nach dem alltagssprachlichen Verständnis wird er hier als «verbaler, prägnanter und bildhafter Ausdruck, der im Unterschied zum Sprichwort in einen Satz eingebettet werden muss […]» (Brockhaus, s. v.) gefasst. Sprichwörter dagegen «sind in sich geschlossene Sätze, die durch kein lexikalisches Element an den Kontext angeschlossen werden müssen» (Burger 2010, 106).
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Bis auf das Sprichwort s. v. pignatta, das bereits im Crusca-Wörterbuch belegt ist, handelt es sich um Ergänzungen Valentinis. Besonders viele Sprichwörter werden im Anhang des zweiten Bandes hinzugefügt.²⁸⁷ Die verzeichneten idiomatischen Wendungen sind zumeist Abbildung von Umgangssprache. Nur unregelmäßig sind sie jedoch ihrer Stilebene entsprechend gekennzeichnet. Im Analysekorpus tragen nur folgende ein Markierungsetikett: s. v. cássia §. Fig. modo basso, Dare l’erba cassia, den Laufpaß geben. s. v. lana Batter la lana, modo furbesco, den Beischlaf vollziehen. s. v. cassone §. Mandare uno al cassone, Einen in die andere Welt befördern, zu seinem Tode beitragen. §. Andare al cassone, modo basso, ins Gras beißen, sterben. s. v. sonno §. Schiacciare un sonno, modo basso, einen Schlaf thun.; It. fest wie ein Ratz schlafen. s. v. trippa §. modo basso. Ella ha una trippa insino agli occhi, sie ist hochschwanger.
Bis auf das Beispiel s. v. trippa sind all diese Wendungen bereits in Valentinis Referenzwerken verzeichnet und mit einem Marker versehen.²⁸⁸ Valentini übernimmt die Marker also großteils aus diesen. Besonders deutlich wird dies am Ausschnitt s. v. cassone: Wie die Crusca markiert Valentini hier von zwei dem gleichen Register angehörenden Wendungen nur eine. Auch Florentinismen werden ins Vollständige Wörterbuch übernommen, die Valentini – abweichend von der Crusca – als solche kennzeichnet. Ein Beispiel, außerhalb des Analysekorpus, findet sich mit «§. Ella è Gallina Mugellese [Fiorentinismo], sie erscheint jünger, als sie ist» s. v. gallina. Für andere Redewendungen zieht Valentini, wie er in der Raccolta explizit ausführt (cf. Kapitel 6.2.2.2), Komödienautoren als Quelle heran. Besonders häufig wird dabei auf Texte von Goldoni zurückgegriffen, z. B. s. v. pasticcio (außerhalb des Analysekorpus):
287 Cf. dort z. B. s. v. cane, wo Valentini allein zehn als Prov. markierte Sprichwörter ergänzt. 288 Bereits in den Wörterbüchern der Crusca findet sich die entsprechende Aufnahme, für das Beispiel s. v. cássia bereits in der ersten Ausgabe (mit Markierung ab der dritten), für das s. v. lana ab der ersten, das s. v. cassone ab der vierten, s. v. sonno ab der zweiten (Markierung ab der vierten).
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Pastíccio, m. eine Pastete, ein Fleischgebäck. §. Fig. Ein Mischmasch, Gemengsel (von verschiedenen Sachen). It. Bei pasticci, (ironisch) eine schöne Geschichte: Digli, che se ne vada, che è qui sua moglie. – Oh i bei pasticci! §. Fare, Condurre un pasticcio, Geschichten, dummes Zeug anrichten: E che su gli occhi miei fino nel proprio tetto Condur tali pasticci, sia un perdermi il rispetto. Gold. Il Ricco Insid. At. IV. sc. 1. §. Oh guarda il bel pasticcio! Da haben wir die Pastete! […]
Die entsprechenden Textauszüge aus Goldoni sind hier als Beispiele hinzugefügt, wobei nur das zweite eine Autorenangabe enthält. Im Beispiel ist die zu illustrierende Wendung jeweils durch Kursivierung hervorgehoben. Andere Redensarten, die in den zeitgenössischen Wörterbüchern fehlen, ergänzt Valentini ohne auf ein Autorenzitat zurückzugreifen. Schlüssel für ihre Identifizierung im Vollständigen Wörterbuch ist für die folgende Zusammenstellung die Raccolta (cf. Kapitel 6.2). Raccolta: aver troppo forno, s. v. forno dicesi del pane, della carne o altra cosa, che si cuoce nel forno, quando è molto ben cotta, o quasi rosolata. Vollst. Wb. s. v. forno (App.) §. Aver troppo forno, zu viel Hitze bekommen haben, zu stark gebacken sein (vom Brode). Raccolta: Non parliamo di malinconie, s. v. malinconie Vollst. Wb. s. v. malinconia §. Non parliamo di malinconie, Lasciamo stare le malinconie, genug von solchen traurigen Sachen! Wir wollen von etwas Anderem, Lustigem, Heiterm sprechen. Raccolta: Fare il muso, alzare il muso, tanto di muso, s. v. muso Vollst. Wb. s. v. muso §. Fare, Alzare il muso, das Maul hängen; ein verdrießliches Gesicht machen.
Die lexikographische Praxis bezüglich der Zuordnung und Darstellungsform der Redensarten und Sprichwörter ist nicht einheitlich. Sprichwörter scheinen tendenziell unter dem Artikel eines darin enthaltenen Nomen eingeordnet zu werden (beachte jedoch Gegenbeispiele wie s. v. pigro). Enthalten sie zwei Nomen, werden sie meist unter dem auffälligeren, selteneren aufgeführt. Teilweise erfolgt eine Verzeichnung unter beiden. So findet sich das Sprichwort Ogni gatta vuole il sonaglio (außerhalb des Analysekorpus) sowohl unter gatta als auch unter sonaglio. Auch Redensarten und stark idiomatische Kollokationen stehen eher unter dem darin vorkommenden Nomen, während sonst verbale Kollokationen eher un-
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ter dem Verb aufgeführt werden (cf. z. B. eine ganze Reihe von Kollokationen s. v. mandare, während mandare al cassone nur s. v. cassone zu finden ist; schiacciare un sonno ist ebenfalls unter dem Nomen aufgeführt und übersetzt, s. v. schiacciare findet sich für die Kollokation lediglich ein Verweis auf sonno). Besonders bei Verben mit breitem Kollokationsradius und dementsprechend langen Artikeln werden stark idiomatische Wendung tendenziell eher unter Nomen ausgelagert. Redensarten mit zwei Nomen werden teilweise wiederum unter beiden aufgeführt, wobei es möglich ist, dass unter einem Artikel lediglich ein Verweis erfolgt. Dies ist der Fall für andare col cembalo in colombaja, Wendung, die s. v. cembalo mit Äquivalent, s. v. colombaja nur mit einem Verweis versehen ist. Für die unterschiedliche Praxis scheint die Orientierung an den Referenzwerken verantwortlich zu sein. Bereits in der IV Crusca, Grundlage für die Wörterbücher von Bologna und Padua, ist die Redensart s. v. cembalo definiert, s. v. colombaja nur mit einem Verweis versehen, während das weiter oben zitierte Sprichwort Ogni gatta vuole il sonaglio wie bei Valentini bereits in der IV Crusca unter beiden Stichwörtern vollständig verzeichnet ist. Es scheint, dass Valentini dort, wo er längere Artikel grundlegend neu strukturiert, einem festeren Prinzip folgt, dagegen die Zuordnung in anderen Artikel relativ unreflektiert von den Referenzwerken übernimmt. Innerhalb der Artikel werden Redensarten und Sprichwörter, wie in Kapitel 7.5.1 ausgeführt, entweder unter der nächstliegenden Bedeutung aufgeführt, oder, bei Lemmata mit sehr vielen Sprichwörtern und Redensarten bzw. dort, wo keine klare Zuordnung möglich ist, weil die Bedeutung des Lemmas im entsprechenden Phraseologismus nur in eben diesem so zu fassen ist, – z. B. im Artikel zu granchio – am Ende des Artikels, ggf. in einem eigenem Absatz, untergebracht. Die Nennform der Phraseologismen im Vollständigen Wörterbuch ist uneinheitlich. Während Sprichwörter, die nicht an den Kontext adaptiert werden können, in ihrer festen Form dargestellt werden können und müssen, stellt sich bei Redensarten und anderen stark idiomatisierten verbalen Kollokationen die Frage, ob sie in infinitivischer Form oder adaptiert an einen frequenten Kontext verzeichnet werden. Valentini wählt meist die infinitivische Form. In einigen Fällen, nämlich dort, wo die Wahl der möglichen Subjekte eingeschränkt ist, erfolgt die Darstellung häufig in Form eines Beispielsatzes mit konjugiertem Verb, so z. B. für Ella ha una trippa insino agli occhi s. v. trippa und Ella è Gallina Mugellese s. v. gallina, die nur feminine Subjekte zulassen. Auch im deutsch-italienischen Teil werden Sprichwörter und Redewendungen in weitem Umfang berücksichtigt. Beispiele für Sprichwörter wurden bereits oben im Artikel zu Amt zitiert. Gegenüber den früheren italienisch-deutschen Wörterbüchern nimmt Valentini zahlreiche Ergänzungen vor. Als Beispiel sei lediglich sein Artikel zu Schmalhans dem von Filippi gegenübergestellt:
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Filippi (1817) Schmalhans, s. m. v. Geizhals Vollst. Wb., Schmalhans, m. Fam. Spilorcio, lesina, pittima, tignamica. §. Bei ihm ist Schmalhans Küchenmeister, in casa sua si fa magra cucina.
Insgesamt scheinen Sprichwörter und Wendungen, die der Umgangssprache angehören, häufiger gekennzeichnet zu sein. Neben dem Marker modo basso wird für den deutsch-italienischen Teil das im italienisch-deutschen nicht verwendete Etikett fam. benutzt (modo basso im Analysekorpus insgesamt fünf-, fam. zwölfmal), z. B. in den folgenden Auszügen: s. v. Amen §. Fam. das ist so gewiß wie Amen in der Kirche, è certissimo, è così vero come l’evangelio. s. v. Heide §. Fam. wie ein Heide fluchen, bestemmiare come un Turco. s. v. sieben §. Fam. seine sieben Sachen einpacken, far fagotto de’ suoi quattro cenci.
Bei der Kennzeichnung mag Valentini sich an Campe orientiert haben. Die Redensarten s. v. Amen und sieben sind auch dort unter den gleichen Stichwörtern aufgenommen und mit Campes Symbol für «niedrige, aber deswegen noch nicht verwerfliche Wörter» (Campe 1807, XXI) markiert. Wie ein Heide fluchen dagegen ist eine Zufügung Valentinis, die weder Adelung oder Campe noch Filippi verzeichnen. Andere Wendungen sind diastratisch markiert und teilweise entsprechend gekennzeichnet. Ein Beispiel ist die bereits in der Raccolta zitierte Wendung blauen Montag machen s. v. Montag: §. T. degli Artig. Blauen Montag machen, fare la lunegiana; stare a sportello.²⁸⁹
Wie im italienisch-deutschen Teil werden Redewendungen zumeist in ihrer infinitivischen Form aufgeführt. Wo Restriktionsbedingungen bestehen, wird die Wendung dagegen häufig wie ein Beispielsatz, mit konjugiertem Verb, angegeben. Die Lemmatisierung folgt keinem einheitlichen Schema. Eine Hierarchie der Wortarten, unter denen eine Wendung bevorzugt eingeordnet wird, scheint nicht zu bestehen. Blauen Montag machen ist sowohl unter blau als auch unter Mon-
289 S. v. blau, wo die Wendung ebenfalls verzeichnet ist, erfolgt allerdings keine Markierung.
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tag verzeichnet, der Teufel ist los (außerhalb des Analysekorpus) sowohl unter los (allerdings nur mit Verweis) als auch unter Teufel. Bei mehreren Elementen der gleichen Wortart herrscht kein einheitliches Schema vor. Es besteht die Tendenz, unter dem als weniger bekannt vorauszusetzenden Element bzw. dem Element mit dem kleineren Kollokationsradius einzuordnen (z. B. bei ihm ist Schmalhans Küchenmeister nur s. v. Schmalhans, nicht im Artikel zu Küchenmeister). Bei Bestandteilen, die diesbezüglich gleichwertig sind, ist keine feste Ordnung (z. B. nach dem Alphabet oder der Reihenfolge des Vorkommens im Phraseologismus) erkennbar.²⁹⁰
7.5.9 Lexikographische Beispiele: Aufeinandertreffen zweier unterschiedlicher Wörterbuchtraditionen Eine der Innovationsleistungen Valentinis gegenüber seinen zweisprachigen Vorgängern liegt in der Erweiterung der einzelnen Wörterbuchartikel um eine Vielzahl von Beispielen. Für dieses mikrostrukturelle Element ist aus zwei Gründen eine detailliertere und ausführlichere Analyse notwendig: Für die Geschichte der zweisprachigen Lexikographie mit Deutsch und Italienisch ist die Tatsache von Bedeutung, dass sich Zahl und Art der Beispiele in den beiden Wörterbuchteilen erheblich voneinander unterscheiden, ja die Differenz so groß ist, dass eine unterschiedliche Definition davon notwendig wird, was unter einem Beispiel zu verstehen ist. Für den Blick auf Valentinis Position innerhalb der italienischen Lexikographie ist eine genaue Betrachtung des Umgangs mit Beispielen ebenfalls fundamental, zeigt sich doch hier ganz deutlich, wie stark der Römer trotz seiner in vielen Punkten innovativen Haltung in der italienischen Lexikographietradition verhaftet ist. Auch wird in der Auswahl und Modifikation von Autorenbeispielen sein philologischer Anspruch deutlich. Aufgrund der Uneinheitlichkeit des Beispielbegriffs in der Lexikographie und ihrer wissenschaftlichen Beschreibung und der unterschiedlichen Funktionen, die Beispiele in ein- und zweisprachigen Wörterbüchern zu erfüllen haben, seien der getrennten Betrachtung der beiden Teile von Valentinis Wörterbuch einige Reflexionen zur Kategorie des lexikographischen Beispiels vorgeschaltet. Betrachtet man die neuere zweisprachige Lexikographie, so zeigt sich, dass sowohl in den Wörterbüchern selbst als auch in den theoretischen Arbeiten dazu die Abgrenzung zu anderen Mikrokategorien nicht ganz klar ist (cf. zu diesem Aspekt v. a. den
290 So ist einen braun und blau schlagen s. v. blau mit Übersetzung, s. v. braun nur mit Verweis verzeichnet. In Saus und Braus leben steht nur unter Saus.
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Handbuchartikel zu Beispielen in der zweisprachigen Lexikographie von Jacobsen/Manley/Pedersen 1991). Piotrowski führt aus, dass in vielen von ihm analysierten zweisprachigen Wörterbüchern das Beispiel nicht deutlich von anderen polylexikalen Kategorien wie freien Verbindungen, Mehrworteinheiten oder Kollokationen abgesetzt ist (cf. 2000, 14–15; cf. auch Kapitel 7.5.8). Hausmann (1977) verwendet in seiner Einführung in die Wörterbuchbenutzung den Terminus Beispiel nahezu synonym mit dem syntagmatischen Teil eines Wörterbuchartikels: «Der klassische Bausatz des Wörterbuchartikels besteht aus den drei Komponenten Lemma, Definition und Beispiel: […] Das Beispiel stellt das als Lemma isolierte Wort in eine typische syntaktische Verbindung. Man nennt die Ebene des Miteinandervorkommens von Wörtern im Satz die syntagmatische Ebene. Die Vielfalt möglicher Beispiele behandeln wir deshalb als Bauteil Syntagmatik.» (Hausmann 1977, 6–7)
In einem Aufsatz von 1985 fasst er die Kategorien Kollokation und Beispielsatz unter dem Oberbegriff des lexikographischen Beispiels zusammen, schiebt jedoch die wertvolle Präzisierung nach, dass Kollokationen der Ebene der langue, Beispielsätze dagegen der Ebene der parole zuzurechnen seien (cf. Hausmann 1985, 118). Rey-Debove nähert sich dem lexikographischen Beispiel auf der Ebene der Zeichenetheorie an und streicht seine implizite Art der Informationsvermittlung heraus (cf. Rey-Debove 1970, 1049–1050). Auch für Zöfgen liegt ein Beispiel nur dann vor, wenn «die implizite Information über das lemmatisierte Zeichen durch Einbettung in einen Verwendungskontext» (Zöfgen 1986, 221) gegeben ist, und wenn die als Beispiel angegebene Verbindung nicht selbst Zeichencharakter hat. Somit schließt Zöfgen von den bei Hausmann (1977) unter dem Dach des lexikographischen Beispiels zusammengefassten syntagmatischen Angaben feste lexikalisierte Verbindungen und Angaben zur Rektion als Beispiele aus. Nur Kollokationen, verstanden als «typische Zweierkombinationen» (Zöfgen 1986, 221) und ganze Beispielsätze oder satzähnliche Kontextualisierungen gehören für ihn zur Kategorie. Einen weiteren Diskussionspunkt zum lexikographischen Beispiel stellt die Frage dar, ob Autorenzitate oder vom Lexikographen selbst konstruierte Beispiele zu bevorzugen seien. «This debate refers back, of course, to the particular status of examples in historical dictionaries, in which they are both content and authority» (Drysdale 1985, 213). Dagegen können konstruierte Beispiele mit einem höheren Informationsgehalt aufwarten, sie zeigen das Lemma in typischen, frequenten Kontexten, bergen aber die Gefahr in sich, gezwungen und künstlich zu erscheinen (cf. Drysdale 1985, 213). Es sei hier nur kurz angemerkt, dass in der heutigen Wörterbuchproduktion die Diskussion um konstruierte vs. Autorenbeispiele von der Diskussion konstruierte vs. Korpusbeispiele ersetzt worden ist und das Krite-
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rium der Authentizität besonders hoch gewichtet, aber auch stark umstritten ist (cf. z. B. Engelberg/Lemnitzer 4 2009, 236). Eine weitere Diskussion, die auch Valentinis Umgang mit Beispielen betrifft, ist die Frage, in welcher Form sie vorliegen sollten. Ganze Sätze brauchen viel Platz, und Platz ist in jedem Wörterbuch knapp. Daher sollte der Lexikograph reflektieren, wozu das Beispiel dient und ob ein vollständiger Satz die jeweilige Funktion wirklich besser erfüllen kann als ein Ausschnitt. Beispiele in einem zweisprachigen Wörterbuch können, unabhängig davon, ob es sich um ein Autorenzitat oder um ein vom Lexikographen konstruiertes Beispiel handelt, neben der primären illustrierenden eine Vielzahl weiterer Funktionen im Wörterbuchartikel übernehmen. «Examples, if judiciously selected, can demonstrate collocational, stylistic, morphological and cultural features of words and phrases» (Jacobsen/Manley/Pedersen 1991, 2787). Eine Typologie von Beispielfunktionen bieten Drysdale und Zöfgen. Drysdale identifiziert sechs grundlegende Funktionen: «(1) To supplement the information in a definition. (2) To show the entry word in context. (3) To distinguish one meaning from another. (4) To illustrate grammatical patterns. (5) To show other typical collocations. (6) To indicate appropriate registers of stylistic levels». (Drysdale 1985, 215)
Zöfgen unterscheidet zunächst Pseudobeispiele von tatsächlich demonstrationsteilrelevanten Beispielen. Beide Gruppen umfassen je vier Untergruppen. Zu Ersteren zählt Zöfgen Beispiele, die das Lemma, unter dem sie stehen, gar nicht enthalten; Erläuterungen; enzyklopädisch orientierte Satzbeispiele; definierende Beispiele. Zur zweiten Gruppe gehören der bedeutungsdeterminierende Beispielsatz, der kollokationsäquivalente vollständige Satz; Fälle, in denen das Beispiel eine explizite Angabe, z. B. zur Rektion, illustriert und schließlich Belegsätze, die sich bedeutungs- und angabeindifferent verhalten (cf. Zöfgen 1986, 225–229, bezogen auf den Beispielsatz). An dieser Stelle erfolgt keine Diskussion dieser Ansätze, da sie für die Analyse des Valentinischen Wörterbuchs irrelevant wäre, das als Werk des frühen 19. Jahrhunderts nicht mit modernen Maßstäben zu messen ist. Auf die Darstellung der modernen Überlegungen sollte jedoch nicht verzichtet werden, da, wie die folgenden Kapitel aufzeigen werden, die induktive Analyse des Gran Dizionario teilweise zu ähnlichen Typologisierungen führt.
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7.5.9.1 Verhaftung in der Tradition: Beispiele im italienisch-deutschen Teil In der Geschichte der einsprachigen italienischen Lexikographie hat das Beispiel seit dem 16. Jahrhundert eine feste Tradition. Die in der Linie Bembos stehenden Wörterbücher gründen auf dem Exzerpieren der als vorbildhaft angesehenen Autoren, nur lexikalische Einheiten, die bei diesen nachgewiesen sind, werden überhaupt aufgenommen. Entsprechende Textstellen, die die Verwendung der Einheit beim Autor belegen, also literarische Beispiele, werden zum festen Bestandteil des Wörterbuchartikels. Den wichtigsten Beitrag zu dieser Praxis leistet die Lexikographie der Accademia della Crusca.²⁹¹ Sie wählt gezielt den beispielhaften Belegausschnitt so aus, dass er die Bedeutung der jeweiligen lexikalischen Einheit in einem klaren Kontext abbildet, und fügt dem jeweiligen Ausschnitt eine präzise Quellenangabe bei.²⁹² Ihre Funktion liegt dabei weniger oder zumindest nicht ausschließlich in einer Veranschaulichung im didaktischen Sinne, sondern vielmehr in einer Dokumentation und im Nachweis, dass die Einheit bei einem der großen Autoren gebraucht worden und damit prestigereich und wert ist, von neuen Autoren ebenfalls verwendet zu werden. Der italienisch-deutsche Teil des Valentinischen Wörterbuchs ist in seiner Struktur stark von der einsprachig italienischen Tradition geprägt. In keinem Element zeigt sich dies so deutlich wie in der Integration von Beispielen, die Valentini größtenteils aus seinen einsprachig italienischen Referenzwerken übernimmt. Jagemann und Filippi enthalten bis auf wenige Ausnahmen keine solchen Belege. Neben diesen fast ausschließlich literarischen Beispielen gibt er weitere Sätze mit Beispielfunktion an, die zumeist von ihm selbst konstruiert und mit einer deutschen Übersetzung versehen sind. In der folgenden Analyse wird die Kategorie
291 An Wörterbüchern, die vor dem Vocabolario degli Accademici della Crusca erschienen sind und der Position Bembos folgend ausschließlich oder zumindest überwiegend den Wortschatz der Tre Corone verzeichnen, seien hier Le tre fontane Niccolò Liburnios von 1526, Lucilio Minerbis Vocabulario (1535), Fabricio Lunas Vocabulario di cinquemila Vocabuli Toschi (1536), das Vocabolario von Alberto Acarisio (1543), die Wörterbücher von Francesco Alunno (1539; 1543; 1548) sowie das Memoriale della lingua italiana von Giacomo Pergamini aus dem Jahr 1602 genannt. Neben dieser vorwiegend auf dem Wortschatz weniger Autoren beruhenden Lexikographie, die sich durch eine Vielzahl von literarischen Beispielen auszeichnet, entstehen, in Form von Wortlisten und zu eher praktischen oder didaktischen Zwecken, auch Zusammenstellungen von Spezialtermini und Wörtern der Gegenwartssprache. Vorläufer dieses Traditionsstrangs sind Luigi Pulci und Leonardo da Vinci mit Wortlisten für den persönlichen Gebrauch, wichtige gedruckte Werke sind die Tipocosmia (1561) von Citolini und Garzonis Piazza universale di tutte le professioni del mondo (1585). Zur einsprachigen italienischen Lexikographie bis zum Erscheinen der I Crusca cf. Olivieri (1942), Tancke (1984) und Della Valle (1993). 292 Zunächst erhielten nur Auszüge von Autoren des Trecento eine präzise Angabe der Textstelle, während zu Zitaten aus modernen Autoren nur Name und Werk angegeben wurden. In den späteren Ausgaben wurden auch diese Quellenangaben präzisiert.
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des Beispiels jedoch enger gefasst. Zur Identifikation und zur Abgrenzung von anderen illustrierenden Mikrokategorien dienen drei formale Kriterien:²⁹³ – Das Beispiel ist mit einem Doppelpunkt an das Äquivalent der lexikalischen Einheit angeschlossen, die es illustriert. – Das Beispiel selbst wird nicht übersetzt. – Im Beispiel wird das jeweilige Lemma kursiv gesetzt. Zur Veranschaulichung mag der Artikel zu andazzaccio dienen. Andazzaccio (tso), m. pegg. di Andazzo, eine böse Seuche: Quando corre quel pessimo andazzaccio della febbre maligna.
Das Beispiel («Quando corre quel pessimo andazzaccio della febbre maligna») schließt sich mit einem Doppelpunkt an das deutsche Äquivalent an. Das italienische Element, das veranschaulicht werden soll, ist im Beispiel kursiv gedruckt. Der Beispielsatz ist nicht übersetzt, was eine starke Konsequenz für die Funktion des Wörterbuchs mit sich bringt: Es wird keinerlei Informationen zur Zielsprache bzw. zur Relation von Ausgangs- und Zielsprache gegeben, sondern, wie in einem einsprachigen Wörterbuch, ausschließlich zum Lemma in der Ausgangssprache. In diesem Fall handelt es sich um das Lemma in seiner Grundbedeutung. Wie die folgenden Ausschnitte zeigen, kann aber auch das Lemma in weiteren Bedeutungen durch ein Beispiel illustriert werden (s. v. andazzo), ebenso Mehrworteinheiten (s. v. versungiáno) und Kollokationen (s. v. páscere): Andazzo (tso), m. die Seuche: […] §. für Usanza di poca durata, eine kurzdauernde Mode: Con calze contigiate van ragazzi, E con sì fatti andazzi i fanti vanno. Versungiáno, agg. T. degli Anat. Liquore Versungiano, der pankreatische Saft: Perchè Giorgio Versungio fu il primo a ritrovare il condotto pancreatico, però il liquore, che vi scorre, si chiama Versungiano. Páscere, v. n. weiden, auf die Weide gehen: […] §. Pascersi di lagrime, sich satt weinen; sich in Thränen weiden: Ch’ io mi pasco di lagrime, e tu ’l sai. […]
Der folgende Auszug zeigt, wie die intransitive Verwendung des Verbs colmare, das zunächst als verbo attivo klassifiziert ist, mit einem Beispiel belegt wird: Colmare, v. a. häufeln, aufhäufen. […] §. v. n. überfließen, überströmen: Corrono i fiumi dell’ acque intra’ monti, fiatano i venti, dissolvonsi i nuvoli, colmano i fonti.
293 Neben literarischen Beispielen enthält auch der italienisch-deutsche Teil bisweilen kurze Beispielsätze mit Übersetzung, die klar von anderen Einheiten wie Kollokationen getrennt sind, z. B. s. v. attore. Valentini nennt sie im Vorwort frasi, in Abgrenzung zu esempj (cf. Vollst. Wb., vol. 1, LXXX).
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Im Analysekorpus lassen sich insgesamt 228 Einheiten nachweisen, die nach den oben angegebenen formalen Kriterien als Beispiele zu klassifizieren sind. Sie sind nicht gleichmäßig über das Korpus verteilt. Im Ausschnitt des ersten Bandes, der Stichwörter von A bis einschließlich M umfasst, sind es 139, was bedeutet, dass im Schnitt hier etwa jeder sechste Artikel ein Beispiel enthält bzw. auf ein Lemma 0,16 Beispiele kommen, im Ausschnitt des zweiten Bandes mit Stichwörtern von L bis Z 85 (0,08 Beispiele pro Lemma). Der Anhang umfasst 4 Beispiele (0,03 pro Lemma). Eine Erklärung für dieses Ungleichgewicht liegt darin, dass der zweite Band aufgrund seines Stützens auf die Minerva, aber auch aufgrund des gewählten Ausschnitts – z. B. der Bildungen mit semi- – mehr Fachwortschatz enthält, der nicht durch Beispiele belegt wird. Der Anhang umfasst für den untersuchten Korpusausschnitt fast ausschließlich Fachwortschatz. Ein weiterer Grund dürfte in der Erstellung des Wörterbuchs zu suchen sein: Der Umfang des zweiten Bandes war durch das Hinzuziehen neuer Werke bereits größer und Valentini sah sich wohl gezwungen, Platz und für eine rechtzeitige Veröffentlichung auch Zeit zu sparen, und die Integration von Beispielen, die unter vielen ausgewählt, übertragen, gekürzt und angepasst werden müssen, erfordert große Kapazitäten. Neben der unterschiedlichen Verteilung von Beispielen auf die Wörterbuchteile ist auch die Verteilung auf den einzelnen Seiten uneinheitlich.
a. Übernahme von Beispielen Durch den Abgleich an Textkorpora wie BIZ sowie an anderen Wörterbüchern lässt sich feststellen, dass mit 197 bzw. 86 % der von Valentini im Analysekorpus verwendeten Beispiele Autorenbeispiele bei Weitem überwiegen. Nur einen geringen Teil dieser Beispiele erlangt der Autor durch eigene Exzerpte. Der systematische Abgleich bestätigt die Vermutung, dass der Großteil direkt aus dem Wörterbuch von Bologna bzw. für den zweiten Band auch aus dem Dizionario della Minerva übernommen wurde. 93 % der Autorenbeispiele finden sich auch in diesen Referenzwerken. Zumeist wird ein Beispiel an der gleichen Stelle im Artikel eingesetzt wie von den Bologneser Autoren: Bologna (1819–1826) attore. Add. Facitore. […] §. II. Per colui, che amministra i fatti altrui. […] Cron. Morell. 260. Appresso i salarj dell’attore, o fattore, danari, e derrate, che gli conviene dare a’ parenti, o amici. […] Vollst. Wb. Attore, m. [Facitore], ein Handelnder, ein Bewirker, Wirkender: […] §. Für Colui, che amministra i fatti altrui, ein Geschäftsführer, Verwalter, ein Sachwalter: Appresso i salarj dell’ attore, o fattore, danari, e derrate, che gli conviene dare a’ parenti, o amici. […]
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Bisweilen übernimmt Valentini ein Beispiel jedoch auch, ordnet es aber einer anderen Bedeutungsdefinition zu als das einsprachig italienische Wörterbuch. Dies ist z. B. s. v. trionfare der Fall: Bologna (1819–1826) † trionfare, e triunfare. Ricevere l’onor del trionfo. […]. §. I. Per similit. Vale Godere, Festeggiare. […] §. IV. Trionfare. […] Galat. 31. Il bere, e il godere si nominano per beffa il trionfare. Vollst. Wb. Trionfare, v. n. und v. a. triumphiren, im Triumph einziehen. […] §. Für Godere, Star bene a tavola, sich bei Tische wohl sein lassen, schmausen: Il bere e il godere si nominano per beffa il trionfare.
Vergleiche wie dieser belegen, dass Valentini eben nicht einfach das Wörterbuch von Bologna adaptiert und ihm deutsche Äquivalente hinzufügt, sondern dass er sich zwar eng an diesem orientiert, aber doch für jede Unterbedeutung, für jedes Element reflektiert, ob eine Anordnung sinnvoll ist, ob sie seiner semantischen Gliederung entspricht und wie sie für das zweisprachige Wörterbuch anzupassen ist.
b. Modifikation von Beispielen Was die Übernahme des Beispieltextes betrifft, so hält Valentini sich nicht immer an den genauen Wortlaut seiner Referenzwerke, sondern nimmt bisweilen Veränderungen vor.²⁹⁴ Diese sind von besonderem Interesse, da sie, im Falle von orthographischen, phonetischen oder grammatischen Anpassungen, Rückschlüsse auf Normierungsbestrebungen Valentinis, im Falle von Kürzungen oder Einpassungen in den Kontext der Artikel auf metalexikographische Reflexionen schließen lassen. Von den 183 Autorenbeispielen, die Valentini aus den Referenzwörterbüchern übernimmt, unterliegen 65, ein Anteil von 36 %, Veränderungen. In diesen 65 Beispielen werden insgesamt 87 Modifikationen vorgenommen. Es zeigt sich ein großer Unterschied zwischen den beiden Wörterbuchhälften. Während im ersten Band nur 31 % der Beispiele modifiziert werden, sind es im zweiten Band mit 63 % mehr als doppelt so viele. Die meisten Veränderungen betreffen Kürzungen. Die Tendenz, im zweiten Band Platz zu sparen, setzt sich also bis in den Beispieltext fort. Die unterschiedlichen Arten von Modifikationen werden in der folgenden Tabelle aufgeführt.
294 Ganz ähnlich verfährt bereits D’Alberti bei der Erstellung des Dizionario Universale bei der Arbeit mit seinem Hauptreferenzerk, der IV Crusca (cf. Mura Porcu 2 2000, 337–345).
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Tab. 19: Modifikation von Beispielen Art der Modifikation
Anzahl der jeweiligen Modifikation
Zeichensetzung Kommata andere Satzzeichen
23 20 3
Normierungen Einzelwörter grammatische Wörter grammatische Formen Konstruktionen
22 13 3 4 2
Kürzungen
18
Reduzierung auf Syntagmen Graphie Groß-/Kleinschreibung Akzentsetzung Pluralformen
9 13 9 3 1
Sonstige
2
Gesamt
87
Die häufigsten Veränderungen, nämlich je 23, betreffen die Zeichensetzung. Der Bereich der Interpunktion unterliegt im Ottocento zahlreichen Schwankungen. Kaum normiert ist insbesondere die Kommasetzung. «Molto più del punto, la virgola è stata sempre soggetta a usi oscillanti e stilisticamente diversi; specie nell’Ottocento, quando molte delle norme che attualmente ne regolano l’impiego erano ancora in via di assestamento» (Antonelli 2008, 187). Valentini tilgt in 20 Fällen gegenüber Zitaten im Bologna-Wörterbuch Kommata oder fügt sie hinzu. Aufgrund der geringen Zahl von Belegen ist es schwierig, eine Regel zu erkennen, der er folgt. In mehreren Fällen streicht er gegenüber dem Ausgangstext ein Komma, wenn eine Aufzählung oder eine Koordination mit der Konjunkton e folgt, wie s. v. cassare. Das betreffende Beispiel von Giovanni Villani lautet im Dizionario von Costa/Cardinali: «Annullò, e cassò tutte le sue operazioni, e fece eleggere un altro Papa». Im Vollständigen Wörterbuch liest man: «Annullò e cassò tutte le sue operazioni e fece eleggere un altro Papa». Diese Art der Tilgung nimmt Valentini jedoch nicht immer vor, und es findet sich auch die gegengesetzte Korrektur, also Fälle, in denen er im gleichen syntaktischen Kontext ein Komma einfügt. Recht konsequent tilgt Valentini Kommata vor Objektsätzen, z. B. s. v. páscere, wo das Petrarca-Beispiel in Costa/Cardinali folgendermaßen geschrieben wird: «Non credo, che pascesse mai per selva Sì aspra fera […]». Im Gran Dizionario ist der Objektsatz nicht durch Komma abgetrennt.
