Design als Wissenskultur: Interferenzen zwischen Design- und Wissensdiskursen seit 1960 [1. Aufl.] 9783839415887

Design gilt zunehmend als autonome Wissenskultur. Diese Sichtweise folgt einerseits epistemologischen Prämissen, anderer

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German Pages 450 Year 2014

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Table of contents :
Inhalt
Einleitung
1. Designforschung im historischen Kontext
a. Etymologie und Geschichte von Design und Designforschung
Geschichte der Designmethodologie in den 1960er Jahren
Institutionalisierung von Designforschung an Kunsthochschulen
Fragen der Sprachregelung: Designforschung, Designwissenschaft oder Designgeschichte?
b. Forschungsstand
2. Designauffassungen vom Einheitskunstwerk zum Reflective Practitioner
a. Erweiterte Designauffassungen
Walter Gropius – Kunst und Technik eine Einheit
László Moholy-Nagy – Design ist eine Haltung
HfG Ulm – Von der Kaffeetasse bis zur Wohnsiedlung
Lucius Burckhardt – Design ist unsichtbar
Gui Bonsiepe – Design als Interface
b. Design als Problemlösungs- und Planungshandeln
Herbert Simon – Die Wissenschaften vom Künstlichen
Horst Rittel – Bösartige Probleme in Entwurfsprozessen
c. Design als reflektierte Praxis
Hubert und Stuart Dreyfus – Vom Novizen zum Experten
Donald Schön – The Reflective Practitioner
d. Resümee
3. Vom Wissen im Design und seinen diskursiven Leitmotiven
a. Die Semantik von ›Designwissen‹
Zu den Begriffen ›designerly ways of knowing‹ und ›design knowledge‹
Zum Begriff ›design thinking‹
b. Synthese: Design als verbindende Instanz und ›dritte Kultur‹
Das Motiv einer Synthese von Wissenschaft, Kunst und Technik
Das Motiv einer Synthese von Gegenwart und Zukunft
Zum Konzept von Design als ›dritte Kultur‹ und zur Vision eines ganzheitlichen Wissens
c. Innovation: ›Neuerung‹ und ›Veränderung‹ als ambivalente Fortschrittsmotive
Relation von wirtschaftlicher Innovation und Designforschung
Ambivalente Haltung gegenüber dem ›Neuen‹
Zum ›Neuen‹ als relationales Konzept
Diskursive Verortung von ›Innovation‹ zwischen ›absoluter Neuerung‹ und ›planvoller Veränderung‹
d. Zum Motiv eines ›impliziten Wissens‹ in Designpraxis und -forschung
Von rationalen Entwurfsanalysen zum ›impliziten Wissen‹
Zur Verwendung des Konzepts ›implizites Wissen‹ in der praxisbasierten Designforschung
Überlagerung von implizitem Wissen und Habitualisierung
e. Resümee
4. Interferenzen und Grenzziehungen zwischen Design, Kunst und Wissenschaft
a. Vom Verlust wissenschaftlicher Leiterzählungen und einem neuen Modus der Wissenserzeugung
Zur ›Kondition‹ von postmodernen und poststrukturalistischen Wissenskonzepten
Zum Konzept der Modus 2-Wissensproduktion
b. Zur historischen Trennung von Kunst und Wissenschaft und der Neubestimmung ihrer Interferenzen
Bemerkungen zum historischen Verhältnis von Kunst und Wissenschaft
Skizze gegenwärtiger Untersuchungen zu Interdependenzen zwischen Kunst und Wissenschaft
c. Soziogenetische Abgrenzung und Aufwertung von Design gegenüber Wissenschaft und Kunst
Designforschung und wissenschaftliche Demarkation
Die Rede von ›Design als Forschung‹ – ein neuer Paragone zwischen Design, Kunst und Wissenschaft?
Abschließende Überlegungen zur praxisbasierten Forschung in Kunst und Design
d. Resümee
Design als Wissenskultur – ein Ausblick
Danksagung
Bibliographie
Abbildungsverzeichnis
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Design als Wissenskultur: Interferenzen zwischen Design- und Wissensdiskursen seit 1960 [1. Aufl.]
 9783839415887

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Claudia Mareis Design als Wissenskultur

Studien | zur | visuellen | Kultur Herausgegeben von Sigrid Schade und Silke Wenk | Band 16

Claudia Mareis (Dr. phil.) ist Forschungsdozentin für Designtheorie an der Hochschule der Künste Bern. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Gestaltungs- und Designtheorien im 20. Jh. mit besonderer Berücksichtigung epistemologischer und methodologischer Aspekte. Weitere Schwerpunkte sind die Geschichte und Pragmatik von Ideenfindungs- und Kreativitätstechniken sowie zeitgenössisches Grafikdesign und Illustration.

Claudia Mareis

Design als Wissenskultur Interferenzen zwischen Design- und Wissensdiskursen seit 1960

Erstellt und publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, des Max Planck Instituts für Wissenschaftsgeschichte Berlin und des Institute for Cultural Studies in the Arts, Zürcher Hochschule der Künste.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2011 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Claudia Mareis Umschlagabbildung: Morphologische Matrix. Urheber: Norris, Ken W.: The Morphological Approach to Engineering Design. In: Jones, John Christopher; Thornley, Denis G. (Hg.): Conference on Design Methods. New York. 1963, S. 137, Fig. 27. Lektorat & Satz: Claudia Mareis Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1588-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Einleitung

9

1. Designforschung im historischen Kontext

23

a. Etymologie und Geschichte von Design und Designforschung Geschichte der Designmethodologie in den 1960er Jahren Institutionalisierung von Designforschung an Kunsthochschulen Fragen der Sprachregelung: Designforschung, Designwissenschaft oder Designgeschichte? b. Forschungsstand

24 34 54 69 79

2. Designauf fassungen vom Einheitskunstwerk zum Reflective Practitioner

87

a. Erweiterte Designauffassungen Walter Gropius – Kunst und Technik eine Einheit László Moholy-Nagy – Design ist eine Haltung HfG Ulm – Von der Kaffeetasse bis zur Wohnsiedlung Lucius Burckhardt – Design ist unsichtbar Gui Bonsiepe – Design als Interface b. Design als Problemlösungs- und Planungshandeln Herbert Simon – Die Wissenschaften vom Künstlichen Horst Rittel – Bösartige Probleme in Entwurfsprozessen c. Design als reflektierte Praxis Hubert und Stuart Dreyfus – Vom Novizen zum Experten Donald Schön – The Reflective Practitioner d. Resümee

89 90 99 109 114 119 130 131 140 151 154 162 171

3. Vom Wissen im Design und seinen diskursiven Leitmotiven

175

a. Die Semantik von ›Designwissen‹ Zu den Begriffen ›designerly ways of knowing‹ und ›design knowledge‹ Zum Begriff ›design thinking‹

177 178 186

b. Synthese: Design als verbindende Instanz und ›dritte Kultur‹ Das Motiv einer Synthese von Wissenschaft, Kunst und Technik Das Motiv einer Synthese von Gegenwart und Zukunft Zum Konzept von Design als ›dritte Kultur‹ und zur Vision eines ganzheitlichen Wissens c. Innovation: ›Neuerung‹ und ›Veränderung‹ als ambivalente Fortschrittsmotive Relation von wirtschaftlicher Innovation und Designforschung Ambivalente Haltung gegenüber dem ›Neuen‹ Zum ›Neuen‹ als relationales Konzept Diskursive Verortung von ›Innovation‹ zwischen ›absoluter Neuerung‹ und ›planvoller Veränderung‹ d. Zum Motiv eines ›impliziten Wissens‹ in Designpraxis und -forschung Von rationalen Entwurfsanalysen zum ›impliziten Wissen‹ Zur Verwendung des Konzepts ›implizites Wissen‹ in der praxisbasierten Designforschung Überlagerung von implizitem Wissen und Habitualisierung e. Resümee

4. Interferenzen und Grenzziehungen zwischen Design, Kunst und Wissenschaf t a. Vom Verlust wissenschaftlicher Leiterzählungen und einem neuen Modus der Wissenserzeugung Zur ›Kondition‹ von postmodernen und poststrukturalistischen Wissenskonzepten Zum Konzept der Modus 2-Wissensproduktion b. Zur historischen Trennung von Kunst und Wissenschaft und der Neubestimmung ihrer Interferenzen Bemerkungen zum historischen Verhältnis von Kunst und Wissenschaft Skizze gegenwärtiger Untersuchungen zu Interdependenzen zwischen Kunst und Wissenschaft c. Soziogenetische Abgrenzung und Aufwertung von Design gegenüber Wissenschaft und Kunst Designforschung und wissenschaftliche Demarkation Die Rede von ›Design als Forschung‹ – ein neuer Paragone zwischen Design, Kunst und Wissenschaft? Abschließende Überlegungen zur praxisbasierten Forschung in Kunst und Design d. Resümee

191 193 205 208 222 223 228 231 233 247 252 256 264 277

285 287 290 303 314 320 331 349 350 364 373 378

Design als Wissenskultur – ein Ausblick

389

Danksagung Bibliographie Abbildungsverzeichnis

401 403 445

Creativity is our great need, but criticism, self-criticism is the way to its release. John Dewey. Art as Experience. 1934

Einleitung

Im Design erlebt das Sprechen über das Epistemische derzeit eine Hochkonjunktur. ›Wissen‹ und ›Forschung‹ werden als ebenso zeitgemäße wie zukunftsträchtige Schlüsselkonzepte für das Design gehandelt. Zahlreiche Texte und Studien widmen sich der epistemologischen und methodologischen Erschließung des Feldes.1 Als Hintergrund dieser Debatten wird ein historischer Wandel konstatiert, wonach sich das Design seit seinen Anfängen, Mitte des 19. Jahrhunderts, von einer gewerblichen Aktivität, die eng mit dem Aufkommen der industriellen Warenproduktion und der massenmedialen Kommunikation verbunden war, zunächst zu einem spezifischen Berufsbild mit typischen Praktiken und Denkweisen ausdifferenziert hat und sich nun als eigenständiges Feld, als autonome Disziplin zu etablieren versucht.2 Die Bedeutung von Wissen wird in diesem Wandel als eine neuralgische postuliert: Knowledge plays a vital role in our life in that it reflects how we understand the world around us and thus determines how we act upon it. In this sense, knowledge is of particular importance for designers because they act to shape our world.3 1.

2. 3.

So etwa: Jonas, Wolfgang; Romero-Tejedor, Felicidad (Hg.): Positionen zur Designwissenschaft. Kassel, 2010. Mareis, Claudia; Joost, Gesche; Kimpel Kora (Hg.): Entwerfen – Wissen– Produzieren. Designforschung im Anwendungskontext. Bielefeld, 2010. Vgl. dazu auch die ausführliche Darstellung zum Forschungsstand im 1. Kapitel des vorliegenden Buches. Buchanan, Richard: Education and Professional Practice in Design. In: Design Issues. Vol. 14, Nr. 2. 1998, S. 63–66. Niedderer, Kristina: Mapping the Meaning of Knowledge in Design Research. In: Design Research Quarterly. Design Research Society. Vol. 2, Nr. 2. 2007. S. 1–13, hier S. 1.

9

Design al s Wissenskultur

Mithin wird die Forderung laut, die »postindustrielle Gesellschaft« benötige einen neuen »Designertyp«: den »denkenden Designer«. 4 Doch das Postulat von Design als ›epistemischer Praxis‹ oder ›Wissenskultur‹ folgt, wie ich in diesem Buch zeigen werde, nicht allein einer erkenntnistheoretischen Neugier, sondern wird auch durch strategische Interessen hinsichtlich der disziplinären Autonomie des Feldes befördert. Anders formuliert, werden Designpraktiken und -objekte nicht einzig unter dem Gesichtspunkt eines Erkenntnisgewinns befragt, vielmehr werden in dieser Befragung auch die konventionellen Grenzen zwischen den sozialen Feldern (oder Systemen) Design, Wissenschaft, Technik und Kunst neu ausgehandelt und verstetigt. Zum einen geht es darum, Design als autonome akademische Disziplin zu konturieren, zum andern wurde Design in den letzten Jahrzehnten in einem sehr grundlegenden Sinne als neue Basis der Allgemeinbildung in Aussicht gestellt: als ›Synthese‹-Disziplin, die Kunst und Wissenschaft zu vereinen vermag – und womöglich als »dritte Wissenskultur«5 sogar über sie hinauswachsen könnte.6 Von Seiten der Geistes- und Kulturwissenschaften wird solch ein erweiterter Designbegriff neuerdings aufgenommen und im Sinne eines design turn (Schäffner) proklamiert. Es wird von einer operativen Wende gesprochen, in der sich die Überwindung von Ideenanalyse und -geschichte nicht mehr nur durch die Analyse von Praktiken vollziehen soll, sondern durch deren Realisierung und Gestaltung.7 Seit dem Design Methods Movement in den 1960er Jahren, einer heute nur wenig bekannten akademischen Bewegung zur Systematisierung des Design, spätestens aber seit dem institutionellen Aufkommen von Designforschung an den europäischen Kunsthochschulen und -universitäten Anfang der 1980er Jahre wird Design zunehmend als autonome Wissenskultur reflektiert. Die Bestimmung des Verhältnisses von Design und Wissen realisiert sich dabei auf vielfältige Weise (theoretisch oder pragmatisch) und folgt bisweilen widersprüchlichen Prämissen. Dem Lehrfach ›Designtheorie‹ wird etwa die Aufgabe zugesprochen, jene »Wissenschaften zu vermitteln, die für eine Professionalisierung des Design grundlegend notwendig sind«.8 In dieser Überzeugung werden Wissenschaft und Forschung vor 4. 5.

6. 7. 8.

Romero-Tejedor, Felicidad: Der denkende Designer. Von der Ästhetik zur Kognition. Ein Paradigmenwechsel. Hildesheim 2007, S. 21 f. Ich nehme hier Bezug auf die von John Brockman versammelten Beiträge zur Debatte um eine »dritte Kultur« neben den Natur- und Geisteswissenschaften. Vgl. Brockman, John: The Third Culture. New York. 1995. [Dt. Ausgabe: Die dritte Kultur. Das Weltbild der modernen Naturwissenschaft. München. 1996]. Mitchell, Thomas C.: Redefining Designing. From Form to Experience. New York. 1992, S. 58. Schäffner, Wolfgang: The Design Turn. Eine wissenschaftliche Revolution im Geiste der Gestaltung. In: Mareis/Joost/Kimpel: Entwerfen – Wissen – Produzieren. 2010, S. 33–45. Meier, Cordula: Designtheorie als Disziplin. Begriffsbestimmung, Positionsbestimmung. In: Meier, Cordula (Hg.): Design Theorie. Beiträge zu einer Disziplin. Frankfurt a. Main. 2003, S. 16–37, hier S. 36.

10

Einleitung

dem Hintergrund einer als wissensbasiert deklarierten Gesellschaft als zentrale Grundlagen der Designausbildung und -praxis erachtet.9 Gleichzeitig und scheinbar im Gegensatz dazu wird in der Designforschung aber auch postuliert, dass durch die Praktiken des Entwerfens und Gestaltens selbst ein neues, eigenständiges Wissen – sozusagen ein ›genuines Designwissen‹ – generiert werden könne.10 Eine solche Überzeugung führt als institutionalisiertes Format in der so genannten ›praxisbasierten Designforschung‹ (einschlägig bekannt als »research through design«)11 dazu, dass Designpraktiken dezidiert als Wissenspraktiken bzw. Designobjekte als Wissensobjekte befragt12 und in Relation – oft genug aber in Opposition – zu wissenschaftlichen und/oder künstlerischen Praktiken und Darstellungsformen gesetzt werden. Die historischen Eckdaten von 1960 bis heute bilden den groben zeitlichen Rahmen der vorliegenden Untersuchung. Die skizzierte Thematik zu einer eigenständigen Wissenskultur im Design ist ihr Untersuchungsfeld. Das wachsende Interesse an einer Bestimmung des Verhältnisses von Design und Wissen liefert aber nur eine Begründung, um Interferenzen13 zwischen Design- und Wissensdiskursen eingehender zu untersuchen. Die vorliegende Untersuchung basiert vielmehr auf einem grundlegenden Interesse für die Arten und Weisen, vermittels derer diese Bestimmung diskursiv vonstatten geht sowie für die historischen Einflüsse, die sie prägen. Als Begriffe und Konzepte sind ›Design‹ und ›Wissen‹ in der Designtheorie und -forschung derzeit zwar omnipräsent, dennoch werden sie zu selten kritisch historisiert und kontextualisiert und die in ihnen perpetuierten Essentialismen werden kaum problematisiert. Gerade dies scheint aber von Nöten, da mit der soziogenetischen »Disziplinierung des Designs«14 hin zu einer autonomen Wissensdisziplin eine prekäre Demarkation verbunden ist. Das »soziale Feld«15 Design wird von den Feldern Kunst und Wissenschaft territorial abgegrenzt und mit eigenen Begriffen, Konzepten und Sprachregelungen versehen. 9. 10. 11. 12. 13.

14. 15.

Meier: Designtheorie als Disziplin, S. 15. Insbesondere wird diese Position vertreten durch Cross, Nigel: Designerly Ways of Knowing. London. 2006. Frayling, Christopher: Research in Art & Design. Research Paper. Vol. 1, Nr. 1. Royal College of Art London. 1993/94, S. 5. Vgl. Ewenstein, Boris; Whyte, Jennifer: Knowledge Practices in Design: The Role of Visual Representations as »Epistemic Objects«. In: Organization Studies. Vol. 30, Nr. 7. 2009, 7–30. Als ›Interferenzen‹ werden nachfolgend Diskurs und Disziplin übergreifende Strukturen oder Effekte bezeichnet, die sich zugleich als Akzentuierung und Ausblendung manifestieren können. In der Physik wird mit dem Begriff der ›Interferenz‹ die Überlagerung zweier oder mehrerer Lichtwellen gleicher Schwingungsfrequenz bezeichnet, die sowohl zu einer Verstärkung als auch Abschwächung und Auslöschung der Lichtwellen führt. Vgl. Stroppe, Heribert: Physik für Studierende der Natur- und Ingenieurwissenschaften. Leipzig. 2008, S. 381. Schultheis, Franz: Disziplinierung des Designs. In: Swiss Design Network (Hg.): Forschungslandschaften im Umfeld des Designs. Zürich. 2005, S. 65–84. Bourdieu, Pierre: Sozialer Raum und ›Klassen‹. Zwei Vorlesungen. Frankfurt a. Main. 1985, S. 69.

11

Design al s Wissenskultur

Der symbolische Preis, der für diese forcierte Identitäts- und Disziplinbildung zu entgelten ist, liegt auf designtheoretischer Ebene zum einen in einem Unverständnis für die komplexen, vielfach produktiven, historischdiskursiven Interdependenzen, die zwischen den Feldern oder Systemen Design, Kunst und Wissenschaft zu beobachten sind, zum anderen in der Abschwächung oder Ausblendung differenzierter, sogar widersprüchlicher Befunde in den Feldern von denen man sich abgrenzt. Die vorliegende Untersuchung greift dieses Dilemma als Forschungsdesiderat auf. Sie versucht vermittels einer diskursanalytisch motivierten Untersuchung, Interferenzen zwischen Design- und Wissensdiskursen über die demarkierten Grenzen von Design, Kunst und Wissenschaft hinaus im Zeitraum von 1960 bis heute nachzuzeichnen. Sie will so dazu beitragen, diskursive Leitmotive und Strukturen zu erforschen, die aktuelle Wissensdebatten in Designtheorie und -forschung entscheidend prägen.16 Zielsetzung und Auf bau des vorliegenden Buches Mit Foucault gedacht, sind Diskurse nicht bloß als ein Sprechen über die Dinge zu verstehen, sondern selbst als Praktiken, »die systematisch die Gegenstände bilden, von denen sie sprechen«.17 Zwar bestünden diese Diskurse aus Zeichen, so notiert Foucault, aber sie benutzten diese Zeichen für mehr als nur zur Bezeichnung der Sprache: »Dieses mehr macht sie irreduzibel auf das Sprechen und die Sprache. Dieses mehr muss man ans Licht bringen und beschreiben.«18 Siegfried Jäger beschreibt den Nutzen der Diskursanalyse in einer anderen Auslegung wie folgt: »Wenn es die Menschen sind, die Geschichte machen – und damit auch die Diskurse, dann erscheint es […] unabdingbar, dieses ›Machen‹ und seine Voraussetzungen möglichst genau zu beleuchten«.19 Nach Foucault sind es jedoch gerade die Diskurse, in die Menschen hineingeboren werden, folglich bestimmen sie das menschliche ›Machen‹ und damit die Geschichte grundlegend mit. Er konstatiert diesbezüglich, dass die historische Analyse eines Diskurses letzten Endes nicht Gegenstand »einer Theorie des wissenden Subjekts, sondern vielmehr einer Theorie diskursiver Praxis« sei.20 16.

17. 18. 19. 20.

Auch wenn nachfolgend öfter von ›Wissensdebatte‹ als von ›Wissensdiskurs‹ die Rede sein wird, stehen dabei doch stets die diskursiven Aspekte und Qualitäten dieser Debatten im Vordergrund, vor allem die Einsicht in die reziproke Bedingtheit von Denken, Sprache und Praktiken innerhalb von Diskursen und durch diese. Der Begriff ›Debatte‹ scheint mir allerdings dort angemessen, wo die Aktualität kontroverser Auseinandersetzungen in der Designtheorie und -forschung gekennzeichnet werden soll. Wissensdebatten sind demnach als Bestandteil eines umfassenderen Wissensdiskurses zu verstehen. Foucault, Michel: Archäologie des Wissens. Frankfurt a. Main. 1981, S. 74. Foucault: Archäologie des Wissens. 1981, S. 74. Kursivsetzung im Original. Jäger, Siegfried: Kritische Diskursanalyse. Eine Einführung. Duisburg. 1993, S. 136. Foucault: Archäologie des Wissens. 1981, S. 15.

12

Einleitung

Auf diesen basalen Einsichten der Diskursanalyse baut die vorliegende Arbeit mit der Wahl ihrer Methodik auf. Im Verlauf der Untersuchung wird die Hypothese nachzuweisen sein, dass die Modi der Wissenserzeugung und -darstellung im Design erst in Abhängigkeit von Geschichte, Kultur und Kontext verstanden werden können. In diesem Sinne kann ›Designwissen‹ nicht als voraussetzungslos gültige oder ›wesenhafte‹ Kategorie, also kategorisch oder essentiell, 21 definiert werden, sondern lässt sich nur im kulturhistorischen Vergleich mit Wissensformen in Kunst und Wissenschaft bestimmen. Folglich sind Fragen nach einer charakteristischen Wissenskultur des Design ohne die Betrachtung von diskursübergreifender, das heißt interdisziplinärer denkhistorischer Entwicklungszusammenhänge sowie der Analyse konkreter Praktiken, Techniken und Kontexte kaum zu beantworten. Das Konzept der ›Wissenskultur‹, das ich im Ausblick dieses Buches mit Bezug auf Knorr Cetina für eine solche Wissensbestimmung im Design stark mache,22 bekräftigt, dass es zwar gelebte und gefühlte Unterschiede in verschiedenen interdependenten Wissensbereichen gibt, dass diese aber nicht durch eine, wie auch immer geartete, ›Essenz‹ eines Feldes oder Gegenstands erklärt werden können. Vielmehr verweist das Konzept der ›Wissenskultur‹ auf die kontingente, in ihrem Verlauf nicht zwingende oder ›wesenhafte‹ kulturhistorische Genese, die in den unterschiedlichen Feldern dafür verantwortlich ist, »wie wir wissen, was wir wissen«.23 Jedes der vier Kapitel der vorliegenden Arbeit erschließt einen unterschiedlichen Blick auf das derzeit ebenso intensiv wie kontrovers diskutierte Verhältnis von Design und Wissen. Das 1. Kapitel dient der historischen und begrifflichen Einführung in die Thematik und in den Forschungsstand. Schwerpunkte bilden hier die Geschichte der Designmethodologie in den 1960er Jahren; die Institutionalisierung der Designforschung an internationalen Kunsthochschulen und -universitäten im Zuge des Bologna-Prozesses sowie schließlich die Frage, warum gegenwärtig zwar häufig von ›Designforschung‹, seltener aber von ›Designwissenschaft‹ oder ›Designgeschichte‹ die Rede ist. Das 2. Kapitel diskutiert historische Designauffassungen und -selbstverständnisse, die für das heutige Verständnis des Wissensdiskurses in 21.

22.

23.

›Kategorisch‹ wird in der vorliegenden Arbeit definiert als etwas, das ›unbedingt gültig‹, ›nicht an Bedingungen geknüpft‹ ist. Die ›Essenz‹ beschreibt das ›allgemeine‹, ›eigentliche‹, ›zu Grunde liegende Wesen‹ einer Sache oder Gegebenheit, entsprechend dazu ist auch die Bedeutung von ›essentiell‹ und ›essentialistisch‹ zu verstehen. Knorr Cetina, Karin: Epistemic Cultures: How the Sciences Make Knowledge. Cambridge, MA. 1999. [Dt. Ausgabe: Wissenskulturen. Ein Vergleich naturwissenschaftlicher Wissensformen. Frankfurt a. Main. 2002]. Knorr Cetina: Wissenskulturen. 2002, S. 11.

13

Design al s Wissenskultur

Designtheorie und -forschung zentral sind. Dieses Vorgehen wird durch die Annahme motiviert, dass in der Befragung von Designpraktiken als Wissens- und Forschungspraktiken, wie sie derzeit in der Designforschung vonstatten gehen, historische Auffassungen und (Selbst-)Verständnisse von ›Design‹ in die Forschung und Theoriebildung hingetragen werden und dort unhinterfragt perpetuiert werden. Vereinfachend formuliert: Wo Praxis und Forschung sowohl diskursiv als auch auf pragmatischer Ebene miteinander verbunden werden, ist es keineswegs unerheblich, was explizit, vielmehr aber noch implizit, unter ›Praxis‹ verstanden wird. Das Verständnis dessen, was aus historischer Sicht als ›gute‹, ›richtige‹ oder ›gültige‹ Praxis bewertet wurde, prägt mitunter noch heute in unausgesprochener Weise das Praxisverständnis in der Designforschung und ist entsprechend als ein historischer Wertediskurs kenntlich zu machen. Das 3. Kapitel benennt, untersucht und kontextualisiert Leitmotive bzw. »diskursive Regelmäßigkeiten«,24 die den Wissensdiskurs in Designtheorie und -forschung als sinn- und ordnungsstiftende Elemente stabilisieren und strukturieren, als solche aber nur selten explizit benannt und problematisiert werden. Es handelt sich dabei um diskursive Verdichtungen von Begriffen, Konzepten und Ideen, die scheinbar Grundlegendes zu Design und seinen Wissenspotentialen aussagen, die allerdings selbst als Motive zu hinterfragen und dort zu problematisieren sind, wo sie die Vermutung bestätigen, Reduktionismen, Anachronismen oder Essentialismen zu transportieren. Ziel dieses Kapitels ist es – vergleichbar, aber expliziter noch als im 2. Kapitel – aufzuzeigen, dass, vor allem aber wie die Rede von Design ›als‹ Wissensform keiner a priori vorgegebenen oder ›natürlichen‹ Ontologie ihres Gegenstandes folgt, sondern durch bestimmte diskurshistorische Motive und Annahmen von sowohl Design als auch Wissenschaft geprägt und informiert wird. Die Frage nach dem Status von Wissen im Design ist aber nicht bloß als ein designinternes Desiderat zu bewerten, sondern korrespondiert aus kulturund wissenschaftshistorischer Sicht mit poststrukturalistischen Wissenskonzepten, etwa mit Lyotards Diagnose zum »postmodernen Wissen«25 oder dem Modell der sogenannten »Modus 2-Wissensproduktion« von Gibbons et. al.26 Aus diesem Grund diskutiert das 4. Kapitel ausgewählte Aspekte der Designforschung mit Blick auf korrespondierende Wissensdiskurse in den Kulturwissenschaften sowie in der Kunst- und Wissenschaftsgeschichte. Es geht der Frage nach, wie Designforschung in einem aktuellen Spannungsfeld zu situieren ist, in dem nicht nur Kunst und Design für sich in 24. 25. 26.

Sarasin, Philipp: Geschichtswissenschaft und Diskursanalyse. Frankfurt a. Main. 2003, S. 48 f. Lyotard, Jean François: La condition postmoderne. Rapport sur le savoir. Paris. 1979. Gibbons, Michael et al.: The New Production of Knowledge: The Dynamics of Sciences and Research in Contemporary Societies. London. 1994.

14

Einleitung

Anspruch nehmen, ein ›wissenschaftsalternatives‹ Wissen zu produzieren, sondern die Wissenschaft selbst sich zunehmend für die materialen und ästhetischen Bedingungen ihrer eigenen Wissensproduktion interessiert. Interaktive Grenz- und Zwischenräume des Wissens Forschungen aus der jüngeren Wissenschaftsgeschichte können zur Klärung der Frage nach den materialen Grundlagen des Wissens beitragen. So sind die Aspekte ›Praxis‹ und ›Anwendung‹ in den letzten Jahrzehnten in vielen Disziplinen zu wichtigen Kriterien wissenschaftlicher Forschung avanciert. Sei es im allgegenwärtigen Imperativ nach gesellschaftlich und wirtschaftlich relevanten Forschungsresultaten27 oder in der Diagnose eines »practice turn«, 28 der eine Hinwendung zu den konkreten Praktiken der Wissenserzeugung einfordert. Nicht mehr »das Sinnlich-Greif bare auf der einen und das Gedanklich-Abstrakte auf der anderen Seite« 29 leiten das Blickregime einer solchen Wissenschaftsbeobachtung an, ins Visier gelangen stattdessen die Ränder der Wissenschaft, ihre Grenz- und Zwischenräume. An diesen hybriden Stellen finden die Desiderate einer praxis- und objektbasierten Forschung im Design eine potentielle Entsprechung. Als These formuliert, könnte diese Entsprechung wie folgt lauten: So wie das wissenschaftliche Experiment seine eigene Materialität und Performativität zu berücksichtigen beginnt, so macht sich das Design das wissenschaftliche Experiment – zumindest auf semantischer Ebene – zum Vorbild.30 Allerdings gilt es zu bedenken, dass die Motivationen, welche die Beschäftigung mit den scheinbar gemeinsamen Themen und Fragestellungen in Design und Wissenschaft anleiten, sehr unterschiedlich ausfallen können. Für das Design scheint die Bestimmung seines ›genuinen‹ Wissens und seines Verhältnisses zu wissenschaftlichem Wissen mehr als nur ein Forschungsdesiderat unter anderen zu sein. Vielmehr machen sich darin substantielle soziogenetische Veränderungen kenntlich, durch die der gesellschaftliche Status von Design vor dem Hintergrund der viel beschworenen ›Wissensgesellschaft‹ in Frage gestellt und ausgehandelt wird. Wissen gilt heute Vielen als höchstes Kapital der ›Wissensgesellschaft‹, entsprechend groß ist derzeit das Bemühen, Wissen im Form normierter 27. 28. 29.

30.

Nowotny, Helga: Es ist so. Es könnte auch anders sein. Über das veränderte Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft. Frankfurt a. Main. 1999, S. 50. Vgl. Schatzki, Theodore et al.: The Practice Turn in Contemporary Theory. London. 2001. Dotzler, Bernhard J.; Schmidgen, Henning: Zu einer Epistemologie der Zwischenräume. In: Dies. (Hg.): Parasiten und Sirenen. Zwischenräume als Orte der materiellen Wissensproduktion. Bielefeld. 2009. S. 7–18, hier S. 8. Ich beziehe mich auf einen Gedanken von Nordmann, Alfred: Experiment Zukunft. Die Künste im Zeitalter der Technowissenschaften. In: Rey Anton; Schöbi, Stefan (Hg.): SubTexte 3. Künstlerische Forschung. Positionen und Perspektiven. Zürich. 2009, S. 8–22, hier S. 14.

15

Design al s Wissenskultur

Zertifakte und Abschlüsse zu reifizieren und markttauglich zu machen. Auch die Frage nach dem Wissen im Design erhält so einen markanten wirtschaftlichen und (bildungs-)politischen Akzent. Die Diskussion, ob und inwiefern Design als autonome Wissenskultur aufgefasst werden kann, lässt sich auf semantischer Ebene anhand von Konzepten und Begriffsschöpfungen wie ›designerly ways of knowing‹, ›design knowledge‹31 oder ›design thinking‹32 gut nachzeichnen. (Dazu mehr im 3. Kapitel). Diese Begriffe sind jedoch, soviel sei vorwegzunehmen, untereinander weder trennscharf zu unterscheiden, noch lassen sich stringente Definitionen für sie finden. Sie zeugen vielmehr davon, dass hinter dem Ringen um die Begriffe ein Ringen um ein schärferes Bild des Gegenstandes steht. Diese Unschärfe der Konzepte ist jedoch nicht per se negativ zu bewerten, sondern kann mit Rheinberger als »gebändigte[r] Überschuss« verstanden werden.33 Demnach erzeugen »verschwommene Konzepte, unfertige oder überschießende Bedeutungen« eine Spannung, die sich für die Entwicklung einer Disziplin positiv auswirken kann. Nimmt man diesen Gedanken ernst, dann werden die jüngeren Debatten zur inhaltlichen und methodischen Ausrichtung von Designforschung als produktive Versuche lesbar, dem heterogenen Feld des Design kraft der Insignien von ›Forschung‹ und ›Wissenschaft‹ zu einer eindeutigeren Identität zu verhelfen. Die multiperspektivische Vorgehensweise, die in den vier skizzierten Kapiteln entfaltet wird, soll dazu beitragen, Fragen nach einer charakteristischen ›Wissenskultur‹ im Design in einer nicht-essentialistischen, also historisch-vergleichenden und differenzierenden Weise zu adressieren. Die vorliegende Arbeit basiert selbst auf bestimmten forschungsleitenden Prämissen, die vorab zu benennen sind: Sowohl ›Design‹ als auch ›Wissen‹ bzw. ›Wissenschaft‹ werden in der nachfolgenden Untersuchung nicht als feststehende, ›objektiv‹ zu definierende Entitäten aufgefasst. Vielmehr werden sie als soziale und kulturelle Gebilde lesbar gemacht, die durch ein dichtes ›Gespinst‹ von Diskursen, Praktiken, Institutionen, Akteuren und Objekten historisch formiert wurden und entsprechend dieser Prägung jeweils eigene Wertesysteme und ›Wahrheiten‹ etablieren konnten. In ihrer heutigen Ausprägung sind sowohl Design als auch Wissenschaft als kontingente historische Phänomene zu verstehen, dennoch sind sie nicht 31.

32.

33.

Beide Begriffe ˛‹designerly ways of knowing‹ und ›design knowledge‹ werden vor allem durch Nigel Cross vertreten. Vgl. Cross, Nigel: Designerly Ways of Knowing. In: Design Studies. Vol. 3, Nr. 4. 1982, S. 221–227. Zwei aktuellere Publikationen dazu sind: Plattner, Hasso et al.: Design Thinking. Innovation lernen. Ideenwelten öffnen. München. 2009 sowie Lockwood, Thomas (Hg.): Design Thinking: Integrating Innovation, Customer Experience, and Brand Value. New York. 2009. Rheinberger, Hans-Jörg: Epistemologie des Konkreten. Studien zur Geschichte der modernen Biologie. Frankfurt a. Main. 2006, S. 226.

16

Einleitung

ausschließlich ›sozial konstruiert‹. Die Einsicht in die soziokulturelle Prägung von Design- und Wissenspraktiken soll nicht blindlings ihre Subjekte und deren intentionalen Handlungspotentiale auf einer sprachlichen Ebene privilegieren. Vielmehr gilt es, alle an einer Wissensproduktion beteiligten menschlichen und nicht-menschlichen ›Akteure‹ gleichermaßen im Auge zu behalten. Erst in ihrer Gesamtheit bilden sie die »Konstruktionsmaschinerien des Wissens«; Gefüge von Konventionen und Instrumenten, die sich als organisiert, dynamisch, aber nur teilweise reflektiert erweisen und die von einzelnen Personen selbst nur begrenzt bestimmt werden können.34 Aus diesem Grund zielt die vorliegende Arbeit weder auf eine ›objektive‹, allgemeingültige Definition von ›Design‹ und ›Wissen‹, noch fokussiert sie einseitig die ›herausragenden‹ Subjekte der Designgeschichte. Stattdessen wird ein Teil jenes diskursiven Geflechts untersucht, in dem und vermittels dessen im Feld des Design Gegenstände und Praktiken diskursiv zu ›Objekten des Wissens‹ gemacht und als solche perpetuiert werden35 – und entlang dem die Konturen des Feldes Design immer wieder neu ausgehandelt und verstetigt werden. Eine diskursanalytische Untersuchung und Kontextualisierung des gegenwärtigen Wissensdiskurses in Designtheorie und -forschung vermag bestenfalls – und dazu will die vorliegende Untersuchung beitragen – den Entwurf für zukünftige Konzepte differenzierter und damit solider ausfallen zu lassen, den Blick für Alternativen und potentielle Irrwege zu schärfen und die Diskussionen über das Verhältnis von Design und Wissen insgesamt fundierter werden zu lassen. Bemerkungen zur gewählten Methodik Wie werden bestimmte Auffassungen von ›Design‹ und ›Wissen‹ im Feld der Designforschung diskursiv verhandelt und festgeschrieben? Um diese kulturwissenschaftlich motivierte Frage zu beantworten, hat die vorliegende Arbeit eine diskursanalytische und interdisziplinäre Methodik gewählt. Die Fragestellung bedingt, obwohl sie vom Design ausgeht, eine Disziplin übergreifende Herangehensweise, da sie zugleich Aspekte aus der Design-, Kunst- und Wissenschaftsforschung umfasst. Dieser Zugang wurde gewählt, um im Anschluss an Cassirers weites Kulturverständnis die Bedeutung diskursiver Motive eines spezialisierten Feldes in einem größeren kultursemantischen Zusammenhang zu erkennen und zu benennen und somit Wanderbewegungen von kulturellen Formen oder Motiven sichtbar machen und verfolgen zu können. Nach Cassirers tragender Einsicht »ist die Kultur, die in der Reflexivität des menschlichen Bewußt34. 35.

Dazu in anderem Zusammenhang Knorr Cetina: Wissenskulturen. 2002, S. 23. Vgl. dazu auch Rheinberger, Hans-Jörg: Historische Epistemologie zur Einführung. Hamburg. 2007, S. 12.

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seins gründet, alles was wir, so wie wir nun einmal sind, überhaupt haben können; sie ist die ganze Wirklichkeit des Menschen«.36 ›Design‹ und ›Wissen‹ werden in der vorliegenden Arbeit nicht als überzeitlich und überkulturell definierbare Entitäten verstanden, sondern vielmehr als vielgestaltige Effekte einer gesellschaftlich konstruierten ›Wirklichkeit‹,37 als Diskurse im Foucaultschen Sinne. Es sind dies Versuche, Bedeutungszuschreibungen und Sinnordnungen zumindest für eine gewisse Zeit zu stabilisieren und dadurch eine kollektiv verbindliche Wissensordnung in einem sozialen Ensemble zu institutionalisieren.38 Im Anschluss an Michel Foucault identifiziert Maingueneau die folgenden diskursanalytisch relevanten Aspekte: 1.) Ort des Aussagens und Sprechens, 2.) diskursive Regelmäßigkeiten sowie 3.) Grenzen, Verbindungen und Vermittlungselemente zu anderen Diskursen (Interdiskurs).39 Zusammen formieren sie ein »diskursives Archiv«, auf dessen Basis erst inhaltliche Aussagen darüber gemacht werden können, wie Diskurse die soziale Welt des Bezeichneten in ihrer historischen Spezifität hervorbringen. 40 Diskursanalyse kommt im Folgenden als methodischer Ansatz zweifach zum Tragen. 41 Erstens orientiert sich die Kapitelstruktur der Arbeit an jenen Aspekten, die ein »diskursives Archiv« im genannten Sinne bilden: So wird nach einem thematisch einführenden 1. Kapitel im 2. Kapitel der historische Ort des Aussagens umrissen, im 3. Kapitel werden anhand von festgelegtem Untersuchungsmaterial diskursive Regelmäßigkeiten untersucht und im 4. Kapitel schließlich werden Interdiskurse aufgezeigt, welche die Grenzen und Ränder des Diskurses bezeichnen. Gewiss kann man einwenden, dass die Geschichte der Designforschung noch zu jung und ihr Wirkungsfeld zu begrenzt sei, um tatsächlich von einem Diskurs im Foucaultschen Sinne zu sprechen. Mir geht es aber weniger um die Größe dieses Diskurses oder um seinen Einfluss auf andere Diskurse. Mit der Wahl der Methode und der Begrifflichkeit des ›Diskurses‹ soll vielmehr grundlegend darauf hingewiesen werden, dass die Grenzen von Designforschung sich mit denen von Kunst und Wissenschaft überlagern und dass umgekehrt deren Diskurse mit den Wissensdebatten in der Design36.

37. 38. 39. 40. 41.

Recki, Birgit: Kultur als Praxis. Eine Einführung in Cassirers Philosophie der symbolischen Formen. Berlin. 2004, S. 31. Cassirer, Ernst: Versuch über den Menschen. Einführung in eine Philosophie der Kultur. Frankfurt a. Main. 1990, S. 51. Berger, Peter; Luckmann, Thomas: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Frankfurt a. Main, 1980. Keller, Reiner: Diskursforschung. Eine Einführung für SozialwissenschaftlerInnen. Wiesbaden. 2007, S. 7. Maingueneau, Dominique: L’ Analyse du Discours. Introduction aux lectures de l’archive. Paris. 1991, S. 17–24. Vgl. dazu Sarasin: Geschichtswissenschaft und Diskursanalyse. 2003, S. 35. Der Frage, ob und in welcher Weise Foucault eine Methodik bereitstellte, widmet sich der Aufsatz von Gehring, Petra: Foucaults Verfahren. In: Foucault, Michel: Geometrie des Verfahrens. Schriften zur Methode. Frankfurt a. Main. 2009, S. 373–393.

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Einleitung

forschung interferieren. Designforschung als einen Diskurs zu befragen, bedeutet, die Einsicht in die reziproke Bedingtheit von Denken, Sprache und Praktiken ernst zu nehmen sowie den Umstand anzuerkennen, dass jeder Diskurs entsprechend seiner jeweiligen Geschichte eigene Werte und ›Wahrheiten‹ formulieren kann. In der vorliegenden Arbeit kommt Diskursanalyse zweitens als hermeneutisches, selbstreflexives Interpretationsverfahren bei der Untersuchung diskursiver Regelmäßigkeiten und Interdiskursen insbesondere im 3. und 4. Kapitel zum Tragen. Hier wird auf eine Methodik der wissenssoziologischen Diskursanalyse nach Keller Bezug genommen. 42 Von anderen Ansätzen der interpretativen, qualitativen Sozialforschung unterscheidet sich diese darin, dass von textübergreifenden Verweiszusammenhängen in Gestalt diskursiver Strukturen der Aussageproduktion ausgegangen wird. Von einer Foucaultschen Diskursanalyse unterscheidet sie sich durch dezidierte Empfehlungen für die empirische Untersuchung von Datenmaterial. Zusammenfassend wird im Folgenden jener Diskurs untersucht, in dem Design mit Bezug auf Wissen, Wissenschaft und Forschung erörtert wird. Die Untersuchung beschränkt sich, mit Ausnahmen namentlich im 2. Kapitel, auf den Zeitraum von 1960 bis 2010. Dieser Zeitraum wird thematisch durch den Beginn des Design Methods Movement in den 1960er Jahren einerseits und die aktuellen Debatten zur praxisbasierten Designforschung an internationalen Kunsthochschulen andererseits gerechtfertigt. Zum Untersuchungskorpus gehören im Wesentlichen Texte und schriftliche Aussageereignisse. 43 Die gewählte Fokussierung auf Diskurse statt auf Praktiken mag vor dem Hintergrund erstaunen, dass an kultur- und geisteswissenschaftlichen Studien tendenziell eine mangelnde Aufmerksamkeit gegenüber den Praktiken und Objekten der Wissenserzeugung festgestellt wird. In der Designforschung zeigt sich die Situation allerdings fast diametral: Designforschung wird als praxisbasierte Vorgehensweise von Praktikern im Medium der Praxis angegangen, oftmals mit dem Ziel, daraus eine Theoriebildung abzuleiten, die für sämtliche Designprozesse und -praktiken exemplarisch Geltung haben soll. Dieser starke Nexus von Erkenntnisproduktion mit den ›praktischen‹ Akteuren und Prozessen des Design entspricht zwar der Forderung des »practice turn«, 44 sich den Praktiken der Wissenserzeugung zuzuwenden, er verliert dadurch aber auch aus dem 42. 43.

44.

Keller: Diskursforschung. 2007. Es handelt sich hierbei um themenrelevante Publikationen, Aufsätze, Positionspapiere, Konferenzbeiträge aus den Bereichen Designmethodologie, -forschung, -theorie und -wissenschaft sowie dort rezipierte, relevante Beiträge aus anderen Disziplinen (etwa aus der Architektur oder der System- und Planungstheorie) im genannten Untersuchungszeitraum von 1960 bis 2010. Vgl. Schatzki et al.: The Practice Turn in Contemporary Theory. 2001.

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Blick, dass Designforschung und -theorie für historisch-vergleichende Untersuchungen offen bleiben muss, um sich gegen diskursimmanente Essentialismen und Naturalisierungen zu immunisieren. Für die Designforschung ist derzeit kein Mangel an Praxis zu diagnostizieren, sie tendiert im Gegenteil eher zu einer epistemologischen Übervorteilung von ›Praxis‹ und der Vorstellung eines darin ›intentional handelnden Subjekts‹ – was sich in einer ausgeprägten Form mithin als diffuse Theoriefeindlichkeit kenntlich machen kann. Eine kritische Distanzierung und multiple Perspektivierung von Praktiken des Design und der Designforschung scheint in diesem Moment also angebracht. Methodenkritisch anzumerken bleibt jedoch, dass bei einer diskursanalytischen Vorgehensweise – wie auch bei anderen qualitativen Deutungsverfahren – die vollständige Transparenz und Kontrolle der Vorgehensweisen letztlich unerreichbar bleibt. Um dennoch eine Nachvollziehbarkeit der Befunde zu ermöglichen, bleibt es unerlässlich, sowohl Aussagen über einzelne Texte als auch generalisierende Hypothesenbildungen und Schlussfolgerungen zu argumentieren und zu begründen. 45 Ich habe versucht, diesem methodischen Anspruch in der vorliegenden Untersuchung durch die Offenlegung meiner Prämissen und Vorgehensweisen gerecht zu werden. Dies entspricht der Zielsetzung, dass die Untersuchung keine Quantifizierung von Aussageereignissen anstrebt, sondern vielmehr für diskursübergreifende Verweisbeziehungen sensibilisieren will. Implizite Muster und unscharfe Argumentationsfiguren, die den Designforschungsdiskurs prägen, sollen deutlicher als bisher benannt und in einem weiteren kulturwissenschaftlichen Kontext verortet werden. Gleichzeitig sollen sie damit verhandelbar, kritisierbar und vergleichbar gemacht werden. Solche diskursiven Prägungen werden in der vorliegenden Arbeit in den aufgezeigten diskursiven Regelmäßigkeiten sichtbar gemacht. Durch die Benennung und Schärfung von bestimmten Leitmotiven wie ›Synthese‹, ›Innovation‹ und ›implizites Wissen‹ soll eine sinnstiftende Verknappung des Diskurses angeleitet werden, die ›Orientierung‹ im Diskurs soll dadurch vereinfacht werden. Pierre Bourdieu hat in Homo academicus auf die Schwierigkeit hingewiesen, eine soziale Welt zu thematisieren, in die man persönlich verstrickt ist: Zu große Nähe behindert wissenschaftliches Erkennen ebenso wie zu große Ferne, praktische und wissenschaftliche Erkenntnis gehen auf ebenso prekäre Weise einher, wie die Objekte und Subjekte der Forschung 45.

Keller unterscheidet grundlegend zwischen »Grenzziehungsproblemen« und Fragen der »Geltungsbegründung«. Grenzziehungsprobleme können in konkreten Entscheidungssituationen bei der Datengewinnung empirischer Untersuchungen auftreten (Bestimmung von Untersuchungszeiträumen und -gegenständen; Fragen nach Eingrenzung und Zusammenhang des auszuwertenden Materials; Zuordnung von Dokumenten und Praktiken bzw. von einzelnen Inhalten zu Diskursen. Vgl. Keller: Diskursforschung. 2007, S. 265.

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einander durchdringen. 46 All dies gilt nicht nur für Wissensbestimmungen in der Designforschung oder die Belange einer praxisbasierten Forschung, es gilt auch ohne Einschränkung für die vorliegende Arbeit. Als professionelle, institutionelle und intellektuelle Kontexte, in denen sie entstanden ist und durch die sie geformt wurde, sind meine langjährige Erfahrung in der Designpraxis, in der Designforschung und -lehre sowie meine kulturwissenschaftliche akademische Sozialisierung zu nennen. Diese Einflüsse haben die Arbeit in der jetzigen Form und Absicht erst ermöglicht und ihre Argumentationen nachhaltig geprägt, ebenso resultieren daraus auch ihre ›blinden Flecken‹.

46.

Bourdieu, Pierre: Homo academicus. Frankfurt a. Main. 1992, S. 31.

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1. Designforschung im historischen Kontext

Die vorliegende Arbeit untersucht aus sehr unterschiedlichen Perspektiven relevante Positionen, Begriffe und Konzepte aus der Designtheorie und -forschung hauptsächlich seit den 1960er Jahren. Um diese multiplen, in sich oftmals inkohärenten Sichtweisen in einer umfassenderen Weise historisch zu kontextualisieren, als dies in den einzelnen Kapiteln angemessen und möglich gewesen wäre, wird im Folgenden ein Überblick zu ihrer Geschichte und Etymologie skizziert.1 Dieser Überblick behandelt bereits Teile des Forschungsstandes, der in Abschnitt b. dieses Kapitels weiter ergänzt und vertieft wird. An den historischen Überblick anschließend wird in einem weiteren Punkt erläutert, weswegen in den aktuellen Debatten zwar stets von ›Designforschung‹, seltener jedoch von ›Designwissenschaft‹ oder ›Designgeschichte‹ die Rede ist. Diese Sprachregelung folgt, wie ich zeigen werde, weniger einer inneren ›Logik‹ des Diskurses oder einer ›natürlichen‹ Ordnung seines Gegenstandes. Vielmehr sind die entsprechenden Sprachregelungen als historisch geformte Chiffren zu verstehen. Als solche sind sie denn auch nicht zwingend festgeschrieben, sondern unterliegen einer kontingenten (zufälligen) und somit veränderlichen Entwicklung. Die aktuellen Debatten zum Verhältnis von Design, Wissen und Wissenschaft können wesentlich mit zwei historischen Bewegungen in Verbindung gebracht werden: Zum einen ist das Design Methods Movement in 1.

Einen guten Einblick in die Geschichte der (vornehmlich englischsprachigen) Designmethodologie und -forschung seit den 1960er Jahren geben die Texte von Nigan Bayazit und Nigel Cross, wenngleich diese kaum geschichts- und ideologiekritisch argumentieren. Vgl. Bayazit, Nigan: Investigating Design: A Review of Forty Years of Design Research. In: Design Issues, Vol. 20, Nr. 1. 2004, S. 16–29; Cross, Nigel: A History of Design Methodology. In: Vries, Marc J. de, et al. (Hg.): Design Methodology and Relationships with Science. Dordrecht et al. 1993, S. 15–27 sowie ders.: Forty Years of Design Research. In: Design Studies. Vol. 28, Nr. 1. 2007, S. 1–4.

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den 1960er Jahren zu nennen, zum anderen geht die heutige Bedeutung von Designforschung aus bildungspolitischen Reformen an internationalen Kunsthochschulen und -universitäten hervor, die etwa in den 1970er Jahren begannen und spätestens seit den 1990er Jahren Anstrengungen zur Implementierung eines neuen, praxisbasierten Forschungsformats in Kunst und Design mit sich brachten.2 Neben diesen beiden Entwicklungen wäre im Weiteren auch von einer Geschichte wirtschaftlich-industrieller Designforschung zu berichten, wie sie in größeren Kommunikations- oder Transportunternehmen zu finden ist.3 Hinsichtlich ihrer Vorgehensweisen und Fragestellungen wäre diese Form der Designforschung nicht weniger interessant, als sie es auf schulischer oder akademischer Ebene ist. Allerdings werden ihre Resultate und Befunde nur selten im Sinne eines wissenschaftlichen Austausches öffentlich zugänglich gemacht und unterliegen in der Regel ökonomisch-utilitaristischen Innovationsinteressen. Aus diesem Grund wird auf diese Dimension der Designforschung im Folgenden kaum eingegangen. Bevor das Design Methods Movement und die praxisbasierte Designforschung näher beleuchtet werden, gilt es, mit einigen allgemeineren Bemerkungen zum Designbegriff sowie zum akademischen Status von Design bzw. Designforschung zu beginnen.

a. Etymologie und Geschichte von Design und Designforschung Die Geschichte der Designmethodologie und -forschung ist, wie auch die des Design, keine einheitliche Geschichte, sondern ein Konglomerat multipler Diskursfelder und -stränge. Zunächst ist Design nicht als eine homogene Praxis zu verstehen, sondern bildet einen komplexen, mehr oder weniger stabilen Verbund von kulturellen, sozialen und kommerziellen Praktiken und Techniken, die ihrerseits einem steten Wandel unterliegen. Auch gewinnt der Begriff ›Design‹ seine etymologische Bedeutung nicht durch die Rückführung auf einen einzelnen sprachlichen Terminus, vielmehr liegen ihm mehrere Begriffstraditionen und Verwendungen zugrunde, die (ohne eine abschließende Definition geben zu wollen) kurz zusammengefasst werden sollen: Im Oxford English Dictionary wurde der Begriff ›Design‹ 1885 erstmals erwähnt. Heute bezeichnet er dort: »Noun 1) a plan or drawing produced to 2.

3.

Eine gut recherchierte Übersicht sowie fundierte und kritische Positionen zur internationalen Debatte finden sich in: Elkins, James (Hg.): Artists with PhDs. On the new Doctoral Degree in Studio Art. Washington. 2009. So etwa bei Daimler, Bell Labs Research oder den Deutsche Telecom Laboratories.

24

Designforschung im histor ischen Kontext

show the look and function or workings of something before it is built or made. 2) the art or action of producing such a plan or drawing. 3) underlying purpose or planning: the appearance of design in the universe. 4) a decorative pattern. Verb 1) conceive and produce a design for. 2) plan or intend for a purpose«. 4 Laut Kluges Etymologisches Wörterbuch wird ›Design‹ als »Entwurf (von), Gestalt, Aussehen und Plan« bezeichnet, entlehnt aus dem französischen ›dessein‹ und dem italienischen ›disegno‹, welches eine postverbale Ableitung von ›disegnare‹ (beabsichtigen, bezeichnen) ist.5 In Wahrigs Herkunftswörterbuch wird zudem noch die Bedeutung ›Muster‹, ›Modell‹, ›Formgebung‹ und ›Gestaltung‹ angegeben.6 Das italienische ›disegno‹, auf das der Begriff ›Design‹ (fälschlicherweise) oft einzig zurückgeführt wird, bedeutet in der wörtlichen Übersetzung ›Zeichnung‹ oder ›Skizze‹; zum ›Disegno‹ als geistig-künstlerischem Konzept werden allerdings seit dem 16. Jahrhundert gewichtige kunsttheoretische Debatten geführt, auf im 4. Kapitel eingegangen wird.7 Das französische ›dessin‹ stammt (wie ›disegnare‹) vom lateinischen ›designare‹ ab und bedeutet ›Zeichnung‹, ›Muster‹ (im Sinne einer fortlaufenden Stoffmusterung), ›Plan‹ oder ›Entwurf‹. Die Unterscheidung von ›dessin‹ in diesem Sinne und ›dessein‹ (Absicht, Zweck) ist im Französischen seit dem späten 18. Jahrhundert geläufig. Die Einführung des englischen Begriffs ›Design‹ in den deutschen Sprachraum wird angeblich Ludwig Mies van der Rohe in den 1930er Jahren zugeschrieben, als es darum ging, für das deutsche Wort ›Gestalt‹ eine englische Übersetzung zu finden.8 Wie bereits in der italienischen und französischen Bedeutung ist ›Design‹ auch im Deutschen mit einer Doppelbedeutung versehen: Einerseits beschreibt es den Prozess des bewussten Gestaltens einer Sache, andererseits dient es als Sammelbegriff für alle bewusst gestalteten Aspekte dieser Sache. Neben der Etymologie von Design ist auch dessen soziokulturelle Geschichte bedeutsam. Seit Beginn der industriellen Produktion und der damit aufkommenden Gestaltung von Industrieprodukten im 19. Jahrhundert wird die Bezeichnung der Designtätigkeit im deutschsprachigen 4. 5.

6. 7.

8.

Vgl. Oxford English Dictionary. Second Online Edition. 1989. Die Wurzeln von ›disegnare‹ liegen in dem lateinischen Verb ›designare‹ (im Umriss darstellen, zeichnen, darstellend bezeichnen) und dem lateinischen Nomen ›signum‹ (Zeichen, Abzeichen, Kennzeichen, Signal, Bild, Siegel). Des Weiteren hat ›signum‹ die Bedeutung »eingeschnitzte Marke, geschnitztes Bild«, welche auf das lateinische Verb ›secare‹ (schnitzen, schneiden) zurückzuführen ist. Vgl. Kluge, Friedrich: Kluge. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 24. Auflage. Berlin. 2002. Vgl. Wahrigs Herkunftswörterbuch. 4. Auflage. München. 1998. Vgl. zum ›Disegno‹-Begriff: Kemp, Wolfgang: Disegno. Beiträge zu einer Geschichte des Begriffs zwischen 1547 und 1607. In: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft. Band 19. Marburg/Lahn. 1974, S. 219–240. Reese, Jens: Der Begriff ›Design‹. Anwendung und Umsetzung. In: Ders.: (Hg.): Der Ingenieur und sein Designer. Wien/New York. 2005, S. 7–22, hier S. 7.

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Raum kontrovers debattiert, wobei die kontrastierende Abgrenzung von Kunst, Handwerk, Technik und Massenmedien stets zentrales Thema dieser Begriffsklärungen war. Vorgeschlagen wurden etwa Termini wie ›technische Kunst‹ (Semper) oder ›industrielle Künste‹; nach 1865 kamen die Begriffe ›Kunstgewerbe‹, ›Kunsthandwerk‹ und ›Kunstindustrie‹ auf sowie im Kontext des ›fortschrittlichen‹ Kunstgewerbes die Bezeichnungen ›Werkkunst‹, ›angewandte Kunst‹ und ›dekorative Kunst‹.9 Mit Fortschreiten der Industrialisierung ab Mitte des 19. Jahrhunderts beginnt nach Gert Selle die »eigentliche Geschichte des Design«, die für das heutige Verständnis von Design als substantiell gelten muss und »ohne deren Kenntnis die gegenwärtigen Erscheinungsformen kaum verstanden werden können«.10 Es ist dies eine Geschichte, die sich stark verkürzt als die Entwicklung des Design aus Kunst und Handwerk heraus skizzieren lässt, anfänglich geprägt vom Übergang von der feudalen zur kapitalistischen Produktion, schließlich durch das Wachstum von Industrie, Technik und Technologie, Massenproduktion und Massenkommunikation entscheidend verändert.11 Endgültig setzte sich der englische Begriff ›design‹, der lange Jahre als »oberflächliches Styling« und »modisch-kosmetische Massnahme« negativ konnotiert gewesen war, im deutschen Sprachraum Anfang der 1960er Jahren durch.12 Doch können bis heute kulturelle Differenzen konstatiert werden: Während in der deutschen Bedeutung von ›Design‹, im Anschluss an eine historische Kunstgewerbetradition, überwiegend formal-ästhetische Aspekte betont werden, benennt ›design‹ in seiner englischen Bedeutung auch die technisch-konstruktiven Aspekte von Gestaltung (so ist ein Ingenieur auch ein ›designer‹). Zudem wird damit in einem sehr allgemeinen (nicht explizit formal-ästhetischen) Sinne ein zugrunde liegender ›Plan‹ oder ein ›planvolles Vorgehen‹ verstanden. So wird etwa in der Wissenschaft von ›Forschungsdesign‹ gesprochen, um die Planung und Konzeption eines Forschungsprojektes zu bezeichnen. Insbesondere in den (englischsprachigen) Ingenieurwissenschaften wird ›design‹ in einem planvoll-konstruktiven (aber durchaus auch kreativen) Sinne verwendet. Ein expliziter Bezug zu künstlerischen Praktiken wird in dieser Begriffsverwendung nur selten hergestellt. Wo dies dennoch geschielt, zielt die Bezugnahme auf eine »praktische Virtuosität«, als deren Referenzobjekte in der Regel die »Künstler-Ingenieure« der Renaissance gelten, vorzugsweise wird an Leonardo da Vinci erinnert.13 9. 10. 11. 12. 13.

Schneider, Beat: Design. Eine Einführung. Basel et al. 2005, S. 195 f. Selle, Gert: Geschichte des Design in Deutschland. Frankfurt a. Main/New York. 1997, S. 8. Walker, John A.: Designgeschichte. Perspektiven einer wissenschaftlichen Disziplin. München. 1992, S. 36. Vgl. für die Schweiz etwa: Schilder Bär, Lotte; Wild Norbert: Designland Schweiz. Gebrauchsgüterkultur im 20. Jahrhundert. Zürich. 2001, S. 11. Vgl. Mauersberger, Klaus: Die Entwicklung des maschinentechnischen Wissens im Spannungs-

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Designforschung im histor ischen Kontext

In den verschiedenen Begriffsverwendungen von ›Design‹ ist oft unklar, ob damit auf den Prozess des Gestaltens, auf das Resultat dieses Prozesses oder schließlich auf einen symbolischen Wert verwiesen wird.14 Selbst dort, wo eine solche Zuweisung noch nachvollziehbar ist, schwingen dennoch unausgesprochen bestimmte, bisweilen elitäre Annahmen darüber mit, was ›gutes Design‹ bedeuten soll.15 Die ohnehin komplexe Begriffslage gewinnt weiter an Komplexität, gilt es doch nicht nur verbindliche Definitionen für ›Design‹, sondern auch für ›Designforschung‹ auszuhandeln.16 Aus diesem Grund werden im 2. Kapitel der vorliegenden Arbeit historische Designauffassungen vertieft, die in heutigen Debatten in Designtheorie und -forschung einen wichtigen Stellenwert einnehmen. Erschwerend für den deutschsprachigen Diskurs kommt hinzu, dass ein Großteil der jüngeren Texte zu Designtheorie und -forschung, aber auch zur Designgeschichte dem anglophonen Kulturraum entstammt. So werden mithin unterschiedlich konnotierte Designbegriffe auf unscharfe Weise miteinander vermengt oder es finden Fehlübersetzungen statt. Design – eine akademische Disziplin? Seit den 1960er Jahren ist im anglophonen Kulturraum, nicht zuletzt als Folge des Design Methods Movement, eine kontinuierliche Weiterentwicklung von Design als autonome akademische Disziplin in sowohl kulturwissenschaftlich-historischer als auch technologischer Richtung zu beobachten.17 Aber auch der (kontrovers diskutierte) Einfluss von bekannten Bauhaus-Persönlichkeiten wie Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe und László Moholy-Nagy und ihr Wirken an renommierten amerikanischen Hochschulen ab Ende der 1930er Jahre dürfte zur akademischen Anerkennung von Design in den USA beigetragen haben.18

14.

15. 16.

17.

18.

feld von Visualisierung und Abstraktion. In: Banse, Gerhard; Friedrich, Käthe (Hg.): Konstruktion zwischen Kunst und Wissenschaft. Idee, Entwurf, Gestaltung. Berlin. 2000, S. 169–191, hier S. 175–178. Dilnot, Clive: The State of Design History. Part II: Problems and Possibilities. In: Margolin, Victor (Hg.): Design Discourse. History. Theory. Criticism. Chicago/London 1989, S. 233–250, hier S. 233. Dilnot: The State of Design History. Part II. 1989, S. 234. Eine Zusammenstellung von Designauffassungen findet sich bei Salustri, Filippo A.; Eng, Nathan L.: Design as...: Thinking of what Design might be. In: Journal of Design Principles and Practices. Vol. 1, Nr. 1. 2007, S. 19–28. Designforschung findet dort etwa am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, am Illinois Institute of Technology in Chicago oder am Royal College of Art in London statt. 1966 wurde die Design Research Society in Großbritannien gegründet. 1979 wurde das britische Wissenschaftsjournal Design Studies, 1984 das erste amerikanische Wissenschaftsjournal Design Issues ins Leben gerufen. 1989 wurde das Journal of Research in Engineering Design gegründet, 1990 das Journal of Engineering Design sowie das Journal of Design Management, 1993 kamen Languages of Design und 1997 Design Journal hinzu. Vgl. als kritischen Beitrag zur Rolle des Bauhauses in den USA der Nachkriegszeit: Betts,

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Design al s Wissenskultur

Die dort verhandelten Forschungsfragen und -zugänge unterscheiden sich oftmals nicht nur durch ein anderes Designverständnis von deutschsprachigen Positionen, sondern sind ihrerseits durch sprachlich-kulturelle Besonderheiten geprägt, wie sie auf edukativer, politischer oder philosophischer Ebene auszumachen sind. So nahmen bzw. nehmen die pragmatische Philosophie19 oder behavioristische Psychologie in den USA einen zentralen Stellenwert ein, währenddessen in der deutschen Wissenschaftsgeschichte der Idealismus oder die Gestalttheorie bedeutsamer waren. Solche intellektuellen Prägungen machen sich bis in heutige Theorie- und Methodenkonstrukten der Designforschung bemerkbar.20 In den späten 1980er Jahren führte in den USA zudem die Unterstützung der National Science Foundation in Form einer Forschungsinitiative für Designtheorie und Designmethoden zu einem substantiellen Wachstum im Bereich des engineering design research. Anders zeigt sich die Situation in der deutschsprachigen Wissenschaftslandschaft. Obwohl namentlich die Hochschule für Gestaltung (HfG) Ulm in den 1960er Jahren mit Nachdruck – zwar nicht unumstritten, aber doch mit international beachtetem Erfolg – eine wissenschaftliche Fundierung und Konsolidierung des Design angestrebt hatte, wird bis heute beklagt, dass dieses im deutschsprachigen Raum eine akademische Randerscheinung, ein »Nicht-Thema«21 geblieben sei. So wird Design gegenwärtig in der Regel als Berufsausbildung und eher selten als wissenschaftliches Studium angeboten. 22 Entsprechend pragmatisch zeigt sich denn auch das Selbstverständnis des Feldes: vorrangig als professionelle Praxis und erst zweitrangig als noch zu konsolidierende Wissenschaftsdisziplin. Ohne Zweifel lassen sich auch in der Kunst- und Kulturgeschichte, der Architekturtheorie und den Ingenieurwissenschaften immer wieder nennenswerte Forschungsarbeiten zur Geschichte und seltener zur Theorie des Design finden, dennoch bleiben

19.

20.

21.

22.

Paul: Die Bauhaus-Legende. Amerikanisch-Deutsches Joint-Venture des Kalten Krieges. In: Lüdtke, Alf et al. (Hg.): Amerikanisierung. Traum und Albtraum im Deutschland des 20. Jahrhunderts. Stuttgart 1996, S. 270–290. Als zentrale Positionen: Charles Peirce, William James, John Dewey sowie der Neopragmatismus von Richard Rorty und Richard Shusterman. Vgl. zum Verhältnis von Designforschung und Pragmatismus: Melles, Gavin: An Enlarged Pragmatist Inquiry Paradigm for Methodological Pluralism in Academic Design Research. In: Artifact. Vol. 2, Nr. 1. 2008, S. 3–11. Vgl. zum Beispiel zum Einfluss pragmatistischer Theorien auf die Aktivitätstheorie (zur Erforschung der ›Mensch-Maschine-Interaktion‹) oder auf die Akteur-Netzwerk-Theorie: Strübing, Jörg: Pragmatistische Wissenschafts- und Technikforschung. Theorie und Methode. Frankfurt/New York. 2005, S. 322–341. Bonsiepe, Gui: Von der Praxisorientierung zur Erkenntnisorientierung oder: Die Dialektik von Entwerfen und Entwurfsforschung. In: Swiss Design Network (Hg.): Erstes Design Forschungssymposium. Zürich. 2004, S. 14–25, hier S. 18. In Deutschland kann Design an folgenden Universitäten (mit unterschiedlichen Schwerpunkten) studiert werden: Bauhaus Universität Weimar, Bergische Universität Wuppertal, Universität Kassel, Universität der Künste Berlin, Universität Dresden, Universität Duisburg Essen.

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diese – zumindest aus Sicht vieler Designforschender – disparate Unterfangen, die kaum über die Epoche der Klassischen Moderne hinausreichen. Schwerwiegender noch wird bemängelt, dass diese Untersuchungen für den Bereich des ›praktischen‹ Design kaum Geltung hätten, 23 oder dass sie der inhärenten »Unschärfe« des Gegenstands Design nicht gerecht werden könnten.24 In paradoxer Manier wird aus Sicht des Design zum einen also ein fehlender Theorie- und Wissenschaftskorpus und zum anderen – dort wo dennoch Forschungen zum Thema zu finden sind – eine disziplinäre akademische ›Überfremdung‹ bemängelt. Der in den entsprechenden Debatten geläufige, jedoch hochproblematische Begriff der ›Überfremdung‹ verdeutlicht die Schärfe mit denen diese Debatten bisweilen geführt werden. Auch lässt er die diffusen Ängste erahnen, von denen die Projekte zu einer Akademisierung des Design bis heute begleitet werden. Die notorisch beklagte »blinde Ad-hoc-Praxis« 25 und die »Theorielosigkeit des Design«26 ist meines Erachtens aber weniger nur monokausal und durch eine (wie auch immer geartete) ›Unschärfe‹ des Gegenstandes Design oder nur durch eine grundlegende akademische Skepsis im deutschsprachigen Wissenschaftsraum gegenüber dem Thema zu begründen. Vielmehr ist sie auf mehrere sowohl historische als auch soziale Faktoren zurückzuführen. Dazu zählt etwa jene Zäsur, die für das Projekt ›Designwissenschaft‹ mit der unfreiwilligen Schließung der HfG Ulm 1968 einherging, respektive ist in diesem Zusammenhang an die damit einhergehende Verlagerung der Designwissenschaft in technische Disziplinen wie den Ingenieur- und Planungswissenschaften zu denken. 27 Das ambivalente Verhältnis von Designpraxis und Designtheorie nährt sich aber auch daraus, dass wissenschaftliche Forschungsresultate unter Designschaffenden oft nur wenig Anerkennung finden, oder nur dann, wenn daraus ein unmittelbarer Nutzen für die Designpraxis er23. 24. 25.

26.

27.

Findeli, Alain: Die projektgeleitete Forschung: Eine Methode der Designforschung. In: Swiss Design Network (Hg.): Erstes Design Forschungssymposium. Zürich, 2004, S. 40–51, hier S. 43. Jonas, Wolfgang: Forschung durch Design. In: Swiss Design Network (Hg.): Erstes Design Forschungssymposium. Zürich. 2004, S. 26–33, hier S. 26. Ich beziehe mich auf eine Aussage von Gui Bonsiepe. Zit. nach: Schneider, Beat: Design forscht. In: Swiss Design Network (Hg.): Erstes Design Forschungssymposium. Zürich, 2004, S. 4–13, hier S. 5. Vgl. Bonsiepe, Gui: Die sieben Säulen des Designs. Design braucht keine Manifeste sondern Fundamente. In: Form + Zweck. Nr. 6. Berlin. 1992. Text auf: http://www.formundzweck.net [Okt. 2010]. Namentlich durch Horst Rittel, der von 1958–63 an der HfG Ulm lehrte und von 1973–90 Direktor und Professor war am Institut für Grundlagen der Planung an der Universität Stuttgart, Fakultät für Architektur und Stadtplanung. Wichtige Schriften von ihm sind in folgendem Werk zusammengetragen: Rittel, Horst: Planen, Entwerfen, Design. Ausgewählte Schriften zur Theorie und Methodik. Hg. von Wolf D. Reuter. Stuttgart et al. 1992.

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kennbar wird. Der Designwissenschaftler Clive Dilnot kommentiert diese starke Orientierung an der Designpraxis mit kritischen Worten: Design not only suffers from a general unwillingness of the culture to grant it the status of an activity worth studying and defining – an unwillingness shared by design practitioners who want design defined merely in terms of what designers do.28

Es ist unschwer vorzustellen, dass aus einer solchen Interessenlage nicht nur hegemoniale Spannungen zwischen den Akteuren aus Praxis und Theorie erwachsen, sondern dass die Theoriebildung des Design durch ihren starken Nexus mit und in ihrer Abhängigkeit von der Praxis geprägt und dadurch bisweilen auch eingeschränkt wird. Im Zuge des Bologna-Prozesses29 und den damit verbundenen Umstrukturierungen in der höheren Design- und Kunstausbildung werden Forschungsdesiderate im Design nicht nur im deutschsprachigen Raum wieder in größerem Umfang fokussiert und neu formuliert. Bildungspolitische Veränderungen in vielen europäischen Ländern, aber auch in Australien oder den USA bringen mit sich, dass Fragen zur Forschung in Kunst und Design zunehmend auf internationaler Ebene diskutiert werden. Dabei treten kulturhistorisch unterschiedlich ausgeformte Ansätze und Traditionen zur Designforschung miteinander in Kontakt. In Europa wurden in den 1970er und -80er Jahren zuerst in Großbritannien und Finnland bildungspolitische Umstrukturierungen an Kunsthochschulen zum Anlass genommen, darüber nachzudenken, wie ein eigenständiger Modus ›künstlerischer‹ oder ›gestalterischer Forschung‹ beschaffen sein könnte und wie sich dieser gegenüber ›akademischer Forschung‹ abgrenzen sollte. Deutlich zeichnet sich in diesen Bemühungen der Wunsch ab, sich mittels einer auf künstlerischen und gestalterischen Praktiken und Sichtweisen basierenden Forschung von der ›akademischen Welt‹ zu unterscheiden. Ein zentrales Moment der Unterscheidung wird in der vermeintlichen Praxisbasiertheit von Design und Kunst gesehen und gegenüber der vermeintlichen Theoriebasiertheit der Wissenschaften positioniert. Gemäß der Idee eines »making is thinking«,30 werden Kunst- und Designpraktiken als ›episte28.

29.

30.

In der zu dieser Aussage dazugehörigen Fußnote (4) präzisiert Dilnot: »This strategy has enormous advantages for designers. It immediately reduces design as a whole to what they are doing at any moment in time. It is less useful for designer’s public who may well need a different kind of design to serve its requirements. The self-interest of designers then should not be allowed to curtail definitions or articulations of different forms of designing.« In: Dilnot: The State of Design History. Part II. 1989, S. 233. Eine Übersicht zu den Zielsetzungen des Bologna–Prozesses sowie zu den damit einhergehenden Debatten findet sich zum Beispiel bei Walter, Thomas: Der Bologna-Prozess. Ein Wendepunkt europäischer Hochschulpolitik? Wiesbaden. 2006. Der Soziologe Richard Sennett greift diesen Gedanken auf. In ders.: The Craftsman. New Haven. 2008, passim.

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mische Praktiken‹ und »Wissensformen«31 aufgefasst, die aus dem gestalterischen Prozess hervorgehenden Artefakte werden als »Wissensobjekte« befragt.32 Dabei wird dem längst überholt geltenden Topos der künstlerischen Einbildungskraft wieder eine tragende Rolle zugeschrieben. Graeme Sullivan hält dazu fest: »Art practice as Research […] argues that the imaginative and intellectual work undertaken by artists is a form of research«.33 Mit anderen Worten, scheint sich im Entwerfen und im Entwurf das Verhältnis von »Imagination und Figuralität«34 auf komplexe Weise zu realisieren. Die Vorstellungen zu diesem Verhältnis kreisen um ein produktives Zusammenspiel von ›Einbildungskraft‹ und ›Darstellungsvermögen‹, von ›Auge‹ und ›Hand‹, von ›Denken‹ und ›Machen‹, in dem Erkenntnisse – womöglich auf andere Weise als in der Wissenschaft – zur Realisierung gelangen können. »Design heißt, Denken und Machen aufeinander zu beziehen«, so steht es bezeichnenderweise in Wolfgang Jean Stocks Einleitung zu Otl Aichers berühmter Schrift die welt als entwurf.35 Aufgespannt wird damit ein ideelles Setting, das für Design und Designforschung ein gleichermaßen bedeutungsstiftendes Potential besitzt: als eine vermittelnde und synthetisierende Tätigkeit, die verschiedene Kognitionsleistungen in einer ganzheitlichen Weise zu adressieren vermag. Ob die Art und Weise dieser ›gestalterischen‹ Bezugnahme auf die Welt, wie sie in der Designforschung derzeit postuliert wird, aber tatsächlich kategorisch oder essentiell von wissenschaftlichen Weisen der Wissenserzeugung zu unterscheiden ist, wird zentraler Diskussionspunkt in der vorliegenden Arbeit sein.36 Festzuhalten ist bereits an dieser Stelle, dass die disziplinäre Eigenständigkeit von Designforschung von ihren Akteuren vermittels eines komplex konstruierten Oppositionsverhältnisses von ›Design‹ versus ›Wissenschaft‹ und teils auch von ›Design‹ versus ›Kunst‹, ausgehandelt wird. Der Gedanke, dass sich im Design – also im Akt des Entwerfens und Gestaltens sowie in den daraus resultierenden materiellen Artefakten – Theorie und Praxis auf eine besondere Art und Weise verbinden, ist weitaus tiefer in den historischen Selbstverständnissen von Designschaffenden verwurzelt, als es die bildungspolitische Aktualität der Designfor31. 32. 33. 34.

35. 36.

Böhme, Gernot: Kunst als Wissensform. In ders.: Für eine ökologische Naturästhetik. Frankfurt a. Main. 1989, S. 141–166. Vgl. dazu Biggs, Michael: The Role of the Artefact in Art and Design Research. Working Papers in Art and Design 3. Vol. 1. University of Hertfordshire. Hertfordshire. 2004. Sullivan, Graeme: Art Practice as Research. Inquiry in the Visual Arts. Thousand Oaks. 2005, S. xi. Mersch, Dieter: Imagination, Figuralität und Kreativität. Zur Frage der Bedingungen kultureller Produktivität. In: Sic et Non. Zeitschrift für Philosophie und Kultur. Im Netz. Darmstadt. 2005, S. 1–12. Text auf: http://www.sicetnon.org [Okt. 2010]. Stock, Wolfgang Jean: Einführung. In: Aicher, Otl: die welt als entwurf. Berlin. 1991, S. 8–13, hier S. 12. Im 3. und vor allem 4. Kapitel des vorliegenden Buches wird auf diesen Aspekt eingegangen.

31

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schung nahe legt. Das Verhältnis von gestalterischer Praxis und Wissenschaft wurde – unter anderen Vorzeichen und in anderer Terminologie als heute – spätestens seit den künstlerischen Avantgarden Anfang des 20. Jahrhunderts diskutiert, im Anschluss an eine zunehmende Ausdifferenzierung und Spezialisierung von Kunst und Wissenschaft, wie sie das 19. Jahrhundert etabliert hat. Cross hält mit Blick auf Theo van Doesburg fest: A desire to ›scientise‹ design can be traced back to ideas in the twentieth century modern movement of design. For example, in the early 1920s, the De Stijl protagonist, Theo van Doesburg, expressed his perception of a new spirit in art and design: ›Our epoch is hostile to every subjective speculation in art, science, technology, etc. The new spirit, which already governs almost all modern life, is opposed to animal spontaneity, to nature’s domination, to artistic flummery. In order to construct a new object we need a method, that is to say, an objective system‹.37

Auch in der Sowjetunion der 1920er und -30er Jahre entwickelte sich eine enge produktive Verbindung von Kunstproduktion und Lebenswissenschaft, so zum Beispiel in den Moskauer VchUTEMAS (Höhere Künstlerisch-Technische Werkstätten) oder am GINKhUK (Staatliches Institut für Künstlerische Kultur).38 In diesen künstlerisch-wissenschaftlichen Laboratorien wirkten neben bekannten Namen wie Wassily Kandinsky, Wladimir Tatlin oder Kazimir Malevich zahlreiche weitere russische Kunstschaffende mit.39 Der Komponist, Maler und Theoretiker Mikhail Matiushin versuchte etwa, basierend auf einer Erweiterung der Sinneswahrnehmung, eine Farbtheorie für die Belange von Architektur und Design zu entwicklen. 40 Das Verhältnis von Gestaltung und Wissenschaft war darüber hinaus eines der Kernthemen der Klassischen Moderne, aufschlussreich ist diesbezüglich etwa die Verbindung von Bauhaus und Wiener Kreis. 41 An der HfG Ulm wurde in den frühen 1960er Jahren, wie bereits angedeutet, ein an Wissenschaft und Theorie orientiertes Ausbildungsmodell angestrebt um 37.

38.

39.

40. 41.

Doesberg, Theo van: Towards a Collective Construction. De Stijl. 1923. Zit. nach Cross, Nigel: Designerly Ways of Knowing: Design Discipline Versus Design Science. In: Design Issues. Vol. 17, Nr. 3. 2001, S. 49–55, hier S. 49. Zu GINKhUK und VchUTEMAS vgl. grundlegend Tillberg, Margareta: Coloured Universe and the Russian Avant-Garde. Matiushin on Colour Vision in Stalin’s Russia, 1932. Stockholm. 2003. Vgl. weiter u.a. zum Psychotechnischen Labor für Architektur in Moskau: Vöhringer, Margarete: Avantgarde und Psychotechnik. Göttingen. 2007. Vgl. etwa zu Kandinsky: Flach, Sabine: »Das ›Gefühl‹ ist es, welches das ›Hirn‹ korrigiert.« Wahrnehmungsexperimente zwischen Kunst und Lebenswissenschaft. In: Welsh, Caroline; Willer, Stefan (Hg.): »Interesse für bedingtes Wissen«. Wechselbeziehungen zwischen den Wissenskulturen. München, 2008, S. 245–266. Vgl. Tillberg: Coloured Universe and the Russian Avant-Garde. 2003. Galison, Peter: Aufbau/Bauhaus. Logical Positivism and Architectural Modernism. In: Critical Inquiry. Vol. 16. Nr. 4. 1990, S. 709–752. Vgl. auch Dahms, Hans-Joachim: Mies van der Rohe und die Philosophie um 1930. In: Arch+. Nr. 161. Online-Publikation. 2002, S. 1–6.

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eine autarke Designausbildung zu sichern. Dabei ging es aber weniger um eine Synthese von Kunst und Wissenschaft, vielmehr sollte die »Kunst im Entwurf«42 mit den Mitteln der Wissenschaft verbannt werden. Weitere Versuche, Kunst und (Natur-)Wissenschaft vermittels einer »dritten Kultur« einander wieder anzunähern, finden sich insbesondere in der Computerkunst der 1960er Jahre. 43 Diese war eng mit den zu jener Zeit neu aufkommenden Ansätzen der Kybernetik, der generativen Ästhetik und der Informationsästhetik verbunden, wie sie namentlich Abraham Moles und Max Bense vorantrieben. So stellte Moles 1968 in Aussicht, dass für die Praxis des Industriedesign ein neues Instrumentarium einzuführen und in seinen möglichen Auswirkungen auf die Methodologie des Design zu überprüfen wäre: »Der Einsatz von Rechenanlagen, automatischen Zeichenmaschinen, kombinatorischen Verfahren, Spieltheorien und Listenverfahren«. 44 Max Bense konstatierte fast zur selben Zeit mit Blick auf die numerischen Computer-Grafiken von Georg Nees, Frieder Nake und anderen, dass dabei nicht mehr in einem philosophischen Sinne von ›Ästhetik‹ gesprochen werden könne, sondern dass mathematische und technologische Gesichtspunkte dominierten. Die entsprechende ästhetische Theorie bezeichnet er als »wissenschaftliche Ästhetik« und führt dazu aus: »Tatsächlich spielen in dieser ästhetischen Theorie Vorstellungen und Begriffsbildungen eine Rolle, die nicht nur der Mathematik und der Semiotik angehören, sondern aus der Physik, der Informationstheorie, der Kommunikationstheorie, der Signaltheorie und der Systemforschung übernommen wurden«. 45 Bense denkt diese Form der Ästhetik als »eine objektive und materiale Ästhetik, die nicht mit spekulativen, sondern mit rationalen Mitteln arbeitet«. 46 Wissenschaft und Gestaltung fanden in den 1960er Jahren also in Form eines ›praktischen Experiments‹ mit rationalen Grundlagen zueinander. Im Verbund kam ihnen die Rolle eines Korrektivs zu, im Kunstkritik und Kunstausbildung aus dem Geist der Wissenschaft heraus zu erneuern. Nur eine »rationale-empirische, objektiv-materiale Ästhetik-kon42.

43. 44.

45.

46.

Rinker, Dagmar: Produktgestaltung ist keine Kunst – Tomás Maldonados Beitrag zur Entstehung eines neuen Berufsbildes. In: Dies. et al. (Hg.): ulmer modelle – modelle nach ulm. hochschule für gestaltung 1953–1968. Ostfildern-Ruit. 2003, S. 38–49, hier S. 42. Vgl. Klütsch, Christoph: Computergrafik. Ästhetische Experimente zwischen zwei Kulturen. Die Anfänge der Computerkunst in den 1960er Jahren. Wien/New York. 2007, S. 15–28. Moles, Abraham A.: Die Krise des Funktionalismus. [1968]. In: Fischer, Volker, Hamilton, Anne (Hg.): Theorien der Gestaltung. Grundlagentexte zum Design. Bd. 1. Frankfurt a. Main. 1999, S. 211–213, hier S. 213. Bense, Max: Einführung in die informationstheoretische Ästhetik. [1968]. In: Bense, Max: Ausgewählte Schriften. Bd. 3. Ästhetik und Texttheorie. Hg. von Elisabeth Walther. Stuttgart/Weimar. 1988, S. 258. Bense: Einführung in die informationstheoretische Ästhetik. 1988, S. 258. Kursiv im Original.

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zeption« schien für Bense noch dazu imstande zu sein, »das allgemeine spekulative Kunstgeschwätz« zu beseitigen und »den pädagogischen Irrationalismus unserer Akademien zum Verschwinden zu bringen«. 47 Diese Aufzählung von potentiellen historischen ›Vorläufern‹ von Designforschung muss an dieser Stelle allerdings höchst unvollständig bleiben. Dennoch soll sie verdeutlichen, dass die Bestimmung des Verhältnisses von Design und Wissen nicht erst in den 1960er Jahren ihren Anfang nahm, sondern dass entsprechende Diskussionen und Projekte bereits früher stattfanden und dass in der Trennung von Kunst und Wissenschaft im 19. Jahrhundert das Potential für eine reziproke Befragung dieser beiden Felder oder Systeme bereits angelegt wurde. Das 4. Kapitel behandelt diesen Aspekt in vertiefter Weise. Die folgenden Darstellungen – zunächst zum historischen Design Methods Movement, dann zur Geschichte der Institutionalisierung von Designforschung an Kunsthochschulen – sollen das oben Besprochene weiter fundieren. Dabei wird jedoch kein vollständiger Überblick angestrebt, sondern versucht, entlang einiger markanter Punkte und Aussagen zu veranschaulichen, warum der Wissensdiskurs der Designforschung heute in einer derart polyphonen Weise zu Worte kommt.

Geschichte der Designmethodologie in den 1960er Jahren Die 1960er Jahren waren in den USA und in Westeuropa nicht nur auf politischer Ebene eine bewegte Zeit, mit Studenten-, Bürgerrechts- und Antikriegsbewegungen, 48 sondern sie waren auch, wie Andrew Pickering schreibt, von einem ausgeprägten »experimentalism« 49 geprägt, einer großen Offenheit gegenüber wissenschaftlichen und technologischen Versuchsanordnungen. Von dieser Offenheit, die unter den Vorzeichen der Nachkriegszeit und des Kalten Krieges zu lesen ist, konnte zweifellos auch die zu dieser Zeit im Entstehen begriffene Designmethodologie profitieren. Als Design Methods Movement wurde eine interdisziplinäre Bewegung zur Systematisierung des Design bezeichnet, die zu Beginn der 1960er 47.

48. 49.

Bense: Einführung in die informationstheoretische Ästhetik. 1988, S. 258. Vgl. zu diesem Aspekt auch die legendäre Auseinandersetzung zwischen Max Bense und Jospeh Beuys an der Werner-von-Siemens-Schule in Düsseldorf im Jahre 1970. Zusammengefasst in: Pias, Claus: »Hollerith ›gefiederter‹ Kristalle«. Kunst, Wissenschaft und Computer in den Zeiten der Kybernetik. In: Hagner, Michael; Hörl, Erich (Hg.): Die Transformation des Humanen. Beiträge zur Kulturgeschichte der Kybernetik. Frankfurt a. Main. 2008,S. 72–106, hier S. 73–77. Vgl. Becker, Thomas P.; Schröder, Ute (Hg.): Die Studentenproteste der 60er Jahre. Köln. 2000; Gilcher-Holtey, Ingrid: Die 68er Bewegung. Deutschland, Westeuropa, USA. München. 2001. Pickering, Andrew: New Ontologies. In: Pickering, Andrew; Guzik, Keith (Hg.): The Mangle in Practice. Science. Society and Becoming. Durham/London, 2008, S. 1–14, hier S. 13.

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Jahre vor allem im anglophonen Kulturraum aufkam und dort einige Jahre Fuß fassen konnte. Sie wurde durch technologische Interessen und eine bis dahin kaum gekannte methodologische Neugier am Entwurf motiviert, die tief in den gesellschaftspolitischen Entwicklungen ihrer Zeit fußte. Namentlich wurde die Bewegung initiiert durch Akteure wie Christopher Alexander, Bruce Archer, Geoffrey Broadbent, Nigel Cross, Sydney Gregory, John Christopher Jones, Martin Krampen, Marvin Manheim, Gary Moore, Horst Rittel oder Denis Thornley. Obwohl die Bewegung einst einen intensiven interdisziplinären Austausch über Entwurfsmethoden darstellte, ist sie heute außerhalb von Architektur und Planungswissenschaften nur noch wenigen bekannt. Dieser Umstand verleitete Horst Rittel, einen Planungs- und Designtheoretiker, der unter anderem an der HfG Ulm wirkte, bereits Ende der 1980er Jahre zu der Aussage: »It is one of the mysteries of our civilization that the noble and prominent activity of design has found little scholarly attention until recently«.50 Mit dem Verweis »until recently« spielte Rittel also auf das Design Methods Movement an, das zum Zeitpunkt seiner Aussage fast schon wieder in die Vergessenheit abzugleiten drohte. Die ›offiziellen‹ Anfänge des Design Methods Movement (ebenfalls geläufig ist die Bezeichnung Design Theory and Methods Movement) können ziemlich genau datiert werden, wenn man die erste thematische Konferenz der Bewegung als Ausgangspunkt nimmt. Vom 19. bis zum 21. September 1962 fand am Imperial College in London erstmals eine Konferenz zur Designmethodik statt. Sie trug den Titel Conference on Systematic and Intuitive Methods in Engineering, Industrial Design, Architecture and Communications.51 Die Konferenz war, wie Jesko Fezer konstatiert, »als ein erster Versuch angelegt, die damals neu entstehenden Entwurfsmethoden zu verstehen und zu beschreiben«.52 Methoden aus den unterschiedlichsten Disziplinen wurden aufgegriffen: aus dem Management, der Produktentwicklung, der Buchführung und dem Marketing, aber auch aus dem Schauspiel, der Malerei, der musikalischer Komposition, der Literatur, der Philosophie, der Sozialarbeit und der Pädagogik.53 Es wurde versucht, dieses interdisziplinäre Methoden-Set auf Fragen des Entwerfens anzuwenden. In all den genannten Bereichen tauchten vermeintliche Entwurfsansätze auf, 50. 51.

52.

53.

Rittel, Horst: The Reasoning of Designers. Arbeitspapier A-88-4. Institut für Grundlagen der Planung. Universität Stuttgart. Stuttgart. 1988, S. 1. Jones, John Christopher; Thornley, Denis G. (Hg.): Conference on Design Methods. Papers Presented at the Conference on Systematic and Intuitive Methods in Engineering, Industrial Design, Architecture and Communications, London 1962. New York. 1963. Fezer, Jesko: A Non-Sentimental Argument. Die Krisen des Design Methods Movement 19621972. In: Gethmann, Daniel; Hausen, Susanne (Hg.): Kulturtechnik Entwerfen. Praktiken, Konzepte, Medien in Architektur und Design Science. Bielefeld. 2009, S. 287–304, hier S. 289. Ich beziehe mich im Folgenden auf den gut recherchierten und sehr aufschlussreichen Aufsatz von Fezer: A Non-Sentimental Argument. 2009, S. 289 ff.

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sie rangierten unter so disparaten Stichworten wie »operational research, work study, social work, discounted cash flow, market research, ›method‹ acting, drip painting, serial music, stream-of consciousness, novel writing, linguistic philosophy, the science of science, coordinate indexing, group dynamics, programmed learning and war gaming«.54 Der Zusammenhang zwischen Designmethodologie und militärischer Planung taucht in dieser Aufzählung als letzte Referenz scheinbar nur am Rande auf, doch sind gerade dort die wohl stärksten Bezüge zu suchen. Zu denken ist etwa an die Arbeitsweisen, die in den so genannten Think-Thanks der US-amerikanischen RAND-Corporation (Research ANd Development) in der Nachkriegszeit entwickelt wurden. Die RAND-Corporation wurde 1946 als non-profit-Forschungsorganisation gegründet, um die Streitkräfte der USA angesichts der enormen Unsicherheiten, die das gerade angebrochene ›Atomzeitalter‹ mit sich brachte, zu beraten und unkonventionelle militärstrategische ›Antworten‹ darauf zu finden.55 In den Think-Thanks wurden denn auch auf innovative und experimentelle Weise planungstheoretische Ansätze wie 0perations research oder Spieltheorie mit Kreativitätstechniken wie Brainstorming, Rollenspielen, Folienprojektionen oder Senzario-Techniken kombiniert.56 Mit einem vergleichbaren Theorie- und Methodenrepertoire setzten sich auch die Akteure des Design Methods Movement auseinander. Zielsetzungen und Prämissen des Design Methods Movement Der Erfolg der Londoner Konferenz im Jahre 1962 markierte den Beginn der Designmethodenbewegung. Ihr folgte eine Reihe von Veranstaltungen und Projekte. Weitere Konferenzen fanden 1965 in Birmingham, 1966 in Waterloo (Kanada), 1967 in Portsmouth und 1971 in Manchester statt. 1966 gründeten die Komitee-Mitglieder der Londoner Konferenz die internationale Design Research Society mit dem erklärten Ziel, »to promote the study of and research into the process of designing in all its many fields«.57 John Christopher Jones, der die Konferenz 1962 mitinitiierte, gründete im Anschluss daran ein postgraduelles Design Research Laboratory am Institute of Science and Technology an der University of Manchester. Bruce Archer, ein weiterer Akteur der aufstrebenden Bewegung der Designmethodologie, baute ein postgraduelles Departement für Designforschung am Royal College of Art in London auf und wurde 1971 dort zum ersten Professor 54. 55. 56. 57.

Zit. nach Fezer: A Non-Sentimental Argument. 2009, S. 289. Brandstetter, Thomas et al.: Think-Thank-Denken. Zur Epistemologie der Beratung. In: Dies. (Hg.): Think Thanks. Die Beratung der Gesellschaft. Zürich/Berlin. 2010, S. 17–57, hier S. 36. Brandstetter: Think-Thank-Denken. 2010, S. 25. Vgl. zur Design Research Society: http://www.designresearchsociety.org [Okt. 2010].

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Abb. 1: Variante eines ›Morphologischen Kastens‹ zur Entwurfsoptimierung (K.W. Norris, 1963)

für Designforschung berufen. Die Design Methods Group (DMG) um Gary Moore, Marvin Manheim und Martin Krampen rief nach der Konferenz Planning and Design 66. Computers in Design and Communication 1966 in Waterloo den DMG-Newsletter ins Leben, mit dem Interesse, »rationale Theorien und Methoden« auf das »environmental design« zu übertragen.58 Ein gemeinsames Vorhaben des Design Methods Movement war es, Methoden zu finden, mit denen sich die bis dahin mehr oder weniger ›intuitiv‹ durchgeführten Entwurfsprozesse ›rational‹ und ›objektiv‹ erfassen und systematisch steuern ließen. Der britische Ingenieur Ken Norris adaptierte zum Beispiel eine algorithmische Ideenfindungstechnik des Astrophysikers Fritz Zwicky, den so genannten ›morphologischen Kasten‹,59 für die Belange der Designforschung.60 [ Abb. 1 ] Der morphologische Kasten ist eine Matrix, die sowohl als zweidimensionale Tabelle wie auch als perspektivisch projektierter dreidimensionaler Würfel vorkommen kann. Vermittels der Kombination von vorgängig festgelegten Parametern soll er eine instrumentelle Grundlage darstellen, um möglichst viele Lösungsvorschläge für eine Problemstellung auf eine algorithmische und somit vermeintlich ›objektive Weise‹ zu generieren. 58. 59. 60.

Moore, Gary: What is the Design Methods Group? In: DMG Newsletter 1. 1966, S. 1. Vgl. zur Technik des morphologischen Kastens: Zwicky, Fritz: Entdecken, Erfinden, Forschen im morphologischen Weltbild. München. 1971, S. 94–108. Norris, Ken W.: The Morphological Approach to Engineering Design. In: Jones, John Christopher; Thornley, Denis G. (Hg.): Conference on Design Methods. New York. 1963, S. 115–140.

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Von dieser und weiteren systematischen Entwurfsmethoden sollte, so hofften die Akteure der Designmethodologie, sowohl die Designausbildung als auch die professionelle Designtätigkeit profitieren.61 Bestärkt wurde diese Hoffnung durch einen Wandel, den man in den industriellen und technologischen Produktionsbedingungen des Design zu jener Zeit erkannte. Nigel Cross berichtet: »The originators of the ›design methods movement‹ […] realized that there had been a change from the craftwork of preindustrial design to the mechanization of industrial design«.62 Die Designmethodenbewegung ging jedoch weit über den Bereich dessen hinaus, was zu jener Zeit gemeinhin dem Design zugerechnet wurde (wie etwa die Architektur, das Produktdesign oder engineering design).63 Sie brachte vielmehr eine Vielzahl ganz unterschiedlicher, interdisziplinärer Forschungsinteressen zur Methodik und Struktur des Entwurfs zusammen. Es scheint, als ob sich unter der Begriffsklammer von ›Entwurf‹ und ›Design‹ in den 1960er Jahren substantielle Fragen zur ›Konstruiertheit‹ von bestehender und damit auch zur Planbarkeit von zukünftiger Wissenschaft, Gesellschaft und Umwelt versammeln konnten. Zugleich – und dieser Punkt ist zentral für den Designforschungsdiskurs der Gegenwart – orientierte sich die Art und Weise, wie man sich einer allgemeinen Entwurfsmethodologie interdisziplinärer Ausprägung annäherte, an bestimmten wissenschaftlichen Leitansätzen der Zeit: an der Kybernetik, der Systemtheorie, der Planungstheorie oder dem Strukturalismus.64 Diese Konditionierung findet sich übrigens auch auf visueller Ebene wider. So wurde die Designmethodik beispielsweise von McCrory diagrammatisch als ein kybernetisch organisierter Regelkreis abgebildet. [ Abb. 2 ] Vertreten wurde das Design Methods Movement denn auch von Akteuren, die zwar aus unterschiedlichen, meist aber aus naturwissenschaftlichen oder technikaffinen Disziplinen kamen: aus dem Ingenieurwesen, dem Industriedesign, der Produktentwicklung, dem Maschinenbau, der Informationstechnologie, aber auch aus der Chemie, der Philosophie, der Ergonomie und der Architektur. Diese interdisziplinäre Ausrichtung habe, so konstatiert Fezer, nicht nur dem verstreuten Auftauchen einer Entwurfsmethodik in verschiedenen Forschungsgebieten entsprochen, sondern vor allem auch der These, dass der Entwurfsprozess in unterschiedlichen Dis61. 62. 63. 64.

Vgl. Jones; Thornley: Conference on Design Methods. 1963, S. 1–10. Cross: Designerly Ways of Knowing: Design Discipline Versus Design Science. 2001, S. 52. Jones, John Christopher: Design Methods. Second Edition. New York et al. 1992, S. 3. Das Design Methods Movement war nur eine Bewegung, die an diese Ansätze anschloss. Etwa zeitgleich entwickelte beispielsweise auch die Palo Alto-Gruppe um Gregory Bateson kybernetische Kommunikationstheorien; Richard Bandler und John Grinder entwickelten im Anschluss an die Transformationsgrammatik von Noam Chomsky und im Austausch mit Bateson den Ansatz des Neurolinguistischen Programmierens (NLP). Vgl. Walker, Wolfgang: Abenteuer Kommunikation. Bateson, Perls, Satir, Erickson und die Anfänge des Neurolinguistischen Programmierens. Stuttgart. 2004, S. 37, S. 60–66.

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Abb. 2: Grafische Darstellung der ›design method‹ (R. J. McCrory, 1966)

ziplinen ein einheitliches Muster aufweise.65 Sydney Gregory nannte dies »die Entwurfsmethode« (design method). Er definiert den ›Entwurf‹ in einem generalistischen Sinne als »a process the pattern of which is the same, whether it deals with the design of a new oil refinery, the construction of a character, or the writing of Dante’s Divine Comedy«.66 Egal also ob es um Gebäudeplanung oder um künstlerische Ausdrucksformen geht – den unterschiedlichen entwerferischen Tätigkeiten wird ein vergleichbares, nämlich systemisches Muster attestiert. Bernhard Bürdeck differenziert diese Diagnose jedoch in der Hinsicht, dass fälschlicherweise oft angenommen werde, das Ziel der methodologischen Forschung sei die Entwicklung einer einheitlichen und stringenten Methode für Design gewesen.67 Dabei werde aber übersehen, dass unterschiedliche Entwurfsaufgaben auch unterschiedliche Entwurfsme65. 66. 67.

Fezer: A Non-Sentimental Argument. 2009, S. 291. Gregory, Sydney A.: Design and The Design Method. In: Gregory, Sydney A. (Hg.): The Design Method. London. 1966, S. 3–10, hier S. 3. Bürdek, Bernhard E.: Design. Zur Geschichte, Theorie und Praxis der Produktgestaltung. Basel et al. 2005 [1991], S. 251.

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thoden erforderten und dass demnach die entscheidende Ausgangsfrage bei Entwurfsprozessen laute, welche Methode bei welcher Problemstellung angewendet werden soll. In diesem Verständnis für die Vorbedingungen des Entwerfens erkennt er denn auch einen wesentlichen Beitrag des Design Methods Movement für die spätere Designtheorie und -forschung. Neben den genannten Konferenzen und den aus ihnen hervorgegangenen Publikationen gab es weitere Werke, die für die frühe Designmethodologie relevant waren. Dazu zählt zum Beispiel Morris Asimows Introduction to Design aus dem Jahre 1962. Es handelt sich dabei um eine ingenieurwissenschaftliche Publikation, in der Asimow sämtliche Designprozesse im Grunde den drei Klassen ›Analyse‹, ›Synthese‹ und ›Evaluation‹ zuordnet.68 Wie wir im 2. Kapitel sehen werden, hat insbesondere die Klassifizierung von Design als ›Synthese‹ in der Designforschung eine besondere Bedeutung erlangt. Als erste fachspezifische Dissertation im Bereich des Design bzw. der Architektur gilt Christopher Alexanders Arbeit Notes on the Synthesis of Form von 1964.69 Alexander plädiert darin für einen dezidierten methodischen Rationalismus im Design. Komplexe Designprobleme sollen deduktiv in ihre Bestandteile zerlegt werden, um dann im Entwurfsprozess über die Betrachtung von subalternen Problemen mit Alternativlösungen anzusetzen. Auch die nachfolgende Publikation A Pattern Language, die Alexander gemeinsam mit anderen Autoren 1977 publizierte, beschäftigt sich in einer ähnlichen Weise mit Entwurfsmustern in der Stadtplanung.70 Die pattern language wurde als strukturalistische Entwurfsmethode konzipiert, mit deren Hilfe kontextspezifische urbane, architektonische und gestalterische Strukturen im Sinne einer ›Sprache‹ codiert, modular zueinander in Beziehung gesetzt und kombiniert werden sollen. [ Abb. 3 ] The elements of this language are entities called patterns. Each pattern describes a problem which occurs over and over again in our environment, and then describes the core of the solution to that problem, in such a way that you can use this solution a million times over, without ever doing it the same way twice.71

Stadträume wurden also in einzelne urbane Muster (pattern) unterteilt, in unterschiedliche Bereiche mit gemeinsamer Nutzung: etwa in Universitäten, Friedhöfe, Einkaufs- oder Wohnzonen. Für diese Muster gaben die Autoren jeweils dezidierte Anweisungen zu ihrer Planung und Bebauung. Nicht zufällig erinnert der Ansatz an lingusitische Sprachtheorien aus je68. 69. 70. 71.

Asimow, Morris: Introduction to Design.Prentice-Hall, New Jersey. 1962. Alexander, Christopher: Notes on the Synthesis of Form. Cambridge, Mass. 1964. Alexander, Christopher et al.: A Pattern Language. Towns, Buildings, Construction. New York. 1977. Alexander: A Pattern Language. 1977, S. x.

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Abb. 3: Beispiel eines urbanen ›Patterns‹ nach Christopher Alexander et al. (1977)

nen Jahren. In der Tat hatte sich Alexander mit den Thesen des Linguisten Noam Chomsky kritisch auseinandergesetzt und hat, ähnlich wie Chomksy es für die Sprache tat, versucht, eine Art übergeordnete Grammatik für die Problemstellungen in der Architektur zu entwickeln.72 Die Muster (insgesamt über 250) die Alexander und seine Co-Autoren dabei identifizierten, wurden von ihnen in einer essentialistisch-naturalisierenden Weise als »archetypisch« erachtet, als »deeply rooted in the nature of things«.73 Dergestalt naturalisiert schrieben ihnen die Autoren eine Jahrhunderte dauernde Beständigkeit zu. Sie gingen von der Annahme aus, dass Planungsprobleme die im Mittelalter für bestimmt urbane Muster Geltung hatten, auch im 20. Jahrhundert noch derart anzutreffen seien. Diese Vorstellung dürfte jedoch aus heutiger Sicht kaum mehr dieselbe Überzeugungskraft haben, wie noch in den 1970er Jahren. Der Ansatz der pattern language konnte in der Architektur- und Designmethodologie letzlich nicht Fuß fassen. Er wurde jedoch in der Informatik erfolgreich unter dem Begriff ›design patterns‹ aufgenommen und stellt dort heute ein Set von bewährten Problemlösungsansätzen für immer wiederkehrende Probleme in der Software-Entwicklung dar.74 72. 73. 74.

Vgl. zu Alexander und Chomsky: http://chomskyalexander.blogspot.com [Okt. 2010]. Alexander: A Pattern Language. 1977, S. xvii. Gamma, Erich et al.: Design Patterns. Elements of Reusable Object-Oriented Software. Addison Wesley. 1995.

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Weitere Publikationen, die eine Systematisierung von Designmethoden zum Ziel hatten, wurden ab der zweiten Hälfte der 1960er Jahre von Bruce Archer und John Christopher Jones vorgelegt.75 Archer veröffentlichte 1965 ein Werk mit dem bezeichnenden Titel Systematic Method for Designers. Jones gab 1970 eine Art »cook-book« 76 heraus, indem er über dreissig Designmethoden und -ansätze versammelte. Dazu gehören zum Beispiel die Folgenden: »Value Analysis«, »Man-Machine System Designing«, »Interviewing Users«, »Questionnaires«, »Brainstorming«, »Morphological Charts«, »Interaction Matrix«, »Functional Inovation« oder »Classification of Design Information«.77 Im Vorwort des Buches plädierte Jones für einen Methodenrigorismus, der seines Erachtens im Design noch mit zu wenig Ernsthaftigkeit betrieben würde: »I find […] that few are prepared for the rigour with wich it is necessary to follow a method if it is to make a difference to one’s habitual way of setting about designing.« 78 Erst eine methodische Rigorosität konnte seines Erachtens gewährleisten, bereits in frühen Statdien des Entwurfsprozesses von einer »ignorance-of-the-new« zu einem »knowledge-of-the-new« zu gelangen – anstatt erst im Nachhinein von Fehlern zu lernen.79 Anzumerken ist jedoch auch, dass sich Jones nur wenige Jahre später von seinem Methodenrigorismus wieder deutlich distanzieren sollte. Auch aus dem Umfeld der ›Künstlichen Intelligenz‹-Forschung wurde in den 1960er Jahren intensiv zu Entwurfsfragen gearbeitet. Von dem späteren Wirtschaftsnobelpreisträger Herbert Simon, der gemeinsam mit Allan Newell Mitte der 1950er Jahre das Computerprogramm Logical Theorist entwickelte, stammt die Publikation The Sciences of the Artificial (1969).80 Sie gilt bis heute als wegweisend für die Designtheorie und -forschung, nicht zuletzt deswegen, weil Simon darin den Ausdruck »the Science of Design« prägte.81 Da im 2. Kapitel ausführlich auf seinen Ansatz eingegangen wird, sollen hier nur einige Sätze vorweg genommen werden. Gemessen an traditionelleren, kunstgewerblichen oder werkkünstlerischen Designauffassungen nahm Herbert Simon eine radikal erweiterte Position ein, indem er Design als eine ›Wissenschaft des Künstlichen‹, als ›universeller‹ Modus des praktischen Denkens, Planens, Entscheidens und Tuns in einer artifiziellen Welt bestimmte.82 Um die Designtätigkeit nach logisch-wissenschaftlichen Kriterien zu erfassen, wählte er die Be75. 76. 77. 78. 79. 80. 81. 82.

Archer, Bruce L.: Systematic Method for Designers. London. 1965. Jones: Design Methods. 1992, S. xxiii. Jones: Design Methods. 1992, S. vi f. Jones: Design Methods. 1992, S. xxiv. Jones: Design Methods. 1992, S. xxv. Erstausgabe: Simon, Herbert A.: The Sciences of the Artificial. Cambridge, Mass. 1969. Vgl. Simon, Herbert A.: The Sciences of the Artificial. Cambridge, Mass./London. 1996 [1969], S. 111–138. Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 111.

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Abb. 4: Pläne von Buckminster Fullers ›Dymaxion House‹, Projektphase 1929

schreibungsform der Modallogik,83 da die in den (Natur-)Wissenschaften gültige deklarative Aussagelogik seines Erachtens die Besonderheiten von Design nicht angemessen beschreiben konnte. Damit unterschied er jedoch nicht bloß zwischen verschiedenen Modi wissenschaftlich-logischer Beschreibungen, sondern bekräftigte zudem eine, aus heutiger Sicht zu problematisierende, kategorische ›Wesensdifferenz‹ von (Natur-)Wissenschaft und Design. »The natural sciences are concerned with how things are«, so Simon, »Design, on the other hand, is concerned with how things ought to be, with devising artifacts to attain goals«.84 Diese Unterscheidung zwischen ›Wissenschaft‹ und ›Design‹ ist für das Selbstverständnis der Designtheorie und -forschung bis heute auf eine zugleich produktive und prekäre Weise instruktiv geblieben und kommt in der vorliegenden Untersuchung wiederholt zur Sprache. Eine mit Simon verwandte, wenngleich pragmatischere Sichtweise vertrat der Architekt, Designer, Forscher und Wissenschaftler Richard Buckminster Fuller, der seinerseits den Ausdruck »design science« initiierte und diesen wie Simon als einen »problem solving approach« vermittelte.85 Auch Fuller verstand Design in einem erweiterten Sinne als planvolles, konstruktives Handeln, das zur erfolgreichen Lösung von Problemen führen sollte. Er ließ es allerdings nicht bei der Theoriebildung bewenden, sondern verfolgte seinen Ansatz in konkreter Weise, indem er Gebäudekonzepte und -strukturen entwarf und realisierte. Zu seinen bekanntesten Entwürfen gehören das Dymaxion-Haus [ Abb. 4 ] oder der so genannte ›geodätische Dom‹, den er unter anderem für den US-Pavillon an der Weltausstellung 1967 in Montreal realisierte. Fuller verfolgte einen dezidiert biologistisch-systemischen 83. 84. 85.

Vgl. dazu insbesondere Fußnote 2 in Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 114. Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 115. Fuller, Buckminster John: World Design Science Decade 1965–1975. Phase 1 (1963). Document 1. Inventory of World Resources, Human Trends and Needs. Illinois. 1963.

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Ansatz: Er sah seine Aufgabe darin, zu erforschen, »wie die Welt baut«.86 Seine eigenen architektonischen Entwürfe wurden denn auch von einem solchen vermeintlichen »Bauplan der Natur« angeleitet. Zugleich strebte er auf gesellschaftlicher Ebene danach, ein globales Bewusstsein für eine neuartige »design science competence« zu schaffen, welche die destruktiven Potentiale der Wissenschafts- und Technologieentwicklung während der Nachkriegszeit auf eine friedvolle Weise ›umzunutzen‹ vermochte.87 Als Instrument dazu rief er, an die Adresse der internationalen Architekturschulen gerichtet, eine »World Design Science Decade 1965–1975« aus, ein Zehnjahresprogramm bestehend aus »five two year phases of a world retooling design«.88 Ziel des Programms, das Fuller mit großer Detailgenauigkeit entworfen hatte, das aber in der von ihm geplanten Weise nie zum Einsatz kam, war es, zum einen die Chemie- und Energieressourcen weltweit gerechter zu verteilen, um damit der Gesamtheit der Weltbevölkerung einen höheren Lebensstandard zu ermöglichen. Zum anderen sollte sich die Technologie- und Wissenschaftsentwicklung neuen zivilen Nutzungen zuwenden. Diese hatte sich seines Erachtens bis Anfang der 1960er Jahre zu stark auf militärische Zwecke, auf die »weaponry arts«, konzentriert und zu wenig in die Entwicklung von friedvollen Anwendungen, »livingry arts«, investiert.89 Die Verantwortung, einen solchen Wandel zu initiieren, sah er bei den Architekten, »as the only technical profession concerned with ›putting things together‹ in an era of the increased fractionation by intensive specialization«.90 Fuller sprach also der Architekturtätigkeit das synthetisierende Potential zu, in Zeiten zunehmender Spezialisierung und Zersplitterung von Wissen die ›Dinge‹ wieder zu einer neuen, sinnvollen Einheit zusammenzufügen. Designmethodologie im deutschsprachigen Raum Im deutschsprachigen Raum fanden die Ideen des Design Methods Movement namentlich durch den Mathematiker und theoretischen Physiker Horst Rittel Verbreitung, der von 1958 bis 1963 an der HfG Ulm unterrichtete. Entgegen der Ansicht einiger seiner Ulmer Kollegen, die noch »der künstlerisch-kreativen Vision der reinen Gestalter«91 anhingen, ver86. 87. 88. 89. 90. 91.

Krausse, Joachim; Lichtenstein, Claude (Hg.): Your Private Sky. R. Buckminster Fuller. Design als Kunst einer Wissenschaft. Baden. 2000, S. 19. Krausse, Joachim; Lichtenstein, Claude (Hg.): Your Private Sky. R. Buckminster Fuller. Discourse. Baden. 2000, S. 263. Fuller: World Design Science Decade 1965–1975. 1963, S. 1. Fuller: World Design Science Decade 1965–1975. 1963, S. 12. Fuller: World Design Science Decade 1965–1975. 1963, S. 12. Reuter, Wolf D.: Einleitung. In: Rittel: Planen, Entwerfen, Design. 1992, S. 1–9, hier S. 6.

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trat Rittel die Überzeugung, dass Design »planendes Handeln« sei und »um die Kontrolle seiner Konsequenzen« bemüht sein müsse.92 Obwohl sein rationalistischer Ansatz an der HfG Ulm nicht immer auf Zustimmung stieß, war doch seine Vorstellung, Design realisiere sich nicht nur in Objekten, sondern in größeren Kontexten und Systemen, durchaus anschlussfähig. Ab 1963 trug Rittel nunmehr von der University of California in Berkeley aus gemeinsam mit Christopher Alexander, Bruce Archer und John Christopher Jones dazu bei, die Ideen des Design Methods Movement zu verbreiten. Berkley bildete zu jener Zeit das Zentrum der Studentenbewegung Free Speech Movement. Auch Rittels Ansätze zur Planungsmethodik und zum Design wurden, wie er selbst bekräftigte, durch seinen Kollegen in Berkeley, aber auch durch die dortigen Studenten nachhaltig geprägt.93 Der Einfluss dieser politischen Unruhen und das daraus resultierende Bemühen, gesellschaftliche Probleme auf demokratische Weise zu lösen, findet sich beispielsweise in Rittels »Systemansatz der zweiten Generation«, der eine partizipative Herangehensweise an komplexe Planungsprobleme vorschlägt.94 Weitere nennenswerte Beiträge im deutschsprachigen Raum stammen von Bernhard Bürdek, der in den 1970er Jahren Einführungen in die Designtheorie und Designmethodologie vorlegte.95 Ebenso leisteten Siegfried Maser (1972),96 Friedrich Winter (1972)97 und Klaus Hohmann (1979)98 relevante Beiträge zur Theorie und Methodologie des Design – diese Aufzählung beansprucht keine Vollständigkeit. Daneben entwickelte sich in den 1960er und -70er Jahren auch in der Architekturtheorie ein eigenständiger Diskurs zur ›Verwissenschaftlichung‹ von Entwurfs- und Planungsprozessen. Er war eng mit dem Aufkommen digitaler Entwurfswerkzeuge verwoben und wurde von Akteuren wie Nicholas Negroponte oder Jürgen Joedicke repräsentiert.99 1966 fand 92. 93.

94. 95. 96. 97. 98. 99.

Rittel, Horst: Das Erbe der HfG. In: Lindinger, Herbert (Hg.): Hochschule für Gestaltung Ulm. Die Moral der Gegenstände. Berlin. 1987, S. 118–123, hier S. 118 f. In einem Nachruf zu Rittels Tod im Jahr 1990 ist festgehalten: »In 1963 Rittel was called to Berkeley. Of this event he said ›my special luck was the invitation to join the faculty at Berkeley: I could not have found a livelier, more stimulating and resourceful place in the world.‹ And indeed, Rittel often talked about how he was challenged by his new colleagues and students here. He always acknowledged how their thinking had influenced his own; he considered them to have been the pioneers of the idea that design and planning are most important subjects of scientific inquiry.« Churchman, C. West et al.: In Memoriam: Horst Rittel. In: Design Issues. Vol. 22, Nr 4. 2006, S. 18–20, hier S. 18 f. Vgl. dazu Rittel, Horst: On the Planning Crisis: Systems Analysis of the ›First and Second Generations‹. In: Bedrifts Økonomen, Nr. 8. 1972, S. 390–396. Bürdek, Bernhard E.: Design-Theorie: Methodische und Systematische Verfahren im Industrial Design. Stuttgart 1971; ders.: Einführung in die Designmethodologie. Hamburg. 1975. Maser, Siegfried: Einige Bemerkungen zu einer Theorie des Design. Braunschweig. 1972. Winter, Friedrich G.: Planung oder Design. Über die Chancen der Phantasie in einer sich wandelnden Gesell schaft. Ravensburg 1972. Hohmann, Klaus: Produktdesign: Anleitung zu einem methodischen Gesamtdesign. Essen. 1979. Vgl. Weckherlin, Gernot: Architekturmaschinen und wissenschaftliches Entwerfen. Entwurfs-

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an der HfG Ulm, eine Tagung zu Methodenfragen in der Architekturausbildung statt, die einen wichtigen Impuls gab, um an einer späteren Konferenz in Portsmouth (1967) die Diskussionen um die Designmethoden explizit auch im Bereich der Architektur anzusiedeln.100 In den 1980er Jahren entwickelte sich die Designmethodologie dann vor allem im Bereich der Ingenieurwissenschaften in Deutschland und Japan weiter.101 Dies geschah vermittels einer Serie von Konferenzen, den so genannten International Conferences on Engineering Design, sowie vermittels der Arbeiten des Vereins Deutscher Ingenieure. Als einflussreiche Arbeiten gelten in diesem Bereich die Publikationen von Vladimir Hubka (1982),102 Gerhard Pahl und Wolfgang Beitz (1984),103 Michael French (1985)104 sowie Nigel Cross (1989).105 Rationale Lösungen für komplexe Probleme Es wäre reduktionistisch, die unterschiedlichen Akteure und Ansätze, die das Design Methods Movement ausmachten, auf einen Nenner bringen zu wollen. Als Tendenz der Bewegung wird aber wiederholt ihr Hang zum Rationalismus angeführt. So fasst die Designtheoretikerin Nigan Bayazit die markanteste Stoßrichtung wie folgt zusammen: Design methods people were looking at rational methods of incorporating scientific techniques and knowledge into the design process to make rational decisions to adapt to the prevailing values, something that was not always easy to achieve.106

Begründet wurde das Bemühen um eine ›Rationalisierung‹ des Design seinerzeit mit dem Auf kommen neuartiger Informationstechnologien und der Zunahme komplexer Problemstellungen: »The reasons advanced for developing new methods often were based on the assumption that modern, industrial design had become too complex for intuitive methods.«107 Rittel entwickelte gemeinsam mit Melvin Webber für die Beschreibung von komplexen, nicht vollständig beherrschbaren Problemen in Pla-

100. 101. 102. 103. 104. 105. 106. 107.

praktiken und -theorien Ende der sechziger Jahre. In: Gethmann, Daniel; Hausen, Susanne (Hg.): Kulturtechnik Entwerfen. Praktiken, Konzepte, Medien in Architektur und Design Science. Bielefeld. 2009, S. 203–226, hier S. 203. Fezer: A Non-Sentimental Argument. 2009, S. 293. Vgl. dazu auch: Broadbent, Geoffrey; Ward, Anthony (Hg.): Design Methods in Architecture. New York. 1969. Cross, Nigel: A History of Design Methodology. In: Vries, M. J. de, et al. (Hg.): Design Methodology and Relationships with Science. Dordrecht et al. 1993, S. 15–27, hier S. 17. Hubka, Vladimir: Principles of Engineering Design Methods. Guildford. 1982. Pahl, Gerhard, Beitz, Wolfgang: Engineering Design. London. 1984. French, Michael J.: Conceptual Design for Engineers. London. 1985. Cross, Nigel: Engineering Design Methods. Chichester. 1989. Bayazit: Investigating Design. 2004, S. 19. Cross: Designerly Ways of Knowing: Design Discipline Versus Design Science. 2001, S. 52.

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nungsprozessen (etwa im Städtebau, im Gesundheitswesen oder in der öffentlichen Verwaltung) den Terminus »wicked problems« (verzwickte oder bösartige Probleme), der im 2. Kapitel der vorliegenden Arbeit ausführlicher behandelt wird.108 Mit der Chiffre »wicked problems« wurden auf symptomatische Weise die gesellschaftlichen, ökologischen und wissenschaftlichen Brennpunkte der 1960er Jahre benannt. Mit Blick auf die zeithistorische gesellschaftliche Verfasstheit dieses Jahrzehnts (namentlich in den USA) konstatieren Rittel und Webber: Systemanalyse, Zielkommissionen, PPBS, soziale Indikatoren, die diversen Revolten, das Armutsbekämpfungsprogramm, das Konzept der ›model cities‹, das aktuelle Interesse an Umweltqualität und der Qualität urbanen Lebens, die Suche der heutigen Jugend nach neuen Religionen und die wachsende Attraktivität der Idee von Planung – all dies scheint von einem gemeinsamen Verlangen angetrieben zu sein. Jeder sucht auf seine besondere Weise nach einer Klärung von Zwecken, nach einer Neudefinition von Problemen, nach einer Neuordnung der Prioritäten, um gesetzte Zwecke zu vergleichen, nach dem Entwurf neuer Arten zielorientierten Handelns, nach einer Neuorientierung der Fachleute an den Ergebnissen professioneller Aktivitäten statt an Ausgangspunkten und schließlich nach einer Neuverteilung der Vor- und Nachteile, die Regierungsprogramme bei den konkurrenzierenden Gruppen der Bevölkerung bewirken.109

Komplexe Probleme wurden in der Planung von Städten und Verkehrssystemen, bei Fragen des Umweltschutzes oder in der Weltraumforschung diagnostiziert. Es wurde gefordert, dass Planer und Designer sich zur ihrer effizienten Lösung nicht länger nur auf ›intuitive‹ Vorgehensweisen verlassen, sondern ›rationale‹ Methoden entwickeln sollten. Der Bedarf an solchen ›rationalen‹, also vermeintlich planbaren und effizienten Designmethoden lässt sich aber nicht einzig mit der Diagnose einer zunehmenden Komplexität und dem darauf reagierenden Wunsch einer angemessenen Planung beantworten. Wie bereits angedeutet, ist die Designmethodologie, ebenso wie auch die Zukunftsforschung,110 in den 108. Rittel, Horst; Webber, Melvin: Dilemmas in a General Theory of Planning. In: Policy Sciences. Vol. 4. 1973, S. 155–169. Nachdruck in: Cross, Nigel (Hg.): Developments in Design Methodology. Chichester. 1984, S. 135–144. 109. Rittel/Webber: Dilemmas in einer allgemeinen Theorie der Planung. 1992, S. 16. Anmerkung CM: PPBS bedeutet ›Planning-Programming Budgeting-System‹. Es handelt sich dabei um ein Planungssystem, das in den 1960er Jahren von der US-amerikanischen Regierung eingesetzt wurde, um damit ein bestehendes Budget nicht einfach fortzuschreiben (Inkrementalismus), sondern immer wieder neu zu bedenken und neu zu planen. 110. Zum Beispiel der Heidelberger Studiengruppe für Systemforschung (an der auch Horst Rittel partizipierte) vgl. Hünemörder, Kai F.: Die Heidelberger Studiengruppe für Systemforschung und der Aufstieg der Zukunftsforschung in den 1960er Jahren. In: Technikfolgenabschätzung. Nr. 1, 13, 2004, Kiel, 2004, S. 8–15.

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1960er Jahren auf bedeutende Weise als ein ›ziviles Produkt‹ militärischer Entwicklungen, etwa im Bereich der Kreativitätsforschung, zu verstehen. Horst Rittel hielt diesbezüglich in einem Interview aus den frühen 1970er Jahren fest: The reason for the emergence of design methods in the late ’50s and early ’60s was the idea that the ways in which the large-scale NASA and military-type technological problems had been approached might profitably be transferred into civilian or other design areas.111

Freilich stand aber auch diese angeblich ›zivile‹ Applikation von militärischer Planungsmethodik unter einem kriegerischen Einfluss, nämlich unter jenem des Kalten Krieges. Dieser Bezug gewinnt an Prägnanz, denkt man an den legendären ›Sputnik-Schock‹. Die westliche Welt reagierte 1957 mit Überraschung, vor allem aber mit Verunsicherung, als die ehemalige Sowjetunion mit ›Sputnik‹ erstmalig in der Menschheitsgeschichte einen künstlichen Satelliten in die Erdumlaufbahn befördern konnte. In den USA hatte die durch dieses Ereignis ausgelöste Infragestellung der eigenen militärisch-technologischen Vormachtstellung eine umfassende Reformierung des Bildungssystems zur Folge. Insbesondere in der naturwissenschaftlichen Forschung und in der Ausbildung von Lehrkräften erkannte man großen Nachholbedarf, um im Wettstreit um militärischtechnologische Entwicklungen künftig mithalten zu können. Von dem gesteigerten Interesse an technologischen Fragestellungen konnte zweifellos auch die Design-methoden-Bewegung profitieren. Die Begriffe ›problem solving‹ und ›decision making‹ avancierten zu Schlüsselwörtern der Bewegung. Bruce Archer hält dazu fest: The most fundamental challenge to conventional ideas on design has been the growing advocacy of systematic methods of problem solving, borrowed from computer techniques and management theory, for the assessment of design problems and the development of design solutions.112

In diesem Sinne definierte er Design als »a goal-directed problem-solving activity«.113 Morris Asimow schlug seinerseits vor, Design als »decision making, in the face of uncertainty, with high penalties for error« zu verstehen.114 Deutlich wird aus diesen Vorschlägen, dass Planungstheorie und Design111. Rittel, Horst: Son of Rittelthink: The State of the Art in Design Methods. In: The DMG 5th Anniversary Report. Occasional Paper Nr. 1. 7.2. 1972, S. 143–147. 112. Archer: Systematic Method for Designers. 1965, S. 58. 113. Archer: Systematic Method for Designers. 1965, S. 50. 114. Asimow: Introduction to Design. 1962, S. 51.

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methodologie in den 1960er Jahren aufs Engste miteinander verwoben, waren. Ihr gemeinsamer Nenner fand sich in der Lösung komplexer Probleme: The problem-solving literature that arose in the 1960s and 1970s in the promising and exciting field of artificial intelligence has had a profound impact on Design Methodology. The introduction of these theories in Design Methodology, at the start of the 1970s, helped to systemize the models and methods of design existing then, and link them to models of problem solving in other fields. There were high hopes that the very nature of design could be captured in a description that was based upon considering design the solution to ›ill-structured‹ problems.115

Doch wäre es eindimensional, nur die technische Affinität der Bewegung zu betonen. Als idealistisches Motiv der Designmethodologie in den 1960er und -70er Jahren ist auch – vor dem Hintergrund also von Rassenunruhen, Studenten- und Bürgerrechtsbewegungen sowie einer grundlegenden gesellschaftlichen Neuorientierung in der Nachkriegszeit – nachdrücklich der Wunsch zu nennen, eine in hohem Maße als unsicher erscheinende Zukunft planen und gestalten zu wollen. Ein gesellschaftspolitischer Anspruch, der nur mittels der Analyse und Beherrschung komplexer Systeme und Prozesse realisierbar schien. Mit diesem Wunsch änderte sich zugleich die Sicht darauf, was gestaltet werden sollte. Nicht die ästhetische Formgebung von Artefakten, sondern die Berücksichtigung gesellschaftlicher Bedürfnisse, »a passionate concern for people’s needs«,116 sollte im Fokus eines solchen human-centred design stehen.117 Zwar standen bereits in früheren Designtheorien, etwa bei Le Corbusier oder Gropius,118 ›der Mensch‹ und seine Bedürfnisse im Zentrum der Aufmerksamkeit – zumindest war dies auf der Ebene von Absichtserklärungen seitens der Designer und Architekten der Fall. Ende der 1960er Jahre avancierte jeodoch das Konzept der ›Partizipation‹ zu einem wichtigen Thema des Design Methods Movement.119 Die Diskussion um die Methodiken des Entwerfens verschob sich hin zu politisch-soziologischen Themen. Dies geschah nicht zuletzt deswegen, weil die Designmethodologie mit dem Vorwurf konfrontiert wurde, dass 115. Dorst, Kees: Design Problems and Design Paradoxes. In: Design Issues. Vol. 22, Nr. 3. 2006, S. 4–17, hier S. 4. 116. Broadbent, Geoffrey; Ward, Anthony: Introduction. In: Broadbent/Ward: Design Methods in Architecture. 1969, S. 15–21, hier S. 20. 117. Jerrard, B. et al.: Managing New Product Innovation. London/Philadelphia. 1999. 118. Vgl. etwa Le Corbusier: Le Modulor. Bologne-sur-Seine. 1948. [Dt. Ausgabe: Der Modulor. Darstellung eines in Architektur und Technik allgemein anwendbaren harmonischen Maßes im menschlichen Maßstab. Stuttgart. 1953–1958]. Gropius, Walter: Systematische Vorarbeit für rationellen Wohnungsbau. In: Bauhaus. 1. Jg. Nr. 2. Dessau. 1927. 119. Cross, Nigel (Hg.): Design Participation. Proceedings of the Design Research Society’s Conference. London. 1972.

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sie apolitisch sei und die bestehenden kapitalistischen Machtverhältnisse perpetuiere, statt sie kritisch zu hinterfragen.120 Nigel Cross spricht diesbezüglich von einer »zweiten Generation« der Methodenbewegung, die weniger rationalistisch vorgegangen sei und stattdessen die Interessen aller in einen Planungs- und Designprozesses involvierten Personen – sämtliche Stakeholder, wie man heute sagen würde – zu berücksichtigen versuchte: Where the first generation of design methods was based on the application of systematic, rational, ›scientific‹ methods, the second generation moved away from attempts to optimise and from the omnipotence of the designer (especially for ›wicked problems‹), towards recognition of satisfactory or appropriate solutions […] and an ›argumentative‹, participatory process in which designers are partners with the problem ›owners‹ (clients, customers, users, the community).121

Allerdings beobachtet Cross auch, dass die Hinwendung zu partizipatorischen Entwurfsprozessen nicht in allen Designbereichen gleichermaßen angestrebt wurde: »this approach seemed to be more relevant to architecture and planning than engineering and industrial design, and meanwhile these fields were still developing their methodologies in somewhat different directions.«122 In einem anderen Zusammenhang bezeichnet der US-amerikanische Designhistoriker Victor Margolin die in der Nachkriegszeit enstandenen Texte zu Design als »postwar design literature«.123 Der Ausdruck benennt, dass das Ende des Zweiten Weltkriegs und die daran anschließenden Jahrzehnte mit ihren politischen Repressionen für das Design in gesellschaftlicher und technologischer Hinsicht einen bedeutsamen historischen Wendepunkt darstellten. Zum einen eröffneten die zu dieser Zeit propagierten interdisziplinären und generalistischen Vorstellungen von Entwurf und Entwurfsprozessen ein weites Feld an potentiell zu entwerfenden und gestaltenden ›Komplexen‹, zum anderen wurde daran zugleich die Beschränktheit rationaler Planungs- und Entwurfstheorien sichtbar. Jesko Fezer argumentiert, dass das Design Methods Movement selbst in »eine andauernde Krise« geriet, indem es auf eine gesellschaftliche Krise der Planung reagierte. Die Probleme der Wirklichkeit seien in ihrer Komplexität, Unschärfe und Widersprüchlichkeit nicht in den Griff zu kriegen gewesen; weder schienen sie vollständig erfassbar und informationstheo120. 121. 122. 123.

Fezer: A Non-Sentimental Argument. 2009, S. 288 und 301 ff. Cross: Forty Years of Design Research. 2007, S. 2. Cross: Forty Years of Design Research. 2007, S. 2. Margolin, Victor: Postwar Design Literature: A Preliminary Mapping. In: Ders. Hg.): Design Discourse. History. Theory. Criticsm. Chicago/London 1989, S. 265–288.

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retisch handhabbar zu sein, noch methodisch einheitlich bearbeitbar oder gar verobjektivierbar.124 Das Design Methods Movement schien mithin vor seinen eigenen Zielvorgaben kapitulieren zu müssen. Kritik an der Designmethodologie Wie erwähnt, veränderten sich in den 1970er Jahren zwar die Ansätze im Design Methods Movement. Sie wurden offener für partizipatorische Ideen und waren weniger ›wissenschaftsgläubig‹ als zu Beginn der Bewegung. Doch betraf diese Veränderung nicht die gesamte Bewegung, sondern nur einzelne Disziplinen wie die Architektur oder Stadtplanung. Zunehmend wurde denn auch Kritik an der rationalistischen Projektierung des Design Methods Movement laut, oft kam sie aus den eigenen Reihen. Prominente Mitbegründer wie John C. Jones und Christopher Alexander wandten sich von der Bewegung ab. So bilanzierte Jones: »In the 1970s, I reacted against design methods. I dislike the machine language, the behaviorism, the continual attempt to fix the whole of life into a logical framework.«125 Während er in seinem Buch Design Methods noch eine umfangreiche Anthologie systematischer Methoden für das Design auf bereitet hatte, revidierte er in einer zweiten, stark überarbeiteten Fassung von 1980 nun seinen Standpunkt radikal. Die postulierte Vorgehensweise eines methodenbasierten Arbeitens im Design hatte seines Erachtens nur dazu geführt, dass Design von einigen als vollends rationaler, explifizierbarer Prozess betrachtet und zugleich die Frage nach dem Stellenwert von ›Intuition‹ und ›Kreativität‹ in Designprozessen ausgeblendet wurde.126 Jones konstatiert im Vorwort zur revidierten Ausgabe von Design Methods mit sichtlicher Ernüchterung: We sought to be open minded, to make design processes that would be more sensitive to life than were the professional practices of the time. But the result was rigidity: a fixing of aims and methods to produce designs that everyone now feels to be insensitive to human needs. Another result was that design methods became more theoretical and many of those drawn to the subject turned into the academic study of methods (methodology) instead of trying to design things better. The language used to describe designing became more and more abstract. The words lost touch with how it feels to be a designer and how it feels to inhabit the systems being designed.127 124. Fezer: A Non-Sentimental Argument. 2009, S. 304. 125. Jones, John Christopher: How My Thoughts About Design Methods Have Changed During the Years. In: Design Methods and Theories. Vol. 11. Nr. 1. 1977. Zit. nach: Cross: Designerly Ways of Knowing: Design Discipline Versus Design Science. 2001, S. 50. 126. Jones: Design Methods. 1992, S. xi. 127. Jones: Design Methods. 1992, S. xi.

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Designmethodologie sei von einem praktisch motivierten Anliegen zu einem abstrakt theoretischen Unterfangen mutiert, so lautet sein Fazit. Aufschlussreich an dieser Aussage ist, dass Designschaffende offensichtlich nicht nur Mühe mit der methodologischen Entwicklung des Design Methods Movement bekundeten, sondern auch eine zunehmende Akademisierung des Diskurses beklagten. Damit einher ging eine gefühlte Entfremdung von jenen Erfahrungen und Werten, die in der lebensweltlichen Designpraxis zwar zentral waren, aber auf theoretischer, genauer auf akademischer, Ebene an Wert verloren. Auch Christopher Alexander konnte kaum noch gute Worte für die Entwicklung finden, die das Design Methods Movement genommen hatte. Auch er distanzierte sich von der Bewegung: I’ve disassociated myself from the field. […] There is so little in what is called ›design methods‹ that has anything useful to say about how to design buildings that I never even read the literature anymore […] I would say forget it, forget the whole thing.128

Ungeachtet der großen Euphorie zu Beginn der Bewegung, hatte sich das Design Methods Movement also schon nach wenigen Jahren zu einer »sehr ungeliebte[n] Bewegung«129 entwickelt. Die Erfahrung einer durch den akademischem Diskurs entfremdeten praktischen Designexpertise sowie die damit einhergehende gefühlte Kluft zwischen Theorie und Praxis sollte für die Designforschung in den kommenden Jahrzehnten zu einem ihrer prägendsten Leitmotive werden. In Folge der Kritik an einer ›überrationalisierten‹, zu stark akademisierten Designmethodologie versuchten Designforschende fortan praxisbasierte Zugänge zur Systematisierung und Analyse von Entwurfsprozessen zu erschliessen. Diese sollten weniger die ›rationalen‹, sondern die ›kreativen‹ und ›intuitiven‹ Aspekte des Entwerfens berücksichtigen, auf die Designschaffende sich gerne und oft berufen. Anders formuliert, wurde eine Art kompensatorische Theoriebildung betrieben, die der praktischen Lebenswelt von Designschaffenden besser gerecht werden sollte. Vor diesem Hintergrund entstanden seit den 1980er Jahren für die Designforschung wegweisende, wenngleich kontrovers diskutierte Arbeiten zum praktischen Erfahrungswissen von Designerinnen und Designern. In dieser Hinsicht thematisch relevante Publikationen stammen etwa von Nigel Cross (1982),130 Brian Lawson (1983)131 und Peter Rowe (1987).132 128. Alexander, Christopher; Jacobson, Max: The State of the Art in Design Methodology. In: DMG Newsletter 5, 3. Berkeley. 1971, S. 5. 129. Fezer: A Non-Sentimental Argument. 2009, S. 287. 130. Cross: Designerly Ways of Knowing. 1982. 131. Lawson, Brian: How Designers Think: The Design Process Demystified. Oxford. 1983. 132. Rowe, Peter G.: Design Thinking. London. 1987.

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Cross prägte den mittlerweile bekannt gewordenen Begriff ›designerly ways of knowing‹. Es handelt sich hierbei um den Versuch, ein ›designspezifisches‹ Wissen zu definieren, welches durch Designerinnen und Designer ›verkörpert‹ werde und in Designprozessen und -objekten zu verorten sei. Dieses Konzept werde ich im 3. Kapitel näher vorstellen und kritisch diskutieren. Brian Lawson legte seinerseits in mehreren überarbeiteten Fassungen Studien vor, die den Designprozess empirisch beleuchten und ihn so »entmystifizieren« sollten. Zugleich suchte er aber auch – und bisweilen stehen sich die beiden Absichten im Weg – nach einem allgemeinen Modell des Entwerfens und nach der Benennung von kollektiven Fertigkeiten, die den Designprozess konstituieren. Ob auf diese Weise eine Entmystifizierung von Design gelingen kann, sei jedoch in Frage gestellt. Sowohl Cross (2006)133 als auch Lawson (2004)134 haben unlängst neue, erweiterte Studien zum Thema ›Designwissen‹ herausgeben und belegen so das andauernde Interesse an diesem Konzept. Um praktisches Erfahrungswissen von Designerinnen und Designern zu erfassen, wurden und werden in der Designforschung vorzugsweise Konzepte zum ›impliziten‹, nicht-propositionalen Wissen herangezogen. Vor allem wird auf Michael Polanyi Bezug genommen,135 der in den 1950er und -60er Jahren Könnerschaft als eine Form von praktischem, oftmals aber ›stummem‹ Wissen auswies. Die Brüder Hubert und Stuart Dreyfus entwickelten Ende der 1980er Jahre ein fünfstufiges Modell, das beschreibt, wie in der professionellen (Design-)Praxis Expertise durch die Verinnerlichung von Regelsätzen erlangt werden sollte.136 Der Soziologe Donald Schön schlägt vor, das Wissen von Designerinnen und Designern mit dem Konzept des »reflective practitioner« bzw. im Modus einer »reflection-in-action« zu fassen.137 Auch er bezog sich dazu auf jenes implizite Wissen, das professionelle Berufsleute in der Regel zwar besäßen, aber oft nicht hinreichend artikulieren könnten. In der vorliegenden Arbeit gilt den genannten Konzepten und Ansätzen zum praktischen Erfahrungswissen eine besondere Aufmerksamkeit. An ihnen soll im 2. Kapitel diskutiert werden, inwiefern sie den Wissensdiskurs in der Designforschung aus einer epistemologischen und methodologischen Perspektive prägen und zugleich als wichtige symbolische Leitmotive fungieren. Es soll erörtert werden, ob und inwiefern ihre persistente Anführung in Texten der Designtheorie und -forschung sympto133. Cross: Designerly Ways of Knowing. 2006. 134. Lawson: What Designers Know. Oxford. 2004. 135. Polanyi, Michael: Personal Knowledge. Towards a Post-Critical Philosophy. Chicago/London. 1958. 136. Dreyfus, Hubert L.; Dreyfus, Stuart: Mind over Machine. The Power of Human Intuition and Expertise in the Era of the Computer. New York. 1986. 137. Schön, Donald: The Reflective Practitioner. New York. 1983, S. 68 f.

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matisch jenen Bruch fortschreibt der sich seit dem ›Scheitern‹ des Design Methods Movement zwischen den Dimensionen von Praxis und Theorie des Design zu ziehen scheint.

Institutionalisierung von Designforschung an Kunsthochschulen Neben dem historischen Design Methods Movement sind auch bildungspolitische Veränderungen im europäischen Hochschulraum seit den 1960er Jahren, vor allem aber seit den 1980er und -90er Jahren dafür verantwortlich, dass Designforschung an Aktualität gewonnen hat. Politische und ökonomische Umstrukturierungen an Kunsthochschulen und Kunstuniversitäten beeinflussen die Art und Weise, wie Designforschung gegenwärtig betrieben und reflektiert wird. In diesem institutionellen Rahmen werden Fragen zur Designforschung auf internationaler Ebene neu, das heißt auf andere Weise als noch im Design Methods Movement, adressiert. Die wichtigste Differenz kann darin gesehen werden, dass Designforschung nun in eine größere diskursive Nähe zu Debatten über Kunst und künstlerische Forschung gerückt ist – was auch der englische Begriff ›research in the creative disciplines‹ prägnant veranschaulicht. Dennoch geht die heutige Designforschung in der künstlerischen Forschung nicht auf. Sie ist aber ohne ein Verständnis für diese auch nur schwer zu verstehen. Aspekte der historischen rationalistisch geprägten Designmethodologie überlagern sich gegenwärtig mit zeitlich jüngeren Ansätzen zu einer praxisbasierten Forschung in Kunst und Design. Im Folgenden wird ein Überblick skizziert, wie die Designforschung an den internationalen Kunsthochschulen und Kunstuniversitäten institutionalisiert wurde bzw. werden soll. Dabei sind besonders solche Ansätze und Konzepte von Interesse, die ein eigenständiges, das heißt praxisbasiertes oder ›wissenschaftsalternatives‹ Forschungsformat für Kunst und Design pos-tulieren. Ziel ist es, jene Konzepte und Begriffe, die in den folgenden Kapiteln noch en detail diskutiert werden, für ein besseres Verständnis vor dem Hintergrund ihrer historischen Genese zu beleuchten. Designforschung in Großbritannien Am längsten und wohl am intensivsten werden die Debatten zu einer eigenständigen, praxisbasierten Forschung in Kunst und Design an den Kunsthochschulen und -universitäten in Großbritannien geführt. Dem Royal College of Art in London wurde bereits 1967 der Status einer unabhängigen Universität verliehen, damit einher ging ein Forschungsauftrag 54

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für die Bereiche Kunst und Design. Die 1970er und -80er Jahre standen unter dem Zeichen eines Design Education Movement, das sich zum einen auf den Einfluss des Design Methods Movement zurückführen lässt138 und das zum anderen an politische Debatten im britischen Hochschulwesen anschließt.139 In zahlreichen Arbeitsgruppen wurde debattiert, wie die Ausbildung an Kunsthochschulen in Zukunft aussehen sollte.140 Diese Debatten waren eng an die Frage gekoppelt, wie die künftige Rolle von Design aus wirtschaftlicher, edukativer, aber auch aus gesellschaftspolitischer Sicht zu denken wäre. Aus wirtschaftlicher Sicht wurde die Hoffnung formuliert, dass die in jenen Jahrzehnten kollabierenden ›alten Industrien‹141 durch innovative, designgestützte Produktionsfelder ersetzt werden könnten. Es wurde argumentiert, dass Design die Industrie durch eine überzeugende Formgebung ihrer Produkte unterstützen und damit neue Märkte erschließen könne.142 Diese Überzeugung wurde namentlich von der Regierung Thatcher geteilt, die in den 1980er Jahren den innovativen ›Mehrwert‹ von Design erkannte und signifikante wirtschaftliche Designförderung betrieb. Die 1980er Jahren werden denn auch, wenig überraschend, in Großbritannien als das ›Design-Jahrzehnt‹ bezeichnet.143 Auch die edukativen Visionen für das Design wurden durch die prekäre Wirtschaftslage in Großbritannien genährt. Aus Sicht der Ausbildenden in Kunst und Design standen aber nicht nur rein wirtschaftliche, sondern auch politisch-gesellschaftliche Aspekte im Vordergrund. Die neu zu konzipierende Designausbildung sollte dazu dienen, junge Menschen angemessen auf eine durch Konsumismus, Massenmedien und -marketing, Umwelt- und Sozialprobleme geprägte Zukunft vorzubereiten. Damit verbunden war die Frage, ob Design nicht in einem sehr viel radikaleren

138. So war beispielsweise Bruce Archer an beiden Bewegungen beteiligt. 139. Tom Holert führt als ein Beispiel die »Hornsey Revolution« an, anlässlich derer 1968 Studierende das Hornsey College of Art in London mehrere Tage lang besetzten, um über die Zukunft der Kunstausbildung in Großbritannien zu diskutieren. Holert, Tom: Art in the Knowledgebased Polis. In: Journal e-flux. New York. Nr. 3. 2009, S. 2. 140. Archer, Bruce: The Three Rs. In: Archer, Bruce et al.: A Framework for Design and Design Education. A Reader Containing Key Papers from the 1970s and 80s. Wellesbourne. 2005, S. 8–15, hier 5 f. 141. Als ›alte Industrien‹ werden etwa die Stahl- und Chemieindustrie oder die Automobilindustrie bezeichnet. In Großbritannien war während der Regierungszeit von Margaret Thatcher (1979–1990) insbesondere der Streik der Bergarbeiter von 1984/85 ein Schlüsselereignis, das ein Umdenken in wirtschaftlichen Belangen initiierte. 142. Archer: The Three Rs. 2005, S. 6. 143. John Walker konstatiert, dass das Design und bzw. die Designer in den 1980er Jahren zu »eigenständigen Werten« avancierten: »Die Leute sprachen zum Beispiel von ›Designerjeans‹ (sogar von ›Designerdrogen‹ und ›Designersozialismus‹). […] Ein Journalist nannte die Bezeichnung ›Designer‹ ein Schlüsselwort für die Werbewirkung. […] Worauf es am Ende ankam war nicht, ob das Designer-Produkt vernünftig oder praktisch war, sondern allein die Tatsache, dass es [einen] berühmten Namen trug«. Vgl. Walker: Designgeschichte. 1992, S. 36.