466 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
Mit den Tilgungen von Kommata sowohl vor e als auch vor che in bestimmten Fällen zeigt Valentini sich im Bereich der Zeichensetzung als Verfechter einer modernen Sprachnorm. Vor e wird im 18. und noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts beinahe konsequent ein Komma gesetzt, Grammatiker des Settecento wie Corticelli und Soave geben diese Praxis als Regel vor (cf. Antonelli 2008, 189; Biasci 2004, 174). Doch ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird die übertriebene mechanische Kommasetzung als unschön empfunden und zugunsten eines reflektierteren Gebrauchs kritisiert, etwa von Tommaso Azzocchi, der zur Zeit der Entstehung des Valentinischen Wörterbuchs schreibt: «Dico dunque esser pessima ortografia quella che tiene chi innanzi ad ogni E e ad ogni CHE pone virgola; là solo si dee porre, dove ha a farsi una cotal pausa […] là solamente dove il sentimento richiede». (Azzocchi 1828, 69)
Grammatiker des Ottocento wie Puoti oder Gherardini empfehlen, das Komma vor e weniger mechanisch, sondern nur beim Vorliegen von semantischen und logisch syntaktischen Brüchen zu setzen (cf. Antonelli 2008, 189). Auch bei der Kommasetzung vor che empfiehlt Gherardini, ebenso wie Vanzon, die Beachtung der durch die Konjunktion bzw. das Relativpronomen eingeleiteten Konstruktion (cf. Gherardini 2 1847, 575–576; Vanzon 2 1834, 51). Vor Objektsätzen, dichiarativa und relativa limitativa, vor denen zu Beginn des Ottocento noch meist Kommata gesetzt werden, sollte kein Komma stehen. Der oszillierende Gebrauch wird aber noch über das gesamte 19. Jahrhundert andauern (cf. Antonelli 2008, 190). Valentini scheint dagegen dem modernen Gebrauch, sowohl was Kommata vor e als auch vor che betrifft, bereits zu folgen. Fast genauso häufig wie Anpassungen auf Ebene der Interpunktion sind mit 22 Belegen Normierungen auf Wort- und Konstruktionsebene, die Valentini innerhalb der Beispiele vornimmt. Mit dieser Anpassung teilweise regionaler, teilweise poetischer oder veralteter Varianten an moderne Formen zeigt er sich als Vertreter einer modernen Sprachnorm. Dabei nimmt er die philologisch diskutable Veränderung der Originalform in Kauf. Am häufigsten ist mit 13 Belegen die Normierung von Einzelwörtern. Tab. 20 stellt gegenüber, wie die Beispiele im Wörterbuch von Bologna und wie sie im Gran Dizionario angeführt werden. Die jeweils veränderte Einheit ist dabei in der Tabelle sowie in den folgenden Beispielen von mir durch Unterstreichung hervorgehoben. Auf weitere Modifikationen in den einzelnen Beispielen, wie etwa Kürzungen, wird an dieser Stelle nicht eingegangen.
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Tab. 20: Normierung in Beispielen Lemma
Zitat in Bologna
Zitat im Vollst. Wb.
anfibología
Varch. Ercol. 20. Duvunque si fuggisse l’anfibologia cioè lo scuro, e dubbio parlare.
Dovunque si fuggisse l’anfibologia cioè lo scuro, e dubbio parlare.
castáldo
Franc. Sacch. nov. 152. Bergamino da Crema, castaldo della salmería del magnifico Signore di Melano (prima avea detto di costui, Uno che tutte le some del Signore conducea).
Bergamino da Crema, castaldo della salmeria del magnifico Signore di Milano.
delízia
M. V. 1.4. Usavano dissolutamente il peccato della gola, i conviti, le taverne, e delizie colle dilicate vivande.
Usavano dissolutamente il peccato della gola, i conviti, le taverne, e delizie colle delicate vivande.
disparire
Fior. S. Franc. 62. E detto questo, la boce disparve.
E detto questo, la voce disparve.
dispensare
Alam. Colt. 2. 46. In qualch’ opra gentil dispense il tempo (dispensi).
In qualch’ opera gentil dispensa il tempo.
Car. rim. [Ediz. d’ Aldo 1572] 44. Tu sol m’apri e dispensi Parnaso, e tu mi desta, e tu m’ avviva Lo stil, la lingua, i sensi.
Tu sol m’apri e dispensi Parnasso, e tu mi desta, e tu m’ avviva, Lo stil, la lingua, i sensi.
incomodità
Cas. lett. 70. Nondimeno è vizio, ed ha questo istesso incommodo più degli altri, che avendo, come ho detto, aspetto di virtù, può ingannare più agevolmente gli uomini.
Nondimeno è vizio, ed ha questa istessa incomodità più degli altri, che avendo, come ho detto, aspetto di virtù, può ingannare più agevolmente gli uomini.
magnificamente
Volg. Mes. Le mele cotogne condite tolgono magnificamente il vomire, e l’ andare a zambra.
Le mele cotogne condite tolgono magnificamente il vomito ec.
magno
Malm. 2. 5. Che un uom, com’ era quei, sì giusto e magno Faceva novità sì stravagante.
Che un uomo com’ era quei, sì giusto, e magno, Faceva novità sì stravagante.
pillácchera
Libr. Son. 49. Considra tristo a tante tue pillacchere.
Considera tristo a tante tue pillacchere.
pilôta
Ar. Fur. 23. 16. Così si parte col pilota innante Il nocchier, che gli scogli teme; e ’l vento.
Così si parte col piloto innante Il nocchier, che gli scogli teme, e ’l vento. Ar. Fur. 23. 16.
468 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
Lemma
Zitat in Bologna
Zitat im Vollst. Wb.
seminario
Salvin. disc. 1. 101. Tertulliano non dubitò di dire, non so quale antica filosofia essere stata serminario [sic!] d’eresie.
Tertulliano non dubitò di dire, non so quale antica filosofia essere stata seminaria d’eresie.
stellare, stellarsi
Virg. Eneid. M. Intanto il cielo si stella, e la notte cade sopra ’l mare Oceano.
Intanto il ciel si stella, e la notte cade sopra ’l mare Oceano.
Die Ersetzung von duvunque durch dovunque, Melano durch Milano,²⁹⁵ dilicate durch delicate,²⁹⁶ boce durch voce und Parnaso durch Parnasso zeigen eine Normierung mit klarer Bevorzugung moderner Formen. Gegenüber literarischen kontrahierten Formen werden volle bevorzugt (opera statt opra, uomo statt uom, considera statt considra), allerdings finden sich wieder gegenläufige Tendenzen, wenn Valentini im Beispiel unter dem Stichwort stellare mit ciel statt cielo die apokopierte poetische Form wählt, die ihm im Vers als die korrektere erscheint. Zudem nimmt Valentini Ersetzungen einzelner Lexeme durch ihre Varianten vor, schreibt incomodità statt incommodo, vomito statt vomire, piloto statt pilota, seminaria statt serminario. Das Beispiel unter dispensare zeigt eine weitere Modifikation auf Wortebene an, die Valentini vornimmt. In insgesamt vier Fällen ändert er, aus unterschiedlichen Gründen, die grammatische Form eines Elements. Im genannten Beispiel wird der Modus verändert. Im Ausgangstext steht mit dispense eine nicht mehr gebräuchliche Konjunktivform. Schon die Autoren des Bolognawörterbuchs halten es für notwendig, einen Zusatz in Klammern hinzuzufügen, in denen sie zur Erläuterung die geläufigere Form dispensi angeben. Valentini geht nun noch einen Schritt weiter und wählt statt des Konjunktivs den Indikativ dispensa. Der knappe Beispielausschnitt gibt keinen Kontext vor, der zwingend einen Konjunktiv verlangen würde. Valentini muss davon ausgehen, dass einem deutschen Benutzer diese Verbform möglicherweise nicht vertraut ist und er durch das Beispiel verwirrt sein könnte, zumal es sich beim betreffenden Verb um das Lemma handelt. Die Form des Lemmas wird auch im folgenden Beispiel gegenüber dem Ausgangszitat verändert:
295 Zur Form Melano cf. Deonomasticon Italicum, s. v. Milano. 296 Zum Schwanken zwischen delicato und dilicato im 18. Jahrhundert cf. Migliorini (11 2004, 480), der auch weitere Belege von Schwankungen anführt, wie sie Tab. 20 enthält (cf. ebd., 480–482; 581–582).
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Delíquio, m. [Svenimento, Mancamento], die Ohnmacht: Agitazione, strettezza, e deliquio di cuore.
Costa/Cardinali zitieren das entsprechende Redi-Beispiel mit «Agitazione, strettezza, e deliquj di cuore». Der Grund, warum Valentini hier statt der Pluralform den Singular wählt, könnte, neben der Überlegung, das Lemma in der Grundform zu wiederholen, darin liegen, dass das deutsche Äquivalent ‘Ohnmacht’ nur äußerst selten im Plural verwendet wird und der deutsche Nutzer beim Versuch, das Beispiel zu übersetzen, verunsichert werden könnte. Eine besondere Form der Normierung stellt neben der auf Wortebene ein Eingriff im Bereich der grammatischen Wörter dar. Im Analysekorpus ist es in drei Fällen der bestimmte Artikel, den Valentini gegenüber dem Ausgangszitat in seinen Beispielen anpasst. Unter dem Stichwort sonnacchioso ändert er das im Bologna-Wörterbuch gefundene Alamanni-Beispiel «E ’l sonnacchioso, e pigro Papavero in quei dì non senta oblío» zu «E il sonnacchioso e pigro papavero ec.» ab, präferiert also anstelle der für das italiano antico typischen apheretischen Form des Artikels nach der Konjunktion e die volle Form il. Ein zweiter Fall der Artikelmodifikation betrifft den in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch häufig wechselnden Gebrauch der maskulinen Pluralform vor Vokal (cf. Migliorini 11 2004, 565–566). Costa/Cardinali schreiben s. v. trionfo in einem Zitat von Buti «li inimici», benutzen also die alte Form des maskulinen Artikels im Plural, die Valentini zu «gl’inimici» abwandelt. Damit wählt er die modernere Form, die er auch in seiner Grammatik als Pluralform des maskulinen definiten Artikels vor Vokal, z und s+Konsonant als korrekt angibt (cf. Kap. 5.3.4 und 7.6.2). Auch auf Konstruktionsebene werden Änderungen durchgeführt. Ein Beispiel findet sich s. v. grandiloquo. Das Wörterbuch von Bologna führt hier ein Beispiel mit der alten und wenig frequenten Form essere uopo auf, die Valentini zu essere d’uopo anpasst: Bologna (1819–1826) † * grandíloquo. Che è detto con gran nobiltà d’espressione. Gor. Long. Niuna cosa è cotanto grandiloqua quanto il nobile affetto collocato ove è uopo. […] Vollst. Wb. Grandíloquo, agg. [Che è detto con nobiltà d’espressione], mit würdevollem Ausdruck: Niuna cosa è cotanto grandiloqua quanto il nobile affetto collocato ove è d’uopo. [meine Hervorh.]
Die zweithäufigste vorgenommene Modifikation sind Kürzungen, die Valentini in 18 Fällen vornimmt. Damit spart er Platz und kann zudem den Blick des Benutzers gezielt auf den Beispielabschnitt lenken, der die jeweilige lexikalische Einheit im betreffenden Gebrauch enthält. Unter dem Stichwort privatamente etwa wird
470 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
das aus dem Wörterbuch von Bologna übernommene Villani-Beispiel «Il conte vedendo ritenuta la sua figliuola, e sè dal Re a leggier guardia, si partì privatamente di Parigi, e fuggissi in Fiandra» zu «Il conte vedendo ritenuta la sua figliuola, e sè dal Re a leggier guardia, si partì privatamente di Parigi» abgekürzt. Der gewählte Ausschnitt ist lang genug, um es dem Benutzer zu erlauben, aus dem Beispiel die entsprechende Bedeutungskomponente von privatamente, die Valentini mit ‘insgeheim, incognito’ übersetzt, zu erkennen. Eine interessante Form der Kürzung, die der Textverdichtung und Artikelstrukturierung dient, findet sich auch unter dem Stichwort vesciája. Von Costa/Cardinali übernimmt Valentini das Beispiel «Vescia dicono le donne un racconto de’ fatti d’altri, d’onde vesciona, e vesciaja una donna, che ridice tutto quello che sente discorrere» aus dem Malmantile. Dieses Beispiel hat einen Definitionscharakter, der von Valentini auf das zu illustrierende Lemma angepasst wird, indem der Lexikograph nach vesciaja den unbestimmten Artikel durch einen Doppelpunkt ersetzt: «[…], e vesciaja: donna, che ridice tutto quello che sente discorrere». In anderen Fällen werden auch längere Beispielausschnitte weggelassen. Von den Kürzungen zu unterscheiden sind Beispielsätze in den Referenzwörterbüchern, die Valentini für das Vollständige Wörterbuch auf reine Syntagmen reduziert. Dies sei an den jeweiligen Artikelausschnitten zu privatamente verdeutlicht: Bologna (1819–1826) privatamente. Avv. In privato, In particolare. […] §. Talora vale Da uom privato, cioè Senza tener grado di signore. […] Bocc. Vit. Dant. 251. Prima propose di lasciare del tutto ogni pubblico ufficio, e viver seco privatamente. Vollst. Wb. Privatamente, avv. [In privato, in particolare], insbesondere, insgeheim; vertraulich, privatim. §. Für Da uom privato, als Privatmann: Vivere privatamente. […]
Statt des vollen Beispiels wird nur die Kollokation vivere privatamente angegeben, auf die es Valentini offenbar ankommt. Durch die vorgestellte italienische Definition und das deutsche Äquivalent hat der Benutzer auch ohne das volle Beispiel genug Informationen, um sie verstehen und gegebenenfalls korrekt in einem Kontext anwenden zu können. Ein Beispiel für ein nominales Syntagma ist cielo stellifero s. v. stellifero, das der Autor aus einem Dante-Zitat (Purg. 11. 2.) entnimmt und seinen Nutzern vermutlich als solches nicht vorenthalten möchte. Von 9 im Analysekorpus vorhandenen Reduktionen finden sich 7 im zweiten Band. Neben der allgemein geringeren Zahl von Beispielen stellt dies einen weiteren Hinweis darauf dar, dass Valentini hier kürzen und Platz sparen musste.
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Als vierthäufigste Veränderung werden in übernommenen Beispielen Änderungen in der Graphie vorgenommen. Meistens handelt es sich dabei um Veränderungen in der Groß- und Kleinschreibung, wie s. v. franco: Im Berni-Beispiel «Che quel conte, ch’ io ebbi per padrone, Franco mi fece, e non avendo erede, Tutto lo stato, e roba sua mi diede», sind im Wörterbuch von Bologna Franco und Tutto, als Versanfänge, großgeschrieben. Valentini übernimmt sie, wie auch Versbeginne in anderen Beispielen, in Kleinschreibung. Dies ist erklärlich, könnte doch sonst ein deutscher Wörterbuchbenutzer, der die Versform der Werke nicht kennt, meinen, diese Einheiten seien immer groß zu schreiben. Allerdings ist Valentini in dieser Angleichung nicht konsequent, in anderen Beispielen findet sich Großschreibung am Versanfang auch in seinem Wörterbuch. Eine konsequente orthographische Anpassung betrifft die Pluralform von Maskulina auf -io, die Valentini stets mit -j schreibt. In einem aus dem Bologna-Wörterbuch übernommenen Beispiel aus der Vita dei Santi Padri unter dem Stichwort demenza gleicht er die dortige Schreibweise desideri zu desiderj an.
c. Quellenangaben Während in der Crusca-Tradition die Quellenangabe fester Bestandteil des Beispiels ist, gibt Valentini nur in wenigen Fällen, nämlich bei 33 Textausschnitten, an, woher seine Beispiele stammen. Die Autoren, deren Beispiele er mit Quellenangabe versieht, sind, in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit, Petrarca mit 7 Nennungen (8, wenn man auch ein Zitat aus den vom Autor in Latein verfassten und später in die Volkssprache übersetzten Uomini illustri hinzuzählt; die genannten 7 Auszüge stammen alle aus dem Canzoniere), Dante (6 Beispiele aus der Commedia), Boccaccio und Tasso mit jeweils 5 Beispielen (von Boccaccio 3 aus dem Decameron, 1 aus den Lettere und 1 aus der Vita di Dante, von Tasso alle aus der Gerusalemme Liberata) und Ariosto (Orlando Furioso) mit 3 Beispielen. Außerdem werden je 2 Beispiele von Casti (Novelle) und Goldoni (Il Molière und L’Avaro) und jeweils 1 Beispiel von Grassi und Alfieri belegt. Warum von den zahlreichen zitierten Werken und Autoren gerade diese namentlich belegt werden, lässt sich vielleicht folgendermaßen erklären. Der italienisch-deutsche Teil des Vollständigen Wörterbuchs ist weitgehend für ein deutsches Publikum gedacht. Für dieses kann Valentini nicht von einem tieferen philologischen Interesse und der Kenntnis einer Vielzahl italienischer Autoren ausgehen. Besonders die vielen kleineren bzw. weniger bekannten Werke des Trecento, deren Textauszüge die Wörterbücher der Crusca-Tradition charakterisieren, und die in durchaus beachtlichem Umfang als Beispiele auch bei Valentini eine Rolle spielen, können in einem Werk für deutsche Lerner des Italienischen nicht offen als modellhafte Belege angegeben werden. Dagegen sind die Tre Corone und die im 19. Jahrhundert ebenfalls zu den
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Klassikern zählenden Autoren Tasso und Ariosto auch einem deutschen gebildeten Publikum bekannt bzw. werden von Valentini als würdig eingestuft, diesem Publikum bekannt gemacht zu werden. Textauszüge von Alfieri und Casti und insbesondere von Goldoni verwendet Valentini auch in seinen Sprachlehrwerken und nennt sie in der Raccolta explizit als mögliches Modell der gesprochenen bzw. geschriebenen Umgangssprache. Eine andere Funktion hat die Übernahme einer Passage aus dem Saggio intorno ai sinonimi della lingua italiana von Grassi. Mit dieser stellt Valentini seinen Lesern, zusätzlich zum Äquivalent, eine weitere italienische Definition sowie etymologische Hinweise zur Verfügung. In seinen Quellenangaben ist das Vollständige Wörterbuch nicht immer präzise und dies unabhängig davon, ob es sich um einen dem traditionellen Kanon angehörenden oder um einen modernen Autor handelt. So gibt es etwa bei folgenden Beispielen aus Dante und Casti lediglich den Namen des Verfassers an: Stêlo, m. […]. §. Für Perno, der Zapfen, die Achse (um die sich Etwas dreht): Stelo della ruota. Dante. Anfaneggiare, v. a. ungereimt, abgeschmackt reden: Così qualor letargico riposo s’aggrava sulle torpide palpebre, Odesi anfaneggiar egro affannoso Nel parosismo di maligna febbre. Casti.
In anderen Fällen wird auch das Werk, allerdings ohne Angabe der genauen Stelle, mit aufgeführt (s. v. anêllo), in den meisten Fällen (im Analysekorpus in 23 von 33 Beispielen mit Beleg) steht jedoch wie im Bsp. s. v. ripassare eine vollständige Quellenangabe. Anêllo, m. ein Ring. […]. §. Dar l’anello, sich verloben; it. sich verheirathen: E dato fin, ch’ al sacrificio sia, Alla sposa l’anel lo sposo dia. Ar. Fur. Ripassare, v. n. […]. §. Ripassare la parte, eine Stelle durchgehen: Ma qual necessità di ripassar trovate Parte d’una commedia, ch’è fra le condannate? Gold. Moliere, at. I. sc. 3.
Valentini nutzt für die Quellenangaben weitgehend die Abkürzungen der CruscaWörterbücher bzw. schafft für Autoren wie Goldoni, die in diesen fehlen, nach ihrem Vorbild eigene Kürzel. Die Angabe ist im Artikel durch die Schreibung des Autorennamens und des Werks in Versalien klar abgesetzt und, anders als die vorgestellten Angaben in den Crusca-Wörterbüchern, dem Beispiel jeweils nachgestellt. Im Gran Dizionario fehlt eine Entsprechung zur Tavola delle Abbreviature, in der die Abkürzungen für den interessierten Wörterbuchbenutzer aufgelöst würden.
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d. Autorenbeispiele und ihre Funktion Auch wenn Valentini die wenigsten seiner Beispiele mit einer Quellenangabe kennzeichnet, lassen sich durch den Abgleich mit den Wörterbüchern von Bologna und Padua sowie mit Textkorpora die Ausgangstexte leicht ermitteln. Aus den beiden Wörterbüchern werden Beispiele aus insgesamt 78 verschiedenen Autoren bzw. Werken²⁹⁷ übernommen. Von diesen werden mehr als die Hälfte nur ein einziges Mal zitiert. Verstärkt (fünfmal und häufiger) zitiert Valentini nur zehn Autoren, nämlich Dante, Petrarca, Boccaccio, Sacchetti, Tasso, Segni, Ariosto, Salvini, Berni und Redi. Unter diesen verstärkt zitierten Autoren halten sich Trecentisten und moderne Autoren im Sinne der Crusca-Tradition in etwa die Waage. Insgesamt werden mehr Autoren und Werke aus dem Trecento als Beispiele herangezogen. Ihr Häufigkeitsverhältnis gegenüber modernen Autoren beträgt in etwa 3 : 2. Bei der Interpretation dieses Verhältnisses ist zu bedenken, dass die Crusca-Lexikographie mit einer Vielzahl kleiner und kleinster Texte arbeitet, die auch in Valentinis Referenzwerken die Anzahl der zitierten Werke erhöhen. Betrachtet man dagegen die Häufigkeit, mit denen Valentini seinen Artikeln Beispiele aus dem Trecento und moderne Beispiele beifügt, zeigt sich kein Unterschied, beide werden in etwa gleich häufig angegeben, was bedeutet, dass Valentini von modernen Autoren jeweils mehr Beispiele auswählt. Neben den Autorenbeispielen, die aus den Referenzwörterbüchern übernommen sind, enthält das Gran Dizionario auch eine Reihe von Beispielen moderner und modernster Autoren, die Valentini selbst exzerpiert hat. Insgesamt handelt es sich im Korpus dabei um 13 Beispiele von insgesamt 8 Autoren. Der nachstehenden Tabelle ist zu entnehmen, welche Autoren vertreten sind, ob sie zum Kanon der Referenzwörterbücher gehören und ob Valentini dem jeweiligen Beispiel eine Quellenangabe nachstellt. Besonders häufig werden Beispiele von Grassi herangezogen, die jedoch eher die Funktion von Definitionen und metalinguistischen Hinweisen erfüllen.²⁹⁸ Mit Goldoni und Casti werden mehrmals zwei Autoren zitiert, die die i. w. S. zeitgenössische Umgangssprache repräsentieren, und die auch in der Raccolta besonders häufig herangezogen werden. Mit Tasso und Cellini werden dagegen zwei Autoren gewählt, die auch zum neueren Crusca-Kanon zählen, die jeweiligen Beispiele fehlen in der Crusca jedoch unter den entsprechenden Lemmata. Das TassoBeispiel, das Valentini zitiert, wird in verschiedenen Anthologien italienischer Literatur aus dem frühen 19. Jahrhundert angegeben, u. a. auch von einem deut-
297 Es werden Werke statt Autoren gezählt, wenn die Quellenangabe nach der Crusca-Tradition explizit das Werk nennt, in Fällen wie z. B. Il Malmantile von Lorenzo Lippi. 298 Zur gleichen Art von hinzugefügten Zitaten bei D’Alberti cf. Mura Porcu (2 2000, 336–337).
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Tab. 21: Von Valentini eigenhändig exzerpierte Autoren Autor
Anzahl der Beispiele im Analysekorpus
Beispiel s. v.
Quellenangabe
Crusca-Kanon
Grassi
3
anelare estremità estrêmo
Grassi²⁹⁹ — —
–
Goldoni
3
ripassare sônno vertígine
Gold. Moliere, at. I. sc. 3. — Gold. Avaro Sc. 1.
–
Casti
2
anfaneggiare grandeggiare
Casti. Casti Nov.
–
Alfieri
1
frangente
Alf. vita.
–
Cellini
1
te
—
×
Cuoco
1
vêrtice
—
–
Pazzaglia
1
sávio
—
–
Tasso
1
sembianza
Tasso Ger. 16. 22.
×
schen Autor, Christian Ludwig Ideler, in einer 1822 in Berlin erschienenen Ausgabe. Es ist also möglich, dass Valentini nicht das Werk selbst ganz durchgesehen, sondern eine dieser Anthologien zu Hilfe genommen hat. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich Valentini in der Auswahl seiner Beispiele über weite Teile eng an der Tradition der Crusca-Lexikographie orientiert, zugleich aber auch moderne Autoren stark gewichtet und modernste hinzufügt. Damit überwindet er, bevor die einsprachige italienische Lexikographie es tut, mit seinem Vollständigen Wörterbuch eine über lange Zeit bestehende Grenze. Es ist jedoch zu unterstreichen, dass in einem zweisprachigen Wörterbuch die Beispiele auch gänzlich andere Aufgaben zu erfüllen haben. Während in der italienischen Crusca-Tradition das Autorenbeispiel eine Belegfunktion hat, ja als Legitimation zur Aufnahme einer Einheit dient, ist im zweisprachigem Wörterbuch die Auswahl des Beispiels vor allem davon abhängig, wie klar die Bedeutung der lexikalischen Einheit darin zum Ausdruck kommt, besonders für den nicht-muttersprachlichen Nutzer. Also blickt wohl auch Valentini bei der Auswahl der Beispiele aus dem reichen Schatz seiner Referenzwerke nicht nur auf die Namen der Autoren, sondern auch auf die Aussagekraft der einzelnen Beispiele. 299 Diese Quellenangabe ist dem Beispiel vorgestellt, während alle anderen Quellenangaben nachgestellt werden.
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Dafür spricht, dass er in zahlreichen Fällen, in denen die auf der Crusca basierenden Wörterbücher zu einem Lemma oder einer Bedeutung mehrere Beispiele anbieten, nur einige auswählt, und dabei nicht unbedingt die des bekanntesten Autors.³⁰⁰ Wo und in welcher Funktion setzt Valentini die Autorenbeispiele ein? Im Vorwort schreibt er, er habe gegenüber den vorigen zweisprachigen Wörterbüchern seines um Beispiele bereichert, «die den Gebrauch des neuen Wortes theils begründen, theils ihn erklären, theils eine Sammlung ausgewählter Stellen und sinnreicher Ausdrücke der Autoren darbieten, insgesammt aber allen jenen Worten Leben verleihen sollen, die bisher, weil kein Beispiel ihre Anwendung zeigte, wie todt in den Wörterbüchern dagelegen haben». (Vollst. Wb., vol. 1, LXXVII)
Sicherlich ist es eine der wichtigsten Aufgaben der Beispiele, dem deutschen Publikum bedeutende Stellen der italienischen Literatur vorzustellen und diese zu dokumentieren. Auch kann Valentini davon ausgehen, dass bestimmte Lexeme in erster Linie deswegen nachgeschlagen werden, weil der deutsche Leser sie in einem bestimmten literarischen Text gefunden hat, und durch die Wiederholung eben jenen Textausschnitts als Beispiel nach einem Äquivalent kann er dem Nutzer zeigen, wie das Lexem in eben diesem Kontext zu übersetzen ist. Um die weiteren Funktionen der im Korpus verwendeten Beispiele zu ermitteln, lohnt es sich, einen Blick auf die Mikrokontexte zu werfen, in denen vermehrt Beispiele vorkommen. Nur rund 29 % der Autorenbeispiele stehen unter der Grundbedeutung eines Lemmas. Weitaus mehr Beispiele, nämlich über 53 %, stehen bei einer weiteren Bedeutung. Die wichtigste Funktion von Beispielen zur Grundbedeutung eines Lemmas ist es, diese im konkreten Gebrauch zu illustrieren, einen Kontext darzustellen, in dem die lexikalische Einheit benutzt werden kann. Dazu zwei Auszüge aus dem Vollständigen Wörterbuch: Deliziare, v. a. [Rendere delizioso], angenehm, genußreich, ergötzlich machen: Rivoletto d’acqua cristallina, la quale…con bel mormorio scorreva a deliziare quel luogo. […] Stellare, Stellarsi, v. n. p. sich stirnen, gestirnt werden: Intanto il ciel si stella, e la notte cade sopra ’l mare Oceano.
300 Ein Beispiel bietet der Artikel zu delizia. Von sieben in Bologna gegebenen Beispielen übernimmt Valentini vier, nämlich von Matteo Villani, Passavanti, der Fiera von Buonnarroti il Giovane und aus dem Volgarizzamento della Collazione de’ Santi Padri, lässt jedoch, neben einem Beispiel aus dem Volgarizzamento delle Pistole di Seneca, zwei Dante-Beispiele aus.
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Ohne die durch das Beispiel gegebenen Kontexte würde es dem Benutzer u. U. schwerfallen, sich vorzustellen, wann eine Einheit angewendet werden kann. Eine Kontextualisierung durch ein Beispiel ist insbesondere bei Einheiten hilfreich, die wie deliziare keine direkte Entsprechung im Deutschen haben, oder die wie stellarsi sehr eng an einen bestimmten Kontext gebunden sind. Das Beispiel gleicht hier aus, dass Valentini nicht angibt, dass das Verb im Grunde nur mit einem einzigen Subjekt, cielo, in Verbindung treten kann. Ein Beispiel kann aber auch, wie im folgenden Fall, helfen, Mängel in der Angabe des deutschen Äquivalents auszugleichen. Bôrchia, f. ein metallenes Schildchen, ein schildförmiges Beschläge [sic!]: E con belle borchie, e fibbie, e rosette tutte d’oro adornandoti ti farò allegro.
Borchia hat ein Bedeutungsspektrum, das verschiedene Verzierungen aus Metall, sowohl an der Kleidung als auch an Möbelstücken oder Türbeschlägen, umfasst.³⁰¹ Aus dem bei Valentini angegebenen Äquivalent, das zudem fehlerhaft ist, würde der deutsche Wörterbuchbenutzer wohl nur auf Beschläge an Türen schließen. Das Beispiel zeigt ihm darüber hinaus auf, dass mit borchia auch metallene Verzierungen an Gürteln oder Schmuck gemeint sein können. Noch wichtiger als bei der Grundbedeutung eines Lemmas ist die Veranschaulichung des Gebrauchs durch Beispiele bei abgeleiteten und übertragenen Bedeutungen (cf. auch Valentinis Ausführungen dazu im Vorwort, Vollst. Wb., vol. 1, LXXX, §. 11). Auch hierzu einige Beispiele aus dem Gran Dizionario: Casso, agg. [Privo, Sfornito], beraubt: […] §. Für Spento, ausgelöscht: Cinque volte racceso, e tante casso Lo lume era di sotto dalla luna. Dante Inf. 26. Côppa, f. ein Becher (Trinkgeschirr). […] §. Coppe, T. di Giuoco, eine der vier Kartenfarben: E pria che mamma, babbo, pappa, e poppe, Chiamò spade, baston, danari e coppe. Grandezza (tsa), f. die Größe. […] §. Grandezza [del vino] für Gagliardia, Generosità, die Stärke, Kraft, das Feuer: Lascialo [il vino] tramutandolo svaporare, e perder fummo, e grandezza, nimici del dolce. […]
Im Dante-Beispiel zu casso wird die Bedeutung ‘ausgelöscht’ durch die Gegenüberstellung mit racceso besonders deutlich. Unter dem Stichwort côppa wird
301 Cf. den Artikel in PONS: «bòrchia f 1 {+borsetta, cintura} Metallverzierung f, Beschlag m 2 (chiodo) {+poltrona} Ziernagel m: ~ da tappezziere, Polsternagel m 3 {+serratura} Beschlag m 4 tecnol {+allacciamento, stantuffo} Niete f, Buckel m».
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angegeben, dass die Pluralform auch eine Spielkartenfarbe bezeichnen kann. Ein direktes Übersetzungsäquivalent ist nicht angegeben, da die historischen italienischen Kartenfarben nicht den deutschen entsprechen. Diese Lücke wird durch das Beispiel ausgeglichen, dass die Farbe in Opposition zu den anderen drei italienischen Farben angibt. Der Marker T. di Giuoco trägt zur Bedeutungsabgrenzung bei. Auch im letzten Beispiel zeigt sich das Zusammenspiel von Angabe italienischer Synonyme, Kollokation in eckigen Klammern, deutschem Äquivalent und Beispiel, durch die Bedeutung und Gebrauch für den deutschsprachigen Benutzer erklärt werden. Seltener als nach der Haupt- bzw. den weiteren Bedeutungen des Lemmas stehen Beispiele nach italienischen Kollokationen und Syntagmen und deren deutschen Äquivalenten: Granáta, f. [Scopa], ein Besen, Kehrbesen. §. Saltar la granata, der Zucht und Aufsicht der Aeltern und Lehrer entnommen werden; selbständig werden: Stanno i fanciulli un po’ con osservanza, Mentre il Maestro o ’l padre gli bastona, Se e’ saltan la granata, addio creanza, Par, che sian nati nella Falterona. […]
In anderen Fällen dienen nach dem Äquivalent des Lemmas stehende Beispiele auch dazu, selbst ein von Valentini als wichtig erachtetes Syntagma anzuzeigen, das jedoch nicht übersetzt wird, so etwa unter dem Stichwort copernicáno: Copernicáno, agg. T. degli Astr. kopernikanisch: Ipotesi copernicane.
Diese Art von Beispielen zieht Valentini entweder aus längeren Beispielen in seinen Referenzwerken heraus, oder fügt sie seinen Artikeln unabhängig von diesen bei. Auch wenn im Artikel neben der primären Grammatikangabe und dem entsprechenden Äquivalent in einem eigenen Paragraph ein weiterer grammatischer Gebrauch des Lemmas angegeben ist, kann dies über die Grammatikangabe und das jeweilige Äquivalent hinaus durch ein Beispiel verdeutlicht werden, wie im folgenden Fall: Colmare, v. a. [Empier la misura a trabocco], häufeln, aufhäufen. […] §. v. n. überfließen, überströmen: Corrono i fiumi dell’ acque intra’ monti, fiatano i venti, dissolvonsi i nuvoli, colmano i fonti.
Das Verb colmare wird zunächst als verbo attivo angegeben und mit ‘häufeln, aufhäufen’ übersetzt. Daneben besteht eine intransitive Verwendungsweise. Diese wird mit dem deutschen Äquivalent ‘überfließen, überströmen’ wiedergegeben und zusätzlich mit einem Beispiel versehen.
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Neben der i. w. S. illustrierenden Funktion erfüllen einzelne Beispiele weitere Aufgaben. Einige sind Definitionen, die über das Äquivalent hinaus die Bedeutung der jeweiligen lexikalischen Einheit erklären und zusätzliche Informationen etwa zur Etymologie geben, so das Grassi-Beispiel unter dem Stichwort anelare. Anelare, v. n. keuchen, schwer athmen. […] §. Per met. Für Desiderar vivamente, sich sehnen, schmachten (nach Etwas): Anelare è travagliarsi grandemente per conseguire la cosa desiderata; e la metafora è tratta dagli aneliti dell’ uomo stanco per fatica, e vien dal latino anhelare. Grassi: Se io avessi, pure, giusta la mia debole possa, anelato a ciò ec.
Eine weitere Definition findet sich unter dem Stichwort estrêmo, im Absatz, der mit dem Marker T. de’ Logici gekennzeichnet ist. Estrêmo, m. [Estremità], das Aeußerste, der höchste Grad: Dicesi l’estremo e non l’estremità, delle forze, della gioja, del piacere, del dolore, della vita. […] §. T. de’ Logici, Gli estremi, die Extreme: I due ultimi termini della conclusione di un sillogismo, cioè il Soggetto, ed il Predicato.
Hierbei handelt es sich allerdings nicht um ein Autorenbeispiel, sondern um einen Ausschnitt der Definition im Wörterbuch von Bologna. Überdies stellt der Auszug einen Sonderfall dar, da das betreffende Lemma nicht darin vorkommt. Er ist nur nach formalen Gesichtspunkten als Beispiel einzustufen. Der gleiche Artikel enthält weiter oben ein weiteres Beispiel. Dieses ist Grassis Saggio intorno ai Sinonimi della Lingua italiana entnommen (s. v. estremità) und erfüllt bei Valentini die Funktion eines zusätzlichen Kommentars zur Verwendung der Einheit estremo, in Abgrenzung zu estremità. Die Aufnahme zeigt, dass das Vollständige Wörterbuch nicht nur ein Übersetzungswörterbuch ist, sondern auch didaktische Funktionen erfüllt.
e. Andere Arten von Beispielen Nicht alle Elemente, die nach der oben angegebenen Definition als Beispiele zu klassifizieren sind, sind i. e. S. Textauszüge aus Autoren. Die entsprechenden 32 Einheiten unterscheiden sich formal und in ihrer Funktion erheblich voneinander. Auch ist zu unterscheiden zwischen Beispielen, die Valentini selbst konstruiert bzw. seiner eigenen sprachlichen Erfahrung entnimmt, Beispielen, die er aus Definitionen anderer Wörterbücher zieht und festen Verbindungen, die eigentlich eher als Kollokationen oder Syntagmen zu klassifizieren wären, aber im Gran Dizionario wie Beispiele ohne deutsches Äquivalent aufgeführt werden. Unter dem Stichwort numerale findet sich nach den Mehrworteinheiten numerale distributivo, numerale ordinativo und numerale principale jeweils durch Doppelpunkte eingeleitet eine Reihe von Beispielen im allgemeinsprachlichen
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Sinne, die exemplarisch anzeigen, welche Elemente unter die Klassenbezeichnung der Mehrworteinheit zu rechnen sind: Numerale, agg. numeral, zur Zahl, zum Zählen gehörig. §. m. T. di Gramm. Il numerale distributivo, die Eintheilungszahl: Una decina, ventina, trentina ec. §. Un numerale ordinativo, eine Ordnungszahl: Il primo, secondo, terzo ec. §. Numerale principale, eine Hauptzahl, Grundzahl: Dieci cento, mille ec. §. Aggiunto, Nome numerale, ein Zahlwort.