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Sinne als bisher als ›Agent‹ des gesellschaftlichen Wandels verstanden werden sollte – so wie die Kunst in früheren historischen Kontexten als ›Agent‹ des sozialen Wandels gesehen wurde.144 Grundlegend von Interesse war es deswegen, »the nature of design’s involvement with change and the politics of participation in a democratic society« zu ergründen. 145 Der Partizipationsgedanke, der in der »zweiten Generation« des Design Methods Movement bereits angedacht wurde, schlägt sich in diesem Ansinnen des Design Education Movement nieder. Deutlich hallt in der Ausbildungsdebatte aber auch jene Diskussion nach, die Charles P. Snow Ende der 1950er Jahre mit seinem Vortrag zu den vermeintlich unversöhnlichen »zwei Kulturen« der Natur- und Geisteswissenschaften ins Rollen gebracht hatte.146 So plädierte Bruce Archer dafür, das Design neben Natur- und Geisteswissenschaften als eine dritte Wissenskultur, als ›missing link‹ in der Allgemeinbildung anzuerkennen.147 1992 wurden in Großbritannien auch die Polytechnischen Schulen auf nationaler Ebene zu Universitäten umstrukturiert. Kunst und Design wurden so innerhalb kürzester Zeit zu einem universitär gleichberechtigten Akteur in der akademischen Forschungslandschaft mit Zugang zu den Forschungsfördermittel der Research Assessment Excercise (RAE) und dem Arts and Humanities Research Council (AHCR).148 Der damit forcierte bildungspolitische Auftrag, dass die Kunst- und Designinstitutionen nun auch Forschung betreiben sollen, brachte bis heute andauernde Debatten zur Ausrichtung und Evaluation von Designforschung mit sich, von denen im Folgenden noch näher die Rede sein wird. Designforschung an internationalen Kunsthochschulen Neben Großbritannien fanden auch in anderen europäischen Ländern strukturelle Veränderungen im Hochschulwesen statt, die zur institutionellen Etablierung eines eigenständigen, praxisbasierten Forschungsformats in Kunst und Design geführt haben. Stellvertretend möchte ich nach-

144. Baynes, Ken: Design and Democracy. Speculations on the Radical Potential of Design, Design Practice and Design Education. Wellesbourne. 2005, S. 5. 145. Baynes, Ken: Design and Democracy. 2005, S. 6. 146. Snow, Charles P.: The Two Cultures and the Scientific Revolution. Cambridge. 1959. Vgl. dazu im vorliegenden Buch 3. Kapitel, Abschnitt b. ›Synthese‹: Zum Motiv von Design als verbindende Instanz und ›dritte Kultur‹. 147. Das Papier zirkulierte in verschiedenen Versionen und bildete 1977 die Einleitung zu folgendem Report: Baynes, Ken et al. (Hg.): Design in General Education: A Review of Developments in Britain. London. 1977. 2005 wurde es mit einigen Ergänzungen neu publiziert: Archer: The Three Rs. 2005, S. 8–15. 148. Scrivener, Stephen: Visual Art Practice Reconsidered: Transformational Practice and the Academy. In: Mäkela, Maartit; Routarinne, Sara (Hg.): The Art of Research. Research Practices in Art and Design. Helsinki. 2007, S. 156–179, hier S. 158 f.

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folgend nur einige nennen.149 In Finnland fand in den 1970er und -80er Jahren eine Bildungsreform statt, in deren Folge den Kunst- und Designhochschulen ein universitärer Status zugesprochen wurde.150 Sie wurden zu wissenschaftlicher Forschung sowie zur Verleihung des Titels Doctor of the Arts (DA) berechtigt. Während ›klassische‹ wissenschaftliche Doktorate (etwa zu Themen der Kunstgeschichte oder -theorie) an diesen Kunstunversitäten bereits seit Beginn der 1980er Jahre angeboten wurden, kann seit 1993 zwischen ›künstlerischen‹ oder ›wissenschaftlichen‹ Doktoraten ausgewählt werden, wobei der wesentliche Bestandteil einer künstlerischen Doktoratsarbeit ein praktisches künstlerisches Projekt ist. Die erste abgeschlossene künstlerische Dokoratsarbeit wurde 1997 in Helsinki im Bereich Fotografie veröffentlicht.151 Wie in Großbritannien so sind auch in Finnland die Debatten zur künstlerischen oder praxisbasierten Forschung weiter fortgeschritten als in manch anderen europäischen Ländern.152 In Deutschland können Interessierte heute an einigen Kunstuniversitäten und -hochschulen im Bereich Design/Gestaltung promovieren – wenngleich dies aufgrund nicht kompatibler Abschlüsse oftmals ein langwieriges Unterfangen darstellt. Zu den Institutionen die wissenschaftliche Promotionen im Design anbieten, gehören die Bergische Universität Wuppertal, die Universität Kassel, die Universität Dresden, die Universität Duisburg Essen oder die Kunsthochschule für Medien Köln. Zunehmend wird auch in Deutschland die Verbindung von wissenschaftlicher und gestalterischer Forschung angestrebt. Die Universität der Künste Berlin hat nach ihren eigenen Angaben als »erste künstlerische Hochschule Deutschlands« eine Graduiertenschule eingerichtet, die nach einer Pilotphase 2008/2009, 2010 mit sechs künstlerisch-wissenschaftlichen Projekten gestartet ist. Diese Graduiertenschule wird als »Labor« beschrieben, »das künstlerische und wissenschaftliche Methoden füreinander produktiv« machen soll.153 Seit 2008 bietet auch die Bauhaus Universität Weimar einen Promotionsstudiengang in Kunst und Design an. Er schließt mit 149. Zur internationalen Situation der praxisbasierten Forschung in Kunst und Design vgl.: Mareis, Claudia; Ofosu, Yeboaa: Eine Studie zur internationalen Situation der praxisgeleiteten Doktorate an (europäischen) Kunsthochschulen. In: Dombois, Florian et al. (Hg.): Neuland – Ein Grundlagenprojekt zur künstlerischen Forschung. Forschungsbericht. Hochschule der Künste Bern. Bern 2010, S. 25–54. Vgl. des Weiteren auch: Mottram, Judith: Researching Research in Art and Design. In: Elkins: Artists with PhDs. 2009, S. 3–30. Eine Übersicht über die internationale institutionelle Verortung von Designforschung liefert eine Zusammenstellung von Gavin Melles. Vgl. dazu auch die entsprechenden Einträge zum Thread ›Doctoral Programs in Design‹ auf der JISCmail Liste ›PHD-Design‹: http://jiscmail.ac.uk/. 150. Vgl. Mäkela, Maartit; Routarinne, Sara: Connecting Different Practices. In: Dies. (Hg.): The Art of Research. Helsinki. 2007, S. 10–38, hier S. 17. 151. Eskola, Taneli: Water Lilies and Wings of Steel: Interpreting change in the photographic imaging of Aulanko park. Helsinki. 1997. 152. Strandmann, Pia (Hg.): No guru, no method? Discussion on Art and Design Research. Helsinki. 1998. 153. http://www.udk-berlin.de/sites/graduiertenschule/content/index_ger.html [Okt. 2010].

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einer PhD-Arbeit ab, die »gleichgewichtig aus einem wissenschaftlichen und einem künstlerischen oder gestalterischen Anteil« bestehen soll.154 Diese Aufzählung muss aufgrund der sich derzeit rasant verändernden Bildungslandschaft eine vorläufige und unvollständige bleiben. Ähnlich wie in vielen europäischen Ländern geht auch in der Schweiz die derzeit angestrebte Etablierung von Designforschung an Kunsthochschulen auf bildungspolitische Impulse Ende der 1990er Jahre zurück, namentlich auf den Bologona-Prozess und das teilrevidierte Schweizer Fachhochschulgesetz.155 Anders aber als im europäischen Vergleich gibt es in der Schweiz weder Kunstuniversitäten noch Kunstakademien. Vielmehr sind die Schweizer Kunsthochschulen, die sich aus Kunstgewerbeschulen entwickelten, qua Gesetz alle den Fachhochschulen zugeordnet. Dies hat zur Folge, dass sie kein eigenes Promotionsrecht besitzen und dass ihre Forschung oft nur im Bereich der angewandten Forschung angesiedelt ist. Dieser Einschränkungen ungeachtet gibt es nennenswerte Schweizer Forschungsprogramme in den Künsten. So etwa das Swiss Artists in Labs Programm an der Zürcher Hochschule der Künste, das den Wissenstransfer zwischen Akteuren in Kunst und Wissenschaft ermöglichen soll.156 Künstlerinnen und Künstler werden in diesem Programm aufgefordert, die Folgen und Implikationen wissenschaftlicher Forschung in Bezug auf die Gesellschaft zu kommentieren und sie auf eine künstlerische Weise zu reflektieren.157 Für den spezifischen Bereich der Designforschung ist zudem das Swiss Design Network bedeutsam, ein 2003 gegründetes Netzwerk aller Schweizer Kunsthochschulen zur institutionellen Förderung und Vernetzung der Designforschung in der Schweiz.158 In Österreich führen die Kunsthochschulen seit Bildungsreformen die Bezeichnung ›Universität‹ und besitzen entsprechend das Promotionsrecht. Die Universität für angewandte Kunst Wien bietet Doktoratsstudien in den Naturwissenschaften, der Philosophie und den technischen Wissenschaften an, die in klassischer Weise zur »Weiterentwicklung der Befähigung zu selbstständiger wissenschaftlicher Arbeit auf dem Gebiet der Wissenschaften« dienen sollen.159 Zunehmend besteht aber auch in Österreich die Möglichkeit, neben wissenschaftlichen Dissertationen auch mit künstlerisch-gestalterischen Projekten zu promovieren. So bietet die Aka-

154. http://www.uni-weimar.de/cms/forschung/bauhaus-research-school.html [Okt. 2010]. 155. Vgl. http://www.bbt.admin.ch/themen/hochschulen/ [Okt. 2010]. 156. Das Swiss artists in labs Programm ist eine Zusammenarbeit zwischen der Zürcher Hochschule der Künste, Institute for Cultural Studies in the Arts ICS und dem Bundesamt für Kultur BAK. Vgl. www.artistsinlabs.ch/[Sept. 2009]. 157. Vgl. Scott, Jill (Hg.): Artists in Labs: Processes of Inquiry. Zürich. 2006. 158. http://www.swissdesignnetwork.org [Okt. 2010]. 159. http://www.dieangewandte.at/jar t/pr j3/angewandte/main.jar t?rel = de & contentid=1229508257390&reserve-mode=active [Okt. 2010].

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demie der bildenden Künste Wien seit 2010 einen »PhD in practice« an.160 Es handelt sich dabei um künstlerisch-wissenschaftliches ein Doktoratsstudium. Ebenfalls bietet die Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz seit 2010 einen PhD-Programm an, dass die »wissenschaftliche Forschungspraxis um Praktiken der künstlerischen Forschung (practice based research, artistic research)« erweitern soll.161 Auf europäischer Ebene findet sich mit dem European Artistic Research Network (EARN) ein Forschungsnetzwerk zur Förderung von künstlerischer Forschung.162 Daneben stellt die European League of Institutes of the Arts (ELIA) eine Plattform für die praxisbasierte künstlerisch-gestalterische Forschung in Form von Tagungen und Konferenzen bereit. In Arbeit ist gegenwärtig ein webbasiertes Journal for Artistic Research (JAR), das in Zusammenarbeit von zahlreichen europäischen Kunsthochschulen entsteht. Beiträge künstlerischer Forschung sollen auf dieser Plattform archiviert bzw. publiziert und damit besser zugänglich gemacht werden.163 Auch außerhalb Europas ist Forschung in Kunst und Design ein aktuelles Thema. In Australien hat sich, vermutlich durch den strukturellen Austausch mit Großbritannien innerhalb des Common Wealth, der PhD fast schon als ›Normabschluss‹ in den Künsten etabliert – wenngleich dieser neue ›Status‹ von Kunst dort bereits heftig umstritten ist.164 In den USA ist die Etablierung von Forschung in Kunst und Design derzeit im Gange. James Elkins prognostiziert, dass im Jahre 2012 in den USA bereits 127 künstlerische PhD-Programme existieren könnten (zum Vergleich: 2004 gab es in den USA nur deren zwei).165 Im Rahmen des Bologna-Prozesses ist die wohl wichtigste Veränderung für viele europäische Kunsthochschulen, dass erstmals ein ›dritter Zyklus‹ für Kunst und Design zur Sprache kommt.166 Der Bologna-Prozess, dem eine politische Initiative zur Vereinheitlichung des europäischen Hochschulraums zugrunde liegt, strebt nach Mobilitätsförderung, internationaler Wettbewerbs- und Beschäftigungsfähigkeit durch die gegenseitige europaweite Anerkennung von Studienabschlüssen. Aus historischer Sicht ist die Zielsetzung in Richtung eines vereinten »Europa des Wissens«167 160. http://emp.akbild.ac.at/Portal/phd-in-practice [Okt. 2010]. 161. http://www.ufg.ac.at/PhD-Programm.6930.0.html [Okt. 2010]. 162. Das Netzwerk umfasst derzeit Doktoratsprogramme an den folgenden Kunsthochschulen: Akademie der bildenden Künste Wien, The Academy of Fine Arts Helsinki, The Malmö School of Arts, The National College of Art and Design Dublin, The Slade School of Fine Arts London, The Utrecht School of Arts. 163. http://www.jar-online.net/ [Okt. 2010]. 164. Vgl. als kritische Stimme zu den Debatten Lee Brien, Donna: Thinking about Writing and Research. Review zu Carter: Material Thinking. 2004. In: Text. Journal of Writing and Writing Courses. Vol. 9. Nr. 2. 2005. 165. Elkins, James: Introduction. In: Elkins: Artists with PhDs. 2009, S. vii–xiii, hier S. viii. 166. Walter: Der Bologna-Prozess. 2006, S. 163. 167. Walter: Der Bologna-Prozess. 2006, S. 164.

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im Kontext des ›Mauerfalls‹, das heißt mit Blick auf die politische Öffnung der osteuropäischen Länder in den 1990er Jahren, zu verstehen. Zugleich soll der europäische Wirtschaftsraum damit auf internationaler Ebene gestärkt werden – namentlich durch eine Flexibilisierung von Arbeitskräften innerhalb Europas. Forschung wird unter dem Zeichen von ›Bologna‹ als ein elementarer Bestandteil von Hochschulbildung anerkannt. Die Implementierung des ›dritten Zyklus‹ ist zwar keine zwingende Vorgabe, sie entspricht oft aber dem Wunsch vieler Kunsthochschulen. Im Qualifikationsrahmen des europäischen Hochschulraums bezeichnet der ›dritte Zyklus‹ die Doktorats- respektive PhD-Ausbildung, die nach der Absolvierung der Bachelorund Master-Stufe in Angriff genommen werden kann.168 Die Umsetzung dieses »Drei-Zyklen-System[s]«169 wird im Rahmen des Bologna-Prozesses gesamteuropäisch angestrebt, wenngleich sich seine Umsetzung in den einzelnen Ländern noch erheblich unterscheidet. Doch ungeachtet dessen, wie unterschiedlich die Reformen in den einzelnen Ländern bereits vorangeschritten sind, zeichnet sich bereits deutlich ab, dass sich die Kunst- und Designausbildung künftig massiv verändern könnten – und damit zugleich die daraus resultierende Kunstund Designpraxis. Elkins befürchtet das Szenario, dass die neuen Doktorate für junge Kunststudierende den direkten Weg in die Lehre darstellten – ohne dass diese jemals eine künstlerische Praxis durchlaufen hätten. Es könne sogar geschehen, so eine weitere Befürchtung von ihm, dass Doktorate künftig die Standardanforderung für Dozierende in Kunst und Design darstellten.170 Taten statt Worte – Abgrenzung gegenüber akademischer Forschung Wie eingangs erwähnt, wurden und werden die genannten bildungspolitischen Umstrukturierungen zum Anlass genommen, darüber nachzudenken, wie Forschung in den Bereichen Kunst und Design beschaffen sein könnte und wie sie sich gegenüber ›akademischer Forschung‹ abgrenzen sollte. Für viele Kunst- und Designschaffende sind die Begriffe, vielmehr noch die Systeme ›Forschung‹ und ›Kunst‹ bzw. ›Design‹ nur schwer miteinander in Verbindung zu bringen, wie auch Christopher Frayling konstatiert. In seinem programmatischen Text zur künstlerisch-gestalterischen Forschung hält er fest, dass wissenschaftliche Forschung gemeinhin mit folgender Bedeutung assoziiert werde: 168. Wobei die tatsächlich Bezeichnung dieser drei Zyklen nicht vorgeschrieben ist. 169. Borgdorff, Henk: Die Debatte über Forschung in der Kunst. In: Rey/Schöbi: SubTexte 3. 2009, S. 23–49, hier S. 27. 170. Elkins: Introduction. 2009, S. vii.

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[…] obscure corners of specialised libraries, where solitary scholars live; whitecoated people in laboratories, doing esoteric things with test-tubes; universities rather than colleges; arms length, rather than engagement; artyfacts, rather than artefacts; words rather than deeds.

Forschung in Kunst und Design werde hingegen sehr viel pragmatischer verstanden als etwas »what artists, craftspeople and designers do all the time«, »deeds not words«, also Taten statt Worte.171 Als Konsequenz wird für Kunst und Design ein Forschungsformat angestrebt, »where practice itself is seen as a valid form of knowledge enquiry and where communicable knowledge may be embodied in the artefact«.172 Auch Bruce Archer bestimmte einen möglichen Modus von Designforschung in einer praxisbasierten Weise. In seinem, fast schon als kanonisch zu bezeichnenden Text The Nature of Research von 1995 hält er fest: »It is when research activity is carried out through the medium of practitioner activity that the case becomes interesting.«173 Bei diesem Forschungsmodus bezieht er sich auf den Ansatz des action research und definiert ihn für das Design als »[…] systematic enquiry conducted through the medium of practical action; calculated to devise or test new, or newly imported, information, ideas, forms or procedures and generate communicable knowledge«.174 Gemeinsam ist den hier angeführten Definitionen (die sich im Detail freilich voneinander unterscheiden), dass sie als zentrales Moment der Unterscheidung zwischen künstlerischer und wissenschaftlicher Forschung die vermeintliche Praxisbasiertheit von Kunst und Design gegenüber der vermeintlichen Theoriebasiertheit von Wissenschaft stellen. Die Betonung der Dimension ›Praxis‹ sowie die damit einhergehende Distanzierung von ›Theorie‹ und ›Wissenschaft‹ stellen zwar nicht die einzigen Unterscheidungen dar,175 vermittels derer praxisbasierte Forschung in Kunst und Design konstruiert wird, doch sind sie meines Erachtens äußerst wirkungsmächtige Chiffren. Die Formel ›Taten statt Worte‹, legt nicht einzig eine Opposition von ›Praxis‹ versus ›Theorie‹ nahe, sondern besagt implizit auch, dass künstlerische oder praxisbasierte Forschung 171. Frayling: Research in Art & Design. 1993/94, S. 1. 172. http://www.rca.ac.uk/pages/research/departments_33.html [Sept. 2009]. Vgl. dazu: Mareis/ Ofosu: Eine Studie zur internationalen Situation der praxisgeleiteten Doktorate an (europäischen) Kunsthochschulen. 2010, S. 37. 173. Archer, Bruce: The Nature of Research. In: Co-Design. Interdisciplinary Journal of Design. Januar 1995, S. 6–13, hier S. 11. Zit. nach einer Abschrift von Chris Rust 2009. 174. Archer: The Nature of Research. 1995, S. 11. 175. Eine andere Unterscheidung wird in einer angeblich spezifischen ›künstlerischen Einbildungskraft‹ gesehen. Allerdings gibt es Kritik an solch einer Sichtweise, vgl.: Koskinen, Ilpo: Throwing the Baby Out. Or Taking Practice Seriously. In: Nimkulrat, Nithikul; O’Riley, Tim (Hg.): Reflections and Connections. On the Relationship between Creative Production and Academic Research. Helsinki. 2009, S. 11–17, hier S. 12.

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sich von einer als ›passiv‹, ›tatenlos‹ oder ›wirkungslos‹ erlebten wissenschaftlichen Forschung distanzieren will. Der Pathos der in dieser Forderung mitschwingt, erinnert denn auch nicht von ungefähr an die Tonlage künstlerischer Manifeste. Die Debatten um eine praxisbasierte Forschung in Kunst und Design zeitigen konkrete Auswirkungen. Am Royal College of Art, das ich hier stellvertretend für zahlreiche andere Institutionen mit ähnlicher Ausrichtung anführe, können Promovierende in Kunst und Design zwischen einer textbasierten Arbeit (PhD by Thesis) und einer praxisbasierten Arbeit (PhD by Project) wählen. Während ein PhD by Thesis einen schriftlichen Text im Umfang zwischen 60.000 und 80.000 Wörtern umfassen soll und damit einer Dissertation im klassisch wissenschaftlichen Sinne entspricht, soll ein PhD by Project folgende Komponenten beinhalten: […] a work or works of art, design or communication, or a group of interrelated works of art, design or communication, presented as appropriate in the form of original(s), prototype(s), scale model(s), drawing(s), CD-ROM(s), photograph(s), film(s), or sound and vision recording(s), together with a piece of written work in English, defining the purpose of the work, the factors taken into account in its conception and development, and explaining the results.176

Der verhältnismäßig kleinere schriftliche Teil der praxisbasierten Arbeit soll zwischen 25.000 und 40.000 Wörtern umfassen. Sowohl die schriftlichen als auch praktischen Elemente des Projekts müssen als ›Ganzes‹ konzipiert werden und beide Aspekte der Arbeit dem ›Standard‹ einer Doktoratsarbeit genügen. Dieser Standard wird allerdings nur vage umschrieben: »The work submitted must demonstrate progression in knowledge or understanding in the candidate’s discipline, or in related disciplinary areas.«177 Es herrscht heute kaum Konsens darüber, was »progression in knowledge« für die Bereiche Kunst und Design bedeuten könnte (oder sollte), vielmehr ist gerade die Bemessung dieses Standards Bestandteil andauernder Diskussionen.178 Der enge Nexus von Praxis und Forschung ist auch auf semantischer Ebene nachzuzeichnen. Es findet sich derzeit eine verwirrende Vielzahl von Bezeichnungen für das ›neue‹ Forschungsformat in Kunst und Design. Dazu gehören ›practice-based‹ oder ›practice-led research‹, ›project-based research‹, ›studio-based research‹, ›artistic research‹, ›research through art and design‹, ›inquiry by art and design‹ oder in deutscher Terminologie ›pra176. http://www.rca.ac.uk/Default.aspx?ContentID=161695&CategoryID=36693 [Okt. 2010]. 177. http://www.rca.ac.uk/Default.aspx?ContentID=161695&CategoryID=36693 [Okt. 2010]. 178. Vgl. etwa Durling, David: Discourses on research and the PhD in Design. In: Qualitiy Assurance in Eduaction. Vol. 10, Nr. 2. 2002, S. 79–85.

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xisbasierte Forschung‹, ›künstlerische Forschung‹, ›Forschung durch Kunst und Design‹, ›Kunst und Design als Forschung‹ … à suivre.179 2007 wurde eine vom Arts and Humanities Research Council in Auftrag gegebene umfangreiche Review über die Situation der praxisbasierten Forschung in Kunst, Design und Architektur in Großbritannien veröffentlicht.180 Zum Konzept der praxisbasierten Forschung konnten keine etablierten oder vorrangig akzeptierten Definitionen gefunden werden, vielmehr wurden unterschiedliche, teils sehr spezifische Definitionen angeführt. Aufgrund des Fehlens einer einheitlichen Definition haben sich die Autorinnen und Autoren des Reports auf folgende, eher weit gefasste Definition für ›praxisbasierte Forschung‹ verständigt: Research in which the professional and/or creative practices of art, design or architec ture play an instrumental part in an inquiry. This is not to say that practice is a method of research or, as some assert, a methodology. Practice is an activity which can be employed in research, the method or methodology must always include an explicit understanding of how the practice contributes to the inquiry and research is distinguished from other forms of practice by that explicit understanding.181

Die andauernden Debatten um die angemessene Bezeichnung eines praxisbasierten Forschungsformats in Kunst und Design veranschaulichen die Bemühungen, das damit zu Kennzeichnende selbst erst zu klären. Zu lesen sind die jeweiligen Begrifflichkeiten stets in einer mehr oder weniger ausgeprägten Opposition gegenüber dem Konzept der ›wissenschaftlichen Forschung‹. Während die Bezeichnung ›künstlerischen Forschung‹ die Opposition ›Kunst‹ versus ›Wissenschaft‹ akzentuiert und darin vor allem die unterschiedlichen Sichtweisen und symbolischen Darstellungsformen dieser beiden »Systeme der Weltaneignung«182 adressiert, bildet der Ausdruck ›praxisbasierte Forschung‹ die Dichotomie ›Praxis‹ versus ›Theorie‹ deutlicher ab. Allerdings sind beide dieser Bestimmungen nicht unproblematisch, da sie bisweilen auf verkürzten, stereotypen und letzlich auch normativen Vorstellungen von ›(Natur-)Wissenschaft‹ gründen und darin ›Design‹/‹Kunst‹ versus ›Wissenschaft‹ als kategorische Entitäten bestim179. Besonders übersichtlich in Elkins, James: A Glossary of Terms. In: Elkins: Artists with PhDs. 2009, S. xvii f. 180. Unter der Mitarbeit von Prof. Chris Rust (Sheffield Hallam University), Prof. Judith Mottram (Nottingham Trent University), Prof. Jeremy Till (University of Sheffield). Vgl. Rust, Chris et al.: Practice-led research in Art, Design & Architecture. 2007. PDF: http://www.ahrc.ac.uk/ apply/research/sfi/ahrcsi/research_reviews.asp [Okt. 2010]. 181. Rust et al.: Practice-led research in Art, Design & Architecture. 2007, S. 11. 182. Zimmermann, Anja: »Dieses ganze unendliche Weltwesen«. Differenzen und Konvergenzen künstlerischer und wissenschaftlicher Verfahren am Ende des 19. Jahrhunderts. In: Welsh/ Willer: »Interesse für bedingtes Wissen«. 2008, S. 225–243, hier S. 226.

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men, in denen das jeweils ›Andere‹ eine identitätsstiftende oppositionelle Dichotomie darstellen soll. In der vorliegenden Arbeit werde ich, im Anschluss an eine in Großbritannien geläufige Bezeichnung, den Ausdruck ›praxisbasierte Forschung‹ verwenden und nur gelegentlich von ›künstlerischer Forschung‹ sprechen.183 Grund dafür ist, dass es aufgrund der spezifischen historischen Genese der Designforschung und ihrer spezifischen Verortung (zum Beispiel auch an Technischen Hochschulen) verkürzt wäre, sie bloß als Variante künstlerischer Forschung zu betrachten. Die in historischen und aktuellen Wissensdebatten beobachtbare komplexe Demarkation von Designforschung gegenüber Kunst und Wissenschaft spricht, zumindest in einem heuristischen Sinne, zusätzlich gegen eine Synonymverwendung von ›Designforschung‹ und ›künstlerischer Forschung‹. Zu beachten ist bei dieser Sprachregelung im Weiteren, dass ›praxisbasierte Forschung‹ und ›angewandte Forschung‹ trotz ihrer begrifflichen Nähe recht Unterschiedliches bezeichnen. Während ersteres das oben skizzierte ›neue‹ Forschungsformat in Kunst und Design benennt, ist der Begriff der ›angewandten Forschung‹ in Absetzung zu ›Grundlagenforschung‹ zu verstehen. In der Designforschung interferieren beide Modi der Forschung allerdings dort, wo im Rahmen von angewandten Forschungsprojekten (etwa im Produktdesign) ein methodisch-theoretischer Bezug zu ›praxisbasierter Forschung‹ hergestellt wird.184 Forschung für, über und durch Design In der aktuellen Designforschung wird das Format einer praxisbasierten Forschung vornehmlich unter Berufung auf eine Typologie von Christopher Frayling respektive Alain Findeli diskutiert. Frayling publizierte 1993/1994 im Rahmen seiner Funktion als Rektor des Royal College of Art ein Konzeptpapier zu Forschung in Kunst und Design.185 Dieses gilt als einer der grundlegenden Texte der künstlerischen Forschung. Unter Bezugnahme auf das Konzept einer »education through art«186 des anarchistischen Kunsthistorikers Herbert Read unterschied Frayling zwischen drei möglichen Forschungsansätzen in Kunst und Design. Er nannte diese 183. Vgl. Elkins: A Glossary of Terms. 2009, S. xvii f. 184. Vgl. dazu etwa die Arbeit von Frens, Joep: Designing for Rich Interaction. Integrating Form, Interaction and Function. Dissertation. Technische Universiteit Eindhoven. Eindhoven. 2006, S. 29 f. 185. Frayling: Research in Art & Design. 1993/94. 186. Read, Herbert Edward: Education Through Art. London. 1943. [Dt. Ausgabe: Erziehung durch Kunst. München. 1962]. Vgl. dazu auch Dingkuhn, Jochen: Education through Art (ETA). Untersuchungen zu Sir Herbert Reads gesellschaftspolitisch-pädagogischer Konzeption einer als ›Erziehung durch Kunst‹ verstandenen Ästhetischen Erziehung mit umfassendem Anspruch. Dissertation. Universität Hamburg. Hamburg. 1995.

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»research for art and design«, »research into art and design« und »research through art and design« – wobei er den letztgenannten Zugang favorisierte, da dieser das ›kritische Potential‹ der Künste für ihn am Besten zu berücksichtigen schien. Als »research through art and design« bezeichnet er insbesondere eine Form der Forschung, […] where the end product is an artefact – where the thinking is, so to speak, embodied in the artefact, where the goal is not primarily communicable knowledge in the sense of verbal communication, but in the sense of visual or iconic or imagistic communication.187

Frayling betont hier also vor allem das bildnerisch-darstellende und imaginative Potential von künstlerischer Forschung, wobei für ihn fraglich bleibt, ob alle Kunst auch als Forschung gelten kann – oder ob dies nur für eine bestimmte »cognitive tradition in fine art« zutreffend sei.188 Als ein Beispiel für diese ›kognitive Tradition‹ nennt er John Constables Wetterund Wolkenforschung, die nicht in wissenschaftlichen Texten, sondern in der Form gemalter Bilder ihren Ausdruck fand.189 Im Anschluss an Frayling adaptierte der Designwissenschaftler Alain Findeli die dreifache Typologie künstlerische Forschung für die spezifischen Belange des Design. Seine Adaption betont weniger den Aspekt einer bildnerisch-darstellenden Wissensform, sondern fokussiert auf den Aspekt einer ›projektgeleiteten Forschung‹.190 Vermutlich nimmt er diese Ausweitung vor, um nicht einseitig das Grafikdesign und dessen visuellen Darstellungsformen zu favorisieren, sondern um auch andere Designbereiche wie das Produktdesign darin einzuschließen. Da auf seine Typologie in aktuellen Wissensdebatten in der Designforschung häufig Bezug genommen wird, soll sie kurz vorgestellt werden.191 Als »Forschung für Design« (research for design) bezeichnet Findeli erstens eine weit gefasste Form der Forschung, wie sie im Rahmen von professionellen Designprojekten zur Anwendung kommt. Damit sind sowohl einfache, projektbezogene Recherchen gemeint als auch professionelle Forschung und Entwicklung, wie sie in den Forschungsabteilungen von großen Designunternehmen zu finden ist. Obwohl diese Form der Forschung 187. 188. 189. 190. 191.

Frayling: Research in Art & Design. 1993/94, S. 5. Frayling: Research in Art & Design. 1993/94, S. 5. Vgl. Frayling: Research in Art & Design. 1993/94, S. 3. Findeli: Die projektgeleitete Forschung. 2004, S. 41–44. Findeli: Die projektgeleitete Forschung. 2004, S. 4144. Bei den Übersetzungen der Forschungsbegriffe beziehe ich mich auf die in der deutschen Designforschung geläufigen Begriffe. Eine detaillierte Übersicht zu den an Frayling anschliessenden Ansätzen findet sich bei: Jonas, Wolfgang: Design Research and its Meaning to the Methodological Development of the Discipline. In: Michel, Ralf (Hg.): Design Research Now. Essays and Selected Projects. Basel et al. 2007, S. 187–206, hier S. 191.

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durchaus zu interessanten und praktikablen Resultaten führen kann, stellt sie für Findeli keine Wissensgenerierung im wissenschaftlichen Sinne dar. Als Grund nennt er, dass die Resultate solcher Forschung in der Regel nicht veröffentlicht würden, sondern, im Gegenteil, aus Wettbewerbsgründen oder um die »gestalterische Kreativität« zu schützen, vielfach geheim blieben. Ebenfalls gingen viele Designer davon aus, dass das Endresultat solcher Forschung (also die Produkte oder Designobjekte) als selbstredender Beweis die Forschungserkenntnis ausreichend kommunizieren könne. Als »Forschung über Design« (research into design) bezeichnet Findeli zweitens solche Forschungsarbeiten, die aus der Sicht von ›designfremden‹ Wissenschaftsdisziplinen (wie etwa der Kunstgeschichte, Ergonomie, Ästhetik, Semiotik, Psychologie, Soziologie, Betriebswirtschaftslehre oder den Bildungswissenschaften) Fragestellungen des Design untersuchten. Bei dieser Forschung stellt er zwar nicht ihre wissenschaftliche Qualität in Frage, er kritisiert jedoch ihren mangelnden Bezug zur Designpraxis und ihre fehlende Relevanz für »die Welt des Design«. Schließlich schlägt er mit dem Begriff »Forschung durch Design« (research through design) eine Form der »projektgeleiteten Forschung« vor, die sowohl wissenschaftlich anerkannt als auch für die Designpraxis produktiv sei. Solch eine »projektgeleitete Forschung« solle, so sein Vorschlag, im Rahmen eines Designprojekts situiert sowie partizipatorischer Art sein. Sie weist damit eine gewisse methodische Ähnlichkeit zu pragmatistischen sozialwissenschaftlichen Ansätzen wie der grounded theory oder der action research auf.192 Einen derartigen methodischen Bezug stellen übrigens auch andere Designforschende her, die glauben, in der pragmatischen und evolvierenden Vorgehensweise der grounded theory gewisse Analogien zu kreativen Prozessen zu erkennen. Sie sehen beispielsweise darin die »Involviertheit von Forschenden« oder die »Emergenz von Theorie aus Daten« berücksichtigt.193 Wenig beachtet wird hingegen, dass die grounded theory einerseits einer bestimmten sozialwissenschaftlichen Tradition entstammt, die gewisse Verwendungsweisen begünstigt und andere einschränkt; anderseits wird die durchaus streng durchgeführte und theoretisch fundierte Vorgehensweise der grounded theory, die insbesondere die Kodierung, die Hypothesenbildung und deren Überprüfung bzw. die Theoriebildung anstrebt, in der künstlerisch-gestalterischen Forschung (aber auch andernorts) oftmals vernachlässigt.194 Deutlich wird aber aus diesen methodischen ›Wahlverwandtschaften‹ dennoch im Hinblick auf Findelis Typologie, dass von 192. Findeli: Die projektgeleitete Forschung. 2004, S. 45. 193. Jonas: Forschung durch Design. 2004, S. 30. 194. Strübing, Jörg: Grounded Theory. Zur sozialtheoretischen und epistemologischen Fundierung des Verfahrens der empirisch begründeten Theoriebildung. Wiesbaden. 2008, S. 8.

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Designforschenden wiederholt Forschungskonzepte und -methoden herangezogen werden, die eine praxisbasierte Konzeption von Designforschung untermauern sollen – wenngleich die dazu aufgebotenen Bezüge bisweilen recht unscharf bleiben. Die genannten methodischen Bezüge legen zudem nahe, dass Design nicht als ein ›passiv‹ zu befragender Gegenstand, sondern als eine ›aktive‹ Praxis konzipiert wird, der auch, oder gerade im Rahmen von Forschung das Potential zur gesellschaftlichen Veränderung zugeschrieben wird. Vereinfacht gesagt, will Designforschung keine praxisfernen Analysen betreiben, sondern vielmehr vermittels gestalterischer Vorschläge aktiv ins gesellschaftliche Geschehen eingreifen und die Gesellschaft damit zum Besseren verändern. Das Projekt ›Designforschung‹ handelt für Findeli denn auch »vom tätigen Leben des zeitgenössischen Menschen«. Gemäß dieser Gewichtung fordert er, in der Designforschung »der menschlichen Dimension im Design« Priorität einzuräumen und bei den Untersuchungsgegenständen das »Repertoire der vielfältigen und komplexen Wechselbeziehungen zwischen Mensch und gebauter Welt« zu berücksichtigen.195 Es wird im Verlauf dieser Arbeit noch genauer zu erörtern sein, inwiefern die Idee eines gesellschaftsverändernden, also ›revolutionären‹ Potentials von Design kein neuer Topos der Designforschung darstellt, sondern als Perpetuierung historischer Kreativitätsnarrative lesbar wird. Diese Narrative, welche bereits die Techniktheorien der Antike durchziehen, zielen im Grunde darauf auf ab, die menschliche Schaffens- und Willenskraft inmitten einer als ›haltlos‹ oder ›chaotisch‹ erachteten Gesellschaft und Umwelt teleologisch zu behaupten.196 Demgegenüber stellt die praxisbasierte oder projektgeleitete Designforschung in Aussicht, Gesellschaft und ihre Umwelt mitzugestalten zu können – sie vielleicht sogar ein Stück weit zu kontrollieren. Potentiale und Risiken einer praxisbasierten Designforschung Festzuhalten gilt: Die laufenden Diskussionen um ein praxisbasiertes Forschungsformat im Design (und in den Künsten) sowie die daraus erhofften Erkenntnisse stellen neue Wege in Aussicht, um über festgefahrene und überholte Konzepte von ›Forschung‹, ›Wissen‹ und ›Wissenschaft‹, aber auch von ›Design‹ und ›Kunst‹ nachzudenken. Die unterschiedlichen Aspekte (terminologische, ontologische, methodologische und erkenntnistheoretische) und die komplexen Grenzbestimmungen vermittels derer praxisbasierte Designforschung derzeit von anderen Wissensformen de195. Findeli: Die projektgeleitete Forschung. 2004, S. 46, S. 48. 196. Ich diskutiere diesen Aspekt ausführlicher im 3. Kapitel, c. ›Innovation‹: ›Neuerung‹ und ›Veränderung‹ als ambivalente Fortschrittsmotive.

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markiert wird,197 mögen Fragen zu einer zeitgenössischen Wissensproduktion hoffentlich positiv stimulieren. Sie nehmen bestenfalls einen produktiven intermediären Status ein, indem sie als »boundary objects«198 fungieren, – als robuste, wenngleich unterschiedlich konnotierte Interdiskurse zu einer Wissensproduktion zwischen Design, Kunst und Wissenschaft. Als potentielle Risiken bringen die Debatten zur praxisbasierten Designforschung jedoch auch mit sich – und darauf weist die vorliegende Untersuchung hin –, dass Design bzw. Designpraktiken darin bisweilen unkritisch überhöht, essentialistisch oder naturalistisch gefasst werden. Dies ist etwa dann der Fall, wenn Designforschung in einer forcierten Weise von wissenschaftlicher Forschung unterschieden wird. Oder wenn Designforschende Design als ein »natürliches menschliches Vermögen« auffassen und ihre Aussagen auf diesen Befund stützen.199 Der starke Nexus von Designpraxis und Wissensgenerierung, den die praxisbasierte Forschung derzeit anstrebt, birgt – neben seinen zweifellos produktiven Potentialen – die Gefahr, dass durch ihn historisch tradierte (Selbst-)Verständnisse von Design als ›naturalisierte‹ Befunde in die Designforschung einfließen und dort unhinterfragt perpetuiert werden. ›Naturalisierung‹ meint, dass von Menschen geschaffene Bedeutungen und Ordnungen als ›von Natur aus‹ oder als ›aus der Natur der Dinge heraus vorgeben‹ verstanden werden und so als naturalisierte Befunde die Geschichte prägen. Begründet werden solche Naturalisierungen typischerweise durch eine, wiederum als ›natürlich‹ erachtete, Dichotomie von ›Kultur‹ versus ›Natur‹, wie sie auch in der Designforschung häufig angeführt wird.200 Solche Naturalisierungen sind in der Designforschung zum Beispiel dort zu beobachten, wo Designschaffenden eine besondere ›genuine Einbildungskraft‹ oder ›Intuition‹ in Fragen der Wissenserzeugung attestiert wird. Bisweilen wird Design sogar in prekärer Weise als »natural human ability«, als »essentially innate human capacity«201 oder »one of the highest forms of human intelligence« aufgefasst und Designforschung wird an das zweifelhafte Ziel gekoppelt, »converting this highly developed natural intelligence into forms of artificial intelligence«.202 Solche Designauffas197. Vgl. dazu grundlegend Borgdorff, Henk: The Debate on Research in the Arts. Sensous Knowledge – Focus on Artistic Research and Development. Nr. 2. Bergen 2006. Deutsche Übersetzung: Die Debatte über Forschung in der Kunst. In: Rey/Schöbi: SubTexte 3. 2009, S. 23–51. 198. Das Konzept der ›boundry objects‹ wird näher erläutert in: Star, Susan L.; Griesemer, James R.: Institutional Ecology, ›Translations‹ and Boundary Objects: Amateurs and Professionals in Berkeley's Museum of Vertebrate Zoology, 1907–39. In: Social Studies of Science. Vol. 19, Nr. 4. 1989, S. 387–420, hier S. 408 ff. 199. Cross: Designerly Ways of Knowing. 2006, S. 100. 200. Vgl. dazu Barthes, Roland: Mythen des Alltags. Frankfurt a. Main. 1964, S. 17. 201. Vgl. Salustri et al: Design as...: Thinking of what Design might be. 2007, S. 24 f. 202. Cross, Nigel: Natural Intelligence in Design. In: Design Studies. Vol. 20, Nr. 1. 1999, S. 25–39, hier S. 31.

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sungen suggerieren, dass Design (genauer noch: gestalterisches Können) vornehmlich eine ›angeborene‹ Fähigkeit oder ein genialisches Talent sei. Marginalisiert wird damit jedoch der Umstand, dass es sehr unterschiedliche Designpraktiken gibt, die ihrerseits durch vielfältige historische Einflüsse geprägt werden und dass erst spezifische soziokulturelle Kontexte und Konventionen den Erwerb dieser Praktiken überhaupt ermöglichen. Überdies kann vermutet werden, dass die derzeit zu beobachtende Favorisierung von Designpraktiken als Forschungspraktiken einen stabilisierenden Effekt für die Interessen der Designpraxis intendiert. ›Theorie‹ wird von Designpraktizierenden und bisweilen sogar von Designforschenden als ein für die Praxis vermeintlich nutzloses Unterfangen abgelehnt, damit wird jedoch auch (möglicherweise unintendiert) ein kritisches Reflexionspotential unter Verschluss gehalten, welches die durch die Praktiken tradierten hegemonialen Traditions- und Autoritätsverhältnisse in Frage stellen und verändern könnte. Zugespitzt formuliert, ist zu mutmaßen, ob die gegenwärtige Bevorzugung von Designpraktiken in der Designforschung tatsächlich ein avanciertes Modell von Forschung darstellt, oder ob nicht im Gegenteil damit ein traditionelles Modell von Praxis konserviert wird. Gerade weil aber das Modell einer praxisbasierten Forschung, also einer Forschung durch Designpraktiken, derzeit in der Designforschung favorisiert wird, um die Belange der »Praktiker der Wissenserzeugung«203 besser zu adressieren, gilt einer kritischen Befragung der darin angelegten Naturalisierungen und Essentialismen eine besondere Aufmerksamkeit.

Fragen der Sprachregelung: Designforschung, Designwissenschaf t oder Designgeschichte? Es dürfte beim Lesen der vorausgegangenen Abschnitte kaum unbemerkt geblieben sein, dass der Ausdruck ›Designforschung‹ seltsam unvermittelt zu den Ausdrücken ›Designwissenschaft‹ und ›Designgeschichte‹ steht. In einschlägigen englischen Texten wird ›Designforschung‹ zudem noch von den Begriffen ›scientific design‹, ›design science‹ und ›science of design‹ unterschieden, jedoch in Verbindung zu dem Ausdruck ›design as a discipline‹ gebracht. Die Bedeutung und Herkunft einer solchen komplexen Sprachregelung kann nur dann erhellt werden, wenn man einen Blick auf die intellektuellen Prämissen der historischen Designmethodologie wirft. Sie bedingt, dass das Verhältnis von Design und Wissenschaft in der heutigen Designforschung auf eine bestimmte Weise reflektiert wird. An ihr kann verdeutlicht werden, weswegen Designforschung heute von 203. Gibbons et al.: The New Production of Knowledge. 1994, S. 3.

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Vielen nicht zwingend als eine wissenschaftliche, sondern als eine praxisbasierte Disziplin aufgefasst wird. Um zu erörtern, wodurch diese, auf den ersten Blick womöglich seltsam anmutende, Abgrenzung motiviert sein mag, beziehe ich mich im Folgenden ausführlicher auf einen Aufsatz von Nigel Cross mit dem bezeichnenden Titel Designerly Ways of Knowing: Design Discipline Versus Design Science.204 Cross führt darin an, dass im Design Methods Movement von Anfang an zwischen den Vorgehensweisen von Designern und (Natur-)Wissenschaftlern unterschieden wurde.205 So findet sich beispielsweise bei Sydney Gregory die Unterscheidung, Naturwissenschaft sei »analytisch«, Design hingegen sei »konstruktiv«: Put simply, the scientific method is a pattern of problem-solving behaviour employed in finding out the nature of what exists, whereas the design method is a pattern of behaviour employed in inventing things of value which do not yet exist. Science is analytic; design is constructive.206

Herbert Simon unterschied in einer vergleichbaren Weise zwischen einem ›analytischen‹ Modus in den Naturwissenschaften und einem ›synthetischen‹ oder ›konstruktiven‹ im Design. »The natural sciences are concerned with how things are […], design on the other hand is concerned with how things ought to be«, so seine Überzeugung.207 Mit der Anfang der 1970er Jahre einsetzenden Kritik an dem Design Methods Movement löste sich die Unterscheidung zwischen Design und Wissenschaft keineswegs auf, sondern avancierte vielmehr zu einem persistenten Topos der Designforschung. So organisierte die Design Research Society im Jahr 1980 eine Konferenz mit dem Titel Design: Science: Method, anlässlich derer diese Unterscheidung erneut thematisiert wurde. Nigel Cross, der an der Konferenz partizipierte, berichtet davon wie folgt: The general feeling from that conference was, perhaps, that it was time to move on from making simplistic comparisons and distinctions between science and design; that perhaps there was not so much for design to learn from science after all, and that perhaps science rather had something to learn from design.208

Zusätzlich hält er fest, »that the epistemology of science was, in any case, in disarray and, therefore, had little to offer an epistemology of design«.209 204. 205. 206. 207. 208. 209.

Cross: Designerly Ways of Knowing: Design Discipline Versus Design Science. 2001, S. 49–55. Cross: Designerly Ways of Knowing: Design Discipline Versus Design Science. 2001, S. 51. Gregory: Design and The Design Method. 1966, S. 6. Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 4 f. Cross: Designerly Ways of Knowing: Design Discipline Versus Design Science. 2001, S. 51. Vgl. dazu auch Cross et al: Design Method and Scientific Method. 1981. Hier zit. nach Cross: Designerly Ways of Knowing: Design Discipline Versus Design Science. 2001, S. 51.

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Design soll sich demnach nicht länger an den Grundsätzen und Methoden der Wissenschaft orientieren, vielmehr wird in Aussicht gestellt, dass umgekehrt das Design eine Inspirationsquelle für die Wissenschaft darstellen könne.210 Doch bleibt mit diesem etwas prätentiösen Ansinnen stets noch die Frage unbeantwortet, wie Design und Wissenschaft sich zueinander verhalten (sollen). Cross versucht, dieses Verhältnis auf der Ebene einer komplexeren Begriffsbestimmung zu erhellen, indem er die Termini ›scientific design‹, ›design science‹ und ›science of design‹ miteinander in Beziehung bringt und ihren Nutzen für das Design, das heißt konkret für die Designpraxis, diskutiert.211 Als ›scientific design‹ bezeichnet Cross die Anwendung wissenschaftlicher Methoden im Rahmen der Designpraxis, wie dies in den Anfängen des Design Methods Movement gebräuchlich war. ›Scientific design‹ stellt für ihn zwar kein kontroverses Konzept für das Design dar, gilt ihm aber auch nicht mehr als eine »reflection of the reality of modern design practice«.212 Als nächstes führt er den Ausdruck ›design science‹ an, der ursprünglich auf Buckminster Fuller zurückgeht.213 Dieser Ausdruck wurde von verschiedenen Autoren in einem meist technisch-ingenieurmäßigen Sinn für ihre Zwecke beansprucht. So verwenden ihn Vladimir Hubka und Ernst Eder als englische Bezeichnung für den Bereich der ›Konstruktionswissenschaft‹.214 Auch Cross weist auf diese einseitig technisch-naturwissenschaftliche Verwendung des Ausdrucks hin. Er betont zudem die Konnotation, dass die Designtätigkeit darin selbst als eine per se wissenschaftliche Tätigkeit verstanden werde: […] design science refers to an explicitly organized, rational, and wholly systematic approach to design; not just the utilization of scientific knowledge of artifacts, but design in some sense as a scientific activity itself.215

Den Begriff ›science of design‹, der auf Herbert Simon zurückgeht, legt Cross schließlich in folgender Weise aus: »the science of design refers to that body of work which attempts to improve our understanding of design through ›scientific‹ (i.e., systematic, reliable) methods of investigation«.216 Für ihn unterscheiden sich ›design science‹ und ›science of design‹ derart, dass erstes eher als angewandte Wissenschaft und zweites als metatheore210. 211. 212. 213. 214.

Vgl. Cross, Nigel: A History of Design Methodology. 1993, S. 18. Cross: Designerly Ways of Knowing: Design Discipline Versus Design Science. 2001, S. 51. Cross: Designerly Ways of Knowing: Design Discipline Versus Design Science. 2001, S. 52. Vgl. etwa Fuller: World Design Science Decade 1965–1975. 1963. Hubka, Vladimir; Eder, Ernst W.: Design Science. Introduction to the Needs, Scope and Organization of Engineering Design Knowledge. Berlin et al. 1996. 215. Cross: Designerly Ways of Knowing: Design Discipline Versus Design Science. 2001, S. 53. 216. Cross: Designerly Ways of Knowing: Design Discipline Versus Design Science. 2001, S. 53.

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tische Reflexion über Design zu verstehen sei. Als Erweiterung, oder vielmehr als Gegenvorschlag zu den genannten Konzepten, die Design und Wissenschaft miteinander in Beziehung bringen sollen, schlägt Cross seinerseits vor, Design als eine ›genuine‹, praxisbasierte Disziplin aufzufassen (design as a discipline), die nicht per se wissenschaftlich sein müsse und sich somit von »design as science« unterscheide: Design as a discipline […] can mean design studied on its own terms, and within its own rigorous culture. It can mean a science of design based on the reflective practice of design: design as a discipline, but not design as a science.217

Er rechtfertig seinen Vorschlag zu einer, wenn man so will, ›wissenschaftsalternativen‹ Designdisziplin mit dem Verweis auf den Ansatz einer ›reflective practice‹, den der Soziologe Donald Schön in den 1980er Jahren formuliert hat (im 2. Kapitel ausführlicher dargestellt): Schön proposed, to search for ›an epistemology of practice implicit in the artistic, intuitive processes which some practitioners do bring to situations of uncertainty, instability, uniqueness, and value conflict,‹ and which he characterized as ›reflective practice.‹218

Im Sinne von Schön schlägt Cross vor, dass eine Designdisziplin, die auf einem solchen praktischen Erfahrungswissen beruhe, »domain-independent approaches to theory and research in design« entwickeln solle. In axiomatischer Weise sollen also Fach und Disziplin übergreifende, das heißt verallgemeinernde Zugänge zum Wissen im Design auf der Grundlage der Designpraxis selbst entwickelt werden. Dazu führt er weiter aus: The underlying axiom of this discipline is that there are forms of knowledge special to the awareness and ability of a designer, independent of the different professional domains of design practice.219

An Cross’ Bestimmung von ›Design als Disziplin‹ wird deutlich, auf welche komplexe, bisweilen nur schwer nachvollziehbare Weise das Verhältnis von Design und Wissenschaft in der Designforschung diskutiert wird. Die Debatten hinsichtlich einer autarken Designdisziplin ziehen oftmals nicht wissenschaftliche Kriterien für die Bemessung von Designforschung in Betracht, sondern die Akzeptanz von Designpraktizierenden wird als ›disziplinäre Messlatte‹ verwendet. 217. Cross: Designerly Ways of Knowing: Design Discipline Versus Design Science. 2001, S. 54. 218. Cross: Designerly Ways of Knowing: Design Discipline Versus Design Science. 2001, S. 53 f. 219. Cross: Designerly Ways of Knowing: Design Discipline Versus Design Science. 2001, S. 54.

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So ist auch in jüngeren Texten zur Designforschung davon die Rede, dass Design als eine »autonome wissenschaftsanaloge« »nicht wissenschaftliche/wissenschaftsbasierte« Disziplin zu verstehen sei.220 Diesem Selbstverständnis entsprechend wird denn auch für die Untersuchung von Fragestellungen zur Designpraxis nicht vorrangig die Wissenschaft als zuständig erachtet, sondern die Designpraxis selbst – oder zumindest eine Designdisziplin oder -forschung die eine große Nähe zu dieser Praxis aufweist.221 Diese ausgeprägte Praxisorientierung ermöglicht jedoch nicht nur einen besseren Zugang zu Fragen der Designpraxis, sie schließt zugleich auch auf prekäre Weise solche Fragen aus, die für diese Praxis angeblich keinen Nutzen zu versprechen scheinen. Mit den Ein- und Ausschlusskriterien von Designforschung entlang der Designpraxis wird auch ein sozialer Aspekt sichtbar. Letztlich können die Debatten um die Art und Weise, wie Design als Disziplin und Forschung zu bestimmen sei, als soziale Abgrenzungsversuche verstanden werden. Das Interesse von Designpraktizierenden, die Deutungshoheit im Diskurs über ›ihre‹ Praktiken zu behalten, mag vielleicht der gewichtigste Grund sein, weshalb dem Format der praxisbasierten Forschung derzeit so große Aufmerksamkeit gezollt wird. Demgegenüber möchte ich argumentieren werden, dass gerade diese so vehement eingeforderte Praxisnähe – die in ausgeprägter Form als Theoriefeindlichkeit lesbar gemacht werden kann – zum einen auf einer nicht haltbaren Dichotomie von ›Theorie‹ und ›Praxis‹ beruht, zum andern auf einem verkürzten Bild von (Natur-)Wissenschaft auf baut. Mit dem Wunsch nach einer autonomen, praxisnahen Designdisziplin geht zugleich eine prekäre Demarkation von Design versus Kunst und Wissenschaft einher. So wird in einer bisweilen essentialistisch anmutenden Weise argumentiert, Design sei eine ›genuine‹ Disziplin, die in keiner anderen Disziplin – weder in Kunst, noch Wissenschaft – eine Entsprechung finde.222 Diese Argumentation ist zwar verständlich vor dem Hintergrund, dass Design in der Universitätslandschaft nur wenig Bedeutung hat. Es gilt jedoch, diesen Umstand kulturhistorisch zu analysieren, anstatt ihn essentialistisch zu behaupten. Die Demarkation von Design versus Kunst und Wissenschaft weist meines Erachtens dort prekäre Züge auf, wo sowohl die Historizität als auch die Komplexität dieser Felder ausgeblendet wird. Polarisierende Vorstellungen von Design und (Natur-) Wissenschaft, wie sie in den 1960er Jahren propagiert wurden, sind mittlerweile zwar auch (wenngleich nicht hinlänglich) in der Designforschung durch komplexere Beschreibungen 220. Jonas: Forschung durch Design. 2004, S. 27 ff. 221. Vgl. Findeli: Die projektgeleitete Forschung. 2004, S. 43. 222. Cross, Nigel: Design Research: A Disciplined Conversation. In: Design Issues. Vol. 15, Nr. 2. 1999, S. 5.

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der Interaktion von »Wissen, Aktion und Reflexion« ersetzt worden.223 Sie wären womöglich aber schon damals kritisch zu befragen gewesen, zieht man die etwa zeitgleich entstandenen Schriften wie jene von Thomas Kuhn,224 Michel Foucault,225 Paul Feyerabend 226 oder auch den ›Positivismusstreit‹ zwischen Vertretern der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule und des Kritischen Rationalismus in Betracht.227 Diese Autoren und ihre Ansätze stellten seit den 1960er Jahren das Bild einer auf allgemeiner ›Wahrheit‹ gründenden, logisch argumentierbaren, quantitativ messbaren (Natur-)Wissenschaft radikal in Frage. Ungeachtet dieser Kritik üben Designdefinitionen, die Design als ›wissenschaftsalternatives‹ Handeln auffassen, eine anhaltende Faszination auf Designforschende aus. So wird Design beispielsweise im Sinne von Herbert Simon als konstruktives (eben nicht analytisches) Planungs- oder Entscheidungshandeln aufgefasst. Die darin angelegte Lesart, Design sei eine aktive, zukunftsorientierte, planvolle und zielgerichtete Handlungsdomäne, die sich zwischen oder quer zu den Feldern Kunst und Wissenschaft entfalte, besitzt bis heute – gerade vor dem Hintergrund von virulenten Fragen zur Entwicklung von Wissenschaft, Technologie und Gesellschaft – ein hohes visionäres Potential. In diesen Visionen wird das aktive gestaltende Handeln, mit dem das Design konnotiert wird, der als passiv erachteten wissenschaftlichen Analyse gegenübergestellt. Aus heutiger kultur- und wissenschaftshistorischer Sicht ist jedoch eine solche Kontrastierung zwischen einem konstruktiven Designhandeln einerseits und einer analytischen (Natur-)Wissenschaft anderseits zu problematisieren, da sie auf einem eindimensionalen Bild von Wissenschaft beruht. Aus jüngeren wissenschaftshistorischen Arbeiten (aber auch bereits bei Ludwik Fleck im Jahre 1935)228 wird wissenschaftliche Wissenserzeugung gerade in den Naturwissenschaften als ein aktives und konstruktives Handeln geschildert. Es wird darin keineswegs nur ›Realität‹ oder ›Wahrheit‹ auf eine passive Weise abgebildet, vielmehr werden wissenschaftliche Befunde in wissenschaftlichen »Experimentalsystemen« 229 223. 224. 225. 226. 227.

Cross: A History of Design Methodology. 1993, S. 19. Kuhn, Thomas S.: The Structure of Scientific Revolutions. Chicago. 1962. Foucault, Michel: Les mot et les choses. Une archéologie des sciences humaines. Paris. 1966. Feyerabend, Paul: Against Method. London. 1975; ders.: Science in a Free Society. London. 1978. Adorno, Theodor W. et al.: Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie. Frankfurt a. Main. 1972. 228. Fleck, Ludwik: Die Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv, Frankfurt a. Main. 1980 [Erstausgabe 1935]. 229. Mit dem Ausdruck »Experimentalsystem« versucht Rheinberger alle für ein wissenschaftliches Experiment oder eine Serie von Experimenten konstitutiven Aspekte zu erfassen. In Experimentalsystemen sind »Wissensobjekte und die technischen Bedingungen ihrer Hervorbringung unauflösbar miteinander verknüpft. Sie sind zugleich lokale, individuelle und, vor allem, epistemische Einheiten. Experimentalsysteme sind also durch und durch mischförmige, hybride Anordnungen; in den Grenzen dieser dynamischen Gebilde geben Experimentalwissen-

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durch ein spezialisiertes Set von Praktiken, Techniken, Apparaturen von menschlichen und ›nicht-menschlichem‹ Akteure mit konstruiert.230 Damit wird nicht die Existenz von ›Realität‹ grundlegend in Frage gestellt, sondern es wird, wie Latour schreibt, ein »realistischer Realismus« in Anspruch genommen, der auf vielfältige Vernetzungen hinweist, die es in der Interaktion von Akteuren mit ihrer Umwelt zu entziffern gilt.231 Taxonomien der Designlandschaft Neben Stimmen, die zwischen Design und Wissenschaft in einer kategorischen Weise unterscheiden, finden sich jedoch auch andere Voten, die Designforschung durchaus als ein wissenschaftliches Unterfangen verstehen – wenngleich auch sie Design als eigenständigen Gegenstand und als ›dritte Wissenskultur‹ auffassen, die neben den Geistes- und Naturwissenschaften zu positionieren sei. Bruce Archer verwendet den Ausdruck ›Designforschung‹ weniger als ein exklusives Prinzip, sondern als einen taxonomischen Oberbegriff, um darunter sämtliche Aspekte und Zugänge zu Design als Forschungsfeld und -gegenstand zu subsumieren. Eine solche Taxonomie findet sich in seinem Positionspapier The Three Rs aus dem Jahre 1977.232 Dieses gilt als eine wichtige Grundlage für die erwähnten Debatten, die in den 1970er und -80er Jahre in Großbritannien rund um die Reformierung der Kunstund Designausbildung stattfanden und welche die institutionelle Genese der Designforschung betrafen.233 Archers Taxonomie der Designforschung umfasst folgende Bereiche und Aspekte:

Design technology: Design praxiology: Design language (modelling): Design taxonomy:

230.

231. 232. 233.

The study of the phenomena to be taken into account within a given area of application; The study of the design techniques, skills and judgement applied in a given area; The study of vocabulary, syntax and media for recording, devising, assessing, expressing design ideas in a given area; The study of the classification of design phenomena;

schaftler den epistemischen Dingen Gestalt, mit denen sie sich beschäftigen.« Vgl. Rheinberger, Hans-Jörg: Experimentalsysteme und epistemische Dinge. Göttingen. 2001, S. 8. Latour, Bruno; Woolgar, Steve: Laboratory Life. The Construction of Scientific Facts. Princeton. 1979. Vgl. zur Akteurs-Netzwerk-Theorie: Latour, Bruno: Reassembling the Social. An Introduction to Actor-Network-Theory. Oxford. 2005. Vgl. Des Weiteren Knorr Cetina, Karin: Die Fabrikation von Erkenntnis. Zur Anthropologie der Naturwissenschaft. Frankfurt a. Main. 1984. Krauss, Werner: Bruno Latour. Making Things Public. In: Moebius, Stephan; Quadflieg, Dirk (Hg.): Kultur. Theorien der Gegenwart. Wiesbaden. 2006, S. 430–444, hier S. 440. Archer: The Three Rs. 2005, S. 8–15. Archer: The Three Rs. 2005, S. 8.

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Design al s Wissenskultur

Design metrology:

The study of the measurement of design phenomena, with special emphasis on the means for ordering or comparing non-quantifiable phenomena; Design axiology: The study of goodness or value in design phenomena, with special regard to the relations between technical, economic, moral and aesthetic values; Design philosophy: The study of the language of discourse on moral principles in design; Design epistemology: The study of the nature and validity of ways of knowing, believing and feeling in design; Design history: The study of what is the case, and how things came to be the way they are, in the design area; Design pedagogy: The study of the principles and practice of education in the design area.234

Diese Taxonomie ist als ein Versuch zu lesen, das Feld einer wissenschaftlichen Designforschung zu ordnen, potentielle Anwendungsgebiete zu benennen, diese systematisch einzugrenzen und damit zugleich von anderen Feldern abzugrenzen. Aufschlussreich an ihr ist, dass sie die Erforschung von Designpraktiken (design praxiology) als einen Bereich zwar mit einschließt – ihn aber nicht über die anderen Forschungsbereiche stellt. Sein Ordnungsversuch kann auch die Schwierigkeit verdeutlichen, ein noch im Entstehen begriffenes Forschungsfeld systematisch festzuschreiben. Eine zu restriktive Taxonomie läuft Gefahr, wesentliche Aspekte und Vernetzungen des Forschungsfeldes auszuschließen, eine zu weite Definition kann leicht ins Beliebige abdriften. Dieses Dilemma erkannte auch Archer, der bereits bei den Definitionsversuchen für den Terminus ›Designforschung‹ auf einige Schwierigkeiten stieß: Such a definition might thus become, ›Design Research is systematic enquiry whose goal is knowledge of, or in, the area of human experience, skill and understanding that reflects man’s concern with the enhancement of order, utility, value and meaning in his habitat‹. Alternatively, it might become, ›Design Research is systematic enquiry whose goals is knowledge of, or in, the embodiment of configurations, composition, structure, purpose, value and meaning in man-made things and systems‹. The former seems to me to be impossibly broad. […] The latter definition seems to be a better description of the matter which design researchers are actually investigating, but I am still uncomfortable with the vagueness of its focus. On the other hand, I feel that an alternative definition, 234. Archer: The Three Rs. 2005, S. 13 f.

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Designforschung im histor ischen Kontext

›Design Research is systematic enquiry into the nature of design activity‹, which is were Design Research began, is too narrow.235

Die vorliegende Untersuchung will keine weitere Definition oder Taxonomie für die Designforschung liefern. Stattdessen möchte sie das Augenmerk darauf lenken, dass jede mögliche Definition von Designforschung – und dies kann auch aus Archers tastenden Erkundungen geschlossen werden – als eine konventionalisierte, symbolische Ontologie des Design zu verstehen ist, als ein Modell also. Anders formuliert, ist jede Taxonomie der Designforschung vor allem hinsichtlich ihrer konventionell gewählten Ordnungsstrukturen aussagekräftig. Sie ist jedoch nicht als Beleg für eine ›natürliche Ordnung‹ oder für ein ›essentielles Wesen‹ des Gegenstands Design misszuverstehen. Sie ist vielmehr untrennbar an die historische, soziokulturelle Genese des Design gekoppelt und formiert sich erst in Beziehung zu anderen Disziplinen. Gerade deswegen bleibt das Design – sei es nun als Disziplin oder Forschungsgegenstand – aus historischer Sicht ein kontingentes Phänomen. Nigel Whiteley, der eine historische Fundierung von Designforschung und -theorie anstrebt, formuliert die Einsicht, dass keine kontextfreie, ahistorische Theoriebildung des Design möglich sei, wie folgt: »Design doesn’t exist for its own sake […] It exists, instead, in real lives, real situations, real places, and real time.«236 Gerade diese Einsicht in die Kontextabhängigkeit und damit auch in die Historizität von Designpraktiken verunmöglicht es meines Erachtens, Design bzw. Designforschung in einer kategorischen Weise zu definieren oder von einer allgemeingültigen Designmethodik zu sprechen, wie es in den 1960er Jahren ein Ansatz des Design Methods Movement war und auch heute noch in gewissen Ansätzen durchscheint.237 Anstatt den Debatten ein weiteres theoretisches, jedoch ahistorisches Modell hinzuzufügen, wird in den folgenden Kapiteln versucht, ein Beitrag zu einer kulturhistorischen Bestimmung von Wissensfragen im Design zu entwickeln. Damit zielt mein Vorschlag eindeutig in die Richtung einer wissenschaftlichen, nämlich kulturhistorisch fundierten Betrachtung von Design. In Anbetracht, dass in der Designmethodologie der 1960er und -70er Jahre, aber auch in der heutigen Designforschung nur selten historisch vergleichend argumentiert wird, scheint ein geschärftes Bewusstsein für die historische Konditionierung der gegenwärtigen Wissensbestimmungen im Design von Nöten. 235. Archer: A View on the Nature of Design Research. 1981, S. 31. 236. Whiteley, Nigel: Design History or Design Studies? In: Design Issues. Vol. 11, Nr. 1. 1995, S. 38–42, hier S. 38. 237. Vgl. etwa Cross: Designerly Ways of Knowing: Design Discipline Versus Design Science. 2001, S. 49–55.

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Von ›Designgeschichte‹ oder ›Designkulturgeschichte‹ ist in den aktuellen Beiträgen zur Designforschung nur allzu selten die Rede. Grund dafür ist zum einen die erwähnte forcierte Unterscheidung von ›Design‹ und ›Wissenschaft‹, zum anderen der Umstand, dass Design als eine auf die Zukunft ausgerichtete Praxis verstanden wird und damit eine angeblich rückwärtsgewandte Historisierung als unnötig erachtet. Dem gegenüber ist einzuwenden, dass Designpraktiken nicht ›vom Himmel fallen‹ oder von ›Natur‹ aus in den Menschen angelegt sind, vielmehr werden sie historisch ausgebildet. In diesem Sinne ist Historisierung immer auch als eine Analyse der Gegenwart und als ein Blick in die Zukunft zu verstehen vor einem immer wieder neu zu interpretierenden historischen Hintergrund. Eine Designkulturgeschichte ist mithin keineswegs nur als Nebenoder Unterabteilung von Designforschung zu verstehen, sondern als ihr wichtigstes kritisches Potential. Eine Designforschung ohne kritisches Geschichtsbewusstsein und ohne Selbstreflexion – beides heute eigentlich Standard aller wissenschaftlichen Disziplinen – ist kaum wünschenswert. Sowohl die diskurshistorischen Einflüsse als auch die aktuellen Fragestellungen, Ziele und Motivationen von Designforschenden zeigen sich zu heterogen, als dass sie einheitlich formuliert und abschließend systematisiert werden könnten – oder sollten. Diese Vielstimmigkeit ist jedoch nicht als Schwäche zu bewerten, sondern kann als Stärke hinsichtlich der Entwicklung von produktiven Fragestellungen in der Designforschung verstanden werden. Nigel Whiteley beschreibt die Produktivität einer ›historischen Landkarte‹ für die Designforschung und -theorie wie folgt: […] let’s map out some of the main tendencies and their implications. We won’t agree on the map, and we’ll argue about the worth of some of the tendencies. However, in arguing about the tendencies and the map, we keep the [design] discipline alive.238

In diesem Sinne wäre eine Historisierung der Designforschung und -theorie sowie den ihnen immanenten Motiven, Praktiken, Akteuren und Debatten keineswegs als ein nostalgischer oder gegenwartsferner ›Blick zurück‹ zu verstehen. Vielmehr wird durch ihn, wie der Historiker Hans-Jürgen Goertz schreibt, »unsere Beziehung zum Vergangenen reflektiert«.239 Historische Erkenntnis wird zu einer Selbsterkenntnis, aus der wir verändert hervorgehen. 238. Whiteley: Design History or Design Studies? 1995, S. 38–42. 239. Goertz, Hans-Jürgen: Geschichte – Erfahrung und Wissenschaft. Zugänge zum historischen Erkenntnisprozess. In ders. (Hg.) Geschichte. Ein Grundkurs. Reinbek b. Hamburg. 2007 [1998], S. 19–47. hier S. 40.

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Designforschung im histor ischen Kontext

Demnach können historische Reflexionen und Markierungen leisten, das gegenwärtige und zukünftige Feld der Designforschung zu strukturieren und zu informieren sowie innovative Fragestellungen aus einem differenzierten und aufgeklärten Verhältnis sowohl gegenüber der eigenen gestalterischen Praxis als auch gegenüber der Designgeschichte zu entwickeln. Für zukünftige Belange der Designforschung stellt ein Bewusstsein für ihre Geschichte notwendige, sinnstiftende Orientierungspunkte bereit.

b. Forschungsstand Was den Forschungsstand zur vorliegenden Arbeit betrifft, wurden bereits im vorausgehenden Abriss zur Geschichte der Designmethodologie und -forschung wesentliche Positionen angeführt. Auch werden in den nachfolgenden Kapiteln Positionen ausführlich diskutiert, die streng genommen zum Stand der Forschung gehören. Mit Blick auf die Fragestellung nach den Interferenzen zwischen Design- und Wissensdiskursen, ist es dennoch angebracht, den Forschungsstand um einige Referenzen zu ergänzen. Das Modell einer praxisbasierten Forschung in Kunst und Design wird derzeit von einer Vielzahl von Autorinnen und Autoren intensiv und kontrovers diskutiert. Hervorzuheben ist ein grundlegender Aufsatz zur künstlerischen Forschung von Henk Borgdorff, The Debate on Research in the Arts (2006), in dem er den Stand der Debatten zusammenfasst und unter terminologischen, ontologischen, methodologischen und erkenntnistheoretischen Aspekte diskutiert.240 Den Bereich der Designforschung behandelt Borgdorff aber nicht im Speziellen. Die vorliegende Untersuchung bietet eine ergänzende Sichtweise dazu an – ohne aber streng zwischen den Kategorien ›Ontologie‹, ›Methodologie‹ und ›Epistemologie‹ zu unterscheiden. Stattdessen wird versucht, gerade die diskurshistorischen Zusammenhänge und Motive herauszuarbeiten, die das Sprechen über diese Kategorien verbinden und prägen. 2009 veröffentlichte James Elkins den Band Artists with PhD. On the new Doctoral Degree in Studio Art.241 Darin wird, neben Fragen zur Epistemologie und Methodik, eine Übersicht über die internationale institutionelle Entwicklung von praxisbasierten PhD-Programmen in Kunst und Design sowie zu Kriterien ihrer Bewertung zusammengestellt.242 In einem eigenen Aufsatz in dem Band wirft Elkins einen kritischen Blick auf die Entwicklung der künstlerischen Forschung. So bemängelt er 240. Borgdorff: Die Debatte über Forschung in der Kunst. 2009, S. 23–49. 241. Elkins: Artists with PhDs. 2009. 242. Vgl. Jones, Timothy Emlyn: Research Degrees in Art and Design. In: Elkins: Artists with PhDs. 2009, S. 31–48 sowie Mottram: Researching Research in Art and Design. 2009, S. 3–30.

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zum Beispiel, dass mit einer Favorisierung der Begriffe ›Kreativität‹ und ›Intuition‹ der Begriff der ›Forschung‹ überstrapaziert werde und selbst historische Kunstwerke und künstlerische Praktiken nur noch nach ihrem Forschungswert oder ihrem Erkenntnisgewinn befragt werden.243 Ebenfalls problematisiert er grundlegend die Vorstellung, dass künstlerische Praxis mit dem Begriff ›Forschung‹ verknüpft wird und dass sie »neues Wissen« produziere. Zugleich – und das ist der große Wert dieses Bandes – plädiert er dafür, sich (auch aus kunsthistorischer Sicht) in einer ernst zu nehmenden Weise mit dem Phänomen der künstlerischen Forschung auseinanderzusetzen, da dessen wachsender Einfluss auf die Kunstausbildung nicht länger zu ignorieren sei. An diesen Ansatz schließt auch die vorliegende Arbeit an und ergänzt Elkins Beitrag um die Entwicklung von kritischen Fragestellungen spezifisch für das Verhältnis von Wissensproduktion und Forschung im Design. Denn obwohl in Elkins Band Designforschung stets im selben Atemzug mit künstlerischer Forschung genannt wird, bleiben doch die spezifischen historischen Prämissen und Ansätze zur Designforschung fast gänzlich ungenannt. Weitere Übersichten und Vorschläge der letzten Jahre, wie praxisbasierte Forschung in Kunst (und am Rande auch im Design) epistemologisch situiert und methodisch angegangen werden könnte, stammen in chronologischer Reihung von Strandmann (1998),244 Balkema und Slager (2004)245 Gray und Malins (2005),246 Hannula et al. (2005),247 Sullivan (2005),248 Kaila (2006),249 MacLeod und Holdridge (2006),250 Barrett und Bolt (2007),251 Mäkela und Routarinne (2007), 252 Lesage und Busch (2007),253 Bippus (2009)254 sowie Caduff et al (2009).255 Herausheben möchte ich aus diesen unterschiedlichen, allesamt aufschlussreichen Beiträgen im Hinblick auf die Methodik der vorliegenden 243. Elkins, James: On Beyond Research and New Knowledge. In: Elkins: Artists with PhDs. 2009, S. 111–134, hier S. 113. 244. Strandmann: No guru, no method? 1998. 245. Balkema, Annette W.; Slager, Henk (Hg.): Artistic research. Amsterdam/New York. 2004. 246. Gray, Carole; Malins, Julian: Visualizing Research: A Guide to the Research Process in Art and Design. London. 2005. 247. Hannula Mika et al.: Artistic Research. Theories, Methods and Practices. Academy of Fine Arts, Helsinki. 2005. 248. Sullivan: Art Practice as Research. 2005. 249. Kaila, Jan: The Artist as Producer of Knowledge. Artistic Research at the Finnish Academy of Fine Arts. Helsinki. 2006. 250. MacLeod, Katie; Holdridge, Lin (Hg.): Thinking Through Art: Reflections on Art as Research. London/New York. 2006. 251. Barret, Estelle; Bolt, Barbara (Hg.): Practice as Research. Approaches to Creative Arts Enquiry. New York. 2007. 252. Mäkela/Routarinne: The Art of Research. 2007. 253. Lesage, Dieter; Busch, Kathrin (Hg.): A Portrait of the Artist as a Researcher. Antwerp. 2007. 254. Bippus, Elke (Hg.): Kunst des Forschens. Praxis eines ästhetischen Denkens. Zürich/Berlin. 2009. 255. Caduff, Corinna et al. (Hg.): The Difference between Art and Art Research across the Disciplines. Zürich. 2009.

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Arbeit die Publikation von Estelle Barrett und Barbara Bolt, in der vorgeschlagen wird, Fragen zur künstlerischen Forschung mit poststrukturalistischen Ansätzen zu verbinden, um damit den Diskurs kritisch zu fundieren. Namentlich adressiert Barrett mit Bezugnahme auf Foucault den Aspekt der ›Autorschaft‹ von künstlerischer Forschung sowie Fragen zu einem ›situierten Wissen‹ (Donna Haraway)256 in der künstlerischen Wissensproduktion.257 Die vorliegende Untersuchung versucht in ähnlicher Weise, mittels des auf Foucault zurückgehenden Ansatzes einer diskursanalytischen Betrachtung, jene historischen Bedingungen und Begriffe kritisch zu adressieren, welche die Praktiken und Konzepte von Forschung in Kunst und Design in basaler Weise strukturieren. Für den Bereich der Designforschung legte Brenda Laurel 2003 einen Band mit Methoden und Projekten vor, der es allerdings trotz der Nennung einiger konkreter Case Studies sowie eines Überblicks der darin angewandten Methoden kaum schafft, über den Stand einer losen Sammlung hinauszukommen.258 Lupton und Miller verbinden in ihrem Buch Design Writing Research (1996)259 Forschungsfragen aus dem Grafikdesign, etwa zu Schriftbildlichkeit und zu Ikonotext, mit Ansätzen aus der Kritischen Theorie auf eine spezifische, auf das Grafikdesign beschränkte, dennoch meines Erachtens produktive Weise. Noble und Bestley stellen in dem Band Visual Research (2005)260 Forschungsbeispiele und Methoden einer ›visuellen Forschung‹ in einer zwar übersichtlichen, aber viel zu knappen, plakativen Weise dar. Sichtet man die Literatur zur praxisbasierten Forschung in Kunst und Design der circa letzten zehn Jahre kann beobachtet werden, dass sich die thematische Ausrichtung von allgemein erkenntnistheoretischen Fragen (was ist praxisbasierte Forschung?) hin zu konkreten methodischen Fragen (wie generiert praxisbasierte Forschung ›neues Wissen‹, wie wird dieses evaluiert?) verschoben hat. Dabei wird vor allem ein besseres Verständnis für ›neue‹, nicht objektivierbare, ›implizite‹ Wissensformen und deren methodische Integration in der Designforschung angestrebt.261 Ebenfalls werden Fragen zur ›Rolle‹ von Artefakten oder Praktiken in künstlerischen 256. Vgl. Haraway, Donna: Situated Knowledges. The Science Question in Feminism and the Privilege of Partial Perspectives. In: Feminist Studies. 14.3. 1988, S. 575–599. 257. Barrett, Estelle: Foucault’s ›What is an Author‹: Towards a Critical Discourse of Practice as Research. In: Barrett/Bolt: Practice as Research. 2007, S. 135–146. 258. Laurel, Brenda (Hg.): Design Research. Methods and Perspectives. Cambridge, Mass./London. 2003. 259. Lupton, Ellen; Miller, Abbott: Design Writing Research. Writing on Graphic Design. London. 1996. 260. Noble, Ian; Russell Bestley: Visual Research. An Introduction to Research Methodologies in Graphic Design. Lausanne. 2004. 261. Vgl. etwa Niedderer, Kristina: Mapping the Meaning of Knowledge in Design Research. 2007, S. 1–13; Rust, Chris: Design Enquiry: Tacit Knowledge and Invention in Science. In: Design Issues. Vol. 20, Nr. 4, 2004.

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Forschungsprojekten adressiert.262 Das Desiderat, alternative, sogar ›neue‹ Formen von Wissen benennen zu wollen, bildet sich ab in Begriffen wie »Sensuous Knowledge«, 263 »Experiential Knowledge«,264 »Doxology«,265 oder »Material Thinking«.266 Daran schließt sich die Frage an, wie auf institutioneller Ebene die neuen praxisbasierten Doktorate in Kunst und Design standardisiert und evaluiert werden können – ohne dabei die Potentiale künstlerisch-gestalterischer Praktiken zu unterminieren.267 Die vorliegende Untersuchung will die Fokussierung auf alternative, vor allem auf ›implizite‹ Wissensformen, wie sie in den genannten Texten zu beobachten ist, dahingehend problematisieren, dass darin ›andere Formen von Wissen‹ oft als voraussetzungslos für Kunst und Design angenommen werden. Obwohl künstlerische Forschung zweifellos ein produktives Potential für wissenschaftliche Forschung entfalten kann, weist dieses Format dort problematische Züge auf, wo künstlerisch-gestalterische Wissensformen in einer oppositionellen Weise gegenüber wissenschaftlichen Wissensformen positioniert und künstlerische Praktiken und Denkmodelle im Kontext von Forschung voraussetzungslos als ›anders‹ angenommen werden. Ich schließe mich hier Elkins Kritik an einer prekären (da oft unbedarften) Engführung der Begriffe ›Kunst‹ und ›Design‹ mit ›Forschung‹ und ›Wissen‹ an. 268 Die vorliegende Untersuchung strebt an, zu einer (kultur-)historischen Fundierung von Debatten in Designforschung und -theorie beizutragen. Diesbezüglich ist insbesondere der von Victor Margolin herausgegebene Sammelband Design Discourse. History. Theory. Criticsm (1989) zu nennen.269 Dieser Band ist zwar bereits etwas älter, er versammelt jedoch in lobenswerter Weise einen ebenso weitreichenden, wie historisch differenzierten Überblick über den internationalen Stand der Designtheorie und -forschung. Weitere Texte, die explizit die kulturhistorische Bedingtheit von Design thematisieren, finden sich im deutschsprachigen Raum

262. Biggs: The role of the artefact in art and design research. 2004; ders.: Learning from Experience: Approaches to the Experiential Componenet of Practice-based Research. In: Forskning, Reflektion, Utveckling. Stockholm. 2004, S. 6–21. 263. ›Sensuous Knowledge‹ ist der Titel einer jährlich stattfindenden Konferenz zur künstlerischen Forschung an der Bergen National Academy of the Arts. Vgl. http://sensuousknowledge.org/ [Sept. 2009]. 264. ›Experiential Knowledge‹ ist das Thema einer Special Interest Group der Design Research Society sowie der Titel einer Serie daraus resultierender Konferenzen. Vgl. http://www.expe rientialknowledge.org/[Okt. 2010]. 265. Vgl. dazu den Vorschlag von Rosengren, Mats: Doxologi – en essä om kunskap. [Doxology – An Essay on Knowledge]. Åstorp. 2002. 266. Carter, Paul: Material Thinking. The Theory and Practice of Creative Research. Carlton. 2004. 267. Durling: Discourses on Research and the PhD in Design. 2002. 268. Elkins: On Beyond Research and New Knowledge. 2009, S. 113. Vgl. dazu auch ders: The New PhD in Studio Art. Sculptor’s Society of Ireland. Dublin. 2005. 269. Margolin, Victor (Hg.): Design Discourse. History. Theory. Criticsm. Chicago/London. 1989.

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Designforschung im histor ischen Kontext

von Gert Selle zur Geschichte des Design in Deutschland (1994),270 von Lucius Burckhardt zu gesellschaftlichen und ökologischen Aspekten des Design (1995)271 und von Bernhard Bürdek zur Geschichte und Theorie des Produktdesign (2005). 272 Für den englischsprachigen Raum sind darüber hinaus noch die Arbeiten von Whiteley (1995)273 und Buchanan (2001) hervorzuheben.274 Einen informativen und (selbst-)kritischen Überblick zum Status von und zu den Problemen im Fach Designgeschichte legte Clive Dilnot (1989) vor.275 Gemeinsam verfolgen die in diesem Absatz genannten Autoren das Ziel, zur Erhellung von Fragen zu Design, Designtheorie und -forschung eine historisch-diskursive Kontextualisierung anzustreben. Sie stehen der Tradition von kultur- und geisteswissenschaftlichen Ansätzen wesentlich näher, als dies viele der ›techniknahen‹ Ansätze der Designforschung, etwa im Bereich des engineering design oder im Produktdesign, tun. Als weiteren Punkt möchte ich Beiträge zu einer feministischen oder genderorientierten Geschichte des Design hervorheben, die im Reigen der genannten Texte noch marginal sind. Es gibt nur wenige Beiträge diesbezüglich zu verzeichnen, was die Unsichtbarkeit des Themas in der Designforschung und -geschichte symptomatisch belegt, Namentlich arbeiten etwa Cheryl Buckley (1989), 276 Uta Brandes (1998)277 oder Gerda Müller-Krauspe278 zu feministischen Fragestellungen im Design. Buckley kritisiert in ihren Texten den Umstand, dass Frauen trotz ihrer unbestreitbaren Beteiligung am Designdiskurs – sei es als Praktikerinnen, Theoretikerinnen, Historikerinnen oder als Konsumentinnen – von der Designgeschichtsschreibung konsequent ignoriert würden.279 Dort, wo sie dennoch vorkämen, seien sie in patriarchale Legitimationsstrukturen eingebunden, indem sie entweder als Designerinnen oder Benutzerinnen von spezifisch ›weiblichen‹ Produkten benannt seien oder unter die Namen ihrer bekannteren Ehemänner, Väter oder Brüder subsumiert würden. Ebenfalls kritisiert sie, dass durch den Ausschluss des Handwerks (crafts) aus der Designgeschichte ›typische‹ Arbeiten von Frauen marginalisiert würden. 270. Selle: Geschichte des Design in Deutschland. 1994. 271. Burckhardt, Lucius: Design ist unsichtbar. Hg. von Hans Höger für den Rat für Formgebung. Ostfildern. 1995. 272. Bürdek: Design. Zur Geschichte, Theorie und Praxis der Produktgestaltung. 2005. 273. Whiteley: Design History or Design Studies? 1995, S. 38-42. 274. Buchanan, Richard: Design Research and the New Learning. In: Design Issues, Vol. 17, Nr. 4. 2001, S. 3–23. 275. Dilnot, Clive: The State of Design History, Part I: Mapping the Field. Part II: Problems and Possibilities. In: Margolin: Design Discourse. 1989, S. 213–250. 276. Buckley, Cheryl: Made in Patriarchy: Toward a Feminist Analysis of Women and Design. In: Margolin: Design Discourse. 1989, S. 251–262. 277. Brandes, Uta: Design ist keine Kunst. Kulturelle und technische Implikationen der Formgebung. Regensburg. 1998. 278. Müller-Krauspe, Gerda: Selbstbehauptungen. Frauen an der hfg ulm. Frankfurt a. Main. 2007. 279. Buckley: Made in Patriarchy. 1989, S. 251.

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Dabei könnte die Designgeschichte durchaus auf historische Forschungen zur Konstruktion von ›Weiblichkeit‹ zurückgreifen beispielsweise zur Geschlechterkonstruktion, wie sie am Bauhaus die Bewertung der Arbeit von Frauen strukturiert hat.280 Buckley leitet zwei Forschungdesiderate für die feministische Designgeschichte ab:281 Zum einen gelte es, die materiellen und ideologischen patriarchalen Operationen bezüglich »Frauen und Design« zu identifizieren, wobei insbesondere die Verbindung von Kapitalismus und Patriarchismus kritisch reflektiert werden müssten. Zum anderen müssten jene »Spielregeln« kritisch untersucht werden, aufgrund derer Frauen systematisch aus der Geschichtsschreibung des Design ausgeschlossen werden. Die vorliegende Arbeit will als ergänzenden Beitrag zu einer feministischen Geschichtsschreibung des Design auf solche Geschlechterzuschreibungen im aktuellen Wissensdiskurs der Designforschung aufmerksam machen, durch die das Sprechen über Forschung und Wissenschaft aus diskurshistorischer Sicht strukturiert wird. In diesem Sinne sind denn auch bestimmte geschlechterspezifische Zuschreibungen als ein- oder ausschließende Wissenskategorien zu verstehen. Dazu zählt beispielsweise die historisch perpetuierte Vorstellung, dass Frauen sich von ›Natur aus‹ nicht, oder nur bedingt für akademische Karrieren eignen würden. 282 Ebenfalls gründen viele technoszientifische Texte, beispielsweise aus dem Bereich der ›Künstlichen Intelligenz‹-Forschung, auf der universalistischandrozentrischen Vorstellungen vom Menschen als ›Mann‹ – eine Vorstellung, welche die feministische Wissenschaftsforschung problematisiert.283 Ebenso wie feministische Ansätze sind bislang auch diskursanalytische Ansätze (vor allem in der deutschsprachigen) Designtheorie und -forschung selten zu finden, obwohl John Walker einen entsprechenden Vorschlag (1992) für das Design lanciert hat und dessen Bedeutung betont. Mit Blick auf die oftmals angestrebte Praxisnähe von Designforschung bemerkt er pointiert, dass gerade deswegen so viel Energie auf die empirische Forschung im Design verwendet werde, »weil uns die Deutungsmuster fehlen«.284 Er bewertet dies als ein Zeichen von »intellektueller Unsicherheit« und weist darauf hin, dass in einer »vernünftigen wissenschaftlichen 280. Vgl. etwa: Baumhoff, Anja: The Gendered World of the Bauhaus. The Politics of Power at the Weimar Republic’s Premier Art Institute, 1919–1932. Frankfurt a. Main. 2001. 281. Buckley: Made in Patriarchy. 1989, S. 262. 282. Vgl. Braun, Christina von: Das Geschlecht des Unbewussten in der Wissensordnung. In: Braun, Christina von; Dornhof, Dorothea; Johach, Eva (Hg.): Das Unbewusste. Krisis und Kapital der Wissenschaften. Studien zum Verhältnis von Wissen und Geschlecht. Bielefeld. 2009, S. 119–136. 283. Suchman, Lucy: Feminist STS and the Sciences of the Artificial. In: Hackett, Edward J. et al. (Hg.): The Handbook of Science and Technology Studies. Cambridge, MA. 2008, S. 139–163, hier S. 141. 284. Walker: Designgeschichte. 1992, S. 20. Kursivsetzung im Original.

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Disziplin« Theorie und Empirie wechselseitig aufeinander einwirkten. 285 Im Anschluss an Foucault schlägt er die Diskursanalyse als geeignete Methodik zur Erforschung von Design vor. Walker unterscheidet dazu verschiedene Diskursebenen, beginnend bei den Objekten des Design bis hin zu einer »Meta-Meta-Meta«-Diskursebene der Designgeschichtsschreibung. Als Untersuchungsgegenstand favorisiert er »die bereits veröffentlichten Geschichten des Design«.286 Obwohl ich dieses Plädoyer für den Nutzen der Diskursanalyse für das Design uneingeschränkt unterstütze, folge ich doch Walkers Unterscheidung in verschiedene Diskursebenen bzw. der Priorisierung auf die ›geschriebene‹ Geschichte nicht, da meines Erachtens gerade in der Verschränkung dieser Ebenen (also in der Verschränkung von Objekten, Praktiken und Texten) das Potential einer diskursanalytischen Untersuchung des Design liegt. Klaus Krippendorff leitet in seinem Hauptwerk The Semantic Turn (2005) zwar Verbindungen zwischen einer Designsemantik und sprachwissenschaftlichen Ansätzen her und betont, dass eine ›Sprache‹ des Design stets diskursiv kodiert sei. Allerdings wird diese Aussage dadurch relativiert, da Krippendorff ihr einen recht allgemeinen, generalisierenden Designbegriff zugrunde legt, indem er Design als »a practice and as an activity that is constitutive of human beings generally« postuliert.287 Mit dieser Prämisse wird zwar eine erweiterte Sicht auf Design ermöglicht, aber eine kultur- und kontextsensitive Designanalyse, wie sie die vorliegende Arbeit anstrebt, wird eher unterminiert. Spezifisch zu Sprachregelungen in der Architekturausbildung hat Gavin Melles (2008) eine diskursanalytische Untersuchung vorgelegt.288 Für den Bereich der Visuellen Kommunikation ist diesbezüglich eine Arbeit von Gunther Kress und Theo van Leeuwen (1996) zu nennen.289 Die Autoren bemängeln darin die einseitige Textfokussierung vieler Diskursanalysen und plädieren dafür, diese auf die Ebene der »visuellen Grammatik« auszuweiten. Dazu verwandt ist der in der Designforschung weitgehend unbeachtete Vorschlag Mieke Bals zu einer »visuellen Kulturanalyse«.290 Von den Objekten und Bildern ausgehend, schlägt Bal einen ideologiekritischen Ansatz vor, der über die Disziplingrenzen hinausgeht und den kulturhi285. Walker: Designgeschichte. 1992, S. 20. 286. Vgl. Walker: Designgeschichte. 1992, S. 25 ff. 287. Krippendorff, Klaus: The Semantic Turn. A New Foundation for Design. Boca Raton et al. 2006, o. S. 288. Melles, Gavin: Producing Fact, Affect and Identity in Architecture Critiques – A Discourse Analysis of Student and Faculty Discourse Interaction. In: Art, Design & Communication in Higher Education, Vol. 6, Nr. 3. 2008. 289. Kress, Gunther R.; Leeuwen, Theo van: Reading Images. The Grammar of Visual Design. London. 1996. 290. Bal, Mieke: Visual Analysis. In: Bennett, Tony; Frow, John (Hg.): The SAGE Handbook of Cultural Analysis. London. 2008, S. 163–270.

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storisch konditionierten Blick des Betrachters in die Sinngebung des Visuellen einschließt. Weitere relevante Arbeiten aus den visual cultural studies sind von Nicholas Mirzoeff (1989)291 und Tom Holert (2000)292 herausgegeben worden. In diesen Arbeiten werden, in Anschluss an Foucault, gezielt jene hegemonialen »Macht/Wissen-Komplexe«293 in Bildern und auf der Ebene des Visuellen thematisiert, durch die Sichtbarkeit als solche erst erzeugt wird. Aus einer ideologiekritischen Perspektive heraus untersuchte Holert (2009) zudem die aktuellen Debatten in der künstlerischen Forschung und ihre historischen und politischen Hintergründe.294 Die vorliegende Untersuchung möchte in Erweiterung dazu für den Bereich der Designforschung aus diskurshistorischer und kritischer Sicht danach fragen, wie Macht/Wissen-Komplexe in der Verschränkung von Texten und Praktiken erzeugt und perpetuiert werden. Wie in der Designforschung Gegenstände und Praktiken diskursiv zu ›Objekten des Wissens‹ gemacht und als solche weitergegeben werden. Ein Blick in die Geschichte des Design soll im Folgenden zur Klärung dieser Frage beitragen.

291. Mirzoeff, Nicholas (Hg.): The Visual Culture Reader. London. 1998. 292. Holert, Tom (Hg.): Imagineering. Visuelle Kultur und Politik der Sichtbarkeit. Köln. 2000. 293. Foucault, Michel: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt a. Main. 1977, S. 39. 294. Holert, Tom: Art in the Knowledge-based Polis. In: Journal e-flux. New York. Nr. 3. 2009.

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2. Designauffassungen vom Einheitskunstwerk zum Reflective Practitioner

Design sei eine Haltung, ein komplexer Verbund von technologischen, sozialen und ökonomischen Belangen und materiellen Effekten, befand László Moholy-Nagy im Jahr 1946.1 Er legt damit nahe, dass im Design nicht Einzelobjekte sondern Gesamtsysteme und -potentiale geplant und gestaltet werden. Herbert Simon weitete den Designbegriff noch zusätzlich aus indem er Ende der 1960er Jahre postulierte, dass jeder Mensch ein Designer sei, der eine bestehende Situation planvoll in eine bevorzugte Situation zu verändern vermöge.2 Wenn in der Designtheorie und -forschung gegenwärtig der Stellenwert von Wissen im Design verhandelt wird, dann werden damit indirekt jene Deutungsmuster aktualisiert, mit denen unterschiedliche historische Designauffassungen behaftet sind. »One question that persists in design research, despite many vigorous and on-going research efforts, is ›What is design?«,3 so beschreiben Filippo Salustri und Nathan Eng die anhaltenden Definitionsbemühungen. Zwar habe jeder, der selbst Design praktiziere, ein »intuitives Gefühl« dafür, was Design sei, so die Autoren, dennoch erschwerten unterschiedliche disziplinäre Hintergründe eine einheitliche Definition. Obwohl sich zahlreiche Definitionsversuche finden, herrscht gegenwärtig kein Konsens darüber, wie eng oder wie weit die Tätigkeit ›Design‹ gefasst werden soll. Die Betrachtungsweisen changieren zwischen »designing as a process in general« und »designing as practiced by professional designers«. 4 ›Design‹ bezeichnet einerseits traditionelle professionelle Praktiken aus den Bereichen Architektur, Industrie-, Produkt- oder1. 2. 3. 4.

Moholy-Nagy, László: Vision in motion. Chicago. 1946, S. 42. Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 111. Salustri/Eng: Design as...: Thinking of what design might be. 2007, S. 19. Salustri/Eng: Design as...: Thinking of what design might be. 2007, S. 19.

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Grafikdesign sowie (vor allem im anglophonen Raum) aus dem Ingenieurwesen. Andererseits wird ›Design‹ in einem sehr weiten und allgemeinen Sinne als planende, entwerfende und erfinderische Tätigkeit aufgefasst. Salustri und Eng konstatieren diesbezüglich: Obviously, the boundaries of designing are not crisp. Indeed, they ought not be crisp to ensure that there is enough flexibility to allow design as a discipline and a body of knowledge to evolve with humanity’s understanding of the universe.5

Der weite Deutungshorizont von Design trägt jedoch nicht dazu bei, dieses als Verbund divergenter kultureller Praktiken zu begreifen, sondern schürt ständig neue Kontroversen darüber, wie Design kategorisch zu fassen sei. Eng gefassten Designdefinitionen, die sich auf den Entwurf und die Gestaltung von materiellen Objekten konzentrieren, wird vorgeworfen, die so genannten ›immateriellen‹ Aspekte des Design auszublenden. Dagegen drohen weit gefasste Designdefinitionen, die Design als ein allgemeines Planungshandeln begreifen, in die Beliebigkeit abzudriften. Gemeinsam ist den unterschiedlichen Definitionsbemühungen jedoch, dass keine von ihnen eine kontextfreie, allgemeingültige Definition von Design leisten kann. Stattdessen gilt es anzuerkennen, dass die unterschiedlichen Designdefinitionen teils kollektiv, teils individuell getragene, jeweils historisch informierte Sichtweisen auf Designpraktiken und -objekte sind. Mit anderen Worten: Design ist nicht als ein essentiell ästhetisches oder technisches, sondern als ein kontingentes kulturelles Phänomen zu deuten. Um besser zu verstehen, wie zeitgenössische Fragestellungen im Design diskursiv fundiert sind, ist eine historische Betrachtung von Designauffassungen unabdingbar.6 In drei Schwerpunkten werden im Folgenden unterschiedliche Designauffassungen diskutiert, welche die gegenwärtigen Wissensbestimmungen in Designtheorie und -forschung prägen, oftmals aber nur verkürzt zitiert oder unzureichend historisiert werden. Um diesem Umstand entgegenzuwirken, werden in der vorliegenden Untersuchung die ausgewählten Ansätze ausführlicher (auch im Originallaut) zu Wort kommen, als dies in kürzeren Textformaten, etwa in Aufsätzen, möglich wäre. Damit soll auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass einige der nachfolgende diskutierten Texte in der anglophonen Designtheorie und -forschung zwar sehr bekannt sind, in deutschsprachigen Debatten aber nur in verkürzter Weise rezipiert werden. 5. 6.

Salustri/Eng: Design as...: Thinking of what design might be. 2007, S. 20. Dilnot: The State of Design History, Part I. 1989, S. 214 f.

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Dargestellt werden Positionen, die erweiterte (Selbst-)Auffassungen‹ von Design und Designpraktiken propagieren (Abschnitt a.); die Design als ›Problemlösungs- und Planungshandeln‹ betrachten (Abschnitt b.) und die Design als ›reflektierte Praxis‹ beschreiben (Abschnitt c.). Während der erste Abschnitt zwecks einer historischen Fundierung auf die Zeit zwischen 1920 und 1940 zurückschaut, werden in den anderen Abschnitten entsprechend des Schwerpunktes des vorliegenden Buches Designauffassungen behandelt, die seit den 1960er Jahren entwickelt wurden.7 Die Reihenfolge der dargestellten Positionen folgt thematischen, nicht streng chronologischen Prämissen.8 Weder wird die Festschreibung einer Traditionslinie zwischen den einzelnen Positionen angestrebt, noch sollen diese bloß als unterschiedliche Ausformierungen ein- und derselben ›Grundidee‹, desselben ›Zeitgeistes‹ interpretiert werden. Vielmehr sind sie als zeit- und epochenspezifische Amalgamierungen bestimmter philosophischer und kultureller Leitmotive zu verstehen, darüber hinaus aber auch als individuelle Ansichten, die nur bedingt kohärent sein müssen. Diese Lesart entspricht dem diskursanalytischen Befund eines Zusammenspiels von Diskursen, Praktiken und Artefakten bei der gleichzeitig unabhängigen, eigendynamischen Entwicklung von Diskurs und Praxis.9

a. Erweiterte Designauffassungen Der Soziologe Donald Schön konstatierte zu Beginn der 1980er Jahre: »In the last twenty year or so, the concept of design has broadened. We have begun to see cultural evolution as an informal, collective, generational process of design«.10 Die Anstrengungen, einen ›erweiterten‹ Designbegriff zu definieren, sind jedoch bereits früher zu verorten als Schön dies vorschlägt. Nachfolgend werden ausgewählte historische Positionen diskutiert, die ›erweiterte Designauffassungen‹ seit den 1920er Jahren zum Thema haben. Statt von ›Auffassungen‹ kann man ebenso gut von ›Selbstverständnissen‹ sprechen, da die jeweiligen Positionen nicht einfach als ›objektive‹ Definitionsversuche, sondern auch als Identitätsbemühungen und Selbstinszenierungen von Designakteuren zu verstehen sind. Eine Erweiterung des Designbegriffs kann dabei auf verschiedenen Ebenen nachgezeichnet werden: hinsichtlich der Gegenstände und Wir7.

8. 9. 10.

Andere Perspektiven, die für das Verständnis von Design ebenfalls bedeutsam sind, insbesondere die Funktionalismus-Debatte, werden in der vorliegenden Arbeit ausgeklammert, da ihre Darstellung zur stringenten Entwicklung der Argumentation nicht entscheidend beiträgt. Vgl. zu einer chronologische Darstellung der Designgeschichte etwa: Hauffe, Thomas H.: Auf einen Blick – Design. Von der Industriellen Revolution zum 21. Jahrhundert. Köln. 2001. Keller: Diskursforschung. 2004, S. 69. Schön: The Reflective Practitioner. 1983, S. 77.

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kungsbereiche von Design, hinsichtlich der Verortung von Designkompetenzen und hinsichtlich ontologischer Deutungsversuche von Designpraktiken. Diese Ebenen sind freilich nicht trennscharf zu unterscheiden. Sie greifen vielmehr ineinander ein und durchziehen auch die nachfolgenden Ausführungen rhizomatisch. Gemeinsam ist ihnen aber, dass Design darin weiter gefasst wird als eine professionelle, ästhetisch-gewerbliche Praxis und dass darunter mehr verstanden wird, als die Gestaltung und Verschönerung von Einzelobjekten. Zu Beginn der ersten Abschnitts wird anhand von Gropius’ ganzheitlicher »Bauhaus-Idee«11 eine wirkungsmächtige historische Position diskutiert, deren ideeller Einfluss bis in heutige Designdiskurse wirksam ist, die oft aber auch eindimensional rezipiert wird. Daran anschließend wird anhand von Moholy-Nagys Schriften Von Material zu Architektur sowie Vision in Motion das Ideal einer ganzheitlichen, gesellschaftlich weitreichenden Gestaltung exemplarisch weiter verfolgt und differenziert. An der HfG Ulm, die sich als Nachfolge des Bauhauses verstand, wurde das Ideal ganzheitlicher Gestaltung neu belebt und weiterentwickelt. Anhand der Ulmer ›Protagonisten‹ Lucius Burckhardt und Gui Bonsiepe werden zwei Modelle zu einer ›erweiterten Designauffassung‹ aus den 1980er und -90er Jahren diskutiert. Damit wird eine diskursive Linie vom Bauhaus bis ins so genannte ›Zeitalter der Digitalisierung‹ gezeichnet, welche die Erweitung des Designbegriffs zum gemeinsamen Thema hat, jedoch unterschiedlichen historischen Prämissen folgt.

Walter Gropius – Kunst und Technik eine Einheit Um die Wende zum 20. Jahrhundert war die umfassende Analyse der Kultur Kernthema bürgerlichen Denkens in Deutschland.12 Sehnsucht nach vorindustriellen Zeiten und einer ›heilen Natur‹ kam darin ebenso zum Ausdruck wie ästhetisches Unbehagen, die Suche nach neuen künstlerischen Ausdrucksformen und pädagogischen Leitmaximen. Zahlreiche lebensreformerische Bewegungen entstanden in jener Zeit und sie waren bisweilen von totalitären, nationalistischen Vorstellungen durchzogen. Auch die Kunsterziehungs- und Kunstgewerbereform teilte mit anderen kulturreformerischen Bewegungen gemeinsame Wurzeln – etwa mit der Heimat- und Naturschutzbewegung, der Reformpädagogik oder den Volksbildungsaktivitäten. Die Kunsterziehungsbewegung war 11. 12.

Vgl. zu den philosophischen und soziologischen Wurzeln der so genannten »Bauhaus-Idee«: Grohn, Christian: Die »Bauhaus-Idee«. Weiterführung. Entwurf. Rezeption. Berlin. 1991. Schwartz, Frederic J.: Der Werkbund. Ware und Zeichen 1900–1914. Amsterdam. 1999, S. 32.

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Ausdruck eines umfassenden »ästhetischen Missbehagens«13 und gleichzeitig der Versuch, mittels ästhetischer Erziehung die kommende Generation und ihre ›real‹ existierende Umwelt zu reformieren. Eingebettet in den übergreifenden Kontext von Kunstgewerbe- und Kunsterziehungsreformen trat 1919 das Bauhaus an,14 die Reformierung von Architektur, Kunst und Handwerk mittels einer ganzheitlichen, zwischen Rationalismus und Mystizismus changierenden, Vision zu verwirklichen.15 Charakteristisch gilt bis heute sein umfassender Gestaltungsanspruch, der es von anderen Kunstschulen der Zeit unterschied und von Beginn an die konventionellen Grenzen von Kunst, Design und Architektur in Frage stellte.16 Walter Gropius, Gründer und erster Direktor des Bauhauses, forderte zu Beginn seiner Wirkungszeit programmatisch eine »Wiedervereinigung aller werkkünstlerischen Disziplinen – Bildhauerei, Malerei, Kunstgewerbe und Handwerk«, mit dem utopischen Ziel eines gesellschaftlich-sozialen »Einheitskunstwerk[s]«, das er nach dem Vorbild der mittelalterlichen Handwerkszünfte realisieren wollte.17 Seine Vision hielt er mit den Worten fest: Das Bauhaus will […] eine Arbeitsgemeinschaft führender und werdender Werkkünstler gründen, die Bauwerke in ihrer Gesamtheit […] aus gleichgeartetem Geist heraus einheitlich zu gestalten weiß.18

Von früheren Reformversuchen unterschied sich das Bauhaus-Modell nicht nur durch seine übergeordnete Zielsetzung, kunsthandwerkliche und künstlerische Disziplinen unter einem Dach zu vereinen, auch seine Lehrmethodik war für das damalige Verständnis neuartig. Die Ausbildung zielte auf eine »möglichst breitgefächerte, praktische wie wissenschaftlich-

13. 14.

15.

16. 17.

18.

Kerbs, Diethart: Kunsterziehungsbewegung. In: Kerbs, Diethart; Reulecke, Jürgen (Hg.): Handbuch der deutschen Reformbewegungen 1880–1933. Wuppertal. 1998, S. 369–378, hier S. 369. Das Staatliche Bauhaus Weimar wurde 1919 gegründet. Es entstand aus einer Vereinigung der Großherzoglich Sächsischen Hochschule für Bildende Kunst in Weimar und der 1915 aufgelösten Kunstgewerbeschule Weimar (gegründet 1907 von Henry van de Velde). Walter Gropius war von 1919–1928 erster Direktor des Bauhauses. 1925 erfolgte der Umzug nach Dessau. Von 1928–1930 leitete Hannes Meyer das Bauhaus, von 1930–1933 Ludwig Mies van der Rohe. 1932 musste das Bauhaus nach Berlin umziehen und wurde 1933 von den Nationalsozialisten zur Selbstauflösung gezwungen. Vgl. zur Geschichte des Bauhauses: Fiedler, Jeaninne; Feierabend, Peter (Hg.): Bauhaus. Köln. 1999; Droste, Magdalena: Bauhaus 1919–1933. Köln. 2002. Vgl. Wagner, Christoph (Hg.): Das Bauhaus und die Esoterik. Johannes Itten. Wassily Kandinsky. Paul Klee. Bielefeld, 2005; Loers, Veit (Hg.): Okkultismus und Avantgarde. Von Munch bis Mondrian 1900–1915. Ostfildern. 1995. Baumhoff, Anja: Das Bauhaus. In: François, Étienne; Schulze, Hagen (Hg.): Deutsche Erinnerungsorte. München. 2003 [2001], S. 584–601, hier, S. 584. Gropius, Walter: Programm des Staatlichen Bauhauses in Weimar. 1919. In: Wingler, Hans M.: Das Bauhaus. 1919–1933. Weimar, Dessau, Berlin und die Nachfolge in Chicago seit 1937. Köln. 2005 [1962], S. 40–41, hier S. 40. Gropius: Programm des Staatlichen Bauhauses in Weimar. 2005, S. 40.

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theoretische, handwerklich-technische wie künstlerische Ausbildung, die von der Analyse gestalterischer Möglichkeiten zur Synthese im vollendeten Werk führen sollte«.19 Gropius strebte danach, die in seinen Augen fortschritts- und wissenschaftsfeindlichen Konzepte der traditionellen Kunstakademien zu überwinden. Seine innovative Außendarstellung des Bauhauses trug ebenso wie nachfolgende, oft eindimensionale Bauhaus-Rezeptionen dazu bei, die tatsächlich vielstimmige und bisweilen widersprüchliche Ausbildungspraxis am Bauhaus zu vereinheitlichen und dieses insgesamt zu idealisieren. Bereits 1923 wurde unter Anleitung des ›Spiritus Rector‹ Gropius eine Neuorientierung am Bauhaus eingeleitet. Der Akzent der Ausbildung sollte fortan kein kunsthandwerklicher, sondern ein technischer sein. »Kunst und Technik – eine neue Einheit«, so lautete die prominente Formel Gropius’, mit der er diese Veränderung programmatisch fasste. 20 Mit dieser Forderung bezog er bezüglich der Frage nach dem Zusammenwirken von Kunst und Technik klar Stellung.21 Er prägte damit zugleich ein ebenso zentrales, wie prekäres Motiv für die Kunst und ihre Ausbildung im 20. Jahrhundert – allerdings ohne dessen ideologische Verwurzelung innerhalb des frühkapitalistischen Produktionssystem zu problematisieren, wie Frederic Schwartz kritisch anmerkt.22 Mit dem Begriffspaar »Kunst und Technik« habe Gropius eine seltsam limitierte Gedankenkonstellation festgeschrieben, die zwar das Verhältnis von Künstler und Produktivkräften bestimme, nichts aber über das politische System aussage, innerhalb dessen sich dieses Verhältnis realisieren solle. In der Alltagspraxis am Bauhaus zeigte sich, dass Gropius das hochgesteckte Ziel einer Einheit von Kunst, Technik und Handwerk nur bedingt zu realisieren vermochte. In seinem Programm des Staatlichen Bauhauses in Weimar von 1919 betonte er zwar, dass es keinen »Wesensunterschied« zwischen dem Künstler und dem Handwerker gebe, sondern der Künstler nur eine »Steigerung des Handwerkers« sei.23 Dennoch durften 19.

20.

21.

22. 23.

Schmidt, Silvia Verena: Experiment und Methode. Unterricht am Bauhaus. In: Leismann, Burkhard (Hg.): Das Bauhaus. Gestaltung für ein Modernes Leben. Katalog Kunst-Museum Ahlen. Köln. 1994, S. 65–90, hier S. 65. Der Satz ist Titel eines Vortrags, den Gropius im Sommer 1923 anlässlich der ›Bauhaus-Woche‹ hielt; erwähnt in der Einleitung von Wingler, Hans M.: Herkunft und Geschichte des Bauhauses. In: Ders.: Das Bauhaus. 2005, S. 11–20, hier S. 15. Die Frage war spätestens seit dem so genannten ›Werkbund-Thesenstreit‹ von 1914 heftig umstritten. Uneins war man im Werkbund hinsichtlich der Typisierung industriell hergestellter Objekte. Muthesius strebte eine standardisierte industrielle Massenproduktion an, van de Velde propagierte dagegen einen individuellen künstlerischen Stil. Vgl. Muthesius, Hermann; Velde, Henry, van de: Werkbund-Thesen und -Gegenthesen. [1914]. In: Fischer, Volker, Hamilton, Anne (Hg.): Theorien der Gestaltung. Grundlagentexte zum Design. Bd. 1. Frankfurt a. Main. 1999, S. 36–38, hier S. 36 ff. Schwartz: Der Werkbund. 1999, S. 17. Gropius: Programm des Staatlichen Bauhauses in Weimar. 2005, S. 39.

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die einzelnen Disziplinen nicht gleichwertig zum »Einheitskunstwerk« beitragen. Es konsolidierte sich im Laufe des Bestehens der Schule vielmehr eine künstlerische Gattungshierarchie, in der die Architektur über den anderen Kunstgattungen, insbesondere über den angewandten Künsten, stand.24 Die Handwerksmeister waren im Meisterrat nur mit beratender Funktion zugelassen und fühlten sich den Formmeistern untergeordnet, die als »Künstlerpersönlichkeiten« wertgeschätzt wurden. An die künstlerische Gattungshierarchie gekoppelt war am Bauhaus, entgegen anders lautender Außendarstellung, eine restriktive Geschlechterpolitik.25 Gropius, und mit ihm andere Form- und Handwerkmeister, vertraten intern die Ansicht, dass Frauen für die ›freie‹ Kunst und Architektur nicht geeignet seien und drängten sie in kunsthandwerkliche Tätigkeiten, die traditionellerweise von Frauen ausgeübt wurden und denen ein verminderter künstlerischer Wert zugesprochen wurde. So hatte zum Beispiel die Webwerkstatt am Bauhaus nur ein geringes Ansehen.26 Das Weben sei, so konstatiert Anja Baumhoff, mit der innovativen Außendarstellung der Schule und ihrem Hang »zum Stahlrohrmöbel und zum Flachdach« nur schwer in Einklang zu bringen gewesen, so wie generell »alles Textile« mit einer gewissen Geringschätzung versehen gewesen sei.27 Auch Gropius behagte die ›weibliche‹ Konnotation des Kunstgewerblichen offenbar nicht und so wurde gerade die programmatische Liaison, mit der er das Kunstgewerbe von den Kunstakademien absetzen wollte, für ihn zu einem unlösbaren Dilemma. Während Gropius’ Bestrebungen nach Ein- und Ganzheitlichkeit sich in der alltäglichen Umsetzung als problematisch erwiesen, blieb doch das Ideal der »Einheit« für sein Denken zentral.28 Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, die zahlreichen ideellen Motive nachzuzeichnen, die sein Denken diesbezüglich prägten. Es lassen sich darin beispielsweise diskursive Sedimente von mittelalterlichen Handwerks- und Kunstidealen (etwa die künstlerischen Ausbildung in Werkstätten) ebenso finden wie romantische Vorstellungen zum Gesamtkunstwerk, reformpädagogische So24.

25.

26. 27. 28.

Vgl. zum Verhältnis von Gattungshierarchien und Geschlechterkonstruktion: John, Jennifer; Schade, Sigrid (Hg.): Grenzgänge zwischen den Künsten. Interventionen in Gattungshierarchien und Geschlechterkonstruktionen. Bielefeld. 2008. Vgl. darin insbesondere zum Aspekt der ›Materialität‹: Schade, Sigrid: Zu den unreinen Quellen der Moderne. Materialität und Medialität bei Kandinsky und Malewitsch, S. 35–62. Vgl. dazu Baumhoff: The Gendered World of the Bauhaus. 2001. Vgl. ebenfalls Paul, Barbara: Männlichkeitskonstruktionen am Bauhaus. Der Künstler als (Mit-)Konstrukteur einer neuen Gesellschaft: László Moholy-Nagy. In: Kessel, Martina (Hg.): Kunst, Geschlecht, Politik. Männlichkeitskonstruktionen und Kunst im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Frankfurt a. Main/New York. 2005, S. 103–122. Wick, Rainer K.: Bauhaus-Pädagogik. Köln. 1994 [1982], S. 54, S. 31. Baumhoff, Anja: Zur Rolle des Kunsthandwerks am Bauhaus. In: Fiedler, Jeannine (Hg.): Bauhaus. Königswinter. 2006, S. 478–479, hier S. 478. Claussen, Horst: Walter Gropius: Grundzüge seines Denkens. Hildesheim. 1986, S. 41 ff.

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zialutopien sowie universalistische und ganzheitliche Wissenschaftsideale, die etwa durch den neopositivistischen Wiener Kreis,29 oder die Gestaltpsychologie beeinflusst waren. 30 Aus dieser diskursiven Vielfalt heraus lassen sich im Anschluss an Rainer Wick zwei übergeordnete Zielsetzungen benennen, an denen sich das Gropius’sche Einheitsideal veranschaulichen lässt: Eine »ästhetische Synthese« habe die Integration aller Kunst- und Handwerksarten unter dem Primat der Architektur zum Thema, während eine »soziale Synthese« die Ausrichtung der ästhetischen Produktion auf die Bedürfnisse einer breiteren Bevölkerungsschicht adressiere.31 Aus pädagogischer Sicht strebte Gropius eine integrative Ausbildung aller menschlichen Fähigkeiten an – eine Versöhnung von Vernunft und Sinnlichkeit, ein Gleichgewicht von Handwerk und »Kopfwerk«.32 Mittelpunkt dieses Denkens war ›der Mensch‹, der umfassend zu einer »ganzheitlichen Persönlichkeit« ausgebildet werden sollte.33 Gropius’ Bild eines homo totus richtete sich gegen die Vorherrschaft eines »einseitigen Bildungsmaterialismus zum Zwecke funktionaler Ertüchtigung« und »gegen das Verkümmern der sinnlichen Erkenntnisfähigkeit«.34 Sichtlich war Gropius’ Denken von reformpädagogischen Motiven der ›Ganzheit‹ und ›Harmonie‹ geprägt. Die Harmonisierungslehre von Gertrud Grunow war für ihn eine wichtige Inspiration.35 Während der ganzen Dauer der Ausbildung sollte »eine praktische Harmonisierungslehre« auf der »Einheitsgrundlage von Ton, Farbe und Form« erteilt werden, »mit dem Ziele, die physischen und psychischen Eigenschaften des Einzelnen zum Ausgleich zu bringen«.36 [ Abb. 5 ] So schrieb Grunow in Staatliches Bauhaus Weimar 1919-1923: »Das oberste Gesetz nach dem jede Ordnung aufgebaut ist, heißt Gleichgewicht« oder »Die Materie wird als Ganzheit […] empfunden«.37 Gropius hielt seinerseits fest, dass der Auf bau der Bauhauslehre in der »Forderung nach einer großen Arbeitseinheit« gipfele und dass »der Gestaltungsvorgang 29.

30. 31. 32. 33. 34. 35. 36.

37.

Relevant dazu ist der Aufsatz von Galison: Aufbau/Bauhaus. 1990. Nachfolgend zitiert nach der dt. Übersetzung: Galison, Peter: Aufbau/Bauhaus: Logischer Positivismus und architektonischer Modernismus. In: ARCH+. Nr. 156. 2001, S. 66–79. Vgl. Harrington, Anne: Die Suche nach Ganzheit. Die Geschichte biologisch-psychologischer Ganzheitslehren: Vom Kaiserreich bis zur New-Age-Bewegung. Reinbek. 2002, S. 65. Wick: Bauhaus-Pädagogik. 1994, S. 52. Wick: Bauhaus-Pädagogik. 1994, S. 80. Vgl. auch Liebner, Gabriele: Menschenbilder und Menschenbildung in der Kunstpädagogik: Eine Spurensuche. Berlin. 2005, S. 127. Wick: Bauhaus-Pädagogik. 1994, S. 80. Vgl. dazu Wick: Bauhaus-Pädagogik. 1994, S. 80. Gropius, Walter: Idee und Aufbau des staatlichen Bauhauses. In: Staatliches Bauhaus Weimar. 1919–1923. Hg. von Karl Nierendorf [1923]. Reprint durch Hans M. Wingler. München. 1980, S. 7–18, hier S. 10. Grunow, Gertrud: Der Aufbau der lebendigen Form durch Farbe, Form, Ton. In: Staatliches Bauhaus Weimar. 1980, S. 20–23, hier S. 20, S. 21.

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Abb. 5: Gliederung der Lehre am Bauhaus Weimar mit Harmonisierungslehre (Gropius 1923)

als unteilbares Ganzes« aufzufassen sei.38 In Gropius’ Denken finden sich noch weitere philosophische Bezüge hinsichtlich der Motive ›Einheit‹ und ›Ganzheit‹.39 In seinem Text Idee und Auf bau des Staatlichen Bauhauses von 1923 hielt er die Umrisse einer neuen ›Welteinheit‹ fest: Das alte dualistische Weltbild, das Ich – im Gegensatz zum All – ist im Verblassen, die Gedanken an eine neue Welteinheit, die den absoluten Ausgleich der gegensätzlichen Spannungen in sich birgt, taucht an seiner statt auf. Diese neuaufdämmernde Erkenntnis der Einheit aller Dinge und Erscheinungen bringt aller Gestaltungsarbeit einen gemeinsamen, tief in uns selbst beruhenden Sinn. Nichts besteht mehr an sich, jedes Gebilde wird zum Gleichnis eines Gedankens, der aus uns zur Gestaltung drängt, jede Arbeit zur Manifestation unseres inneren Wesens. Nur solche Arbeit behält geistigen Sinn, mechanisierte Arbeit ist leblos und Aufgabe der toten Maschine.40

Der Philosoph Carl August Emge, ein Zeitgenosse von Gropius, kommentierte diese Textpassage kurz nach deren Erscheinen.41 In seiner Replik stellte Emge erstens einen Bezug von Gropius’ Denken zu Leibniz‹ Grundgedanken der »Harmonie aller Dinge« und eines »übergeordneten Kosmos« her. 42 Dieser Gedanke ließe sich, so Emges Überzeugung, auf Gropius’ Vision »des großen Baus« übertragen. Das einzelne Bauwerk entspräche der einzelnen Monade, aus der sich die größeren Baueinheiten der 38. 39. 40. 41. 42.

Gropius: Idee und Aufbau des staatlichen Bauhauses. 1980, S. 16. Ich beziehe mich nachfolgend auf die aufschlussreiche Untersuchung von Grohn: Die »Bauhaus-Idee«. 1991, S. 14 f. Gropius: Idee und Aufbau des staatlichen Bauhauses. 1980, S. 7. Emge, Carl August: Die Idee des Bauhauses. Jena. 1924. Zit. nach: Grohn: Die »BauhausIdee«. 1991, S. 14. Leibniz, Gottfried W.: Monadologie. [1714] Hg. von Hartmut Hecht. Stuttgart. 1998.

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›Strasse‹ und der ›Stadt‹ als »Monade der Monaden« zusammensetzen würden. Zweitens verknüpfte er die Gropius’sche »Einheitslehre« mit Hegels »Einheitsidee«, in der die ganze Philosophie nichts anderes war »als das Studium der Bestimmungen der Einheit«. 43 Emge thematisierte damit die intellektuellen Einflüsse des Deutschen Idealismus auf Gropius’ Denken. So wie Hegel bereits im scholastischen Denken und in den mittelalterlichen Kathedralen ein solches Einheitsdenken realisiert sah, so war auch Gropius – zumindest zu Beginn der Bauhaus-Ära – von der nostalgischen Vorstellung eines integrativen Potentials mittelalterlicher Bauhütten angetan. In dem Ideal einer ganzheitlichen Gestaltung wurde der notorische ›Ich-Kult‹ der Gründerzeit in Frage gestellt: »das alte dualistische Weltbild, das Ich […] ist im Verblassen«, hielt Gropius als Zukunftsvision fest. 44 Zwar sollte am Bauhaus der Mensch ›als Ganzes‹ gefördert werden, zugleich wurde die Arbeit an einem über individuellen Ganzen propagiert. Auf der Produktionsebene bedeutete dies konkret, dass nicht nur die Gestaltung von Einzelobjekten angestrebt wurde, sondern in letzter Konsequenz lebensweltliche ›Gesamtsysteme‹ gestaltet wurden: Häuser wurden uniform und bis ins letzte Detail gestaltet, ganze Siedlungen waren nach einheitlichen Vorgaben geplant. Die Dimension dieses ganzheitlichen Gestaltungsanspruchs ging so weit, dass Gropius behaupten konnte, 45 das Bauhaus sei eine »Lebensangelegenheit des ganzen Volkes, nicht eine Sache des Luxus«.46 Das Bauhaus strebte insgesamt eine Verbesserung der sozialen Lebensumstände an. Dennoch erinnert Gropius’ umfassender, bisweilen totalitär wirkender Gestaltungsanspruch 47 sowie sein Diktum, alle »werkkünstlerischen Disziplinen« zur Errichtung eines ›Einheitskunst werkes‹ zu bündeln, 48 im Subtext an Wagners Vision zum »großen Gesamt kunstwerk«. Das große Gesamtkunstwerk, das alle Gattungen der Kunst zu umfassen hat, um jede einzelne dieser Gattungen als Mittel gewissermaßen zu verbrauchen, zu vernichten zu Gunsten der Erreichung des Gesamtzwecks aller, nämlich der unbe43. 44. 45. 46. 47.

48.

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich; Vorlesungen über die Philosophie der Religion. Hg. von Philipp Marheineke. Berlin. 1840, S. 97. Gropius: Idee und Aufbau des staatlichen Bauhauses. 1980, S. 7. Vgl. Baumhoff: Das Bauhaus. 2003, S. 584. Gropius: Idee und Aufbau des staatlichen Bauhauses. 1980, S. 7. Zumindest wird dem Entwurf des ›Totaltheaters‹, den Walter Gropius in Zusammenarbeit mit Erwin Piscator schuf, attestiert, totalitäre Züge aufzuweisen: »Das totale Theater reproduziert durch seinen Theaterbau und seine technologischen Apparate das Schema der totalitären Diktatur, in der die Grenzen zwischen Leben und Kunst, Ernst und Spiel im Zeichen einer liminalen Ästhetik des Alltags verwischt werden.« In: Biccari, Gaetano: ›Zuflucht des Geistes‹?: Konservativ-revolutionäre, faschistische und nationalsozialistische Theaterdiskurse in Deutschland und Italien 1900–1944. Tübingen. 2001, S. 274. Vgl. zum ›Totaltheater‹: Woll, Stefan: Das Totaltheater: Ein Projekt von Walter Gropius und Erwin Piscator. Berlin 1994. Gropius: Programm des Staatlichen Bauhauses in Weimar. 2005, S. 40.

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dingten, unmittelbaren Darstellung der vollendeten menschlichen Natur, – dieses große Gesamtkunstwerk erkennt er [d.h. unser Geist] nicht als die willkürlich mögliche Tat des Einzelnen, sondern als das notwendig denkbare gemeinsame Werk der Menschen der Zukunft.49

Über inhaltliche Gemeinsamkeiten hinaus teilen Wagners und Gropius’ Aufrufe zum Gesamtkunstwerk ihre Form, nämlich die eines Manifests. Die Verbindung der Textform des Manifests und den darin häufig postulierten Visionen zum Gesamtkunstwerk kann geradezu als programmatisch für die künstlerischen Avantgarden der Moderne betrachtet werden.50 Dies gilt namentlich für Gropius Programm des Staatlichen Bauhauses in Weimar. Anja Baumhoff bemerkt mit Blick auf Gropius’ »Hang zum Gesamtkunstwerk«51 pointiert, dass es bis heute nicht ins populäre Bild des Bauhauses und seinen Idealen passe, wenn man konstatiere, dass weder Schule noch Idee aus sich heraus immun gegen den Nationalsozialismus gewesen seien und die Ideen von Rationalisierung, Ornamentlosigkeit und klassisch-modernem Stil andere als nur demokratische Ideale repräsentieren könnten.52 Dessen ungeachtet avancierte das Bauhaus zum wohl wirkungsmächtigsten Erinnerungsort für moderne Kunst und Architektur.53 Die darin angelegten Leitmotive wirken bis in heutige Designausbildungen und aktuelle Designdebatten nach und bestimmen dort auch Fragen nach einem Wissen im Design. Dass sich der »Mythos Bauhaus« (Baumhoff), die Legende einer modernen, avantgardistischen Kunstschule demokratischer Gesinnung, so nachhaltig – und auch überraschend einheitlich – ins nationale und internationale kulturelle Gedächtnis einschreiben konnte, ist neben der intensiven Medienpräsenz des Bauhauses wohl auch Walter Gropius’ aktiver Kontribution an die Bauhaus-Geschichtsschreibung geschuldet.54 Ebenfalls kommt in dem Bild, das die Differenzen und Widersprüche innerhalb des Bauhauses ausblendet, der einheitsstiftende Effekt zum Tragen, den der Begriff ›Moderne‹ als »Diskurselement« bis heute (zu Unrecht) in sich birgt.55 Doch auch das verführerische Potential einer idealistischen Vorstellung von Gestaltung mag das Seine dazu beigetragen 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55.

Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. In: Gesammelte Schriften. Bd. 3. Leipzig. 1907, S. 60. Finger, Anke: Das Gesamtkunstwerk der Moderne. Göttingen. 2006, S. 52 f. Eine Anspielung auf: Szeemann, Harald (Hg.): Der Hang zum Gesamtkunstwerk. Frankfurt a. Main. 1983. Baumhoff: Das Bauhaus. 2003, S. 593. Paraphrasiert nach Baumhoff: Das Bauhaus. 2003, S. 584–600. Baumhoff: Das Bauhaus. 2003, S. 586. Schade, Sigrid: Widersprüche – Mythen der abstrakten Moderne zwischen der »Immaterialität« der Kunst und der »Materialität« des Kunstwerks. In: Baumhoff, Anja; Droste, Magdalena (Hg.): Mythos Bauhaus. Berlin. 2009, S. 147–167.

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haben, dass die ›Idee‹ des Bauhauses bis heute nachwirkt. Ludwig Mies van der Rohe erklärte die große ideelle Wirkungsmacht des Bauhauses mit den folgenden Worten: Das Bauhaus war eine Idee, und ich glaube, daß die Ursache für den ungeheuren Einfluß, den das Bauhaus auf jede fortschrittliche Schule in der Welt gehabt hat, in der Tatsache zu suchen ist, daß es eine Idee war. […] Nur eine Idee hat die Kraft, sich so zu verbreiten…56

Selbst wenn man van der Rohe darin nicht folgen will, muss doch konstatiert werden, dass die »Bauhaus-Idee« einer ganzheitlichen Gestaltung noch für gegenwärtige Designausbildungen eine große Strahlkraft besitzt. Allerdings muss zugleich problematisiert werden, dass sich diese Idee mittlerweile zu einem regelrechten Mythos verstetigt hat. Das von Gropius propagierte Ideal einer ganzheitlichen, umfassenden Gestaltung wird in zahlreichen zeitgenössischen Designauffassungen perpetuiert. Dabei lässt sich in der Geschichtsschreibung und Theoriebildung des Design relativ mühelos die Bereitschaft lokalisieren, Design und seine vielfältigen historischkulturellen Entwicklungen als Formen der Naturalisierung zu beschreiben, etwa in der Aussage, dass jeder Mensch ›von Natur aus‹ ein Designer sei. Hier trifft zu, was Roland Barthes über den Mythos schreibt: »Der Mythos von der conditio humana stützt sich auf eine sehr alte Mystifikation, die seit jeher darin besteht, auf den Grund der Geschichte die Natur zu setzen«.57 Der Mythos entzieht »dem Objekt, von dem er spricht, jede Geschichte«58 und gibt stattdessen ein »natürliches Bild des Realen« wieder.59 Anstelle von differenzierten kulturhistorischen Analysen treten dann epochenübergreifende Erzählungen, die den Mythos vom ganzheitlichen Menschen und seine Integration in ein allumfassendes Universum perpetuieren. Dies ist auch im Design und in der Designforschung zu beobachten. Im Folgenden werden Designauffassungen von Moholy-Nagy, Bonsiepe und Burckhardt mit Gropius’ Ideal einer ganzheitlichen Gestaltung in Beziehung gesetzt werden. Ziel dieser vergleichenden Lektüre ist es aufzuzeigen, wie eng spätere Designauffassungen, noch bis ins ›digitale Zeitalter‹ zum Ende des 20. Jahrhunderts, mit den Idealen des Bauhauses verflochten sind und implizit dessen idealistisch-romantischen Ganzheitsideale des 19. Jahrhunderts perpetuieren. 56. 57. 58. 59.

Aus der Rede von Ludwig Mies van der Rohe anlässlich des 70. Geburtstag von Walter Gropius. In: Giedion, Siegfried: Walter Gropius. Mensch und Werk. Stuttgart. 1954, S. 20 f. Barthes: Mythen des Alltags. 1964, S. 17. Barthes: Mythen des Alltags. 1964, S. 141. Barthes: Mythen des Alltags. 1964, S. 130. Kursivsetzung im Original.

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László Moholy-Nagy – Design ist eine Haltung Zur internationalen Verbreitung der Bauhaus-Idee trugen auch jene emigrierten Bauhäusler bei, die nach der Schließung des Bauhauses durch die Nationalsozialisten im Ausland ein neues Wirkungsfeld finden mussten.60 László Moholy-Nagy, der nach seiner Lehrtätigkeit am Bauhaus (1923–1928) ab 1935 in London lebte, übernahm 1937 auf Gropius’ Empfehlung hin die Direktion des neu gegründeten New Bauhaus in Chicago.61 Das New Bauhaus gilt als eigentliche amerikanische Nachfolgeinstitution des Bauhauses. Da die Schule durch die Industrie finanziert wurde, stand sie von Beginn an unter großem wirtschaftlichem Druck. Von Anfang an war aber auch der ideelle Einfluss des deutschen Bauhauses spürbar, insbesondere zeigte er sich in der angestrebten Symbiose von Wissenschaft, Technik und Kunst. Im Rahmen des Programms Intellectual Integration lud Moholy-Nagy Professoren der University of Chicago ein, um sie Kurse in Semiotik, Kybernetik und Mathematik unterrichten zu lassen. Die meisten der geladenen Professoren gehörten der so genannten Unity of Science-Bewegung an, einer Denkrichtung, die dem Ideengut des Bauhauses nahe stand. Es handelte sich dabei um eine Bewegung, die nach einer »Einheit von Sprache, Axiomen und analytischen Methoden« strebte und eine Erweiterung des logisch-positivistischen Wiener Kreises darstellte.62 Insbesondere mit dem Semiotiker Charles Morris, der Mitglied der Unity of Science war, tauschte sich Moholy-Nagy aus. Morris konzipierte als grundlegenden Bestandteil des Curriculums des New Bauhauses einen »Einheitskurs« zu Kunst und Wissenschaft, in dem es nicht nur darum ging, die »Einheit der Wissenschaften deutlich zu machen«, sondern in diesem Kontext auch »Kunst als eine Sprache« zu erörtern.63 Moholy-Nagy begrüßte einen solchen Ansatz, 60.

61.

62. 63.

Walter Gropius war ab 1937 Professor an der Graduate School of Design an der Harvard University. Ludwig Mies van der Rohe leitete ab 1938 die Architekturabteilung am Armour Institute in Chicago. das nach der Fusion mit dem Lewis Institute ins Illinois Institute of Technology umbenannt wurde. Josef und Anni Albers unterrichteten von 1933–1949 am Black Mountain College in North Carolina. László Moholy-Nagy wurde 1937 Direktor des New Bauhaus in Chicago. Das New Bauhaus wurde 1937 in Chicago auf Bestrebung der Association of Arts and Industries hin gegründet; 1939 ging daraus die School of Design hervor, die seit 1944 Institute of Design heißt. Nach Moholy-Nagys Tod im Jahre 1946 wurde die Schule 1949 in das Illinois Institute of Technology integriert, das von Ludwig Mies van der Rohe geleitet wurde. Eine aufschlussreiche Zusammenfassung von Moholy-Nagys Vita nach seiner Bauhauszeit findet sich in: Wessing, Gudrun: Als Lichtvisionen von Schatten überholt wurden. Zur Situation der Bauhäusler um 1933 und Moholys Neubeginn nach den Jahren der Emigration. In: Jäger, Gottfried; Wessing, Gudrun (Hg.): Über Moholy-Nagy. Ergebnisse aus dem Internationalen László Moholy-Nagy Symposium. Bielefeld. 1997, S. 45–72. Betts, Paul: New Bauhaus und School of Design, Chicago. In: Fiedler: Bauhaus. 2006, S. 66–73, hier 72. Morris, Charles: Intellectual Intergration. Unveröffentl. Maschinenskript (undatiert). F 73–19; 1–2. The University of Illinois at Chicago. Zit. nach Galison: Aufbau/Bauhaus. 2001, S. 76.

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da er mit seinem eigenen Wunsch einherzugehen schien, die »wesentliche Einheit aller menschlicher Erfahrungen wiederherzustellen«64 – und auch weil Morris sich überhaupt auf dieses Unterfangen einließ.65 1929 erschien Moholy-Nagys Lehrbuch Von Material zu Architektur, basierend auf seinen Vorträgen aus dem Bauhaus-Grundkurs und mit studentischen Arbeiten illustriert. 1938 wurde dieses unter dem Titel The New Vision. Fundamentals of Bauhaus Design, Painting, Sculpture and Architecture in erweiterter Form ins Englische übersetzt.66 Angestrebt wurde, die grundlegenden künstlerischen und pädagogischen Maximen des Bauhauses einer breiten amerikanischen Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Moholy-Nagy erinnerte darin an das Gropius’sche Leitbild einer Synthese von Kunst und Alltagsleben: By uniting an artistic, scientific and a real workshop training – with tools and basic machines, by keeping in constant touch with advancing art and technique, with the invention of new materials, and new constructions, the teachers and the students of the Bauhaus were able to turn out designs which had a decisive influence not alone on industrial production, but also in reshaping of our daily life.67

Auch an anderen Stellen des Buches ist der Einfluss von Gropius’ ganzheitlichem Denken auf Moholy-Nagy deutlich erkennbar.68 So beklagte dieser, dass das Erziehungssystem »vorwiegend einzelerlebnisse« pflege, wo doch erst ein »gesamtkomplex der eigenen erlebnisse« den Menschen wirklich auf bauen könne.69 Ebenfalls bemängelte er die zunehmende gesellschaftliche Ausdifferenzierung menschlichen Schaffens.70 [ Abb. 6 ] Die professionelle Spezialisierung verdunkele »den weg zu allseitigen eignen erlebnissen, die auf grund gesunder funktionen möglich, ja vom biologischen zentrum her erforderlich« seien, so Moholy-Nagy.71 Auch in diesen Zeilen klingt das Ideal einer ›Einheitslehre‹ im Sinne Gropius’ an, welche die harmonische Ausbildung aller menschlichen Fähigkeiten, die »Versöhnung von Vernunft und Sinnlichkeit«, das »Gleichgewicht von 64. 65. 66.

67. 68. 69. 70. 71.

Zit. nach Betts: New Bauhaus und School of Design, Chicago. 2006, S. 72. Vgl. Galison: Aufbau/Bauhaus. 2001, S. 76. Moholy-Nagy, László: Von Material zu Architektur. 1929. Faksimile-Nachdruck hg. durch Hans M. Wingler 1968 (Mainz/Berlin). Die englische Übersetzung erschien 1938, eine erweiterte Neuauflage wurde 2005 publiziert: The New Vision. Fundamentals of Bauhaus Design, Painting, Sculpture and Architecture. New York. 2005. Moholy-Nagy: The New Vision. 2005, S. 20. Jäger, Gottfried; Wessing, Gudrun: Vorwort der Herausgeber. In: Dies: Über Moholy-Nagy. 1997, S. 9–11, hier S. 10. Moholy-Nagy, László: Von Material zu Architektur [1929]. Faksimile-Ausgabe hg. von Hans M. Wingler. Mainz/Berlin. 1968, S. 18. Moholy-Nagy: Von Material zu Architektur. 1968, S. 18. Kleinschreibung im Original (ebenso in allen nachfolgenden Zitaten aus diesem Werk). Moholy-Nagy: Von Material zu Architektur. 1968, S. 18.

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Abb. 6: Moholy-Nagy: Sektoren menschlicher Entwicklung (1938)

Handwerk und Kopfwerk« zum Ziele hatte.72 Analog dazu forderte auch Moholy-Nagy unter der Überschrift die zukunft braucht den ganzen menschen eine integrative, generalistische Sicht auf die menschliche Handlungs- und Erfahrungsdimension: eine sektorhafte ausbildung ist heute nicht zu übergehen. sie darf aber nicht soweit getrieben werden, daß der mensch dabei verkümmert – bei all seinem großartig gepriesenen fachwissen. der sektorhafte mensch muß wieder in dem zentralen, in der gemeinschaft organisch wachsenden menschen fundiert sein: stark, offen, beglückt, wie er in seiner kinderzeit war.73

Bemerkenswert an dieser Aussage ist der Rekurs auf die Kindheit, mit dem ein gängiges Narrativ der Reformpädagogik aufgenommen wird: der Mythos vom ›genialen‹ künstlerisch-kreativen Potential des Kindes.74 Diese ›natürliche‹ Genialität entfaltet sich bereits in den Prämissen einer Pädagogik, wie der Genfer Philosoph Jean-Jaques Rousseau propagierte. Während der Reformpädagogik, also im Zeitalter einer zunehmenden Industrialisierung und Arbeitsteilung, wurde ein solcher Ansatz dann als wirksam 72. 73. 74.

Wick: Bauhaus-Pädagogik. 1994, S. 80. Moholy-Nagy: Von Material zu Architektur. 1968, S. 11. Moholy-Nagy verweist in ›Von Material zu Architektur‹ auf reformpädagogische Erziehungsansätze von Pestalozzi, Montenegro und anderen. Vgl. zu den Idealen der Reformpädagogik ebenfalls: Beyme, Klaus von: Das Zeitalter der Avantgarden. Kunst und Gesellschaft 1905– 1955. München. 2005, S. 46 ff.

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erachtet, um die »geistige Mündigkeit des Menschen in einem freiheitlich bestimmten gesellschaftlichen Rahmen« zu verwirklichen.75 Auch Moholy-Nagy glaubte zeitlebens an die Kraft eines »neuen, schöpferischen Menschen innerhalb der Gesellschaft« und war davon überzeugt, dass die Synthese von Kunst und Leben, Wissenschaft und Technik im gemeinsamen Ziel von Erkenntnis zusammenwirken könne.76 Als »Konstruktivist« sei Moholy-Nagy ein Künstler der Analyse und des Entwurfs, des Systems und der Utopie gewesen, schreiben Gottfried Jäger und Gudrun Wessing.77 Für sie repräsentiert er (in einer beinahe romantizistischen Weise) »ein Vorbild für die Kunst des Wissens« und einen mustergültigen »Künstler-Ingenieur« im Benjaminschen Sinne. Andere Autoren ordnen Moholy-Nagys Bestrebungen, »gesellschaftliche Widersprüche durch eine universale Gestaltung aller Lebensbereiche« aufzuheben, der Denktradition William Morris’ zu, dem geistigen Vater von arts and crafts, und verknüpfen sie mit der Marxschen Überzeugung, dass sich der Mensch erst durch Arbeit verwirkliche.78 Bei Moholy-Nagy sei der Versuch, »eine ideologieferne Balance zwischen Technik und Mensch zu finden« die entscheidende Herausforderung gewesen, so lautet die Ansicht von Norbert Schmitz. Moholy-Nagy selbst schrieb, dass der schöpferische Mensch unter dem äußerlichen Druck von »geldverdienst, wettbewerb, geschäftsmentalität«79 leide und dass es darum gehe, »die schäden einer technischen zivilisation […] zu bekämpfen.80 Seine Sehnsucht nach ›Ursprünglichkeit‹ und ›Ganzheit‹ eint ihn mit den handwerklichen Idealen des Bauhauses, dessen Zielsetzung er wie folgt zusammenfasste: das gesamtziel [war]: der ganze mensch, der mensch, der von seiner biologischen mitte her allen dingen des lebens gegenüber wieder mit instinktiver sicherheit stellung nehmen kann, der sich heute genau so wenig von industrie, eiltempo, äußerlichkeiten einer oft mißverstandenen ›maschinenkultur‹ überrumpeln läßt […]. diese einstellung, die zu einer ganzheit hinstrebt, führte im bauhaus zu einer handwerklichen ausbildung.81

Doch obwohl Moholy-Nagy wie auch Gropius eine Synthese von Kunst und Leben anstrebte, lehnte er anders als dieser die Vorstellung eines ›Gesamtkunstwerks‹ ab. 75. 76. 77. 78. 79. 80. 81.

Schonen, Bruno: Reformpädagogik. In: Kerbs/Reulecke: Handbuch der deutschen Reformbewegungen. 1998, S. 319–330, hier S. 319, S. 327. Jäger/Wessing: Vorwort der Herausgeber. 1997, S. 9. Jäger/Wessing: Vorwort der Herausgeber. 1997, S. 9. Schmitz, Norbert M.: Synthese und Gesamtkunstwerk. In: Fiedler: Bauhaus. 2006, S. 302– 301, hier S. 302. Moholy-Nagy: Von Material zu Architektur. 1968, S. 13. Moholy-Nagy: Von Material zu Architektur. 1968, S. 15. Moholy-Nagy: Von Material zu Architektur. 1968, S. 18.

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Was wir brauchen, ist nicht das Gesamtkunstwerk, neben dem das Leben getrennt hinfließt, sondern die sich selbst aufbauende Synthese aller Lebensmomente zu dem alles umfassenden Gesamtwerk (Leben), das jede Isolierung aufhebt, indem alle individuellen Leistungen aus einer biologischen Notwendigkeit entstehen und in eine universelle Notwendigkeit münden.82

Trotz der vielfältigen Bezüge zu Gropius lassen sich dennoch auch Unterschiede zu diesem ausmachen. Moholy-Nagys Interesse galt keinem übergeordnetem ›Gesamt-‹ oder ›Einheitskunst werk‹, sondern dem Individuum und dessen persönlichem ›kreativen‹ Potential. Er bekräftigte wiederholt, dass zwar nicht jeder ein Künstler sei, aber jeder »gesunde Mensch« ein Vermögen habe, die in seinem »Mensch-sein« begründeten schöpferischen Energien zur Entfaltung zu bringen.83 Diese Überzeugung teilte er mit dem US-amerikanischen Pragmatisten John Dewey, den er in Chicago kennen lernte.84 Dewey, der unter anderem auch Mitglied des Advisory Councils am Black Mountain College war, glaubte wie Moholy-Nagy, dass in jedem Menschen schöpferische Kräfte steckten. Ebenso war er davon überzeugt, dass eine Erfahrung nur durch Ganzheitlichkeit gemacht werden könne, »wenn eine Entwicklung bis zur Vollendung« durchlaufen sei.85 Als Pädagoge verfolgte Dewey ein handlungsorientiertes »Lernen durch Tun« – also einen Ansatz mit reformpädagogischer Prägung.86 Durch Dewey angeregt strebte Moholy-Nagy danach, am New Bauhaus eine »organisch ausgerichtete« Learning-by-doing-Methode des Lernens und Lehrens zu etablieren.87 Ungeachtet dieser pragmatischen Einflüsse war Moholy-Nagys Denken zeitlebens von ganzheitlichen, idealistischen Motiven durchwirkt. Es ging ihm um einen »Einheit des Lebens«, wie Charles Morris einmal bemerkte.88 Um die ›unnatürlichen‹, schädlichen Tendenzen moderner Technikentwicklung zu kontrastieren, verwendete Moholy-Nagy in seinen Schriften wiederholt biologistische bzw. biozentrische Metaphern. So beklagte er etwa die, seit der Industrialisierung, vernachlässigten »biologischen bedürfnisse«89 des Menschen und beschrieb Wissenschaft, Päda82. 83. 84. 85. 86. 87. 88.

89.

Moholy-Nagy, László: Malerei. Fotografie. Film. München. 1925, S. 15. Moholy-Nagy: Von Material zu Architektur. 1968, S. 14. Harris, Mary Emma: The Arts at Black Mountain College. Cambridge, Mass. 2002 [1987], S. 6. Dewey, John: Kunst als Erfahrung. Frankfurt a. Main. 1988, S. 47. Dewey, John: Democracy and Education: An Introduction to the Philosophy of Education. New York. 1916. Betts: New Bauhaus und School of Design, Chicago. 2006, S. 71. Morris, Charles: Prospectus for the New Bauhaus. American School of Design. Founded by the Association of Arts and Industries. 10 accession, record 70–65, F 65 in der Institute of Design Collection, The University Library, Special Collection Department, The University of Illinois at Chicago. Morris and Loyd Engelbrecht. 3. Juni 1968. Zit. nach Galison: Aufbau/ Bauhaus. 2001, S. 76. Moholy-Nagy: Von Material zu Architektur. 1968, S. 13.