Ein Wörterbuchnutzer, der etwa numerale ordinativo nachschlägt und sich dann auch unter dem Äquivalent Ordnungszahl zunächst nichts vorstellen kann, bekommt mit einer beispielhaften Auswahl von Ordnungszahlen, «Il primo, secondo, terzo ec.» angezeigt, welche Art von Zahlen als solche bezeichnet werden. Eine zweite Kategorie betrifft kurze, vom Verfasser selbst konstruierte Beispielsätze. Die Funktion dieser Sätze entspricht weitgehend der von Autorenbeispielen. Auch sie sollen anzeigen, wie eine sprachliche Einheit im konkreten Gebrauch verwendet wird und was ein typischer Kontext sein kann. Gleich zwei solcher Sätze gibt Valentini dem Lemma estrazione in der Unterbedeutung ‘Herkunft, Abkunft’ bei und zeigt durch diese Beispiele innerhalb der Unterbedeutung noch einmal eine Bedeutungsdifferenzierung. Estrazione, f. das Herausziehen, die Herausziehung. §. Für Condizione, Discendenza, die Herkunft, Abkunft: Il Conte N. è uomo di alta estrazione. = Spagnuola è d’estrazione, benchè in Italia nata. […]
Während estrazione im ersten Beispiel die Abstammung aus einer vornehmen Familie bezeichnet, drückt das Nomen im zweiten Beispiel die spanischen Wurzeln der Familie aus. Die drei folgenden Beispielsätze zeigen dagegen deutlich einen Gebrauch der jeweiligen Einheit im Bereich der gesprochenen Sprache an. Sonôro, agg. Helltönend, klingend. […] §. Für Strepitoso, geräuschvoll, lärmend: […] It. tüchtig schallend: Gli dette un sonoro schiaffo. Tazzino (tsi), m. dim. Ein Täßchen, Schälchen: Ecco qui un tazzino di caffè. Tristarello, m. ein loser, muthwilliger Bube: Ah tristarello che sei!
Für die Kollokation schiaffo sonoro könnte die Aufnahme im Valentinischen Wörterbuch übrigens ein Erstbeleg sein. Das GDLI führt als ersten Beleg für den Ausdruck ein Zitat von Massaia (1885–1895) an (cf. s. v. sonoro).
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In einigen Fällen, wie s. v. eccêtera, gibt Valentini keine vollständigen Sätze, sondern lediglich Satzanfänge an, die mit Auslassungspunkten enden. Hier ist der Wörterbuchnutzer gefordert, den Äußerungskontext und den Satz mental entsprechend zu ergänzen. Eccêtera, m. ein Etcetera: Questi eccetere mi dimostrano che …
Einige Beispielsätze haben, wie der folgende s. v. attrarre, den Charakter von enzyklopädischen Informationen. ³⁰² Attrarre, v. a. anziehen, an sich ziehen. La proprietà della calamita è l’attrarre il ferro.
In einigen Fällen gibt Valentini Kollokationen und feste Verbindungen wie ein Beispiel ohne Übersetzung an. Zitiert seien hier eine verbale Kollokation s. v. stendere und eine nominale s. v. semicapro. Letztere wird im Bologna-Wörterbuch unter dem gleichen Lemma in der Definition genannt und von Valentini vermutlich von dort übernommen. Stendere, v. a. [Distendere; Dilatare], ausdehnen, strecken; it. ausstrecken, recken: Stendere la mano, il piede ec. Bologna (1819–1826) † * semicapro. Mezzo capro, Capro per metà; ed è Aggiunto, che si dà a’ Fauni, ed a’ Satiri i quali sono dipinti dal mezzo in giù simili alle capre. […] Vollst. Wb. Semicapro, agg. zur Hälfte ein Bock, Halbbock: Fauni, Satiri semicapri.
Besonders unter Stichwörtern wie semicapro, die eng an einen literarischen Gebrauch gebunden und in der Allgemeinsprache praktisch nicht präsent sind, und die den Wörterbuchnutzer im isolierten Kontext des Wörterbuchs zunächst stutzen lassen, ist die Angabe der Kollokation, in der sie typischerweise vorkommen, besonders wichtig, damit der deutsche Nutzer sich eine Vorstellung von der Bedeutung und dem Gebrauch der Einheit machen kann, die auf diese Kollokation beschränkt sind. Eventuell wird kein Äquivalent angegeben, weil eine direkte deutsche Entsprechung zu semicapro fehlt. Mit dem von Valentini angegebenen Äquivalent ‘zur Hälfte ein Bock, Halbbock’ lässt sich fauni semi-
302 Dieses Beispiel ist als einziges im Analysekorpus nicht mit einem Doppelpunkt an das entsprechende deutsche Äquivalent angeschlossen. Da es jedoch die übrigen formalen Voraussetzungen erfüllt – es ist selbst nicht übersetzt, das lemmatisierte Lexem ist kursiv gedruckt – wird es trotzdem als Beispiel interpretiert.
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capri nicht übersetzen und möglicherweise fehlten dem Wörterbuchautor die deutschen Sprachkenntnisse, eine passende Übertragung zu finden. Mehrmals werden schließlich Termini technici aus den Bereichen Medizin und Botanik in Form von Beispielen, ohne Äquivalent, präsentiert. Dabei handelt es sich im Korpus besonders häufig um Bildungen mit semi- und anti-, wie in den folgenden beiden Artikeln: Semiamplessicáule, agg. T. de’ Bot. halbumfassend (den Stengel): Foglie semiamplessicauli. Anflogístico, agg. T. de’ Med. antiphlogistisch: Rimedj antiflogistici.
7.5.9.2 Beispiele im deutsch-italienischen Teil Im Bereich der Beispiele zeigt sich ein besonders starkes Abweichen zwischen den beiden Wörterbuchteilen. Autorenbeispiele oder Zitate, unübersetzte Beispiele oder solche mit Quellenbeleg fehlen im deutsch-italienischen Teil gänzlich. Dies liegt zunächst an den unterschiedlichen lexikographischen Traditionen: Obwohl Autorenzitate auch in den deutschen Referenzwerken, sowohl bei Adelung als besonders auch bei Campe, vorhanden sind (zu Campe cf. Orgeldinger 2010, 181; 186; zu Adelung Henne 2001, 153–154; Müller 1903, 17–27), haben sie in den deutschen Wörterbüchern nicht den gleichen Stellenwert wie in der italienischen Lexikographie der Crusca-Tradition. Adelung hinterfragt die Existenz eines verlässlichen Autorenkanons als Referenz (cf. Adelung 1773, XII). In seinem wie in Campes Sprachkonzept kommt der Schrift- und Dichtersprache kein Primat zu, Autorenzitate in Adelung stellen, so Müller (1903), in letzter Konsequenz lediglich «schmückendes Beiwerk» (Müller 1903, 18) dar. Ein weiterer Grund für den Ausschluss von Autorenzitaten aus dem Vollständigen Wörterbuch mag Valentinis eigener Hintergrund sein. Wie ausgeführt nimmt er bei der Wiedergabe von italienischen Autorenbeispielen gegenüber seinen Referenzwerken Änderungen vor, erhebt einen philologischen Anspruch. Entsprechende Kompetenzen fehlen ihm für das Deutsche, sodass er sich möglicherweise hier weder auf unsicheres Terrain begeben, noch mit einer bloßen Übernahme begnügen möchte. Ein letzter wichtiger Grund dürften die unterschiedlichen Benutzerbedürfnisse für die beiden Teile sein. Während ein Großteil der deutschen Benutzer das Wörterbuch zur Lektüre der klassischen italienischen Autoren heranzieht, stellt der italienische Benutzer eher praktische Anforderungen. So liegt im deutsch-italienischen Teil gehäuft eine andere Form von Beispiel vor: selbst konstruierte Beispielsätze der allgemeinen Schrift-, Handels- sowie gehobenen Umgangssprache,
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die mit einer italienischen Übersetzung versehen sind. Diese Art von Beispielen lassen sich zwar auch im italienisch-deutschen Teil nachweisen, sind dort jedoch deutlich seltener. Wie bereits ausgeführt, ist eine klare Trennung zwischen Beispielen, wie sie im deutsch-italienischen Teil verwendet werden, und Kollokationen, Phraseologismen und usuellen Wortverbindungen nicht immer möglich, und auch ihrer Funktion nach ist die Kategorie des lexikographischen Beispiels nicht klar von anderen mikrostrukturellen Einheiten trennbar. In Kapitel 7.5.6 wurde dargestellt, dass Beispiele häufig für die Bedeutungsdifferenzierung verwendet werden, wobei meist mit infinitivischen Konstruktionen (z. B. «die Pferde ausspannen» als Abgrenzung der Bedeutung ‘abschirren’ von der Bedeutung ‘weit ausbreiten und gespannt halten’, s. v. ausspannen) oder häufigen Nomen-Adjektiv-Verbindungen («Fig. eine aufblühende Schönheit», s. v. aufblühen) gearbeitet wird. Als Beispiele i. e. S. für das Deutsche verstehe ich gegenüber solchen Verwendungen Sätze mit finitem Verb, welche die lemmatisierte Einheit auf parole-Ebene in konkretem Sprachgebrauch zeigen, also eine illustrierende Funktion ihrer Verwendung in einem Mikrokontext darstellen.³⁰³ Belege für Beispiele i. e. S. aus dem Analysekorpus sind s. v. aufbringen: §. dieser Stein ist zu schwer, ich kann ihn nicht aufbringen, questa pietra è troppo pesante, non posso alzarla. §. er fiel, und wegen seiner Dicke hatte man Mühe ihn wieder aufzubringen, egli cadde, e per la sua grossezza, si ebbe da fare per rialzarlo. §. von acht Kindern hat sie nicht eins aufbringen können, d’otto fanciulli non ha potuto allevarne, mantenerne in vita un solo.
303 Zur Unterscheidung sei ein größerer Ausschnitt aus den oben zitierten Artikeln von ausspannen und aufblühen zitiert: «Ausspannen, v. a. stendere, distendere, allargare, spiegare. […] §. Die Pferde ausspannen, staccare i cavalli. §. Der Kutscher soll ausspannen, dite al cocchiere che stacchi». «Aufblühen, v. n. [von Blumen], schiudersi, aprirsi, sbocciare. […] §. Fig. Eine aufblühende Schönheit, bellezza che vien su. §. Seine Tochter ist eine aufblühende Schönheit, sua figlia vien su una bellezza». Dem zur Bedeutungsdifferenzierung benutzten verbalen bzw. nominalen Syntagma wird hier jeweils ein Beispiel i. e. S. nachgestellt. In mehreren Fällen kommt es auch vor, dass Beispiele i. e. S. verwendet werden, um nach der Abgrenzung einer Einzelbedeutung eine weitere feine Unterbedeutung abzusetzen, z. B. s. v. aufbrechen in intransitiver Lesart mit der Bedeutung ‘sich öffnen’: «2) v. n. Per sich öffnen, schiudersi, aprirsi; it. screpolarsi. §. die Knospen fangen an aufzubrechen, le bocce, le gemme cominciano a schiudersi. §. das Geschwür ist aufgebrochen, l’apostema si è aperta, ha scoppiato. §. die Wunde ist wieder aufgebrochen, la ferita si è riaperta. §. meine Hände, Füße sind vom Froste aufgebrochen, le mie mani, i miei piedi sono screpolati, crepati dal freddo. §. der Fluß [das Eis] fängt an aufzubrechen, il fiume comincia a didiacciare, a disciorsi».
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s. v. ausspähen: §. trotz seinem verborgenen Zufluchtsorte spähte man ihn bald aus, non ostante il suo ricovero fu ben tosto rintracciato, scoperto. s. v. Verhängniß: §. mein Verhängniß wollte, daß…il mio destino, la mia stella, la mia sorte volle, che … per voler dell’ avverso destino….. s. v. verhängnißvoll: §. wir leben in einer verhängnißvollen Zeit, viviamo in un tempo fatale, pieno di fatalità straordinari, d’accidenti straordinarj. s. v. Würze: §. seine Scherze sind die Würze der Unterhaltung, i suoi scherzi sono il sale, il condimento della conversazione.
Einige Beispiele scheinen unter landeskundlichem Aspekt ausgewählt, z. B. «§. Fig. der Vesuv speite Flammen und Asche aus, il Vesuvio vomitò, gettò fiamme, e ceneri» s. v. ausspeien. Andere Beispiele sind sehr ausführlich und konstruieren einen weiten Kontext, bevor die lemmatisierte Einheit selbst integriert werden kann, z. B. s. v. berufen: «§. Ihr Kind ist ja jetzt recht wohl, sieht recht gesund aus; o ja, wir wollen es aber nicht berufen, il vostro piccolino ora sta molto bene, ha buona ciera; eh sì, ma sia per non detto, non ci facciamo il mal occhio però». Alle exemplarisch zitierten Beispielsätze sind nicht aus den Referenzwerken übernommen, sondern von Valentini selbst gebildet.³⁰⁴ Besonders viele Beispielsätze i. e. S. werden Artikeln zu grammatischen Wörtern beigefügt, deren Bedeutung sich aus dem Verwendungskontext ableitet und damit isoliert nicht in die Zielsprache übersetzbar ist. Angeführt seien zum Beleg die Artikel zu sie³⁰⁵ und weil, die für den fremdsprachlichen Wörterbuchbenutzer wegen Formgleichheit unterschiedlicher Funktionen besonders schwierig zu verstehen und zu benutzen sind.
304 Auch Filippi arbeitet mit konstruierten Beispielsätzen, sie sind jedoch seltener. Die betrachteten Beispiele Valentinis sind bei Filippi nicht nachgewiesen, darüber hinaus fehlen ein Artikel zu ausspeien sowie die bei Valentini durch Beispiel illustrierten Bedeutungen zu berufen und Würze völlig. Auch in Campe sind berufen i. S. v. etw. beschreien und die übertragene Bedeutung von Würze aus Valentinis Beispielen nicht verzeichnet. 305 Der zitierte Artikel beschreibt sie als Pronomen der 3. Pers. Sg., der 3. Pers. Pl. sowie als Anrede gegenüber Dienstboten. Sie als Form der höflichen Anrede wird im Anschluss in einem eigenen Artikel gefasst.
484 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
Sie, pron. Ella, essa; colei; lei, la. §. sie, ohne mich anzusehen, fuhr fort…. ella, senza guardarmi, continuò. §. kennst du sie? la conosci? §. hier ist sie, eccola [qui]. §. was macht sie? che fa ella? §. ich kenne nur sie, non conosco che lei. §. ich sehe sie nicht, non la vedo. §. alle kamen, nur sie nicht, tutti vennero, eccetto lei. 2) pl. (männlich), eglino, ellino, essi; gli, li; quelli. §. (weiblich) elleno, elle, esse; le; quelle. §. sie sind es, sono eglino, son essi per l’appunto. §. sie sind gekommen, essi, eglino, esse, elleno sono venuti, venute. §. da sind sie! eccoli! eccole! §. ich kenne sie, li, le conosco, §. ich habe an sie geschrieben, le ho scritto. §. ich will es, aber sie wollen nicht, io [per me] lo voglio, ma essi non lo vogliono. 3) (als Anrede an weibliche Dienstboten u. s. w.), tu, te. §. Lisette! gehe sie einmal zum Kaufmann, Lisetta, va dal mercante. Weil, avv. [so lange als], fino a tanto, mentre che. §. weil ich athme, weil ich lebe, fino a tanto ch’ io respiro, mentre ch’io vivo. §. esset davon, weil es warm ist, mangiate sino a tanto che è caldo. §. weil man noch jung ist, genieße man das Leben, fin tanto che si è giovane, si goda della vita. 2) conj. Perché, poiché, perciocchè, a cagione che, imperciocchè, giacchè. §. ich werde heute nicht ausgehen, weil ich viele Geschäfte habe, oggi non uscirò avendo molto da fare, molte faccende. §. weil Sie es denn so wollen, volendo ella così. §. er ist krank, weil er zu viel gegessen hat, è ammalato per aver mangiato troppo.
In Filippi fehlen Beispiele zu weil. Einige von Valentinis Beispielen s. v. sie sind dagegen bereits bei Filippi belegt («§. was macht sie? che fa ella? §. ich kenne nur sie, non conosco che lei. §. ich sehe sie nicht, non la vedo»; «§. sie sind es, sono eglino, son essi per l’appunto. §. sie sind gekommen, essi, eglino, esse, elleno sono venuti, venute. §. da sind sie! eccoli! eccole!»). Insgesamt lässt sich resümieren, dass die Beispiele i. e. S. des deutsch-italienischen Teils überwiegend eigenständige Hinzufügungen Valentinis gegenüber den Referenzwerken sind, es sich hier also um ein mikrostrukturelles Element handelt, das im Vollständigen Wörterbuch ausgebaut und für die folgende zweisprachige Lexikographie der beiden Sprachen zum konstituierenden Artikelbestandteil wird. Abschließend zur Analyse des Vollständigen Wörterbuchs wird der Fokus im folgenden Kapitel noch einmal auf den italienisch-deutschen Teil gelenkt und, anknüpfend an die frühen Werke Valentinis zur italienischen Grammatik darauf gerichtet, in welcher Form Grammatikdarstellung in seinem Hauptwerk erfolgt.
7.6 Italienische Grammatik im Wörterbuch Wie aus dem Titel, grammatisch-praktisches Wörterbuch, der sich sicherlich an Adelung (cf. hierzu Dill 1992, 213) anlehnt, hervorgeht, liegt in der Konzeption ein besonderes Gewicht auf der Grammatikdarstellung. Dies zeigt sich in der vorangestellten Grammatik im deutsch-italienischen Teil (cf. Kapitel 7.1.2.3), aber auch
Italienische Grammatik im Wörterbuch | 485
in den einzelnen Wörterbuchartikeln (cf. hierzu bereits Kapitel 7.5.3). Im Vorwort macht Valentini allerdings weder Angaben dazu, was das Attribut grammatisch programmatisch für seine Wörterbucharbeit bedeutet,³⁰⁶ noch gibt er genauere Erläuterungen zu entsprechenden Angaben in den einzelnen Artikeln. Für die vorliegende Arbeit soll an dieser Stelle nur für den italienischen Teil, lediglich mit vergleichendem Ausblick auf den deutsch-italienischen, knapp darauf eingegangen werden, in welcher Form die Grammatikdarstellung erfolgt und welche Norm kodifiziert wird. Hierzu werden die Kriterien aus der Analyse von Valentinis Grammatikarbeiten zum Vergleich herangezogen.
7.6.1 Form der Grammatikdarstellung Während die deutsche Grammatik im zweiten Band sehr ausführlich ist, beschränkt sich die vorangestellte Grammatik für das Italienische auf die Verbalmorphologie, jenen Bereich, der auch in den Lehrwerken Valentinis sowie seiner Zeitgenossen besonders umfangreich behandelt wird. In den «Conjugationen der regelmäßigen und unregelmäßigen Italienischen Zeitwörter für Deutsche» (Vollst. Wb., vol. 1, LXXXVII–CIV) werden sämtliche Zeiten und Modi der Hilfsverben aufgeführt, eine «Synoptische Tabelle der Endungen zur Bildung der Formen aller italienischen Zeitwörter», je für die drei Klassen der Verben auf -are, -ere und -ire, präsentiert und das Paradigma eines Verbs im Passiv dargestellt. Der Abschnitt erklärt die Betonung von Verben, deren Akzent sich je nach Person verschiebt, die Konjunktion der Verben auf kurzem -ere sowie auf -ire und listet schließlich sämtliche unregelmäßige Verben auf. Von den Wörterbuchaußentexten enthält auch die Vorrede zum Verzeichnis der Eigennamen (Vollst. Wb., vol. 3, 1325–1331) Ausführungen, die man von einer Grammatik erwarten kann. Im Abschnitt zu den Personennamen werden in drei Regeln die Prinzipien der Alteration bei denselben erklärt, jeweils mit Beispielen für maskuline und feminine Vornamen (cf. Vollst. Wb., vol. 3, 1328–1329). Angefügt findet sich der Hinweis, dass, entgegen der üblichen Regel, bei Vornamen mit diesen Endungen im «Styl des gewöhnlichen Lebens» (ital.: stil famigliare) der Artikel vorangestellt werden könne, da die Endungen «im Grunde den Werth
306 Erinnert sei daher hier an seine Definition von Grammatik in der Neuen Grammatik: «Unter Grammatik versteht man die Art und Weise, eine Sprache in ihre einzelnen und einfachsten Merkmale und Theile aufzulösen, die Darstellung, wie dieselben unter einander verbunden sind, und die Aufführung der Regeln, denen eine Sprache unterworfen ist» (Neue Grammatik, VII). Auch für eine Definition von Adelungs Begriff von grammatisch muss man außerhalb des Wörterbuchs suchen, cf. Kapitel 3.2.
486 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
eines Adjektivs haben» (Vollst. Wb., vol. 3, 1329, n. 7). Auch auf die Verkürzung von Vornamen durch Aphärese, Synkope und Apokope geht Valentini an dieser Stelle ein. In den Ausführungen zu den geographischen Bezeichnungen in der Vorrede finden sich ebenfalls einige grammatische Regeln. Sie betreffen die Bildung von Adjektiven zu Ländern, Städten etc. aus deren Namen mit den «gewöhnlichen Adjectivendungen ese (ense), ano, ino, ota (otto), one, oder andere[n] weniger gebräuchliche[n]» (Vollst. Wb., vol. 3, 1330) sowie deren Gebrauch. Auch auf die Angabe der Herkunft von Personen ohne Adjektiv, sondern über die Verbindung des Personennamens bzw. der Personenbezeichnung mit dem geographischen Namen durch Präposition (z. B. Giovanni di Procida; gli abitanti di Firenze) wird eingegangen (cf. Vollst. Wb., vol. 3, 1330–1331). Die Ausführung der Regeln zur Wortbildung, trotz der Verzeichnung der daraus entstehenden Formen im folgenden Verzeichnis, zeigt das Bestreben Valentinis an, den Wörterbuchbenutzer mit den Prinzipien der Sprache vertraut zu machen, ihn vom bloßen Konsumenten in die Lage eines aktiven Sprachproduzenten und Kenners des Italienischen zu versetzen.³⁰⁷ Was die Grammatikdarstellung im eigentlichen Wörterbuch betrifft, so wurde bereits in Kapitel 7.5.3 auf die Grammatikangabe als Einheit der Mikrostruktur eingegangen. Als Ergänzung zur Form der Grammatikdarstellung seien noch einige ausgewählte Artikel zu grammatischen Wörtern angeführt. Im Artikel zur Präposition con arbeitet Valentini mit umfassenden expliziten Erläuterungen in der Metasprache Deutsch, um die unterschiedlichen, für die Wahl des Äquivalents wichtigen Bedeutungsrichtungen anzuzeigen, morphologische Regeln und die Bedeutung von Verbindungen mit con zu erläutern. Con, prep. mit (in der Bedeutung von durch, vermittelst): Con un coltello; con uno scudo guadagnarne tre. 2) mit (in der Bedeutung von nebst, in Gesellschaft, in Verbindung): Con me [Meco], con te [Teco], con se [Seco]; §. Con questa condizione però, jedoch mit, unter dieser Bedingung. §. Kommt Con mit dem Artikel (Bestimmungszeichen) zusammen, so werden beide in einander verschmolzen; jedoch ist die Verbindung mit Il am gebräuchlichsten und es entsteht: Col, Collo, besser Con lo; Colla, besser Con la; Cogli, besser Con gli, Coi [Co’] für Con i; Colle, besser Con le.
307 Dagegen sind im italienischen Lemmarium keine Prä- oder Suffixe, mit deren Hilfe der Benutzer selbst Wörter bilden bzw. ihre Bildung durchschauen könnte, verzeichnet, wie dies in heutigen Wörterbüchern der Fall ist (cf. z. B. PONS, 13). Auch im deutschen Teil sind Affixe nur unregelmäßig lemmatisiert. Es findet sich z. B. ein Artikel zu er-, nicht jedoch zu ent-. Auf produktive Affixe wird jedoch in der dem deutsch-italienischen Teil vorangestellten deutschen Wörterbuchgrammatik eingegangen (cf. das dortige Kapitel zur Wortbildung, Vollst. Wb., vol. 2, LXXIII–C).
Italienische Grammatik im Wörterbuch | 487
§. Con in Verbindung mit einem Hauptworte vertritt die Stelle des Vorwortes, z. B. Con prudenza, con civiltà, con sobrietà, con superbia ec., anstatt Prudentemente, Civilmente, Sobriamente, Superbamente ec. ec. §. Con vor einem Infinitiv, der hier zum Hauptwort wird, hat die Kraft von durch, bei, indem, besonders für und Z. B. §. Coll’ andare a spasso non si può arricchire, durch, beim Spazierengehen, Müßiggehen wird man nicht reich. §. Egli si scusò con dire…. Er entschuldigte sich, und sagte, indem er sagte. §. Egli fece testamento con farmi erede di tutto il suo, er machte ein Testament, und setzte mich zum Alleinerben ein. §. Con, bei, zu. §. Essere, Stare con uno, bei Einem sein, zu Einem gehören. §. Con chi state voi? bei wem seid ihr (im Dienst, zum Besuch, zum Essen u. s. w.)? §. Für Contro, gegen (selten).
Im Artikel zur femininen Form des Definitartikels la wird keine explizite Regel zur Elision des a vor Nomina mit Vokal gegeben, sondern diese implizit durch Beispiele veranschaulicht: La, der Artikel (das Bestimmungszeichen) des weiblichen Geschlechts der Wörter, z. B. La donna, la capra, la mano, l’anima, l’ora.
Aufgrund des zwischen dem Deutschen und Italienischen häufig abweichenden Genus der einzelnen Substantive wird kein Äquivalent angegeben. Die Arbeit mit Beispielen als implizitem Explikationsverfahren kennzeichnet die meisten Artikel zu grammatischen Wörtern und ersetzt lange explizite Erklärungen bzw. ergänzt diese.³⁰⁸ Ein Beispiel bietet der folgende Artikel zu mai: Mai, avv. jemals, je: Lo domandai se mai fosse stato a Venezia. = Il più grand’ uomo, che mai avesse l’Italia. §. Fare q. c. più che mai, Etwas mehr als jemals thun. §. Mai, Non mai, für In alcun tempo, niemals, nie. NB. Wenn der Satz, die Rede mit Mai anfängt, so kann das Non ausbleiben; allein in der Mitte muß Non oder sonst ein Verneinungswort dazukommen. Z. B. Mai volle fidar questo segreto ad alcuna persona; oder Non volle mai fidar questo segreto ad alcuna persona. §. beim Infinitiv steht auch Mai vor Non: E giurogli di mai non dirlo, oder di non dirlo mai. §. Mai più, nimmermehr, nie wieder: Mai più lo farò, oder Non lo farò mai più. §. Mai für Sempre, nimmer, von je an: Così è oggi bello il cielo, come fu mai. §. Sempre mai, immer fort, fortwährend, beständig: Per far sempre mai verdi i miei desiri. Petr. Son. 125.
308 Cf. auch die lexikographische Darstellung der Pronomen im folgenden Kapitel zur kodifizierten Norm.
488 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
§. Non … Mai, che … für Non … Finchè, nicht eher als bis: Non riposò mai, ch’ egli ebbe ritrovato Biondello. Bocc. G. 9 Nov. 8. §. Mai für Pure, doch: Quando mai sarà quel giorno? §. Che sarà mai questo? was mag das wol sein? §. Chi sarà mai? chi batterà mai su questa ora? Wer kann wol zu dieser Stunde klopfen? §. Può mai essere? ist es möglich? §. Io vi ho da dire una strana novella; Risp. Che sarà mai? Ich habe euch eine seltsame Neuigkeit mitzutheilen; Antw. Nun? §. Sarebbe egli mai tanto pazzo? sollte er wol ein solcher Narr sein? §. Mai più, für Dunque, endlich, endlich einmal.
Während hier wie insgesamt im italienisch-deutschen Teil die Mehrheit der Beispiele aus unübersetzten Autorenzitaten besteht, werden im deutsch-italienischen Teil überwiegend selbst konstruierte Beispiele verwendet, die im ersten Teil zwar durchaus vorkommen – im zitierten Artikel sei speziell auf den in eine Dialogsituation eingebetteten konstruierten Beispielsatz «Che sarà mai?» hingewiesen –, jedoch mit deutlich niedrigerer Frequenz. Wie der folgende Artikel zu es zeigt, ist im deutsch-italienischen Teil überdies die Arbeit mit expliziten Explikationsverfahren insgesamt deutlich reduziert, die Zahl der Beispiele dagegen erhöht. Es, pron. pers. indecl. Per du, ihr, er, sie, p. e. komme es, komm’s mal her, vieni un pò qui, venite qui, venga qui (selten). 2) pron. dimostr. Per das, dies, questo. §. Es ist sein erster Besuch, seine letzte Bitte, ihr zweites Kind, questo è il suo primo saggio, questa è la sua ultima preghiera, qesto è il secondo figlio di lei. §. Es soll das letzte Mal sein, daß …, deve essere, sarà l’ultima volta, che …. §. das ist es eben, was mir misfällt, ecco mo quel che mi dispiace. §. ist er es nicht, der es gesagt hat? non è egli [colui] che ha detto questo, che l’ha detto? §. Es kann nicht sein, non può essere. §. es ist wahr, egli è vero. §. Ich bin es, du bist es, er ist es, sie ist es, wir sind es, ihr seid es, sie sind es; ich war es u. s. w., son io, sei tu, colui è, colei è, siam noi, siete voi, son essi [coloro], era io ec. §. ich weiß nicht, war es Furcht oder Abscheu, was ich fühlte, non so, se era paura o avversione quella ch’ io aveva, sentiva. […]
7.6.2 Die kodifizierte Norm Um zu prüfen, wie sich Valentini bezüglich der Verzeichnung grammatischer Formen im Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation positioniert, wurden die im Ottocento oszillierenden Formen, deren Anführung in den Grammatikarbeiten in Kapitel 5.3.4 betrachtet wurde, im Vollständigen Wörterbuch gesucht.³⁰⁹
309 In Anlehnung an Fornara (2005, 106–108) und Migliorini (11 2004, 564–468) wurden als Parameter betrachtet: in der Verbalmorphologie die 1. Pers. Imperf. (-a oder -o als Desinenz); im
Italienische Grammatik im Wörterbuch | 489
Tab. 22: Grammatiknorm im Vollständigen Wörterbuch Betrachtetes Phänomen
Lettere
Neue Grammatik
Ital. Lehrer
ja
ja
lui/lei als Subjekt
—
gli/la/le als Subjekt
Vollst. Wb. ital.-dt. Teil
dt.-ital. Teil
ja
ja; auch: li
ja
—
—
—
—
—
—
—
ja
—
eglino, elle, elleno als Pluralformen des Subjekts
eglino, elleno
eglino, elleno³¹⁰
eglino, elleno
elle, elleno
eglino, elle, elleno
ei für egli
egli o ei
—
—
—
ja³¹¹
gli für le und loro
—
—
für loro
für le und loro
für loro
cosa für che cosa
—
—
—
—
—
Artikel lo/gli vor s + Kons. Pronomen
Zur Übersicht erfolgt die Darstellung für Artikel und Pronomen in der bereits in jenem Kapitel präsentierten Tabelle, ergänzt um die Formen aus dem Vollständigen Wörterbuch. Für den Bereich der Verben möge der Hinweis genügen, dass auch in den dem Lemmarium vorangestellten «Conjugationen der regelmäßigen und unregelmäßigen Italienischen Zeitwörter» als Endung der 1. Pers. Sg. Imp. Ind. einzig die Desinenz -a angegeben ist. Die Grammatiknorm ist im Wesentlichen die bereits in den Lehrwerken abgebildete. Sucht man die einzelnen Pronomen im italienisch-deutschen Teil, so finden sich zusätzlich zu den dort akzeptierten Formen im Wörterbuch auch gli, la, und le als Pronomen in Subjektfunktion verzeichnet. Der ursprünglich toskanische Gebrauch steht dabei nicht an erster Stelle des Artikels und ist im Fall von le als wenig frequent markiert: Bereich der Artikel die Regel von lo und gli vor s + Kons bei maskulinen Substantiven; im Bereich der Pronomen die Akzeptabilität von lui und lei sowie der Serie gli, la, le in Subjektsfunktion, die Angabe von eglino, elle, elleno als Pluralformen des Subjekts, der Variante ei für egli, von gli für le und loro und cosa für che cosa. Zur Auswahl der Phänomene und zum Forschungskontext cf. Kapitel 5.3.4. 310 Dem Paradigma, das die Pronomen in Subjektsfunktion angibt und das lediglich die Formen egli, ella, eglino und elleno enthält, ist in einer Fußnote beigefügt: «Die Alten haben zuweilen ei oder e’ gebraucht, statt egli; so wie auch elli un elle statt eglino, elleno» (Neue Grammatik, 88). 311 Auch: e’.
490 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
Gli, pron. pers. Sie (Mehrheit): […] §. Für Egli, er, es: Gli è ben fornito, ed ha la sella nuova. […] La, pron. pers. Sie: […] §. Für Ella, sie: La mi piace. Ec. Le, pron. pers. plur. di La, sie: […] Für Elle, pl. erster Fall (selten).
Angegeben ist auch lei in Subjektfunktion anstelle von ella: Lei, pron. pers., sie. […] §. Für Ella, sie: Lei non verrà; se lei vuole ec.
Nicht völlig klar ist die Akzeptanz von lui für egli. Der Beginn des Artikels scheint den Gebrauch als Subjekt zuzulassen, die folgenden Ausführungen und Beispiele jedoch weisen eher darauf hin, dass lui nur in Kombination mit Präpositionen, in betonter Stellung bzw. als casus obliquus und als Subjekt nur für nicht-menschliche Referenten vorkommen kann. Lui, pron. pers. Egli, er; di lui, seiner, a lui, ihm, lui, ihn, da lui, von ihm (nur in der Einheit). It. Lui, ihm für Gli, A lui: Ma per dar lui esperienza piena. §. Für Egli, er (wenn ein besonderer Nachdruck darauf liegt): È lui che l’ha fatto, er (nicht ein Anderer, nicht ich) hat es gethan. It. Von Thieren und Sachen : E quando penso alla mia ardente face, Il cor meco s’adira, ed io con lui. §. Lui vor Che, Il quale, steht oft für Colui, derjenige, jener, er: Morte biasamate, anzi laudate lui, Che lega, e scioglie, e ‘n un punto apre, e serra. §. Di lui, für Suo, Sua, sein, seine: In te riconoscendo la di lui imagine. La di lui Sollecitudine.