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gogik und Politik als »organisch, biologisch bedingte funktionen«, die im Zuge des technisch-industriellen Fortschritts zu sichern und wieder zusammenzuführen seien.90 [T]he word ›biological‹ stands generally for laws of life which guarantee an organic development […]. If today's civilization would allow more time to follow the biological rhythms, lives would be less hysterical and less often stranded. […] The oncoming generation has to create a culture which does not weaken but strengthens the genuine biological functions.91

Bezeichnenderweise verwendete auch Gropius den Begriff ›Einheit‹ synonym zu ›Organismus‹: ›das Wohnhaus‹ beschrieb er etwa als »betriebstechnische[n] organismus, dessen einheit sich aus vielen einzelfunktionen organisch zusammensetzt«.92 Moholy-Nagy führte als Inspiration für seinen »organischen Funktionalismus«93 aber nicht Gropius, sondern den Biologen und Theosophen Raoul Heinrich Francé an. Insbesondere dessen Schrift Die Pflanze als Erfinder von 1920 übte eine große Faszination auf ihn aus.94 Francé legte darin seinen Ansatz der »Biotechnik« dar, eine vitalistisch-spiritische Sichtweise auf Technik und Wissenschaft in der die Natur als Vorbild für technische Entwicklung galt.95 Neben der Inspiration durch Francé können für Moholy-Nagys »organischen Funktionalismus« weitere ideengeschichtliche Bezüge geltend gemacht werden: zu Goethes Naturphilosophie, zur Reformpädagogik, zur Gestaltpsychologie oder zu Ernst Haeckels Monismus.96 Olivier Botard konstatiert, dass Moholy-Nagys gesamte Pädagogik in einem für die Zeit typischen Diskurs zum »biozentrischen Konstruktivismus« verwurzelt gewesen sei, in dem, neben Gropius und Moholy-Nagys, auch Mies van der Rohe, El Lissitzky, Raoul Hausmann, Paul Klee, Wassily Kandinsky oder Oskar Schlemmer involviert gewesen seien. Alain Findeli weist zudem auf die paradox anmutende Verquickung hin, dass Moholy-Nagy sich in seiner Designpädagogik sowohl für vitalistisch-spiritistische Lehren als 90. 91. 92. 93. 94. 95. 96.

Moholy-Nagy: Von Material zu Architektur. 1968, S. 15. Moholy-Nagy: The New Vision. 2005 S. 13 f. In der deutschen Erstausgabe fehlt indes eine solche Begriffsdefinition. Gropius, Walter: Systematische Vorarbeit für rationellen Wohnungsbau. In: Zeitschrift »bauhaus«. 1. Jg., Nr. 2. Dessau. 1927, S. 1. Kleinschreibung im Original. Findeli, Alain: Moholy-Nagy’s Design Pedagogy in Chicago (1937–46). In: Margolin, Victor; Buchanan, Richard (Hg.): The Idea of Design. Cambridge, Mass. 1995, S. 29–43, hier S. 35 ff. Francé, Raoul H.: Die Pflanze als Erfinder. Stuttgart. 1920. Loers, Veit: Zwischen den Spalten der Welt. Franz Marcs okkultes Weltbild. In: Ders: Okkultismus und Avantgarde. 1995, S. 266-281, hier S. 269. Vgl. zu diesem Aspekt ausführlich Botar, Olivier A. I.: Prolegomena to the Study of Biomorphic Modernism: Biocentrism, Laszlo Moholy-Nagy’s »New Vision« and Ernó Kállais Bioromantik. Dissertation. University of Toronto. Toronto. 1998. Vgl. zudem Findeli: Moholy-Nagy’s Design Pedagogy in Chicago. 1995, S. 29–43.

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auch für die logisch-positivistischen Ansätze des Wiener Kreises interessiert habe.97 In der Vorstellung eines »organischen Funktionalismus« habe Moholy-Nagy zwei Perzeptionsweisen vereinen wollen, die bereits von der Gestaltpsychologie unterschieden worden seien: »analytisch-fokussiert« und »synthetisch-holistisch«.98 Bezeichnenderweise werden auch heute in der Designtheorie und -forschung (erneut) solche Wissensmodelle favorisiert, welche die Aspekte »analytisch-fokussiert« und »synthetisch-holistisch« zugleich zu adressieren versuchen (die Debatten zum impliziten Wissen können etwa so gelesen werden). Doch die vermeintliche Opposition dieser beiden Sichtweisen erweist sich meines Erachtens – zumindest mit Blick auf die historischen Konzepte, die ihr vorangehen – als eine vorgebliche, da sich letztlich beide auf ein Ideal von ›Ganzheit‹ beziehen.99 In der Naturphilosophie wird dies vermittels der Überzeugung eingelöst, dass die ›Natur‹ einheits- und sinnstiftender Grund allen Lebens sei und im Logischen Positivismus geschieht dies durch das Bestreben, mittels einer einheitlichen Wissenschaftssprache ›Wissen‹ zu standardisieren und in Folge zu ›demokratisieren‹. Ebenfalls ist in der Gestalttheorie selbst, namentlich bei Wolfgang Köhler, das Bestreben hin zu einer ›objektiven‹ und ›ganzheitlichen‹ Naturphilosophie zu finden, wobei sich die beiden Aspekte gegenseitig ergänzen sollten.100 Design ist eine Haltung Kurz nach Moholy-Nagys Tod im Jahre 1946 wurde Vision in motion publiziert.101 Es war sein schriftliches Vermächtnis als Künstler, Designer, Theoretiker und Pädagoge. Doch Vision in motion ist weitaus mehr als eine bloße Reminiszenz an das Bauhaus, vielmehr floss seine fast zehnjährige Erfahrung als Leiter einer amerikanischen Designschule in die Texte ein. Während Von Material zu Architektur noch entsprechend der traditionellen künstlerischen Gattungshierarchie entlang der Kategorien ›Material‹, ›Volumen‹ und ›Raum‹ gegliedert war, widmete Moholy-Nagy nun ein eigenes Kapitel dem Thema ›Design‹, unter dem Titel: New Method of Approach. Design for Life. Ebenso wie zuvor für die Gestaltung, versuchte er nun für die neue Disziplin des Industriedesign einen fachübergreifenden Zugang zu etablieren.102 Ein Designer könne dann am besten arbeiten, so seine Über97. 98. 99. 100.

Findeli: Moholy-Nagy’s Design Pedagogy in Chicago. 1995, S. 37. Findeli: Moholy-Nagy’s Design Pedagogy in Chicago. 1995, S. 37. Vgl. Harrington: Die Suche nach Ganzheit. 2002, S. 63–73. Bühler, Benjamin: Lebende Körper. Biologisches und anthropologisches Wissen bei Rilke, Döblin und Jünger. Würzburg. 2004, S. 75. Vgl. grundlegend Ash, Mitchell G.: Gestalt Psychology in German Culture, 1890–1967: Holism and the Quest for Objectivity. Cambridge. 1998. 101. Moholy-Nagy, László: Vision in motion. Chicago. 1946. 102. Moholy-Nagy: Vision in motion. 1946, S. 33.

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zeugung, wenn er mit den künstlerischen, wissenschaftlichen, sozialen und ökonomischen Anforderungen seiner Zeit vertraut sei und Einsicht in industrielle Prozesse und bestimmte mechanische Prinzipien habe.103 Diese Definition des Industriedesigners weist indes große Überschneidungen zur Tätigkeit des Ingenieurs auf, was Moholy-Nagy zu der Erklärung veranlasste, dass Designer keinesfalls die Ingenieure konkurrenzierten, sondern mit diesen arbeitsteilig zusammenarbeiten sollten. Seine oben geschilderten pädagogische Ideale, aber auch sein intellektuelles Bauhaus-Erbe manifestieren sich in dem Plädoyer, Design nicht länger als einen isolierten, spezialisierten Zugriff auf die Welt zu verstehen. Vielmehr sah er Design als einen generalistischen Zugang an, der in einem komplexen soziokulturellen Gesamtgefüge zu verorten sei. It is the integration of technological, social and economic requirements, biological necessities, and the psychophysical effects of materials, shape, color, volume, and space: thinking in relationships. […] The designer must be trained not only in the use of materials and various skills, but also in appreciation of organic functions and planning. He must know that design is invisible, that the internal and external characteristics of a dish, a chair, a table, a machine, painting, sculpture are not to be separated. The idea of design and the profession of the designer has to be transformed from the notion of a specialist function into a generally valid attitude of resourcefulness and inventiveness which allows projects to be seen not in isolation but in relationship with the need of the individual and the community.104

Moholy-Nagy fasste sein Verständnis von Design in eine berühmt gewordene Formel zusammen: »designing is not a profession but an attitude«, Design ist eine Haltung.105 Er nahm damit, bewusst oder unbewusst, einen zentralen Gedanken von Ludwig Mies van der Rohe auf, der besagt, dass das Bauhaus im Grunde eine »Idee« gewesen sei.106 Sowohl der Begriff der ›Idee‹ als auch der ›Haltung‹ machen eines deutlich: Design soll in seiner ›Essenz‹ nicht als ›materielle‹, sondern ›ideelle‹ Tätigkeit verstanden werden. Diese idealistisch und zugleich essentialistisch gefärbte Lesart von Design findet denn auch im deutschen Begriff der ›Gestaltung‹ eine Entsprechung. Für Goethe, auf den der Gestaltbegriff bekanntlich zurückgeht, ist die ›Gestalt‹ Ausdruck des ›Wesens‹ von Dingen.107 Verwandt zu dieser 103. 104. 105. 106. 107.

Moholy-Nagy: Vision in motion. 1946, S. 34. Moholy-Nagy: Vision in motion. 1946, S. 42. Moholy-Nagy: Vision in motion. 1946, S. 42. Vgl. Giedion: Walter Gropius. 1954, S. 20 f. Der Begriff ›Gestalt‹ findet sich bei Goethe bereits zur Beschreibung des Straßburger Münsters – interessanterweise bezieht sich Gropius ja bei der Gründung des Bauhauses gerade auf das

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Vorstellung findet sich auch bei Gropius der Satz: »Ein Ding ist bestimmt durch sein Wesen.«108 Goethe demonstrierte seinen Gedanken am Beispiel der so genannten »Urpflanze«, einem Modell, in dem alle Grundstrukturen und Merkmale für sämtliche Pflanzen idealtypisch angelegt seien.109 Die anhaltende Faszination, welche die Beschäftigung mit der (biologischen) Gestalt, der morphé, auf Goethe ausübte, ist nicht zuletzt der Suggestion ihrer Verallgemeinerungsfähigkeit und ihrer überindividuellen Reichweite und Gültigkeit geschuldet. Annette Simonis schreibt, dass der Gestaltbegriff damit verspreche »nicht weniger, als die universellen Regeln der Formgenese zu offenbaren«.110 Gerade in dieser idealistischen Universalität dürfte auch der Reiz des Gestaltbegriffs für das Design und seine Theorien im deutschen Kulturraum liegen. Die Begriffe ›Gestalt‹ und ›Gestaltung‹ sind dermaßen eng mit der deutschen Sprache und ihrem Gedankengut verwoben, dass sie unübersetzt Eingang in die englische Sprache fanden. 111 Der Bauhaus-Fotograf T. Lux Feininger stellte diesbezüglich sogar die bizarre Vermutung auf, dass »das Gefühl für das enge Nebeneinandersein des reinen Gedankens und der konkreten Substanz typisch deutsch« sei. Gleichwohl hat Moholy-Nagy in seinem Spätwerk Vision in motion, statt den deutschen Begriff ›Gestaltung‹ den englischen Begriff ›design‹ gewählt. Doch auch dieser scheint nicht frei von idealistischer Konnotation zu sein, da er stets einen den gestalteten Dingen zugrunde liegenden ›Plan‹ meint. So kommt etwa in Moholy-Nagys Aussage, »The designer must be trained […] in appreciation of organic functions and planning«,112 diese Wortbedeutung zum Tragen. Die englische Bedeutung von ›design‹ ist zwar, wie wir eingangs dieses Buches gesehen haben, anders konnotiert als der deutsche Gestaltbegriff.113 Nichts desto weniger wird auch darin der ideelle Akt der Planung vor der materiellen Formgebung akzentuiert

108. 109.

110. 111. 112. 113.

Vorbild der mittelalterlichen ›Bauhütte‹. Vgl. Goethe, Johann Wolfgang von: Von deutscher Baukunst. D. M. Ervini a Steinbach. 1773. In: Irmscher, Hans Dietrich (Hg.): Herder, Goethe, Frisi, Möser. Von deutscher Art und Kunst. Einige fliegende Blätter. Stuttgart. 1981, S. 93–105. Gropius, Walter: Bauhaus Dessau. Grundsätze der Bauhausproduktion. 1926. In: Fischer/Hamilton: Theorien der Gestaltung. 1999, S. 167–169, hier S. 167. Am 8. Juni 1787 schrieb Goethe in einem Brief an Frau von Stein aus Italien: »Die Urpflanze wird das wunderlichste Geschöpf von der Welt über welches mich die Natur selbst beneiden soll. Mit diesem Modell und dem Schlüssel dazu, kann man alsdann noch Pflanzen ins Unendliche erfinden, die konsequent sein müssen, das heißt: die, wenn sie auch nicht existieren, doch existieren könnten und nicht etwa malerische oder dichterische Schatten und Scheine sind, sondern eine innerliche Wahrheit und Notwendigkeit haben. Dasselbe Gesetz wird sich auch auf alles übrige Lebendige anwenden lassen.« Vgl. Goethe, Johann Wolfgang von: Goethes Briefe. Hg. von K. R. Mandelkow und Bodo Morawe. Bd. II. Hamburg. 1962 ff, S. 60. Simonis, Annette: Gestalttheorie von Goethe bis Benjamin. Diskursgeschichte einer deutschen Denkfigur. Köln/Weimar. 2001, S. 37. Fiedler, Jeannine: Vorwort. In: Dies.: Bauhaus. 2006, S. 8–10, S. 9. Moholy-Nagy: Vision in motion. 1946, S. 42. Vgl. in der Einleitung, Abschnitt a. Zur Geschichte der Designmethodologie und -forschung.

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– in Moholy-Nagys Aussage verbunden mit seiner charakteristischen biologistischen Terminologie. Spätestens seit Tom Wolfes polemischem Essay From Bauhaus to Our House ist bekannt, dass die Bauhäusler durch ihr Wirken die US-amerikanische Gestaltung und Architektur weitreichend beeinflussten.114 Diese Beeinflussung spielte sich jedoch nicht nur auf der Ebene von konkreten Bauten und Produkten ab, sondern sie betraf auch philosophische Ansichten und sprachliche Besonderheiten.115 Diese Erfahrung musste auch MoholyNagy machen. Erst die erfolgreiche Fusion des europäischen Idealismus mit dem angelsächsischen Pragmatismus ermöglichte es schließlich, so die These von Baumhoff, dass die idealistische, sozialreformerische ›BauhausIdee‹ in den pragmatischen US-amerikanischen Industriekapitalismus einfließen konnte.116 Mehr noch: »Während in Deutschland der Gedanke des Gesamtkunstwerkes überholt scheint, konnte diese Idee in den USA überleben, da sie dort an eine andere Tradition anknüpfte. Hier wie dort ist die Bauhaus-Idee fast unangreifbar, weil sie vage und offen geblieben ist.« 117 In Vision in motion formulierte László Moholy-Nagy erstmals einige spezifische Überlegungen zum aufkommenden Berufsbild des Industriedesigners. Diese waren zwar noch stark von seinen künstlerischen-pädagogischen Bauhaus-Idealen geprägt, sie nahmen aber bereits schon ingenieurspezifische Ansätze zur industriellen Produktion und Formgebung auf, wie er sie in den USA erlebte. Moholy-Nagys Ausführungen zur Profession des industriellen Designers fanden in späteren ›postmodernen‹ Designauffassungen Eingang, namentlich sind sie bei Gui Bonsiepe und Lucius Burckhardt zu finden. Bonsiepe führte in seinen Überlegungen zu ›Design‹ als ›Schnittstelle‹ aus, dass der eigentliche Bereich von Design nicht in der Gestaltung von Artefakten, sondern in der Gestaltung der Interaktion von Benutzer und Gegenstand liege.118 Moholy-Nagys Aussage »design is invisible« wurde 1980 von Lucius Burckhardt in seinem Essay Design ist unsichtbar aufgegriffen.119 Sowohl Bonsiepe als auch Burckhardt lehrten an der Hochschule für Gestaltung Ulm – an jener Schule also, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs das Erbe des Bauhauses antreten und dessen Gestaltungsideale in die Zukunft des Design weiterführen wollte.

114. Wolfe, Tom: From Bauhaus to Our House. New York. 1981. [Dt. Ausgabe: Mit dem Bauhaus leben. Die Diktatur des Rechtecks. Königstein. 1982]. 115. Vgl. zur Verbindung von Moholy-Nagy und Charles Morris: Galison: Aufbau/Bauhaus, S. 76 f. 116. Baumhoff: Das Bauhaus. 2003, S. 600. 117. Baumhoff: Das Bauhaus. 2003, S. 600. 118. Bonsiepe: Design: Von Material zu Digital und zurück. 1996, S. 20 f. 119. Der Essay wurde anlässlich der Ausstellung ›Forum Design‹ 1980 in Linz an der Donau in der Begleitpublikation erstmals abgedruckt. Ein Neuabdruck findet sich in: Burckhardt: Design ist unsichtbar. 1995, S. 15–24.

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HfG Ulm – Von der Kaf feetasse bis zur Wohnsiedlung Vielen gilt die Hochschule für Gestaltung (HfG) Ulm als wichtigste institutionelle Neugründung der Nachkriegszeit, die an die deutsche Designtradition der 1920er und -30er Jahre, namentlich an das Bauhaus anschloss.120 Noch während der Wirkungszeit der Hochschule, vor allem aber nach ihrer unfreiwilligen Auflösung im Jahre 1968, wurde sie zu einem internationalen Referenzmodell für Theorie, Praxis und Lehre des Design.121 Die Verbindung zum historischen Bauhaus war vor allem in den ersten Jahren eng. Anlässlich der offiziellen Eröffnung des Gebäudes auf dem Oberen Kuhberg 1955, hielt der ehemalige Spiritus Rector des Bauhauses Walter Gropius die Festrede. Im Vorfeld bot er sogar an, die Hochschule möge den ebenso prestigeträchtigen wie vorbelasteten Titel bauhaus ulm tragen.122 Dieses Angebot wurde jedoch nicht aufgegriffen. Erster Rektor der HfG war der ehemalige Bauhaus-Schüler Max Bill. Anknüpfend an die holistische Vision eines ›Einheitskunstwerk‹ formulierte Bill, Gestaltung habe »von der Kaffeetasse bis zur Wohnsiedlung« zu reichen.123 Ebenso wie Gropius betrachtete auch er »die Kunst als höchste Ausdrucksstufe des Lebens« und strebte danach »das Leben als Kunstwerk einzurichten«.124 Unausgesprochen schwingt in Bills Formel »von der Kaffeetasse bis zur Wohnsiedlung« aber auch die Absicht mit, Gestalter für eine neue Massenkultur auszubilden. Ein solcher Anspruch wurde bereits am Bauhaus in der vom Gropius angestrebten Kooperation von Kunst und Technik formuliert, unter den Eindrücken der Kriegs- und Nachkriegsjahre gewann er nun an neuer Bedeutung. Gleichwohl blieb das Verhältnis zur Massenkultur und zum Massenkonsum an der HfG Ulm ein ambivalentes Thema. Einige Vertreter der Hochschule wie Tomàs Maldonado lehnten es in ihren Stellungnahmen stets entschieden ab, Design zu einem rein »verkaufspolitischen Argument« zu degradieren. Stattdessen sollte ein »kritisches Bewusstsein« für die Welt der Güterindustrie sowie für die Kommu120. 1953 nahm die HfG Ulm in provisorischen Räumen ihren Lehrbetrieb auf. Die Gründung der Schule geht auf Inge Aicher-Scholl, Otl Aicher und Max Bill zurück. Vgl. zur Geschichte der HfG Ulm: Spitz, Rene: hfg ulm. der blick hinter den vordergrund. Die Politische Geschichte der Hochschule für Gestaltung 1953–1968. Stuttgart/London. 2002. Vgl. dazu ebenfalls die aufschlussreiche Online-Timeline des HfG-Archivs Ulm: www.hfg-archiv.ulm.de/die_hfg_ulm/ timeline.html [Sept. 2009]. 121. Der internationale Einfluss der HfG Ulm war auch deswegen groß, weil erstmals im internationalen Vergleich, ein Ausbildungsgang in ›Industrial-Design‹ angeboten wurde, der Studierende aus der ganzen Welt anzog. 122. Betts: Hochschule für Gestaltung, Ulm. 2006, S. 75. 123. Bill, Max: Ansprache beim Richtfest zum 1. Bauabschnitt der HfG, 05.07. 1954. Auf: www. hfg-archiv.ulm.de/die_hfg_ulm/geschichte_4.html [Sept. 2009]. Vgl. auch das Interview mit Max Bill in: Lindinger, Herbert (Hg.): Hochschule für Gestaltung Ulm: Die Moral der Gegenstände. Berlin. 1987. 124. Selle: Geschichte des Design in Deutschland. 1997, S. 292.

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nikationstheorie gefördert werden.125 Entsprechend sollte der Aufgabenbereich von Design all das umfassen, was »die Lebensform« des »technischen und industriellen Zeitalters« bestimmte und es wurde als Aufgabe definiert, »der menschlichen Umwelt Struktur und Gehalt zu verleihen«.126 Die Form der Geräte, mit denen wir umgehen, die Wohnung, die Anlage einer Siedlungseinheit, einer Stadt oder einer Region, das gedruckte und gesprochene Wort in Presse und Rundfunk, die Wirkung des Bildes in Publikationen, in der Werbung, in Ausstellungen und im Film bilden für die geistige Mentalität der Gesellschaft entscheidende Grundlagen.127

Bemerkenswert ist der politische Akzent, der das Sprechen über Gestaltung und Entwurf an der Ulmer Hochschule nachhaltig prägte.128 Offizielle Gründungsinstanz der Hochschule war bekanntlich die GeschwisterScholl-Stiftung, die von Inge Scholl, der späteren Frau von Otl Aicher, im Gedenken an ihre durch die Nationalsozialisten ermordeten Geschwister Sophie und Hans Scholl gegründet worden war. Die HfG Ulm wurde programmatisch als eine ›antifaschistische‹ und ›demokratische‹ Designausbildung postuliert, in der politische Erziehung ein Schwerpunkt sein sollte. Politisch war aber nicht nur das Programm der Hochschule, sondern auch die Rolle, die ihr im politischen Gefüge der Nachkriegszeit zugedacht war. Wichtige finanzielle Unterstützung für ihre Gründung bekam die Hochschule von US-amerikanischen Stiftungen. Paul Betts hält fest, dass die Ulmer Hochschule als unentbehrliches Vehikel gegolten habe, um eine »Verwestlichung« der Kultur in der Bundesrepublik sicherzustellen.129 Das pädagogische Konzept der Hochschule gründete auf einer ganzheitlich ausgerichteten Lehre, bei der nicht nur Design Gegenstand der Ausbildung war, sondern Fächer wie Psychologie, Philosophie, Soziologie, Ökonomie und Politik ein grundlegendes und fachübergreifendes Wissen vermitteln sollten. Doch entgegen der Absicht von Bill, der die Designausbildung wie am Bauhaus unter die Ägide der Kunst stellen wollte, entwickelte sich die HfG Ulm rasch zu einer Lehr- und Forschungsstätte, die ihren Schwerpunkt weniger in künstlerischen Belangen, sondern im Zusammenschluss von wissenschaftlichen, technischen und methodolo-

125. Maldonado, Tomàs: Vorwort. In: Zeitschrift ulm, Nr. 6. 1962, S. 3. 126. Maldonado, Tomàs: Eröffnungsrede des Rektors der HfG. 05.10.1964. Auf: www.hfg-archiv. ulm.de [Sept. 2009]. 127. Exposé der Geschwister Scholl-Stiftung, 1951. Vgl. die Zeitschiene in Rinker et al. 2003, S. 12. 128. Um die ideologische Distanz zu einem rein marktwirtschaftlichen einerseits und rein ästhetizistischen Designverständnis andererseits auch auf semantischer Ebene zu manifestieren, wurde der Ausdruck ›Design‹ an der HfG Ulm weitgehend vermieden, stattdessen wurde von ›Gestaltung‹ oder von ›Entwurf‹ gesprochen. 129. Betts: Die Bauhaus-Legende. 1996, S. 278.

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Abb. 7: Aus dem Unterricht von Horst Rittel: Arithmetisch gestufte Grauskala, zufällig und systematisch (1959/60)

gischen Aspekten des Entwerfens sah. [ Abb. 7 ] Sie löste sich damit nicht nur von der Bauhaus-Tradition, sondern auch von einem künstlerischen Leitbild für das Design. Namentlich wandten sich die Dozenten Tomàs Maldonado, Hans Gugelot und Otl Aicher gegen einen instrumentellen Kunstbezug und gegen die »Kunst im Entwurf«.130 Ihre Forderungen waren die Etablierung von grundlagenwissenschaft lichen Fächern sowie ein an Wissenschaft und Theorie orientiertes Ausbildungsmodell, um eine eigenständige Designausbildung zu sichern. Das Bestreben, die Ausbildung wissenschaftlich zu fundieren, folgte mehreren Motivationen: Zum einen hatte es zum Ziel, Entwurfsprozesse ›rational‹ erfassbar und diskursiv vermittelbar zu machen. Design sollte aus dem Zustand »einer blinden Ad-hoc-Praxis«131 befreit werden. Dieser offenkundige Methoden-Pragmatismus markierte, zumindest vordergründig, einen Bruch mit dem klassischen Bildungsdenken des Deutschen Idealismus sowie mit den damit korrespondierenden Ganzheitsidealen des Bauhauses.132 Design solle, so Aichers Postulat, nicht länger einem »unkritischen platonismus« frönen, sondern sich den konkreten Anforderungen des Alltagslebens stellen: 130. Rinker: Produktgestaltung ist keine Kunst. 2003, S. 42. 131. Schneider: Design forscht. 2004, S. 5. 132. Tenorth, Elmar: Bildung und Wissenschaft im ›Dritten Reich‹. In: Bracher, Karl Dietrich et al. (Hg.): Deutschland 1933 – 1945. Neue Studien zur nationalsozialistischen Herrschaft. Bonn. 1992, S. 240–255, hier S. 240.

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[I]st design eine angewandte kunst […] oder ist es eine disziplin, die ihre kriterien aus ihrer aufgabenstellung, aus dem gebrauch, aus der fertigung bezieht? ist die welt das einzelne und konkrete, oder ist sie das allgemeine und abstrakte? Diesen konflikt hat das bauhaus nicht ausgetragen, konnte es nicht austragen, solange der begriff kunst nicht enttabuisiert war, solange man einem unkritischen platonismus der reinen formen als weltprinzipien verhaftet blieb.133

Zum anderen muss das Bedürfnis nach wissenschaftlicher Methodik vor dem Hintergrund eines forcierten Wirtschaftswettbewerbs in der Nachkriegszeit gelesen werden. Maldonado war unter den Ersten die erkannten, dass die rasanten technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen in den 1950er und -60er Jahren neue Anforderungen an die Ausbildung von Gestaltern stellten. »Eine Lehre im Stil der Bauhaus-Pädagogik erschien […] obsolet, denn sie war unter künstlerischen, nicht wissenschaftlichen Prämissen formuliert worden«, konstatiert Dagmar Rinker rückblickend.134 Eine enge Kooperation zwischen Design, Wissenschaft, Industrie und Technik schien das Mittel der Wahl, um den veränderten gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden und führte schließlich zu dem bekannten ulmer modell. Laut Aicher handelt es sich dabei, um ein »auf technik und wissenschaft abgestütztes modell des designs«, in dem der Designer nicht mehr »übergeordneter künstler, sondern gleichwertiger partner im entscheidungsprozess der industriellen produktion« sei.135 Norbert Bolz ergänzt das ulmer modell um den interessanten Zusatz, Design werde in diesem Modell »kybernetisch verstanden als Gestaltungsprozess mit Feedback-Schleifen«.136 Auch in dieser Lesart spiegeln sich die intellektuellen Einflüsse wider, die das Design in den 1960er Jahren prägten. Wissenschaftliche Einflüsse an der HfG Ulm Die divergenten Positionen innerhalb der Hochschule führten zu Auseinandersetzungen mit Max Bill und schließlich 1957 zu dessen Rücktritt. Nach dem Weggang Bills fand eine stete Verwissenschaftlichung der Lehre statt, die ihren Höhepunkt in den Jahren 1959 bis 1961 fand. Unter Dozenten wie dem Mathematiker Horst Rittel, dem Soziologen Hanno Kesting sowie dem Industriedesigner Bruce Archer überwogen eine strenge, an mathematischen Operationen orientierte Methodik sowie analytische Studien, etwa zu Ergonomie und Unternehmensanalyse. Diese Entwicklungen 133. Aicher: Die Welt als Entwurf. Berlin. 1991, S. 91. 134. Rinker: Produktgestaltung ist keine Kunst. 2003, S. 42. 135. Aicher, Otl: Die Hochschule für Gestaltung. Neun Stufen ihrer Entwicklung. In: archithese. Nr. 15. 1975, S. 12–18, hier S. 16. 136. Bolz, Norbert: Bang Design. Design Manifest des 21. Jahrhunderts. Hamburg. 2006, S. 31 f.

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im Unterricht führten zu »starren Arbeitshypothesen und pragmatischer Detailarbeit«.137 Tomàs Maldonado berichtet aber auch von einer »fieberhaften«, schier unersättlichen Neugier, die zu dieser Zeit herrschte und die sich auf einige der neu aufkommenden Wissenschaftsdisziplinen richtete: […] die Kybernetik, die Informationstheorie, die Systemtheorie, die Semiotik, die Ergonomie […] Disziplinen wie die philosophische Wissenschaftstheorie und die mathematische Logik. Die Triebfelder unserer Neugier, unserer Studien und unserer theoretischen Mühen war unser Wille, der Arbeit des Entwerfens eine solide methodische Grundlehre zu verschaffen.138

Hochschulintern hatte die analytisch-positivistische Wende in der Designausbildung schon bald erneute, massive Auseinandersetzungen zur Folge. Diesmal widersetzten sich Otl Aicher, Hans Gugelot, Walter Zeischegg und Tomàs Maldonado der Entwick lung und betonten, dass Gestaltung mehr sein müsse als eine analytische Methode.139 Die enge Kooperation mit der Wirtschaft führte zur Einführung von so genannten »Entwicklungsgruppen«, die – vergleichbar mit autonomen Designagenturen innerhalb der Hochschule – Projekte für industrielle Auftraggeber entwickelten, etwa Audiogeräte für die Firma Braun oder das Erscheinungsbild der Deutschen Lufthansa.140 Gleichzeitig wurde das Verwertungsinteresse der Industrie am Design immer deutlicher. Von außen wurde die HfG Ulm einer Kommerzialisierung des ulmer stils bezichtigt, die Rolle des Design als ›Handlanger‹ der Industrie wurde generell zum Thema der Kritik. Ebenfalls wurde das Unvermögen kritisiert, auf die aufkommende Funktionalismus-Kritik der 1960er Jahre adäquat zu reagieren.141 Insgesamt wurde die Glaubwürdigkeit der Hochschule als forschende Einrichtung in Frage gestellt. 1968 wurde der Hochschulbetrieb schließlich unter Protest der Dozierenden eingestellt. Grund für die Schließung waren bildungspolitischer Eingriffe des Landtags, welche auch eine Angliederung an die Ulmer Ingenieurschule sowie die Streichung von Etat-Mit137. Vgl. dazu auch die übersichtliche Zeitleiste in: Rinker et al.: ulmer modelle – modelle nach ulm. 2003, S. 14. 138. Krampen, Martin; Hörmann Günther: Die Hochschule für Gestaltung Ulm. 2003, S. 84. 139. Vgl. dazu grundlegend: Maldonado, Tomás; Bonsiepe, Gui: Wissenschaft und Gestaltung. In: Zeitschrift ulm, Nr. 10/11. 1964. 140. Bürdek: Design. Geschichte, Theorie und Praxis der Produktgestaltung. 2005, S. 46 f. 141. Adorno kritisierte den puristischen Leitgedanken des Funktionalismus als ideologisch überhöht. Vgl. Adorno, Theodor W: Funktionalismus heute. [1965]. In: Fischer/Hamilton: Theorien der Gestaltung. 1999, S. 198–21, hier S. 198 ff. Vgl. zur Funktionalismuskritik im selben Band: Moles, Abraham A.: Die Krise des Funktionalismus. [1968], S. 211–213; Nehls, Werner: Die Heiligen Kühe des Funktionalismus müssen geopfert werden. [1968], S. 213–216; Seeger, Hartmut: Funktionalismus im Rückspiegel des Design. [1968], S. 216–218; Müller-Krauspe, Gerda: Opas Funktionalismus ist tot. [1969], S. 218–225 sowie Hirdina, Karin: Der Funktionalismus und seine Kritiker. [1975], S. 225–229.

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teln beinhalteten.142 Nachfolge-Institution wurde das Institut für Umweltplanung an der Universität Stuttgart, das jedoch die Designausbildung der HfG Ulm nicht weiterführte.143 Dessen ungeachtet gilt die HfG Ulm bis heute als Meilenstein unter den internationalen Designschulen. Bonsiepe charakterisierte die Hochschule als »paradigmatische Designausbildungsstätte«, dank derer etliche Neuerungen der Didaktik sowie des methodischanalytischen Entwurfs zum Allgemeingut in heutigen Designausbildungen avancierten.144 An anderer Stelle resümierte er: »Heroisch war nicht das Ende der HfG, sondern die Hoffnung am Anfang. Die HfG ist nicht zu messen an dem, was sie erreichte, sondern an dem, was zu erreichen ihr verwehrt blieb«.145 Eine ehemalige HfG Studentin, Margrit Weinberg Staber, hält mit Blick auf das internationale Renommee der Schule fest: Hoffnung auf Demokratie stand am Anfang der Ulmer Schule […]. Max Bill hat Raum dafür geschaffen, und vermutlich sicherte der abrupte Untergang des pädagogischen Experimentes, ähnlich wie beim Bauhaus, die weltweite Ideenstreuung. Wie von heimlichen Buschtrommeln angelockt, strömten junge Frauen und Männer aus Europa, Nord- und Südamerika, Großbritannien und Japan in die schwäbische Provinz an den Born eines vermuteten und erlernbaren Wissens. Alle haben das Programm in ihre eigene Umwelt mitgenommen.146

Gleichwohl hallen die ideologischen Auseinandersetzungen, welche die HfG Ulm Zeit ihres Bestehens prägten, in die Gegenwart nach und erschweren gelegentlich eine distanzierte wissenschaftliche Aufarbeitung der philosophischen, pädagogischen oder pragmatischen Leitmotive der Hochschule. Erschwert werden damit auch ideologiekritische Wissensbestimmungen in der aktuellen Designtheorie und -forschung.

Lucius Burckhardt – Design ist unsichtbar Einen Bruch mit den pragmatischen Designidealen der HfG Ulm vollzog der Schweizer Soziologe, Architektur- und Designtheoretiker Lucius Burckhardt, der 1959 als Gastdozent an der Hochschule lehrte. Mitte der 1990er Jahre resümierte Burckhardt in einem Interview, Design habe nun 142. Selle: Geschichte des Design in Deutschland. 1997, S. 294. 143. Bürdek: Design. Geschichte, Theorie und Praxis der Produktgestaltung. 2005, S. 47. 144. Bonsiepe, Gui: Zur Aktualität der HfG Ulm. In: Rinker et al.: ulmer modelle – modelle nach ulm. 2003, S. 124–132, hier S. 124. 145. Bonsiepe, Gui: Zeitschrift ulm, Nr. 1968, o. S. 146. Weinberg Staber, Margrit: Architektur als Programm. In: Quijano, Marcela (Hg.): hfg ulm. programm wird bau. Die Gebäude der Hochschule für Gestaltung Ulm. Stuttgart. 1998, S. 13–16, hier S. 16.

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eine andere Rolle als man sie noch zu Zeiten der HfG gesehen habe. Dort habe man »die Zukunft herstellen« wollen, nun aber sei Design eine Art zu dialogisieren, sich selbst und seine Umwelt darzustellen, um mit anderen in Konkurrenz oder in Kommunikation treten zu können.147 An anderer Stelle schrieb er, Design sei Entwurf und nicht Gestalt und er meinte damit, dass nicht Einzelobjekte, sondern potentielle Einsatzfähigkeiten, Umnutzungen, Verwendungen, aber auch Nichtverwendbarkeit gestaltet würden.148 Um diesen Gedanken zu veranschaulichen, führte er als Beispiel das Design eines Fahrkarten-Automaten an: Haben diese Kästen die Umwelt der alten Frau, die mit zwei Handtaschen, klammen Fingern und einer in der Kälte angelaufenen Brille davorsteht, verbessert? Würde sie nicht gerne auf alles Design verzichten, wenn der Kauf des Fahrscheins weiterhin im Wageninnern erledigt werden könnte?149

Design wird von Burckhardt als ein wechselwirksamer Prozess der Umwelt- und Lebensgestaltung verstanden, der erst in seiner Anwendung sichtbar wird und in gesellschaftlichen Zusammenhängen Wirkung zeigt. Das Nachdenken über Design müsse sich, so seine Forderung, mit der »Phase des Entwurfs bis zur Produktion« und der »Phase der Konsumtion bis hin zum Ende im Mülleimer« beschäftigen.150 In seinem Essay Design ist unsichtbar von 1980151 vertritt er eine ›erweiterte Designauffassung‹, welche die Erweiterung von Design nicht in einer überindividuellen Ganzheitlichkeit sah (wie dies etwa Gropius tat), sondern die gesellschaftliche und ökologische Effekte zu berücksichtigen suchte. Themen die für ihn Relevanz hatten, waren etwa die Stadt- und Landschaftsplanung oder die Ökologie. Dennoch aber ist bei Burckhardt auch ein übergeordneter ganzheitlicher Ansatz erkennbar, der sich nunmehr in der Form eines systemischen Designdenkens zeigt. Als »unsichtbares Design« bezeichnet er ein Design, das »unsichtbare Gesamtsysteme, bestehend aus Objekten und zwischenmenschlichen Beziehungen, bewußt zu berücksichtigen imstande ist«.152 Um diesen Gedanken zu veranschaulichen, möchte ich eine Passage von Burckhardt ausführlicher zu Wort kommen lassen:

147. Aus einem Interview mit Andreas Brandolini, Kassel 1994. In: Burckhardt Design ist unsichtbar. 1995, S. 107. 148. Burckhardt: Design ist unsichtbar. 1995, S. 9. 149. Burckhardt: Design ist unsichtbar. 1995, S. 9. 150. Burckhardt: Design ist unsichtbar. 1995, S. 19. 151. Wie oben erwähnt, wurde der Essay 1980 anlässlich der Ausstellung ›Forum Design‹ Linz erstmals publiziert. Danach wurde er abgedruckt in: Burckhardt: Design ist unsichtbar. 1995, S. 15–24. 152. Burckhardt: Design ist unsichtbar. 1995, S. 24.

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Natürlich kann man sie sehen, die Gegenstände des Designs; es sind Gestaltungen und Geräte bis hinauf zum Gebäude und hinab zum Dosenöffner. [Man kann] die Welt als eine Welt von Gegenständen auffassen und sie einteilen in – zum Beispiel – Häuser, Straßen, Verkehrsampeln, Kioske; in Kaffeemaschinen, Spültröge, Geschirr, Tischwäsche. Diese Einteilung hat Konsequenzen: sie führt eben zu der Auffassung von Design, welche ein bestimmtes Gerät abgrenzt, seine Außenbedingungen anerkennt und sich das Ziel setzt, eine bessere Kaffeemaschine zu bauen oder eine schönere, also das zu tun, was in den fünfziger Jahren mit der Auszeichnung die Gute Form bedacht worden ist. Wir können uns aber die Welt auch anders einteilen, […] denn der Kiosk lebt davon, daß mein Bus noch nicht kommt und ich eine Zeitung kaufe, und der Bus hält hier, weil mehrere Wege zusammenlaufen und die Umsteiger gleich Anschluß haben. Straßenecke ist nur die sichtbare Umschreibung des Phänomens, darüber hinaus enthält es Teile organisatorischer Systeme: Buslinien, Fahrpläne, Zeitschriftenverkauf, Ampelphasen usw. Auch diese Einteilung der Umwelt gibt einen designerischen Impuls. Aber dieser bezieht die unsichtbaren Teile des Systems ein.153

Burckhardt versuchte, vermittels der Betrachtung unterschiedlicher gesellschaftlicher »Komplexe«,154 die Konstruiertheit von »organisatorischen Systemen« in Gesellschaften zu veranschaulichen und ihre oftmals unsichtbaren Verflechtungen aufzuzeigen. Bei der Idee des ›Komplexes‹ bezog er sich übrigens auf Christopher Alexanders A Pattern Language und identifizierte wie dieser verschiedene funktionsabhängige urbane Muster. Neben dem Komplex ›Straßenecke‹ beschrieb Burckhardt zum Beispiel auch den Komplex ›Spital‹, bestehend aus Krankenhaus, Arzt, Krankenschwester und Kranke. Ebenfalls nannte er den Komplex ›Nacht‹. Er vertrat hier die Ansicht, dass die Nacht kein natürliches Phänomen, sondern ein von Menschen gemachtes Gebilde sei, bestehend aus Öffnungszeiten, Schließzeiten, Tarifen, Fahrplänen und Straßenlampen.155 Das Motiv eines »unsichtbaren Design«, das Burckhardt sich wiederholt anführt, stammt wie bereits erwähnt von Moholy-Nagy. Ein Designer müsse sich darüber im Klaren sein, so Moholy-Nagys These, dass Design unsichtbar sei und dass die »internen« und »externen« Charakteristika eines Gegenstands nicht voneinander zu trennen seien.156 Bereits MoholyNagy zielte mit der Idee eines »unsichtbaren Design« weniger auf die traditionelle Unterscheidung zwischen ›Form‹ und ›Inhalt‹, sondern deklarierte damit den Wirkungsbereich von Design in einem systemischen Sinn als ein gesellschaftlich-ökologisches System. Erst im konkreten Wechselspiel 153. 154. 155. 156.

Burckhardt: Design ist unsichtbar. 1995, S. 15. Vgl. ders.: A Pattern Language. 1977. Burckhardt: Design ist unsichtbar. 1995, S. 17. Moholy-Nagy: Vision in motion. 1946, S. 42.

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zwischen Menschen, Dingen und Umwelt erschließt sich demnach die Wirkung von geplanten und gestalteten Artefakten. Auch in Lucius Burckhardts Aussage, Design sei ein »Denken in Verbindungen« findet sich eine deutliche Reminiszenz an Moholy-Nagy, der seinerseits schrieb, dass die Designtätigkeit »thinking in relationships« sei.157 Beide Designtheoretiker postulieren also ungeachtet ihrer im Detail gewiss unterschiedlichen Positionen einen erweiterten Designbegriff, der die Gestaltung von komplexen Systemen zum Thema hatte. Um zu einem vertieften Verständnis von Burckhardts Designauffassung zu gelangen, gilt es, dieses im Kontext von umfassenderen Debatten zur Nützlichkeit oder Schädlichkeit von Design historisch zu situieren. Folgt man Herbert Lindinger, so markiert das Ende der 1970er Jahre »eine Wende in der Diskussion um die grundlegenden Axiome der Philosophie der Gestaltung in Architektur und Design«. Die im Namen des Funktionalismus errichteten Städte der Nachkriegszeit hätten ›Einfachheit‹ und ›Einheitlichkeit‹ nicht im »ästhetisch moralischen Sinne, sondern im ökonomisch kommerziellen Sinn« verstanden. Andererseits habe die Massengesellschaft Größenmaßstäbe angenommen, bei denen die ursprünglich einmal im Sinne demokratischer Gleichheit geforderte Einheitlichkeit solcher Bebauungen »eine Trostlosigkeit und Monotonie zeitigt, die ins Brutale umgeschlagen« sei.158 Gesellschaftliche Ereignisse wie die erste Ölkrise von 1973 erschütterten jenen Fortschrittsglauben, der noch in den 1950er und -60er Jahren wegweisend war. Im Anschluss an diese Verunsicherung und die daraus resultierende Kritik kann in den 1980er Jahren zweifellos ein wachsendes Bewusstsein für die weitreichenden negativen Folgen der industriellen Massenproduktion und der urbanen Planung auf Gesellschaft und Umwelt konstatiert werden. Dieses Bewusstsein hat nicht nur zu experimentelleren Formen eines ästhetischen Anti-Design geführt, wie es zum Beispiel die Designgruppe Memphis praktizierte, sondern es hat auch in der Designtheorie Spuren hinterlassen. Neben Burckhardt forderte eine Vielzahl von Autoren in den 1980er Jahren einen kritischen Zugang zum Design, der sich von der formalistischen Gestaltung von Einzelobjekten lösen und stattdessen die systemrelevanten, also die ökologischen und soziologischen Implikationen von Designpraktiken und -objekten berücksichtigen solle. Am unverblümtesten beschrieb wohl Victor Papanek 1985 in Design for the Real World das immense Problempotential von Design: 157. Moholy-Nagy: Vision in motion. 1946, S. 42. 158. Lindinger Herbert: Anfang und Krise des Wohlstandsdesign. In: Lindinger, Herbert; Huchthausen, Claus-Henning: Geschichte des Industrial Design. Darmstadt. 1978, S. 31. Zit. nach: http://www.designwissen.net/seiten/herbert-lindinger-1 [Okt. 2010].

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There are professions more harmful than industrial design, but only a very few of them. And possibly only one profession is phonier. Advertising design, in persuading people to buy things they don't need, with money they don't have, in order to impress others who don't care, is probably the most phoniest field in existence today. Industrial design, by concocting the taw-dry idiocies hawked by advertisers, comes a close second.159

Vielen solchen designkritischen Ansätzen aus jener Zeit ist neben ihrer Kritik aber auch gemein, dass sie eine paradoxe Dichotomie überhaupt erst konstruierten, in der Design zugleich als schädliches Tun verflucht, wie auch als humanistische Praxis gefeiert wird. Kaum einmal werden indes jene kapitalistischen Rahmenbedingungen bedingungslos zur Disposition gestellt, denen diese Dichotomie letzten Endes zu einem großen Teil geschuldet ist. Eine Ausnahme bildet hier Wolfgang Fritz Haugs marxistisch inspirierte Kritik der Warenästhetik von 1971.160 In der Regel aber werden die kapitalistischen Rahmenbedingungen, in denen das Design seit seinen Anfängen Mitte des 19. Jahrhunderts als eine industrialisierte, auf den Massenkonsum ausgerichtete Tätigkeit zu verorten ist, ausgeblendet. Es wird so der Eindruck erzeugt, Design sei im Grunde eine kontextfreie, sprich nichtkommerzielle Tätigkeit.161 Gert Selle weist jedoch in gerechtfertigter Weise darauf hin, dass die Aufmerksamkeit von designhistorischen Betrachtungen sich in einer umfassenden Weise auf »Ursprung, Zusammenhang und Konsequenz epochaler Gestaltungstendenzen im gesellschaftlichen Feld von ökonomischer Produktion und kultureller Reproduktion« richten müsse.162 Adornos Mahnung, dass es kein richtiges Leben im falschen gebe,163 besitzt für die ambivalente Identitätsbildung des Design und für seine Geschichtsschreibung vermutlich eine besondere Geltung. Selbst die avanciertesten Bemühungen dem ›falschen Leben‹, das heißt den marktwirtschaftlichen Repressalien zu entkommen, in denen Designpraktiken und ihre Akteure in meist verstrickt sind, sind diesem noch verhaftet, da sie sich notwendigerweise innerhalb derselben Rahmenbedingungen reproduzieren. Volker Fischer und Anne Hamilton problematisieren denn auch, dass viele der designkritischen Ansätze mehr dem »prinzipiell emanzipativen Impetus der ›68er-Bewegung«, als den »innerdisziplinären Einsichten« des Design geschuldet gewesen seien.164 159. 160. 161. 162. 163.

Papanek, Victor: Design for the Real World. Human Ecology and Social Change. Chicago. 2000, S. ix. Haug, Wolfgang Fritz: Kritik der Warenästhetik, Frankfurt a. Main. 1971. Dilnot, Clive: The State of Design History. Part II. 1989, S. 228. Selle: Geschichte des Design in Deutschland. 1997, S. 9. Adorno, Theodor W.: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. [1950]. Gesammelte Schriften. Bd. 4. Frankfurt a. Main. 2003, S. 19. 164. Fischer, Volker; Hamilton, Anne: Vorwort. Design-Debatten im 20. Jahrhundert. In: Dies.: Theorien der Gestaltung. 1999, S. 7–8, hier S. 7.

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Ob dieser Vorwurf auch für die nachhaltig wirkenden Arbeiten von Lucius Burckhardt zutreffend ist, darf bezweifelt werden. Dennoch hat das Narrativ eines emanzipatorischen, gesellschaftsverändernden Potentials von Design solche Kritiken bislang persistent überdauert. Design habe demokratische »Deutungsmacht«, es schaffe »visuelle Übereinkunft im Handlungsprozess zwischen individuellen und kollektiven« Akteuren, so lautet ein viel beschworenes und zugleich idealisiertes Bild von Design,165 das auch in der heutigen Designforschung vorzugsweise aufgegriffen wird.

Gui Bonsiepe – Design als Interface Der Designer und Designtheoretiker Gui Bonsiepe, von dem im Folgenden die Rede sein wird, postulierte spätestens seit Beginn der 1990er Jahre, Design als ›Interface‹, als Schnittstelle, zu verstehen. Damit wollte er zugleich zeitgemäße Impulse für eine umfassende Neuinterpretation von Design geben und die ›kritische‹ Denktradition der HfG Ulm fortschreiben. In seinen designtheoretischen Schriften wendet er sich dezidiert von historischen, sprich: ›künstlerischen‹ Gestaltungsidealen ab. Insbesondere distanzierte er sich vom Formbegriff. Für seine eigene Designkonzeption des so genannten ›Interface-Design‹ stützt er sich stattdessen auf kybernetisch-systemtheoretische Ansätze. Dieser Bezug ermöglich zwar eine aktualisierte Lesart von Design, zugleich werden damit jedoch auch, wie ich nachfolgend diskutieren werde, gewisse ganzheitliche und idealistische Gestaltungsvisionen der Designgeschichte perpetuiert. Bonsiepe studierte nach einer Ausbildung in Grafik und Architektur von 1955–1959 an der HfG Ulm in der Abteilung Informatik. Unter anderen war Tomás Maldonado dort sein Lehrer. Von 1960–1968 war er an der Ulmer Hochschule selbst in der Lehre und Forschung tätig. Im Anschluss folgten dann diverse Design- und Beratertätigkeiten im Bereich der Entwicklungs- und Industrialisierungspolitik in Lateinamerika (Chile, Argentinien, Brasilien) sowie in Kalifornien. Von 1993–2003 war Bonsiepe schließlich als Professor für Interaktive Medien an der FH Köln tätig.166 Nennenswert mit Blick auf die beruflichen Aktivitäten in Lateinamerika ist insbesondere seine Mitarbeit am chilenischen Cybersyn-Projekt Anfang der 1970er Jahre.167 Während der Regierungszeit des sozialistischen 165. Schneider: Design. Eine Einführung. 2005, S. 197. 166. http://guibonsiepe.com.ar/guiblog/cv/ [Okt. 2010]. 167. Bonsiepe, Gui: Design im Übergang zum Sozialismus. Ein technisch-politischer Erfahrungsbericht aus dem Chile der Unidad Popular (1971–73). In: Bürdek, Bernhard E. et al. (Hg.) Designtheorie. Beiträge zur Entwicklung von Theorie und Praxis des Industrial Design. (Bd 1). Hamburg. 1974. Vgl. insbesondere: Vehlken, Sebastian: Environment for Decision. Die Medialität einer kybernetischen Staatsregierung. Eine medienwissenschaftliche Untersuchung

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Präsidenten Salvador Allende (1970–1973) wurde dort versucht, eine durch Computer kontrollierte Zentralverwaltungswirtschaft zu implementieren. Die intendierte Zielsetzung von Cybersyn war es, ein elektronisches Netzwerk innerhalb von Chile zu implementieren, mit dessen Hilfe ökonomische Daten in Echtzeit verarbeitet werden konnten. Dazu standen 500 Fernschreiber und ein Computer zur Verfügung. In einem futuristisch anmutenden Kontrollraum in der chilenischen Hauptstadt Santiago sollten die Daten zusammenfließen und mit Hilfe der Software Cyberstride ausgewertet werden.168 Die Konzeption des Systems lieferte der britische Kybernetiker Stafford Beer. Bonsiepe leitete im Cybersyn-Projekt ein Gestaltungsteam, das den zentralen Kontrollraum entwerfen sollte. (Der Raum wurde allerdings nur in Form eines Mock-ups realisiert). Obwohl auf dieses Projekt hier nicht weiter eingegangen werden soll, so ist doch Bonsiepes Interesse an systemisch-kybernetischen Ansätzen für sein gesamtes Designverständnis bezeichnend. Hinzu kommt, dass seine Ausbildung und sein Wirken an der HfG Ulm in der Nachkriegszeit ihn auf eine spezifische Weise für sowohl gesellschaftliche und politische Fragestellungen als auch für das Zusammenwirken von Wissenschaft und Gestaltung sensibilisierten.169 Zum einen verfolgte die HfG Ulm, wie bereits erwähnt, eine Designausbildung, in der politische Erziehung ein Schwerpunkt darstellte, zum anderen nahmen die zu jener Zeit aufkommenden methodisch-wissenschaftlichen Fächer wie die Semiotik, die Kybernetik, die Informations- und Systemtheorie zunehmend Raum in der Designausbildung ein. Eine entsprechende Prägung findet sich denn auch in Bonsiepes designtheoretischem Werk wieder. Darin verwehrt er sich mit Nachdruck gegen ein populäres Designverständnis, das Design mit ›überflüssigem Luxus‹ oder ›oberflächlicher Kosmetik‹ gleichsetzt. Die primäre Aufgabe des Design stellt für ihn vielmehr die Gestaltung von Schnittstellen und Übergängen dar. Um von der populären Vorstellung wegzukommen, dass Designer bloß Hüllen und Oberflächen gestalteten, versucht er in seinem Aufsatz Design: Von Material zu Digital und zurück170 die Designtätigkeit zunächst aus ihrem traditionellen theoretischen Bezugsrahmen von ›Form‹, ›Stil‹, ›Funktion‹ und ›Produkt‹ herauszulösen und sie stattdessen »an der Dodes Projekts Cybersyn in Chile 1971–73. Magisterarbeit. Ruhr-Universität Bochum. Bochum. 2004, zur gestalterischen Arbeit von Gui Bonsiepe vgl. insbesondere S. 91–96. 168. Dax, Patrick: Salvador Allendes »sozialistisches Internet«. Text auf: http://futurezone.orf. at/stories/253527/ [Okt. 2010]. 169. Maldonado, Tomás; Bonsiepe, Gui: Wissenschaft und Gestaltung. In: Zeitschrift ulm, Nr. 10/11. 1964. 170. Die folgenden Ausführungen beziehen sich im Wesentlichen auf seinen Aufsatz: Design: Von Material zu Digital und zurück, von 1993, den er 1992 in Azcapotzalco (Mexiko) erstmals vorgetragen hatte. Im Folgenden zit. nach: Bonsiepe, Gui: Design: Von Material zu Digital und zurück. In: Ders.: Interface. Design neu begreifen. Mannheim. 1996 [1993], S. 17–27.

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Abb. 8: Ontologisches Designdiagramm nach Gui Bonsiepe

mäne des effektiven Handelns festzumachen«.171 Produkte würden erfunden, entworfen, hergestellt, verteilt, gekauft und benutzt, um »effektives Handeln« zu ermöglichen, so Gui Bonsiepe. Ausgehend von dieser Annahme bezeichnet er mit ›Interface‹ eine intermediäre Dimension, in der die Interaktion zwischen »dem Körper des Nutzers«, »dem Werkzeug« und »dem Handlungsziel« organisiert werde.172 Dieses triadische Konzept, das Bonsiepe als »ontologisches Designdiagramm«173 bezeichnet [ Abb. 8 ], hat zum Ziel, den Designbegriff derart zu erweitern, dass auch die Ebene des Handelns sowie die multiplen Nutzungsperspektiven verstärkter noch als bisher mitbedacht werden. Die Dimension des ›Interface‹ stellt für Bonsiepe die zentrale Kategorie des Design dar. Erst durch das Interface wird seines Erachtens der Handlungsraum des Nutzers von Produkten gegliedert, der Werkzeugcharakter von Objekten und der Informationsgehalt von Daten erschlossen. »Interface macht Gegenstände zu Produkten. Interface macht aus Daten verständliche Informationen. Interface macht aus bloßer Vorhandenheit – in heideggerscher Terminologie – Zuhandenheit«, hält Bonsiepe fest.174 Mit einer solchen Sicht auf Design wird freilich auch dessen Aufgaben- und Wirkungsbereich erheblich erweitert. Er umfasst nun sämtliche potentiellen Interaktionen zwischen Benutzer, Artefakt und intendierter Handlung. Ebenso wird das gängige Berufsbild des Designers damit einer Erweiterung unterzogen:

171. 172. 173. 174.

Bonsiepe: Design: Von Material zu Digital und zurück. 1996, S. 26. Bonsiepe: Design: Von Material zu Digital und zurück. 1996, S. 20. Bonsiepe: Design: Von Material zu Digital und zurück. 1996, S. 19. Bonsiepe: Design: Von Material zu Digital und zurück. 1996, S. 20.

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Jeder kann in seinem Fachgebiet Designer werden. […] Ein Unternehmer oder Manager, der eine Firma auf neue Weise organisiert, betreibt Design – wohl ohne es zu wissen. Ein Systemingenieur, der ein Verfahren konzipiert, um Fehlleitung von Gepäck im Flugreiseverkehr zu verringern, betreibt Design. Ein Genetiker, der eine neue, gegen externe Einflüsse resistente Getreidevariation entwickelt, betreibt Design. Inhalte des Design beschränken sich nicht auf materielle Produkte, sondern umfassen auch Dienstleistungen. Design ist eine Grundtätigkeit mit kapillaren Verästelungen in alle menschlichen Tätigkeiten, so daß kein Beruf ein Monopol auf Design beanspruchen kann.175

Die Konzeption eines solch erweiterten Designverständnis ist indes nicht neu. Zweifellos haben basale Ideen des ›Künstliche-Intelligenz‹-Forschers und Wirtschaftswissenschaftlers Herbert Simon in Bonsiepes Werk Eingang gefunden – auf die er sich jedoch nur knapp in einer Fußnote bezieht.176 Simon, auf dessen Designbegriff weiter unten noch ausführlich eingegangen wird, beschrieb bereits Ende der 1960er Jahre in seinem einflussreichen Werk The Sciences of the Artificial, die Idee, Artefakte als »interface« und als »meeting point« zwischen einer inneren und äußeren Umgebung zu betrachten.177 Darüber hinaus definierte schon er Design als »planvolles Handeln« und sprach ihm dergestalt eine Schlüsselrolle in vielen professionellen Tätigkeiten zu: in der Medizin, in der Politik oder in der Unternehmensplanung.178 Sein berühmtes Diktum, »[e]veryone designs who devises courses of action aimed at changing existing situations into preferred ones«,179 zielt, ebenso wie später Bonsiepes ›Interface‹-Konzept, in die Richtung, Design in einem erweiterten und generalistischen Sinne zu deuten: als planvolles und vermittelndes Handeln. So sollte nicht zuletzt auch der enge konzeptuelle Rahmen gesprengt werden, in dem Design traditionellerweise als kunsthandwerkliche bzw. kunstgewerbliche Praxis definiert und mithin marginalisiert wurde. Doch gibt es auch instruktive Unterschiede zwischen den beiden Ansätzen. Während Simon den Begriff ›designer‹ gemäß seiner englischen Bedeutung synonym zum deutschen Wort ›Ingenieur‹ verwendete, distanzierte Bonsiepe sich von einer solchen Gleichsetzung und sprach stattdessen von einem kategorialen Unterschied zwischen den beiden »Entwurfsdisziplinen« Design und Ingenieurwesen: 175. Bonsiepe: Design: Von Material zu Digital und zurück. 1996, S. 25 f. 176. Dort steht: »Eines der Grundlagenwerke für die Entwurfstheorie, die in eine allgemeine Theorie der Artefakte eingebaut wurde, setzte bereits Ende der 60er Jahre einen Maßstab für designtheoretische Erörterungen – aus naturwissenschaftlicher und somit präziser Sicht.« Vgl. Bonsiepe, Gui: Coda: Wozu Designtheorie? In: Design neu begreifen. 1996, S. 230–237, hier 231. 177. Simon, Herbert A.: The Sciences of the Artificial. Cambridge, Mass. 1996 [1969], S. 6. 178. Simon: The Sciences of the Artificial. 1996. 179. Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 111.

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Ein Designer sieht die Phänomene des Gebrauchs. Im Zentrum seines Interesses befindet sich die soziokulturelle Effizienz. Die Kategorien der Ingenieurwissenschaften dagegen fassen nicht die Phänomene der Gebrauchsfunktionalität. Sie rekurrieren auf den Begriff der physikalischen Effizienz, zu der die Mittel der exakten Wissenschaften Zugang eröffnen. Design dagegen schlägt die Brücke zwischen der fremden Welt der Technik und der Alltagspraxis.180

Dieser Unterscheidung liegen jedoch selbst schon bestimmte Vorstellungen von Design und Wissenschaft zugrunde. In Bonsiepes Lesart ist das Design für die »soziokulturelle Effizienz« zuständig, während dem die Ingenieurwissenschaften angeblich die »exakten Wissenschaften« repräsentieren. In einer vergleichbaren Weise berief sich auch Simon auf den Unterschied zwischen den Ingenieur- und den Naturwissenschaften, er setzte allerdings einen etwas anderen Akzent als Bonsiepe. Für Simon agieren die Ingenieure (nicht die Designer) im Bereich der Handlung und Durchführung, während Naturwissenschaftler sich ›nur‹ der Analyse bedienten. Diese aus zwei unterschiedlichen Perspektiven geäußerten, dennoch miteinander verwandten Abgrenzungen von ›Design‹ einerseits und ›Ingenieurwesen‹ andererseits, legen nahe, dass der (soziale) Akt der Demarkation der Disziplinen untereinander bedeutsamer zu sein scheint, als die Differenz, auf die er sich letztlich bezieht. Die Abgrenzungsbemühungen belegen zudem, wie abhängig Designauffassungen von ihren jeweiligen Kontexten sind, das heißt von historischen und soziokulturellen Rahmungen. Bonsiepe argumentiert trotz seiner ansonsten sehr zeitgemäßen Bezüge zur Informatik und Systemtheorie aus einer mitteleuropäischen, ›werkkünstlerischen‹ Designtradition heraus, während Simon eine anglophonen, ingenieurspezifische Sichtweise vertritt. Beide Positionen verbindet jedoch auch, dass sie ein ganzheitliches Designideal propagieren, das nicht weniger als die gestalterische Deutungshoheit und Wirkungsmacht über sämtliche Bereiche menschlichen Handelns anzustreben scheint. Neben dem konkreten Verweis auf Herbert Simon sind in Bonsiepes Interface-Konzept des Weiteren auch prägnante Bezüge zu informationstheoretischen Diskursen erkennbar. Die konzeptionell-begriffliche Dimension des ›Digitalen‹ nimmt dabei eine paradigmatische Funktion ein, wobei den Aspekten ›Vermittlung‹ und ›Interaktion‹ zwischen (vermeintlich) materialen und digitalen Gestaltungsräumen, -techniken und -objekten eine zentrale Rolle zukommt. Bonsiepe, der selbst in der Software-Entwicklung tätig war, erläutert, dass gerade am Beispiels des digitalen Bereichs, aus dem der Begriff ›Interface‹ stamme, die unverzichtbare Funktion des Interface und dessen Gestaltung besonders deutlich werde: 180. Bonsiepe: Design: Von Material zu Digital und zurück. 1996, S. 27.

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»Die in Form von 0 und 1 Sequenzen codierten, auf einem Datenträger (Festplatte, CD-ROM), digital gespeicherten Daten müssen in den visuellen Raum übersetzt und von da an den Benutzern vermittelt werden.«181 ›Codieren‹, ›übersetzen‹ und ›vermitteln‹ sind folglich die zentralen Prozesse, die das Interface-Konzept und damit projektierte Gestaltungsanweisungen prägen. Diesbezüglich ist es interessant zu erwähnen, dass der Begriff ›Interface‹ zunächst in der Naturwissenschaft Bedeutung erlangte. Er bezeichnet dort die physikalische Phasengrenze zweier Zustände eines Mediums und beschreibt – in einem kybernetischen Sinne – bildhaft die Eigenschaft eines Systems als Black Box, von der nur die Oberfläche sichtbar ist. Kommunikation ist mithin nur über diese Oberfläche möglich ist, bzw. können benachbarte Black Boxes nur miteinander kommunizieren, wenn ihre Oberflächen ›zusammenpassen‹. Diese Sinngebung legen auch die lateinischen Wurzeln inter ›zwischen‹ und facies ›Aussehen oder Form‹ sowie der englische Ausdruck face ›Gesicht‹ nahe.182 Der Aufsatztitel Design: Von Material zu Digital und zurück ist in diesem Sinne durchaus programmatisch zu verstehen. Bonsiepe strebte danach, vermittels des Interface-Begriffs den Bereich des ›Analogen‹ und ›Digitalen‹ bzw. des ›Materiellen‹ und ›Immateriellen‹ aneinanderzu koppeln. Dazu bedient er sich wiederum eines systemtheoretischen Konzeptes. Im Anschluss an das Konzept der »strukturelle Koppelung« von Maturana und Varela behauptet er, dass jegliches Design letztlich »im Körper ende« und dass die Aufgabe des Design darin bestehe, vermittels ›materieller‹ wie auch ›immaterieller‹ Werkzeuge (gemeint ist hier die Software) »die Artefakte an den menschlichen Körper anzubinden«. 183 Diese Verschiebung bzw. Wechselwirkung von ›materieller‹ und ›immaterieller‹ Gestaltung geht jedoch mit ambivalenten Prämissen einher. Zwar ermöglicht die Bezugnahme auf digitale Technologien, neue Aufgabenfelder für das Design zu erschließen. Zugleich besteht jedoch die Gefahr, dass vermittels der damit assoziierten Begriffe wie ›Immaterialität‹ und ›Digitalität‹ reale materielle Produktionsbedingungen des Designs verunklärt oder ausgeblendet werden. So stellt sich die Frage, inwieweit die Metapher des ›Immateriellen‹ nicht selbst für einen »Digitalplatonismus« steht, wie ihn Wolfgang Fritz Haug beschreibt.184 Haug warnt vor einem leichtfertigen Umgang mit dem Begriff der ›Immaterialität‹ und vor »Diskursen der Entmaterialisierung«. Diese verschleierten seines Erachtens, dass die Dinge, die in der Regel als ›immateriell‹ bezeichnet würden, 181. Bonsiepe: Design: Von Material zu Digital und zurück. 1996, S. 21. 182. Vgl. Ausführlich zum Konzept des Interface: Halbach, Wulf R.: Interfaces. Medien- und Kommunikationstheoretische Elemente einer Interface-Theorie. München. 1994. 183. Bonsiepe: Design: Von Material zu Digital und zurück. 1996, S. 21. 184. Vgl. Haug, Wolfgang Fritz: Zur Frage der Im/Materialität digitaler Produkte. In: Das Argument 248. 5/6. 2002.

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wie Software oder Dienstleistungen, immer noch Beziehungen innerhalb des Materiellen beschreiben – im Falle von Dienstleistungen etwa ›real‹ existierende Kapital- und Arbeitsverhältnisse. Darüber hinaus gilt es zu bedenken, dass auch die im Design oft bemühte »digitale Form« von Visualisierungen keineswegs nur immaterieller Art ist, sondern immer wieder den Rekurs zum materiellen Modell, zur materiellen Basis oder zu den materiellen Produktionsmitteln sucht.185 Interaktion – ein Konzept des digitalen Zeitalters? Bonsiepes designtheoretische Interface-Konzeption ist indes nicht als ein singuläres Phänomen zu verstehen, vielmehr erfolgte der Transfer von Begriffen und Konzepten aus der Informatik auf das Design in den 1980er und -90er Jahren geradezu programmatisch.186 So wird an den Bezeichnungen Interaction Design oder Human Computer Interaction Design, das als seinen zentralen Aufgabenbereich die Gestaltung der »Schnittstelle Mensch–Maschine« definiert, ein solcher semantischer Transfer sichtbar. Auch bei Bonsiepe nimmt der Begriff der ›Interaktion‹ eine strategische Mittlerrolle ein. Zwar betrifft er stets noch die Domäne des ›realen‹ menschlichen Handelns, er bindet dieses aber zugleich an das Paradigma des ›Digitalen‹ und die damit assoziierte Dimension des ›Immateriellen‹ an. Bonsiepe argumentiert jedoch, dass gerade die konstitutive Domäne des ›Interface‹ eine »materielle Legitimationsbasis« des Designs liefere, die erheblich breiter und unanfechtbarer sei, als historische und kulturell überhöhte Interpretationen, die Design primär an der Dimension von »Form und Ästhetik« festmachen wollten.187 Fraglich bleibt dennoch, inwieweit der Begriff der ›Interaktion‹ zwangsläufig an die Entwicklung digitaler Medien zu koppeln ist und inwiefern nicht auch im Topos des ›Digitalen‹ bzw. des damit verbundenen ›Immateriellen‹ bestimmte historische Gestaltungsmotive weiterleben. Es scheint zwar nahe liegend, dass die informationstechnologischen Entwicklungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dazu beitrugen, Designpraktiken fundamental zu verändern. Richard Buchanan weist aber darauf hin, dass die Grundfeste des Konzepts ›Interaktion‹ weitaus tiefer in der Designgeschichte verwurzelt seien und als solche erst heute wieder an Bedeutung gewännen.188 185. Pratschke, Margarete et al.: Editorial. In: Dies. et al. (Hg.): Digitale Form. Bildwelten des Wissens. Kunsthistorisches Jahrbuch für Bildkritik. Bd. 3, 2. Berlin. 2005, S. 7–8, hier 8. 186. Sharp, Helen et al.: Interaction Design. Beyond Human-computer Interaction. Chichester. 2007, S. 181–217. 187. Bonsiepe: Design: Von Material zu Digital und zurück. 1996, S. 20 f. 188. Buchanan, Richard: Design Research and the New Learning. In: Design Issues, Vol. 17, Nr. 4. 2001, S. 3–23, hier S. 11.

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There is a common misunderstanding that interaction design is concerned fundamentally with the digital medium. It is true that the new digital products have helped designers focus on interaction and the experience of human beings as they use products.189

Er nennt zwar keine historischen Beispiele für die These, dass das Konzept der ›Interaktion‹ der Entwicklung von digitalen Technologien vorangehe, es scheint jedoch nicht abwegig diesbezüglich an das Bauhaus und dessen ganzheitlichen Gestaltungsideale zu denken. Ein nennenswertes Beispiel stellt hier gewiss Gropius Vorstellung einer »ästhetische[n] Synthese« dar,190 die er gemeinsam mit Erwin Piscator in der Konzeption eines »Totaltheater« zu verwirklichen suchte.191 Ebenfalls ist Moholy-Nagy als Beispiel anzuführen, insbesondere seine systemische Vorstellung von ›Design‹, als »thinking in relationships«.192 Jahrzehnte bevor Bonsiepe seine designtheoretische Interface-Konzeption entwickelt hat, verstand schon Moholy-Nagy die Designtätigkeit nicht als einen spezialisierten, objektbezogenen Zugriff auf die Welt, sondern als eine zugleich systemische und ganzheitliche Herangehensweise. Bis heute ist im Design die Vorstellung wirkungsmächtig, dass die ›digitalen Medien‹ eine neue Gestaltungsdimension eröffnet hätten, deren herausragendes Charakteristikum ihre ›Immaterialität‹ sei. Designbereiche, für die das Konzept des ›Digitalen‹, und somit auch des ›Immateriellen‹, konstitutiv ist, sind neben Bonsiepes Interface-Design, auch ›Interaction-Design‹, ›Systemdesign‹ oder ›Experience-Design‹. Oftmals steht in diesen Konzepten weniger die Gestaltung von konkreten materiellen Objekten im Zentrum, sondern das Design von (zumindest teilweise) als immateriell erachteten Dingen wie Schnittstellen, Systemen, Erfahrungen oder Dienstleistungen. In den entsprechenden Debatten interferieren die Begriffe ›Immaterialität‹, ›Digitalität‹ und ›Interaktion‹ auf eine produktive, bisweilen aber auch auf eine unscharfe Weise. So schließt sich an Buchanans Diagnose, dass sich Design gegenwärtig nicht mehr mit Dingen und Symbolen, sondern mit Kontexten und Handlungen beschäftige,193 eine Vielzahl zeitgenössischer Autoren an. In ihren Texten beschreiben sie menschliches Handeln, Fühlen und Erleben als ›neuen‹ Aufgabenbereich des Design. Norbert Bolz vertritt die Ansicht, dass »die erfolgreiche Gestaltung von Gebrauchsgegenständen nicht mehr an den Objekten, sondern an den Emotionen« ansetze: 189. Buchanan: Design Research and the New Learning. 2001, S. 11. 190. Wick, Rainer K.: Bauhaus-Pädagogik. Köln. 1994 [1982], S. 52. 191. Vgl. dazu Woll, Stefan: Das Totaltheater: Ein Projekt von Walter Gropius und Erwin Piscator. Berlin 1994. 192. Moholy-Nagy, Laszló: Vision in motion. Chicago. 1946, S. 42. 193. Buchanan: Design Research and the New Learning. 2001, S. 11.

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Die Form folgt dem Gefühl des Konsumenten, nicht der Funktion der Sache. […] Emotional Design besorgt den Transfer der ›zwischenmenschlichen‹ Welt in die Dingwelt.194

Auch der Microsoft-Designer Bill Buxton definiert »Erfahrung« als zentralen Aufgabenbereich von zeitgenössischem Design: »Despite the technocratic and materialistic bias of our culture, it is ultimately experiences that we are designing, not things«.195 Dass im Endeffekt immer aber Produkte unter realen materiellen Produktionsverhältnissen gestaltet werden, scheinen diese Lesarten bisweilen zu marginalisieren, ebenso wie die Einsicht, dass Designobjekten bereits seit Beginn der industriellen Warenproduktion eine emotionaler Dimension, im Sinne eines Fetischcharakters, zugeschrieben wurde. Bereits Marx sprach bekanntlich vom »mystischen Charakter« der Ware und davon, dass diese durch die Verselbstständigung ihres (symbolischen) Tauschwerts ihren eigentlichen Gebrauchswert übersteige.196 Es ist mithin also davon auszugehen, dass der »symbolische Tauschwert« – also jene Dimension der materiellen Produktion, die gegenwärtig als »emotionale Dimension« des Design gehandelt wird – als ein persistentes, wenngleich immer wieder neu variiertes Thema der Designgeschichte lesbar gemacht werden kann. Vom erweiterten Designverständnis zur Akteur-Netzwerk-Theorie Das Beschreibungspotential des ›Interface‹-Konzeptes bleibt paradoxerweise gerade aufgrund seines extensiven Designanspruches beschränkt. Der Wirkungsbereich von Design wird theoretisch zwar sehr weit gefasst, dennoch wird damit nur wenig über konkrete Designpraktiken und -objekte ausgesagt. Auch werden bestimmte in den Praktiken und Objekten diskursiv perpetuierte Leitmotive aufgrund einer zu verallgemeinernden Theoriebildung womöglich zu wenig ideologiekritisch reflektiert. Die Definition von ›Design‹ als ›Schnittstelle‹ und das damit verbundene Ziel, »effektives Handeln« zu ermöglichen, erweitern den Designbegriff in einer Weise, so dass kaum ein Bereich menschlichen Handelns davon ausgeschlossen bleibt. Für Bonsiepe stellt Design eine Domäne dar, die sich in jedem Bereich menschlicher Kenntnis und Praxis manifestieren könne.197 Seine Hoffnung ist es, dass durch die »Charakterisierung des Design als eine Domäne menschlichen Handelns« dieses »aus dem 194. Bolz: Bang Design. 2006, S. 39 f. 195. Buxton, Bill: Sketching User Experiences. Getting the Design Right and the Right Design. Amsterdam et al. 2007, S. 127. 196. Vgl. Marx, Karl: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. [1890]. In: Karl Marx Friedrich Engels Gesamtausgabe: ›Das Kapital‹ und Vorarbeiten. 10 Bd. Berlin. 1991, S. 70 f. 197. Bonsiepe: Design: Von Material zu Digital und zurück. 1996, S. 26.

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engen Rahmen der Entwurfsdisziplinen« – »Industrial Design, Graphikdesign, Modedesign und Inneneinrichtung« – herausgelöst und als eine allgemeine Entwurfstätigkeit aufgefasst werden könnte. Zwar erkennt auch er die Gefahr, mit einer solchen Ausweitung »in die Falle der leeren und haltlosen Verallgemeinerungen der Art ›Alles ist Design‹ zu tappen«,198 er bekräftigt aber, der Begriff ›Design‹ beziehe sich auf ein »Potential«, zu dem jeder Zugang habe. Neben einer möglicherweise naturalisierenden Lesart von Design bleibt hierbei vor allem offen, auf welche impliziten Qualitätsurteile sich Bonsiepe trotz der Generalisierung des Designbegriffs stets noch bezieht – etwa dort, wo er klarstellt (aber eben nicht begründet), dass letztlich eben doch »nicht alles Design« und »nicht alle Designer« seien.199 Das ›Interface‹Konzept gewinnt seine Relevanz nicht zuletzt aus dem ihm immanenten Anspruch, dass es hauptsächlich Aufgabe einer Disziplin (nämlich des Design) sei, die komplexen Beziehungen zwischen Dingen, Menschen und Handlungen zu reflektieren – und vielmehr noch, diese zu gestalten. Damit gehen zwangsläufig bestimmte, jedoch selten explizit gemachte Werturteile zum Design einher: Wer sich beispielsweise ›Designer‹ nennen darf und welchen selektiven Ein- und Ausschlusskriterien selbst ein vermeintlich allgemeiner und generalistischer Designbegriff noch unterliegt. Dieser Kritik ungeachtet, sind Designforschende bis heute an Bonsiepes ›Interface‹-Konzept interessiert. Ein Grund liegt in der darin projektierten weitreichenden und mehrdimensionalen Reflexion zur ›MenschObjekt-Interaktion‹ entlang von Designpraktiken und -objekten. Es scheint jedoch unabdingbar (und es passiert selten genug), dabei auch den historischen Einfluss von kybernetischen und systemtheoretischen Denkmodellen auf dieses Konzept (sowie auf weitere, zeitgleich entstandene Konzepte) zu thematisieren und es an aktuellere Netzwerktheorien anzubinden. 200 Namentlich könnte eine Anbindung an die Akteur-Netzwerk-Theorie201 sowie an interaktionistisch-pragmatistische Handlungstheorien (zum Beispiel an die Aktivitätstheorie)202 dazu beitragen, das wissenschaftliche Beschreibungspotential des ›Interface‹-Konzeptes zu aktualisieren und präzisieren. Würde man dieses im Sinne der Akteur-Netzwerk-Theorie lesbar machen, wäre nicht einzig die Aufhebung der Dichotomie ›materiell‹ ver198. Bonsiepe: Design: Von Material zu Digital und zurück. 1996, S. 25. 199. Bonsiepe: Design: Von Material zu Digital und zurück. 1996, S. 25. 200. Vgl.: Mareis, Claudia: Interface-Design. Zur Konzeption einer ›immateriellen‹ Designtheorie in der zweiten Hälfte des 20. Jh. und ihren historischen Bezügen. Paper, präsentiert am Ersten Schweizerischen Kongress für Kunstgeschichte. Bern. 2.–4. September 2010. 201. Eine Sammlung relevanter Texte der Akteur-Netzwerk-Theorie findet sich in deutscher Übersetzung: Bellinger, Andrea; Krieger, David. J. (Hg.): ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie. Bielefeld. 2006. 202. Strübing, Jörg: Pragmatistische Wissenschafts- und Technikforschung. Theorie und Methode. Frankfurt/New York. 2005, S. 322–334.

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sus ›immateriell‹ relevant, sondern ebenso die Aufhebung der Dichotomie ›Subjekt‹ versus ›Objekt‹ und der damit verhafteten disziplinären Zuordnungen.203 So plädiert Bruno Latour dafür, nicht länger an starren disziplinären Geltungsansprüchen und angeblichen Dichotomien festzuhalten, sondern vielmehr eine »Soziologie der Übersetzung«204 anzustreben. Die dringlichen aktuellen Probleme in Gesellschaft, Politik, Umwelt und Wissenschaft ließen sich, so die Überzeugung von Latour, nicht länger durch eine separatistische Betrachtungsweise bestehender Entitäten, wie Wissenschaft, Technik, etc. lösen. Vielmehr gelte es, diese Entitäten von Grund auf neu und kollektiv zu verhandeln.205 Eine Anbindung an interaktionistisch-pragmatistische Handlungstheorien würde in Ergänzung zur Akteur-Netzwerktheorie und darüber hinaus den Fokus auf sowohl individuelle als auch kollektive soziale (Aus-) Handlungsprozesse lenken. So wird etwa im Symbolischen Interaktionismus die Annahme vertreten, dass ›soziale Realität‹ »durch die Individuen in ihren Interaktionssituationen ständig neu gestaltet und umgestaltet wird«.206 Diese Einsicht sollte für die Betrachtung von Design als ›Interface‹ in die designtheoretische Reflexion sicherlich miteinbezogen werden, um nicht hinter die aktuelle Theoriebildung zur Interaktion von menschlichen und nicht-menschlichen Akteueren (etwa in der Wissenschafts- und Technikforschung) zurückzufallen. Abschließend und mit Blick auf die in den vorhergehenden Abschnitten besprochenen Positionen zu einem ›erweiterten‹ Designverständnis ist festzuhalten, dass sich der Anspruch eines ganzheitlichen Design seit dem Bauhaus beständig durch die Designgeschichte des 20. Jahrhunderts zieht und sich in individuell unterschiedlichen Ausprägungen manifestiert. Die besprochenen Positionen können als exemplarisch für diesen Ganzheitsanspruch gelten, wenngleich sie nur eine Auswahl darstellen. Dennoch kann an ihnen verdeutlicht werden, mit welch divergenten Motiven und Begriffen ihre Protagonisten den Anspruch des Design auf Ganzheitlichkeit vertreten. Zugleich und hinter der vermeintlichen Konstante wird jedoch auch sichtbar, wie sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts die Designauffassungen zunehmend von einem werkkünstlerischen Verständnis wegbewegt und neue wissenschaftlich-technische Einflüsse adaptiert haben. 203. Latour, Bruno: Die Hoffnung der Pandora. Frankfurt a. Main. 2002, S. 236. 204. Law, John: Notizen zur Akteur-Netzwerk-Theorie: Ordnung, Strategie und Heterogenität. In: Bellinger, Andrea; Krieger, David. J. (Hg.): ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie. Bielefeld. 2006, S. 429–446, hier S. 430. 205. Latour, Bruno: Das Parlament der Dinge. Für eine politische Ökologie. Frankfurt a. Main. 2001, S. 285 ff. 206. Mikl-Horke, Gertraude: Soziologie: Historischer Kontext und soziologische Theorie-Entwürfe. München et al. 2005, S. 263.

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Walter Gropius erkannte den ultimativen Wirkungsbereich von Kunst und Gestaltung noch in einem ganzheitlich gestalteten ›Einheitskunstwerk‹. Moholy-Nagy betonte den ganzheitlichen Charakter des Design als »thinking in relationships« und führte die Vorstellung einer systemischen operierenden Designpraxis ein. Lucius Burckhardt situierte Design innerhalb eines komplexen Wechselspiels zwischen Menschen, Dingen und Umwelt und zementierte damit die bei Moholy-Nagy angelegte systemische Annahme, dass Design ein »Denken in Verbindungen« sei. In seinen Überlegungen zu Design als ›Schnittstelle‹ führt Bonsiepe schließlich, wie wir gerade gesehen haben aus, dass der eigentliche Bereich von Design nicht in der Gestaltung von materiellen Artefakten, sondern in der Gestaltung der Interaktion von Benutzer und Gegenstand liege. Der Anspruch an das Design sowie der in Aussicht gestellte Wirkungsbereich scheint damit umfassender den je projektiert zu sein. Dennoch bleibt auch Bonsiepes Konzeption immer noch zumindest teilweise den idealistischen Gestaltungsidealen des Bauhauses verhaftet. So wendet er sich vordergründig zwar dezidiert von historischen, sprich ›künstlerischen‹ Gestaltungsidealen (insbesondere vom Formbegriff) ab, nur jedoch um sie durch zeitgemäß erscheinende Metaphern des ›Digitalen‹ zu ersetzen. Gerade diese Metaphern bergen jedoch immer noch die Möglichkeit, dass in ihnen längst überholt geglaubte idealistische Diskurse zur Immaterialität von Design perpetuiert werden. So ist denkbar, dass die idealistische Konzeption des Gestaltbegriffs bei Goethe nicht nur Positionen wie Mies van der Rohes ›Bauhaus-Idee‹ prägten, sondern auch im Sprechen über das ›Digitale‹ und das damit oft unscharf assoziierte ›Immaterielle‹ nachwirken. Im folgenden Abschnitt wird nun das Feld der im Großen und Ganzen noch auf das Bauhaus zurückgehenden, vornehmlich werkkünstlerischen Designauffassungen verlassen, um ein Blick auf solche Designkonzeptionen zu werfen, die Design als einen Modus des systematischen Planens und Problemlösens projektieren.

b. Design als Problemlösungs- und Planungshandeln Die Idee, Design als eine Problemlösungs- und Planungstätigkeit zu betrachten, übte in den 1960er Jahren einen großen Einfluss auf die Designmethodologie aus. Wegweisende Werke kamen in dieser Zeit aus dem anglophonen Kulturraum, doch auch die deutschen Planungswissenschaften wurde zu einem zentralen Ort der diskursiven Neuformierung von Design aus dem Geist wissenschaftlicher Planung und Analyse heraus. In den einschlägigen Debatten wurde Design aus seiner ›werkkünstlerischen‹ Tra130

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dition herausgelöst und mit Bezug auf wissenschaftliche Methoden und Kategorien reflektiert. Nachfolgend werden mit Herbert Simon und Horst Rittel zwei Positionen vorgestellt, deren Gedanken, Begriffe und Modelle für die Designtheorie und -forschung bis heute bedeutsam sind, und die ihrerseits spezifische, historisch und kulturell geprägte Vorstellungen von Design und Wissenschaft perpetuieren. Diese Positionen stellen aufgrund ihrer mathematisch-rationalistischen Fundierung Designauffassungen eigener Prägung dar. Dennoch sind sie auch mit den oben angeführten Positionen künstlerischer und kunstgewerblicher Tradition vielschichtig verwoben. So kam Horst Rittel durch seine Lehrtätigkeit an der HfG Ulm (die sich zeitlich mit der dortigen Lehrtätigkeit Bonsiepes überschneidet) mit Ideen und Ideologien des Bauhauses in Kontakt. Seine Tätigkeit an der University of California, Berkeley machte ihn in den 1960er Jahren aber zugleich auch mit designwissenschaftlichen Ansätzen anglophoner Herkunft vertraut, die er als Direktor und Professor am Institut für Grundlagen der Planung an der Universität Stuttgart wiederum in Deutschland verbreiten konnte. Simons Thesen wurde, wie wir oben gesehen haben, im deutschsprachigen Raum in mehreren Punkten von Bonsiepe rezipiert und für die Designtheorie adaptiert. Im Folgenden gehe ich nun näher auf Herbert Simon ein.

Herber t Simon – Die Wissenschaf ten vom Künstlichen Der US-amerikanische Sozialwissenschaftler und Ökonom Herbert Simon, der 1978 mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet wurde, veröffentlichte 1969 das für die Designforschung fast schon kanonisch zu nennende Buch The Sciences of the Artificial. Es entstand im Kontext der ›Künstlichen Intelligenz‹-Forschung – ein Forschungsgebiet zu dem auch Simon gemeinsam mit den Computerwissenschaftlern Allen Nerwell, Marvin Minsky und John McCarthy maßgeblich beitrug. Simons wissenschaftliches Interesse galt vor allem einer Verbindung von ›harten‹ logisch-mathematischen Ansätzen (etwa aus den Bereichen decision making und problem solving) mit ›weicheren‹ sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. In seiner Biographie ist notiert, dass er sich zu Beginn seiner wissenschaftlichen Laufbahn das Ziel gesetzt habe, »to become a mathematical social scientist«.207 In The Sciences of the Artificial steckte Simon nicht nur die epistemologischen Rahmenbedingungen der ›Künstlichen Intelligenz‹-Forschung ab, 207. Vgl. dazu die Vita von Simon anlässlich der Verleihung des Wirtschaftsnobelpreises 1978: Nobel Lectures, Economics 1969–1980. Hg. von Assar Lindbeck. Singapur. 1992.

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sondern wollte auch zu einem umfassenden wissenschaftlichen Verständnis der Kategorie des »Künstlichen« gelangen.208 Zugleich propagierte er damit eine veränderte Sicht auf Welt und Umwelt, in welcher der Status von ›Design‹ und ›Entwurf‹ neu definiert werden sollte. Die Welt in der wir leben, sei keine natürliche, so seine Diagnose, sondern eine durch und durch artifizielle, von den Menschen gemachte Welt: »Almost every element in our environment shows evidence of human artifice«.209 Seines Erachtens spiegelte jedoch die Wissenschaftsordnung seiner Zeit diesen wichtigen Befund aber keineswegs wider. Im Gegenteil: Die in den 1960er Jahren vorherrschende Dominanz der Naturwissenschaft verstärkten dieses Manko in den Augen von Simon sogar noch. Angesichts dieses Mankos forderte er, dass es neben den Naturwissenschaften (die er für das Wissen über natürliche Objekte und Erscheinungen zuständig hielt), auch »Wissenschaften vom Künstlichen« (sciences of the artificial) geben müsse, die künstliche Objekte und Phänomene angemessen untersuchen sollten.210 Dieses Bestreben ist nicht nur vor dem Hintergrund der ›Künstliche Intelligenz‹-Forschung zu verorten, in der Simon sich aktiv bewegte, sondern es ist auch mit Blick auf die etwa zehn Jahre zuvor einsetzenden Debatten zu den (angeblich) nicht zu vereinbarenden »zwei Kulturen« (Snow) der Natur- und Geisteswissenschaften lesbar zu machen. 211 Um den Vorschlag der »Wissenschaften vom Künstlichen« ontologisch zu fundieren, versucht Simon in seinem Buch den Begriff ›künstlich‹ zunächst von seinen negativen Konnotationen wie »affektiert«, »unecht« oder »nachgemacht« zu befreien, um ihn dann wie folgt neu zu definieren: 1. 2. 3. 4.

Artificial things are synthesized […] by human beings. Artificial things may imitate appearances in natural things while lacking, in one or many respects, the reality of the latter. Artificial things can be characterized in terms of functions, goals, adaption. Artificial things are often discussed, particularly when they are being designed, in terms of imperatives as well as descriptives.212

Simon weist darauf hin, dass es keineswegs evident sei, eine Grenze zwischen dem »Künstlichen« und dem »Natürlichen« bzw. dem »Biolo208. Simon: The Sciences of the Artificial. 1969. Ich beziehe mich nachfolgend hauptsächlich auf die angloamerikanische Ausgabe (Ausgabe on 1996), ergänzend auch auf die deutsche Ausgabe: Die Wissenschaften vom Künstlichen. Berlin. 1990. Die Übersetzungen der englischen Zitate stammen von mir, im Abgleich mit der genannten deutschen Ausgabe. 209. Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 2. 210. Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 3. 211. Snow: The Two Cultures and the Scientific Revolution. 1959. Vgl. dazu in der vorliegenden Arbeit Kapitel 2, Abschnitt b. ›Synthese‹: Zum Motiv von Design als verbindende Instanz und ›dritte Kultur‹. 212. Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 5.

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gischen« zu ziehen.213 Ein gepflügtes Feld sei nicht in höherem Maße Teil der Natur als eine asphaltierte Strasse, aber eben auch nicht weniger. Die Dinge, die gemeinhin ›Artefakte‹ genannt würden, könnten weder von der ›Natur‹ getrennt, noch von ›Naturgesetzen‹ abgelöst werden – zugleich seien sie aber menschlichen Zielen und Zwecken angepasst. Ein ›Artefakt‹ stellte er sich als einen »Punkt der Begegnung« vor, als Schnittstelle (interface) zwischen einer »inneren« Umgebung, die er als »Substanz« und »innere Gliederung« des Artefakts definierte, und einer »äußeren« Umgebung, die er als »Umwelt« bezeichnete, in der ein Artefakt agiert.214 Um nun also jene Phänomene, in denen sich »menschliche Intention mit Naturgesetzen« vereinigten,215 auch auf wissenschaftliche Weise angemessen erfassen zu können, bedurfte es seines Erachtens einer neuen Sichtweise. In den Gebieten Wirtschaft, Psychologie, insbesondere aber im Entwerfen erkannte er potentielle »Wissenschaften vom Künstlichen«, mögliche Handlungsfelder also, in denen seine Thesen besondere Durchschlagskraft entwickeln sollten. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf Simons Ausführungen zum Entwerfen und zu einer science of design, da sie für die Fragen der vorliegenden Arbeit relevant sind und in der Designtheorie und -forschung von vielen Autoren aufgegriffen wurden. Simon postuliert ein radikal erweiterten Verständnis von Design, das von einem im anglophonen Raum geläufigen technisch-ingenieurspezifischen Designbegriff ausgeht. Engineers are not the only professional designers. Everyone designs who devises courses of action aimed at changing existing situations into preferred ones. The intellectual activity that produces material artifacts is no different fundamentally from the one that prescribes remedies for a sick patient or the one that devises a new sales plan for a company or a social welfare policy for a state. Design, so construed, is the core of all professional training; it is the principal mark that distinguishes the professions from the sciences. Schools of engineering, as well as schools of architecture, business, education, law, and medicine, are all centrally concerned with the process of design.216

Zugleich löste er dieses erweiterte Designmodell aus dem traditionellen Bezugsrahmen der Ingenieurwissenschaften heraus: »a science of the artificial will be closely akin to a science of engineering – but very different […] from what goes currently by the name of ›engineering science‹«. 217 Die 213. 214. 215. 216. 217.

Simon, Herbert A.: The Sciences of the Artificial, S. 3. Simon, Herbert A.: The Sciences of the Artificial, S. 6. Simon, Herbert A.: The Sciences of the Artificial, S. 3. Simon, Herbert A.: The Sciences of the Artificial, S. 111. Simon, Herbert A.: The Sciences of the Artificial, S. 4 f.

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Begriffe ›Künstlichkeit‹ und ›Synthese sind für Simon eng mit dem Ingenieurwesen verbunden, da ›synthetisch‹ im weiteren Sinne für ›entworfen‹ oder ›zusammengesetzt‹ steht. Zugleich unterscheidet er trennscharf zwischen ›Ingenieur‹ und ›Naturwissenschaftler‹. Seines Erachtens üben diese beiden Bereiche kategorial unterschiedliche Tätigkeiten aus, die sich zum einen als ›Synthese‹, zum anderen als ›Analyse‹ realisieren: »We speak of engineering as concerned with ›synthesis,‹ while science is concerned with ›analysis‹«.218 Die Unterscheidung zwischen Synthese und Analyse wurde von einer grundlegenden Kritik Simons am vorherrschenden Ausbildungswesen seiner Zeit begleitet. Angesichts der evidenten Schlüsselrolle des Design in vielen fachberuflichen Tätigkeiten fand er es paradox, dass die Naturwissenschaften im 20. Jahrhundert die »Wissenschaften vom Künstlichen« in den Lehrplänen der Fachausbildungen völlig verdrängt hätten. Ingenieurschulen seien zu Physik- oder Mathematikschulen geworden, medizinische Schulen zu Schulen der biologischen Wissenschaft, Wirtschaftsschulen zu Schulen finiter Mathematik, so beobachtet Simon diese Verdrängung.219 Mathematisch-naturwissenschaftliche Ansätze und Methoden nahmen in seinen Augen in fast allen fachberuflichen Ausbildung (ungerechtfertigterweise) überhand. Hingegen vermisste er eine eigenständige, akademisch anerkannte und qualitativ hochstehende ›Logik‹ des Entwerfens. Was man bisher aus dem Design und den künstlichen Wissenschaften wisse, so beklagt sich Simon, sei »intellektuell schwach«, »intuitiv«, »informell« und »kochbuchhaft«.220 Um diesen Missstand zu beheben, strebte er in seiner science of design an, einen Wissenskorpus über den Entwurfsprozess zusammenzustellen, der aus intellektuell gesichertem und analytischem, teils formalisierbarem, teils empirischem Wissen bestehen sollte. Als formale Methode, um dieses Ziel zu realisieren, schien ihm die so genannte Modallogik am Besten geeignet.221 Die in den Naturwissenschaften geltende deklarative Aussagelogik konnte aus seiner Sicht den theoretischen Besonderheiten des Design nicht gerecht werden. Für stand außer Frage, dass die unterschiedlichen Vorgehensweisen in den Naturwissenschaften (Analyse) und im Design (Synthese) auch nach unterschiedlichen logischen Beschreibungsmodellen verlangten. The natural sciences are concerned with how things are. […] Design, on the other hand, is concerned with how things ought to be, with devising artifacts to attain 218. 219. 220. 221.

Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 4 f. Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 111. Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 112. Vgl. dazu Fußnote 2 in Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 114.

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goals. We might question whether the forms of reasoning that are appropriate to natural sciences are suitable also for design.222

Design interessiere sich dafür, wie Dinge sein sollten, nicht wie sie sind, so lautete der zentrale Gedanke von Simon, der für die Designtheorie eine große Wirkungsmacht entfalten sollte. Anders als die Aussagelogik, die mit den Operatoren ›wahr‹ oder ›falsch‹ arbeitet, ist die Modallogik nicht wahrheitsfunktional konstituiert, sondern läuft entlang von Möglichkeitsbegriffen. Mit Hilfe der Modallogik konnte Simon also Sätze analysieren, in denen modale Ausdrücke wie ›möglicherweise‹ oder ›notwendigerweise‹ vorkommen. Zusätzlich zu dieser modallogischen Methodik bezog er auch bereits praktizierte Designmethoden in seine Überlegungen mit ein. The easiest way to discover what kind of logic are needed for design is to examine what kind of logic designers use when they are being careful about their reasoning. Now there would be no point in doing this if designers were always sloppy fellows who reasoned loosely, vaguely, and intuitively. […] However there exists a considerable area of design practice where standards of rigor in inference are as high as one could wish.223

Dieses Zitat vermag Simons ambivalente Verwurzelung sowohl in den Sozial- als auch in den Naturwissenschaften zu verdeutlichen. Obwohl er den Einfluss von Naturwissenschaften und Mathematik auf die Fachausbildungen beklagte und eine autonome Designlogik vermisste, ging er in seinem Ansatz doch vom Idealtypus des logisch-rational agierenden Designers aus. Es war nicht sein Ziel, mit dem Blick auf die Methoden der Designpraxis ›kreative‹ oder ›intuitive‹ Vorgehensweisen zu reflektieren, vielmehr hatte er mathematisch-statistische Methoden im Sinn, wie sie in den 1940er und -50er Jahren in der statistischen Entscheidungstheorie und in gewissen Managementtheorien entwickelt wurden.224 Den Prozess des Entwerfens betrachtete er, entgegen seiner Kritik an den Naturwissenschaften, als einen logisch begründbaren und planbaren Problemlösungsprozess.225 Entsprechend gilt es heute, seine Absicht, das Design als »Wissenschaft vom Künstlichen« methodisch zu fundieren, differenziert zu betrachten. Simons Ziel war es, ein »gesichertes analytisches Wissen« über den Entwurfsprozess zu erheben sowie ein »Curriculum für das Entwerfen« bereitzustellen, das seinen Platz neben den Naturwissenschaften im »Gesamtcurriculum des Ingenieurwesens« behaupten 222. 223. 224. 225.

Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 115. Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 116. Vgl. dazu etwa Wald, Abraham: Statistical Decision Functions. New York. 1950. Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 116 ff.

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konnte.226 Anders formuliert, ging es ihm um die rationale Erfassung von bis anhin vernachlässigten Entwurfsprozessen, nicht aber um eine radikal veränderte Sicht auf die (Natur-)Wissenschaften, wie sie etwa Paul Feyerabend kurz darauf einforderte.227 Nutzentheorien und formale Logik des Entwerfens Anhand verschiedener Aspekte und Teilgebiete des Entwerfens führt Simon seinen modallogischen Ansatz in The Sciences of the Artificial detailliert aus. Er entfaltet seine Untersuchung entlang der unterschiedlichen Stationen des Entwurfsprozesses, beginnend mit der »Bewertung der Entwürfe«. Neben Methoden wie ›Nutzentheorie‹ oder ›statistischer Entscheidungstheorie‹ bespricht er auch Algorithmen zur Auswahl von »optimalen« und »satisfizierenden« Alternativen. Ebenfalls widmet er sich den Schwerpunkten der »formalen Logik des Entwerfens«, der heuristischen »Suche nach Alternativen« im Entwurf, der »Theorie der Struktur- und Entwurfsorganisation« und der »Repräsentation von Entwurfsproblemen«.228 Aus der Vielzahl der Aspekte, die Simon behandelt, sollen an dieser Stelle nur einige kurz gestreift werden. In der Frage, wie komplexe Strukturen entworfen und geplant werden können, bezog er sich etwa auf eine Methode, die Christopher Alexander 1964 in Notes on the Synthesis of Form ursprünglich für Problemlösungen in der Stadtplanung beschrieben hatte. 229 Alexanders Methode besteht darin, komplexe Probleme oder Strukturen in kleinere, relativ unabhängige Komponenten zu zerlegen, die jeweils verschiedenen Teilfunktionen entsprechen. Für diese Komponenten sollen dann autonome Entwurfslösungen gefunden und wieder mit den Lösungen der anderen Komponenten in Bezug gesetzt werden, um so zu völlig neuen Problemdefinitionen zu gelangen. Mit der Rezeption von Alexanders Ansatz stellt Simon einen expliziten Bezug zum Design Methods Movement her (allerdings geschieht dies erst in der deutschsprachigen Ausgabe von 1990). Möglicherweise versucht Simon so, seinen Ansatz in die Reihe der einschlägigen Designmethoden-Lektüren der 1960er Jahre einzuordnen. An anderer Stelle befasst er sich mit dem Aspekt von ›Stil‹. Er verfolgt die Prämisse, dass Stilfragen jenseits von normativen Geschmacksurteilen beurteilbar seien. Wenn man sich den Entwurf von so komplexen Systemen wie Städten, Gebäuden oder Volkswirtschaften anschaue, so Simon, 226. 227. 228. 229.

Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 135. Vgl. Feyerabend, Paul: Against Method. London. 1975 Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 134. Simon: Die Wissenschaften vom Künstlichen. 1990, S. 110. Vgl. Alexander: Notes on the Synthesis of Form. 1964.

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dann müsse man Abstand davon nehmen, Systeme schaffen zu wollen, die eine »hypothetische Nutzerfunktion« optimierten.230 Stattdessen sei zu fragen, ob Stilunterschiede nicht eher als »erwünschte Varianten« des Entwurfvorgangs, denn als Alternativen zu betrachten seien, die mit »besser« oder »schlechter« bewertet werden könnten. Stilunterschiede sind für ihn also als mehr oder weniger geeignete Varianten zu bewerten und nicht in Form ästhetischer Geschmacksurteile zu entscheiden. In dieser Aussage wird erneut sein spezifisch logischer Zugang zu Designfragen sichtbar, der sich erheblich von den historisch tradierten, zum Teil sehr ideologisch geführten Stildebatten in der Kunst und Kunstgeschichte unterscheidet.231 Dennoch bleibt mit Blick auf Simons Ansatz fraglich, welche normativen Werturteile (wenn nicht Geschmacksurteile) der Bewertung von Varianten dennoch implizit zugrunde liegen. Im Schlussteil seines Buches führt Simon, gleichsam als Fazit und Ausblick einer science of design, die Musik als idealtypisches Beispiel für eine formalisierte Entwurfsdisziplin an, um daran zu verdeutlichen, dass sich kreative Vorgehensweisen und formalisierte Regelsätze nicht zwangsläufig ausschließen müssen. Die Musik stütze sich auf formale Muster, sie habe sowohl Verbindungen zu einer »inneren« als auch »äußeren« Umgebung und man könne sogar einige digital automatisierte Entwurfsmethoden auf die Musik anwenden, so seine Argumentation.232 Dieses Beispiel ist insofern interessant, da in der Geschichte der Kunst wiederholt versucht wurde, die formalisierten Regelsätze der Musik auch auf andere künstlerische Ausdrucksformen, insbesondere auf die visuellen Künste zu übertragen – allerdings mit beschränktem Erfolg. Bereits Goethe und später Kandinsky konstatierten ernüchtert, dass sich die Formalisierung der Musik nur schwer auf die Malerei übertragen lasse. Goethe bemängelte, dass es in der Malerei an einer aufgestellten, approbierten Theorie fehle, wie es in der Musik der Fall sei.233 Kandinsky nahm die Klage programmatisch in Der blaue Reiter auf. Obwohl auch er an einer formalisierten Theorie der Malerei interessiert war, konnte er sie sich letztlich nur in der »Kombination des Gefühls und der Wissenschaft« vorstellen.234 Er hielt damit jene ›intuitiven‹ Aspekte des künstlerisch-gestalterischen Schaffens hoch, die später in Simons modallogischem An230. Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 130. 231. Als ein aktueller Beiträg dazu ist zu nennen: Bredekamp, Horst; Schneider, Birgit (Hg.): Das Technische Bild. Kompendium zu einer Stilgeschichte wissenschaftlicher Bilder. Berlin. 2008. Vgl. als Kritik an einer teleologischen Entwicklungsgeschichte des Stils: Belting, Hans: Das Ende der Kunstgeschichte? München. 1983. 232. Vgl. Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 136 f. 233. Goethe, Johann Wolfgang von: Goethe im Gespräch. Hg. von Franz Deibel und Friedrich Gundolf. Frankfurt a. Main. 1907, S. 94, 234. Kandinsky, Wassily; Marc, Franz (Hg.): Der blaue Reiter. München/Zürich. 2004 [1912], S. 87 sowie S. 155, Fußnote 2.

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satz vollends ausgeschlossen wurden – die jedoch in neueren Wissensbestimmungen in der Designforschung wieder von Interesse sind. Zur Rezeption von Simon in der Designforschung Trotz, oder gerade wegen seines starken Formalismus üben Simons Ausführungen zum Entwerfen eine nachhaltige Wirkung auf die Designforschung aus. So ist etwa sein Fokus auf die Entwurfsprozesse für die heutige Designforschung zentral, wenngleich er auch Gegenstand von Kritik ist. Kees Dorst kritisiert, dass durch die einseitige Fokussierung auf die Prozesse zwar Modelle, Methoden und Werkzeuge entwickelt würden, die Anspruch auf Verallgemeinerbarkeit erhöben, dabei werde aber der konkrete Kontext völlig ausgeblendet, in dem diese Prozesse stattfänden. The overwhelming majority of descriptive and prescriptive work in design research focuses on the design process, to the exclusion of everything else. […] And apparently, this total ignoring of the design content, the designer and the design context allows us to claim that we are constructing models, methods and tools that will be valid for every designer, dealing with every possible kind of design problem, in any situation.235

Ein weiteres einflussreiches Motiv für die heutige Designforschung ist Simons Idee von Design als ›Handeln in Möglichkeiten‹. Der Simonsche Möglichkeitsraum lässt sich dabei leicht mit dem Begriff ›Zukunft‹ in Verbindung bringen. An die Frage, was sein sollte schließt sich unmittelbar die Frage an, was sein könnte bzw. was sein wird. In diesem Sinne wird die Designtätigkeit von vielen Autoren als ein zukunftsgerichtetes Handeln interpretiert. Bei Bonsiepe findet sich der Gedanke, dass die Zukunft »der Raum des Design« sei, da die Vergangenheit bereits geschehen und »die Entwurfsakten somit verschlossen« seien.236 Bonsiepe verfolgt nach eigener Aussage einen ›normativ-deontischen‹ Ansatz, der nicht nur in einem theoretischen Sinne danach fragt, was man tun soll, sondern auch aus moralisch-ethischer Sicht entsprechende pragmatische Handlungsanweisungen geben will. ›Design‹ definierte er entsprechend als ein »innovatives Handeln« mit ethischen Belangen.237 An Simons Ansatz wurde wiederholt sein Formalismus kritisiert, der sich nicht um Menschen, sondern um (Computer-)Systeme zu bemühen schien.238 Doch auch Simon versuchte, ähn235. Dorst, Kees: Design Research: A Revolution-waiting-to-happen. In: Design Studies. Vol. 29, Nr. 1. 2008, S. 4–11, hier S. 5. 236. Bonsiepe: Design: Von Material zu Digital und zurück. 1996, S. 26. 237. Bonsiepe: Design: Von Material zu Digital und zurück. 1996, S. 26. 238. Vgl. dazu Dreyfus, Hubert L.: Alchemy and Artificial Intelligence. Santa Monica. 1964, passim.

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lich vielleicht wie Bonsiepe, den Vorwurf des Technokratismus durch die Behauptung der gesellschaftlichen Relevanz des Entwerfens zu entkräften. The proper study of mankind has been said to be man. But I have argued that […] most of the complexity of [peoples] behavior may be drawn from their environment, from their search for good designs. […] in large part, the proper study of mankind is the science of design, not only as the professional component of a technical education but as a core discipline for every liberally educated person.239

Unmissverständlich bezieht sich das von Simon aufgerufene Bild des in Freiheit erzogenen Menschen auf die antiken Wurzeln der Demokratie – gemeint ist damit zweifellos aber nur die »universal figure of ›man‹«, wie Lucy Suchman problematisiert.240 Mit diesem Bild evoziert er zugleich aber auch ein weiteres Bild, nämlich eines, indem eine Wissenschaft des Entwerfens zur freiheitlichen ›Menschwerdung‹ grundlegendes beitragen kann. Design wird in dieser Lesart als eine demokratische oder gesellschaftsverändernde Praxis bewertet, als solche sogar überhöht. Simon steht jedoch mit dieser überhöhten Vision des Entwerfens keineswegs alleine da. Als Narrativ zieht sie sich durch zahlreiche Designtexte der Gegenwart hindurch. So wird festgehalten, Design habe die »Alphabetisierung und Demokratisierung von Wissen und Erkenntnissen« im Auge.241 Andere Autoren postulieren, dass die »Wirklichkeit« ein »DesignProblem« sei und dass jeder gestaltende Eingriff in die Lebenswelt als ein solches aufgefasst werden müsse – unabhängig davon, ob der Agent in traditionellen Begriffen als Ökonom, Pädagoge, Politiker oder Designer bezeichnet werde.242 Design wird hier, im Sinne von Simon, als generalistisches Problemlösungshandeln konzipiert und es wird ihm ein »utopisches Potential« zugeschrieben, da es sich mit der Gestaltung von Teilen eines »gesellschaftlichen Ganzen« befasse. Erst ein umfassendes Neuverständnis von Design, als Grundlage menschlichen Handelns, soll demnach in der Lage sein, eine sinnvolle gesellschaftliche (technische, wissenschaftliche…) Neuordnung herzustellen. So zumindest lautet das Heilsversprechen dieses fast schon eschatologisch anmutenden Narrativs, das überraschend deutlich mit Schillers 239. Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 138. 240. Suchman, Lucy: Feminist STS and the Sciences of the Artificial. In: Hackett, Edward J. Et al. (Hg.): The Handbook of Science and Technology Studies. Cambridge, MA. 2008, S. 139–163, hier S. 141. 241. Schneider, Beat: Design als demokratische Orientierungshilfe. In: du, Zeitschrift für Kultur: Design. Was den Alltag formt. Nr. 4. 2006, S. 58–59, hier S. 58. 242. Friedrich, Thomas; Schwarzfischer, Klaus: Einleitung. In: Dies. (Hg.): Wirklichkeit als Design-Problem. Zum Verhältnis von Ästhetik, Ökonomik und Ethik. Würzburg. 2008, S. 1012, hier S. 11.

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Ideal der Kunst als »Werkzeug« zur »Verbesserung im Politischen« korrespondiert.243 Mit großer Zuverlässigkeit basiert es auf der Diagnose einer zunehmenden gesellschaftlichen Komplexität und einer sich in Folge auflösenden (gesellschaftlichen, kulturellen, wissenschaftlichen) Ordnung. Von dieser Diagnose der Komplexität und den damit verbundenen Planungsproblemen handelt auch die folgende Position.

Horst Rittel – Bösar tige Probleme in Entwurfsprozessen Der Mathematiker und theoretische Physiker Horst Rittel beschäftigte sich in seinen Schriften mit der Planbarkeit von Entwurfsprozessen. Von 1958 bis 1963 war Rittel als Dozent an der HfG Ulm tätig, zugleich war er Mitglied des Rektoratskollegiums. Ab 1961 wirkte er in der interdisziplinären Studiengruppe für Systemforschung in Heidelberg mit, zu der auch der Soziologe Hans Paul Bardt, der Psychiater Paul Matussek, der Philosoph Jürgen Habermas, die Chemiker Helmut Krauch und Werner Kunz sowie der Ökonom Walter Baur gehörten, später kam der Systemtheoretiker Charles West Churchmann dazu.244 Die Gruppe konzentrierte sich anfangs noch auf Machbarkeitsstudien für Chemie-Kernreaktoren und Beta-Strahlenquellen, weitete ihre Untersuchungen später aber generell auf Technikfolgenabschätzung und die Domäne der Zukunftsforschung aus.245 1963 erhielt Rittel einen Ruf der University of California in Berkeley, dort hatte er am College of Environmental Design bis 1990 eine Professur für Designwissenschaft inne. 1967 kam eine Gastprofessur für Architektur und Operations Research an der Washington University hinzu. Von 1973 bis 1990 war er Direktor und Professor am Institut für Grundlagen der Planung an der Universität Stuttgart. An der HfG Ulm machte Rittel »erstmals das Design zum Objekt wissenschaftlicher Betrachtung«.246 Er unterrichtete eine Vielzahl mathematisch-naturwissenschaftlicher Fächer, darunter Physik, Mathematik, allgemeine Mechanik, Informationstheorie, Strukturtheorie, Wissenschaftstheorie, Kybernetik, Planungstechniken und operations research.247 243. Schiller, Friedrich: Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen. Neunter Brief. In: Ders.: Sämtliche Werke. Bd. 18. Stuttgart. 1837, S. 38. 244. Reuter: Einleitung. Planen, Entwerfen, Design. 1992, S. 4. 245. Vgl. Hünemörder: Die Heidelberger Studiengruppe für Systemforschung. 2004, S. 8–15. 246. Reuter, Wolf: »…den Dualismus zwischen rationaler und intuitiver Tätigkeit auflösen«. Horst Rittel an der HfG Ulm. In: Rinker et al.: ulmer modelle – modelle nach ulm. 2003, S. 94–99, hier S. 96. 247. Der Begriff ›Operations Research‹ kann mit ›Planungs- und Ablaufforschung‹ übersetzt werden. Er wurde zunächst als Sammelbegriff verwendet, um die während des Zweiten Weltkriegs in Großbritannien und USA entwickelte Methoden zur mathematischen Auswertung

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In den 1960er Jahren erfolgte die Übertragung von wissenschaftlichen Methoden auf das Design geradezu programmatisch. Es ist sogar von einer »erotischen Beziehung« die Rede, die das Design in jenen Jahren zur Wissenschaft entwickelt haben soll.248 Unter der Ägide des ebenso strengen wie schillernden Begriffs der ›Objektivität‹ wurde danach gestrebt, dem Design zu einer als zeitgemäß erachteten Wissenschaftlichkeit verhelfen. Zugleich konnte so das Ideal der »guten Form« in einer auf ›objektiven Regeln‹ basierenden Gestaltung auf neue, vermeintlich unanfechtbare Weise revitalisiert werden. Ein Rückblick von Wolf Reuter, dem Herausgeber von Rittels Schriften in Deutschland, gibt Einsicht in das Zusammenspiel von ›Entwurf‹ und ›Wissenschaft‹ sowie in den ambivalenten Anspruch einer vermeintlich »objektivierbaren ›guten Form‹«: Die Gestalter liebäugelten mit dieser so andersartigen Sparte menschlicher Tätigkeit [der Wissenschaft], weil Fehlplanungen bei den hohen Auflagen der industriellen Fertigung katastrophale Folgen für alle Beteiligten gehabt hätten – Wissenschaft versprach Sicherheit. Zudem waren die Gegenstände technisch kompliziert, ihre psychische und soziale Einbindung offen, das ökonomische und kulturelle Umfeld unabwägbar. Diese Komplexität zu bewältigen, ökonomisches Risiko zu mindern, war implizit Aufgabe des Wissenschaftlers Rittel und vielleicht noch […] die Rechtfertigung der im nachfaschistischen Deutschland nun wieder aufgegriffenen Schönheit der zeitlosen und demnach objektivierbaren ›guten Form‹.249

In seinen zahlreichen Schriften zu Design und Architektur beschäftigte sich Rittel wiederholt mit der Frage, wie in diesen Bereichen komplexe Prozesse analysiert und planvoll gesteuert werden konnten. Entgegen der Ansicht einiger Ulmer Kollegen, vertrat Rittel die Überzeugung, Entwerfen sei eine intentionale, zweckbestimmte und zielgerichtete Tätigkeit, die auf argumentativen Entscheidungen basiere.250 Design erfordere ein »sorgfältiges informiertes Urteilen«, so Rittel, es sei nicht »vorrangig mit dem Erscheinungsbild befaßt, sondern mit allen Aspekten seiner Folgen, wie Herstellung, Handhabung, Wahrnehmung, aber auch den ökonomischen, sozialen, kulturellen Effekten«.251

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quantitativer Größen in Militäroperationen zu bezeichnen. Später wurden die Methoden auf wissenschaftliche sowie ökonomische Fragestellungen angewendet und kamen auch in der wissenschaftlichen Analyse des Design zum Einsatz. In: Rinker: Produktgestaltung ist keine Kunst. 2003, S. 48. Vgl. grundlegend zu ›Operations Research‹: Rapoport, Anatol: Operational Philosophy. New York. 1953. Reuter: »…den Dualismus zwischen rationaler und intuitiver Tätigkeit auflösen«. 2003, S. 94. Reuter: »…den Dualismus zwischen rationaler und intuitiver Tätigkeit auflösen«. 2003, S. 94. Rittel: The Reasoning of Designers. 1988, S. 2. Rittel: Das Erbe der HfG. 1987, S. 18 ff.

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Durch die Anwendung wissenschaftlicher Methoden sollte der Entwurfsprozess fundiert werden. So dienten die vermeintlich ›harten‹ Methoden des operations research zugleich dazu, Kontrapunkte zu der seinerzeit vorherrschenden »künstlerisch-kreativen Vision des reinen Gestalter« zu setzen.252 Rittels Schaffen war in hohem Maße pragmatisch und transdisziplinär ausgerichtet. Er strebte danach, »Wissenschaft nicht mehr disziplinorientiert, sondern missions- und prozessorientiert zu sehen, von einer Enzyklopädie der Befunde zu einer Theorie der Aktion überzugehen«. 253 Eine allgemeine Theorie der Planung Gemeinsam mit dem Stadtplaner Melvin Webber veröffentlichte Horst Rittel 1973 eine Allgemeine Theorie der Planung.254 Als Gegenstand dieser Theorie wurden alle nur denkbaren Planungsaufgaben ins Auge gefasst, besonders in solchen Bereichen, die eine gesellschaftliche Öffentlichkeit betrafen: die Planung von Siedlungen und Städten, Verwaltungsprogrammen und Gesundheitssystemen. Eingangs ihres Textes machen sie deutlich, dass naturwissenschaftliche Probleme und Planungsprobleme kategorisch voneinander zu unterscheiden seien: Die Art von Problemen, mit denen Planer es zu tun haben – gesellschaftliche Probleme – sind von Natur aus verschieden von den Problemen, mit denen sich Wissenschaftler und vielleicht einige Ingenieurgruppen beschäftigen.255

Planungsprobleme seien, so die Autoren, »inhärent bösartig«. Um ihren Punkt zu verdeutlichen, führen sie die Begrifflichkeiten »tame problems« und »wicked problems« ein, zu übersetzen als gutartige, ›zahme Probleme‹ und vertrackte, ›bösartige Probleme‹.256 Rittel und Webber waren davon überzeugt, dass Probleme in den Naturwissenschaften zwar nicht immer einfach zu lösen, aber als Problemstellung bzw. Aufgabenstellung jedoch klar zu definieren seien. Die Probleme, auf die sich Wissenschaftler und Techniker üblicherweise konzentriert haben, sind meisten ›zahm‹ oder ›gutartig‹. Denken Sie […] an ein mathematisches Problem wie die Lösung einer Gleichung; oder an die Aufgabe eines organischen Chemikers, die Struktur einer unbekannten Verbindung zu analysieren; 252. Reuter: Einleitung. Planen. Entwerfen, Design. 1992, S. 6. 253. Reuter: Einleitung. Planen. Entwerfen, Design. 1992, S. 5. 254. Rittel/Webber: Dilemmas in a General Theory of Planning. 1973. Überarbeitete und übersetzte Fassung in: Rittel, Horst; Webber, Melvin M.: Dilemmas in einer allgemeinen Theorie der Planung. In: Rittel: Planen, Entwerfen, Design. 1992, S. 13–35. 255. Rittel/Webber: Dilemmas in einer allgemeinen Theorie der Planung. 1992, S. 20. 256. Rittel/Webber: Dilemmas in einer allgemeinen Theorie der Planung. 1992, S. 21.

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oder auch an die eines Schachspielers, der versucht, ein Schachmatt in fünf Zügen zu erreichen. Für jeden von ihnen ist die Aufgabe klar. Umgekehrt ist auch klar, ob diese Probleme gelöst wurden oder nicht. Bösartige Probleme hingegen haben nicht diese klaren Charakteristika; und sie schließen praktisch alle gesellschaftspolitischen Themen ein, ob es sich nun um die Trasse einer Schnellstraße handelt, die Festsetzung der Höhe einer Steuer, die Änderung eines Lehrplans oder die Verbrechensbekämpfung.257

Problemverständnis und Problemlösung gingen für Rittel und Webber Hand in Hand. Während die beiden Autoren es als gegeben ansahen, dass für jedes ›zahme Problem‹ eine erschöpfende Formulierung gefunden werden konnte, die zur Problemlösung befähigte, stellten sie dies bei ›bösartigen Problemen‹ in Abrede – denn sie erachteten bereits die Formulierung eines ›bösartigen Problems‹ als Problem.258 Jede Spezifizierung des Problems war ihrer Ansicht nach schon eine Spezifizierung der Richtung, in der man sich eine Behandlung des Problems vorstellte. 259 Anders formuliert, sind Lösungen von komplexen Problemen stets von den Möglichkeiten, Fähigkeiten und Absichten derer abhängig, die diese Probleme als solche definieren und angehen. Da die Crux von komplexen Planungsprozessen in der ›Bösartigkeit‹ der darin inhärenten Probleme gesehen wurde, galt es diese näher zu beschreiben. Insgesamt definierte Rittel elf Eigenschaften zur Charakterisierung ›bösartiger Probleme‹. Es sind dies die folgenden:260 1. 2. 3. 4.

5. 6.

257. 258. 259. 260.

Für ›bösartige Probleme‹ gibt es keine definitive Formulierung. Jede Formulierung von ›bösartigen Problemen‹ korrespondiert mit einer Aussage über die Lösung und umgekehrt. Für ›bösartige Probleme‹ gibt es keine Stopp-Regel, es gibt nichts in der »Natur des Problems«, was den Problemlösungsprozess beenden kann. Anders als bei Lösungen von ›zahmen Problemen‹ sind die Kategorien ›richtig‹ und ›falsch‹ auf ›bösartige Probleme‹ nicht anwendbar. Ob eine Planung ›gut‹ oder ›schlecht‹ ist, kann nur individuell und kontextspezifisch bewertet werden. Für ›bösartige Probleme‹ gibt es keine erschöpfende, aufzählbare Liste erlaubter Operationen. Alles ist möglich, alles eine Sache der Grundsätze und Phantasie. Ein ›zahmes Problem‹ kann ganz allgemein als eine Diskrepanz, als Vergleich zwischen Ist und Soll definiert werden. Bei ›bösartigen Problemen‹ ist indes eine Vielzahl von Erklärungen für ein- und dieselbe Diskrepanz möglich. Rittel/Webber: Dilemmas in einer allgemeinen Theorie der Planung. 1992, S. 21. Rittel/Webber: Dilemmas in einer allgemeinen Theorie der Planung. 1992, S. 23. Rittel/Webber: Dilemmas in einer allgemeinen Theorie der Planung. 1992, S. 23. Rittel, Horst: Zur Planungskrise: Systemanalyse der ›ersten und zweiten Generation‹. In: Rittel: Planen, Entwerfen, Design. 1992, S. 37–49, hier S. 43–47.

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7.

Jedes ›zahme Problem‹ hat eine »bestimmte natürliche Form« und es gibt keinen Grund, über die »Problemebene« zu diskutieren. Demgegenüber kann jedes ›bösartige Problem‹ das Symptom eines anderen Problems sein. Man kann nie sicher sein, das Problem auf dem »richtigen Niveau« anzugehen. 8. Für ein ›bösartiges Problem‹ gibt es weder eine sofortige, noch eine endgültige Überprüfungsmöglichkeit. 9. Anders als bei ›zahmen Problemen‹ gibt es bei ›bösartigen Problemen‹ keine prototypischen Lösungen. Mögliche Konsequenzen können nur bis zu einem gewissen Grad vorausgesehen oder simuliert werden. Für ›bösartige Probleme‹ gibt es kein »Versuch und Irrtum«, jede Lösung ist eine »one-shot-operation«. 10. Jedes ›bösartige Problem‹ ist wesentlich einzigartig. Dies ist insofern störend, als dass man daraus nicht für ein nächstes Mal lernen kann. 11. Im Gegensatz zum »Zahme-Problem-Löser«, der ohne weitreichende Konsequenzen ein Schachspiel verlieren oder eine falsche Hypothese aufstellen darf, hat der »Bösartige-Problem-Löser« kein Recht auf Irrtum. Er ist immer verantwortlich für das, was er tut.

Die in den 1960er Jahren gängigen linearen kybernetischen und frühen systemtheoretischen Ansätze, darunter auch das operations research, scheiterten in den Augen Rittels an der Lösung komplexer Probleme. Er subsumierte diese Ansätze unter den Begriff »Systemansatz der ersten Generation«. Rittel kritisierte, dass dieser Systemansatz zwar in streng autokratischen Entscheidungsstrukturen wie im Militärwesen funktionieren möge, nicht aber in pluralistischen gesellschaftlichen Verhandlungsstrukturen.261 Rittel und Webber schreiben kritisch, dass die frühen Systemtheoretiker mit einem »überheblichen Selbstvertrauen« sich selbst bereit erklärten, »jedermanns Problem zu übernehmen, seinen verborgenen Charakter diagnostisch zu enthüllen und dann, nachdem sie seine wahre Natur entlarvt haben, geschickt seine Ursache an der Wurzel auszurotten«.262 Insbesondere kritisieren sie, dass die in diesen Ansätzen festgelegten linearen Prozessphasen, sinnbildlich gesprochen, wie Waggons eines »Güterzug[s]«263 aufeinander folgten und dabei allerdings den wichtigen Akt der Problemdefinition ausblendeten. Jedes Handbuch für Systemtheorie beginnt mit einer Aufzählung dieser Phasen: ›die Probleme oder die Aufgabe verstehen‹, ›Informationen sammeln‹, ›Informationen analysieren‹, ›Information verknüpfen und auf den kreativen Sprung warten‹, ›eine Lösung ausarbeiten‹ oder ähnliches. Für bösartige Probleme funktioniert dieses Schema jedoch nicht. Man kann das Problem nicht verste261. Rittel: Zur Planungskrise. 1992, S. 39. 262. Rittel/Webber: Dilemmas in einer allgemeinen Theorie der Planung. 1992, S. 19. 263. Rittel: Zur Planungskrise. 1992, S. 44.

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hen, ohne über seinen Kontext Bescheid zu wissen; man kann nicht ohne Orientierung an einem Lösungskonzept effektiv Information suchen; man kann nicht erst verstehen, dann lösen.264

In dem Aufsatz On the Planning Crisis: Systems Analysis of the ›First and Second Generations‹ von 1972 demonstriert Rittel anhand der Analyse von ›bösartigen Problemen‹, dass der »Systemansatz der ersten Generation« für komplexe Planungsprozesse, etwa in der Stadtplanung oder im Gesundheitswesen, nicht geeignet sei.265 Als Verbesserungsvorschlag entwickelte er den so genannten »Systemansatz der zweiten Generation« – eine interdisziplinäre, partizipative und multiperspektivische Herangehensweise an Planungsprozesse. Rittel spricht in seinen Texten auch von einem »konspirativen« 266 oder einem »argumentativen« Planungsmodell.267 Im Kern dieses Modells stand das, durchaus auch gesellschaftspolitisch motivierte, Anliegen, dass sich alle an Planungsprozessen Beteiligten (und davon Betroffene) gemeinsam beraten sollten. Für hochkomplexe Fragestellungen gebe es keinen spezifischen Experten mehr, der als einziger eine Antwort auf die Frage kenne, so Rittels Überzeugung, vielmehr sei die nötige Expertise, die man im Umgang mit ›bösartigen Problemen‹ brauche, auf viele Personen verteilt. 268 Da alle Beteiligten in der Regel gleich wenig wissen, hielt er es für wahrscheinlich, dass diejenigen, die direkt von einer Problemstellung betroffen sind, auch das meiste Wissen darüber besitzen. Genau dieses Wissen wollte er aktiv in Planungsprozesse einbeziehen. Aus diesem programmatischen Ansatz entwickelte er Anfang der 1970er Jahre gemeinsam mit Werner Kunz in der Studiengruppe für Systemforschung in Heidelberg die so genannte IBISMethode (Issue-Based Information System). [ Abb. 9 ] Ziel der IBIS-Methode ist es, mittels planvoller, systematischer Reflexion und Abwägung von verschiedenen Issues, die betroffenen Entscheidungsgruppen bei ihren Planungsaufgaben zu unterstützen.269 Die Issues stellen unterschiedliche Aspekte eines Problembereichs dar, zum Beispiel faktische, moralisch-ethische, erklärende oder instrumentelle Aspekte. Auf dieses Weise will die IBIS-Methode auf eine anschauliche, systematische Weise sicherstellen, dass alle relevanten Aspekte, die zur erfolgreichen Lösung eines Problems erforderlich sind, auch tatsächlich berücksichtigt werden. 264. 265. 266. 267. 268. 269.

Rittel/Webber: Dilemmas in einer allgemeinen Theorie der Planung. 1992, S. 23. Rittel: On the Planning Crisis. 1972, S. 390–396. Rittel: Zur Planungskrise. 1992, S. 53. Rittel, Horst: Was ist ›das System‹? In: Rittel: Planen, Entwerfen, Design. 1992, S. 59–60. Rittel: Zur Planungskrise. 1992, S. 49. Grant, Donald P.: Issue-based Information System (IBIS). In: Olsen, Shirley A.: Group Planning and Problem-Solving Methods in Engineering Management. New York. 1982, S. 203–246.

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Abb. 9: Darstellung eines ›Issue‹-basierten Denk- und Planungsprozesses nach Rittel

Entsprechend der systemischen Konzeption, die der Methode zugrunde liegt, korrespondiert ihre diagrammatische Darstellung auf der Ebene der visuellen Rhetorik derjenigen eines kybernetischen Regelkreises. Eine deontische Perspektive auf Entwurfs- und Planungsprozesse Ähnlich wie Herbert Simon, der Design als gezielte Modifikation »einer bestehenden Situationen in eine bevorzugte«270 definierte, postulierte auch Rittel einen sehr weiten Designbegriff, der Design nicht als eine spezifische professionelle Praxis, sondern als allgemeines Problemlösungsund Planungshandeln verstand: »Everybody designs sometimes; nobody designs always. Design is not the monopoly of those who call themselves ›designers‹«.271 Er war überzeugt, dass sich in verschiedenen, auf den ersten Blick disparaten erscheinenden Tätigkeiten ›Designaktivität‹ finden ließen und er glaubte, einen gemeinsamen Nenner dafür gefunden zu haben. Design is plan-making. Planners, engineers, architects, corporate managers, legislators, educators are (sometimes) designers. They are guided by the ambition to imagine a desirable state of the world, playing through alternative ways in 270. Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 111 ff. 271. Rittel: The Reasoning of Designers. 1988, S. 1.

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which it might accomplished, carefully tracing the consequences of contemplated actions […] Design terminates with a commitment to a plan which is meant to be carried out.272

Um Design als Tätigkeit zu ›generalisieren‹, zeichnete Rittel das idealisierte Bild eines rational agierenden, um- und weitsichtigen homo faber: »All designers intend to intervene into the expected course of events by premeditated action. All of them want to avoid mistakes through ignorance and spontaneity. They want to think before they act«.273 Er vermittelte die Auffassung von Design als einer verunftbasierten Tätigkeit und blieb damit, trotz seiner Einsicht in die Inkommensurabilität gesellschaftlicher Probleme, dem Projekt der Auf klärung in einer ambivalenter Weise verhaftet. Anders als Simon, der mittels der Modallogik gerade deontischen, also moralisch-ethischen Implikationen entgehen wollte, plädierte Rittel nachdrücklich für einen ›moralischen Imperativ‹ im Design, für eine deontische Perspektive. Bei jedem einzelnen Schritt der Problemlösung werde ein Urteil gefällt, das nicht auf wissenschaftlicher Erkenntnis beruhe, so Rittel.274 Ein solches Urteil sei stets mit einer persönlichen Soll-Aussage verbunden, die wiederum ein Zeichen von politischer, moralischer oder ethischer Haltung darstelle. Diesen Umstand nannte er eine »deontische Prämisse«. Um Planungsprozesse transparent und nachvollziehbar zu machen, forderte er die Entwicklung von Methoden, die diese oftmals impliziten »deontischen Prämissen« innerhalb von Argumentationsmustern expliziter aufzeigen sollten. Dazu führte er den Begriff der ›Objektifizierung‹ ein. Im Gegensatz zu wissenschaftlicher ›Objektivität‹, bei der ein Resultat unabhängig von der ausführenden Person nachvollziehbar sein soll, definierte er ›Objektifizierung‹ als die Notwendigkeit, Grundlagen des subjektiven Urteilens »erfolgreich« mit anderen auszutauschen.275 Die Lösung ›bösartiger Probleme‹ sah Rittel stets an ihre politische Bewertung gebunden. Darin spiegelt sich sichtlich seine politische Prägung aus der Zeit der Studentenunruhen in Berkeley wider.276 Spürbar ist seine Planungstheorie überdies von politischen Motiven durchzogen, die wohl der Zusammenarbeit mit der interdisziplinären Studiengruppe für Systemforschung geschuldet sind. So erinnert Horst Rittels »argumentatives Planungsmodell« deutlich an Jürgen Habermas‹ Theorie des kommunikativen Handelns.277 Bereits 1969 argumentierte Habermas, der gemeinsam mit Rittel in der Studien272. 273. 274. 275. 276. 277.

Rittel: The Reasoning of Designers. 1998, S. 1. Rittel: The Reasoning of Designers. 1998, S. 1. Kursivsetzung im Original. Rittel: Zur Planungskrise. 1992, S. 50. Rittel: Zur Planungskrise. 1992, S. 51 f. Vgl. in der Einleitung, Abschnitt a. Zur Geschichte der Designmethodologie und -forschung. Habermas, Jürgen: Theorie des kommunikativen Handelns. Frankfurt a. Main. 1981, passim.

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gruppe für Systemforschung tätig war, dass die Geltung technischer Regeln sich zwar an der Gültigkeit empirisch ›wahrer‹ oder ›analytisch richtiger‹ Sätze bemessen lasse, dass die Geltung gesellschaftlicher Normen dagegen allein auf Verständigung und allgemeiner Anerkennung basiere.278 Rittels Begriff der ›Objektifizierung‹ nimmt den Habermas’schen Gedanken auf, dass kommunikatives Handeln eine symbolisch vermittelte Interaktion darstellt.279 Ähnlich wie Habermas hatte auch Rittel symbolische Interaktionen zwischen sprach- und handlungsfähigen Subjekten im Blick und er verfolgt das Ziel, Handlungspläne und die damit verbundenen Handlungen aufeinander abgestimmt und konsensfähig durchzuführen. Rittel entwickelte für die Planungswissenschaften, wenn man so will, eine kritische Theorie, die sich gegen eine in den 1960er und -70er Jahren dominante »objektivistische, wissenschaftsgläubige, expertokratische und holistische« Auffassung von Planung richtete.280 Er hielt es für unmöglich, zu einer durch und durch ›objektiven‹ oder ›rationalen‹ wissenschaftlichen Theorie der Planung zu gelangen. Dazu hält er fest: »Ich hoffe, ich habe deutlich gemacht, dass man beim Planen nicht rational sein kann: Je mehr man es versucht, desto weniger hilfreich ist es.«281 Er wies damit zugleich auch auf die fortwährende Überlagerung und Wechselwirkung von ›intuitiv-unbewussten‹ und vernunftbasierten Aspekten in vermeintlich ›rationalen‹ Planungsprozessen hin. In Wirklichkeit gibt es keinen Gegensatz zwischen einem, wie man ihn nennen könnte, intuitiven Ansatz, ein Problem zu lösen und auf der anderen Seite einem kontrollierten, vernünftigen oder rationalen Ansatz. Je mehr Kontrolle Sie ausüben möchten und je fundierter Sie Ihr Urteil machen wollen, desto intuitiver werden Sie sein müssen.282

Rittel, der Ende der 1950er Jahre an die HfG Ulm geholt wurde, um dort die Designausbildung wissenschaftlich zu fundieren, blieb ironischerweise zeitlebens dem Paradox verhaftet, »Wissenschaft zu betreiben und zu vertreten und gleichzeitig ihre letztliche Vergeblichkeit für die Lösung des Designproblems zu postulieren«.283 Obwohl sein Rationalitätsanspruch an manchen Stellen seines Werks Brüche zeigt (und er diese auch freigiebig offenbarte) wollte er aber dennoch das Projekt eines Kritischen Rationalis278. Habermas, Jürgen. Technik und Wissenschaft als ›Ideologie‹. Frankfurt a. Main. 1969, S. 61 ff. 279. Habermas. Technik und Wissenschaft als ›Ideologie‹. 1969, S. 63. 280. Reuter, Wolf: Zur Komplexität von Diskurs und Macht in der Planung. DISP 141, Zürich. 2000, S. 4–16, hier S. 4. 281. Rittel: Zur Planungskrise. 1992, S. 54. 282. Rittel: Zur Planungskrise. 1992, S. 52. 283. Reuter: »…den Dualismus zwischen rationaler und intuitiver Tätigkeit auflösen«. 2003, S. 98.

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mus am Leben erhalten – zumindest gilt dies im Hinblick auf sein Verständnis von ›Wissenschaft‹. Für den enorm weiten Bereich, den er jedoch als ›Planung‹ definierte sowie für das Feld des Design gelang ihm diese Aufrechterhaltung nicht mehr. Die Grenzen zwischen den Feldern Wissenschaft, Planung und Design aufzuheben, wäre eine mögliche, wenngleich radikale Konsequenz gewesen. Soweit ging Rittel jedoch nicht – oder konnte es womöglich im Rahmen seiner Scientific Community gar nicht gehen. Dennoch ist aus heutiger Sicht seine trennscharfe Unterscheidung zwischen ›bösartigen Problemen‹ im Planungswesen und den angeblich klar definierbaren wissenschaftlichen Problemen zu problematisieren, da sie auf einer mittlerweile revidierten Vorstellung von Wissenschaft gründet. Rittels idealisiertes Bild einer gradlinigen, planvollen Wissenschaft verliert an Überzeugungskraft, kontrastiert man es mit der Vorstellung, dass wissenschaftliche Forschung keineswegs einem planbaren, linearen Prozess entspricht, sondern eher eine von Zufällen, Irrwegen und Irrtümern bestimmte Vorgehensweise darstellt.284 So vertritt zum Beispiel der Epistemologe Hans-Jörg Rheinberger die Vorstellung, dass wissenschaftliches Experimenten einer konstitutiven Unschärfe unterliegt, die aus einem komplexen, nur schwer zu durchschauenden Zusammenspiel von Akteuren, Apparaturen und Inskriptionen hervorgeht. Wissensobjekte sowie die technischen und subjektiven Bedingungen ihrer Hervorbringung sind für ihn unauflösbar miteinander verknüpft. 285 Entsprechend schwierig scheint es denn auch in der Wissenschaft, von einer klaren ›Problemdefinition‹ zu sprechen. Horst Rittels Erkenntnis, dass Planungsprobleme »inhärent bösartig« seien, lässt sich aus heutiger wissenschaftshistorischer Sicht nicht mehr auf die Planungswissenschaft begrenzen, sondern muss für Problemdefinitionen in sämtlichen Wissenschaftsbereichen gelten. So konstatieren Michael Gibbons und weitere Autorinnen und Autoren, dass im ausgehenden 20. Jahrhundert die Problemdefinitionen in den Wissenschaften zum Gegenstand von komplexen Aushandlungsprozessen zwischen verschiedenen Akteuren geworden seien.286 Helga Nowotny et al. fordern eine umsichtige Koexistenz von divergenten (wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, erkenntnistheoretischen) Interessen287 und verdeutlichen damit – wie Rittel es seinerzeit für die Planung tat –, dass die Herstellung, Bewertung und Erhaltung von Wissen unauflöslich an gesellschaftliche Aushandlungsprozesse sowie an hegemoniale Machtverhältnisse gekoppelt ist. 284. 285. 286. 287.

Fleck: Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. 1980, passim. Rheinberger: Experimentalsysteme und epistemische Dinge. 2001, S. 21–23. Gibbons et al.: The New Production of Knowledge. 1994, S 9 ff. Nowotny, Helga et al.: ›Mode 2‹ Revisited. Minerva. Nr. 41. 2003, S. 179–194, hier S. 191 f.

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Zur Rezeption von Rittel in der Designforschung Rittels Modell der ›bösartigen Probleme‹ wurde zunächst durch ihn selbst, später durch andere Autoren für die Designtheorie und -forschung fruchtbar gemacht.288 Designprozesse werden im Anschluss an Rittel oftmals analog zu Planungsprozessen definiert und ihre Problemstellungen wird als inhärent ›bösartig‹ erachtet. Unterstützt wird diese komparatistische Lesart durch die Vorstellung, dass Design, ebenso wie Planung, eng mit komplexen gesellschaftlichen Fragestellungen verwoben sei. Allerdings ist die Gleichsetzung von ›Designprozessen‹ mit ›Planungsprozessen‹ nicht immer unproblematisch. Kees Dorst bemängelt, dass Rittels Zugang zu allgemein sei, als dass damit konkrete Designprobleme analysiert werden könnten.289 Insbesondere Rittels zentraler Begriff des ›Problems‹ erachtet Dorst als ungeeignet für Designanalysen. Anstatt von »design problems« zu sprechen, schlägt er vor, Design als »resolution of paradoxes between discourses in a design situation« zu definieren.290 Als Begründung führ er an, dass man ›in der Realität‹ in Designprozessen immer mit »Subjektivität« und »fehlender Übersicht« konfrontiert sei, die es verunmöglichten, von einem konkreten »Designproblem« zu sprechen: »›the design problem‹ as such does not really exist as an objective entity in the world. It is an amalgamation of different problems«.291 Dorst will so dem Umstand Rechnung tragen, dass »Designprobleme« nicht in einer kategorischen Weise von Problemstellungen in anderen Bereichen, etwa in der Kunst oder der Wissenschaft, abgegrenzt werden können, sondern mit diesen Gemeinsamkeiten aufweisen. Die vielleicht größere Schwierigkeit, die jedoch an einer Gleichsetzung von ›Designprozessen‹ mit ›Planungsprozessen‹ bemerkt werden kann, ist, dass der den historischen Problemlösungs- und Planungstheorien zugrunde liegende Rationalitätsanspruch in heutigen Ansätzen oft ohne Abgleich mit aktuellen Wissenschafts- und Gesellschaftstheorien weitergeführt wird. Vereinfacht formuliert, werden so rationalistische oder teleologische Vorstellungen von Technik und Wissenschaft, die für die 1960er und -70er Jahre prägend waren, in der heutigen Designtheorie und -forschung unhinterfragt perpetuiert. Dazu schreibt Dorst: The ›rational problem-solving paradigm‹ developed in the 1960s and '70s largely was inspired by developments in AI and the cognitive sciences. […] These sy288. Buchanan, Richard: Wicked Problems in Design Thinking. In: Design Issues. Vol. 8, Nr. 2. 1992, S. 5–21 sowie Rith, Chanpory; Dubberly. Hugh: Why Horst W. J. Rittel Matters. In: Design Issues. Vol. 27, Nr. 4. 2006, S. 1–3. 289. Dorst: Design Problems and Design Paradoxes. 2006S. 4. 290. Dorst: Design Problems and Design Paradoxes. 2006, S. 17. 291. Dorst: Design Problems and Design Paradoxes. 2006, S. 11.

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stems, based on a rational problem-solving approach, represented the ›relevant aspects‹ of the world, and set up formal procedures to manipulate these representations in order to solve a problem.292

Obwohl die oben vorgestellten Ansätze von Herbert Simons und Horst Rittel seit dieser Zeit von Designforschenden zweifellos auch weiterentwickelt worden sind, bleiben doch ihre zentralen Prämissen und Leitmotive oft unhinterfragt und werden nicht historisiert. Ebenfalls wird die politische Motivation, die für viele Ansätze aus den 1960er Jahren und insbesondere auch für Rittels Werk prägend waren, meist ausgeblendet. Die Vorstellung, dass Design ein sowohl generalistisches und Fach übergreifendes als auch analytisches Problemlösungshandeln sei, ist in aktuellen Designdefinitionen fest verankert. Zu selten wird jedoch die oppositionelle und, wie ich argumentiert habe, überholte Dichotomie problematisiert, mittels der noch heute ›Design‹ und ›Planung‹ von ›Wissenschaft‹ unterschieden wird. Zudem erschwert die technikaffine und positivistische Färbung der genannten historischen Ansätze, dass Designpraktiken als historisch formierte, kulturelle und soziale Praktiken befragt werden. Marginalisiert werden in dieser Tradition nämlich solche Designpraktiken, die diesem technizistischen und in der Regel ›männlich‹ konnotierten Bild von Design nicht entsprechen, da sie anderen, etwa kunsthandwerklichen oder künstlerischen Bereichen zugeordnet werden. In Frage zu stellen wäre mit Blick auf das oben Gesagte also zweierlei: Zum einen sind stereotype Geschlechterzuschreibungen zu hinterfragen, die den technizistischen Designauffassungen womöglich zugrunde liegen oder diese auf bestimmte gestalterische Tätigkeitsbereiche eingrenzen. Zum anderen gilt es, ein aktualisiertes und differenziertes Verständnis für das wechselwirksame Verhältnis von Design, Planung und Wissenschaft in der heutigen Gesellschaft zu gewinnen.

c. Design als reflektierte Praxis Vor dem Hintergrund der ›Künstlichen Intelligenz‹-Forschung sowie im Kontext von Organisations- und Planungstheorien wurden in den 1960er und -70er Jahren verstärkt die Potentiale und Begrenzungen menschlichen Wissens diskutiert. Oftmals fielen diese Debatten zu Gunsten technischer Machbarkeit und zu Ungunsten individueller menschlicher Schaffenskraft aus. Kritiker der ›Künstlichen Intelligenz‹-Forschung, darunter Horst Rittel und Hubert Dreyfus, befürchteten eine hegemoniale 292. Dorst: Design Problems and Design Paradoxes. 2006, S. 11.

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Vormachtstellung der ›Maschine‹ und strebten nach Mitteln der Selbstbefähigung menschlichen Handelns angesichts der übermächtigen technokratischen Deutungshoheit der Computer- und Informationstechnologien.293 In den folgenden Jahrzehnten wurden mithin alternative Ansätze entwickelt, um Handlungs- und Problemlösungstheorien um den Aspekt eines ›impliziten‹ und ›subjektiven‹ Erfahrungswissens zu erweitern.294 Diese Unterfangen waren und sind bis heute recht unterschiedlich motiviert. Während einige dieser Ansätze die Selbstermächtigung menschlichen Handels mit Blick auf eine zunehmende Verwissenschaftlichung und Technologisierung der Gesellschaft im Sinn haben,295 streben andere, zum Beispiel in der strategischen Unternehmensplanung und im Wissensmanagement, danach, den Aspekt des ›Erfahrungswissens‹ aus der Perspektive unternehmerischer Gewinnoptimierung zu erschließen. Bekannt ist diesbezüglich vor allem die Arbeit von Nonaka und Takeuchi, die am Beispiel von japanischen Unternehmen die marktwirtschaftliche Bedeutung von personalisiertem Erfahrungswissen aufzeigen wollten und gleichzeitig ein Modell vorschlagen, wie das Erfahrungswissen von einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern innerhalb eines Unternehmens personenunabhängig gesichert und kommuniziert werden kann. 296 Auch im Design gewann das Konzept ›Erfahrungswissen‹ in den 1980er Jahren an (neuer) Bedeutung. Während Simon und Rittel in ihren Texten noch das Idealbild eines im Grunde rational agierenden Designers zeichneten, der wissenschaftlich-theoretisches Wissen in der Praxis anwenden solle, richten Autoren wie Hubert und Stuart Dreyfus sowie Donald Schön ihren Fokus nunmehr auf den Aspekt eines praxisbasierten, subjektiv verinnerlichten und ›impliziten‹ Wissens. Gegenstand ihrer Untersuchungen sind an die Erfahrung gebundene Erkenntniskonzepte und -begriffe wie ›Expertise‹, ›Intuition‹ oder ›reflektierte Praxis‹, die sich den Beschreibungskompetenzen eines expliziten Rationalismus und Positivismus zu entziehen scheinen. Mit Hubert und Stuart Dreyfus sowie mit Donald Schön werden im folgenden Abschnitt Positionen vorgestellt, die praktisches, subjektives 293. Churchmann et al.: In Memoriam Horst W. J. Rittel. 2006, S. 19. 294. Dreyfus, Hubert L.: Intelligence without Representation: Merleau-Ponty’s Critique of Mental Representation. In: Phenomenology and the Cognitive Sciences. Amsterdam. Nr. 1. 2002, S. 367–383. Varela, Francisco et al: The Embodied Mind: Cognitive Science and Human Experience. Cambridge, Mass. 1991. Suchman, Lucy A.: Plans and Situated Actions: The Problem of Human–Machine Communication. New York. 1987. 295. Dazu gehören insbesondere auch die in diesem Kapitel diskutierten Ansätze von Horst Rittel, Donald Schön oder Hubert und Stuart Dreyfus. 296. Nonaka, Ikujir; Takeuchi, Hirotaka: The Knowledge Creating Company. How Japanese Companies Create the Dynamics of Innovation. New York. 1995. [Dt. Ausgabe: Die Organisation des Wissens: Wie japanische Unternehmen eine brachliegende Ressource nutzbar machen. Frankfurt a. Main. 1997].

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Erfahrungswissen im Design adressieren und damit das Verhältnis von ›Theorie‹ und ›Praxis‹ sowie von ›Wissen‹ und ›Können‹ neu ausloten. Die Brüder Dreyfus tun dies aus einer lerntheoretischen Perspektive, der Soziologe Schön untersucht, wie Praktiker während der Ausübung ihrer Praxis diese reflektieren. Für die Designtheorie und -forschung bedeutete eine solche ›Neubewertung‹ von Wissen, oder vielmehr Können, in den 1980er Jahren einen zentralen Wandel in der Betrachtung von Designpraktiken und -prozessen. Designprobleme sollten gleichsam ›durch das Auge‹ von praktizierenden Designerinnen und Designern gesehen und in einer spezifischen Situation verortet werden. Kees Dorst hält stellvertretend für andere Designforschende fest: »This means that we concentrate on the ›local‹ design problem that a designer faces, and ignore the ›overall‹ design problem as something of an abstraction«.297 Sowohl Dreyfus und Dreyfus als auch Schön beziehen sich in ihren Texten auf das Konzept eines ›impliziten Wissens‹ (tacit knowing), das in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts namentlich von dem Naturwissenschaftler und Philosophen Michael Polanyi entwickelt wurde.298 Da im 3. Kapitel der vorliegenden Arbeit noch ausführlicher auf das Konzept des ›impliziten Wissens‹ eingegangen wird, möchte ich es hier vorerst bei einigen Anmerkungen belassen, die jedoch für die nachfolgend diskutierten Positionen zentral sind. Polanyi untersuchte menschliches Erkennen ausgehend von der Prämisse, dass wir mehr wissen, als wir sagen können.299 So können Menschen Fahrradfahren, ein Musikinstrument beherrschen oder aus einer Menschenmasse heraus einzelne Gesichter erkennen, ohne dass sie jedoch genau artikulieren könnten, wie sie dies tun. Polanyis Ausführungen fußen auf einer Unterscheidung des Philosophen Gilbert Ryle, der zwischen ›knowing that‹ und ›knowing how‹ unterscheidet und ›Können‹ damit als eine Form von praktischem Wissen ausweist.300 Polanyi konzipierte jedoch keine Wissenstheorie, die Wissen als einen statischen Befund definiert, vielmehr hatte er eine Bewusstseinstheorie im Sinn, die den Akt bzw. Prozess des Erkennens und Wahrnehmens behandelt.301 Deutlich wird diese Unterscheidung in einer sprachlichen Differenz, die zwar die englische, nicht aber die deutsche Sprache kennt: ›knowing‹ und ›knowledge‹. Während ›knowing‹ sich auf den prozessualen, dynamischen Akt des Erkennens und Wahrnehmens bezieht, bezeichnet ›knowledge‹ das Resultat dieses Prozesses, einen eher statischen 297. Dorst: Design Problems and Design Paradoxes. 2006, S. 11. 298. Vgl. Polanyi, Michael: Personal Knowledge. London. 1958 sowie ders.: The Tacit Dimension. New York. 1966. [Dt. Ausgabe: Implizites Wissen. Frankfurt a. Main. 1985]. 299. Polanyi, Michael: The Tacit Dimension. Gloucester. 1983 [1966], S. 4. 300. Ryle: The Concept of Mind. 1949. 301. Neuweg, Georg Hans: Könnerschaft und implizites Wissen. Zur lehr-lerntheoretischen Bedeutung der Erkenntnis- und Wissenstheorie Michael Polanyis. Münster et al. 2004 [1999], S. 134.

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Wissensbestand. Polanyis Modell einer ›impliziten Dimension‹ von Wissen ergänzte die zu seiner Zeit dominanten philosophischen Konzepte zum ›expliziten‹ Wissen (zum Beispiel als ›rationales‹, ›kognitives‹, ›deklaratives‹ oder ›propositionales‹ Wissen) um die Dimension des ›Könnens‹ und um den Aspekt eines körpergebundenen, personalisierten Wissens. ›Implizites Wissen‹ ist jedoch nicht allein aus pragmatischer Sicht für die Ausübung praktischer Tätigkeiten bedeutsam, sondern prägt aus analytischer Sicht zahlreiche Wissensmodell. Die Dimension eines impliziten Wissens ist es denn auch, welche die Autoren, die nachfolgend besprochen werden, in ihren Werken adressieren.

Huber t und Stuar t Dreyfus – Vom Novizen zum Exper ten Wie schon erwähnt, positionierte sich der Philosoph Hubert L. Dreyfus in den 1960er Jahren in kritischer Opposition zu den kognitivistischen Maximen der ›Künstlichen Intelligenz‹-Forschung.302 Dreyfus schrieb an seinem Buch Alchemy and Artificial Intelligence (1964) während er am Massachusetts Institute of Technology Philosophie lehrte und ihm ein Aufenthalt bei der regierungsnahen RAND-Corporation einen unmittelbaren Einblick in die ›Künstliche Intelligenz‹-Forschung ermöglichte. An die Phänomenologie Merleau-Pontys und Heideggers anschließend,303 insistierte Dreyfus, dass menschliches Erleben und Erfahren niemals kontextunabhängig vonstatten gehen könne, sondern stets an Personen und Situationen gebunden sei. Seine Kritik führte er in den Arbeiten What Computers Can’t Do von 1972 und What computers still can’t do von 1992 weiter aus.304 Gemeinsam mit seinem Bruder Stuart E. Dreyfus, der an der University of California in Berkeley Industrial Engineering und Operations Research lehrte und in den 1960er Jahren bei der RAND-Corporation als Programmierer des frühen Computers JOHNNIAC tätig war, veröffentlichte er 1986 die Publikation Mind over Machine. The Power of Human Intuitive Expertise in the Era of the Computer. Die beiden Autoren vertaten darin die These, dass menschliche Intuition und Expertise durch künstliche Intelligenz nicht ersetzt werden könne: »Our bottom line is that computers as reasoning machines can’t match 302. Dreyfus: Alchemy and Artificial Intelligence. 1964. 303. Dreyfus legte mehrere Interpretationen zu den Werken Heideggers, Merleau-Pontys, Foucaults und Husserls vor. Insbesondere waren seine Arbeiten zu Foucault für die amerikanische Foucault-Rezeption bedeutsam. Vgl. Dreyfus, Hubert L.; Rabinow, Paul: Michel Foucault. Beyond Structuralism and Hermeneutics. Chicago. 1983. Ders.: Being-in-the-World: A Commentary on Heidegger's Being and Time. Cambridge, Mass. 1991. 304. Dreyfus, Hubert L.: What Computers Can’t Do: The Limits of Artificial Intelligence. New York. 1972. Ders.: What Computers Still Can’t Do: A Critique of Artificial Reason. Cambridge, Mass. 1992.

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human intuition and expertise«.305 Wie es bereits Polanyi in seinem Werk getan hatte, so bezogen sich auch Dreyfus und Dreyfus in ihrem Buch auf Gilbert Ryles Unterscheidung zwischen ›knowing that‹ und ›knowing how‹. Anhand von Beispielen aus der Alltagspraxis argumentieren sie, dass »knowing that« als fakten- und regelbasiertes Wissen zu verstehen sei, während »knowing how« auf Erfahrungswissen und Intuition basiere und aus einem komplexen Lernprozess resultiere. The know-how of cashiers, drivers, carpenters, teachers, managers, chess masters, and all mature, skillful individuals is not innate […]. We have to learn. Small children, and sometimes adults, learn through trial and error, often guided by imitation of those more proficient. […] adults begin to acquire new skills by means of either written or verbal instruction. It is this process that concerns us here.306

Basierend auf einer empirischen Studie, in der sie den Erwerb von praktischen bzw. professionellen Fertigkeiten (skills) und Kompetenzen untersuchten, entwickelten sie ein mehrstufiges Modell, zum Kompetenzerwerb durch praktische Expertise. Sie schlagen vor, den Erwerb von praktischen Fertigkeiten und Kompetenzen als ein Stufenmodell zu betrachten, das insgesamt fünf Stufen vom Anfänger bis zum Experten umfasst.307 Diese Stufen bezeichnen sie erstens als »novice« (Anfänger), zweitens als »advanced beginner« ( fortgeschrittener Anfänger), drittens als »competence« ( fachliche Kompetenz), viertes als »proficiency« (Erfahrung) und fünftens als »expertise« (Expertise oder Experte). Zusammengefasst halten sie für diese unterschiedlichen Erfahrungsstufen folgende Merkmale fest:308 Anfänger verfügen noch über kein kohärentes Wissen darüber, wie ihr Können im Gesamtgefüge ihrer Tätigkeit zu bewerten sei, sondern befolgen abstrakt scheinende, kontextfreie Regeln, die nur einzelne Aspekte einer Situation berücksichtigen. Dadurch besitzen sie zwar eine gewisse Handlungssicherheit, die Handlung selbst ist jedoch nicht flexibel. Fortgeschrittene Anfänger können dank erster praktischer Berufserfahrungen bereits Faktenwissen mit konkretem Fallwissen kombinieren, dabei scheint insbesondere das Sammeln von Erfahrungen relevant: »experience seems immeasurably more important than any form of verbal description«.309 Mit wachsender fachlichen Kompetenz 305. Dreyfus, Hubert L.; Dreyfus Stuart: Mind over Machine. The Power of Human Intuitive Expertise in the Era of the Computer. New York. 1986, S. xi. 306. Dreyfus/Dreyfus: Mind over Machine. 1986, S. 19. 307. Die Studie erfolgte gemeinsam mit der Pflegewissenschaftlerin Patricia Benner und wurde publiziert in: Benner, Patricia: From Novice to Expert. Excellence and Power in Clinical Nursing Practice. Menlo Park. 1987. 308. Im Folgenden zusammengefasst nach: Dreyfus/Dreyfus: Mind over Machine. 1986, S. 21–36. 309. Dreyfus/Dreyfus: Mind over Machine. 1986, S. 23.

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werden kontextfreie Handlungsregeln zunehmend durch situative Entscheidungen und kontextbezogene Ziele ersetzt. Das praktische Handeln zeigt sich nun flexibler und eigenverantwortlicher als in den Stufen davor, die Komplexität einer Situation wird besser wahrgenommen: »In general, a competent performer with a goal in mind sees a situation as a set of facts«.310 Erfahrene Berufsleute können in einem noch höherem Maße auf elaborierte Wahrnehmungsmuster und ein holistisches Verständnis von Prozessen zurückgreifen und beginnen so, Analogien in scheinbar unterschiedlichen Situationen zu erkennen und situationsübergreifend zu reagieren. Experten schließlich verfügen über eine umfassende, holistische Wahrnehmung ihrer Tätigkeit und eine integrierte Auffassung von Situationen. Sie reagieren (scheinbar) ohne Anstrengung, rasch und flüssig sowie den jeweiligen situativen Erfordernissen angemessen. Die Autoren schränken mit Blick auf dieses Stufenmodell der erlernbaren Expertise jedoch ein, dass nicht jede Person in seinem Fachgebiet zu einem Experten avancieren könne. Im Schach sei es beispielsweise nur wenigen, besonders begabten Leuten möglich, eine herausragende Expertise zu entwickeln.311 Sie rechtfertigten ihr Modell jedoch damit, dass jeder, egal ob durchschnittlich oder außergewöhnlich talentiert, beim Lernen einer neuen Fertigkeit diese fünf Stufen durchlaufe, wobei sich bei talentierten Menschen die Fertigkeiten schneller entwickelten. Die letzten beiden Stufen, ›Erfahrung‹ und ›Expertise‹, sind nach Dreyfus und Dreyfus jene Stufen, in denen regelbasiertes Wissen und analytische Entscheidungen zunehmend durch ›ganzheitliches‹, ›intuitives‹ Handeln ergänzt und letzten Endes sogar vollständig dadurch ersetzt würden. Je erfahrener Menschen in ihrer praktischen Tätigkeit sind, so die Konklusion des Dreyfus-Modells, desto weniger müssen sie auf analytische Regelsätze zurückgreifen und können stattdessen ihrer Intuition folgen. Die Autoren streben damit zugleich eine Rehabilitierung des umstrittenen Begriffs der ›Intuition‹ an. Sie verwenden diesen in ihrer Auslegung synonym zu ›know-how‹ und versuchen, ihn von potentiellen Mystifizierungsversuchen abzugrenzen: Intuition or know-how, as we understand it, is neither wild guessing nor supernatural inspiration, but the sort of ability we all use all the time as we go about our everyday tasks, an ability that our tradition has acknowledge only in women, usually in interpersonal situations, and has adjudged inferior to masculine rationality.312

310. Dreyfus/Dreyfus: Mind over Machine. 1986, S. 24. 311. Dreyfus/Dreyfus: Mind over Machine. 1986, S. 21. 312. Dreyfus/Dreyfus: Mind over Machine. 1986, S. 29.

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Bemerkenswert an dieser Aussage ist, dass die Autoren den oftmals ›weiblich‹ konnotierten Begriff der ›Intuition‹ durch die in der Regel ›männlich‹ konnotierten Begriffe ›Rationalität‹ und ›Expertise‹ zu rehabilitieren versuchen. Zwar ist eine solche, sich überlagernde Zuordnung von geschlechterspezifischen Kompetenzen nicht neu. Bereits in der Kunsttheorie des 18. Jahrhunderts überschnitten sich die Konzepte »naturnaher Weiblichkeit« und »männlicher künstlerischer Kreativität«.313 Einmal mehr sind aber auch hier essentialistische Zuschreibungen von ›Weiblichkeit‹ und ›Männlichkeit‹ zu problematisieren. Vielleicht ist es bezeichnend, dass das Dreyfus-Modell sich mit recht großem Erfolg in den (als ›weiblich‹ konnotierten) Pflegewissenschaften als Lehrmodell etablieren konnte,314 während ein Versuch von Kees Dorst und Brian Lawson, das Modell auf das Design zu übertragen,315 bislang in der Designforschung kaum Beachtung fand. Dies obwohl, oder vielleicht gerade weil, sich das Modell für eine ›entmystifizierende‹ und ideologiekritische Analyse der Designlehre und -praxis gut eignen würde. Doch hat die Adaption des Modells durch Dorst und Lawson auch problematische Tendenzen, die ich im Folgenden kritisch diskutieren möchte. Ein Modell zum Kompetenzerwerb im Design Die Adaption des Dreyfus-Modells durch Kees Dorst und Brian Lawson für den Kompetenzerwerb im Design weist gegenüber dem ursprünglichen Dreyfus-Modell einige Abweichungen auf, die für das vorherrschende Verständnis von Design in der Designforschung als symptomatisch erachtet werden können. Das Modell suggeriert nämlich, dass sich der Kompetenzerwerb im Design anders vollziehe als in ›normalen‹, nicht ›kreativen‹ beruflichen Tätigkeiten. Dorst und Lawson stellen der ersten Stufe des Dreyfus-Modell (Anfänger) eine Stufe null, »the naïve«, voran und begründen dies wie folgt: »This state is required in a model of design expertise since design-like tasks are not only performed by professionals, but also by ordinary people in their everyday life.« 316 Die Autoren beziehen sich hier auf ein sehr weites, generalistisches Verständnis von Design wie es namentlich Simon und Rittel propagierten. 313. Christadler, Maike: Kreativität und Genie: Legenden der Kunstgeschichte. In: Zimmermann, Anja (Hg.): Kunstgeschichte und Gender. Eine Einführung. Berlin. 2006, S. 253–272, hier S. 260. 314. Benner: From Novice to Expert. 1987. Vgl. auch: Burns, Nancy; Grove, Susan K.: Pflegeforschung verstehen und anwenden. Amsterdam et al. 2005. 315. Dorst: Design Research: A Revolution-waiting-to-happen. 2008, S. 4–11. Das Modell wurde vorgestellt als Keynote-Lecture anlässlich der Konferenz Hi 05 in Heron Island, Australien, 2005: Lawson, Brian, Dorst Kees: Acquiring Design Expertise: A First Attempt at a Model (unveröffentlichter Vortrag). 316. Dorst: Design Research: A Revolution-waiting-to-happen. 2008, S. 8.

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Gleichzeitig legen sie aber auch nahe, dass Design als allgemeine Tätigkeit bereits ›von Natur aus‹ im menschlichen Handlungsrepertoire angelegt und durch Schulung nur noch zu befördern sei. Die Stufen zwei und drei entsprechen bei Dorst/Lawson wieder im Grossen und Ganzen denjenigen des Dreyfus-Modells. Die Stufen vier (Erfahrung) und fünf (Expertise) jedoch modifizieren die Autoren erneut und sie fügen dem Modell eigens noch eine sechste Stufe hinzu. Als vierte Stufe bezeichnen sie in dieser neuen, sechsstufigen Ordnung »the real expert«, als vierte »the master« und als sechste schließlich »the visionary«. Während im Dreyfus-Modell ›Expertise‹ als höchste Form praktischer Kompetenz gilt und Experten souveräne Handlungskompetenz zugestanden wurde, ist diese für Dorst und Lawson nur noch ein Zwischenschritt zur Stufe des »Visionärs«. Expertenkompetenz erkennen sie nur noch innerhalb eines »gesicherten Rahmens« an.317 Ein Designexperte sei radikalen Veränderungen seines Fachs, etwa hinsichtlich globaler Produktionsveränderungen, hilflos ausgeliefert, so die Autoren. Die ›intuitive‹ Sicherheit, die im Dreyfus-Modell für Experten als charakteristisch gilt, deuten Dorst und Lawson in eine empfindliche Unsicherheit hinsichtlich geltender Normen und Regeln um. In dieser Lesart steht die intuitive Verinnerlichung von Regeln und Handlungsroutinen der im Design hoch gehandelten Fähigkeit entgegen, Innovation zu erzeugen. Erst Designer auf der Erfahrungsstufe eines »Meisters« agieren nach Ansicht der Autoren nicht mehr regelkonform und sind so in der Lage »innovative Designideen« zu entwickeln: »The master designer is really a development of the Expert who may have taken their set of guiding principles to a level of innovation such that their own work is seen as representing new knowledge in the field«.318 Diese Fähigkeit zur Innovation schätzen die Autoren – insbesondere auch mit Blick auf die praxisbasierte Designforschung – besonders hoch ein: »Such work is published and becomes the new precedent for other designers to study. This could be deemed ›practice based research‹«.319 Die höchste Erfahrungsstufe im Design, die Kees Dorst und Brian Lawson dem Dreyfus-Modell als sechste Stufe voranstellen, ist diejenige eines »Visionärs«. Um sie zu versinnbildlichen, zeichnen die beiden Autoren in einer emphatisch anmutenden und fast schon überhöhten Weise das Bild eines ›kreativen gestalterischen Allrounders‹, der Kraft seines ihm eigenen Innovationsvermögens selbst bestehende Fach- und Disziplingrenzen zu sprengen vermag.

317. Dorst: Design Research: A Revolution-waiting-to-happen. 2008, S. 8 ff. 318. Dorst: Design Research: A Revolution-waiting-to-happen. 2008, S. 9. 319. Dorst: Design Research: A Revolution-waiting-to-happen. 2008, S. 9.

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The ›visionary‹ consciously strives to extend the domain in which they work. The world discloser develops new ways things could be, defines the issues, opens new worlds and creates new domains. A world discloser operates more on the margins of a domain, paying attention to other domains as well, and to anomalies and marginal practices that hold promise for a new vision of the domain.320

Ich möchte das ansonsten aufschlussreiche Modell von Dorst und Lawson hinsichtlich zweier Aspekte problematisieren. Zunächst ist anzunehmen, dass mit der Einführung der Stufen »Meister« und »Visionär« tradierte, von der feministischen Kunstgeschichte längst problematisierte Topoi des idealisierten (männlichen) Künstlersubjekts für die Interpretation zeitgenössischer Designpraktiken revitalisiert werden sollen. Vor allem die Figur eines ›visionären Designers‹, der idealtypisch die höchste Stufe kreativen Potentials verkörpert, lässt an Albertis Konzeption des Künstlers als alter deus denken.321 Maike Christadler führt zur Kunsttheorie der Renaissance aus, dass bei der Bewertung herausragender künstlerischer Qualität besonders das »irrationale Moment«, die »unbewusste Dimension« künstlerischer Kreativität ein maßgeblicher Aspekt war.322 Vom unbewussten Schöpfungsakt ist es für Christadler dann nicht mehr weit zur modernen Genie-Vorstellung, in der Originalität als höchster Maßstab für Kunst gilt. Sigrid Schade und Silke Wenk heben zudem hervor, dass in Vasaris Vite die Vorstellung perpetuiert werde, Produktivität und Kreativität sei ein dem Künstler vorausgehendes Phänomen, der Künstler sei darin zuerst »gegeben«, das Werk allenfalls Ausdruck seiner Persönlichkeit.323 Auch im besagten Modell von Dorst und Lawson finden sich Aspekte eines solchen Geniegedankens wieder. So zeichnet sich darin der »Meister« durch die Fähigkeit aus, neuartige und originelle, hier »innovative Designideen« zu formulieren, die anderen Designerinnen und Designern als Vorbild dienen sollen. Vermittels des Vorschlags, die Erfahrungen des »Meisters« sogar als eine Form der praxisbasierten Forschung zu betrachten, werden die in dem ›Meisternarrativ‹ perpetuierten Mythen und Ideale, etwa jene zur ›künstlerischen Originalität‹, auf unhinterfragte Weise auch in Belange der Designforschung hineingetragen. Die Aspekte ›Forschung‹ und ›Innovation‹ überlagern sich in dem Design-Kompetenzmodell und implizieren so, dass ›innovative Leistung‹ in der Designpraxis bereits eine 320. Dorst: Design Research: A Revolution-waiting-to-happen. 2008, S. 9. 321. Alberti, Leon Batista: Della pittura. [1557]. Kritische Ausgabe hg. von Luigi Mallè. Florenz. 1950, S. 76–77. 322. Christadler: Kreativität und Genie. 2006, S. 260. 323. Schade, Sigrid, Wenk, Silke: Inszenierungen des Sehens: Kunst, Geschichte und Geschlechterdifferenz. In: Bußmann, Hadumod; Hof, Renate (Hg.): Genus. Zur Geschlechterdifferenz in den Kulturwissenschaften. Stuttgart. 1995, S. 340–407, hier S. 353.

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Form der praxisbasierten Forschung darstelle. Es werden indes keine Aussagen darüber gemacht, was in der Designpraxis als ›innovativ‹ gelten darf, wer über den Innovationsgehalt entscheidet und welche Aspekte daran genau ›Forschung‹ sein sollen. Des Weiteren lässt sich zwischen der Vorstufe des »Naiven« und der ›höchsten‹ Stufe des »Visionärs« eine problematische Dynamik beschreiben. Obwohl die Autoren von einem ›Stufenmodell‹ des Kompetenzerwerbs sprechen, konstruieren sie in ihrem Modell einen paradoxen Zirkel, innerhalb dessen Designkompetenz zwischen den Polen ›naiv‹ und ›visionär‹ zu oszillieren scheint. Die ambivalente Eigentümlichkeit dieser Vorstellung kann anhand einer Aussage Ulrich Bröcklings zur Figur der ›Kreativität‹ veranschaulicht werden. Bröckling schreibt, dass Kreativität gemeinhin als etwas betrachtet werde, das erstens jeder besitze (ein anthropologisches Vermögen), zweiten etwas sei, von dem man nie genug haben solle (eine verbindliche Norm), von dem man drittens nie genug haben könne (ein unabschließbares Telos) und viertens durch methodische Anleitung und Übung steigern könne (eine erlernbare Kompetenz).324 Aus dieser Einschätzung ergibt sich für ihn eine paradoxe Zeitstruktur, die das »immer schon« mit dem »erst noch« zusammenzieht: »Kreativ ist man von Geburt an, und wird doch sein Leben lang damit nicht fertig«.325 Auf diesem Paradox gründet nach Bröcklings Überzeugung der »implizite Rousseauismus« der meisten Kreativitätsprogramme – dass sie Kulturtechniken offerieren, die zurück zu jener ›Natur‹ führen sollen, die im Prozess kultureller Formierung vermeintlich verschüttet wurde. Der Gedanke eines »impliziten Rousseauismus« lässt sich recht passgenau auf das Kompetenzmodell von Dorst und Lawson übertragen. Mit der Einführung der Stufe des »Naiven« suggerieren die Autoren, Design sei eine ›angeborene‹, ›natürliche‹ Fähigkeit, die durch Training nur noch zu befördern sei. Unschwer lässt sich hier Mythos des ›genialen Kindes‹ oder des »dichtenden Kindes« (Barthes) erkennen.326 Der »Visionär«, oder »world discloser«, wie er von Dorst/Lawson auch bezeichnet wird, vervollständigt das prekäre Narrativ der ›natürlichen Genialität‹ dahingehend, dass er über geltenden Normen zu stehen scheint und, einem idealisierten Schöpfer gleich, ›neue‹ Visionen zu realisieren vermag. Dabei scheint die Annahme eines gewissen ›Primitivismus‹ diesem Narrativ zuträglich zu sein: Sowohl die Stufen des »Naiven« als auch des »Visionärs« entziehen sich letztlich der Möglichkeit der Erlernbarkeit – sie erscheinen vielmehr als ein ›von Natur aus‹ gegebenes Talent. 324. Bröckling, Ulrich: Kreativitätstechniken. In: Osten, Marion von (Hg.): Be creative! Der kreative Imperativ. Zürich. 2002, S. 20. 325. Bröckling: Kreativitätstechniken. 2002, S. 20. 326. Barthes: Mythen des Alltags. 1964, S. 139.

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Doch die Autoren scheinen sich der essentialistischen Suggestivkraft ihres Modells kaum bewusst zu sein, so schreibt Lawson andernorts: »There is thus no evidence […] to say whether or not excellence in design can be the result of some inborn talent.«327 Die Ansicht, dass Designer ein »angeborenes Talent« besäßen, werde zwar immer noch an vielen Designschulen vertreten, so Lawson, er aber vertrete die Ansicht, dass Exzellenz im Design »vermutlich« durch harte Arbeit und Erfahrung befördert werde. Diese Aussage mag mit Blick auf das soeben problematisierte Modell paradox erscheinen. Die scheinbare Paradoxie könnte aber ein Indiz dafür sein, wie hartnäckig sich gewisse Narrative über Design selbst dann noch halten, wenn sie erklärterweise erhellt werden sollen. Die Erfahrungsstufen, die zur Analyse des Kompetenzerwerbs im Design von Dorst und Lawson angeführt werden, sind entgegen ihres analytischen Gestus immer noch grundlegend nach dem Narrativ einer ›naturgegebenen‹ künstlerischen Genialität modelliert. Dieser Kritik ungeachtet, gilt es anzuerkennen, dass Dorst und Lawson mit der Adaption des Dreyfus-Modells ein alternatives Analysemodell zu den formalistischen Planungs- und Problemlösungstheorien der 1960er und -70er Jahre zu entwickeln versuchten, das Designprozesse differenzierter und kontextspezifischer als bisher erfassen soll. Dorst führt den Vorteil des Modells wie folgt aus: »in this model, design expertise is described as a set ordering of discrete states, although it is far from clear that individuals would necessarily progress one level at a time. […] each level comprises its own kind of problem solving and reflection«.328 Letztlich hat aber das Modell von Dorst/Lawson mit dem Dreyfus-Modell nur noch entfernte Ähnlichkeit. Der größte Unterschied liegt in der Bewertung von ›Intuition‹ und ›Kreativität‹. Während Dreyfus und Dreyfus gerade die impliziten Aspekte praktischen Handelns erhellen wollten, verschleiern die Naturalisierungen im Modell von Dorst und Lawson diese, indem suggeriert wird, Design könne mit anderen praktischen Tätigkeiten nicht verglichen werden und sei nur bedingt als Kompetenz erlernbar. Zwar räumen auch Dreyfus und Dreyfus ein, dass es gewisse Momente im praktischen Handeln gebe, die sich jeder Beschreibung entzögen, »those brief periods of what is sometimes called ›flow‹«.329 Allerdings lehnen sie es entschieden ab, diesbezüglich von einer weiteren Erfahrungsstufe zu sprechen. »Flow«-Erlebnisse stellten sich ihres Erachtens nur dann ein, wenn auf den höheren Erfahrungsstufen die reflexive Selbstbeobachtung für einige Momente aussetzt. Selbst kreative Handlungen und Einsichten, die auf den ersten Blick ›neu‹, 327. Lawson: What Designers Know. 2004, S. 118 f. 328. Dorst: Design Problems and Design Paradoxes. 2006, S. 11. 329. Dreyfus/Dreyfus: Mind over Machine. 1986, S. 40.

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›unkonventionell‹ und ›unerwartet‹ schienen, seien auf Erfahrungen vergangener Situationen zurückzuführen und »kreative Genies« seien wohl eine rare Ausnahme, so ihre Einschätzung.330 Erschwerend für eine ideologiekritische Analyse von Designpraktiken kommt bei dem Modell von Dorst und Lawson hinzu, dass sie dieses nicht als Repräsentation eines linearen Vorgangs verstehen, sondern für das Design eine fortwährende Koexistenz von verschiedenen Erfahrungsstufen konstatieren.331 Diesem Schluss mag man mit Blick auf die komplexen, analytisch kaum separierbaren Verknüpfungen von kognitiven und motorischen Vorgängen in Entwurfs- und Werkprozessen zwar zustimmen. Allerdings liegt es meines Erachtens nahe, diese Beobachtung für sämtliche praktischen Tätigkeiten geltend zu machen – und sie nicht für die Designtätigkeit im Besonderen herauszustellen.

Donald Schön – The Reflective Practitioner Während die Motivation des Dreyfus-Modells in seiner kritischer Distanz zur ›Künst lichen Intelligenz‹-Forschung liegt, nähert sich der amerikanische Soziologe Donald Schön in seiner Arbeit The Reflective Practitioner. How Professionals think in Action aus dem Jahre 1983 praktischem Erfahrungswissen vor dem Hintergrund von gesellschaftlich geführte Wissensund Technologiedebatten in seiner Zeit an. Zwischen 1960 und 1980 sei das gesellschaftliche und ökonomische Vertrauen in die professionelle Expertise von Berufsfachkräften (professionals) zunehmend verloren gegangen – zugunsten einer massiven Förderung und Wertschätzung von wissenschaftlich-technischem Wissen, so Schöns Diagnose.332 Tatsächlich wurde in den 1960er Jahren erstmals explizit von einer ›Wissensgesellschaft‹ gesprochen (wenngleich das Konzept an sich bereits um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert aktuell war).333 Im Zentrum der gesellschaftspolitischen Aufmerksamkeit standen in den 1960er Jahren die Expansion staatlicher und industrieller Forschungsaktivitäten, die Zunahme wissensbasierter Wirtschaftsaktivitäten und die Ausweitung einer vermeintlich ›neuen Klasse‹ professionalisierter und technisch qualifizierter ›Wissensarbeiter‹. Daniel Bell zeichnete 1973 in seiner Studie The Coming of Post-Industrial Society das Bild einer nachindustriellen Gesellschaft, die sich durch die 330. 331. 332. 333.

Dreyfus/Dreyfus: Mind over Machine. 1986, S. 40. Dorst: Design Research: A Revolution-waiting-to-happen. 2008, S. 9. Schön: The Reflective Practitioner. 1983, S. 9. Der Begriff ›knowledgeable society‹ findet sich erstmals 1966 in: Lane, Robert: The Decline of Politics and Ideology in a Knowledgeable Society. In: American Sociological Review. Nr. 31. 1966, S. 649–662.

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zentrale Stellung von theoretischem Wissen sowie durch eine zunehmende Wissenschaftsabhängigkeit des technologischen Wandels auszeichnete.334 Unter diesen Vorzeichen galt fachberufliches, praktisches Wissen in der Regel als wissenschaftlich unzureichend, methodisch unsystematisch, willkürlich oder ineffizient.335 Diese Sichtweise entspricht jedoch nicht einer einseitigen Abwertung seitens der Wissenschaften. Schön hält vielmehr fest, dass die Berufsstände in den 1960er und -70er Jahren selbst weder ihre eigenen Normen haben erfüllen, noch zu den übergeordneten Zielsetzungen und Anforderungen der Gesellschaft haben beitragen können.336 Die Diagnose einer überhandnehmenden gesellschaftlichen Verwissenschaftlichung teilt Schön in den 1980er Jahren mit vielen Autoren, er kritisierte jedoch in besonderem Maße die vorherrschende Beschreibung einer rein wissenschaftsbasierten‹technischen Rationalität‹.337 Im Modell der ›technischen Rationalität‹ wird wissenschaftliches (oder verwissenschaftlichtes) Wissen gegenüber praktischem Handeln und Erfahrungswissen als überlegen postuliert. Folgt man dem Wissenssoziologen Fritz Böhle, kann dabei zwischen zwei Arten der »Verwissenschaftlichung« von praktischem Handeln unterschieden werden.338 Erstens kann eine »formelle Verwissenschaftlichung« beobachtet werden, die jegliches Erfahrungswissen als potentielles, noch zu verwissenschaftlichendes Wissen behandle. Zweitens kann eine »reelle Verwissenschaftlichung« beschrieben werden, welche die Anwendung von wissenschaftlichem Wissen in der Praxis und damit einhergehend die (Um-)Strukturierung praktischen Handelns nach Maßgabe eines planmäßig-objektivierenden Handelns beinhalte. Für sowohl »Anwender« als auch »Experten« habe dies zur Folge, so Böhle, dass letztendlich beiden (auf unterschiedliche Weise) die Fähigkeit abgesprochen werde, im praktischen Handeln das für sie notwendige Wissen zu erwerben.339 Auch Peter Weingart konstatiert, dass sich zu Beginn der 1980er Jahre eine fortschreitende, in alle gesellschaftlichen Lebensbereiche eindringende Abwertung des im praktischen Handeln erworbenen und erwerbbaren Erfahrungswissens vollzogen habe.340 Entsprechend seiner Einschätzung zum Status von wissenschaftlichem Wissen versus praktischem Erfahrungswissen konstatiert Schön in seiner Studie anfangs der 1980er Jahren einen eklatanten Mangel an 334. Bell, Daniel: The Coming of Post-Industrial Society. A Venture in Social Forecasting. New York. 1973. 335. Schön: The Reflective Practitioner. 1983, S. 39. 336. Schön: The Reflective Practitioner. 1983, S. 37 ff. 337. Schön: The Reflective Practitioner. 1983, S. 37 ff. 338. Böhle, Fritz: Wissenschaft und Erfahrungswissen. In: Böschen, Stefan; Schulz-Schaeffer, Ingo (Hg.): Wissenschaft in der Wissensgesellschaft. Wiesbaden. 2003, S. 143–177, hier S. 153 ff. 339. Böhle: Wissenschaft und Erfahrungswissen. 2003, S. 160. 340. Weingart, Peter: Verwissenschaftlichung der Gesellschaft. Politisierung der Wissenschaft. In: Zeitschrift für Soziologie. Nr. 30. 1983, S. 465–484.

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theoretisch fundierten Zugängen, die zu erhellen im Stande seien, wie kompetente Berufsfachleute, beispielsweise Therapeuten, Ärzte, Ingenieure, Designer, Stadtplaner oder Manager, im Rahmen ihrer Praxis nützliches ›Wissen‹ generierten bzw. ihre Praxis erkenntnisfördernd und gewinnbringend reflektierten: We are in need of inquiry into the epistemology of practice. What is the kind of knowing in which competent practitioners engage? How is professional knowing like and unlike the kinds of knowledge presented in academic textbooks, scientific papers, and learned journals? In what sense, if any, is there intellectual rigor in professional practice?341

Als ein Grund, weswegen sich praktisches Wissen wissenschaftlichen und technisch-rationalistischen Beschreibungsmodellen entziehe, nennt er den Umstand, dass praktisches Handeln – verglichen mit dem Selbstverständnis von ›positivistisch‹ evaluiertem, wissenschaftlichem Handeln – weniger Methodenstrenge und Zielgerichtetheit aufweise, dafür öfters mit subjektiven Werturteilen und unsicheren Bewertungsgrundlagen zu tun habe.342 Technische Rationalität versus praktisches Erfahrungswissen Um die Differenz zwischen wissenschaftlichem und praktischem Wissen zu verdeutlichen, führt Schön eine Reihe von Phänomenen an, die professionelles Handeln kennzeichnen. Namentlich spricht er von einer zunehmenden Komplexität von berufsspezifischen, vielmehr aber noch gesellschaftspolitischen Anforderungen an Berufsfachleute. Überdies führt er eine Instabilität in Bezug auf professionelle Normen an, dann eine Unsicherheit bezüglich der (wissenschaftlichen) Angemessenheit und Methodenstrenge von professionellem Handeln, die Nichtwiederholbarkeit von Lösungsansätzen und schließlich ganz generell Wertekonflikte zwischen beruflichen und wissenschaftlichen Selbstverständnissen.343 All dies seien Phänomene, so Schön, die praktisches Handeln beträfen, aber aus dem Modell einer ›technischen Rationalität‹ mit seinen klar definierten Problemstellungen, Methoden und Zielsetzung ausgeschlossen, respektive darin anders bewertet würden. »From the perspective of Technical Rationality, professional practice is a process of problem solving«.344 Schön problematisierte diese Auffassung von Praxis als Problemlösungshandeln, da sie solche Entscheidungsprozesse ignoriere, die bestim341. 342. 343. 344.

Schön: The Reflective Practitioner. 1983, S. Viii. Schön: The Reflective Practitioner. 1983, S. 45 ff. Schön: The Reflective Practitioner. 1983, S. 39. Schön: The Reflective Practitioner. 1983, S. 39 f.

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men, was als Problem erachtet werde. »In real-world practice, problems do not present themselves to the practitioner as givens. They must be constructed from the materials of problematic situations which are puzzling, troubling, and uncertain.«345 Wie bereits Horst Rittel, so argumentiert auch Schön, dass es ein substantielles Problem praktischen Handelns sei, Probleme als solche überhaupt zu definieren.346 Auch er begründet dies mit der hohen Komplexität und Unvorhersehbarkeit von potentiellen Einflussfaktoren mit denen selbst planvolles praktisches Handeln während seiner Ausübung konfrontierte werde. Anders jedoch als Rittel, versucht Schön, die Grenze zwischen praktischem und wissenschaftlichem Handeln aufzuweichen. Er gibt zu bedenken, dass eine trennscharfe Unterscheidung zwischen einem »divergenten«, unentschiedenen und unscharfen Wissen der Praxis sowie einem »konvergenten«, zielgerichteten und methodisch-rigorosen Wissen der Wissenschaften nur auf der Argumentationsbasis eines überholten positivistischen Wissenschaftsbildes aufrecht erhalten werde könne. It seems clear […] that the dilemma which afflicts the professions hinges not on sciences per se but on the positivist view of science. From this perspective, we tend to see science, after the fact, as a body of established propositions derived from research. When we recognize their limited utility in practice, we experience the dilemma of rigor and relevance. But we may also consider science before the fact as a process in which scientists grapple with uncertainties and display arts of inquiry akin to the uncertainties and arts of practice.347

Das Modell einer ›technischen Rationalität‹ hielt Schön für unzulänglich, um die charakteristischen Merkmale eines ›praktischen Wissens‹ zu beschreiben, da jenes positivistische Wissensideale anwendet und ›praktisches Wissen‹ entsprechend als unzureichend deklariert. Stattdessen schlägt er vor, eine eigenständige »Epistemologie der Praxis« zu entwickeln, die auch die kunstfertigen (artistic) und ›intuitiven‹ Prozesse einschließt, mit denen gute Praktiker selbst unsichere, instabile, einmalige und konfliktreiche Situation erfolgreich zu bewältigen vermögen.348 Das Modell, das Schön dazu entwickelte, basiert, wie auch das Dreyfus-Modell, auf Ryles Unterscheidung zwischen ›knowing that‹ und ›knowing how‹ sowie auf Polanyis Einsicht in die ›implizite Dimension‹ von Wissen. »The best professionals know more than they can put in words«,349 lautet Schöns Adaptation von Polanyis berühmten Satz »we can know more 345. 346. 347. 348. 349.

Schön: The Reflective Practitioner. 1983, S. 40. Kursivsetzung im Original. Rittel/Webber: Dilemmas in einer allgemeinen Theorie der Planung. 1992, S. 23. Schön: The Reflective Practitioner. 1983, S. 48 f. Schön: The Reflective Practitioner. 1983, S. 49. Schön: The Reflective Practitioner. 1983, Klappentext.

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then we can tell«.350 Bei der Durchführung von ›spontanen‹, ›intuitiven‹ Handlungen im Alltag könne man oftmals nicht genau darüber Auskunft geben, was man wisse, so Schön, dennoch sei anzunehmen, dass Wissen in unseren Handlungen sei. »Our knowing is ordinarily tacit, implicit in our patterns of action and in our feel for the stuff with which we are dealing. It seems right so say that our knowing is in our action.«351 Sowohl Laien als auch professionelle Praktiker dächten oft über ihr Tun nach – sogar während der eigentlichen Ausübung der Tätigkeit: »It is this entire process of reflection-in-action which is central to the ›art‹ by which practitioners sometimes deal well with situations«, so lautet Schöns zentrale Aussage zum Wissen von Praktikern.352 Er unterschied diesbezüglich zwischen drei Formen von handlungsund aktionsbasiertem Wissen: »knowing-in-action«, »reflecting-in-action« sowie »reflecting-in-practice«, die kurz erläutert werden sollen. Mit dem Begriff »knowing-in-action« verdeutlicht er zunächst, dass die wesentliche Qualität eines Wissens, das als ›know-how‹ bezeichnet wird, darin liegt, dass es im Handeln eingebettet ist: »the know-how is in the action«. Mit dem Begriff »reflecting-in-action« (auch »reflection-in-action«) bezeichnet er dann ein allgemeineres Vermögen, das es erlauben soll, über eine praktische Handlung zu reflektieren, während man diese ausübt. Als Beispiel führt er Improvisationen bei Jazz-Musikern an, die gewissermaßen in medias res, also während ihrer Performance, diese spontan zu reflektieren und anzupassen vermögen. Als zentralen Auslöser für eine solche »reflection-in-action« erachtete er das Moment der »Überraschung«. Folgt man Georg Hans Neuwegs Schön-Interpretation kann »reflection-in-action« als ein »fallweises Heraustreten« aus einem als ›natürlich‹ wahrgenommenen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmodus verstanden werden.353 Um die beiden angeführten Wissensbegriffe, »knowing-in-action« und »reflection-in-action«, gezielt für die Beschreibung von praktischem Handeln zu spezifizieren, führt Schön schließlich noch den Begriff »reflecting-in-practice« ein, dem er die Funktion eines »Korrektivs« zuschrieb.354 Eine langjährige, spezialisierte Berufserfahrung habe nicht nur den Vorteil, so Schön, dass praktisches Wissen verinnerlicht und automatisch angewendet werden könne, sondern führe auch dazu, dass allzu vertraute Handlungsweisen nicht mehr aufs Neue durchdacht und korrigiert würden.355 In dieses Paradox eines zwar verselbständigten, dadurch aber ›blinden‹ Handelns, bettet er 350. 351. 352. 353. 354. 355.

Polanyi: The Tacit Dimension. 1983, S. 4. Schön: The Reflective Practitioner. 1983, S. 49. Kursivsetzung im Original. Schön: The Reflective Practitioner. 1983, S. 50. Neuweg: Könnerschaft und implizites Wissen. 2004, S. 357. Schön: The Reflective Practitioner. 1983, S. 60 ff. Schöns Annahme ist vergleichbar mit jener von Dreyfus/Dreyfus, die praktische Fertigkeiten

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den oben genannten, für ihn zentralen Begriff der »reflection-in-action« ein.356 Während das Nachdenken über eine berufliche Tätigkeit in Regel nach deren Abschluss einsetze, realisiere sich »reflection-in-action« während des gesamten Zeitraums einer Tätigkeit und könne sich – je nach Art der Tätigkeit – über Minuten, Tage, Monate, sogar Jahre hinziehen und unterschiedliche, sowohl implizite als auch explizite Aspekte dieser Tätigkeit adressieren. Zur Beförderung einer derartigen »reflection-in-action« erachtet Schön vor allem eine gewisse »Offenheit« als notwendig, um angesichts überraschender und verwirrender Situationen sowohl zu einem neuen Verständnis der Phänomene als auch zu einer Veränderung der Situation als solcher zu gelangen. Er betonte in seinen Texten wiederholt den epistemologischen Wert eines solchen praxisbasierten Reflexionsansatzes gegenüber dem Modell einer rein ›technischen Rationalität‹ und lotete dessen Potential hinsichtlich der Generierung von neuem Wissen aus. When someone reflects-in-action, he becomes a researcher in the practice context. He is not dependent on the categories of established theory and technique, but constructs a new theory of the unique case. […] He does not separate thinking from doing […] reflection-in-action can proceed, even in situations of uncertainty or uniqueness, because it is not bound by the dichotomies of Technical Rationality.357

Schöns Aussage legt nahe, dass die Theoriebildung den praktischen Handlungen weder vorausgehend, noch nachfolgend sei, sondern dass beide Modi bei der Wissensgenerierung miteinander verschränkt seien. Anders formuliert – und dieser Punkt ist heute von zentraler Bedeutung für die praxisbasierte Designforschung – kann im Sinne Schöns eine Reflexion durch praktisches Handeln ›neue‹ Erkenntnisse und ›neues‹ Wissen generieren. Schön selbst ging davon aus, dass »reflection-in-action« zwar ein außergewöhnlicher Prozess, aber keine Seltenheit sei. Für gewisse »reflective practitioners« stelle die praktische Selbstreflexion das Herzstück ihrer beruflichen Praxis dar. Allerdings werde diese praxisbasierte Selbstreflexion sowohl von Wissenschaftlern als auch von Berufsfachleuten nur unzureichend als legitimes berufliches Wissen anerkannt und wertgeschätzt, da Professionalität in der Regel immer noch an den Maßstäben eines technisch-wissenschaftlichen Wissens gemessen werde.358 auf Expertenstufe als ›Intuition‹ bezeichneten. Vgl. Dreyfus/Dreyfus: Mind over Machine. 1986, S. 29. 356. Schön: The Reflective Practitioner. 1983, S. 62. 357. Schön: The Reflective Practitioner. 1983, S. 68 f. 358. Schön: The Reflective Practitioner. 1983, S. 69.

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Reflektierte Praxis in Design und Designforschung Um seine theoretischen Überlegungen zum »reflective practitioner« auch empirisch zu festigen, führte Schön eine Reihe von Fallstudien durch. Er untersuchte einige fachberufliche Bereiche, die in jeweils unterschiedlichem Maß auf wissenschaftliches Fachwissen und Methodik zurückgreifen. Dazu gehören Psychotherapie, Ingenieurwesen, Stadtplanung und Management sowie Design und Architektur. Da auf Schöns Aussagen zum Design in der gegenwärtigen Designtheorie und -forschung oft (jedoch in unvollständiger Weise) Bezug genommen wird, soll im Folgenden näher auf sie eingegangen werden. In einer Schlüsselstelle des Buches The Reflective Practitioner beschreibt Schön das ›Design‹ als eine »conversation with the materials of a situation« und nimmt damit auf die Interaktion zwischen ›Designer‹, konkrete ›Situation‹ und ›Problemlösungsprozess‹ Bezug.359 A designer makes things. Sometimes he makes the final product; more often, he makes a representation – a plan, program, or image – of an artifact to be constructed by others. He works in particular situations, uses particular materials, and employs a distinctive medium and language. Typically, his making process is complex. […] Because of his complexity, the designer's moves tend, happily or unhappily, to produce consequences other than those intended. […] He shapes the situation, in accordance, with his initial appreciation of it, the situation ›talks back‹, and he responds to the situation’s back-talk. In a good process of design, this conversation with the situation is reflective.360

Schön konstatiert jedoch, dass nicht jeder Designer die genannte Selbstreflexion im selben Maß vollziehe. Die Ausgeprägtheit des gestalterischen Reflexionsvermögens ist seines Erachtens abhängig von individuellen Zugängen und normativen Prägungen, etwa durch bestimmte Architekturschulen und Stilvorbilder.361 Damit akzentuiert er zugleich auch die historisch-kulturelle Dimension von Designpraktiken und grenzt sich von einem allzu weiten Designverständnis ab, wie es etwa bei Simon zu finden ist: »Herbert Simon and others have suggested that all occupations engaged in converting actual to preferred situations are concerned with design. Increasingly there has been a tendency to think of policies, institutions, and behavior itself, as objects of design.«362 Demgegenüber stand Schön der Frage, wie weit Design ge359. 360. 361. 362.

Schön: The Reflective Practitioner. 1983, S. 78 f. Schön: The Reflective Practitioner. 1983, S. 78 f. Schön: The Reflective Practitioner. 1983, S. 103. Schön: The Reflective Practitioner. 1983, S. 77.

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fasst werden sollte, ambivalent gegenüber: Zum einen riskiere man durch ein zu weites Designverständnis, relevante Differenzen zwischen unterschiedlichen Medien, Kontexten, Zielen und Wissensbeständen zu unterschätzen oder sogar zu ignorieren, zum anderen sei es aber vielleicht doch möglich, einen »typischen« Designprozess zu beschreiben, der diesen Differenzen zugrunde liege.363 Letztlich war er jedoch nicht gewillt, eine allgemeine Theorie der Praxis oder des Design zulasten der Beschreibung von konkreten sozialen Praktiken und historischen Kontexten zu formulieren. Das Konzept des »reflective practitioner« bzw. der »reflection-in-action« liefert Vielen eine willkommene theoretische Basis, um die praxisbasierte Designforschung, wie sie seit den 1990er Jahren im Kontext von europäischen Kunsthochschulen propagiert wird,364 zu argumentieren und zu rechtfertigen. In The Reflective Practitioner thematisiert Schön eine Anzahl Aspekte und Fragestellungen, die auch heute für die Designforschung virulent sind. Es sind dies Aspekte und Fragen zu einem spezifischen ›Wissen der Praxis‹, das sich nicht bloß als eine Anwendung von theoretisch-methodischen Wissen verstanden wissen will, sondern sich während der Ausübung einer praktischen Tätigkeit, im konkreten Umgang mit ›neuen‹ Situationen und ›neuartigen‹ (aber auch bekannten) Materialen und Techniken zu entfalten vermag. Tatsächlich stellte sich bereits Donald Schön die Frage, ob solch ein reflektiertes praktisches Vorgehen als ›Forschung‹ bezeichnet werden könnte: Clearly, then, when we reject the traditional view of professional knowledge, recognizing that practitioners may become reflective researchers in situations of uncertainty, instability, uniqueness, and conflict, we have recast the relationship between research and practice. For on this perspective research is an activity of practitioners.365

Doch obwohl er dem praktischem Handeln zweifellos ein eigenes Erkenntnispotential zusprach, hielt er letztlich die Grenze zwischen ›wissenschaftlicher‹ und ›praxisbasierter‹ Forschung aufrecht – und unterscheidet er sich darin wesentlich von heutigen Debatten zur praxisbasierten Forschung. In einem wissenschaftlichen Sinne könne nicht von einem »Austausch« zwischen Forschung und Praxis oder von einer »Implementierung« der praxisbasierten Forschungsresultate gesprochen werden, so Schön, da das Experimentieren in einer praktischen Situation diese immer auch verändere.366 In seiner Lesart erhält praxisbasierte Forschung ihre Legitimation 363. 364. 365. 366.

Schön: The Reflective Practitioner. 1983, S. 77. Vgl. dazu im 1. Kapitel, Abschnitt a. Schön: The Reflective Practitioner. 1983, S. 308. Schön: The Reflective Practitioner. 1983, S. 308 f.

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vornehmlich durch ihre Relevanz für die Praxis – für die jeweilige Profession und das jeweilige Berufsfeld – nicht aber hinsichtlich wissenschaftlicher Erkenntnisse. Für letztere blieben seines Erachtens nach wie vor die Wissenschaften zuständig, etwa indem sie jene Rahmenbedingungen analysieren, innerhalb derer Berufsfachleute ihre Problemlösungsansätze und ihr Rollenverständnis definieren.367 Derzeit berufen sich Designforschende im Anschluss an Schön vermehrt auf die These, dass Designforschung vor allem ein für die Designpraxis relevantes Wissen produziere.368 Schöns Aussage, dass in einem wissenschaftlichen Sinne nicht von einer »Implementierung« praxisbasierter Forschungsresultate in der Wissenschaft gesprochen werden könne, wird als Ausgangslage für die Argumentation gewendet, dass sich Designforschung von wissenschaftlicher Forschung kategorisch unterscheide. Ebenfalls wird im Anschluss an Schön argumentiert, dass Designforschung sich von wissenschaftlicher Forschung dadurch unterscheide, da sich ihre ›Rahmenbedingungen‹ fortlaufend, das heißt noch während des Experiments, veränderten.369 Diese Argumentation scheint zwar nachvollziehbar zu sein, fraglich bleibt aber dennoch, ob sie als Abgrenzungsmotiv von Designforschung gegenüber wissenschaftlicher Forschung Bestand haben kann. So werden mit einer solchen Aussage jene wissenschaftshistorischen Arbeiten ignoriert, die denselben Befund zum Beispiel für die Vorgehensweisen der experimentellen Forschung in den Naturwissenschaften festhalten.370 Ebenfalls dürfen die Rahmenbedingungen von sozial- und geisteswissenschaftlicher Forschung als instabil und evolvierend gelten. James Elkins kritisiert darüber hinaus aus einer anderen Perspektive, dass eine unbedarfte Adaptation von Schöns Thesen in der praxisbasierten Forschung, nicht nur den Begriff der ›Praxis‹, sondern auch die Begriffe ›Intuition‹ und ›Kreativität‹ überbetonen und damit den Begriff der ›Forschung‹ überstrapazieren würden.371 Gleichwohl rehabilitiert Schön in seinem Werk die Dimension praktischen Erfahrungswissens gegenüber den oftmals einseitig technischen und rationalistischen Planungs- und Problemlösungstheorien der 1960er und -70er Jahre. Mit dem Auf kommen von praxisbasierter Forschung an Kunsthochschulen in den 1990er Jahren begannen sich, zumindest aus der Sicht von Kunst und Design, indes auch jene Grenzen aufzulösen, die Schön seinerzeit noch trennscharf zwischen ›wissenschaftlicher‹ und ›praxisbasierter‹ Forschung zu ziehen vermochte. Mit dem wachsenden 367. 368. 369. 370. 371.

Schön: The Reflective Practitioner. 1983, S. 309. Vgl. etwa Findeli: Die projektgeleitete Forschung. 2004, S. 40–51. In diesem Sinne etwa bei Jonas: Forschung durch Design. 2004, S. 30. Vgl. Rheinberger: Experimentalsysteme und epistemische Dinge. 2001, S. 21–23. Elkins: On Beyond Research and New Knowledge. 2009, S. 113.

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Anspruch, Designpraktiken als ›genuine‹ Wissensform zu bestimmen, verschärft sich dieses konfliktreiche Vergleichspotential in dem Maß, wie die für die unterschiedlichen Forschungskonzepte als charakteristisch angenommenen Aspekte zueinander in Opposition gesetzt werden.

d. Resümee In diesem Kapitel habe ich in den drei Abschnitten ›erweiterte Designauffassungen‹, ›Design als Problemlösungs- und Planungshandeln‹ und ›Design als reflektierte Praxis‹ unterschiedliche Designauffassungen und -selbstverständnisse diskutiert, die für das Verständnis des gegenwärtigen Wissensdiskurses im Designtheorie und -forschung instruktiv sind. Die Auffassung, Design als eine generalistische Aktivität, nicht als spezialisierte professionelle Praxis zu definieren, kam zwar erst in den 1960er Jahren im Zuge von Problemlösungs- und Planungstheorien deutlich und nachhaltig zum Tragen, ihre diskursiven Wurzeln sind aber weitaus älter und gehen bis Anfang des 20. Jahrhundert zurück. Bereits Walter Gropius fundierte seine ›Bauhauspädagogik‹ auf einer holistischen Vorstellung von Kunst und Gestaltung, die mit romantisch-idealistischen Motiven des ausgehenden 19. Jahrhunderts korrespondierten. Der Einfluss dieses Gedankenguts aktualisierte sich in den darauf folgenden Jahrzehnten auf unterschiedliche Weise, wobei sich vor allem die Dichotomie ›ideell‹ versus ›materiell‹ für Designdefinitionen als konstitutiv erwies. Van der Rohe sprach von der »Bauhaus-Idee«, Moholy-Nagy verstand Design als eine »Haltung«, als ein »Denken in Beziehungen«, Burckhardt dachte an gesellschaftliche ›Gesamtkomplexe‹, die es zu entwerfen gilt, und für Bonsiepe findet Design an den ›Schnittstellen‹ zwischen Benutzer, Artefakt und intendierter Handlung statt. In den diskutierten Aussagen zeigte sich, dass ein Fach übergreifendes, interdisziplinäres und vor allem gesellschaftswirksames Potential von Gestaltung und Design seit Beginn der modernen Kunstund Designausbildung im Zentrum des Interesses statt. Dabei kann immer wieder aufs Neue eine Marginalisierung in der Betrachtung von konkreten gestalterischen Praktiken und ökonomischen Produktionskontexten konstatiert werden. Darüber hinaus war durch die Jahrzehnte hindurch auch das wechselhafte und flexible Verhältnis von Design zu Kunst und Wissenschaft dafür zuständig, wie das Selbstverständnis von Designerinnen und Designern begründet und ihr Aufgabenfeld umrissen wurde. Während Max Bill die Designausbildung an der HfG Ulm zu Beginn noch in die ›werkkünstlerische‹ Tradition des Bauhauses stellte, nahmen in den folgenden Jahren zeitgemäßere wissenschaftliche und technologische Leitmotive der 171

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Nachkriegszeit auch im Design überhand. Die Designausbildung und -methodik wurden mit Bezug auf (natur-)wissenschaftliche Systematik und Rigorosität neu formiert. Anhand der Positionen von Herbert Simon und Horst Rittel habe ich versucht, den Einfluss von Problemlösungs- und Planungstheorien aus den 1960er und -70er Jahren auf das Design zu veranschaulichen. In ihren Ansätzen verdichtet sich die Auffassung, Design stelle eine generalistische Tätigkeit dar. Design wird darin nicht länger als ›werkkünstlerische‹ Tätigkeit, sondern als allgemeines Problemlösungs- und Planungshandeln verstanden. Die Gleichsetzung von ›Design‹ und ›Planung‹ bzw. ›Problemlösung‹ sowie die darin inhärent rationalistische Prägung hat die Art und Weise Designpraktiken und -prozesse zu beschreiben bis heute nachhaltig beeinflusst. So hat sich etwa das (von Rittel problematisierte) lineare Prozessmodell der »Systemtheorie der 1. Generation«, das sich mit den Prozessphasen Define, Research, Ideate, Prototype, Choose, Implement, Learn wiedergeben lässt (oder vereinfacht als: Problematisierung, Entwurf, Darstellung) zu einem Standardmodell für Designlehre und -forschung etabliert.372 Ebenfalls hat sich die Annahme gehalten, Designprobleme analog zu Planungsproblemen als vertrackte, ›bösartige Probleme‹ zu definieren. Die Notwendigkeit einer solchen Analogiebildung wurde bereits in den 1960er Jahren, wie auch heute, durch eine wachsende Komplexität von gesellschaftlich-technischen Problemen begründet. Die Argumentation, auf die sich ein daraus erwachsenes Designverständnis bezieht, ist selbstrefentiell: Durch das Anführen grundlegender Veränderungen gesellschaftlichtechnischer Art wird zugleich die Notwendigkeit einer ›erweiterten Designauffassungen‹ behauptet und der ontologische Wirkungsbereich von Design darin ›neu‹ konzipiert. So heißt es bezeichnenderweise bei Norbert Bolz, »je komplexer unsere Welt wird, desto dringlicher wird Gestaltung der Schnittstelle von Menschen und Systemen. […] Design zielt deshalb heute nicht mehr auf funktionalistisch-sachliche Transparenz, sondern auf Sicherheit und Weltvertrauen«.373 Vermittels des Narrativs einer zunehmenden Komplexität, das übrigens auch Techniktheorien seit dem 19. Jahrhundert anleitet,374 wird in der Designtheorie und -forschung auf persistente Weise das Motiv verstetigt, Design sei eine ›demokratische‹, ›emanzipatorische‹ Praxis, die auflösende Gesellschafts- und Wissensordnungen wieder aneinanderbinden könne. Dieses Motiv von Design als ›Synthese‹ wird im folgenden Kapitel eingehend behandelt und problematisiert. 372. Vgl. Zum Beispiel Sudrow, Otto: Industrial Design. Der Designprozess. In: Stankowski, Anton; Duschek, Karl: Visuelle Kommunikation Design-Handbuch.Berlin. 1994 [1989], S. 244–268, hier S. 253. 373. Bolz: Bang Design. 2006, S. 39. 374. Vgl. dazu: Fohler, Susanne: Techniktheorien. Der Platz der Dinge in der Welt des Menschen. München. 2003, hier insbesondere S. 25–101.

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Anhand der Positionen von Dreyfus und Dreyfus, Dorst und Lawson sowie Schön wurde schließlich der Aspekt von ›Erfahrungswissen‹ im Design beleuchtet. Die Wissenskonzepte dieser Autoren kontrastieren die Ansicht, Design sei ein analysier- und berechenbares Problemlösungs- und Planungshandeln um die Dimension eines praktischen Erfahrungswissens. Da dieses oft mit Attributen wie ›intuitiv‹ oder ›implizit‹ charakterisiert wird, weisen seine Beschreibungen eine gewisse Anfälligkeit für Naturalisierungen auf. Problematisiert wurde am Beispiel von Dorst und Lawson, dass in Modellen, die versuchen, praktisches Wissen im Design zu beschreiben, bisweilen unbemerkt Mythen historischer Künstler- und Kreativitätsnarrative weitergeführt werden. Durch eine Vergegenständlichung dieser Narrative in die Form von angeblich ›objektiven Modellen‹ wird jedoch eine ideologiefreie Beschreibung von Designpraktiken erschwert, wenn nicht sogar verunmöglicht. Auch dieser Aspekt wird im 3. Kapitel weiter ausgeführt. Die im vorliegenden Kapitel gewählten Positionen decken das Spektrum möglicher Designauffassungen selbstredend nicht ab.375 Auch die Interpretation der hier dargestellten Positionen wäre unter einer anderen Fragestellung anders ausgefallen. Die behandelten Positionen und Aspekte sind meines Erachtens dennoch relevant, um die historische und diskursive Bedingtheit von Designauffassungen und -selbstverständnissen besser zu verstehen. An ihnen kann beobachtet werden, dass selbst idealistisch oder essentialistisch argumentierende Designdefinitionen und -ontologien an das charakteristische Gedankengut, an den ›Stil‹ ihrer Zeit gekoppelt sind – dass darin aber auch diskursive Sedimente älterer Ideen und Ideale nachwirken. Diese Einsicht trägt dazu bei, die nachfolgend diskutierten Positionen und Motive zum Status von Wissen im Design ebenfalls als historisch kontingent zu verstehen und weitreichend kontextualisieren zu können, denn: Designauffassungen und -selbstverständnisse spiegeln keineswegs die ›Natur‹ ihres Gegenstandes wieder. »Die Welt der konkreten Dinge ist kein getreues Abbild des Reiches der Essenzen«, schreibt Arthur Lovejoy in seiner Ideengeschichte, die »Merkmale und das Ausmaß an Inhalt und Vielfalt, die sie besitzt, hat sie zufällig. […] Sie ist nun einmal eine Welt der Kontingenz«.376 Auch Designauffassungen und -selbstverständnisse konstituieren sich aus historischer Sicht entlang von soziokulturellen Diskursen und werden mit diesen, gegen und durch diese geformt. Die Annahme von komplexen diskursiven Überlagerungen und soziokulturellen Effekten steht freilich der in der Designtheorie und -forschung oft zu beobachten375. Salustri/Eng: Design as...: Thinking of what Design might be. 2007, S. 19–28. 376. Lovejoy, Arthur O.: Die große Kette der Wesen. Geschichte eines Gedankens. Frankfurt a. Main. 1993, S. 397.

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den Bemühung um eine allgemeine, kategorische oder essentialistische Definition von Design diametral entgegen. Um dennoch ein eindeutiges Bild von Design zu erhalten (besser: zu forcieren), werden dann auf problematische Weise Naturalisierungsfiguren bemüht, wie jene, die Design als naturgegebene conditio humana seiner Geschichte zu entziehen versucht. Hier kann das Wissen um die historische und intellektuelle Herkunft bestimmter Denkfiguren und Theorieansätze dazu beitragen, in Designtheorie und -forschung perpetuierte Leitmotive klarer benennen und gezielter problematisieren zu können. Entlang der in diesem Kapitel behandelten historischen Designauffassungen zeichnet sich bereits ab, was im Folgenden nun eingehender untersucht wird: die Auffassung von Design als ›gesonderte‹ Wissensform, als ›dritte Kultur‹ des Wissens.

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3. Vom Wissen im Design und seinen diskursiven Leitmotiven

Die Frage, ob Design über eine eigene Wissensform verfüge, wird oft in Abhängigkeit zu der Frage gesehen, ob und wie Design von Wissenschaft, Kunst und Technik zu unterscheiden sei. Design sei eine »gesonderte Art menschlicher Tätigkeit«, die mit anderen unterscheidend verglichen werden könne, nicht aber vergleichend verschmolzen werden solle, konstatiert Wolf Reuter.1 Er folgert daraus, dass auch das Wissen im Prozess des Design, einschließlich der Art, wie es erzeugt, organisiert, eingeschätzt und verarbeitet werde, ein »gesondertes Wissen« sei und eine der Grundlagen des Design darstelle. Damit schließt sich Reuter an historische Wissensbestimmungen im Design an, die Designwissen von anderen Wissensformen differenzieren. Wir wir bereits gesehen haben, wurde die Designtätigkeit spätestens seit dem Design Methods Movement in den 1960er Jahren als distinktes Handlungsfeld definiert und es wurde zwischen ›design‹ und ›science‹ unterschieden.2 Neuere Wissensbestimmungen im Design sind darüber hinaus mit dem Aufkommen von Designforschung an internationalen Kunsthochschulen und -universitäten seit Anfang der 1980er Jahre zu begründen.3 Design wurde und wird seitdem nicht mehr nur als professionelle Praxis verstanden, sondern als Form der Wissenserzeugung befragt. Zu Beginn der 1980er Jahre setzte zugleich auch eine Aufwertung von praktischem Erfahrungswissen, wie sie namentlich Donald Schön oder Hubert und Stuart Dreyfus propagierten, auch in anderen wissen-

1. 2. 3.

Reuter, Wolf: Wissen im Design. Text auf http://home.snafu.de/jonasw/PARADOXReuterD. html [Okt. 2010], Abschnitt: Schlussbemerkung. Cross: A History of Design Methodology. 1993, S. 18. Vgl. dazu 1. Kapitel, Abschnitt a.

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schaftlichen Feldern ein. 4 Zahlreiche Autoren plädieren seither dafür, die Designtätigkeit, bzw. die daraus resultierenden Erkenntnisse, als ›gesonderte‹ Wissensform zu verstehen, die von dem Wissen der Künste als auch der Wissenschaften zu unterscheiden sei. Es wird mithin sogar versucht, ›Designwissen‹ – um bei dieser unscharfen, aber produktiven Formulierung zu bleiben – in einem allgemeingültigen Sinne, also kategorisch oder essentiell zu bestimmen und derart von anderen Wissensformen zu unterscheiden. Ziel dieses sowie auch des nachfolgenden Kapitels ist es hingegen aufzuzeigen, dass, vor allem aber wie Wissensbestimmungen im Design durch implizite diskursive Leitmotive sowie Interferenzen mit anderen Wissensdiskursen geprägt werden. Gleichzeitig wird damit eine neue Perspektive eröffnet, in der Design als ein situierter Wissensdiskurs untersucht wird. Von ›situiertem Wissen‹ zu sprechen, bedeutet eine Perspektive auf Wissen einzunehmen, die keine allgemeingültige Geltung beansprucht, sondern stattdessen den partikulären soziokulturellen Ort von Körpern und Subjekten in die Bestimmung und Beschreibung von Wissen mit einbezieht.5 Sowohl Design als auch Wissen werden in dieser Sichtweise nicht als essentielle oder kategorische Entitäten aufgefasst, sondern als »vielgestaltige Effekte einer sozial konstruierten Wirklichkeit«,6 als Diskurse im Sinne von Michel Foucault. Wie in der Einleitung bereits festgehalten wurde, sind Diskurse nicht bloß als ein Sprechen über die Dinge zu verstehen, sondern stellen selbst wirksame Praktiken dar, »die systematisch die Gegenstände bilden, von denen sie sprechen«.7 Aus diesem Grund werde ich im folgenden Aussagen zur Bestimmung von ›Designwissen‹ hinsichtlich der Fragestellung untersuchen, welche Leitmotive oder »diskursiven Regelmäßigkeiten«8 in ihnen perpetuiert werden. Als »diskursive Regelmäßigkeiten« werden in der Diskursanalyse Aussagen und Begriffe bezeichnet, die sich in einem Diskurs häufig wiederholen und diesen als sinn- und ordnungsstiftende Elemente stabilisieren und strukturieren. Der Ausdruck ›Motiv‹ oder ›Leitmotiv‹, den ich im folgenden einfachheitshalber benutze, bezeichnet ein »typisiertes Ensemble von Deutungsbausteinen«, aus denen ein Diskurs im Wesentlichen besteht und die in einzelnen Äußerungen mehr oder weniger umfassend aktualisiert werden.9 Diesbezüglich konnten für die

4. 5.

6. 7. 8. 9.

Schön: The Reflective Practitioner. 1983 sowie Dreyfus/Dreyfus: Mind over Machine. 1986. Vgl. dazu 2. Kapitel, Abschnitt c. Design als reflektierte Praxis. Haraway, Donna: Situiertes Wissen. Die Wissenschaftsfrage im Feminismus und das Privileg einer partialen Perspektive. In: Hark, Sabine (Hg.): Dis/Kontinuitäten: Feministische Theorie. Wiesbaden. 2007, S. 305–322, hier S. 317. Berger/Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. 1980, passim. Foucault: Archäologie des Wissens. 1981, S. 74. Sarasin: Geschichtswissenschaft und Diskursanalyse. 2003, S. 48 f. Keller: Diskursforschung. 2007, S. 64.

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Diskursive Leitmotive

Designforschung folgende drei zentralen Motive herausgeschält werden: ›Synthese‹, ›Innovation‹ und ›implizites Wissen‹. Diese Motive stellen auf jeweils unterschiedliche Art und Weise diskursive Verdichtungen und Knotenpunkte in den Wissensdebatten in der Designtheorie und -forschung dar. An und mit ihnen wird das Verhältnis von Design und Wissen diskursiv verhandelt, aktualisiert und verstetigt. Sie sind konzeptuelle ›Marker‹, die immer und immer wieder bemüht werden, um ›wesentliche‹ Eigenschaften und Merkmale von Design und Designwissen zu benennen. Ihre Untersuchung stellt eine mögliche, gewiss aber nicht zwingende Orientierungshilfe durch diese Debatten dar. Die Texte, auf die sich die nachfolgenden Ausführungen beziehen, behandeln Wissensdebatten in der Designtheorie und -forschung im grob bemessenen Zeitraum von Anfang der 1980er Jahre bis in die Gegenwart.10 Von Interesse ist, wie eigentlich in den letzten Jahrzehnten und vor allem aber gegenwärtig im Bereich der Designforschung und -theorie über Wissen im Design gesprochen wird, welche Konzepte dazu immer wieder verwendet werden und welche Argumentationslinien man in diesen oftmals redundanten Debatten nachzeichnen und somit verdichten kann. Die genannten Motive werden jedoch nicht nur in einschlägigen Designtexten adressiert, sondern sie werden darüber hinaus auch im Hinblick auf thematisch verwandte Debatten zu den Motiven ›Synthese‹, ›Innovation‹ und ›implizites Wissen‹ außerhalb des Design kontextualisiert, um sie so zu schärfen. Der Darstellung und Analyse der Leitmotive geht zunächst jedoch eine Einleitung zur Semantik von ›Designwissen‹ voraus, um zentrale Begriffe vorzustellen und ihre Bedeutung für die oben formulierte Fragestellung zu verdeutlichen.

a. Die Semantik von ›Designwissen‹ Die inhaltlichen Auseinandersetzungen zur Bestimmung von Wissen im Design finden nicht nur auf pragmatischer Ebene, etwa in Ausbildungsund Forschungsprogrammen statt, sie lassen sich auch auf semantischer Ebene beobachten. Davon zeugen Begriffsschöpfungen wie ›designerly ways of knowing‹, ›design knowledge‹ oder ›design thinking‹. Nachfolgend wird in Kürze dargestellt, aus welchen Kontexten diese Begriffe stammen und auf welche Auffassungen bzw. Konnotationen von Design sie sich beziehen. Dabei kann vorweg genommen werden, dass sich diese Begriffe kaum distinkt voneinander unterscheiden lassen, noch werden sie in der 10.

Freilich ist diese zeitliche Begrenzung dort nur schwer aufrechtzuerhalten, wo sich die genannten Texte ihrerseits auf ältere Aussageereignisse beziehen.

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Design al s Wissenskultur

Designforschung stringent benutzt. Ich möchte sie jedoch dahingehend lesbar machen, dass an und mit ihnen veritable ›Stellvertreterkämpfe‹ um die ›richtige‹ Deutung und Bestimmung der Wissensbestände im Design geführt werden. Anders und etwas positiver formuliert, könnte hinter dem Ringen um die passenden Begriffe ein produktives Ringen um ein präziseres Bild des Gegenstandes stehen.

Zu den Begrif fen ›designerly ways of knowing‹ und ›design knowledge‹ Als bedeutsame und zugleich problematische Termini der Designforschung sind die Begriffe ›designerly ways of knowing‹ und ›design knowledge‹ hervorzuheben, die auf den britischen Designtheoretiker Nigel Cross zurückgehen. Brian Lawson würdigte ihre Bedeutung mit denen Worten: »It is probably fair to say that there is a general consensus among researchers that there is indeed such a thing as a ›designerly way of knowing‹«.11 Ob dieser Konsens tatsächlich so einmütig besteht, darf bezweifelt werden. Konstatiert werden kann jedoch, dass der Begriff gegenwärtig vermehrt diskutiert wird – wenngleich er nur selten angemessen problematisiert wird. Nigel Cross plädiert mit Nachdruck dafür, Design als eine eigenständige Wissensform zu betrachten, deren Wissen von Kunst und Wissenschaft zu unterscheiden sei: Our concern in design research has to be the development, articulation and communication of design knowledge. Our axiom has to be that there are forms of knowledge peculiar to the awareness and ability of a designer, just as the other intellectual cultures in the sciences and the arts concentrate on the forms of knowledge peculiar to the scientist or the artist.12

Den von ihm skizzierten ›epistemologischen Sonderstatus‹ von Design spitzt er noch weiter zu, indem er schreibt, dass bislang die »zwei Kulturen« der Natur- und Geisteswissenschaften das Bildungswesen dominiert hätten.13 An diesen Befund koppelt er den Wunsch nach einer »dritten Kultur«, die aus seiner Sicht bis anhin vernachlässigt und nicht angemessen artikuliert worden sei: die Wissenskultur des Design. Seine diesbezüglichen Ausführungen beziehen sich auf einen Bericht des Royal College of Art in London aus dem Jahre 1979, worin Bruce Archer und weitere Autoren diese »dritte Kultur« als »Design with a capital D« bezeich11. 12. 13.

Lawson: What Designers Know. 2004, S. 3. Cross: Design Research: A Disciplined Conversation. 1999, S. 5. Cross: Designerly Ways of Knowing. 2006, S.1.

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Diskursive Leitmotive

nen, und sie als »the collected experience of the material culture, and the collected body of experience, skill and understanding embodied in the arts of planning, inventing, making and doing« beschreiben.14 Vor dem Hintergrund von Bildungsreformen an britischen Kunsthochschulen waren Archer und seine Mitautoren bestrebt, Design nicht länger als eine spezialisierte Fachausbildung zu betreiben, sondern als »dritte Kultur« neben den Geistes- und Naturwissenschaften zu etablieren. Entsprechend programmatisch halten sie fest: »Design has its own distinct ›things to know‹, ways of knowing them, and ways of finding out about them«.15 Cross greift diese Argumentation auf und findet mit den Begriffen ›designerly ways of knowing‹ und ›design knowledge‹ einprägsame Nenner dafür.16 Die wesentlichen Charakteristika einer »dritter (Wissens-)Kultur« des Design sind für Cross die folgenden:17 Design befasse sich hauptsächlich mit der Konzeption und Realisation von neuen Dingen, untersuche die Bedeutung der materiellen Kultur und umfasse die Kunst des Planens, Erfindens, Herstellens und Tuns. Als wichtigste Fertigkeit im Design nennt er »das Modellieren« und stellt dieses neben die rechnerischen Fertigkeiten (numeracy) der Naturwissenschaften und die schriftliche Bildung (literacy) der Geisteswissenschaften. Weitere Distinktionen zwischen diesen Feldern macht er zudem auf der Ebene ihrer Untersuchungsgegenstände und Methoden fest.18 Die Naturwissenschaften beschäftigten sich seines Erachtens mit der »natürlichen Welt« und ihre Methoden seien das kontrollierte Experiment, die Klassifikation und die Analyse. Die Geisteswissenschaften hätten demgegenüber die »menschliche Erfahrung« zum Thema und untersuchten diese mittels Analogien, Metaphern und Evaluationen. Im Design schließlich sei die »künstliche Welt« Gegenstand der Untersuchung und die Methoden seien Modellierung, Musterbildung und Synthese. Deutlich wird aus dieser Charakterisierung des Design eine intellektuelle Verbundenheit mit den Prämissen des Design Methods Movement sichtbar. Sie zeigt sich beispielsweise in der kategorialen Unterscheidung zwischen Design und Wissenschaft.19 Ebenfalls sind Anleihen an Herbert Simons Überlegungen zu ›Artifizialität‹ und ›Synthese‹20 sowie zu Christopher Alexanders strukturalistischer Pattern Language erkennbar.21 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21.

Zit. nach: Cross: Designerly Ways of Knowing. 2006, S. 1. Cross: Designerly Ways of Knowing. 2006, S. 1. Cross: Designerly Ways of Knowing. 2006, S. 5, S. 100 ff. Cross: Designerly Ways of Knowing. 2006, S. 1 f. Cross: Designerly Ways of Knowing. 2006, S. 2. Cross: A History of Design Methodology. 1993, S. 18. Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 4 f. Vgl. Alexander: A Pattern Language. Towns, Buildings, Construction. 1977.

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Das Wissen des Design speist sich für Cross aus drei wesentlichen »Quellen«: den »Akteuren«, »Prozessen« und »Produkten« des Design: Design knowledge resides firstly in people: in designers especially, but also in everyone to some extent. […] Design knowledge resides secondly in processes: in the tactics and strategies of designing. […] Thirdly […] design knowledge resides in products themselves: in the form and materials and finishes, which embody design attributes.22

Etwas allgemeiner formuliert, charakterisiert Cross auf diese Weise ein Wissensmodell des Design, das sich auf die (subjektiven) Erfahrungen von Designerinnen und Designern stütz, das prozessgeleitet und objektbzw. materialbasiert sein soll. Mit dieser Charakterisierung schließt Cross erneut an zeithistorische Designdebatten an. Zur Erinnerung: Im 2. Kapitel wurde die Bedeutung von Konzepten zum praktischen, oftmals subjektiven Erfahrungswissen für das Design behandelt (die Stichworte sind hier: reflective practitioner und Dreyfus-Modell). In Cross’ Ansatz zum Wissen im Design finden sich deutlich Spuren dieser Konzepte wieder. Ebenfalls weist seine Betonung der Designprozesse auf die Konzeptionen von Design als Problemlösungs- und Planungshandeln hin, wie ich sie oben am Beispiel von Herbert Simon und Horst Rittel diskutiert habe. Diese Ansätze dürfen als wichtiger diskursiver Hintergrund von Cross’ Wissensmodell und damit verwandten Modellen gelten. Aus diesem Grund habe ich sie im 2. Kapitel ausführlicher behandelt. Nicht thematisiert wurde bislang allerdings die Bedeutung von materiellen Objekten in der Designtheorie. Um ein besseres Verständnis für die designtheoretischen Grundlagen zu erlangen, vermittels derer Designobjekte als ›Wissensobjekte‹ adressiert werden (wie beispielsweise bei Cross), sollen im Folgenden zwei Ansätze bzw. Konzepte vorgestellt werden, die in ihrer Theoriebildung von den Objekten des Design ausgehen und deren rezeptive Wirkungsmacht und Aussagekraft befragen. Es ist sind dies der Ansatz der ›Produktsemantik‹ sowie das Konzept der ›Affordance‹. Sprache des Design und latenter Angebotscharakter Semiotisch-semantische Ansätze galten vor allem in den 1970er und -80er Jahren als vielversprechende Modelle zur rezeptionsästhetischen Beschreibung von Designobjekten. Durch das Verständnis von Designobjekten als kommunikative Bedeutungsträger wurde angestrebt, theoretische Alternativen zu den als einseitig erachteten ›funktionalistischen‹ 22.

Cross: Designerly Ways of Knowing. 2006, S. 100 f. Kursivsetzung im Original.

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Abb. 10: Klaus Krippendorff: Artefakte in Sprache und Kommunikation

Designmodellen der Klassischen Moderne zu entwickeln. »Design ist eine Disziplin, die nicht nur materielle Realität erzeugt, sondern insbesondere kommunikative Funktionen erfüllt«, fasst Bernhard Bürdek das Desiderat der Produktsemantik zusammen.23 In den 1960er Jahren war die Semiotik namentlich an der HfG Ulm ein wichtiger Bestandteil der Designlehre. Semiotische Ansätze wurden herangezogen, um eine spezifische Zeichentheorie für die Produktgestaltung und -analyse zu entwickeln. Max Bense legte unter dem Einfluss von mathematischen Infor mationstheorien (wie etwa von Weaver und Shannon)24 Ansätze zu einer eigenständigen Bildsemiotik vor.25 Ebenso wurde aber auch an der HfG Offenbach in den 1980er Jahren das Projekt einer Produktsemantik intensiv bearbeitet.26 Über Klaus Krippendorff und Reinhart Butter fand dieser so genannte ›Offenbacher Ansatz‹ dann Mitte der 1980er Jahre in den USA Verbreitung.27 Krippendorff definiert Produktsemantik als »a systematic inquiry into how people attribute meanings to artifacts and interact with them accordingly« und »a vocabulary and methodology for designing artifacts in 23. 24. 25. 26.

27.

Bürdek: Design. Geschichte, Theorie und Praxis der Produktgestaltung. 2005, S. 230. Vgl. Weaver, Warren; Shannon; Claude E.: The Mathematical Theory of Communication. Urbana, Illinois. 1949. Bense, Max: Zeichen und Design. Semiotische Ästhetik. Baden-Baden. 1971. Zur Produktsemantik arbeiteten dort Jochen Gros, Bernhard Bürdek und grundlegend Klaus Krippendorf. Vgl. Bürdek: Design. Geschichte, Theorie und Praxis der Produktgestaltung. 2005. Steffen, Dagmar (Hg.): Design als Produktsprache. Der »Offenbacher Ansatz« in Theorie und Praxis. Frankfurt a. Main. 2000. Gros, Jochen: Grundlagen einer Theorie der Produktsprache. Offenbach a. Main. 1983. Krippendorff, Klaus; Butter, Reinhart: Product Semantics. Exploring the Symbolic Qualities of Form. In: The Journal of the Industrial Designers Society of America. Vol. 3. Nr. 2. 1984; Krippendorff: The Semantic Turn. 2006.

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view of the meanings they could aquire for their users and the communities of their stakeholders«.28 [ Abb. 10 ] Obwohl die unterschiedlichen produktsemantischen Ansätze im Detail variieren, liegt doch ihre gemeinsame Zielsetzung darin, von sprachwissenschaftlichen Erkenntnissen ausgehend ein fundiertes Verständnis für die ›Sprache des Design‹ zu entwickeln. Alles was über ein Designobjekt ausgesagt werden könne, so Bürdek, Geschichte, Herstellungsverfahren, Benutzerkreis, Funktionslogik und ökonomischer Stellenwert, sei aus produktsemantischer Sicht kontextabhängig zu verstehen und werde sprachlich vermittelt.29 Das Primat einer sprachlichen Vermittlung bietet in der Designtheorie aber auch Anlass zur Kritik. Produktsemantischen Ansätzen wird vorgeworfen, dass sie einseitig an einer »grammatikalischen« Kommunikation durch Produkte interessiert seien und dadurch die pragmatischen und materialen Prozesse der Erfindung und Herstellung in der Produktentstehung vernachlässigten.30 Alternative Ansätze zur Produktsemantik suchen demgegenüber nach Möglichkeiten, Designobjekte und Designpragmatiken verstärkter aus einer produktionsästhetischen Perspektive zu analysieren und bedienen sich dazu beispielsweise bei Modellen aus der antiken Rhetorik.31 Auch in der von Cross postulierten Objektbasiertheit von ›design knowledge‹ findet sich die Idee von ›kommunikativen Objekten‹ und einer ›Designsprache‹ wieder. Allerdings sind in seinem Ansatz, anders als in der Produktsemantik, ›Wissen‹ und ›Objekte‹ auch auf einer nonverbalen Ebene miteinander verflochten. »Much everyday design work entails the use of precedents or previous exemplars – not because of laziness by the designer but because the exemplars actually contain knowledge of what the product should be«.32 Diese Aussage legt nahe, dass bereits durch die Anschauung bestehender Designobjekte neues Wissen über potentielle Entwürfe und Nutzungen generiert werden kann. Wissen wird in dieser Lesart gleichsam als ein in den materiellen Objekten ›verkörpertes‹ Wissen verstanden. An diese Vorstellung schließt auch das Konzept der ›Affordance‹ an, das auf deutsch nur unzureichend mit dem Ausdruck ›Angebotscharakter‹ wiedergegeben werden kann. Der Begriff geht auf den Wahrnehmungs28. 29. 30.

31.

32.

Krippendorff: The Semantic Turn. 2006, S. 2. Bürdek: Design. Geschichte, Theorie und Praxis der Produktgestaltung. 2005, S. 337. Buchanan, Richard: Declaration by Design: Rhetorik, Argument und Darstellung in der Designpraxis. Kommentar zu Klaus Krippendorff. In: Joost, Gesche; Arne, Scheuermann (Hg.): Design als Rhetorik. Grundlagen, Positionen, Fallstudien. Basel et al. 2008, S. 49–79, hier S. 78. Vgl. Bonsiepe, Gui: Visuell/Verbale Rhetorik, Visual/verbal Rhetoric. In: Zeitschrift ulm, Nr. 14/15/16. 1965, S. 23–40. Buchanan, Richard: Declaration by Design: Rhetoric, Argument, and Demonstration in Design Practice. In: Design Issues, Vol. 2, Nr l. 1985, S. 4–23. Ehses, Hanno: Representing Macbeth: A Case Study in Visual Rhetoric. In: Margolin: Design Discourse. 1998, S. 187–198. Joost/Scheuermann: Design als Rhetorik. 2008. Cross: Designerly Ways of Knowing. 2006, S. 101.

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psychologen James Gibson zurück und soll dazu dienen, die »latenten Handlungsangebote« von (natürlichen und artifiziellen) Objekten zu beschreiben.33 Zur Veranschaulichung dieses Gedankens kann folgendes Beispiel dienen: Eine Treppe bietet sich latent für multiple Nutzungen an. Das intendierte Angebot gilt der begehbaren Überwindung eines Gefälles, aber Treppen werden auch anders genutzt. Kinder spielen auf ihnen herum, Jugendliche benutzen das Geländer zum Rutschen. Die unterschiedlichen Aktionsmöglichkeiten, die das Objekt ›Treppe‹ bietet, können als »Komplex von Affordances« betrachtet werden, als eine Vielzahl potentieller Handlungsangebote, die sich erst in der Nutzung durch verschiedene Akteure realisieren.34 Mit Cross’ These, dass ›Designwissen‹ »in Produkten verkörpert« sei, kann das Konzept der ›Affordance‹ dahingehend in Verbindung gebracht werden, dass materiellen Designobjekten verschiedene Nutzungspotentiale zugeschrieben werden, die wiederum von spezifischen Objekteigenschaften, wie Formgebung oder Materialität, beeinflusst werden. Bereits die Anschauung dieser Objekteigenschaften könne, so die These, im Kontext ihrer Nutzung und mit Blick auf ihre Nutzerinnen und Nutzer Wissen darüber erzeugen, wie künftige Objekte zu gestalten seien. Ein derartiger Fokus auf die Objekte impliziert, dass diese – in einem vergleichbaren Sinne, aber in der Terminologie der Akteur-Netzwerk-Theorie – als Aktanten eines Akteurs-Netzwerk verstanden werden.35 Der Ansatz, Dinge bzw. Designobjekte als Akteure aufzufassen sowie das Sprechen von einem in den Objekten ›verkörperten‹ Wissen eröffnen jedoch nicht nur neue Perspektiven auf das Wissen im Design. Sie verlangen zugleich nach differenzierten Handlungs- und Wissensbegriffen, da ansonsten weder sinnvolle Auskunft über die Beziehung zwischen den Subjekten und Objekten des Wissens, noch über die Situiertheit von Wissen gegeben werden kann. Der Begriff der ›affordance‹ birgt – ebenso wie jener eines ›verkörperten‹ Wissens – die zu problematisierende Suggestion, dass zum einen Nutzungspotentiale, zum andern Wissen a priori in den Dingen angelegt und aus ihnen heraus kontextfrei bestimmbar seien. Will man den Angebotscharakter von Objekten jedoch in einer kontextsensitiven Weise beschreiben, ist in Betracht zu ziehen, dass Nutz- und Handlungsangebote stets vom Vorwissen und den Erwartungen eines individuellen Akteurs sowie von biologisch und kulturell bedingten Wahrnehmungsschemata abhängig sind.36 So weisen zum Beispiel Pierre Bourdieu, Judith Butler 33. 34. 35. 36.

Gibons, James J.: The Ecological Approach to Visual Perception. Boston. 1979. Erlhoff, Michael; Marshall, Tim (Hg.): Wörterbuch Design. Begriffliche Perspektiven des Design. Basel et al. 2008, S. 12 ff. Latour: Die Hoffnung der Pandora. 2002, S. 236. Bereits Rudolf Arnheim hat diesen Umstand beschrieben. Vgl. Ders. Anschauliches Denken.

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oder Donna Haraway darauf hin, dass die Vorstellung eines ›verkörperten‹ Wissens auf den ›sozialen Charakter‹ von Wissen zurückzuführen sei und vor diesem Hintergrund auch zu adressieren und zu problematisieren sei.37 Haraways Ansatz eines »situierten Wissens« benennt den Umstand, dass die historischen, politischen und gesellschaftlichen Existenzbedingungen einzelner Subjekte sehr unterschiedlich seien und der Akt des Wissens oder Erkennens nur partiell, das heißt von einem bestimmten Standpunkt aus erfolgen könne.38 Diese Einsicht gilt meines Erachtens auch für den analytischen Umgang mit Designobjekten und ihrer Befragung als ›Wissensobjekte‹. Zudem versteht Haraway ›Wissensobjekte‹ (vergleichbar wie Latour) nicht bloß als passive »Leinwände«, »Grundlagen« oder »Ressourcen«, sondern selbst als aktive »Akteure oder Agenten«.39 Überträgt man diese Gedanken auf den Ansatz eines objektbasierten Designwissens wie Cross (und andere) ihn vertreten, so wird gewahr, dass Designobjekte keineswegs als neutrale, kontextfreie Träger oder ›Verkörperungen‹ von Wissen zu verstehen sind, sondern dass sich erst im Umgang mit ihnen Wissen einstellt und/ oder an ihnen verhandelt werden kann. Die Objekte wirken, wie Haraway und Latour veranschaulichen, in Akteur-Netzwerken als ›nicht-menschliche‹ Agenten mit ihrem materiellem Eigensinn auf Wissenspraktiken und -befunde ein. 40 Im Gegensatz zu Latour betont Haraway allerdings zurecht, dass nicht alle Positionen im »Netz des Wissens« in sozialer Hinsicht gleich zu bewerten sind bzw. gleich bewertet werden. 41 Cross’ Beschreibung eines ›design knowledge‹ kann durchaus in einer Weise interpretiert werden, in der die soziokulturelle Situiertheit von Wissen in den Vordergrund rückt. Seine eigene Interpretation zielt jedoch eher in die entgegengesetzte Richtung, indem er die Designpraktiken, die für ihn als zentrale Wissensquelle gelten, als ›natürlich‹ aufgefasst und sie darüber hinaus als Kennzeichen von menschlicher Überlegenheit postuliert: »Designing is something that all people do; something that distinguishes us from other animals, and (so far) from machines. The ability

37.

38. 39. 40. 41.

Zur Einheit von Bild und Begriff. Köln. 2001 [1969], 262 f. Vgl. dazu auch Norman, Donald A.: The Design of Everyday Things. Cambridge, Mass. 1998. Bourdieu, Pierre: Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft. Frankfurt a. Main. 1993, S. 97–121. Butler, Judith: Performative Acts and Gender Constitution. An Essay in Phenomenology and Feminist Theory. In: Case, Sue-Ellen (Hg.): Performing Feminism. Baltimore/ London. 1999, S. 270–282. Haraway, Donna: Situiertes Wissen. Die Wissenschaftsfrage im Feminismus und das Privileg einer partiellen Perspektive. In: Dies.: Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs und Frauen. Frankfurt/New York. 1995, S. 73–97. Haraway: Situiertes Wissen. 1995, S. 93 f. Haraway: Situiertes Wissen. 1995, S. 93. Vgl. Latour: Reassembling the Social. 2005. Harasser, Karin: Donna Haraway: Natur-Kulturen und die Faktizität der Figuration. In: Moebius, Stephan; Quadflieg, Dirk (Hg.): Kultur. Theorien der Gegenwart. Wiesbaden. 2006, S. 445–459, hier S. 456.

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to design is a part of human intelligence, and that ability is natural and widespread amongst the human population«. 42 Andernorts behauptet er sogar, »design ability is a form of natural intelligence«. 43 Vor dem Hintergrund der Ansätze zum situierten Wissen stellt sich hier mit Nachdruck die Frage, weswegen Design in der Designtheorie und -forschung überhaupt als eine naturalisierte ›anthropologische Konstante‹ behauptet wird. Nahe liegend scheint, dass mit der Aufstellung eines Apriori von solchem Gewicht die Akzeptanz und Autonomie von Design untermauert werden soll. Eine Aussage von Cross scheint diese Vermutung zu bekräftigen: »If the design research community wishes to pursue the case for design as a discipline of scholarship, research and practice, then it is necessary to establish a solid basis for the claims of expert, designerly ways of knowing, thinking and acting«.44 Doch selbst wenn man dem Desiderat einer akademisch eigenständigen Designdisziplin zustimmen will, ist eine naturalisierende Argumentation diesbezüglich zu problematisieren. Die Annahme, Design sei eine ›natürliche‹ menschliche Fähigkeit, marginalisiert die soziokulturellen Strukturen und Regulative, welche die Herstellung der ›künstlichen Welt‹ immer schon bedeutend mit geprägt haben. Cross’ Aufzählung, ›design knowledge‹ finde sich in Akteuren, Prozessen und Produkten, vergisst den Kontext in dem Wissen entsteht, verhandelt und bewertet wird – und vernachlässigt somit die Bedeutung einer kulturellen »Kontextsensivität der Wissenserzeugung«. 45 Anders formuliert, ist Wissen niemals als ein »selbständiger Stoff« zu verstehen, sondern immer als ein Wissen von etwas, als eine »kulturelle Repräsentationsform der Welt«. 46 Vor dem Hintergrund dieser Befunde muss auch Cross’ Ansatz eines ›design knowledge‹ und die ›designerly ways of knowing‹ kritisch befragt werden. Die Beschreibung einer designspezifischen Wissenskultur kann der Einsicht in die Situiertheit von Wissen nur dann entsprechen, wenn neben den Akteuren, Prozessen und Objekten auch die kulturellen Kontexte der Wissenserzeugung und -bewertung angemessen reflektiert werden. Zu problematisieren ist schließlich auch, dass Cross in seinem Ansatz 42. 43. 44. 45.

46.

Cross: Designerly Ways of Knowing. 2006, S. 100. Cross: Natural Intelligence in Design. 1999, S. 31, vgl. auch ders.: Designerly Ways of Knowing. 2006, S. 22 f. Cross, Nigel: From a Design Science to a Design Discipline: Understanding Designerly Ways of Knowing and Thinking. In: Michel: Design Research Now. 2007, S. 41–54, hier S. 49. Nowotny, Helga: Inter- und Transdisziplinarität als Eckpfeiler der Wissensgesellschaft. In: Maar, Christa et al. (Hg.): Weltwissen, Wissenswelt. Das globale Netz von Text und Bild. Köln. 2000, S. 81–96, hier S. 90. Nassehi, Armin: Von der Wissensarbeit zum Wissensmanagement. Die Geschichte des Wissens ist die Erfolgsgeschichte der Moderne. In: Maar et al.: Weltwissen, Wissenswelt. 2000, S. 97–106, hier S. 99.

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meist nicht von ›Objekten‹, sondern von ›Produkten‹ spricht, und Wissen damit – zumindest auf semantischer Ebene – an den Kreislauf der ökonomischen Verwertbarkeit koppelt und somit analytisch verengt.

Zum Begrif f ›design thinking‹ Neben ›designerly ways of knowing‹ und ›design knowledge‹ findet sich in der Designforschung, vor allem aber in Wirtschafts- und Verwaltungsbereichen (etwa im strategischen Management) der Begriff ›design thinking‹, der mit »erfinderischem Denken« übersetzt werden kann. 1991 wurde der Begriff angeblich erstmals explizit im Kontext des Research in Design Thinking-Symposiums verwendet, das von Nigel Cross, Norbert Roozenburg und Kees Dorst an der Technischen Universität Delft organisiert wurde. 47 William Moggride brachte den Begriff in die Design- und Innovationsberatung IDEO ein, wo ihn David Kelley dann als ›Methode‹ für wirtschaftliche Innovation weiterentwickelte. Kelley ist zugleich der Leiter der 2005 gegründeten School for Design des Hasso Plattner Institute an der Stanford University, an der ›design thinking‹ recht unbescheiden als »neuartige Methode zur Entwicklung innovativer Ideen in allen Lebensbereichen« propagiert wird. 48 Eine Schwesternschule für ›design thinking‹ wurde 2007 an der Universität Potsdam gegründet. Das Konzept beider Schulen gründet darauf, bei Studierenden aus natur- und geisteswissenschaftlichen Fächern ein »integratives« und »innovatives« Denken zu befördern. 49 Trotz häufiger Nennung des Begriffs ›design thinking‹ lassen sich kaum stringente Auskünfte über seine intellektuelle Herkunft und Einflüsse finden. Er gleicht vielmehr einem Passepartout-Begriff, der überall dort zum Einsatz kommen kann, wo ›designspezifische‹ Problemlösungsansätze auf einen Nenner gebracht und die wirtschaftliche Bedeutung von Design auf eine vermeintlich ›rationale‹ oder methodische Weise begründet werden soll.50 So oszilliert der Begriff denn auch in seiner Verwendung mehr vage als bestimmt zwischen den »spezifischen Fertigkeiten professioneller Designer« und einem »allgemeinen Erfindergeist« hin und her. Gemeinsam an den unterschiedlichen Lesarten ist jedoch, dass Design vermittels des Konzepts des ›design thinking‹ als Denkweise, als »a way of thinking« idealisiert wird und zugleich von materiellen Verfahrensweisen als auch von gängigen Kreativitäts- und Ideenfindungstechniken abgegrenzt 47. 48. 49. 50.

Plattner et al.: Design Thinking. 2009, S. 61. Auf: http://www.hpi.uni-potsdam.de/d-school/design_thinking.html [Okt. 2010]. Plattner et al.: Design Thinking. 2009, S. 75 ff. Zimmermann, John et al.: Research through design as a method for interaction design research in HCI. In: Conference on Human Factors in Computing Systems. San Jose. 2007, S. 493–502, hier S. 493

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wird.51 Oftmals wird der Begriff verwendet, um damit eine vermeintlich designspezifische Haltung zu beschreiben. Kees Dorst etwa hält fest, dass ›design thinking‹ eine bestimmte Weise darstelle, die Welt mit ›anderen Augen‹ zu betrachten: Design thinking helps to understand the man-made world […]. By looking at things with a designers’ eye, you get an idea of the reasoning and design process behind them. This reveals not only ›how things work‹, but also the ›why‹ behind them. Design is a way of looking, of being more actively involved in the world than most people.52

Die Aussage impliziert, dass Designer aktiver in der Welt involviert seien und diese somit auch aktiver mitgestalten könnten, als dies ›Nichtdesigner tun. Der Begriff des ›Design thinking‹ nimmt in Dorsts Aussage also eine charakterisierende Funktion ein. Marginalisiert wird in einer solchen Lesart jedoch, dass sich neben dem Design zweifellos auch andere fachberufliche und wissenschaft liche Bereiche in Kunst und Wissenschaft in einer sehr aktiven und produktiven Weise mit gesellschaftlichen Fragestellungen beschäftigen. Dessen ungeachtet definieren neben Dorst aber auch andere Autoren ›design thinking‹ in Abgrenzung zu Kunst und Wissenschaft. So definiert beispielsweise Wolfgang Jonas den Begriff wie folgt: Design thinking is different from scientific thinking (analytic, reductionist, aiming at explanation), it is different from engineering thinking (aiming at efficient functionality), and it is different from artistic thinking (taking the artist’s self as primary criterion). For all these reasons design thinking has to claim theoretical and methodological autonomy.53

Die Diagnose eines eigenständigen ›design thinking‹ wird hier an den Anspruch der theoretisch-methodologischen Autonomie des Design gekoppelt. Interessant an der Unterscheidung zwischen den verschiedenen Denkweisen – ›design thinking‹, ›scientific thinking‹ ›engineering thinking‹ und ›artistic thinking‹ – ist weniger ihr kategorischer Wert, sondern der Umstand, dass sie eine historisch perpetuierte Unterscheidung von Design und Wissenschaft repräsentieren. Ähnlich wie bereits der Begriff ›design knowledge‹ gründet auch jener des ›design thinking‹ auf intellek51. 52. 53.

Vgl. Dorst, Kees: Understanding Design. 175 Reflections on Being a Designer. Amsterdam. 2006 [2003], S. 177. Dorst: Understanding Design. 2006, S. 177. Jonas, Wolfgang: On the Foundations of a »Science of the Artificial«. Proceedings of the International Conference: Useful and Critical. The Position of Research in Design. University of Art and Design Helsinki. Helsinki, 1999. Text auf: http://home.snafu.de/jonasw/JONAS4-49. html [Okt. 2010], Abschnitt: teleology, projection, and uncertainty.

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tuellen Prämissen der Designmethodologie der 1960er und -70er Jahre, als Design kategorisch von Wissenschaft unterschieden wurde.54 Diese Unterscheidung findet sich zweifellos auch bei Jonas Definition von ›design thinking‹ wieder. Sie wird jedoch in der zitierten Aussage nicht historisch begründet, vielmehr werden die Systeme Design, Wissenschaft und Kunst auf theoretischer Ebene voneinander geschieden. Rund um den Begriff des ›design thinking‹ lassen sich weitere Referenzen zu System- und Planungstheorien aus den 1960er Jahren finden, etwa dort wo ein ›idealer‹ Design-Thinking-Prozess mit (ungesichertem) Bezug auf Herbert Simon in lineare Prozessphasen (define, research, ideate, prototype, choose, implement, learn) unterteilt wird.55 Hasso Plattner und seine Mitautoren halten diesbezüglich fest, dass der Design-ThinkingProzess aus »analytischen Phasen« bestehe, in denen Informationen gesammelt, geordnet und ausgewertet und aus »synthetischen Phasen«, in den Lösungen entwickelt, erprobt und verbessert würden. So entstehe »eine Bewegung aus der Realität heraus in die Wissenssphäre mit ihren abstrakten Theorien und Ideen, die dann wieder als Lösungen in die Praxis übersetzt werden«.56 Die Trennung zwischen ›Design‹ (hier gleichgesetzt mit ›konkreter‹ Realität) und ›abstrakter‹ Wissenschaft bleibt auch in dieser Aussage aufrechterhalten. Unerwähnt bleibt jedoch die Kritik an den linearen Prozessphasen, die Rittel bereits in den 1970er Jahren vorbrachte.57 Ebenso wenig wird die Einsicht erwähnt, dass aus heutiger kulturwissenschaftlicher und wissenschaftshistorischer Sicht eine kategorische oder essentielle Opposition zwischen ›Theorie‹ versus ›Praxis‹ und ›Design‹ versus ›Wissenschaft‹ zu problematisieren ist. Unter der dehnbaren Begriffsklammer von ›design thinking‹ vermengen sich multiple, oft dichotomisch konstruierte Konzeptionen von ›Rationalität‹ versus ›Kreativität‹, von ›Theorie‹ versus ›Praxis‹ sowie unscharfe Begriffsverbände wie ›Design‹ und ›Innovation‹ im Nexus mit wirtschaftlichen und politischen Zielsetzungen. So wird ›design thinking‹ als »conscious not-knowing« definiert,58 oder als Fähigkeit postuliert, die in »Führungspositionen« und bei »Innovationsprozessen« unabdingbar sei. »We believe great innovators and leaders need to be great design thinkers« – mit diesen emphatisch anmutenden Worten beschreibt die School 54. 55.

56. 57. 58.

Cross: A History of Design Methodology. 1993, S. 18. Vgl. dazu auch Jonas: Design Research and its Meaning to the Methodological Development of the Discipline. 2007, S. 187. Diese Prozessphasen werden oft in einer ungesicherten Weise Simon zugeschrieben, obwohl er sie weder in dieser Prägnanz, noch mit Bezug auf das Design, sondern (höchstens) mit Bezug auf die ›Psychologie des Denkens‹ beschrieben hat: Vgl. Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 54–59. Plattner: Design Thinking. 2009, S. 61. Rittel: Zur Planungskrise. 1992, S. 44. Nelson, Harold; Stolterman, Erik: The Design Way. Intentional Change in an Unpredictable World. New Jersey. 2003, S. 45.

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for Design in Stanford ihre Ausbildungsvision.59 Bei diesem Unterfangen scheint indes weniger ›Design‹, sondern ›wirtschaftliche Innovation‹ das Schlüsselwort zu sein. Kees Dorst argumentiert diesbezüglich, dass das derzeit häufige Auftreten der Begriffe ›Design‹ und ›design thinking‹ in Wirtschaftskontexten als ein Indikator zu verstehen sei, der Auskunft über die Einschätzung von Problemstellungen gebe, nicht aber etwas über das ›kreative‹ Potential von Tätigkeiten aussage: There is a clear trend in many professions to see their work as ›designing‹. For instance, managers now 'design' company policies, and in education, teachers design a curriculum. […] Just saying that a profession is ›like design‹ implies that its problems are about as unstructured and difficult as they can be. So, likening something to design is not a solution, it is just away to rephrase the problem in even wider terms.60

Er geht davon aus, dass gerade die Art und Weise wie Designerinnen und Designer an Problemstellungen herangehen, produktiv für andere Berufsfelder sein könnte: »Designers' open, creative, solution-focussed way of working is very valuable in fields that have suffered from an overly rational approach«, so lautet seine Einschätzung,61 in der sich die Ambiguität von Rationalitäts- und Kreativitätskonzeptionen deutlich bemerkbar macht. Obwohl der Ansatz eines ›design thinking‹ auf recht unscharfe und bisweilen auch widersprüchliche Weise formuliert wird, lässt sich doch der Wunsch nach einer ›neuen‹, ganzheitlichen Synthese von vermeintlich inkommensurablen Erkenntnis- und Wissensdimensionen (›rational‹ und ›intuitiv‹) erkennen. Dabei kann beobachtet werden, dass ›Design‹ als Leitmotiv trotz, oder gerade wegen der in diesem Zusammenhang oft verwendeten inter- und transdisziplinären Konzepte, im Zentrum der Überlegungen gehalten wird. So schreiben Plattner et al., dass die Probleme, mit denen die heutige Welt konfrontiert sei, mit dem Wissen einzelner Disziplinen allein nicht mehr zu bewältigen seien und dass ›design thinking‹ die zeitgemäße Form darstelle, Lösungen für diese Probleme zu finden.62 Die Zielsetzung ihres Studiengangs sehen die Veranstalter denn auch darin, eine neue Generation von so genannten »Polymaths«, von umfassend gebildeten ›Universalgelehrten‹, vermittels eines kreativen Designdenkens oder ›Querdenkens‹ zu befördern. Im Ausbildungscurriculum für den Studiengang ›design thinking‹ an der Universität Potsdam sind allerdings die dort angeführten Begriffe wie »Multidisziplinarität«, »Innovationspro59. 60. 61. 62.

Auf: http://www.stanford.edu/group/dschool/ [Okt. 2010]. Dorst: Understanding Design. 2006, S. 176. Dorst: Understanding Design. 2006, S. 176. Plattner et al.: Design Thinking. 2009, S. 64 f.

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zesse« und »planvolles kreatives Denken« noch kaum durch wissenschaftliche Differenzierung und Problematisierung gedeckt, sondern ziehen vorerst noch als Schlagwörter die Blicke auf sich. Im Begriff ›design thinking‹ schwingen neben den genannten historischen Einflüssen aus der Designmethodologie noch weitere intellektuelle Bezüge mit, die nur selten expliziert werden.63 So ist etwa die Ähnlichkeit zu de Bonos Ansatz eines »lateral thinking« nur schwer von der Hand zu weisen.64 De Bono entwickelte diesen Ansatz Ende der 1960er Jahre unter dem Einfluss von den in den USA geführten Intelligenz- und Kreativitätsdebatten.65 Er intendierte. ein ›nichtlineares‹, ›assoziatives‹ Denken zu beschreiben, dass zu kreativen Problemlösungen führen kann. Es wäre zu untersuchen, inwiefern sich der Mediziner De Bono dabei auf Freuds Methode der »Freien Assoziation« bezieht.66 Weitere Parallelen können zwischen dem Konzept des ›design thinking‹ und Rudolf Arnheims Ansatz des »anschaulichen Denkens« (visual thinking) gezogen werden, der eine Rehabilitation der sinnlichen Wahrnehmung und der künstlerischen »visuellen Phantasie« und somit eine »umfassendere Bildung« anstrebte.67 Arnheim steht mit seinem Ansatz in der Tradition von gestaltpsychologischen Schiften zum ›produktiven Denken‹, namentlich von Karl Duncker (1935) und Max Wertheimer (1945).68 Allerdings, und darin unterscheiden sich die Ansätze ›design thinking‹ und ›visual thinking‹ grundlegend, macht Arnheim keinen kategorialen Unterschied zwischen künstlerischer und wissenschaftlicher Erkenntnisfähigkeit. Vielmehr kommt »anschauliches Denken« für ihn beiderorts zum Tragen, »in der Phantasie des Künstlers, der Erkenntniswelt des Wissenschaftlers und ganz allgemein überall, wo jemand sich mit Problemen ›im Kopf‹ abgibt«.69 Arnheims Aussage bekräftigt, dass Wissenschaft, Kunst und Design nicht auf kategorische oder essentielle Weise voneinander zu trennen sind, sondern sich als historische gewachsene Felder vielerorts überlagern. Die bis hierher dargestellten Begriffe zu einem Wissen im Design, ›designerly ways of knowing‹, ›design knowledge‹ und ›design thinking‹, werden in den jeweiligen Design-, Wirtschafts- und Ausbildungskontex63.

64. 65. 66. 67. 68. 69.

Mareis, Claudia: Visual Productivity. Reflections on the Foundations and Correlations of Design Thinking. Proceedings, 21. Congress of the International Association of Empirical Aesthetics. Dresden, 25–28. August 2010 (6 Seiten). Bono, Edward de: New Think. The Use of Lateral Thinking in the Generation of New Ideas. New York. 1968. Vgl. dazu Guilford, Joy P.: Creativity. American Psychologist, 5, S. 444–454. 1950. Sowie ders.: The Nature of Human Intelligence. New York. 1967. Freud, Sigmund: Schriften zur Behandlungstechnik. Studienausgabe Ergänzungsband. Frankfurt a. Main. 1975. Arnheim: Anschauliches Denken. 2001, S. 279. Den Hinweis verdanke ich Margarete Pratschke. Duncker, Karl: Zur Psychologie des produktiven Denkens. Berlin. 1935. Wertheimer, Max: Productive Thinking. New York. 1945. Arnheim: Anschauliches Denken. 2001, S. 277.

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ten ihrer Anwendung, auf eine recht dehnbare und oft widersprüchliche Weise argumentiert. Eine solche terminologische Unschärfe muss zwar unter bestimmten Gesichtspunkten problematisiert werden, sie ist aber womöglich nicht generell zu kritisieren. An einen Gedanken von Rheinberger anschließend, könnte argumentiert werden, dass terminologische Unschärfe gerade hinsichtlich der Weiterentwicklung eines Feldes oder eines Gegenstands ein produktives Potential entwickeln kann. Bestimmte Motive und Narrative können dadurch womöglich diskursiv verdichtet und als solche erst gekennzeichnet werden. Dennoch sind widersprüchliche und unscharfe Argumentation zweifellos dort zu problematisieren, wo sie ohne Bewusstsein für die komplexe Geschichte des Design und ohne ideologiekritische Selbstreflexivität Essentialismen und Reduktionismen in der Designforschung bedienen. In den folgenden Abschnitten dieses Kapitels werden nun, auf bauend auf der oben dargestellten Semantik von Designwissen, drei diskursive Leitmotive diskutiert und analysiert, die in den aktuellen Wissensbestimmungen im Design regelmäßig auftauchen, diese diskursiv prägen und strukturieren. Auch hier ist von Interesse, wie vermittels einer semantischen Verdichtung bestimmte Themen in der Designforschung stetig weiter überliefert werden, ohne dass sie jemals als historisch gewachsene Motive kenntlich gemacht werden. Den Begriff ›Motiv‹ (auch ›Leitmotiv‹) habe ich gewählt, da sich die diesbezüglich untersuchten Aussagen, Konzepte und Denkfiguren oft nicht auf einen bestimmten Begriff, sondern auf mehrere, inhaltlich verwandte Denkfiguren beziehen, die bisweilen aber unterschiedlich bezeichnet werden. In dem Ausdruck ›Motiv‹ schwingt zudem die erwünschte Konnotation von nichtsprachlichen Aspekten mit, die einen Diskurs in Form von imaginären Bilder strukturieren. Die zu diskutierenden Motive habe ich als ›Synthese‹, ›Innovation‹, und ›implizites Wissen‹ bezeichnet. Das Interesse meiner Analyse gilt der Benennung, Untersuchung und diskursiven Kontextualisierung dieser Motive, da sie für das Verständnis zeitgenössischer Bestimmungen von Wissen im Design relevant sind, in ihrer diskursiven Verwendung und Wirkung aber selten thematisiert und problematisiert werden.

b. Synthese : Design als verbindende Instanz und ›dritte Kultur‹ Ein Leitmotiv, welches das Verhältnis von Design und Wissen maßgeblich diskursiv strukturiert, ist jenes der ›Synthese‹. Design wird darin als eine verbindende oder vermittelnde Instanz aufgefasst, die zwischen oder quer zu anderen Wissensformen und -ordnungen steht und deren Bestandteile 191

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zu einem Ganzen verbinden kann. Eine recht frühe Ausprägung dieses Gedankens findet sich bei David Pye, Professor für Möbeldesign am Royal College of Art in London. Er verfasste 1964 einen schmalen Band mit dem Titel The Nature of Design, in dem er Design als eine verbindende Instanz zwischen Kunst und Wissenschaft beschreibt. Das Buch beginnt mit dem Satz: »This book is not about aesthetics but about design and making, two of the principal human activities, and ones informed both by art and by science«.70 Pye lässt es aber nicht dabei bewenden, dass die Designtätigkeit durch die beiden Felder Kunst und Wissenschaft bloß informiert wird, vielmehr spricht er dem Design das Potential zu, Kunst und Wissenschaft auf ein neues gemeinsames Fundament zu stellen. Er plädiert für eine Neubewertung der bestehenden Wissensordnung, basierend auf dem Befund einer artifiziellen, von Menschen gemachten Umwelt. Auch Herbert Simon, auf den die Diagnose einer artifiziellen Welt oft zurückgeführt wird, hob Ende der 1960er Jahre als ›Essenz‹ des Design das Moment der ›Synthese‹ hervor und unterschied es von der naturwissenschaftlichen »Analyse«.71 Das Motiv von Design als ›Synthese‹ wird in immer neuen Varianten im Diskurs der Designtheorie und -forschung perpetuiert und hat bis heute nicht an Relevanz verloren. In einem neueren Band zur Designforschung findet sich die Charakterisierung, Design beziehe »sich auf das ›Dazwischen‹, die Interfaces zwischen den Artefakten und ihren Kontexten«.72 Die Verortung in einem imaginären ›Dazwischen‹ scheint wesentlich für die Vorstellung von Design als vermittelnder und verbindender Tätigkeit zu sein. Zugleich sind damit aber auch, wie wir noch sehen werden, ambivalente Abgrenzungsversuche und Störfunktionen gegenüber Kunst und Wissenschaft verbunden. Während ›Synthese‹ als diskursives Motiv im Diskurs relativ konstant perpetuiert wird, variiert die Bestimmung der zu verbindenden Bestandteile. Von einigen Autoren wird Design als Synthese von Kunst und Wissenschaft, manchmal auch Technik gesehen. Damit einhergehend werden implizit auch vermeintliche Gegensätze wie ›Denken‹ versus ›Machen‹ oder ›Theorie‹ versus ›Praxis‹ adressiert. Darüber hinaus finden sich Ansätze einer zeitlichen Synthese, in der Design als verbindende Instanz zwischen Gegenwart und Zukunft aufgefasst wird. Beide Aspekte werde ich nachfolgend diskutieren. Anschließend wird als dritter Aspekt die Auffassung von Design als »dritter Wissenskultur« untersucht. Das Synthese-Motiv wird dabei mit Bezug auf die auf Charles Snow zurückgehende »zwei Kulturen«-Debatte Ende der 1950er und -60er Jahre diskutiert.

70. 71. 72.

Pye, David: The Nature of Design. London. 1972 [1964], S. 7. Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 4 f. Jonas: Forschung durch Design. 2004, S. 26 f.

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Das Motiv einer Synthese von Wissenschaf t, Kunst und Technik Als vielleicht wichtigste historische Grundierung des Synthese-Motivs im Design ist die zunehmende Ausdifferenzierung und Spezialisierung von Kunst und Wissenschaft im 19. Jahrhundert zu nennen. Am Beispiel von Wassily Kandinsky weist Sabine Flach darauf hin, dass der Synthese-Gedanke immer schon die Überwindung der »Polarisierung der Gestalten des Künstlers und des Wissenschaftler« zur Grundlage gehabt habe.73 Mit Blick auf eben diese Polarisierung halten Lorraine Daston und Peter Galison fest, dass sich im 19. Jahrhundert Kunst und Wissenschaft entlang der Pole ›Subjektivität‹ und ›Objektivität‹ auseinander differenziert hätten.74 Künstler seien angehalten gewesen, ihre Subjektivität zum Ausdruck zu bringen, gleichzeitig seien die Wissenschaftler gemahnt worden, die ihre zu unterdrücken. Da diese polarisierende Positionierung von ›subjektiver Kunst‹ versus ›objektiver Wissenschaft‹ im 4. Kapitel ausführlicher besprochen wird, soll es hier vorerst bei diesen vorwegnehmenden Bemerkungen bleiben. Wie oben erwähnt, benannte David Pye Kunst und (Natur-)Wissenschaft als die zwei einflussreichsten »Wissensquellen« des Design.75 Es wäre aber verkürzt, diese beiden ›Pole‹ (im Sinne von Daston/Galison) mit ihren jeweils spezifischen Zuschreibungen nur als unterschiedliche Wissensressourcen für das Design zu verstehen, vielmehr müssen sie als ihre einflussreichsten diskursiven Identifikationsfiguren gelten. Die Bestrebungen, Design in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als eigenständige Disziplin zu etablieren, arbeiten sich maßgeblich (und vor allem ex negativo) an den Leitmotiven, Narrativen und Charakteristiken von Kunst und Wissenschaft ab, freilich mit Ziel, um über sie hinaus zu gehen. Das Konzept der ›designerly ways of knowing (Cross) und daran anschließende Derivate postulieren, dass die Designpraxis ein eigenständiges Wissen hervorbringe, das vom Wissen in Kunst und Wissenschaft kategorisch zu unterscheiden sei.76 Auch Gui Bonsiepe konstatiert, dass Design aus der »herkömmlichen Dreiteilung in Wissenschaft, Technologie und Kunst« herausfalle.77 Doch wozu dienen all diese Unterscheidungsbemühungen? Die Denkfigur, die dem Design ein synthetisierendes Potential attestiert, kann als eine Antwort auf die Frage gelesen werden, wie Design innerhalb der heute existenten, stark ausdifferenzierten Wissensordnung 73. 74. 75. 76. 77.

Flach: »Das ›Gefühl‹ ist es, welches das ›Hirn‹ korrigiert.« 2008, S. 252. Daston/Galison: Objektivität. 2007, S. 39. Pye: The Nature of Design. 1972, S. 7. Cross: Design Research: A Disciplined Conversation. 1999, S. 5. Bonsiepe: Coda: Wozu Designtheorie? 1996, S. 231.

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eine autonome disziplinäre Identität etablieren könnte. Sie kann aber auch als eine Reaktion auf neuere inter- und transdisziplinäre Forschungsformate verstanden werden, oder als eine aktuelle Möglichkeit, die Gestaltung von Wissen neu zu überdenken. Welcher Antwort man auch zugeneigt ist, so mutet doch die Vorstellung, Design sei eine, oder sogar die verbindende Instanz, vermittels derer disparat gewordene Wissensbestände neu verknüpft werden können, zugleich visionär an, als dass sie auch anachronistische Züge aufweist. Design in der Tradition der ›freien Künste‹ Der amerikanische Designtheoretiker Richard Buchanan strebt an, Design mittels einer historischen Neuinterpretation als neuartige integrative Wissensdisziplin der Gegenwart zu etablieren. Dem Motiv der ›Synthese‹ kommt dabei eine gewichtige Rolle zu. In seinem Aufsatz Wicked Problem in Design Thinking von 1992 schlägt er vor, Design als eine zeitgemäße intellektuelle Grundausbildung (liberal art)78 anzuerkennen: »By ›liberal art‹ I mean a discipline of thinking that may be shared to some degree by all men and women in their daily lives and is, in turn, mastered by a few people who practice the discipline with distinctive insight«.79 Auch wenn Buchanan einräumt, es möge seltsam scheinen, Design in die Tradition der ›freien‹ Künste zu stellen, ist er doch von der Notwendigkeit dieses Vorhabens überzeugt: »the liberal arts are undergoing a revolutionary transformation in twentieth-century culture, and design is one of the areas in which this transformation is strikingly evident«.80 Er erinnert daran, dass sich der Kreis der einstmals so umfassenden ›freien‹ Künste seit der Renaissance, vor allem aber im 19. Jahrhundert, zunehmend spezialisiert und auseinander differenziert habe und dass dabei die Vision eines enzyklopädischen Wissens verloren gegangen sei, übrig geblieben sei ein Patchwork an Spezialisierungen. Die Fächer, die aus diesem Ausdifferenzierungsprozess hervorgegangen seien, trügen zwar zur Weiterentwicklung von Wissen bei, fragmentierten dieses aber auch und entfernten sich zunehmend von Fragen des alltäglichen Lebens.81 Vor diesem Hintergrund situiert er die Dringlichkeit, neue integrative Disziplinen zu suchen, die es vermögen, die prekär gewordene Wissensordnung von Kunst und Wissenschaft zu verbinden und ihre Kluft zu überbrücken: 78.

79. 80. 81.

Als ›liberal arts‹ bezeichnet man im US-amerikanischen Hochschulwesen Studiengänge, die der Allgemeinbildung und der Ausbildung grundlegender intellektueller Fähigkeiten sowie der Ausdrucksfähigkeit dienen sollen und sich gegen die berufsvorbereitende oder wissenschaftlich spezialisierte Ausbildung programmatisch abgrenzen bzw. ihr vorgelagert sind. Buchanan: Wicked Problem in Design Thinking. 1992, S. 5. Buchanan: Wicked Problem in Design Thinking. 1992, S. 5. Buchanan: Wicked Problem in Design Thinking. 1992, S. 6.

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»without integrative disciplines of understanding, communication, and action, there is little hope of sensibly extending knowledge beyond the library or laboratory in order to serve the purpose of enriching human life«. 82 Das Design, genauer den Ansatz eines ›design thinking‹, erachtet er als prädestiniert dafür, um diese heutige Integrationsaufgabe zu meistern. The emergence of design thinking in the twentieth century is important in this context. The significance of seeking a scientific basis for design does not lie in the likelihood of reducing design to one or another of the sciences – an extension of the neo-positivist project and still presented in these terms by some design theorists. Rather, it lies in a concern to connect and integrate useful knowledge from the arts and sciences alike, but in ways that are suited to the problems and purposes of the present.83

Der Umstand, dass im Design Erkenntnisse aus Kunst und Wissenschaft zusammenfließen, liefert Buchanan die Begründung, um Design als integrative Wissensdisziplin zu postulieren: »Designers are exploring concrete integrations of knowledge that will combine theory with practice for new productive purposes, and this is the reason why we turn to design thinking for insight into the new liberal arts of technological culture«.84 Er spricht Design und ›design thinking‹ damit in doppelter Hinsicht ein synthetisierendes Potential zu: hinsichtlich einer Synthese von wissenschaftlichem und künstlerischen Wissen sowie von Theorie und Praxis. Die Kluft, die durch die Trennung von Kunst und Wissenschaft und die Ausdifferenzierung wissenschaftlicher Einzeldisziplinen seit der Renaissance entstanden war, will Buchanan durch eine Neubewertung des Design, verstanden als eine synthetisierende und integrative Wissensform, überbrücken. Er begründet dies wie folgt: Erstens sei es unmöglich, im Rahmen der Designtätigkeit überhaupt klare Grenzen zwischen Design, Ingenieur wesen und Marketing zu ziehen, zweitens könnten die »inherently wicked problems of design thinking« von keiner bestehenden Wissenschaftsdisziplin angemessen angegangen werden und drittens könnten die Grenzen des wissenschaftlich-technisch Möglichen und Vorstellbaren vermittels ›design thinking‹ ausgeweitet werden.85 Um sein Unterfangen historisch zu fundieren, oder zu autorisieren, verweist Buchanan auf den Bauhaus-Gründer Walter Gropius. Er sei einer der ersten gewesen sei, die im Design eine »new liberal art« erkannt hätten, so Buchanan, und er zitiert dessen Worte, »design is neither an 82. 83. 84. 85.

Buchanan: Wicked Problem in Design Thinking. 1992, S. 6. Buchanan: Wicked Problem in Design Thinking. 1992, S. 6. Buchanan: Wicked Problem in Design Thinking. 1992, S. 6. Buchanan: Wicked Problem in Design Thinking. 1992, S. 20 f.

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intellectual nor a material affair, but simply an integral part of the stuff of life, necessary for everyone in a civilized society«.86 Mit dem Verweis auf Gropius nimmt Buchanan in gewisser Weise auch dessen Ganzheitsideale zur Gestaltung auf und überträgt sie auf Wissensfragen des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Es sei dahingestellt, ob man die diskursiven Motive, die in Buchanans Ansatz »design as new liberal art« auszumachen sind, tatsächlich bis in den Deutschen Idealismus und die Romantik zurückführen will oder nicht. Aber es darf als unbestritten gelten, dass das intellektuelle Gedankengut und die gestalterischen Ideale des Bauhauses den Designdiskurs im anglophonen Kulturraum stark prägten. Sowohl Gropius als auch Buchanan stützen sich etwa auf den Gedanken einer »Techniksynthese«. Während Gropius’ Formel »Kunst und Technik – eine neue Einheit« vor dem Hintergrund der Anfang des 20. Jahrhunderts aufstrebenden industriellen Warenproduktion und der damaligen Erwartung in Technikentwicklung zu verstehen ist, 87 ist Buchanans Aussage, ›design thinking‹ erlaube neue Einsichten in »the new liberal arts of technological culture«, 88 vor dem Hintergrund von ernüchterten Technologie- und Wissenschaftsdebatten Ende des 20. Jahrhunderts zu lesen. Buchanan versteht die Designtätigkeit bereits per se als techniklastige Tätigkeit. Das Bild der ›freien‹ Künste ist als ein Korrektiv in die Richtung einer humaneren Technologie- und Wissenschaftsentwicklung zu verstehen: »We mistakenly identify technology with one particular type of product – hardware […] but overlook the art that lies behind and provides the basis for creating other types of products.«89 Die Betonung dieser Aussage liegt auf den praktischen Kunstfertigkeiten, die hinter den materiellen Dingen liegen. Das synthetisierende Potential, das Buchanan dem Design zuschreibt, kann wie folgt zusammengefasst werden. Design wird als neue, integrative Disziplin konzipiert, die das Wissen anderer Disziplinen nach dem Vorbild der ›freien‹ Künste verbinden und Theorie und Praxis auf neue Art verknüpfen soll. Als Begründung einer solchen Neuinterpretation führt er die Diagnose einer sich auflösenden epistemischen Ordnung an. Ziel sei die (erneute) Annäherung von Kunst und Wissenschaft und damit verbunden eine Vereinigung der Erkenntnisdimensionen von ›Denken‹ und ›Herstellen‹, von ›Theorie‹ und ›Praxis‹. Dem Ansatz wohnt zugleich aber auch eine gewisse Ambivalenz inne. Zum einen kann Buchanans Designkonzeption als fortschrittliches Streben nach einer neuen Wissensordnung gelesen werden, zum anderen hat es Züge eines nostalgischen Unterfangens 86. 87. 88. 89.

Gropius, Walter: Scope of Total Architecture. New York. 1970 [1943], S. 19 f. Wingler: Herkunft und Geschichte des Bauhauses. 2005, S. 15. Buchanan: Wicked Problem in Design Thinking. 1992, S. 6. Buchanan: Wicked Problem in Design Thinking. 1992, S. 8.

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zur Wiederherstellung eines idealisierten enzyklopädischen oder universellen ›Einheitswissens‹. Doch zu diesem Punkt später mehr. Trotz Buchanans Argumentation bleibt die Rolle des Design in aktuellen Wissensbestimmungen weitgehend unklar. So realisieren sich bereits heute quer durch wissenschaftliche Einzeldisziplinen und über ihre Grenzen hinweg inter- und transdisziplinäre Wissensproduktionen, die ohne die integrative Kraft der traditionellen Designprofessionen auskommen. Darüber hinaus bleibt die Frage unbeantwortet, warum gerade die Designtätigkeit, die sich in der Regel durch ihre marktwirtschaftliche Begrenztheit und nicht durch ihre Erkenntnisfreiheit auszeichnet, als Disziplin übergreifende, vermittelnde Wissensinstanz geeignet sein soll. Eine Aussage von Buchanan kann möglicherweise erhellen, weswegen die Vorstellung eines integrativen ›Designwissens‹ für das Design eine besondere Attraktivität besitzt. Dieses beschreibt er mit folgenden Worten: A common discipline of design thinking – more than the particular products created by that discipline today – is changing our culture, not only in its external manifestations but in its internal character.90

Er argumentiert, dass Design nicht länger als eine materielle Tätigkeit verstanden und an seinen Produkten gemessen werden sollte, sondern dass mit dem Ausdruck ›design thinking‹ nun eine allgemeinere, konzeptionelle Ebene von Entwerfen und Gestalten in den Fokus rücke. Diese Neubewertung von ›Design‹ soll meines Erachtens zweierlei leisten: Erstens soll die Designdisziplin damit von innen heraus reformiert werden, zweitens soll Design als integrative Wissensform im Kontext von anderen Disziplinen übergeordnet oder intermediär konzipiert werden. Erneut sind bei dieser Designkonzeption ihre historischen Einflüsse von Interesse. Wenngleich Richard Buchanan mit ›design thinking‹ einen zeitgenössischen Begriff verwendet, schließt er damit doch an eine idealistische Designtradition der Klassischen Moderne an, die sich in Aussagen wie, das Bauhaus sei eine »Idee« (van der Rohe),91 oder Design sei eine Haltung (Moholy-Nagy) realisierten.92 Der Begriff »thinking« legt wie auch die Begriffe »Idee« und »Haltung« nahe, dass Design eine ideelle, nicht materielle Angelegenheit sei. In dieser idealistischen Universalität, die der Begriff ›design thinking‹ suggeriert, dürfte denn auch seine Faszination als Deutungsmatrix für das Design, aber auch für das Projekt einer vom Design ausgehenden, interdisziplinären und zugleich integrativen Wissenskultur liegen. Betrachtet man Buchanans Argumentation für Design als »new liberal art« aus einer 90. 91. 92.

Buchanan: Wicked Problem in Design Thinking. 1992, S. 21. Zit. nach Giedion: Walter Gropius. 1954, S. 20 f. Moholy-Nagy: Vision in motion. 1946, S. 42.

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bildungspolitischen Perspektive, darf vermutet werden, dass mittels der Setzung von ›Design‹ als integrativer Wissensdisziplin die gegenwärtige, oft marktwirtschaftlich eingeengte Designpraxis fernab von marktwirtschaftlichen Produktionszwängen neu erfunden und rehabilitiert werden soll. In dieser sicherlich hoffnungsvollen, vielleicht aber auch realitätsfernen Lesart produziert Design keine Produkte und Verkaufsargumente mehr, sondern vornehmlich Ideen und Wissen. Doch ist damit bereits ein Ausbruch aus ökonomischen Zwängen garantiert? Immerhin gilt es zu konstatieren, dass die gegenwärtigen Wissensbestimmungen im Design auch an die Prämissen einer ›Wissensgesellschaft‹ anschließen, die dadurch gekennzeichnet ist, dass nicht mehr Arbeit, Rohstoffe oder Kapital, sondern Wissen zur zentralen Quelle von Produktivität erklärt sind.93 Zwischen historischer Neuinterpretation und Selbsthistorisierung Ein zentrales Argument in Buchanans Texten lautet, dass erst eine historische Neuinterpretation von Design dessen eigentliche Bedeutung für die Menschheitsgeschichte zeigen könne. In dem Aufsatz Design Research and the New Learning von 2001 führt er die Wurzeln der modernen Designforschung bis ins 17. Jahrhundert zurück und erkennt bereits in den Werken von Galileo Galilei und Francis Bacon eine Designperspektive.94 In Galileos Dialog über zwei hauptsächliche Weltsysteme95 von 1632 sei der Gegenstand des geschilderten Gesprächs zwischen Salviati und Salgredo im Arsenale in Venedig nicht wie gemeinhin angenommen die Physik, sondern das Design. In dem Gespräch würden nämlich, so Buchanans Deutung, weniger die physikalisch-mechanischen Aspekte der im Arsenale hergestellten Instrumente und Maschinen, sondern die ingenieursmäßig-gestalterischen Fertigkeiten der dort arbeitenden Handwerker akzentuiert.96 Doch anstatt sich auf diese Fertigkeiten zu konzentrieren, habe sich Galileo stattdessen der mathematischen Wissenschaft der Mechanik zugewandt und damit ein bis heute andauerndes, einseitig technisch-mechanistisches Verständnis des Ingenieurwesen und des Design eingeläutet, so Buchanan.97 Auch in Bacons Projekt einer Universalenzyklopädie und im Novum organon scientiarum 98 erkennt er Grundzüge einer Designperspektive:

93. 94. 95. 96. 97. 98.

Heidenreich, Martin: Die Debatte um die Wissensgesellschaft. In: Böschen/Schulz-Schaeffer: Wissenschaft in der Wissensgesellschaft. 2003, S. 25– 51, hier S. 34. Buchanan: Design Research and the New Learning. 2001, S. 3. Galilei, Galileo: Dialog über die beiden hauptsächlichen Weltsysteme. [1632]. Das ptolemäische und das kopernikanische. Wiesbaden. 1982. Buchanan: Design Research and the New Learning. 2001, S. 4. Buchanan: Design Research and the New Learning. 2001, S. 4. Bacon, Francis: Novum Organum: With Other Parts of The Great Instauration. [1561–1626]. Hg. von Peter Urbach und John Gibson. Chicago. 1994.

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[Bacons] project was to begin a Great Instauration of learning that would lead to our ability to command nature in action, where nature would be molded by art and human ministry in the creation of ›artificial things.‹ Bacon’s project is clearly a design project.99

Dennoch entstand im Verlaufe der bei Bacon einsetzenden Bildung von Wissenschaftsdisziplinen aus dem Design keine eigenständige Disziplin. Für Buchanan ist dies dem damaligen Verständnis von Design geschuldet, das als untergeordnete, vor allem von Handwerkern praktizierte Tätigkeit ohne eigenes theoretisches Wissen marginalisiert wurde.100 Wenn das Design im neu gebildeten Kanon der Wissenschaften überhaupt vorkam, dann nur als peripherer Bestandteil der Architektur oder der bildenden Kunst. Nach Buchanans Überzeugung ist erst heute, Jahrhunderte nach Bacon, ein grundlegendes Verständnis möglich, Design als eigenständige Disziplin anzuerkennen. Er schreibt: »After a hiatus of more than three centuries, during which human beings have explored the foundations of matter and natural processes, we are returning to the humanism that is required for a firm understanding of design«.101 Neben Buchanan plädieren weitere Autoren für eine historische Neubewertung von Design als einer verbindenden Disziplin. Diesbezüglich verklärt Kees Dorst Design als eine Art »mittelalterliches Denken«. Er suggeriert, dass vor allem Designer in der Lage seien, die seit der Renaissance stetig auseinander dividierten Wissensbestände wieder sinnvoll zusammenführen und zu verbinden: The object of medieval science was to identify […] connections, and incorporate them into a grand scheme of creation. God was considered to be the Great Thinker in the background who had conceived the world this coherent way. […] Designers tend to think terms of finding or making connections. They are inclined to use associations and analogies to create new possibilities for solutions. Designers are basically medieval in the way they think.102

Neben den genannten Vorschlägen schreibt auch Gunnar Swanson dem Grafikdesign das Potential einer »education as a liberal art« zu.103 Seine Argumentation zielt darauf, Grafikdesign als eine visuelle ›Einheitssprache‹ zu postulieren. Grafikdesign habe keinen eigenen, klar definierten Gegenstand, so Swanson, sondern beschäftige sich als visuelle Kommuni99. 100. 101. 102. 103.

Buchanan: Design Research and the New Learning. 2001, S. 4 f. Buchanan: Design Research and the New Learning. 2001, S. 5. Buchanan: Design Research and the New Learning. 2001, S. 4. Dorst: Understanding Design. 2006, S. 176. Swanson, Gunnar: Graphic Design Education as a Liberal Art: Design and Knowledge in the University and the »Real World«. In: Design Issues. Vol. 10, Nr. 1. 1994, S. 53–63.

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kation mit allen denkbaren Sachverhalten: »Design is ›integrative‹ in that, by its lack of specific subject matter, it has the potential to connect many disciplines«.104 Mit Bezug auf Wittgenstein plädiert er dafür, Grafikdesign als neue akademische ›Leitdisziplin‹ zu betrachten: »If the word language is used in the broadest sense, then language analysis is at the core of much of the humanities and social sciences. Design, and graphic design in particular, is in the position to be at the center of this study«.105 Swanson Argumentation scheint auf den ersten Blick einleuchtend. Ohne Zweifel beschäftigen sich Designer innen und Designer mit einer Vielzahl ›fachfremder‹ Gegenstände und Fragen. Doch stellt dieser Umstand bei näherer Sicht tatsächlich ein Alleinstellungsmerkmal des Design dar? Oder ist dies nicht ebenso bei zahlreichen anderen Tätigkeiten der Fall? Um nur einige Beispiel zu nennen: Die Statistik bearbeitet statistische Probleme aus den unterschiedlichen Gebieten wie dem Gesundheitswesen, der Politik oder der Wirtschaft. Die Kunstgeschichte untersucht unter der disziplinäre Klammer von Kunst- und Bildherstellung (bzw. Rezeption) ein Feld, das von den Höhlenmalereien in Lascaux bis zum Bildgebrauch in der Molekularbiologie reicht. Die Kultur- und Medienwissenschaften beschäftigen sich mit interdisziplinären kulturellen und medialen Phänomenen technischer, künstlerischer und wissenschaftlicher Ausprägung etc. Die Aufzählung könnte beliebig weitergeführt werden. Der Umstand, dass im Design Themen aus zahlreichen Bereichen behandelt werden, ist als Alleinstellungsmerkmal vermutlich nur bedingt geeignet, um dieses als eine übergeordnete oder verbindende Instanz zu postulieren. Aus den angeführten Texten von Buchanan, Dorst und Swanson spricht zweifellos der Wunsch, dem Design als akademische Disziplin oder als eigenständiger Forschungsgegenstand mehr Autonomie und Aufmerksamkeit zu garantieren. Dennoch kann an ihnen auch problematisiert werden, dass sich die Vision einer künftigen Designdisziplin oft ›passgenau‹ mit ihrer eigenen Selbsthistorisierung überlagert. Das heißt, bevorzugt werden solche historische Autoritäten angeführt, welche die eigene Vision von Design als neuer integrativer Wissenskultur zu bestätigen scheinen. Ins historische Detail gehen die meisten dieser Argumentationen jedoch nicht, es bleibt bei recht allgemeinen Verweisen. Zwar erhellen Texte, die eine historische Neuinterpretation von Design als integrative Disziplin oder ›neue‹ Wissenskultur zum Thema haben, künftige wünschenswerte Handlungsräume und Entwicklungen des Design. Als bloße Projektion konzipiert, erschweren sie jedoch zugleich auch eine realitätsnahe, ideologiekritische Aufarbeitung von historischen und gegenwärtigen Design104. Swanson: Graphic Design Education as a Liberal Art. 1994, S. 54. 105. Swanson: Graphic Design Education as a Liberal Art. 1994, S. 63.

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praktiken und ihren spezifischen Kontexten. Vor allem verschleiern sie den Umstand, dass Designpraktiken keineswegs idealistische Schöpfungsvorgänge, sondern kontingente historische ›Kulturtechniken sind,106 die mit konkreten Fertigkeiten, technischen Apparaturen, materiell-medialer Verfahren und wirtschaftlichen Interessen einhergehen und durch diese konstituiert werden. Die Rückführung des Design auf prominente historische Vorbilder wie Galileo Galilei oder Francis Bacon, vor allem aber auf den immer wieder zitierten Leonardo da Vinci, deutet möglicherweise weniger auf ein ausgeprägtes Geschichtsbewusstsein hin, sondern kann vielmehr als eine zwar ›kreative‹, dennoch oft unkritische ›Selbsthistorisierung‹, als eine genealogische Geschichtskonstruktion verstanden werden. Sie folgt dem Wunsch einer nachträglichen Autonomisierung oder Nobilitierung des Design. Dem Ansatz nach ist dieses Unterfangen vergleichbar mit Vasaris Vite Mitte des 16. Jahrhunderts.107 Die Vite manifestieren den Aufstieg der Künstler aus dem Handwerkstand in den Rang der ›freien‹ Künste, dargestellt am Beispiel von Lebensbeschreibungen wichtiger Künstlerpersönlichkeiten. Die Vite sind aber keinesfalls als ›objektive‹ Künstlerbiographien zu verstehen, sondern als mächtiges Instrument der Konstruktion der bildenden Kunst als geistiger Schöpfung. Die feministische Kunstgeschichte weist darauf hin, dass Vasari mit den Vite Kategorien der Bewertung von Kunst und der Beurteilung von (zumeist männlichen) Künstlern geschaffen habe, die sich noch in unseren heutigen Vorstellungen von Kreativität und Genie spiegelten.108 Dass das Projekt der künstlerischen Selbsthistorisierung keineswegs nur der Kunsttheorie der Renaissance vorbehalten war, verdeutlicht etwa Astrit Schmidt-Burckhardt am Beispiel der vorzugsweise bildhaft dargestellten Kunststammbäume der künstlerischen Avantgarde Anfangs des 20. Jahrhunderts. Laut Schmidt-Burckhardt diente die historische Standortbestimmung der Avantgarde »als Garant für die eigene Kontinuität, die es zu sichern galt«.109 In diesem Sinne wäre die offensiv propagierte ›Revolutionierung‹ avantgardistischer künstlerischer Praxis auch als eine Weiterführung historischer Künstlertraditionen und -positionen zu lesen. 106. Vgl. Siegert, Bernhard: Weiße Flecken und finstre Herzen. Von der symbolischen Weltordnung zur Weltentwurfsordnung. In: Hauser/Gethmann: Kulturtechnik Entwerfen. 2009, S. 19–48, hier S. 23. 107. Vasari, Giorgio: Le vite de‹ piu eccellenti pittori sultori ed architettori. Hg. von Gaetano Milanesi. Mailand. 1906. 108. Christadler: Kreativität und Genie. 2006, S. 254. Vgl. grundlegend: Schade/Wenk: Inszenierungen des Sehens: Kunst, Geschichte und Geschlechterdifferenz. 1995, S. 353 ff. 109. Schmidt-Burckhardt, Astrit: Stammbäume der Kunst. Zur Genealogie der Avantgarde. Berlin. 2005, S. 2.

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Nun bedient sich das Design (bemerkenswerterweise) zwar keiner visuellen, dennoch aber ideeller Stammbäume. Mittels genealogischer Geschichtskonstruktion wird auch hier angestrebt, Design nachträglich als eine zeitgenössische ›freie‹ Kunst oder eine autonome Wissenskultur diskursiv zu legitimieren und durch eine eigenständige Theoriebildung aufzuwerten. Durch die Herstellung bestimmter epigonaler historischer Bezüge werden aber zugleich damit verhaftete Narrative perpetuiert. So kann die unkritische Aktualisierung und Weiterführung des SyntheseMotivs in die Designtheorie und -forschung als Bestandteil eines Narrativs gedeutet werden, in dem Design als verkannte, immer schon da gewesene und verbindende Instanz von Wissen idealisiert wird. In Anlehnung an Barthes und Foucault ist zu problematisieren, dass in einer solchen Geschichtskonstruktion die kontingenten historischen Konstruktionen von Strukturen und Ereignissen zugunsten einer naturalisierten »Ursprungserzählung« und einer stringenten Genealogie ausgeblendet werden.110 bzw. dass Geschichte zunutze einer stärkeren Profilierung des Design einseitig »abgewandelt« oder »deformiert« wird.111 Was als Folge von zufälligen sowohl individuellen als auch kollektiven historischen Entwicklungen und Strukturen zu deuten wäre, wird bisweilen als ein a priori vorgegebenes, dem Design per se inhärentes Missverständnis interpretiert. Eine Brücke zwischen Technik und Kunst Dass im Design nicht nur Kunst und Wissenschaft zueinander in Beziehung gesetzt werden, sondern auch die Dimension der ›Technik‹, konstatiert Vilém Flusser in seiner Designphilosophie Vom Stand der Dinge (1993). Die Worte ›Design‹, ›Maschine‹, ›Technik‹, ›ars‹, und ›Kunst‹ stünden in einer engen Beziehung zueinander, so Flusser, ein Begriff sei ohne die anderen undenkbar und allesamt entstammten sie der »gleichen existentiellen Einstellung der Welt gegenüber«.112 Ähnlich wie bereits Richard Buchanan argumentiert auch Flusser, dass der »innere Zusammenhang« zwischen diesen Bereichen jahrhundertelang, mindestens seit der Renaissance, »geleugnet« worden sei. Die neuzeitliche, bürgerliche Kultur stellte schroff die Welt der Künste jener der Technik und der Maschinen gegenüber, und daher zersprang die Kultur in zwei voneinander entfremdete Zweige: den wissenschaftlichen, quantifizierbaren, ›harten‹ 110. Foucault, Michel: Nietzsche, die Genealogie, die Historie. 1971. In ders.: Schriften in vier Bänden. Dits et Ecrits. Bd. 2. Hg. von Daniel Defert und François Ewald. Frankfurt a. Main. 2002, S. 166–191. 111. Barthes: Mythen des Alltags. 1964, S. 112. 112. Flusser, Vilém: Vom Stand der Dinge. Göttingen. 1993, S. 10.