Gegenüber den Lehrwerken nicht berücksichtigt ist eglino, lemmatisiert wird dagegen das dort nicht aufgeführte elle (zusammen mit elleno s. v. ella). Für gli wird im Wörterbuch auch der Gebrauch anstelle von le als unbetontes Personalpronomen in Funktion eines indirekten Objekts für die 3. Pers. fem. beschrieben: Gli, pron. pers. sie (Mehrheit): §. Gli, ihm (Dat. in der Einheit). Gli entrò nel capo, non dover poter essere ec. = […] It. Ihnen (Mehrheit) : I Saracini ripresero Ierusalemme, e quasi tutto ’l paese, che ’l Soldano gli avea renduto. It. auch im weiblichen Geschlecht: ihr: Ciò non era avvenuto per corrotta intenzione, o volontà della Reina, ma per forza di malie, o fatture, che gli erano state fatte. […]
Als Artikel vor Vokal und s + Kons. wird lo angegeben. Als Pluralformen sind sowohl gli als auch li lemmatisiert, wobei nur hinter gli auch eine explizite Regel und Beispiele folgen, was diese Form als für die zeitgenössische Sprache gebräuchlichere ausweisen könnte:
Italienische Grammatik im Wörterbuch | 491
Gli, der Artikel (das Bestimmungszeichen) des männlichen Geschlechts in der Mehrheit, wenn das Nennwort mit einem Vokale oder einem S impura anfängt, z. B. Gli anni, gl’ intestini, gli scultori. Li, pl. des Artikels (Bestimmungszeichen) Lo, die. §. […]
Die Ergänzung von Formen, die in der als normativ anzusehenden Grammatik fehlen, lässt sich leicht damit erklären, dass im Wörterbuch sämtliche Formen verzeichnet sein sollen, die der deutsche Nutzer in älteren wie neueren Texten finden könnte. Um zu sehen, was dem deutschen Benutzer als zeitgenössische Norm für seine produktive Wörterbuchnutzung vorgegeben wird, wurde im deutsch-italienischen Teil überprüft, welche Formen jeweils als Äquivalente für die einzelnen Formen der Personalpronomen angegeben werden. Lui und lei in Subjektfunktion scheinen nicht als Übersetzung für er und sie auf, bzw. nur in den oben angegebenen Strukturen, ebensowenig gli, la und le (für sie als Pluralform des Nominativ). Für letztere werden eglino, elle und elleno als Äquivalente angegeben (zusammen mit ellino und essi bzw. esse; es fehlt loro). Zu er ist auch ei als Übersetzung verzeichnet, ebenso e’. Gli statt le fehlt als Übersetzung zu ihr, während gli für loro s. v. ihnen als Äquivalent vorgeschlagen wird. Als Übersetzung zum Interrogativpronomen werden che und che cosa angegeben, cosa allein fehlt. Die meisten Beispielsätze werden mit che allein, der anscheinend für Valentini zu präferierenden Form für die Umgangssprache, konstruiert:³¹² Was? pron. interr. indecl. che? che cosa? §. Was ist schöner, als … ? che c’è di più bello, che … §. Was sagst du? Che dici? §. Was ist das? Che cosa è? Ch’ è questo? §. Was ist, fehlt Ihnen? Che ha Ella? […]
Als Übersetzung für der, mask. Definitartikel des Singulars, werden lo und il angegeben. Welche Form wann anzuwenden ist, wird dem deutschen Nutzer über Beispiele verdeutlicht: Der, art. m. lo, il; der Käfer, lo scarafaggio; der Hund, il cane. […]³¹³
312 Cf. hierzu auch Fußnote 59, Kap. 5. 313 Cf. dagegen im italienischen Artikel zu lo zusätzlich die explizite Erklärung: «Lo (Artikel oder Bestimmungszeichen des männlichen Geschlechts), der, die, das (anstatt il vor allen Nennwörtern, die sich [sic!] mit einem Vokal, mit einer S impura oder Z anfangen, z. B.) [Lo] l’uomo, l’albero, der Mensch, der Baum; l’ordine, die Ordnung; l’impiego, das Amt; lo straccio, der Lumpen; lo zero, die Null».
492 | Analyse des Vollständigen Wörterbuchs (1831–1836)
Ebenso verfahren moderne Wörterbücher wie z. B. PONS. Für den Plural werden s. v. die le, i, gli angezeigt (ohne Beispiele für Pluralformen). Die ältere Form li gibt Valentini nicht an. Insgesamt bestätigt sich jedoch auch im Vollständigen Wörterbuch die eher traditionelle Grammatikauffassung Valentinis.³¹⁴
314 Erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch die Reihe von parole invariabili, zu der Migliorini im Kapitel zum frühen 19. Jahrhundert schreibt: «Si adoperano talvolta anche in prosa avverbi, congiunzioni, preposizioni che poi cadranno interamente in disuso» (11 2004, 568). Alle Formen, eziandio, mo, oggimai, avvegnadio, appo, contra, fuora, sind auch bei Valentini lemmatisiert, teils allerdings mit Verweis auf eine gebräuchlichere Form.
8 Rezeption und Verbreitung des Vollständigen Wörterbuchs «Ein Wörterbuch ist ein Werk ohne Ende und Ziel; alle Gelehrten müssen es möglichst vervollkommnen helfen». (Vollst. Wb., vol. 1, LXVIII)
8.1 Zeitgenössische Reaktionen 1833, als von beiden Wörterbuchteilen jeweils der erste Band vorliegt, erscheint im Neuen allgemeinen Repertorium der neuesten in- und ausländischen Literatur eine Rezension von Karl August Förster, der sich zu jenem Zeitpunkt bereits mit Übertragungen von Petrarca und Tasso einen Namen gemacht hatte. Als Rezensent kann er somit auch eine Benutzerperspektive einnehmen. Valentini selbst hat die Rezension zur Kenntnis genommen und besonderen Wert darauf gelegt (cf. Boerner 1988, 38). Sowohl im später erschienenen dritten Band des Vollständigen Wörterbuchs selbst (cf. Vollst. Wb., vol. 3, 1326, n. 2) als auch in der Beleuchtung zum Verfahren bezüglich der Raubkopie geht er auf sie ein (cf. Beleuchtung, 7–8) und zitiert längere Passagen. Försters überaus positive Rezension enthält einen wahren Dank an Valentini: «dagegen dürfen wir wohl, bevor wir auf eine nähere Darlegung des Inhalts eingehen, dem Vf. im Namen Vieler für eine Arbeit danken, die – mit der vollsten Ueberzeugung sey es ausgesprochen – alle bisherige [sic!] Leistungen der Art weit hinter sich zurücklässt» (Förster 1833a, 256–257). Das Vollständige Wörterbuch befriedige ein gefühltes Bedürfnis nach einem umfassenden lexikographischen Werk der beiden Sprachen. Die Neuerungen im Italienischen, bedingt durch den Kontakt mit anderen Sprachen und Literaturen und die Strömung des Romantizismus, durch den Einfluss der Dialekte und die Neuerungen in Wissenschaft und Technik, würden in Italien inzwischen anerkannt und drückten sich in einer Abkehr von der Autorität der Crusca aus. Für den deutschen bzw. italienischen Wörterbuchbenutzer, der aus der oder in die jeweils andere Sprache übersetzen möchte, stünden jedoch bisher keine geeigneten Hilfsmittel zur Verfügung, «und eben so oft schweigen Jenem bei der Lectüre neuerer Italiener sein Jagemann oder Filippi» (Förster 1833a, 256). Nach einer Benennung der Quellen Valentinis auf Basis von dessen Vorwort kommt Förster zu einer Vorstellung des Vollständigen Wörterbuchs. Besondere
494 | Rezeption und Verbreitung des Vollständigen Wörterbuchs
Würdigung findet die dem deutsch-italienischen Teil vorangestellte deutsche Grammatik: «Eine so gründliche Kenntniss und so unbefangene Anerkennung der Trefflichkeit unserer Sprache und Lit. in allen ihren Entwickelungsperioden, als sie hier sich kund giebt, ist uns noch bei keinem Ausländer begegnet. […] In der That können wir diesen, zunächst für Italiener bestimmten, Aufsatz mit bestem Gewissen auch teutschen Lesern empfehlen». (Förster 1833a, 257)
Es wird der Einfluss Lachmanns und Grimms herausgestrichen, speziell gelobt werden die klare Darstellung, die Benutzung der Terminologie starke und schwache Flexion und das Kapitel zur Wortbildung (cf. Förster 1833a, 257). Als «gründliche[…] Forschung über den Bildungsgang der ital. Spr. seit d. 8. Jahrh.» (Förster 1833a, 258) wird die Dissertazione sul linguaggio italo volgare anerkannt. Förster geht auf Valentinis Ablehnung der These Raynouards und auf seine eigenen Quellenstudien ein. Ein wichtiges Beurteilungskriterium für einen Wörterbuchbenutzer der Zeit sind, weil sie nicht als selbstverständlich angesehen werden können, die Präsentation eines lexikographischen Werks und seine Druckqualität.¹ Diese Aspekte des Vollständigen Wörterbuchs werden gelobt, ebenso sein Umfang und für das italienische Lemmarium seine Vollständigkeit, besonders was die Aufnahme von Lexemen aus modernen Autoren anbelangt (cf. Förster 1833a, 258). Im deutschitalienischen Teil vermisst Förster, jedoch auf den vorangestellten Wortbildungsteil verweisend, einige Bildungen und Lexeme sowie einige Bedeutungen.² Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Anordnung von Bedeutungen nach logischen und etymologischen Kriterien, die für Förster nicht immer ganz sauber ist. Der Rezensent spricht sich für eine Ausdünnung des phraseologischen Blocks und «eine durchgeführtere Angabe der Rection bei Eigenschafts- und Verhältnisswörtern» (Förster 1833a, 259) aus. Die trotz dieser Kritikpunkte sehr positive Rezension schließt mit dem bereits in Kapitel 7.1.1.4 zitierten Wunsch, «in einem Anhange (…) ein möglichst vollständiges Verzeichniss der abweichenden geographischen Namen zu geben» (Förster 1833a, 259).
1 Cf. diesbezüglich z. B. auch das Vorwort Bolzas zu seiner Ausgabe des Jagemannschen Wörterbuchs von 1837, Jagemann (1837, vol. 1, IV). 2 Beispielhaft nennt er u. a. Berggöttin, Berghöhe, Blätterschmuck, Dunstschicht, Anrecht, augenfällig, Bereich, Bewusstlosigkeit, böswillig, Darsteller, entsühnen, erglühen, Erlebniss, erschliessen, erspüren, erschleppen etc. und fordert die Distinktion weiterer Einzelbedeutungen z. B. zu Durchsicht, wo Valentini lediglich ‘revisione, rivista’ als Übersetzungen angibt (cf. Förster 1833a, 259).
Zeitgenössische Reaktionen |
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Försters Übersetzertätigkeit setzt sich mit einer 1841 publizierten DanteÜbertragung fort, zu der er sicher mit dem Vollständigen Wörterbuch gearbeitet hat. Dass das Wörterbuch in den Jahren nach seinem Erscheinen von Fachleuten, auch innerhalb der Romanistik, genutzt wird, zeigt sich beispielsweise auch im Werk Carl August Friedrich Mahns. In seinen Etymologischen Untersuchungen auf dem Gebiete der Romanischen Sprachen prüft er einzelne Lexeme auch an Valentini ab (cf. Mahn 1855, 30). Indirekt wird das Vollständige Wörterbuch später in der Wissenschaftlichen Beilage der Leipziger Zeitung von 1898 gewürdigt. In der Rezension eines Danteführers von Paul Porchhammer, der Valentini gewidmet ist, schreibt der Autor, dass das Wörterbuch mit seinem Umfang «für seine Zeit wahrhaft eine That bedeutete» und dass «bis auf den heutigen Tag sämmtliche Verfasser deutschitalienischer Wörterbücher [daraus] geschöpft haben» (Locella 1898, 64). Gröber schreibt 1888 in seiner Geschichte der Romanischen Philologie, das Vollständige Wörterbuch sei «auf grösstmöglichste Vollständigkeit der Wortsammlung und eine genauere Verdeutschung der romanischen Wörter bedacht, als üblich war» (Gröber 1888, 107). Als weitere zeitgenössische Reaktion sei noch ein Text erwähnt, der im unmittelbaren Umfeld Valentinis entstanden ist und den Boerner ermittelt hat. Dieses Lobgedicht stammt von August Ferdinand Ribbeck, Direktor des Gymnasiums zum Grauen Kloster in Berlin und Freund Valentinis: «Zum Danke (Für Valentini’s Dizionario) Einst standen nur in blutigem Verkehr Mit deutschem Volke Deines Volkes Ahnen Vor Drusus Adlern flohen die Germanen, Und Varus fiel durch des Cheruskers Speer. Germanien drückt’ auf Rom vernichtend schwer, Umsonst besiegt von Va l e n t i n i a n e n ; Des Friedens Pfade mit dem Schwert zu bahnen, Vermocht’ auch Va l e n t i n i a n nicht mehr. Du, Val en ti n i hast mit schön’rem Streben Rom und Germanien durch ein Werk verbunden, Gediegen, dauernd in der Zeiten Sturm; Enthüllend beider Sprachen innres Leben, Hast beide Du zu einem Krantz gewunden, Der Dich mit Ehren schmücket und Dein Rom». (Mitteilungen aus Aug. Ferdinand Ribbeck’s 1848, zitiert nach Boerner 1988, 38–39)
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8.2 Eine Mailänder Raubkopie: Grande Dizionario Italiano-Tedesco, Tedesco-Italiano (1837–1839) «Quello dei vocabolari è un genere che si presta assai al plagio». (Boselli 1937, 84)
Der Verlagsvertrag zum Vollständigen Wörterbuch enthält unter §. 7. eine Regelung «[f]ür zu hoffende künftige neue Auflagen» (Verlagsvertrag vom 1. Januar 1829, zitiert nach Boerner 1988, 35). Doch während Valentinis Taschenwörterbuch zahlreiche Auflagen erlebte, folgte trotz der Würdigung des Vollständigen Wörterbuchs durch Zeitgenossen und Nachfolger in Deutschland keine weitere Ausgabe. Dies mag in der Natur des Werks liegen – durch seinen Umfang und den damit zusammenhängenden Preis ist die Benutzergruppe automatisch beschränkt –, sicherlich jedoch auch daran, dass Valentinis Wörterbuch einem Raubdruck zum Opfer gefallen ist. 1837–1839 erschien der nicht autorisierte Nachdruck unter dem Titel Grande Dizionario Italiano-Tedesco, Tedesco-Italiano. Compilato sui più accreditati Vocabolarii delle due lingue ed arricchito di molte migliaja di voci e di frasi. Vollstaendiges deutsch-italienisches und italienisch-deutsches Woerterbuch nach den neuesten und besten Quellen beider Sprachen bearbeitet, und mit vielen neuen Woertern und Redensarten vermehrt in der Tipografia di Commercio in Mailand.³ Die vier Bände des Originals sind darin in zwei Bänden, einem italienisch-deutschen und einem deutsch-italienischen, zusammengefasst. Hinter
3 Cf. Boerner (1988, 36–37), wobei zwei Hinweise dort nicht ganz korrekt sind: Erstens ist das Wörterbuchkorpus des Mailänder Raubdrucks zwar eindeutig ein Nachdruck und stützt sich auf kein anderes Wörterbuch als das Valentinis, ist jedoch gegenüber diesem, insbesondere im deutsch-italienischen Teil, nicht völlig unverändert. Zweitens sind die Zusätze im «Appendice di alcune voci ommesse nel corpo del presente dizionario» (Raubdruck Gran Diz., vol. 1, 927–945) nicht, wie Boerner schreibt, die im Titel der Raubkopie angekündigte Erweiterung «di molte migliaja di voci e di frasi», sondern stimmen mit den ersten Seiten des Appendice in der Originalausgabe des Valentinischen Wörterbuchs überein, worauf dieses Kapitel weiter unten noch eingehen wird. Auch in der Biographie De Botazzis werden das Erscheinen der Raubkopie und die damit verbundenen finanziellen Einbußen Valentinis angesprochen: «Sgraziatamente i prodotti pecuniari di questo lungo, faticoso ed accurato lavoro furono assai scarsi, perchè, appena pubblicato in Germania, venne ristampato a Milano ed a Napoli; ed in Italia se ne fecero parecchie edizioni, mentre l’editore di Lipsia dovette fermarsi alla prima» (De Botazzi 1895, 42). Allerdings ließ sich andernorts keine Bestätigung für einen Nachdruck in Neapel bzw. weitere Auflagen des Nachdrucks finden. Der Catalogo dei Libri Italiani dell’Ottocento (CLIO) verzeichnet lediglich die Mailänder Raubkopie (cf. CLIO, vol. 6, 4690), ein weiterer Nachdruck konnte auch in keiner Bibliothek ermittelt werden. Bruna (1983) hat die Mailänder Ausgabe zwar recherchiert und in ihre Bibliographie aufgenommen, aber keine Verbindung zu Valentini hergestellt (cf. Bruna 1983, 119).
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dem Nachdruck steckt, wie Valentini ausführt, der in Berengo als «tipografo e libraio» (Berengo 1980, 408) geführte Luigi Nervetti. Geistiges Eigentum war noch nicht ausreichend geschützt und nicht autorisierte Nachdrucke, insbesondere von im Ausland erschienenen Werken, stellten aufgrund des Fehlens von landesübergreifenden Gesetzen eher die Regel als die Ausnahme dar. Berengo bezeichnet die 25 auf die Restauration folgenden Jahre bezüglich der «pirateria libraria» gar als «anni piú cruciali» (Berengo 1980, 294; ausführlicher zur Situation speziell in Mailand cf. ebd., 276–294). Allerdings wurde die Praxis in jener Zeit bereits besonders stark diskutiert und angeprangert (cf. Berengo 1980, 276–294 und Santoro 2 2008, 369–373).
8.2.1 Valentinis Reaktion auf den nicht autorisierten Nachdruck Dementsprechend fällt Valentinis Reaktion auf den Mailänder Nachdruck überaus heftig aus. Zeugnis davon geben zwei Dokumente, die Boerner (1988) für seine Ausstellung recherchiert hat: ein Brief Valentinis an die Mailänder Buchhändler Fusi und Resnati vom 8. Juni 1835 und vor allem die in Kapitel 7.2.1 zur Entstehung des Wörterbuchs bereits genannte Schrift aus der ersten Hälfte desselben Jahres,⁴ die den noch unverkauften Exemplaren des Vollständigen Wörterbuchs beigelegt wurde und in der Valentini das Vorgehen des Verlegers Nervetti beleuchtet (cf. Boerner 1988, 24–25; 36–37).⁵ In dem Brief an Fusi und Resnati bedankt sich Valentini dafür, dass die Mailänder in der Angelegenheit des Raubdrucks für ihn Partei ergriffen hätten, ist jedoch nicht einverstanden mit ihrer Interpretation von Nervettis Vorgehen und verweist sie auf den Warnprospekt:
4 Die Schrift selbst ist nicht datiert, die Zeit ihres Entstehens lässt sich aber recht klar rekonstruieren. Die Bezugnahme Valentinis darauf im Brief an die librai Fusi und Resnati zeigt, dass sie vor Juni 1835 entstanden sein muss. In der Schrift selbst spricht Valentini von einem Prospekt Nervettis vom 24.3.1834 und führt dann aus, «die ersten beiden Hefte [des Nachdrucks] gegen das Ende Januars l. J.» (Beleuchtung, 1). bekommen zu haben. Die Schrift muss also zwischen Ende Januar und Anfang Juni 1835 verfasst worden sein. 5 Dass diese Schrift kein Einzelfall ist, zeigt eine bei Santoro (cf. 2 2008, 369–370) zitierte Ausführung von Antonio Fortunato Stella von 1823: «si tentò anche con valorosi scritti di far conoscere la malvagità dell’azione, dimostrando essere la ristampa d’ un’ Opera di altrui proprietà una frode solenne, o, per meglio dire, una ruberia fatta dinanzi al Pubblico, la quale è tra le più obbrobriose, perché appunto non esposta alla punizione delle leggi» (Stella 1823, 31).
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«Stimatissimo Signor⁶ Fusi Resnati Molto tenuto le sono della sua esibizione di prestarsi a mio pro nella vertenza del Nervetti, la prego di volersi altresi valere di me in ciò che valgo. In quanto però al credere che quel pirata abbia solo di delicatezza mancata, non però con frode operate, mi scusi, ma non sono della sua opinione; non già perché parte offesa io mi sia, nè perché solo ristampatore egli; ma perché quintuplamente la frode adoprò; se letto avesse attentamente la mia esposizone credo che convinto ne sarebbe». (Brief vom 8. Juni 1835, zitiert nach Boerner 1988, 24)
Der Warnprospekt stellt ein äußerst interessantes und aufschlussreiches Dokument dar. Valentini stellt hier Informationen zum Vorgehen des Verlegers Nervetti beim Nachdruck zusammen, vergleicht diesen mit dem Original und bietet überdies wertvolle Hinweise zur Erstellung des eigenen Wörterbuchs (cf. Kapitel 7.2.1). Nicht zuletzt ist der Prospekt in seinem Textaufbau, in seiner sprachgewandten Expressivität – sowohl in der erwartungsgemäß starken italienischen als auch in der deutschen Fassung – ein Zeugnis der großen Verärgerung und zugleich des rhetorischen Talents von Francesco Valentini. Luigi Nervetti hatte zunächst angekündigt, einen leicht verbesserten Nachdruck des auch von ihm gelobten Valentinischen Wörterbuchs herausgeben zu wollen. Valentini zitiert in der Sposizione aus einem Prospekt vom 24. März 1834: «Volendo render comune eziandio agl’ Italiani un così utile libro, abbiamo divisato di riprodurlo coi nostri torchi purgato da alcune leggeri mende, mercè la cura di alcuni dotti» (Sposizione, 1). Dann scheint das Programm geändert worden zu sein. Der Nachdruck enthält im Titel und im Vorwort keinerlei Hinweis auf Valentini und auch sonst keine namentliche Autoren- oder Herausgeberangabe.⁷ Stattdessen schreiben die Herausgeber im Vorwort vage, ihr Wörterbuch basiere auf den «Dizionarii più recenti e più accreditati delle due lingue, affinchè il nostro raccogliesse in sè il meglio ed il fiore di tutti. Non si è poi tralasciato di recarvi quelle emendazioni od aggiunte che furono suggerite o dalle opere de’ migliori filologi o da studii privati» (Raubdruck Gran Diz., vol. 1, III) und schließen mit einer Haltung, die man wohl nur als Dreistigkeit bezeichnen kann:
6 Valentini formuliert die Anrede im Singular und Boerner (1988) rekonstruiert daraus «den Buchhändler Fusi Resnati» (1988, 24). Es handelt sich aber um zwei Personen: den auch als Herausgeber tätigen Buchhändler Giovanni Resnati (cf. Berengo 1980, 49; 414) und den «tipografo e libraio» (Berengo 1980, 396) Francesco Fusi, die über die Società dei Classici eng zusammenarbeiteten. 7 Im CLIO allerdings ist der Mailänder Nachdruck unter Valentinis Namen verzeichnet, cf. Fußnote 3 in diesem Kapitel.
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«Non ignari pertanto delle difficoltà dell’impresa, ma conscii della costante diligenza con cui si è cercato di superarle, noi raccomandiamo ora il nostro lavoro alla gioventù studiosa, giacchè il pensiero di poterle esser utili fu il maggiore conforto che avessimo nella lunga e tediosa nostra fatica. gli editori». (Raubdruck Gran Diz., vol. 1, IV)
In der Fußzeile der ersten Druckbögen kann man in beiden Bänden jedoch lesen: «Valentini, Diz. It.-Ted. Vol I.» (Raubdruck Gran Diz., vol. 1, 1; 9; 17; 25; 33; 41; 49; 57; 65; 73) bzw. «Valentini, Diz. Ted.-It. Vol II.» (Raubdruck Gran Diz., vol. 2, 1; 9; 17). Auf den folgenden Bögen ist dieser Zusatz dann in «Dizionario It.-Ted. Vol. I.» bzw. «Dizionario Ted.-It. Vol II.» abgeändert (cf. auch Beleuchtung, 1 und Boerner 1988, 36). Der italienisch-deutsche Band trägt das Datum 1837, der deutsch-italienische 1839. Die Veröffentlichung erfolgte über s. g. associazioni konsekutiv jedoch bereits früher, so dass Valentini schon Anfang 1835 einige Auszüge sichten kann.⁸ Die ersten Seiten des deutsch-italienischen Teils, die er zuerst bekommt, sieht er sehr systematisch auf Abweichungen vom eigenen Original durch, um das Plagiat nachzuweisen und aufzuzeigen, dass die Hinzufügungen in der Raubkopie dem Original qualitativ unterlegen sind. Dazu wählt er insgesamt zwölf Seiten des deutsch-italienischen Teils der Raubkopie aus. Drei davon erweisen sich als exakte Übernahmen, in zweien sind lediglich einzelne Druckfehler bzw. Unregelmäßigkeiten in der alphabetischen Anordnung korrigiert worden (cf. Beleuchtung, 3). Größere Abweichungen, die von Valentini sehr kritisch analysiert und ironisch-sarkastisch kommentiert werden, betreffen Änderungen bei den italienischen Übersetzungsäquivalenten sowie zusätzliche Artikel, zumeist zu neu aufgenommenen Komposita. Eine Modifikation des Äquivalents nehmen die Mailänder Herausgeber beispielsweise s. v. abäschern vor. Die im Original angegebene Übersetzung ‘levargli la mucosità (den Fischen)’ wird zu ‘levar loro’ verbessert. Valentinis Reaktion darauf gibt Auskunft über sein Normverständnis und seine Vertrautheit mit der Sprache der klassischen und modernen Autoren: 8 Von Beginn des 19. Jahrhunderts bis etwa in die 1840er Jahre war es häufige Praxis, umfangreichere Werke nicht erst vollständig gebunden nach Fertigstellung eines ganzen Bandes zu verkaufen, sondern schon vor Erscheinen des Werks eine bestimmte Anzahl von Subskribenten zu werben, die sich zum Kauf verpflichteten und dann zu einem Vorzugspreis Heft für Heft konsekutiv erhielten (cf. Berengo 1980, 103–105). Es kam jedoch auch vor, dass zu einem späteren Zeitpunkt noch unverkaufte Exemplare eines Werks erneut in dieser Form angeboten wurden. So geschah es auch mit dem Raubdruck des Valentinischen Wörterbuchs. Dieser befand sich zusammen mit anderen Titeln noch im Lager von Carlo Branca, an sich einem «libraio serio» (Berengo 1980, 106), der mit einer Anzeige in der Gazzetta privilegiata vom 28. Januar 1840, also nach Erscheinen der gebundenen Ausgabe, wieder die Möglichkeit der associazione eröffnete (cf. Berengo 1980, 106–107).
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«Daß streng genommen, besonders von Personen, gli als dritter Fall der Mehrheit nicht gebraucht werden soll, mußten wir wohl wissen, da wir es schon vor eilf [sic!] Jahren in unsern beiden Gramatiken gelehrt; aber wir wissen auch nicht minder, daß sowohl ältere als neuere Schriftsteller es auf jene Weise angewendet haben. Man sehe Bocc. Vis. Amor. Dante, Par. 6. Giov. Della Casa Trat. D. Uff. und hundert andere neuere Autoren». (Beleuchtung, 3)
Unter dem Stichwort abwendig fügt der Mailänder Raubdruck dem Beispiel «§. Ihr Liebhaber ist ihr abwendig geworden» den Äquivalenten in Valentini, ‘il suo amante le è divenuto infedele, l’ha piantata’, ‘lasciata, abbandonata’ hinzu. Valentini führt hierzu in der Beleuchtung seine Analyse der Synonymenverhältnisse aus. Der folgende Auszug ist zugleich ein Zeugnis für seine Wut über den Raubdruck und die Geringschätzung für Nervettis Arbeit: «O, möchte doch der Verbesserer, wenn er keine bessere Kenntniß der beiden Sprachen hat, lieber das Verschlechtern unterlassen. Anders ist im Deutschen abwendig werden, anders lassen und verlassen. Und wenn unser piantato ihn verleitete, so möge er wohl bedenken, daß das erklärende Wort nicht immer das Synonym des erklärten ist. Ueberdies mußte er wissen, daß im Italienischen piantare uno und lasciarlo, abbandonarlo zweierlei ist. Nehmen Sie diesen wohlgemeinten Rath doch zu Herzen, damit Sie nicht zwei Nationen zu Irrthümern verleiten». (Beleuchtung, 3)
In der Erweiterung des Lemmariums um zahlreiche Komposita, so kommentiert Valentini mit spitzer Feder, sähe er «das Sprichwort in silvam ferre verwirklicht; indeß ist doch hier eine Kraftanstrengung der Herren Verbesserer sichtbar» (Beleuchtung, 3). Allein zu Acker- findet Valentini sechs zusätzliche Artikel. Noch zahlreicher sind die zusätzlichen Aufnahmen von Präfixbildungen mit aus-, von denen die meisten überdies zugegebenermaßen schlecht übersetzt sind. Als Beispiel unter den in Valentinis Beleuchtung besprochenen Zusätzen seien hier nur zwei wiedergegeben: ausfühlen, das mit ‘cessare di aver sentimento’ übersetzt wird, und ausheulen mit dem Äquivalent ‘cessare di urlare, di gemere, di piangere lamentandosi’. Zu ersterem fragt Valentini, «warum wurden denn zwei der hauptsächlichen Bedeutungen desselben, nämlich: ‹durch das Gefühl erforschen, listig ausholen, ausfragen› weggelassen? Und warum fehlt denn das Hauptwort Ausfühlung? Diese Begriffe waren etwas schwer wiederzugeben, nicht wahr?» (Beleuchtung, 3) Zu zweiterem ergänzt er die wohl frequenteste Gebrauchsweise, nämlich «§. sich ausheulen, sfogarsi a forza di strillare, di strepitare, di mandar fuori strida, urli etc. (lamentevoli)» (Beleuchtung, 5) und kritisiert nochmals die von Nervetti auch in weiteren Fällen angewandte Praxis, für Verben mit dem Präfix aus- lediglich die ohnehin transparente (und nicht immer korrekte) Bedeutung ‘aufhören, etwas zu tun’ übersetzt, und nicht weitere Bedeutungen,
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für die ein Nicht-Muttersprachler tatsächlich ein Wörterbuch braucht, erkannt und wiedergegeben zu haben. Angesichts der Aufnahme von Auskleidung in der Raubkopie kritisiert Valentini grundsätzlich das unsystematische Vorgehen der Wortschatzerweiterung im Nachdruck. Bezüglich der Aufnahme von Präfixbildungen und Komposita habe ein Lexikograph entweder nach Vollständigkeit zu streben – als Beispiele für eine sehr weit reichende Aufnahme solcher Bildungen verweist Valentini auf die Wörterbücher von Campe und Heinsius – und dabei das Risiko einzugehen, «ein zwanzig bis dreißig Bände starkes Wörterbuch zu schreiben, oder aber eine angemessene Methode zu befolgen, wie wir es thaten, indem wir unserm Werke […] acht und zwanzig Seiten hinzufügten, welche von der deutschen Wortbildung handeln» (Beleuchtung, 6). Allerdings ist hierzu kritisch vor Augen zu halten, dass auch Valentini selbst insbesondere Komposita, aber auch deverbale Substantive, in hoher Zahl in sein Wörterbuch aufnimmt, darunter einen Großteil völlig transparenter Bildungen (cf. Kapitel 7.4.2). Die für den italienischen Benutzer weitreichendste und systematisch vorgenommene Abweichung im Mailänder Raubdruck ist die Angabe der Genitiv- und Pluralendung bei Substantiven und die Aufnahme von Präteritums-, Imperativund Partizipformen unregelmäßiger Verben ins Lemmarium mit Verweis auf ihren als irreg. markierten Infinitiv, auf die das Vorwort hinweist: «Come pratici finalmente delle difficoltà che suole più comunemente incontrare lo studioso della lingua tedesca, abbiamo stimato opportuno d’inserire nel nostro Vocabolario alcune parti grammaticali che senza ingrossarne di troppo il volume ne accrescessero l’utilità». (Raubdruck Gran Diz., vol. 1, III)
Valentini führt hierzu aus, dass dieselbe Methode bereits zwanzig Jahre zuvor von Filippi befolgt worden sei, er selbst sie aber für unpassend befunden und eine andere gewählt habe, «gegründet auf die Autorität der berühmtesten deutschen Grammatiker, wie man in dem Compendio della Grammatica in tavole sinottiche pag. XXXI u. folg. sehen kann. Der Lernende kann sich dadurch in kurzer Zeit die Mittel aneignen, die Nervetti’schen Klippen sicher zu umschiffen». (Beleuchtung, 7)
Zur Untermauerung seiner Autorität auf dem Gebiet der Grammatikdarstellung zitiert er aus der positiven Rezension seines Wörterbuchs in der deutschen Literaturzeitschrift Repertorium der neuesten Literatur für 1833 (cf. Beleuchtung, 7–8; zur Rezension cf. Kap. 8.1). Valentini schließt seine Darstellung mit der Vermutung, dass der Preis des Raubdrucks über dem des Originals liegen werde, fasst das Ergebnis seines Vergleichs zusammen und interpretiert das Vorgehen Nervettis folgendermaßen:
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«Um sich Abonnenten zu verschaffen, gab er anfänglich vor, unser Werk nachzudrucken; dann aber, sei es, um es für etwas anderes als einen Nachdruck auszugeben, sei es, weil er sich eines solchen literarischen Diebstahls wirklich schämte, erdichtete er Mängel, welche er wirklich zu solchen machte, indem er ihnen abzuhelfen vorgab». (Beleuchtung, 8)
Neben ihrem Informationsgehalt verdient die Beleuchtung des Verfahrens auch als Text an sich aufgrund ihres Argumentationsaufbaus, ihrer Emotionalität und ihrer sprachlichen Gestaltung eine nähere Betrachtung. Nachdem bereits aus der deutschen Fassung zitiert wurde, seien abschließend einige Passagen aus der italienischen Ausgabe wiedergegeben. Dieser stellt Valentini ein Zitat des Mailänder Dichters Carlo Porta voran: «Stee chi, no ve movii, Che sentirii di coss strasordenari, Di azion de scuri l’ari, Gabol e tradiment mai pu sentii C. Porta». (Sposizione, 1)
Mit diesen Versen im Mailänder Dialekt stimmt er den Leser auf das für ihn schier unglaubliche Vorgehen des Mailänder Verlegers Nervetti ein. In der Einleitung schildert Valentini, wie die Bedürfnisse der «due Nazioni, Italiana e Tedesca» (Sposizione, 1), die er wenige Zeilen später seine «naturale e adottiva Patria» nennt, zur Erstellung seines Wörterbuchs geführt hätten. Das Projekt sei von außen an ihn herangetragen worden, worüber er sich sehr geschmeichelt zeigt, habe aber größte Anstrengungen erfordert («Qual lega di favella da ripurgare!», Sposizione, 1), die er jedoch als Herausforderung begriffen habe. Nach der Beschreibung seines Vorgehens beschreibt Valentini dasjenige Nervettis bei seinem Raubdruck. In die anfangs um Neutralität bemühte Schilderung der Fakten schieben sich, zunächst nur in Fußnoten, dann auch in Parenthesen im Fließtext, giftige Anmerkungen Valentinis ein, in denen er Nervetti und seine Mitarbeiter direkt anspricht. Mit dem Textverlauf nimmt der polemische Ton zu und flicht sich in den kritischen Abgleich der Raubkopie mit dem Original ein. Sprachlich greift Valentini dabei immer wieder auf eine Parodierung des Mailändischen zurück. So kommentiert er Nervettis in seinem Prospekt vom März 1834 angekündigte Absicht, Valentinis Wörterbuch einem italienischen Publikum zugänglich zu machen: «Voi renderlo comune! Ve’ zelo librajo! – E per chi credete, che l’autore abbia consumato i suoi più vigorosi tre lustri di sua vita, se non per renderlo comune agl’ italiani?» (Sposizione, 1), oder bringt seine Meinung zu Nervettis Hinzufügung von Komposita im deutsch-italienischen Teil mit einem weiteren Porta-Zitat zum Ausdruck: «Che de l’onor, no ghe n’importa un figh» (Sposizione, 3). Zahlreich
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sind die hämischen Kommentierungen von Änderungen in der Raubkopie, in denen Valentini sich direkt an Nervetti wendet, z. B. «[i]n aggiungere, come le dimostrai, fece male; in castrando, fece … che? una castroneria» (Sposizione, 3), oder bezüglich der im Raubdruck vorgeschlagenen Übersetzung «catalogo delle spese» zum Ausgangslemma Ausgabeverzeichniss: «Mi citi l’Italiano, che direbbe: catalogo delle spese. – Ella, n’è vero? Solamente Ella però» (Sposizione, 3). Als weiteres sprachliches Mittel benutzt der Römer lateinische Wendungen, neben dem bereits zitierten «in silvam ferre» z. B. auch «acta virum ostendunt» als Reaktion auf die Angabe Nervettis, mehrere Mitarbeiter hätten die Materialbasis für den Raubdruck überarbeitet und verbessert (Sposizione, 2). Auffällig auch der expressive Gebrauch von Satzzeichen wie im folgenden Beispiel zu einer Übersetzung von sich auskränken: «Il traduttore qui applicò la spiegazione di questa frase al verbo stesso, quindi tradusse uccidere!!! e così un doppio farfallone commise, che per la sua triplicità passa le stelle» (Sposizione, 6, n. a). Vor dem Abgleich des Nachdrucks mit seinem Wörterbuch stellt Valentini eine allgemeine Reflexion über die Konsequenzen von Raubkopien für den Buchmarkt und die Wissenschaft an. Ein Autor wende für ein originelles Werk lange Zeit für Studien auf und sei auf den Erlös vom Verkauf des Ergebnisses angewiesen. Das Erscheinen eines nicht autorisierten Nachdrucks entmutige Autoren, solche Anstrengungen auf sich zu nehmen, und bringe sie um den Gewinn, den sie selbst durch Neuauflagen erzielen würden (cf. Sposizione, 2). Die Mailänder Ausgabe nennt Valentini eine «clandestina ristampa» (Sposizione, 2), den Verleger bezeichnet er im Brief an die Mailänder Verleger Fusi und Resnati als «quel pirata» (Brief vom 8. Juni 1835, zitiert nach Boerner 1988, 24). Besonders verärgert ist der Römer darüber, dass in Nervettis Nachdruck sein Name unterschlagen worden und stattdessen «dotti conoscitori delle due lingue» (Sposizione, 2) als Verfasser vorgeschoben worden seien, wo doch eindeutig kein anderes Wörterbuch als das seine dem Nachdruck zugrunde liege. Tatsächlich kann Nervetti keines benennen. Selbstbewusst schreibt Valentini: «Chiacchiere, anzi menzogne, ch’egli siasi valuto di tutti i migliori Dizionarii. Fino ad ora non c’è un Dizionario de’ due Idiomi, che, in qualunque punto si voglia, miglior sia del nostro» (Sposizione, 2). Die Beleuchtung des Verfahrens ist ein wertvolles Dokument für die Rekonstruktion der Erstellung der Raubkopie. Sie bietet erste Hinweise auf die tatsächlichen Unterschiede zwischen dieser und dem Original und attestiert nicht zuletzt, wie sehr Valentini an seinem Wörterbuch hängt. Gerade deshalb ist der Warnprospekt jedoch nicht in allen Punkten als objektive Quelle heranziehbar und soll eine kurze Analyse des Raubdrucks und einen erneuten Abgleich nicht ersetzen. Dieser wird anhand des für das Valentinische Wörterbuch zusammengestellten Analysekorpus vorgenommen.