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und den schöngeistigen, qualifizierenden, ›weichen‹. Diese verderbliche Scheidung begann gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts unhaltbar zu werden. Das Wort Design sprang in die Bresche und bildete die Brücke. Dies konnte es tun, weil in ihm der innere Zusammenhang zwischen Technik und Kunst zu Wort kommt.113

Das Zitat verdeutlicht auf prägnante Weise das Synthese-Motiv im Design – als eine Denkfigur, die der fortschreitenden Divergenz von Kunst auf der einen, Technik und Wissenschaft auf der anderen Seite entsprungen ist. Flusser spitzt den Gedanken noch zu, indem er schreibt: »Daher meint Design gegenwärtig ungefähr jene Stelle, an welcher Kunst und Technik (und von daher wertendes und wissenschaftliches Denken) zur gegenseitigen Deckung kommen, um einer neuen Kultur den Weg zu ebnen«.114 Wie Buchanan fordert auch Flusser eine Neubewertung von Design hinsichtlich der darin inhärenten Verbindungen von Wissenschaft, Kunst und Technik. Zum wachsenden gesellschaftlichen Stellenwert von ›Design‹ bemerkt er: »Das Wort Design hat seine gegenwärtige Stellung im allgemeinen Gespräch gewonnen, weil wir […] den Glauben an Kunst und Technik als Quellen von Werten zu verlieren beginnen. Weil wir das Design dahinter zu durchblicken beginnen«.115 Wiederum stellt sich hier die Frage, wie sinnvoll es sein kann, ein fundiertes Verständnis für die komplexen Interdependenzen zwischen Wissenschaft, Kunst und Technik einzig aus einem Bereich, nämlich dem Design, heraus zu entwickeln. Sollte ein solches Verständnis (zumindest aus heutiger Sicht) nicht vielmehr als interdisziplinäres Projekt angegangen werden? Als eine integrative Verbindung von Natur-, Technik- und Geisteswissenschaften? Gewiss, im Design kommt, wie Flusser schreibt, »der innere Zusammenhang zwischen Technik und Kunst zu Wort«,116 aber dieser ist, wie ich vorhin argumentiert habe, auch andernorts in relevanter Weise zu beobachten. Sicherlich müsste heute für sämtliche wissenschaftlichen, technischen und künstlerischen Disziplinen solch ein »innere[r] Zusammenhang« als konstitutiv gelten. So ist zum Beispiel in den Ingenieur- und Technikwissenschaften selbst die spannungsreiche Beziehung von technischer Konstruktion und Erfindung »zwischen Kunst und Wissenschaft« ein wichtiges Thema.117 Albert Leyer notierte dazu: »Konstruieren kann […] nur der Ingenieur oder Techniker, denn es verlangt neben Wissen auch Können. Konstruktion gilt als eine Kunst, und auch der Konstrukteur zählt zu den Künstlern«.118 113. 114. 115. 116. 117. 118.

Flusser: Vom Stand der Dinge. 1993, S. 10 f. Flusser: Vom Stand der Dinge. 1993, S. 11. Flusser: Vom Stand der Dinge. 1993, S. 13. Flusser: Vom Stand der Dinge. 1993, S. 11. Vgl. Banse/Friedrich: Konstruktion zwischen Kunst und Wissenschaft. 2000. Leyer, Albert: Maschinenkonstruktionslehre. Heft 1. Allgemeine Gesichtspunkte. Basel, S. 8.

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Neben den Ingenieurwissenschaften ist es ein vorrangiges Anliegen der jüngeren Kultur- und Wissenschaftsgeschichte, Interdependenzen zwischen Wissenschaft, Kunst und Technik aufzuzeigen, indem disziplinäre Besonderheiten und disziplinübergreifende Wechselwirkungen am Beispiel von konkreten Praktiken und Verfahren der Wissenserzeugung untersucht werden.119 Die hier nur knapp genannten Beispiele sollen verdeutlichen, dass feldübergreifende Wechselwirkungen zwischen Wissenschaft, Kunst und Technik nicht vorrangig ein monodisziplinäres Forschungsdesiderat des Design (oder einer anderen Disziplin) sein können. Vielmehr sind aus heutiger Sicht die Praktiken und Techniken der Wissenserzeugung zum Gegenstand von interdisziplinären Fragestellungen avanciert. Diese sind in der Technikgeschichte ebenso zu verorten wie in der Kunstgeschichte, in der Naturwissenschaft ebenso wie in der Kulturwissenschaft. Mit Blick auf die disziplinäre Abgrenzung der Kulturwissenschaft schreibt Friedrich Kittler, dass es nicht darum gehen könne, das Feld der Kulturwissenschaft wie einen claim abzustecken, »also erstens gegen die Natur, zweitens gegen die Technik und drittens gegen Gesellschaft mit Mauern und Verbotsschildern abzudichten«.120 Es gehe im Gegenteil darum, das Spiel der Differenzen und Interdependenzen zu allen drei anderen Wissensfeldern zu durchmessen, um die Inhalte oder Korrelate der Kulturwissenschaft genauer bestimmen zu können. Horst Bredekamp hält vergleichbar für die Technikgeschichte fest, dass die Disziplinen zwar in der Isolierung ihre Konturen schärfen müssten, »aber wenn sie in ihr verbleiben, werden sie verkümmern wie in Einzelhaft«.121 Diese Gedanken sind meines Erachtens auch für die theoretische und methodische Entwicklung einer Designdisziplin wegweisend und sie stehen dem Wunsch nach disziplinärer Eigenständigkeit nicht entgegen. Im Gegenteil: Die Eigenständigkeit einer Disziplin kann heute kaum mehr mit der Behauptung einer ›genuin‹ epistemologischen Besonderheit begründet werden. In Anbetracht des Wissens um die historische, soziale und kulturelle Bedingtheit von Wissen und Wissenschaft gilt es heute vielmehr, die Autonomie einer Designdisziplin durch die Offenlegung ihrer Motivationen, Desiderate und bildungspolitischen Rahmengebungen transparent zu vermitteln und das Forschungsfeld als ein zugleich eigenständiges und Disziplin übergreifendes zu verstehen. In einem solchen historisch reflektierten Setting könnte das ambitionierte Projekt einer Synthese von Theorie und Praxis sowie das einer Vermittlung von Kunst, 119. Vgl. Rheinberger: Experimentalsysteme und epistemische Dinge. 2001. 120. Kittler, Friedrich: Kulturgeschichte der Kulturwissenschaft. München. 2000, S. 17 f. 121. Bredekamp, Horst: Antikensehnsucht und Maschinenglauben. Die Geschichte der Kunstkammer und die Zukunft der Kunstgeschichte. Berlin. 2000 [1993], S. 104.

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Technik und Wissenschaft unter der konzeptuell-pragmatischen Klammer einer ›Wissensgestaltung‹ am ehesten gelingen.

Das Motiv einer Synthese von Gegenwar t und Zukunf t Das Synthese-Motiv im Design entfaltet seine Kraft im Wissensdiskurs der Designtheorie und -forschung nicht nur als vermittelnde Instanz zwischen Wissenschaft, Kunst und Technik. Es realisiert sich überdies in Form einer zeitlich-modalen Synthese von Gegenwart und Zukunft. Im Grunde hat aber auch diese Form der Synthese ihre diskursiven Wurzeln in einer konstitutiven Polarisierung von ›subjektiv-wertender Kunst‹ und ›objektiv-analytischer Wissenschaft‹. Präziser formuliert, in der paradoxen Zuschreibung, dass Design zukünftige Projekte gestalten und diese Projektionen aus einer gegenwärtigen Sicht bewerten soll. Der Designer und Designtheoretiker Otl Aicher liefert eine Beschreibung dieser Polarisierung, indem er die Methoden eines Designer zwischen den technisch-rationalen Methoden »eines ingenieurs« und den künstlerischen Methoden »eines malers« situiert: [D]er designer kann sich weder auf eine rational analytische arbeitsmethode zurückziehen, die alles in quantitäten auflöst und quantifizierbar macht, noch kann er sich darauf beschränken, qualitäten zu erzeugen, ordnungen der anschauung, der farbe, der form. die arbeitsmethode des designers ist komplexer. sie auch nicht ein bißchen von dem, ein bißchen von jenem. sie umfaßt zwar das rechnen und messen und die herstellung von proportionen, aber sie ist mehr.122

Von den Methoden in Kunst und Wissenschaft unterscheidet sich die Arbeitsmethode eines Designers für Aicher hinsichtlich des Aspekts der Wertung. »der designer ist eine art moralist. er wertet. seine tätigkeit besteht aus wertungen«.123 Mit dieser Idee war Aicher in den 1960er Jahren nicht alleine. Viele seiner Kollegen an der HfG Ulm vertraten im Deutschland der Nachkriegszeit Designauffassungen, denen ein moralisch-ethischer Impetus zugrunde lag. Die Hochschule selbst verfolgte bekanntermaßen eine ›demokratische‹ Programmatik, in der die gesellschaftspolitische Wirkungsdimension von Design ein zentrales Thema war.124 Vor diesem Hintergrund ist denn auch Aichers Aussage, ein Designer »wertet«, zu situieren. 122. Aicher: die welt als entwurf. 1991, S. 67. 123. Aicher: die welt als entwurf. 1991, S. 67. 124. Vgl. dazu das Exposé der Geschwister-Scholl-Stiftung. 1951. In: Rinker et al.: ulmer modelle – modelle nach ulm. 2003, S. 12.

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Neben Otl Aicher plädierte zu dieser Zeit auch Horst Rittel für einen ›moralischen Imperativ‹ im Design. Er sprach diesbezüglich von einer »deontischen Prämisse«.125 Jeder Problemlösungsschritt im Design sei letztlich auf eine politische, moralische oder ethische Haltung zurückzuführen, so seine Überzeugung. Als Planungs- und Systemtheoretiker trieb ihn diesbezüglich weniger die Frage um, wie die Systeme beschaffen sind, mit denen es man sich befasst, sondern vielmeher was diese Systeme tun sollten. 126Auch Gui Bonsiepe schreibt in einer zu Rittel verwandten Weise, dass Design eine besondere Art von »innovativem Handeln« sei, die immer auch ethische Belange berühre.127 Hinsichtlich des Synthese-Motivs gehen diese moralisch-ethischen Ansätze mit der Annahme einher, Design sei eine zukunftsgerichtete Tätigkeit, ein Handeln in Möglichkeiten und Alternativen. In den 1960er Jahren schrieb Simon, »the designer, is concerned with how things ought to be – how they ought to be in order to attain goals, and to function«.128 Verwandt dazu schreibt Jonas 2004: »Design ist antizipativ, zukünftige, noch nicht existierende Situationen in unterschiedlichen zeitlichen, sachlichen und sozialen Dimensionen projektierend«.129 Design bildet in diesen Ansätzen gewissermaßen eine Synthese von ›Gegenwart‹ und ›Zukunft‹, von ›Wirklichkeit‹ und ›Möglichkeit‹. Bei Krippendorff findet sich genau dieser Gedanken treffend beschrieben: »First and fundamentally, designers create possibilities. Possibilities relate to what humans can do«.130 In seiner Lesart umschließt der Wirkungsbereich von Design einen ›Möglichkeitsraum‹, in dem das Potential künstlich hergestellter Dingen angedacht und konzipiert wird. Mit der Vorstellung eines solchen Möglichkeitsraums ist zugleich die Dimension der Zukunft verbunden. Daher gilt es, das Synthese-Motiv nicht nur im Hinblick auf eine Verbindung von Wissenschaft, Kunst und Technik nachzuzeichnen, sondern auch im Sinne einer zeitlich-modalen Ausprägung als Synthese von ›Gegenwart‹ und ›Zukunft‹. Buchanan thematisiert eine solche zeitlich-modale Ausprägung des Synthese-Motivs. Mit Blick auf die emergente Designforschung Ende der 1990er Jahre unterscheidet er zwei Arten des Denkens: »the paleoteric way of knowing (looking backward, working with knowledge) and the neoteric way of knowing (looking forward, working with designing)«.131 Die »paleo125. 126. 127. 128. 129. 130.

Rittel: Zur Planungskrise. 1992, S. 50. Rittel/Webber: Dilemmas in einer allgemeinen Theorie der Planung. 1992, S. 15. Bonsiepe: Design: Von Material zu Digital und zurück. 1996, S. 26. Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 4 f. Jonas: Forschung durch Design. 2004, S. 26 ff. Krippendorff, Klaus: Design Research, an Oxymoron? In: Michel: Design Research Now. 2007, S. 67–80, hier S. 73. 131. Buchanan, Richard: The Study of Design: Doctoral education and Research in a New Field of Inquiry. In: Buchanan, Richard et al. (Hg.): Proceedings of the Ohio Conference. Doctoral Education in Design. Pittsburgh. 1998, S. 1–29, hier S. 6.

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terische Denkweise«, so Buchanan, basiere auf der Differenzierung diskreter Forschungsgebiete, wie es gegenwärtig an den Universitäten Tradition sei. Ziel dieses ›Denkstils‹ sei es, das Wissen innerhalb eines spezifischen Gebiets mit zunehmender Detailgenauigkeit zu vertiefen. Demgegenüber basiere die »neoterische Denkweise« auf neuen, noch unbekannten Problemstellungen, denen man sowohl im »praktischen Leben« als auch in »ernsthaften theoretischen Reflexionen« begegne.132 Seiner Ansicht nach vertreten Designerinnen und Designer eine vorwärtsgewandte, »neoterische Denkweise«: »Designers create their subject matter in a way that natural scientists and social scientists do not«.133 Wiederum wird die angebliche Besonderheit von Design vermittels einer Differenzfigur postuliert, indem Design von den Natur- und Sozialwissenschaften abgesetzt wird. Unterschlagen wird mit dieser Differenzierung zugunsten des Design jedoch, dass die ›traditionellen‹ Wissenschaften weder in sich homogen sind, noch dass sie ausschließlich bestehendes Wissen reproduzieren. Diese Sicht wäre viel zu simplifizierend. So werden zum Beispiel die Vorgehensweisen in den experimentellen Naturwissenschaften als von Menschen konstruierte und durch Maschinen bzw. Inskriptionen beeinflusste »Experimentalsysteme« (Rheinberger) betrachtet.134 Selbst in den Geschichtswissenschaften hat sich mittlerweile die Einsicht durchgesetzt, dass Geschichtsschreibung keine a priori vorgegebene ›Wirklichkeit‹ oder ›Wahrheit‹ einfach bloß nacherzählt, sondern dass sie einen »konstruktiven Reflexionsakt« darstellt.135 Sie ist Wirklichkeitskonstruktion im »zeitlichen Modus der Gegenwart«, aktiver Nachvollzug und damit auch Akt der Sinnstiftung und Vermittlung von historischen Ereignissen aus heutiger Perspektive für zukünftige Handlungen. Damit gehen Design und Geschichtswissenschaften freilich noch nicht ineinander über, dennoch ist dieser Aspekt bedenkenswert im Hinblick auf das Motiv einer Synthese von Gegenwart und Zukunft durch das Design. Victor Margolin greift 2007 in seinem Aufsatz Design, the Future and the Human Spirit das zeitlich-modale Synthese-Motiv ebenfalls auf. As creators of models, prototypes, and propositions, designers occupy a dialectical space between the world that is and the world that could be. Informed by the past and the present, their activity is oriented towards the future. They operate

132. 133. 134. 135.

Buchanan: The Study of Design. 1998, S. 7 f. Buchanan: The Study of Design. 1998, S. 8. Rheinberger: Experimentalsysteme und epistemische Dinge. 2001, S. 8. Vgl. dazu Goertz, Hans-Jürgen: Geschichte – Erfahrung und Wissenschaft. Zugänge zum historischen Erkenntnisprozess. In: Ders. (Hg.) Geschichte. Ein Grundkurs. Reinbek b. Hamburg. 2007 [1998], S. 19–47, hier S. 41, passim.

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in situations that call for interventions, and they have the unique ability to turn these interventions into material and immaterial forms.136

Expliziter noch als Buchanan bringt Margolin in dieser Aussage die Vorstellung zum Ausdruck, dass Designerinnen und Designer eine dialektisch verbindende Rolle einnehmen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit: »From the dialectic of past and present come the situations that determine the possibilities for the future. To plan effectively in the present requires a vision of what the future could and should be.137 Er stützt seine Sichtweise insbesondere damit, indem er Modelle, Prototypen und Propositionen als zukunftsorientierte bzw. zukunftsgenerierende Verfahren und als typische Designpraktiken und -techniken benennt. Eine Untersuchung genau dieser Verfahren erscheint denn auch am Aussichtsreichsten, um besser zu verstehen, wie Designerinnen und Designern konkret ›Zukunft‹ herstellen auf der Basis von gegenwärtig vorhandenen Informationen. Ebenso gut können damit aber auch vergleichende Fragestellungen zum Modellgebrauch in Design, Technik, Kunst und Wissenschaft angegangen werden. Bemerkenswerterweise weist Margolins Konzeption von Design als verbindende Instanz zugleich visionäre und nostalgische Züge auf. Nostalgisch erscheint sie aus dem Grund, weil sich darin der verschüttete Glaube an ein überzeitliches, universelles, enzyklopädisches Wissen, an eine ›Einheitswissenschaft‹ aktualisiert. Visionär erscheint er, weil am Beispiel des Design, seinen Praktiken und Techniken eine zukunftsweisende »dritte Kultur« vorgeschlagen wird, die als synthetisierende Disziplin die Gräben zwischen Kunst und Wissenschaft überwinden soll und womöglich sogar über beide Felder hinauswachsen könnte.

Zum Konzept von Design als ›dritte Kultur‹ und zur Vision eines ganzheitlichen Wissens Designerinnen und Designer werden bisweilen als »Spezialisten des Dazwischen« beschrieben und ›Design‹ als eine »vermittelnde – sowohl trennende als auch verbindende – Instanz«, die sich »zwischen das Machen und das Nutzen der Artefakte« schiebe.138 Wie oben dargelegt wurde, bedient sich die Designtheorie und -forschung des Motivs der ›Synthese‹ 136. Margolin, Victor: Design, the Future and the Human Spirit. In: Design Issues. Vol. 23, Nr. 3. 2007, S. 4–15, hier: S. 4. 137. Margolin: Design, the Future and the Human Spirit. 2007, S. 5. 138. Jonas, Wolfgang: Die Spezialisten des Dazwischen. Überlegungen zum Design als InterfaceDisziplin. o. O. 2002. Auf: http://home.snafu.de/jonasw/JONAS4-58.html [Okt. 2010].

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meist im Sinne einer verbindenden Instanz zwischen zwei oder mehreren Bereichen bzw. Operatoren. Die argumentative Funktion des SyntheseMotivs kann aber stets in ambivalenten Weise gelesen werden: als vermittelnde, integrative Instanz einerseits, als identitätsstiftende Differenz andererseits. Auch die Idee, dass Design ›dazwischen‹ sei, kann demnach mehrerlei bedeuten: dass Design als ver mittelnde Tätigkeit zu verstehen sei; dass sich eine solche Designdefinition einer dualistischen Kategorisierung entziehen will oder auch, dass Design durch solch eine hybride Umschreibung schlicht ›unfassbar‹ gehalten werden soll. Gleichwohl zeichnet sich in diesen Deutungen eine verbindende Lesart ab. Nämlich jene, dass Design als eine »dritte Kultur«, allgemeiner noch, als eine ›Figur des Dritten‹ gefasst werden kann. Die Dominanz, die den »zwei Kulturen« der Natur- und Geisteswissenschaften attestiert wird, begründet zugleich die Vorstellung, Design als eine dritte, vernachlässigte Wissenskultur daneben zu stellen (so etwa bei Nigel Cross).139 Unerwähnt bleibt bei solchen Vergleichen jedoch oft, dass die Idee einer »dritten Kultur« nicht nur für das Design virulent ist, sondern dass zunächst in den Wissenschaften spätestens seit den 1960er Jahren das Verhältnis von Natur- und Geisteswissenschaften sowie die Instanz einer »dritten Kultur« rege und kontrovers diskutiert wurde. Diese Debatten stellen einen wichtigen historischen Bestandteil dar, will man das Sprechen über Design als synthetisierende, vermittelnde Instanz, eben als »dritte Kultur« besser verstehen. Aus diesem Grund werden im Folgenden einige zentrale Aspekte daraus angeführt, um das Sprechen über Design als »dritte Kultur« vor dem Hintergrund dieser historischen Debatten zu kontextualisieren. Snows Rede von den »zwei Kulturen« und einige Auswirkungen Charles Percy Snow, Romancier und Naturwissenschaftler, hielt 1959 in Cambridge einen Vortrag mit dem Titel The Two Cultures and the Scientific Revolution.140 Snow vertrat die These, dass die literarisch-geisteswissenschaftliche und die natur wissenschaftliche »Intelligenz« innerhalb der westlichen Industriegesellschaft zwei substanziell unterschiedliche Wissenskulturen repräsentierten, die sich zunehmend entfremdeten: »Das geistige Leben der gesamten westlichen Gesellschaft spaltet sich immer mehr in zwei diametrale Gruppen auf«, so seine Diagnose.141 Er konsta139. Cross: Designerly Ways of Knowing. 2006, S.1. 140. Snow: The Two Cultures and the Scientific Revolution. 1959. 141. Snow, Charles P.: Die zwei Kulturen. In: Kreuzer, Helmut (Hg.): Literarische und naturwissenschaftliche Intelligenz. Dialog über die zwei Kulturen. Stuttgart. 1969, S. 11–25, hier S. 11. Der Band von Helmut Kreuzer fasst die zentralen englischen Beiträge der Kontroverse in

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tierte, dass seit den 1930er Jahren die literarisch gebildeten Geisteswissenschaftler (»erste Kultur«), den Begriff des »Intellektuellen« ausschließlich für sich in Anspruch nahmen und damit selbst führende Naturwissenschaftler (»zweite Kultur«) wie Norbert Wiener, Albert Einstein, Niels Bohr oder Werner Heisenberg aus diesem Kreis ausschlossen. […] auf der einen Seite haben wir die literarisch Gebildeten, die ganz unversehens, als gerade niemand aufpaßte, die Gewohnheit annahmen, von sich selbst als von den ›Intellektuellen‹ zu sprechen, als gäbe es sonst keine. […] auf der anderen [Seite] Naturwissenschaftler, als deren repräsentativste Gruppe Physiker gelten. Zwischen beiden eine Kluft gegenseitigen Nichtverstehens, manchmal […] Feindseligkeit und Antipathie, in erster Linie aber mangelndes Verständnis.142

Die Befürchtung war, dass sich diese Horizontbeschränkung auf beiden Seiten in Form einer kulturellen Verarmung auswirke und darüber hinaus ernsthafte politische und soziale Konsequenzen habe.143 Snow hatte dabei vor allen die ungleiche ökonomische und technologische Entwicklung in den Industrie- und den Entwicklungsländern vor Augen, die Kluft zwischen reich und arm. Seines Erachtens konnte nur mit den Mitteln und der ›sozialen Gesinnung‹ der szientifisch-technischen Kultur ein Ausgleich zwischen den reichen und armen Nationen hergestellt werden.144 Die literarisch-geisteswissenschaftliche Kultur sah Snow in diesem Vorhaben als ein Hemmnis an. Er kritisierte sie als realitätsfremd und fortschrittsfeindlich und setzte sich für eine bildungspolitische Aufwertung der Naturwissenschaften ein. In einer zweiten Auflage seines Buches The Two Cultures, die 1964 erschien, äußerte er jedoch die optimistische Vermutung, eine »dritte Kultur« werde entstehen, welche die gestörte Kommunikation zwischen den literarischen Intellektuellen und den Naturwissenschaftlern wieder überbrücken könne.145 Snows Ausführungen sind zweifellos vor dem Hintergrund des Kalten Krieges und des amerikanischen »Sputnik-Schocks« Ende der 1950er Jahre zu lesen. Der Vortrag löste innerhalb der Wissenschaften eine jahrelange und heftig geführte Kontroverse über die unterschiedlichen intellektuellen Selbstverständnisse von Natur- und Geisteswissenschaften sowie über die Zukunft der Wissenschaften im Allgemeinen aus.146

142. 143. 144. 145. 146.

deutscher Übersetzung zusammen und ergänzt diese um Stellungnahmen aus dem deutschen Wissenschaftsraum. Snow: Die zwei Kulturen. 1969, S. 11 f. Kreuzer, Helmut: Einleitung. In: Ders.: Literarische und naturwissenschaftliche Intelligenz. 1969, S. 7–10, hier S. 7. Vgl. Snow: Die zwei Kulturen. 1969, S. 11–25. Snow, Charles P.: The Two Cultures, and A Second Look. Cambridge/New York. 1964. Vgl. Kreuzer: Literarische und naturwissenschaftliche Intelligenz. 1969.

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Es scheint, dass weniger Snows These zu den »zwei Kulturen«, als vielmehr die Virulenz des Themas an sich das wissenschaftliche Interesse derart in Aufruhr zu versetzen vermochte. Einige Autoren ließen Snows Kritik nicht gelten, Schriftsteller seien fortschrittsfeindlich und hätten die Augen vor dem sozialen Elend der industrialisierten Welt verschlossen.147 Die Mehrzahl der Autoren, die Repliken schrieben, schlug sich aber auf die Seite Snows oder stützte zumindest dessen Ansinnen, die Kommunikation zwischen Natur- und Geisteswissenschaften zugunsten eines sozial gerechteren industriellen und technologischen Fortschritts zu optimieren. Freilich bezogen sich die meisten dieser Voten implizit auf einen Fortschritt des Westens. Einer der Bereiche, die von Snows These stark beeinflusst wurde, war die Domäne der Computerkunst. In verschiedenen Art & Technology-Bewegungen, insbesondere in den USA der 1960er Jahre, wurde versucht, mittels einer synthetisierenden »Informationsästhetik«148 eine Brücke zwischen Technik und Kunst, zwischen Natur- und Geisteswissenschaften zu bauen.149 Dessen ungeachtet wurden die »zwei Kulturen« in der öffentlichen Diskussion bald zu einer Metapher für eine stereotype Unterscheidung zwischen Geistes- und Naturwissenschaften. Angenommen wurde, »dass Ingenieure kein Gespür für Kultur« hätten und »Künstler wenig von Naturwissenschaften verstünden; nicht gefragt wurde demgegenüber, inwieweit die Naturwissenschaften eine »Kultur« sei und warum die Geisteswissenschaft oft mit ›Kunst‹ gleichgesetzt wurde.150 Jürgen Habermas betonte in seinem Beitrag zur deutschsprachigen »Zwei Kulturen«-Debatte, dass man sich nicht mit einem bloßen Nebeneinander der wissenschaftlichen Methoden in den Natur- und Geisteswissenschaften begnügen dürfe. Es zeige sich vielmehr, dass mit dem problematischen Verhältnis von Literatur und Wissenschaft nur der Ausschnitt eines umfassenderen Problems erfasst werde: »des Problems nämlich, wie eine Übersetzung des technisch verwertbaren Wissens in das praktische Bewusstsein einer sozialen Lebenswelt möglich ist«.151 Er plädierte dafür, dass das Verhältnis von technischem Fortschritt und sozialer Lebenswelt sowie die Übersetzung wissenschaftlicher Informationen ins praktische 147. Leavis, Frank: Two Cultures? The Significance of C. P. Snow. With Michal Yudkin: An Essay on Sir Charles Snow’s Rede Lecture. London. 1962. 148. Namentlich prägten Max Bense und Abraham Moles den Begriff der ›Informationsästhetik‹. Vgl. Moles, Abraham: Informationstheorie und ästhetische Wahrnehmung. Köln 1971; Bense, Max: Ausgewählte Schriften. Bd. 3: Ästhetik und Texttheorie. Stuttgart. 1998; ders.: Ausgewählte Schriften. Bd. 1: Philosophie. Stuttgart. 1998; ders.: Einführung in die informationstheoretische Ästhetik. Reinbek. 1969. 149. Klütsch: Computergrafik: 2007, S. 33 f. 150. Klütsch: Computergrafik: 2007, S. 32 f. 151. Habermas, Jürgen: Technischer Fortschritt und soziale Lebenswelt. In: Kreuzer: Literarische und naturwissenschaftliche Intelligenz. 1969, S. 238–252, hier S. 240.

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Bewusstsein keine »Angelegenheit der privaten Bildung«, sondern unbedingt wissenschaftlich zu reflektieren sei: Wenn aber Technik aus Wissenschaft hervorgeht, […] dann verlangt das Einholen dieser Technik in die praktische Lebenswelt, das Zurückholen der technischen Verfügung partikularer Bereiche in die Kommunikation handelnder Menschen erst recht der wissenschaftlichen Reflexion.152

Habermas’ Ausführungen können in Verbindung zu Richard Buchanans Ansatz gebracht werden, der vorschlägt, mittels ›design thinking‹ neue Einsichten in die Technologieentwicklung zu gewinnen.153 Habermas Ausführungen machen ersichtlich, dass die Implikationen des technologischen Fortschritts bis weit in die Lebenswelt des handelnden Individuums hinreichen. Sie unterstützen Buchanans Ansinnen eines »humanistischen Technologieverständnis«. Anders aber als Buchanan, der ein solches Technologieverständnis aus der Designpraxis heraus initiieren will, sieht Habermas in der wissenschaftlichen Reflexion das Mittel der Wahl, um die Implikationen technischen Fortschritts auszuhandeln. Der vorwissenschaftliche Horizont der Erfahrung werde infantil, so Habermas Befürchtung, »wenn der Umgang mit den Produkten angespanntester Rationalität auf naive Weise in ihm eingelebt werden soll«.154 Es gilt demnach, Buchanans Ansinnen im Hinblick auf diesen Gedanken kritisch zu befragen. Zu fragen ist etwa, inwiefern der unmittelbare Praxisbezug des Design (der für die heutige Designforschung als zentrales Ziel definiert wird) mit dem Anspruch kollidiert, zugleich eine übergeordnete Reflexionsebene für ein neues Technologieverständnis zu sein. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob Buchanans Plädoyer, ›design thinking‹ als Schlüsselkompetenz für ein neues Technologieverständnis zu verstehen, nicht gerade den Blick darauf verstellt, dass die folgenschweren Effekte der Technologieentwicklung nicht nur monodisziplinär angegangen werden können. Habermas vertrat diesbezüglich die Ansicht, dass die Übersetzungen von technisch verwertbaren Informationen in das praktische Bewusstsein einer sozialen Lebenswelt in großem Maßstab institutionalisiert werden müsste, »wenn wir im Rahmen einer langfristigen Forschungspolitik den technischen Fortschritt aus dem Zusammenhang naturwüchsiger Interessen herauslösen und den realen Bedürfnissen der Gesellschaft anpassen wollten.«155 Für ihn war dieser Übersetzungsprozess nicht von einer poli152. 153. 154. 155.

Habermas: Technischer Fortschritt und soziale Lebenswelt. 1969, S. 244. Buchanan: Wicked Problem in Design Thinking. 1992, S. 6. Habermas: Technischer Fortschritt und soziale Lebenswelt. 1969, S. 244. Habermas: Technischer Fortschritt und soziale Lebenswelt. 1969, S. 251 f.

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tischen Öffentlichkeit abzutrennen. Auch gegenwärtig scheint es lohnenswert, die von Buchanan und anderen Autoren postulierte Schlüsselposition von Design und ›design thinking‹ um den Aspekt einer Disziplin übergreifenden und politisch-öffentlichen Übersetzungsebene zu ergänzen. Modelle einer »dritten Wissenskultur« Auch die Soziologie ist ein Bereich für den die Debatten zu den »zwei Kulturen« bedeutsam sind. Wolf Lepenies greift in seinem Buch Die drei Kulturen (2002) den Gedanken auf, die Soziologie sei eine »dritte Kultur«, da sie seit ihren Anfängen zwischen den Natur- und Geisteswissenschaften bzw. der Literatur stehe.156 Diese »prekäre Situation« wird seines Erachtens dadurch verschärft, dass, historisch betrachtet, in der Soziologie die Denktradition der Aufklärung und der Gegenaufklärung um die Bestimmung der Disziplin rangen.157 Lepenies führt aus, dass die Sozialwissenschaften zunächst (in England und Frankreich) dem Vorbild der Naturwissenschaften, ihrer programmatischen »Leidenschafts- und Interesselosigkeit« gefolgt seien und sich ihrer mathematischen Grundsätze bedient hätten.158 Bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts, nicht zuletzt als Folge der allgemeinen Ernüchterung durch die Auswüchse der Französischen Revolution, sei die Nachahmung der Naturwissenschaften durch die Sozialwissenschaften aber als zunehmend problematisch empfunden worden. Die Einsicht habe sich verstärkt, dass die so genannten ›moral sciences‹ auf eine Verwissenschaftlichung von Lebensbereichen abzielten, die prinzipiell anderer Art waren als Naturobjekte. Schnell sollte sich zeigen, so Lepenies, »daß man in der Gesellschaft nicht ohne weiteres Experimente an die Stelle von Erfahrungen setzen konnte«.159 Doch nicht allein der Soziologie wird der Status einer »dritten Kultur« zugesprochen, vielmehr weist die Suche nach einer solchen im ausgehenden 20. Jahrhunderts geradezu symptomatische Züge auf. Der Künstler und Autor John Brockman veröffentlichte 1995 unter dem Titel The Third Culture eine Sammlung von Visionen, Ansichten und Thesen, wie Wissenschaftler eine zukünftige »dritte Kultur« sehen.160 Bis auf eine Ausnahme stammen alle Beiträge aus den Naturwissenschaften, was einen Rezensenten zu der Aussage veranlasste: »Die Naturwissenschaften scheinen ›philosophisch‹ zu werden. Eine synthetische ›dritte Kultur‹ – zwischen

156. Lepenies, Wolf: Die drei Kulturen. Soziologie zwischen Literatur und Wissenschaft. Frankfurt a. Main. 2002. 157. Lepenies: Die drei Kulturen. 2002, S. IX. 158. Lepenies: Die drei Kulturen. 2002, S. IX f. 159. Lepenies: Die drei Kulturen. 2002, S. X. 160. Brockman: The Third Culture. 1995. [Dt. Ausgabe: Die dritte Kultur. 1996].

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Geistes- und Naturwissenschaft sich bewegend – nimmt Gestalt an«.161 Brockman konstatiert, dass entgegen Snows Hoffnung bislang noch keine »dritte Kultur« entstanden sei, die in der Lage wäre, die Kluft zwischen den Geistes- und Natur wissenschaften zu überbrücken. Aber immerhin sei die »Kommunikationslücke« zwischen den Naturwissenschaften und einer breiten, interessierten Basis verringert worden. »Die literarischen Intellektuellen reden auch heute nicht mit den Natur wissenschaftlern; aber Naturwissenschaftler wenden sich unmittelbar an das allgemeine Publikum«, so Brockman.162 In diesem Sinne sind die von ihm versammelten Beiträge denn auch zu lesen, als populärwissenschaftliche Vermittlungsbemühungen von (natur-)wissenschaftlichen Befunden. Kritisiert wird an vielen Beiträgen in Brockmans Band jedoch auch, dass sie nicht wie wissenschaftliche Thesen, sondern wie »wilde Spekulationen« wirkten.163 Ein Ansatz, der in dem Buch The Third Culture zwar nicht explizit enthalten ist, aber gleichwohl in den einschlägigen Debatten zur »dritten Kultur« vermehrt herangezogen wird, stammt von dem Futurologen Joël de Rosnay. In seinem Buch L’ homme symbiotique entwirft er eine »dritte Kultur«, deren wichtigste Schlüsselkompetenz die Beherrschung wissenschaft lich-technischer Komplexität sei.164 Die Menschheit brauche neue Werkzeuge und Denkmethoden um die dringenden Probleme der Gegenwart zu bewältigen, so de Rosnays Appell. In seiner Vision zu einer neuen Wissensordnung skizziert er eine Art Einheitsmethode, mit der komplexe Problemstellungen aus sowohl Natur- als auch Geisteswissenschaften gleichermaßen angegangen werden sollten. Des lois générales peuvent s’appliquer à des domaines aussi différents que l’entreprise, les marchés, les grandes organisations internationales, les populations animales en compétition, les sociétés d’insectes, le développement cellulaire, les réactions chimiques, la reproduction des virus ou la formation des planètes.165

Demnach soll es möglich sein, auf so unterschiedliche Bereiche wie Marktunternehmen, große internationale Organisationen, Insektenstaaten oder chemische Reaktionen dieselben allgemeinen Regeln anzuwenden. Der Aspekt der Universalität und Einheit von Wissen und Methoden ist in vielen zeitgenössischen Ansätzen zu einer »dritten Kultur« zu finden. Der Biologe Edward Wilson diskutiert zum Beispiel in seinem Buch Consilience: The Unity of Knowledge (1998), ob Methoden, die sich bereits 161. Hampe, Michael: Homo symbioticus. Auf dem Weg zu einer dritten Wissenskultur? In: Neue Zürcher Zeitung. Zeitzeichen. Zürich. 07.10.1997, S. 45. 162. Brockman: Die dritte Kultur. 1996, S. 16. 163. Hampe, Michael: Homo symbioticus. 1997, S. 45. 164. Rosnay, Joël de: L’homme symbiotique. Regards sur le troisième millénaire. Paris. 1995. 165. Text auf: http://www.cite-sciences.fr/derosnay/articles/livjr.html [Okt. 2010].

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in den Naturwissenschaften eigneten, um dort unterschiedliche Wissensfelder zu vereinen, sich auch im Hinblick auf eine Vereinigung von Naturund Geisteswissenschaften eignen könnten.166 Den Begriff ›consilience‹ (deutsch: Übereinstimmung, Zusammentreffen von Umständen) benutzt Wilson, um damit eine Synthese von Wissen aus verschiedenen Feldern zu beschreiben: »Literally a jumping together of knowledge by the linking of facts and fact-based theory across disciplines to create a common groundwork for explanation«.167 Sowohl Wilsons als auch De Rosenays Unterfangen, und mit ihnen viele Ansätze zur »dritten Kultur«, argumentieren holistisch. Sie streben nach einer umfassenden Universalwissenschaft, nach einer neuen Einheit von Wissen. Gerade deswegen muten sie selten avantgardistisch oder visionär an, sondern erinnern vielmehr an sinnverwandte historische Unterfangen, etwa an das Enzyklopädie-Projekt von d’Alembert und Diderot im 18. Jahrhundert.168 In den Ansätzen zur »dritten Kultur« geht es aber weniger um die summarische Auflistung und Ansammlung von Wissen, sondern um eine theoretisch-methodische Synthese der unterschiedlichen Wissenskulturen in Natur- und Geisteswissenschaften. Diesbezüglich ließen sich zahlreiche weitere historische Analogien aufzeigen, so zum Beispiel zu den Bestrebungen des Logischen Empirismus in den 1920er und -30er Jahren. Der Wiener Kreis wollte eine universelle, intersubjektive Wissenschaftssicht befördern, die weder zwischen den Erkenntnisobjekten der Einzelwissenschaften, noch zwischen jenen der Natur- oder Geisteswissenschaften unterscheidet.169 Als vermittelnde Instanz wurde eine Einheitssprache postuliert, die quantitativen physikalischen Normen folgen sollte.170 So genannte Protokollsätze stellten die (damals schon umstrittene) empirische Basis dar, anhand derer Theorien überprüft werden sollten. Im Kontext des Wiener Kreises ist auch Otto Neuraths visuelle Einheitssprache »Isotype« (International System of Typographic Picture Education) zu verorten, die er zwischen 1920 und 1940 gemeinsam mit Marie Reidemeister und Gert Arntz entwickelte.171 Ihre Arbeit zielt auf eine bessere Integration von Text und Bild in Form von Piktogrammen und Bildtafeln ab. Im Sinne einer globalen visuellen Enzyklopädie strebten sie danach, 166. Wilson, Edward O.: Consilience: The Unity of Knowledge. New York. 1998. 167. Wilson: Consilience. 1998, S. 8. 168. Diderot, Denis; D’Alembert, Jean le Rond: Encyclopédie, ou Dictionnaire raisonneé des sciences, des arts et des métiers, par une société de gens de lettres. 10 Bd. Paris. 1765. 169. Vgl. Carnap, Rudolf et al.: Wiener Kreis. Texte zur wissenschaftlichen Weltauffassung. (1915– 1936). Hamburg. 2006. 170. Carnap, Rudolf: Die physikalische Sprache als Universalsprache der Wissenschaft. 1932. In: Carnap et al.: Wiener Kreis. 2006, S. 315–353. 171. Neurath, Otto: Gesammelte bildpädagogische Schriften. 1882–1945. Hg. von Rudolf Haller und Robin Kinross. Wien. 1991.

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Abb. 11: Wanderausstellung mit Neuraths Bildtafeln, Ende der 1920er Jahre

Informationen auf verständliche Weise einer breiten Bevölkerungsschicht zugänglich zu machen.172 Bildtafeln wurden anlässlich von Wanderausstellungen des Österreichischen Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseums Wien gezeigt, das Neurath 1925 gründete. [ Abb. 11 ] Wenngleich Neurath von der demokratischen Wirkungsmacht einer kultur- und standesübergreifenden Bildkommunikation überzeugt war, vermochte die »Isotype« diese Zielsetzung, wie wir heute wissen, nur bedingt zu erfüllen. Viele der zu jener Zeit geschaffenen Piktogramme bzw. Abwandlungen davon, finden zwar nach wie vor Verwendung, etwa zur Beschilderung öffentlicher Räume. Kritisiert wird aus heutiger Sicht aber, dass eine Bildsprache – und sei sie noch so abstrahiert – weder ästhetisch zeitlos sei, noch kontextund kulturunabhängig verstanden werde könne.173 Auch am Wiener Kreis und am Logischen Empirismus werden trotz des Bemühens, die Wissenschaften auf eine gemeinsame Grundlage zu stellen, sein Reduktionismus sowie die angeblich ›universellen‹ logischen Prämissen kritisiert, auf denen die angestrebte einheitliche Wissenschaftssprache gründen sollte.174 Wie in den diesen, hier nur knapp genannten historischen Beispielen zu einer Einheitswissenschaft kommen den Motiven ›Ganzheit‹ und ›Ver172. Vgl. Neurath, Otto: Museum of the Future. In: Survey Graphic. Vol. 22, N. 9. New York. 1933. 173. Hartmann, Frank; Bauer, Erwin K.: Bildersprache: Otto Neurath. Visualisierungen. Wien. 2006. 174. Kritisiert wurde der Ansatz des Wiener Kreises namentlich durch Quine. In Auseinandersetzungen mit Carnap versuchte er, den Logischen Empirismus enger an die pragmatische Philosophie zu binden und ihn von seinem erkenntnistheoretischen Reduktionismus zu befreien. Überdies kritisierte er die Unterscheidung zwischen analytischen und synthetischen Sätzen, die in dieser Zeit in der analytischen Phliosophie gebräuchlich war. Vgl. Quine, Willard van Orman: Two Dogmas of Empiricism. In: The Philosophical Review. Nr. 60. 1951, 20–43.

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netzung‹ auch in zeitgenössischen Ansätzen zu einer »dritten Kultur« ein bedeutender Stellenwert zu. Ebenfalls sind Analogien zu zeithistorisch relevanten kybernetischen Wissensmodellen kaum von der Hand zu weisen.175 Konkret kann dies dort beobachtet werden, wo das synthetische Potential der Kybernetik als zugleich »Lehre und Technik« von Erkenntnis und Handlung akzentuiert wird und damit die Überwindung der Kluft zwischen den »zwei Kulturen« der Wissenschaft in Aussicht gestellt wird.176 Neben Ideen zu einer kybernetisch oder systemisch inspirierten ›Vernetzung‹ lassen sich aber auch quasi-religiöse Sehnsüchte und nostalgische Ganzheitsmotive vermuten. Offenbar solle, so ein kritischer Kommentar von Michael Hampe zu den Ansätzen in Brockmans Buch, die »Vertreibung aus der religiösen Geborgenheit des Abrahamitischen Schosses« rückgängig gemacht und »durch das Angebot einer Mitgliedschaft in ökologischen, kybernetischen oder informationellen Ganzheiten« ersetzt werden.177 Design als »dritte Wissenskultur« – eine Frage der Historisierung? Auch im Design wird gegenwärtig diskutiert, ob und in welcher Weise ›Design‹ als »dritte Kultur« des Wissens zu verstehen sei. Die entsprechenden Vorschläge greifen Argumente aus Snows »Zwei Kulturen«-Rede ebenso auf wie Motive der ›Ganzheit‹ und ›Vernetzung‹. Wolfgang Jonas konstatiert, dass die Debatten zu Design als ›Disziplin‹ oder ›Wissenschaft‹ auch heute noch von einem, seines Erachtens überholten, »Zwei Kulturen«-Dualismus geprägt seien, der zu heftigen Kontroversen führe, ob die Natur- oder die Geisteswissenschaften diese neue Wissenskultur dominierten. Er attestiert dabei den Geisteswissenschaften, diesen Streit maßgeblich zu befördern. One of the most counter-productive consequences of the still vivid ›2 cultures‹ dualism in design are fierce struggles as to the dominance, mainly from the side of the humanities vs. the sciences, with claims of (e.g.) ›history, theory and criticism‹ to be the core of the new field (Margolin 1998). The blind spots caused by the own background are overlooked here.178

Die Grabenkämpfe erachtet er allerdings als wirkungslos, da seiner Ansicht nach beide Kulturen, Geistes- und Naturwissenschaften, die Entstehung einer »dritten Kultur« erleben würden: »Fights for predominance are fu175. Vgl. dazu den aufschlussreichen Band von: Hagner, Michael; Hörl, Erich (Hg.): Die Transformation des Humanen. Beiträge zur Kulturgeschichte der Kybernetik. Frankfurt a. Main. 2008. 176. Zit. nach Oelkers, Jürgen: Kybernetische Pädagogik: Eine Episode oder ein Versuch zur falschen Zeit? In: Hagner, Michael; Hörl, Erich (Hg.): Die Transformation des Humanen. Beiträge zur Kulturgeschichte der Kybernetik. Frankfurt a. Main. 2008, S. 196–228, hier S. 207. 177. Hampe, Michael: Homo symbioticus. 1997, S. 45. 178. Jonas: On the Foundations of a »Science of the Artificial«. 1999, o. S.

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tile, because we will experience the emergence of something new, a kind of ›3rd culture‹ […] the culture of the artificial«.179 In dieser »dritten Kultur«, so Jonas, seien die Arbeits- und Forschungsprozesse ebenso andersartig, wie die darin verwendeten Methoden und die erzielten Resultate. Mit Blick auf die Etablierung von Design als »dritter Kultur« fordert er, dass diese so genau wie möglich von anderen Disziplinen zu unterscheiden, zu kennzeichnen und zu kommunizieren seien, »in order to gain a status of autonomy comparable to that of the established disciplines«.180 Fraglich bleibt indes, warum zwar ein »Zwei Kulturen«-Dualismus beklagt wird, dieser aber ausgerechnet mit dem Vorwurf gegen die Geistewissenschaften weiterhin aufrecht erhalten wird. Auch wird eine »dritte Kultur« in Aussicht gestellt, in der zwar alles ›neu‹ sein soll, die bezüglich ihrer disziplinären Autonomie jedoch an den ›klassischen‹ historisch gewachsenen Einzeldisziplinen gemessen werden soll. Was sich hier vielleicht als Widerspruch darstellt, zeigt letztlich aber nur, wie schwierig sich gegenwärtig das Unterfangen gestaltet, Design als ›neue‹ Disziplin vor dem Hintergrund von bereits bestehenden, teils schon hybrid gewordenen Disziplingrenzen zu demarkieren. Es erstaunt somit kaum, dass die Identität und das Potential einer ›neuen‹ Designdisziplin gegenwärtig umso nachdrücklicher postuliert werden muss, je stärker das Konzept der universitären Disziplinbildung von den Wissenschaften in Frage gestellt wird. Ungeachtet dieser aktuellen Schwierigkeit ist die argumentative Vehemenz, mit der ›neue‹ Disziplinen zur Geltung gelangen wollen, aber auch historisch belegt. So bemerkt Lepenies mit Blick auf die Etablierung der Sozialwissenschaften: »Nicht zuletzt weil sie akademische Spätlinge sind, lassen sich im 19. Jahrhundert die Sozialwissenschaften im Ausmaß und in der Intensität ihres Erkenntnisoptimismus von keiner anderen Disziplin übertreffen: dass die Natur unseren Hoffnungen keine Grenzen gesetzt hat und dass die Vernunft des Menschen ihn schließlich ins Elysium führen wird, gehört zu ihren ursprünglichsten Glaubenssätzen«.181 Vergleichbar umfassend deklarierte auch du Bois-Reymond seinerzeit die Wissenschaftsgeschichte als »Menschheitsgeschichte«.182 Zwar sind im Design die ›Glaubenssätze‹ einer zukünftigen »dritten Kultur« inhaltlich anderes gerichtet als in den Sozialwissenschaften und der Wissenschaftsgeschichte, sie werden aber ebenso umfassend und weitreichend postuliert. Aussagen wie, »Designing is one of the highest forms of human intelligence«,183 oder »Überall auf der Erde ist Design derzeit anerkannt als das Medium, 179. 180. 181. 182.

Jonas: On the Foundations of a »Science of the Artificial«. 1999, o. S. Jonas: On the Foundations of a »Science of the Artificial«. 1999, o. S. Lepenies: Die drei Kulturen. 2002, S. IX f. Vgl. Hagner, Michael: Ansichten der Wissenschaftsgeschichte. In: Ders. (Hg.): Ansichten der Wissenschaftsgeschichte. Frankfurt a. Main. 2001, S 7–39, hier S. 13. 183. Cross: Designerly Ways of Knowing. 2006, S. 34.

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als das Denken und Handeln, das unser Leben bestimmt oder zumindest tief greifend konturiert«,184 zeugen von einem großen, manchmal unbescheidenen Enthusiasmus, der diese Disziplinwerdung begleitet. Jede Sichtweise auf Design als »dritte Kultur« – sei es aus den Geistesoder Naturwissenschaften – stellt für sich allein nur eine mögliche, letztlich begrenzte Perspektive dar. Bestimmte Aspekte und Fragen können zwar erhellt werden, andere bleiben jedoch zwangsläufig außerhalb des Blickfelds. Gleichwohl ist die Frage nach der Art und Weise, wie eine solche dritte Kultur aufgefasst wird, zentral, da sich an ihr diskutieren lässt, ob und wie unterschiedliche erkenntnistheoretische Ansätze auch bestimmte methodische Zugänge begünstigen oder erschweren. Während einige aktuelle Ansätze aus der Designforschung den »Kern« der Sache, also »das Spezifische des Design« möglichst »gegenstandsneutral, expansiv und wenig zeitgeistig« zu treffen versuchen,185 streben historisch-vergleichende Ansätze, wie sie in der Historischen Epistemologie, in der Diskursanalyse und auch in diesem Buch verfolgt werden, vermittels konkreter Historisierung und Kontextualisierung danach, jene Geflechte, Brüche und Kontingenzen nachzuzeichnen, die zwar nicht den »Kern« einer Sache ausmachen aber doch ihre kontingente »historische Genealogie«186 grundlegend bestimmen. Ich möchte mit diesem Vorschlag keinen reduktionistischen Dualismus zwischen vermeintlich essentialistischen und nicht-essentialistischen Ansätzen etablieren, sondern vielmehr auf den Wert einer historisch-vergleichenden Untersuchung für die Designforschung hinweisen. Bei dem Epistemologen und Mediziner Ludwik Fleck findet sich bereits 1935 die Aussage, dass jede Erkenntnistheorie ohne geschichtliche und vergleichende Untersuchungen ein leeres Wortspiel bleibe, »eine Epistemologia imaginabilis«.187 Er nahm damit bereits vorweg, was heute erklärter Gegenstand der Historischen Epistemologie ist: die Historisierung wissenschaftlicher Praktiken und Erkenntnisse.188 Es sei ein Wahn zu glauben, so Fleck, dass die Geschichte des Erkennens mit den Inhalten der Wissenschaft ebenso wenig zu tun habe wie etwa die Geschichte des Telefonapparates mit dem Inhalt der Telefongespräche: »Wenigstens drei Viertel und vielleicht die Gesamt heit alles Wissenschaftsinhaltes sind denkhistorisch, psychologisch und denksoziologisch bedingt und erklärbar«.189 Überträgt man Flecks Überlegungen auf Ansätze zu Design als »dritte Kultur«, dann gilt es nicht nur auf der Ebene der Theorie- und Begriffsbildung, sondern auch im Hinblick auf methodische Überlegungen zu 184. 185. 186. 187. 188. 189.

Baur, Ruedi; Erhoff, Michael: Design studieren. Paderborn. 2007, S. 57. Jonas: Die Spezialisten des Dazwischen. 2002, o. S. Foucault: Nietzsche, die Genealogie, die Historie. 2002, S. 166–191. Fleck: Die Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. 1980, S. 31. Vgl. Rheinberger, Hans-Jörg: Historische Epistemologie zur Einführung. Hamburg. 2007. Fleck: Die Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. 1980, S. 32.

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differenzieren. Die Visionen von Design als einer neuen, »dritten Kultur« mögen ahistorisch begründet werden, die konkrete Erforschung, Beschreibung und Interpretation von historischen Praktiken, Gegenständen und Akteuren des Design kann es jedoch nicht sein. Dabei gilt es im Sinne Flecks stets den ›sozialen Charakter‹ von Wissen zu bedenken, denn die »Rede von der sozialen Bedingtheit des Wissens schließt die historische nicht aus, sondern ein«.190 Neben zahlreichen Interdependenzen von Design, Wissenschaft, Kunst und Technik werden sich bei einer solchen diskursanalytischen, historisch-vergleichenden Betrachtung von Design als Wissenskultur freilich auch Widersprüche und Brüche finden, die eine ›gegenstandsneutrale‹, allgemeingültige und überzeitliche Designdefinition verunmöglichen. Doch gerade diese Widersprüche und Brüche sind es, die in einer ideologiekritischen Diskursgeschichte von ›Design‹ und ›Designwissen‹ eine besondere Aufmerksamkeit verdienen. Abschließende Überlegungen zur Figur des Dritten Vorgängig wurde gezeigt, dass das Synthese-Motiv im Design dort problematische Züge aufweist, wo sich visionäre Zukunftsmodelle mit nostalgischen Einheitsutopien unterschieds- und kritiklos vermischen. Basierend auf der Diagnose einer zunehmenden Komplexität von gesellschaftlichen Problemen und Zersplitterung von Wissen, interferiert das Synthese-Motiv mit der historischen Idee einer Einheitswissenschaft sowie mit jüngeren Debatten zu den »zwei« bzw. »drei Kulturen« der Wissenschaft. Als weitere, übergeordnete Lektüre der Wissensbestimmungen im Design soll abschließend kurz auf die ›Figur des Dritten‹ eingehen, um daran noch einmal zu verdeutlichen, dass die Lesart einer »dritten Kultur« im Design nicht zwangsläufig vereinheitlichend, sondern auch differenzorientiert diskutiert werden kann. Die ›Figur des Dritten‹ wird in literatur- und kulturwissenschaftlichen Kontexten in unterschiedlicher Ausprägung beschrieben: als Mittler-, Überschreitungs- und Hybridgestalt, als ausgeschlossener und zugleich eingeschlossener, verfemter und lachender Dritter, der herkömmliche dualistische Ordnungsmodelle unterläuft.191 Sie kann die paradoxe Funktion von »Irritation oder Institution« einnehmen, indem sie einerseits als Störer, Unterbrecher oder parasitärer Agent auftritt, andererseits aber für die Stabilisierung gesellschaftlicher Ordnung einsteht.192 190. Schäfer, Lothar; Schnelle, Thomas: Ludwik Flecks Begründung der soziologischen Betrachtungsweise in der Wissenschaftstheorie. In: Fleck: Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. 1980, S. VII–XLIX, hier S. XXXI 191. Malkmus, Bernhard; Cooper, Ian: Introduction. In: Cooper, Ian et al.: Third Agents: Secret Protagonists of the Modern Imagination. Cambridge. 2008, S. 1–19, hier S. 12 ff. 192. Höcker, Arne: Die Figur des Dritten. Einleitung. In: Höcker, Arne et al. (Hg.): Wissen. Erzählen. Narrative der Humanwissenschaften. Bielefeld 2006, S. 153–158, hier S. 154.

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Zu jenen Institutionen, für die der Topos der ›Figur des Dritten‹ gegenwärtig von Bedeutung ist, zählt die Wissenschaft selbst. Die Figur kann dort etwa im wachsenden Interesse an inter- und transdisziplinären Zonen und Randphänomenen des Wissens verortet werden.193 Die ›Figur des Dritten‹ wird in dem Maß relevant, im dem eine geltende Dichotomie oder Unterscheidung in Frage gestellt und der Akt des Unterscheidens zum Gegenstand und Problem wird. Aus wissenschaftshistorischer Sicht wird auf die zunehmende Aufweichung und Hybridisierung der Disziplingrenzen damit reagiert, die universitäre Aufteilung in Einzeldisziplinen und das Konzept der Disziplin als solches einer genealogischen Analyse zu unterziehen. Etwas anders zeigt sich die Situation im Design: Hier kommt die ›Figur des Dritten‹ – wenn man den Gedanken überträgt – weniger als differenzorientierte Diagnose, sondern als visionärer Wunsch nach einer ›neuen‹ Universaldisziplin zum Ausdruck. Design wird ohne große Einschränkungen als vereinheitlichende und/oder verbindende »dritte Kultur«, als Synthese von Natur- und Geisteswissenschaften, von Wissenschaft, Kunst und Technik, von Gegenwart und Zukunft postuliert. Diskutiert man allerdings die einschlägigen Ansätze auf der Höhe zeitgenössischer kulturund wissenschaftshistorischer Erkenntnisse, dann darf zurecht bezweifelt werden, ob das Unterfangen, Design als eine Synthesedisziplin oder »dritte Kultur« zu etablieren, heute zum einen noch ahistorisch und monodisziplinär, zum anderen nach dem überholten historischen Konzept universitärer Disziplinbildung angegangen werden kann. Angemessener scheint es stattdessen, die historische Bedingtheit und Kontingenz, die inhärenten Paradoxien, Brüche und Grenzen anzuerkennen, die das Feld des Design – aber auch alle anderen Disziplinen – letztlich ausmachen und auf diesem Befund eine differenzierte Argumentation für die Bedeutung von Design als Wissenskultur zu begründen. Einen ähnlichen Gedanken haben auch Max Horkheimer und Theodor Adorno in ihrer Dialektik der Auf klärung vertreten. Sie machten darauf aufmerksam, dass in jedem fortschrittlichen Tun ein »Keim zum Rückschritt« enthalten sei und dass dieses »rückläufige Moment« in den Reflexionen zu Fortschritt und Aufklärung zwingend aufgenommen werden müsse.194 Das rückläufige Moment, das den Postulaten einer neuen »dritten Kultur« des Design oft innewohnt und entsprechend bedacht werden müsste, ist jenes einer geschichtslosen Universalisierung und Essentialisierung von ebenso konkreten wie kontingenten Objekten, Praktiken und Akteuren. 193. Aus dem Projektantrag des Graduiertenkolleg ›Die Figur des Dritten‹, Universität Konstanz. Auf: http://www.uni-konstanz.de/figur3/progorg.htm [Okt. 2010]. Auch die beiden folgenden Sätze beziehen sich darauf. 194. Horkheimer, Max; Adorno, Theodor W.: Dialektik der Aufklärung. Frankfurt a. Main. 2003 [1944], S. 3.

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c. Innovation : ›Neuerung‹ und ›Veränderung‹ als ambivalente Fortschrittsmotive Neben ›Synthese‹ stellt ›Innovation‹ ein weiteres Leitmotiv dar, dass die gegenwärtigen Debatten in Designtheorie und -forschung strukturiert. Der Designtätigkeit wird darin selbst ein ›besonderes Innovationsvermögen‹ attestiert. Von Gui Bonsiepe stammt dazu die These, dass Design auf Innovation bezogen sei und der Entwurfsakt »etwas Neues« in die Welt einführe.195 Andere Designtheoretiker halten fest: »industrial design, like any other design activity […] is intrinsically oriented towards the production of change and innovation. Its very existence can only be justified by an innovative context«.196 Auch von Seiten der Wirtschaft und der Politik wird dem Design eine besondere ›innovationsfördernde Kraft‹ zugesprochen, wie ein Statement der britischen Regierung verdeutlicht: »The effective use of design is fundamental to the creation of innovative products, processes and services«. 197 Diese Aussagen belegen nicht nur die Bedeutung des Motivs, sondern lassen auch die multiplen Begriffe und Aspekte erahnen, mit denen es in Verbindung gebracht wird. Dazu gehören Begriffe wie ›Erfindung‹, ›Fortschritt‹, ›Kreativität‹, ›Veränderung‹ – vor allem aber der Topos des ›Neuen‹. Die diskursiven Ausprägen dieses Topos reichen von einem als absolut erachteten Neuen bis hin zu Relativierungen, die ›das Neue‹ in Abhängigkeit von Kontext und Wahrnehmung oder aber als eine graduelle Neuerung, als Veränderung oder Verbesserung beschreiben. Im Folgenden wird diskutiert, in welcher Form das Motiv der ›Innovation‹ in Texten aus der Designtheorie und -forschung adressiert wird und mit welche anderen Begrifflichkeiten und Aspekte es sich dort überlagert. Dabei wird weder eine strikte Begriffstrennung und -klärung der Ausdrücke ›Innovation‹, ›Invention‹ oder ›Kreativität‹ angestrebt, noch wird auf die im Innovationsmanagement geläufigen Definitionen verschiedener ›Innovationstypen‹ und ›Innovationsprozesse‹ Bezug genommen.198 Ersteres würde nicht nur den Rahmen der vorliegenden Untersuchung sprengen, sondern auch implizieren, dass diese Begriffe restlos voneinander zu 195. Bonsiepe: Design: Von Material zu Digital und zurück. 1996, S. 25. 196. Chiapponi, Medardo: Cultura sociale del prodotto. Nuove frontiere per il disegno industriale. Milano. 1997, S. 70. Zit. nach: Riccini, Raimonda: Innovation as a Field of Historical Knowledge for Industrial Design. In: Design Issues. Vol. 17, Nr. 4. 2001, S. 24–31, hier S. 29. 197. UK Government: White Paper on Competitiveness. Mai 1995. Auf: http://www.archive.of ficial-documents.co.uk/document/dti/dti-comp/dti-comp.htm [Okt. 2001]. 198. Im ›Oslo Manual‹ 2005 wird wischen vier Innovationstypen unterschieden: Produkt-, Prozess-, Marketing- und Organisationsinnovation. In: OECD; Eurostat (Hg.): Oslo Manual. Proposed Guidelines for Collecting and Interpreting Technological Innovation Data. Paris/Washington, D.C. 1997, S. 46 f. Vgl. zu Innovationsprozessen: Pavitt, Keith: Innovation Processes. In: Fagerberg, Jan et al. (Hg.): The Oxford Handbook of Innovation. Oxford. 2005, S. 86-114.

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entflechten wären. Beim Zweiten resultieren die genannten Definitionen bereits auf bestimmten Vorannahmen, die als solche kritisch zu befragen wären. Stattdessen sollen im Folgenden anhand des Innovation-Motivs interdependente Neuerungs- und Veränderungsmotive im Design miteinander in Beziehung gesetzt und so hinsichtlich bestimmter Wissensfragen diskutieren werden.

Relation von wir tschaf tlicher Innovation und Designforschung Obwohl Innovation nicht zwingend als ›technologisch-ökonomisches‹ Motiv verstanden werden muss, ist doch dessen Bedeutung als »Motor der wirtschaftlichen Entwicklung« oft vorherrschend.199 Innovation wird darin als unverzichtbare Voraussetzung für wirtschaftlichen, mithin gesellschaftlichen Fortschritt verstanden. Diese Lesart gilt aber nicht nur für ökonomische Zusammenhänge, sondern kommt ebenso in Forschung und Wissenschaft zum Tragen. So auch in der Designforschung und -ausbildung, wo das Motiv der ›Innovation‹ häufig adressiert wird. »Design thinking is a catalyst for innovation and bringing new things into the world«, behauptet etwa die Design School am Hasso Plattner Institute of Design in Stanford.200 Das Swiss Design Network, der offizielle Verbund der Schweizer Designforschung, postuliert, der »Sinn von Designforschung« sei, »durch das Forschen relevante Innovationen hervorzubringen«.201 In der Form von angewandter Forschung und Entwicklung soll die Designforschung ihre Erkenntnisse und Resultate als »innovative«, »marktgerechte Produkte und Dienstleistungen« umsetzen. Selbst von Seiten der Schweizer Regierung wird Designforschung als »Motor der Innovation« bezeichnet.202 Bezüglich der an sie gerichteten Innovationserwartungen stellt die Designforschung in der Schweiz jedoch keine Ausnahme dar. Die Gray's School of Art in Aberdeen, Schottland, eine bekannte Institution für praxisbasierte Forschung in Kunst und Design, hält ebenso als Zielsetzung fest: »Design Research which aims to […] bring about ethical design-led change and innovation in processes and products, through research projects that encourage new thinking and test new approaches«.203 Der Akzent wird nunmehr zwar auf die Hervorbringung von »ethisch« motivierter Erneu199. Bass, Hans H.: Innovation und schöpferische Zerstörung: Der Unternehmer als Motor der Entwicklung. In: Entwicklung und Zusammenarbeit. Nr. 7/8. 1999, S. 215–218. 200. Auf: http://www.stanford.edu/group/dschool/ [Okt. 2010]. 201. Michel, Ralf: Vorwort. In: SDN: Erstes Design Forschungssymposium. 2004, S. 3. 202. Johannes Kaufmann, ehemals Vizedirektor des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie. Zit. nach Michel: Vorwort. 2004, S. 3. 203. www2.rgu.ac.uk/subj/ats/research/students/ResearchDegreeOppsARTJan08.pdf [Okt. 2010].

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erung gelegt, die positiven Erwartungen, die mit einer ›Innovation durch Design‹ verknüpft werden, sind aber auch hier deutlich erkennbar. Da viele zeitgenössische Innovationsdiskurse – sei es in Politik, Medien und Wissenschaft – von einer »technologisch-ökonomischen« Vorstellungen von Innovation geprägt sind, soll darauf kurz eingegangen werden. Seit Adam Smith (1723–1790) gehört die Vorstellung eines produktiven »Innovationszykluses« zu den »ursprünglichsten kapitalistischen Glaubenssätzen«.204 Laut Adam Smith vollzieht sich ein solcher Zyklus wie folgt:205 Innovative Technologien steigern die Produktivität und erhöhen die Qualität der Produkte. Beides zusammen ermöglicht die Auszahlung höherer Löhne und somit eine Steigerung der Kaufkraft. Die erhöhte Nachfrage motiviert zur Entwicklung weiterer Innovationen und der Zyklus beginnt erneut. Der Soziologe Braun-Thürmann konstatiert kritisch, dass aufgrund dieses kausal definierten Zusammenhangs von Innovation und Wirtschaft sich »Regierungen nahezu jeglicher Couleur« veranlasst sähen, durch politische Maßnahmen die Erfolgsbedingungen für technologische Innovation zu beeinflussen.206 Damit werde zugleich das in der Ökonomie entwickelte Verständnis von ›Innovation‹ in der Politik und von der politischen Öffentlichkeit übernommen. Um Innovationsprodukte und -prozesse international vergleichbar und messbar zu machen, wird in den Wirtschaftswissenschaften und der Politik in der Regel auf eine Standarddefinition der OECD zurückgegriffen: Technological product and process innovations comprise implemented technologically new products and processes and significant technological improvements in products and processes. A technological product and process innovation has been introduced on the market (product innovation) or used within a production process (process innovation). Technological product and process innovation involve a series of scientific, technological, organisational, financial and commercial activities.207

Erst wenn ein Produkt den Markt erreicht oder ein Prozess als Produktionsverfahren angewandt wird, wird ihm gemäß der OECD -Definition der Status einer Innovation zuerkannt. Historisch betrachtet, geht ein solches produktzentriertes und marktorientiertes Innovationsverständnis namentlich auf Joseph Schumpeter zurück. In seiner Konjunkturzyklen204. Braun-Thürmann, Holger: Innovation. Themen der Soziologie. Bielefeld. 2005, S. 16. 205. Smith, Adam: Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen. München. 1993 [1776], S. 99 f. 206. Braun-Thürmann: Innovation. 2005, S. 17. 207. OECD/Eurostat: Oslo Manual. 1997, S. 133.

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theorie von 1912 beschrieb er erstmals den Ansatz einer »dynamischen Wirtschaftstheorie«, basierend auf der evolutionären Wirkungsmacht von schöpferischer Neuerung.208 Er unterschied in seinem Ansatz zwischen der Erfindung oder Ideenfindung (›Invention‹) und ihrer Einführung in den Produktionsprozess (›Innovation‹).209 Die Invention geht der Innovation voraus, ist als solche aber nicht prognostizierbar und für sich genommen ohne ökonomische Bedeutung. [ Abb. 12 ]

Abb. 12: Grafische Darstellung eines linearen Innovationsprozesses

Ein solcher einseitig ökonomischer Innovationsbegriff bleibt indes nicht ohne Kritik. Braun-Thürmann problematisiert, dass es sich bei der OECD-Definition um »ein auf ökonomische Tauschprozesse fokussiertes Verständnis von Innovation« handle, »Forschungs-, Entdeckungs-, Erfindungs- und Entwicklungsergebnisse« würden folglich nur im Zusammenhang ihrer wirtschaftlichen Tauglichkeit erfasst.210 Bestimmte Fälle, etwa organisatorische Änderungen in Unternehmen, künstlerische Schöpfungen oder politische Errungenschaften, seien ebenso aus der Definition ausgeschlossen wie Befunde der Grundlagenforschung aufgrund ihrer angeblich schwierigen ökonomischen Verwertbarkeit. Innovationsförderung versus Erkenntnisgewinn? Am Beispiel des aktuellen Diskurses der Designforschung in der Schweiz soll nachfolgend exemplarisch aufgezeigt werden, in welcher Weise sich unter dem Leitmotiv ›Innovation‹ wirtschaftliche und epistemologische 208. Schumpeter, Joseph A.: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Berlin. 2006 [1912]. 209. Schumpeter, Joseph A.: Business Cycle. New York/London. 1939, S. 87. 210. Braun-Thürmann: Innovation. 2005, S. 18.

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Desiderate auf komplexe, bisweilen prekäre Weise vermengen. Gemäß den Vorgaben der Schweizer Regierung soll Designforschung in der Form von angewandter Forschung und Entwicklung an den Kunsthochschulen etabliert werden.211 Allerdings gibt es derzeit kaum Grundlagenforschung auf die sich solch eine angewandte Designforschung beziehen und deren Resultate sie ›markttauglich‹ weiterentwickeln könnte. An den Schweizer Universitäten existieren kaum Institutionen um tatsächliche Grundlagenforschung im Design zu betreiben. Auch im internationalen Kontext stellt Grundlagenforschung im Design ein Forschungsdesiderat dar. Diese paradoxe Rahmengebung stößt bei Designforschenden auf sehr unterschiedliche Akzeptanz. Einige Autoren erkennen darin eine Chance, um Designforschung überhaupt erst voranzubringen und unterstreichen in ihren Texten die Vorzüge einer ›innovationsgeleiteten‹ Wissenschaft. Argumentiert wird in diesem Sinne etwa, dass technologische Innovation stets »Grund und Ausgangspunkt kultureller Entwicklung« gewesen sei und dass erst aus Technologie »die materiellen Voraussetzungen« für sozialen und kulturellen Fortschritt entstünden.212 Ein anderes Argument lautet, dass auch in der Schweiz die Wissenserzeugung »in den Dienst der Volkswirtschaft« gestellt werden müsse, da Wissen »zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor in den globalisierten Märkten« geworden sei.213 Andere Autoren kritisieren hingegen offen eine Ökonomisierung von Wissen. Die Verknüpfung von Designforschung mit »neoliberalen wirtschaftlichen Interessen« wird als »nicht brauchbar und hinderlich« kritisiert,214 es wird plädiert, Forschung »frei von Verkaufsinteressen« zu halten.215 Diese Kritik korrespondiert mit einem Befund des Philosophen André Gorz. Er problematisiert, dass das, was heute von vielen bereits für eine ›Wissensgesellschaft‹ gehalten werde, welche die Gesetze der kapitalistischen Ökonomie außer Kraft setze, im Grunde lediglich die provisorische Form eines Kapitalismus sei, der Wissen als Eigentum privater Firmen behandle und wie Sachkapital verwerte.216 Die tatsächliche Realisierung einer ›demokratisch‹ informierten Wissensgesellschaft vollzieht sich demnach, wenn man Gorz folgen möchte, nicht in Form einer »Über211. Vgl. http://www.bbt.admin.ch/ [Okt. 2010]. 212. Blechinger, Gerhard: Design als Inkubator für neue Technologien: Swiss Design Network: Forschungslandschaften im Umfeld des Designs. 2005, S. 21–27, hier S. 23. 213. Michel: Vorwort. 2004, S. 3. 214. Schneider Beat: Design forscht. 2004, S. 11. 215. Dombois, Florian: CFF. Content Follows Form. Design am Übergang von naturwissenschaftlicher und künstlerischer Forschung. In: Swiss Design Network: Forschungslandschaften im Umfeld des Designs. 2005, S. 41–52, hier S. 48. 216. Gorz, André: Welches Wissen? Welche Gesellschaft? Textbeitrag zum Kongress »Gut zu Wissen«. Heinrich-Böll-Stiftung. 2001. Auf: http://www.wissensgesellschaft.org/themen/orien tierung/welchegesellschaft.html [Okt. 2010]. Vgl. Gorz, André: Wissen, Wert und Kapital. Zürich. 2004.

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windung der kapitalistischen Rationalität«, sondern sie wird im Gegenteil als deren Ausweitung wirksam.217 Obwohl ›Innovation‹ im Diskurs der Designforschung als wirkungsmächtiges technologisch-ökonomisches Motiv perpetuiert wird, sind die Modalitäten der pragmatischen Entstehung und theoretischen Beschreibung von Innovation aber keineswegs klar. Selbst die in den Wirtschaftswissenschaften und im Innovationsmanagement gängigen Prozesstheorien und Phasenmodelle zur Beschreibung von Innovation liefern allenfalls im eng abgesteckten Rahmen von kleinteiligen Innovationen eine stabile Struktur, um Innovationsprozesse planen und steuern zu können. Braun-Thürmann attestiert diesen Modellen, dass sie nur im Ausnahmefall dem wissenschaftlichen Anspruch gerecht würden, »exakte Erklärungsmodelle« zu sein.218 Er betont stattdessen die Schwierigkeit, überhaupt generelle und verbindliche Ursache-Wirkungs-Modelle anzubieten, die den Verlauf von Innovationen prognostizieren, betriebswirtschaftlich durchkalkulieren und politisch steuern könnten. Doch nicht einzig die pragmatischen Entstehungsmuster von Innovation sind weitgehend ungeklärt, vor allem bleiben aus diskursanalytischer und kulturhistorischer Sicht die im Motiv der ›Innovation‹ perpetuierten Denkfiguren und Ideen in hohem Maße unreflektiert. Sehr viel grundlegender als die genannten historischen Wirtschaftsmodelle von Adam Smith oder Joseph Schumpeter dies berücksichtigen, liegen technologisch-ökonomischen Innovationsvorstellungen bestimmte zivilisatorische, sogar quasi-religiöse Leitideen zugrunde. Elisabeth List nennt als eine solche Idee die des »technischen Fortschritts«. 219 Diese Idee habe sich in der modernen Industriegesellschaft von den Fortschrittsideen der Aufklärung (Freiheit, Gleichheit, Veredelung der Sitten) gelöst und habe – entsprechend den Zielen der Industriegesellschaft – Technik zum »Motor allen Fortschritts« erklärt. Der Technikphilosoph Hans Feyer hält bezüglich der Verbindung von Technik und Fortschritt fest, dass in der industriellen Gesellschaft Technik »ihrer Natur nach« als »fortschreitend« deklariert worden sei.220 Sie wird also essentiell teleologisch gedacht. Die Auffassung einer stetig voranschreitenden Technik selbst ist jedoch bereits eine essentialistische Zuschreibung. Sie beruht gemäß Karl Löwith auf einem Jahrhunderte alten linearen und teleologischen Fort217. Kocyba, Hermann: Wissen. In: Bröckling, Ulrich et al. (Hg.): Glossar der Gegenwart. Frankfurt a. Main. 2004, S. 300–306, hier S. 301. 218. Braun-Thürmann: Innovation. 2005, S. 64. 219. List, Elisabeth: Vom Darstellen zum Herstellen. Eine Kulturgeschichte der Naturwissenschaften. Weilerswist. 2007, S. 159. 220. Freyer, Hans: Das Dominantwerden technischer Kategorien in der Lebenswelt der industriellen Gesellschaft. In: Fischer, Peter (Hg.): Technikphilosophie. Von der Antike bis zur Gegenwart. Leipzig 1996, S. 237–254, hier S. 240.

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schrittsmodell nach abendländisch-christlicher Tradition, in dem die Wirkungsmacht der Neuerung als fortschrittstreibende Kraft quasi-religiös überhöht wurde.221 Spätestens seit der Aufklärung wird Geschichte als linear, in »Etappen nach oben verlaufend« gesehen, dabei wird von manchen sogar eingefordert, die Aufklärung selbst als »säkularisierte, christliche Eschatologie« zu verstehen.222 Diesbezüglich wäre zur Diskussion zu stellen, ob Innovationsdebatten in der Designforschung trotz (oder gerade wegen) ihrer angeblich pragmatischen Verpflichtung gegenüber Wirtschaft und Gesellschaft, bisweilen nicht auch quasi-religiöse oder mythische Tendenzen aufweisen. Diese Lesart würde mit Roland Barthes Ansicht konvergieren, dass kapitalistische Ansätze – und das Motiv von Innovation als ›Motor der Wirtschaft‹ zählt zweifellos dazu – historische Entwicklungen als ›natürliche‹ Vorkommnisse behaupten und damit mythologisieren.223

Ambivalente Haltung gegenüber dem ›Neuen‹ Die bereits angedeutete Überlagerung von Enthusiasmus und Sorge, mit der in der Designforschung dem Motiv ›Innovation‹ begegnet wird, ist symptomatisch für viele Innovationsdebatten. Sie weist auf eine Ambivalenz hin, die sowohl in der mehrdeutigen Konnotation des Innovationsbegriffs als auch in einer zwiespältigen Haltung gegenüber dem ›Neuen‹ zu finden ist. Bereits Schumpeter fügte dem Innovationsbegriff im Verlauf seiner Arbeit den Begriff der »schöpferischen Zerstörung« (creative destruction) hinzu.224 Kern des evolutionären marktwirtschaftlichen Systems ist seines Erachtens die Zerstörung alter Strukturen. Durch sie sollen die ökonomischen Produktionsfaktoren immer wieder neu geordnet und kapitalistischer Fortschritt ermöglicht werden: »This process of Creative Destruction is the essential fact about capitalism«.225 Den Begriff der »schöpferischen Zerstörung« übernahm Schumpeter von Werner Sombart, der sich seinerseits auf Nietzsches Idee einer »Umwertung aller Werte« bezog.226 221. Vgl. Löwith, Karl: Weltgeschichte und Heilsgeschehen. Die theologischen Voraussetzungen der Geschichtsphilosophie. Stuttgart. 1953, S.11. 222. Sukale, Michael: Nichts Neues über das Neue. In: Seele, Peter (Hg.): Philosophie des Neuen. Darmstadt. 2008, S. 9–37, hier S. 17. 223. Barthes, Roland: Mythologies. New York. 1972, S. 142. 224. Schumpeter, Joseph A.: From Capitalism, Socialism and Democracy. New York. 1975 [1942], S. 82–85. 225. Schumpeter: From Capitalism, Socialism and Democracy. 1975, S. 82 ff. 226. Sombart, Werner: Der moderne Kapitalismus. Bd. II. Die Theorie der kapitalistischen Entwicklung. Boston. 2001 [1902], S. 83 f. Vgl. Reinert, Hugo; Reinert, Erik S.: Creative Destruction in Economics: Nietzsche, Sombart, Schumpeter. In: Backhaus, Jürgen G.; Drechsler, Wolfgang (Hg.): Friedrich Nietzsche. 1844–1900. Economy and Society. Berlin/New York. 2006, S. 55–85.

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Während aus wirtschaftlicher Sicht der »schöpferische Zerstörung« eine produktive Kraft attestiert wurde und wird, ist aus wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Sicht der Begriff der ›Innovation‹ – und grundlegender noch jener des ›Neuen‹ – ambivalent konnotiert und ist sowohl mit Hoffnung als auch mit Ängsten behaftet. Helga Nowotny et al. konstatieren, das ›Neue‹ sei »Herausforderung und Verstörung zugleich«, es verunsichere durch seinen »herausfordernden Charakter« und die Infragestellung etablierter Strukturen: »Einerseits begrüßen wir das Neue, andererseits fürchten wir diejenigen seiner ungewissen Folgen, die nur schwer unter Kontrolle zu bringen sind, weil wir sie nicht antizipieren können«. 227 Folgt man ihrer These, dann entsteht in einer Gesellschaft immer dann Ungewissheit, wenn der Wandel die gesellschaftliche Praxis modifiziert oder im Kontext der Sozialstruktur gesellschaftliche Hierarchien unterminiert. »Das wissenschaftlich Neue« und »die technische Innovation« verunsichern dabei in der Intensität ihrer Wirkung am meisten.228 Ebenfalls gehen Innovationen, so die These weiter, Hand in Hand mit einer Vielzahl anderer Innovationen gesellschaftlicher, wirtschaftlicher, kultureller und politischer Art und werden im Gegenzug für diese verantwortlich gemacht. Zusätzliche Ungewissheit entsteht, wenn diese Innovationen die aktuelle wirtschaftliche oder symbolische Machtverteilung zu stören drohen. Die Autoren differenzieren, dass es zwar immer schon eine Ambivalenz gegenüber dem ›Neuen‹ gegeben habe, dass diese aber durch den »Erfolg der modernen Wissenschaft« verstärkt worden sei.229 Mit der Begeisterung für das scheinbar grenzenlose Potential der Wissenschaften sei die Ungewissheit über deren unbekannte Konsequenzen gewachsen. Die eigentliche Radikalisierung durch wissenschaftliche und technische Neuerungen sehen sie allerdings nicht in der immer rascheren Abfolge von Innovationen, sondern darin, dass sich die »Kluft zwischen Wissen und Handeln« dermaßen verringert habe, dass beide weder zeitlich noch organisatorisch voneinander zu trennen seien: »Verstehen und Handeln, Vorstellen und Intervenieren, Wissen und Macht haben in unerbittlicher Weise zueinander gefunden«.230 An Nowotnys Diagnose eines »nahtlosen Übergangs von Entdeckung und Aktion« 231 schließt auch Peter Wehling an. Er beobachtet, dass die zunehmende Verwissenschaftlichung gesellschaftlicher Bereiche keine wachsende Vereinheitlichung sozialen Handelns und politischen Entscheidens durch Wissen nach sich ziehe, son-

227. Nowotny, Helga et al.: Wissenschaft neu denken. Wissen und Öffentlichkeit in einem Zeitalter der Ungewissheit. Weilerswist. 2004, S. 228 f. 228. Nowotny et al.: Wissenschaft neu denken. 2004, S. 228 f. 229. Nowotny et al.: Wissenschaft neu denken. 2004, S. 229 230. Nowotny et al.: Wissenschaft neu denken. 2004, S. 229. 231. Nowotny et al.: Wissenschaft neu denken. 2004, S. 229.

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dern stattdessen Gesellschaft und Politik vielmehr mit normativer Uneindeutigkeit, mit Ungewissheit und Nichtwissen konfrontiere.232 ›Nichtwissen‹ wird in dieser Lesart zur Nachtseite von Innovationsund Wissensförderung. Bei Ulrich Beck kulminiert Nichtwissen sogar zu der zentralen Triebkraft einer »reflexiv« werdenden Modernisierung.233 Becks These illustriert einen Perspektivenwechsel in den Debatten zur vielbeschworenen ›Wissensgesellschaft‹ in den 1980er Jahren. Im Kontext von Ökologie-Diskussionen, welche die Risiken einer zunehmenden Verwissenschaftlichung und die damit verbundene Ungewissheit thematisierten, wurde ›Wissen‹ um den Aspekt des ›Nichtwissens‹ ergänzt.234 Hermann Kocyba definiert ›Nicht wissen‹ als Ergebnis des jeweils fortgeschrittensten Wissen: »Je exakter die Anforderungen an Wissen, je exakter die Grenzwerte, desto mehr Nichtwissen«.235 Nichtwissen erweise sich, so Kocyba, als »avancierteste Gestalt« von Wissen in der Wissensgesellschaft. Gleichwohl taucht der Begriff des ›Nichtwissens‹ in technologisch-ökonomischen Innovationsdebatten nur selten auf. Beschworen wird stattdessen weiterhin in monotoner Weise, dass nur weitere ›Innovationen‹ der gesellschaftlichen Ungewissheit entgegenwirken könnten. 236 Mit Blick auf die Frage nach der Bestimmung von Wissen im Design sind die genannten Aspekte zur Ambivalenz von ›Innovation‹ und ›Neuerung‹ produktiv, da sie die gesellschaftliche Rahmengebung präzisieren, in der Designforschung zu verorten und zu analysieren ist. Sowohl in wissenschaftlich-technischer als auch ethischer Hinsicht finden spätestens seit den 1980er Jahren Debatten über die komplexe, zuweilen prekäre Verschränkung von Wissenschaft, Gesellschaft und Ökonomie statt. Ulrich Beck prägte dafür den Begriff »Risikogesellschaft«.237 Diese komplexe Rahmengebung kontrastiert den einseitig utilitaristischen Gebrauch des Innovationsbegriffs, wie er in der Designforschung vermehrt anzutreffen ist. Innovation auf technisch-ökonomische Verheißungen zu reduzieren, bedeutet, weder die Komplexität, noch die Prekarität von zeitgenössischen Neuerungsdebatten angemessen abzubilden und damit ein einseitiges, verzerrtes Bild gesellschaftlicher ›Wirklichkeit‹ wiederzugeben. Dass die zunehmende Verschränkung von Wissenschaft, Gesellschaft und Ökonomie aber nicht einfach nur als »Vereinnahmung der 232. Wehling, Peter: Die Schattenseite der Verwissenschaftlichung. In: Böschen/Schulz-Schaeffer: Wissenschaft in der Wissensgesellschaft. 2003, S. 119–142, hier S. 121. 233. Beck, Ulrich: Wissen oder Nicht-Wissen? Zwei Perspektiven »reflexiver Modernisierung«. In: Beck, Ulrich et al.: Reflexive Modernisierung. Eine Kontroverse. Frankfurt a. Main. 1996, S. 289–385, hier S. 298. 234. Wehling: Die Schattenseite der Verwissenschaftlichung. 2003, S. 122. 235. Kocyba: Wissen. 2004, S. 305. 236. Nelson/Stolterman: The Design Way. 2003, S. 2. 237. Vgl. Beck, Ulrich: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt a. Main. 1986.

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Wissenschaft von Seiten der Wirtschaft« zu lesen sei, legen Nowotny et al. nahe.238 Die Verschränkung dieser Felder weist ihres Erachtens sehr viel grundlegender auf ein neues Verständnis von Wissenschaft hin, in dem Wissenschaft selbst als »Kategorie der Überschreitung« zu bewerten sei: Als Ergebnis ihrer »Erfolge« greife Wissenschaft auf andere Bereiche über und werde gleichzeitig von diesen Bereichen als Ergebnis ihrer »Defizite« absorbiert. Das Verhältnis von Wissenschaft, Gesellschaft und Ökonomie wird in diesem Sinn als ein interdependentes beschrieben. In dieser Lesart, der ich mich anschließe, relativiert sich die Überzeugungskraft von Argumentationen in der Designforschung, die technische Innovation als maßgeblichen »Grund und Ausgangspunkt« für sozialen und kulturellen Fortschritt behaupten. 239 Stattdessen wird deutlich, wie eng technischer Fortschritt sowie das Sprechen davon mit sozialen und kulturellen Effekte verwoben sind und durch diese konstituiert und geprägt werden.

Zum ›Neuen‹ als relationales Konzept Neben Innovationsansätzen in Wirtschaft und Wissenschaft sind auch Ansätze zur »kulturellen Innovation« für die Designforschung instruktiv. In seinem Buch Über das Neue vertritt Boris Groys eine Kulturtheorie, die das ›Neue‹ und ›Innovation‹ als ein relationales Konzept begreift; als ein Umwertungsprozess innerhalb bestehender kultureller Hierarchien und Werte: »Die Innovation besteht darin, daß der Wert dessen, was man immer schon gesehen und gekannt hat, umgewertet wird«.240 Groys unterscheidet diesbezüglich zwischen zwei »Räumen«, die eine kulturelle »Wertgrenze« bilden: einen »profanen Raum« einerseits und einen »kulturell valorisierten Raum« andererseits. Zum letzteren gehören Museen, Bibliotheken oder Archive. Orte also, die sich durch eine selektive Auswahl kultureller Güter und deren Wertschätzung auszeichnen. Da es sich bei Innovation um einen Umwertungsprozess handle, sei es gegenstandslos nach dem Sinn der Innovation zu fragen, so Groys, da allein die Frage nach deren Wert relevant sei.241 Mit seiner Idee, dass Innovation in Relation zu gewissen kulturellen Wertvorstellungen ausgehandelt wird, stellt Groys sich gegen Ansätze, die das ›Neue‹ als »Offenbarung des Verborgenen«, als »Entdeckung«, als »Schaffung und Hervorbringung des Inneren« oder als einen »außerkul238. 239. 240. 241.

Nowotny et al.: Wissenschaft neu denken. 2004, S. 225 f. Blechinger: Design als Inkubator für neue Technologien. 2005, S. 23. Groys, Boris: Über das Neue. Versuch einer Kulturökonomie. Frankfurt a. Main. 2004, S. 14. Groys: Über das Neue. 2004, S. 64 f.

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turellen« Effekt deuten.242 In seiner Interpretation wird Innovation zudem nicht als zerstörende oder verstörende Kraft, sondern als stabilisierende Konstante beschrieben. Jede Innovation sorge für Wachstum, Aktualität, Stabilität und Effektivität des valorisierten kulturellen Gedächtnisses sowie der hierarchisch aufgebauten Institutionen, die dieses Gedächtnis verwalte und seine Funktionen gewährleiste, so Groys.243 Die genannte Stabilität ist von vorne herein relational zu verstehen, da weder der »kulturell valorisierte«, noch der »profane Raum« a priori festgeschriebene Gefüge, sondern kulturell ausgehandelte Entitäten darstellen. Die Wahrheit jeder Beschreibung der Kultur ist in den innovativen Tausch miteinbezogen, da die Wahrheit als Verhältnis zum Anderen, zum Profanen, zum Wirklichen definiert wird. Die Beschreibung der Gesellschaft als eines auf bestimmter Weise hierarchisch abgestuften und organisierten Gefüges, das zudem in verschiedenen Klassen, Rassen, soziale und sexuelle Gruppen untergliedert wird, erweist sich somit bereits als kulturelles Faktum: Die so beschriebene Gesellschaft ist nicht mehr profan – sie wird durch diese Beschreibung selbst zum Artefakt, zum kulturellen Wert.244

Der Ansatz einer relationalen »kulturellen Innovation« von Groys’ weist für die Designtheorie und -forschung einen hohen Beschreibungswert auf, da Innovation und das ›Neue‹ darin als kultur- und kontextabhängige und nicht als essentialistische oder naturalistische Phänomene aufgefasst werden. Allerdings sind Innovationsanalysen, die den soziokulturellen Kontext von Innovation integrieren, in der Designtheorie und -forschung eher die Ausnahme.245 Wie oben dargelegt wurde, ist es gebräuchlicher Innovation eindimensional, in einem technisch-ökonomischen Sinn zu behaupten. Selbst in solchen Texten, die Innovation im Design als relationales, kontextabhängiges Konzept definieren, sind technisch-ökonomische Argumentationen leitend, wie folgendes Beispiel verdeutlichen kann: Zum Lemma ›Innovation‹ steht im Wörterbuch Design geschrieben: »Unabhängig davon, wie stark ein Produkt oder ein Verfahren mit Konventionen bricht – es ist nur dann eine Innovation, wenn die breite Öffentlichkeit auf sie als solche reagiert«.246 Diese Aussage erinnert an eine ältere These von Everett Rogers, der Innovation 1962 als »an idea, practice, or object that is perceived as new by an individual or other unit of adoption« beschrieben hatte. »If the idea seems new to the individual, it 242. 243. 244. 245.

Groys: Über das Neue. 2004, S. 13. Groys: Über das Neue. 2004, S. 64. Groys: Über das Neue. 2004, S. 144 f. Vgl. etwa Riccini, Raimonda: Innovation as a Field of Historical Knowledge for Industrial Design. In: Design Issues. Vol. 17, Nr. 4. 2001, S. 24–31. 246. Erlhoff/Marshall: Wörterbuch Design. 2008, S. 203.

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is an innovation«, so Rogers.247 Viele der innovativsten Entwürfe des 21. Jahrhunderts seien nicht durch einen »radikalen technologischen Durchbruch« möglich geworden, wie es im Eintrag zu ›Innovation‹ weiter heißt, sondern durch Gestaltung mit bestehenden Technologien und Methoden in neuer Perspektive oder durch ein erneutes Aufgreifen bekannter Technologien und Methoden in veränderten Marktsegmenten.248 Innovation im Design wird hier, ungeachtet der technisch-ökonomische Deutung, zudem nicht als etwas absolut ›Neues‹ aufgefasst, sondern mittels des Aspekts der ›Veränderung‹ von etwas Bestehendem oder Bekanntem konzeptualisiert. Diese Unterscheidung mag auf den ersten Blick marginal klingen, sie ist jedoch für die weitere Untersuchung bedeutsam, da sie als zweifacher Abgrenzungsversuch von Seiten des Design verstanden werden kann. Als ein Abgrenzungsversuch des Design gegenüber dem Topos einer ›künstlerischer Genialität‹ einerseits und dem einer ›trivialen Kreativität‹ andererseits. Zudem ist die Idee einer ›planvollen Veränderung durch Design‹,, wie wir sehen werden, bereits auf Prämissen der Planungsund Problemlösungstheorien der 1960er und -70er Jahre zurückzuführen. Die intellektuellen Wurzeln liegen auch beim Motiv der ›Innovation‹ im Design einmal mehr in der Geschichte der Designmethodologie.

Diskursive Verortung von ›Innovation‹ zwischen ›absoluter Neuerung‹ und ›planvoller Veränderung‹ Technologisch-ökonomische Innovationstheorien unterscheiden zwar zwischen verschiedenen Graden der ›Neuartigkeit‹ von Innovationen, etwa zwischen »radikalen versus inkrementellen Innovationen«, »Basis- versus Verbesserungsinnovationen« oder »revolutionären versus evolutionären Innovationen«.249 Meistens folgen sie aber relativ fraglos der Schumpeterschen Unterscheidung zwischen ›Erfindung‹ und ›Innovation‹ bzw. den Figuren des ›Erfinders‹ und ›Unternehmers‹ und umgehen damit die Problematik einer trennscharfen Definition des ›Neuen‹. Am Beispiel von Schumpeter lässt sich zeigen, wie hybrid eine Grenzziehung zwischen den Neuerungsbegriffen ›Erfindung‹, ›Innovation‹ und mithin ›Kreativität‹ zwangsläufig ausfallen muss. Unterschied Schumpeter 1912 noch zwischen der Erfindung durch den »eigentlichen Erfinder« und der »Produktion« und »Diffusion« der Innovationen durch den »Unternehmer«, löste er diese Differenzierung parallel zu der fortschreitenden Industrialisierung in den 1920er und -30er Jahren weitgehend auf. Anfangs ging er davon 247. Rogers, Everett M.: Diffusion of Innovations. New York. 1982 [1962], S. 11. 248. Erlhoff/Marshall: Wörterbuch Design. 2008. 249. Jürgen Hauschildt: Innovationsmanagement. München. 1997, S. 11 ff.

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aus, dass ein erfolgreicher Unternehmer andere Eigenschaften und Motivationen besitzen müsse als ein »normales Wirtschaftssubjekt« und ein »Erfinder«.250 Dazu zählte er vor allem die Eigenschaft der Risikobereitschaft und das Vermögen, Innovationen gegen alle Widerstände durchzusetzen.251 ›Kreativität‹ und ›Erfindungsgeist‹ wurden demgegenüber als unternehmerische Eigenschaften vergleichsweise marginal bewertet. Der Führer [der Unternehmer] als solcher ›findet‹ oder ›schafft‹ die neuen Möglichkeiten nicht. Die sind immer vorhanden, reichlich angehäuft von Leuten im Laufe ihrer gewöhnlichen Berufsarbeit, oft auch weithin bekannt […]. Die Führerfunktion besteht darin, sie lebendig, real zu machen, durchzusetzen.252

In späteren Schriften vertrat er zwar noch die Ansicht, dass zwischen ›Erfindung‹, ›Innovation‹ und ›Diffusion‹ zu unterscheiden sei, räumte aber ein, dass der Innovationsprozess im Wandel sei und dass aufgrund der veränderten wirtschaftlichen und industriellen Bedingungen auch weniger Risikobereitschaft von Nöten sei, um eine Innovation auf den Markt zu bringen.253 Entsprechend marginalisierte er nun die Führungsrolle einzelner Unternehmerpersönlichkeiten und auch die Erfindertätigkeit galt ihm nun mehr als eine Routinearbeit – nicht mehr wie früher als ›genialer Akt‹.254 Folgern kann man aus dieser kurz skizzierten Bedeutungsverschiebung, dass nicht nur die wirtschaftlichen und industriellen Prozesse einem historischen Wandel unterliegen, sondern ebenso die damit verknüpften diskursiven Leiterzählungen und Denkfiguren wie die Topoi des »innovativen Unternehmers« und des »genialen Erfinders«. Eine ähnliche Beobachtung lässt sich am Motiv der ›Innovation‹ im Design festmachen. Auch hier ist das Motiv mit unterschiedlichen Neuerungsmotiven überlagert und steht mit diesen in einem beweglichen diskursiven Verhältnis. Motive des gründerzeitlichen Unternehmertums vermengen sich mit kunstimmanenten Zuschreibungen zum ›künstlerischen Schöpfungsakt‹, aber auch mit der Idee einer ›planvollen Veränderung durch Design‹, wie sie in den Planungs- und Problemlösungstheorien der 1960er und -70er Jahre vermittelt wurde. Diese diskursive Verflechtung spitzt sich in Aussagen zu, die behaupten: »nur dort wo sich ›ManagementDenken‹ und ›Design-Denken‹ treffen, entsteht wahre Innovation«.255 250. 251. 252. 253.

Hipp, Christiane: Innovationsprozesse im Dienstleistungssektor. Heidelberg. 2000, S. 25. Schumpeter: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. 2006, S. 124. Schumpeter: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. 2006, S. 128. Vgl. Schumpeter, Joseph A.: Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie. Bern. 1950. Ders.: The Theory of Economic Development: An Inquiry Into Profits, Capital, Credit, Interest, and the Business Cycle. New York. 1961. 254. Hipp: Innovationsprozesse im Dienstleistungssektor. 2000, S. 25. 255. Erlhoff/Marshall: Wörterbuch Design. 2008, S. 204.

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An zwei Beispielen soll nun aufgezeigt werden, in welcher Weise der Aspekt der ›Veränderung‹ im Design thematisiert wird und welche zentrale Rolle ihm in Veränderungsprozessen zugeschrieben wird. Zunächst wird der Stellenwert der Dichotomie ›Veränderung‹ versus ›Neuerung‹ für das Selbstverständnis der Designprofession dargestellt. Dazu soll ein Blick auf den ambivalenten Stellenwert des Kreativitätsbegriffs geworfen werden. Anschließend wird eine Position von Nelson und Stolterman diskutiert, in der ›Veränderung‹ im Sinne eines radikalen, umfassenden gesellschaftlichen Wandels mit den Mitteln des Design postuliert wird. Diese Position wird ebenfalls bezüglich bestimmter Kreativitätszuschreibungen diskutiert und mit thematisch verwandten soziologischen Modernisierungsansätzen in Beziehung gebracht. Kreativitätsdebatten – zwischen Erneuerung und Verbesserung »To design is always to redesign«, Design habe immer mit etwas bereits Existierenden, Vorgegeben zu tun, schreibt Bruno Latour: »Design is a task that follows to make that something more lively, more commercial, more usable, more user’s friendly, more acceptable, more sustainable, and so on, depending on the various constraints to which the project has to answer«.256 Den Stellenwert von ›Veränderung‹ versus ›Neuerung‹ im Design zu untersuchen, ist deswegen aufschlussreich, da Design mittels dem Motiv der ›Veränderung‹ in Abgrenzung zu Kunst und künstlerischen Leitidealen differenziert wird. Die entsprechenden Abgrenzungsbemühungen beziehen sich ihrerseits auf traditionsreiche kunst- und literaturhistorische Debatten zum Status von ›nachahmender Kunst‹ versus ›produktiver künstlerischer Schöpfung‹ und ›Kreativität‹, die im Folgenden nur in unangemessener Kürze abgebildet werden können. Bis ins späte 19. Jahrhundert hinein war es im Kunsthandwerk üblich, nach Musterkatalogen zu arbeiten und die darin abgebildeten Vorbilder nur leicht zu variieren.257 Helen Clifford, die das künstlerische Selbstverständnis von Metall-Kunsthandwerkern in London in der Zeit von 1750–1850 untersucht, konstatiert: »In the eighteenth century, the antithesis of invention and imitation did not exist; they were correlative not alternative concepts«.258 Der Wandel kam mit den künstlerischen AvantgardeBewegungen der Moderne und der darin angestrebten Annäherung von 256. Latour, Bruno: Cautious Prometheus? A Few Steps Toward a Philosophy of Design (with Special Attention to Peter Sloterdijk). Keynote lecture for the Networks of Design Meeting of the Design History Society. Falmouth, Cornwall. 2008, S. 5. 257. Erlhoff/Marshall: Wörterbuch Design. 2008, S. 342. 258. Clifford, Helen: Concepts of Invention, Identity and Imitation in the London and Provincial Metal-Working Trades, 1750–1800. In: Journal of Design History. Vol. 12, No. 3. 1999, S. 241–255, hier S. 251.

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Kunst und Design. Als Kapital des avantgardistischen, (meist männlichen) Künstlers, Designers oder Architekten galt seine gestalterische ›Innovationskraft‹. »Gefragt waren Ausdrucksformen, die sich von allen bisherigen unterschieden und abgrenzten. Wichtiger als das Original wurde die Originalität«, so Astrit Schmidt-Burckhardt.259 Allerdings wurde im Verlauf der Zeit und mit dem zunehmenden Druck nach neuen »Kunst-Ismen« der propagierte Bruch mit der Tradition selbst zu einer Tradition in der Kunst – ein Phänomen für das Harold Rosenberg Ende der 1950er Jahre den Begriff »the tradition of the new« prägte. 260 Für das Design kann beobachtet werden, dass sich seine Akteure mit zunehmender professioneller Spezialisierung im 20. Jahrhundert von den künstlerischen Topoi des ›Neuen‹ und der ›Originalität‹ abzugrenzen versuchten. Baur und Erlhoff schreiben, dass der Designberuf in seiner heute bekannten Form erst in den 1940er Jahren mit dem französisch-amerikanischen Designer Raymond Loewy entstanden sei, der sich »von der handwerklichen und künstlerischen Geste, stets etwas Neues oder Originelles hervorzubringen« distanziert habe und Design demgegenüber »als Arbeit an der permanenten Verbesserung des Bestehenden« verstanden habe.261 Die Autoren grenzen Design von den historisch ›verwandten‹ Bereichen der Kunst und des Handwerk ab und distanzieren sich zugleich von den Begriffen des ›Neuen‹ und der ›Originalität‹. Freilich schließt diese Abgrenzung ungesagt auch an die in der Kunst- und Literaturgeschichte bekannten Kontroversen von ›nachahmender Kunst‹ versus ›produktiver künstlerischer Schöpfung‹, ›imitatio‹ versus ›creatio‹ oder ›mimesis‹ versus ›poiesis‹ an sowie an die damit verknüpften Debatten zur Gattungsund Geschlechterhierarchie in den Künsten. 262 Festzuhalten ist, dass die angestrebte Autonomisierung der Designprofession und ihre Abgrenzung von den Künsten sich nicht nur auf der Ebene unterschiedlicher Praktiken und Kontexte vollziehen, sondern sich ebenfalls in der (vorgeblichen) Zurückweisung künstlerischer Topoi realisiert. Gerhard Blechinger schreibt hinsichtlich der Differenz von Kunst und Design: »die romantische Idee des Individuums als Urgrund künstlerischer Schöpfung verkennt die Kreolennatur des Menschen. […] Auch Poiesis entsteht aus der Rekombination, Rekontextualisierung, Rekonstruktion und Mischung«.263 Wiederum wird als charakteristisches Merkmal von Design 259. 260. 261. 262.

Schmidt-Burckhardt: Stammbäume der Kunst. 2005, S. 15 f. Rosenberg, Harold: The Tradition of the New. New York. 1994 [1959], S. 9–11. Baur/Erlhoff: Design studieren. 2007, S. 44. Vgl. etwa: Metscher, Thomas: Mimesis. Bielefeld. 2003. Gebauer, Gunter; Wulf, Christoph: Mimesis. Kultur, Kunst, Gesellschaft. Reinbek. 1992. Petersen, Jürgen H.: Mimesis, Imitatio, Nachahmung. Eine Geschichte der europäischen Poetik. München 2000. Vgl. insbesondere zur künstlerischen Gattungshierarchie: John/Schade: Grenzgänge zwischen den Künsten. 2008. 263. Blechinger: Design als Inkubator für neue Technologien. 2005, S. 23.

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eine Veränderung von etwas Bestehendem und Bekanntem gegenüber dem Topos einer ›absoluten künstlerischen Neuschöpfung‹ stark gemacht. Nichtsdestoweniger und paradoxerweise lebt im Design gerade auch dieser künstlerisch-kreative Topos implizit fort. So wird in der gegenwärtigen Designpraxis, ungeachtet aller Abgrenzungsversuche von der Kunst, stets noch das Ideal eines ›genialen‹, autonom agierenden ›Autorendesigners‹ hoch gehalten. Auch in theoretischen Designdebatten ist die Idee weiter präsent. So spricht etwa Bonsiepe davon, dass innovatives Handeln im Design »etwas Neues, vorher Nichtexistierendes in die Welt einführt«.264 Auch andere Autoren postulieren: »Nur wer innovativ ist, ist auch ein guter Gestalter, denn nur neue Varianten existenter Produkte zu entwickeln, ist reines Styling und hat mit der Grundauffassung von Design wenig zu tun«.265 Angesichts dieser Aussagen wird klar, dass die historischen und diskursiven Interdependenzen von Design und Kunst nicht einfach durch eine kategorische Abgrenzung von Design gegenüber Kunst aufzulösen sind. Vielmehr überlagern sich die Begriffe und Zuschreibungen auf eine hochkomplexe, fast undurchsichtige Weise. Künstlerische und populäre Kreativitätszuschreibungen An die Idee einer ›absoluten Neuschöpfung‹ ist auch der Begriff ›Kreativität‹ gekoppelt, der sowohl in künstlerischen und wissenschaftlichen als auch unternehmerischen Kontexten bedeutsam ist.266 Ulrich Bröckling schreibt in Anlehnung an Marx, ›Kreativität‹ sei ein Begriff mit »theologischen Mucken« und verweist damit auf die historische Zuschreibung, dass es die creatio ex nihilo, die Schaffung von etwas völlig Neuem »ins Leere«, »ins Undefinierte« hinein, nur als »göttlichen Akt« gebe.267 Obwohl Kreativitätspsychologen heute davon ausgehen, dass Kreativität, weniger einzelne besonders begabte Personen betreffe, sondern kontextabhängig sei und durch günstige Situationen und Umgebungen befördert werde,268 haften dem ›kreativen Geistesblitz‹ stets noch mythischreligiöse Züge an.269 Der Umstand, dass das Phänomen ›Kreativität‹ mittlerweile zwar relativ umfangreich erforscht ist,270 dennoch nicht abschlie264. Bonsiepe: Design: Von Material zu Digital und zurück. 1996, S. 26. 265. Haase, Frank; Biller; Ruedi: Designwissen. Entstehung. Umsetzung. Perspektiven. Sternenfels. 2002, S. 27. 266. Vgl. Sternberg, Robert J.; Lubart, Todd I.: The Concept of Creativity: Prospects and Paradigms. In: Sternberg, Robert J.: Handbook of Creativity. Cambridge. 1999, S. 3–15. 267. Bröckling, Ulrich: Kreativität. In: Bröckling et al.: Glossar der Gegenwart. 2004, S. 139–144, hier S. 139. 268. Funke, Joachim: Psychologie der Kreativität. In: Holm-Hadulla, Rainer (Hg.): Kreativität. Heidelberg. 2000, S. 283–300, hier S. 295. 269. Sternberg,/Lubart: The Concept of Creativity: Prospects and Paradigms. 1999, S. 4 f. 270. Vgl. grundlegend zur Kreativitätspsychologie: Amabile, Teresa: The Social Psychology of

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ßend definiert werden kann, begünstigt das »Wuchern« von Metaphern und Zuschreibungen rund um den Begriff.271 Wie Marion von Osten richtigerweise konstatiert, steht nicht ein für allemal fest, was unter ›Kreativität‹ zu verstehen ist, sondern dies wird im jeweiligen gesellschaftlichen und historischen Kontext ausgehandelt.272 Dieser Gedanken ist für eine designtheoretische Betrachtung des Kreativitätsbegriffs unabdinglich. Zumal Kreativität in der Designtheorie oft in einer naturalisierende Weise projektiert wird. Brian Lawson postuliert etwa, dass Design von ›Natur aus‹ ein kreativer Prozess sei.273 Im deutschsprachigen Diskurs ist der Begriff zudem oft negativ konnotiert und wird aus diesem Grund marginalisiert. In einem deutschen Design-Studienführer wird die These, Design sei kreativ, mit der Bemerkung quittiert: »Das stimmt irgendwie. – Wenn nur die Kategorie »kreativ« nicht so heruntergekommen und völlig beliebig geworden wäre«.274 Zu fragen ist, wie die marginale Sichtbarkeit und negative Konnotation des Begriffs der ›Kreativität‹ im Design im Verhältnis zu dessen großer Bedeutung in ökonomischen, politischen und populären Bereichen interpretiert werden kann. Als mögliche Antwort möchte ich einen zweifachen Abgrenzungsversuch in Designdebatten nachzeichnen, in dem Design zugleich gegenüber einem ›künstlerisch überhöhten‹ sowie einem ›trivial popularisierten‹ Verständnis von ›Kreativität‹ abgegrenzt wird. Erstens kann die Marginalisierung und Abwertung von Kreativität – wie oben angeführt – als Distanzierung vom Topos der ›genialen künstlerischen Originalität‹ verstanden werden und damit als eine disziplinär motivierte Demarkation des Design von den Künsten. Zweitens manifestiert sich darin aber auch eine Distanzierung gegenüber einer populären, bisweilen trivialisierten Auffassung von Kreativität. In dieser Auffassung gilt Kreativität nicht mehr als herausragendes Talent von Künstlern und Gestaltern. Jedem wird nunmehr die Fähigkeit zugesprochen, oder vielmehr die Verpflichtung auferlegt, kreativ zu sein. Von Osten schreibt: »Kreativität und die Fähigkeit zum Selbstmanagement gelten heute nicht mehr nur als Fähigkeiten von Gestaltern, sondern als unabdingbare Voraussetzungen für das Bestehen in den Arbeits-, Aufmerksamkeits- und Beziehungsmärkten überhaupt«.275 Hans Joas verteidigt demgegenüber die Popularisierung des Kreativitätsbegriffs. Er hält fest, dass viele zeitgenössische Autoren den massen-

271. 272. 273. 274. 275.

Creativity. New York. 1983; dies.: Creativity in Context. Boulder/Colorado. 1996. Sternberg, Robert J.: Handbook of Creativity. Cambridge. 1999. Bröckling: Kreativität. 2004, S. 140. Osten, Marion von: Be creative! Der kreative Imperativ. Anleitung. In: Dies. (Hg.): Be creative! Zürich. 2002, S. 1–4, hier S. 1. Lawson: What Designers Know. 2004, S. 3. Baur/Erlhoff: Design studieren. 2007, S. 68. Osten: Be creative! 2002, S. 3.

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haften Anspruch auf Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung durch Kreativität als lächerliche Demokratisierung der Genie-Ideologie verspottet hätten, dabei läge es wohl näher, die Genie-Ideologie als undemokratische Verzerrung der Idee der ›Kreativität‹ zu deuten.276 Der »modische Charakter« des Begriffs ›Kreativität‹ stellt für ihn allerdings die niedrigere Hürde für eine ernsthafte Beschäftigung mit dem Phänomen dar. Weitaus hinderlicher ist seiner Ansicht nach die vor allem in Deutschland verbreitete Angst, dass mit der Betonung des Schöpferischen »an die schlechtesten Seiten deutscher Tradition« angeknüpft werde: an Aufklärungsfeindschaft und Irrationalismus.277 Mit der Betonung der Kreativität könne eine Pandorabüchse geöffnet werden, die zugunsten von Rationalität und Aufklärung besser verschlossen bliebe, so Joas Fazit, das die negative Konnotation des Kreativitätsbegriffs in deutschsprachigen Designtheorien erhellen kann. In Anbetracht der Abgrenzungsversuche des Design gegenüber sowohl künstlerischen als auch populären Kreativitätszuschreibungen ist nur schwer vorstellbar, wie der Kreativitätsbegriff im Design überhaupt positioniert werden kann. Ein entsprechender Vorschlag von Tim Marshall versucht, die Abneigung gegen den Kreativitätsbegriff im Design mit dessen wachsender wirtschaftlicher Popularität zu »versöhnen«.278 Viele Designer, Designfirmen und Designtheoretiker hätten »im Rahmen ihrer Bemühungen, Ansehen und das Vertrauen der Kunden wie auch der traditionellen wissensbasierten Disziplinen zu gewinnen«, versucht, Design aus seinen historischen Zusammenhängen mit den bildenden und kreativen Künsten zu lösen.279 Zunehmend hätten Designer es vermieden, Begriffe wie »kreativ«, »einfallsreich« oder »inspiriert« zur Beschreibung ihrer Prozesse zu verwenden.280 Es klinge wie eine Ironie, so bekundet Marshall weiter, dass gleichzeitig das Interesse an »kreativen Unternehmensführern« zunehme und der Stellenwert »kreativer Prozesse im unternehmerischen Setting« allmählich erkannt werde. 281 Hinsichtlich seiner Beobachtung konstatiert der Autor jedoch, dass sich gegenwärtig eine »Versöhnung« abzeichne, »was die Einstellung des Design insgesamt und seiner unterschiedlichen Aktivitäten zum Thema Kreativität« betreffe. Im Bereich »designbasierter Innovationen« baue »Kreativität« heutzutage auf »der fundierten Kenntnis der interesseleitenden Fragestellungen und Probleme« auf, sie sei »kein alternativer Prozess«, sondern 276. Joas, Hans: Die Kreativität des Handelns. Frankfurt a. Main. 1996, S. 109. 277. Joas: Die Kreativität des Handelns. 1996, S. 109. 278. Ich zitiere hier aus dem Beitrag von Tim Marshall im Wörterbuch Design zum Lemma ›Innovation‹. Die Beiträge sind derart konzipiert, dass die Ansichten der jeweiligen Autoren deutlich zu Wort kommen. Sie können somit als eigenständige Beiträge zum Designdiskurs gelten. 279. Erlhoff/Marshall: Wörterbuch Design. 2008, S. 248. 280. Erlhoff/Marshall: Wörterbuch Design. 2008, S. 248. 281. Erlhoff/Marshall: Wörterbuch Design. 2008, S. 248.

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setze auf »Analyse und Argumentation«.282 Diese Aussage lässt allerdings auch vermuten, dass die »Versöhnung« von Kreativität und Design nur eine vorgebliche ist, da der Kreativitätsbegriff in der Lesart von Marshall im Grunde seiner Bedeutung als ›schöpferischer Akt‹ entledigt wird und nunmehr – in fast diametraler Weise – synonym zu »Analyse und Argumentation« verwendet wird. Der Akzent liegt nunmehr auf einer methodischsystematischen, nicht ›kreativ-intuitiven‹ Auslegung des Designprozesses. Diese Begriffsumwertung kann womöglich als symptomatisch für solche zeitgenössische Bestrebungen verstanden werden, in denen Design im Kontext von Forschung und Wissenschaft als planvoller, wissens- und methodenbasierter Prozess dargestellt werden soll. Zugleich schließt diese Vorstellung an Designdefinitionen aus Planungs- und Problemlösungstheorien der 1960er und -70er Jahre an, in denen Design als ein Akt oder Prozess der planvollen Veränderung projektiert worden ist. Planvoll gestalteter Wandel in einer haltlosen Welt Die große Bedeutung, die dem Aspekt der ›planvollen Veränderung‹ in designtheoretischen Texten zukommt, kann auf Herbert Simons Idee zurückgeführt werden, Design sei die planvolle Veränderung einer existierenden Situation in eine bevorzugte.283 Harold Nelson und Erik Stolterman nehmen diese Idee in ihrem Buch The Design Way. Intentional Change in an Unpredictable World (2003) auf und bauen darauf eine Designtheorie mit umfassenden Geltungsanspruch auf.284 Als Zielsetzungen halten sie fest, dass sie »a new philosophical tradition; a new culture of inquiry and action« fördern und vermitteln wollten, die auf den ›typischen‹, praktischen wie philosophischen Ansätzen des Design gründe.285 Mittels dieser ihres Erachtens ›neuartigen‹ »design culture« soll nach Ansicht der Autoren ein radikaler und umfassender gesellschaftspolitischer Wandel initiiert und realisiert werden. Sie berufen sich dabei auf einen sehr weiten Designbegriff, der neben den traditionellen Designberufen wie Architektur, Produkt-, Grafik- oder Software-Design auch die Planung und Gestaltung von Organisationen, sozialen Systemen, Ausbildungs- und Gesundheitswesen, Arbeitsplätzen, selbst von Regierungen und demokratischen Verfassungen umfasst.286 Kaum überraschend erinnert dieser Designbegriff zum Beispiel an Rittels und Webbers allgemeine Theorie der Planung von 1973,287 deren Gegenstand alle denkbaren Pla282. 283. 284. 285. 286. 287.

Erlhoff/Marshall: Wörterbuch Design. 2008, S. 248. Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 111. Nelson/Stolterman: The Design Way. 2003. Nelson/Stolterman: The Design Way. 2003, S. 1. Nelson/Stolterman: The Design Way. 2003, S. 1 f. Rittel/Webber: Dilemmas in a General Theory of Planning. 1973.

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nungsaufgaben waren, insbesondere in Bereichen, die eine gesellschaftliche Öffentlichkeit betrafen: die Planung von Siedlungen und Städten, Verwaltungsprogrammen, Gesundheitssystemen und so weiter. Um ihr Unterfangen theoretisch zu fundieren, verweisen Nelson und Stolterman nicht auf Rittel, sondern auf Cross’ kontrovers diskutierten Ansatz des ›designerly ways of knowing‹ – mit dem ja auch dieser eine eigenständige ›Designkultur‹ zu begründen sucht. Wie Cross befinden auch Nelson und Stolterman, dass Design in seiner historischen Bedeutung durch die bestehenden akademischen Disziplinen und Wissens- und Erkenntnisformen (im weitesten Sinne) nicht angemessen repräsentiert werde: »Science, art, spirituality, economics and technology are all important traditions of inquiry. However, they do not embody the unique specifics of the design tradition, with its corresponding philosophy and praxis«. 288 Die Autoren beanspruchen das Bild einer zunehmend komplexer werdenden Realität, um den Führungsanspruch einer »design culture« zu legitimieren: »In our struggle to understand an ever more complex reality, we believe the current traditions of inquiry and action prevalent in our society do not give us the support we need – as leaders and designers – to meet the emergent challenges that now confront us.«289 In einer zentralen Passage ihres Buchs legen sie die Bedeutung von planvoll gestalteter Veränderung dar und kontrastieren diese mit dem zugespitzten Bild einer unbeständigen und haltlosen, also chaotischen Welt, in der alle bisher erprobten wissenschaftlich-technologischen Ansätze versagt hätten. The world is changing rapidly, sometimes with intent, but too often by accident. The world has proven to be unpredictable, despite the best attempts of science and technology to bring predictability and control to worldly affairs. The laws of nature may be fixed, but the complex interactions of everyday events, whether provoked by accident of fate, result in unpredictable outcomes. The one things that makes this state of affairs tolerable is the inchoate knowledge that change – desired change – can be wrought by human intention. Human intention, made visible and concrete through the instrumentality of design, enables us to create conditions, or artifacts, that facilitate the unfolding of human potential through designed evolution in contrast to an evolution based on chance and necessity – a highly unpredictable process.290

Die Autoren stellen als Alternative zu dem Bild einer planlosen, ungestalteten und mithin unberechenbaren gesellschaftlichen Entwicklung das Bild einer durch menschliche Willens- und Schaffenskraft geplanten, 288. Nelson/Stolterman: The Design Way. 2003, S. 3. 289. Nelson/Stolterman: The Design Way. 2003, S. 2. 290. Nelson/Stolterman: The Design Way. 2003, S. 2.

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gestalteten und kontrollierten Entwicklung, einer »designed evolution« in Aussicht. Dem Design, hier verstanden als Instrument zur Darstellung und Materialisierung eines solch intentional ordnenden und gestaltenden Zugriffs, wird in offenkundig eschatologischer Weise das Potential zugesprochen anstelle von Wissenschaft und Technik zu planvoller, ›erwünschter‹ gesellschaftlicher Entwicklung beizutragen. Ohne dass die Autoren einen entsprechenden Bezug herstellen, erinnert diese Verheißung in seltsam anachronistischer Weise an historische Ganzheitslehren um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, mit denen auch die Gestaltpsychologie verwoben war. Gemeinsam war vielen dieser Ganzheitslehren trotz ihrer unterschiedlichen disziplinären Herkunft (Biologie, Medizin, Philosophie oder Politik), dass sie sich vermittels ganzheitlicher Metaphern und teleologischer Leiterzählungen gegen eine Auflösung und ›Atomisierung‹ von wissenschaftlichem Sinn und gesellschaftlicher Ordnung wandten.291 Der ›Gestalt‹ wurde dabei im Schatten des Ersten und Zweiten Weltkrieges eine bedeutende schöpferische und sinnstiftende Kraft zugesprochen. Sie stellte gewissermaßen eine ordnende Gegenkraft oder ein »kosmisches Prinzip« dar, um die Menschheit gegen die Befürchtungen von Chaos, Entropie und Degeneration zu verteidigen,292 Solche oder noch radikalere Vorstellungen von ›Gestalt‹ und ›Ganzheit‹ offenbarten bisweilen aber auch ihren destruktiven Charakter.293 Ich möchte den Vorschlag einer »design culture«, wie Nelson und Stolterman und andere ihn gegenwärtig propagieren, in keine direkte Bezugslinie zu historischen Ganzheitslehren stellen. Ebenfalls rechtfertigt die Verwendung von ›Design‹ hier und ›Gestalt‹ dort noch keinen Vergleich der Positionen. Dennoch möchte ich mit der gebotenen Vorsicht darauf aufmerksam machen, in welch (bisweilen prekäre) ideologische Nachbarschaft der Vorschlag von ›Design‹ als ›neuer‹ gesellschaftlich sinnstiftender und ordnender Instanz ohne angemessene kulturhistorische Differenzierung abdriften könnte. Es sollte nicht vergessen werden, dass das ambitionierte Projekt einer planvollen Neu- oder Umgestaltung der Welt weniger ein planerisches, technisches oder organisatorisches Unterfangen darstellt, sondern vielmehr von höchst wirkungsmächtigen und oft impliziten Werteund Kulturdiskursen angeleitet wird. Doch dazu später mehr. Die Vorstellung eines gesellschaftlichen Wandels, der durch planvoll gestaltetes Handeln initiiert wird, weist neben dem Gesagten zudem auch Analogien zu bestimmten historischen Kreativitätszuschreibungen auf. Hans Joas unterscheidet zwischen mehreren diskurshistorisch perpetuierten »Metaphern der Kreativität«. Dazu gehören für ihn die Metaphern der 291. Harrington: Die Suche nach Ganzheit. 2002, S. 11–29. 292. Harrington: Die Suche nach Ganzheit. 2002, S. 208. 293. Harrington: Die Suche nach Ganzheit. 2002, S. 205.

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»Produktion« und »Revolution«, die er beide auf Marx zurückführt. 294 Die Produk tionsmetapher beziehe Kreativität »auf die objektive Welt materieller Gegenstände als der Bedingung und Mittel des Handelns« so Joas. 295 Hinsichtlich der Revolutionsmetapher hielt er fest: »Die Idee der Revolution […] unterstellt die Möglichkeit menschlicher Kreativität hinsichtlich der sozialen Welt, nämlich die fundamentale Umgestaltung der das menschliche Zusammenleben regulierenden gesellschaftlichen Institutionen«. 296 Beide Kreativitätsmetaphern können auch in den Ausführungen von Nelson und Stolterman verortet werden. Neben ihrem Fokus auf die materielle, das heißt artifizielle Welt, ist dies insbesondere dort der Fall, wo sie die Aspekte »design culture« und »leadership« argumentativ verquicken. So halten sie etwa fest: »The process of design is always the most effective and efficient means of getting organizations and individuals to new places. Design is therefore about leadership – and leadership is therefore an essential element of any design culture.«297 Die Autoren sprechen zwar nicht wörtlich von ›Kreativität‹ oder von ›kreativem Denken‹ und Handeln, vertreten jedoch die Ansicht, dass für das Design ›typische‹ Ansätze und Vorgehensweisen es Führungspersonen erlaubten, bestehende gesellschaftliche Strukturen grundlegend in Frage zu stellen und im Hinblick auf unkonventionelle ›Gestaltungsmöglichkeiten‹ neu zu überdenken. Unklar bleibt jedoch, vermittels welcher Ansätze und durch welche Akteure (Designer, Manager, Ingenieure?) sich ein solches Vorgehen konkret realisieren soll. Ihr Vorschlag ist aber zweifellos in ideeller Nähe zu dem weiter oben diskutierten Begriff des ›design thinking‹ anzusiedeln. So lassen sich auch beim Vorschlag von Nelson und Stolterman ideelle Bezüge zu Kreativitätstheorien der 1960er und -70er Jahre aufzeigen, die ›kreatives‹ Handeln und Denken als entscheidende Fähigkeiten für Führungskräfte in Wirtschaft und Politik postulieren.298 In den entsprechenden Ansätzen wird diesbezüglich festgehalten, dass ›kreatives‹ Handeln und Denken vor allem darauf beruhe, Dinge miteinander zu kombinieren, die im Grunde nicht zusammenpassten, um so zu ›neuen‹ Lösungen zu gelangen. Edward De Bono prägte Ende der 1960er Jahre dafür den Begriff des »lateralen Denkens«.299 Der Psychologe Joy Guilford sprach etwa zur selben Zeit vom »divergenten Denken«300 und umgangssprachlich wird vom so 294. 295. 296. 297. 298. 299.

Joas: Die Kreativität des Handelns. 1996, S. 106. Joas: Die Kreativität des Handelns. 1996, S. 107. Joas: Die Kreativität des Handelns. 1996, S. 107. Nelson/Stolterman: The Design Way. 2003, S. 3. Vgl. Bono, Edward de: Laterales Denken für Führungskräfte. Reinbek. 1972. Bono, Edward de: New Think. The Use of Lateral Thinking in the Generation of New Ideas. New York. 1968. Ders: Laterales Denken: Ein Kursus zur Erschliessung ihrer Kreativitätsreserven. Reinbek. 1971. 300. Guilford, Joy Paul: Analyse der Intelligenz. Weinheim/Basel. 1976.

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genanten »Quer-Denken« gesprochen. Anders als das schrittweise, lineare und »konventionalisierte«, »vertikale Denken« (De Bono) oder »konvergente Denken« (Guilford) wird ›kreatives Denken‹ als »subjektiv«, »assoziativ«, »sprunghaft«, »non-linear« und »unkonventionell« beschrieben und könne, so die Ansicht von De Bono, als Denkansatz eingeübt und zur effektiven Problemlösung in Führungspositionen eingesetzt werden.301 An ein solches Verständnis von ›kreativer Führung‹ scheinen Nelson und Stolterman anzuschließen. Sie beanspruchen, vermittels einer ›neuen‹ »design culture« nicht weniger, als die dringendsten Probleme der Menschheit mit den Mitteln und Instrumenten des Design zu lösen: […] cultures, civilizations, nations and other forms of large-scale social systems can escape major change over extended periods of time. But, when the pressures for change build internally, or externally, accidentally or intentionally, successful survival and improvement seem to come only as consequences of an approach that can radically transform the existing order of things […]. Such an approach can be characterized as a design approach.302

Sie sind jedoch nicht die einzigen Autoren, die das ›revolutionäre Potential‹ des Design als ein universelles ›Heilmittel‹ gegen Chaos, Krise und Ungewissheit beschwören. So argumentiert der Designer Bruce Mau in ähnlicher Weise, wenn er schreibt, dass erst in Krisenzeiten die enorme Wirkungsmacht von Design erkannt werde: Accidents, disasters, crises. When systems fail we become temporarily conscious of the extraordinary force and power of design, and the effects that it generates. Every accident provides a brief moment of awareness of real life, what is actually happening, and our dependence on the underlying systems of design.303

Es scheint bisweilen, dass die angeführten Positionen zur ›Neugestaltung‹ der Welt auf einem einfachen Umkehrschluss beruhen. Aus dem korrekten Befund, dass die Welt in hohem Maß aus artifiziellen, das heißt gestalteten und konstruierten Dingen beziehungsweise Systemen besteht, wird umgekehrt geschlossen, dass die Verfahren, Instrumente und Akteure des Design auch für die Planung und Gestaltung dieser Welt ›zuständig‹ seien. Nelson und Stolterman halten diesbezüglich etwa fest: »In the 301. Bono, Edward de: De Bonos neue Denkschule. München. 2005, S. 23 f. 302. Nelson/Stolterman: The Design Way. 2003, S. 2. 303. Mau, Bruce: Massive Change. London. 2004, S. 6. Vergleichbar argumentiert John Law in der ANT, dass komplexe Netzwerke erst im Fall ihres Versagens in unser Bewusstsein treten. Allerdings zieht er andere Schlussfolgerung aus seinem Befund. Vgl. Law, John: Notizen zur Akteur-Netzwerk-Theorie. In: Bellinger, Andrea; Krieger, David. J. (Hg.): ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie. Bielefeld. 2006, S. 429–446, hier S. 435 f.

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theoretical world of science, we do not think about natural laws or truths as being designed. But, in the real world […] we understand that we ›create‹ as well as ›discover‹ reality. This is because the real world, which is essentially an artificial world, is very much a created design«.304 So vielversprechend solche Ansätze vielleicht erscheinen mögen, die ›Design‹ anstelle von ›Wissenschaft‹ als Mittel der Wahl sowie als sinnstiftende Instanz der gesellschaftlicher Veränderung propagieren, so sind sie doch in vielerlei Hinsicht zu problematisieren. Vorrangig ist zu fragen, weswegen ausgerechnet die erst wenig erprobten und reflektierten Ansätze des Design erstens geeignet und zweitens berechtigt sein sollten, die gesamte Menschheit, ihre Wünsche und Hoffnung maßgeblich hinsichtlich zukünftiger Veränderung zu repräsentieren. Hier wären konkret die fehlende Multiperspektivität und der inhärente Kulturuniversalismus des Ansatzes zu kritisieren. Offen bleibt nämlich, durch wen und mit welchen konkreten Designpraktiken und -techniken eine solche Veränderung angegangen werden soll. Offen bleibt zudem auch die Direktive dieses Wandels – zumal die damit verbundenen, zwangsläufig normativen Zielsetzungen je nach kultureller Zugehörigkeit und Kontext sowie je nach wirtschaftlicher und politischer Lage sehr unterschiedlich ausfallen würden. Diesbezüglich hat bereits der Planungstheoretiker Horst Rittel in den 1970er Jahren gemahnt, dass es ohne »eine umfassende Sozialtheorie oder eine umfassende Sozialethik keine Möglichkeit [gibt], vorherzusagen, welche Gruppe recht hat und welcher man zur Durchsetzung ihrer Ziele verhelfen sollte«.305 In einer pluralistischen Gesellschaft gebe es kein »unbestreitbares allgemeines Wohl«, so die Ansicht von Rittel.306 Die Konzeption »eines einheitlichen ›öffentlichen Wohls‹« bezeichnet er mithin als »anachronistisch«.307 Schließlich bleibt mit Blick auf den oben besprochenen Vorschlag einer ›design culture‹ zu fragen, wie eine solch weite, im Grunde universalistische Lesart von ›Design‹ vom Begriff der ›Kultur‹ unterschieden werden kann oder soll, und wie er sich zu differenzorientierten Ansätzen in der Kultur- oder Wissenschaftsgeschichte verhält, die seit längerem schon der ›Konstruiertheit‹ von kulturellen, sozialen und wissenschaftlichen Phänomen sowie der Bedeutung von Materialität und »Kulturtechniken«308 innerhalb von Wissenschaft, Technik und Gesellschaft nachgehen und dabei der immanenten Bedeutung von ›Kontext‹ Rechnung tragen. 304. 305. 306. 307. 308.

Nelson/Stolterman: The Design Way. 2003, S. 29. Rittel/Webber: Dilemmas in einer allgemeinen Theorie der Planung. 1992, S. 34. Rittel/Webber: Dilemmas in einer allgemeinen Theorie der Planung. 1992, S. 13. Rittel/Webber: Dilemmas in einer allgemeinen Theorie der Planung. 1992, S. 33. Vgl. zum Begriff der ›Kulturtechnik‹: Krämer, Sybille; Bredekamp, Horst: Wider die Diskursivierung der Kultur. Zur Einleitung in diesen Band. In: Dies. (Hg.): Bild, Schrift, Zahl. München. 2003, S.11–22, hier S. 11.

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Reflexive Moderne und Zweite Moderne Der Ansatz von Nelson und Stolterman lässt sich auf erhellende Weise mit soziologischen Ansätzen kontrastieren, die radikale, weitreichende Konsequenzen der Modernisierung im 20. Jahrhundert thematisieren. Die Idee, dass der technologische, politische und soziale Modernisierungsprozess mitsamt seinen geplanten und ungeplanten Folgen sowie seinen inhärenten Strukturen reflektiert werden müsse, findet sich bereits Mitte der 1980er Jahre in Konzepten wie Anthony Giddens »zweiter Moderne« 309 oder Ulrich Becks »reflexiver Moderne« wieder.310 Beck schreibt, dass die gegenwärtige Modernisierung die Konturen der Industriegesellschaft auflöse und eine andere Gesellschaft als im 19. Jahrhundert entstehen lasse.311 Während sich zu jener Zeit die Modernisierung noch vor dem Hintergrund einer »Natur« vollzogen habe, die es zu »erkennen« galt, so habe sich die Modernisierung nun ins Gegenteil verkehrt und treffe auf sich selbst in ihren industriegesellschaftlichen Prämissen und Funk tionsprinzipien.312 Auch Giddens forderte eine metadiskursive Reflexion der seines Erachtens radikalen und global weitreichenden Konsequenzen der Modernisierung im 20. Jahrhundert.313 Allerdings räumte er den dem Wandel unterworfenen, nach Orientierung strebenden Individuen nur wenig Kontrollpotentiale ein und zweifelte die Steuerbarkeit einer Gesellschaft grundlegend an. Dieser Zweifel an der Steuer- und Planbarkeit sowie technologischen, politischen und sozialen Wandels ist der wohl größte Unterschied zu den Designansätzen von Nelson und Stolterman oder Mau. Während die genannten soziologischen Theorien gesellschaftlichen Wandel im Wissen um dessen ›Brüche‹ und ›systemimmanenten‹ Probleme zu beschreiben und künftige Veränderungen zu projektieren versuchen, gehen die genannten Designansätze mit einer unhinterfragten Bestimmtheit davon aus, dass Design das Mittel der Wahl sei, um diesen Wandel aktiv zu gestalten und zu kontrollieren. Mit der Vorstellung eines gestalteten, kontrollierten Wandels ist aber stets noch der historische Topos eines ›teleologischen Fortschritts‹ verbunden, der von ›Menschenhand‹ maßgeblich kreiert und gesteuert werden kann. Diesem Topos widersprechen indes die Theorien zur »reflexiven« oder »zweiten Moderne« ebenso wie als aktuelleres Beispiel auch der Ansatz von Bruno Latour, der die übermächtige Orientierung auf die intentionalen Handlungspotentiale menschlicher Subjekte gerade als Ursache für 309. 310. 311. 312. 313.

Vgl. Giddens, Anthony: Konsequenzen der Moderne. Frankfurt. 1995. Beck, Ulrich et al.: Reflexive Modernisierung. Eine Kontroverse. Frankfurt a. Main. 1996. Beck: Risikogesellschaft. 1986, S. 14. Beck: Risikogesellschaft. 1986, S. 14. Giddens: Konsequenzen der Moderne. 1995, S. 6 ff.

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die entfesselte Modernisierung und für das gegenwärtige Dilemma bezüglich des Fortschrittsgedankens sieht.314 Bezüglich der (Un-)Berechenbarkeit menschlicher Planung hält Richard Sennett fest, dass »die materielle Kultur als ganze zeigt, was die Menschen herzustellen vermögen«.315 Er mahnt gleichzeitig davor, die »Nachtseite der materiellen Kultur« ignorieren: »Dieses grenzenlose Bild [der materiellen Kultur] findet seine Grenzen jedoch in den Schäden, die sich die Menschheit unwissentlich oder durch unglückliche Umstände selbst zufügt«.316 In diesem Sinne trifft es zwar durchaus zu, wenn Bruce Mau schreibt, dass beim Versagen von technischen, politischen und sozialen Systemen der Blick auf die Herstellung, auf das ›Design‹ dieser Systeme falle.317 Ob allerdings eine Lösung gegenwärtiger und zukünftiger gesellschaftlicher Probleme im Ansatz einer monodisziplinären, vom Design ausgehenden und von kulturhistorischen Anbindungen weitgehend losgelösten »design culture« zu suchen ist, darf zur Diskussion gestellt werden. Vielversprechender scheint ein interdisziplinärer Zugang zu sein, der gemeinsame Fragestellungen zur Planung, Projektierung und Herstellung »materieller Kultur« auf eine multiperspektivische Weise entwickelt. Für das Design und seine Theoretisierung und Erforschung gilt es zudem zu bedenken, dass nicht dessen Potentiale heroisiert werden sollten, sondern dass ein differenzierter Umgang mit den ihm inhärenten Brüchen und Ambivalenzen von Nöten ist.

d. Zum Motiv eines ›impliziten Wissens‹ in Designpraxis und -forschung Als ein drittes Leitmotiv das Wissensbestimmungen in Designtheorie und -forschung derzeit strukturiert, kann dasjenige eines ›impliziten Wissens‹ benannt werden. Dieses Motiv wird im Folgenden untersucht. Dazu soll zunächst näher auf Michael Polanyi eingegangen werden, auf den der Begriff des ›impliziten Wissens‹ (tacit knowing) zurückgeht. Anzumerken ist vorweg, dass in einschlägigen Wissenskonzepten in der Philosophie, Wahrnehmungspsychologie oder Lerntheorie ›implizites Wissen‹ in der Regel als ein kognitiv-physiologisches Phänomen untersucht und so in theoretischen Modellen und Konzepten gefasst wird. Ich möchte jedoch im Folgenden über solche Wissensmodelle und -konzepte hinaus ›implizites Wissen‹ 314. Latour, Bruno: Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer Symmetrischen Anthropologie. Frankfurt a. Main. 2002, S. 19 ff. 315. Sennett, Richard: Handwerk. Berlin. 2008, S. 28. Kursivsetzung C. M. 316. Sennett: Handwerk. 2008, S. 28. 317. Mau: Massive Change. 2004, S. 6.

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auch als ein diskursives Motiv diskutieren, das eine zentrale identitätsstiftende Funktion in der Bestimmung von Wissen im Design einnimmt. Die Grundlagen der Beschreibung einer impliziten Wissensdimension sind bei Polanyi bereits in seinem philosophischen Werk Personal Knowledge von 1958 angelegt.318 Der Begriff ›implizites Wissen‹ entspricht in der deutschen Übersetzung seines Werks The Tacit Dimension (1966) dem Ausdruck ›tacit knowing‹.319 Menschliche Erkenntnis beinhaltet nach Polanyi stets gewisse implizite Bestandteile.320 Verkürzt dargestellt, wollte er verschiedene Bestandteile von ›implizitem Wissen‹ – genauer von implizitem ›Wahrnehmen‹, ›Können‹ und ›Handeln‹ – benennen und diese strukturell differenzieren.321 Er verfolgte dabei einen dynamischen Wissensbegriff, der sich auf Gegebenheiten während des Wahrnehmens, Urteilens und Handelns bezieht, also keinen statischen Wissenskorpus bezeichnet.322 Anhand sehr weitläufiger Beispiele demonstriert Polanyi, dass bestimmte intelligente Leistungen zwar »unbewusst«, das heißt subliminal oder verinnerlicht, vorhanden sein oder angewendet werden könnten, ohne dass diese aber ausreichend artikuliert oder formalisiert werden könnten. Obwohl Polanyis Vorstellung eines ›impliziten Wissens‹ eine thematische Nähe zu psychoanalytischen Ansätzen zum sowohl individuellen als auch kollektiven ›Unbewussten‹ aufweist, bezog er sich selbst kaum darauf.323 Seine Beispiele beinhalten unter anderem die psychologische Affektkonditionierung, den Tastsinn und die sinnliche Wahrnehmung,324 das handwerkliche Können, den professionellen Kennerblick oder ›Connoisseurship‹, das sportliche Geschick oder die künstlerische ›Virtuosität‹.325 Die impliziten Bestandteile von Wissen und Können umfassen bei Polanyi – analog zu den unterschiedlichen Beispielen die er bespricht – so Verschiedenartiges wie Affekte, »physiognomische« Wahrnehmung (Einzelheiten werden zu einer ganzen ›Gestalt‹ zusammengefügt),326 verinner318. Polanyi: Personal Knowledge. London. 1974 [1958]. 319. Polanyi: The Tacit Dimension. 1966. [Deutsche Ausgabe: Implizites Wissen. Frankfurt a. Main. 1985]. 320. Polanyi: Implizites Wissen. 1985, S. 14. 321. Er unterscheidet zwischen »funktionalen«, »phänomenalen«, »semantischen« und »ontologischen« Strukturen. Vgl. Polanyi: Implizites Wissen. 1985, S. 18–21. 322. Vgl. Neuweg: Könnerschaft und implizites Wissen. 2004, S.13. 323. Es scheint vielmehr, dass Polanyi sich gegen die Psychoanalyse wendete, da er in deren wissenschaftlichen Zugriff auf das implizite Wissen einen Verlust von ebendiesem zu erkennen glaubte. Vgl. Orange, Donna M.: Emotional Understanding: Studies in Psychoanalytic Epistemology. New York. 1995, S. 107. Zum Verhältnis von Polanyis Epistemologie zur Psychoanalyse: Hall James: Polanyi and Jungian Psychology: Dream-ego and waking-ego. In: Journal of Analytical Psychology. Nr. 27. 1982, S. 239–254 sowie ders.: Pseudo-Objectivety as a Defense Mechanism: Polanyi's Concept of Dynamo-Objective Coupling. In: Journal of Analytical Psychology. Nr. 12. 1984, S. 199–209. 324. Polanyi: Implizites Wissen. 1985, S. 16 f, S. 21 ff. 325. Polanyi: Personal Knowledge. 1974, S. 49–55. 326. Polanyi: Implizites Wissen. 1985, S. 15.

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lichte, als ›intuitiv‹ wahrgenommene Regelausübung (durch die Wiederholung einer praktischen Tätigkeit), bis hin zu unausgesprochenen, dennoch leitenden Moral- und Wertvorstellungen im Rahmen der wissenschaftlichen Wissensproduktion.327 ›Implizit‹ muss dabei nicht zwangsläufig das Gegenteil von ›explizitsprachlich‹ bedeuten, sondern kann, etwa bei der Gestaltbildung, als Gegensatz zu »fokal bewußt« gedeutet werden.328 Eine weitere Bedeutung von Polanyis berühmter Wendung, »we can know more then we can tell«,329 liegt laut Georg Hans Neuweg, einem Polanyi-Spezialisten, darin, dass implizites Wissen nicht »ausgesprochen werden kann«, sich aber dennoch im Verhalten zeigt.330 »Implizit« wäre demnach als das Gegenteil von »artikulierbar« zu verstehen. So können erfahrene Handwerker ihre Kenntnisse oft nicht vollständige artikulieren, sie aber durchaus demonstrieren. In der Regel wird der Ausdruck »tacit knowing« (entgegen Polanyis Intention eines ›dynamischen‹ Wissensbegriffs) mit dem Begriff »tacit knowledge« wiedergegeben.331 In der deutschen Übersetzung, die den Unterschied zwischen »knowing« und »knowledge« nicht explizit macht, finden sich entsprechend die Begriffe ›tacites‹, ›stilles‹, oder ›stummes Wissen‹. Ebenfalls finden sich Verknüpfungen mit thematisch nahen Begriffen, etwa zu dem eines ›trägen Wissens‹ in der Kognitions- und Lernpsychologie.332 Weitere konzeptuelle Verbindungen werden von Wissenssoziologen und -psychologen zu solchen Ansätzen hergestellt, die ähnliche Problem- und Fragestellungen wie Polanyis »tacit dimension« von Wissen und Können, von Wahrnehmen und Lernen behandeln. Dazu gehören zum Beispiel Aspekte zur »unbewussten Verhaltensteuerung und Intuition«, zum »impliziten Gedächtnis«, zum »impliziten Regelwissen«, zur »Nichtverbalisierbarkeit«, »Nicht-Formalisierbarkeit« und »Erfahrungsgebundenheit« von Wissen.333 Weitere Begrifflichkeiten und Konzepte, die mehr oder weniger systematisch (bisweilen sogar entgegen Polanyis Verwendung) mit einem »tacit knowing view« in Verbindung gebracht werden, sind »Erfahrungswissen«, »Handlungswissen«, »know-how«, »learning-by-doing«, aber auch die Be327. 328. 329. 330. 331.

Vgl. Neuweg: Könnerschaft und implizites Wissen. 2004, S.12 ff. Neuweg: Könnerschaft und implizites Wissen. 2004, S. 138. Polanyi: The Tacit Dimension. 1983, S. 4. Kursivsetzung im Original. Neuweg: Könnerschaft und implizites Wissen. 2004, S. 138. Turner, Stephen: The Social Theory of Practices. Tradition, Tacit Knowledge and Presuppositions. Cambridge. 1995. 332. Das Konzept eines ›trägen Wissens‹ (engl. ›inert knowledge‹) geht auf Alfred North Whitehead zurück und bedeutet, dass Wissen, zwar abstrakt verstanden, in konkreten Alltagssituationen aber nicht angewendet werden kann, wie dies etwa beim Erlernen einer Fremdsprache beobachtet werden kann. Whitehead, Alfred North: The Aims of Education and Other Essays. New York. 1929. Vgl. als jüngeren Beitrag zu dem Thema: Renkl, Alexander: Träges Wissen: Die ›unerklärliche‹ Kluft zwischen Wissen und Handeln. München. 1994. 333. Vgl. Neuweg: Könnerschaft und implizites Wissen. 2004, S. 12–21.

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griffe »Intuition« oder »flow«.334 Die unterschiedlichen Übersetzungen, Interpretationen und Adaptionen von Michael Polanyis ohnehin komplexem Modell eines ›impliziten Wissens‹ erschweren eine stringente Terminologie und Debatte.335 Sie verweisen darüber hinaus auf die Schwierigkeit, die Ausführungen Polanyis, der eine Erstausbildung als Mediziner besaß und sich zunächst in physikalischer Chemie profilierte, an Konzepte und Begrifflichkeiten der philosophischen Erkenntnistheorie oder der Kognitions- und Lernpsychologie anzuschließen. Polanyi bedient sich in seinen wissenssoziologischen Ausführungen eines vergleichsweise unorthodoxen Referenzapparates, der unterschiedliche Diskurse und Disziplinen berührt, diese Referenzen oftmals aber nicht explizit anführt. Ein ausgeprägter Hang zu naturwissenschaftlichen, namentlich psychologischen Modellen und Theorien ist erkennbar. Wesentliche Bezugspunkte sind die Gestaltpsychologie (zur Physiognomie und Gestaltbildung)336 sowie Experimente der Verhaltenspsychologie aus den 1950er Jahren bezüglich affektiver Konditionierung und »unterschwelliger Wahrnehmung«.337 Insbesondere das von der Gestalt psychologie beschriebene Vermögen, Einzelheiten in Begriffen von Ganzheiten zu verstehen und je nach Fokus, die Dinge auf die eine oder andere Art zu interpretieren, stellten für ihn wichtige intellektuelle Fähigkeiten dar.338 Polanyis Wissensmodell ist aber auch historisch zu kontextualisieren. In seinen Schriften kritisierte er wiederholt eine ideologisch fundierte Wissenschaftstheorie, wie sie in der ehemaligen Sowjetunion unter Stalin gelehrt wurde.339 Mit Blick darauf suchte er nach Wegen und Möglichkeiten, ein ideologiefreies, dennoch an Werte und Traditionen gebundenes, ganzheitliches Wissensmodell zu formulieren. Damit wandte er sich nicht nur gegen eine »marxistisch-leninistische Epistemologie«,340 sondern auch gegen ein zentrales Motiv des Existenzialismus, »Auffassungen und Anschauungen sozusagen vom Nullpunkt aus frei zu wählen«.341 Zur Dimension eines ›impliziten Wissens‹ gehörten für Polanyi also nicht nur theoretische und praktische Kenntnisse, sondern auch »verinnerlichte Werte« und »Lebensweisheiten«.342 Er betonte damit den Umstand, dass implizites 334. Ich beziehe mich hier auf die Zusammenstellung von Neuweg: Könnerschaft und implizites Wissen. 2004, S. 23. 335. Neuweg: Könnerschaft und implizites Wissen. 2004, S. 12. 336. Polanyi: Implizites Wissen. 1985, S. 15 f. 337. Hier bezieht sich Polanyi auf Experimente von Lazarus und McCleary (1949) und Eriksen und Kuethe (1958). Vgl.: Polanyi: Implizites Wissen. 1985, S. 15–17 sowie Fußnote 9 auf S. 85. 338. Polanyi sprach von einer »von-zu-Struktur« von Wissen: »wir wenden uns von etwas her und etwas anderem zu und werden seiner im Lichte dieses anderen gewahr«. Polanyi: Implizites Wissen. 1985, S. 20. Vgl. Neuweg: Könnerschaft und implizites Wissen. 2004, S. 136. 339. Polanyi: Implizites Wissen. 1985, S. 75. Vgl. ders.: Personal Knowledge. 1974, S. 237–245. 340. Polanyi: Personal Knowledge. 1974, S. 237. 341. Polanyi: Implizites Wissen. 1985, S. 11. 342. Polanyi: Implizites Wissen. 1985, S. 24.

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Wissen durch moralische, gesellschaftliche und wissenschaftliche Autoritäten nicht nur geprägt werde, sondern sich überhaupt erst innerhalb der dadurch geschaffenen sozialen Grenzen realisieren könne.343 Eine Vielzahl von Autoren haben die von Polanyi adressierte Dimension eines impliziten Wissens aufgenommen, kritisiert oder für ihre Belange weiterentwickelt.344 Kritisch diskutiert wird insbesondere, ob ein solch ausgedehnter Begriff von ›Wissen‹, der nicht in Regeln (zurück) übersetzt, nicht verallgemeinert, nicht oder nicht adäquat ausgedrückt werden kann, überhaupt noch als ›Wissen‹ gefasst werden könne. Neuweg verteidigt den Begriff, da der Wissensbesitz dennoch diagnostizierbar und implizites Wissen lern- und umlernbar sei, sich bewähren oder scheitern könne und in der Regel sozial vermittelt sei – also über »individuelles Meinen« und »individuelle Intuition« hinausreiche.345 Bei den Adaptationen des Konzepts eines ›impliziten Wissens‹ fällt die Systematik unterschiedlich aus, bisweilen wird der Begriff mehr als Schlagwort, denn als kritisch ausgearbeitetes Wissenskonzept verwendet. Einschlägige Arbeiten, die sich dem ›impliziten Wissen‹ widmen, sind oft in Bereichen zu finden, in denen der Erwerb und die Weitergabe von praktischem Erfahrungswissen untersucht und thematisiert wird. Dazu gehört auch der Bereich der Designtheorie und -forschung. Im 2. Kapitel wurden mit Schön und Dreyfus/Dreyfus bereits zwei Ansätze aus den 1980er Jahren diskutiert, die für gegenwärtige Wissenskonzepte in Designtheorie und -forschung bedeutsam sind und die an Polanyis Konzept eines ›impliziten Wissens‹ anschließen. Im folgenden Abschnitt soll dargelegt werden, wie das Modell eines ›impliziten Wissens‹ aus historischer Sicht für aktuelle Debatten in Designtheorie und -forschung bedeutsam geworden ist, welche weiteren Wissenskonzepte damit in Beziehung gesetzt werden können und auf welche Weise implizites Wissen in einschlägigen Texten zur (vor allem praxisbasierten) Designforschung adressiert wird. Daran anschließend möchte ich einen spezifischen Aspekt aufgreifen, der meines Erachtens in den Debatten zur praxisbasierten Designforschung marginalisiert wird, jedoch für die situierte Beschreibung einer Wissenskultur des Design bedeutsam ist. Es handelt sich um Dimension von ›implizitem Wissen‹, die mit dem Aspekt der sozialen Habitualisierung in Verbindung gebracht werden kann. 343. Polanyi: Implizites Wissen. 1985, S. 10 f. 344. Vgl. Dua, Mikhael: Tacit knowing. Michael Polanyi's Exposition of Scientific Knowledge. München. 2004; Mulzer, Klaus: Sprachverständnis und implizites Wissen. München 2007. Neuweg, Georg Hans: Das Schweigen der Könner. Strukturen und Grenzen des Erfahrungswissens. Linz. 2006. Nonaka/Hirotaka: The Knowledge Creating Company. 1995. Schanz, Günther: Implizites Wissen. München. 2006. 345. Neuweg: Könnerschaft und implizites Wissen. 2004, S. 24.

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Daran gekoppelt soll abschließend die Frage aufgeworfen werden, inwiefern das Beharren auf dem Motiv eines ›impliziten Wissens‹, wie es in der praxisbasierten Designforschung derzeit zu beobachten ist, nicht bloß einem wissenssoziologischen Desiderat entspricht, sondern zugleich bestimmte Topoi zur künstlerisch-gestalterischen Praxis perpetuiert.

Von rationalen Entwurfsanalysen zum ›impliziten Wissen‹ Um besser zu verstehen, weswegen in der gegenwärtigen Designforschung Konzepte favorisiert werden, welche die Dimension eines ›impliziten Wissens‹ und damit verbundene Zuschreibungen wie ›Erfahrung‹, ›Intuition‹, oder ›Subjektivität‹ adressieren, bietet sich ein kurzer Rückblick auf das Design Methods Movement der 1960er und -70er Jahre an. Dieses wurden bereits im 1. Kapitel ausführlich vorgestellt, deshalb sollen hier nur einige Punkte in Erinnerung gerufen werden. Wichtige Impulse für die Designmethodologie, die als ein Beginn derheutigen Designforschung verstanden werden kann, kamen zu jener Zeit vor allem aus natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächern. John Christopher Jones bezeichnete den Trend »towards more logical and systematic methods of design« als das Resultat von technologischen Entwicklungen »such as computers, automatic controls and systems«.346 Angestrebt wurde, Entwurfsprozesse rational anzugehen und sie zu systematisieren.347 Freilich ging es bei dieser Bewegung nicht nur, oder in sehr unterschiedlichem Maße um eine ›absolute‹ Rationalisierung von Entwurfsprozessen. Es wurde ebenso ein Interesse an ›intuitiven‹ Designmethoden348 sowie an »imagination and creative thought in design« bekundet.349 Insgesamt tendierte die Bewegung jedoch deutlich in Richtung einer ›Rationalisierung‹ des Design. Diese Gewichtung trug letztlich auch zu ihrem ›Misserfolg‹ bei. Christopher Alexander, eine der tragenden Figuren der DesignmethodenBewegung, kritisiert etwa eine »große Intoleranz gegenüber menschlichen Ausdrucksformen«,350 als anlässlich der ersten Design Methods Group-Konferenz die Herausgeber des Dokumentationsbandes sich weigerten, eine handschriftliche Zeichnung von ihm abzudrucken.351 [ Abb. 13 ] 346. Jones, John Christopher: A Method of Systematic Design. In: Jones/Thornley: Conference on Design Methods. 1963, S. 53–73, hier S. 53. 347. Einschlägige Texte stammen von: Archer: Systematic Method for Designers. 1965. Asimow: Introduction to Design. 1962. Jones: Design Methods. 1970. 348. Die erste Methodenkonferenz 1962 trug bezeichnenderweise den Titel ›Conference on Systematic and Intuitive Methods in Engineering, Industrial Design, Architecture and Communications‹. Kursivsetzung C. M. 349. Jones: A Method of Systematic Design. 1963, S. 53. 350. Alexander/Jacobson: The State of the Art in Design Methodology. 1971, S. 4. 351. Fezer: A Non-Sentimental Argument. 2009, S. 298.

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Abb. 13: Handskizze von Christopher Alexander in Conference on Design Methods (1962)

Als Reaktion auf die als einseitig rationalistisch empfundenen Designmethodologie der 1960er und -70er Jahre erwuchs im Verlauf der 1970er, vor allem aber -80er Jahre ein Interesse, die ›nicht-rationalisierbaren‹, ›intuitiven‹, ›impliziten‹ Aspekte von Entwurfsprozessen zu erforschen und zu benennen, die von Designpraktizierenden oft in Anschlag gebracht werden, um ihre Praxis zu schildern. Das Interesse aus dem Design an einer erfahrungsbasierten Dimension von Wissen ging einher mit einer etwa zeitgleich einsetzenden Aufwertung des Konzepts des ›Erfahrungswissen‹ in verschiedenen Praxisfeldern und wissenschaftlichen Disziplinen.352 Diese Aufwertung kann als Kritik an, oder als Erweiterung von einseitig technologie- und wissenschaftsorientierten Wissenskonzepten verstanden werden, die in den 1960er und -70er vor dem Hintergrund der Debatten zur ›Wissensgesellschaft‹ sowie im Zuge der ›Künstliche Intelligenz‹Forschung florierten.353 Die Idee eines erfahrungsbasierten Wissens ist aus Sicht der Philosophie keineswegs neu,354 sie hat aber seit Beginn der 1980er Jahren an neuer Bedeutung gewonnen – wenngleich sich unter der weiten Begriffsklammer von ›Erfahrungswissen‹ sehr unterschiedliche Konzepte in uneinheitlicher Terminologie versammelten.355 Dazu gehören etwa Konzepte wie »knowledge of familiarity«356 oder »situated cognition«.357 Die Diffe352. Vgl. 2. Kapitel, Abschnitt c. Design als reflektierte Praxis. 353. Vgl. Heidenreich: Die Debatte um die Wissensgesellschaft. 2003, S. 25– 51. 354. Vgl. dazu die vergleichende Untersuchung zu philosophischen Erfahrungskonzepten mit Blick auf ihren Stellenwert für die Designtheorie von Becker, Martina: Untersuchungen zur Erfahrungsdynamik. Hungen. 2001. 355. Ich beziehe mich auf die Übersicht von Böhle: Wissenschaft und Erfahrungswissen. 2003, S. 160. 356. Göranzon, Bo; Josefson, Ingela (Hg.): Knowlegde, Skill and Artificial Intelligence. Berlin et al. 1988. 357. Kirshner, David; Whitson, James A.: Situated Cognition. Social, Semiotic, and Psychological Perspectives. Mahwah et al. 1997.

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renzierung zwischen einem ›explizitem‹ und ›implizitem Wissen‹ findet sich auch in der Unterscheidung zwischen »deklarativen« (auf Fakten bezogenes) Wissen und »prozeduralen« (auf Handlung bezogenes) Wissen wieder,358 und die Rede von einem »propositionalen« und einem »nichtpropositionalen Wissen« entspricht in etwa Gilbert Ryles Unterscheidung zwischen »to know that« und »to know how«.359 Gemeinsam ist diesen Bezeichnungen und Konzepten, dass sie sich auf ein Wissen beziehen oder ein solches unterscheiden, das im praktischen Handeln erworben und angewandt wird und in hohem Maße personen- und situationsbezogen ist. Fritz Böhle weist darauf hin, dass sich die Neubewertung von Erfahrungswissen in den 1980er Jahren nicht undifferenziert gegen eine »Verwissenschaftlichung« der Gesellschaft gerichtet habe, sondern auf deren Grenzen.360 Es sei nach neuen Wegen gesucht worden, Erfahrungswissen »bei oder trotz Verwissenschaftlichung« neu zu berücksichtigen und damit Alternativen zu einer »einfachen«, einseitig ausgerichteten Verwissenschaftlichung zu finden. »Einseitig ausgerichtet« meint, dass der Bereich der Praxis und des praktischen Erfahrungswissens entweder als Anwendungsfeld für bereits formuliertes wissenschaftliches Wissen, oder aber als Ressource für noch zu erschließendes wissenschaftliches Wissen galt, nicht aber als Ort der Wissenserzeugung sui generis. Die Aufwertung von praktischem Erfahrungswissen realisierte sich in mehrerlei Hinsicht: sei es als unverzichtbarer Bestandteil beruflicher Qualifikationen, als Möglichkeit, wissenschaftliches Wissen zu »rekontextualisieren« und mit den Bedürfnissen der Praxis zu verbinden, oder als Mobilisierung eines Erfahrungswissens »von unten«, das einer »einfachen« Verwissenschaftlichung »von oben« entgegensteht.361 Wie bereits im 1. Kapitel erwähnt, wurde für die Designforschung zu Beginn der 1990er Jahre, etwa von Christopher Frayling, Bruce Archer und Nigel Cross, eine enge Verknüpfung von Forschung und Praxis postuliert, indem diese als »systematic enquiry conducted through the medium of practical action« definiert wurde.362 Weitere Autorinnen und Autoren haben sich in jüngerer Zeit diesen Ansätzen angeschlossen und Konzepte entwickelt, die praktisches Handeln im Design als ›genuine‹ Forschungsmethode verstehen wollen.363 Fatina Saikaly hält fest:

358. Oberauer, Klaus: Prozedurales und deklaratives Wissen und das Paradigma der Wissensverarbeitung. In: Sprache & Kognition. Vol. 12, Nr. 1. 1993, S. 30–43. 359. Ryle: The Concept of Mind. 1949. 360. Böhle: Wissenschaft und Erfahrungswissen. 2003, S. 160. 361. Mandl, Heinz; Reinmann-Rothmeier, Gabi (Hg.): Wissensmanagement: Informationszuwachs – Wissensschwund? Die strategische Bedeutung des Wissensmanagements. München/Wien. 2000. 362. Archer: The Nature of Research. 1995, S. 11. Vgl. dazu auch Frayling: Research in Art & Design. 1993/94, S. 5 sowie Cross: Designerly Ways of Knowing. 2006, S. 100 f. 363. Eine detaillierte Übersicht zu den an Fraylings Text anschließenden Ansätzen findet sich bei:

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[…] it could be argued that the practice-based approach to design research is leading towards the definition and articulation of a kind of designerly research which is different from research in the sciences or the humanities since it advances knowledge partly by means of design practice.364

Mit dem zunehmenden Interesse am Thema ›Erfahrungswissens‹ in der Designtheorie und -forschung kommt auch der pragmatischen Philosophie dort vermehrt Aufmerksamkeit zu.365 Gavin Melles führt an, dass das epistemologisch-methodologische Potential des Pragmatismus für die Designtheorie und -forschung längst nicht ausgeschöpft sei. Er stellt eine Verbindung zwischen pragmatischer Philosophie und den Ansätzen von Schön, Rittel und Webber her und hofft, dass pragmatische philosophische Ansätze unter Einbezug der Aspekte ›Visualität‹ und ›Materialität‹ genügend Raum bieten könnten, um die Koexistenz von pluralistischen epistemologischen und methodologischen Ansätzen in der Designforschung zu gewährleisten.366 Dahms und Krausse argumentieren in eine ähnliche Richtung, wenn sie schreiben, dass die pragmatische Philosophie »per definitionem […] handlungs- und zweckorientiert« sei und daher kompatibler als andere Ansätze für Fragen zur gestalterischen Praxis sei.367 Der Begriff, oder vielmehr noch das Motiv eines ›impliziten Wissens‹ zieht sich wie ein roter Faden durch die Debatten zur praxisbasierten Designforschung hindurch. Ihm kommt ein zentraler und zugleich umstrittener Stellenwert zu, wenn es darum geht, Designpraktiken im Kontext von Forschung und Wissenserzeugung methodologisch und epistemologisch zu bestimmen. Metaphorisch gesprochen, stellt es einen diskursiven Drehund Angelpunkt dar, an dem sich die Debatten gleichermaßen befördern wie blockieren. So führt etwa Kristina Niedderer an, dass gegenwärtig ein »besseres Verständnis« für nicht objektivierbares, implizites Wissen und dessen »methodische Integrierung in der Designforschung« angestrebt werde.368 Ken Friedman kritisiert hingegen, dass mit der Formel der praxisbasierten Forschung eine undifferenzierte Gleichsetzung von ›Design-

364. 365.

366. 367. 368.

Jonas: Design Research and its Meaning to the Methodological Development of the Discipline. 2007, S. 191. Saikaly, Fatina: Designerly Research: Towards Design’s Own Research Paradigm. In: Future Ground. The Design Research Society Conference. 17–21 November. Melbourne. 2004, S. 10. Namentlich wird auf Vertreter der ›klassischen‹ pragmatischen Philosophie (Charles Peirce, William James, John Dewey) Bezug genommen, daneben dienen der Neopragmatismus von Richard Rorty oder Richard Shusterman als Referenzen. Vgl. Melles: An Enlarged Pragmatist Inquiry Paradigm for Methodological Pluralism in Academic Design Research. 2008, S. 3–11. Dahms, Hans-Joachim; Krausse, Joachim: Neuer Pragmatismus in der Architektur. In: Arch+. Nr. 156. 2001, S. 26–29, hier S. 26. Niedderer, Kristina: Experiential Knowledge, Method and Methodology. International Conference 2009. CFP. Auf: http://www.experientialknowledge.org.uk [Okt. 2010]. Übersetzt C. M.

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praxis‹, ›Designwissen‹ und ›implizitem Wissen‹ einhergehe. Seine Kritik lautet, Designforschende »adopt a misunderstood term for its sound bite quality, linking it to an ill-defined series of notions that equate tacit knowledge with design knowledge, proposing tacit knowledge and design practice as new form of theorising«.369 Laut Friedman kann ›implizites Wissen‹ nicht einfach mit ›design knowledge‹ gleichgesetzt werden, vielmehr ist die implizite Dimension von Wissen für sämtliche praktischen Felder (und ich möchte dem hinzufügen: auch für sämtliche wissenschaftlichen Felder) bedeutsam. Er kritisiert die enge Verknüpfung von Praxis und Forschung, wie sie derzeit in der praxisbasierten Designforschung angestrebt wird, grundlegend: One of the deep problems in design research is the failure to develop grounded theory out of practice. Instead, designers often confuse practice with research. Instead of developing theory from practice through articulation and inductive inquiry, some designers simply argue that practice is research and practice-based research is, in itself, a form of theory construction. Design theory is not identical with the tacit knowledge of design practice.370

Basierend auf der obigen Darstellung der kontroversen Positionen in der Designforschung zum Thema Erfahrungswissen soll im Folgenden anhand aktueller Beiträge aus der Designforschung aufgezeigt werden, wie dort versucht wird, implizites Wissen systematisch zu erfassen. Dabei soll aber auch veranschaulicht werden, mit welchen Schwierigkeiten dieses Unterfangen behaftet ist.

Zur Verwendung des Konzepts ›implizites Wissen‹ in der praxisbasier ten Designforschung Eine zentrale Bestrebung des historischen Design Methods Movement war es, so wurde zu Beginn dieses Buches dargelegt, Entwurfsprozesse systematisch zu erfassen und zu steuern, etwa mithilfe von so genannten »Interaktion-Matrizen« und »morphologischen Kästen« oder »Brainstroming«.371 369. Friedman, Ken: Theory Construction in Design Research. Criteria, Approaches and Methods. Common Ground, Proceedings of the DRS International Conference. Brunel University. 5–7. September. London. 2002. Zit. nach: Jonas: Design Research and its Meaning to the Methodological Development of the Discipline. 2007, S. 190. 370. Friedman, Ken: Theory Construction in Design Research: Criteria, Approaches, and Methods. In: Design Studies. Vol. 24, Nr. 6. 2003, S. 507–522, hier S. 519. 371. Vgl. die Übersicht bei Jones: A Method of Systematic Design. 1963, S. 53–73. Vgl. zum Konzept des ›morphologischen Kastens‹ insbesondere Zwicky, Fritz: Morphologische Forschung. Winterthur, 1959.

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Abb. 14: Darstellung eines iterativen Designforschungsprozesses nach John C. Jones (1970)

Ebenfalls wurden im Zuge dieser Systematisierung so genannte Prozessphasen-Modelle entwickelt, um Design- und Designforschungsprozesse idealtypisch zu erfassen. [ Abb. 14 ] Obwohl, oder vielleicht gerade weil die in den 1960er und -70er Jahren entwickelten Ansätze aufgrund ihres rationalistischen Zugriffs heute als überholt gelten, streben auch aktuelle Ansätze danach, ›Designwissen‹ und ›Designprozesse‹ systematisch zu erfassen und (Prozess-)Modelle zu ihrer Verallgemeinerung zu entwickeln. Im Unterschied zu den Vorschlägen der historischen Designmethodologie beziehen sich die aktuellen Vorschläge – namentlich im Bereich der praxisbasierten Designforschung – nunmehr auf die Erfassung von Designprozessen und -praktiken als Forschungsprozesse und -praktiken. Grund dafür ist der, in den vorausgehenden Kapiteln bereits mehrfach erwähnte, enge Nexus von Praxis und Forschung. Designforschung wird in dieser Lesart vorzugsweise als ein auf ›der‹ Praxis basiertes und von ihr angeleitetes Unterfangen verstanden. So werden etwa ProzessphasenModelle erstellt, die Auskunft darüber geben sollen, aus welchen idealtypischen Phasen ein Prozess der Designforschung besteht (oder bestehen sollte) und wie diese Phasen systematisiert und im Hinblick auf zukünftige Forschungsvorhaben verallgemeinert werden können.372 [ Abb. 15 ] Derartige Untersuchungen verfolgen mindestens zwei Ziele: Zum einen soll die ›Einzigartigkeit‹ von praxisbasierter Designforschung erfasst – oder vielmehr postuliert werden, zum anderen soll diese Erfassung Argumente liefern, um die (meines Erachtens problematische) Unterscheidung zwischen Designforschung und wissenschaftlicher Forschung zu fundie372. Eine Sammlung solcher Prozessphasen-Modelle findet sich bei: Dubberly, Hugh: A compendium of Models. San Francisco. 2004, S. 11–28. Vgl. Im weiteren auch: Saikaly: Designerly Research. 2004. Poggenpohl, Sharon; Sato, Keiichi: Models of Dissertation Research in Design. Proceedings of the 3rd Doctoral Education in Design Symposium. Tsukuba. 2003.

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Abb. 15: Darstellung von ›Abzweigungen‹ in einem idealtypischen Designprozess (Jonas 2007)

ren. Jonas hält diesbezüglich fest: »Wenn wir den Anspruch erheben, Designdenken sei eine epistemologisch und methodologisch […] einzigartige Form der Wissensproduktion, dann sollten wir dafür auch ein operationalisierbares Schema anbieten«.373 Er schlägt vor, ein »Prozessmodell der praktischen Wissensproduktion« zu verwenden, »das uns von der Wissenschaft unterscheidet, das aber zugleich die Anschlussfähigkeit herstellt (zur Wissenschaft, zum Management etc.), indem es nämlich diese Anschlusspunkte explizit macht«.374 Andere Texte fragen danach, wie die ›impliziten‹ Bestandteile solch einer ›praktischen Wissensproduktion‹ theoretisch beschrieben und im Rahmen von Forschungsprojekten nutzbar gemacht werden können. So analysiert etwa Kristina Niedderer in einem Aufsatz von 2007 in Design Research Quarterly (einem Organ der Design Research Society), wie implizites Wissen aus theoretisch-methodischer Sicht in Forschungskontexte integriert und dort als solches analysiert und ›handhabbar‹ gemacht werden könne.375 Ihr interessanter Text soll im Folgenden ausführlicher besprochen werden, weil sich an ihm zeigen lässt, dass implizites Wissen für (Design-) Forschende ein relevantes, zugleich aber auch ein hochkomplexes Phänomen darstellt, das auf der Ebene von systematischen Ordnungen und kategorischen Begriffen (das heißt, ohne die Betrachtung von sozialen, kulturellen und historischen Aspekten) nur schwer zu erfassen ist. Aus dieser 373. Jonas: Forschung durch Design. 2004, S. 32. 374. Jonas: Forschung durch Design. 2004, S. 32. 375. Niedderer: Mapping the Meaning of Knowledge in Design Research. 2007, S. 1, 5–13.

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Schwierigkeit erwächst bisweilen, so eine von Niedderers Text weggehende allgemeinere Beobachtung, die Tendenz, eine künstliche Dichotomie zwischen Praxis und Forschung zu installieren sowie eine Kultivierung des »Sprachlos-Intuitiven«376 zu befördern. Die schwierige ›Vermessung‹ von implizitem Wissen In ihrem Text bezieht sich Kristina Niedderer darauf, dass das Modell der praxisbasierten Designforschung in Großbritannien derzeit zwar in großem Umfang gefördert und institutionalisiert werde, dass aus den entsprechenden Reglementen aber kaum hervorgehe, wie ein durch Praxis erzeugtes Wissen den vorwiegend sprach- und textbasierten Anforderungen genügen leisten könne, die für die Vermittlung und Verbreitung von wissenschaftlichem Wissen immer noch als zentral gelten: »Research regulations and requirements in the UK remain silent about what knowledge and understanding mean in the context of their specifications while implicitly prioritising propositional knowledge over knowledge that cannot be expressed in that form«.377 Diese zwar unausgesprochene, dennoch präsente Bevorzugung eines »language-based mode of propositional knowledge« führe dazu, so Niedderer, bestimmte »Wissensformate« aus der Forschung auszuschließen, die mit ›Praxis‹ assoziiert seien, »which are often called practical, experiential, personal, or tacit knowledge and which evade verbal articulation«.378 Mit anderen Worten verhindert die ihres Erachtens überwiegend durch propositionales, das heißt sprachliches Wissen gestützte Struktur von ›Forschung‹, dass solches Wissen, das sich einer Versprachlichung entziehe, trotz seiner Bedeutung angemessen berücksichtigt werden könne: »By its nature, tacit knowledge evades research due to the current requirements of research. On the one hand, tacit knowledge therefore lacks recognition in research, while on the other hand [it] is vital both for the development and communication of knowledge in research in design«.379 Zurecht wird hier auf einen epistemologischen Mangel aufmerksam gemacht, der entsteht, wenn Wissenserzeugung einzig unter dem Gesichtspunkt einer rein sprachlichen Objektivierung betrachtet wird. Dabei gilt es aber zu berücksichtigen, dass dieser Befund nicht nur für die Designforschung Geltung hat, sondern für sämtliche Forschung in Anspruch genommen werden kann. Auch in anderen Disziplinen muss eine stete Vermittlungs- und Übersetzungsarbeit geleistet werden, um die Erkennt376. 377. 378. 379.

Neuweg: Könnerschaft und implizites Wissen. 2004, S. 176 f. Niedderer: Mapping the Meaning of Knowledge in Design Research. 2007, S. 1. Niedderer: Mapping the Meaning of Knowledge in Design Research. 2007, S. 1. Niedderer: Mapping the Meaning of Knowledge in Design Research. 2007, S. 10.

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nisse praktischen Experimentierens in eine finale Textform zu transferieren. Aus diesem Grund führte Hans Reichenbach bereits 1938 die Unterscheidung zwischen dem »context of discovery« und dessen nachträglicher sprachlicher Vermittlung, dem »context of justification«, ein.380 In den letzten Jahren haben in der Wissenschafts- und Technikforschung insbesondere Hans-Jörg Rheinberger und Bruno Latour zu der Frage gearbeitet,381 wie vermittels wissenschaftlicher Praktiken des Experimentierens und Inskribierens am Ende etwas entsteht, das als wissenschaftliches ›Wissen‹ in Textform zur Geltung kommt. Dabei wurde gezeigt, dass auch in den experimentellen Naturwissenschaften das persönliche Wissen und Können des Forschers sowie seine individuelle »experimentelle Virtuosität« bei der Produktion von Wissen eine wichtige Rolle spielen.382 Dieser Befunde ungeachtet, definiert Kristina Niedderer ›Forschung‹ in einem eher traditionellen Sinne, mit Blick auf eine vermeintliche Systematik von Forschung sowie unter dem Aspekt des innovativen Wissensgewinns. Sie hält fest, »the term ›research‹ is being used to denote the systematic inquiry to the end of gaining new knowledge«.383 Zur Gewinnung von »neuem Wissen« trägt die Dimension eines ›implizitem Wissen‹ ihres Erachtens massgeblich bei: […] tacit knowledge plays an important role both in the research process and in evaluating and communicating research outcomes. […] tacit knowledge seems important for the generation and application as well as the experience and judgement of research and its results, and for creating new experiences, abilities, and knowledge.384

Basierend auf dem Befund, dass implizites Wissen sich der Versprachlichung zwar entziehe, dennoch aber relevant für die Designforschung sei, schlägt sie als Ertrag ihrer Untersuchung eine orthogonale ›Wissensmatrix‹ vor,385 [ Abb. 16 ] die es erlauben soll, verschiedene Formen und Mischformen von »implizitem« und »explizitem« Wissen in Forschungsprozessen zu verorten und somit besser ›handhabbar‹ zu machen. Es wird gewissermaßen der Versuch unternommen, implizites Wissen zu vermessen. Die vier Achsen der Matrix werden durch dichotome Begriffspaare zum

380. Reichenbach, Hans: Experience and Prediction. An Analysis of the Foundations and the Structure of Knowledge. Chicago. 1938, S. 6 f. 381. Vgl. dazu zum Beispiel Rheinberger: Experimentalsysteme und epistemische Dinge. 2001. Latour: Drawing Things Together. 2006, S. 259–307. 382. Rheinberger, Hans-Jörg: Experimentelle Virtuosität. In: Welsh/Willer: »Interesse für bedingtes Wissen«. 2008, S. 331–342. 383. Niedderer: Mapping the Meaning of Knowledge in Design Research. 2007, S. 5 384. Niedderer: Mapping the Meaning of Knowledge in Design Research. 2007, S. 6 385. Niedderer: Mapping the Meaning of Knowledge in Design Research. 2007, S. 10.

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Abb. 16: Orthogonale ›Wissensmatrix‹ nach Kristina Niedderer (2007)

»implizitem« und »explizitem« Wissen gebildet, die Niedderer mittels einer komplexen Systematisierung von verschiedenen philosophischen Wissenskonzepten- und begriffen in ihrem Text herausgearbeitet hat.386 »A mapping of this kind would serve to gain a better understanding of any methods and their application within research«, so ihre Überzeugung.387 Obwohl sich Niedderer in ihrem Text durchaus auf Wissenskonzepte bezieht, die für eine Betrachtung der soziokulturellen Kontextsensivität und Situiertheit von Wissen argumentieren,388 spiegelt sich dieser Befund letztlich in der vorgeschlagenen ›Wissensmatrix‹ nicht wieder. Vielmehr bleibt diese ein zwar theoretisch kohärentes, dennoch abstraktes Kondensat unterschiedlicher philosophischer Wissensbegriffe, die für die Beschreibung von Forschungs- und Wissenspraktiken als soziale Praktiken nur begrenztes Beschreibungspotential aufweisen. Mit dieser Schwierigkeit sehen sich freilich auch andere Systematisierungs- und Vermessungsversuche von Wissen in der Designforschung konfrontiert. Die Vorstellung, dass mittels einer solchen Matrix die »impliziten Aspekte« von Wissen systematisch erfasst, instrumentalisiert oder verallgemeinert werden könnten, scheint verkürzt – zumindest bleibt sie dies zwangsläufig ohne eine begleitende Analyse von konkreten sozialen und kulturellen Kontexten, Praktiken und Habitualisierungen, die über den begrenzten Rahmen von Designforschung hinausreichen. Am Motiv des ›impliziten Wissens‹ entzünden sich also sehr grundlegende Fragen, ob und in welcher Weise menschliches Wahrnehmen, Denken, Handeln überhaupt als (›natürliche‹ oder ›autonome‹) Entitäten erfasst werden kön386. Vgl. Niedderer: Mapping the Meaning of Knowledge in Design Research. 2007, S. 7–9. 387. Niedderer: Mapping the Meaning of Knowledge in Design Research. 2007, S. 12. 388. Smeyers, Paulus: What it Makes Sense to Say: Education, Philosophy, and Peter Winch on Social Science. Journal of Philosophy of Education. Vol. 40, Nr. 4. 2006, S. 463–485, hier S. 479.

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nen, oder ob nicht viel mehr nur disparate kontextspezifische und kulturabhängige Beschreibungen möglich sind. Wichtig sei, so schreibt Niedderer, »that it is made clear how tacit knowledge is used and why, and that it is described as far as possible in order to not only demonstrate its credibility and allow others to follow any conclusions drawn, but also allow researchers to use the results«.389 Chris Rust zweifelt indes die Idee einer Verallgemeinerbarkeit von implizitem Wissen, wie sie etwa im Feld des Wissensmanagement zu finden ist, grundlegend an: »The idea that people’s tacit knowledge somehow can be extracted and made explicit in the form of rules for all to employ is expressed often in the field of knowledge management but, in my view, it is fundamentally misguided«.390 Implizites Wissen stellt für ihn keine »direkte Quelle« für verallgemeinerbares Wissen dar, da dieses letzten Endes immer das einzigartige Wissen von Individuen, ein Produkt ihrer gesamten Erfahrungen sei.391 Obwohl ich seine Zweifel an einer Instrumentalisierung von Wissen teile, ist dennoch mit Bourdieu danach zu fragen (und ich komme im nächsten Abschnitt dazu), welches die ›überindividuellen‹ Faktoren und Rahmenbedingungen sind, etwa geschlechtliche, soziale und kulturelle Zugehörigkeit, Traditionen und Wertvorstellungen, die individuelles Wissen als solches erst hervorbringen und nachhaltig prägen. Bei Polanyi findet sich zudem der Hinweis, dass eine nachträgliche Rekonstruktion einzelner Bestandteile von ›implizitem Wissen‹ ein ambivalentes Unterfangen darstelle. Seines Erachtens ist »die Ansicht, wonach uns erst eine möglichst plastische Kenntnis der Einzelheiten den wahren Begriff der Dinge lieferte, von Grund auf falsch«.392 Aus seinen Ausführungen kann auf die Schwierigkeit geschlossen werden, die entsteht, wenn man das komplexe Phänomen des ›impliziten Wissens‹ als solches abschließend zu definieren versucht und klare Grenzen oder Kategorien zwischen verschiedenen Ausprägungen und Überlagerungen von ›Wissen‹ und ›Können‹ bzw. den entsprechenden Begriffen und Konzepten festlegen will. Die Schwierigkeit ist dabei wohl eher den gewählten Verfahren geschuldet (also der Kategorisierung, der Vermessung, der Systematisierung), als dem Phänomen an sich. Eine ähnliche Beobachtung zur Schwierigkeit einer trennscharfe Grenze zu ziehen, macht interessanterweise auch der Evolutions- und Molekularbiologe Richard Dawkins für sein Fach. Er beklagt, dass in der Evolutionsbiologie eine »Tyrannei des diskontinuierlichen Denkens« so389. Niedderer, Kristina: Relating the Production of Artefacts and the Production of Knowledge in Research. In: Nimkulrat/O‹Riley: Reflections and Connections. 2009, S. 59–67, hier S. 64. 390. Rust, Chris: Design Enquiry: Tacit Knowledge and Invention in Science. In: Design Issues. Vol. 20, Nr. 4. 2004, S. 76–85, hier S. 79. 391. Rust: Design Enquiry: Tacit Knowledge and Invention in Science. 2004, S. 79. 392. Polanyi: Implizites Wissen. 1985, S. 26.

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wie ein Hang zum Essentialismus vorherrschten.393 Hinsichtlich der Frage nach der Entwicklung biologischer Arten werde mit großer Spitzfindigkeit darüber diskutiert, wo genau die Grenze zwischen einer Spezies A und einer Spezies B zu ziehen sei, dabei werde zugunsten eines systematischen Ordnungs- und Begriffssystems völlig außer Acht gelassen, dass die Übergänge zwischen den Arten keineswegs eindeutig bestimmbar, sondern fließend seien.394 Seines Erachtens können Grenzziehungen zwischen verschiedenen biologischen Arten oder Kategorien immer nur aus einem bestimmten Blickwinkel Gültigkeit beanspruchen und nicht als allgemeingültige Resultate auf ein ›Gesamtphänomen‹ übertragen werden. Ich führe Dawkins Position hier aus dem Grund an, weil Systematisierungsversuche in der Designforschung des Öfteren durch die angeblich allgemeingültigen Kriterien der Naturwissenschaften legitimiert werden. Dabei wird ein Bild der ›Naturwissenschaft‹ entworfen, das diese zum einen als besonders rigoros und methodenstreng, zum anderen als idealtypischer Vertreter aller Wissenschaften hervorhebt. Dawkins Ausführungen belegen indes, dass Fragen zu Begriffsdefinition, Systematisierung und Kategorisierung selbst in einer anerkannten Naturwissenschaft wie der Biologie keineswegs eindeutig beantworten werden können. Ergänzen möchte ich diesen Befund noch um den Hinweis, dass auch das Idealbild eines systematischen, plan- und kontrollierbaren Forschungsprozesses, wie er in der Designforschung oft synonym für (natur-)wissenschaftliche Forschung‹ angeführt wird, von der Wissenschaftsgeschichte zunehmend problematisiert wird. Es finden sich zahlreiche Kritiken an der Idee, dass Forschung vor allem ein systematisches Unterfangen sei. Dabei ist die Diagnose schon älteren Datums. Ludwik Fleck beschrieb bereits Mitte der 1930er Jahre den Forschungsgang als eine »Irrfahrt mit beständigem Richtungswechsel«395 und kontrastierte damit das Bild einer systematisch fortschreitenden Wissenschaft. Aus heutiger Sicht ist auch für Hans-Jörg Rheinberger die experimentelle Forschung »durch Sackgassen, Verzweigungen und unvorhergesehene Wendungen« gekennzeichnet.396 Diese Einsichten empfehlen, zwischen einer idealisierten Außendarstellung von Forschung (und Wissenschaft) und den darin ›real‹ ausgeführten, das heißt sozial und medial strukturierten und keineswegs nur logisch-systematisch vermittelten Forschungspraktiken zu unterscheiden. Hat man diese Unterscheidung einmal im Blick, wird damit auch jene Zuschreibung brüchig, die besagt, dass sich Designforschung von wissen393. Dawkins, Richard: Geschichten vom Ursprung des Lebens. Eine Zeitreise auf Darwins Spuren. Berlin. 2008, S. 434. 394. Dawkins: Geschichten vom Ursprung des Lebens. 2008, S. 434 f. 395. Fleck: Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. 1980, S. 91. 396. Rheinberger: Epistemologie des Konkreten. 2006, S. 182.

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schaftlicher Forschung durch ihre angebliche Praxisbasiertheit und darin vor allem durch ihr implizites Wissen unterscheide. Fraglich wird schließlich sehr grundlegend, inwiefern Wissen überhaupt als ein rein instrumentelles oder funktionales Gut verstanden werden kann und sollte.

Überlagerung von implizitem Wissen und Habitualisierung Obwohl das Motiv des ›impliziten Wissens‹ in der praxisbasierten Designforschung derzeit viel Raum einnimmt, wird dort selten thematisiert, inwiefern das von Polanyi beschriebene Phänomen, »daß wir mehr wissen, als wir zu sagen wissen«,397 unbedingt auch als ein Effekt sozialer Prägung und Habitualisierung zu verstehen ist. Implizites Wissen ist in dieser Lesart nicht bloß als eine »individuelle«, »persönliche« Form von eingeübtem, verinnerlichten Wissen und Können zu verstehen,398 sondern als ein sowohl individuell verinnerlichtes, als vor allem auch durch kollektiv perpetuierte Normen, Werte und Traditionen geprägtes Wissen. An den Begriffen ›Expertise‹ und ›Connoisseurship‹,399 die mit jenem des ›impliziten Wissens‹ oft in Verbindung gebracht werden, lässt sich dieser Effekt vielleicht am besten diskutieren. Michael Polanyi stellte eine solche Verbindung in seiner Arbeit als eine Dimension ›impliziten Wissens‹ her. 400 In aktuellen Texten zur praxisbasierten Designforschung wird sie (oft mit Bezug auf Polanyi) wieder aufgegriffen, aber nur selten hinsichtlich des ›sozialen Charakters‹ von Wissen befragt. Stattdessen steht der vermeintlich ›professionelle‹ Aspekt einer eingeübten praktischen Kennerschaft im Vordergrund und wird als solcher isoliert betrachtet – das heißt losgelöst von den sozialen Rahmenbedingungen in denen Kennerschaft erlernt und vermittelt wird. So schreibt etwa Niedderer, »tacit knowledge is an important requirement for achieving best results in research and practice, which is associated with expertise and connoisseurship«. 401 Sie hält weiter fest: »Connois397. Polanyi: Implizites Wissen. 1985, S. 14. Kursivsetzung im Original. 398. Vgl. Rust: Design Enquiry: Tacit Knowledge and Invention in Science. 2004, S. 79. 399. Ich werde mich im Folgenden auf den Begriff ›Connoisseurship‹ im Sinne Polanyis beziehen, das heißt weniger auf die spezifisch kunsthistorische Begriffsbedeutung als ›Kunstkennerschaft‹, die auf einem angeblich ›herausragenden‹ ästhetischen Urteil fußt, sondern in einer allgemeinen Weise als ›Kennerschaft‹. Freilich überschneiden sich die Begriffsbedeutungen und beide sind als (oftmals implizite) Wertediskurse zu verstehen. Vgl. zu ›Connoisseurship‹ in der Kunstgeschichte: Scallen, Catherine B.: Rembrandt: Reputation and the Practice of Connoisseurship. Amsterdam. 2004. Vgl. zur Kritik der feministischen Kunstgeschichte an diesem Begriff: Pollock, Griselda: Differencing the Canon. Feminism and the Writing of Art's Histories. London. 1999, S. 13 ff., S. 136. 400. Polanyi: Personal Knowledge. 1974, S. 54 f. 401. Niedderer: Mapping the Meaning of Knowledge in Design Research. 2007, S. 6.

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seurship […] is referring to an ability for very fine (qualitative) discrimination that is (usually) beyond scientific measurement and that is acquired through extensive training«. 402 Sie führt die Beziehung zwischen ›Designpraxis‹, ›implizitem Wissen‹, ›Expertise‹ und ›Connoisseurship‹ zwar nicht näher aus, ihr Text suggeriert aber, dass sich die Begriffe in der praxisbasierten Designforschung überlagern. Dabei werden ›Expertise‹ und ›Connoisseurship‹ weder als Begriffe selbst in Frage gestellt, noch werden sie hinsichtlich ihrer vielleicht naiven Verwendung problematisiert. Die ungenannten Regeln des Kennens und Könnens Um besser zu verstehen, in welcher Weise die Begriffe ›Expertise‹ und ›Connoisseurship‹ mit der Habitualisierung und Perpetuierung sozialer Normen, Werte und Traditionen in Verbindung gebracht werden können, soll zunächst auf Polanyis Ausführungen diesbezüglich eingegangen werden. Polanyi hält fest, dass ›Connoisseurship‹, wie viele andere praktische Kompetenzen, nur durch Beispiele, nicht aber durch Regeln kommuniziert werden könne. 403 An anderer Stelle beschreibt er ›Connoisseurship‹ als ›Kennerblick, der simultan auf eine Vielzahl nuancierter, an sich unbeschreibbarer Einzelheiten und Qualitätsmerkmale achte und von diesem Eindruck auf ähnliche, bereits erlebte, aber nicht bewusst präsente Fälle zurück schließen könne. 404 Im Ergebnis sehe der Experte, so Polanyi, ein reiches Panorama »charakteristischer Physiognomien«, wo das Auge des Laien nichts sehe, das von Bedeutung wäre. 405 Als bezeichnendes Beispiel für einen solchen Kennerblick nennt er die diagnostischen Kompetenzen von Ärzten, die bereits aus dem Gesichtsausdruck des Patienten auf eine mögliche Krankheit zu schließen vermögen: »The medical diagnostician’s skill is much an art of doing as it is an art of knowing«. 406 Den Kennerblick, der nur in einem mehrjährigem Erfahrungsprozess, durch wiederholte Übung und meist unter Anleitung eines erfahrenen Diagnostikers erworben werden könne, schrieb er auch anderen Expertengruppen zu, etwa Meteorologen, Seeleuten oder Piloten, die Wolkenformationen zu klassifizieren vermögen, Wein- und Teekennern, Botanikern, Zoologen, Textilfachleuten oder Kunst- und Literaturkritikern. 407 Georg Hans Neuweg hält diesbezüglich und mit Bezug auf Polanyi fest, 402. 403. 404. 405.

Niedderer: Mapping the Meaning of Knowledge in Design Research. 2007, S. 6. Polanyi: Personal Knowledge. 1974, S. 54. Vgl. Neuweg: Könnerschaft und implizites Wissen. 2004, S. 176 f. Polanyi, Michael: Skills and Connoisseurship. In: Silva, F. (Hg.): Atti del Congresso di Metodologia. Turin. 1952, S. 381–395, hier S. 393. 406. Polanyi: Personal Knowledge. 1974, S. 54. 407. Nach einer Zusammenstellung in Neuweg: Könnerschaft und implizites Wissen. 2004, S. 177.

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dass ein Experte mit ausgeprägter »physiognostischer Urteilsfähigkeit« im allgemeinen als Autorität auf seinem Gebiet gelte, obwohl er sein Wissen kaum formulieren, dafür aber umso eindrucksvoller demonstrieren könne. 408 Kurz gesagt, wird Wissen als stumme Autorität demonstriert. Ein bedeutender Aspekt in der Betrachtung von ›Expertise‹ und ›Connoisseurship‹ ist für Polanyi der Umstand dass eine »Erziehung zum Können« in der Regel in der Begegnung mit »Könnern« und in »Expertenkulturen« stattfindet. 409 Dieser Aspekt ist für das Thema des vorliegenden Buches von großem Interesse. So findet auch die Designausbildung (bis heute noch ) vorzugsweise in praxisnahen Ausbildungssituationen statt, in einem Atelier oder atelierähnlichen Umfeld, und sie realisiert sich dort oft nach dem Vorbild einer Meister-Lehrlings-Beziehung. 410 Ein solches LehrLern-Verhältnis ist immer dort zentral, wo durch Nachahmung selbst zur Erfahrung gelangt werden soll. Da die Vermittlung von ›Expertise‹ und ›Connoisseurship‹ für Polanyi aber kaum durch verbalisierte Regeln kommuniziert werden kann, muss sie anhand von Beispielen exerziert werden: An art which cannot be specified in detail cannot be transmitted by prescription, since no prescription for it exists. It can be passed only by example from master to apprentice.411

Allerdings gelingt diese Form der Vermittlung oft nur zum Preis einer zunächst unkritischen Imitation bestehender (lokaler) Traditionen und Autoritäten eines Faches. Dazu hält Polanyi bezeichnend fest: »To learn by example is to submit to authority. You follow your master because you trust his manner of doing things even when you cannot analyse and account in detail for effectiveness«. 412 Doch nicht nur der Lehrling übergibt sich seines Erachtens ›blindlings‹ der Autorität seines Meisters, sondern dieser folgt selbst gewissen Regeln, die er als solche nicht explizit benennen kann: By watching the master and emulating his efforts in the presence of his example, the apprentice unconsciously picks up the rules of the art, including those which are not explicitly known to the master himself. These hidden rules can be assimilated only by a person who surrenders himself to that extend uncritically to the imitation of another.413 408. Neuweg: Könnerschaft und implizites Wissen. 2004, S. 177. 409. Vgl. dazu Neuweg: Könnerschaft und implizites Wissen. 2004, S. 378. 410. Vgl. zur Kunstausbildung Bippus, Elke: Kurzer Abriß einer Geschichte der Akademien. In: Bippus, Elke; Glasmeier, Michael (Hg.): Künstler in der Lehre. Texte von Ad Reinhardt bis Ulrike Grossarth. Hamburg. 2007, S. 297–328. 411. Polanyi: Personal Knowledge. 1974, S. 53. 412. Polanyi: Personal Knowledge. 1974, S. 53. 413. Polanyi: Personal Knowledge. 1974, S. 53.

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Polanyi folgert daraus, dass eine Gesellschaft, die einen Fundus an ›persönlichem‹, implizitem Wissen bewahren wolle, sich zur Tradition bekennen müsse. 414 Es finden sich in seinen Texten denn auch wiederholt Passagen, in denen er die Bedeutung von Tradition und Autorität im Sinne einer »impliziten« Prägung, Strukturierung oder Rahmung von Wissen (sowohl von praktischen Kompetenzen als auch von wissenschaftlichem Wissen) bespricht und dabei »implizit« im Sinne von »stillschweigend« versteht.415 Es würde zu weit führen, auf diese disparaten Beispiele hier einzugehen, hervorgehoben werden soll jedoch, dass sich Polanyi stets gegen eine positivistische Beschreibung von ›Wissen‹ und ›Können‹ gewehrt hat. Stattdessen wollt er jene »stillschweigenden« kollektiven Grenzen von Wissen aufzeigen, die sich beim Erwerb und der Vermittlung von persönlichem Wissen in Form von tradierten Wertvorstellungen manifestieren und im Rahmen von autoritativen Verhältnissen perpetuiert werden. Im Vorwort zu seinem Band Implizites Wissen führt er an, dass die schöpferischen Kräfte des Menschen neue Werte nur stillschweigend, implizit hervorbringen könnten, »wir können ein neues Wertesystem nicht ausdrücklich wählen, sondern müssen ihm gehorchen, auch wenn wir es zu schaffen oder bewußt zu übernehmen scheinen«. 416 Mit dieser Aussage weist er auf die soziale Begrenztheit individuellen Handelns hin. In Aussicht stellt er aber keineswegs eine Befreiung des Individuums durch Aufklärung, sondern vielmehr die Suche nach neuen, verbindlichen und vor allem ganzheitlichen Wertvorstellungen. Als seine eigene Präferenz nennt Polanyi, der noch im Alter von 28 Jahren zum römisch-katholischen Glauben übertrat, 417 unmissverständlich eine »religiöse Antwort« 418 Man wird seinem Konzept eines ›impliziten Wissens‹ also nicht gerecht, wenn dessen ganzheitlichen, oft wertkonservativen und religiösen Akzente ausgeblendet werden, wie dies heute noch in den meisten Texten der Designtheorie und -forschung der Fall ist. Habitualisierung und implizite Pädagogik Ein weiterer Zugang zur Frage nach den Bedingungen einer stabilen kollek tiven Verankerung von Wertvorstellungen, Traditionen und Normen im individuellen menschlichen Denken und Handeln findet sich im Werk von Pierre Bourdieu. Sein ›Habitus‹-Konzept lässt sich mit Polanyis Ausführungen zum ›impliziten Wissen‹ in Verbindung bringen, wenn414. Polanyi: Personal Knowledge. 1974, S. 53. 415. Vgl. Polanyi: Implizites Wissen. 1985, S. 30, S. 65–84; ders.: Personal Knowledge. 1974, S. 53 f, S. 299–324. 416. Polanyi: Implizites Wissen. 1985, S. 10. 417. Mitchell, Mark T.: Michael Polanyi. The Art of Knowing. Wilmington, Delaware. 2006, S. 10 f. 418. Polanyi: Implizites Wissen. 1985, S. 84.

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gleich Bourdieu im Endeffekt andere Konsequenzen zieht. Vergleichbar wie Polanyi, der die Dimensionen des impliziten Wissens auf verschiedenen, miteinander verschränkten Ebenen des Wahrnehmens, Denkens und Handelns ansiedelte, geht auch Bourdieu davon aus, dass eine analytische Unterscheidung zwischen ›Wahrnehmen‹, ›Denken‹ und ›Handeln‹ letztlich nicht haltbar sei. In der Praxis der Individuen sind seines Erachtens habitualisierte Wahrnehmungs-, Denk-, und Handlungsschemata miteinander verschränkt und wirken als implizite Strukturen, als »sozialer Sinn« beständig zusammen. 419 Der ›Habitus‹, ein zentrales Konzept von Bourdieu, 420 ist als eine dauerhafte und umfassende, wenngleich unbewusste und unreflektierte Wahrnehmungs-, Denk-, und Handlungsmatrix zu verstehen.421 Er ist nicht angeboren, sondern beruht auf ›naturalisierten‹, als mit der Zeit als natürlich erachteten individuellen und kollektiven Erfahrungen, die sich in einem Individuum als determinierende Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata niederschlagen. Er stellt für Bourdieu gleichsam das ›Produkt‹ einer intensiven Einprägungs- und Aneignungsarbeit dar, die erforderlich ist, damit die Hervorbringung der kollektiven Geschichte sich in Form dauerhafter Dispositionen in allen, den gleichen Bedingungen ausgesetzten Individuen erfolgreich reproduzieren kann. 422 Von frühester Kindheit an bestimmen demnach vorgegebene materielle und kulturelle Existenzbedingungen, soziale Klasse und Geschlecht, die Grenzen individuellen Handelns, Wahrnehmens und Denkens – ohne dass sich die Individuen dessen überhaupt bewusst wären. Bourdieu spricht diesbezüglich auch von einer »stillen Pädagogik«. 423 Diese frühe, vor allem aber implizite Prägung führt nach Bourdieu dazu, dass Habitus-Formen sich zu Systemen dauerhafter Dispositionen entwickeln, zu »strukturierten Strukturen« (opus operatum), die ihrerseits wiederum als »strukturierende Strukturen« (modus operandi) wirken, »als Erzeugungsund Strukturierungsprinzip von Praxisformen und Repräsentationen«. 424 Der Habitus reproduziert und verstetigt sich als eine Art selbsterfüllende Prophezeiung immer wieder aufs Neue. Mit Blick auf die Begriffe ›Connoisseurship‹ und ›Expertise‹, von denen weiter oben die Rede war, ist die Verbindung von Wissenspraktiken und dem sozialen »Feld«, in dem sie stattfinden bedeutsam. Für Pierre 419. Vgl. Bourdieu, Pierre: Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft. Frankfurt a. Main. 1976, S. 139–202. 420. Vgl. Bourdieu, Pierre: Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft. Frankfurt a. Main. 1987, S. 97–121. 421. Bourdieu: Entwurf einer Theorie der Praxis. 1976, S. 169. 422. Bourdieu: Entwurf einer Theorie der Praxis. 1976, S. 186 f. 423. Bourdieu, Pierre: Sozialer Sinn. 1987, S. 128. 424. Bourdieu: Entwurf einer Theorie der Praxis. 1976, S. 164 f.

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Bourdieu ist der Begriff des ›Habitus‹ unauflöslich mit jenem des »Feldes« gekoppelt, erst in gemeinsamer Interaktion umreißen die beiden Begriffe den der ›Praxis‹. 425 Die Dialektik von ›Habitus‹ (verstanden als »leibgewordene Geschichte«) und ›sozialem Feld‹ (verstanden als »Ding gewordene Geschichte«) beruht auf der Annahme, dass Handeln stets in einem bestimmten Kontext stattfinde und von einer bestimmten Position aus agiere. 426 Bourdieu erfasst die Beziehung von ›Habitus‹ und ›Feld‹ als eine Synthese von »externen, objektiven Strukturen sozialer Felder«, »internen Habitus-Strukturen« und »(wiederum externen) Praxisformen«. 427 Handlung erhält demnach erst Bedeutung unter Einbezug der Position eines Akteurs in einem gesellschaftlich ausdifferenzierten Feld, etwa in der Wissenschaft, Kunst, Politik oder Religion. 428 Individuen werden in diese distinkten Felder hinein sozialisiert und lernen, sich entsprechend der dort geltenden »Spielregeln« 429 und dem geltenden »symbolischen Kapital« 430 angemessen zu verhalten. Anders aber als Handlungskonzepte, die den sozialen Akteuren ein rational abwägendes Verhalten unterstellen, betont das Habitus-Konzept »die Implizitheit, kurz: die Unreflektiertheit der alltäglichen Wahrnehmungs- und Denkstrukturen«.431 Dieser Fokus macht denn auch dieses Konzept für die Analyse von implizitem Wissen so interessant. Die Genese des Habitus ist den Akteuren ›unbewusst‹, das heißt sie wird im Verlauf der Habitualisierung zu einer Selbstverständlichkeit und zu etwas, das einem als ›natürlich‹ erscheint. In der Sicht von Bourdieu bieten soziale Felder ihren Akteuren zwar individuelle Handlungsmöglichkeiten, sie sind aber zugleich begrenzt und unterliegen bestimmten Zwängen. Auch ihre habituelle Prägung bleibt den Akteuren oftmals unbewusst. Diesen Punkt kann auch für den Erwerb und die Vermittlung von ›Connoisseurship‹ und ›Expertise‹ im Feld des Design geltend gemacht werden. Polanyi hat mit seiner Beschreibung von autoritativen Meister-Lehrling-Beziehungen (unintendiert) auch bereits darauf hingewiesen. In der Designausbildung und -lehre werden ebenso wie in der Designpraxis und -forschung bestimmte implizite, prak425. 426. 427. 428.

Vgl. Schwingel, Markus, Bourdieu zur Einführung. Hamburg. 2003 [1995], S. 76. Bourdieu, Pierre: Sozialer Raum und »Klassen«. Zwei Vorlesungen. Frankfurt a. Main. 1985, S. 69. Schwingel, Bourdieu zur Einführung. 2003, S. 76. Bourdieu führte entsprechende Studien am Beispiel der akademischen Sozialisierung, der Genese des literarisch-künstlerischen Felds im neunzehnten Jahrhundert sowie des politischen und religiösen Feldes durch. Vgl. Bourdieu, Pierre: Homo Academicus. Paris. 1984. [Dt. Ausgabe: Homo Academicus. Frankfurt a. Main. 1992]. Ders.: Les régles de l'art. Genèse et structure du champ littéraire. Paris. 1992. [Dt. Ausgabe: Die Regeln der Kunst. Frankfurt a. Main. 1998]. Ders.: Genèse et structure du champ religieux. In: Revue française de sociologie. 12. Jg., Nr. 3. 1971, S. 295–334. Ders.: La représentation politique: Eléments pour une théorie du champ politique. In: Actes de la recherche en sciences sociales, Nr. 36/37, 1981, S. 3–24. 429. Bourdieu: Sozialer Sinn. 1987, S. 123. 430. Vgl. zum Konzept des »symbolischen Kapitals«: Bourdieu: Sozialer Sinn. 1987, S. 205–221. 431. Schwingel, Bourdieu zur Einführung. 2003, S. 74

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tische und soziale Regeln sowie Selbstverständnisse durch Tradition und Autorität weitergegeben. Dies ist selbst dann der Fall, wenn diese Weitergabe nicht kontinuierlich und intendiert, sondern eher unkoordiniert und zufällig, vonstatten geht und durch jede Generation erneuert und verändert wird. Dennoch bilden sich bestimmte, den Individuen unbewusst normative Verhaltensregeln und Codes heraus. Fragen zum Wissen im Design unterliegen also durchaus auch einem stillschweigenden Wertediskurs. Nicht immer wird offen darüber gesprochen, oder kann überhaupt gesagt werden, nach welchen Kriterien, Regeln und Prämissen bestimmte Dinge im Design angegangen und bewertet werden. Oftmals verharren gerade jene Bestandteile dieses Wertediskurses im Stillschweigen, die eng an Tradition und Autorität gebunden sind. Zur strukturellen Begrenztheit des Handelns und möglichen Auswegen Wie Polanyi wies auch Bourdieu auf eine gewisse strukturelle Determiniertheit des menschlichen Handelns und damit auch des menschlichen Wissens hin. Der ›Habitus‹ stellt für Bourdieu einen unausweichlichen Bestandteil einer individuellen Lebensgeschichte und Identität dar, dennoch erkennt er gerade im Wissen um dessen Grenzen und Determinanten einen Verhaltensspielraum, in dem Individuen selbstbestimmt agieren können: »So macht uns die Soziologie paradoxerweise frei, indem sie uns von der Illusion der Freiheit befreit«.432 Anders aber als Polanyi sucht Bourdieu nicht nach einer neuen übergeordneten, sinnstiftenden Instanz oder Leiterzählung, sondern projektiert eine kollektiv angegangene Selbstermächtigung und -befreiung des Individuums. In Aussicht dieser vielleicht illusionären, dennoch möglichen Wahlfreiheit, bietet sich Bourdieus Habitus-Konzept als sozialwissenschaftliche Ergänzung zu Polanyis eher wertkonservativer Sichtweise eines ›impliziten Wissens‹ an. Letztlich lässt sich indes mit beiden Positionen (auf unterschiedliche Weise) der Gedanken stützen, dass in den traditionellen Konzepten von ›Connoisseurship‹ und ›Expertise‹ der Aspekt eines ›impliziten Wissens‹ auf komplexe Weise durch zugrunde liegende Machtverhältnisse, Wertediskurse und hegemoniale Strukturen geformt wird. Entscheidend ist bei Bourdieu die Annahme, dass sich der »soziale Sinn« in den menschlichen Körper einschreibt und dass mittels habitualisierter Schemata auch die vorherrschende gesellschaftliche Ordnung in den Körper eingeschrieben wird. So schreibt er: »Was der Leib gelernt hat, das besitzt man nicht wie ein wiederbetrachtbares Wissen, sondern das ist man«. 433 Diesbezüglich spricht er 432. Bourdieu, Pierre; Wacquant, Loïc: Reflexive Anthropologie. Frankfurt a. Main. 1996, S. 80. 433. Bourdieu: Sozialer Sinn. 1987, S. 135.

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auch von einer »Somatisierung«. Das heißt, dass gesellschaftliche Machtund Herrschaftsverhältnisse (dazu gehören namentlich Geschlechterkonstruktionen) durch die Habitualisierung verinnerlicht und als ›natürlich‹ angenommen (naturalisiert) werden und damit vergessen gehen.434 Mit Blick auf das Gesagte kann das von Polanyi beschriebene Phänomen »daß wir mehr wissen, als wir zu sagen wissen«435 also dahingehend lesbar werden, dass implizites Wissen keine ›natürliche‹ oder ›autonome‹ epistemologische Entität oder Qualität darstellt, sondern dass darin deutlich die Effekte sozialer Habitualisierung zum Tragen kommen. Michael Meier hält mit Blick auf ebendiesen Punkt fest, dass implizites praktisches Wissen dann als Komplex eines inkorporierten kulturellen Kapitals interpretiert werden könne, wenn man ihn als Gesamtheit sämtlichen, also implizitem wie expliziten, Wissens begreife, das Handlungs- wie Bedeutungswissen, Schemata, Regeln und Skripte, genauso wie Werte und Normen und auch Fähigkeiten, Kompetenzen und Fertigkeiten umfasse. 436 Überträgt man diese Deutung auf den Bereich der professioneller Designpraxis bzw. Expertise sowie auf die praxisbasierte Designforschung, dann ist auch hier anzunehmen, dass soziale und kulturelle Determinanten es ermöglichen, aber eben auch erschweren oder sogar verunmöglichen, einen Sachverhalt, eine Tätigkeit oder ein Wissen explizit zu benennen und darüber umfassend Auskunft zu geben. Damit soll nicht gesagt werden, dass theoretisch alles Wissen und Können verbalisierbar und quantifizierbar sei. Ich möchte vielmehr auf den Umstand hinweisen, dass es nicht evidenterweise einer ›natürlichen‹ epistemologischen Qualität oder Struktur von ›implizitem Wissen‹ geschuldet bleibt, warum das Wissen von ›Experten‹ und ›Praktikern‹ bisweilen unausgesprochen bleibt. Richard Sennett schreibt in seinem aufschlussreichen Buch zum Handwerk, dass ein Großteil der Autorität von Meistern daher rühre, dass sie Dinge wüssten, die andere nicht wüssten – und dass sich diese Autorität im Schweigen zeige. 437 Die Grenzen des Sagbaren können von Individuen nur schwer als solche identifiziert werden, da gewisse gesellschaftliche Ordnungen durch Habitualisierung ›einverleibt‹ sind, da die Regulationsmechanismen eines Diskurses meist unausgesprochen und als solche unerkannt vollzogen und perpetuiert werden. Darüber hat insbesondere Michel Foucault wiederholt in seinem Werk geschrieben. Seines Erachtens werden Diskurse durch gewisse Tabus und Sprechverbote domestiziert, die daran 434. Bourdieu, Pierre: Die männliche Herrschaft. In: Dölling, Irene; Krais, Beate (Hg.): Ein alltägliches Spiel. Geschlechterkonstruktion in der sozialen Praxis. Frankfurt a. Main. 1997, S. 169. 435. Polanyi: Implizites Wissen. 1985, S. 14. Kursivsetzung im Original. 436. Meier, Michael: Bourdieus Theorie der Praxis – Eine ›Theorie sozialer Praktiken‹? In: Hörning, Karl H.; Reuter, Julia (Hg.): Doing Culture. Neue Positionen zum Verhältnis von Kultur und sozialer Praxis. Bielefeld. 2004, S 55– 69, hier S. 66. 437. Sennett: Handwerk. 2008, S. 109.

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zu erkennen seien, »daß man nicht das Recht hat, alles zu sagen, daß man nicht bei jeder Gelegenheit von allem sprechen kann, daß schließlich nicht jeder Beliebige über alles Beliebige reden kann«. 438 Foucault trifft diese Aussage zwar mit Bezug auf das Sprechen über ›Vernunft‹ und ›Wahrheit‹, dennoch können damit auch die Begriffe ›Expertise‹ und ›Connoisseurship‹ in der Designpraxis und -forschung mit Blick auf die ihnen immanenten Sprechverbote und Tabus kritisch befragt werden. Zu fragen wäre etwa, inwiefern die Begriffe ›Expertise‹ und ›Connoisseurship‹ ›bloß‹ auf ein besonders qualifiziertes praktisches Wissen oder Können abzielen, oder ob damit nicht zugleich eine durch und mit den entsprechenden Qualifikationspraktiken erworbene Redehoheit markiert und weitergeführt wird – die sich vielleicht umso mehr behaupten lässt, je mehr sie sich einer sprachlichen Diskursivierung entzieht. Aber auch Fragen zu Geschlechterkonstruktionen und zu damit verbundenen Ein- und Ausschlussverfahren, die sich im Feld des Design durch die unterschiedliche Bewertung und Sichtbarkeit von ›männlich‹ oder ›weiblich‹ konnotierten Praktiken etablieren konnten, 439 werden in einer solchen Lesart virulent. Mit den Begriffen ›Expertise‹ und ›Connoisseurship‹ sind dann zweifellos Wertediskurse verbunden, mittels denen Sinn, und damit auch Wissen, auf eine soziale Weise produziert und reproduziert wird. 440 Für die aktuellen Wissensbestimmungen in der Designtheorie und Designforschung kann mithin geltend gemacht werden, dass eine Sensibilisierung für den sozialen Charakter von Wissen unerlässlich scheint, wenn man eine positivistische Verkürzung, oder aber eine »romantizistische Verklärung« 441 des Begriffs, oder vielmehr des Motivs eines ›impliziten Wissens‹ vermeiden will. Implizites Wissen und die Entzauberung der Lebenswelt Abschließend und ergänzend zu den Ausführungen zum ›sozialen Charakter‹ von implizitem Wissen soll kurz noch der Gedanken skizziert werden, inwiefern der enge Nexus von Praxis und Forschung, wie er derzeit für die Designforschung, aber auch für die künstlerische Forschung postuliert wird, implizites Wissen nicht bloß als Phänomen adressiert, son438. Foucault unterscheidet zwischen drei Arten von Verboten: dem Tabu des Gegenstandes, dem Ritual der Umstände und dem bevorzugten oder ausschließlichen Recht des sprechenden Subjekts. In: Foucault, Michel: Die Ordnung des Diskurses. Frankfurt a. Main. 2003 [1991], S. 11 439. Cheryl Buckley weist darauf hin, dass Frauen in Designbereichen, die als ›männlich‹ gelten (beispielsweise im Industriedesign) weniger Erfolgsaussichten hätten und dass im Allgemeinen in der Geschichtsschreibung des Design die Rolle von Frauen ausgeblendet oder auf bestimmte Bereiche beschränkt würde. Vgl. Buckley: Made in Patriarchy. 1989, S. 254. 440. Vgl. Robinson, Hillary: Historical and Critical Practices. Introduction. In: Dies. (Hg.): Feminism-Art-Theory. An Anthology 1968–2000. Oxford et al. 2007, S. 162–166, hier S. 165. 441. Neuweg: Könnerschaft und implizites Wissen. 2004, S. 401.

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dern wie in dieser Untersuchung auch bestimmte Topoi zur künstlerischgestalterischen Praxis naturalisiert und perpetuiert werden. Ein zentrales Motiv der praxisbasierten künstlerisch-gestalterischen Forschung ist ja die Überzeugung, dass die angeblichen Praxisbasiertheit von Kunst und Design von der angeblichen Theoriebasiertheit der Wissenschaften zu unterscheiden sei. Häufig wird gerade in dieser Unterscheidung das Motiv eines distinkten ›impliziten Wissens‹ relevant. Estelle Barrett hält dazu fest: Because creative arts research is often motivated by emotional, personal and subjective concerns, it operates not only on the basis of explicit and exact knowledge, but also on that of tacit knowledge. An innovative dimension of this subjective approach to research lies in its capacity to bring into view, particularised of lived experience that reflect alternative realities that are either marginalised or not yet recognised in established theory and practice.442

Die enge Verknüpfung von Praxis und Forschung ermöglicht es zwar einerseits, dass Erfahrungswissen aus der gestalterischen Praxis im reflexiven Kontext von Forschung intensiver und konzentrierter als bisher untersucht und befragt wird. Ebenfalls könnten damit, wie Barrett meint, bestimmte »subjektive« Sichtweisen akzentuiert werden, die bis anhin durch und in wissenschaftlichen Sichtweisen marginalisiert worden sind. Andererseits stellen die gestalterischen Praktiken und Kompetenzen, wie sie oben diskutiert wurden, eben keine ›neutralen‹ Methoden und kein ›neutrales‹ Wissen dar, sondern sind über ihre subjektive Empfindung hinaus als kollektive, sozial geprägte und habitualisierte, diskursiv und historisch formierte ›Gebilde‹ zu verstehen. Bleibt diese den Praktiken zugrunde liegende Dimension unreflektiert, ist zu befürchten, dass in der praxisbasierten Designforschung sowie auch in der künstlerischen Forschung tradierte Selbstverständnisse, systemimmanente Annahmen und Sprachregelungen zur Design- und Kunstpraxis bei der Bestimmung von Wissenskonzepten unhinterfragt fortgeführt werden. Dabei ist etwa an implizite Annahmen zur ›guten Form‹ im Design oder an den Topos einer besonderen ›künstlerischen Einbildungskraft‹ zu denken. Clive Dilnot problematisiert in einem Text von 1989, dass in der Designpraxis, -ausbildung und -theorie »an almost mythic and artifical set of largely esthetic values« geschaffen werde und vorherrsche.443 Weiter führt er an, dass es trotz der anhaltenden Definitionsdebatten oft als selbstredend erachtet werde, was ›gutes Design‹ sei (und überhaupt, dass Design etwas Gutes sei). 442. Barrett: Foucault’s ›What is an Author‹. 2007, S. 143.binson 443. Dilnot: The State of Design History. Part II. 1989, S. 236.

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Seine Ausführungen lassen sich problemlos auch auf die aktuellen Debatten rund um die praxisbasierte Designforschung übertragen, wo Fragen des Stils und des Geschmacks zwar vordergründig suspendiert, dennoch aber unter dem Begriff von ›Connoisseurship‹ im Sinne einer »ästhetischen Beurteilung und Bewertung« 444 weitergeführt werden. Bezüglich des Topos einer besonderen »künstlerischen Einbildungskraft« berichtet auch Ilpo Koskinen aus seiner eigenen Erfahrung als Gutachter und Dozent, dass forschende Künstler und Künstlerinnen gelegentlich in romantizistischer Weise behaupten, »that only artists have access to higher truths science can never grasp«. 445 Dazu führt er weiter aus: When I think about recent work at my university, I tend to see the same kind of romanticism at work, even though it is concealed beneath a superstructure of complex theoretical thinking, typically philosophy of some sort, but always understood in ›subjective‹ terms. Invariably, the ›truth‹ about the artist’s work is hidden in the deep layers of the mind of the artist rather than in what is observable and explainable […] I do not think I miss the mark too much in saying that there is lots of romanticism at work in ›practice-based research‹.446

Der Topos einer besonderen ›künstlerischen Intuition‹ besitzt in den Künste eine lange Tradition und ist bis heute ein zentrales Unterscheidungskriterium der Kunst gegenüber anderen Tätigkeiten. Sigrid Schade problematisiert, dass die Verknüpfung von Künstlerschaft und Kunst mit der Vorstellung, dass die Idee, der Einfall oder die implizite Innovation das zentrale generierende und damit konstitutive Moment sei, die Voraussetzung für die Gegenüberstellung von künstlerischer und nichtkünstlerischer Produktion bilde. 447 Ebenfalls ist in dieser Zuschreibung der Gedanke angelegt, dass künstlerische Produktivität und Kreativität ein »dem Künstler vorgängiges Phänomen« seien. 448 Zu befragen ist also eine unbedarfte Weiter führung von romantizistischen, in der Kunstgeschichte längst problematisierten Künstleridealen in den aktuellen Debatten zu praxisbasierter Forschung in Kunst und Design. Auch andere Autorinnen und Autoren kritisieren, dass die Form von künstlerisch-gestalterischer Forschung ihre Identität oftmals aus einer polarisierenden Dichotomie gegenüber den Wissenschaften ableite, dass sie 444. Niedderer: Relating the Production of Artefacts and the Production of Knowledge in Research. 2009, S. 61. 445. Koskinen: Throwing the Baby Out. Or Taking Practice Seriously. 2009, S. 12. 446. Koskinen: Throwing the Baby Out. Or Taking Practice Seriously. 2009, S. 12. 447. Schade, Sigrid: Intuition als Privileg von Künstlern? In: Meyer, Petra Maria (Hg.): Intuition. München. 2010 [im Erscheinen], o. S. 448. Schade/Wenk: Inszenierungen des Sehens: Kunst, Geschichte und Geschlechterdifferenz. 1995, S. 353.

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sich in dieser Dichotomie als ein »gesellschaftlich Anderes« verstehe und über Zuschreibungen und Begrifflichkeiten wie dem »Schöpferischen«, »Schönen«, »Freien«, »Autonomen« und »Ungebundenen« oder auch dem »Genie« definiere. 449 Gerade eine kritische Befragung solcher Zuschreibungen und Begrifflichkeiten müsste jedoch Bestandteil und Voraussetzung sein, um das Motiv eines ›impliziten Wissens‹ in der praxisbasierter Forschung überhaupt produktiv befragen zu können. Auf diese Weise könnte vermieden werden, dass die dem Diskurs immanenten Essentialismen und Naturalisierungen in einer naiver Weise fortgeführt werden und die »Mystifikation des Sprachlos-Intuitiven« 450 weiter perpetuiert wird. Vielleicht sind es die tiefgehenden Veränderungen im Bereich des Design selbst, die den derzeitigen hohen Stellenwert eines ›impliziten Wissens‹ in der Designforschung erklären können. Die Durchsetzung und Etablierung einer »autonomen Praxis als wissenschaftliches Feld« verlange, so schreibt der Soziologe Franz Schultheis mit Blick auf die aktuell zu beobachtende Etablierung der Designforschung, ein hohes Maß an Disziplinierung ihrer Akteure und deren Praktiken sowie die Unterwerfung unter die Regeln des wissenschaftlichen Feldes. 451 Über eine institutionelle Dimension hinaus, bedeute die Disziplinierung einer Praxis »die Durchsetzung eines strukturierten […] Habitus«, der wiederum eine »Disziplinierung der Akteure und ihrer individuellen Manifestationen« zu bewirken vermöge. 452 Was folge sei die Rationalisierung beziehungsweise die systematische Strukturierung einer bis dahin nur implizit erfahrenen Praxis und es trete ein Prozess der »Entzauberung« ein. Dieses Moment der Entzauberung, das Max Weber bereits Anfangs des 20. Jahrhunderts einem einseitigen Rationalitätsdenken in den Wissenschaften entgegengesetzt hat, 453 kann auch als zentrales Moment in den Debatten zur praxisbasierten Designforschung und den darin verhandelten Potentialen eines ›impliziten Wissens‹ gelten. In diesem Sinne trägt auch Polanyis Konzept des ›impliziten Wissens‹, verstanden als einen holistische Epistemologie, das Versprechen auf ›Wiederverzauberung‹ und ›Ganzheit‹ in sich. Alle Dimensionen von Wissen sollen adressiert und 449. Gau, Sønke; Schlieben, Katharina: Verbindungen zwischen einer forschenden Kunst und einer Kunst der Forschung. In: Rey/Schöbi: SubTexte 3. Künstlerische Forschung. 2009, S. 52–78, hier S. 54. 450. Neuweg: Könnerschaft und implizites Wissen. 2004, S. 176 f. 451. Schultheis: Disziplinierung des Designs. 2005, S. 67. 452. Schultheis: Disziplinierung des Designs. 2005, S. 79 453. Dazu schrieb Max Weber: »Die zunehmende Intellektualisierung und Rationalisierung bedeutet also nicht eine zunehmende allgemeine Kenntnis der Lebensbedingungen, unter denen man steht. Sondern sie bedeutet etwas anderes: das Wissen davon oder der Glaube daran, dass man, wenn man nur wollte, es jederzeit erfahren könnte, dass es also prinzipiell keine geheimnisvollen unberechenbaren Mächte gebe, die da hineinspielen, dass man vielmehr alle Dinge – im Prinzip – durch Berechnen beherrschen könne.« In: Weber, Max: Wissenschaft als Beruf. Stuttgart. 1995, S. 19.

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ernst genommen werden, nicht nur diejenigen die rationalen Prämissen folgen. Mit Blick auf die aktuellen Wissensdiskursen in der Designforschung scheint es, als ob das Motiv eines ›impliziten Wissens‹ dort jene Stelle einnehmen könnte, die einstmals – etwa zu Zeiten des Bauhauses – von ganzheitlichen Gestaltungsidealen besetzt war. Doch freilich ist ein solcher Anspruch an eine ›Ganzheit‹ oder ›Einheit‹ von Wissen, von Körper und Geist, wie ihn Polanyi und verwandte Derivate postulieren, heute auf seine mitunter problematische historische Konditionierung hin zu befragen (etwa im Hinblick auf seine Wurzeln in den Reformbewegungen des 19. Jahrhunderts und als Reaktion gegen ein mechanistisches Wissenschaftsverständnis)454 und mit Blick auf gegenwärtige gesellschaftliche Entwicklungen zu aktualisieren. Was den engen Nexus von Wissen und Praxis und damit einhergehend die Bedeutung des Motivs eines ›implizites Wissen‹ betrifft, zeichnet sich ein ambivalentes Bild ab: Zum einen löst die phänomenologische Aufmerksamkeit gegenüber den ›impliziten‹ Wissensbeständen von Kunst und Design ernstzunehmende Erkenntnisse der Wissenssoziologie ein, wonach unser Wissen und Tun durch Modelle des expliziten Wissens und durch Rationalitätskonzeptionen allein nicht erfasst werden kann. Folgt man dieser Erkenntnis allerdings in letzter Konsequenz, dann muss auch in Betracht gezogen werden, dass sich die Konzepte und Zuschreibungen zum ›impliziten Wissen‹ scheinbar hartnäckig sowohl utilitaristischen als auch aufklärerischen Zugriffen zu entziehen versuchen. Polanyi wies wiederholt auf die Schwierigkeit hin, implizites Wissen zu rekonstruieren, da dieses nur als Ganzheit, als Summe funktioniere und sich kaum auf seine einzelnen Bestandteile zurückführen lasse. 455 Ein solch holistischer Anspruch von Wissen mag sinnvoll sein, doch ist er im Hinblick auf die darin perpetuierten historischen Ganzheitsideale auch kritisch zu befragen. Zum anderen erscheint angesichts der derzeit angestrebten wissenschaftlichen ›Disziplinierung‹ der Designforschung das Beharren darauf, gestalterische Praktiken weiterhin als ›implizit‹ zu deklarieren, als nostalgische (wenngleich durchaus auch verständliche) Abwehrreaktion gegen eine wissenschaftliche, rationale »Entzauberung« 456 der Lebenswelt des Design. Aber das Beharren könnte sich auch – und diese Einsicht dürfte schwerer wiegen – gegen einen transparent geführten Wissensdiskurs richten, der die Benennung von Naturalisierungs- und Mythisierungsfiguren im Design umgeht oder verweigert. Die Annahme eines konstitutiven ›impliziten Wissens‹ der Designpraxis, dass sich letztlich den Kriterien wissen454. Vgl. Harrington: Die Suche nach Ganzheit. 2002, S. 368–378. 455. Polanyi: Implizites Wissen. 1985, S. 16. 456. Weber: Wissenschaft als Beruf. 1995, S. 19.

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schaftlicher Forschung entzieht, könnte als ein Narrativ fungieren, um die Identität und Autonomie praxisbasierter Designforschung zu behaupten und sie durch die Wiederholung dieser Behauptung zu stabilisieren. Der ›soziale Charakter‹ von Wissen, Wissenserzeugung und Wissensvermittlung kann aber kaum dadurch erhellt werden, dass implizites Wissen voraussetzungslos als ›natürliche‹, ›autonome‹ Entität oder Qualität verstanden und für die Zwecke der praxisbasierten Designforschung entweder unhinterfragt angenommen, oder auf positivistische Weise erfasst und instrumentalisiert wird. Vielmehr scheint eine zusätzliche Betrachtungsweise angebracht, die nach den historischen, institutionellen und politischen Voraussetzungen, Rahmengebungen und Diskursen fragt, welche die Begriffe ›Design‹ und ›Wissen‹ überhaupt erst miteinander in Beziehung gebracht haben und die dem Sprechen über das ›Implizite‹ im Design überhaupt erst Raum gegeben haben.

e. Resümee Die Untersuchung der drei Leitmotive ›Synthese‹, ›Innovation‹ und ›implizites Wissen‹ hatte zum Ziel, aufzuzeigen, dass, vor allem aber wie Debatten zum Wissen im Design durch bestimmte Begriffe, Motive, Narrative und Denkfiguren diskursiv strukturiert und geprägt werden. Dabei konnte die These erhärtet werden, dass Fragen zum Wissen im Design, oder genauer zu einer charakteristischen ›Wissenskultur‹ des Design erst mit Blick auf diskursübergreifende, interdisziplinäre Entwicklungszusammenhänge und Leitmotive produktiv diskutiert werden können. Die benannten Leitmotive können als diskursive Verdichtungen bestimmter historischer und gegenwärtiger Vorstellungen und Selbstverständnisse zu Design verstanden werden. Diese Verdichtungen sind als historisch kontingente Überlagerungen zu verstehen. Sie sind aber nicht statischer Art, sondern an und mit ihnen werden sowohl gegenwärtige Definitionen als auch zukunftsweisende Visionen zu einer neuen ›Designkultur‹ fortwährend ausgehandelt. Dennoch, oder gerade deswegen, sind sie im Hinblick auf ihre diskursiven und historischen Prägungen zu diskutieren. Unser Wissen über die Akteure, Objekte, Praktiken und Kontexte des Design bliebe ohne das Bewusstsein über und das Wissen um deren komplexe Diskursgeschichte eindimensional. In der Diskussion des Synthese-Motivs wurden drei Lesarten vorgeschlagen und besprochen: Design als eine Synthese von Wissenschaft, Kunst und Technik, als eine Synthese von Gegenwart und Zukunft sowie als »dritte Wissenskultur«. Dabei lässt sich fast durchgängig das Bestreben 277

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beobachten, Design als autonome – sei es nun wissenschaftliche, oder wissenschaftsalternative – Disziplin zu profilieren. Es wird versucht, die tradierte Auffassung von Design als kunstgewerbliche Praxis durch neue Designauffassungen und Visionen abzulösen. Argumentiert wird, dass Design bislang falsch verstanden worden sei und erst eine radikale Neuinterpretation dieser Tätigkeit ihre eigentliche Bedeutung zum Vorschein bringen könne. Durch die im Grunde essentialistische Zuschreibung eines synthetisierenden Potentials von Design, soll eine ›allgemeine‹, ›zugrunde liegende‹ Identität von Design bestimmt und Disziplingrenzen demarkiert werden, zugleich geht damit eine radikale Erweiterung des Designbegriffs einher. Durch eine nachträgliche Selbsthistorisierung sollen zudem jene historischen Akteure lokalisiert werden, die das derart lokalisierte ›Wesen‹ der Disziplin angemessen repräsentieren. Als wohl einflussreichste Designdefinition darf diesbezüglich Simons bereits zitierte Aussage gelten, dass jeder Mensch ein Designer sei, der eine bestehende Situation planvoll in einen bevorzugte verändere. 457 Fasst man den Designbegriff tatsächlich so weit, dann sind ›Entwerfen‹, ›Planen‹ und ›Gestalten‹ Tätigkeiten, die fraglos auch außerhalb der traditionellen Designberufen in künstlerischen, technischen und wissenschaftlichen Fächern zu finden sind. Der Umkehrschluss, der aber daraus gezogen wird, nämlich dass ›Design‹ im Gegenzug für all diese Bereich auch Deutungs- und Gestaltungshoheit besäße, mutet indes problematisch an. In den einschlägigen Texten kann kaum einmal geklärt werden, auf welche konkreten Praktiken und Akteure sich ein derart allgemeines, erweitertes Designverständnis bezieht und in welchem Verhältnis die ›traditionellen‹ Designberufe dazu stehen sollen. Je nach Argumentationsziel der Autoren wird fast beliebig einmal ›der Designer‹ im traditionellen Sinne (Grafikdesign, Industriedesign etc.), oder aber eine ›universelle‹ menschliche Fähigkeit des Planens, Entwerfens und Gestaltens adressiert. Ebenfalls ist zu problematisieren, dass die Debatten zu einer »dritten Kultur« im Design sich oft auf anachronistische Vorstellungen von Wissenschaft und Technik beziehen, ohne diese angemessen historisch zu kontextualisieren, oder wichtiger noch, entsprechend heutiger Ansätze oder Desiderate zu aktualisieren. Eine sowohl konzeptuelle als auch pragmatische Ausweitung des Designbegriffs stellt meines Erachtens eine sehr produktive Sichtweise auf Design dar. Sie erfordert aber zweifellos auch, den Spagat zu bewältigen, dass Designphänomene und -themen zum einen aus einer interdisziplinären Perspektive angegangen, zum anderen anhand konkreter Beispiele 457. Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 111.

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und vor allem auch anhand differenzierter historischer Bezüge diskutiert werden müssten. Eine solche Perspektive würde zwar keine allgemeingültigen, überzeitlichen und widerspruchsfreien Antworten zum ›Wesen‹ des Design hervorbringen, sie würde aber – was mehr zählt – der Einsicht um die Situiertheit von Wissen Rechnung tragen. Betrachtet man Wissen und Wissenspraktiken als sozial und kulturell hervorgebrachte und ausgehandelte Effekte und Gebilde, dann muss auch bezweifelt werden, dass die ›Wissenskulturen‹ von Design, Kunst und Wissenschaft kategorisch und essentialistisch voneinander zu unterscheiden sind. Vielmehr unterscheiden sie sich im Sinne von historisch gewachsenen, kulturell kodierten Formationen, deren Ränder unscharf, deren Tatsachen, wie Latour es sagt, nicht »kahl«, sondern »haarig« sind 458 und deren Diskurse sich mehrfach überlagern. In dieser Hinsicht sind die Debatten um das ›Wissen‹ im Design als paradigmatisch zu verstehen: Sie spiegeln Fragestellungen wider, die sich gegenwärtig quer durch wissenschaftliche, technische und künstlerische Disziplinen ziehen. In Frage gestellt werden etwa tradierte wissenschaftliche Ordnungssysteme und ihre Spezialisierung in universitäre Einzeldisziplinen, eine kategorische Trennung von Wissenschaft, Kunst und Technik, aber auch eine Unterscheidung von ›theoretischem Wissen‹ und ›praktischem Können‹. Die Denkfigur einer synthetisierenden ›Wissenskultur‹ des Design kann vor diesem Hintergrund als eine zeitgemäße Reaktion auf die Frage verstanden werden, wie disparat gewordene Wissensbestände neu verknüpft und geordnet, wie die notorisch beklagten Gräben zwischen den Wissenskulturen in Geistes- und Naturwissenschaften neu überbrückt werden können. 459 Es ist aber dennoch nicht von der Hand zu weisen, dass ein solches Vorhaben zwangsläufig auch utopische Züge aufweist, die eine historisch differenzierte, ideologiefreie und sachliche Betrachtung von Design erschweren. Die Debatten zu Design als »dritte Kultur« zeigen sich folglich in ambivalenter Gestalt: Zum einen werden optimistische Erwartungen an die Vision einer ›neuen‹ synthetisierenden Wissenskultur geknüpft, zum anderen ist sie aufgrund mangelnder Einsicht in die Historizität, Kontingenz und Interdisziplinarität ihres Gegenstandes zu problematisieren. In der Untersuchung zu ›Innovation‹ wurden ›Neuerung‹ und ›Veränderung‹ als ambivalente Fortschrittsmotive diskutiert. Wie viele andere Innovationsdiskurse ist auch jener in der Designforschung von technologischökonomischen Innovationsmodellen geprägt, die Innovation eindimensi458. Latour: Die Hoffnung der Pandora. 2002, S. 343. 459. Snow: The Two Cultures and the Scientific Revolution. 1959.

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onal hinsichtlich ihres ökonomischen Werts definieren. Nicht ›vermarktbare‹ Produkte und Ideen, darunter Befunde der Grundlagenforschung, werden in solchen Definitionen oft marginalisiert. Technikentwicklung wird demgegenüber als fortschrittstreibende Kraft einer Gesellschaft oder Kultur erklärt und folgt damit einem alten, linearen Fortschrittsmodell, in dem die Wirkungsmacht der Neuerung quasi-religiös überhöht wird. Die technologische und die ökonomische Konnotation verbindet der Umstand, dass sie auch heute noch gewissen Leitvorstellungen der frühkapitalistischen Industriegesellschaft folgen und diesbezüglich oftmals unzulänglich problematisiert werden. Im Innovationsmanagement zirkulieren zwar zahlreiche Modelle, wie Innovation theoretisch gefasst und prognostiziert werden soll, dennoch können diese Bemühungen nicht darüber hinweg täuschen, dass die Modalitäten der Entstehung von Innovation noch weitgehend unklar sind, bzw. sich nur sehr bedingt prognostizieren lassen. Technologisch-ökonomische Innovationsdefinitionen finden sich gegenwärtig auch im Diskurs der Designforschung wieder und erzeugen dort widersprüchliche Voten. 460 Diese reichen von der Überzeugung, dass erst die Verquickung von Wirtschaft und Forschung kulturellen und politischen Fortbestand gewährleisten könne, bis hin zu der Befürchtung, dass Wissen künftig nur noch als gewinnbringende Ware definiert werde. Im Hinblick darauf habe ich die paradoxe Situation problematisiert, dass derzeit in vielen Ländern hauptsächlich angewandte Designforschung favorisiert wird. Es wird jedoch wenig Grundlagenforschung zum Design gefördert, auf der eine solche angewandte Forschung auf bauen oder die ihre Resultate interpretieren könnte. Mit Blick auf andere, wissenschaftliche und gesellschaftliche Innovationsdebatten habe ich versucht, die Ambivalenz aufzuzeigen, mit der das Motiv der ›Innovation‹, allgemeiner noch der Topos des ›Neuen‹ Anlass zu sowohl Hoffnung als auch Ängsten gibt. Zudem habe am Beispiel einer kulturellen Innovationstheorie (Groys) die Unterscheidung zwischen einer ›absoluten Neuerung‹ und graduellen Neuerungsmotiven wie ›Veränderung‹ verdeutlicht. Der Aspekt der ›Veränderung‹ ist meines Erachtens für Designanalysen aufschlussreich, da sich an ihm gewisse identitätsstiftende Narrative aufzeigen lassen. Zum einen kann die Referenz auf den Begriff der ›Veränderung‹ als Bestandteil einer diskursiven Abgrenzungsstrategie gedeutet werden, mittels der sich Designschaffende und Designtheoretiker vom künstlerischen Topos einer ›absoluten Neuschöpfung‹ distanzieren wollen. Damit wird zugleich eine disziplinäre Grenze zwischen Kunst und Design demarkiert. Zum anderen kommt dem Aspekt der ›Veränderung‹ 460. Exemplarisch habe ich diese Debatte am Beispiel der Designforschung in der Schweiz dargestellt. Vgl. Abschnitt c. Innovation: ›Neuerung‹ und ›Veränderung‹ als ambivalente Fortschrittsmotive.

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in solchen Theorien eine große Bedeutung zu, in denen die intendierte Planung und Gestaltung gesellschaftlich-politischer Prozesse zum wesentlichen Aufgabenbereich einer künftigen ›Designkultur‹ gezählt wird. Planvoll intendierte und gestaltete Veränderung durch Design wird in diesem Verständnis als eine maßgebliche Führungsqualität verstanden. Vergleichbar mit den Aussagen zu Design als »dritter Kultur« wird Design als eine von Wissenschaft, Kunst und Technik zu unterscheidende Wissenskultur aufgefasst, die entscheidend dazu beitragen soll, radikale (gesellschaftliche, politische, ökonomische, technologische) Veränderungen intentional zu steuern und zukunftsträchtig zu gestalten. 461 Einmal mehr wird argumentiert, dass das ›Wesen‹ des Design bislang falsch interpretiert worden sei und dass eine Korrektur dieser Deutung anstehe. Der Anspruch solch einer ›neuen‹ »design culture« beschränkt sich aber nicht auf die Gestaltung von materiellen Gegenständen, sondern wird gleichsam für sämtliche Ebenen des Tuns und Handelns beansprucht. Eschatologisch mutet eine solche Argumentation dort an, wo postuliert wird, dass erst eine »design culture« oder ein »design approach« in der Lage sei, in einer von Chaos, Zufall und Willkür beherrschten Welt eine klare Direktive vorzugeben. Dieser Gedanke erinnert nicht von ungefähr an historische Ganzheitslehren, die eine sinnstiftende Ordnung gegen das ›Chaos‹ in der ›Gestalt‹ erblickten. 462 Mit Bezug auf Joas wurde deswegen auch diskutiert, 463 wie in den Anstrengungen, eine ›neue‹ »design culture« zu etablieren, der Topos der ›revolutionären‹, gesellschaftsgestaltenden Kraft von ›kreativem Handeln‹ perpetuiert wird. Die Texte und Debatten bezüglich einer ›neuen‹ design culture sind meines Erachtens deswegen so aufschlussreich, da sich an ihnen verdeutlichen lässt, wie eng die Zuschreibungen von ›technologisch-ökonomischer Innovation‹, ›revolutionärer Kreativität‹ sowie ›politischer Führung‹ diskursiv miteinander verflochten sind. Ein wichtiger Befund stellt im Weiteren die Marginalisierung des Kreativitätsbegriff in (namentlich deutschsprachigen) Designdiskursen dar. In Texten zu ›designbasierter Innovation‹ wird auf den Aspekt der ›Kreativität‹ entweder kaum Bezug genommen oder er wird als ›künstlerisch überhöht‹ und zugleich ›trivial popularisiert‹ kritisiert. Stattdessen werden in einschlägigen Texten analytische, argumentative und planvolle Vorgehensweisen beschrieben, um Innovationsleistungen im Design zu begründen. 464 Damit werden zum einen zeitgeistige Bestrebungen unterstützt, Design als wissensbasierte, methodisch-analytische Tätigkeit zu 461. 462. 463. 464.

Nelson/Stolterman: The Design Way. 2003. Harrington: Die Suche nach Ganzheit. 2002, S. 205. Joas: Die Kreativität des Handelns. 1996, S. 106. Erlhoff/Marshall: Wörterbuch Design. 2008, S. 248.

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etablieren, zum anderen bilden die Pole einer ›künstlerisch überhöhten‹ und ›trivial popularisierten Kreativität‹ aber auch Grenzlinien, entlang derer Design als autonome – weder künstlerische, noch populäre – Disziplin demarkiert werden soll. In der Untersuchung zum ›impliziten Wissen‹ habe ich schließlich vorgeschlagen, dieses nicht nur als ein Phänomen oder Wissensmodell zu verstehen, sondern als ein Motiv, das die Debatten zur praxisbasierten Designforschung mit strukturiert. Das Konzept eines ›impliziten Wissens‹ geht auf Polanyi zurück, 465 weist aber in seiner heutigen Aktualität auf einen insgesamt veränderten Umgang mit und eine veränderte Bewertung von Wissen hin – dies gilt insbesondere für jene Bereiche, in denen prak tisches Wissen und Können untersucht wird. In der Designtheorie und -forschung kann die zunehmende Aufmerksamkeit gegenüber einem ›impliziten Wissen‹ des Design als Reaktion auf und Abwendung von rationalistischen Theorieoptionen des Design Methods Movement in den 1960er Jahren verstanden werden. Entsprechen schlagen jüngere Texte in der praxisbasierten Designforschung theoretisch-methodologische Ansätze vor, die implizites Wissen adressieren und im Rahmen von Forschung systematisieren und instrumentalisieren wollen. Obwohl das Konzept eines ›impliziten Wissens‹ in der praxisbasierten Designforschung derzeit viel Raum einnimmt, werden gewisse Aspekte, die mit einer ›impliziten Dimension‹ von Wissen auch in Verbindung gebracht werden könnten und müssten, nur begrenzt thematisiert – vor allem wird der ›soziale Charakter‹, die soziale Dimension von Wissen marginalisiert. Dieser Aspekt wurde mit Blick auf die Begriffe ›Expertise‹ und ›Connoisseurship‹ diskutiert. Diese wurden bereits von Polanyi mit einem ›impliziten Wissen‹ in Verbindung gebracht und sie werden heute in der Designforschung bisweilen kritiklos revitalisiert. Polanyi erachtet die Vermittlung von ›implizitem Wissen‹ in einer Meister-Schüler-Beziehung als zentrales Moment, um durch Nachahmung selbst zu Erfahrung zu gelangen, 466 allerdings zu dem Preis, dass geltende Traditionen und Autoritäten zumindest zeitweilig anerkannt werden müssen. Der Umstand, dass der Erwerb und die Vermittlung von ›implizitem Wissen‹ in Rahmen autoritativer Machtdispositive vonstatten gehen sollen, weist auf Analogien zwischen Polanyis Konzept eines ›impliziten Wissens‹ und Bourdieus Habitus-Begriff hin. Ich habe einen solchen Bezug hergestellt, um daran zu diskutieren, inwiefern bei der Analyse von ›implizitem Wissen‹ nicht gerade die Dimension einer sozialen Prägung 465. Polanyi: Personal Knowledge. 1958. 466. Polanyi: Personal Knowledge. 1974, S. 53.

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Diskursive Leitmotive

von Wissen durch teils individuell realisierte, teils kollektiv perpetuierte Denk-, Handlungs- und Wahrnehmungsschemata in Betracht gezogen werden müsste. 467 Nach Bourdieu erhält Handlung erst unter Einbezug der Position eines Akteurs in einem distinkten gesellschaftlichen Feld Bedeutung. Jedes Feld folgt eigenen Regeln und Normen, besitzt ein eigenes »symbolisches Kapital«, 468 zu dem das Wissen um Techniken und Methoden ebenso gehören kann, wie bestimmte Sprachregelungen und Tabus. Die von Polanyi beschriebene Schwierigkeit, über ein Wissen oder Können umfassend verbal Auskunft zu geben, könnte sich in der Bourdieuschen Lesart mit dem Umstand überlagern, dass durch soziale Habitualisierung Normen und Werte, aber auch Wissen auf eine Weise ›einverleibt‹ und verinnerlicht wird, die es Individuen nur schwer erlaubt, diese als explizites Wissen abzurufen. Die Begriffe ›Expertise‹ und ›Connoisseurship‹ sind dann nicht nur als Bestandteile von Wissensdiskursen, sondern auch (und vor allem) als Bestandteile von Wertediskursen zu interpretieren, vermittels derer Sinn, und damit auch Wissen, auf eine soziale Weise produziert und reproduziert wird. 469 In einer kritischen Lesart können aktuelle Wissensbestimmungen der praxisbasierten Designforschung, in denen die Begriffe ›Praxis‹ und ›implizites Wissen‹ einen hohen Stellenwert haben und sogar kurzgeschlossen werden, selbst als ›blinder Fleck‹ der Designforschung identifiziert werden. Mit Blick auf die zunehmenden Bedeutung von Forschung, Wissenschaft und Theoriebildung für das Design kann das Beharren darauf, gestalterische Praktiken als ›implizit‹ zu deklarieren, als Abwehrreaktion gegen die wissenschaftliche »Entzauberung« 470 einer bis anhin als implizit erfahrenen Lebenswelt verstanden werden. Die Annahme eines ›impliziten Wissens‹ des Design kann aber auch als identitätsstiftendes Narrativ der Designforschung lesbar gemacht werden. Vermittels dieses Narrativs kann die Eigenständigkeit von praxisbasierter Designforschung auf eine einprägsame Weise behauptetet und profiliert werden. Bei einer solchen Profilierung werden oftmals aber die soziokulturellen Prägungen sowie die historischen Zusammenhänge vergessen, welche die Begriffe ›Design‹ und ›Wissen‹ erst miteinander in Beziehung gebracht haben. Diese Zusammenhänge sind aber unbedingt zu benennen, denn sie können die Debatten zum Wissen im Design erhellen, indem sie an die Stelle von Naturalisierungen und Verallgemeinerungen wieder konkrete Untersuchungsbeispiele rücken. 467. 468. 469. 470.

Vgl. Bourdieu: Sozialer Sinn. 1987, S. 97–121. Vgl. Bourdieu: Sozialer Sinn. 1987, S. 205–221. Vgl. Robinson: Historical and Critical Practices. 2007, S. 165. Weber: Wissenschaft als Beruf. 1995, S. 19.

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Sie sind zum einen sind solche Zusammenhänge in der Geschichte des Design zu verorten, zum anderen aber auch in umfassenderen interdisziplinären Zusammenhängen und Diskursen zu Kunst und Wissenschaft. Von solchen Zusammenhängen handelt das folgende und zugleich letzte Kapitel dieses Buches.

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4. Interferenzen und Grenzziehungen zwischen Design, Kunst und Wissenschaft

In den beiden vorherigen Kapiteln wurden zum einen historische Designauffassungen, zum andern diskursive Leitmotive zum Wissen im Design im Rahmen von Debatten innerhalb von Designtheorie und -forschung untersucht. Im folgenden Kapitel wird das Blickfeld ausgeweitet. Das Interesse gilt nun den größeren wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Kontexten, in denen diese Debatten zu verorten sind sowie den Diskursen, mit denen sie interferieren und sich wechselwirksam überlagern. Interferenzen können sich sowohl als Akzentuierung wie auch als Ausblendung bestimmter diskursiver Strukturen manifestieren. Sie werden im Folgenden dort untersucht, wo diskursive Überlagerungen und »kulturprägende Blickschranken«1 zwischen den Feldern Design, Kunst und Wissenschaft lokalisiert werden können. Als konkretes Vorhaben umgesetzt bedeutet dies, dass nachfolgend erstens die aktuellen Wissensbestimmungen im Design mit Blick auf ihre Beziehung zu historischen und gegenwärtigen, namentlich poststrukturalistischen und anwendungsorientierten Wissenskonzepten diskutiert werden. Zweitens werden sie vor dem Hintergrund eines derzeit neu in Frage gestellten Verhältnisses von Kunst und Wissenschaft reflektiert. Drittens und gleichsam als Synthese des Kapitels werden der zunehmende Stellenwert von ›Designwissen‹ sowie die durch die Designforschung derzeit angestrebte akademische ›Disziplinierung‹ des Design aus einer soziogenetischen Perspektive befragt. Also im Hinblick auf mögliche, sich aus dem Sozialen heraus entwickelnde disziplinäre Legitimations- und Abgenzungsversuche (Demarkation) des Design gegenüber den Feldern Kunst und Wis1.

Schramm, Helmar: Schauraum/Datenraum. Orte der Interferenz von Wissenschaft und Kunst. In: Schramm, Helmar et al. (Hg.): Bühnen des Wissens. Berlin. 2003, S. 9–27, hier S. 9 ff.

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senschaft. Das angestrebte Vorhaben, diskursive Interferenzen zwischen Design, Kunst und Wissenschaft in einem Kapitel zu beleuchten, ist freilich nur höchst unvollständig zu bewerkstelligen. Dennoch sprechen mindestens zwei Gründe dafür, diese immerhin punktuell und skizzenhaft darzustellen: Zum einen finden die aktuellen Debatten zum Verhältnis von Design und Wissen sowie Fragen zur Legitimierung einer autonomen Designdisziplin in einer Zeit statt, in der keine einfache oder einheitliche Orientierung in Wissensfragen mehr möglich scheint. Die Vorstellung eines linearen »Baums des Wissens« ist einem »wuchernden Rhizom« von lokalen und temporären Anwendungskontexten von Wissen gewichen. 2 Die Erzeugung von neuem Wissen wird nicht länger in der Zuständigkeit einzelner Disziplinen gesehen, sondern im inter- und transdisziplinären Austausch und sie wird oftmals mit Blick auf eine mögliche Anwendungsorientiertheit angegangen. Seit der Postmoderne und dem Poststrukturalismus sind diskontinuierliche, differenzorientierte Wissenskonzepte an die Stelle einer progressiven, eindeutigen Wissenstheorie getreten und prägen unser heutiges Verständnis von Wissen. Zum anderen werden aus kulturwissenschaftlicher, wissenschaftsund kunsthistorischer Sicht zunehmend die Wechselwirkungen zwischen Wissenschaft und Kunst auf der Ebene ihrer Selbstverständnisse und Praktiken befragt. So ist dort etwa der Aspekt des »praktischen Experimentierens« ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt, ebenfalls ist das Zusammenspiel von »Datenraum« und »Schauraum«, also von Untersuchungs- und Vermittlungskontext, bedeutsam geworden.3 Wissenschaftliches Wissen wird in diesem Verständnis vermehrt unter dem Gesichtspunkt adressiert, wie es durch Praktiken, die zu seiner Erzeugung und Bewertung eingesetzt werden, sozial ausgehandelt und wie es durch technische Apparaturen und medial-ästhetische Darstellungsformen geprägt wird. In der aktuellen Designforschung finden diese Fragen dort eine Entsprechung, wo unter der Begriffsklammer ›Designforschung‹ von »Experimentalstrategien und Entwurf« 4 gesprochen wird, oder wo argumentiert wird, dass das Bedürfnis nach expliziten Forschungsmethoden im Design einem wachsenden Bedarf nach »kreativer Praxis« in der wissenschaftlichen Forschung entspreche.5 Wie in den vorigen Kapiteln anhand relevanter Textbeiträge mehrfach gezeigt wurde, wird Designforschung von Vielen als eine ›genuine‹ Form der Wissenserzeugung verstanden, die von Wissensformen in Kunst und 2. 3. 4. 5.

Nowotny: Es ist so. 1999, S. 108. Schramm: Schauraum/Datenraum. 2003, S. 13 f., S. 19. Auf: http://www.fhnw.ch/hgk/idk/Modul-forschung-im-masterstudio-design/lehrveranstaltungen Niedderer: Experiential Knowledge, Method and Methodology. 2009.

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Inter ferenzen und Grenzziehungen

Wissenschaft kategorisch zu unterscheiden sei. Mit Blick auf ihr Verhältnis zu wissenschaftlicher Forschung wird sie als eine Alternative postuliert, die der Einsicht um die praktische und ästhetische Bedingtheit, um die Artifizialität von Wissen in besonderem Maße Rechnung tragen soll. In der praxisbasierten Designforschung werden entsprechend diejenigen praktischen, technischen, medialen und ästhetischen Bedingungen thematisiert, welche die Erzeugung, Bewertung und Vermittlung von Wissen beeinflussen oder sogar konstituieren. Allerdings scheint das Angebot einer ›wissenschaftsalternativen‹ Wissensproduktion seitens der Designforschung selbst bestimmten diskursiven Prämissen zu unterliegen, die erst durch eine konstruierte Opposition von Design, Kunst und Wissenschaft in Kraft treten können. Mit anderen Worten realisiert sich das Sprechen von ›designspezifischen‹ und damit zugleich ›wissenschaftsalternativen‹ Wissensformen erst vor der Folie von bestimmten Differenzbestimmungen von Kunst und Wissenschaft. Die Debatten um das Wissen im Design, seine Leitmotive und Selbstverständnisse, die in den beiden vorigen Kapiteln dargestellt und diskutiert wurden, werden denn auch erst in den größeren diskursiven Kontexten von Kunst und Wissenschaft verständlich, weshalb diese im Folgenden besprochen werden.

a. Vom Verlust wissenschaftlicher Leiterzählungen und einem neuen Modus der Wissenserzeugung Die aktuellen Debatten um den epistemologischen ›Kern‹, die methodische Ausrichtung oder das (implizite) Wissen von Designforschung finden unbestritten vor dem Hintergrund von größeren wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Wissensbestimmungen statt, deren gegenwärtiger Stand mit der Diagnose einer »Zerstreuung« oder »Zersplitterung« von tradierten Wissensordnungen6 wohl am besten gefasst werden kann. Interund Transdisziplinarität sind zu beständigen Konzepten der Human- und Kulturwissenschaften avanciert, hinsichtlich der Analyse und Beschreibung von Wissen sind Strategien zur Untersuchung von inkommensurablen Differenzen die Regel geworden, das Beharren auf einer vereinheitlichenden Sichtweise stellt die Ausnahme dar.7 Historisch gesehen, wurde diese Diagnose zur Verfasstheit von Wissen und Wissenschaft bzw. der daraus resultierende Umgang mit Wissensfragen maßgeblich seit Mitte der 1960er Jahren entwickelt. Einerseits in 6. 7.

Lyotard, Jean François: Das postmoderne Wissen. Hg. von Peter Engelmann. Wien. 2005, S. 118 ff. Böhme, Hartmut; Scherpe, Klaus R.: Literatur- und Kulturwissenschaften. Positionen, Theorien, Modelle. Reinbek bei Hamburg. 1996, S. 7–24.

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Ansätzen zur so genannten ›Wissensgesellschaft‹ (knowledgeable society)8 und daran anschließenden Positionen, anderseits in nicht-linearen, differenzorientierten Wissenskonzepten aus den intellektuellen Strömungen der Postmoderne und des Poststrukturalismus. Im Zentrum der Debatten zur ›Wissensgesellschaft‹ standen in den 1960er und -70er Jahren die Expansion staatlicher und industrieller Forschungsaktivitäten, die Zunahme wissensbasierter Wirtschaftsaktivitäten und die Ausweitung einer vermeintlich ›neuen Klasse‹ professionalisierter und technisch qualifizierter »Wissensarbeiter«.9 Doch auch politische Entwicklungen in den USA und in Westeuropa der 1960er Jahre, namentlich die wirtschaftliche und gesellschaftliche Lage in der Nachkriegszeit, die antikommunistische Propaganda, die Studenten-, Bürgerrechts- und Antikriegsbewegungen sowie die Diskussionen um die angeblich unüberbrückbaren »zwei Kulturen«10 der Natur- und der Geisteswissenschaften prägten die Wissensdebatten jener Zeit. Blickt man auf die historische Entwicklung und intellektuelle Prägung der Designmethodologie und -forschung seit den 1960er Jahren zurück, so liegt es nahe, auch sie vor dem Hintergrund dieser Debatten zu lesen.11 Designmethodologische Ansätze waren zu dieser Zeit von einer fast uneingeschränkten Technik- und Wissenschaftsgläubigkeit geprägt. Zugleich waren sie aber auch durch gesellschaftspolitische Anliegen motiviert, wie sie sich etwa in partizipatorischen Ansätzen in der Architekturund Planungstheorie zeigten.12 Es galt, wissensbasierte Entwurfsmethoden zu entwickeln, um damit die wissenschaftliche Erfassbarkeit und ökonomisch-technische Effizienz von Design und Planung zu optimieren und um komplexe Probleme der Zeit zu bewältigen. Doch freilich sind die Ansichten, wodurch sich eine ›Wissensgesellschaft‹ auszeichnet, nicht festgeschrieben, sondern unterliegen ihrerseits historischen Veränderungen. Während in den 1960er und -70er Jahren der Fokus auf der Erzeugung von technisch-wissenschaftlichem Wissen lag, kann seit den 1990er Jahren eine Wieder- und Neubelebung der Debatten zur ›Wissensgesellschaft‹ beobachtet werden, in deren Fokus nunmehr Themen wie Risiko, Nichtwissen oder Erfahrungswissen liegen.13 8. 9.

10. 11. 12. 13.

Vgl. Lane: The Decline of Politics and Ideology in a Knowledgeable Society. 1966, S. 649–662. Vgl. Heidenreich: Die Debatte um die Wissensgesellschaft. 2003, S. 47. Relevante historische Beiträge zu der Debatte stammen von: Bell: The Coming of Post-Industrial Society. 1973. Drucker, Peter F.: Landmarks of Tomorrow. New York. 1959. Ellul, Jaques: The Technological Society. New York. 1954. Etzioni, Amitai: The Active Society. A Theory of Societal and Political Processes. New York/London. 1968. Vgl. Snow: The Two Cultures and the Scientific Revolution. 1959. Vgl. im 1. Kapitel, Abschnitt a. Vgl. Fezer: A Non-Sentimental Argument. 2009, S. 287–304. Die Wissenssoziologie unterscheidet in den Debatten zur ›Wissensgesellschaft‹ drei chronologische Phasen: Eine erste Phase ist zu Beginn des 20. Jahrhunderts unter dem Einfluss der

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Inter ferenzen und Grenzziehungen

Entsprechend kann auch eine Verschiebung der Themen und Forschungsdesiderate in der heutigen Designforschung beobachtet werden. Wie im 3. Kapitel angeführt wurde, kommt dem Aspekt des ›Erfahrungswissens‹ seit den 1980er Jahren eine größere Bedeutung zu, als dies noch in den 1960er und -70er Jahren der Fall gewesen ist.14 Des Weiteren wurde in den 1990er Jahren von Wissenschaftstheoretikern das Konzept der so genannten Modus 2-Wissensproduktion formuliert. Dieses besagt, dass sich seit den 1960er Jahren ein neuer, anwendungsnaher und transdisziplinärer Modus der Wissensproduktion entwickelt habe, der nicht nur für die etablierten Institutionen der Wissensproduktion (namentlich die Wissenschaften selbst), Konsequenzen habe, sondern auch die Art des produzierten Wissens sowie die Mechanismen der Qualitätskontrolle dieses Wissens verändere.15 Wiederum können bestimmte aktuelle Entwicklungen und Debatten in der Designforschung vor dem Hintergrund dieses Konzeptes situiert und befragt werden. Mit dieser, hier nur knapp skizzierten, Verortung der Designforschung vor dem Hintergrund von historischen und aktuellen Debatten zu ›Wissensgesellschaft‹ und Wissensproduktion, soll veranschaulicht werden, dass die Aktualität bestimmter Themen und Leitmotive sowie das Aufkommen spezifischer Forschungsdesiderate in der Designforschung nicht bloß ›intern‹ und ›autonom‹ – also kontextfrei – entwickelt werden, sondern dass sie mit größeren wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Wissensbestimmungen interferieren. Zwar wird in einschlägigen Texten zu Designtheorie und -forschung wiederholt auch auf bestimmte historische Wissensbegriffe und -konzepte Bezug genommen, in der Regel werden diese aber in einer affirmativen Weise für die Belange der Designforschung adaptiert und dienen der theoretischen Rechtfertigung für bereits bestehende Ansätze und Praktiken. Eher selten wird jedoch die Absicht einer historischen Kontextualisierung von Wissensdebatten und -konzepten verfolgt. Aus diesem Grund sollen im Folgenden zwei relevante Wissenskonzepte ausführlicher (wenngleich immer noch eher skizzenhaft) behandelt werden, mit dem Ziel, gegenwärtige Diskussionen in der Designforschung vor diesem Hintergrund zu kontextualisieren. Vor allem der Übergang von (bzw. die Weiterführung) der ›Moderne‹ zur so genannten ›Postmoderne‹16 gilt als markante Phase für das gegen-

14. 15. 16.

aufstrebenden Industrialisierung zu nennen. Eine zweite Phase wird mit Fokus auf technischwissenschaftliches Wissen in den 1960 und -70er Jahren datiert. Als dritte Phase wird eine Wieder- und Neubelebung dieser Debatten seit den 1990er Jahren genannt. Vgl. Heidenreich: Die Debatte um die Wissensgesellschaft. 2003, S. 31–39. Vgl. hierzu auch 3. Kapitel, Abschnitt d. Zum Motiv eines ›impliziten Wissens‹ in Designpraxis und -forschung. Gibbons et al.: The New Production of Knowledge. 1994. ›Postmoderne‹ ist die Bezeichnung für die kulturgeschichtliche Periode nach bzw. in Weiter-

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wärtige Verständnis von Wissen – wobei in den einschlägigen Texten kein Konsens darüber herrscht, ob mit ›Moderne‹ die »Moderne des 20. Jahrhunderts gemeint ist, oder ob diese selbst bereits als ein Bruch mit der »Moderne der Neuzeit« zu verstehen ist.17 Für viele ist der bereits in der Moderne angelegte »Bruch mit dem aufklärerischen Projekt einer umfassenden Erfassung und Erklärung der Welt«18 ein wichtiger Bezugspunkt für die »epistemologische Krise der Postmoderne«. In diesem Sinne wäre die ›Postmoderne‹ nicht als Abwendung von der Moderne, sondern als deren radikale Weiterführung zu deuten – als »Radikalmoderne« wie Wolfgang Welsch meint.19 In einem ersten Abschnitt sollen am Beispiel von Jean François Lyotard einige zentrale Aspekte zur »Kondition«, also zur Verfasstheit von ›postmodernen‹ bzw. ›poststrukturalistischen‹ Wissenskonzepten behandelt werden.20 Der zweite Abschnitt geht näher auf das jüngere Konzept der Modus 2-Wissensproduktion ein und beleuchtet seine Bedeutung für aktuelle Wissensbestimmungen in der Designforschung.

Zur ›Kondition‹ von postmodernen und poststrukturalistischen Wissenskonzepten Die Diagnose einer Auflösung oder Zersplitterung der neuzeitlichen Wissenschaftsordnung Mitte des 20. Jahrhunderts wurde durch zahlreiche Autoren ver treten,21 unter anderem geht sie auf den französischen Philosophen Jean-François Lyotard zurück.22 Er prägte den Begriff »postmodernes Wissen«, der besagt, dass der Status von Wissen in derselben Zeit gewechselt habe, in der die Gesellschaft in das so genannte »postindustrielle«

17. 18. 19. 20. 21.

22.

führung der Moderne sowie für ästhetisch-philosophische Ansätze und kulturelle Konfigurationen dieser Zeit. Meist gelten die künstlerischen, politischen und medialen Umbrüche der 1960er Jahre in den USA als Beginn der Postmoderne. Vgl. dazu Nünning, Ansgar: Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze, Personen, Grundbegriffe. Stuttgart/Weimar. 2004, S. 543. Welsch, Wolfgang: Unsere postmoderne Moderne. Berlin. 2002 [1987], S. 84. Nünning: Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. 2004, S. 543. Welsch: Unsere postmoderne Moderne. 2002, S. 84. Lyotard: La condition postmoderne. 1979. Vgl. Feyerabend, Paul: Against Method. London. 1975 [dt. Ausgabe: Wider den Methodenzwang. Frankfurt a. Main. 1975]. Foucault, Michel: Les mots et les choses – Une archéologie des sciences humaines. Paris. 1966 [dt. Ausgabe: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Frankfurt a. Main. 1974]. Kuhn, Thomas: The Structure of Scientific Revolutions. Chicago 1962 [dt. Ausgabe: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. Frankfurt a. Main. 1967]. Rorty, Richard: The Linguistic Turn. Chicago. 1967. Vgl. zur Bestimmung von ›postmoderner‹ Wissenschaft insbesondere: Krüger, Hans-Peter: Postmoderne als moderne Rekonstruktion der Moderne. Stephen E. Toulmins Kritik moderner Wissenschaft. In: Ders. (Hg.): Objekt- und Selbsterkenntnis. Zum Wandel im Verständnis moderner Wissenschaft. Berlin. 1991, S. 15–41. Lyotard: Das postmoderne Wissen. 2005, S. 118 ff.

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und die Kulturen in das so genannte »postmoderne« Zeitalter eingetreten seien.23 Sein Bericht La condition postmoderne, der 1979 als Auftragsarbeit für den Universitätsrat der Regierung von Québec über das Wissen in hoch industrialisierten Gesellschaften erstellt wurde, gilt als ein Schlüsseltext zur Analyse der Entwicklung der Wissenschaften in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.24 Was als Bericht geplant war, entwickelte sich während des Schreibens zu einem Versuch, neue Entwicklungen in Wissenschaft und Technik, in der Politik, im Alltagsleben und in der Kunst nicht als eine Fortschreibung des Projekts der Moderne zu verstehen, sondern sie als Phänomene des Bruchs mit diesem Projekt zu begreifen.25 Obwohl Lyotard selbst den Begriff »postmodern« verwendete (von dem er sich später jedoch wieder distanzierte), möchte ich seinen Text im Folgenden als einen Beitrag zu poststrukturalistischen Wissenskonzepten behandeln.26 Er führt zentrale Aspekte an, die für eine poststrukturalistische Theoriebildung kennzeichnend sind. Signifikant sind etwa die Ablehnung absolutierender, vereinheitlichender Metaerzählungen, eines ›universellen Wahrheitsanspruchs‹ und des auf klärerischen Primats der Vernunft, betont wird stattdessen die inkommensurable Koexistenz multipler Auffassungen und Strömungen in Wissenschaft, Kunst, Kultur und Gesellschaft. Eine ausführlichere Darstellung von Lyotards Text soll es erlauben – und darin sehe ich den besondere Nutzen für die vorliegende Untersuchung – bestimmte Aspekte, die für aktuelle Wissensbestimmungen in der Designforschung konstitutiv sind, in einem größeren kultur- und wissenschaftshistorischen Kontext zu verorten. Wesentliche Einflüsse auf die Verfasstheit »postmodernen Wissens« erkannte Lyotard in den »technologischen Transformationen« seiner Zeit, insbesondere in deren Einfluss auf zwei wesentliche Funktionen wissenschaftlichen Wissens: die Forschung und die Vermittlung der daraus resultierenden Erkenntnisse an Laien.27 Es ließ es aber nicht dabei bewenden, den Zustand des Wissens in den hoch industrialisierten Ländern einzig durch Technologieentwicklung oder die Ausbreitung des kapitalistischen Systems zu erklären. Die Gründe für die signifikante Transformation, sogar »Krise« des »postmodernen Wissens« sah er aus der ureigenen Anlage wissenschaftlichen Wissens erwachsen, aus einer »inneren Erosion des 23.

24. 25. 26.

27.

Den Beginn dieses Übergangs datierte Lyotard auf das Ende der 1950er Jahre, in eine Zeit also, die für Europa das Ende seines Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg bezeichnet. Vgl. Lyotard: Das postmoderne Wissen. 2005, S. 19. Lyotard: La condition postmoderne. 1979. Engelmann, Peter: Vorwort. In: Lyotard: Das postmoderne Wissen. 2005, S. 9–11, hier S. 9. Ich möchte damit keineswegs die Begriffe »Postmoderne« und »Poststrukturalismus« synonym behandeln, sondern lediglich auf einige Aspekte poststrukturalistischen Denkens in Lyotards Bericht hinweisen. Lyotard: Das postmoderne Wissen. 2005, S. 21.

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Prinzips der Legitimität des Wissens«.28 Zugrunde liegt dieser Erkenntnis die Einsicht, dass wissenschaftliches Wissen zwar die angesehenste, nicht aber die einzige Form von Wissen sei. Um die vielgestaltige Morphologie von Wissen besser zu erfassen, benutzt Lyotard den Wittgensteinschen Begriff des »Sprachspiels«.29 Damit unterscheidet er zwischen zwei unterschiedlichen »Sprachspielen des Wissens«, zwischen divergenten, jedoch parallel existierenden Wissensformen, die mit ihren je eigenen Regeln und Legitimationsdiskursen operieren: Das »szientifische Wissen«, also das wissenschaft liche Wissen der Moderne einerseits30 sowie das »narrative Wissen«, also das traditionelle Wissen in Form von Geschichten und Erzählungen andererseits.31 Zum narrativen Wissen zählte Lyotard auch pragmatische Ideen vom »MachenKönnen (savoir-faire), Leben-Können (savoir-vivre), Hören-Können (savoirécouter)«.32 Diese Formen des Wissens werden als Kompetenzen beschrieben, die über die Bestimmung und Anwendung eines einzigen kognitiven Wahrheitskriteriums hinausgehen und sich stattdessen auf die Kriterien von Effizienz (technische Qualifikation), Gerechtigkeit und/oder Glück (ethische Weisheit), klanglicher und chromatischer Schönheit (auditive und visuelle Sensibilität) ausdehnen. Lyotards Differenzierung solcher verschiedener Wissensformen offeriert interessante Anknüpfungspunkte zu solchen Ansätzen, die ›alltägliche‹, handlungs- und erfahrungsbasierte Dimensionen von Wissen thematisieren, etwa zu Polanyis Konzept eines »impliziten Wissens«.33 Mit Polanyi teilt Lyotard die Auffassung, dass ein umfassendes Verständnis von Wissen erst dann gegeben sei, wenn die verschiedenen Wissensformen als komplementär ergänzende erachtet werden. ›Wissen‹ ist im Sinne Lyotards als Summe der Modalitäten und Effekte zu verstehen, die eine Person sowohl im »wissenschaftlichen Wissen« dazu befähigen, »gute denotative«, eindeutige Aussagen hervorzubringen, als es auch im »narrativen Wissen« erlauben, »gute präskriptive«, evaluierende Aussagen zu tätigen.34 Obwohl die beiden Wissenskulturen ergänzend gedacht werden sollen, weist er darauf hin, dass beide unterschiedlichen Legitimationskriterien unterlägen: Wo wissenschaftliches Wissen einen »Metadiskurs« zu seiner Legitimation benötige, legitimiere sich narratives Wissen durch seinen Nutzen, durch die »Pragmatik seiner Übermittlung, ohne auf Ar28. 29. 30. 31. 32. 33. 34.

Lyotard: Das postmoderne Wissen. 2005, S. 113. Wittgenstein, Ludwig: Philosophische Untersuchungen. Kritisch-genetische Edition. Hg. von Joachim Schulte. Frankfurt a. Main. 2001, § 23. Lyotard: Das postmoderne Wissen. 2005, S. 76–86. Vgl. Lyotard: Das postmoderne Wissen. 2005, S. 64–75. Lyotard: Das postmoderne Wissen. 2005, S. 64. Vgl. Polanyi: Personal Knowledge. 1958, passim. Lyotard: Das postmoderne Wissen. 2005, S. 64 f.

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gumentation und Beweisführung zurückzugreifen«.35 Wissenschaftliches Wissen ist demnach unabdingbar mit der Problematik der eigenen Berechtigung konfrontiert. Anders als im »narrativen Wissen« gebe es kein verbindendes »soziales Band« der Übermittlung mehr, so Lyotard, »keinen unmittelbaren oder teilhabenden Bestandteil«, vielmehr werde »wissenschaftliches Wissen« vom Subjekt als ein »indirekter Bestandteil« erfahren, der durch Institutionen verwaltet und durch einen Lehrkörper weitergegeben werde.36 Unter diesen Bedingungen wird die Verbindung zwischen Wissen und Gesellschaft veräußert und wissenschaftliches Wissen unterliegt dem Zwang, aus sich heraus metatheoretische Legitimationserzählungen zu entwickeln, die seine überzeitliche Gültigkeit zu bezeugen und zu autorisieren vermögen. In La condition postmoderne beleuchtet Lyotard zwei große Legitimationserzählungen (méta-récits), welche die Einheit und den Fortschrittsglauben der Wissenschaften seit der Auf klärung maßgeblich begründet und getragen hätten: eine politisch-staatlich motivierte Metaerzählung (»emanzipatorisches Dispositiv«)37 und eine philosophische Metaerzählung (»spekulatives Dispositiv«).38 Obwohl beide dieser Metaerzählungen lange ihre Wirkungsmacht entfalteten, sei es ihnen letztlich nicht gelungen, die moderne wissenschaftliche Rationalität zu legitimieren, das »Projekt der Moderne« sah Lyotard daher als gescheitert an.39 Im Zuge des Verlustes der »großen Erzählungen« (dazu zählen für ihn auch andere verabsolutierende Erklärungsprinzipien wie ›Gott‹, ›Subjekt‹, ›Vernunft‹ oder ›Marxismus‹) und der damit einhergehenden »Zerstreuung« (dissémination) und »Zersplitterung« (éclatement) dieser Narrative in verschiedene »Sprach35. 36. 37.

38.

39.

Lyotard: Das postmoderne Wissen. 2005, S. 84. Lyotard: Das postmoderne Wissen. 2005, S. 80 ff. Der Begriff ›Dispositiv‹ geht auf Foucault zurück und bezeichnet ein heterogenes Ensemble, das Diskurse, Institutionen, architektonische Einrichtungen, reglementierende Entscheidungen, Gesetze, administrative Maßnahmen, wissenschaftliche Aussagen, philosophische, moralische oder philanthropische Lehrsätze umfasst. In: Foucault, Michel: Dispositive der Macht. Über Sexualität, Wissen und Wahrheit. Berlin. 1978, S. 119 f. Vgl. dazu auch: Agamben, Giorgio: Was ist ein Dispositiv. Zürich/Berlin. 2008. Der »emanzipatorische Dispositiv« beruft sich nach Lyotard auf die Ideale von Emanzipation und Aufklärung im Sinne Kants. Es sei eine Erzählung, die die »Menschheit als Helden der Freiheit« zum Thema habe und die davon ausgehe, dass »alle Völker […] ein Recht auf die Wissenschaft« hätten. Der »spekulative Dispositiv« orientiert sich für ihn am Deutschen Idealismus und der »Dialektik des Geistes« nach Hegel und später Marx. Anders als im »emanzipatorischen Dispositiv« gilt als Subjekt dieser Erzählung nicht das Volk, sondern der »spekulative Geist«, der nach einer Darstellung »der Gesamtheit der Erkenntnis« sowie nach einer normativen Verbindung von Ideal und Idee strebe. Vgl. Lyotard: Das postmoderne Wissen. 2005, S. 96–104. Der »spekulative Dispositiv« sei in dem Maße zerfallen, so Lyotard, indem erkannt worden sei, dass sein zentrales Prinzip, der »spekulative Geist«, lediglich eine Interpretation unter vielen sei; der »emanzipatorische Dispositiv« habe sich als unhaltbar erwiesen, da er keine Verbindlichkeit seiner eigenen Regeln habe herleiten und zu ästhetischen und praktischmoralischen Fragen keine Stellung habe beziehen können. Lyotard: Das post moderne Wissen. 2005, S. 112.

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spiele« mit unterschiedlichen Regeln manifestierte sich für ihn die Charakteristik »postmodernen Wissens« in der Immanenz des Diskurses über die Regeln, die seine Gültigkeit ausmachen. 40 Die einstmals identitätsstiftenden Narrative der Wissenschaft sah er nun durch kleinere, heteromorphe, raumzeitlich begrenzt gültige Erzählungen und Paradigmen ersetzt, die das alleinige Ziel verfolgen, Unbekanntes und Neues hervorzubringen. 41 Als vorherrschende und die Wissenschaft vorantreibende Frage stellt sich nunmehr jene nach dem Wert und der Gültigkeit eines wissenschaftlichen Argumentes, eines Beweises: »Die Wissenschaft entwickelt sich, und keiner bestreitet, dass sie sich entwickelt, indem sie diese Frage entwickelt. Und diese Frage selbst führt, indem sie sich entwickelt, zu der Frage, das heißt zur Metafrage oder Legitimitätsfrage: Was ist dein ›was ist es wert‹ wert?«.42 Einhergehend mit dem Verlust der identitätsstiftenden Narrative befürchtet Lyotard eine Merkantilisierung von Wissen nach technisch-wirtschaftlichen Leistungskriterien. Er verbindet mithin Fragen der Wissenserzeugung, vergleichbar wie Foucault es tat, mit Fragen der Macht. ›Wissen‹ und ›Macht‹ stellen für Lyotard zwei Seiten derselben Frage dar: »Wer entscheidet was Wissen ist, und wer weiß, was es zu entscheiden gilt?«.43 Foucault hält seinerseits in anderem Kontext zu den Macht/WissenKomplexen fest, »dass die Macht Wissen hervorbringt (und nicht bloß fördert, anwendet, ausnutzt); dass Macht und Wissen einander unmittelbar einschließen; dass es keine Machtbeziehung gibt, ohne dass sich ein entsprechendes Wissensfeld konstituiert, und kein Wissen, das nicht gleichzeitig Machtbeziehungen voraussetzt und konstituiert«.44 Die Beziehung zwischen Macht und Wissen sei darum nicht von einem Erkenntnissubjekt aus zu analysieren, das gegenüber dem Machtsystem frei oder unfrei sei, so Foucault, vielmehr sei in Betracht zu ziehen, dass das erkennende Subjekt, das zu erkennende Objekt und die Erkenntnisweisen jeweils Effekte jener fundamentalen Macht/Wissen-Komplexe und ihrer historischen Transformationen bildeten. 45 Gegen die Befürchtung einer Merkantilisierung von Wissen stellt Jean Françios Lyotard eine Sensibilität für die Inkommensurabilität der multiplen postmodernen Narrative der Wissenschaft in Aussicht. Anstatt nach einer (erneuten) Vereinheitlichung von Wissen und Wissenschaft zu streben, betont er das Moment des Dissenses und grenzt sich damit vom 40. 41. 42. 43. 44. 45.

Lyotard: Das postmoderne Wissen. 2005, S. 118 ff. Lyotard: Das postmoderne Wissen. 2005, S. 185 f. Lyotard: Das postmoderne Wissen. 2005, S. 159. Lyotard: Das postmoderne Wissen. 2005, S. 35. Foucault, Michel: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt a. Main. 1977, S. 39. Foucault: Überwachen und Strafen. 1977, S. 39.

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»Prinzip des Konsens als Gültigkeitskriterium« ab, wie dies Habermas etwa zeitgleich forderte. 46 In der Annahme von »Konsens« als übergeordnetes Prinzip in Wissensfragen, erkannte Lyotard die Gefahr einer erneuten ›Uniformierung‹. Einzig das Aushalten und Zulassen eines Wissenspluralismus schien ihm noch geeignet, um angesichts von koexistierenden, inkommensurablen Narrativen nicht in neue Vereinheitlichungstheorien oder sogar ins Religiöse abzugleiten. Sein Postulat für einen nicht konsensorientierten Wissenspluralismus brachte ihm – und mit ihm auch dem Befund des »postmodernen Wissens« – wiederholt den Vorwurf von Relativismus oder Irrationalismus ein. Kritisiert wurde, dass er das Erbe der Aufklärung und damit die Vorstellung eines auf Vernunft basierten Fortschritts verworfen habe. So folgten etwa Vertreter der Kritischen Theorie, namentlich Jürgen Habermas, seiner Auf klärungskritik nicht und hielten an der Dialektik von Subjekt-Objekt sowie an dem Glauben an eine vernunftgeleitete Theoriebildung fest. 47 Foucault, der selbst von einer radikalen Diskontinuität in der Geschichte des Wissens ausging, nahm gewissermaßen eine Mittlerrolle zwischen Lyotard und Habermas ein. Er verteidigte den Gedanken der Vernunft (raison), fokussierte aber nicht mehr auf die Subjekte (sondern auf die Diskurse) und thematisierte die Widersprüchlichkeit und Eingebundenheit von ›Rationalität‹ in Macht/ Wissen-Komplexe. 48 So schreibt er etwa: »Es ist zwar äußerst gefährlich, wenn man meint, die Vernunft sei der Feind, den wir beseitigen müssten, aber es ist auch gefährlich, zu behaupten, wir liefen Gefahr in Irrationalität zu versinken, wenn wir Rationalität kritisch hinterfragten.« 49 Einsichten in die kontingente Entwicklung von Wissen Im Gesamtspektrum poststrukturalistischer Wissenskonzepte stellt Lyotards Text zur »Kondition von postmodernem Wissen« ein Beitrag unter vielen dar. Unter ›Poststrukturalismus‹ werden unterschiedliche, im Laufe der 1960er Jahre in Frankreich, seit den 1980er Jahren auch im englischsprachigen Raum entwickelte Theoriekonzepte zusammengefasst, »die sprachtheoretische Grundannahmen des Strukturalismus aufnehmen und sich zugleich kritisch von spezifischen Ausprägungen dieses Strukturalis46. 47.

48. 49.

Vgl. Habermas: Theorie des kommunikativen Handelns. 1981. Habermas wandte sich insbesondere gegen Autoren wie Bataille, Foucault und Derrida, die er als »Jungkonser vative« bezeichnete. Lyotard ordnete er indes keiner dieser Kategorie zu. Vgl. Habermas, Jürgen: Die Moderne – ein unvollendetes Projekt. In: Ders.: Kleine politische Schriften. I–IV. Frankfurt a. Main. 1981, S. 444–446. Vgl. dazu auch Welsch, Wolfgang: Vernunft. Die zeitgenössische Vernunftkritik und das Konzept der transversalen Vernunft. Frankfurt a. Main. 1996. Foucault, Michel: Raum, Wissen und Macht. [1982]. In: Ders.: Schriften in vier Bänden. Dits et Ecrits. Bd. 4. 1980–1988. Frankfurt a. Main. 2005, S. 324–341, hier S. 334. Foucault: Raum, Wissen und Macht. 2005, S. 334.

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mus absetzen«.50 In diesem Sinne ist der Poststrukturalismus nicht als vollständiger Bruch mit dem Strukturalismus, sondern als ein »Durcharbeiten« und eine »Radikalisierung strukturalistischen Denkens« zu verstehen.51 In Frankreich haben Autorinnen und Autoren wie Roland Barthes, Jean Baudrillard, Gilles Deleuze, Jacques Derrida, Michel Foucault, Félix Guattari, Luce Irigaray, Julia Kristeva und Jacques Lacan, von den Literaturwissenschaften, der Soziologie und der Psychoanalyse herkommend, mittels einer »Revision und Neudefinition« strukturalistischer Theorien wesentliches zu einer Geschichtsschreibung des Wissens beigetragen,52 die nicht mehr der Vorstellung einer linear fortschreitenden, vernunftbasierten, universell und überzeitlich gültigen Wissenschaft folgt. Stattdessen wurden Brüche und Diskontinuitäten in der Geschichte des Wissens thematisiert, kontingente historische Entwicklungen und Randphänomene wurden aufgezeigt, ›Realität‹ wurde als ein künstlich erzeugtes, konstruiertes ›Produkt‹ verstanden, als inhärent fiktiv.53 Damit wurde zugleich auch die (durchaus politisch motivierte) Möglichkeit stimuliert, bestehende Wissensordnungen als veränderliche zu hinterfragen und als solche neu zu definieren.54 Insbesondere sind hierzu die Beiträge aus den cultural, gender, queer und post-colonial studies im englischsprachigen Raum zu nennen.55 Akademische Theoriebildung und politischer Veränderungswille gehen hier oftmals Hand in Hand. Dass viele poststrukturalistische Ansätze (in unterschiedlicher Weise) gesellschaftspolitische Anliegen verfolgen, ist vor allem auch der Epoche zuzuschreiben, in der sie entstanden. Bei zahlreichen Intellektuellen in den USA und in Westeuropa führten die Ereignisse der 1960er Jahre – der Antikommunismus der Mc Carthy-Ära, die Rassenunruhen und Studenten-, Bürgerrechts- und Anti-Kriegsbewegungen – zu einer Intensivierung ihres politischen Engagements. Oft verband sich dieses mit intellektuellen Bezügen auf marxistisch-leninistische Konzepte, wie dies etwa bei Louis Althusser oder Étienne Balibar der Fall war.56 In Frankreich standen namhafte Intellektuelle wie Sartre und de Beauvoir, Barthes oder LéviStrauss der Kommunistischen Partei nahe und um den marxistischen Kapitalismuskritiker Guy Debord versammelte sich ab Ende der 1950er Jahre die linksradikale Gruppe der Situationistischen Internationalen, bestehend 50.

51. 52. 53. 54. 55. 56.

Moebius, Stephan; Reckwitz, Andreas: Einleitung. Poststrukturalismus und Sozialwissenschaften: Eine Standortbestimmung. In: Dies. (Hg.): Poststrukturalistische Sozialwissenschaften. Frankfurt a. Main. 2009, S. 7–20, hier S. 10. Moebius/Reckwitz: Einleitung. Poststrukturalismus und Sozialwissenschaften. 2009, S. 10. Hilligen, Wolfgang: Postmoderne. Gesellschaft und Staat. Lexikon der Politik. Hg. von Hanno Drechsler et al. München. 1995, S. 649–651, hier S. 649. Nünning: Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. 2004, S. 545 Foucault: Die Ordnung der Dinge. 1974, S. 23. Vgl. dazu etwa Bromle et al. Cultural Studies. 1999. Althusser, Louis: Pour Marx. Paris. 1965. Ders. et al.: Lire le capital. Paris. 1965.

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aus Künstlern und Intellektuellen, die vor allem im Umfeld der Pariser Studentenunruhen, dem ›Pariser Mai ›68‹, aktiv waren.57 Auch Michel Foucault wurde 1968 als ›Held‹ der französischen Studentenbewegung gefeiert, nachdem er sich in seiner Position als Gastprofessor an der Universität von Tunis (1966–68) für die Belange der dortigen Studentinnen und Studenten eingesetzt hatte.58 1971 gründete Foucault die Groupe information sur les prisons, die sich mit der Situation in den Gefängnissen auseinandersetzte.59 In Deutschland waren die Studentenunruhen von 1968 mit intellektuellen Bezugnahmen auf die kritische, antifaschistische Staats- und Gesellschaftsanalyse der Frankfurter Schule verbunden, zu der die aus dem amerikanischen Exil zurückgekehrten (Sozial-)Wissenschaftler Horkheimer, Adorno und Marcuse zählten.60 Auch die ›Anfänge‹ der cultural studies in Großbritannien waren zutiefst mit dem gesellschaftspolitischen Anliegen verbunden, die britische Gesellschaft zu reformieren. »Sie wollten«, so Roger Bromley, »den kulturellen Privilegien, der politischen Macht und Autorität derjenigen Klasse, die der Nation bis zum Zweiten Weltkrieg ihren Stempel aufgedrückt hatte, ein Ende bereiten.« 61 Stattdessen sollte ein Bewusstsein für ›Randphänomene‹ von Kultur und Bildung geschaffen werden: für Populär- und Subkultur oder für die Verbindung von Arbeitswelt und Freizeit. Als soziokulturelle Merkmale, die den intellektuellen und politischen Radius der cultural studies kennzeichnen, sind ›Rasse‹, ›Ethnie‹, ›Klasse‹ oder ›Schicht‹, ›Gender‹ und ›sexuelle Orientierung‹ zu nennen. Das Augenmerk soll damit auf den Einfluss von sozialstrukturellen Merkmalen gerichtet werden, die Norm- und Wertedebatten in Gesellschaft, Kunst und Wissenschaft entscheidend ›sozial konstruieren‹. Auch in den cultural studies fand eine intensive Auseinandersetzung mit strukturalistischen und marxistischen Konzepten statt, etwa mit dem Werk von Gramsci62 und Althusser.63 57.

58. 59. 60. 61. 62.

63.

Vgl. dazu Dreher, Thomas: Zwischen Kunst und Lebensform: Von den Lettristen zu den Situationisten. In: Neue Bildende Kunst, Nr. 6. 1992, S. 11–15; Greil, Marcus: Lipstick Traces. Von Dada bis Punk. Kulturelle Avantgarden und ihre Wege aus dem 20. Jahrhundert. Hamburg. 1992. Marti, Urs: Michel Foucault. München. 1999, S. 11. Marti: Michel Foucault. 1999, S. 12. Vgl. Wiggershaus, Rolf: Die Frankfurter Schule. Geschichte, Theoretische Entwicklung, Politische Bedeutung. München. 1997. Bromley, Roger: Cultural Studies gestern und heute. In: Bromley, Roger et al. (Hg.): Cultural Studies. Grundlagentexte zur Einführung. Lüneburg. 1999, S. 9–24, hier S. 12. Wichtig sind diesbezüglich vor allem die insgesamt 32 ›Gefängnishefte‹, die der marxistische italienische Intellektuelle Antonio Gramsci während seiner Zeit im Gefängnis von 1928–1937 als eine Weiterentwicklung der marxistischen Philosophie verfasste. Von Gramsci stammt insbesondere das für die cultural studies einflussreiche Konzept der ›Hegemonie‹. Vgl. Gramsci, Antonio: Gefängnishefte. Hg. Klaus Bochmann und Wolfgang Fritz Haug. 10 Bd. Hamburg. 1991 ff. Vgl. auch Borek, Johanna et al. (Hg.): Kulturen des Widerstands. Texte zu Antonio Gramsci. Wien. 1993. Bromley: Cultural Studies gestern und heute. 1999, S. 19.

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Poststrukturalistische Texte teilen laut Moebius und Reckwitz trotz erheblicher Differenzen zwischen verschiedenen Autoren und Ansätze folgende thematischen Schwerpunkte: zum Spiel der Zeichen und der sich selbst destabilisierenden Logik der Kultur, zu den Mechanismen der Macht und Hegemonie, zum »konstitutiven Außen« und den widersprüchlichen kulturellen Mechanismen asymmetrischer Differenzmarkierung; zur Verzeitlichung und historistischen Entuniversalisierung und zur Subjektivation von Körper und Psyche und damit generell zur Materialisierung der Kultur.64 In diesem Sinne partizipiert auch Lyotards Text zur »Kondition postmodernen Wissens« durch seine Betonung von Dissens, der Beschreibung einer Zersplitterung und Zerstreuung von Sprachspielen des Wissens sowie durch die historische Verortung wissenschaftlicher Leitnarrative an einer poststrukturalistischen Geschichtsschreibung des Wissens. Ich habe seinen Text sowie die Charakteristika poststrukturalistischer Wissenskonzepte angeführt, um vor diesem intellektuellen und politischen Hintergrund die aktuellen Wissensbestimmungen in der Designforschung zu kontextualisieren. Vieles von dem, was Lyotard Ende der 1970er Jahre anführte, wie etwa die Koexistenz verschiedener (auch nicht-wissenschaftlicher) Wissenskulturen und die unterschiedlichen sie legitimierenden »Sprachspiele«, oder die Befürchtung einer Merkantilisierung von Wissen, darf als ein wichtiges diskursives Fundament heutiger Wissensbestimmungen gelten – wenngleich in der Designforschung nur selten darauf Bezug genommen und die politische Motivation der Wissensdebatten in den 1960er und -70er Jahre oft ausgeblendet wird. Insbesondere kann die Diagnose einer »Zersplitterung« oder »Zerstreuung« von identitätsstiftenden Narrativen gegenwärtig dort verifiziert werden, wo vergeblich nach einer übergeordneten, sinnstiftenden Instanz für die Designdisziplin gesucht wird, wo vergeblich eine einheitliche epistemologische Begründung und methodologische Fundierung von Designforschung angestrebt wird. Zwischen Wissenspluralismus und ›wahrer‹ Wissenschaft Trotz, oder gerade wegen des Bemühens, Design als eigenständige Disziplin und Forschungsfeld einheitlich zu bestimmen, fallen die entsprechenden Vorschläge sehr heterogen aus. Sie beziehen sich in ihren Legitimationen – teils explizit, teils implizit – auf unterschiedliche Vorstellungen von ›Wissen‹, ›Wissenschaft‹ und ›Forschung‹. Design wird etwa als eine wissenschaftliche Disziplin postuliert und nach dem Vorbild von verwandten Wissenschaftsdisziplinen (beispielsweise die Architektur oder

64.

Moebius,/Reckwitz: Einleitung. Poststrukturalismus und Sozialwissenschaften. 2009, S. 13.

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die Ingenieurwissenschaften) diskutiert.65 Andere Vorschläge stellen sich jedoch grundlegend gegen eine ›Verwissenschaftlichung‹ des Design. Sie schlagen vor, die Ausdrücke ›Forschung‹ und ›Wissenschaft‹ nicht synonym zu verwenden und die Designforschung in einem »erweiterten Verständnis von Erkenntnis« zu verstehen.66 Wieder andere Vorschläge sprechen davon, Designpraxis und Designforschung unter der Begriffsklammer einer ›Forschung durch Design‹ zu verschmelzen und dieses Gebilde dann als »autonome wissenschaftsanaloge« »nicht wissenschaftliche/wissenschaftsbasierte« Disziplin67 zu betrachten. Designforschung soll also als eine praxis-, nicht wissenschaftsbasierte Art der Forschung etabliert werden. Schließlich werden auch bildungspolitische Rahmengebungen und wirtschaftliche Forderungen diskutiert, die Designforschung als eine anwendungsorientierte Forschung befördern wollen.68 Die verwirrende Vielzahl der in den gegenwärtigen Debatten rund um die Designforschung angeführten, koexistenten Wissens- und Wissenschaftsvarianten spiegeln deutlich den Befund eines poststrukturalistischen Wissenspluralismus wider, in dem multiple Ansätze und Modi der Wissenserzeugung nebeneinander koexistieren. Die Virulenz, mit der diese Debatten bisweilen geführt werden, weist aber auch darauf hin, dass es sich dabei keineswegs um eine beliebige Auswahl aus einer Anzahl von Varianten handelt. Vielmehr lassen sich wahrhafte ›Glaubenskriege‹ vermuten, deren Inhalt die Suche nach der ›eigentlichen Essenz‹, dem ›wahren Wesen‹ von Design (und mithin auch Wissenschaft) zu sein scheint. Trotz eines vordergründig koexistierenden Wissenspluralismus wird mit Blick auf das Wissen im Design immer auch nach universellen, sinnund identitätsstiftenden Konzepten für die Disziplin gesucht. Dabei wird jedoch das Anliegen der poststrukturalistischen Wissensforschung marginalisiert, dass Wissensbegriffe und -konzepte keine ›wahre‹ oder ›natürliche‹ Ordnung des Wissens abbilden, sondern selbst bereits kulturell codiert und politisch und sozial ausgehandelt sind. Anhand eines interessanten, explorativen Textes von Gui Bonsiepe zur Epistemologie von Designforschung und -wissenschaft von 2004 soll diese ambivalente Koexistenz von Wissenspluralismus und die gleichzeitige Suche nach einem ›wahren Begriff‹ von Wissenschaft veranschaulicht werden.69 Um den wissenschaftlichen Status von Designforschung und -wissenschaft zu erörtern, bezieht sich Bonsiepe in seinem Text auf einen historischen Vortrag von Julius Hermann von Kirchmann zur Wertlosig65. 66. 67. 68. 69.

Schneider, Beat: Design als Wissenschaft und Forschung. In: Swiss Design Network: Forschungslandschaften im Umfeld des Designs. 2005, S. 11–20, hier S. 17. Dombois: CFF. Content Follows Form. 2005, S. 52. Jonas: Forschung durch Design. 2004, S. 27 ff. Vgl. dazu im 1. Kapitel, Abschnitt a. Bonsiepe: Von der Praxisorientierung zur Entwurfsorientierung. 2004, S. 14–25.