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8.2.2 Abgleich der Mailänder Ausgabe mit dem Original Es wurde bereits auf den Unterschied in der Präsentation des Nachdrucks hingewiesen, der Valentinis Material auf nur zwei entsprechend stärkere Bände verteilt. Die Platzersparnis wird durch ein größeres Format und ein wesentlich engeres, wenig benutzerfreundliches Druckbild, in Valentinis Worten «wahres Augenpulver» (Beleuchtung, 7), erreicht. Zudem sind Valentinis Vorworte und die bei ihm dem italienisch-deutschen sowie dem deutsch-italienischen Teil jeweils vorgestellten Abhandlungen nicht übernommen worden. Übernommen wurden dagegen, im ersten Band, Valentinis Hinweise zur Aussprache des Italienischen (Raubdruck Gran Diz., vol. 1, V–VI), seine Markierungen und Abkürzungen (mit dem einzigen Unterschied, dass der Verweis «vedi» aus Platzgründen zu v. verkürzt ist; Raubdruck Gran Diz., vol. 1, VI–VII) und seine Verbtabellen (Raubdruck Gran Diz., VIII–XX). Am Ende stehen, mit einigen typographischen Abweichungen, die mit dem Original identischen Verzeichnisse der Eigennamen der Personen sowie der geographischen Bezeichnungen (Raubdruck Gran Diz., vol. 1, 946–988). Der deutsch-italienische Band wiederholt, anders als Valentini an dieser Stelle, das Verzeichnis der Abkürzungen und Zeichen (Raubdruck Gran Diz., vol. 2, III–IV), und übernimmt von diesem erneut Verbtabellen (Raubdruck Gran Diz., vol. 2, V–XII), nicht aber die übrigen Ausführungen zur Grammatik, und am Ende des Bandes die Eigennamen der Personen sowie die geographischen Bezeichnungen (Raubdruck Gran Diz., vol. 2, 1124–1172). Betrachtet man das eigentliche Wörterbuchkorpus, zunächst des italienischdeutschen Teils, so sind hier auf Lemmaebene keine Abweichungen in Form von Zusätzen oder Auslassungen von Lemmata festzustellen. In Einzelfällen wurden Uneinheitlichkeiten in der alphabetischen Ordnung angepasst (z. B. s. v. attorcigliare) oder Mehrworteinheiten lemmatisiert, die bei Valentini als Subeinträge in anderen Artikeln positioniert sind (z. B. attorno attorno, bei Valentini s. v. attorno). Anders als bei Valentini sind die Lemmata typographisch durchgängig in Versalien geschrieben. Zur Kennzeichnung betonter Vokale wird wie im Original für offenes o und e der Zirkumflex, für die übrigen Vokale dagegen, anders als dort, der Gravis verwendet. Es sind keine neuen Übersetzungsäquivalente und keine Zusätze auf Phraseologie- oder Beispielebene hinzugekommen. Bis auf minimale Änderungen – mal ist die Markierung eines Lemmas durch Asterisk abweichend von der in Valentini, z. B. s. v. attonàto, mal ist die Abfolge von Äquivalent und zusätzlicher Definition gegenüber der in Valentini vertauscht (z. B. s. v. androide) – erweist sich der italienisch-deutsche Teil bis in Details hinein als Plagiat. Selbst Fehler wurden übernommen, so etwa antrogonía [sic!] aus dem Anhang. Bezüglich des Anhangs im zweiten italienisch-deutschen Band des Originals findet sich im Raubdruck eine wenig geschickte Lösung. Auch dieser enthält einen Appendice
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(Raubdruck Gran Diz., vol. 1, 927–945), der jedoch nur bis zum Artikel bastone reicht und eine direkte Übernahme von Valentinis Anhang darstellt.⁹ Offenbar waren die Hefte mit Artikeln bis zu diesem Punkt bereits in Druck, als Nervetti den zweiten Band Valentinis mit dem Anhang erhielt. Die übrigen Artikel und Ergänzungen des Anhangs im Original wurden im Raubdruck dann direkt in das fortlaufende Lemmarium eingearbeitet. Im deutsch-italienischen Teil der Raubkopie sind, wie Valentini in der Beleuchtung des Verfahrens selbst aufgezeigt hat, durchaus größere Änderungen vorgenommen worden, wenn es auch hier ganz unbestritten ist, dass dem Nachdruck einzig und allein das Wörterbuch Valentinis zugrunde liegt.¹⁰ Auf Lemmaebene finden sich, im Gegensatz zum italienisch-deutschen Teil, einige Zusätze. Wie von Valentini selbst herausgearbeitet, betreffen diese nahezu ausschließlich Komposita (mit dem Determinans Ameise- beispielsweise sind Ameisenfleiß, Ameisenjäger, Ameisennest, Ameisenöl, Ameisentreue hinzugefügt worden), Präfixverben (viele unter auf - und aus-, z. B. aufblinzeln, ausspötteln) und deverbale Substantive zu im Original bereits vorhandenen Verben (z. B. Aufborger). Die Zusätze scheinen v. a. Artikel des ersten deutsch-italienischen Bandes von Valentini zu betreffen. Es ist denkbar, dass Nervetti bei der Bearbeitung des letzten Originalbandes, der ja erst 1836 erschien, unter Zeitdruck stand und weniger Gelegenheit zu Änderungen hatte. Systematisch ändert Nervetti die Lemmatisierung von femininen Formen von Personen bezeichnenden Substantiven. Ihnen wird jeweils ein eigener Artikel zugewiesen. Im deutschen Teil nimmt Nervetti außerdem Anpassungen der alphabetischen Ordnung vor. Zudem befolgt er in einigen Fällen andere orthographische Regeln als Valentini: Feminina auf -in werden in der Raubkopie konsequent mit -inn geschrieben, daneben findet sich die unterschiedliche Schreibung einzel-
9 Im Raubdruck fehlt Valentinis Einleitung, welche die Gründe seiner Erstellung nennen. Wörtlich übernommen, bis hin zu einem Fehler in der deutschen Übersetzung, welcher einmal mehr das Plagiat eindeutig macht, ist jedoch die Überschrift: «APPENDICE DI ALCUNE VOCI OMMESSE NEL CORPO DEL PRESENTE DIZIONARIO: Le Parole contrassegnate di … son quelle a cui si è aggiunto un qualche significato di più, che mancava nel generale Indice alfabetico. Die mit … bezeichneten Wörter stehen bereits im Wörterbuche und ist denselben hier nur diese oder jene Bedeutung, welche dort fehlt, hinzugefügt worden» (Raubdruck Gran Diz., vol. 1, 927; cf. Vollst. Wb., vol. 3, 1239). 10 Dies zeigt sich besonders deutlich darin, dass Unregelmäßigkeiten nicht ausgebessert wurden, so z. B. die oszillierende Verwendung von specie di und spezie di in den zusätzlichen Definition zu italienischen Übersetzungsäquivalenten, die dem Benutzer unbekannt sein könnten, z. B. s. v. Ambrafisch und s. v. Schmacke.
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ner Lexeme (z. B. Amiant statt Amianth). Für Zeuch in Valentini wird die Variante Zeug gewählt. Anders als im italienisch-deutschen Teil übernimmt der Raubdruck die Angabe der Betonung deutscher Lemmata durch Akzente nicht. Die Grammatikangaben sind bisweilen genauer als in Valentini, z. B. s. v. Amalgama, das im Raubdruck durch indecl. als undeklinierbar gekennzeichnet wird. Was Beispiele, Kollokationen und idiomatische Wendungen angeht, finden sich gegenüber Valentinis Original auch im deutsch-italienischen Teil keine Zusätze. Die größte systematische Abweichung von Valentini betrifft die Entscheidung der Mailänder Verleger, auf einen größeren Grammatikteil zu verzichten und stattdessen Angaben zur Substantivdeklination direkt unter dem jeweiligen Stichwort anzubringen und unregelmäßige Verbformen an ihrer Stelle im Lemmarium einzuordnen. Von Valentini wird diese Entscheidung kritisiert und als Kleinigkeit abgetan, doch in ihr liegt eine klare und erhebliche Verbesserung, die für den italienischen Benutzer die praktische Arbeit mit dem Wörterbuch nicht nur erleichtert, sondern ihm, im Falle der Genitiv- und Pluralformen der Substantive, eine korrekte Produktion in der Fremdsprache Deutsch erst ermöglicht. Die Angabe der unregelmäßigen Verbformen ist für den heutigen Leser ungewohnt und noch nicht ausgereift. Der Nachdruck ordnet, wie heutige Wörterbücher, alle unregelmäßigen Formen der starken Verben an ihrer alphabetischen Position im Lemmarium ein und verweist auf den Infinitiv. Für Präteritum und Konjunktiv II werden jedoch nicht nur 1. und 3. Pers. Sg. angegeben, sondern jeweils alle unterschiedlichen Formen des gesamtes Paradigmas, wie im folgenden Beispiel: Wusch, imperf. indic. Wüsche, imperf. sogg. Wuschen, imperf. indic. Wüschen, imperf. sogg. Wuschest, imperf. indic. Wüschest, imperf. sogg. Wuschet, imperf. indic. Wüschet, imperf. sogg.
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Trotz der Vielzahl an Formen ist die Information für den Nutzer verwirrend. Er findet zwar Form und Verweis sowie eine Angabe zu Tempus und Modus, nicht jedoch die Angabe der Person. Ein Nutzer, der die Formen nachschlagen muss, ist mit der Grammatik vermutlich nicht vertraut genug, um diese selbst zu erschließen. Unter dem Lemma selbst wiederum fehlen die Stammformen, sodass der Benutzer evtl. einen weiteren Schritt über die vorgestellten Verbtabellen gehen muss. Trotz dieser Fehler im System ist die Integration der Formen für den italienischen Nutzer ein großer Vorteil.
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Auch Valentinis Wörterbuch richtet sich sowohl an Deutsche als auch an Italiener, und der Römer polemisiert gegen Nervetti, wenn dieser angibt, er wolle dem italienischen Nutzer ein großes Wörterbuch schaffen. Mit der scheinbar kleinen Ergänzung der Grammatikangaben erweist es sich jedoch als wahr, dass Nervettis Raubdruck stärker an den Bedürfnissen des italienischen Nutzers ausgerichtet ist. Die Mailänder Version ist klar für den italienischen Markt bestimmt, wie allgemein die Tatsache zeigt, dass umfassendere Überarbeitungen nur im deutsch-italienischen Teil vorgenommen wurden. Im Falle der Ergänzungen von Lemmata und Übersetzungsäquivalenten ist die Umsetzung nicht gelungen, hier treten deutlich die geringeren Kompetenzen der Mailänder Bearbeiter hervor. Was die Grammatikangaben betrifft, haben sie jedoch eine korrekte Entscheidung getroffen, deren Ansatz auch in modernen zweisprachigen Wörterbüchern mit Deutsch befolgt wird. Das Erscheinen der Mailänder Raubkopie hat Konsequenzen für die weitere Geschichte des Valentinischen Vollständigen Wörterbuchs. Es erscheinen keine weiteren Ausgaben¹¹ und der Name Valentinis erreicht in Italien eine geringere Bekanntheit. Der Raubdruck ist in Italien weit verbreitet. Vergleicht man ausschließlich anhand des SBN online, welche Bibliotheken den nicht autorisierten Nachdruck besitzen, liegt die Vermutung nahe, dass dieser sich in Italien sogar besser verkaufte als die deutsche Originalausgabe. Während letztere in 30 Bibliotheken nachgewiesen ist, findet man den Raubdruck in 35.¹²
8.3 Verbreitung des Vollständigen Wörterbuchs Auf Basis des Metakatalogs KVK wurde auch für die deutschsprachigen Länder die Präsenz des Vollständigen Wörterbuchs in den großen Bibliotheken abgeprüft. In Deutschland ist die Leipziger Originalausgabe mit dem Nachweis in 46 Bibliotheken¹³ deutlich weiter verbreitet als der Mailänder Nachdruck mit nur einer besitzenden Bibliothek. Das Wörterbuch ist also weit verbreitet und in Bibliotheken des gesamten Bundesgebiets vorhanden. Ähnlich scheint die Verteilung in der Schweiz, wo die autorisierte Ausgabe in 8, die nicht autorisierte in lediglich einer
11 Ob Valentini tatsächlich, wie er in der Beleuchtung des Verfahrens schreibt, bereits mit den Arbeiten an einer zweiten Auflage beschäftigt war (cf. Beleuchtung, 2, n.), kann nicht überprüft werden. 12 Cf. www.sbn.it [letzter Zugriff: 15.11.2015]. 13 Auch hier ist zu beachten, dass der Altbestand vieler Bibliotheken noch nicht in ihrem elektronischen Katalog erfasst ist und der Besitznachweis damit im KVK nicht aufscheint. Die tatsächliche Verbreitung ist also deutlich höher.
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Bibliothek verzeichnet ist. In Österreich ist die Leipziger Ausgabe in 5, der Nachdruck in 4 Bibliotheken vorhanden. Lohnend ist der Blick auf die Art der besitzenden Bibliotheken, lässt er doch teilweise Rückschlüsse auf den Anwendungsbereich des Wörterbuchs zu. Neben dem Gros der Staats-, Landes- und Stadt- sowie der Schul- und Universitätsbibliotheken sind auch kirchliche Bibliotheken sowie juristische, musik-, natur-, agrarund ingenieurswissenschaftliche sowie medizinische Fachbibliotheken darunter, also Bibliotheken jener Disziplinen, die zur Entstehungszeit einen Aufschwung erlebten, in denen Deutschland (für musikalische Terminologie Italien) Vorreiter war und deren Vertreter als Zielgruppen anvisiert wurden.¹⁴ Der Nachweis, dass das Vollständige Wörterbuch zum Bestand einer Privatbibliothek gehörte, liegt für die Biblioteca Costabili in Ferrara vor (cf. Mori 1995, 71).¹⁵ Für Exemplare der öffentlichen Bibliotheken ist die eventuelle Herkunft aus einer privaten Bibliothek nicht immer klar nachvollziehbar. Das Exemplar der Stadtbibliothek Aachen etwa scheint aus der Sammlung Hermann Ariovist von Fürth zu stammen.¹⁶ Das in einer Auflage von 3000 Exemplaren erschienene Wörterbuch ist antiquarisch noch verfügbar.
8.4 Der Einfluss des Vollständigen Wörterbuchs auf die weitere deutsch-italienische Lexikographie bis 1900 Als Meilenstein der deutsch-italienischen Lexikographie und erster Vertreter einer «nuova generazione di dizionari» (Kolb 2004, 407) diente das umfangreiche Vollständige Wörterbuch in den nächsten rund 60 Jahren als Materialbasis und metalexikographischer Anhaltspunkt für neue lexikographische Projekte und für Überarbeitungen bereits existierender Wörterbücher. Sein Einfluss auf die deutsch-italienische Wörterbuchproduktion lässt sich mindestens bis zum
14 Cf. etwa die Nachweise in der Biblioteca centrale giuridica in Rom, der Bibliothek der Musikhochschule in Köln, der Biblioteca scientifica Alberto Cencelli in Rom, der Biblioteca di agraria della Facoltà di agraria in Mailand, die Biblioteca Centrale di Ingegneria del Politecnico in Mailand oder der Biblioteca centrale di medicina della Facoltà di medicina e chirurgia in Triest. Natürlich ist vor einem sicheren Rückschluss, dass das Vollständige Wörterbuch jeweils mit dem Ziel angeschafft wurde, Fachübersetzungen der jeweiligen Disziplin anzufertigen, für jede einzelne Bibliothek nachzuprüfen, wann und über welchen Weg das Wörterbuch in ihren Besitz gelangt ist. 15 Mori nennt Valentini im Rahmen ihrer Zusammenstellung von Werken, die die Rezeption deutscher Literatur in Ferrara zwischen 1797 und 1848 belegen, als «curiosità degne di nota» (Mori 1995, 71) und gibt im Index als Vorname Valentinis Fernando an. 16 Für die Auskunft danke ich Manfred Sawallich, dem Leiter der Bibliothek.
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Erscheinen des nächsten grundlegenden Werks, des Neuen deutsch-italienischen und italienischen deutschen Wörterbuchs von Rigutini/Bulle (1896–1900), dokumentieren. 1837–1838 gibt G. B. Bolza in Wien postum eine neue Ausgabe des Jagemannschen Wörterbuchs heraus, um den Bedürfnissen des Österreichischen Kaiserreichs «rücksichtlich des lombardisch-venetianischen Königreiches» (Jagemann 1837, vol. 1, III) gerecht zu werden. Diese Ausgabe ist, wie der Titelzusatz anzeigt, gegenüber der letzten von 1816 «sorgfältigst durchgesehen, berichtiget und mit überaus vielen technischen und in der Umgangssprache vorkommenden und gebräuchlichsten Ausdrücken, nach dem grossen Valentinischen Wörterbuche vermehrt» (Jagemann 1837, dt. Titel). Das Vorwort führt dazu weiter aus: «ferner ward Valentini’s neuestes großes Werk aufmerksam verglichen, und aus demselben eine sehr bedeutende Masse von Artikeln übertragen, doch so, daß sie mit der Gestaltung des Jagemann’schen Werkes im Einklange erscheinen» (Jagemann 1837, vol. 1, IV). Als Beispiel für die Ergänzung von Artikeln aus dem Vollständigen Wörterbuch seien lediglich die Zusätze aus der zum Analysekorpus gehörenden Lemmastrecke Andazzaccio bis Anfratto desselben zitiert. Gegenüber den früheren Ausgaben des Jagemannschen Wörterbuchs fügt Bolza hieraus in einem Anhang zum zweiten italienisch-deutschen Band (cf. Jagemann 1837, vol. 2, 1340) hinzu: Andròide, s. m. eine künstliche Menschengestalt, welche menschliche Verrichtungen und Sprache nachahmt, ein Automat. Anelánza, s. f. die Sehnsucht. Anemografía, s. f. eine Beschreibung der Winde. Anfianácro, s. m. der Amphimacer, ein dreysylbiger Versfuß (– ˘ –). Anfíbola, s. f. die Hornblende. Anfímacro, s. m. der Amphimacer, ein dreysylbiger Versfuß (– ˘ –). Anfipróstilo, s. m. eine Art Tempel mit vier Säulen sowohl an der Vorder- als Hinterseite.
Nicht nur die Stichwörter, auch die Übersetzungen werden aus dem Valentinischen Wörterbuch übernommen, was s. v. andròide, anfianácro, anfímacro und anfipróstilo¹⁷ besonders augenscheinlich ist. Verzichtet wird dagegen auf Valentinis Beispiele sowie Indizierungsmarker. Trotz der Anerkennung Valentinis und der umfassenden Heranziehung seines Wörterbuchs weist Bolza im Vorwort auf dessen Grenzen hin, die darin lägen,
17 Leichte Abweichungen liegen lediglich darin, dass im Vollständigen Wörterbuch s. v. androide die Definition «eine künstliche Menschengestalt, welche menschliche Verrichtungen und Sprache nachahmt» dem eigentlichen Äquivalent in Klammern nachgestellt ist, und s. v. anfipróstilo vor Hinterseite der Determinativartikel wiederholt wird.
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dass «das große Valentini’sche Werk ein unbequemes Quartformat, wie auch hohen Preis hat, und sonst noch Manches zu wünschen übrig läßt» (Jagemann 1837, vol. 1, III). Im Bereich der Neuproduktionen ist das 19. Jahrhundert in der Folge von einer Vielzahl von Hand- und Taschenwörterbüchern geprägt (cf. Bruna/Bray/Hausmann 1991, 3016). Über Bruna (1983) wurden hier die Wörterbücher von Feller (1851), Maschka (1854), Riccardo (1858), Fogolari (1859), Gambsberg (1876), Fiori (1876–1877), Köhler (o. J.)¹⁸, Enenkel (1892) und Michaelis (1895) recherchiert.¹⁹ Keines dieser Wörterbücher nennt Valentini im Vorwort explizit als Quelle.²⁰ Auf diese schmalen, häufig auf die Bedürfnisse Reisender ausgerichteten und von einem gänzlich anderen Anspruch geprägten Werke scheint das umfangreiche Vollständige Wörterbuch kaum Auswirkung gehabt zu haben.
18 Cf. Bruna (1983, 150–152). Neben der undatierten Ausgabe werden Neuauflagen von 1882 und 1890 aufgeführt. 19 Angegeben ist jeweils die Erstauflage. Für den genauen Nachweis sowie weitere Auflagen cf. Bruna (1983, 89–116; 150–152; 214). Von mir eingesehen wurden folgende Ausgaben: Für Feller die 14. Auflage von 1873 (Universitätsbibliothek Salzburg); für Maschka die erste Auflage (Bibliothek des Zootomischen Instituts der K. K. Universität Graz); für Riccardo das digitalisierte Exemplar der Erstauflage aus der Bayerischen Staatsbibliothek: http://reader.digitale-sammlungen.de/de/ fs1/object/display/bsb10588205_00001.html [letzter Zugriff: 15. 11. 2015]; für Fogolari eine von Hermann Mondschein überarbeitete Auflage von 1886 aus der Biblioteca Marucelliana, Florenz; für Gambsberg die Originalausgabe; für Fiori eine von Cattaneo überarbeitete Ausgabe ohne Jahresangabe, beide ebenfalls aus der Florentiner Bibliothek; für Köhler die nicht datierte Ausgabe der Universitätsbibliothek Salzburg; für Enenkel die Originalausgabe aus der Bibliothèque Nationale in Paris; für Michaelis die 1. Auflage von 1895 aus dem Besitz der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg. 20 Die sehr kleinformatigen Wörterbücher von Feller, Fogolari, Gambsberg und Köhler machen über verwendete Quellen überhaupt keine Aussagen. Riccardo nennt im italienischen Titel nur sehr generisch die «migliori dizionarj» als Grundlagen. Maschka kritisiert in seinem Vorwort ein «dizionarietto tascabile di Lipsia» (Maschka 1854, V) als unzureichend. Damit dürfte das sehr wenig umfangreiche, in Leipzig erschienene Taschenwörterbuch Fellers gemeint sein. Vom Vollständigen Wörterbuch inspiriert könnte die vorangestellte, für ein Taschenwörterbuch recht ausführliche deutsche Grammatik für italienische Nutzer sein (cf. Maschka 1854, IX–LIV). Wie die Valentinis operiert sie mit den von Grimm geprägten Termini der starken und schwachen Deklination bzw. der starken und schwachen Verben («la forma forte e la forma debole», Maschka 1854, XIV; cf. auch XL), weicht im Aufbau ansonsten jedoch von Valentinis Wörterbuchgrammatik ab. Nur das Taschenwörterbuch von Michaelis ist indirekt von Valentini beeinflusst. Die Autorin gibt an, es sei «im wesentlichen nach denselben Prinzipien bearbeitet wie mein ‹Vollständiges Wörterbuch der italienische und deutschen Sprache […]›, das zuerst 1879 erschienen […] ist» (Michaelis 1895, Vorwort). Für dieses größere Wörterbuch (cf. unten) wird explizit Valentini als eine der Quellen benannt.
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Größere Wörterbücher werden von Weber (1840), Feller (1855), Michaelis (1879–1881), Oberosler (1890–1891) und Grünwald/Gatti (1893–1897) verfasst, wobei auch von diesen Autoren keiner jenen Anspruch auf Vollständigkeit und Wissenschaftlichkeit erhebt, der dem Gran Dizionario zugrundeliegt.²¹ Ziel Webers ist es im Gegenteil, «dem Freunde der italienischen Sprache ein solches Wörterbuch in die Hand zu geben, wie deren schon in andern neuern Sprachen, namentlich der englischen und französischen, vorhanden sind, d. h. ein Wörterbuch, das, bei einem mäßigen Umfange, in Bezug auf Vollständigkeit und Reichhaltigkeit an Phrasen und erläuternden Beispielen den größern und voluminösen Werken dieser Art nicht unwürdig zur Seite zu stellen sei». (Weber 1840, vol. 1, V)
Auf verwendete Quellen geht Weber im Vorwort nicht ein, im Titel werden nur generisch die «migliori vocabolarii delle due lingue» genannt, doch mit «größern und voluminösen Werken» dürfte er sich auf das Vollständige Wörterbuch beziehen. Auf eine kritische Auseinandersetzung mit diesem deutet auch die Absicht hin, das eigene Wörterbuch «von dem Wuste gänzlich veralteter und aus dem Gebrauche gekommener Wörter (wie solche in größern lexikalischen Werken häufig vorkommen) frei zu erhalten […]; ferner alle überflüssigen und unnöthigen Anführungen von Beispielen zu vermeiden» (Weber 1840, vol. 1, V). Feller, der zuvor bereits ein Taschenwörterbuch erstellt hatte, nennt Valentini dagegen ausdrücklich als eine der Quellen seines erweiterten Dizionario italiano-tedesco e tedesco-italiano von 1855. Im Vorwort gibt er an, neben eigenen Exzerpten «die vorhandenen Wörterbücher (besonders die von Valentini, AlbertiAnselmi, Baretti, Buttura)» (Feller 1855, Vorwort) verglichen zu haben, wobei nicht spezifiziert wird, ob von Valentini das Taschenwörterbuch und/oder das Vollständige Wörterbuch herangezogen wurde. Der geringe Umfang sowie ein Abgleich von Lemmarium und Mikrostruktur lassen jedoch eher auf das Taschenwörterbuch schließen.
21 Dies zeigt sich bereits im Fehlen längerer vorangestellter Peritexte sowie im deutlich geringeren Umfang: Weber (1840) umfasst bei einem Format von 20,5 cm in zwei Bänden X-568, 722 Seiten, Fellers einbändiges Wörterbuch von 1855 (18 cm) IV-1033 Seiten, Michaelis zweibändiges Werk von 1879–1881 VIII-640, 719 Seiten (20,5 cm), Oberosler (1890–1891) XI-680, 595 Seiten (19 cm) und Grünwald/Gatti (1893–1897) 667, 719 Seiten. Der erste Band enthält jeweils den italienisch-deutschen, der zweite den deutsch-italienischen Teil. Umgekehrt ist die Verteilung der Teile auf die Bände lediglich bei Oberosler.
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Präziser ist Michaelis, die ihrem Vollständigen Wörterbuch der italienischen und deutschen Sprache von 1879–1881²² ein «Verzeichnis der hauptsächlichsten [sic!] benutzten Werke» voranstellt (cf. Michaelis 1879, vol. 1, IX). Von Valentini sind darin sowohl das Gran Dizionario als auch das Taschenwörterbuch in seiner Auflage von 1874 genannt. Im Vorwort werden zudem explizit die «ältern, bisjetzt unübertroffenen Leistungen eines Valentini» (Michaelis 1879, vol. 1, V) gewürdigt, die jedoch nicht allein, sondern zusammen mit den Werken Fanfanis, Rigutinis und Tommaseos für das Italienische, denen Jagemanns, Webers, Fellers sowie Locellas für das Sprachenpaar Italienisch-Deutsch sowie mit französisch-italienischen Wörterbüchern und Fachlexikographie der eigenen Arbeit zugrunde gelegt worden seien (cf. Michaelis 1879, vol. 1, V). Um den sprachlichen und gesellschaftlichen Neuerungen Rechnung zu tragen, wurde die Materialsammlung durch Exzerpte aus Zeitungen, Zeitschriften, literarischen Texten, Parlamentsdebatten, statistischen Jahrbüchern, Reisehandbüchern, Anzeigen und Handbüchern verschiedener Industrien (cf. Michaelis 1879, vol. 1, V–VI) ergänzt. Für Weber und Michaelis, für die das Vollständige Wörterbuch einen Ausgangspunkt bildet und deren Wörterbücher für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts am weitesten verbreitet sind (cf. Bruna 1983, 17–20), lassen sich der Einfluss Valentinis bzw. das Lösen von seinem Vorbild durch einen Abgleich der Makro- und Mikrostruktur gut nachweisen. In beiden sind Lemmata, die Valentini erstmals lexikographisch verzeichnet, übernommen (z. B. incombenzare, magnetizzare, magnetizzatore, numismatico, priora, ripasso, trippajuolo; amalgamiren, Ambition, ambrosianisch, Sabber, sabberig, sabbern, Hofadvokat, Hofagent, Hofapotheke, Logenschließer). Aufgrund des geringeren Umfangs nehmen beide zahlreiche Streichungen vor, die v. a. Spezialtermini, für das Italienische veralteten Wortschatz (z. B. *andronítide ‘eine Wohnung für Männer’) und Varianten (z. B. andriviêni mit Verweis auf andiriviêni) sowie Diminutivformen und für das Deutsche Komposita betreffen. Während Weber so gut wie keine Lemmata hinzufügt, enthält das mit größerem zeitlichem Abstand erschienene Wörterbuch von Michaelis Ergänzungen, bedingt durch die Fortschritte der Wissenschaften und der Technik insbesondere in Form neuer Fachtermini (z. B. andracne; androsella; locomobile; locomotiva etc.) sowie durch den systematischen Nachtrag von Derivationen (z. B. ammoniakalisch zu Ammoniak; aneddotico zu aneddoto etc.). Eigennamen werden direkt ins Lemmarium eingeordnet. Auch was die Übersetzungsäquivalente, den wahren Gradmesser eines originellen zweispra-
22 Ab der 13. Auflage von 1900 wird der Titel in Praktisches Wörterbuch der italienischen und deutschen Sprache geändert. Das Wörterbuch erreicht 1932 die 21. Auflage. Henriette Michaelis hat auf seiner Basis auch das oben erwähnte Taschenwörterbuch verfasst, cf. Bruna (1983, 227–233).
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chigen Wörterbuchs, anbelangt, löst sich Michaelis von Valentini (cf. als Beispiel für einen medizinischen Fachterminus aneurismatico, das Valentini mit ‘von oder durch Pulsadergeschwulst’, Michaelis mit aneurismatisch übersetzt, oder anfanamento, das Michaelis mit ‘wirre, verworrene Geschwätz, Kauderwälsch, n. Unsinn, m. Faselei, f.’ deutlich idiomatischer widergibt als Valentini mit ‘verwirrtes, zweckloses Geschwätz’). Sowohl Weber als auch Michaelis übernehmen von Valentini das ausdifferenzierte System der diasystematischen Markierung, insbesondere was Einheiten aus Fachsprachen betrifft,²³ reduzieren jedoch den Marker auf eine abkürzende Angabe des jeweiligen Sektors in runden Klammern, also beispielsweise auf (bot) statt T. de’ Bot. für botanische Terminologie. Im Bereich der Grammatikangabe übernehmen Weber und Michaelis im deutsch-italienischen Teil die unglückliche Entscheidung, auf eine Angabe von Genitiv und Plural sowie auf die Stammformen der unregelmäßigen Verben zu verzichten. Aufgrund des geringen Umfangs ihrer Wörterbücher werden der phraseologische Block reduziert sowie die für Valentini charakteristischen Beispiele völlig getilgt. Wohl aus dem gleichen Grund wird seine fortschrittliche Strategie der Bedeutungsdifferenzierung aufgegeben und durch eine einfache Aneinanderreihung der verschiedenen Äquivalente «durch einen Strichpunkt geschieden» (Weber 1840, V) ersetzt. Äquivalente zu weniger frequenten Einzelbedeutungen werden gestrichen, die Struktur des Artikels aufgebrochen. Als bedeutende Neuerung führt Weber im Bereich der phonetischen Angabe im deutsch-italienischen Teil Längenzeichen ein. Michaelis arbeitet im deutsch-italienischen Teil als erste Lexikographin der beiden Sprachen mit Vernestung. Für Grünwald/Gatti scheint rund zehn Jahre später Valentini als Orientierung keine Rolle mehr zu spielen. Sie berufen sich im Vorwort ihres Dizionario delle lingue italiana e tedesca von 1893–1897 für das Italienische auf Fanfanis Vocabolario della lingua italiana (1855), auf Rigutini/Fanfani (1875) sowie für das Deutsche auf Sanders (1860–1865). Das «bekannteste und wohl das beste Wörterbuch der italienischen und deutschen Sprache» (Grünwald/Gatti 1893, vol. 1, 3) ist für sie das von Michaelis. Keinen Hinweis auf zugrundeliegende Wörterbücher gibt 1890 Oberosler.²⁴ Kurz vor der Jahrhundertwende wird dann mit dem Neuen italienisch-deutschen und deutsch-italienischen Wörterbuch von Giuseppe Rigutini und Oskar
23 Cf. hierzu die jeweiligen Abkürzungsverzeichnisse, Weber (1840, IX–X); Michaelis (1879, vol. 1, X). 24 Seine sehr unpräzise Angabe, «attinsi agli scrittori moderni ritenuti generalmente i migliori» (Oberosler 1890, V) wirft allerdings den Verdacht eines Plagiats auf. Bei Treves erschienen, wendet sich das Wörterbuch insbesondere an ein italienisches Zielpublikum.
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Bulle (1896–1900) eine neue «pietra miliare» (Kolb 2004, 403)²⁵ der deutsch-italienischen Lexikographie gelegt. Erstmals arbeitet für dieses umfangreiche,²⁶ völlig neu bearbeitete Werk ein deutsch-italienisches Autorenduo gleichberechtigt zusammen²⁷ und garantiert so eine für beide Sprachrichtungen gleich hohe Qualität. In der Angabe der Grundlagenwerke für ihr Wörterbuch sind Rigutini/Bulle, zumindest im italienisch-deutschen Band, recht allgemein: «Wie es selbstverständlich ist, sind bei der Ausarbeitung dieses Werkes alle großen Wörterbücher der italienischen Sprache und die meisten der bisher vorliegenden italienisch-deutschen Wörterbücher zu Rate gezogen worden. Jedoch fußt diese Arbeit auf keinem dieser früheren Werke in besonderer Weise, sondern sucht sich das Beste aus ihnen allen zu nutze zu machen». (Rigutini/Bulle 1896, vol. 1, X)
Es kann als sicher angesehen werden, dass Valentinis Vollständiges Wörterbuch zu den «meisten der bisher vorliegenden italienisch-deutschen Wörterbücher» gehört. Hierauf deuten nicht zuletzt kleine Indizien wie die Lemmatisierung von in anderen älteren Wörterbüchern nicht aufgeführten, im Standarditalienischen wenig frequenten Lexemen wie ditino oder ditone hin, die Valentini zur Aufnahme vorschlägt (cf. Kap. 6.2.2). Als Hauptquelle für den deutschen Teil des Rigutini/ Bulle werden im Vorwort explizit die Wörterbücher von Heyne (1890–1895), Sanders (1860–1865) und Paul (1897) genannt (cf. Rigutini/Bulle 1900, vol. 2, VI), für das Italienische hat Kolb das einsprachige Vocabolario italiano della lingua parlata von Rigutini/Fanfani als wichtigste Orientierung ermittelt (cf. Kolb 2004, 408). Für die in diesem fehlenden Archaismen, literarischen und seltenen Ausdrücke sowie die reiche Sammlung an Termini der arti e mestieri, die zwischen der neuen Ausrichtung auf Wissenschaft, Industrialisierung und Technik weiterhin verzeichnet sind und für die Kolb ein Stützen auf Tommaseo/Bellini annimmt, (cf. 2004 408; 411), ist auch der Rückgriff auf Valentini recht wahrscheinlich. So weist das Abkürzungsverzeichnis der Fachbereiche von Termini technici, das weiterhin Sektoren wie calzettaj, cappelaj, carbonaj, fabbri, fornaj etc. enthält (cf. Rigutini/ Bulle 1896, vol. 1, XII), hohe Übereinstimmungen mit dem Valentinis auf.
25 Zum Wörterbuch von Rigutini/Bulle cf. auch Gervasi (1982). 26 Das zweibändige Wörterbuch (27,5 cm) umfasst XII-919 Seiten für den italienisch-deutschen, XII-1040 für den deutsch-italienischen Teil. Die Artikel sind in drei Spalten angeordnet. 27 Dabei ist zu präzisieren: «Rigutini, oltre a fornire il lemmario per la parte italiana e ad essere comunque un costante interlocutore e consigliere per Bulle, si è limitato, nella sezione italianotedesco, a una revisione delle bozze, e nell’altra sezione a una revisione delle traduzioni» (Kolb 2004, 411). Neben Rigutini und Bulle waren, insbesondere nach Bullles Ausscheiden aus dem Projekt, weitere italienische und deutsche Muttersprachler an der Erstellung beteiligt (cf. Kolb 2004, 411).
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Als Wörterbuch, das sein Hauptziel in der «praktische[n] Brauchbarkeit» (Rigutini/Bulle 1896, vol. 1, VIII) sieht und sich zugleich an «den Studierenden der alten Meisterwerke der italienischen Litteratur» (Rigutini/Bulle 1896, vol. 1, VIII) wendet, räumt der Rigutini/Bulle dem Verweis auf Autorenbeispiele einen gewissen Raum ein, häufig jedoch nicht durch Widergabe eines vollständigen Zitats, sondern lediglich in der Form, dass einem deutschen Äquivalent in der vom Autor benutzten Bedeutung in Klammern eine Autorenangabe beigefügt ist, z. B. (D.) für Dante im folgenden Artikelausschnitt: attosica·re […] fig. verbittern; verderben; quälen (D.) […]
Häufig werden solche Verweise gerade in den Artikeln eingesetzt, in denen auch Valentini ein entsprechendes Autorenzitat beifügt (cf. z. B. auch s. v. casso). Auffällig ist diesbezüglich der Artikel zu sonoro, in dem Rigutini/Bulle nicht nur wie Valentini auf ein Boccaccio-Zitat verweisen, sondern auch die von ihm erstmals belegte und dann in der deutsch-italienischen Lexikographie nicht mehr berücksichtigte Kollokation schiaffo sonoro integrieren: Vollst. Wb. Sonôro, agg. helltönend, klingend. §. Voce sonora, eine starke, tönende Stimme. It. Eine wohlklingende Stimme. §. Für Armonioso, wohlklingend, wohllautend. §. Stile sonoro, eine schöne, fließende Schreibart; herrliche Diction. §. Für Strepitoso, geräuschvoll, lärmend: Il convito, che tacito principio avuto avea, ebbe sonoro fine. Bocc. Nov. 27. 46. It. tüchtig schallend: Gli dette un sonoro schiaffo. Rigutini/Bulle (1896) ˙ Sonoro, agg. klingend; tönend; wohlklingend; hellklingend, =tönend; klangreich; sonor (Instrumente; Stimme) ‖ wohllautend; harmonisch gebaut od. gebildet; schönfließend (Vers; Satz) ‖ von schöner Akustik ‖ † geräuschvoll; lärmend; laut; risa –e, schallendes Gelächter (B.) ‖ fam. schiaffo ~, schallende Ohrfeige; pugno ~, derber, laut klatschender Schlag (lat. sonorus).
Weitere Parallelen zeigen sich im Bestreben, die Äquivalente zu den einzelnen Bedeutungen des Lemmas in eine logische Folge zu bringen und klar voneinander zu scheiden. Im ersten Band nur angedeutet (cf. Rigutini/Bulle 1896, vol. 1, VIII–IX),²⁸ wird im Vorwort zum deutsch-italienischen Teil ausgeführt:
28 Im italienisch-deutschen Teil verzichten Rigutini/Bulle bisweilen der Platzersparnis wegen auf eine präzise Bedeutungsdiskriminierung. Cf. z. B. den Artikel zu vescovato gegenüber dem hier in Kapitel 7.5.6.1 zitierten entsprechenden Artikel bei Valentini: «vescova·to u. vescova·do, m. Bischofswürde, f. ‖ Episkopat; Bistum, n. ‖ Bischofssitz, m.; bischöfliche Residenz».
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«Häufig haben wir zur besseren Auseinanderhaltung der einzelnen Bedeutungen ihnen erklärende Synonyme deutscher Ausdrücke in Klammern vorangestellt oder sie durch nachfolgende Hinweise auf die Beziehungen, die ihre Übersetzungen in der italienischen Sprache eingehen, kurz charakterisiert. Ein bloßes, die Einzelheiten unbestimmt lassendes Aneinanderreihen der jedem Worte im Italienischen entsprechenden Bedeutungen haben wir stets zu vermeiden gesucht und glauben hierdurch uns vorteilhaft von den früheren lexikographischen Arbeiten auf dem deutsch-italienischen Gebiete zu unterscheiden. Um die Scheidung übersichtlicher zu machen, wurde in diesem zweiten Teile noch die Numerierung der einzelnen Bedeutungen eingeführt, die sich im ersten Teile nicht findet. […] Wie dort ist auch hier versucht worden, durch Anwendung vieler Fachbezeichnungen oder durch Hinweis auf die figürliche oder familiäre Anwendung dem Benutzer die Begriffswandlung klar zu machen». (Rigutini/Bulle 1900, vol. 2, VI)
Anders als von den Autoren dargestellt, finden sich alle Strategien der Bedeutungsdifferenzierung wie in Kapitel 7.5.6 ausgeführt bereits bei Valentini angelegt, und selbst die unterschiedlichen Wege, die dabei für die beiden Wörterbuchhälften beschritten werden, etwa der systematische Gebrauch von Ziffern erst im deutsch-italienischen Teil, charakterisiert schon das Vollständige Wörterbuch. Eine klare metalexikographische Verbesserung liegt bei Rigutini/Bulle im Bereich der Grammatikangabe. Erstmals werden zu deutschen Substantiven konsequent Genitiv und Plural angegeben sowie die Stammformen der unregelmäßigen Verben aufgeführt. Für die nächsten siebzig Jahre, bis zum Erscheinen des Grande Sansoni unter der Leitung von Vladimiro Macchi, stellt nun Rigutini/Bulle das große italienisch-deutsche Referenzwörterbuch, den «coronamento della lessicografia italotedesca» (Kolb 2004, 404), dar, an dem sich folgende Wörterbuchproduktionen messen lassen müssen. Valentinis Gran Dizionario verliert seine Modellfunktion und gerät langsam in Vergessenheit.
9 Fazit 9.1 Valentini im Kontext der Sprachmittlung zwischen Deutschland und Italien Im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert verändert sich die Stellung des Italienischen in den deutschsprachigen Ländern. Innerhalb der allgemeinen Tendenz, dass die Sprache weniger gelernt wird, bilden zwei Kontexte eine Ausnahme: ein Liebhaberpublikum, das das Italienische als Kultursprache erwerben möchte, einerseits, und das Umfeld der Donaumonarchie, wo praktische Bedürfnisse bestehen, andererseits. In den Unterrichtsmethoden wird die Tradition der Sprachmeister von der Grammatik-Übersetzungsmethode abgelöst, dennoch bleibt das Italienische weiterhin eine Sprache, die stark in außerinstitutionellem Kontext gelernt wird. Im Zuge der Entstehung der Neuphilologien als universitärer Disziplin setzt auch eine wissenschaftliche Beschäftigung mit der italienischen Sprache und Kultur ein. Eine wichtige Rolle zur Abdeckung des Unterrichts spielen vor der Einrichtung eigener Professuren muttersprachliche Lektoren. Parallel nimmt das Interesse an der deutschen Sprache und Kultur in Italien zu. Grund dafür sind die Leistungen der deutschsprachigen Länder in den Wissenschaften und der Philosophie, aber auch die Literatur Schillers, Goethes und der Romantik. Daneben werden in den italienischen Kronländern der Habsburgermonarchie, wo direkter Sprachkontakt stattfindet, besonders auf Ebene der Jurisprudenz und der Verwaltung Deutschkenntnisse erforderlich. In diesen Kontext schreibt sich das Werk des Römers Francesco Valentini (1789–1862) ein. Als privater und höfischer Italienischlehrer in Berlin steht er noch nah an der Tradition der Sprachmeister, beschäftigt sich im Rahmen der Ansätze der frühen Romanistik aber auch über ein rein praktisches Interesse hinaus mit der italienischen Sprache und Literatur. 1836 gründet er die Società italiana, die erste italienische Kulturgesellschaft in Berlin. Einer ihrer Schwerpunkte ist, parallel zum beginnenden wissenschaftlichen Interesse an dessen Werk, die Beschäftigung mit Dante. Aus der Unterrichtstätigkeit Valentinis entstehen mit den Lettere sulle regole della lingua italiana (1818), der Neuen theoretisch-praktischen Grammatik (1824) und dem Italienischen Lehrer (1827–1828) Lehrwerke, die an der Schwelle von den Methoden der Sprachmeister zur Grammatik-Übersetzungsmethode stehen. Aus diesen Werken geht, wie aus denen eines Fernow oder Moritz, ein großes Interesse an der Ergründung der Sprache über die Darstellung reinen Regelwissens hinaus hervor. Die Dialoghi e Colloquj italiani e tedeschi (1839) demonstrieren dagegen das Interesse an der Darstellung des gesprochenen Italienischen. Sie
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erneuern die Tradition solcher Dialogsammlungen, die bisher insbesondere für die Zeit bis zum 18. Jahrhundert untersucht worden sind, und präsentieren sich tatsächlich stellenweise als Modell mit einigen gesprochensprachlichen Merkmalen. Gleichzeitig sind sie kulturgeschichtlich und als eine Art kontrastiver Landeskunde interessant, ebenso wie der Trattato su la Commedia dell’Arte (1826), der u. a. von Goethe rezipiert wurde und teilweise Parallelen zu dessen Beschreibung des römischen Karnevals aufweist. Innerhalb des sprachdidaktischen Werks Valentinis zeigt sich eine Entwicklung der als modellhaft anzusehenden Sprache an der Auswahl der Autorentexte. Wurden zunächst fast ausschließlich die Tre Corone und andere Autoren des Crusca-Kanons als beispielhafte Textausschnitte präsentiert, fügen die späteren Werke Auszüge aus Metastasio und Casti, Gozzi und Goldoni als Modell für gesprochene Sprache, neuere Autoren wie Alfieri und neueste wie Foscolo und Manzoni hinzu. Dennoch bleibt Valentini in den sprachdidaktischen Werken und auch im Wörterbuch bezüglich der Grammatiknorm der Tradition verhaftet, wie einzelne Parameter, etwa -a als Desinenz für die 1. Pers. Sg. Imperfekt, anzeigen. Er steht vor Manzonis Vorschlag zu einem einheitlichen Italienischen, sein Modell für gesprochene und Umgangssprache orientiert sich überwiegend an Autoren des 18. Jahrhunderts.
9.2 Zwischen zwei Wissenschaftskulturen: Die Beschäftigung mit den Themen der beginnenden Neuphilologien Wahrhaft originell ist dagegen Valentinis Beitrag zur deutsch-italienischen Lexikographie und herausstellenswert seine Auseinandersetzung mit den Fragen der frühen Romanistik und Germanistik. Sein Hauptwerk, das Vollständige grammatisch-praktische italienisch-deutsche, deutsch-italienische Wörterbuch (1831–1836), enthält hierzu zwei Abhandlungen und für das Deutsche außerdem eine ausführliche Wörterbuchgrammatik, die auf Grimm gründet. In der Dissertazione sul linguaggio italo volgare geht Valentini der Frage nach der Herausbildung des Italienischen aus dem Latein nach. Seine Überlegungen hierzu sind in letzter Konsequenz nicht neu, sein Beitrag stellt aber ein bemerkenswertes Beispiel dar, wie ein zwischen zwei Wissenschaftstraditionen stehender Autor die Strömungen der Zeit – die Arbeiten Raynouards und A. W. Schlegels einerseits und die Ansätze Muratoris und Perticaris andererseits – rezipiert und für den jeweils anderen Kulturraum zugänglich macht. Die Weiterentwicklung der Ideen zeigt, auch wenn sie im Detail einige Fehler aufweist, das philologisches Interesse und Gespür eines Wörterbuchautors.
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Für die Dissertazione su la lingua e letteratura tedesca, die in germanischer Zeit ansetzt und die Entwicklungen der deutschen Sprache und Literatur bis in die Gegenwart skizziert, und in der deutschen Grammatik für Italiener hat Valentini als einer der ersten Italiener ausführlich die Deutsche Grammatik Grimms rezipiert und für eine praktische Fremdsprachengrammatik nutzbar gemacht. Er erweist sich hiermit auch aus germanistischer Perspektive als interessantes Beispiel für die Vermittlung von Wissenschaftskulturen und stellt einen Beobachter der frühen Germanistik aus nächster Nähe dar. In eine größere Darstellung zur Geschichte der Romanistik wie der Germanistik sind Figuren wie Valentini einzubeziehen, um die Nebenstränge der Entwicklung einzelner Themen aufzuzeigen, die Rezeption der großen Autoren unmittelbar während ihres Wirkens zu vervollständigen und die zu ihrer Zeit aktiven Wissensnetzwerke aufzuspüren.
9.3 Das lexikographische Werk vor dem Hintergrund der deutschen und italienischen Wörterbücher um 1800 Zur praktischen deutsch-italienischen Lexikographie trägt Valentini mit seinem Taschenwörterbuch (1. Ausg. 1821), dem Vollständigem Wörterbuch und der onomasiologisch angeordneten Wörtersammlung in den Dialoghi bei. An der Diskussion zur Verbesserung der einsprachigen italienischen Lexikographie beteiligt er sich mit der Raccolta di mille e più Vocaboli italiani (1832). Das frühe 19. Jahrhundert ist in Italien gekennzeichnet von Neuausgaben des Crusca-Wörterbuchs, die außerhalb der Akademie entstehen, und dem neuen Weg einer praktischer ausgerichteten Lexikographie, der von D’Alberti beschritten wird. Dieser integriert eigene Sammlungen von Fachtermini und Umgangssprache sul campo und bringt seine Erfahrung aus dem Kontakt mit dem Französischen ein. Die wichtigsten Grundlagewerke Valentinis, die Dizionari della lingua italiana von Bologna (1819–1826) und Padua (1827–1830), fügen die IV Crusca, Cesari und D’Alberti zusammen. Cesari steht dabei stellvertretend für die starke puristische Strömung des frühen 19. Jahrhunderts, das in der italienischen Lexikographie als Gegentendenz durch die Vorschläge von Verbesserungen der Crusca durch Monti gekennzeichnet ist. In Deutschland wird die Lexikographie von den Wörterbüchern Adelungs (1. Aufl. 1774–1786) und Campes (1807–1811) bestimmt, ersterer als das große Vorbild aufklärerischer Lexikographie und für seine logische Artikelstruktur, die klaren Definitionen und Bedeutungsdifferenzierungen gelobt, Campe als Wörter-Fabrik, der Adelungs Makrostruktur ausbaut, und für den Purismus in Deutschland steht. Die zweisprachige Lexikographie wird zur Zeit Valentinis, nach einer langen Tradition von mehrsprachigen Wörterbüchern, nach dem
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großem Werk Kramers und den von Glaubensflüchtlingen und Sprachmeistern verfassten und eng miteinander verwobenen Wörterbüchern des 18. Jahrhunderts nun von Jagemann (1790) und Filippi (1817) geprägt. Jagemann repräsentiert die Tradition des Italienischen als Kultursprache, Filippi die stärker praktische Linie der Habsburgermonarchie. Valentini stützt sich stark auf die letzten beiden und insbesondere auf Filippi. In seinem Beitrag zur Sprach- und Lexikographiediskussion berührt Valentini die Themen der Zeit. Das Primat des Toskanischen wird im Frühwerk noch nicht hinterfragt, in der Raccolta und im Vollständigen Wörterbuch dann aber hinter das Ideal eines italiano comune gestellt. Valentinis Konzept sieht auch eine vorsichtige Öffnung gegenüber anderen regionalen Varietäten vor, so die aus ihnen zu integrierenden Lexeme eine gewisse Reichweite aufweisen. Sehr offen ist Valentini gegenüber Fremdwörtern, wenn diese Haltung auch nicht auf höchster Ebene, etwa in seinen Vorworten, aufgedeckt wird. In der Überlegung, ob ein Wörterbuch nur Literatursprache umfassen, oder auch Fachsprache enthalten sollte, sieht er keinen Widerspruch. Die Nutzerinteressen im Blick – sowohl der Rezipient von literarischen Texten, der einen speziellen, bei einem Autor verwendeten Ausdruck nachschlägt, als auch der Leser wissenschaftlicher Traktate soll im Wörterbuch fündig werden – fordert er die möglichst breite, systematische Integration von Lexemen sowohl der Literatur als auch der verschiedenen Wissenschaften und Sektoren. Der Autor führt die Bedeutung eines stile famigliare aus, der als wichtigste weil natürlichste Varietät integriert werden sollte, fühlt sich jedoch noch unwohl, bei der Sammlung seiner Einheiten von der Autorität geschriebener Quellen und Autoren abzurücken. In der eigenen Wörtersammlung schlägt Valentini überwiegend Fachtermini, Einheiten des alltäglichen Sprachgebrauchs, Neologismen der Zeit, Regionalismen, Fremdwörter, bisher nicht lexikographisch erfasste – oder nicht einmal fest lexikalisierte – Übersetzungen zu fremdsprachlichen Lemmata, Varianten und Wortschatz von Autoren zur Aufnahme in Wörterbücher vor. Seine Verbesserungsvorschläge zu einzelnen Artikeln in bestehenden einsprachigen Wörterbüchern des Italienischen betreffen die Ergänzung von Einzelbedeutungen der Lemmata, von Mehrworteinheiten und Phraseologie. Er kritisiert metalexikographisch die bisherige Lemmatisierungspraxis, die Artikelstruktur und die Technik der Definitionen. Dabei dienen ihm die Lexikographen anderer Sprachen als Vorbilder. Das Besondere an Valentinis Sprachauffassung und damit zusammenhängend an seinen Anforderungen an die italienische Lexikographie, die ihn von den Stimmen innerhalb Italiens abheben, ist die praktische Motivation, die er in die Diskussion einbringt. Als Autor eines zweisprachigen Wörterbuchs ist es seine wichtigste Bestrebung, dass der ausländische Wörterbuchnutzer gesuchte Einheiten findet und zu ausgangssprachlichen Lemmata ein italienisches Äqui-
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valent angeboten bekommt. Aus dieser Perspektive sieht er lexikalische Lücken im in den einsprachigen Wörterbüchern kodifizierten Toskanischen besonders deutlich und hat weniger Hemmungen, sie durch andere, wenn gebräuchliche Einheiten zu ersetzen. Dennoch spürt man in seinem Lösungsansatz eine große Spannung zwischen Öffnung und Tradition. Trotz seiner Modernität beruft sich Valentini immer wieder auf Autoritäten, sei es auf die der Autoren zur Erweiterung des Lemmabestandes um Umgangssprache, sei es auf die Autorität deutscher Grammatiker und Lexikographen im Streit mit dem Mailänder Verleger Nervetti. Besonders stark spürbar ist die Verwurzelung in der Tradition in der ständigen Bezugnahme auf die Accademia della Crusca. Das Taschenwörterbuch und das Grammatikwerk sind noch ganz darauf gestützt, bevor eine kritische Haltung einsetzt, die in der Raccolta und im Vollständigen Wörterbuch zum charakterisierenden Moment wird. Dennoch bleibt die Crusca stets Referenz, sei es als Ausgangspunkt aller Kritik, als sprachliches Vorbild in der Darstellung der eigenen lexikographischen Tätigkeit und besonders durch ihre Technik des Exzerpierens schriftlicher Texte als Hauptmöglichkeit, den Lexembestand zu erweitern, und ihre Autorenzitate. Interessant ist Valentini in seiner Crusca-kritischen Position, da er von Berlin in Außenperspektive auf die Entwicklungen der italienischen Lexikographie blickt. Er ist in seinem Lösungsansatz an keine der italienischen Regionen und Schulen gebunden, kann dagegen seine eigene kontrastive Erfahrung und seine genaue Kenntnis der deutschen Lexikographie mit ihren Neuerungen einbringen, ähnlich wie D’Alberti dies aus seinem Kontakt mit Frankreich hinaus gelingt. Für das Vollständige Wörterbuch beschreitet Valentini zudem den Weg der eigenen Feldforschungen, sodass ihm in deutsch-italienischer Perspektive evtl. eine ähnliche Rolle wie D’Alberti, freilich ohne dessen Originalität, zukommt.
9.4 Das Vollständige Wörterbuch zwischen lexikographischer Tradition und Innovation In seinem Hauptwerk, dem Vollständigen Wörterbuch, zeigt sich Valentini als Autor, der fest in der Lexikographietradition verwurzelt ist, aber für die deutschitalienische Lexikographie wichtige Weichenstellungen hin zu einem in vielem modernen Wörterbuch vornimmt. Das zugrundeliegende Sprachkonzept führt er nur für das Italienische explizit aus. Es ist im Wesentlichen das in der Raccolta ausgedrückte, wobei er im Wörterbuch bei der Lemmatisierung einiger Neuerungen vorsichtiger ist. Im Vorwort sowie in weiteren Quellen wird zudem die metalexikographische Reflexion dargelegt. Das Wörterbuch verfolgt den
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Anspruch, die Sprache so breit wie möglich abzubilden und den Nutzer möglichst jede gesuchte Einheit, versehen mit einem korrekten Äquivalent, finden zu lassen. Einzelbedeutungen sollen klar abgesetzt, Beispiele angeführt und Phraseologie möglichst systematisch integriert werden. Recht präzise sind Valentinis Auskünfte zu seinen Grundlagenwerken. Neben Bologna und der Minerva, den Wörterbüchern Adelungs und Campes sowie den zweisprachigen Jagemanns und Filippis, wurden auch einsprachige Spezialwörterbücher und Synonymika verwendet und eigene Autorenexzerpte vorgenommen, v. a. von Autoren des 18. und 19. Jahrhunderts – besonders häufig Casti, Goldoni, Alfieri, Foscolo –, aber auch von älteren. Dies dient zum einen dem Nutzer, der mithilfe des Wörterbuchs literarische Texte liest, zum anderen der Erweiterung des Lemmabestands um Einheiten aus Autoren, deren Werke nah an der gesprochenen bzw. der schriftlichen Umgangssprache stehen, also v. a. Komödienautoren und solche, die im Briefstil schreiben. Für die Erweiterung des Fachwortschatzes wurden wissenschaftliche Fachtexte exzerpiert und teilweise Feldstudien durchgeführt. Meine Analyse des Wörterbuchs erfolgte anhand eines fest umgrenzten Analysekorpus von rund 2000 Artikeln pro Sprachrichtung. Für die Makrostruktur konnte die Arbeit Valentinis mit seinen Referenzwerken, das Zusammenspiel von ein- und zweisprachigen Wörterbüchern, gezeigt werden, aus denen der Großteil des verzeichneten Wortschatzes sich zusammensetzt. Nur weniges wurde durch eigene Exzerpte ergänzt. Diese Zusätze betreffen v. a. Fachtermini, Wortschatz von bestimmten Autoren und Neologismen der Zeit, wobei sich einige Erstbelege finden lassen.
9.4.1 Zur Makrostruktur Stärker als eine Form der Normierung lässt sich das Bestreben feststellen, den Wortschatz möglichst breit und, bis auf Regionalismen mit zu enger Verbreitung, in sämtlichen Varietäten zu verzeichnen und dabei zu vielen Lemmata Varianten zu berücksichtigen, die allerdings teilweise über ein Verweissystem hierarchisiert werden, das die neuere Variante bevorzugt. Regionale Varianten, z. B. Personenbezeichnungen auf -aro, stehen neben den toskanischen, also z. B. den Personenbezeichnungen auf -aio. Für das Deutsche ist die breite Lemmatisierung von Komposita und andere Wortbildungen charakteristisch. Von den einsprachigen Grundlagenwörterbüchern abweichend werden auch hier Fremdwörter und Fachwörter aufgenommen, die teilweise selbst im Deutschen Wörterbuch der Grimms fehlen. Somit lässt sich zeigen, dass zweisprachige Wörterbücher zur Wortschatzdokumentation dieses Zeitraums auch für die deutsche Lexikographie ergänzend zur Nationallexikographie betrachtet werden sollten.
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Herauszustellen ist für beide Wörterbuchteile der Anspruch Valentinis, möglichst die gesamte Sprache abzubilden. Dies geht mit einer großen Offenheit gegenüber Fremdwörtern einher, besonders solchen aus dem Französischen und Englischen – ausgenommen nur jüngste Integrationen, die Valentini, der bereits zwanzig Jahre außerhalb Italiens lebt, nicht wahrnimmt, und nicht adaptierte –, aber auch gegenüber gelehrtem Wortschatz aus dem Griechischen und Lateinischen. Im deutsch-italienischen Teil handelt es sich bei den lemmatisierten Fremdwörtern stellenweise um solche, die in Campes Verdeutschungswörterbuch zur Vermeidung dargestellt und vermutlich aus diesem exzerpiert werden. Die Lemmatisierungspraxis schließt auch seltenste und wenig frequente Wörter ein. Bezüglich der in großer Breite verzeichneten Fachtermini – als solche gekennzeichnete machen in beiden Teilen rund 12 % aus – lässt sich aus der Art der Analyse zeigen, wie wichtig zur korrekten Interpretation ein Abgleich mit den Grundlagenwerken ist. Z. B. ist es ein interessantes Ergebnis, dass neuer chemischer Wortschatz umfangreich berücksichtigt wird. Andererseits ist dies zu relativieren, wenn man betrachtet, dass der Großteil der Termini eben bereits in den einsprachigen Wörterbüchern verzeichnet ist und vermutlich eher aus diesen als aus eigenen Untersuchungen zur neuen chemischen Nomenklatur geschöpft wurde.
9.4.2 Zur Mikrostruktur Im Bereich der Mikrostruktur hat der Abgleich des Vollständigen Wörterbuchs mit seinen Vorgängern erhebliche Verbesserungen in der Bearbeitung der einzelnen Angaben und Bauteile in Bezug auf ihre Benutzerfreundlichkeit nachgewiesen. Zudem konnte gezeigt werden, wie sich in den beiden Teilen die Orientierung an den jeweiligen einsprachigen Wörterbüchern auf die Gestaltung der Artikelstruktur auswirkt und teilweise zu großen Unterschieden zwischen den Wörterbuchhälften führt. Die Grammatikangabe, besonders im deutsch-italienischen Teil wichtig, ist teilweise ausführlicher als die von Filippi – insbesondere bezüglich der Rektion der Verben –, tilgt jedoch auch wichtige Informationen, nämlich zu unregelmäßigen Verbformen und zur Deklination der Substantive, sodass hier insgesamt eher ein Rückschritt zu verzeichnen ist. Der Ansatz Valentinis, das Lemmarium hier zu verknappen und grundsätzliche Regeln in die separate Wörterbuchgrammatik auszulagern, ist wenig benutzerfreundlich und funktional. Ausgebaut und systematisiert wurde dagegen die Ausspracheangabe. Auch hierzu wird in den vorangestellten Teilen auf grundsätzliche Prinzipien eingegangen. Einen erheblichen Fortschritt erzielt das Vollständige Wörterbuch bezüg-
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lich der diasystematischen Markierung. Ein festes System von Abkürzungen, die in einem Verzeichnis aufgelöst werden und in dieser Stringenz in allen früheren Werken fehlen, gibt klar die Zugehörigkeit eines Lemmas bzw. einer Mehrworteinheit zu einer bestimmten Stilebene oder Varietät an und entlastet im Zusammenspiel mit Definitionen und Synonymen auch zur Bedeutungsdifferenzierung die Mikrostruktur. Auch in der klaren Differenzierung der einzelnen Bedeutungen eines Lemmas und der Zuordnung der jeweiligen Äquivalente hebt sich Valentini von seinen Vorgängern, die überwiegend mit einer kumulativen Äquivalentenangabe arbeiten, ab. Die einzelnen Bedeutungen sind im Artikel nach logischen Prinzipien angeordnet, durch unterschiedliche Arten der Glossierung disambiguiert und auch typographisch, durch Ziffern, Paragraphen und Absätze, voneinander geschieden. Ein wichtiger Fortschritt ist diesbezüglich auch die Absetzung von Glossen in Klammern, was sie klar von der Objektsprache unterscheidet, was bei den Vorgängern nicht konsequent durchgeführt wird. Allerdings gilt noch kein ganz festes, einheitliches Diskriminierungsprinzip. Es lassen sich Unterschiede in der Praxis zwischen den beiden Wörterbuchhälften nachweisen, welche die Anlehnung an die unterschiedlichen Lexikographietraditionen zeigen. Von Adelung ist die strukturierte Bedeutungsanordnung übernommen, die, weniger als direkte Übernahme, sondern vielmehr als Anordnungsprinzip, auch auf den italienisch-deutschen Teil übertragen wird. Die Eingrenzung der einzelnen Bedeutungen erfolgt im italienisch-deutschen Teil überwiegend durch Synonyme, häufig übernommen aus dem Wörterbuch von Bologna, während im deutsch-italienischen Teil wie bei Adelung eher mit kurzen Definitionen und Beispielen gearbeitet wird. Bei den Übersetzungsäquivalenten, dem konstituierenden Bestandteil eines zweisprachigen Wörterbuchs, sind direkte Übernahmen aus den Vorgängern selten. Valentini verfolgt grundsätzlich den Anspruch, anstelle eines explanatory equivalent ein direkt im Text einsetzbares Lexem als Äquivalent zu bieten. In Fällen von Teil- oder fehlender Äquivalenz, wo dies nicht möglich ist bzw. weitere Informationen notwendig sind, nutzt Valentini mit Glossierungen und zusätzlichen Informationen die gleichen Strategien, die auch die moderne Lexikographie einsetzt, wobei die zusätzlichen Informationen die Grenzen eines Sprachwörterbuchs hin zu einer Enzyklopädie überschreiten. Im Bereich der Phraseologie i. w. S. ergänzt Valentini gegenüber seinen Vorgängern zahlreiche Einheiten, fügt Kollokatoren hinzu und ordnet das Material mit Absätzen, Paragraphen und dem Prinzip, Wendungen grundsätzlich jeweils der nächstliegenden Bedeutung nachzustellen, übersichtlicher an. Es fehlt noch ein festes Schema, unter welchem ihrer Elemente eine phraseologische Wendung eingeordnet wird. Einen Sonderfall stellen Verben und Nomen mit besonders vielen festen Ergänzungen dar. Auch in der Zuordnung des phraseologischen Mate-
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rials spiegeln sich die unterschiedlichen Wörterbuchtraditionen: Verbale Kollokationen stehen im deutsch-italienischen Teil häufig unter dem Nomen, im italienisch-deutschen ist die Zuordnung umgekehrt. Letzterer folgt bei der Zuordnung von Redensarten und Sprichwörter häufig dem Wörterbuch von Bologna und damit der Crusca-Tradition. Im deutsch-italienischen Teil ist insgesamt mehr Phraseologie aufgeführt. Ansonsten enthält der deutsch-italienische Teil aufgrund der zahlreichen lemmatisierten Komposita mehr kürzere, einfache Artikel, wohingegen im italienisch-deutschen Syntagmen in die Mikrostruktur der einzelnen Elemente integriert werden. Zu deutschen Lemmata werden mehr Übersetzungsäquivalente zur Auswahl angeboten, da Valentini als Muttersprachler hier eine höhere Kompetenz besitzt. Idiomatisches wird stärker übersetzt. Der größte Unterschied zwischen den beiden Teilen liegt im Umgang mit lexikographischen Beispielen. Hier zeigt sich zugleich am stärksten Valentinis Spannung zwischen Innovation und Tradition. Im deutsch-italienischen Teil zeigen Beispiele das Lemma zumeist in einem Mikrokontext aus dem aktuellen Sprachgebrauch und werden übersetzt. Im italienisch-deutschen dagegen handelt es sich in großer Mehrheit um Autorenbeispiele, die unübersetzt bleiben. Sie fehlen in dieser Frequenz in Valentinis unmittelbaren Vorgängern und sind somit eine Neuerung, zugleich jedoch klar eine Verankerung in der alten Tradition der Crusca. Größtenteils werden die Beispiele direkt aus dem Wörterbuch von Bologna übernommen, allerdings häufig mit philologischen Anpassungen. Sie zeigen klar die unterschiedlichen Benutzungsweisen des Wörterbuchs auf: Während der italienische Nutzer eher an aktuellem Sprachgebrauch interessiert ist, nutzt ein Großteil der deutschen Nutzer das Wörterbuch zur Rezeption italienischer Literatur. Das Spannungsfeld von Tradition und Innovation, das sich besonders in der Arbeit mit Autorenbeispielen einer- und in der umfangreichen Integration von Fachwortschatz andererseits ablesen lässt, zieht sich als roter Faden durch Valentinis lexikographisches Werk und charakterisiert es zusammen mit dem Bestreben, möglichst die gesamte Sprache in einem weiten Varietätenspektrum abzubilden, und mit den modernen metalexikographischen Entscheidungen zur Benutzerfreundlichkeit in besonderer Weise. Ergänzt wird das gigantische Projekt durch zahlreiche enzyklopädische Informationen, die als Glossen zu Äquivalenten und Lemmata, aber auch im geographischen Verzeichnis eingeschoben werden, und einen umfassenden didaktischen Ansatz vermuten lassen.
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9.4.3 Zur Rezeption Das Bedürfnis nach einem umfassenden zweisprachigem Wörterbuch für Deutsch und Italienisch war im frühen 19. Jahrhundert empfunden worden und wurde durch Valentini befriedigt, wie unmittelbare Stellungnahmen und die Bezugnahme folgender Autoren umfangreicherer Wörterbücher auf das Vollständige Wörterbuch zeigen, bevor es mit seinem Autor in Vergessenheit gerät. Valentinis philologische Aktivität endet mit der negativen Bescheidung seines Vorschlags, einen Lehrstuhl für italienische Sprache und Literatur in Berlin einzurichten und seinem Rückzug nach Bad Freienwalde. Als Lexikograph wurde er vergessen, wohl weil kein Nachdruck, der Valentinis Namen trägt, erfolgte, sondern nur die in 8.2 behandelte Raubkopie erschien. Deren Entstehung und die Reaktion Valentinis darauf sind gut dokumentiert und wurden ausführlicher wiedergegeben, da sie exemplarisch für die häufige Praxis nicht autorisierter Nachdrucke jener Zeit stehen. Ein weiterer Grund für die eingeschränkte Nutzung des Wörterbuchs waren wohl sein Format und die Tatsache, dass es für ein so extensives Wörterbuch mit einem entsprechenden Preis nur einen geringen Nutzerkreis gab. Darauf gehen in ihrem Vorwort die Wörterbücher ein, die sich später auf Valentini stützen. Sein «romantisch-beflügeltes Streben nach […] Vollständigkeit» (Bruna/Bray/Hausmann 1991, 3016) wurde in der Folge nicht mehr nachgefragt, die folgenden Wörterbücher wurden knapper. Als Materialbasis beeinflusste Valentini in der Funktion eines Referenzwerks jedoch die folgenden Wörterbuchprojekte, bis 60 Jahre später mit Rigutini/Bulle der nächste Meilenstein erschien. Dieses ist eigeständig, trägt jedoch in den Beispielen, den Prinzipien der Bedeutungsdifferenzierung und den Unterschieden in deren Darstellung in den beiden Wörterbuchteilen einige Spuren Valentinis in sich.