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keit der Jurisprudenz als Wissenschaft aus dem Jahre 1848. Von Kirchmann hielt für seine Zeit fest, dass die Jurisprudenz zwar eine Wissenschaft sei, jedoch ohne Einfluss auf die Alltagspraxis, zugleich sei sie aber auch keine Wissenschaft, da sie nicht den »wahren Begriff derselben erreicht«.70 Die Aufgabe einer Wissenschaft sah er darin, »ihren Gegenstand zu verstehen, seine Gesetze zu finden, zu dem Ende die Begriffe zu schaffen, die Verwandtschaft und den Zusammenhang der einzelnen Bildungen zu erkennen und endlich ihr Wissen in ein einfaches System zusammenzufassen«.71 Dieses historische Bild von Wissenschaft nimmt Bonsiepe nun als Ausgangspunkt, um die aktuelle Situation der Designforschung und -wissenschaft zu reflektieren. Analog zu von Kirchmann hält er fest, dass die Designwissenschaft zwar eine Wissenschaft sei, aber auf die »Entwurfspraxis«72 keinen Einfluss ausübe und dass die Designwissenschaft keine Wissenschaft sei, da sie im philosophischen Sinne keinen »wahren Begriff« von Wissenschaft erreiche.73 Damit macht er zum einen geltend, dass eine Designwissenschaft durch die Übermittlung ihres Wissens legitimiert werde und durch einen praktischen Nutzen ihre Berechtigung gewinne, zum andern bleibt er einem Wissenschaftsideal verhaftet, in dem Wissen in seiner Gültigkeit über das erkennende Subjekt hinausgehen und Allgemeingültigkeit erlangen soll. Zugleich sieht er sich mit der Schwierigkeit konfrontiert, wie die Praxis des Design einen Platz im Gefüge der Wissenschaftsdisziplinen einnehmen könnte und wie dieser zu legitimieren sei. Eine ›Verwissenschaftlichung‹ der »Entwurfstätigkeit« schließt er aus, da die wissenschaftliche Tätigkeit und die Entwurfstätigkeit seines Erachtens unterschiedliche Interessen verfolgten und klar voneinander zu unterscheiden seien: »Der Entwerfer beobachtet die Welt aus der Perspektive der Entwerf barkeit. Der Wissenschaftler hingegen betrachtet die Welt aus der Perspektive der Erkennbarkeit«.74 Gleichwohl erkennt er aber auch »eine untergründige Affinität im Vorgehen des innovativen Wissenschaftlers und des innovativen Entwerfers«, beide gingen experimentell vor und betrieben eine Art »tinkering«, ein »zielgerichtetes Basteln«.75 Über diesen teils historisierenden, teils kategorisierenden Vergleich von Design und Wissenschaft hinaus, thematisiert Bonsiepe in seinem

70. 71. 72.

73. 74. 75.

Kirchmann, Julius Hermann von: Die Wertlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft. Heidelberg. 2000 [1848], S. 7. Kirchmann: Die Wertlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft. 2000, S. 12. Gui Bonsiepe verwendet in seinem Text als Alternative zu den seines Erachtens »kontaminierten« Ausdrücken ›Design‹ und ›Gestaltung‹ durchgängig die Ausdrücke ›Entwurf‹ und ›Entwerfen‹. Bonsiepe: Von der Praxisorientierung zur Entwurfsorientierung. 2004, S. 14. Bonsiepe: Von der Praxisorientierung zur Entwurfsorientierung. 2004, S. 16. Bonsiepe: Von der Praxisorientierung zur Entwurfsorientierung. 2004, S. 17.

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Text im Weiteren auch gesellschaftliche und bildungspolitische Aspekte, etwa die zunehmende Komplexität von »Entwurfsproblemen« oder die Reformierung der Kunsthochschulen, die bedingen, dass Designschaffende in Praxis und Ausbildung zunehmend ihr Verhältnis gegenüber ›Wissenschaft‹ und ›Forschung‹ befragen und definieren müssen.76 Schließlich distanziert er sich aber von den Wissenschaften und von der wissenschaftlichen Theoriebildung (zumindest für die Belange des Design), in dem er »wissenschaftlichen Disziplinen« ein »entwurfsfremdes Drauflos-Spekulieren über Entwerfen und Entwurf« und »spekulativ-theoretische Studien« unterstellt, die ohne ein »Minimum an Sachkenntnis« (gemeint ist wohl die praktische Designerfahrung) erstellt würden.77 Bonsiepes Text zeichnet ein komplexes Bild der Bezüge zu ›Wissen‹ und ›Wissenschaft‹, vermittels derer die Eigenständigkeit von Designwissenschaft und -forschung argumentiert, abgeglichen und letztlich wohl auch legitimiert werden soll. So stellt er Bezüge zu historischen Vorstellungen und Legitimationserzählungen von Wissenschaft her, um daran aktuelle Wissensfragen zu besprechen. Zugleich wehrt er sich gegen eine Vereinnahmung und Entfremdung des ›alltäglichen‹ Wissens der Designpraxis durch wissenschaftliche Theoriebildung und knüpft damit (unbeabsichtigt) nicht nur an Lyotards Idee eines nichtwissenschaftlichen »narrativen Wissens« mit eigener (pragmatischer) Legitimationserzählung an, sondern auch an zeitgenössische Wissenskonzepte, welche die große Bedeutung von Erfahrungswissen für die wissenschaftliche Praxis thematisieren.78 Die kategorische Unterscheidung, die Bonsiepe zwischen ›Wissenschaft‹ und ›Entwurf‹ zu erkennen glaubt, suggeriert nicht zuletzt, dass solch eine Unterscheidung auch zwischen den beiden Dimensionen von ›Theorie‹ und ›Praxis‹ zu vermuten ist. Letztlich kann aber genau diese Unterscheidung in dem Text dort nicht aufrechterhalten werden, wo Bonsiepe einen Blick auf eine konkrete Praktik wagt, die zugleich in Wissenschaft und Entwurf zu finden ist, nämlich auf das tinkering, das zielgerichtete Basteln. Es zeichnet sich ab, dass Design und Wissenschaft wohl weniger kategorisch, zumindest aber differenzierter voneinander zu unterscheiden wären, wenn man sie auf der Ebene ihrer Praktiken befragt, und nicht auf der Ebene einer ihnen attestierten Essenz. Gegen Ende von Bonsiepes Text wird das hochkomplexe Bild einer Epistemologie der Designwissenschaft und -forschung noch durch den Verweis auf gesellschaftliche und bildungspolitische Anforderungen und Rahmungen verdichtet. Namentlich wird der Forschungsauftrag ange76. 77. 78.

Bonsiepe: Von der Praxisorientierung zur Entwurfsorientierung. 2004, S. 16 f. Bonsiepe: Von der Praxisorientierung zur Entwurfsorientierung. 2004, S. 18. Vgl. Rheinberger, Hans-Jörg: Experimentelle Virtuosität. In: Welsh/Willer: »Interesse für bedingtes Wissen«. 2008, S. 331–342.

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sprochen, den die europäischen Kunsthochschulen im Zuge der BolognaReform und weiteren Bildungsreformen erhalten haben. Anhand der in Bonsiepes Text genannten Bezüge und der darin mehr oder weniger explizit angeführten multiplen Konzepte von ›Wissen‹ und ›Wissenschaft‹ wird hoffentlich ersichtlich, durch welches komplexe Referenzsystem Designforschende gegenwärtig navigieren müssen, um Design im Hinblick auf eine ihm eigene Wissenskultur zu bestimmen. In Anbetracht dieser vielfältigen und oft nur schwer nachvollziehbaren Bezüge scheint es, dass die Debatten zu Designwissenschaft und -forschung weniger, oder zumindest nicht nur durch das Interesse an einem gemeinsamen Forschungsgegenstand zusammengehalten werden, sondern dass sie vielmehr ein Spannungsfeld repräsentieren, in dem sich wissenschaftliche, wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Interessen auf rhizomatische Weise überlagern. Entsprechend anspruchsvoll gestaltet sich – und davon handelt namentlich Foucaults Methode einer Archäologie des Wissens – 79 die Analyse solcher Wissensdiskurse, solcher »epistemologischer Felder«.80 Ihre historische Genese und gegenwärtige Verfasstheit kann meiner Ansicht nach weder durch essentialistische Definitionen, noch kategorische Festschreibungen von ›Wissen‹ und ›Wissenschaft‹ angemessen erforscht werden. Foucault schlug stattdessen vor, nach den historischen Bedingungen zu fragen, die epistemische Felder erst ermöglichen;81 danach zu fragen, »nach welchem Ordnungsraum sich das Wissen konstituiert hat, auf welchem Apriori und im Element welcher Positivität Ideen haben erscheinen, Wissenschaften sich bilden, Erfahrungen sich in Philosophien reflektieren, Rationalitäten sich bilden können«.82 Die Gewichtung einer solchen Betrachtungsweise läge dann nicht länger auf einer sauberen Trennung von ›Wissenschaft‹ und ›Nichtwissenschaft‹ oder von ›Wissenschaft und Design‹, sondern darin, wie Wolf Lepenies formuliert, »die Aufklärung über Wissenschaft zum Bestandteil des Wissenserwerbs zu machen«.83 Mit Blick auf die aktuellen Wissensbestimmungen im Design legt dieser Befund die Spannweite eines noch zu erkundenden historischen ›Hintergrunds‹, eines historischen Wissensdiskurses nahe. Zugleich wird damit auch ein geeigneter methodischer, nämlich diskursanalytischer Ansatz für eine solche Erkundung formuliert.

79. 80. 81. 82. 83.

Foucault, Michel: L'Archéologie du savoir. Paris. 1969. [Dt. Ausgabe: Archäologie des Wissens. 1981]. Foucault: Die Ordnung der Dinge. 1974, S. 24. Vgl. Foucault: Die Ordnung der Dinge. 1974, S. 23 f Foucault: Die Ordnung der Dinge. 1974, S. 24. Lepenies, Wolf: Gefährliche Wahlverwandtschaften. Essays zur Wissenschaftsgeschichte. Stuttgart. 1989, S. 158 f.

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Zum Konzept der Modus 2-Wissensproduktion Nach dem Blick auf poststrukturalistische Wissenskonzepte soll im Folgenden ein jüngeres Wissenskonzept, nämlich das der Modus 2-Wissensproduktion vorgestellt werden. Dieses ist für die Designforschung von besonderem Interesse, da es zum einen einen hohen Beschreibungswert für ihre Praktiken und Anwendungskontexte bereitstellt, zugleich aber auch als (bisweilen problematisches) Argument für ihre epistemologische und methodologische Legitimierung und Weiterentwicklung dient. 1994 publizierten Michael Gibbons, Camille Limoges, Helga Nowotny, Simon Schwartzman, Peter Scott und Martin Trow gemeinsam das Buch The New Production of Knowledge: The Dynamics of Science and Research in Contemporary Societies.84 Sie vertreten darin die These, dass sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein neuer Modus der Wissensproduktion entwickelt habe, der den ›traditionellen‹ Modus der akademischen Wissensproduktion abgelöst habe.85 Mit der Bezeichnung »Modus 2« umschreiben sie eine Praxis der Wissenserzeugung, bei der sich die klaren Abgrenzungen wissenschaftlicher Wissensproduktion gegenüber anderen, nichtwissenschaftlichen Modalitäten der Wissenserzeugung zunehmend auflösten. Zudem konstatieren sie eine zunehmende Kontextualisierung und Vergesellschaftung von Wissen.86 Während die Wissensproduktion in Modus 1 in einem disziplinären, hierarchischen, überwiegend von kognitiven Normen geprägten Kontext generiert werde, finde die Modus 2-Wissensproduktion nunmehr in einem breiteren, transdisziplinären sozialen und ökonomischen Kontext statt.87 Mit Modus 1 bringen Gibbons et al. einen Komplex von Ideen, Methoden, Werten und Normen in Beziehung, der sich hauptsächlich an naturwissenschaftlichen Idealen, namentlich am Modell der Newtonschen Physik orientiere.88 Die Bewertung des darin erzeugten Wissens sowie alle Aktivitäten, die die Produktion, Legitimation und Verbreitung von Erkenntnissen umfassten, genügten nur dann dem Anspruch der Wissenschaftlichkeit, wenn sie an diesem spezifischen Set von Normen ausgerichtet seien. Nach denselben Kriterien werde auch bestimmt, wer Wissenschaftler sei und wer nicht.89 Dieses Verständnis bedingt, dass in Modus 1 Wissen vor-

84. 85. 86.

87. 88. 89.

Gibbons et al.: The New Production of Knowledge. 1994. Gibbons et al.: The New Production of Knowledge.1994. Gibbons, Michael et al.: Wissenschaft neu denken. Wissen und Öffentlichkeit in einem Zeitalter der Ungewissheit. Weilerswist. 2005, S. 9. Übersetzungen der englischen Zitate (Ausgabe 1994) im Abgleich mit der deutschen Ausgabe von 2005. Gibbons et al.: The New Production of Knowledge. 1994, S. 1. Gibbons et al.: The New Production of Knowledge. 1994, S. 2. Vgl. Bender, Gerd: Einleitung. In: Ders. (Hg.): Neue Formen der Wissenserzeugung. Frankfurt a. Main. 2001, S. 9–21, hier S. 11.

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rangig von Wissenschaftlern im institutionellen Kontext der Wissenschaft hervorgebracht werden kann. Anders zeigt sich nach Ansicht von Gibbons et al. die Situation in der Modus 2-Wissensproduktion: In dieser Praxis der Wissenserzeugung, die sich neben dem tradierten Modus 1 etabliert habe, sei keine trennscharfe Abgrenzungen der wissenschaftlichen Wissensproduktion hinsichtlich ihrer Akteure und Kontexte mehr möglich.90 Wissenschaft könne nicht länger als autonomer Raum verstanden werden, der klar vom jeweiligen ›Anderen‹ der Gesellschaft, der Kultur und vor allem der Wirtschaft abgegrenzt sei, so Gibbons et al., vielmehr seien diese Bereiche ›intern‹ derart heterogen und ›extern‹ derart abhängig voneinander und grenzüberschreitend geworden, dass sie nicht mehr unterscheidbar seien.91 Diese Aussage zielt gleichermaßen auf eine veränderte Selbsteinschätzung der Wissenschaft als auch auf eine veränderte gesellschaftliche Sicht auf wissenschaftliches Wissen. Die wissenschaftliche Wissensproduktion repräsentiert in Modus 2 nicht länger eine idealisierte, vom gesellschaftlichen Geschehen losgelöste Praxis, sondern wird als historisch und kulturell geformte Praxis verstanden, deren Protagonisten einander durch gemeinsame intellektuelle Orientierungen, Werte, Wahrnehmungsweisen, aber auch durch gemeinsame materielle Interessen (nicht immer freiwillig) miteinander verbunden seien.92 Um die Wissensproduktion in Modus 2 adäquat zu erfassen, erachten die Autoren es als notwendig, nicht mehr nur von ›Wissenschaft‹ und ›Wissenschaftler‹ zu sprechen, sondern in allgemeinerer Weise von »Wissen« und von »Praktikern der Wissenserzeugung«.93 Diese Unterscheidung ist allerdings nicht normativ konnotiert. Sie besagt nicht, dass die »Praktiker der Wissenserzeugung« in Modus 2 sich nicht den Normen wissenschaftlicher Methoden gemäß verhielten, sondern lediglich, dass sie nicht per definitionem Wissenschaftler seien.94 Ein Beleg für eine solche Neubewertung von Wissen ist etwa das Zentrum Geschichte des Wissens an der ETH Zürich, das explizit die Geschichte des Wissens, nicht mehr ausschließlich jene der Wissenschaften zum Gegenstand hat.95 Die maßgeblichsten Unterschiede zwischen den beiden genannten Modi der Wissensproduktion sehen Gibbons et al. in deren disziplinären und kontextuellen Verortung. Während im Modus 1 das Angebot von neuem Wissen weitgehend in einem disziplinären (gelegentlich multidisziplinären), durch akademische Interessen und Institutionen bestimmten 90. 91. 92. 93. 94. 95.

Gibbons et al.: Wissenschaft neu denken. 2005, S. 9. Gibbons et al.: Wissenschaft neu denken. 2005, S. 9. Gibbons et al.: Wissenschaft neu denken. 2005, S. 155. Gibbons et al.: The New Production of Knowledge. 1994, S. 3. Bender: Neue Formen der Wissenserzeugung. 2001, S. 11. Auf: http://www.zgw.ethz.ch [Okt. 2010].

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Kontext entwickelt worden sei, erfolge die Wissensproduktion in Modus 2 nunmehr überwiegend in einem »Anwendungszusammenhang« (context of application), sie sei prinzipiell transdisziplinär angelegt und fungiere als heterogenes, temporär und punktuell agierendes Ensemble bestehend aus Forschenden und Experten mit unterschiedlichem Spezialwissen.96 Mit der Betonung des Anwendungskontextes wollten Gibbons et al. freilich nicht die bestehende Unterscheidung zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung verfestigen. Vielmehr argumentieren sie, dass im neuen Modus auch die Grundlagenforschung zunehmend anwendungsorientiert und mehr noch, dass das Moment der Anwendung selbst zum allgegenwärtigen gesellschaftlichen Imperativ für die Forschung geworden sei.97 Sowohl die Anwendungsbezogenheit der Modus 2-Wissensproduktion als auch die Heterogenität der darin versammelten Akteure, Expertisen und Interessen bedingen laut Gibbons et al., dass sich die Kriterien veränderten, nach denen bestimmt werde, was »gute Wissenschaft« sei. An die Stelle der akademischen Peer-Review träten Qualitätskriterien und Evaluatoren, die aus dem Anwendungskontext stammten: »The loop from the context of application through transdisciplinarity, heterogeneity, organisational diversity is closed by new adaptive and contextual forms of quality control«.98 Mit anderen Worten resultiert die Art des zu produzierenden Wissens als Ergebnis eines Prozesses, in dem sowohl Angebot und Nachfrage wirksam werden als auch Problemdefinition und Lösungsaktivitäten Gegenstand von Aushandlungen zwischen den Akteuren sind. Mit dem Fokus auf den Anwendungskontext und die Praxisnähe zeitgenössischer Wissensproduktion wird nicht nur auf deren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Implikationen verwiesen, sondern gleichermaßen auf eine damit einhergehende gesellschaftliche und soziale Verantwortung. Wissen selbst wird als ein sozial ausgehandeltes und distribuiertes Gut verstanden. In Modus 2 sei von Beginn an eine Sensibilität und Reflexivität nicht nur für die wirtschaftlichen, sondern auch gesellschaftlichen, ökologischen oder politischen Auswirkungen der Forschungsergebnisse angelegt: »Operating in Mode 2 makes all participants more reflective«, so formulieren Gibbons et al. ihre Hoffnung.99 Das Konzept der Modus 2-Wissensproduktion blieb indes nicht ohne Kritik. Problematisiert wird etwa von Peter Weingart, dass das Konzept zu pauschalisierend und in seiner Begründung unpräzise sei. So könne beispielsweise erst in Modus 2, nicht aber in Modus 1, überhaupt von einer »Produktion« von Wissen gesprochen werden und ebenfalls blieben 96. 97. 98. 99.

Gibbons et al.: The New Production of Knowledge. 1994, S. 3–7. Nowotny: Es ist so. Es könnte auch anders sein. 1999, S. 50. Gibbons et al.: The New Production of Knowledge. 1994, S. 9. Gibbons et al.: The New Production of Knowledge. 1994, S. 7.

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mit der Diagnose der Auflösung wissenschaftlicher Disziplingrenzen und mit der zunehmenden Transdisziplinarität der Wissensproduktion viele Fragen bezüglich der kritischen Bewertung eines solchen Wissens durch Experten offen.100 Weingart weist zudem darauf hin, dass der romantisierende Appell an die höhere Weisheit der »partizipierenden Gruppen« in diesem Konzept von Wissensproduktion unübersehbar sei.101 Die Unterstellung, dass durch die Partizipation von so genannten »Betroffenen« ein größerer Konsens erzeugt werde, ist seiner Ansicht nach als Pendant zu den Rationalitätsthesen der »Technokratietheorien« zu werten: An Stelle der vermeintlich konsenserzwingenden wissenschaftlichen Rationalität tritt nunmehr der Konsens der demokratischen Partizipation.102 Diese sei allerdings nur vermeintlich demokratisch, denn es gehe bei den »Verfahren der Mediation«, das heißt bei der Beteiligung von »Laien«, »Betroffenen« und anderen, nicht um eine Auf hebung der Differenz zwischen »Laienwissen« und wissenschaftlichem Wissen, sondern um ein Verfahren des politischen Umgangs mit dieser Differenz, so Weingart.103 Obwohl auch er die Verfahren der Mediation von Wissen als charakteristisch für die gegenwärtige ›Wissensgesellschaft‹ bewertet, so beobachtet er doch in den betreffenden Debatten im Grunde nur neuere Spielarten eines virulenten »Technokratiediskurses«, der zwar die Wissenschaft und Technik zur Lösung von menschlichen Problemen zum Thema habe, der jedoch einer übermächtigen, außer Kontrolle geratenen Technik gegenüberstehe.104 Andere Autoren kritisieren darüber hinaus berechtigterweise die starke Betonung des Annwendungskontextes in Modus 2 lege nahe, dass die Forschung der wirtschaftlichen und politischen Agenda unterzuordnen sei und dass Forschungsergebnisse voraussehbar und demnach mit Kalkül planbar seien.105 Die zahlreichen Reaktionen auf das Konzept der Modus 2-Wissensproduktion veranlasste einige der Autoren von The New Production of Knowledge zu einer Differenzierung ihrer Befunde.106 Den Kritiken an den Thesen zur Modus 2-Wissensproduktion begegnen sie mit dem Argument, dass sowohl The New Production of Knowledge als auch das nachfolgende Buch Re-Thinking Science eher als reflexive Essays, denn als empirische Studien geschrieben worden seien: »Their purpose was as much to address

100. Weingart, Peter: Die Stunde der Wahrheit. Zum Verhältnis der Wissenschaft zu Politik, Wirtschaft und Medien in der Wissensgesellschaft. Weilerswist. 2001, S. 14 ff. 101. Weingart: Die Stunde der Wahrheit. 2001, S. 22. 102. Weingart: Die Stunde der Wahrheit. 2001, S. 23. 103. Weingart: Die Stunde der Wahrheit. 2001, S. 22. 104. Weingart: Die Stunde der Wahrheit. 2001, S. 22 f. 105. Ziman, John: Is Science Losing its Objectivity?. In: Nature. Nr. 382. 1996, S. 751–754. 106. Nowotny, Helga et al.: Re-Thinking Science: Knowledge and the Public in an Age of Uncertainty. London. 2001.

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the need to invent a new language of research, as to offer a detailed analysis of the trends we have just described«.107 Sie konstatieren, dass in der öffentlichen Wahr nehmung ihre Ausführungen zu den Veränderungen in der Wissenschaftslandschaft allzu oft auf das Schlagwort Modus 2 reduziert worden seien.108 Zurückgewiesen hätten die These vor allem diejenigen, die dadurch »am meisten zu verlieren« glaubten: Forschende in etablierten Disziplinen und Institutionen, die befürchteten, dass die Qualität der Wissenschaft durch eine politische Verbreitung des Modus 2-Konzeptes erodiert werden könnte und die ihre eigenen Autonomie durch eine derart explizite Verbindung von Forschung und Innovation in Gefahr sähen. Andere dagegen hätten die Sichtweise einer veränderten Wissensproduktion begrüßt: Politiker oder Beamte etwa, die danach strebten, Wissenschaft und Innovation besser zu verbinden. Zu denjenigen, die das Konzept von Modus 2 als eine willkommene argumentative Unterstützung betrachten, zählten nach Nowotny et al. auch Forschende aus berufsbezogenen Fächern, die sich damit aus der herablassenden Haltung der etablierteren und »akademischeren« Disziplinen zu befreien suchten; Forschende an neueren Universitäten, nichtuniversitären höheren Fachschulen oder solche, die außerhalb des strikt definierten akademischen und wissenschaftlichen Systems agierten. Designforschung als Modus-2 Wissensproduktion Offensichtlich gehört auch die Designforschung zu denjenigen Fächern bzw. Disziplinen, welche die charakteristischen Kennzeichen einer Modus 2-Wissensproduktion aufweisen, und Designforschende haben ihrerseits bereits auf die These Bezug genommen.109 Anwendungsfelder des Konzeptes finden sich erstens und vor rangig in dem oft akzentuierten Anwendungskontext von Designforschung, zweitens in ihrem transdisziplinären Forschungsanspruch und den daraus resultierenden heterogenen, oftmals temporären Zusammenstellungen von Forschungsgruppen, drittens in ihrem prekären Status als Disziplin. Das erste Feld, der Anwendungskontext, resultiert zum einen daraus, dass Design, als gewerbliche Praxis beginnend, seit spätestens den 1960er Jahren einen akademischen Weg einschlug und ihren Praxisbezug in der Forschung weiterhin aufrechterhält, sei es in Form von angewandter oder praxisbasierter Forschung. 107. Nowotny, Helga et al.: ›Mode 2‹ Revisited. Minerva. Nr. 41. 2003, S. 179–194, hier S. 180. 108. Nowotny et al.: ›Mode 2‹ Revisited. 2003, S. 179. 109. Aken, Joan Ernst van: Management Research as a Design Science: Articulating the Research Products of Mode 2 Knowledge Production in Management. In: British Journal of Management. Vol. 16, Nr. 1. 2005, S. 19–36.

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Keineswegs unbedeutend ist dabei die Unterscheidung zwischen ›angewandt‹ und ›praxisbasiert‹: Während angewandte Forschung und Entwicklung sich auf der Basis bestehender Grundlagenforschung mit der Produktion und Weiterentwicklung von Wissen befasst, dessen Ziel in der Lösung praktischer, meist technologischer Problemstellungen und in der Entwicklung entsprechender Anwendungen und Produkte liegt, kann praxisbasierte Designforschung durchaus grundlagenforschenden Charakter besitzen, indem gestalterische Praktiken selbst als eine Weise der Wissenserzeugung adressiert werden. Auch nach Nowotny et al. ist der Begriff ›Anwendungskontext‹ in Modus 2 nicht als Nivellierung aller Forschung auf die Ebene von angewandter Forschung misszuverstehen: »The idea of ›Mode 2‹ was never intended to be a new-fangled label for applied science or programmatic research«.110 Der Begriff des ›Anwendungskontextes‹ umfasse mehr als nur eine bloße Applikation von Wissen: »The context of application […] describes the total environment in which scientific problems arise, methodologies are developed, outcomes are disseminated, and uses are defined«.111 Um der falschen Interpretation eines positivistischen oder utilitaristischen ›Anwendungskontextes‹ zu entgehen, fordern Nowotny et al., dass Forschende einen vorausschauenden Blick nicht nur für die Applikationen von Wissen, sondern auch für deren Implikationen entwickeln müssten.112 In diesem Sinne sind die aktuellen Wissensbestimmungen in der Designforschung selbst als ein Anwendungskontext zu lesen. Es sind die Fragen zur epistemologischen Ausrichtung von Designforschung, zu ihrer adäquaten Methodik, zu ihrer institutionellen Verortung und finanziellen Förderung, die diesen Anwendungskontext definieren. Das zweite Anwendungsfeld des Konzepts der Modus 2-Wissensproduktion ist die in Designforschungsprojekten oft postulierte und angestrebte Transdisziplinarität. Nowotny et al. schreiben zum Aspekt der »Transdisziplinarität« in Modus 2: [By ›trans-disciplinarity‹] is meant the mobilization of a range of theoretical perspectives and practical methodologies to solve problems. But, unlike inter- or multi-disciplinarity, it is not necessarily derived from pre-existing disciplines, nor does it always contribute to the formation of new disciplines. The creative act lies just as much in the capacity to mobilize and manage these perspectives and methodologies, their ›external‹ orchestration, as in the development of new theories or conceptualisations, or the refinement of research methods, the ›internal‹ dynamics of scientific creativity. In other words, ›Mode 2‹ knowledge is embodied in 110. Nowotny et al.: ›Mode 2‹ Revisited. 2003, S. 190. 111. Nowotny et al.: ›Mode 2‹ Revisited. 2003, S. 186. 112. Nowotny et al.: ›Mode 2‹ Revisited. 2003, S. 191 f.

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the expertise of individual researchers and research teams as much as, or possibly more than, it is encoded in conventional research products such as journal articles or patents.113

Auch in der gegenwärtigen Designforschung finden sich solche temporäre, auf individuelle Akteure gestützte inter- und transdisziplinäre Arbeitsweisen und Projektkonstellationen, die weder aus einer bestehenden Disziplin hervorgehen, noch sich in eine neue überführen lassen. Aus einer institutionellen Perspektive kann dies dadurch erklärt werden, dass Designforschende von sehr unterschiedlichen, aus akademischer Sicht oftmals instabilen Positionen aus agieren. Teils sind es Designforschende, die in großen Unternehmen in Zusammenarbeit mit Universitäten und Hochschulen markt- und innovationsorientierte Forschung betreiben. Teils findet Designforschung an Technischen Universitäten, teils an Kunsthochschulen statt – hier in wechselnden kollaborativen Konstellationen mit unterschiedlichen Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft, in Zusammenarbeit mit sozialen und öffentlichen Institutionen. Eher ausnahmsweise jedoch findet Designforschung oder auch Designwissenschaft als monodisziplinäres Unterfangen auf der Grundlage eines akademisch etablierten Lehrstuhls statt. Doch diese ›hybride‹ institutionelle Verortung von Designforschung ist nicht der einzige Grund, weswegen transdisziplinäre Arbeitsweisen und Projektkonstellationen dort favorisiert werden. Ein weiterer, vielleicht gewichtigerer Grund dürfte in den im 2. und 3. Kapitel ausführlich behandelten Auffassungen und Leitmotiven von Design liegen, die dieses als eine Tätigkeit ›im Dazwischen‹, als eine Arbeit an Schnittstellen definieren. In der Designforschung werden transdisziplinäre Herangehensweisen und Projektkonstellationen wie erwähnt durch die Annahme geleitet, dass die Praktiken und Konzepte des Entwerfens und der Gestaltung sich stets mit Fragen und ›Inhalten‹ anderer Felder und Disziplinen auseinanderzusetzen haben. In der Designtheorie wird ›Design‹ entsprechend als eine Dimension definiert, die eine Interaktion zwischen Handelnden aus unterschiedlichen Bereichen, Werkzeugen und Artefakten und einem Handlungsziel gestalten soll.114 Gepaart mit Herbert Simons Diktum, dass jeder Mensch ein Designer sei, der eine bestehende Situation in eine bevorzugte verwandle,115 bietet ein solch weites Verständnis von Design das Potential – oder vielmehr die Legitimation – in jedem erdenklichen Feld und über Fach- und Disziplingrenzen hinaus Forschungsfragen zu adressieren. Es bleibt allerdings zu hinterfragen, inwiefern das Desiderat nach transdisziplinären Arbeitsweisen und Konstellationen einzig aus dem 113. Nowotny et al.: ›Mode 2‹ Revisited. 2003, S. 186. 114. Bonsiepe: Design: Von Material zu Digital und zurück. 1996, S. 20. 115. Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 4 f.

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Design heraus formuliert werden kann oder ob nicht vielmehr Feld und Disziplin übergreifende Forschungsfragen aus einem gemeinsamen Interesse, aus gemeinsamen Problemstellungen entstehen. Ich habe den Begriff ›Transdisziplinarität‹ in Anlehnung an Helga Nowotny et al. affirmativ weitergeführt und dabei zunächst außer Acht gelassen, dass der Begriff keineswegs einheitlich verwendet wird. Helga Nowotny selbst bezieht sich in ihrem Verständnis davon auf eine Formulierung von Erich Jantsch.116 Demzufolge entsteht Transdisziplinarität immer dann, wenn Forschung quer über die disziplinäre Landschaft auf einer gemeinsamen Axiomatik und auf einer gegenseitigen Durchdringung disziplinärer Erkenntnismethoden beruht. Diese Kooperation führe zu einer Bündelung, einem »clustering« von disziplinär unterschiedlich verorteten Problemlösungen, die aus einem gemeinsamen Theoriepool schöpft. Damit sei aber nicht gesagt, so Nowotny, dass die transdisziplinären »cluster« später zwangsläufig in eigenständige Disziplinen umgewandelt würden, wie dies etwa bei der Molekularbiologie der Fall gewesen sei.117 Jürgen Mittelstraß akzentuiert demgegenüber, dass von ›Transdisziplinarität‹ erst dann gesprochen werden könne, wenn aus temporären »interdisziplinären« wissenschaftlichen Kooperationen eine andauernde, die fachlichen und disziplinären Orientierungen selbst verändernde, wissenschaftssystematische Ordnung entstehe.118 Während bei Nowotny et al. also der temporäre Charakter von transdisziplinären Arbeitsweisen und Konstellationen betont wird, ist bei Mittelstraß deren Verfestigung relevant. Er versteht ›Interdisziplinarität‹ – und diese Lesart kann die Ausführungen von Nowotny et al. ergänzen – als ein »Korrektiv wissenschaftlicher Fehlentwicklungen« innerhalb der Wissenschaften. Interdisziplinarität hebe fachliche und disziplinäre Engführungen dort wieder auf, so Mittelstraß, wo diese der Problementwicklung und einem entsprechenden Forschungshandeln im Wege stünden.119 Nowotny gibt allerdings auch zu bedenken, dass der Transdisziplinarität nicht per se ein positiver Wert zukommen müsse. Vielmehr entstehe sie im Prozess des Arbeitens nach Modus 2 als Ergebnis einer Reihe kognitiver und gesellschaftlicher Entwicklungstendenzen und des damit verknüpften Problemdrucks.120 Auch Mittelstraß schränkt ein, dass die Transdisziplinarität zwar innerhalb des Konstitutionszusammenhangs der 116. Jantsch, Erich: Technological Planning and Social Futures. London. 1972. Zit. nach Nowotny: Es ist so. Es könnte auch anders sein. 1999, S. 106. 117. Nowotny: Es ist so. Es könnte auch anders sein. 1999, S. 107. 118. Vgl. Mittelstraß Jürgen: Die Stunde der Interdisziplinarität? In: Kocka, Jürgen (Hg.): Interdisziplinarität. Praxis, Herausforderung, Ideologie. Frankfurt a. Main. 1987, S. 152–158. 119. Mittelstraß, Jürgen: Methodische Transdisziplinarität. In: Technikfolgenabschätzung. Theorie und Praxis. Vol. 14, Nr. 2. 2005, S. 18–23, hier S. 19. 120. Nowotny: Es ist so. Es könnte auch anders sein. 1999, S. 106 f.

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Fächer und Disziplinen Engführungen aufheben könne, wo diese ihre historische Erinnerung verloren und ihre problemlösende Kraft über allzu großer Spezialisierung eingebüsst hätten, aber dass sie aber letztlich Fächer und Disziplinen nicht ersetzen könne.121 Die genannten Einschränkungen erschweren das Sprechen von einer transdisziplinär ausgerichteten Designforschung insofern, da ihr Gegenstand und ihre Fragestellungen in der Tat die Grenzen bestehender Wissenschaftsdisziplinen überschreiten – etwa jene von Ingenieurwissenschaften, Kunstgeschichte, Medien- oder Kulturwissenschaft, Designforschung aber zugleich als eigenständige akademische Disziplin nur schwach konturiert und wenig etabliert ist. Es zeichnet sich eine scheinbar paradoxe Situation ab: Eine transdisziplinäre Vorstellung von Gegenstand und Fragestellungen sowie ein erweitertes Verständnis von Design decken zwar die Interessenlage von Designforschenden ab, zugleich erschweren gerade sie die Etablierung von Designforschung oder Designwissenschaft als eigenständige, klar konturierte Disziplin. Dennoch ist mit Nowotny et al. auch daran zu erinnern, dass sich Transdisziplinarität nicht zwangsläufig von bereits existierenden Disziplinen herleiten lässt und dass Modus 2-Wissen in der Expertise von individuellen Forschern und Forschungsgruppen ebenso zu verorten ist, wie in »konventionellen« Forschungsergebnissen wie etwa in Artikeln in Wissenschaftsjournalen oder in Patenten.122 Daran anschließend kann die dritte Verbindung zwischen Designforschung und einer Modus 2-Wissensproduktion gesehen werden. In ihrem prekären, unentschiedenen Status als sich formierende, wissenschaftliche oder ›wissenschaftsalternative‹ Disziplin, kann sie zugleich als Symptom als auch Projekt von »Modus-2« verstanden werden. Zwar kann Designwissenschaft und -forschung auf eine gewisse akademische Tradition seit den 1960er Jahren zurückblicken und ist in unterschiedlichen Konstellationen punktuell an Technischen Universitäten und Kunsthochschulen verortet, gleichwohl gilt sie im Vergleich zu etablierten Wissenschaftsdisziplinen als ›schwache Disziplin‹, als Randphänomen. Zudem herrscht selbst innerhalb der Designforschung kein Konsens darüber, ob ihr Selbstverständnis dem einer wissenschaftlichen Tätigkeit oder einer professionellen Praxis entsprechen soll – oder eine Verquickung von beidem darstellt. Zweifellos bietet diese Rand- und Zwischenstellung der Designforschung gewisse Vorzüge und Freiräume, etwa hinsichtlich der Entwicklung unorthodoxer Fragestellungen, der Erprobung neuer Methoden oder unüblichen Kooperationen. Daraus resultieren aber auch ernstzunehmende Schwierigkeiten hinsichtlich der wissenschaftlichen Anerkennung von Designforschung. So entspre121. Mittelstraß: Methodische Transdisziplinarität. 2005, S. 20. 122. Nowotny et al.: ›Mode 2‹ Revisited. 2003, S. 186.

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chen die Rahmenbedingungen zur Forschungsförderungen und -gefässen den Kriterien und Regeln bereits bestehender Wissenschaftsdisziplinen und lassen das Design so außer acht. Ganz lapidar könnte die Eingabe eines Forschungsprojekts im Design daran scheitern, dass es zunächst keiner bestehenden Disziplin oder Kategorie zugeordnet werden kann. Der Soziologe Franz Schultheis spricht mit Blick auf die materialisierten Ein- und Auschlußkriterien wissenschaftlichen Arbeitens (Antragsformulare, Gesuche, Keywords etc.) davon, dass sie »papierene Torwächter der Institution ›Wissenschaft‹« darstellten. Gesuchsteller merkten rasch, wie schwierig es sei, für eine im Werden begriffene Disziplin eine eigene Sprache, eigene Paradigmata, unverwechselbare Labels und Kürzel zu finden, die bereits Wiedererkennungswert und Konsensfähigkeit erworben hätten.123 In dieser Hinsicht vermag es kaum zu erstaunen, dass das Konzept der »Modus-2«-Wissensproduktion Designforschenden als willkommenes (auch bequemes) Argument dient, um damit ihren prekären, ambivalenten wissenschaftlichen Status gegenüber dem etablierten akademischen System zu erklären – oder diesen damit sogar zu legitimieren. Nowotny et al. verwehren sich allerdings dagegen, dass Modus 2 als Konzept zu begreifen sei, das beliebig interpretiert und nach Bedarf manipuliert werden könne, vielmehr sei Modus 2 selbst ein Projekt, ein Beispiel für die soziale Distribution von Wissen, die es zu beschreiben suche.124 Es sei aber auch falsch, die Wissensproduktion in Modus 2 als zweitrangiges Phänomen zu marginalisieren. Zum einen könne ein derart produziertes Wissen vor allem in seiner transdisziplinären Dimension einen fundamentalen Beitrag zu der Entwicklung von neuen Methodologien, Konzepten und Theorien leisten, selbst wenn dieses Wissen nur bedingt in den gängigen wissenschaftlichen Kontexten verankert sei. Zum anderen könne das traditionelle Ziel der Wissenschaften – die Herstellung von verlässlichem Wissen – nicht länger ein selbstgenügendes Unterfangen sein. Wissen müsse vielmehr »sozial robust« sein, da seine Geltung nicht mehr vorwiegend durch die engere wissenschaftliche Gemeinschaft, sondern durch viel weitere Gemeinschaften von Wissensproduzenten, Verbreitern, Händlern und Benutzern determiniert sei.125 Um dennoch einen diskursiven Ort der Wissensverhandlung zu gewährleisten, der sowohl die »Arena« des Markts und der Politik umfasst als auch darüber hinaus geht, lancieren die Autoren die Idee einer öffentlichen Agora, in der die Wissensproduktion kontextualisiert werden soll.

123. Schultheis: Disziplinierung des Designs. 2005, S. 82. 124. Nowotny et al.: ›Mode 2‹ Revisited. 2003, S. 180. 125. Nowotny et al.: ›Mode 2‹ Revisited. 2003, S. 191 f.

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The agora is the problem-generating and problem-solving environment in which the contextualization of knowledge production takes place. It is populated not by arrays of competing ›experts‹, and the organizations and institutions through which knowledge is generated and traded, but also by variously jostling ›publics‹. […] The agora is a domain of primary knowledge production – through which people enter the research process, and where ›Mode 2‹ knowledge is embodied in people and projects. The role of controversies in realizing scientific potential is also played out in the agora.126

Die ›epistemischen Räume‹, in denen Wissen entsteht und verhandelt wird, werden in dieser Sichtweise also um eine selbstreflexive, quasi öffentliche Ebene der Verhandlung und Vermittlung von Wissen erweitert. Der hier formulierte Anspruch an Selbstreflexivität ist mit der Einsicht verbunden, dass Wissen Bestandteil eines komplexen Wissen/Macht-Komplexes ist, der nicht nur durch den Wunsch nach einer Demokratisierung von Wissen geprägt wird, sondern auch, und in verstärktem Maße, durch die ökonomische Logik der postindustriellen Gesellschaft gelenkt wird. Umso dringlicher erscheint der Wunsch, Wissen nicht nur als ökonomisches oder politisches Kapital, sondern als kulturelles und symbolisches Gut zu protegieren. Im Hinblick auf die genannten veränderten Bedingungen und Anforderungen an Wissen und Wissenserzeugung kann Designforschung als ein diesen Veränderungen immanentes ›Produkt‹ verstanden werden. Sie kann sich aber auch als ein eigensinniger Akteur im Spannungsfeld von Entwerfen, Wissen und Produzieren bewegen. Zugespitzt formuliert, ist nicht nur in einem technisch-utilitaristischen Sinne danach zu fragen, wie Designforschung in das Konzept einer veränderten Wissenserzeugung hineinpasst, davon profitieren könnte oder was sie dort leisten sollte, sondern auch danach, was eine derart enge Koppelung von Design, Forschung und Wissensproduktion für das Design als gestalterisch-künstlerische Praxis bedeutet. Ein möglicher Schluss wäre, die Verbindung von Design und Wissen nicht nur als ein epistemologisches, sondern auch als ein politisches Projekt zu befragen. Tom Holert schreibt mit Blick auf die visuellen Künste, dass die entscheidende Frage derzeit sei, ob sich diese der ›Realität‹ der zeitgenössischen Wissensgesellschaft anpassen, oder sich der impliziten Logik und den Zwängen eines »kognitiven Kapitalismus« widersetzen sollten.127 Meines Erachtens ist es angebracht, diese Frage auch für die Belange der Designforschung zu reformulieren – zumal Design und Designforschung 126. Nowotny et al.: ›Mode 2‹ Revisited. 2003, S. 191 f. 127. Holert: Art in the Knowledge-based Polis. 2009, S. 9. Vgl. dazu Moulier-Boutang, Yann: Le capitalisme cognitif: La nouvelle grande transformation. Paris. 2007.

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oft unter großen wirtschaftlichen (und auch politischen) Einschränkungen operieren müssen. In seinem epochalen Werk Ästhetik des Widerstandes, Anfang der 1980er Jahre erschienen, benutzte Peter Weiss bereits den Begriff der ›künstlerischen Forschung‹, um damit eine emanzipatorische, widerständige Form der künstlerisch-gestalterischen Praxis zu benennen. Heute wird diese Notion zum Beispiel von Hito Steyerl für die Belange der künstlerischen Forschung aktualisiert.128 Überträgt man diese Lesart auf die Designforschung, dann wäre sie als ein Versuch zu verstehen, keine affirmative, die hegemonialen gesellschaftlich-wirtschaftlichen Bedingungen reproduzierende Forschung zu betreiben, sondern vermittels der Herstellung symbolisch-materialer Vorschläge auf wissenschaftlich-technologische Entwicklungen zu reagieren. Im anglophonen Kulturraum finden sich unter der Bezeichnung critical design und speculative design bereits Ansätze, die danach streben, das Design aus einem rein affirmativ marktwirtschaftlichen Kontext herauszulösen und sein kritisches Potential zu aktivieren.129 Anhand eines ›spekulativen‹ oder ›kritischen‹ Designvorschlags soll also nicht zwingend Produkt- oder Dienstleistungsinnovation werden. Vielmehr sollen potentielle technologisch-wissenschaftliche Entwicklungen antizipiert und vermittels kritischer Designinterventionen zur öffentlichen Diskussion gestellt werden. In diesem Sinne könnte Designforschung durchaus, auf der Basis des Konzepts einer materiellen Kultur, eine vermittelnde Funktion zwischen gesellschaftlichem Anwendungskontext und wissenschaftlich-technologischen Entwicklungen einnehmen.

b. Zur historischen Trennung von Kunst und Wissenschaft und der Neubestimmung ihrer Interferenzen Nachdem die aktuellen Wissensbestimmungen in der Designforschung mit Blick auf ihre Beziehung zu prägenden Wissensdebatten des späten 20. Jahrhunderts kontextualisiert wurden, sollen sie nun vor dem Hintergrund eines derzeit neu in Frage gestellten Verhältnisses von ›Kunst‹ und ›Wissenschaft‹ reflektiert werden. Aktuelle Fragen zu den Modi der Erzeugung und Darstellung von Wissen in der Designforschung sowie zu ihrer 128. Weiss, Peter: Die Ästhetik des Widerstands. Band 1–3. Berlin. 1983. Siehe zu diesem Bezug Steyerl, Hito: Aesthetics of Resistance? Artistic Research as Discipline and Conflict. In: 8maHKUzine. Journal of Artistic Research. Winter 2010, S. 31–37, hier S. 32. 129. Vgl. dazu beispielsweise: Dunne, Anthony; Raby, Fiona: Design Noir. Basel et al. 2001 sowie: Kerridge, Tobie: Does Speculative Design Contribute to Public Engagement of Science and Technology. In: Swiss Design Network (Hg.): Multiple Ways to Design Research. Research cases that reshape the design discipline. Lugano/Milano, 2009, S. 208–224.

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epistemologischen und methodologischen Ausrichtung sind, so soll im Folgenden veranschaulicht werden, in ein Geflecht reziproker kultureller Beziehungen eingebunden, das maßgeblich durch historische Begriffsbestimmungen von Kunst und Wissenschaft sowie durch deren heutige, erneute Aushandlung konstituiert wird. Anders formuliert, vollzieht sich die gegenwärtige Identitätssuche und Begriffsbestimmung einer autonomen Designdisziplin – die sich sowohl von Kunst als auch von Wissenschaft differenzieren will und sich als Synthese dieser beiden Felder versteht – vor dem Hintergrund von und im Austausch mit zeitgenössischen Debatten, die das Verhältnis von Kunst und Wissenschaft neu adressieren. Anstatt auf die historisch gewachsenen Grenzen und Unterschiede der einstmals vereinten Felder zu schauen, werden in diesen Debatten in spezifischer Weise Gemeinsamkeiten und Analogien von Kunst und Wissenschaft auf der Ebene ihrer Selbstverständnisse, Praktiken, und Darstellungsformen thematisiert. Damit wird zugleich eine neuerliche Begriffsbestimmung von künstlerischer und wissenschaftlicher Praxis betrieben, in deren Wirkungsfeld auch die Designforschung zu verorten und zu reflektieren ist. Zum Design der Wissenschaft Die Bestrebungen, die Designpraxis als autonome Disziplin zu positionieren, werden von grundlegenden Fragen zum Verhältnis von Design, Kunst und Wissenschaft begleitet. Genährt werden diese Fragen zum einen durch solche Ansätze, die Designforschung als kunst- und wissenschaftsalternative Disziplin zu bestimmen versuchen, zum anderen durch die Institutionalisierung praxisbasierter Forschung an Kunsthochschulen und -universitäten. In diesem Format werden gestalterische Praktiken oft in eine polarisierende Beziehung zur wissenschaftlichen Wissenserzeugung gestellt. Doch wie könnte dieses Verhältnis anders gedacht werden? Richard Buchanan stellt in seinem Aufsatz Declaration by Design (2008) spielerisch die Frage, ob »Design eine Wissenschaft der Kunst oder eine Kunst der Wissenschaft« sei.130 Seine Frage legt als eine mögliche Lesart nahe, die wissenschaftliche Tätigkeit als Kunstfertigkeit zu betrachten, die vergleichbare, praktische wie kognitive, Fertigkeiten benötigt wie die Designtätigkeit. In dieser Lesart zielt seine Frage auf eine strukturelle Ähnlichkeit zwischen Design und Wissenschaft auf der Ebene ihrer Vorgehensweisen und Praktiken ab. Zugleich wird an dem Wortspiel aber auch die ambivalente Position des Design im Spannungsfeld zwischen Kunst und Wissenschaft ersichtlich. 130. Buchanan: Declaration by Design. 2008, S. 79.

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Auch der Architekt und Philosoph Ranulph Glanville, ein Vertreter des radikalen Konstruktivismus, hält in seinem Text Researching Design and Designing Research von 1999 die Idee fest, dass zwischen der Designund der Forschungstätigkeit eine strukturelle Ähnlichkeit bestehe. Er tut dies allerdings in einer entschiedeneren Weise als Buchanan, indem er die wissenschaftliche Tätigkeit schlicht als eine »Designaktivität« definiert: (Scientific) research (whether experiment or theory) is a design activity. We design experiments, but we also act as designers in how we act in these experiments. We design the experiences and objects we find through experiment by finding commonalities (simplification): and we design how we assemble them into patterns (explanatory principles, theories).131

Im Zentrum dieses Gedankens steht nicht mehr der Anspruch, Design als wissenschaft liche Tätigkeit oder Disziplin zu bestimmen, sondern im Gegenteil, die wissenschaftliche Praxis als eine Designtätigkeit zu fassen. So schreibt Glanville, »research as it is and must be practiced, is properly considered a branch of design: (scientific) research is a subset of design, not the other way round«.132 Diese Aussage mag in der Radikalität der Gleichsetzung von ›Design‹ und ›Forschung‹ resp. ›Wissenschaft‹ erstaunen, sie korrespondiert jedoch zweifellos konstruktivistischen Ansätzen aus der Philosophie und Wissenschaftstheorie, die auf die ›Gemachtheit‹ von Wissenschaft hinweisen und die darin auch Analogien zwischen Kunst und Wissenschaft beschreiben. Einige solcher Positionen möchte ich kurz benennen. In den 1960er Jahre und -70 er Jahren wurde, neben den weiter oben angeführten poststrukturalistischen Ansätzen,133 eine Anzahl von kritischen wissenschaftshistorischen Positionen formuliert, die das Bild einer ›universellen‹, ›objektiven‹ und ›linear voranschreitenden‹ Wissenschaft in Frage stellten und stattdessen ihre historische Kontingenz und soziale Konstruiertheit betonten. Als ein prägender geschichtlicher Hintergrund und zugleich als ein Katalysator für den Bruch mit der traditionellen philosophischen Erkenntnistheorie, die das Verständnis von ›Wissenschaft‹ seit der Neuzeit prägte, sind, wie schon erwähnt wurde, zweifellos die gesellschaftspolitischen Unruhen jener Jahre in den USA und in Westeuropa zu nennen. Nicht nur sympathisierten die Studenten-, Bürgerrechts- und Antikriegsbewegungen mit bestimmten akademischen Strö131. Glanville, Ranulph: Researching Design and Designing Research. In: Design Issues. Vol. 15, Nr. 2. 1999, S. 80–91, hier S. 88 f. 132. Glanville: Ranulph: Researching Design and Designing Research. 1999, S. 89. 133. Vgl. in diesem Kapitel Abschnitt b. Von dem Verlust wissenschaftlicher Leiterzählungen und einem neuen Modus der Wissenserzeugung.

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mungen, etwa mit marxistischen, existentialistischen oder (post-)strukturalistischen Ansätzen, umgekehrt wirkten auch diese maßgeblich auf das intellektuelle Leben an den Universitäten ein. Zu den Wissenschaftstheoretikern, die einen Bruch mit tradierten Vorstellungen von Wissenschaft in jenen Jahren vollzogen, gehört namentlich Thomas Kuhn. In seiner wegweisenden Arbeit zur Struktur wissenschaftlicher Revolutionen von 1962,134 nahm er frühere Gedanken von Ludwik Fleck zum wissenschaftlichen »Denkstil« und »Denkkollektiv« aus den 1930er Jahren auf.135 Als ›Denkstil‹ bezeichnet Fleck zu seiner Zeit ein »gerichtetes Wahrnehmen, mit entsprechendem gedanklichen und sachlichen Verarbeiten des Wahrgenommenen«.136 Der Denkstil beeinflusst nach Fleck das Denken von Individuen, die Mitglieder von ›Denkkollektiven‹ sind und sich als intellektuelle, wissenschaftliche, letztlich aber auch soziale Gemeinschaften austauschen. Im Anschluss an diesen Gedanken beschreibt auch Kuhn das Voranschreiten der Wissenschaft nicht als kontinuierliche Veränderung oder kumulative Anhäufung von Wissen. Stattdessen belegt er in seiner Untersuchung, dass sich wissenschaftlicher Fortschritt, ähnlich wie in politischen Systemen, durch »revolutionäre Prozesse« vollziehe,137 in denen ein System von Vorstellungen und Direktiven durch ein anderes abgelöst wird, nachdem es den wissenschaftlichen Zweck, zu dem es einst konstruiert wurde, nicht mehr erfüllen kann. Als »Paradigmata«, ein Schlüsselbegriff in Kuhns Modell zur wissenschaftlichen Entwicklung (von dem er sich allerdings später distanzierte), definiert er jene »allgemein anerkannte[n] wissenschaftliche[n] Leistungen, die für eine gewisse Zeit einer Gemeinschaft von Fachleuten maßgebende Probleme und Lösungen liefern«.138 Neben Kuhn stellen die Arbeiten von Richard Rorty und Paul Feyerabend wichtige Markierungspunkte auf dem Weg zu einer kritischen (oft politisch motivier ten) Befragung wissenschaftlicher Selbstverständnisse und Praktiken dar. Rorty wandte sich mit seiner Kritik an der analytische Sprachphilosophie (im Vorwort zum Band The Linguistic Turn von 1967)139 gegen die traditionelle (westliche) Erkenntnistheorie, in der ›Erkenntnis‹ wesentlich als eine »spiegelbildliche Darstellung der Wirklichkeit«140 ange-

134. 135. 136. 137.

Kuhn: The Structure of Scientific Revolutions. 1962. Fleck: Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. 1980. Fleck: Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. 1980, S. 130. Vgl. Kuhn: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. Frankfurt a. Main. 1976 [1967], S. 15–24. 138. Kuhn: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. 1976, S. 10. 139. Rorty: The Linguistic Turn. 1967; ders.: Philosophy and the Mirror of Nature. Princeton. 1979. [Dt. Ausgabe: Der Spiegel der Natur. Eine Kritik der Philosophie. Frankfurt a. Main. 1981]. 140. Nünnig: Metzler Lexikon. Literatur- und Kulturtheorie. 2004, S. 587.

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nommen wurde. In seinen Arbeiten unterstreicht er hingegen, dass ›Wahrheiten‹ eher konstruiert, als gefunden werden. Auch Paul Feyerabend legte Mitte der 1970er Jahre mit Against Method (1975) und Science in a Free Society (1978) grundlegende Beiträge zu einer kritischen, oder in seinem Sinne, zu einer ›anarchistischen Wissenschaftstheorie‹ vor.141 Durch seine Tätigkeit als Professor für Philosophie an der University of California in Berkeley kam Feyerabend zu Beginn der 1960er Jahre unmittelbar mit der linksgerichteten Studentenbewegung free speech movement in Kontakt, die sein wissenschaftstheoretisches Denken fortan nachhaltig prägte.142 Anders als Kuhn, der zwar paradigmatische Brüche, mehr noch: Umbrüche in der Entwicklung der Wissenschaften konstatierte, aber immer noch von einem erreichbaren Zustand der »Normalwissenschaft«, also einem gemeinsamen sinnstiftenden Fundament innerhalb eines wissenschaftlichen Paradigmas, ausging, gab Feyerabend den Gedanken einer ›normalen Wissenschaft‹ vollends auf, da diese ihm immer noch als zu ideologieunkritisch erschien.143 In der Wissenschaft manifestierte sich für ihn weder eine besondere Vernunft, noch eine größere Nähe zur ›Wahrheit‹. So schreibt Feyerabend über das ›unsystematische‹ methodische Vorgehen von (Natur-)Wissenschaftlern wie folgt: Ein Wissenschaftler beginnt mit einer Materialmasse, die verschiedenartige und inkohärente Bestandteile enthält. Da sind präzise und streng formulierte Theorien Seite an Seite mit Theorienfetzen, Überbleibseln aus früheren Stadien der Wissenschaft, da sind strenge Ableitungen Seite an Seite mit unbegründeten und schlampigen Approximationen, da gibt es ›solide‹ Tatsachen, lokale Gesetze, die auf solchen Tatsachen beruhen, heuristische Prinzipien, vorläufige Formulierungen neuer Theorien, die den Tatsachen bald widersprechen, bald von ihnen unterstützt werden, vage philosophische Ideen vermischen sich mit strengen Forderungen, Gerüchte mit wohldokumentierten Ergebnissen genau beschriebener Experimente. Unfähig, dieses Material nach einfachen Regeln zu ordnen, entwickelt der Wissenschaftler gewöhnlich eine praktische Logik, die es ihm erlaubt, inmitten des Durcheinanders Ergebnisse zu erhalten und Fortschritte zu machen. Die meisten Regeln und Maßstäbe dieser praktischen Logik werden ad hoc erfunden, sie beseitigen besondere Schwierigkeiten, und man kann sie also nicht in Bestandteile eines Forschungsorganons verwandeln.144 141. Feyerabend: Against Method. 1975; ders.: Science in a Free Society. London. 1978. 142. Feyerabend, Paul: Erkenntnis für freie Menschen. Frankfurt am Main. 1980, S. 232 ff. 143. Vgl. dazu Hoyningen-Huene, Paul: Feyerabends Kritik an Kuhns normaler Wissenschaft. In: Nida-Rümelin, Julian (Hg.): Rationality, Realism, Revision: Proceedings of the 3rd International Congress of the Society for Analytical Philosophy. September 15–18, 1997 in Munich. Berlin. 1999, S. 465–470. 144. Feyerabend: Erkenntnis für freie Menschen. 1980, S. 268 f.

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Feyerabend zweifelte also die Sonderstellung der Wissenschaft gegenüber anderen Erkenntnisformen, etwa dem Marxismus oder einer mythologischen Weltsicht, grundsätzlich an.145 Stattdessen forderte er eine individuelle Wahlfreiheit zwischen den verschiedenen Erkenntnisformen sowie einen radikalen Methodenpluralismus, der in Folge unter dem verkürzten Schlagwort eines beliebigen »anything goes« bekannt geworden oder besser missverstanden worden ist. In seinem Buch Wissenschaft als Kunst von 1984 sucht er nach Analogien zwischen den Erkenntnisformen von Kunst und Wissenschaft. Er glaubt, sie in der Abwesenheit eines Fortschrittsgedankens zu finden. In der Kunst gebe es keinen Fortschritt und keinen Verfall, so Feyerabend, sondern nur verschiedene Stilformen. Jede Stilform sei in sich vollkommen und gehorche ihren eigenen Gesetzen: »Kunst ist die Produktion von Stilformen und die Geschichte der Kunst die Geschichte ihrer Abfolge«.146 Ebenso will er die Wissenschaft verstanden wissen: nicht als zielgerichtete Suche nach ›Wahrheit‹, sondern als Abfolge von verschiedenen Ordnungsprinzipien und Stilen, als ein »Denkstil« unter anderen.147 »Wahrheit ist, was der Denkstil sagt, dass Wahrheit sei«, so Feyerabend.148 Er verwehrt sich zudem gegen die Vorstellung, dass bedeutende wissenschaftliche Entdeckungen einzig aufgrund rationaler Kriterien zustande gekommen seien. Seines Erachtens beruhten sie weitaus mehr auf Intuition oder Zufall, als auf systematischer Forschung. Mit anderen Worten würden wissenschaftliche Erfolge nicht erzielt, »weil man sich an die Vernunft gehalten habe, sondern weil man vernünftig genug war, unvernünftig vorzugehen«.149 Die meisten Regeln und Maßstäbe dieser »praktischen Logik« würden ad hoc erfunden und könnten nicht in Bestandteile eines Forschungsorganons verwandelt werden.150 Was Feyerabend als »unvernünftige Vorgehensweise« oder »praktische Logik« beschrieben hatte, entspricht in etwa dem, was Hans-Jörg Rheinberger als »Techno-Opportunismus« bezeichnet hat: eine pragmatische, offene Vorgehensweise, die nicht strikt einem linearen, vorher gefassten Forschungsplan folgt, sondern sich ad hoc für oder gegen gebotene Möglichkeiten entscheidet.151 Auch er suggeriert gewisse Analogien zwischen künstlerischen und forschenden Vorgehensweisen, indem er von der »Virtuosität des Experimentators« spricht und damit ein Motiv 145. Vgl. Feyerabend: Erkenntnis für freie Menschen. 1980, S. 12 ff. 146. Feyerabend, Paul: Wissenschaft als Kunst. Frankfurt a. Main. 1984, S. 29. 147. Feyerabend: Wissenschaft als Kunst. 1984, S. 40, S. 48. Vgl. zum Begriff des ›Denkstils‹: Fleck: Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. 1980, S. 165–190. 148. Feyerabend: Wissenschaft als Kunst. 1984, S. 40, S. 77. 149. Feyerabend: Wissenschaft als Kunst. 1984, S. 68 f. 150. Feyerabend: Erkenntnis für freie Menschen. 1980, S. 268 f. 151. Rheinberger: Experimentalsysteme und epistemische Dinge. 2001, S. 38.

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verwendet,152 das eigentlich zur Kennzeichnung herausragender musikalischer oder artistischer Fertigkeiten dient. Die genannten Positionen aus Designforschung und Wissenschaftsgeschichte skizzieren bereits einige Interferenzen zwischen gestalterischkünstlerischen und wissenschaftlichen Tätigkeiten, respektive den Vorstellungen davon. Sie können einen ersten groben Einblick in jene Themen geben, die das reziproke Verhältnis von Kunst und Wissenschaft strukturieren. Überlegungen zum Zusammenhang von Kunst und Wissenschaft können von unterschiedlichen Gesichtspunkten ausgehen und eine komplexe Vielfalt von Aspekten benennen, denen wiederum unterschiedliche Vorstellungen von ›Kunst‹ und ›Wissenschaft‹ bzw. von ›den Künsten‹ und ›den Wissenschaften‹ zugrunde liegen. Im Folgenden werden zunächst einige Bemerkungen zum historischen Verhältnis von Kunst und Wissenschaft bzw. zur Geschichte ihrer Trennung vorangestellt, um dann den Sprung in die Gegenwart zu vollziehen. Anhand jüngerer Ansätze aus den Kulturwissenschaften, der Kunst- und Wissenschaftsgeschichte sollen (vermeintliche) Gemeinsamkeiten und Schnittstellen mit aktuellen Fragestellungen aus der praxisgeleiteten Forschung in Kunst und Design beleuchtet werden. Die folgenden Ausführungen beschäftigen sich streckenweise nur indirekt mit Design, sie bilden aber – ebenso wie die Designgeschichte und ihre diskursiven Leitmotive – den konstitutiven historischen Hintergrund vor dem aktuelle Untersuchungen in und über die Designforschung zu verorten sind. Eine solche Verortung scheint umso dringlicher, je nachdrücklicher Design und Designforschung als ›kunst- und wissenschaftsalternative‹ Wissensformen153 oder als Synthese von ›Kunst‹ und ›Wissenschaft‹ exponiert werden.

Bemerkungen zum historischen Verhältnis von Kunst und Wissenschaf t Es scheint, als ob das gegenwärtige Interesse an den vielfältigen, kaum einheitlich zu benennenden Interdependenzen zwischen Kunst und Wissenschaft weniger durch den gemeinsamen Ursprung dieser beiden, seit der Antike zusammengehörigen Bereiche oder téchne angetrieben wird,154 152. Rheinberger: Experimentelle Virtuosität. 2008, S. 331. 153. Vgl. Cross: Design Research: A Disciplined Conversation. 1999, S. 5. 154. In der Antike unterschied man durch zwei Termini, was heute dem weiten Begriff ›Kunst‹ zugeordnet wird. Der Begriff ›téchne‹ umfasste die manuelle Herstellung von Gegenständen anhand von Kenntnissen, Fertigkeiten und entsprechenden Werkzeugen. Insofern galten sowohl Bildhauerei und Malerei als auch weitere, heute als ›Handwerk‹ bezeichnete Tätigkeiten als Produkte der ›téchne‹. Musik, Tanz und Dichtung fielen hingegen nicht unter ›téchne‹,

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als durch die Geschichte ihrer Trennung. Diese wurde durch die cartesianische Wende gegen Ende des 17. Jahrhunderts initiiert, vollzogen wurde sie aber vor allem im 19. Jahrhundert.155 Noch im Mittelalter deckten sich die Ausdrücke ›ars‹ und ›scientia‹. Sie widmeten sich indes weniger der ›Erkenntnis‹, als einer kontemplativen »theologischen Huldigung« des »Ganze[n] des Kosmos«.156 Sie gliederten sich ins Trivum der Sprachkünste ›Grammatik‹, ›Dialek tik‹ und ›Rhetorik‹ sowie ins Quadrivum der mathematischen Künste, der ›Arithmetik‹, ›Geometrie‹ und ›Astronomie‹, deren höchste ›Kunst‹ die ›Musica‹ war.157 Noch in der Renaissance waren ›Künstler-Ingenieure‹ oder ›Universalgelehrte‹ wie Leonardo da Vinci sowohl als Künstler als auch Naturwissenschaftler tätig. Leonardo stellte die Malerei allen Künsten voran und hob sie zugleich als ausgezeichnetste aller Scientia hervor.158 Allerdings ist das Bild einer angeblich harmonischen historischen ›Einheit‹ von Kunst und Wissenschaft, wie es Leonardo für Viele geradezu paradigmatisch zu verkörpern scheint, mit Vorsicht zu genießen. Zum einen nannte er sich selbst einen uoma senza la lettre, also einen ›Ungebildeten‹ ohne humanistisches Studium, der gewissermaßen als ambivalentes »Produkt einer Zwischenperiode« oder »Bindeglied zwischen zwei Weltanschauungen und Denkstilen« (von Mittelalter und Renaissance) gelten kann, zum anderen sind die Begriffe ›Kunst‹ und ›Wissenschaft‹ heute deutlich anders konnotiert, als sie es zu jener Zeit waren.159 Erst das Zeitalter der Aufklärung und des Rationalismus, vor allem aber das 19. Jahrhundert, differenzierte die ›Kunst‹ von der ›Wissenschaft‹. Das »Technische« wurde zunehmend der Sphäre des Rationalen und Kognitiven zugeordnet, während das »schöpferische« und improvisatorische Moment mit künstlerischem Ausdrucksschaffen in Verbindung gebracht wurde.160 Hegels Diktum vom »Ende der Kunst als Medium der Wahrheitsfindung« ist zwar nicht allein entscheidend, gilt Vielen aber als mitverantwortlich dafür, dass schließlich Ende des 19. Jahrhunderts der

155. 156. 157. 158. 159. 160.

sondern unter ›mousike‹. Während die Produktion in der ›téchne‹ manuelle Geschicklichkeit, Beherrschung von Techniken und Werkzeugen implizierte, wurden Musik und Dichtung einer höheren, göttlich inspirierten Kategorie des Wissens zugerechnet. Zudem unterschied man noch nicht zwischen bestimmten Disziplinen der Wissenschaften und der Künste. Im Umkreis der Musik waren auch Grammatik, Rhetorik und Dialektik sowie Mathematik und Astronomie angesiedelt. Vgl. Gianetti, Claudia: Ästhetik des Digitalen. Ein inter mediärer Beitrag zu Wissenschaft, Medien- und Kunstsystemen. Wien/New York. 2004, S. 14. Vgl. Hagner: Ansichten der Wissenschaftsgeschichte. 2001, S. 7–39. Mersch, Dieter; Ott, Michaela: Tektonische Verschiebungen zwischen Kunst und Wissenschaft. In: Dies. (Hg.): Kunst und Wissenschaft. München. 2007, S. 9–31, hier S. 10. Mersch/Ott: Tektonische Verschiebungen zwischen Kunst und Wissenschaft. 2007, S. 10. Vgl. Vinci, Leonardo da: ›Il Paragone‹ oder der Wettstreit der Künste. In: Gemälde und Schriften. Hg. und komm. von V. André Castell. München. 1990, S. 129 ff. Vgl. Mersch/Ott: Tektonische Verschiebungen zwischen Kunst und Wissenschaft. 2007, S. 11. Gillen, Eckhardt, Blume, Eugen: Einführung in das Ausstellungsprojekt ›Kunst als Wissenschaft. Wissenschaft als Kunst‹. Berlin. 2001, S. 1 f.

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Wissenschaft die Aufgabe der ›objektiven‹ ›Wahrheitsfindung‹ zugeschlagen wurde.161 Genau diese »Idealvorstellung« sei es gewesen, so halten Dieter Mersch und Michaela Ott zum Verhältnis von Kunst und Wissenschaft fest, die dem künstlerischen Denken in Fragen der Erkenntnis keinen Platz mehr gelassen habe und der Kunst »bestenfalls einen kompensatorischen Status zubilligte«.162 Polarisierende Positionen zwischen Subjektivität und Objektivität Eine Dimension, auf der sich die Trennung von Kunst und Wissenschaft im 19. Jahrhundert besonders markant manifestierte, ist diejenige der Sicht weisen und Selbstverständnisse ihrer Akteure. Die Trennung verläuft hier zwischen den Polen ›Subjektivität‹ und ›Objektivität‹. Lorraine Daston und Peter Galison halten in ihrer herausragenden Studie zur Geschichte der Objektivität fest, dass man sich im mittleren 19. Jahrhundert das »wissenschaftliche Selbst« in einem diametralem Gegensatz zum »künstlerischen Selbst« vorgestellt habe, genauso wie wissenschaft liche Bilder routinemäßig künstlerische Bilder kontrastierten.163 In deutlichem Gegensatz zu früheren, von der Renaissance bis zur Aufklärung verbreiteten Ansicht von der engen Verwandtschaft zwischen künstlerischer und wissenschaftlicher Arbeit fand nun eine Polarisierung statt; in der öffentlichen Wahrnehmung verkörperten Künstler und Wissenschaftler Gegensätze. Künstler waren nun gehalten, ihre Subjektivität zum Ausdruck zu bringen, sogar zur Schau zu stellen und gleichzeitig mahnte man Wissenschaftler, die ihre zu unterdrücken.164

Doch wie kam es dazu, dass wissenschaftliche und künstlerische Sichtweisen ab Mitte des 19. Jahrhunderts »am Scheideweg zwischen objektivem und subjektivem Modus«165 standen? Für die Entwicklung der Wissenschaft war gewiss der Erfolg der Naturwissenschaften und die Überwindung der romantischen Naturphilosophie zu jener Zeit maßgeblich an dieser Polarisierung beteiligt.166 Anders sah es hingegen in der Kunst aus, die sich stets noch auf ein romantizistisches Künstlerbild berief. Lorraine Daston macht für die divergierenden Selbstbilder in Kunst und Wissen161. Vgl. Gillen/Blume: Einführung in das Ausstellungsprojekt ›Kunst als Wissenschaft. 2001, S. 2. Vgl. dazu bei Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Ästhetik. Einleitung. Die Stellung der Kunst zur Religion und Philosophie. Hg. von Friedrich Bassenge, Berlin 1955, S. 139–140. Ders: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften. [1830] § 562-563. Hamburg. 1969, S. 444–446. 162. Mersch/Ott: Tektonische Verschiebungen zwischen Kunst und Wissenschaft. 2007, S. 16. 163. Daston/Galison: Objektivität. 2007, S. 39. 164. Daston/Galison: Objektivität. 2007, S. 39. 165. Daston, Lorraine: Wunder, Beweise, Tatsachen. Zur Geschichte der Rationalität. Frankfurt a. Main. 2003, S. 115. 166. Hagner: Ansichten der Wissenschaftsgeschichte. 2001, S. 12 ff.

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schaft ein verändertes Selbstverständnis bezüglich der »künstlerischen Einbildungskraft« aus, das in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts unter dem Einfluss von romantischem Gedankengut bemerkbar wurde.167 In den Genietraktaten der Romantik sei der Einbildungskraft (anders als in der Antike) eine fast »mystische Originalität und Unabhängigkeit oder Missachtung von Vernunft und Willen« zugeschrieben worden. Verbunden seien damit ein »Kult mit der individuellen Subjektivität« sowie die Nähe zu Unbewusstem oder sogar zum Wahnsinn gewesen.168 Diese »Egomanie« der Romantik distanzierte sich laut Daston nicht nur vom Ideal der Natur nachahmung als solcher, sondern ebenso von der Nachahmung anderer Künstler.169 In diesem Ideal ahmte das ›Genie‹ – ganz im Sinne wie es Vasari bereits in der Renaissance propagiert – 170 nicht nach und das ›Geniale‹ konnte nicht nachgeahmt werden, da es zum einen als irrationale, zum anderen als übergeschichtliche Größe verstanden wurde.171 Das Bild des ›genialen Künstlersubjekts‹ umfasst aber die unterschiedlichen künstlerischen und wissenschaftlichen Selbstverständnisse der Romantik nur unzureichend. Daston weist darauf hin, dass selbst die Romantiker unter den Wissenschaft lern, wie Goethe oder Humboldt, sich von den übersteigerten Konzepten zu Einbildungskraft und Individualismus des Geniekults und dessen Vorstellung vom »wahren Künstler« in Acht genommen hätten.172 Die Kritik an der zügellosen, irrationalen künstlerischen Einbildungskraft wurde bald auch auf die bis dahin geachtete wissenschaftliche Einbildungskraft ausgeweitet. Während die »Theoretiker der Einbildungskraft« in der Aufklärung noch davon ausgegangen seien, so Lorraine Daston, dass ›geniale‹ (männliche)173 Künstler und Wissenschaftler mit derselben beherrschten Einbildungskraft arbeiteten, habe sich diese Ansicht im 19. Jahrhundert verändert. Die nun angestrebte kollektive, mitteilsame Arbeitsweise in den Wissenschaften sei mit der Kultivierung des künstlerischen Individualismus nicht länger vereinbar gewesen, so Dastons Aussage. Während in der Kunst subjektive Sichtweisen akzentuiert und Phänomene des Unsagbaren mit dem Begriff der ›Originalität‹ gleichgesetzt worden seien, hätten sich in den Wissenschaften technische Normierung sowie metho167. 168. 169. 170.

Daston: Wunder, Beweise, Tatsachen. 2003, S. 111. Daston: Wunder, Beweise, Tatsachen. 2003, S. 111 f. Daston: Wunder, Beweise, Tatsachen. 2003, S. 112 f. Vasari, Giorgio: Le vite de‹ piu eccellenti pittori sultori ed architettori. Hg. von Gaetano Milanesi. Mailand. 1906. 171. Schmidt, Jochen: Die Geschichte des Genie-Gedankens in der deutschen Literatur, Philosophie und Politik 1750–1945. Bd. 1. Heidelberg. 2004, S. 13, S. 18. 172. Daston: Wunder, Beweise, Tatsachen. 2003, S. 113. 173. Als Gegensatz zur beherrschten Einbildungskraft galt die zügellose Imagination schwangerer Frauen, religiöser Fanatiker oder mesmerisierter »convulsionnaires«. Vgl. Daston: Wunder, Beweise, Tatsachen. 2003, S. 117.

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dische und begriffliche Objektivität durchgesetzt.174 Anja Zimmermann hält zu ebendieser Polarisierung fest, dass die Wissenschaftler im Modus der kommunitarischen Wissensfindung nach einem objektiven, überindividuellen und überzeitlich gültigen Wissen gestrebt hätten, während in der Kunst im Gegenteil das »kreative Individuum« als »Quelle und Referenz des Kunstwerks« galt.175 Verstärkt wurde diese Entwicklung durch neue, im 19. Jahrhundert entwickelte Möglichkeiten der »mechanischen«, »nichtintervenierenden« 176 Aufzeichnungsverfahren, etwa die Fotografie oder die Röntgentechnik.177 Diese Verfahren marginalisierten teilweise die manuelle künstlerische Wiedergabe wissenschaftlicher Beobachtungen und verstärkten auf visueller Ebene die Vorstellung einer wissenschaftlichen Objektivität, in dem sie auf eine Automatisierung der Bilder, auf eine »autopoietische« Bildherstellung zielten.178 Bilder konnten, so schien es, »ohne Berührung« durch die Hand des Künstlers oder Wissenschaftlers hergestellt werden.179 Daston und Galison benutzen dafür den Begriff »mechanische Objektivität«, der besagt, dass in dieser Zeit subjektive Urteile durch Techniken der Datenreduktion ›ersetzt‹ wurden, Beobachter durch Geräte mit Aufzeichnungsfunktion, handgezeichnete Illustrationen durch Fotografien. Ziel war es, menschliche Eingriffe in die Phänomene auszuschließen und »die Natur für sich selbst« sprechen zu lassen.180 Bezeichnend gab der ›Pionier‹ der Fotografie William H. Fox Talbot seinem 1844 veröffentlichten Band mit fotografischen Abbildungen den Titel The Pencil of Nature. 181 Er benannte damit präzise die Auffassung einer sich selbst auf die fotografische Platte einschreibenden ›Natur‹ oder ›Realität‹ und leistete der zeitgenössischen Idealisierung von Fotografie als »Ikone des Realen« Vorschub.182 Die Trennungsgeschichte von Kunst und Wissenschaft im 19. Jahrhundert realisierte sich aber keineswegs als ›sauberer Schnitt‹, sondern wurde von reziproken Selbstbestimmungen begleitet. Anja Zimmermann, die 174. Daston: Wunder, Beweise, Tatsachen. 2003, S. 117. 175. Zimmermann: »Dieses ganze unendliche Weltwesen«. 2008, S. 225. 176. Daston, Lorraine; Galison, Peter: Das Bild der Objektivität. In: Geimer, Peter (Hg.): Ordnungen der Sichtbarkeit. Fotografie in Wissenschaft, Kunst und Technologie. Frankfurt a. Main. 2002, S. 29–99, hier S. 31. 177. Vgl. Glasser, Otto: Wilhelm Conrad Röntgen und die Geschichte der Röntgenstrahlen. Berlin et al. 1995; Geimer, Peter (Hg.): Ordnungen der Sichtbarkeit. Fotografie in Wissenschaft, Kunst und Technologie. Frankfurt a. Main. 2002. 178. Vgl. Weltzien, Friedrich: Von selbst. Autopoietische Verfahren in der Ästhetik des 19. Jahrhunderts. Bonn. 2006. 179. Daston/Galison: Objektivität. 2007, S. 45. 180. Daston, Lorraine; Galison, Peter: The Image of Objectivity. In: Representations. Nr. 40. 1992, S. 81–128. 181. Talbot, William Henry Fox: The Pencil of Nature. London. 1844. 182. Vgl. Berg, Ronald: Die Ikone des Realen. Zur Bestimmung der Photographie im Werk von Talbot, Benjamin und Barthes. München. 2001.

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diese Trennung auf der Ebene ihrer interdependenten Bildproduktionen untersuchte, hält dazu fest: »Die Wissenschaftler reflektierten über die Kunst, definierten und kategorisierten sie und konturierten so vielfach erst ihre eigene Tätigkeit, während die Künstler und Kritiker die naturwissenschaftlichen Verfahren zur Referenz für ästhetische Produktion machten«.183 Allerdings waren diese Identitätsbestimmungen eher asymmetrischer Art, da sich die Kunst gegenüber den aufstrebenden Naturwissenschaften in einer defensiven Position befand.184 Ende des 19. Jahrhunderts hätten sich die Naturwissenschaften gegenüber »allen Formen subjektiver und auch ästhetischer Kontaminierung ›reiner‹ Objektivität« abzugrenzen versucht, so Zimmermann, während sich Künstler nunmehr naturwissenschaftlichen Verfahren annähern wollten.185 So kam es, dass nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in der Kunst dem Topos der ›Objektivität‹ ab dem Ende des 19. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle zukam. Anja Zimmermann fasst, so die zentrale These ihres Buches, ›Objektivität‹ als ein »historisch wandelbares« visuelles »Stilmerkmal« auf, das »strategisch eingesetzt« worden sei und sowohl die Kunst als auch die Wissenschaft bzw. ihre Grenzbereiche betroffen habe. Kunsthistoriker, Mediziner, Schriftsteller und Künstler hätten sich ein Thema geteilt: die Suche nach dem »wahren Bild«.186 Was künstlerische ›Wahrheit‹ sei und was ein wissenschaftliches Verfahren ausmache, wurde in aller Breite sowohl in der Kunst als auch in den Wissenschaften diskutiert. Vor diesem Hintergrund erscheinen auch die Debatten zur »guten Form« und zum Funktionalismus der Klassischen Moderne in einem neuen Licht. Zur Kombination von Gefühl und Wissenschaft bei Klee und Kandinsky Das funktionalistische Gedankengut, das für viele Vertreter des Bauhauses prägend war, ist nicht allein als ein neoplatonischer Idealismus in Kunst und Design zu lesen, sondern auch als ein Reflex auf die Wissenschaftsdiskurse der Zeit. 1912 schrieb der spätere Bauhauslehrer Wassily Kandinsky: 183. Zimmermann: »Dieses ganze unendliche Weltwesen«. 2008, S. 226. 184. Anja Zimmermann untersucht am Beispiel von Émile Zola und Claude Bernard eine solche Asymmetrie. Während der Romancier Zola in Le roman expérimental die strukturelle Gemeinsamkeit von naturwissenschaftlichem Experiment und realistischem Roman mit Bezug auf Bernards Schrift Einführung in das Studium der experimentellen Medizin postulierte, stand der Physiologe Bernard der Frage nach einer Kooperation von wissenschaftlichen Erkenntnismodellen und ästhetischer Produktivität ablehnend gegenüber. Vgl. Zimmermann: »Dieses ganze unendliche Weltwesen«. 2008, S. 225–243. 185. Zimmermann: »Dieses ganze unendliche Weltwesen«. 2008, S. 225. Vgl. dazu vor allem auch: Zimmermann, Anja: Hände, Künstler, Wissenschaftler und Medien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In: Fleckner, Uwe (Hg.): Vorträge aus dem Warburg-Haus. Bd. 8. Berlin. 2004, S. 135–166. 186. Zimmermann, Anja: Ästhetik der Objektivität: Genese und Funktion eines künstlerischen und wissenschaftlichen Stils 1850–1900. Bielefeld 2009, S. 19.

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»Kurz gesagt: aus der Kombination des Gefühls und der Wissenschaft entsteht die wahre Form. […] Ein großes Merkmal unserer Zeit ist das Aufgehen des Wissens: die Kunstwissenschaft nimmt allmählich den ihr gebührenden Platz ein«.187 Paul Klee hielt 1928 in Exakte Versuche im Bereich der Kunst fest:188»Auch der Kunst ist zu exakter Forschung Raum genug gegeben und die Tore dahin stehen seit einiger Zeit offen. […] Mathematik und Physik liefern dazu die Handhabe in Form von Regeln für die Innehaltung und für die Abweichung«. Dennoch konnte diese »exakte Forschung« für Klee die Intuition nicht ersetzen: »Man belegt, begründet, stützt, man konstruiert, man organisiert; gute Dinge. Aber man gelangt nicht zur Totalisation«. Seine Aussage vermag jene Ambivalenz zu verdeutlichen, mit der zu jener Zeit künstlerische Selbstverständnisse mit den Wertvorgaben der Naturwissenschaft in Beziehung gesetzt wurden. Klee akzentuierte wie Kandinsky das Moment der ›Intuition‹ und des ›Gefühls‹ als maßgebliche Differenz zwischen künstlerischer und wissenschaftlicher Praxis und beide Künstler betonten die ›sinnliche Wahrheitskraft‹ der Kunst gegenüber den Objektivierungsbestrebungen der Wissenschaft. Sabine Flach betont, dass Kandinsky der Kunst das größere Vermögen zugesprochen habe, »jene die Sinne des Menschen affizierenden Ereignisse zu vermitteln«, da sie neben den rationalen bzw. kalkulierbaren Aspekten über das unverzichtbare Potential einer »ästhetischen Einbildung« verfüge, die sich mit Phantasie und Einbildungskraft, das heißt mit einem »bildnerischen Denken« verbinde.189 Die Frage nach dem Zusammenspiel von Sehen, Wahrnehmen und Denken habe Kandinsky mit der Wirkung von Emotionen und Einbildungskraft verbunden. In seiner Kunsttheorie habe er aus einer künstlerischen Perspektive eine Forschungslücke der damaligen Lebenswissenschaften190 beheben wollen, die den »subjektiv organisierten Denkprozess« aus ihren naturwissenschaftlichen Betrachtungen ausblendeten.191 Mit dem Satz, »das ›Gefühl‹ ist es, welches das ›Hirn‹ korrigiert«,192 hielt Kandinsky seine diesbezügliche Überzeugung auf bezeichnende Weise fest und schrieb damit aber zugleich auch das in den Künsten spätestens seit der Romantik fest verankerte Narrativ fort, wonach ›künstlerischen 187. Kandinksy: Über die Formfrage. 2004, S. 155. 188. Klee, Paul: Exakte Versuche im Bereich der Kunst. [1928]. In: Geelhaar, Christian (Hg.): Paul Klee. Schriften. Köln. 1976, S. 130–132. 189. Sabine Flach untersucht in ihrer Arbeit den Avantgarde-Künstler »als Wissenschaftler«. Damit richtet sie das Augenmerk nicht nur auf eine »historische Hochphase« künstlerisch-wissenschaftlicher Interferenzen, sondern auch auf einen zentralen Grenzbereich zwischen Kunst und Wissenschaft. Flach: »Das ›Gefühl‹ ist es, welches das ›Hirn‹ korrigiert.«, 2008, S. 248. 190. Der Begriff ›Lebenswissenschaften‹ war zu dieser Zeit allerdings noch nicht in Gebrauch. 191. Flach: »Das ›Gefühl‹ ist es, welches das ›Hirn‹ korrigiert.«, 2008, S. 248. 192. Kandinksy, Wassily: Der Wert eines Werks der konkreten Kunst. [1939]. In: Ders.: Essays über Kunst und Künstler. Hg. von Max Bill. Stuttgart. 1955, S. 223–238, hier S. 223.

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Intuition‹ die Voraussetzung für die Gegenüberstellung von künstlerischer und nicht-künstlerischer Produktion bilde.193 Obwohl Kandinsky den hohen Stellenwert der ›intuitiven‹ künstlerischer Einbildungskraft zu Zwecken der Wissenserzeugung unterstrich, wollte er diese nicht als Gegenpart zur objektiven wissenschaftlichen Arbeitsweise verstanden wissen, sondern strebte eine Verbindung der beiden Modi an. Flach hält diesbezüglich fest, dass die Arbeit am Bauhaus für ihn eine gelungene Synthese der Zusammenarbeit von Kunst und Wissenschaft und ihrer Wissenssysteme dargestellt habe, indem Kunst, Wissenschaft und Industrie dort einander zugearbeitet hätten und alle Bereiche, aus denen sich Wissen zusammensetzen könne, gefördert und vorangetrieben worden seien.194 Andere Positionen, die gerade auf die Heterogenität und Widersprüchlichkeiten innerhalb des Bauhaus hinweisen,195 konstatieren demgegenüber, dass die ›Synthese‹ von Kunst, Wissenschaft und Industrie am Bauhaus keineswegs einfach nur ›gelungen‹ war, sondern von den Bauhaus-Protagonisten in unterschiedlicher, bisweilen widersprüchlicher Weise angestrebt wurde. Sigrid Schade hält diesbezüglich fest, dass der Begriff der ›Moderne‹ nach wie vor ein Diskurselement sei, »das scheinbar eine Einheit und Einheitlichkeit seiner Signifikate verspricht«.196 Ein solch einheitsstiftender diskursiver Effekt kommt offenkundig auch in der (unhinterfragten) Vorstellung einer »gelungenen« Synthese von Kunst, Wissenschaft und Industrie am Bauhaus zum Tragen. Zudem legt Kandinskys idealisiertes Bild einer ›Synthese‹ zwischen Kunst und Wissenschaft die Lesart nahe, dass sein Streben nach einer von Materialität und Zweck »gereinigten«, »geistig-abstrakten« Kunst im Konzept der »wissenschaftlichen Objektivität« ihre begriffliche Entsprechung fand, 197 und dass ihm aus diesem Grund eine Verbindung von künstlerischen und wissenschaftlichen ›Komponenten‹ besonders reizvoll schien. Vonnöten wäre es aber – und das Beispiel von Kandinsky ist dafür bezeichnend – die oftmals trügerischen Selbstauskünfte von Künstlern hinsichtlich ihrer Bezugnahme auf wissenschaftliche Konzepte, Praktiken und Verfahren sorgfältig und vor allem kritisch zu hinterfragen. Wolfgang Hagen weist im Falle von Kandinsky aus einer medientheoretischen Sicht darauf hin, dass die Avantgarde letztlich »blind gegenüber den technischen Medien [bleibt], denen sie ihre zentralen Motive verdankt«.198 193. 194. 195. 196. 197. 198.

Schade: Intuition als Privileg von Künstlern?. 2010 [im Erscheinen]. Flach: »Das ›Gefühl‹ ist es, welches das ›Hirn‹ korrigiert.« 2008, S. 263. Vgl. dazu etwa Baumhoff: The Gendered World of the Bauhaus. 2001. Vgl. Schade: Widersprüche. Berlin. 2009, S. 147–167. Schade: Zu den »unreinen« Quellen der Moderne. 2008, S. 57. Hagen, Wolfgang: Der Okkultismus der Avantgarde um 1900. In: Schade, Sigrid; Tholen, Georg Christoph (Hg.): Konfigurationen. Zwischen Kunst und Medien. München. 1999, S. 338–357, hier S. 354.

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Ein weiteres historisches Moment, in dem das ›Wissen der Kunst‹ am Anfang des 20. Jahrhunderts mit Auffassungen aus der Wissenschaft in Austausch trat, stellt die Beziehung zwischen dem Wiener Kreis und dem Bauhaus (und später dem New Bauhaus in Chicago) dar. Peter Galison, der die Verbindung zwischen »logischem Positivismus und architektonischer Moderne« untersuchte,199 benennt als eine Gemeinsamkeit, dass sich »sowohl der Künstler als auch der Wissenschaftler« an »das Einfache und Funktionale« hielten und dass beide versuchten, unterschiedliche Bereiche durch eine gemeinsame Grundlage zu vereinen, die über »bloß strukturelle Parallelen« hinaus ging.200 Eine solche Grundlage findet sich seines Erachtens etwa in einem »gemeinsamen Vorrat an wissenschaftlichen sowie um Maschinen kreisenden Bildern«. 201 Auf der Seite des Bauhauses nennt er namentlich den Verzicht auf Dekoration und Ornamentik sowie die Abwendung von den esoterisch-mystischen Ansätzen der ersten Bauhaus-Jahre hin zu Rationalisierung und Industrialisierung. Des Weiteren seien sowohl Bauhaus als auch Wiener Kreis darauf aus gewesen, ihre Bereiche mit »modernen Produktionsmethoden in Einklang zu bringen« und beide Institutionen seien schließlich in den späten 1920er Jahren für eine »apolitische Politik« eingetreten, für eine »neutrale Haltung, die nach ihrem Bild der Technologie geformt war« und auf »Organisation, Planung und Analyse« gründete, so Galison. 202 Ein Vorteil der aus der Verbindung der beiden so unterschiedlichen Institutionen erwuchs, war nach Ansicht von Galison eine gegenseitige Legitimierung: Der Wiener Kreis habe dem Bauhaus eine Aura der Wissenschaftlichkeit verliehen und das Bauhaus habe im Gegenzug dem Wiener Kreis ein Image des Progressiven gegeben. Für einen kurzen Zeitraum schien Carnaps Ideal »›eines einzigen Lebens‹ künstlerischer und wissenschaftlicher Dimensionen« Realität zu werden.203 Geschlechterordnung als Wissensordnung Obwohl sich beide »Systeme der Weltaneignung«,204 Kunst und Wissenschaft, Ende des 19. Jahrhunderts in ihren Bemühungen unterschieden, sich einander anzunähern oder voneinander abzugrenzen, wurde damit eine konstitutive Wirkung auf die Identitätsbemühungen beider Felder ausgeübt. Dies gilt auch bezüglich der darin perpetuierten, symbolischen 199. 200. 201. 202. 203.

Vgl. Galison: Aufbau/Bauhaus. 1990. Galison: Aufbau/Bauhaus. 2001, S. 78. Galison: Aufbau/Bauhaus. 2001, S. 68, S. 78. Galison: Aufbau/Bauhaus. 2001, S. 78. Carnap, Rudolf: Der logische Aufbau der Welt: Scheinprobleme in der Philosophie. Berlin. 1928. Zit. nach Galison: Aufbau/Bauhaus. 2001, S. 79. 204. Zimmermann: »Dieses ganze unendliche Weltwesen«. 2008, S. 226.

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und sozialen Geschlechterordnungen beider Systeme. Sowohl Künstler als auch Forscher wurden mit großer Selbstverständlichkeit als männliche Individuen und als »Ausführende männlich apostrophierter Tätigkeiten« gedacht, ihr »hierarchisches Verhältnis« gegenüber der ›Natur‹ wurde mittels »gewalttätigen Metaphern«205 zur Schau gestellt.206 Mit zunehmender Ausdifferenzierung zwischen dem Selbstverständnis des ›objektiv‹ agierenden Wissenschaftlers und jenem des ›subjektivschöpferischen‹ Künstlers wurde der Künstler- und Geniebegriff im späten 19. Jahrhundert allerdings auch mit »nicht-männlichen Eigenschaften«, etwa dem Aspekt der »Sinnlichkeit«, aufgeladen. Nach Zimmermann bildet aber gerade diese »Verweiblichung« des männlichen Künstlers nur den Hintergrund für eine umso schärfere Konturierung seiner Männlichkeit.207 Sowohl in Kunst als auch Wissenschaft führte die ›männliche‹ Konnotation der beiden Bereiche, der darin verorteten Tätigkeiten und dazu benötigten Fähigkeiten zur Ausprägung sozialer Geschlechterdifferenzen. Während im 18. Jahrhundert Frauen im Falle einer Herkunft aus dem Gelehrtenstand noch einen beschränkten Zugang zu universitärer Bildung hatten, wurden sie im Laufe des 19. Jahrhunderts aufgrund ihrer Geschlechterzugehörigkeit vollends aus der Wissenschaft ausgeschlossen.208 Frauen wurde von männlichen Wissenschaftlern eine »weibliche Sonderanthropologie« attestiert,209 die durch die generativen Funktionen ihres Körpers bestimmt sei und sie hinderte, rational zu denken und schöpferisch tätig zu sein. Die Erkämpfung der Zulassung von Frauen zum Hochschulstudium durch bürgerliche Frauenbewegungen um 1900 vollzog sich um den Preis der Festlegung auf einen spezifischen, bipolar gedachten »weiblichen Geschlechtscharakter«. 210 Christina von Braun fasst diese (bis heute geltende) Problematik einer naturalisierenden geschlechtsspezifischen Wissensordnung in der Frage zusammen: »Was zeichnet eine Wissensordnung aus, in der die ›Natur‹

205. Solch eine Metapher findet sich beispielsweise in einer Rede des Chemikers Louis Pasteur anläßlich seiner Aufnahme in die Académie française 1881 wieder: »Der Experimentator, als Mann der Eroberungen über die Natur, ringt unentwegt mit Fakten, die sich kaum noch manifestiert haben und in den meisten Fällen nur potentiell existieren, um erst in den Naturgesetzen zu werden. Seine Domäne ist das Unbekannte im Möglichen und nicht im Gewesenen«. In: Pasteur, Louis: Œuvres complètes. Bd. VII. Paris. 1939, S. 334. 206. Zimmermann: Ästhetik der Objektivität. 2009, S. 21. 207. Zimmermann: Ästhetik der Objektivität. 2009, S. 21 f. 208. Behmenburg, Lena et al.: Wissenschaft und Geschlecht: Machtverhältnisse und feministische Wissensproduktion. Einleitung. In: Behmenburg, Lena et al. (Hg.): Wissenschaf(f)t Geschlecht. Machtverhältnisse und feministische Wissensproduktion. Königstein/Taunus. 2007, S. 11–27, hier S. 12. 209. Vgl. Hausen, Karin: Die Polarisierung der »Geschlechtercharaktere«. Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben. In: Conze, Werner (Hg.): Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas. Stuttgart. 1976, S. 367–393. 210. Behmenburg: Wissenschaft und Geschlecht. 2007, S. 12.

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der Frau als unvereinbar mit der ›Natur‹ der Wissenschaft gilt?«.211 Eine mögliche Antwort findet sich ihres Erachtens bereits bei Humboldt, dem Gründer der modernen Universitätsstruktur, der mit seiner Beschreibung von ›Männlichkeit‹ eine »ziemlich präzise Definition des idealen wissenschaftlichen Körpers, wie er Ende des 19, Jahrhunderts Norm werden sollte« lieferte.212 Humboldt nahm demnach eine Aufspaltung in einen ›männlichen‹ und einen ›weiblichen‹ Geist vor. Während der ›männliche‹ Geist dem Bewusstsein zugerechnet wurde und mithin das Ideal der Aufklärung darstellte, so repräsentierte der ›weiblichen‹ Geist das ›Unbewusste‹. Sowohl in der Wissenschaft als auch in der Kunst wurden Frauen in Folge jene Räume zugewiesen, die den angeblich spezifisch »weiblichen« Fähigkeiten zu entsprechen schienen.213 In der Medizinwissenschaft waren dies etwa Fächer wie die Heil- und Pflegekunde.214 In der Kunst galten um die Wende zum 20. Jahrhundert Textil- oder Webarbeiten als »weibliche« Formen des Kunsthandwerks, zugleich waren diese Bereiche in der traditionellen künstlerischen Gattungshierarchie, welche die bildenden über die angewandten Künste stellte, oft nur wenig anerkannt. 215 Auch bei dieser, nach geschlechtsspezifischen Merkmalen strukturierten künstlerischen Gattungshierarchie spielte der Rekurs auf den Topos der »wissenschaftlichen Objektivität« eine Rolle. Mit Blick auf das Weimarer Bauhaus weist Anja Baumhoff nach, dass dort »unter dem Deckmantel der Sachlichkeit« und unter dem »Anschein von Objektivität« versucht worden sei, Frauen als künstlerische Konkurrenz in bestimmten Bereichen, etwa in der Bildhauerei oder Architektur, »auszuschalten«.216 Doch nicht nur in der Kunst kann eine bipolare Geschlechterordnung nachgezeichnet werden, auch die traditionelle Kunstgeschichte folgt einem solchen Blickregime und konzentriert(e) sich seit dem 19. Jahrhundert gemäß der »Konstruktion einer bipolaren Geschlechterordnung und der ihr eingeschriebenen Geschlechterhierarchie« überwiegend auf die Geschichte des männlichen Künstlers. 217 In den reziproken, komplexen Begriffs- und Identitätsbestimmungen von Kunst und Wissenschaft im 19. Jahrhundert arbeiten sich also, wie 211. Braun: Das Geschlecht des Unbewussten in der Wissensordnung. 2009, S. 120. 212. Braun: Das Geschlecht des Unbewussten in der Wissensordnung. 2009, S. 121. 213. Vgl. Honegger, Claudia: Die Ordnung der Geschlechter. Die Wissenschaften vom Menschen und das Weib. Frankfurt a. Main. 1991. 214. Brinkschulte, Eva: Weibliche Ärzte: Die Durchsetzung des Berufsbildes in Deutschland. Berlin. 1993. 215. Vgl. John/Schade: Grenzgänge zwischen den Künsten. 2008. 216. Baumhoff, Anja: »…und sind doch alle auf das Bauhaus hin entworfen«. Strategien im Umgang mit geschlechtsspezifisch geprägten Mustern in Kunst und Handwerk am Bauhaus Weimar. In: John/Schade: Grenzgänge zwischen den Künsten. 2008, S. 63–80, hier S. 78 f. 217. Paul, Barbara: Kunstgeschichte, Feminismus und Gender Studies. In: Belting, Hans et al. (Hg.): Kunstgeschichte. Eine Einführung. Berlin. 2003, S.297–328, hier S. 300.

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ich versucht habe zu zeigen, nicht nur zwei Begriffe oder Konzepte der »Weltaneignung« aneinander ab.218 Vielmehr entfalten sich in dieser Bestimmung zudem auch geschlechterspezifische Wissensordnungen und -kategorien, die bis heute – obwohl sie in der Geschlechterforschung und in der feministischen Kunstgeschichte problematisiert werden – das Verständnis von Kunst und Wissenschaft, und somit auch zum Wissen im Design, diskursiv begründen.

Skizze gegenwär tiger Untersuchungen zu Interdependenzen zwischen Kunst und Wissenschaf t Ich möchte mich im Folgenden auf jüngere Ansätze aus den Kulturwissenschaften, der Wissenschafts- und Kunstgeschichte beziehen, die künstlerisch-gestalterische Praktiken und Darstellungsformen 219 im Hinblick auf ihr Potential als »Wissensform«220 und umgekehrt wissenschaftliche Praktiken und Darstellungsformen im Hinblick auf eine, im weitesten Sinne, »künstlerisch-ästhetische« Dimension befragen.221 Eine Darstellung dieser in sich per se unterschiedlichen Ansätze muss zwangsläufig skizzenartig und unvollständig bleiben. Dennoch verspricht sie eine produktive Verortung des derzeit in der Designtheorie und -forschung virulent verhandelten Verhältnisses von Design und Wissen vor dem Hintergrund von größeren geisteswissenschaftlichen Debatten. In der praxisbasierten Designforschung, resp. der künstlerisch-gestalterischen Forschung werden gegenwärtig in scheinbar ergänzender Weise bestimmte Fragestellungen und Themen aus den Geisteswissenschaften aufgegriffen und aus einer ›praktischen‹ oder künstlerisch-gestalterischen Sichtweise adressiert. Zu fragen ist hier, ob es sich dabei tatsächlich um gemeinsame oder sich ergänzende Forschungsdesiderate handelt, die kunstund wissenschaftsübergreifend sind. Oder ob nicht vielmehr die vordergründig verwandten Themen in den Feldern Wissenschaft sowie Kunst und Design nicht doch sehr unterschiedlich motiviert sind. Eine Verortung des Formats der praxisbasierten Forschung in Kunst und Design vor dem Hintergrund geisteswissenschaftlicher Debatten, die das Verhältnis von Kunst 218. Zimmermann: Ästhetik der Objektivität. 2009, S. 109 219. Den Begriff der ›Darstellungsformen‹ verwende ich mit Bezug auf Florian Dombois, der seinerseits mit Bezug auf Georg Picht das Potential künstlerischer Forschung auf der Ebene ihrer Darstellungsformen sieht, also in ihren materialen Ausdrucks- und Vermittlungsformen. Vgl. Dombois, Florian: CFF. Content Follows Form. 2005, S. 41–52 sowie Picht, Georg: Wahrheit, Vernunft, Verantwortung. Stuttgart. 1969, S. 427–434. 220. Vgl. Böhme: Kunst als Wissensform. 1989, S. 141–166. 221. Vgl. etwa Young, James O.: Art and Knowledge. In: Croatian Journal of Philosophy. Nr. 7. 2003, S. 102–105.

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und Wissenschaft zum Thema haben, wird zudem von der Frage angeleitet, inwiefern eine kategorische Unterscheidung von Design, Kunst und Wissenschaft auf der Ebene ihrer Praktiken und Darstellungsformen überhaupt aufrechtzuerhalten ist. Vom Erkenntnispotential der Künste Bezeichnend für kunst- und wissenschaftsübergreifende Fragestellungen ist, dass nicht nur die Formen ihrer Wissenserzeugung reziprok befragt werden. Auch die Orte und Formate, in denen dieses Wissen realisiert und sichtbar gemacht wird, also die traditionellen Orte und Formate künstlerischer und wissenschaftlicher Repräsentation, werden in einen Austausch gestellt und hinsichtlich der ihnen zugeschriebenen Funktionen befragt. Als ein Beispiel, das sich der reziproken Befragung von Wissensformen, -orten und -formaten von Kunst und Wissenschaft widmet, ist exemplarisch das Projekt WissensKünste. Die Kunst zu wissen und das Wissen der Künste zu nennen.222 Darin wird ein Austausch zwischen künstlerischer und wissenschaftlicher Praxis in »theoretischer, historischer und praktisch-experimenteller Perspektive« angestrebt. Die Ausstellung Kunst als Wissenschaft – Wissenschaft als Kunst, die 2001 in Berlin gezeigt wurde, markiert den Ausgangspunkt des langjährigen und disziplinär breit angelegten Projektes, an dem sich sowohl künstlerische als auch wissenschaftliche Institutionen beteiligten. In der Ausstellung wurden Kunstschaffende vorgestellt, »die neue Beziehungen zwischen Kunst und Wissenschaft in ihrem Werk thematisieren«.223 Adressiert wurden Fragen zur »Komplexität und Relativität der Wahrnehmungen«, aber auch zu »Zweifeln an der Wahrnehmungssouveränität«. Es wurden künstlerische Interventionen an der »borderline‹ zwischen Faszination, Erschrecken und Kritik am Umgang mit den Möglichkeiten der Biotechnik« zur Debatte gestellt und im Hinblick auf die »moralisch-ethische Rolle« von Kunst und Wissenschaft befragt.224 Die Inszenierung dieser Befragung in der Ausstellung von jedoch von einer nostalgisch anmutenden Vision begleitet, So bekunden die Initiatoren der Ausstellung, dass Künstler und Wissenschaftler »wieder über 222. Das Projekt der WissensKünste setzt sich zusammen aus einem Forschungsprojekt von Sabine Flach am Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin mit dem Titel ›Avantgardekünstler als Wissenschaftler und Begründer neuer Wissenschaften. Zur Konfiguration von künstlerischem Wissen im Verhältnis von Naturwissenschaft, Kunst und Medientechniken, 1900–1930‹ und einem in Kooperation mit dem Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwartskunst, Berlin durchgeführten Experimental-Labor WissensKünste (Direktor: Eugen Blume, verantwortliche Kuratorin: Gabriele Knapstein). Vgl. Flach, Sabine: WissensKünste. Die Kunst zu wissen und das Wissen der Künste. In: Trajekte. Zeitschrift des Zentrums für Literatur- und Kulturforschung, Extraheft 10 Jahre ZfL. Berlin. 2006, S. 77–81. 223. Projektvorstellung auf: http://www.kunst-als-wissenschaft.de/de/das_projekt/ [Okt. 2010]. 224. Vgl.: www.kunst-als-wissenschaft.de/de/das_projekt/ [Okt. 2010].

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ihre Fähigkeit zur ›imaginatio‹, als schöpferisches Grundvermögen zur Beobachtung der Naturphänomene über das Sichtbare hinaus, gemeinsame Anschauungsfelder eröffnen, ›Versuchsanordnungen‹ […] bereitstellen und damit zur Selbstverständigung der Gesellschaft beitragen« könnten. 225 Die anvisierte Kooperation künstlerischer und wissenschaftlicher Betrachtungsweisen ist zwar durch aktuelle Fragestellungen gesellschaftlicher und politischer Art motiviert. Dennoch ist anzumerken, dass die damit verknüpfte Vision auch an das problematische historische Motiv einer visionären »künstlerischen Einbildungskraft«226 anzuknüpfen scheint. Eine wissenschaftliche Weiterführung der damit eröffneten Themensetzung fand im Anschluss an die Ausstellung am Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin unter der Leitung von Sabine Flach statt. Im Zentrum der Untersuchung steht dort die Frage, inwiefern künstlerische Praktiken als spezifische Erkenntnisweisen und Interventionen in den wissenschaftlichen Diskurs verstanden werden könnten, bzw. um welche künstlerischen Tätigkeiten es sich dabei handelt. Die Untersuchung ist entlang von drei Schwerpunkten konzipiert, die kurz genannt werden sollen, da sie exemplarisch auf zentrale Aspekte zum Verhältnis von Kunst und Wissenschaft hinweisen, die auch in anderen thematisch verwandten Projekten adressiert werden: Erstens wird die Beziehung zwischen »LifeSciences, Kunst und Medien« untersucht. Im Fokus dieser Konzeption steht »der Impuls, die künstlerischen und medialen Entsprechungen des gegenwärtigen biotechnologischen Wandels zu markieren«.227 Es habe sich gezeigt, so Flach, dass Naturwissenschaftler zur Erläuterung und Darstellung ihrer Forschungen, Paradigmen, Metaphern und Bilder verwendeten, die nicht einem »neutralen« und damit scheinbar objektiven Bereich zuzuordnen seien, sondern in kulturgeschichtliche Traditionen eingebunden seien. Den bildenden Künsten spricht die Autorin mithin ein »kritisches Potential« zu um eine »Rückgewinnung und Auslotung dieser kulturellen und epistemologischen Implikationen der betreffenden Bilder und Begriffe« zu ermöglichen: »Die Künste erst unterlegen die scheinbar ahistorischen Bilder der Wissenschaft mit ihrer ikonografischen Genese und können somit auf die blinden Flecken und Ungereimtheiten des wissenschaftlichen Diskurses nicht nur hinweisen, sondern besonders auch aufzeigen, wie sehr dieser auf genau diesen unvollständigen Konzepten basiert«. Zweitens wird, unter dem Projekttitel Bilder jenseits des Bildes, vor dem Hintergrund aktueller bildwissenschaftlicher Diskurse der Frage nach dem 225. www.kunst-als-wissenschaft.de/de/das_projekt/ [Okt. 2010]. 226. Vgl. dazu Daston: Wunder, Beweise, Tatsachen. 2003, S. 111 ff. 227. Flach, Sabine; Weigel, Sigrid (Hg.): WissensKünste. Weimar. 2010. Nachfolgend zitiert nach: http://www.zfl.gwz-berlin.de/forschung/projekte-bis-2007/wissenskuenste [Okt. 2010].

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Bildbegriff und seinen Veränderungen durch den Einsatz digitaler Medien und bildgebender Verfahren in Kunst und (Natur-)Wissenschaften nachgegangen.228 Als eine These stellt Flach heraus, dass die Zeichensysteme ›Bild‹ und ›Schrift‹ im digitalen Raum (sowohl jenem der Kunst als auch der Naturwissenschaft) ihre Antinomie verlören, durchlässig würden und dabei tradierte epistemologische Zuordnungen überschritten. 229 Allerdings ist anzumerken, dass diese These eine grundlegende Dichotomie zwischen ›Bild‹ und ›Schrift‹ im ›analogen Raum‹ suggeriert, dabei wäre gerade die Annahme einer solchen Dichotomie sowohl in den analogen als auch digitalen Medien in einem semiologischen Sinne kritisch zu befragen. Drittens gilt das Interesse der Untersuchung im Projekt der WissensKünste dem Status von »Schönheit« in Kunst und Wissenschaft.230 Das Schöne gerate in wissenschaftlichen Debatten allzu häufig zum Oberflächenphänomen, so die These hier, seine Bedeutung für und sein Einfluss auf kulturelles Wissen würden dabei ebenso wenig zur Kenntnis genommen wie die Tatsache, dass die Schönheit natur wissenschaftlicher Objekte, Bilder und Prozesse diesen nicht einfach inhärent, sondern Teil des Konstruktionsprozesses sei.231 An den angeführten Schwerpunkten lässt sich die Tendenz benennen, dass die derzeitige Neu- und Wiederbestimmung des Verhältnisses von Kunst und Wissenschaft vermehrt von den Kultur- und Geisteswissenschaften ausgeht und dass im Zentrum dieser Bestimmungen vor allem mögliche Interferenzen zwischen Kunst und Naturwissenschaften stehen. Jedoch ist auch zu konstatieren, dass entsprechende Bestimmungen für die Geisteswissenschaften und ihre Praktiken oft noch ausstehen. Mit der Fokussierung auf das »kritische Potential« der Kunst sowie dem Motiv der »Schönheit« werden zudem Aspekte adressiert, die ›typische‹ Topoi der Kunst und Kunstgeschichte repräsentieren. Zugespitzt formuliert scheint es, dass in einer derart angelegten Befragung von Kunst und Wissenschaft zwei stereotype, und deswegen besonders markante, ›Ausschnitte‹ von Kunst und Wissenschaft miteinander in Beziehung gesetzt und befragt werden. Doch gerade die Wahl dieser Ausschnitte würde ihrerseits eine kritische Befragung verdienen, da die heutigen Wissenschaften durch die Naturwissenschaften allein nicht adäquat repräsentiert werden und in den Künsten auch andere, weniger stereotype Themen zu adressieren wären. 228. Flach/Weigel: WissensKünste. 2010. Ich beziehe mich nachfolgend auf die Projektwebsite: http://www.zfl.gwz-berlin.de/forschung/projekte-bis-2007/wissenskuenste [Okt. 2010]. 229. Vgl. dazu etwa das Symposium: WissensBilder. Ästhetische Strategien in den Wissenschaften. Zürcher Hochschule der Künste. 21.–22. Mai 2005. 230. Flach/Weigel: WissensKünste. 2010. 231. Auf: http://www.zfl.gwz-berlin.de/forschung/projekte-bis-2007/wissenskuenste/ [Okt. 2010].

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›Wissen im Entwurf‹ und die Wissenschaftsgeschichte In der Wissenschaftsgeschichte kann gegenwärtig ein Interesse beobachtet werden, das zwar nicht direkt künstlerische Tätigkeiten als Weisen der Wissenserzeugung befragt, sich aber dennoch in einem allgemeineren Sinn auf die Praktiken der wissenschaftlichen Wissenserzeugung richtet.232 Damit rücken unweigerlich auch Praktiken des Experimentierens und Verfahren der Datenaufzeichnung ins Zentrum des Interesses, die als »künstlerisch« gelten (etwa das Zeichnen) oder die in ihrer Beschreibung auf künstlerische Motive referieren (etwa jenes der ›Virtuosität‹). Michael Hagner hält fest, dass es in 1980er Jahren in der Wissenschaftsgeschichte zu einer Abwendung von »Theorien, abstrakten Entdeckungen, Ideen oder auch Paradigmen hin zu einer Ausrichtung an der Praxis der Wissenschaften« gekommen sei, die er, mit Bezug auf Latour,233 als einen Perspektivenwechsel hin zu einer »Science in Action« bezeichnet.234 Gemeint ist, dass sich die Wissenschaftsgeschichte im Zuge einer Vielzahl von thematischen »turns« (practical turn, experimental turn, performative turn, iconic turn, pictorial turn etc.) in jüngerer Zeit eingehend mit den Praktiken des Experimentierens und Aufzeichnens sowie mit der materiellen Kultur von Forschungskontexten beschäftigt. Als Prämisse solcher Untersuchungen gilt, dass mediale und materiell-visuelle Darstellungsformen und Aufzeichnungsverfahren, technische Apparaturen und handwerkliche Fertigkeiten »Experimentalsysteme«235 nicht unbeeinflusst lassen, sondern dass sie vielmehr die aus ihnen resultierenden wissenschaftlichen Befunde grundlegend strukturieren. Statt »die Heroen einzelner Disziplinen und ihre Theorien zu historisieren«, zielt der Blick dieser so genannten historischen Epistemologie nunmehr auf »Institute und Labore, Apparate, Versuchsobjekte und Experimente«.236 Eine materialistische Betrachtungsweise wissenschaftlicher Praxis, die auf die Produktions- und Darstellungsformen schaut, schließt naheliegend medien- und kunsttheoretische Reflexionen mit ein, etwa solche zum Eigensinn technischer und medialer »Aufschreibesysteme« (Kittler),237 zu den produktions- und rezeptionsästhetischen Effekten »technischer Reproduzierbarkeit«, wie sie bereits 1936 von Benjamin erläutert wurden, 238 oder 232. Vgl. Schatzki et al.: The Practice Turn in Contemporary Theory. 2001. 233. Latour, Bruno: Science in Action: How to Follow Scientists and Engineers through Society. Harvard. 1988. 234. Hagner: Ansichten der Wissenschaftsgeschichte. 2001, S. 21. 235. Rheinberger: Experimentalsysteme und epistemische Dinge. 2001, passim. 236. Vöhringer: Avantgarde und Psychotechnik. 2007, S. 17. 237. Kittler, Friedrich: Aufschreibesysteme 1800/1900. München. 1985. Vgl. dazu grundlegend McLuhan, Marshall: Understanding Media: The Extensions of Man. New York. 1964. 238. Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Frankfurt a. Main. 1963 [teilweise 1936 veröffentlicht].

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zur Bedeutung der »Virtuosität des Experimentators« (Rheinberger). 239 Ernst genommen bedeutet dies, dass auch so genannte Geisteswissenschaften sich einem Materialismus verpflichten müssten, der die technisch-medialen Schreib- und Aufzeichnungswerkzeuge sowie die praktischen Produktionsprozesse von »Experimentalsystemen« neben, oder über ihre hermeneutischen und soziologischen Ansätze hinaus, zu ihrem Gegenstand und zur ihrer Methodik machen. Eine solche Bestimmung und Untersuchung von wissenschaftlicher Wissensproduktion kann als Beobachtung ›zweiter Ordnung‹ lesbar werden. Sie verdeutlicht, dass die Ordnung der Praktiken quer zu der Ordnung der Felder und Disziplinen verläuft und sich nicht an den Dichotomien ›Subjekt‹ versus ›Objekt‹ oder ›sozial‹ versus ›natürlich‹ orientiert. Ermöglicht werden damit neue Einsichten bezüglich ebendieser Dichotomien und ihrer Grenzziehungen. So kann beispielsweise der Gebrauch von Modellen sowohl in künstlerischen Werkprozessen als auch in wissenschaftlichen Erkenntnisprozessen verorten werden und wird produktiverweise über die Grenzen dieser beiden Felder hinaus vergleichend untersucht. 240 Nicht mehr »das Sinnlich-Greif bare auf der einen und das Gedanklich-Abstrakte auf der anderen Seite« leitet das Blickregime einer solchen Wissenschaftsbeobachtung an, wie Dotzler und Schmidgen schreiben, ins Blickfeld gelangen stattdessen die Grenz- und Zwischenräume der Wissenschaft, in denen sich eine Vielzahl von menschlichen und nichtmenschlichen ›Handlungsträgern‹ tummeln: »Wissenschaftler und Techniker einerseits, Instrumente und Modellorganismen andererseits, und schließlich Einschreibevorrichtungen aller Art: Notizen, Labortagebücher, Präparate, Photographien, Filme, Datenbanken, Simulationen«.241 Bruno Latour und andere Wissenschaftsforscher und -forscherinnen wie Michel Callon, John Law oder Madeleine Akrich entwickeln seit Ende der 1970er Jahre zur Beschreibung von solchen experimentellen Konstellationen eine Akteur-Netzwerk-Theorie, die den Einfluss von nicht-menschlichen Objekte oder ›Dingen‹ als Akteuren in der Geschichte der Wissenschaften zu beschreiben versucht.242 In feministischer Hinsicht beschäftigt sich Donna Haraway mit kulturellen Artefakten in der wissenschaftlichen Wissensproduktion, anders als Latour ist für ihr Denken aber der Einfluss von sozialen und geschlechterspezifischen Strukturen in solchen ›Netzwerken des Wissens‹ zentral.243 239. Rheinberger: Experimentelle Virtuosität. 2008, S. 331. 240. Vgl. zum Beispiel Wendler, Reinhard: Die Rolle der Modelle in Werk- und Erkenntnisprozessen. Dissertation. Humboldt-Universität zu Berlin. Berlin. 2008. 241. Dotzler/Schmidgen: Zu einer Epistemologie der Zwischenräume. 2009, S. 8. 242. Latour/Woolgar: Laboratory Life. The Construction of Scientific Facts. 1979. Vgl. zur AkteursNetzwerk-Theorie Latour: Reassembling the Social. 2005. 243. Haraway, Donna: Situiertes Wissen. 1995.

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Wissenschaftliches Wissen wird, so kann man aus den genannten Positionen und ihren Befunden schließen, nicht allein im Medium ›Text‹ erzeugt und ist mehr als nur eine nachträgliche Verschriftlichung oder Illustration von Erkenntnissen. Vielmehr wird es durch die verschiedenen materiellen Formen konstituiert, in denen es zum Ausdruck und zur Darstellung kommt. Ein Beispiel für eine solche Wissenschaftsbeobachtung stellt die Forschungsinitiative Wissen im Entwurf dar, auf die im Folgenden ausführlicher eingegangen werden soll.244 Schreiben und Zeichnen werden darin als primäre »Verfahren der Forschung« und »Datensicherung« untersucht und es wird die These verfolgt, dass sie als »techniques of creativity« zum Prozess der Wissensfindung und dessen Repräsentation in Natur- und Geisteswissenschaften gleicher maßen beitragen – vielmehr noch, dass sie als fest miteinander verschränkte Verfahren der Wissensfindung und -repräsentation interagieren.245 »Im Schreiben und Zeichnen werden nicht nur Wissensbestände bewahrt und übermittelt. Es ergeben sich zugleich spezifische Möglichkeiten, Erfahrungen und Überlegungen neu anzuordnen«, so Christoph Hoffmann.246 Zeichnen und Schreiben werden in diesem Sinne als epistemische Verfahren verstanden, »die im Akt der Aufzeichnung an der Entfaltung von Gegenständen des Wissens teilhaben«. 247 Der Begriff ›Verfahren‹ wird favorisiert, weil er die auf Papier erzeugten Einschreibungen nicht vom »finalen Produkt« her betrachtet, sondern das »durchführungsorientierte Moment« hervorhebt.248 Im Zuge der Erstellung einer Liste, entscheide sich zunächst, was überhaupt Listeneintrag werde, und in der Anfertigung der Kopie entscheide sich, was an der Vorlage als originär hervortrete.249 Das Verfahren könne, so Hoffmann, anders als die Methode »niemals restlos von seiner Ausführung abstrahiert werden«, es sei 244. Die Forschungsinitiative läuft seit Herbst 2006 unter der Leitung von Hans-Jörg Rheinberger, Direktor am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin, und Gerhard Wolf, Direktor am Kunsthistorischen Institut Florenz (Max-Planck-Institut). Die Forschenden in den beiden Forschergruppen untersuchen Zeichnen und Schreiben in verschiedenen Kontexten und aus unterschiedlichen Perspektiven: Am Kunsthistorischen Institut in Florenz untersucht Jutta Voorhoeve Funktionen der Zeichnung in der zeitgenössischen Kunst. Omar W. Nasim erforscht Zeichnungen kosmischer Nebel, die englische Astronomen und Künstler zwischen 1830 und 1865 anfertigten. Am Max-Planck-Institut in Berlin arbeitet Karin Krauthausen zu den Cahiers von Paul Valéry. Christoph Hoffmann untersucht die Notizbücher des Physikers und Wissenschaftstheoretikers Ernst Mach. Barbara Wittmanns Fallstudien haben zum einen Kinderzeichnungen in der Psychologie, zum anderen wissenschaftliche Handzeichnung in den Lebenswissenschaften zum Gegenstand. Vgl. Fenzel, Birgit: Wissenschaft in Skizzen. Projektbericht. In: Max-Planck-Forschung. Nr. 4. 2008, S. 60–65. 245. Projektwebsite: http://knowledge-in-the-making.mpiwg-berlin.mpg.de [Sept. 2009]. 246. Hoffmann, Christoph: Festhalten, Bereitstellen, Verfahren der Aufzeichnung. In: Ders. (Hg.): Daten sichern. Schreiben und Zeichnen als Verfahren der Aufzeichnung. Zürich/Berlin. 2008, S. 7–20, hier S. 7. 247. Hoffmann: Festhalten, Bereitstellen, Verfahren der Aufzeichnung. 2008, S. 7. 248. Hoffmann: Festhalten, Bereitstellen, Verfahren der Aufzeichnung. 2008, S. 14. 249. Hoffmann: Festhalten, Bereitstellen, Verfahren der Aufzeichnung. 2008, S. 15.

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»wesentlich Ausführung (und nicht Theorie, Modell, Begriff)«.250 Im Verfahren des Schreibens und Zeichnens werden der Arbeit zweckdienliche, »primäre Daten« gesichert, die »zum ersten Mal oder vielleicht auch wiederholt, aber in diesem Moment neu« etwas festhalten und bereitstellen, und sich in unterschiedlicher Weise und je nach Kontext und Auffassung »mal zum Gegebenen, mal zum Kommenden« in Bezug setzen.251 Zu einer der Zielsetzungen des Projekts Wissen im Entwurf gehört, »Aufmerksamkeit dafür [zu] schaffen, dass selbst unter den heutigen hochtechnischen Bedingungen des Forschens scheinbar triviale Handlungen wie das Schreiben oder Zeichnen einen Beitrag zum wissenschaftlichen Wissen leisten«.252 Inmitten der kostspieligen und raumgreifenden technischen Anordnungen, in die heutige wissenschaftliche Arbeit eingebettet sei, halte sich weiterhin »das ganze Repertoire der Schmierzettel, schematischen Zeichnungen, Listen und Arbeitsjournale«, konstatiert Hoffmann. Der Umstand dass durch Schreiben und Zeichnen unkompliziert und rasch Beobachtungen, Ideen, Erinnerungen oder Bemerkungen festgehalten werden können, macht das »paperwork«253 oder die »papertools«254 der Wissenschaften – Notizbücher, Skizzenhefte und Schmierzettel – zu unverzichtbaren, wenngleich wenig beachteten Begleitern in Forschungsund Erkenntnisprozessen. Als ›unverzichtbar‹ werden sie aus dem Grund erachtet, da die »Inskriptionen« als »immutable mobiles« fungieren, als unveränderliche und zugleich agile Träger von Erkenntnis, in dem Sinne, dass Daten auf Papier materialisiert werden und als dergestaltige Repräsentationen von Wissen weiter ›transportierbar‹ sind.255 Zugleich versucht Latour mit Blick auf die genannten materiellen Inskriptionen eine »sparsame Erklärung« zu geben, wie Wissenschaft und Technik seit der Neuzeit vermittels »kleiner Entitäten« zu ihrem großen Einfluss gelangen konnten.256 Die Sicht auf Schreiben und Zeichnen als epistemische Verfahren der Aufzeichnung birgt einige methodische Schwierigkeiten. Zunächst müssen die tradierten Grenzen zwischen Natur- und Geisteswissenschaft, Literatur und Künsten um der Fragestellung willen suspendiert werden: »Die Skizze eines Sternennebels und das Schreibprojekt einer Geschichte der Empfindsamkeit verbindet auf geraden Wegen nichts – außer ihre Wirk250. 251. 252. 253.

Hoffmann: Festhalten, Bereitstellen, Verfahren der Aufzeichnung. 2008, S. 15. Hoffmann: Festhalten, Bereitstellen, Verfahren der Aufzeichnung. 2008, S. 17 f. Fenzel: Wissenschaft in Skizzen. 2008, S. 60. Latour, Bruno: Drawing Things Together. In: Lynch, Michael; Woolgar, Steve (Hg.): Representation in Scientific Practice. Cambridge, Mass./London. 1990, S. 19–68, hier S. 52. 254. Klein, Ursula: Paper Tools in Experimental Cultures. The Case of Berzelian Formulas. In: Studies in History and Philosophie of Science. Nr. 32. 2001, S. 265–312. 255. Latour, Bruno: Drawing Things Together: Die Macht der unveränderlichen mobilen Elemente. In: Bellinger, Andrea; Krieger, David. J. (Hg.): ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie. Bielefeld. 2006, S. 259–307. 256. Latour: Drawing Things Together. 2006, S. 259 und S. 298.

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lichkeit auf dem Papier«, so formuliert Hoffmann die Überschneidung, die sich im Schreiben und Zeichnen durch die Disziplinen und durch die Wissenskulturen hindurch ergeben.257 Mit der Suspendierung der Disziplingrenzen verbunden ist die Schwierigkeit, ein Disziplin übergreifendes Vokabular zu entwickeln, dass die spezifischen Kontexte und Zielsetzungen unter denen eine Notiz oder eine Skizze einmal entstanden ist, zu berücksichtigen weiß, und dennoch das gemeinsame epistemische Potential der Praktiken und Techniken zu benennen vermag. Die Sicht auf die Verfahren (nicht auf die finalen Produkte) der Aufzeichnung bringt des Weiteren mit sich, dass die ›folgerichtigen‹ Gegenstände der Untersuchung Materialstudien sind. Die zur Untersuchung stehenden Materialien (Notizbücher, Skizzenhefte, Schmierzettel) sind allerdings ›inoffizielle‹, provisorische Aufzeichnungen, sie wurden erstellt, um dem Arbeitsprozess dienlich sein. Weder seien sie, so schreibt Hoffmann, zur Veröffentlichung bestimmt, noch kennten sie, anders als ein Briefwechsel, einen Adressaten.258 Zunächst hielten die zur Untersuchung stehenden Materialien nur bestimmte Momente der Aufzeichnung fest – nämlich jene der tatsächlichen grafischen Inskription. Andere verfahrensrelevante Aspekte hingegen, wie etwa der zum Zeitpunkt der Aufzeichnung herrschende Lichteinfall oder der Stift, der gerade zur Hand war – könnten nur indirekt nachvollzogen werden. Ebenfalls könnten die subjektiven Erkenntnisse und die praktischen Erfahrungen, die Schreibende und Zeichnende während des Prozesses der Aufzeichnung erfahren würden, nur in dem Maße rekonstruiert werden, wie es die Datenlage zulasse. Zugespitzt fehlt jene Auskunft, die der Schreibende oder Zeichnende selbst über seinen Aufzeichnungsprozess vielleicht geben könnte. Doch wären auch solchen Selbstauskünften mit Vorsicht zu begegnen, da sie oftmals kaum mehr als die konventionalisierten Narrative von kreativen Prozessen darstellen.259 Mit den Händen denken – Ansätze aus der Kunstgeschichte und den Bildwissenschaften Auch in der Kunstgeschichte gilt ein (allerdings nicht neues) Forschungsinteresse derzeit dem »suggestiven Potential von Zeichnungen«, das sich laut Horst Bredekamp erst an der Grenze zwischen »Gedanken und Materialisierung« zu entfalten vermag.260 Für Bredekamp sind Bilder nicht bloß als 257. Hoffmann: Festhalten, Bereitstellen, Verfahren der Aufzeichnung. 2008, S. 8. 258. Hoffmann: Festhalten, Bereitstellen, Verfahren der Aufzeichnung. 2008, S. 13. 259. Dieser Hinweis geht auf einen Vortrag von Christoph Hoffmann zurück, gehalten im Kolloquium des Depart. III, Max-Planck–Institut für Wissenschaftsgeschichte Berlin am 21. Juli 2009. 260. Bredekamp, Horst: Denkende Hände. Überlegungen zur Bildkunst der Naturwissenschaften.

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expressive Objekte zu verstehen, sondern – in Analogie zu Austins »Sprechakten« – als »Bildakte«261 oder »sketchacts«,262 als handelnde Akteure. Als Konsequenz dieser Sichtweise erforscht er an den Beispielen von Galileo Galileo, Thomas Hobbes und Gottfried Wilhelm Leibniz »die visuellen Denkformen der Naturwissenschaft, Staatstheorie und Philosophie«.263 Den Natur wissenschaftler Galileo Galilei etwa untersucht Bredekamp unter dem Aspekt seiner »zeichnerischen«, »motorischen Intelligenz«: »Reziprok zum Fernrohr, mit dem Galilei den Himmel betrachtete, erforderte das Studium des Materials, durch das er die Phänomene festhielt, die analoge und digitale Lupe«, erläutert Bredekamp seine Vorgehensweise.264 Die Zeichnungen, die Galileo bei seinen teleskopischen Beobachtungen des Mondes und der Sonnenflecken erstellte, sind nicht einfach nachträgliche Illustrationen des Gesehenen, sondern tragen als zeichnerisches Verfahren der Aufzeichnung, als »Denken mit dem Auge«265 erst maßgeblich zur Erkenntnisgenerierung bei, Bilder werden zu »Instrumenten der Erkenntnis«.266 [ Abb. 17 ] Das Interesse an künstlerischen Darstellungsformen ist eng mit der Frage nach einem epistemischen Potential von Bildern verbunden und akkumuliert sich in zeitgenössischen Forschungsfeldern wie den Bildwissenschaften oder der Bildkritik. Diese haben sich vor dem Hintergrund der Diagnose eines iconic turn (Boehm) oder pictorial turn (Mitchell) herausgebildet 267 und untersuchen auf unterschiedliche Weise die »Macht und

261.

262.

263.

264. 265. 266. 267.

In: Badur, Frank; Bogen, Steffen, Horst Bredekamp et al. (Hg.): Räume der Zeichnung. Nürnberg, 2007, S. 12–24. Bredekamp, Horst: Bildakte als Zeugnis und Urteil. In: Monika Flacke (Hg.): Mythen der Nationen. 1945 – Arena der Erinnerungen. Mainz. 2004. Bd. I, S. 29–66; ders.: Bild – Akt – Geschichte. In: Geschichtsbilder. 46. Deutscher Historikertag vom 19.–22. September 2007 in Konstanz. Berichtsband. Hg. von Clemens Wischer mann et al. Konstanz. 2007, S. 289–309. Vgl. auch das Forscherkolleg ›Bildakt und Verkörperung‹ an der HU Berlin. Bredekamp, Horst: Der Sketchact. In: Deutsche Akademie für Sprache und Künste. Jahrbuch 2001. Göttingen. 2002, S. 168–172. Vgl. auch: Helas, Philine; Bredekamp, Horst: Bild/ Geschichte: Festschrift für Horst Bredekamp. Berlin. 2007, S. 134 f. Vgl. grundlegend zur Sprechakt-Theorie: Austin, John L.: How to Do Things with Words. Cambridge, Mass. 1962. [Dt. Ausgabe: Zur Theorie der Sprechakte. Stuttgart. 1972]. Bredekamp, Horst: Galilei der Künstler. Der Mond. Die Sonne. Die Hand. Berlin. 2007, S. 8. Ders.: Thomas Hobbes. Der Leviathan. Das Urbild des modernen Staates und seine Gegenbilder, 1651–2001. Berlin. 2003. Ders.: Die Fenster der Monade. Gottfried Wilhelm Leibniz‹ Theater der Natur und Kunst. Berlin. 2004. Bredekamp: Galilei der Künstler. 2007, S. 6 f. Titel des Bandes: Heintz, Bettina; Huber, Jörg (Hg.): Mit dem Auge denken. Strategien der Sichtbarmachung in wissenschaftlichen und virtuellen Welten. Zürich et al. 2001. Böhm, Gottfried: Zwischen Auge und Hand. Bilder als Instrumente der Erkenntnis. In: Heintz/Huber: Mit dem Auge denken. 2001, S. 43–54, hier S. 43. Die Fragen, die Boehm und Mitchell behandeln, variieren allerdings. Auch unterscheidet sich ihr methodischer Zugriff. Während Boehms Bildkritik in der Tendenz eher eine philosophischtheoretische Bestimmung des Bildes anstrebt, haben Mitchells Texte einen politisch-gesellschaftlichen Umgang mit Bildern im Auge und sind den visual cultural studies zuzurechnen.

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Abb. 17: Kupferstiche der Mondphasen von Galileo Galilei (1610)

Bedeutung der Bilder« als Gegenpol zum Primat der sprachlichen Darstellungs- und Verhandlungsformen. Folgt man einer Argumentation der Bildwissenschaften, dann adressiert das notorische Sprechen von einer ›Bilderflut‹ zum einen die Beobachtung einer ansteigenden, intellektuell nur schwer handhabbaren Bildproduktion und deren massenmediale Distribution in gesellschaftlichen, politischen und kulturellen (zuerst westlichen, nunmehr globalisierten) Kontexten, basierend auf einem gesellschaftlichen Zustand, den Guy Debord einst im Sinne einer politischen Analyse als societé de spectacle bezeichnete.268 Zum anderen scheint das Interesse an Bilderfragen Disziplin übergreifend zu sein und Kunst und Wissenschaft bzw. Geistes- und Naturwissenschaften über die Kluft ihrer »zwei Kulturen« hinweg zu verbinden. Gottfried Boehm schreibt diesbezüglich: »Kunst- und Wissenschaftsbilder rücken sich nahe, ohne dass wir wüssten, was das bedeutet. ›Darstellung‹ (Repräsentation) stieg zu einem neuen Paradigma offenbar deshalb auf, weil es die wichtige Rolle der nonverbalen Praktiken im Wissenschaftsprozess miterfasst«.269 Vor diesem Hintergrund fragt er aus einer philosophischen Perspektive nach dem »ikonischen Wissen« von Bildern. Er sieht dieses in einer spezifischen »Diskursivität des Bildes« verortet, deren zentrale Funktion jene eines anschaulichen »Auf-etwas-Zeigens« (deixis, lateinisch demonstratio) sei.270 Pragmatische Anleitungen, wie mit Bild- und Sichtbarkeitsphänomenen auf gesellschaftspolitischer Ebene umzugehen sei (etwa in Form einer kritisch geschulten visual literacy) fühVgl. Boehm, Gottfried: (Hg.): Was ist ein Bild? München 2001. Mitchell, William John T.: Picture Theory. Essays on Verbal and Visual Representation. Chicago. 1994. 268. Debord, Guy: La Société du spectacle. Paris. 1967. [Dt. Ausgabe: Die Gesellschaft des Spektakels. Berlin. 1996]. 269. Boehm: Zwischen Auge und Hand. 2001, S. 43. 270. Vgl. Boehm, Gottfried: Ikonisches Wissen. Das Bild als Modell. In: Boehm Gottfried (Hg.): Wie Bilder Sinn erzeugen. Die Macht des Zeigens. Berlin. 2007, S. 114 –140.

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ren philosophische Bildtheorien – im Gegensatz zu den oftmals politisch motivierten visual culture studies –271 bislang weniger an. Martin Kemp untersucht ein »Wissen in Bildern« ausgehend von der Annahme, dass Wissenschaftler und Künstler von einer ähnlichen »strukturellen Intuition« geleitet werden, was die Art und Weise ihrer Herangehensweise an ihre Arbeit betreffe. »Wissenschaftler und Künstler beginnen beide mit Intuitionen, die sie in Verbindung mit Prozessen, Strukturen, Ordnung und Unordnung haben«, so Kemp.272 An anderer Stelle hält er fest: »Viele Künstler fragen so beharrlich nach dem Warum wie ein Wissenschaftler. Auch bei ihnen ist jeder Akt des Sehens ein potenzieller Akt der Analyse«.273 Ergänzend dazu kann eine Aussage von Bettina Heintz und Jörg Huber angeführt werden, in der sie die Naturwissenschaften als ›Bildwissenschaften‹ anschreiben: Die Natur mag vielleicht als ein Buch zu lesen sein, in der Praxis der Wissenschaft präsentiert sie sich jedoch vor allem in Bildern, die uns einen immer perfekteren Einblick in die verborgenen Strukturen der Wirklichkeit zu geben scheinen.274

Adressiert wird hier also der konkrete Umgang mit Bildern und bildgebenden Verfahren in (natur-)wissenschaftlichen Praktiken der Wissenserzeugung, aber auch der bisweilen naive, wenig hinterfragte Umgang mit diesen Bildern auf der Ebene ihrer Deutung, Vermittlung und öffentlichen Verbreitung.275 Die bisweilen einseitige Fokussierung auf ›das Bild‹ und die Art und Weise seiner Bestimmung in bildwissenschaftlichen Untersuchungen ist aber bereits auch zum Gegenstand von Kritik avanciert. Sigrid Schade hält fest, dass das Unterfangen, Bildwissenschaften als neue transdisziplinäre Disziplin zu etablieren, seine Legitimation mithin daraus beziehe, dass mit großer Selbstverständlichkeit theoretische und methodische Zugänge angeboten werden, die bereits in anderen Disziplinen, namentlich in den gender und cultural studies entwickelt worden seien und die die Kunstgeschichte bislang anscheinend nicht in ihr Fach zu integrieren in der Lage gewesen sei.276 Sie problematisiert ein »anthropologisches« 271. Vgl. Mirzoeff: The Visual Culture Reader. 1998. 272. Kemp, Martin: Wissen in Bildern. Intuitionen in Kunst und Wissenschaft. In: Maar, Christa; Burda, Hubert (Hg.): Iconic Turn. Die Macht der Bilder. Köln. 2004, S. 382–406, hier S. 384. 273. Kemp, Martin: Bilderwissen. Die Anschaulichkeit naturwissenschaftlicher Phänomene. Köln. 2003, S. 15. 274. Heintz, Bettina; Huber, Jörg: Der verführerische Blick. Formen und Folgen wissenschaftlicher Visualisierungsstrategien. In: Dies.: Mit dem Auge denken. 2001, S. 9–40, hier S. 9. 275. Vgl. dazu den Band von Vögtli, Alexander; Ernst, Beat: Wissenschaftliche Bilder. Basel. 2007. 276. Schade, Sigrid: What Do Bildwissenschaften Want? In the Vicious Circle of Pictorial and Iconic Turns. In: Imesch, Kornelia et al. (Hg.): Inscriptions/Transgressions. Kunstgeschichte und Gender Studies. Bern. 2008, S. 31–51, hier S. 42.

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Bildverständnis,277 das unhinterfragt und undifferenziert essentialistische, universalistische und ontologische Kategorien wie »der Körper«, »der Mensch« und »das Bild« repetiere und das Bild in seiner ontologischen, zumeist magischen Funktion in der menschlichen Zivilisationsgeschichte perpetuiere.278 Damit werde Kunst und der »Connoisseur« einmal mehr in anachronistischer Weise mystifiziert, so Schade.279 Sie stellt in Frage, ob die von den Bildwissenschaften propagierte Trennung zwischen Bild und Text bzw. das Narrativ eines iconic turn, der auf einen einseitig sprachorientierten lingusitic turn folge, in dieser Trennschärfe aufrechtzuerhalten sei und ob die einseitige Fokussierung auf das Bild und das Ikonische nicht ausblende, dass Bild und Text in ihren (oftmals unsichtbaren) Bedeutungskonstruktion aus einer semiologischen Perspektive strukturell miteinander verknüpft seien und einander konstituieren. 280 Verwandte Fragestellungen, unterschiedliche Motivationen Neben Bildern und bildgebenden Verfahren gilt das wissenschaftliche Interesse gegenwärtig selbstredend auch noch weiteren Themen, die eine avancierte Bestimmung von Kunst und Wissenschaft bzw. ihrer Interferenzen zu versprechen scheinen. So werden etwa Tanz und choreographierte Körpertechniken,281 Film und filmische Verfahren,282 Sonifikationen283 oder Modelle284 in einschlägigen Untersuchungen nicht bloß als Repräsentations- oder Illustrationsformen von Wissen aufgefasst, sondern als eigenständige Formen des Wissens und als eigenständige Weisen der Wissenserzeugung befragt. 277. Dies in Bezug auf Belting, Hans: Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft. München. 2001. 278. Schade: What Do Bildwissenschaften Want? 2008, S. 43. 279. Vgl. Schade, Sigrid: Scheinalternative Kunst- oder Bildwissenschaft. Ein kulturwissenschaftlicher Kommentar. In: Heusser, Hans-Jörg; Imesch, Kornelia (Hg.): Visions of a Future. Art and Art History in Changing Contexts. Zürich. 2004, S. 87–100, hier 89 f. Sowie: Loreck, Hanne: BildAndropologie. Kritik einer Theorie des Visuellen. In: Falkenhausen, Susanne von, et al. (Hg.): Medien der Kunst. Geschlecht, Metapher, Code. Marburg. 2004, S. 12–26. 280. Schade: What Do Bildwissenschaften Want? 2008, S. 48 f. 281. Brandstetter, Gabriele: Aufführung und Aufzeichnung. Kunst der Wissenschaft?. In: FischerLichte, Erika et al. (Hg.): Kunst der Aufführung. Aufführung der Kunst. (= Theater der Zeit: Recherchen 18). Berlin. 2004, S. 40–50. Gehm, Sabine et al. (Hg.): Wissen in Bewegung. Perspektiven der künstlerischen und wissenschaftlichen Forschung im Tanz. Bielefeld. 2007. Huschka, Sabine: Wissensformen choreographierter Körper. Perspektiven und Annäherungen. In: Tanzjournal. Nr. 5. 2006, S. 14–17. 282. Vgl. die Veranstaltung »Science et Cité Cinéma: Der wissenschaftliche Film«, Bern, 17./18. Oktober 2008. 283. Dombois, Florian: Sonifikation. Ein Plädoyer, dem naturwissenschaftlichen Verfahren eine kulturhistorische Einschätzung zukommen zu lassen. In: Meyer, Petra Maria (Hg.): Acoustic Turn. Paderborn. 2008, S. 91 –100. 284. Vgl. Mahr, Bernd: Modellieren. Beobachtungen und Gedanken zur Geschichte des Modellbegriffs. In: Krämer/Bredekamp: Bild – Schrift – Zahl. 2003, S. 59–86; ders.: Cargo. In: Reichle, Ingeborg; Siegel, Steffen et al. (Hg.): Visuelle Modelle. München. 2008, S. 17–40.

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Dabei können ähnliche Fragen und Themen beobachtet werden, wie sie derzeit auch in der praxisbasierten Forschung in Kunst und Design virulent sind. In Frage gestellt wird etwa, wie ›Wissen‹ in wissenschaftsalternativen Kontexten zu definieren sei und in welchem Verhältnis diese Bestimmung zu wissenschaftlichen Wissensbegriffen stehe. Gefragt wird zudem, ob eine Ausweitung des Wissensbegriffs, etwa auf die Praktiken der Bildherstellung oder die Bilder selbst, es überhaupt noch rechtfertige, von ›Wissen‹ zu sprechen. Scheinbar in Ergänzung zu den angeführten Forschungsthemen in den Kulturwissenschaften, der Wissenschafts- und Kunstgeschichte beschäftigt sich auch die praxisbasierte Forschung in Kunst und Design mit künstlerischen und gestalterischen Darstellungsformen und Verfahren der Wissenserzeugung. Zeichnen wird von künstlerisch Forschenden beispielsweise ähnlich wie im Projekt Wissen im Entwurf, als ein materialbasiertes und durchführungsorientiertes Verfahren der Wissenserzeugung befragt. Allerdings erfolgt diese Befragen aus einem praktischen Interesse. Es wird eine Methoden- und Medienreflexion über das Zeichnen während der Ausübung und im Medium der Zeichnung angestrebt.285 Diese Befragung könnte man zunächst als thematisch verwandte, wenngleich methodisch völlig anders durchgeführte Entsprechung zum practice turn in jüngeren Ansätzen aus der Wissenschaftsgeschichte und den Kulturwissenschaften deuten, der eine Hinwendung zu den Praktiken der Wissenserzeugung einfordert.286 Postuliert wird zudem, dass das Format der praxisbasierten Forschung in Kunst und Design eine ›alternative‹ oder ›ergänzende‹ Option zu wissenschaftlicher Erkenntnisproduktion hinsichtlich ihrer ›visuellen‹ Darstellungsformen sein könne. So spricht Bonsiepe dem Grafikdesign und der Visuellen Kommunikation eine spezifische Fähigkeit des »ins-Bild-setzen[s]« sowie ein »kognitives Potenzial« zu.287 Die »ikonische Wende in den Wissenschaften« sieht er als eine Entsprechung einer »kognitiven Wende in den Entwurfsdisziplinen«.288 Sprachliche (das heißt: textbasierte) Diskurse würden zunehmend von bildhaften »Viskursen« abgelöst und in dieser Situation eröffne sich auch für das Design ein neues Forschungsfeld.289 Allerdings scheint sich dieses Forschungsfeld oder Thema in der Designforschung unter anderen Vorzeichen zu formieren als diese zum Beispiel in den Bildwissenschaften der Fall ist. Während diese sich den Bildern vor dem Hintergrund einer philosophisch-kunsthistorischen oder 285. 286. 287. 288. 289.

Vgl. Stahel, Madeleine: Gewelltes Fell. Eine zeichnerische Erzählung. Sulgen/Zürich. 2008. Vgl. Schatzki et al.: The Practice Turn in Contemporary Theory. 2001. Bonsiepe: Von der Praxisorientierung zur Entwurfsorientierung. 2004, S. 24. Bonsiepe: Von der Praxisorientierung zur Entwurfsorientierung. 2004, S. 24. Bonsiepe: Von der Praxisorientierung zur Entwurfsorientierung. 2004, S. 24.

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kulturwissenschaftlichen Tradition und auf bauend auf den entsprechenden theoretischen und methodischen Kompetenzen zuwenden, fehlt dem Design ein gefestigtes wissenschaftliches Fundament, das zur Verfügung stehende methodische Instrumentarium ist ›praktischer Art‹. Andere Ansätze in der praxisbasierten Forschung in Kunst und Design beziehen sich auf kulturphilosophische Arbeiten namentlich von Ernst Cassirer, Nelson Goodman290 oder Georg Picht, 291 um damit die Annahme zu stützen, dass jede Erkenntnis (in Kunst und Wissenschaft) durch die Form ihrer medial-ästhetischen Vermittlung bedingt sei. Picht beispielsweise erkannte in einer »allgemeinen Theorie der Produktion« eine »der Grundwissenschaften der modernen Welt«292 und er fragte danach, ob nicht das »Denken als Entwerfen«293 zu verstehen sei. Cassirer führte in seiner Philosophie der »symbolischen Formen« an, dass Erfahrungen mittels symbolischer Formen und Bildwelten vermittelt – umgekehrt und auch anhand dieser entschlüsselt werden könnten.294 Er erkannte solche »symbolischen Formen« in der Kunst, der Geschichte, der Sprache, der Naturwissenschaft, vor allem aber im Mythos, der für ihn den Ursprung symbolischer Formen darstellte.295 Diese unterschiedlichen Bereiche generierten, so seine Überzeugung, auch unterschiedliche Symbole der Weltdeutung, die, obgleich sie untereinander verwandt seien, jeweils symbolische Formen eigener Art bildeten, die sich nicht verlustfrei aufeinander reduzieren und ineinander überführen ließen. Er wollte damit dem Umstand Rechnung tragen, dass es einen Erfahrungshorizont außerhalb der Wissenschaften gebe, der in der Sprache ebenso zum Ausdruck kommen könne wie in Mythen, der Religion oder der Kunst. Der Kunst sprach er das Potential zu, »Ordnung in der Auffassung der sichtbaren, greif baren und hörbaren Erscheinungen« geben zu können.296 Mit Bezug auf Cassirer und Picht führt denn auch Florian Dombois an, dass »künstlerische«, also praxisbasierte Forschung in Kunst und Design als ergänzende Darstellungs- und Vermittlungsform zu verstehen sei, die »wissenschaftlich nur ungenügend Darstellbares« zum Ausdruck bringen könne. Mehr noch geht er davon aus, dass »die Arbeit an der Form 290. Goodman, Nelson: Languages of Art: An Approach to a Theory of Symbols. London. 1964. 291. Picht, Georg: Die Kunst des Denkens. In: Ders.: Wahrheit, Vernunft, Verantwortung. Stuttgart. 1969, S. 427–434. 292. Picht: Wahrheit, Vernunft, Verantwortung. 1969, S. 429. 293. Picht: Wahrheit, Vernunft, Verantwortung. 1969, S. 432. 294. Cassirer, Ernst: Philosophie der symbolischen Formen. Erster Teil: Die Sprache. Darmstadt 1977 [1923]. Ders.: Philosophie der symbolischen Formen. Zweiter Teil: Das mythische Denken. Darmstadt. 1977 [1925]. Ders.: Philosophie der symbolischen Formen. Dritter Teil: Phänomenologie der Erkenntnis. Darmstadt 1982 [1929]. 295. Cassirer, Ernst: Versuch über den Menschen. Hamburg. 2007 [1944], S. 110. Vgl. dazu Schwemmer, Oswald: Ernst Cassirer. Ein Philosoph der europäischen Moderne. Berlin. 1997, S. 61. 296. Cassirer: Versuch über den Menschen. 2007, S. 257.