9.5 Bedeutung der zweisprachigen Lexikographie und Ausblick Über die hier gewählte, globale und an den Bestandteilen des Wörterbuchs orientierte Analyse hinaus wäre es in der Folge auch interessant, einzelne bedeutende Wortschatzbereiche des frühen 19. Jahrhunderts oder aus dem Umfeld des Autors im Gran Dizionario in den Blick zu nehmen, z. B. den Wortschatz der Freimaurerei oder Termini der Philosophie. Ebenso aufschlussreich wäre ein Durchsehen des Lemmariums unter einem kulturhistorischen Ansatz, wie z. B. Haß-Zumkehr (2001) ihn vorgeschlagen hat. Zweisprachige Wörterbücher in ihrer kontrastiven Perspektive bieten sich hierfür als interessante Dokumente an. Schließlich könnte man auch gezielt überprüfen, ob das Vollständige Wörterbuch für bestimmte
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Literatur- oder Philosophieübersetzungen benutzt wurde und so exemplarisch den Einfluss zweisprachiger Wörterbücher auf den Transfer von Texten in andere Sprachen und Kulturen herausarbeiten. Mithilfe der unter Leitung von FrankRutger Hausmann und Volker Kapp erarbeiteten Bibliographie der deutschen Übersetzungen aus dem Italienischen (cf. Kapp, et al. 2004) ließe sich gut ein entsprechendes Korpus von Übersetzungen aus dem Zeitraum ab den 1830er Jahren zusammenstellen. Die hier zur Analyse herangezogene Methode des Abgleichs unter dem Mikroskop konnte über das konkrete Wörterbuch Valentinis hinaus aus der Nähe zeigen, wie Äquivalenzwörterbücher der Vergangenheit entstanden sind, wie ein- und zweisprachige Vorgänger produktiv genutzt werden und wie sich die einzelsprachlichen Traditionen fortsetzen und zu unterschiedlicher Gestaltung der Wörterbuchhälften führen. Es wurde ausgeführt, wie bereits im frühen 19. Jahrhundert wichtige Standards für deutsch-italienische Wörterbücher gelegt wurden, die nachweisbar mindestens bis zum Rigutini/Bulle hin nachwirkten. Die Betrachtung der einzelnen Wortschatzbereiche hat aufgedeckt, wie sich die konkreten Bedürfnisse der Zeit im Wörterbuch niederschlagen, z. B. wenn genau die Wissenschaftsdisziplinen, in denen die deutschsprachigen Länder eine Vorreiterrolle einnehmen, besonders stark mit Fachwortschatz vertreten sind, ebenso die im Kontext des Habsburgerreiches so wichtige Terminologie des Seewesens. Die zweisprachige Wörterbuchproduktion und die Teilnehmer an der Sprachdiskussion von außerhalb Italiens mit ihrer kontrastiven Perspektive und ihrer Kenntnis anderer Lexikographien sollten stärker auch für die italienische Lexikographie- und die externe Sprachgeschichtsschreibung einbezogen werden, zeigt sich doch hier die Tendenz, «Wörter aus verschiedenen Varietäten zu unterscheiden, veraltete und neue Formen in Einklang zu bringen, ein Alltagsvokabular vorzuschlagen, Fachvokabeln zu suchen oder überhaupt zu bilden, Neologismen, Fremd- und Lehnwörter aufzunehmen» (Boaglio 2014, 25) schon früher umgesetzt, als dies in der einsprachigen Lexikographie geschieht. Auf dieser Basis können teilweise einzelne Erstbelege zurückdatiert und Ergänzungen der einsprachlichen lexikographischen Dokumentation des Wortschatzes in dieser Phase vorgenommen werden.
10 Bibliographie Die Bibliographie ist in vier Teile gegliedert: 10.1 Werke Francesco Valentinis, 10.2 Wörterbücher, Grammatiken und verwandte Werke, 10.3 Literatur und Forschungsbeiträge, 10.4 Internetquellen. Teil 10.2 umfasst sowohl historische als auch heutige Wörterbücher und verwandte Werke. Für die Angebote des Verlagshauses Treccani werden hier die online-Ausgaben zitiert. Teil 10.3 vereint Forschungsliteratur, literarische Quellen, Bibliographien sowie zeitgenössische gedruckte Quellen unter sich.
10.1 Werke Francesco Valentinis Aussprachelehre = Gründliche Lehre der Italienischen Aussprache, Skansion und Betonung der Italienischen Verse; nebst einer Sammlung der in den italienischen Dichtern am häufigsten vorkommenden poetischen Ausdrücke, Leipzig, Johann Ambrosius Barth, 1834. Beleuchtung = Beleuchtung des Verfahrens, welches der Buchhändler L. Nervetti in Mailand bei dem von ihm veranstalteten Nachdrucke des Italienisch-Deutschen und DeutschItalienischen Wörterbuchs vom Professor Valentini befolgt hat, in: Vollst. Wb., vol. IV, 1 [Paris, Bibliothèque Nationale, Sign.: X-5410]. Dialoghi = Dialoghi e Colloquj italiani e tedeschi su d’ogni possibil soggetto e faccenda famigliare; cadauno de’quali è fornito delle più occorrevoli espressioni, termini e locuzioni; il tutto disposto a modo di Dizionario sistematico, ad uso degli Studiosi e Dilettanti d’ambe gl’Idiomi, in ispezie delle Scuole e de’ Viaggiatori. Italienische und deutsche Gespräche und Unterredungen über alle im gemeinen Leben vorkommende Gegenstände und Geschäfte; mit den gebräuchlichsten Ausdrücken, Kunstwörtern und Redensarten; nach Art eines systematischen Wörterbuches zum Gebrauch Studirender und Liebhaber beider Sprachen, insbesondere für Schulen und Reisende, Berlin, Carl Friedrich Amelang, 1839. Ehre und Duell = Gespräche und Briefe über die Ehre und das Duell von Dr. V.......i, Königlicher Preußischer Professor. Zweite verbesserte Ausgabe, Berlin, Cosmar und Krause, 1829. Ital. Lehrer = Der Italienische Lehrer, oder theoretisch-praktischer Lehrgang des italienischen Sprachunterrichts, worin, nach einer einfachen und leicht faßlichen Methode, die ersten Anfangsgründe dargestellt, und dann stufenweise die schwierigsten Punkte der Sprache erläutert werden. Zum Gebrauch beim Schul- und Privatunterricht. 2 vol., Berlin, Cosmar und Krause/Leipzig, Johann Ambrosius Barth, 1827–1828. Jahrgeschenk = Strenna italiana pei tedeschi. Lettura piacevole ed istruttiva, corredata di molte espressioni, frasi e locuzioni Tedesche. Italienisches Jahrgeschenk für Deutsche. Eine unterhaltende und durch beigefügte deutsche Anmerkungen zugleich belehrende Lektüre, 2 Jahrgänge, Berlin/Posen/Bromberg, Ernst Siegfried Mittler, 1842–1843. Lettere = Lettere ad un amico concernenti degli schiarimenti sulle regole della lingua italiana ad uso degli studiosi di questa favella, Berlin, Selbstverlag, 1818. Neue Grammatik = Neue theoretisch-praktische Italienische Grammatik für Teutsche, […]. Zum Gebrauche in Schulen und beim Selbstunterrichte, Berlin, Amelang, 1824.
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Raccolta = Raccolta di mille e più Vocaboli italiani pretermessi ne’ nuovissimi dizionarii; preceduta da alcune osservazioni sul Vocabolario degli accademici della Crusca, Leipzig, Johann Ambrosius Barth, 1832. Sposizione = Sposizione del modo di procedere del librajo L. Nervetti, nella ristampa del dizionario del Professor Valentini, in: Vollst. Wb., vol. IV, 1 [Milano, Biblioteca Comunale, Coll. P. Dig. 228]. Taschenwörterbuch 1821 = Nuovo Dizionario portatile italiano-tedesco e tedesco-italiano […]. Vollständiges deutsch-italienisches und italienisch-deutsches Taschenwörterbuch. Zusammengetragen aus den vorzüglichsten über beide Sprachen bisher erschienenen Wörterbüchern und vermehrt mit einer großen Anzahl Wörter aus allen Fächern der Künste und Wissenschaften, 2 vol., Berlin, Carl Friedrich Amelang, 1821. Taschenwörterbuch 1837 = Nuovo Dizionario portatile italiano-tedesco e tedesco-italiano […]. Vollständiges deutsch-italienisches und italienisch-deutsches Taschenwörterbuch. Zusammengetragen aus den vorzüglichsten und neuesten über beide Sprachen bisher erschienenen Wörterbüchern und vermehrt mit einer großen Anzahl von Wörtern aus allen Fächern der Künste und Wissenschaften, 2 vol., Berlin, Carl Friedrich Amelang, 1837. Taschen-Wörterbuch 1859 = Taschen-Wörterbuch der italienischen und deutschen Sprache. Dizionario portatile italiano-tedesco. Dritte Original-Auflage, vom Verfasser durchgesehen, verbessert und vielfach vermehrt. In zwei Theilen, Leipzig, Brockhaus, 1859. Trattato = Trattato su la Commedia dell’Arte, ossia improvvisa. Maschere italiane, ed alcune Scene del Carnevale di Roma. Abhandlung über die Comödie aus dem Stegreif und die Italienischen Masken; nebst einigen Scenen des Römischen Carnevals, Berlin, Ludwig Wilhelm Wittich, 1826. Vollst. Wb. = Vollständiges italienisch-deutsches und deutsch-italienisches grammatischpraktisches Wörterbuch nach den neuesten und besten Quellen beider Sprachen bearbeitet und mit ungefähr 40,000 technischen und wissenschaftlichen Wörtern und Ausdrücken und beinahe 60,000 neuen Artikeln versehen. Gran Dizionario grammaticopratico italiano-tedesco, tedesco-italiano, composto sui migliori e più recenti vocabolarii delle due lingue, ed arricchito di circa 40,000 voci, e termini proprii delle scienza ed arti, e di 60,000 nuovi articoli, 4 vol., Leipzig, Johann Ambrosius Barth, 1831–1836.
Nicht autorisierte Nachdrucke Nachdruck Pirotta = Deutsch-Italienisches und Italienisch-Deutsches Handwörterbuch mit Verbesserungen und Zusätzen von Franz Lanzinger und Wilhelm Treves. Nuovo Dizionario portatile italiano-tedesco e tedesco-italiano del Dottor Francesco Valentini con correzioni ed aggiunte dei signori Francesco Lanzinger e Guglielmo Treves, 2 vol., Milano, Pirotta. Raubdruck Gran Diz. = Grande Dizionario Italiano-Tedesco, Tedesco-Italiano. Compilato sui più accreditati Vocabolarii delle due lingue ed arricchito di molte migliaja di voci e di frasi. Vollstaendiges deutsch-italienisches und italienisch-deutsches Woerterbuch nach den neuesten und besten Quellen beider Sprachen bearbeitet, und mit vielen neuen Woertern und Redensarten vermehrt, 1837–1839, 2 vol., Milano, Tipografia di Commercio.
530 | Bibliographie
10.2 Wörterbücher, Grammatiken und verwandte Werke Adelung, Johann Christoph, Versuch eines vollständigen grammatisch-kritischen Wörterbuchs der Hochdeutschen Mundart, mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der Oberdeutschen, 5 vol., Leipzig, Breitkopf, 1774–1786. Adelung, Johann Christoph, Deutsche Sprachlehre. Zum Gebrauche der Schulen in den Königlich Preuß. Landen, Berlin, Von Trattnern, 1781. Adelung, Johann Christoph, Umständliches Lehrgebäude der Deutschen Sprache zur Erläuterung der Deutschen Sprachlehre für Schulen, 2 vol., Leipzig, Breitkopf, 1782. Adelung, Johann Christoph, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der hochdeutschen Mundart mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der Oberdeutschen, zweite vermehrte und verbesserte Ausgabe, Leipzig, Breitkopf, 1793–1801 (Nachdruck hrsg. und mit einer Einleitung versehen von Helmut Henne, Hildesheim/ New York, Olms, 1975). Adelung, Johann Christoph, Kleines deutsches Wörterbuch für die Aussprache, Rechtschreibung, Biegung und Ableitung, in welchem überdieß alle grammaticalische Benennungen erklärt, und sehr viele fremde Wörter verdeutscht werden. Fünfte, nicht bloß vermehrte und berichtigte, sondern ganz umgearbeitete, Auflage, in welcher dieses Wörterbuch als ein ganz neues Werk erscheint. Ausgearbeitet von Karl Benjamin Schade, Leipzig, Mengangdsche Buchhandlung, 1824. Affò, Ireneo, Dizionario precettivo critico ed istorico della poesia volgare, Parma, Filippo Carmignani, 1777 [2. Aufl.: Milano, Silvestri 1824]. Ambrosoli, Francesco, Grammatica della lingua italiana, Milano, Fontana, 1828. Anguselli, Biaggio, Reggia di Mercurio, 4 vol., Venezia, Alvise Pavino, 1710. Antonini, Annibale, Compendio del Vocabolario della Crusca, colla spiegazione latina, e francese, Paris, Prault, 1735. Antonini, Annibale, Dictionaire italien, latin et françois, Leipzig, Arkstee et Merkus, 1760. Antonini, Annibale/Lehninger, Johann August, Dizzionario italiano-tedesco, tedesco-italiano il quale contiene non solamente un Compendio del Vocabolario della Crusca […] migliorato e tradotto in tedesco, Leipzig, C. Fritsch, 1763. Argenti, Luigi F. A., Elementi della lingua tedesca ad uso degli italiani […], Milano, Pirotta, 1819. Argenti, Luigi F. A., Gramatica della lingua tedesca ad uso degl’italiani. Seconda Edizione aumentata e corretta, Milano, Pirotta, 2 1827. Azzocchi, Tommaso A., Avvertimenti a chi scrive in italiano con un saggio delle eleganze ed un picciol vocabolario domestico, Roma, Ercole, 1828. Azzocchi, Tommaso A., Vocabolario domestico della lingua italiana, Roma, Monaldi, 2 1846. Bazzarini, Antonio, Ortografia enciclopedica universale della Lingua Italiana, 4 vol., Venezia, Tasso, 1824–1826. Bazzarini, Antonio, Dizionario enciclopedico delle scienze, lettere ed arti, 8 vol., Venezia, Francesco Andreola, 1830–1836. Beretti, Carlo, Nuovo dizionario italiano-tedesco e tedesco-italiano: arrichito d’una raccolta di voci appartenenti al commercio. Neues Wörterbuch der italienischen und deutschen Sprache. Neue Ausgabe, 2 vol., Nürnberg, G. L. Lotzbeck, 1848. Bernardoni, Giovanni, Elenco di alcune parole oggidì frequentemente in uso, le quali non sono ne’vocabolarj italiani, Milano, Bernardoni, 1812.
Wörterbücher, Grammatiken und verwandte Werke | 531
Bertola, Aurelio de’ Giorgi, Idea della bella letteratura alemanna, 2 vol., Lucca, Bonsignori, 1784. Binder, Martin, Grammatica tedesca, e italiana raccolta, e cavata da diversi autori per Martino Binder sacerdote dell’ imperiale, e regia Chiesa di S. Maria dell’anima, Roma, Giovanni Zempel, 1760. BIZ = Biblioteca Italiana Zanichelli, DVD-ROM per Windows per la ricerca in testi, biografie, trame e concordanze della Letteratura italiana. Testi a cura di Pasquale Stoppelli con il volume Biografie e trame, Bologna, Zanichellli, 2010. Boerio, Giuseppe, Dizionario del dialetto veneziano, Venezia, Santini, 1829. Bologna = Costa, Paolo/Cardinali, Francesco, Dizionario della lingua italiana, 7 vol., Bologna, Fratelli Masi, 1819–1826. Bonavilla, Aquilino/Marchi, Marco Aurelio, Dizionario etimologico di tutti i vocaboli usati nelle scienze, arti e mestieri che traggono origine dal greco, 5 vol., Milano, Pirola, 1819–1821. Borroni, Bartolomeo, Novissima gramatica della lingua tedesca ad uso degli Italiani, Milano, Giuseppe Galeazzi, 1788. Borroni, Bartolomeo, Nuovo vocabolario italiano-tedesco e tedesco-italiano ad uso de’principianti, 2 vol., Milano, Giuseppe Galeazzi, 1793–1799. Bossi, Luigi, Spiegazione di alcuni vocaboli geologici, litologici e mineralogici, Milano, Sonzogno, 1817. Brockhaus = Der Brockhaus in Text und Bild, Mannheim, Bibliographisches Institut & Brockhaus, 1998. Bullet, Jean-Baptiste, Mémoires sur la langue celtique, 3 vol., Besançon, Daclin, 1754–1760. Calepino, Ambrogio, Latinae atque adeo etiam graecae linguae Dictionarium, Basel, Petri, 1550. Campe, Joachim Heinrich, Ueber die Reinigung und Bereicherung der Deutschen Sprache. Dritter Versuch, Braunschweig, Schulbuchhandlung, 1794. Campe, Joachim Heinrich, Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke. Ein Ergänzungsband zu Adelung’s Wörterbuche, 2 vol., Braunschweig, Schulbuchhandlung, 1801. Campe, Joachim Heinrich, Wörterbuch der deutschen Sprache, 5 vol., Braunschweig, Schulbuchhandlung, 1807–1811 (Nachdruck mit e. Einf. u. Bibliogr. hrsg. von Helmut Henne, Hildesheim/Zürich/New York, Olms, 1969). Campe, Joachim Heinrich, Wörterbuch zur Erklärung und Verdeutschung der unserer Sprache aufgedrungenen fremden Ausdrücke. Ein Ergänzungsband zu Adelung’s und Campe’s Wörterbüchern. Neue stark vermehrte und durchgängig verbesserte Ausgabe, Braunschweig, Schulbuchhandlung, 1813. Castelli, Nicolò di, La Fontana della Crusca, overo: Dizzionario italiano-tedesco e tedescoitaliano […], Leipzig, Johann Ludwig Gleditsch, 1700. Cesari, Antonio, Vocabolario degli Accademici della Crusca oltre le giunte fatteci finora, cresciuto d’assai migliaja di voci e modi de’ Classici, le più trovate da Veronesi dedicato a Sua Altezza Imperiale il Principe Eugenio Vice-Re d’Italia, 7 vol., Verona, Stamperia Reale, 1806. Cherubini, Francesco, Dizionario portatile italiano-tedesco, Milano, Società Tipografica dei classici italiani, s. a. Cherubini, Francesco, Vocabolario milanese-italiano, 2 vol., Milano, Stamperia reale, 1814. Chiappini, Filippo, Vocabolario Romanesco, Edizione postuma delle schede a cura di Bruno Migliorini, Roma, Casa editrice Leonardo da Vinci, 1933.
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Chirchmair, Mattia, Grammatica della Lingua Todesca […], Firenze, Antonmaria Albizzini, 1688. Coronedi Berti, Carolina, Vocabolario bolognese italiano, 2 vol., Bologna, Stab. tipografico di G. Monti, 1869–1874. Corticelli, Salvadore, Regole ed osservazioni della lingua Toscana a metodo per uso del Seminario di Bologna, Bologna, Della Volpe, 1745. Crusca I = Vocabolario degli Accademici della Crusca con tre indici delle voci, locuzioni, e proverbi latini, e greci, posti per entro l’opera, Venezia, Giovanni Alberti, 1612 (Anastatischer Nachdruck Firenze, Licosa, 1974). Crusca V = Vocacolario degli accademici della Crusca, 5. Ed., 11 vol., Firenze, Tip. Galileiana di M. Cellini, 1863–1923. Crusca Pitteri = Vocabolario degli Accademici della Crusca. Edizione seconda veneta accresciuta di molte voci raccolte dagli autori approvati dalla stessa Accademia, Venezia, Pitteri, 1763. D’Alberti di Villanuova, Francesco, Nouveau dictionnaire françois-italien, composé sur les Dictionnaires de l’Académie de France et de la Crusca, enrichi de tous les termes propres des sciences et des arts. Nuovo dizionario, italiano-francese […], 2 vol., Marseille, Mossy, 1771–1772. D’Alberti di Villanuova, Francesco, Dizionario universale critico enciclopedico della lingua italiana, 6 vol., Lucca, Marescandoli, 1797–1805. D’Alberti di Villanuova, Francesco, Dizionario universale critico enciclopedico della lingua italiana, 6 vol., Milano, L. Cairo, 2 1825. D’Alberti di Villanuova, Francesco, Grande dizionario italiano-francese e francese-italiano […], 2 vol., Milano, Nervetti, 2 1826–1828. Dardano, Maurizio/Trifone, Pietro, Grammatica italiana con nozioni di linguistica, Bologna, Zanichelli, 3 2005. De Bartolomeis, Luigi, Manuale di grammatica tedesca ad uso degli allievi della regia militare accademia, Torino, Stamperia reale, 1834. DEI = Battisti, Carlo/Alessio, Giovanni, Dizionario etimologico italiano, Firenze, Barbèra, 1951–1957. DELI = Cortelazzo, Manlio/Zolli, Paolo, Il nuovo Etimologico. Dizionario Etimologico della Lingua Italiana, Bologna, Zanichelli, 2 1999. Deonomasticon Italicum = Schweickard, Wolfgang, Deonomasticon Italicum. Dizionario storico dei derivati da nomi geografici e da nomi di persona, Tübingen, Niemeyer / Berlin/Boston, de Gruyter, 1997–. DIFIT = Stammerjohann, Harro, et al., Dizionario di italianismi in francese, inglese, tedesco, Firenze, Accademia della Crusca, 2008. DIT = Langenscheidts Handwörterbuch Italienisch (Italienisch-Deutsch, Deutsch-Italienisch) in Zusammenarbeit mit Paravia, herausgegeben von Anton Reiniger, Redaktionsteam unter der Leitung von Fabrizio Cicoira, Berlin et al., Langenscheidt, 1997. Duden = Duden Deutsches Universalwörterbuch, Mannheim, 6 2007. DWB = Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, 16 vol. in 32 Teilbänden, Leipzig, Hirzel, 1854–1961. Eberhard, Johann August, Versuch einer allgemeinen deutschen Synonymik in einem kritischphilosophischen Wörterbuche der sinnverwandten Wörter der hochdeutschen Mundart, 6 vol., Halle/Leipzig, Ruff, 1795–1802 [3. Aufl.: Leipzig, Johann Ambrosius Barth, 1826–1830].
Wörterbücher, Grammatiken und verwandte Werke | 533
Enenkel, Arturo, Nuovo dizionario italiano-tedesco e tedesco-italiano composto sul Vocabolario degli Accademici della Crusca e su’migliori Dizionari tedeschi […]. Neues deutsch-italienisches und italienisch-deutsches Taschenwörterbuch für Literatur, Wissenschaft und Leben, […], Paris, Garnier, 1892. Erberg, Matthias, Il gran dizionario universale e perfetto, diviso in III parti: I. Italiano-FranceseTedesco. II. Francesce-Italiano-Tedesco. III. Tedesco-Francese-Italiano, 3 vol., Nürnberg, Martin Endter, 1710. Fanfani, Pietro, Vocabolario della lingua italiana, 2 vol., Firenze, Le Monnier, 1855. Feller, F. E., Nuovo dizionario portatile italiano-tedesco, tedesco-italiano. Arricchito d’una gran quantità di vocaboli relativi al commercio, alle strade ferrate e ai vapori. Neuestes Taschen-Wörterbuch der italienischen und deutschen Sprache für Reisende und zum Schulgebrauch. […], 2 vol., Leipzig, Teubner, 1851. Feller, F. E., Dizionario italiano-tedesco e tedesco-italiano. Composto sui migliori dizionarii ed arricchito dei termini proprii del commercio e dell’ industria. Handwörterbuch der italienischen und deutschen Sprache. Nach den besten Quellen mit Berücksichtigung der kaufmännischen und technischen Terminologie, Leipzig, Teubner/Wien, Manz, 1855. Fernow, Carl Ludwig, Italienische Sprachlehre für Deutsche, Tübingen, Cotta, 1804. Fernow, Carl Ludwig, Raccolta di autori classici italiani, 12 vol., Jena, Fromman, 1805–1809. Fernow, Carl Ludwig, Römische Studien, 3 vol., Zürich, H. Gessner, 1808. Filippi, Domenico Antonio, Grammatica della lingua alemanna ad uso degl’italiani o sia nuovo metodo d’imparare con facilita l’alemanno, Wien, Camesina, 1803. Filippi, Domenico Antonio, Italienische Sprachlehre oder praktische und theoretische Anweisung zum gründlichen Unterrichte in der italienischen Sprache, Wien, Heubner, 1813. Filippi, Domenico Antonio, Dizionario italiano-tedesco e tedesco-italiano, 4 vol., Wien, Heubner und Volke/Leipzig, Knobloch, 1817. Filippi, Domenico Antonio, Neueste theoretisch-praktische Italienische Sprachlehre für Deutsche. Eilfte gänzlich umgearbeitete und bedeutend vermehrte Originalausgabe von Philipp Zeh, Nürnberg, C. H. Zeh, 11 1829. Filippi, Domenico Antonio, Grammatica della lingua tedesca o sia nuovo metodo per impararla facilmente. Sesta edizione esattamente corretta e migliorata, Milano, Silvestri, 6 1830. Filippi, Domenico Antonio, Grammatica della lingua tedesca ossia nuovo metodo d’imparare con facilità il tedesco diligentemente riveduta […] dal dott. G. B. Bolza, Wien, Volke, 7 1840. Filippi, Domenico Antonio, Grammatica della lingua tedesca ad uso degl’italiani o sia nuovo metodo d’imparare con facilita il tedesco, 15. ed. rifatta nella teoria e riveduta nella parte pratica da Carlo G. G. Fluegel, Wien, Karl Gerold, 15 1872. Fiori, Annibale, Neues praktisches Taschenwörterbuch Italienisch-Deutsch und DeutschItalienisch nach den besten modernen Wörterbüchern bearbeitet, und mit sorgfältiger Accentuierung des Italienischen versehen. Nuovo dizionario tascabile italiano-tedesco e tedesco-italiano […], Zweite Auflage, gänzlich umgearbeitet von Professor G. Cattaneo, Milano, Hoepli/Stuttgart, Neff, s. a. Flathe, Philipp Jacob, Nuovo dizionario italiano-tedesco, e tedesco-italiano, Prima di Nic. di Castelli, ma ora esattamente corretto, ed a detta de’Dizionarj dell’Accademia della Crusca, e del Signor Abate Francesco de Alberti di Villanuova,[…]. Neues Italienisch-Deutsches und Deutsch-Italienisches Wörterbuch vormals von Nic. di Castelli, jetzt aber nach den Werken der Akademie della Crusca, und des Herrn Abtes Francesco de Alberti di Villanuova berichtiget, und über alle bis jetzt in Deutschland erschienene Wörterbücher bereichert.
534 | Bibliographie
Ein zum Lesen und Uebersetzen in beyden Sprachen nützliches und unentbehrliches Werk, 4 vol., Leipzig, Weidmanns Erben und Reich, 1782. Flathe, Philipp Jacob, Nuovo dizionario manuale italiano-tedesco e tedesco-italiano. Secondo i novissimi Vocabolarj dell’Accademia della Crusca, e del Signor Abate Francesco de Alberti di Villanuova. Oder Neues Italiänisch-Deutsches und Deutsch-Italiänisches Wörterbuch. Auf das genaueste berichtiget und ausgearbeitet, 4 vol., Leipzig, Weidmanns Erben und Reich, 1785. Florio, John, Queen Anna’s new World of words, or dictionaire of the Italien and English tongues. Collected, and newly much augmented by John Florio, London, Melch, Bradwood/ William Stansby for Edward Blount and William Barret, 1611 (Critical Edition with an introduction by Hermann W. Haller, Toronto, University of Toronto Press, 2013). Fogolari, Angelo de, Italienisches Konversations- und Taschenwörterbuch. Durch zahlreiche Noten und Zusätze sowie einen kurzen Abriss der italienischen Grammatik erweitert und herausgegeben von Hermann Mondschein. Libro di Conversazione e Dizionario Tascabile tedesco-italiano […], Leipzig, G. Fock, 1886. Frisch, Johann Leonhard, Teutsch-Lateinisches Wörter-Buch, Berlin, Nicolai, 1741 (Nachdruck mit e. Einf. u. Bibliographie, hrsg. von Gerhard Powitz, Hildesheim/Zürich/New York, Olms, 1977). Gagliardo, Giovanni Battista, Vocabolario agronomico italiano, Milano, Agnelli, 1804. Gambsberg, C. F. von, Nuovo dizionario tedesco-italiano ed italiano-tedesco coll’accento segnato per ambe le lingue arricchito di 2000 e più vocaboli relativi all’Industria, al Commercio, alle Ferrovie ecc. Neues deutsch-italienisches und italienisch-deutsches Wörterbuch mit bezeichneter Betonung für beide Sprachen […], Milano, Ferrario, 1876. GDLI = Battaglia, Salvatore, Grande dizionario della lingua italiana, 21 vol. A–Z; Supplimento 2004 u. 2009, Torino, UTET, 1961–2009. Gherardini, Giovanni, Introduzione alla grammatica italiana: per uso della classe seconda delle scuole elementari, Milano, Imperiale Regia Stamperia, 1825. Gherardini, Giovanni, Voci e maniere di dire italiane additate ai futuri vocabolaristi, 3 vol., Milano, G. Bianchi, 1838–1840. Gherardini, Giovanni, Lessigrafía italiana o sia Maniera di scrivere le parole italiane. Proposta da Giovanni Gherardini e messa a confronto con quella insegnata dal Vocabolario della Crusca, Milano, Tip. di G. B. Bianchi di Giacomo, 1843. Gherardini, Giovanni, Appendice alle grammatiche italiane dedicata agli studiosi giovinetti, Milano, Molina, 2 1847. Gherardini, Giovanni, Supplimento ai vocabolari italiani, 6 vol., Milano, Bernardoni, 1852–1857). Gottsched, Johann Christoph, Beobachtungen über den Gebrauch und Missbrauch vieler deutscher Wörter und Redensarten, Leipzig, Johann Amandus Königen, 1758. GRADIT = De Mauro, Tullio, Grande dizionario italiano dell’uso, 8 vol., Torino, UTET, 1999–2007. Grande Sansoni = Macchi, Vladimiro (ed.), Dizionario delle lingue italiana e tedesca, 2 vol., Firenze/Roma, Sansoni, 1970–1972. Grassi, Giuseppe, Dizionario militare italiano, 2 vol., Torino, Pomba, 1817. Grassi, Giuseppe, Saggio intorno ai sinonimi della lingua italiana, Torino, Stamperia reale, 1821 [10. Aufl. Milano, Silvestri, 1827]. Grimm, Jacob, Deutsche Grammatik, 4 vol., Göttingen, Dieterich’sche Buchhandlung, 1822–1837.
Wörterbücher, Grammatiken und verwandte Werke | 535
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Literatur und Forschungsbeiträge
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562 | Bibliographie
10.4 Internetquellen KVK = www.ubka.uni-karlsruhe.de/kvk.html [letzter Zugriff: 15.11.2015]. SBN = www.sbn.it [letzter Zugriff: 15.11.2015]. http://books.google.com [letzter Zugriff: 15.11.2015]. www.goethe-museum.com/register/de/dept_39.html [letzter Zugriff: 15.11.2015]. www.haraldfischerverlag.de/hfv/woerterbuecher.php [letzter Zugriff: 15.11.2015]. www2.lingue.unibo.it/cirsil/ [letzter Zugriff: 15.11.2015].
11 Register 11.1 Sachregister Abkürzungen 44, 161–163, 165, 166, 241, 245, 342, 346, 379, 380, 386, 393–396, 409, 472, 504 Abkürzungsverzeichnis 162–164, 229, 241, 246, 344, 379, 380, 386, 393, 395, 397, 514 Accademia della Crusca 5, 9, 10, 14, 48, 103, 136, 521 Accademia della Crusca, Kritik an der 42–44, 123, 160, 176–179, 204, 206, 266, 278, 283, 521 Adjektive 302, 307, 308, 327, 371, 383, 386, 448 Adresse 292, 297, 299, 317, 318, 320, 325 Adressierung 401 Adverbien 150, 187, 193, 299, 302, 305, 327, 427 Akzente zur Ausspracheangabe 133, 135, 136, 161, 169, 299, 324, 382–385, 390, 504, 506 Alterationsformen 187, 193, 301, 302, 320, 387 Altertumsforschung 36 Altphilologie 22, 36 Amelang-Verlag 81, 110, 139, 159, 166 Analysekorpus 290–294, 522 analytische Sprachen vs. synthetische Sprachen 28, 233, 236, 259 Angabe 161, 299, 313, 380, 394, 398, 402, 513 Anglizismen 184, 365, 366, 370 Anordnung – alphabetische Anordnung 50, 61, 64, 68, 137, 181, 218, 219, 297, 298, 309, 324, 332, 377, 448, 450, 451, 453, 499, 505 – etymologische Anordnung 68, 298, 494 – nach Stammwörtern 63, 64 Anthologien 18, 27, 28, 34, 39, 155, 239, 250, 473 Aphärese 129, 137, 151, 244, 486 Apokope 11, 137, 144, 151, 244, 486
Äquivalente 10, 160, 161, 185, 186, 191, 192, 205, 267, 281, 374, 406, 408, 412, 413, 415, 416, 418, 442, 491, 500, 507, 520, 524, 525 Äquivalentposition 374 Arabismen 367 Archaismen 10, 335, 371–373, 514 Artikel 129–131, 491, 492 Artikelstruktur 196, 381, 382, 418, 519, 520, 523 Aufklärung 1, 49 Augsburg 14, 58 Ausspracheangabe 10, 161, 324, 382–385, 523 Aussprachenorm 132, 133 Autorenexzerpte 42, 43, 68, 175, 179–181, 186, 192, 201, 266, 276–279, 283, 317, 461, 473, 474, 521, 522 Bad Freienwalde 2, 3, 75, 92–94, 526 Bedeutungsanordnung 406, 407, 409–412, 417, 524 Bedeutungsdifferenzierung 122, 125, 373, 379, 380, 394, 400, 402, 424, 443, 479, 482, 513, 516, 519, 524, 526 Benutzerbedürfnisse 4, 160, 263, 289, 372, 481 Benutzungsrichtung 248, 289, 380 Berlin 2, 7, 8, 20–22, 26, 53, 75, 77, 79, 80, 92, 93, 95, 98, 102, 105, 110, 118, 159, 206, 249, 253, 269, 285, 369 Bildungsreise 16 Bologna 14, 31 Botanik 45, 46, 219, 220, 278 Botanik, Termini der siehe Fachtermini Brockhausverlag 167, 169 Buchmarkt 4, 88, 285, 503 Chemie 33, 45, 46, 267, 307, 347 Chemie, Termini der siehe Fachtermini
564 | Register
Collegien 15 – Collegium Carolinum 15 Collegium illustre 15 Commedia dell’Arte 77, 98–100, 187, 193 Danterezeption 26 Defektiva 300, 326 Definitionen 44, 50, 126, 191, 196, 199–201, 204, 206, 218, 219, 223, 267, 280, 287, 363, 370, 405, 409, 413–415, 424, 425, 428–431, 436–438, 459, 473, 519, 520, 524 Der gekrönte Blumenorden 252 Derivation 51, 193, 255, 258, 259, 384, 404, 512 Deutschlandbild 13, 32, 33 Dialekt 31, 58, 117, 136, 176, 237, 284, 493, 502 Dialektismen 9, 49, 177, 284, 297, 335, 356–359 Dialektologie, Beginn der 27, 28, 30, 86, 87, 230 Dialogsammlungen 8, 32, 97, 140, 141, 150, 518 Diasystematische Indizierung 10, 51, 69, 150, 299, 335, 373, 392–402, 513, 524 Diphtonge, Klassifizierung der 135 Disambiguator 406, 412 Eigennamen 165, 228, 242–247, 261, 262, 300, 405, 437, 447, 485, 504, 512 Elision 11, 144, 487 Englisch 18, 21, 23–25, 60, 140, 365, 523 Entstehung des Italienischen 237 enzyklopädische Information 44, 200, 218, 245, 290, 351, 356, 366, 432, 436, 438, 439, 480, 525 Erstbelege – im Vollständigen Wörterbuch 246, 287, 322, 333, 367, 479, 522 – in den Dialoghi 152, 153 – in der Raccolta 197, 209, 210, 363 Etymologie 46–48, 131, 137, 196, 200, 202, 235, 259, 282, 353, 438, 478 Exotismen 184, 191, 370, 393 explanatory equivalent 425, 427, 524
Fachpublikum 210 Fachtermini 5, 9, 43, 44, 68, 70, 167, 177, 180–182, 189, 205, 206, 208, 225, 278, 280, 307, 308, 319, 320, 329, 334–356, 368, 370, 380, 395, 408, 417, 481, 512, 514, 519, 520, 522, 523 – der Botanik 182, 278, 307, 319, 335, 336, 431 – der Chemie 307, 336, 347–356, 397, 424, 523 – der Geschichte 182 – der Medizin 36, 46, 182, 185, 307, 308, 335–337, 340, 341 – der Mineralogie 336, 337, 342 – der Naturwissenschaften 336, 337, 340, 341, 431 – der Physik 182 – der Seefahrt 70, 71, 218, 319, 336, 338 – der Zoologie 182, 319, 336 – des Elektrizismus 345, 346 – des Verlagswesens 182, 194, 342 Fachtermini, Übersetzung von 428–432 Feldforschung 267, 428, 519, 521 Femininform 299, 301, 326, 505 Flexion – Darstellung der Flexion 229, 258, 389, 485 – starke/schwache Flexion 250, 257, 258, 494, 510 Florentinismen 244, 454 Fondaco dei Tedeschi 31, 57 Französisch 15, 17, 18, 21, 23, 24, 32, 33, 35, 46, 47, 56, 60, 107–109, 112, 122, 133, 134, 140, 143, 149, 157, 260, 284, 360, 365, 369, 519, 523 Französismen 122, 184, 190, 284, 360–365, 369, 370 Freie Universität Berlin 3, 74 Freimaurerei 79, 80, 83, 526 Fremdwörter 5, 10, 37, 42, 49, 52, 53, 184, 191, 208, 275, 284, 297, 329, 331–335, 360–371, 384, 393, 404, 405, 520, 522, 523 Fruchtbringende Gesellschaft 48, 252 Gazzetta di Weimar 18 Genua 14, 58 Geosynonyme 85, 186, 192
Sachregister |
Germanisch 28, 249 Germanismen 31, 123, 184, 233 Germanistik, Frühphase der 6, 248–261, 519 Glossare 41, 54, 58, 60, 112, 213 Glosse 374, 394, 406, 415–417, 425, 431–435, 438, 440, 441, 524 Goldene Bulle 15 gorgia fiorentina 85 Gotisch 249 grammaire raisonnée 108, 120, 122 Grammatikangabe 161, 162, 166, 374, 379, 386–391, 506, 507, 523 – Angabe der Genitivendung 69, 70, 165, 260, 281, 389, 390, 501, 513, 516 – Angabe der Pluralendung 68–70, 165, 260, 281, 389, 390, 501, 513, 516 – Angabe der Wortart 161, 166, 386 – Angabe des Genus 68, 161, 162, 165, 386 – Angaben zu den Verben 68, 69, 161, 165, 167, 260, 388–391, 516 – Angaben zur Alteration 386, 387 Grammatikdarstellung 103, 112, 113, 120, 484–488, 501 Grammatiken – Grammatiken des Deutschen 251, 252 – Grammatiken des Deutschen für Italiener 38–40, 248, 253–261, 519 – Grammatiken des Italienischen 103, 104 – Grammatiken des Italienischen für Deutsche 102, 103, 127 – Historisch-vergleichende Grammatik der romanischen Sprachen 25, 28, 29 – Historisch-vergleichende Grammatik des Deutschen 25, 247, 254, 255, 519 Grammatiknorm 6, 127–131, 488–492, 518 Grammatik-Übersetzungsmethode 97, 102, 103, 112, 157, 289, 517 grammatische Wörter 291, 465 Gräzismen 368, 370, 371, 430 Gymnasien, Fremdsprachenunterricht in 21, 22, 37, 102, 112, 254 Gymnasium zum Grauen Kloster Berlin 22, 53, 269, 495 Habsburgermonarchie V, 2, 15, 19, 40, 70, 517, 520 Habsburgerreich 1, 37, 527
565
Halle 15, 16, 65 Handelsschulen, Fremdsprachenunterricht in 112 Herübersetzung 161, 246, 289 Herübersetzungswörterbuch 289 Hinübersetzung 248, 289, 406 Hinübersetzungswörterbuch 289 historisch-vergleichende Linguistik 6, 27, 29, 259 Höhere Bürgerschulen, Fremdsprachenunterricht in 21, 112 Homonyme 299, 306, 328, 329 Idiomatische Wendungen 43, 115, 152, 196, 198, 401, 402, 441, 454 Interjektionen 150, 151, 386 Interpunktion 411, 465, 466 – Auslassungspunkte 151, 195, 480 – Ausrufezeichen 151 – expressive Interpunktion 151, 503 – Kommata 299, 310, 465, 466 italiano comune 5, 85, 123, 177, 238, 239, 357, 520 Jena 15, 18, 65 Joachimsthalsches Gymnasium Berlin 21–23, 80 Kaufmannsausbildung 31, 58 Kavalierstour 15, 16 Keltisch 231, 232, 235 Klassische Philologie 25, 26 Klimatheorie 32 Kollokationen 169, 196, 198, 216, 268, 279, 375, 376, 401, 424, 425, 442–453, 456, 459, 462, 470, 477, 478, 480, 525 Kollokator 138, 160, 376, 416, 442, 443, 445, 447–449, 524 Köln 14, 32, 58 Kommentare 125, 174, 212, 259, 290, 378, 382, 398 Komposita 51, 162, 229, 291, 324–326, 329, 331–333, 384, 500, 501, 505, 512, 522, 525 Komposition 255, 258, 259, 324, 325 Konstruktionsangabe 328, 375, 388, 391 Konversationsbücher 103, 140, 141, 145
566 | Register
Konversion 299, 304–306 Kulturgefälle 7, 13, 56, 69 Kulturgesellschaft 2, 20, 82 Kulturspezifischer Wortschatz 212, 425 kumulative Äquivalenzangabe 161, 513, 515, 516, 524 Landeskunde 146, 147, 518 langue-Ebene vs. parole-Ebene 443, 444, 482 Latein 18, 21, 22, 28, 56, 59–61, 91, 116, 134, 137, 162, 231–236, 240, 471, 523 Latinismen 314, 368, 370, 371, 403, 430 Lavoisiersche Nomenklatur 45, 341, 347, 349 Lehnwörter 50, 366, 384, 435, 437, 527 Lehrwerke – Lehrwerke des Deutschen 38–40, 248, 253–261 – Lehrwerke des Italienischen 7, 8, 13, 16, 23, 77, 96, 97, 102–138, 157, 158, 168, 485, 489, 517 Lektoren, Rolle der 16, 19, 517 Lemmaposition 299, 324, 374, 382, 383 Lemmatisierung 9, 48, 51, 196, 199, 297–311, 324–328, 457, 505 Lexikographiediskussion 2, 5, 73, 81, 174, 175, 205, 210, 263, 267, 356, 380, 520 Lexikographische Beispiele – Autorenbeispiele 9, 193, 198, 204, 301, 375, 378, 417, 458, 459, 461–478, 515, 525 – Beispiele zur Bedeutungsdifferenzierung 411, 423, 424 – Sonstige Beispiele 478–484 lingua cortigiana 176 lingua romana 29, 30, 232, 234–236, 239 lingua toscana in bocca romana 105, 132 Linnésches System 45, 180, 182, 188, 201, 205, 278, 336, 430 Literaturübersetzungen 18, 26, 33–35, 366 Literaturzeitschriften 34, 155, 156, 501 Lombardo-Veneto 19, 36, 37, 39, 70 Mailand 10, 14, 32, 35, 39, 43, 58, 69, 72, 164, 262, 496, 497 Makrostruktur 9, 287, 296ff., 299, 331, 519, 522, 523
Marker 192, 299, 307, 309, 310, 312, 335, 342, 357, 373, 374, 376, 380, 381, 392–402, 411, 412, 416, 421, 432, 433, 454, 457, 477, 509, 513 Markierungsetikett 335, 392, 394–396, 399, 400, 406, 418, 428, 454 Medizin 19, 36, 46, 307, 339 Medizin, Termini der siehe Fachtermini Medizinerausbildung 33, 36, 37 Mehrworteinheiten 195, 299, 306–308, 345, 375–377, 400, 408, 418, 429, 447, 459, 520, 524 Metasprache 121, 244, 246, 289, 313, 378–382, 388, 396, 398, 421, 486 Mikrostruktur 4, 10, 287, 289, 292, 299, 330, 339, 345, 373 ff., 374, 393, 511, 512, 523–525 Mineralogie 33, 46, 68, 336, 342, 429 Mineralogie, Termini der siehe Fachtermini Mittelhochdeutsch 250 Modelldialoge 74, 77, 111, 139–153 Moderne Fremdsprachen – als Unterrichtsfach 15, 21, 22 – als wissenschaftliche Disziplin 22–26 Napoleonische Herrschaft 37, 38, 79 Nennform 258, 299, 378, 456 Neologismen 45, 181, 183, 189, 319, 322, 349, 396, 520, 522, 527 Nominalisierungen 326, 327 Nürnberg 14, 20, 56, 58, 60, 63, 66 Orthoepie 131 Orthographie – Adaption der Orthographie 426, 464, 471 – Orthographische Normierung 311, 330 – Regeln zur Orthographie 106 – Schwankungen in der Orthographie 151, 329, 505 Padua 14, 31, 36, 43 Partizipien 303, 304, 320, 327, 387 Pavia 14, 36 Philosophie 32, 37, 40, 283, 339, 517 Philosophie, Termini der siehe Fachtermini Phraseologie 10, 61, 64, 66, 68, 279, 290, 376, 406, 439–443, 520, 522, 525
Sachregister |
Phraseologismen 5, 197, 198, 204, 210, 216, 280, 292, 373, 376–378, 401, 406, 408, 439–458 Pirotta 164, 170 Polylexikalische Einheiten 194, 197, 198, 306–308, 442 Polysemie 376, 402, 407, 415 Port Royal, Grammatik von 104 Präfixbildungen 292, 384, 385, 390, 404, 501 Präfixe 202, 259, 291, 384 Präpositionen 124, 377, 391, 449 Preußen 2, 20, 21, 33, 40, 83, 285, 342 Preußische Akademie der Wissenschaften 23, 26 Pronomen 121, 483 – cosa/che/che cosa 127, 128, 130, 131, 489, 491 – eglino, elle, elleno 129, 130, 489, 490 – ei 129, 130, 489, 491 – ella, egli 153 – gli, la, le 128–130, 489–491 – gli/le, loro 104, 127, 128, 130, 489, 490 – lui, lei, loro 104, 127–131, 489–491 Provenzalisch 29, 30, 232, 236 Purismus – in Deutschland 50–52, 360–362, 369 – in Italien 43, 45, 104, 128, 206, 208, 357, 360, 364, 368 Quellenangabe 189, 461, 471–474 Questione della Lingua 5, 30, 68, 86, 206, 210, 241 Realschulen, Fremdsprachenunterricht in 21, 112 Redensarten 152, 160, 166, 211, 216, 280, 376, 378, 446, 450, 451, 453–458, 525 Redewendungen 124, 145, 181, 198, 443, 454, 456, 457 Reform des Schulsystems durch Humboldt und Schulz 21 Regensburg 14, 58, 63 Regionalismen 9, 123, 184, 188, 190, 205, 207, 284, 297, 335, 356–359, 395, 442, 520, 522 Reisesprachführer 23, 145 Ritterakademie 15
567
Rom 2, 18, 27, 31, 39, 75, 76, 79, 495 Rom, sprachliche Situation in 123 Romanistik, Frühphase der 2, 6, 7, 16, 22–30, 86, 87, 90–92, 230–241, 517, 518 Romantik 5, 26, 29, 35, 46, 517 Romantizismus 493 Römischer Karneval 98, 100, 101 Royale York zur Freundschaft 79, 80, 269 Sanskrit 28, 249 Scuola siciliana 238 Seefahrt 338 Seefahrt, Termini der siehe Fachtermini segni paragrafematici 11 Società italiana 3, 75, 82–86, 517 Spanisch 17, 23, 60, 77, 168 Sprachbücher 1, 14, 31, 54, 57–60, 69, 139, 140–142, 144, 213 Sprachgebrauch 42, 201, 207, 210, 234, 283, 284, 314, 332, 357, 482, 520, 525 Sprachgeschichte – des Deutschen 248–253 – des Italienischen 230–241 Sprachmeister, Tradition der 6, 15, 16, 58, 60, 61, 63, 65, 66, 97, 102, 112, 115–117, 157, 517, 520 Sprachunterricht 13, 17–23, 37, 56, 76, 77, 102, 103, 265 Sprichwörter 66, 124, 154, 166, 280, 452–458, 525 Stammwortlehre 48, 49, 64 stil(e) famigliare 177, 179, 183, 186, 189, 198, 485, 520 Straßburger Eide 30, 234, 252 Subadresse 304, 306, 390 Sublemma 332, 424, 446 Substantive 256, 257, 300–302, 324–327, 501 Suffixe – -aio vs. -aro 315, 522 Symbole 44, 379, 396, 432, 457 Synkope 137, 486 Synonyme 196, 200, 281, 330, 374, 402–405, 412–414, 422, 500, 524 Syntagmen – adjektivische Syntagmen 196 – adverbiale Syntagmen 449
568 | Register
– nominale Syntagmen 169, 194, 197, 307 – verbale Syntagmen 195, 198, 219 Syntax 22, 103, 111, 112, 255, 280, 381, 445 Tabuisierungen 187 Teiläquivalenz 432–434 Termini technici siehe Fachtermini Teutscher Merkur 18, 27 Textproduktion 258, 288, 314, 392, 406, 408, 427 Textrezeption 288, 447 Textverdichtung 395, 396, 443, 470 Tipografia di Commercio 496 Toskanisch 5, 68, 85, 105, 123, 153, 176, 191, 206, 207, 520, 521 Tramater-Verlag 44 translational equivalent 425, 427 Tre Corone 14, 103, 461, 471, 518 Triest 19, 70 Übersetzer 34, 36, 84, 138, 156, 210, 243 Übersetzung, Problembereiche der – Fehlende Äquivalenz 434–439 – Übersersetzung von Fachtermini 430–432 – Übersetzung von kulturspezifischem Wortschatz 434–439 – Übersetzung von Phraseologie 439–441 Übersetzungsäquivalente siehe Äquivalente Übungstypen in Lehrbüchern 113–115, 119, 120, 134, 157 Ulm 14, 58 Universität Berlin 7, 20, 22, 23, 25, 90–92, 230, 269 Universität Wien 20 Urania zur Unsterblichkeit 80 uso 5, 131, 140, 186, 188, 189, 192, 204, 206, 207, 232, 283, 447 Varianten – im Vollständigen Wörterbuch 191, 243, 244, 308–317, 331, 441, 522 – in den Dialoghi 223 – in der Raccolta 186, 192 Venedig 14, 31, 39, 54, 58, 59, 65, 68, 69, 72 Verben 121, 122, 165, 168, 169, 229, 257, 258, 302–304, 327, 375, 387–391, 409, 485, 489, 501
Verlag Cosmar und Krause 118 Verlag Johann Ambrosius Barth 81, 87, 118, 131, 166, 174, 225, 251 Verlag Silvestri 34 Verlagsvertrag 118, 263, 264, 285, 286, 496 Verweise 301, 304, 310, 312–315, 329–331, 372, 380, 386, 387, 456 Vocabolario della Crusca 42, 47, 48, 56, 62, 63, 67, 68, 136, 159, 160, 174, 177, 203, 274, 278, 319, 403, 431, 461, 472–474, 519 Völkerwanderung 233, 235, 236 Vorlesungsverzeichnis der Berliner Universität 22–24, 90, 91 Vorwort 6, 9, 49, 53, 55, 64, 160, 168, 242, 262, 270, 279–281, 284, 521 Weimar 17, 18 Widmung 105, 110, 230, 248, 264, 289 Wien 14, 15, 36, 39, 50, 51, 68–70, 72, 273, 509 Wiener Kongress 19 Wissenschaftssprache, Deutsch als 283 Wissenschaftssprache, Termini der 179, 194, siehe auch Fachtermini Wortbildung 255, 256, 258–260, 324–326, 378, 384, 501 Wörterbuchaußentexte 229 Wörterbuchbenutzung – aktive 289, 314, 315, 398 – passive 248, 258, 289, 392, 415, 439 Wörterbücher – deutsch-französische Wörterbücher 48, 51, 60, 61, 69 – deutsch-italienische Wörterbücher 54–73, 271, 273, 274 – Dialektwörterbücher 46, 271, 273, 357 – einsprachige Wörterbücher des Deutschen 48–54, 272, 275 – einsprachige Wörterbücher des Italienischen 42–48, 180, 181, 214, 272, 274, 275, 403, 461 – Etymologische Wörterbücher 46, 47 – italienisch-französische Wörterbücher 42, 54, 61–63, 67, 68, 191, 203, 512 – Lernerwörterbuch 82, 211–224
Sachregister |
– mehrsprachige Wörterbücher 54, 56, 60–63, 519 – onomasiologische Wörterbücher 58, 211–224 – Spezialwörterbücher des Deutschen 53 – Spezialwörterbücher des Italienischen 45, 46, 272, 276, 335, 345, 522 – Stammwörterbücher 48 – Synonymwörterbücher des Deutschen 53, 276 – Synonymwörterbücher des Italienischen 47, 48, 276
569
– Taschenwörterbücher 2, 51, 65, 72, 73, 81, 159–174, 510–512 Wörterbuchfunktion 287–289, 290, 398, 447 Wörterbuchgrammatik 229, 247, 253–261, 486, 510, 518, 523 Wörterbuchkritik 10, 288 Zeichensetzung siehe Interpunktion Zielgruppe 97, 100, 106, 112, 128, 134, 136, 143, 144, 148, 158, 217, 326, 334, 398, 508 Zielpublikum 69, 114, 138, 143, 144, 513
570 | Register
11.2 Personenregister Acarisio, Alberto 461 Adam von Rottweil 59, 213 Adelung, Johann Christoph 49–51, 56, 57, 67, 97, 126, 159, 201, 206, 250, 252, 254, 268, 270, 272, 275, 287 ff., 325, 326, 519, 522, 524 Adriani, Giovan Battista 240 Affò, Ireneo 199–201, 203, 204, 211, 231, 271, 272, 276 Alamanni, Luigi 277 Albrecht von Preußen 77, 118 Alfieri, Vittorio 113, 115, 120, 180, 186, 193, 201, 204, 266, 276, 277, 322, 472, 474, 518, 522 Alighieri, Dante siehe Dante Altenstein, Karl Sigmund Franz von dem 24 Alunno, Francesco 214, 461 Ambrosoli, Francesco 104 Anguselli, Biaggio siehe Castelli, Nicolò di Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach 17 Antonini, Annibale 62, 63 Argenti, Luigi F. A. 39, 254 Ariosto, Ludovico 14, 16, 136, 244, 471–473 Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach 77 Azzocchi, Tommaso A. 357, 358, 361, 466 Bachenschwanz, Leberecht 26 Baretti, Giuseppe 113, 277 Barth, Wilhelm Ambrosius 81, 131, 164, 166, 167, 202, 263, 264, 269, 274, 281, 282, 285, 286 Bartoli, Daniello 175 Bazzarini, Antonio 43, 272 Beccaria, Cesare 78 Belli, Giuseppe Gioachino 123, 357, 359 Bembo, Pietro 176, 240, 461 Benecke, Georg Friedrich 253 Bentivoglio, Cornelio 107, 113, 120, 126, 179, 244, 266, 276, 277 Benvoglienti, Uberto 29 Beretti, Carlo 72 Bergantini, Gian Pietro 43 Bernardoni, Giovanni 45, 205, 365
Bertola, Aurelio de’ Giorgi 34, 250 Binder, Martin 39 Biondelli, Bernardino 30 Boccaccio, Giovanni 107, 108, 118, 176, 240, 471, 473, 515 Bödiker, Johannes 49 Boerio, Giuseppe 203, 271, 273, 357, 363 Bolza, Giovan Battista 70, 509 Bonavilla, Aquilino 46, 47, 272 Bopp, Franz 25, 28, 29, 249 Borghini, Vincenzo 240 Borroni, Bartolomeo 39, 69, 242, 389 Bossi, Luigi 46 Brandes, August 159 Breme, Ludovico di 236 Bulle, Oskar 513–516, 526, 527 Bullet, Jean-Baptiste 231, 235 Calepino, Ambrogio 60, 177 Campe, Joachim Heinrich 49–52, 203, 268, 272, 275, 287ff., 325, 331, 501, 519, 522 Cardinali, Francesco 43, 270 Carli, Gian Rinaldo 278, 279 Caro, Annibale 155, 179, 189, 204, 266, 276, 277 Carrer, Luigi 43 Castelli, Nicolò di 16, 55, 56, 65–67 Casti, Giovan Battista 113, 180, 186, 189, 193, 197, 204, 207, 266, 276, 277, 471, 472 Castiglione, Baldassarre 14 Castiglioni, Carlo Ottavio 29 Cattaneo, Carlo 29, 30, 147, 156 Cellini, Benvenuto 473, 474 Cesaotti, Melchiorre 136, 238 Cesari, Antonio 43, 71, 178, 204, 271, 274, 277, 319, 519 Cherubini, Francesco 28, 30, 46, 72, 87, 88, 203, 267, 271, 273, 357 Chiabrera, Gabriello 136, 155 Chiappini, Filippo 150 Chiari, Pietro 107 Chirchmair, Mattia 32 Citolini, Alessandro 214, 461 Cittadini, Celso 232
Personenregister |
Claude, G. 83 Cocchi, Antonio 42, 278 Corticelli, Salvatore 103, 466 Costa, Paolo 43, 270 Crescimbeni, Giovan Mario 239, 240 Croce, Benedetto 2, 65 Cusani Confalonieri, Francesco 88 D’Alberti di Villanuova, Francesco 42, 43, 46, 57, 67, 180, 192, 200, 203, 214, 267, 270, 272–275, 347, 365, 396, 413, 464, 519, 521 Da Ponte, Lorenzo 15 Da Porto, Luigi 155 Dandolo, Vincenzo 347 Danet, Pierre 237 Dante 17, 23–27, 84, 91, 107, 136, 176, 231, 238, 239, 240, 470–473, 495, 515, 517 De Bartolomeis, Luigi 39 De’ Medici, Lorenzo 155, 240 De’Marchi, Francesco 278, 279 Della Casa, Giovanni 14, 500 Denina, Carlo 23, 26, 30, 33, 177, 238, 244 Diez, Friedrich Christian 22, 25, 26, 28, 29, 47, 58, 81, 233 Diodati, Domenico 134 Docen, B. J. 253 Du Cange, Charles du Fresne 29 Eberhard, Johann August 53, 122, 273, 276, 281, 404 Eichhorn, Friedrich 90 Enenkel, Arturo 510 Erberg, Matthias 56, 66 Fabbrucci, Fabio 20, 23, 24, 102 Fanfani, Pietro 5, 202, 512, 513 Fauchet, Claude 29 Favorinus 176 Federici, Fortunato 43 Feller, F. E. 510–512 Ferdinand III. 178 Fernow, Carl Ludwig 18, 27, 28, 30, 87, 88, 102, 103, 111, 118, 132, 133, 155, 517 Filangieri, Gaetano 278, 279 Filicaja, Vincenzo da 155
571
Filippi, Domenico Antonio 20, 38–40, 70, 71, 102, 111, 116, 118, 126, 132, 133, 141, 155, 242, 254 ff., 271, 273, 274, 287ff., 493, 501, 520, 522 Fiori, Annibale 510 Flathe, Philipp Jacob 55, 67, 68, 242, 284 Florio, John 62 Fogolari, Angelo de 510 Fontane, Theodor 2, 79, 93 Fontanini, Giusto 29, 30 Förster, Karl 211, 243, 250, 254, 260, 283, 493–495 Foscolo, Ugo 34, 113, 115, 120, 180, 186, 193, 204, 277, 518, 522 Franceson, Karl Friedrich 23, 90, 102 Franscini, Stefano 156 Franz II. 19 Franz von Assisi 239 Friedrich II. von Preußen 26, 33 Friedrich von Preußen 77, 98 Frisch, Johann Leonhard 23, 49, 334 Fusi, Francesco 88, 90, 498, 503 Gagliardo, Giovanni Battista 46, 358 Galeani Napione di Cocconato, Gian Francesco 176, 205 Galiani, Ferdinando 278, 279 Galilei, Galileo 278 Galvani, Giovanni 240 Gambsberg, C. F. von 510 Garzoni, Tommaso 214, 461 Gatti, G. M. 511, 513 Genlis, Madame de 141 Georg von Nürnberg 58, 59, 140, 213 Geßner, Salomon 34, 35 Gherardini, Giovanni 35, 44, 45, 87, 88, 90, 101, 104, 136, 144, 151, 174, 177, 181, 202, 205, 267, 283, 371, 466 Ginguené, Pierre Louis 231, 235 Giraldi Cinzio, G. B. 155 Girard, Gabriel 47, 48, 53 Goethe, Johann Caspar 16 Goethe, Johann Wolfgang von 2, 17, 20, 26, 34, 35, 100, 101, 251, 283, 517, 518 Goldoni, Carlo 6, 98, 100, 113, 115, 179, 193, 204, 277, 363, 454, 455, 471–474, 518, 522
572 | Register
Gottsched, Johann Christoph 49, 53, 252 Gozzi, Carlo 98, 100, 113, 277, 518 Gozzi, Gasparo 126 Graff, Eberhard Gottlieb 253 Grassi, Giuseppe 44, 46–48, 273, 276, 281, 404, 471–474, 478 Gravina, Gian Vincenzo 238 Grimm, Jacob 6, 9, 25, 29, 86, 208, 231, 249, 250, 252–259, 494, 510, 518, 519 Gröber, Gustav 495 Grünwald, Vittorio 511, 513 Guarini, Giovan Battista 113 Guicciardini, Francesco 240 Güntzel, Johann 63 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 26, 36 Heinse, Gottlieb Heinrich 52 Heinsius, Theodor 53, 268, 272, 275, 501 Herder, Johann Gottfried 26, 251 Heucke, Johann Joachim 51, 69, 70, 242 Heyne, Moritz 418, 514 Heyse, Johann Christian 52 Hoffmann, E. Th. A. 253 Huber, Victor Aimé 25, 92 Hulsius, Levinus 48, 56, 60, 61 Humboldt, Wilhelm von 21, 28, 102 Ideler, Christian Ludwig 22, 118, 474 Ideler, Julius Ludwig 25 Jablonski, Daniel Ernst 49 Jacobs, Christian Friedrich Wilhelm 115 Jagemann, Christian Joseph 1, 17, 18, 33, 34, 38, 51, 67–70, 102, 118, 155, 159, 230, 270, 271, 273, 287 ff., 493, 520 Jäger, Wolfgang 66 Johann von Sachsen 26 Jones, Sir William 28 Joseph II. 37 Kant, Immanuel 37 Kappherr, G. Heinrich 70 Kirsch, Adam Friedrich 65 Klopstock, Friedrich Gottlieb 34 Koberstein, Karl August 253 Köhler, Friedrich 510 Kolb, Susanne 334, 425
Kopisch, August 83, 84 Kramer, Matthias 1, 32, 48, 55, 63–65, 66 Lachmann, Karl 2, 6, 25, 79, 86, 90–92, 230, 237, 250, 253, 494 Lafontaine, August 35 Lami, Giovanni 177 Lanzinger, Franz 164, 165, 170 Lavoisier, Antoine Laurent de 45, 341, 347 Leibniz, Johann Gottfried 33, 49 Leonardo da Vinci 240, 461 Lessing, Gotthold Ephraim 34, 251 Leys, Franz Jacob 66 Liberatore, Raffaele 44 Liburnio, Niccolò 461 Linné, Carl von 45, 180, 182, 188, 201, 205, 278, 336, 430 Lonchamps, Giovanni Alessandro 32 Luna, Fabricio 461 Macchi, Vladimiro 516 Machiavelli, Niccolò 14, 240 Maffei, Andrea 34 Maffei, Giuseppe 239, 240 Maffei, Scipione 29, 30 Magalotti, Lorenzo 179, 204, 277, 278, 358, 362 Mahn, Carl August Friedrich 495 Manuzzi, Giuseppe 44 Manzoni, Alessandro 20, 34, 87, 127, 267, 277, 447, 518 Marchi, Marco 46, 47, 272, 347 Maria Theresia 19 Marie von Sachsen-Weimar-Eisenach 77 Marino, Giovan Battista 16 Marmalle, Johann Georg 80 Martelli, Pier 155 Martini, Giovan Battista 278, 279 Maschka, Giuseppe 510 Mazzini, Giuseppe 34 Meidinger, Johann Valentin 102 Meinhard, Johann Nicolaus 26 Meli, Giovanni 136 Menzel, Adolph von 2, 93 Menzini, Benedetto 156 Messerschmid, Georg Friedrich 63
Personenregister
Metastasio, Pietro 15, 16, 107, 113, 134, 136, 518 Meuron, Graf von 77, 105 Meyerbeer, Giacomo 84 Michaelis, Henriette 510–513 Minerbi, Lucilio 461 Mittermaier, C. J. A. 20 Molza, Maria 155 Monti, Vincenzo 30, 34, 43, 44, 117, 120, 174, 179, 205, 266, 270, 273, 274, 276, 277, 283, 323, 519 Montucci, Antonio 20, 23, 142, 150, 180, 205, 363 Moritz, Karl Philipp 102, 108, 517 Möser, Justus 78 Mosqua, Friedrich Wilhelm 52 Muratori, Ludovico Antonio 29, 33, 47, 231–234, 238, 518 Muzzi, Luigi 43 Neri, Pompeo 278, 279 Nervetti, Luigi 262, 324, 496–507, 521 Nesi, Lorenzo 272 Oberosler, Giuseppe 511, 513 Opitz, Martin 251 Orioli, Francesco 43 Oudin, Antoine 56, 62, 65 Pagnini del Ventura, Giovanni Francesco 278, 279 Papacino d’Antoni, Alessandro 278, 279 Paruta, Paolo 240 Passalacqua, Giuseppe 83 Paul, Hermann 514 Pelloutier, Simon 231, 235 Pergamini, Giacomo 66, 461 Perticari, Giulio 6, 30, 44, 117, 176, 231, 235–240, 518 Petrarca, Francesco 14, 16, 107, 113, 126, 136, 176, 240, 277, 471, 473, 493 Pichler, Caroline 35 Pico della Mirandola 240 Pignotti, Lorenzo 113, 277 Pindemonte, Ippolito 113, 115, 266, 276, 277 Pirotta, Francesco 164 Pirotta, Giovanni 164
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573
Politi, Adriano 62 Poliziano, Angiolo 155, 240 Porta, Carlo 502 Pulci, Luigi 240, 461 Puoti, Basilio 104, 466 Rädlein, Johann 56, 66 Raumer, Friedrich von 90, 92 Ravelli, Francesco Martino 61 Raynouard, François 6, 9, 24, 28–30, 231, 233–237, 494, 518 Redi, Francesco 278, 473 Reich, Karl Heinrich 67, 72 Reinwald, Henriette 78 Resnati, Giovanni 88, 272, 497, 498, 503 Ribbeck, August Ferdinand 22, 495 Riccardo, Carlo 510 Richter, Jean Paul 251 Rigutini, Giuseppe 1, 5, 10, 512–516, 526 Romani, Clemente 67 Romani, Giovanni 47, 48, 203, 273, 276, 281, 404 Rosa, Salvatore 30 Rossi, Quirico 179, 277 Roth, Johann Friedrich 52 Rubini, Giovanni Battista 84 Rucellai, Giovanni 180, 277 Sacchetti, Franco 107, 434, 473 Salvini, Anton Maria 126, 277, 473 Sanders, Daniel 513, 514 Sannazzaro, Iacopo 180, 277 Sauer, Carl Marquard 141, 168 Savigny, Friedrich Carl von 79, 230, 231 Scalvini, Giovita 34 Schade, Karl Benjamin 69 Schiller, Friedrich 35, 125, 251, 283, 517 Schinkel, Karl Friedrich 76, 79, 83 Schlegel, August Wilhelm 6, 9, 24, 26, 28, 29, 35, 231, 233, 234, 236, 237, 249, 518 Schlegel, Friedrich 26, 28, 249 Schmeller, Johann Andreas 59, 253 Schmid, Christoph von 35 Schmidt, Valentin 24 Schnakenburg, Johann Ferdinand 22, 83–85, 95, 268, 269 Schönberger, Franz Xaver 50
574 | Register
Schottelius, Justus Georg 48, 64 Schulz, Johann Michael Friedrich 21 Schwan, Christian Friedrich 48, 51, 60, 61, 69 Scòpoli, Giovanni Antonio 278, 279 Seymour, C. A. E. 23, 90 Shadow, Johann Gottfried 79 Soave, Francesco 103, 466 Soltau, D. W. 50 Spallanzani, Lazzaro 278, 279 Springer, Robert 94 Staël, Madame de 35 Stage, Caroline 78 Steinbach, Christoph Ernst 48 Stella, Antonio Fortunato 497 Stieler, Kaspar 48, 64, 251, 324 Stöckhardt, Gerhard Heinrich Jakob 72 Stosch, Samuel Johann Ernst 53 Stratico, Simone 46, 276, 338
Vahl, F. 268, 269 Valentini, Dominico 75 Valentini, Franz Lorenz Friedrich 78 Valentini, Philipp Johann Joseph 78 Valentini, Vincenzo 75 Vallisnieri, Antonio 42, 278 Vanzon, C. A. 466 Varchi, Benedetto 240 Vasari, Giorgio 240 Veneroni, Giovanni 55, 56, 62, 63, 65, 102, 107, 116, 144, 157 Verri, Alessandro 113, 115, 277 Vigneron, Jean siehe Veneroni, Giovanni Villani, Giovanni 107, 176, 244, 465 Viviani, Vincenzo 278 Vogtberg, Johann 70–72, 338 Voigt, Christian Friedrich Traugott 53 von der Hagen, Friedrich Heinrich 25, 251, 253
Targioni Tozzetti, Ottaviano 42, 46, 178, 429 Tasso, Torquato 14, 16, 24, 107, 113, 120, 136, 155, 204, 277, 471–474, 493 Tieck, Friedrich 83 Tiraboschi, Gerolamo 177, 240 Toelken, Ernst Heinrich 25, 90, 91 Tolomei, Claudio 126, 277 Tommaseo, Niccolò 47, 202, 512 Trendelenburg, Friedrich Adolf 90 Treves, Wilhelm 164, 165 Trìssino, Giangiorgio 238, 239
Wackernagel, Wilhelm 253 Weber, Ferdinand Adolf 511–513 Wieland, Christoph Martin 18, 34, 251 Wilhelm I. 77, 78, 86 Willemer, Marianne von 101 Witte, Karl 26 Witzleben, Job von 78 Wolf, August Friedrich 79, 111
Uhden, Wilhelm 25
Zanotti, Francesco Maria 113, 116, 176, 179, 277 Zeh, Philipp 72, 132 Zschokke, Heinrich 156