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[…] auch eine am Inhalt« sei.297 Geleitet wird ein solches Postulat durch die durchaus provokant gemeinte Annahme, dass die Wissenschaften nicht oder nur unzureichend in der Lage seien, »vollständig die Welt zu erklären«.298 Der künstlerisch-gestalterischen Forschung wird im Gegenzug attestiert, dass sie der Wissenschaft ihre Fragen spiegeln und zurück spielen kann. Es würde zu weit führen, an dieser Stelle darauf einzugehen, in welcher Weise ein Anschluss an Cassirer zur Bestimmung von Wissen in Kunst und Design produktiv beitragen kann. Ich habe seine Position jedoch deswegen angeführt, um zu verdeutlichen, wie ein an ihn anschließendes Postulat der Kulturwissenschaften – nämlich Kulturgegenstände in ihren konkreten materiellen Ausdrucksformen zu untersuchen299 – in den Debatten zur praxisbasierten Forschung in Kunst und Design derzeit aufgegriffen und in eigener Weise interpretiert wird. Vordergründig scheint es also, als ob sich die Themen und Fragen von wissenschaftlicher und praxisbasierter Forschung ein Stück weit ergänzen oder entsprechen könnten. Die Anzahl der thematisch konvergenten Themen in den Kulturwissenschaften, der Wissenschafts- und Kunstgeschichte sowie in der praxisbasierten Forschung in Kunst und Design zeugen von einem scheinbar gemeinsamen, jedoch spezifisch formulierten Interesse an materiellen und praxeologischen Weisen der Wissenserzeugung sowie an sprach- und textalternativen Darstellungsformen von Wissen. Fundiert wird dieses Interesse auch durch das Bestreben, Wissenschaft und Kunst gegenwärtig neu zu verstehen und zu definieren. Vor dem Hintergrund eines zunehmenden Ökonomisierungsdrucks, dem sich sowohl Wissenschaft als auch Kunst ausgesetzt sehen, wird danach gefragt, ob sich nicht gerade im Wechselspiel zwischen den beiden Systemen das Ideal einer ›freien‹ Wissenschaft und des Wissens wiederbeleben ließe.300 In den genannten Ansätzen werden oppositionelle Bestimmungen von ›Kunst‹ und ›Wissenschaft‹ sowie von ›künstlerischer‹ und ›wissenschaftlicher‹ Tätigkeit aufgeweicht, oder zumindest zeitweise suspendiert. Ersichtlich wird dann, dass auf der Ebene ihrer Praktiken und Darstellungsformen mehr Gemeinsamkeiten zwischen Kunst und Wissenschaft benannt werden können, als es aus den jeweiligen Selbst verständnissen ihrer Akteure und deren kollektive Außendarstellungen geschlossen wer297. Dombois: CFF. Content Follows Form. 2005, S. 52. 298. Dombois, Florian: Kunst als Forschung. Ein Versuch, sich selbst eine Anleitung zu entwerfen. Jahrbuch Hochschule der Künste Bern. Bern. 2006, S. 21–29, hier S. 28. 299. Vgl. Recki, Birgit: Kultur als Praxis. Eine Einführung in Ernst Cassirers Philosophie der symbolischen Formen. Berlin. 2004. Ebenfalls: Nünning, Ansgar: Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Stuttgart/Weimar. 2004, S. 81. 300. Vgl. Bippus: Kunst des Forschens. 2009.

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den kann. Dennoch wäre es verkürzt, in naiver Weise von einem ›gemeinsamen Forschungsdesiderat‹ zu sprechen, dass von Forschenden in Kunst und Wissenschaft gleichermaßen geteilt würde oder in dem sich beide Systeme passgenau ergänzten. Letztlich sind dafür die Fragestellungen und Interessen – selbst wenn sie um konvergente Themen und Fragen kreisen – von Fach zu Fach, von Feld zu Feld zu verschieden. Allzu stark können die Begriffe und Methoden der Untersuchungen hinsichtlich ihrer Bedeutung, ihrer ›Auflösungsgenauigkeit‹ und ihrer Rigorosität variieren. Auch verliert das Postulat einer ›wissenschaftsalternativen‹ Forschung in Kunst und Design dort an Profil und Überzeugungskraft, wo scheinbar ohne Einsicht in die Heterogenität wissenschaftlicher Praktiken oder in einer verkürzten Weise dennoch auf einer Opposition von ›Kunst‹ und ›Wissenschaft‹ beharrt wird. Damit soll nicht gesagt werden, dass sich diese beiden Systeme nicht unterscheiden. Ihre charakteristischen Differenzen werden aber weder durch ihre ›Natur‹, noch durch ihr ›Wesen‹ begründet, sondern sind in der unterschiedlichen, doch miteinander verflochtenen historischen Entwicklung von wissenschaftlichen und künstlerischen Praktiken, Symbolen und Sprachregelungen zu suchen. Bestenfalls können die unterschiedlichen Debatten, in denen Interferenzen zwischen Kunst und Wissenschaft derzeit diskutiert und untersucht werden, füreinander als »boundary objects«301 fungieren – als robuste Grenzobjekte, Interdiskurse oder Standards, die (wenngleich nicht für alle Beteiligten mit derselben Bedeutung) zwischen verschiedenen Interessengruppen stehen und ihre Bedürfnisse, Themen und Fragestellungen gegenseitig vermitteln und spiegeln. Die Motivationen, welche die Beschäftigung mit den genannten, scheinbar gemeinsamen Themen und Fragestellungen in Kunst, Design und Wissenschaft anleiten, können indes sehr unterschiedlich ausfallen. Um auf die Designforschung zurückzukommen: Im Design scheint die Bestimmung eines ›eigenen Wissens‹ und seines Verhältnisses zum wissenschaftlichen Wissen mehr als ein epistemologisches Forschungsdesiderat unter anderen zu sein. Vielmehr machen sich darin substantielle soziogenetische Veränderungen kenntlich, durch die der gesellschaftliche Status von Design derzeit in Frage gestellt wird. Sinnbildlich ausgelegt, 301. »Boundary objects are both plastic enough to adapt to local needs and constraints of the several parties employing them, yet robust enough to maintain a common identity across sites. They are weakly structured in common use, and become strongly structured in individual-site use. They may be abstract or concrete. They have different meanings in different social worlds but their structure is common enough to more than one world to make them recognizable means of translation.« In Bowker, Geoffery C.; Star, Susan L.: Sorting Things Out: Classification and its Consequences. Cambridge, Mass. 2000, S. 297. Vgl. dazu auch: Star, Susan L.; Griesemer, James R.: Institutional Ecology, ›Translations‹ and Boundary Objects: Amateurs and Professionals in Berkeley's Museum of Vertebrate Zoology, 1907–39. In: Social Studies of Science. Vol. 19, Nr. 4. 1989, S. 387–420, hier S. 408–413.

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›spricht‹ die Rede vom Wissen im Design hier mit einem politischen Akzent. Franz Schultheis hält hinsichtlich jüngerer Umstrukturierungen in der Kunst- und Designausbildung fest,302 dass die Vorstellung vom »freien Künstler« und seinem »unbändigen Schöpfertum und Genius« einer gesellschaftlichen Repräsentation von »professioneller Kompetenz« Platz gemacht habe.303 Zwar spiele die Idee der individuellen Begabung und Virtuosität immer noch eine Rolle, aber den Komponenten »der geschulten Fähigkeit, des erworbenen Wissens und des erarbeiteten Expertentums« komme eine wachsende Rolle zu: »Im Zeitalter der ›Bildungsmenschen‹ […] reicht ›in die Wiege gelegte‹ Begabung alleine nicht mehr aus«, so Schultheis. Auch Saul Ostrow konstatiert in seiner Rezension zu James Elkins Aufsehen erregendem Buch Artists with PhDs: »We are in the midst of a paradigm shift, new models are emerging – art is making the transit from being a media based practice to a knowledge based one«.304 Die ›Umformatierung‹ von Kunst und Design zu wissensbasierten Praktiken und Disziplinen wird allerdings nicht von allen Autoren gleich euphorisch kommentiert. Christopher Frayling gibt zu bedenken, dass die Frage, ob Kunst und Design Forschung sei oder nicht, keine ontologische Entscheidung, sondern eine Statusfrage sei: »Research has become a status issue as much as a conceptual or even practical one«.305 Ein vergleichbarer Schluss findet sich in Paul Carters Studie Material Thinking zur Theorie und Praxis »kreativer Forschung«.306 Carter konstatiert, dass für Maler, Designer, Architekten und Handwerker ihr berufliches Weiterkommen zunehmend an das Vermögen gekoppelt sei, über ihre praktische Tätigkeit eloquent Auskunft geben zu können: »in the present educational environment, they have little alternative but to master the rhetorical game of theorising what they do«.307 Er merkt an, dass die Beteiligung an diesem »rhetorischen Spiel« für die beteiligten Praktiker oftmals ein vergebliches, auch demütigendes Unterfangen sei – vergeblich nicht aus dem Grund, weil die »gemachte Dinge« keine Interpretation erlaubten, sondern weil die Regeln des »interpretativen Sprachspiels« jenen Elementen des »materiellen Denkens« ihre 302. Gemeint ist die Umwandlung von Kunstgewerbeschulen in Kunsthochschulen mit Forschungsauftrag sowie die Bologna-Hochschulreform und die damit verbundene Debatte um den ›dritten Zyklus‹ in Kunst und Design. 303. Schultheis: Disziplinierung des Designs. 2005, S. 80. 304. Ostrow, Saul: Rezension zu Elkins: Artists with PhDs. 2009. Auf: http://www.amazon.ca/Artists-PhDs-Doctoral-Degree-Studio/dp/0981865453 [Okt. 2010]. 305. Frayling: Research in Art & Design. 1993/94, S. 5. 306. Carter führt die Begriffe ›kreative Prozesse‹ und ›kreative Forschung‹ nicht ein und verwendet sie teils synonym. Eingeschlossen sind künstlerische, gestalterische, bisweilen auch handwerkliche Tätigkeiten. Der Begriff ›Kreative Forschung‹ entspricht jenen der ›praxisbasierten Forschung‹ oder ›künstlerischen Forschung‹. 307. Carter: Material Thinking. 2004, S. XIII.Studies

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intellektuelle Anerkennung verweigerten, die für die Arbeit von Kreativschaffenden konstitutiv seien.308 Vor diesem Hintergrund sind die aktuellen Debatten zur Bestimmung des Verhältnisses von Design und Wissen sowie zur Befragung von Design als Forschung in einer ambivalenten Weise zu interpretieren: Zum einen können sie als eine zeitgemäße epistemologische Befragung und Neubestimmung von Designpraktiken und - objekten als Wissenspraktiken und -objekten verstanden werden, die mit Debatten aus den Kulturwissenschaften, der Wissenschafts- und Kunstgeschichte interferieren. Zum anderen aber sind sie als Versuch zu verstehen, ein Tätigkeitsfeld durch die ›epistemologische Aufwertung‹ seiner Praktiken, Techniken und Objekte im Wettstreit um gesellschaftliche Anerkennung zu legitimieren.

c. Soziogenetische Abgrenzung und Aufwertung von Design gegenüber Wissenschaft und Kunst Die Bestrebungen, Design bzw. Designforschung als eigenständige Disziplin oder Wissensform zu etablieren, sind – so wurde in den beiden vorigen Schwer punkten aufgezeigt – vor dem Hintergrund von weitreichenden gesellschaftlichen Debatten zu Wissen und Wissenschaft zu deuten, und sie werden durch sowohl historische als auch gegenwärtige Interdependenzen zwischen Kunst und Wissenschaft geprägt. Die Bestrebungen können aber auch als soziales Unterfangen lesbar werden, als Versuch, ein Tätigkeitsfeld durch die »epistemologische Aufwertung« seiner Praktiken, Techniken und Gegenstände in einer Gesellschaft zu legitimieren, die Wissen und Innovation zu ihren wirkungsmächtigsten Leitmotiven erklärt hat. In der Weise, wie die Etablierung von Designforschung derzeit angestrebt wird, sind »Wissen und seine Artikulation auf eine überaus signifikante, wenngleich prekäre Art miteinander verbunden« und es bilden sich hier – wie bei der Genese jeder Wissensordnung – bestimmte privilegierte Repräsentationsweisen aus.309 Mit Joseph Vogl kann das Auftauchen neuer Wissensobjekte und Erkenntnisbereiche sogar als »abhängig von der Form ihrer Inszenierung« verstanden werden.310 Für die Designforschung wäre eine solche konstitutive Form der Inszenierung in ihrem starken Praxisbezug zu sehen oder in der Zielsetzung, sprach- und textalternative Darstellungsformen – Bilder oder Arte308. Carter: Material Thinking. 2004, S. XIII. 309. Moser, Jeanni: Poetologien. Rhetoriken des Wissens. In: Höcker, Arne et al. (Hg.): Wissen. Erzählen. Narrative der Humanwissenschaften. Bielefeld. 2006, S. 11–16, hier S. 11. 310. Vogl, Joseph: Einleitung. In: Ders. (Hg.): Poetologien des Wissens um 1800. München. 1999, S. 7–16, hier S. 13.

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fakte – als »epistemische Objekte«311 zur Geltung zu bringen. Als prekär erweist sich hingegen gegenwärtig oftmals die Frage nach dem institutionellen Kontext, in dem Designforschung zu verorten ist sowie die Frage nach dem wissenschaftlichen Status, der ihr dabei zukommen soll. Die Bestrebungen, Designforschung als eigenständige Disziplin zu etablieren, kann als eine identitätsstiftende Abgrenzungsbewegung, als ein sozialer Wettstreit in mehrfacher Hinsicht gelesen werden. Im Folgenden werden zwei solcher Sichtweisen exemplarisch diskutiert. Aus wissenschaftstheoretischer Sicht erscheinen die Aspekte der wissenschaftlichen ›Disziplinierung‹ und Demarkation instruktiv. Aus kunsthistorischer Sicht ist zu überlegen, ob hinsichtlich der zu beobachtenden Etablierungsversuche der Designforschung nicht von einem neuerlichen Paragone gesprochen werden könnte, also von einem Wettstreit zwischen Design und anderen Kunstgattungen (oder zwischen Design versus Kunst und Wissenschaft) vermittels dessen die Hierarchie der künstlerischen Gattungen bzw. eine Hierarchie ihrer jeweiligen Darstellungs- und Erkenntnisformen neu ausgehandelt werden soll. Die beiden vorgeschlagenen Sichtweisen tragen der Perspektive einer soziogenetischen Entwicklung von Designforschung Rechnung und stellen zugleich eine Synthese des vorliegenden Kapitels dar.

Designforschung und wissenschaf tliche Demarkation »Wissenschaftliche Disziplinen fallen nicht vom Himmel und wachsen nicht auf den Feldern, sondern sind soziale Konstruktionen«, schreibt Franz Schultheis.312 Er merkt an, dass diese – wenn sie denn einmal existieren – schnell ein hohes Maß an Selbst verständlichkeit erlangten, »weil sie nun ein mal die Brille sind, durch die wir die Wirklichkeit wahrnehmen bzw. sie repräsentieren«. Man vergesse allzu schnell, dass es unter anderen kontextuellen Vorzeichen auch zu ganz anderen Formen der Aufteilung von wissenschaftlichen Gegenständen und Zuständigkeiten, zu anderen Perspektiven und Praktiken hätte kommen können. Mit Bezug auf Foucault und Bourdieu hält Schultheis fest, dass jede wissenschaftliche Disziplin – so auch die sich derzeit etablierende Designforschung – verschiedene Stufen der soziogenetischen »Disziplinierung« (disciplinaration)313 durchlaufe, um sich von einer »illegitimen Kunst« 311. Vgl. Ewenstein/Whyte: »Knowledge Practices in Design. 2009, S. 7–30. 312. Schultheis: Disziplinierung des Designs. 2005, S. 67. 313. Foucault hielt zum Begriff der ›Disziplin‹, der mit jenem der wissenschaftlichen ›Disziplinierung‹ in enger Verbindung steht, fest: »Disziplin ist im Grunde der Machtmechanismus, über den wir den Gesellschaftskörper bis hin zum kleinsten Element, bis hin zu den sozialen Atomen, also den Individuen, zu kontrollieren vermögen. Es handelt sich um die Techniken

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(Bourdieu) zu einem legitimen Feld wissenschaftlicher Theorie und Forschung zu wandeln.314 Bevor Disziplinen zu solchen werden und bevor es Begriffe für sie gibt, existieren sie bereits als »gesellschaftliche Praxis«. Sie zu disziplinieren bedeutet, sie gewissen »Formen sozialer Regulierung und Kontrolle« zu unterwerfen und innerhalb eines »mehr oder weniger engen normativen Koordinatensystems« durchzusetzen und zu definieren.315 Schultheis führt idealtypisch für die Designforschung sechs Stufen an, die auf dem Weg zur wissenschaftlichen Disziplin zu durchlaufen sind.316 Die erste Stufe – »Kritik und Anspruch« – beginnt mit der Problematisierung des Status quo.317 Es werden Lücken, Engführungen und blinde Flecken in der existenten Wissenschaftslandschaft aufgezeigt. Gekoppelt ist die Kritik an das Versprechen, die ›Forschungslücken‹ mittels der Einführung einer neuen wissenschaft lichen Perspektive zu beheben. Der zweite Schritt dreht sich um die »Kooperation und Selbstorganisation« einer neuen Disziplin.318 Hier kann, ähnlich wie bei der Entstehung sozialer Bewegungen, ein Prozess der »Vergemeinschaftung von Vertretern unterschiedlicher etablierter Disziplinen« beobachten werden. Oft handelt es sich um »relativ beherrschte Stellungen« in den jeweiligen Herkunftsdisziplinen. Diese geteilte Erfahrung kann dann als Basis für Wahlverwandtschaften und Allianzen für die sich anbahnenden Häresien und Unabhängigkeitskämpfe dienen. Der dritte Schritt ist der Anhäufung von »Sozialkapital und Legitimationsressourcen« gewidmet.319 Als »symbolisches Kapital« bezeichnet Schultheis, mit Bezug auf Bourdieu, die »Reputation und soziale Anerkennung«, die die Initiatoren der Bewegung bereits in ihren Herkunftsdisziplinen akkumuliert hätten und nun zur Legitimation neuer Ansprüche einsetzten. Hierbei sei zu beobachten, dass man auf bereits etablierte Vertreter der neuen Disziplin (oftmals aus dem Ausland) verweise und sie medial zu Wort kommen lasse – überhaupt seien in diesem Stadium der Meinungsbildung Öffentlichkeits- und Medienarbeit relevant. Als vierte Stufe folgt jene der »Selbstreferenz und Kodifizierung«.320 Parallel zu den »öffentlichen Durchsetzungsbemühungen« gilt es nun-

314.

315. 316. 317. 318. 319. 320.

der Individualisierung von Macht.« Jedes Subjekt erhält einen zugewiesenen Platz in einem zur Disziplin gehörigen »Disziplinarraum«. Foucault, Michel: Die Maschen der Macht. [1982]. In: Ders.: Schriften in vier Bänden. Dits et Ecrits. Bd. 4. 1980–1988. Frankfurt a. Main. 2005, S. 224–244, hier S. 233. Bourdieu, Pierre: La cause de la science: Comment l'histoire sociale des sciences sociales peut service le progrès de ces sciences. Actes de la recherche en sciences sociales. Nr. 106– 107. 1995, S. 2 –10, hier S. 3 f. Schultheis: Disziplinierung des Designs. 2005, S. 68 Schultheis: Disziplinierung des Designs. 2005, S. 71–74. Schultheis: Disziplinierung des Designs. 2005, S. 71. Schultheis: Disziplinierung des Designs. 2005, S. 71. Schultheis: Disziplinierung des Designs. 2005, S. 71 f. Schultheis: Disziplinierung des Designs. 2005, S. 72 f.

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mehr, den beanspruchten wissenschaftlichen Gegenstand zu profilieren und mit einer tragfähigen Gründungsmythologie zu versehen. Die Behauptung der Existenz eines Gegenstandes eigener Art, sui generis, ist dabei nicht mehr ausreichend: Die behauptete Lücke im Katalog wissenschaftlicher Praxis muss plausibilisiert, die eigenen Hoheitsrechte am anvisierten Forschungsfeld nach den Regeln wissenschaftlicher Argumentation eingelöst und der erhobene Autonomieanspruch in Gestalt eines ausreichend unterscheidbaren Ensembles eigenständiger epistemologischer, theoretischer und methodologischer Koordinaten und Regeln legitimiert werden. Hier geht es gewissermaßen darum, ein neues, ausreichend kohärentes und selbstgenügsames ›Sprachspiel‹ zu entwickeln und zu kodifizieren, welches möglichst unverwechselbar daherkommt.321

Zur Kodifizierung eines neuen wissenschaftlichen Feldes gehört die Kanonisierung von »Klassikern« und Standardwerken und damit einhergehend die Identifikation von »Gründungsvätern, Vordenkern, Paradigmensetzern und Propheten«.322 In der Regel verfügen Disziplinen in diesem Stadium außerdem über »identitätsstiftende Ursprungsmythen, Legenden und Heldengeschichten«, sogar »Hagiografien«, mittels derer eine Selbsthistorisierung des Feldes betrieben werden kann. Als fünfter Schritt auf dem Weg zur Disziplinwerdung steht die »Institutionalisierung und Akademisierung« an. Die Bemühungen zielen nun dahingehend, die Daseinsberechtigung der neuen Disziplin im Rahmen hochschulinterner und marktwirtschaftlicher Wettbewerbe um Ressourcen zu behaupten. Dazu gilt es, »das Potenzial an Studienfachaspiranten und deren künftigen Berufs- und Marktchancen nachzuweisen«, den »strategisch richtigen Ort für die Institutionalisierung« zu wählen (Universität, Technische Hochschule oder Fachhochschule, Anbindung an eine geistes-, natur- oder sozialwissenschaftliche Fakultät etc.) sowie eigene Studienordnungen und »Lehrangebote mit Anschlussfähigkeit für identifizierbare Berufskarrieren« zu definieren und die Institutionalisierung »autonomer Bildungsabschlüsse« zu gewährleisten.323 Die sechste und letzte Stufe widmet sich den Aspekten »Corporate Identity und Monopolisierung«.324 Die neugeborene Disziplin müsse nicht nur ihre Existenzberechtigung immer wieder aufs Neue behaupten, sondern sich auch »öffentliche Sichtbarkeit und Gehör verschaffen, sich bemerkbar machen«. Als Mittel dazu ist etwa die Herausbildung »korporatistischer 321. 322. 323. 324.

Schultheis: Disziplinierung des Designs. 2005, S. 72. Schultheis: Disziplinierung des Designs. 2005, S. 72. Schultheis: Disziplinierung des Designs. 2005, S. 72 f. Schultheis: Disziplinierung des Designs. 2005, S. 73 f.

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Instanzen« (wie Gesellschaften und Verbände) zu nennen, die Herausgabe von Fachorganen und Zeitschriften sowie die Initiierung von »WeiheInstanzen« (wie etwa Komitees für Preisverleihungen). Diese Formen der Selbstorganisation dienen nicht zuletzt dem Zweck, das beanspruchte Monopol auf legitime Definition und Sanktion dessen, was im jeweiligen Feld von Forschung und Lehre Validität beanspruchen kann, wirkungsvoll ausüben zu können. Die Kriterien, die sich im Zuge der Institutionalisierung einer Disziplin herausbilden, sollen gewährleisten, dass das nunmehr ›disziplinierte Feld‹ sowohl innerhalb der Wissenschaften als auch gegen Außen (Kirche, Markt etc.) abgrenzen und legitimieren kann. Für Schultheis zeichnen sich diese Kriterien durch ihren »universellen Charakter« im Muster gewohnter Dichotomien wie ›wahr‹/‹falsch‹ oder ›schön‹/‹hässlich‹ aus. Dennoch seien sie immer auch historisch datiert und kontextabhängig, da sie die vorausgegangene Geschichte der Auseinandersetzungen um ebendiese Kriterien widerspiegelten. Sobald das Stadium der Institutionalisierung als eigenständige Disziplin in Lehre und Forschung einmal erreicht sei, ergeben sich seines Erachtens eine Vielzahl an tief greifenden Konsequenzen für die betroffene Praxis und ihre Akteure. Von nun an habe man es mit »geschützten Labels« zu tun, die jeweils eine mehr oder minder klar definierte und sanktionierte Zugangsberechtigung zu einem Feld symbolisierten.325 Was Schultheis hier modellhaft beschreibt – die soziokulturelle Genese einer Disziplin – wird von der Designforschungsgemeinschaft derzeit realiter in mehr oder weniger vergleichbaren Schritten durchlaufen. Dieser Prozess ist allerdings nicht nur von verschiedenartigen Abgrenzungsversuchen und Rangkämpfen begleitet, sondern findet auch auf beweglichem Terrain statt. Hinzuzufügen ist dem Modell der »Disziplinierung« von Schultheis, dass bereits die Ordnung der Disziplinen bestimmten, historisch kontingenten Rahmengebungen folgt. Die Disziplinen hätten sich in ihrer Genealogie auch anders formieren können, als sie es heute tun und sind stets noch im Wandel. Bestehende Disziplingrenzen werden gegenwärtig zunehmend aufgeweicht und hybridisiert, neue Disziplinen formieren sich aus den Randgebieten der Wissenschaften heraus oder entstehen durch Zusammenschlüsse bestehender Fächer. Zu beobachten sind Phänomene der Vermischung und »Verunreinigung« von disziplinärem Wissen – etwa in inter- und transdisziplinären Forschungsprojekten oder in Hybrid-Disziplinen wie der Molekularbiologie –, ebenso entwickeln sich so genannte »trading zones«, in denen Experten aus unterschiedlichen Disziplinen mittels einer gemeinsam ent325. Schultheis: Disziplinierung des Designs. 2005, S. 74.

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wickelten »Mischsprache« miteinander in Verbindung treten.326 In der Wissenschaftsgeschichte wird, spätestens seit Foucault, die universitäre Aufteilung in Disziplinen und das Konzept der Disziplin als solches einer genealogischen Analyse und Kritik unterzogen.327 Abgrenzung von Wissenschaft und Nichtwissenschaft Mit der Statusfrage von Disziplinen innerhalb der Wissenschaft verbunden ist die Frage nach den Grenzen von Wissenschaft. Traditionellerweise beschäftigte sich die Wissenschaftstheorie mit dem so genannten Demarkationsproblem, also mit der Frage nach den Grenzen von Wissenschaft sowie der Abgrenzung von Forschungsfeldern. Es wurde versucht, diese sowohl im Hinblick auf eine Abgrenzung von ›Nichtwissenschaft‹ (Religion, Dichtung, Mythos) als auch von ›Pseudowissenschaft‹ zu definieren.328 In einem jüngeren Band zum Thema Pseudowissenschaft (2009) wird festgehalten, dass die Geschichte der Wissenschaften gleichzeitig immer eine Geschichte des Kampfes gegen das Unwissenschaftliche gewesen sei, eine Geschichte der Abwehrrhetoriken und Verteidigungsstrategien sowie der Definition und Markierung vermeintlich divergierender Praktiken als nicht- oder pseudowissenschaftlich. Während die Abgrenzung zur Religion relativ problemlos funktionierte, gestaltete sich indes die Abgrenzung von ›Wissenschaft‹ zu ›Pseudowissenschaft‹ als schier aussichtsloses Unterfangen:329 »Ist die Frage des Ein- und Ausschlusses von Wissen und Wissensträgern so alt wie die Wissenschaften selbst, so sind die Vorstellungen davon, wie sich die wesentlichen Unterschiede jeweils konstituieren, dennoch meist diffus«.330 Michael Hagner weist auf die enorme Schwierigkeit hin, wissenschaftstheoretische Demarkationskriterien für ›Wissenschaft‹ und ›Wissenschaftlichkeit‹ zu finden, die überzeitlich und für alle Wissenschaften gültig seien: »An der Bestimmung von historisch invarianten Kriterien, die die Wissenschaft ausmachen sollen, hat sich die Wissenschaftstheorie […] die Zähne ausgebissen«.331 In der jüngeren Wissenschaftsgeschichte wird die Frage nach dem Unterschied von Wissenschaft und Pseudowissenschaft meist vorsichtig umgegangen. Zumal aus historischer Sicht deutlich wurde, dass be326. 327. 328. 329.

Vgl. Galison, Peter: Image and Logic: A Material Culture of Microphysics. Chicago. 1997. Vgl. Foucault: Archäologie des Wissens. 1981, S. 253–258. Vgl. etwa Popper, Karl: Conjectures and Refutations. London. 1963, passim. Hagner, Michael: Bye-bye science, welcome pseudoscience. Reflexionen über einen beschädigten Status. In: Rupnow, Dirk et al. (Hg.): Pseudowissenschaft. Konzeptionen von Nichtwissenschaftlichkeit in der Wissenschaftsgeschichte. Frankfurt a. Main. 2009, S. 21–50, hier S. 31. 330. Rupnow, Dirk et al.: Einleitung. In: Dies.: Pseudowissenschaft. 2009, S. 7–20, hier S. 7. 331. Hagner: Bye-bye science, welcome pseudoscience. 2009, S. 31.

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stimmte Pseudowissenschaften wie etwa die Alchemie, oder später die Phrenologie und der Mesmersimus zwar heftig umstritten waren (und sind), aber dennoch »wichtige Beiträge zur Entwicklung der modernen Wissenschaften beigesteuert haben«.332 Auch konnten bestimmte Disziplinen ihrem einstigen Status als Pseudowissenschaft entwachsen, indem sie sich zu wissenschaft lich anerkannten, ›reifen‹ Wissenschaften entwickelten. Angesicht dieser Entwicklung wäre ihr vorwissenschaftliches Stadium nicht als ›Pseudowissenschaft‹ sondern als ›Protowissenschaft‹ zu bezeichnen. Thomas Kuhn, der den Begriff der ›Protowissenschaft‹ prägte, führt als Beispiele die Chemie vor der Mitte des 18. Jahrhunderts oder die Vererbungslehre vor der Mitte des 19. Jahrhunderts an.333 Eine »epistemologisch wetterfeste und allgemeingültige Definition von Pseudowissenschaft«334 lässt sich also kaum finden bzw. durch die Geschichte hindurch nicht aufrechterhalten. Zu bedenken ist zudem, dass der Vorwurf der Pseudowissenschaftlichkeit stets einseitig von Seiten der Wissenschaft ausgesprochen wurde und wird, um damit jene Bereiche und Strömungen zu diskreditieren, die nicht dem eigenen Selbstverständnis und den geltenden Normen entsprechen.335 ›Pseudowissenschaft‹ sei ein »Kampf begriff«, der auf die politische Bühne gehievt werde, wenn es opportun erscheine und der wieder verschwinde, wenn sich die Bedingungen änderten und kein Bedarf mehr vorhanden sei, so Hagner.336 Die Einsicht in die Schwierigkeit, ›Wissenschaft‹ und »Pseudowissenschaft« voneinander trennscharf zu unterscheiden, soll aber nicht dazu führen, diese beliebig zu vermengen. Vielmehr geht es um die Einsicht in die Historizität wissenschaftlicher Kriterien und Wertvorstellungen. Hagner weist darauf hin, dass »die Untersuchung von Wissenskulturen […] soziokulturelle und anthropologische Elemente des Erkenntnisprozesses ebenso wenig ignorieren [kann] wie die historische Variabilität von wissenschaftlichen Normen und Werten«.337 Designforschung als wissenschaftliche oder ›wissenschaftsalternative‹ Wissensproduktion? Die angeführten Positionen zur ›Soziogenese‹ von wissenschaftlichen Disziplinen und zur wissenschaftlichen Demarkation lassen sich als instruktive Sichtweise auf die Analyse der emergenten Designforschung 332. Hagner: Bye-bye science, welcome pseudoscience. 2009, S. 32. 333. Kuhn, Thomas S.: Reflections on My Critics. In: Lakatos, Imre; Musgrave, Alan (Hg.): Criticism and the Growth of Knowledge. London. 1974, S. 231–278. 334. Hagner: Bye-bye science, welcome pseudoscience. 2009, S. 49. 335. Vgl. Hagner: Bye-bye science, welcome pseudoscience. 2009, S. 25. 336. Hagner: Bye-bye science, welcome pseudoscience. 2009, S. 25. 337. Hagner: Bye-bye science, welcome pseudoscience. 2009, S. 31.

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übertragen. Neben den angeführten Stufen der wissenschaftlichen ›Disziplinierung‹, steht derzeit in den einschlägigen Debatten zur Designforschung in Frage, in welcher Weise sie sich zu Wissenschaft und wissenschaftlicher Forschung verhalten kann oder will. Zur Debatte steht, ob Designforschung einem bereits bestehenden wissenschaftlichen Feld zugeordnet werden soll (etwa den Kultur- oder Ingenieurwissenschaften); ob sich ihre Fragestellungen quasi als interdisziplinäres Forschungsdesiderat über mehrere Disziplinen hinweg ›verteilen‹ ließen; ob sie eine autonome Wissenschaftsdisziplin sein kann und will; oder – und auch diese Variante wird rege diskutiert – ob sie für sich beansprucht, eine ›wissenschaftsalternative‹ Disziplin zu sein, die neben und damit auch außerhalb der Wissenschaften rangiert. Nicht für alle Akteure in der Designforschung ist es evident, dass Designforschung eine wissenschaftliche Disziplin sein soll, die den Regeln und Kriterien wissenschaftlichen Arbeitens folgen will oder kann. Vielmehr fordern einigen Autoren, zwischen den Begriffen ›Forschung‹ und ›Wissenschaft‹ zu unterscheiden und Designforschung in einem »erweiterten Verständnis von Erkenntnis« zu betrachten.338 Die Ansicht, Designforschung als ›wissenschaftsalternative‹ Form der Wissenserzeugung aufzufassen, konvergiert, wie wir im 1. Kapitel gesehen haben, mit der historischen Auffassung des Design Methods Movement, die Designtätigkeit von der wissenschaftlichen Tätigkeit kategorisch zu unterscheiden.339 Diese Auffassung wird heute in Aussagen aktualisiert, die besagen, Design sei »mit der Welt als Projekt«, der künst lichen, von Menschen gebauten Welt vertraut und nicht »mit der Welt als Objekt«, wie dies in den deskriptiven Wissenschaften der Fall sei.340 Folgt man dieser Argumentation, dann bezieht sich die Unterscheidung zwischen ›Design‹ und ›Wissenschaft‹ zunächst auf die Ebene der als charakteristisch erachteten Praktiken beider Felder. Sie setzt sich dann aber – und das ist entscheidend – im Format der praxisbasierten Designforschung mittels der Überlagerung von Praxis und Forschung auf Ebene der Wissenserzeugung fort. Nicht mehr nur die Designpraxis soll sich nunmehr von der Wissenschaftspraxis unterscheiden, sondern auch die Designforschung von wissenschaftlicher Forschung. Diese Ansicht kann als ebenso problematisch wie produktiv angesehen werden. Problematisch ist sie deswegen, weil in den einschlägigen Texten oft nicht oder nur unzureichend erläutert wird, was mit ›wissenschaftsalternativ‹ gemeint sein soll (protowissenschaftlich? nicht wissenschaftlich – und wenn ja in welchem Sinne?) und auf welchen Begriff von ›Wissenschaft‹ 338. Dombois: CFF. Content Follows Form. 2005, S. 52. 339. Vgl. Cross: A History of Design Methodology. 1993, S. 18. 340. Findeli: Die projektgeleitete Forschung. 2004, S. 41.

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(Natur- oder Geisteswissenschaften?) Bezug genommen wird. Produktiv erscheint diese Ansicht vor allem dann, wenn in Betracht gezogen wird, dass in jüngeren Modellen zur wissenschaftlichen Wissensproduktion, namentlich im Modell von Modus 2, gefordert wird, die Fronten der Wissensproduktion aufzuweichen und nicht mehr nur von ›Wissenschaft‹ und ›Wissenschaftler‹ zu sprechen, sondern allgemeiner von ›Wissen‹ und ›Praktikern der Wissenserzeugung‹.341 Die bildungspolitischen Umstrukturierungen an Kunsthochschulen, die seit den 1960er Jahren, vor allem aber im Zuge des Bologna-Prozesses vonstatten gingen, wurden und werden vielfach zum Anlass genommen, darüber nachzudenken, was ›Forschung‹ in den Feldern Kunst und Design sein könnte und wie sie sich gegenüber ›akademischer Forschung‹ positionieren sollte. Deutlich zeichnet sich in den diesbezüglichen Anstrengungen – trotz der oben genannten Interferenzen von Kunst und Wissenschaft – der Wunsch ab, sich von der ›akademischen Welt‹ zu unterscheiden bzw. nicht mit dieser verschmolzen zu werden. Wie im 1. Kapitel dargestellt wurde, sehen die Initiatoren einer »Forschung durch Kunst und Design«342 eine zentrales Moment der Unterscheidung in der Akzentuierung der angeblichen Praxisbasiertheit von Kunst und Design gegenüber der Theoriebasiertheit der Wissenschaften. Es wird etwa zwischen den Perspektiven »Entwerf barkeit« (Design) versus »Erkennbarkeit« (Wissenschaft) unterschieden.343 Zudem werden zur kategorischen Unterscheidung von Designforschung und Wissenschaft jeweils markante Stereotype beider Bereiche herangezogen, die sich besonders deutlich voneinander absetzen. So wird Design bisweilen als ›unscharfer Gegenstand‹ beschrieben,344 der sich den Kriterien wissenschaftlicher Wissensproduktionen entziehe, während wissenschaftliche Praxis, dem Topos der ›objektiven Naturwissenschaften‹ folgend, verkürzt als analytische Tätigkeit aufgefasst wird, in der es ausschließlich darum gehen soll, eine a priori vorgegebene ›Natur‹ zu erforschen. Die wissenschaftliche Forschung ziele »auf (zeitlose) Wahrheit, auf die Passung zwischen ›Wirklichkeit‹ und unseren Beschreibungen«, so schreibt etwa Jonas, während die Designforschung »auf einen (zeitlichen) Zweck, auf die Passung zwischen Artefakten und Umwelten, […] das Herstellen von Verbindungen« ziele.345 Er plädiert dafür, dass Designfor341. 342. 343. 344.

Gibbons et al.: The New Production of Knowledge. 1994, S. 3. Vgl. Frayling: Research in Art and Design. 1993/94. Bonsiepe: Von der Praxisorientierung zur Entwurfsorientierung. 2004, S. 16. So hält etwa Wolfgang Jonas fest, dass erstens der Gegenstand ›Design‹ an sich nicht angemessen beschreibbar sei, zweitens sich laufende Designprozesse während der Beobachtung veränderten und drittens Designforschende »untrennbar intentional in den Gegenstand und seine Manipulation involviert« seien. Vgl. Jonas: Forschung durch Design. 2004, S. 32. 345. Jonas: Forschung durch Design. Zürich. 2004, S. 32.

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schung »nach außen« als »autonome wissenschaftsanaloge (nicht wissenschaftliche/wissenschaftsbasierte Disziplin« agieren und »intern die Defizite anerkennen und produktiv nutzen« sollte.346 Offen bleibt aber, was mit »autonom wissenschaftsanalog« gemeint sein soll und welche Defizite hier genau angesprochen werden. Fraglich ist zudem, ob eine solche Diskrepanz zwischen Innen- und Außendarstellung für die Entwicklung einer Disziplin produktiv sein kann, oder ob mit dieser künstlichen Trennung womöglich nicht erst recht ›Hybride‹ im Latourschen Sinne produziert werden,347 die eine solche Trennung unterwandern. Die Unterscheidung zwischen einer ›unscharfen‹, ›produktiven‹ Designforschung einerseits und der ›wahrheitssuchenden‹, ›analytischen‹ Wissenschaft anderseits, ist keineswegs gegeben, sondern wird durch bestimmte Annahmen zu sowohl ›Design‹ als auch ›Wissenschaft‹ konstruiert. So wird Design als konstruktive Tätigkeit modelliert, welche »die Welt und damit die Bedingungen des Wissens« stetig verändere und neu erfinde, darin eingeschlossen auch den »Gegenstand von Designforschung«.348 Diese Auffassung wird mit einem Wissenschaftsbild kontrastiert, in dem Wissenschaft nach »zeitloser Wahrheit« sucht,349 oder als Beschäftigung mit »natürlichen Gesetzmäßigkeiten« und dem »Wahren«,350 oder »Existierenden«351 aufgefasst wird. Diesem Bild von Wissenschaft liegt die Vorstellung zugrunde, dass wissenschaftliches Wissen unabdingbar an ›Wahrheit‹, ›Analyse‹, ›Logik‹, ›Objektivität‹ und ›strenge Beweisführung‹ gebunden sei. Als Messlatte gilt das ›neutrale‹, vermeintlich ausschließlich auf objektivierbarer Leistung basierende Wissenschaftssystem der Moderne – ein Ideal, das auch in der (feministischen) Wissenschaftstheorie in den letzten Jahrzehnten zum Gegenstand der Kritik avanciert ist und hinsichtlich seines tradierten Werteund Normensystems als »grundsätzlich männlich« problematisiert wird.352 Doch selbst dort, wo gegenwärtig in der Designforschung kein ›absoluter‹ Wahrheitsanspruch mehr geltend gemacht wird (werden kann), wird doch zumindest der Anspruch eines ›justified true belief‹ erhoben und ver346. 347. 348. 349. 350. 351. 352.

Jonas: Forschung durch Design. Zürich. 2004, S. 32. Latour: Wir sind nie modern gewesen. 2002, S. 70 f. Jonas: Forschung durch Design. Zürich. 2004, S. 26. Jonas: Forschung durch Design. Zürich. 2004, S. 32. Nelson/Stolterman: The Design Way. 2003, S. 29. Rust: Design Enquiry: Tacit Knowledge and Invention in Science. 2004, S. 76. Vgl. dazu: Fox-Keller, Evelyn: Reflections On Gender And Science. New Haven/London. 1985. Dies.: Liebe, Macht und Erkenntnis. Männliche oder weibliche Wissenschaft? München. 1986. Harding, Sandra: The Science Question in Feminism. Ithaca/London. 1986. [Dt. Ausgabe: Feministische Wissenschaftstheorie. Hamburg. 1990]. Dies. Whose science? Whose knowledge?: Thinking from Women's lives. Ithaca. 1991. [Dt. Ausgabe: Das Geschlecht des Wissens. Frankfurt a. Main. 1994]. Honegger: Die Ordnung der Geschlechter. 1991.

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teidigt, also einer nachvollziehbaren und logisch beglaubigten Begründung von wissenschaftlichem Wissen.353 Die genannten Zuschreibungen sowohl für Design als auch Wissenschaft stellen Reduktionismen dar und sind mit Blick auf sowohl pluralistische als auch sozialkonstruktivistische Wissenschaftskonzeptionen weder für die Natur- noch für die Geisteswissenschaften haltbar. So ist in der Naturwissenschaft spätestens seit Bruno Latours und Steven Woolgars ›ethnologischer‹ Wissenschaftsstudie Laboratory Life. The Construction of Scientific Facts354 von 1979 und der Geschichtswissenschaft seit Hayden Whites Metahistory von 1973 bekannt,355 wie sehr die naturwissenschaftliche bzw. historiographische Repräsentation von sowohl »natürlicher« als auch »vergangener Wirklichkeit«356 von der (sprachlichen und bildlichen) Form und Rhetorik dieser Repräsentation geprägt wird und durch diese teilweise mit ›gestaltet‹ und konstruiert wird. Ebenfalls habe ich in der vorliegenden Untersuchung wiederholt darauf hingewiesen, dass bei einer differenzierten historischen Betrachtung weder die kategorische oder essentialistische Trennung zwischen Design, Kunst und Wissenschaft haltbar bleibt, noch dass sich die oppositionelle Zuweisung der Begriffe ›Praxis‹ oder ›Entwurf‹ zu Design, und ›Theorie‹ oder ›Analyse‹ zu Wissenschaft als belastbar erweist. Vielmehr haben sich diese unterschiedlichen Felder und Systeme und mit ihnen ihre Leitmotive aufgrund ihrer soziokulturellen Genese konstitutiv different entwickelt. Der Versuch, Designforschung als eine ›wissenschaftsalternative‹ Form der Wissensproduktion aufzufassen, ist nicht bereits im ›ontologischen Gegenstand‹ Design angelegt, sondern kann als mehr oder weniger bewusste rhetorische Entscheidung verstanden werden, sich einem gesellschaftlich definierten Feld oder System (Kunst oder Wissenschaft) anzunähern bzw. sich davon zu distanzieren. Die jeweiligen Selbstverständnisse der Felder und Systeme sind dabei ebenso kritisch zu hinterfragen wie ein »hegemonialer Wissenschafts- und Forschungsbegriff«.357 Es gibt aber auch gute Gründe, eine vorschnelle Kurzschließung der Konzepte ›Design‹ und ›Wissen‹ bzw. ›Wissenschaft‹ mit Vorsicht anzugehen und kritisch nach den tiefer gehenden Gründen dieses Perspektivenwechsels zu fragen. So warnt zum Beispiel Tom Holert mit Blick auf die Etablie-

353. Zum Beispiel Chisholm, Roderick: Knowledge as Justified True Belief. The Foundations of Knowing. Minneapolis. 1982. 354. Latour/Woolgar; Laboratory Life. 1979. 355. White, Hayden: Metahistory: The Historical Imagination in Nineteenth Century Europe. Baltimore et al. 1973. [Dt. Ausgabe: Metahistory. Die historische Einbildungskraft im 19. Jahrhundert. Frankfurt a. Main. 1991]. 356. Sarasin: Geschichtswissenschaft und Diskursanalyse. 2003, S. 25. 357. Gau/Schlieben: Verbindungen zwischen einer forschenden Kunst und einer Kunst der Forschung. 2009, S. 54.

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rungsversuche der praxisbasierten Forschung in Kunst und Design davor, die »Autonomie« der freien Künste« vorschnell den ideellen Zwängen der Wissensgesellschaft« – wie »Eigentum« oder »Arbeit« – zu unterwerfen.358 Er fordert stattdessen eine »Rückbesinnung »auf die »inkommensurablen«, nichtkommerziellen Wissenspotentiale der Künste. Befürchtet wird, dass die Implementierung von praxisbasierten Forschungsprogrammen und PhDs an Kunsthochschulen sich ansonsten als neuerliches bürokratisches Manöver erweisen könnte, um eine »hegemoniale Macht-Wissenskonstellation« zu stabilisieren und die grundlegenden Möglichkeiten und Entwicklungen, die in den Ausdrücken ›Praxis‹ und ›Forschung‹ angelegt sind, zu leugnen.359 Die diesbezüglich referenzierte Hegemonie-Theorie von Laclau und Mouffe besagt, dass jede vermeintliche Objektivität notwendigerweise die Unterdrückung dessen voraussetzt, was sie durch ihr Zustandekommen ausschließt. Hegemoniale Systeme, politische Systeme, Wertvorstellungen und letztlich auch Identitäten definieren sich über kontingente Grenzziehungen und über Ein- und Ausschlussmechanismen.360 Für die geltenden Definitionen von ›Kunst‹ und ›Wissenschaft‹ bzw. für die Debatten um die praxisbasierte Forschung kann mithin am Anschluss an Laclau und Mouffe gefordert werden, dass die notwendige Kritik von Ausgrenzungsund Ausblendungsmechanismen auch ihre eigenen Inklusionen und Exklusionen reflektieren müsse, »will sie nicht durch die Verschleierung der diffizilen Konstruktionen von Grenzziehungen ungewollt neuerliche Festschreibungen (re-)produzieren«.361 Auch von solchen Orten, an denen praxisbasierte Forschungsprogramme bereits etabliert sind, werden kritische Stimmen laut, wie ein Votum der australischen Kunsthochschulleiterin Donna Lee Brien bezeugt: The relatively recent recognition of creative writing as a viable academic discipline in Australia has prompted a number of writers (and especially those within the academy) to interrogate and conceptualize their practice in such terms. At first, I found this a relatively stimulating activity but, more recently, struggling to come to grips with the newest elaboration of the Research Quality Framework and the latest current round of bureaucratic demands that I justify just how the various work I do – even the most scholarly – is research.362

358. Holert: Art in the Knowledge-based Polis. 2009, S. 9. Übersetzung C. M. 359. Holert: Art in the Knowledge-based Polis. 2009, S. 9. Übersetzung C. M. 360. Vgl. Laclau, Ernesto; Mouffe, Chantal: Hegemony and Socialist Strategy. Towards a Radical Democratic Politics. London. 1985. Zit. nach Gau/Schlieben: Verbindungen zwischen einer forschenden Kunst und einer Kunst der Forschung. 2009, S. 54. 361. Gau/Schlieben: Verbindungen zwischen einer forschenden Kunst und einer Kunst der Forschung. 2009, S. 54. 362. Lee Brien: Thinking about Writing and Research. 2005. Auf: http://www.textjournal.com.au/ oct05/brien.htm [Okt. 2010].

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Folgt man diesen Befürchtungen, dann werden Kunst und Design gegenwärtig nicht nur in einem heuristischen oder epistemologischen Sinne als eigenständige Wissensformen befragt, vielmehr ist anzunehmen, dass durch den forcierten Nexus von Design bzw. Kunst und Wissen, das kritisch-autonome Potential künstlerisch-gestalterischer Praktiken mit bürokratischen Mitteln in das Profil einer wissensbasier ten Gesellschaft eingepasst werden sollen.363 Gleichwohl ist fraglich, ob das derzeit oft einseitig postulierte Format einer praxisbasierten oder angewandten Forschung im Design nicht auch einer unnötigen, teils selbstauferlegten Einschränkung gleichkommt. Nimmt man die Einsicht ernst, dass das Feld des Design zu großen Teilen noch eine wissenschaftliche terra incognita ist, dann liegt es nahe, nicht einen einzelnen Ansatz zu forcieren, sondern unterschiedliche Ansätze heranzuziehen und als multiperspektivischen Zugriff zu bündeln. Dazu gehören praxisbasierte Ansätze ebenso wie designhistorische, -kritische und -theoretische Ansätze, Grundlagenforschung ebenso wie angewandte Forschung. Ein solch facettenreicher Zugriff auf das Design würde aber auch implizieren, dass das Monopol der Designpraktiker auf die Deutungshoheit ihres Feldes aufgeweicht wird, zugunsten eines vielstimmigen Konzerts von multiplen Stimmen sowohl aus der Praxis als auch der Wissenschaft. Bleibt diese Mehrstimmigkeit aus, ist zu befürchten, dass sich das Projekt ›Designforschung‹ im Rückblick nicht als künftige Wissensdisziplin oder Protowissenschaft, sondern als eine Pseudowissenschaft herauskristallisieren könnte. Kriterien von Wissenschaftlichkeit Das Postulat, Designforschung in einem neuen, ›erweiterten‹ Verständnis von ›Erkenntnis‹, ›Wissen‹ und ›Forschung‹ zu betrachten und dazu zwischen ›Designforschung‹ und ›Wissenschaft‹ zu unterscheiden, hat zweifellos produktive Potentiale. Bisweilen suggeriert es aber auch den problematischen Umkehrschluss, dass in den Wissenschaften kein erweitertes Verständnis von Erkenntnis und Wissen möglich sei. Diese Vorstellung von Wissenschaft entbehrt ihrer Legitimation, wenn man sieht, wie weit und beweglich beispielsweise bestimmte Ansätze aus der Wissenschaftsforschung ihre eigenen Grenzen fassen. Michael Hagner hält fest, dass es kein »diamanthartes Unterscheidungskriterium«364 in der Wissenschaftstheorie gebe, das es erlaube, wissenschaftliche Wissensproduktion von pseudowissenschaftlichen Ansätzen zu 363. Vgl. Holert: Art in the Knowledge-based Polis. 2009. 364. Hagner: Bye-bye science, welcome pseudoscience. 2009, S. 33.

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differenzieren. Hingegen gebe es sehr wohl epistemologisch relevante Kriterien für die Beurteilung der wissenschaftlichen Praxis, die zumindest eine Orientierung zwischen wissenschaftsförderlichen und wissenschaftshinderlichen, zwischen wissenschaftsgemäßen und wissenschaftsinadäquatem Verhalten ermöglichten.365 Hagner benennt dazu zwei Kriterien, an der meines Erachtens auch die Frage, ob Designforschung nun eine ›wissenschaftskonforme‹ oder ›wissenschaftsalternative‹ Wissensproduktion sein soll, bemessen werden könnte. Als erstes Kriterium führt er das Verhältnis von wissenschaftlicher Repräsentation und ›Wahrheit‹ an. Am Beispiel von wissenschaftlichen Bildern argumentiert er, dass Wissenschaften üblicherweise eine »nüchterne[re] Einstellung« zum Verhältnis zwischen einem wissenschaftlichen Bild und seinem Referenten hätten, als dies in Pseudowissenschaften der Fall sei. Wissenschaftler gingen nicht von einer naiven »Eins-zu-Eins-Korrespondenz« des Bildes aus – wie dies etwa in der Ufologie der Fall sei –, sondern »wissen, dass es sich zumeist nur um Annäherungen an ein bestimmtes Phänomen« handle und dass die Glaubwürdigkeit eines wissenschaftlichen Bildes von zahlreichen Faktoren abhängig sei: experimentelles Design, Beschaffenheit des Objektes, Zustand der Aufnahme- und Messinstrumente oder der Sorgfalt bei der Durchführung der verschiedenen Manipulationen.366 »Erst durch ganze Kaskaden von Transformationen wird eine gefestigte Spur erzeugt«, so Hagner, »wobei das entscheidende Kriterium darin besteht, dass der Weg vom Referenten zum wissenschaftlichen Bild in beide Richtungen begehbar sein muss«.367 Wer Forschung betreibt, hat seines Erachtens keinen direkten Zugang zur ›Wahrheit‹, denn um ein wissenschaftliches Resultat glaubwürdig zu machen, bedürfe es zahlreicher Zwischenschritte und Repräsentationen. Demgegenüber imitierten Pseudowissenschaftler eine »trivialisierte Form der Epistemologie der Wissenschaften«, nicht aber deren mühselige Praxis, »bei der zahlreiche Rädchen ineinander greifen müssen, damit das ganze Getriebe funktioniert«.368 Als zweites relevantes Kriterium für die Beurteilung wissenschaftlicher Praxis nennt Hagner das Verhältnis von Wissensproduktion und Kommerzialisierung. Dabei gibt er zu bedenken, dass sich ein Statuswechsel von Grundlagenforschung und angewandter Forschung vollzogen habe.369 Früher sei den Pseudowissenschaften unterstellt worden, sich durch »kommerzielle Unersättlichkeit« und Popularismus profilieren zu wollen, heute könne dies auch für die Wissenschaften gelten. Kommer365. 366. 367. 368. 369.

Hagner: Bye-bye science, welcome pseudoscience. 2009, S. 49. Hagner: Bye-bye science, welcome pseudoscience. 2009, S. 42. Hagner: Bye-bye science, welcome pseudoscience. 2009, S. 42. Hagner: Bye-bye science, welcome pseudoscience. 2009, S. 42. Hagner: Bye-bye science, welcome pseudoscience. 2009, S. 49.

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zieller Gewinn und Popularität würden im Zeitalter des »campus capitalism« (Greenberg) von Politikern und selbst von Universitätsleitungen als erklärte Ziele angeführt.370 Wissen und Erkenntnis seien zunehmend danach bemessen, wie nützlich, anwendbar, verwertbar und übertragbar sie seien. Gewarnt wird vor dem Überhandnehmen des ökonomische Denken, da die Wissenschaft dann Gefahr laufe, »ihre kognitive und institutionelle Autonomie« preiszugeben«, und mehr noch – »sie drohen zur organisierten Pseudowissenschaft zu werden« und zunehmend Eigenschaften dessen anzunehmen, »was in der Vergangenheit als Pseudowissenschaft gebrandmarkt worden ist«.371 Liest man die Tendenzen der gegenwärtigen Designforschung vor dem Hintergrund von Hagners Befunden, wird deutlich, dass die Forderung nach einer ›wissenschaftsalternativen‹ Wissensproduktion problematische Züge aufweisen kann. Zum einen zeichnet sich ab, dass der starke Nexus von Designforschung und Designpraxis sowie das Fehlen von Grundlagenforschung im Design, die Resultate dieser Forschung nicht unbeeinflusst lassen. Anders formuliert, sind gewisse grundlagenforschende Fragestellungen in den derzeit existenten Fördergefäßen und im Rahmen der praxisbasierten respektive der angewandten Forschung kaum möglich. Dies obwohl gerade im Bereich des Design eine historische und vor allem ideologiekritische ›Auf bauarbeit‹ der eigenen Geschichte, Selbstverständnisse und Mythen auf wissenschaftlicher Ebene weitgehend noch zu leisten wäre. Derzeit aber ist für die Designforschung (wie sie bis dato in vielen europäischen Ländern aufgestellt ist) ein akademisches Korrektiv, im Sinne eines fundierenden oder ergänzenden kritischen wissenschaftlichen Blicks, in der Regel nicht vorgesehen. Hagner wirft den Pseudowissenschaften des Weiteren vor, sich nicht mit der »mühseligen Kleinarbeit« der Forschung abzugeben, wohl aber »die Ideologie der Wissenschaften« zu imitieren, mit der Behauptung ein Bild, eine Messreihe oder ein Experiment seien entweder der Beweis für die Existenz eines Objekts bzw. eines Sachverhalts oder die Garantie für deren Widerlegung: »Evidenz steht hier in einem schroffen Gegensatz zu jenen Serien von Repräsentationen, die das Alltagsgeschäft der Forschung ausmachen und nähert sich unweigerlich dem an, was in der Religion als Offenbarung bezeichnet wird«, so sein kritisches Fazit.372 Ebenso kritisch gilt es für die Designforschung zu fragen, was unter einem ›wissenschaftsalternativen‹, ›erweiterten Verständnis‹ von Erkenntnis zu verstehen ist – will man die Nähe zur religiösen (oder künstle370. Greenberg, Daniel S.: Science for Sale. The Perils, Rewards, and Delusions of Campus Capitalism. Chicago. 2007. Vgl. Hagner: Bye-bye science, welcome pseudoscience. 2009, S. 47. 371. Hagner: Bye-bye science, welcome pseudoscience. 2009, S. 47. 372. Hagner: Bye-bye science, welcome pseudoscience. 2009, S. 42.

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rischen) Offenbarung oder zur reinen Mythologie vermeiden. Zu fragen ist auch, weswegen die Designforschung überhaupt mit den Begrifflichkeiten und Konzepten der Wissenschaft, wie ›Forschung‹, ›Wissensproduktion‹ oder »Experimentalsysteme«,373 kokettiert, wenn man sich den von Hagner angeführten basalen Leitidealen der Wissenschaft – einem kritisch reflektierten Verhältnis zu ›Wahrheit‹ und ›Wirklichkeit‹ sowie dem Wunsch nach kognitiver und institutioneller Autonomie – nicht anschließen kann oder will. Diese Leitideale wären meines Erachtens kaum zu eng, um darin eine praxisnahe und zugleich wissenschaftlich-kritisch reflektierte Designforschung zu beherbergen.

Die Rede von ›Design als Forschung‹ – ein neuer Paragone zwischen Design, Kunst und Wissenschaf t? Designforschung kann nicht nur unter dem Aspekt einer wissenschaftlichen Demarkation befragt werden. In einer freieren Assoziationsweise bietet sich auch die Lesart an, die gegenwärtigen Debatten um das Erkenntnispotential von Designpraxis bzw. Designforschung als ein Wettstreit, als ein zeitgemäßer Paragone (Vergleich) zwischen Design und Kunst bzw. Wissenschaft zu deuten. Ein solcher Wettstreit kann hypothetisch für das Design und die Designforschung in mehrfacher Hinsicht nachvollzogen werden: Etwa als Wettstreit um Autonomie innerhalb der Künste, mit dem Ziel, Design von benachbarten Kunstgattungen – oder von den Künsten überhaupt – zu unterscheiden. Viel grundlegender in Betracht zu ziehen wäre ein Wettstreit zwischen Design, Kunst und Wissenschaft um die geeigneteren Mittel der Produktion und Darstellung von Wissen. Aus dem Wettstreit ginge – so kann man interpretieren – eine zugleich legitimierende wie nobilitierende Theoriebildung hervor, die sich durch ihre enge Verzahnung von Praktiken und Diskursen auszeichnet. Zieht man den historischen Paragone zwischen den bildenden Künsten im 16. Jahrhundert zum Vergleich heran, zeigen sich instruktive Parallelen zu jenen Debatten, die gegenwärtig in der Designforschung zu beobachten sind und die sich im Grunde darum drehen, die Vorzüge einer Disziplin gegenüber benachbarten Disziplinen zu behaupten. Während im 15. Jahrhundert die ›Theoretisierung‹ der künstlerischen Praxis noch vornehmlich dem Ansinnen der Künste geschuldet war, von den untergeordneten artes mechanicae (denen sie als Maler, Bildhauer und Baumeister zugeordnet waren) zu den angesehenen artes liberales aufzusteigen,374 373. Vgl. Rheinberger: Experimentalsysteme und epistemische Dinge. 2001. 374. Münkler, Herfried; Münkler, Marina: Lexikon der Renaissance. München. 2000, S. 396.

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diente der Paragone des 16. Jahrhunderts dazu, eine sozial erstrebenswerte Position der Künstler zu festigen und zu nobilitieren sowie die Hierarchie der bildenden Künstler untereinander – insbesondere jene zwischen Malerei und Bildhauerei – auszuhandeln. Im Italien des 16. Jahrhunderts war der Paragone zu einem beliebten Verfahren avanciert, das einem »sophistischen Tauziehen« gleichkam375 und in dem es darum ging, mittels epideiktischen Reden – durch Lob und Tadel – die Eigenheiten der Kunstgattungen (Architektur, Malerei, Skulptur und Goldschmiedekunst) auszuloten und gegeneinander auszuspielen.376 Die Argumente des Paragone kreisten in der Regel um die Pole ›Sein‹ und ›Schein‹: Der Malerei wurde im Vergleich zur dreidimensionalen Bildhauerei vorgeworfen, »nur flache Scheingebilde« zu präsentieren, während den Bildhauern nicht mehr als die »Nachäffung naturgegebener Dreidimensionalität« attestiert wurde.377 Ebenfalls wurde danach gefragt, wer – der Maler oder der Bildhauer – die »größeren Schwierigkeiten« im Schaffensprozess zu bewältigen habe. Der Vergleich der Künste spielte sich auf rhetorischer und theoretischer Ebene in der damaligen Kunstliteratur ab und wurde durch Meinungsumfragen unter bekannten Künstlern noch geschürt.378 Maßgeblich wurde er aber – und darin zeigt sich eine erste Verwandtschaft zur gegenwärtigen praxisbasierten Designforschung – auf der Ebene der jeweiligen Praktiken und in den jeweiligen Medien geführt. Anhand von immer neuen Gemälden und Skulpturen versuchten die Künstler den einen oder anderen Vorwurf im Medium der Malerei und Bildhauerei selbst zu entkräften. Sehr viel grundlegender noch als die Frage nach ›Sein‹ und ›Schein‹ oder nach technischen Schwierigkeiten wurde im Paragone die Frage nach der schöpferischen Universalität (universalità) der jeweiligen Kunstgattungen verhandelt: Welche Kunstgattung konnte die größere mimetische Bandbreite der Nachahmung ermöglichen und welcher gelang es am Besten, einem Kunstwerk »Leben einzuhauchen«. Daran gekoppelt war die Frage, ob »Gott der erste Maler oder Bildhauer gewesen sei«, der Künstler erhielt so im Gegenzug die Aura eines göttergleichen »alter deus«.379 Griselda Pollock weist diesbezüglich darauf hin, dass der Statusanspruch 375. Hessler, Christiane J.: Maler und Bildhauer im sophistischen Tauziehen. Der Paragone in der italienischen Kunstliteratur des 16. Jahrhunderts. In: Mai, Ekkehard; Wettengl, Kurt (Hg.): Wettstreit der Künste. Malerei und Skulptur von Dürer bis Daumier. München et al. 2002, S. 83–97, hier S. 83. 376. Aufzählung der vier Disegno-Künste nach Benvenuto Cellini. In: Kemp, Wolfgang: Disegno. Beiträge zu einer Geschichte des Begriffs zwischen 1547 und 1607. In: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft. Band 19. Marburg/Lahn. 1974, S. 219–240, hier S. 222. 377. Hessler: Maler und Bildhauer im sophistischen Tauziehen. 2002, S. 83. 378. Vgl. Mendelson-Martone Leatrice: Paragoni. Benedetto Varchi’s ›Due Lezzioni‹ and Cinquencento Art Theory. Ann Arbor. 1982. 379. Hessler: Maler und Bildhauer im sophistischen Tauziehen. 2002, S. 88 f.

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des Künstlers als ›Gott‹ oder ›Schöpfer‹ auch ein geschlechterspezifisch kodierter sei, da er in der jüdisch-christlichen Mythologie eine definitiv männliche Verkörperung darstelle.380 Zu den geistig-ideellen und materiellen Aspekten des Disegno Der Paragone verlor Ende des 16. Jahrhunderts an Brisanz, als sich Vasaris taktischer Vorschlag durchsetzte,381 das Disegno als gemeinsames Fundament und als Zeichen der Gleichursprünglichkeit der drei Künste Malerei, Bildhauerei und Architektur zu definieren: »DISEGNO ist der Vater unserer drei Künste Architektur, Bildhauerei und Malerei, der aus dem Geist hervorgeht und aus vielen Dingen ein Allgemeinurteil schöpft, gleich einer Form oder Idee aller Dinge der Natur, die in ihrem Maße einzigartig ist.«382 Laut Vasari hatte man sich das Disegno als eine anschauliche Gestaltung und Darstellung jenes Bildes vorzustellen, das man im Sinn habe, sich im Geist vorstelle und in der Idee hervorbringe.383 Allerdings verwendete er – wie auch andere Disegno-Theoretiker der Zeit – den Begriff uneinheitlich und mehrdeutig. Wolfgang Kemp hält fest, dass der Ausdruck ›Disegno‹ bei Vasari eine Bandbreite aufweise, »die von der anspruchslosen Gleichsetzung Disegno-Lineamento bis hin zu einer Auffassung reicht, die dem heute gängigen Terminus Medium« entspreche.384 Zunächst habe Vasari den Ausdruck ›Disegno‹ in einem »zeitgemäß erhöhten und genealogisch auf bereiteten Sinn« verwendet, so Kemp. Bei fortschreitender Entwicklung des Gedankens habe sich dessen Bedeutung dann aber auf die »Forma-Seite« verlagert: »Disegno heißt jetzt mit einem Mal, was mit der Hand hervorgebracht wird und was eine Konkretisierung des geistigen Vorwurfs bedeutet«.385 In gewissen Textkontexten kann ›Disegno‹ demnach schlicht als ›Zeichnung‹ übersetzt werden. Diese Begriffsverwendung entspricht der Grundbedeutung von ›Disegno‹ (Plan, Zeichnung) und sie verdeutlicht auch, wie sehr der Begriff im Verlauf seiner kunsttheoretischen ›Nobilitierung‹ als gewichtiges Konzept aufgeladen, idealisiert und überhöht wurde. 380. Pollock, Griselda: Frauen, Kunst und Ideologie: Fragestellungen für feministische Kunsthistorikerinnen. In: Zimmermann, Anja (Hg.): Kunstgeschichte und Gender. Eine Einführung. Berlin. 2006, S. 205–214, hier S. 206. 381. Wolfgang Kemp weist darauf hin, dass der Disegno-Gedanke weder neu war noch einzig von Vasari vorgebracht wurde. In den akademischen Debatten in Florenz um Mitte des 16. Jahrhunderts gewann er aber an neuer Dringlichkeit. Vergleichbare Wendungen finden sich bei Petrarca, Cennini, Ghiberti, Filarete und Michelangelo; immer wird der Disegno »origine«, »fondamento« oder »principio« der Malerei und Skulptur genannt. Vgl. Kemp: Disegno. 1974, S. 224. 382. Vasari, Giorgio: Kunstgeschichte und Kunsttheorie. Eine Einführung in die Lebensbeschreibungen berühmter Künstler anhand der Proemien. [1568]. Hg. von Victoria Lorini. Berlin. 2004, S. 194. 383. Vasari: Kunstgeschichte und Kunsttheorie. 2004, S. 194. 384. Kemp: Disegno. 1974, S. 224 f. 385. Kemp: Disegno. 1974, S. 227.

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Ohne auf die komplexe Geschichte des Disegno-Begriffs eingehen zu können, kann doch konstatiert werden, dass mit der funktionalen Bestimmung des Disegno als geistig-schöpferische »Grundlage und Ursprung der Künste«386 sich das Konzept einer (neu-)platonistischen, idealistischen Begründung von Kunst in der Kunsttheorie hartnäckig festsetzte.387 Obwohl der Begriff durch eine Zweiteilung in einen geistig-ideellen und einen ausführenden, praktischen Part gekennzeichnet war – etwa als »disegno primo« (Idee) und »disegno secondo« (Ausführung) oder als »disegno interno« (Skizze, Entwurf oder Plan) und »disegno esterno« (Zeichnung, Bild, Plastik) –, wurde von den Kunsttheoretikern der Renaissance oft eine idealistische Interpretation des Disegno als »geistiges Vermögen« bevorzugt. Die Nähe von Weltschöpfung und Entstehung eines Kunstwerks sei in den Disegno-Debatten »metaphorisch ausgebeutet« worden, so Kemp.388 Insbesondere mit der Einführung des Begriffs »disegno primo« durch Cellini habe der »Entstehungsprozess des Kunstwerks, dessen Erhellung im 15. und 16. Jahrhundert so viele rationale Bemühungen gegolten hatten, seine metaphysische Weihe« erhalten.389 Horst Bredekamp weist demgegenüber darauf hin, dass die Bewertung, die zeichnende Handbewegung folge einem höheren Anspruch auf Objektivität als der kontemplative Gedanke, bereits seit Leonardos Malereitraktat zur Grundüberzeugung des Paragone gehört habe und die Kunstgeschichte seitdem bewegt habe.390 Festzuhalten gilt an dieser Stelle, dass der Paragone über seine Bedeutung als Wettstreit zwischen den Kunstgattungen hinaus auch als hypertropher Vergleich zwischen verschiedenen Modi und Darstellungsformen von Erkenntnis angelegt ist: im Vergleich zwischen Idee und Ausführung, zwischen Denken und Zeichnen, zwischen Text und Bild. Das Verhältnis von ›Mensch‹, ›Gott‹, ›Natur‹ und ›künstlerischem Schaffen‹ wird im und durch den Paragone auf vielfältige Weisen konstituiert. Die historische Entwicklung des Disegno-Begriffs – von einem einfachen Abhängigkeitsverhältnis von Idee und Ausführung, über die Lesart als einer Art synthetischem Urteilsvermögen, einer »scienza« und dann hin zu einem gottähnlichen, naturgleichen kreativen Prinzip – verdeutlicht aber auch die zunehmende Konzeptualisierung und Ideologisierung des Begriffs.391 Erwin Panofsky erkannte in der historischen Wandlung des Begriffs den Versuch, die Kunstlehre »theoretisch zu legitimieren«.392 In Anschluss 386. Kemp: Disegno. 1974, S. 224. 387. Vgl. dazu grundlegend Panofsky, Erwin: Idea. Beitrag zur Begriffsgeschichte der älteren Kunsttheorie. Hg. von John Michael Krois. Hamburg. 2008. 388. Kemp: Disegno. 1974, S. 225, S. 231. 389. Kemp: Disegno. 1974, S. 231. 390. Bredekamp: Galilei der Künstler. 2007, S. 7. 391. Kemp: Disegno. 1974, S. 234 f. 392. Panofsky: Idea. 2008, S. 46.

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an Panofsky deutet auch Kemp die »Legitimation sub specie divinitatis« (Panofsky) des künstlerischen Schaffens und seine Intellektualisierung als »eine vom Künstler selbst vorgenommene Aufwertung seiner gesellschaftlichen Position«. Die Kunsttheorie – als solche schon Ausdruck eines gesteigerten gesellschaftlichen Anspruchs – sei immer schon der Ort gewesen, an dem der Künstler durch Beschreibung seines Tuns seinen Sozialstatus in Postulaten oder Affirmationen definiert habe. Die Vorstellung des Künstlers als Schöpfer mit »hehrer Praxisferne« bezeichnet in dieser Lesart den endgültigen Abbau der mittelalterlichen-zünftigen Vorstellung vom Künstler als Handwerker.393 Aktuelle Designforschung und historischer Paragone Überträgt man nun die angeführten historischen Konzepte zu Paragone und Disegno als Deutungsmatrix auf das heutige Design und die Designforschung, dann ergeben sich erhellende Parallelen. Zum einen können Spuren des historischen Paragone bis in die aktuellen Begriffsdebatten des Design verfolgt werden. Obwohl der Begriff ›Design‹ erst Anfang des 19. Jahrhunderts (und eher widerwillig) als englisches Lehnwort, das sich seinerseits von der französischen Form ›dessein‹ abgeleitet hat, ins Deutsche transferiert wurde, wird er doch fälschlicherweise oft einzig auf den italienischen Begriff ›disegno‹ zurückgeführt. Wie bereits in der italienischen und französischen Begriffsbedeutung ist ›Design‹ auch im Deutschen mit einer Mehrfachbedeutung versehen. Einerseits wird der Prozess des Gestaltens beschrieben, andererseits dient der Begriff für die Bezeichnung eines gestalteten Artfakts. Ebenso bezeichnet der Begriff im Englischen als Verb zweierlei. Erstens »conceive and produce a design« und zweitens »plan or intend for a purpose«, als Nomen bezeichnet er einerseits einen zugrunde liegenden Plan, eine Absicht, einen verbindlichen zeichnerischen Entwurf von etwas, das realisiert werden soll, andererseits die Ausführung eines solchen Entwurfes.394 Nicht selten kommt die Rückführung des Designbegriffs auf den des ›Disegno‹ einer nobilitierenden Selbsthistorisierung gleich und ist mit einer (impliziten) Weiterführung seines idealistischen Gedankenguts und Ganzheitsanspruchs verbunden. Design wird in solchen Lesarten bevorzugt als eine anthropologisierende Konstante definiert (als etwas, das in der ›Natur‹ des Menschen angelegt sei) oder als synthetisierende Disziplin postuliert (die verschiedene Wissenskulturen verbinden kann). Entsprechende Aussagen legen nahe, dass Design als eine vereinende und fundie393. Kemp: Disegno. 1974, S. 236. 394. Vgl. dazu im 1. Kapitel, Abschnitt a.

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rende Tätigkeit oder als ein Prinzip – anderen Disziplinen in Kunst und Wissenschaft vorausgehend sei und das Verhältnis von ›Mensch‹, ›Natur‹ und ›künstlich hergestellter Umgebung‹ zu strukturieren vermöge. Planen, Entwerfen und Gestalten werden in diesem Sinne zum Beispiel als »natural human ability« (Cross) beschrieben, die den Menschen von ›Tieren‹ und ›Maschinen‹ essentiell unterscheide.395 Auch Nelson und Stoltermann beschreiben Entwerfen und Gestalten in einer ähnlich antrophologistischen Weise, indem sie behaupten: »Design is such a human ability that almost everyone is designing most of the time«.396 Wieder andere Autoren fassen Design als eine synthetisierende Disziplin, »that unites arts and sciences and perhaps can go further than either«,397 als »a practice and as an activity that is constitutive of human beings generally«398 oder als Disziplin übergreifende »dritte Wissenskultur«, deren gemeinsamer Nenner die »Kultur des Künstlichen« sei.399 Die Argumente, die herangezogen werden, um Design als autonome Praxis, Feld oder Prinzip zu proklamieren, beziehen ihre Legitimation zwar nicht direkt aus dem Prinzip des ›Göttlichen‹ (Legitimation sub specie divinitatis), gleichwohl werden mit dem Verweis auf die ›Natur des Menschen‹ und seine schöpferische Sonderstellung in der Welt scheinbar unhintergehbare Aprioris aufgestellt, die eschatologische und metaphysische Züge aufweisen. Eine Satz Vilèm Flussers zur Bedeutung von Design vermag die omnipräsente ideelle Verquickung von Design, Kunst und Schöpfertum zu verdeutlichen: Das ist das Design, das aller Kultur zugrunde liegt: die Natur dank Technik überlisten, Natürliches durch Künstliches übertreffen und Maschinen bauen, aus denen ein Gott fällt, der wir selbst sind. Kurz: Das Design hinter aller Kultur ist, aus uns natürlich bedingten Säugetieren […] freie Künstler zu machen.400

Flusser bestimmt den Akt des Gestaltens in seinem Verhältnis zur Nachahmung und Überbietung von ›Natur‹. Wie schon bei Vasaris Disegno wird dem Design zum einen eine aktive Vermittlerrolle zwischen ›Natur‹ und ›Kunst‹ bzw. ›Kultur‹ zugesprochen, zum anderen wird Design zur konstitutiven Grundlage erklärt, zur conditio sine qua non der kulturellen ›Menschwerdung‹. Design sei – so könnte man Flusser paraphrasieren – praktisches Instrument und ideelle Grundlage zugleich, um den gestal395. 396. 397. 398. 399. 400.

Cross: Designerly Ways of Knowing. 2006, S. 100. Nelson/Stoltermann: The Design Way. 2003, S. 1. Mitchell: Redefining Designing: From Form to Experience. 1992, S. 58. Krippendorff: The Semantic Turn. 2006, o. S. Jonas: On the Foundations of a Science of the Artificial. Helsinki 1999, o. S. Flusser: Vom Stand der Dinge. 1993, S. 11.

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tenden Menschen sowohl als ›Schöpfer‹ als auch als ›Krone der Schöpfung‹ zu konzipieren. Die genannten (Selbst-)Verständnisse von Design können, müssen aber nicht zwangsläufig im Kontext des historischen Paragone und mit Blick auf idealistische Disegno-Debatten gelesen werden. Gewisse Designassoziationen sind sinnvollerweise auf die englische Begriffsbedeutung von ›Design‹ als »underlying purpose or planning« und darauf basierende Designverständnisse in den Ingenieur- und Planungswissenschaften zurückzuführen. 401 Im 2. und 3. Kapitel der vorliegenden Arbeit habe ich zudem erörtert, wie sich bestimmte historische (Selbst-)Verständnisse von Design im Verlauf der Geschichte perpetuiert haben und durch zahlreiche andere, zeitgemäßere Einflüsse (etwa durch die Planungswissenschaften) beeinflusst wurden. Ebenfalls habe ich nachzuzeichnen versucht, wie sich bestimmte Designbegriffe und implizite Leitmotive in den Debatten um ›Designwissen‹ und Designforschung fort pflanzen und wie auf diese Weise auch bestimmte Narrative von ›Kunst‹ und ›Design‹ erhalten werden. Dennoch, oder gerade deswegen erscheint vor diesem Hintergrund das Modell eines zeitgemäßen Paragone zwischen Design und Kunst bzw. Wissenschaft unter den Vorzeichen einer als wissensbasiert deklarierten Gesellschaft produktiv. Zum einen kann damit die bisweilen metaphysische und theologische (und teleologische) Färbung des Designbegriffs erhellt werden, zum andern liefert das Bild des Paragone ein treffliches Beschreibungsmodell für die soziale Genese von Disziplinen und Feldern durch die Nobilitierung ihrer Praktiken und Begriffe. Eine solche Genese ist derzeit beispielhaft in der praxisbasierten Forschung im Design zu beobachten. Identitätsstiftende Vergleiche und legitimatorische Abgrenzungen sind hierbei zugleich gegenüber der Kunst als auch der Wissenschaft auszumachen. Während in den Disegno-Debatten des 16. Jahrhunderts noch vornehmlich die Religion und die Metaphysik die ›höheren‹ Motive der Argumentation bereitstellte, so bedienen sich die gegenwärtigen Debatten nunmehr der vermeintlich ›höheren‹ Motive der Wissenschaft bzw. stehen mit ihnen in einem komplexen Interferenzverhältnis. In diesem Kontext erscheint denn auch die semantische Entwicklung von »Design als Produktivkraft« 402 hin zu ›Design als Forschung‹ oder ›Designwissen‹ nur konsequent. Repräsentiert doch die Wissenschaft (zumindest vordergründig), wie kaum noch ein anderer gesellschaftlicher Bereich, einen idealisierten Ort der ›Wahrheitsfindung‹ fernab von ökonomischen Verpflichtungen und Interessen. Fraglich bleibt hingegen, ob die historischen, religiösen und metaphysischen Motive der Legitimierung 401. Etwa bei Simon: The Sciences of the Artificial. 1969. 402. Selle: Geschichte des Design in Deutschland. 1994, S. 35.

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nicht bloß vordergründig gegen zeitgemäßere Begriffe mit ähnlich gefärbtem Inhalt ausgetauscht wurden. Also ›Religion‹ gegen ›Wissenschaft‹ und ›Schöpfungskraft‹ gegen ›Wissen‹. Nobilitierung durch Wissen Gegenwärtig liefert der Nexus von Design und Wissen womöglich eine Grundlage, um die aus dem Kunstgewerbe stammende Praxis des Design zunächst gesellschaftlich zu legitimieren und sodann durch die Behauptung eines ›gesonderten Wissens‹ zu nobilitieren. Die sowohl semantische als auch pragmatische Entwicklung von Design seit Mitte des 19. Jahrhunderts – von einer gewerblichen Aktivität im Kontext von Industrialisierung und Massenkultur zu einer eigenständigen, wissensbasierten Disziplin 403– kann vermittels der soziogenetischen Sichtweise einer ›Disziplinierung‹ und vermittels des Motivs eines Paragone erhellt werden. Dabei zeichnet sich ein durchaus ambivalentes Bild ab. Modellhaft gesprochen, verspricht eine Theoretisierung und rhetorische Verstetigung von Begriffen, Konzepten und Praktiken des Design (etwa als ›design knowledge‹ oder ›design thinking‹)404 Autonomie und Abgrenzung nicht nur gegenüber benachbarten Kunstgattungen und Genres, sondern zugleich auch gegenüber Kunst und Wissenschaft. In dieser Betrachtungsweise ist ein Paragone auf der Ebene der Kulturtechniken selbst zu verorten, also zwischen Bild, Schrift und Zahl – und nun auch dem Entwerfen. Mit dem Konzept der ›Kulturtechnik‹ wurde in jüngerer Zeit von Seiten mehrerer Disziplinen versucht, bis anhin wissenschaftlich vernachlässigte kulturelle Praktiken, Techniken und Darstellungsformen ins Blickfeld der Forschung zu rücken, die neben Sprache und Sprachanalyse für die Genese und Analyse kultureller Ordnungen bedeutsam sind. 405 Als Kulturtechnik gilt dabei, was »die Leistungen der Intelligenz durch Versinnlichung und exteriorisierende Operationalisierung des Denkens« befördert. 406 Gemeinhin werden Bild, Schrift und Zahl dazu gezählt und entsprechend als Forschungsdesiderate formuliert. Entlang dieser drei Kulturtechniken wird mithin nach der »epistemischen Kraft der Bildlichkeit« gefragt, nach dem »Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit« oder nach den Implikationen des mathematischen Formalismus. 407 Von Seiten des Design und der Architektur wird derzeit aber auch die Frage aufgeworfen, ob die Trias der Kulturtechniken nicht auch um 403. 404. 405. 406. 407.

Buchanan: Education and Professional Practice in Design. 1998, S. 63–66. Vgl. ausführlich zu ›design knowledge‹ oder ›design thinking‹ im 3. Kapitel, Abschnitt a. Krämer/Bredekamp: Wider die Diskursivierung der Kultur. 2003, S. 11. Krämer/Bredekamp: Wider die Diskursivierung der Kultur. 2003, S. 18. Krämer/Bredekamp: Wider die Diskursivierung der Kultur. 2003, S. 12.

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die Kulturtechnik des Entwerfens zu ergänzen sei. Im Kern dieser Debatte wird danach gefragt, ob sich das Entwerfen ›nur‹ bestimmter anderer Kulturtechniken bediene oder ob es selbst als eigene Kultur technik aufzufassen sei, die zur Konzeption imaginärer Welten führe und somit die Basis unserer Zukunftsgestaltung bilde. 408 Die in diesem Kapitel vorgeschlagene Lesart eines neuerlichen Paragone könnte zu einer Antwort auf diese Frage hinführen. Sie verweist darauf, dass die zahlreichen jüngeren Definitions- und Theoretisierungsversuche in Design und Designforschung – dazu gehört auch die Frage, ob Entwerfen eine eigene Kulturtechnik sei – sowie die Bestrebungen, Design als autonome Wissensdisziplin zu definieren, weder durch metaphysische Überhöhungen, noch durch kategorische oder essentialistische Zuordnungen zum Erfolg führen. Vielmehr sind sie als historisch geformte, soziale (und somit auch strategische und konfliktuöse) Aufwertungsunterfangen zu bewerten, die diskurshistorisch zu untersuchen sind. Die These, ob das Entwerfen eine ›Kulturtechnik‹ sei oder ob die Designpraxis ein ›gesondertes‹ Wissen erzeuge, kann sich erst in der Untersuchung von konkreten, historischen Praktiken und ihren Diskurse erhärten. 409 So fordert auch Bernhard Siegert, dass die Auffassung »der Praxis des Entwerfens als Kulturtechnik« bedeute, sie den historischen Aprioris von Techniken, Materialitäten, Codes und Visualisierungsstrategien zu unterstellen, statt einem unbegreiflichen Schöpfungsakt: »Wenn man den disegno in seiner Doppelnatur als lineamento und als geistigen Entwurf […] einer Geschichte der Kulturtechniken zurückerstattet, dann findet man an der Stelle der hohlen Rede vom ›künstlerischen Schöpfertum‹ ein Feld konkreter Zeichenpraktiken«. 410 Im Verbund von historischen Diskursen und Praktiken, in den die Bestimmung von Wissen im Design zwingend einzubetten ist, stellen die Diskurse selbst historische Praktiken dar, »die systematisch die Gegenstände bilden, von denen sie sprechen«, 411 und umgekehrt sind auch die Praktiken diskursiv und historisch begründet. Mit einigem Recht lasse sich behaupten, so hält Hans-Jörg Rheinberger für die Wissenschaftsgeschichte fest, dass es heute keine in die wissenschaftsphilosophische Diskussion fruchtbar eingreifende Epistemologie mehr gebe, die nicht von historischen Fragen durchtränkt wäre. 412 408. Gethmann, Daniel; Hauser, Susanne: Einleitung. In dies. (Hg.): Kulturtechnik Entwerfen. 2009, S. 9–15. 409. Vgl. hierzu: Mahr Bernd: Modellieren. Beobachtungen und Gedanken zur Geschichte des Modellbegriffs. In: Krämer/Bredekamp: Bild, Schrift, Zahl. München. 2003, S. 59–86. 410. Siegert: Weiße Flecken und finstre Herzen. 2009, S. 23. Kursivsetzung im Original. 411. Foucault: Archäologie des Wissens. 1981, S. 74. 412. Rheinberger: Historische Epistemologie. 2007, Klappentext.

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Eine solche Aufmerksamkeit für die Historizität ihres Gegenstandes darf auch für eine ›Epistemologie des Design‹ eingefordert werden, die auf der Höhe ihrer Zeit sein will.

Abschließende Überlegungen zur praxisbasier ten Forschung in Kunst und Design Design und Kunst als eigenständige Darstellungsformen und Modi der Wissenserzeugung zu postulieren, deutet nicht nur, oder weniger auf thematische und methodische Interdependenzen zwischen ›Kunst‹ und ›Wissenschaft‹ hin, sondern auch auf die tiefe Kluft, die von ihren Akteuren zwischen den Dimensionen von ›Theorie‹ und ›Praxis‹ gesehen wird. Eine Aussage von Paul Carter vermag diese vielleicht imaginierte, dennoch real wirksame Kluft zu veranschaulichen. Mit dem Begriff »material thinking« benennt er ein Form von Wissen, die künstlerisches Schaffen zwar auszeichne, aber dennoch nur wenig Anerkennung finde: Material thinking occurs in the making of works of art. It happens when the artist dares to ask the simple but far-reaching questions What matters? What is the material of thought? To ask these questions is to embark on an intellectual adventure peculiar to the making process. Critics and theorists interested in communicating ideas about things cannot emulate it. They remain outsiders, interpreters on the sidelines, usually trying to make sense of a creative process afterwards, purely on the basis of its outcome. They lack access to the process and, more fundamentally, they lack the vocabulary to explicate its intellectual character. For their part, film-makers, choreographers, installation artists and designers feel equally tongue-tied: knowing that what they make is an invention that cannot easily be put into words, they find their creative research dumbed-down.413

Die Beurteilung »kreativer Prozesse« durch Theoretiker oder Kritiker beschränke sich auf die nachträgliche Beurteilung fertiger Resultate, so also Carters Kritik, während das »intellektuelle Potential« dieser Prozesse nur Kunstschaffenden zugänglich sei. Damit benennt er zwar ein zentrales, mitunter romantisch verklärtes Motiv414 von praxisbasierter Forschung, insistiert aber, dass es ihm nicht darum gehe, »kreative Prozesse« in romantischer Manier zu mystifizieren, da gutes Handwerk immer für Kritik und Korrektur offen sein müsse. 415 Sein Ansatz scheint vielmehr darauf ausgerichtet zu sein, durch die Anerkennung des »intellektuellen Potentials« 413. Carter: Material Thinking. 2004, S. XI. 414. Koskinen: Throwing the Baby Out. Or Taking Practice Seriously. 2009, S. 12. 415. Carter: Material Thinking. 2004, S. XI.

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von »kreativen Prozessen« den Blick auf jene Bereiche zu lenken, in denen »kreatives Wissen« in begrenzten, lokalen kulturellen Praktiken und Techniken sowie im Umgang mit spezifischen Materialien als situiertes Wissen zur Entfaltung kommt. Den lokalen Charakter von »materieller Kultur« und »materiellem Denken« versteht er als klaren Hinweis darauf, dass eine allgemeingültige Definition von Wissen eine »Chimäre« sei. 416 Kreatives Wissen, so sein sinnbildlicher Schluss, könne nicht von dem Webstuhl abstrahiert werden, an dem es hergestellt worden sei. Situiertes Wissen und praxisbasierte Forschung in Kunst und Design Eine solche, situierte Konzeption von Wissen stellt zugleich in Aussicht, dass die Geschichte des Wissens nicht unveränderlich festgeschrieben ist, sondern dass sie aktiv mitgestaltet werden kann. Praxisbasierte Forschung in Kunst und Design wäre in diesem Sinne als ein kritisches Projekt zu verstehen. Es gewinnt an Prägnanz vor dem Hintergrund von Haraways Konzept eines »situierten Wissens« 417 oder der politischen Projektierung der cultural, gender, post-colonial und migrant studies, auf die Carter und andere Autoren – insbesondere im Kontext der anglophonen künstlerischen Forschung – sich beziehen. So sehen Estelle Barrett und Barbara Bolt das innovative, kritische Potential praxisbasierter Forschung in einer radikalen Verortung von Wissen und dessen ver meintlicher ›Objektivität‹. Ziel praxisbasierter Forschung könne es sein, so die Autorinnen, »to generate personally situated knowledge and new ways of modelling and externalising such knowledge«. 418 Zugleich sollten damit philosophische, soziale und kulturelle Kontexte hinsichtlich einer kritischen Intervention und Anwendung von Wissen erschlossen werden. Hier zeigt sich die politisch akzentuierte Motivation praxisbasierter Forschung vielleicht besonders deutlich: Basierend auf dem Befund der feministischen Wissenschaftstheorie, dass (wissenschaftliche) Objektivität nur partiell Gültigkeit haben kann und dass Wissen Ausdruck von körperlichen, orts-, und zeitgebundenen Praktiken ist, wird auch für Forschung in Kunst und Design die Anerkennung eines situierten, »verkörperten« Wissens gefordert. Barrett beschreibt diese Sichtweise mit den Worten, »embodied vision involves seeing something from somewhere«. 419 Praxisbasierte Forschung wäre in dieser Betrachtungsweise also als ein institutionalisiertes Format denkbar, in dem situiertes Wissen in Kunst und Design thematisiert und untersucht werden könnte. Dieses Vorhaben 416. 417. 418. 419.

Carter: Material Thinking. 2004, S.1, S. 192 f. Haraway: Situiertes Wissen. 2007, S. 320. Barrett, Estelle: Introduction. In: Barrett/Bolt: Practice as Research. 2007, S. 1–13, hier S. 2. Barrett: Foucault’s ›What is an Author‹. 2007, S. 145.

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ist deswegen so anspruchsvoll, weil der Begriff des ›situierten Wissens‹ nicht bloß eine ›subjektive‹, ›persönliche‹ Dimension von Wissen benennen will, sondern zugleich auch eine Bestimmung jener Begrenzungen einfordert, die situiertes Wissen als solches erst hervorbringen. Als eine solche Begrenzung und damit Verortung von Wissen wird in der praxisbasierten Forschung derzeit die ›Situiertheit‹ von Kunst und Design in ihrer Praktizität angeführt – womit aber zugleich die notorische Kluft zwischen ›Theorie‹ und ›Praxis‹ akzentuiert wird. Künstlerisches und gestalterisches Schaffen wird (bisweilen unhinterfragt) in der Dimension der Praxis verortet, während wissenschaftliches Arbeiten jener der Theorie zugewiesen wird. Meines Erachtens ist aber bereits ein solch dichotomes Verständnis von ›Theorie‹ versus ›Praxis‹ kritisch zu befragen – selbst, oder gerade dann, wenn dieses in der Lebenswelt der Akteure seine Geltung und Wirkung hat. Fraglich ist in Bezug darauf, inwiefern eine Dichotomie von ›Theorie‹ versus ›Praxis‹ bzw. eine entsprechende Zuordnung von ›Wissenschaft‹ versus ›Kunst/Design‹ produktiv sein kann, um damit Wissensfragen anzuleiten. Sind nicht auch Theoretikerinnen und Wissenschaftler als ›Praktiker‹ bzw. ›Praktikerinnen‹ zu verstehen, die spezifische, begrenzt gültige Praktiken der Wissenserzeugung entwickeln und anwenden, indem sie Berichte schreiben, Mess- und Beobachtungsgeräte entwickeln, Laborexperimente durchführen und Archivrecherchen nachgehen? Gilt es folglich nicht ebenso nach den Praktiken der Theoriebildung zu fragen, nach den ›Instrumenten‹ des Denkens und den »techniques of creativity«, 420 die zum Prozess der Wissensfindung und -repräsentation in den Natur- und Geisteswissenschaften beitragen? Sind also die Fäden jenes Netzes, das Praktiken, Materialien und ›konditionierte‹ und habitualisierte Körper des Wissens verbindet, nicht viel komplexer miteinander verwoben und überlagert, als es vermittels einer stereotypen Dichotomie von ›Theorie‹ versus ›Praxis‹, von ›Wissenschaft‹ versus ›Kunst/Design‹ bisweilen suggeriert wird? Eine zentrale Frage, die das Vorhaben einer praxisbasierten Forschung in Kunst und Design zweifellos begleiten dürfte, ist, wem die Redehoheit über den Diskurs der Praktiken zuteil wird. Kunst- und Designschaffende befürchten nicht selten, dass ihre Arbeit durch vermeintlich ›praxisferne‹ Interpretationen von Wissenschaftlern und Theoretikern nur unzureichend erfasst wird und ihre eigene Stimme im wissenschaftlich-theoretischen Diskurs nur wenig Gewicht hat. Diese Befürchtung hat ohne Zweifel ihre Berechtigung und es gilt sie entsprechend ernst zu nehmen. Zu fragen ist demgegenüber aber auch, ob eine praxisbasierte Forschung, die sich auf die subjektive Selbstreflexion einzelner Akteure be420. Vgl. http://knowledge-in-the-making.mpiwg-berlin.mpg.de/[Okt. 2010].

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schränkt und somit die Form einer Beobachtung ›erster Ordnung‹ einnimmt, tatsächlicher aussagekräftiger ist als wissenschaftliche Forschung und ob sie dieses Mangelempfinden beheben kann. Die Deutungshoheit über gestalterische Praktiken und Prozesse der Beschreibung ›Dritter‹ oder ›Außenstehender‹ zu überlassen, mag die Gefahr von Überhöhung, Reduktionismus oder Fehlinter pretation bergen. Ihre Deutungshoheit den Selbstauskünften einzelner Akteure zu überlassen, die unmittelbar darin involviert sind, droht hingegen die Intentionalität und Interessen des handelnden Subjekts einseitig zu favorisieren. Es besteht die Gefahr, über die Perpetuierung konventionalisierter Narrative zur künstlerisch-gestalterischen Praxis nicht hinaus zu kommen. »Wenn man Praktiker als Handelnde sieht«, schreibt Knorr Cetina in einem anderen, aber vergleichbaren Zusammenhang, »stellt man die aktiven, mit der Handlungsträgerschaft der Akteure verbundenen Komponenten von Wissensprozessen in den Vordergrund«. 421 Aus dem Blickfeld geraten dann die komplexen, kulturell geprägten und kollektiv vermittelten Präferenzen und Orientierungen, welche ganze Handlungssequenzen kennzeichnen; die Muster und Strukturen, die aus der Kombination solcher Sequenzen entstehen; die Arten und Weisen, wie Akteure selbst zu verstehen sind und in einem Bereich »konfiguriert« erscheinen. 422 In dieser Lesart wird gewahr, dass eine ›subjektive‹, einzig von der Praxis ausgehende Auskunft über künstlerische und gestalterische Praktiken keineswegs die ›richtige‹ oder gar ›wahre‹ Deutung derselben ist, sondern schlicht eine andere Deutung, eine andere Perspektive. Sie mag situierter sein, involvierter und profunder, und gerade deswegen ihre Vorzüge haben. Sicherlich ist sie aber auch befangener und eingeschränkter, als es ein, oder besser noch viele ›Blicke von Außen‹ wären. Genauso ist aber auch die wissenschaftliche Interpretation dort begrenzt, wo der soziale »Ort des Aussagens und Sprechens« 423 ihrer Akteure unthematisiert bleibt. Sowohl die praxisnahen als auch die wissenschaftlichen Modi der Erzeugung und Darstellung von Wissen vereint – und das macht ihre kategorische Trennung oder Opposition so fragwürdig –, dass es sich dabei um keine ›natürlichen‹ Entitäten handelt. Vielmehr besitzen auch Praktiken und Darstellungsformen, ebenso wie Begriffe, eine historische Biographie und wurden im Rahmen eines sozialen »Denkstils«424 geschult. An die Adresse der Wissenschaftsgeschichte gerichtet halten Daston und Galison fest, dass die »epistemischen Tugenden« der Wissenschaften historisch begründet seien und von ständiger Neuerung und Transformation han421. 422. 423. 424.

Knorr Cetina: Wissenskulturen. 2002, S. 20. Knorr Cetina: Wissenskulturen. 2002, S. 20. Vgl. Maingueneau: L’ Analyse du Discours. 1991, S. 17 –24. Fleck: Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. 1980, S. 165–190.

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delten. 425 Um wissenschaftliche Praktiken unter Berücksichtigung ihrer Historizität zu analysieren, fordern sie eine doppelte Befragung: erstens mit Blick auf die »Entwicklung einer Epistemologie« der Praktiken, und zweitens mit Blick auf die »ausgebildeten Ethiken des wissenschaftlichen Selbst«. 426 Übertragen auf die praxisbasierte Forschung kann eine vergleichbare Befragung eingefordert werden: Zum einen gilt es, die in Kunst und Design angewandten Praktiken als historische zu lokalisieren und zu untersuchen, zum anderen den »ausgebildeten Ethiken« des ›künstlerischen Selbst‹ in seinen Interaktionen mit wissenschaftlichen Praktiken und Leitmotiven nachzuspüren. Designpraxis als Forschung aufzufassen und in dieser Weise zu befragen, stellt in der komplexen Bestimmung von Interferenzen zwischen ›Kunst‹ und ›Wissenschaft‹ ein relevantes Unterfangen dar. Es vermag die mitunter marginalisierte Sichtweise von Designschaffenden zu repräsentieren und ermöglicht als kritisches Projekt im besten Falle neue Einsichten bezüglich der Bestimmung von situiertem Wissen in Designkontexten und -praktiken. Praxisbasierte Forschung stellt indes nur einen Zugang unter mehreren dar, um situierte Praktiken und Darstellungsformen in Kunst und Design produktiv zu reflektieren. Vielmehr bietet sich ein multiperspektivischer, methodisch interdisziplinärer Zugriff an, stehen doch Design, Kunst und Wissenschaft nicht in einer ›natürlich‹ seienden, sondern sozial und material konstruierten Opposition zueinander. Sie sind als historisch gewachsene und somit als kontingente Gebilde zu verstehen, die »einander in einigen Grenzgebieten auf zwar ungesicherte, dennoch produktive Weise« bestärken. 427 Erst eine ›Denaturalisierung‹ der Kategorien ›Design‹, ›Kunst‹ und ›Wissenschaft‹ sowie eine Lokalisierung der historischen Mechanismen, die eine oppositionelle Ökonomie zwischen den Bereichen in der Geschichte überhaupt erst ermöglichten, kann dazu beitragen, dass Kunst und Design als »kulturelle Quellen von Wissen« ernst genommen werden. 428 Mit Blick auf die konstruierte Opposition von Design/Kunst versus Wissenschaft bedarf es, so fordern Sønke Gau und Katharina Schlieben, »einer Unterbrechung dieser Wiederholung« und »statischen Kategorisierung«, die das »Eigene« als abgeschlossene Einheit begreift und das »Andere« im »Außen« lokalisiert. 429 Dagegen soll eine »prozessuale Diffe425. 426. 427. 428.

Daston/Galison: Objektivität. 2007, S. 405 f. Daston/Galison: Objektivität. 2007, S. 406. Daston/Galison: Objektivität. 2007, S. 437. Jones, Caroline; Galison, Peter: Picturing Science. Producing Art. Introduction. In: Dies. (Hg.): Picturing Science. Producing Art. New York/London. 1998, S. 1–23, hier S. 20. 429. Gau/Schlieben: Verbindungen zwischen einer forschenden Kunst und einer Kunst der Forschung. 2009, S. 55.

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renzerfahrung« ermöglicht werden, die verschiedene Modi der Produktion und Organisation von Wissen anerkennt, hegemoniale Konstellationen zugunsten differenzierter Sichtweisen auf bricht und die hybriden Positionen des »Dazwischen« zu berücksichtigen und zu bestärken weiß. Mit einer (temporären) Suspendierung von Feld- und Disziplingrenzen verbunden ist die Schwierigkeit, ein gemeinsames, Disziplin übergreifendes Vokabular zu entwickeln, das die spezifischen Kontexte und Zielsetzungen, unter denen bestimmte Praktiken und Darstellungsformen in Design, Kunst und Wissenschaft entstanden sind, zu berücksichtigen weiß und dennoch ihr gemeinsames oder verbindendes epistemisches Potential zu benennen vermag. Erst komplementierende, multiperspektivische Sichtweisen und interdisziplinäre Kooperationen können meines Erachtens produktiv dazu beitragen, einen sowohl historisch als auch pragmatisch situierten Blick auf diejenigen Praktiken und Darstellungsformen zu entwickeln, die Design, Kunst und Wissenschaft miteinander verbinden und doch aufgrund ihrer soziokulturellen Genese konstitutiv different sind.

d. Resümee Das vorliegende Kapitel wurde durch die Frage angeleitet, wie die gegenwärtig in Designtheorie und -forschung angestrebte Bestimmung eines genuinen ›Designwissens‹ und einer autonomen Designdisziplin vor dem Hintergrund von größeren gesellschaftlichen Debatten zu Wissen und Wissenschaft bzw. im Hinblick auf das Verhältnis von Kunst und Wissenschaft verortet werden kann. Verbunden damit war die Überlegung, inwiefern die gegenwärtigen Etablierungs- und Autonomiebestrebungen der Designforschung als eine ›soziogenetische‹ Entwicklung verstanden werden kann, als eine identitätsstiftende Abgrenzung gegenüber Kunst und Wissenschaft. Mit diesem Kapitel wurde – neben der Darstellung von historischen Designauffassungen im 2. Kapitel und diskursiven Leitmotiven im 3. Kapitel – eine weitere Perspektive eröffnet, mittels derer die aktuellen Debatten um das Wissen im Design untersucht werden können. Historische Bruchstelle des Wissens Der Übergang von der Moderne zur ›Postmoderne‹ zeigt sich als markante Bruchstelle für das gegenwärtige Verständnis von Wissen. Namentlich hielt Lyotard diesen Befund in seiner Studie Das postmoderne Wissen fest, aber auch bei anderen poststrukturalistische Autorinnen und Autoren der späten 1960er und -70er Jahre ist er in vergleichbarer Weise zu finden. In 378

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einem ersten Schwerpunkt wurde deshalb exemplarisch anhand von Lyotards Studie der Befund verdeutlicht, dass die derzeitigen Etablierungsversuche der Designforschung und die Wissensbestimmungen im Design auf der Basis von historisch veränderlichen Wissensdiskursen zu bewerten sind, deren gegenwärtiger Stand mit der Diagnose einer »Zerstreuung« oder »Zersplitterung« tradierter Wissensordnungen gefasst werden kann. 430 Kennzeichnend für diese Diagnose ist bis heute der Verlust von übergeordneten Legitimationserzählungen der Wissenschaft und damit verbunden die Einsicht in die historische Kontingenz von wissenschaftlichem Wissen und wissenschaftlichen Disziplinen. Für die Designforschung bietet der historische Befund eines ›postmodernen Wissens‹, sowie daran anknüpfende poststrukturalistische Wissenskonzepte (unter anderem) eine produktive Basis, um virulente Fragen zu ›Designwissen‹ und Designforschung differenzorientiert, das heißt in einer nicht-essentialistischen Weise zu adressieren. Die Geschichte des Wissens sowie der Fortschritt der Wissenschaften werden in poststrukturalistischen Wissenskonzepten nicht mehr als kontinuierliches Voranschreiten verstanden, sondern als eine Geschichte der Diskontinuitäten, Brüche, Zwischenräume und ›blinden Flecken‹; Disziplinen werden nicht länger als zwingende, stabile Entitäten von Wissen gefasst, sondern als historisch gewachsene Wissenskulturen. Deswegen sind poststrukturalistische Ansätze daran orientiert, bestehende Strukturen und Begriffe, normative Vorstellungen und theoretische Prinzipien zu analysieren und Ordnungsprinzipien klassischer metaphysischer Systeme auf die Bedingungen ihrer Geltung hin zu befragen. Aus ihren Befunden und Bestrebungen sind bis heute Konzepte der Inter- und Transdisziplinarität erwachsen, Ansätze zur Erforschung der Funktion von Geschlecht und soziokultureller Zugehörigkeit in Wissensdiskursen oder die Hinwendung zu sprach- und schriftalternativen Darstellungsformen von Wissen. Fragestellungen und Themen, die derzeit in der Designforschung virulent sind, können aber nicht nur vermittels poststrukturalistischer Wissenskonzepte produktiv untersucht werden, vielmehr kann bereits die Genese von Designforschung als das ›Produkt‹ oder als die ›Folge‹ eines poststrukturalistisch erweiterten Verständnisses von Wissen und Wissenschaften gedeutet werden. Dessen ungeachtet verfolgen bislang erst wenige Designforschende poststrukturalistische Ansätze, um ihre Wissensmodelle, und die ›Disziplinierung‹ der Designforschung überhaupt, differenzorientiert und historisierend zu analysieren. Es ist zu beobachten, dass zwar Versatzstücke davon Verwendung finden, um Designforschung als ›wissenschaftsalternative‹ Wissensproduktion zu legitimieren und theore430. Lyotard: Das postmoderne Wissen. 2005, S. 118 ff.

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tisch zu fundieren. Die Konsequenzen, die poststrukturalistische Ansätze aber letzten Endes implizieren – etwa die Einsicht in die Kontingenz und Historizität von Wissen oder die Forderung nach transparenten Sprachspielen des Wissens – werden vergleichsweise selten berücksichtigt. Dennoch erhoffen sich viele Forschende gerade im Modus der praxisbasierten Forschung in Kunst und Design neue, situierte Modelle sowie sprach- und alternative Darstellungsformen von Wissen zu erproben und damit Postulate aus der Postmoderne und dem Poststrukturalismus einzulösen. Die Situation, in der Design und Designforschung sich gegenwärtig befinden, zeigt sich mithin ambivalent: Es werden optimistische Erwartungen an neue Weisen der Wissensproduktion geknüpft, umgekehrt steht diese bereits in der Kritik aufgrund der mangelnden Differenzierung, mit der diese propagiert werden. Neue Modi der Wissensproduktion Ein weiterer aufschlussreicher Befund ergibt sich aus der Verknüpfung von Aspekten der Designforschung mit dem Modell einer veränderten »Modus-2«-Wissensproduktion von Gibbons et al. 431 In dem Modell von Modus 2 ist insbesondere die Diagnose, dass Forschung und Wissensproduktion zunehmend in Anwendungskontexten stattfinde, für das Verständnis aktueller Wissensbestimmungen in Design und Designforschung erhellend. Der Begriff ›Anwendungskontext‹ umfasst die gesamte Umgebung, in der bei der Genese von Wissen Probleme entstehen, Methodologien entwickelt, Forschungsresultate verbreitet und deren Anwendungen definiert werden. Zugleich wird damit das Paradox benannt, dass die gegenwärtige ›Produktion von Wissen‹ zwar eine größere Nähe zu gesellschaftlichen Fragestellungen und Problemen einnimmt, damit aber auch eine zunehmende Kommerzialisierung von Wissen zu befürchten ist. Die Etablierung von angewandter Designforschung, wie sie im Zuge der Bologna-Bildungsreform an vielen europäischen Kunsthochschulen zu beobachten ist, könnte in diesem Sinne interpretiert werden. Zum einen wird mit Blick auf konkrete Problemstellungen anwendungsbezogenes Wissen produziert, zum anderen besteht die Gefahr, Wissen und Wissenserzeugung einseitig als utilitaristisches, marktwirtschaftlich profitoptimiertes Unterfangen zu verstehen. Auch die zunehmenden Anstrengungen zur Implementierung von praxisbasierten Forschungsprogrammen und PhDs an internationalen Kunsthochschulen können dahingehend diskutiert werden, dass sie vor allem ein »bürokratisches Manöver« darstellen könnten, 432 das kritische 431. Gibbons et al.: The New Production of Knowledge. 1994. 432. Holert: Art in the Knowledge-based Polis. 2009, S. 9.

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Potential, das in den Ausdrücken ›Praxis‹ und ›Forschung‹ sowie in gewissen Kunstverständnissen angelegt ist, aber kaum unterstützen. Für die Designforschung ist mit Blick auf das Modus 2-Modell des Weiteren die Akzentuierung von inter- und transdisziplinärer Forschung bedeutsam. In den Wissenschaften sollen dadurch (auch entgegen aller Kritik an der Inter- und Transdisziplinarität) wissenschaftliche Engführungen und Fehlentwicklungen behoben werden. Etwa dann, wenn sich neue Forschungsfelder oder Spezialitäten bilden oder Fragestellungen Disziplin übergreifend angegangen werden. Die Designforschung kann von dieser Akzentuierung profitieren, indem sie eine spezifische Sichtweise oder Expertise, nämlich jene des Design, beizusteuern vermag. Durch inter- und transdisziplinäre Ansätze wird aber auch das Verständnis des Verhältnisses von Wissenschaft und Praxis revidiert. Um die Wissensproduktion in Modus 2 adäquat zu erfassen, wird es als notwendig erachtet, nicht mehr nur von ›Wissenschaft‹ und ›Wissenschaftler‹ zu sprechen, sondern in allgemeinerer Weise von ›Wissen‹ und »Praktikern der Wissenserzeugung«. 433 Diese Unterscheidung ist nicht normativ zu verstehen, sondern besagt lediglich, dass die Praktiker der Wissenserzeugung nicht mehr per definitionem Wissenschaftler sein müssen. Hinsichtlich der Designforschung sind diesbezüglich zwei Aspekte zu konstatieren: Zum einen können die Etablierungsversuche von Designforschung in den letzten Jahrzehnten wiederum als Folge einer insgesamt veränderten und erweiterten Auffassung von wissenschaftlicher Wissensproduktion und von Wissen überhaupt gedeutet werden. Anders formuliert, konnte sich Designforschung vermut lich erst entwickeln, weil sich die Auffassungen von ›Wissen‹ und ›Wissenschaft‹ radikal verändert haben und neue, gesellschaftliche und wirtschaftliche Ansprüche an die Wissensproduktion geltend gemacht wurden. Zum anderen beziehen sich Designforschende ihrerseits auch auf die Diagnose eines veränderten Status von Wissen, um damit sowohl ihre derzeitige als auch die anvisierte angewandte und transdisziplinäre Praxis der Wissensproduktion zu legitimieren. Durch die programmatische Umdeutung der Diagnose einer veränderten Wissensproduktion in die entsprechenden Postulate, werden diese zu einem aktiven Argumentationsinstrumentarium umgestaltet oder vielleicht dazu missbraucht. Im Modell Modus-2 sehen viele Designforschende eine willkommene argumentative Unterstützung, um sich aus der herablassenden Haltung der etablierteren, ›akademischeren‹ Disziplinen zu befreien und eine selbstermächtigte, praxisnahe Wissensproduktion zu initiieren. Gleichwohl gilt es meines Erachtens zu berücksichtigen, dass Fragen zur disziplinären Ausrichtung der 433. Gibbons et al.: The New Production of Knowledge. 1994, S. 3.

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Designforschung sowie zum Wissen, das dort erzeugt wird oder werden soll, nicht nur angewandter oder praktischer Art sein können. Vielmehr sind diese Fragen zwingend auch vor dem theoretisch-historischen Hintergrund von poststrukturalistischen Wissenskonzepten und avancierten Modellen zur Wissensproduktion gegenzulesen – will man nicht hinter deren Erkenntnisse zurückfallen. Den genannten differenzorientierten Aspekten – Diskontinuitäten, Brüche und Zwischenräume, aber auch Fragen nach der Bedeutung von Geschlecht und soziokultureller Zugehörigkeit für den Erwerb und die Bedeutung von Wissen – kommt eine zentrale Rolle zu. In diesem Sinne ist auch ›Designwissen‹ als ein lokal und begrenzt gültiges, situiertes Wissen zu verstehen, das keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit geltend machen kann, sondern sich seiner ›Objektivität‹ durch die Verknüpfung von verschiedenen Perspektiven und unter Einbezug des »sozialen Orts« der Analysierenden annähert. 434 Die Sichtweise eines ›situierten Wissens‹ legt aber ebenfalls nahe, die »Praktiker der Wissenserzeugung« als handlungsfähige Subjekte zu respektieren und sie in ihrem Vorhaben zu bestätigen, eine eigenständige Wissensproduktion im Design zu etablieren – und damit auch die Grundfeste einer eigenständigen Designdisziplin zu stärken. Historische und konzeptuelle Interdependenzen zwischen Kunst und Wissenschaft Die Einsicht in die Kontingenz von Wissensordnungen und Disziplinen brachte es in den letzten Jahren mit sich, dass die Grenzen zwischen Kunst und Wissenschaft von beiden Seiten neu in Frage gestellt wurden. Davon handelte der zweite Schwerpunkt in diesem Kapitel. Die Frage nach dem Wissen im Design berührt beide Felder – Kunst und Wissenschaft – gleichermaßen und ist damit auf vielfache Art und Weise in ihre wechselseitigen Identitätsbestimmungen eingebunden. Im Ansatz der praxisbasierten Designforschung werden künstlerische Topoi (etwa von der besonderen ›Einbildungskraft‹ des Künstlers) ebenso implizit perpetuiert wie oppositionelle Vorstellungen von Design, Wissenschaft und Kunst. Im zweiten Schwerpunkt dieses Kapitels wurde deshalb der Blick exemplarisch auf Interferenzen zwischen Wissensbestimmung in Design-, Kunst- und Wissenschaften gerichtet, um aufzuzeigen, dass diese Felder sich nicht kategorisch oder essentiell, sondern vor allem aufgrund ihrer unterschiedlichen historischen Genese unterscheiden. Als maßgeblich für eine Befragung von etwaigen Gemeinsamkeiten zwischen Kunst und Wissenschaft dürfen nicht nur aktuelle Einflüsse – wie etwa die be434. Haraway: Situiertes Wissen. 2007, S. 317.

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fürchtete Ökonomisierung der Wissenschaft – gelten, sondern auch die Trennung der beiden, historisch einst verbundenen Felder im Verlauf des 19. Jahrhundert. Die Trennung bedingte, dass in der öffentlichen Wahrnehmung Künstler und Wissenschaftler in puncto Einbildungskraft und Erkenntnisfähigkeit – anders noch als in den vorausgehenden Jahrhunderten – Gegensätze verkörperten. Einer ›objektiven‹ wissenschaftlichen Arbeitsweise im Kollektiv wurde ein ›subjektive Originalität‹ seitens der Künstler entgegengestellt. Wenngleich diese Polarisierung nach heutigem Wissen zweifellos historisch formierte Selbstverständnisse und Normierungen von Kunst und Wissenschaft (und nicht ihr ›Wesen‹) widerspiegelt, ist sie dennoch zu einem wirkungsmächtigen (oftmals aber impliziten) Leitmotiv von praxisbasierter Forschung in Kunst und Design avanciert. In manchen Ansätzen und Thesen schwingt unterschwellig die romantisierendmystifizierende Überzeugung mit, dass die Dimension einer ›objektiven Erkenntnis‹ den ›formal-analytischen‹ Wissenschaften zuzuordnen sei, währenddem Kunst und Design für einen ›subjektiven‹, ›intuitiven‹ Erkenntnismodus stünden und Künstler Zugang zu ›höheren‹ Sphären des Wissens hätten, auf die Wissenschaftler nicht zugreifen könnten. 435 Die in der vorliegenden Arbeit durchgeführten Untersuchungen legen hingegen aber nahe, dass eine ernsthafte Beschäftigung mit künstlerischen und gestalterischen Praktiken sich erst in einer kritischen Distanz zu oppositionellen Vorstellungen von Kunst und Wissenschaft sowie in Distanz zu ihren mystifizierenden Narrativen entfalten kann. Die These, dass Design, Kunst und Wissenschaft aus historischer Sicht weder essentiell, noch kategorisch voneinander zu trennen sind, erhärtet sich, wenn man Erkenntnisse der jüngeren Wissenschaftsgeschichte in Betracht zieht. Anstatt herausragenden Subjekte einzelner Disziplinen und ihre Theorien zu historisieren, zielt der Blick einer solchen historisch angeleiteten Epistemologie nunmehr auf die konkreten Kontexte und Praktiken der Wissenserzeugung. Statt eine Polarisierung von ›sinnlich-greif bar‹ versus ›gedanklich-abstrakt‹ zu verfolgen, wie dies als Argument in der praxisbasierten Forschung gelegentlich zu beobachten ist, werden in der Historischen Epistemologie die Grenz- und Zwischenräume der Wissenschaft ausgelotet. Auch in den Kulturwissenschaften und in der Kunstgeschichte finden sich gegenwärtig, nicht zuletzt unter dem Eindruck der Diagnose eines iconic oder pictorial turn sowie jener der ›Wissensgesellschaft‹, eine beträchtliche Anzahl von Untersuchungen und Konzepten zum epistemologischen Potential von Bildern oder Zeichnungen. Diese scheinen verwandte oder ergänzende Fragestellungen und Themen adressieren, wie dies auch in 435. Koskinen: Throwing the Baby Out. Or Taking Practice Seriously. 2009, S. 12.

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der praxisbasierten Forschung in Kunst und Design der Fall ist. So finden solche kultur- und geisteswissenschaftlichen Befunde vordergründig dort eine thematische Entsprechung, wo praxisbasierte Forschung als eine ›Ergänzung‹ oder ›Alternative‹ zur wissenschaft lichen Forschung postuliert wird, die der Einsicht um die mediale (ästhetische, materiale) Bedingtheit von Forschungspragmatik und Erkenntnisdarstellung, also der Einsicht in die Artifizialität von Wissen zuarbeiten kann. Dennoch wäre es unzulänglich, von einem ›gemeinsamen Forschungsdesiderat‹ zu sprechen, dass von Forschenden in Design, Kunst und Wissenschaft geteilt würde oder in dem sich beide Systeme passgenau ergänzten. Das Postulat einer ›wissenschaftsalternativen‹ Forschung in Kunst und Design verliert nicht nur dort an Überzeugungskraft, wo es auf der Basis einer künstlichen Opposition von ›Kunst‹ und ›Wissenschaft‹ angewendet wird, sondern auch dort, wo diese beiden Systeme in einer verkürzten Weise vereinheitlicht werden. Bei dem Unterfangen einer neuerlichen thematisch-methodischen Verknüpfung von Wissenschaft mit Kunst und Design gilt es im Auge zu behalten, dass nicht in idealisierender Weise einer »verlorenen Einheit« von Kunst und Wissenschaft nachgetrauert wird, die es wiederherzustellen gilt. 436 Ebenfalls kann die bereits vollzogene historische Genese einzelner Disziplinen und Felder nicht einfach rückgängig gemacht werden. Vor diesem Hintergrund müssen sich die Akteure einer praxisbasierten bzw. künstlerischen Forschung sowie jene, die Designforschung als eine zugleich kunst- und wissenschaftsalternative Disziplin propagieren, der schwierigen Frage stellen, wo und mit welchem Nachdruck die Grenzen zu den medialen, ästhetischen und experimentellen Praktiken von sowohl Kunst als auch Wissenschaft gezogen werden – oder wo diese im Gegenteil sinnvollerweise aufgeweicht werden sollen. In dieser Hinsicht ist bedeutsam, dass das Angebot einer ›wissenschaftsalternativen‹ Wissensproduktion seitens der Designforschung selbst bestimmten diskursiven Prämissen unterliegt, die erst durch eine konstruierte Oppositionierung von Design, Kunst und Wissenschaft in Kraft treten können. Auch gewinnt die Rede von angeblich ›genuinen‹, designspezifischen Wissensformen erst vor der Folie einer oppositionellen Differenzbestimmungen von Design, Kunst und Wissenschaft ihre (oftmals künstliche) Kontur. Soziale Aushandlung und wissenschaftliche Demarkation Die Gründe dafür, warum seitens der Designforschung an der kategorischen Unterscheidung zwischen ›Design‹, ›Kunst‹ und ›Wissenschaft‹ 436. Nelle, Florian: Im Rausch der Dinge. Poetik des Experiments im 17. Jahrhundert. In: Schramm et al.: Bühnen des Wissens. 2003, S. 140–167, hier S. 158.

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sowie an einer Opposition von ›Theorie‹ und ›Praxis‹ festgehalten wird, können wohl am besten verstanden werden, wenn Designforschung im Hinblick auf ihre soziale Genese beleuchtet wird. Der letzte Schwerpunkt diese Kapitels hat sich deswegen in einer reflexiven Weise der Frage gewidmet, ob die aktuellen Etablierungsversuche der Designforschung als ein soziales Abgrenzungs- und damit zugleich Legitimationsunterfangen interpretiert werden können. Als Versuche, die Redehoheit über den Diskurs der Praktiken zu behaupten. Es bietet sich hier die Lesart an, die gegenwärtige begriffliche und pragmatische Verquickung von ›Praxis‹ und ›Forschung‹ sowie die enge semantische Verknüpfung von ›Design‹ und ›Wissen‹ als einen zeitgeistigen Wettstreit, einen Paragone, zu deuten, in dem der gesellschaftliche Status von Design unter Einbezug der symbolischen Werte, die der Wissenschaft und Forschung zugerechnet werden, neu ausgehandelt wird. Ein solcher symbolischer Wert könnte die (vorgebliche) Autonomie der Wissenschaft darstellen, repräsentiert diese doch bis heute noch einen idealisierten Ort der ›Wahrheitsfindung‹. Die semantische Entwicklung von »Design als Produktivkraft« 437 hin zu ›Design als Forschung‹ oder ›Designwissen‹ kann als ein Nobilitierung lesbar werden, vermittels derer die Designtätigkeit vor dem Hintergrund der Diagnose einer ›Wissensgesellschaft‹ aus jenen ökonomischen Zwängen gelöst werden soll, die seit Beginn der traditionellen Designgeschichte Mitte des 19. Jahrhundert das Design als eine gewerblich-industrielle Tätigkeit begründet und geprägt haben. Während die gesellschaftliche ›Disziplinierung‹ einer wissenschaftlichen Disziplin vergleichsweise unproblematisch anhand bestimmter Modelle und Parameter diskutiert werden kann, 438 wirft die Vorstellung, Designforschung als ›wissenschaftsalternative‹ Form der Wissensproduktion zu betrachten, spezifische Fragen auf. Problematisch erscheint etwa, dass zwar einerseits auf die Begriffe ›Wissen‹, ›Wissenschaft‹ und ›Forschung‹ Bezug genommen wird, dass diese Bezugnahme mitunter bereits mit der Begriffsübernahme endet. Verkürzte und/0der karikierte Vorstellungen von ›Wissenschaft‹ (meist einseitig als ›Naturwissenschaft‹ verstanden) bilden dann die Kontrastfolie, vor der die Qualitäten und Alternativen von angewandter und praxisbasierter Designforschung umso deutlicher dargestellt werden können. Trotz des verständlichen Wunsches nach intellektueller Autonomie und Anerkennung seitens der Designforschung bleibt es manchmal nur schwer nachvollziehbar, weswegen sie sich neben und damit auch außerhalb der Wissenschaft positionieren will. 437. Selle: Geschichte des Design in Deutschland. 1994, S. 35. 438. Schultheis: Disziplinierung des Designs. 2005, S. 65–84.

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Mit Bezug auf Michael Hagner habe ich angeführt, dass in der gegenwärtigen Wissenschaftsgeschichte die Grenzen von Wissenschaft aus theoretischer Sicht weitaus weniger starr demarkiert werden, als dies noch vor einigen Jahrzehnten der Fall gewesen ist. Mit Blick auf eine solche Einschätzung von Wissenschaft, als deren grundlegendes Ideal ein kritisch reflek tiertes Verhältnis zu ›Wahrheit‹ und ›Wirklichkeit‹ anführt wird, gilt es zu fragen, ob und inwiefern sich die Designforschung diesem Ideal nicht auch anschließen könnte und sollte. Die Frage lässt sich unter anderem am Evidenzbegriff von Designforschung entscheiden. Steht dieser in einem »schroffen Gegensatz« zu den zahlreichen, kritisch reflektieren »Serien von Repräsentationen«, welche die wissenschaftliche Forschungstätigkeit kennzeichnen, dann würde es schwer fallen überhaupt von Wissen und Forschung zu sprechen, da »Evidenz« dann in die Nähe von religiöser oder künstlerischer »Offenbarung« rückt. 439 Die größte Herausforderung und damit zugleich die größte Schwierigkeit des Vorhabens, Designforschung als eine ›wissenschaftsalternative‹ Form der Wissensproduktion zu postulieren, liegt darin, differenziert und überzeugend argumentieren zu können, gegen welche Praktiken und Normen, vielmehr noch gegen welche Vorstellungen von Wissenschaft sich eine solche Positionierung wendet. Paragone und Disegno Die sowohl begriffliche als auch pragmatische Veränderung von Design seit der Mitte des 19. Jahrhunderts – von einer gewerblichen Aktivität zu einer wissensbasierten Disziplin – kann als soziale Genese von Design befragt und durch das (historische) Bild eines Paragone erhellt werden. Zu fragen wäre, zwischen welchen Feldern und Disziplinen ein solcher Wettstreit gegenwärtig geführt wird und was Gegenstand des Vergleichs wäre. Mit Blick auf die Designforschung lässt sich das komplexe, vor allem ambivalente Bild einer Identitätssuche skizzieren. Aufschlussreiche Parallelen lassen sich diesbezüglich zwischen aktuellen Begriffsdebatten in Designtheorie und -forschung und historischen Debatten zum Disegno-Begriff in der Renaissance erschließen, der zu dieser Zeit konzeptueller Bestandteil des Paragone zwischen Malerei und Bildhauerei war. Die zeitgenössische Auffassung von Design als einer synthetisierenden, verbindenden und transzendierenden Tätigkeit soll – so kann man deuten – ähnlich wie Vasaris Disegno dazu dienen als ›höheres‹ Konzept die Künste zu vereinen. Darüber hinaus soll eine solche Designauffassung gegenwärtig für Kunst und Wissenschaft ein gemeinsames konzeptuelles Fundament bereitstellen. 439. Hagner: Bye-bye science, welcome pseudoscience. 2007, S. 42.

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Die Bestimmung von ›Design‹ als ›Synthese‹ kann gewiss auch auf andere, zeitlich nähere Entwicklungen und Einflüsse (etwa auf die Planungswissenschaften der 1960er Jahre) zurückgeführt werden. Gleichwohl ist die religiös-idealistische Färbung, die in synthetisierenden Designauffassungen mitschwingt – und das erst rückt sie in die Nähe des historischen Disegno – unschwer zu erkennen. Die von Designforschenden aufgestellte Behauptung, Design sei eine ›natürliche‹ Tätigkeit, die Menschen von Tieren und Maschinen unterscheide, 440 belebt zudem den prekären Mythos vom Menschen als ›Krone der Schöpfung‹ wieder, ebenso wie solche Erzählungen, in denen ›Natur‹ durch Technik untertan gemacht wird. Es bleibt vorerst nur zu vermuten, dass die ›Helden‹ solcher Unterwerfungserzählung zumeist männlichen Geschlechts sein dürften. Nachgewiesen werden könnte aber wahrscheinlich, dass einige solcher Designauffassungen, aus dem Industriedesign und den Ingenieurwissenschaften herkommend, sich auf eine technikaffine und damit oftmals auch ›männlich‹ konnotierte Vorstellung von Technik und Design beziehen. 441 Die theoretische Aufwertung und rhetorische ›Verstetigung‹ von Begriffen, Konzepten und Praktiken des Design (etwa als ›design knowledge‹, ›design thinking‹), wie sie derzeit verstärkt zu beobachten ist, verspricht, die Autonomiebestrebungen von Design als Disziplin zu unterstützen. Damit wird zum einen innerhalb der künstlerischen Gattungshierarchie eine Aufwertung des ehemaligen Kunsthandwerks oder der angewandten Kunst ›Design‹ gegenüber anderen Kunstgattungen betrieben, wie etwa der Architektur oder der bildenden Kunst. Das Postulat einer wissensbasierten Designdisziplin und die Stärkung der entsprechenden epistemologischen Begriffe, Konzepte und Kompetenzen, kann dabei, wie erwähnt, als zeitgemäße Aufwertungs- und Nobilitierungsstrategie in einer Gesellschaft verstanden werden, die Wissen zu ihrem größten ›Kapital‹ erklärt hat. Zum anderen lässt sich aber nicht nur innerhalb der künstlerischen Gattungshierarchie ein Wettbewerb zwischen dem Design und anderen Kunstgattungen beobachten, vielmehr lassen sich auch abgrenzende Begriffsbestimmungen nachzeichnen, vermittels derer das Design von sowohl Kunst als auch Wissenschaft unterschieden werden soll. Der Paragone ist nunmehr auf einer der Kunst übergeordneten Ebene zu verorten. In einschlägigen Texten wird neben dem integrativen, synthetisierenden Potential von Design vor allem dessen kategorische oder essentielle ›Genuinität‹ als Disziplin, Wissensform oder ›dritte Kultur‹ betont, die neben oder über Kunst und Wissenschaft zu verorten sei. 442 Die theoretische ›Nobilitierung‹ von Design und Designforschung auf der Ebene ihrer Begriffe, 440. Cross: Designerly Ways of Knowing. 2006, S. 100. 441. Vgl. Cross: Engineering Design Methods. 1989. 442. Mitchell: Redefining Designing: From Form to Experience. 1992, S. 58.

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Konzepte und Praktiken scheint auch hier (auf einen problematische Weise) eine größere Autonomie und eindeutigere Identität zu versprechen – und damit auch eine deutlichere Demarkation von Design gegenüber Kunst und Wissenschaft zu verfestigen. An die Lesart von Designforschung als ein neuerlicher Paragone zwischen den verschiedenen Darstellungs- und Vermittlungsformen von Wissen lassen sich jüngere Debatten anbinden, die danach fragen, ob die Tätigkeit des Entwerfens als eine ›genuine‹ ›Kulturtechnik‹ aufzufassen sei, die neben Schrift, Bild und Zahl für die Genese und Analyse kultureller Ordnungen bedeutsam sei. 443 Bezüglich dieser Bestimmung habe ich mit Bernhard Siegert argumentiert, dass sie ohne historische Untersuchung von sowohl konkreten Praktiken und Techniken als auch konkreten Diskursen kaum zu bewerkstelligen sei, will man denn »den historischen Aprioris von Techniken, Materialitäten, Codes und Visualisierungsstrategien« auf die Spur kommen, statt den Mythos eines »unbegreiflichen Schöpfungsakts«, der sich im Entwerfen manifestiert, in den Konzepten der Designforschung zu perpetuieren. 444 Folgt man einer diskursanalytischen Sicht, wie die vorliegende Untersuchung vorschlägt und in den einzelnen Kapiteln durchgeführt hat, dann können die aktuellen Debatten um ›Design‹, ›Designwissen‹ und ›Designforschung‹ sowie die damit einhergehenden Begriffsdefinitionen, Modell- und Theoriebildungen als Versuche lesbar werden, Bedeutungszuschreibungen und Sinnordnungen zumindest auf Zeit zu stabilisieren und dadurch eine kollektiv verbindliche Wissensordnung in einem sozialen Ensemble zu institutionalisieren. 445 Im Wettstreit um alternative und vermeintlich überlegene Modi der Wissenserzeugung und Darstellungsformen von Wissen, wie er derzeit für die Designforschung auf mehreren Ebenen und bezüglich unterschiedlicher Antagonismen nachgezeichnet werden kann, machen sich solche Stabilisierungs- und Sinnstiftungsversuche symptomatisch kenntlich. Eine derart formierte Wissensordnung ist ihrerseits jedoch selbst auch als Untersuchungsgegenstand zu befragen – will man die hegemonialen Machtstrukturen mitsamt ihren Ein- und Ausschlusskriterien verstehen, die zu dieser Ordnung geführt haben, und will man die dadurch entstandenen Interferenzen, die Differenz- und Zwischenräume von Wissen, nicht aus den Augen verlieren. Es gilt also im Hinblick auf die Bestimmung von Design als Wissenskultur, nach jenen historischen Bedingungen und Mitteln zu fragen, mit denen in der Designtheorie und -forschung Begriffe, Konzepte, Gegenstände und Praktiken diskursiv zu ›Objekten des Wissens‹ gemacht und als solche perpetuiert werden. 443. Krämer/Bredekamp: Wider die Diskursivierung der Kultur. 2003, S. 11. 444. Siegert: Weiße Flecken und finstre Herzen. 2009, S. 23. 445. Keller: Diskursforschung. 2007, S. 7.

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Zu Beginn der vorliegenden Arbeit wurde die Diagnose formuliert, dass das Sprechen über das Epistemische im Design derzeit eine Hochkonjunktur erlebt und dass ›Wissen‹ und ›Forschung‹ in diesen Debatten als Schlüsselkonzepte gehandelt werden. In den vier Kapiteln des Buches kamen aus unterschiedlichen Blickwinkeln ausgewählte Wissens- und Forschungskonzepte aus der Designtheorie und -forschung zu Wort. Sie wurden miteinander in Beziehung gesetzt, hinsichtlich ihrer multiplen designhistorischen und diskursanalytischen Prägungen, Leitmotive und Interferenzen befragt, und sie wurden gegebenenfalls dort problematisiert, wo sie die Vermutung bestätigten, Reduktionismen, Anachronismen oder Essentialismen zu transportieren. Eine Feld und Disziplin übergreifende Historisierung und Kontextualisierung der gegenwärtigen Wissensbestimmungen in der Designtheorie und -forschung könnte – so war die Hoffnung die am Anfang dieses Buches stand – zu Befunden führen, die sowohl im Hinblick auf zukünftige Wissensdebatten im Design produktiv sind, als dass sie auch die historische Konstitution dieser Debatten zu erhellen vermögen. Der Blick für potentielle Irrwege, aber auch für Alternativen sollte geschärft werden, damit künftige Diskussionen über das Verhältnis von Design und Wissen insgesamt differenzierter geführt werden können. Ob ein solcher Zugang gelungen ist, bleibt dem Urteil der Leserin und des Lesers überlassen. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung konnten zum Teil nur lose Bezüge zu kulturwissenschaftlichen, kunstund wissenschaftshistorischen Ansätzen hergestellt werden. Die zahlreichen Fäden aufzunehmen und den skizzierten Verbindungen im Detail nachzugehen, bietet Stoff für kommende Forschungsarbeiten im Feld des Design – und wünschenswerterweise auch in thematisch verwandten und angrenzenden Fachgebieten.

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Zum sozialen Charakter von Designwissen Die vielleicht wichtigste Einsicht während dieser Arbeit war, wie sehr sich in den aktuellen Wissensdebatten in Designtheorie und -forschung – insbesondere mit Blick auf ihren starken Nexus mit der Designpraxis – epistemologische und methodologische Bestimmungen mit sozialen Anerkennungs- und Autonomiebestrebungen überlagern (und diese vielleicht sogar überdecken), wie sehr dieser soziale Aspekt aber inmitten der zahlreich diskutierten Wissenskonzepte und -modelle eigenartig unthematisiert bleibt. Es scheint, als ob mit zunehmendem Bemühen, eine verbindliche, einheitliche, klärende oder wissenschaftlich anerkannte Bestimmung von Wissen im Design zu schaffen, auf paradoxe Weise die Einsicht in den sozialen Charakter von Wissen verkannt wird. Das heißt, dass in den Wissensdebatten im Design oftmals die sozialen, kulturellen und politischen Kontexte und historischen Prägungen marginalisiert werden, die den Erwerb und die Vermittlung von Wissen überhaupt erst ermöglichen oder aber erschweren und die seine Bewertung und Akzeptanz bestimmen. Zumindest hat dieser Befund dort Geltung, wo Wissen – entgegen wissenssoziologischer Einsichten in seine soziokulturelle Bedingtheit – in einer verkürzten, das heißt utilitaristischen oder positivistischen Weise als voraussetzungslose und kontextfreie Entität aufgefasst wird. Der Befund hat auch dort Geltung, wo die Erwartung vorherrscht, Wissen in einer vermeintlich ›allgemeingültigen‹ und ›objektiven‹ Weise zu erfassen; es dergestalt zu nutzen und marktorientiert zu instrumentalisieren. Damit soll jedoch nicht behauptet werden, dass die Designforschung, oder allgemeiner noch die Wissenschaften, ausschließlich als ein soziales Unterfangen zu bewerten sei. Wissenschaft beschäftigen sich in einer hoch ritualisierten Weise mit realen Phänomenen, »die ihre eigene Wirkung entfalten und deren Logik nicht ausschließlich menschlich ist«, wie die Wissenschaftshistorikerin Anne Harrington bemerkt.1 Aber Wissenschaft leitet sich eben auch in bedeutender Weise von menschlicher Sinngebung und gesellschaftlichen Imperativen her. Dieser Befund trifft auch auf die Designforschung zu und es ist meines Erachtens unerheblich, ob es sich dabei um das Projekt einer ›wissenschaftskonformen‹ oder ›wissenschaftsalternativen‹ Form von Designforschung handelt. Was sich jedoch durch die Kategorisierung als ›wissenschaftskonform‹ oder ›wissenschaftsalternativ‹ für die Designforschung grundlegend ändert, sind die diskursiven Orte und Grenzen, an denen die soziale Demarkation ihres Wissens ausgehandelt wird. Zielführender als die gegenwärtig zu beobachtenden positivistischen Wissensbestimmungen im Design oder als die Postulate 1.

Harrington: Die Suche nach Ganzheit. 2002, S. 26 f.

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Ausblick

für oder gegen gewisse Forschungsformate (›praxisbasiert‹ versus ›wissenschaftlich‹, ›angewandt‹ versus ›grundlagenforschend‹) scheint es zu sein, jene gesellschaftlichen, technologischen und wissenschaftlichen Kontexte ins Blickfeld zu bekommen, die das assoziative Sprechen über Design und Wissen erst ermöglich haben. Derart betrachtet, stellt die Designforschung mehr als nur eine alternative ›Antwort‹ auf virulente technische oder gesellschaftliche Fragestellungen bereit, und sie stellt mehr als nur ein ›kreativer‹ Input für die wissenschaftliche Forschung dar. Vielmehr wird Designforschung auch, oder sogar sehr viel mehr, als das Produkt einer spezifischen (westlichen, kapitalistischen) Gesellschaftsentwicklung lesbar, in der ›Wissen‹ als ein zentrales symbolisches und ökonomisches Kapital behandelt und gehandelt wird. Dieses historische Setting der Designforschung geht ihren Fragestellungen und Konzepten voraus, bzw. es rekonstituiert sie immer wieder aufs Neue, selbst im Angesicht vermeintlich ›innovativer‹ Fragestellungen. Technikaffinität und Geschlechterkonstruktion Wissen kann nicht frei von jenen Kontexten bestimmt werden, die zu seiner Genese, Vermittlung und Bewertung beitragen. Dazu gehört unter anderem auch die Einsicht, dass ›Geschlecht‹ eine konstituierende Wissenskategorie darstellt. In der aktuellen Designforschung kann beobachtet werden, dass diejenigen Positionen, die an das intellektuelle Erbe des Design Methods Movement der 1960er und -70er Jahre anschließen, bestimmte Prämissen zu ›Design‹ und ›Wissenschaft‹ aus jener Zeit miteinander teilen. So wurden im Design Methods Movement insbesondere technische bzw. technikaffine Designtätigkeiten als Untersuchungsgegenstand favorisiert – zum Beispiel aus der Architektur, den Ingenieur- und Planungswissenschaften oder der Informatik. Es wurden zudem auch vorzugsweise Ansätze aus den Natur- und Strukturwissenschaften als methodologische und epistemologische Vorbilder herangezogen. Im Zuge dieser zugleich intellektuellen und pragmatischen Konstituierung der Designforschung waren (und sind bis heute) jedoch weder als ›weiblich‹ konnotierte Designbereiche vertreten, noch Tätigkeiten – und oft überschneiden sich die beiden Aspekte – die in der traditionellen Gattungshierarchie der Künste als ›angewandte Künste‹ rangieren. Dazu gehören etwa Textil- und Modedesign, Schmuck- und Keramikdesign sowie zum Teil auch die Werbegrafik. Herbert Simons Diktum, dass jeder Mensch ein Designer sei, der eine bestehende Situation planvoll in eine bevorzugte Situation zu verändern vermag, 2 trifft – rein theoretisch – ohne Zweifel auch auf ›weiblich‹ konno2.

Simon: The Sciences of the Artificial. 1996, S. 111.

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tierte (Design-)Tätigkeiten zu. Es ist aber anzunehmen, dass diese damit nicht vorrangig gemeint sind – zumindest legt ihre marginale Sichtbarkeit in den Debatten der historischen Designmethodologie einen solchen Schluss nahe. Bekräftigt wird diese Beobachtung durch ein These der Wissenschaftshistorikerin Lucy Suchmann, die besagt, dass Simon seine Theorie zu den Wissenschaften des Künstlichen, zu denen auch das Design zählt, auf der »universal figure of ›man‹« begründet habe; einer universalistisch-männlich Figur in der Wissenschafts- und Technikgeschichte also, welche die feministische Wissenschaftsforschung derzeit mit Nachdruck zu entmystifizieren versucht.3 Mit Blick auf die Attribute, die dem Topos ›Wissenschaft‹ im Kontext der Designmethodologie zugesprochen wurden und im Anschluss daran bis heute repetiert werden, zeigt sich ein ähnliches Bild. ›Wissenschaft‹ wird vor allem eindimensional als ›Naturwissenschaft‹ rezipiert und kommt in der Tendenz ihrer Attribute als ›männlich‹ zur Geltung. Ungenannt bleiben denn auch bis heute in vielen techniknahen und anwendungsorientierten Bereichen der Designforschung kultur- und geisteswissenschaftliche Ansätze, poststrukturalistische Wissenskonzepte oder qualitative historiographische und komparatistische Methoden. Auffallend ist diesbezüglich auch, dass in der Designforschung bis auf wenige Ausnahmen selten von traditionellen handwerklichen Tätigkeiten die Rede ist. 4 Es scheint, als ob eine unsichtbare, aber wirkungsmächtige Grenze diejenigen Praktiken und Tätigkeiten voneinander scheidet, die als ›Design‹ bewertet (und in den aktuellen Wissensdebatten aufgewertet) werden und solche, die ›nur‹ als Handwerk gelten und in den Debatten oft ungenannt bleiben. Umso bemerkenswerter ist in dieser Hinsicht die persistente Bezugnahme von Designforschenden auf das Motiv eines ›impliziten Wissens‹, das zumindest in den Texten vom Polanyi eng an ein handwerkliches Können und dessen Vermittlung gebunden ist.5 Die signifikante Absenz von als ›handwerklich‹ aufgefassten Tätigkeiten in der Designforschung könnte, so die Hypothese, auf die ungebrochene Wirksamkeit einer historischen Gattungshierarchie hinweisen, in der künstlerische Gattungen und Genres umso höher rangieren, desto ›immaterieller‹, und umso niedriger, je ›materieller‹ sie bewertet werden.6 Mit Blick auf die im vorliegenden Buch beschriebenen Autonomie- und Identitätsbestrebungen der Designforschung geraten dabei solche Abgrenzungsbewegungen ins 3. 4.

5. 6.

Suchman: Feminist STS and the Sciences of the Artificial. 2008, S. 141. Eine solche Ausnahme, oder vielleicht der Beginn einer Sensibilisierung für die Verbindung von Handwerk und Designforschung, stellt beispielsweise das 2010 erstmals erschienene Journal for Craft Research dar. http://www.intellectbooks.co.uk/journals/view-journal,id=172/ [Okt. 2010]. Polanyi: Personal Knowledge. 1974, S. 53. Vgl. dazu etwa Schade: Zu den »unreinen« Quellen der Moderne. 2008, S. 53–57.

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Ausblick

Blickfeld, die sich – je nach Ansatz und Interesse – auf komplexe Weise an der Dichotomie ›materiell‹ versus ›immateriell‹ in den Bereichen Handwerk, Kunst und Wissenschaft abarbeiten. Konkrete Fallstudien zeigen auch hier,7 dass diese Abgrenzungsbewegung weder einförmig entlang festgeschriebener Pole verläuft, noch einheitlichen Deutungsmustern folgt. Vielmehr bildet die Dichotomie von ›materiell‹ versus ›immateriell‹ selbst einen Bestandteil komplexer und bisweilen widersprüchlicher Aushandlungen zum gesellschaftlichen Status der gestalterischen Praxis bzw. Praktiken. Es bleibt zu konstatieren, dass Designforschungsansätze in der Tradition des Design Methods Movement gewisse technokratische und androzentrische (auf ›Männlichkeit‹ ausgerichtete) Prägungen aufweisen. Ihre Herkunft ist in der Geschichte des Design und der Designmethodologie zu suchen, und es gilt, sie als solche dort auch zu untersuchen. Die Kritik von Technokratismus und Androzentrismus aber als ein Gesamturteil für die heutige Designforschung zu formulieren, wäre unzulänglich und verzerrend. Dazu unterscheiden sich die verschiedenen Ansätze und Debatten zu stark voneinander. Im Rahmen von Fragestellungen des Universal Design,8 in kulturwissenschaftlichen Designstudien9 oder in der praxisbasierten Design- und Kunstforschung im anglophonen Kulturraum sind durchaus Projekte zu finden, die soziokulturelle Fragen (etwa zur Verbindung von Designinnovation und lokalem Kunstgewerbe)10 untersuchen, oder die methodisch/theoretisch mit dem Werkzeugkasten der kritischen Theorie und der cultural studies arbeiten.11 Ebenfalls kann auf Arbeiten aus der feministischen Kunstgeschichte zurückgegriffen werden, welche die Konstruktion von ›Weiblichkeit‹ und ›Männlichkeit‹ in Kunst und Kunstgewerbe thematisieren und damit brauchbare Ansätze für die Designforschung liefern.12 Dennoch muss ›Geschlecht‹ meines Erachtens auch künftig und vermehrt ein Thema für die Wissensbestimmungen im Design bleiben, um hier nicht unkritisch Geschlechterstereotype weiterzuführen. Selbst in solchen Designforschungsprojekten, die nicht technik- sondern kunstnah an7.

8.

9. 10.

11. 12.

Vgl. dazu: Mareis, Claudia: Interface-Design. Zur Konzeption einer ›immateriellen‹ Designtheorie in der zweiten Hälfte des 20. Jh. und ihren historischen Bezügen. Paper präsentiert am Ersten Schweizerischen Kongress für Kunstgeschichte. Bern, 2–4. September 2010. Der Ansatz des ›Universal Design‹ verfolgt das Ziel, architektonische und gestalterische Artefakte möglichst barrierefrei zu gestalten, das heißt, möglichst vielen Menschen einfache, nicht stigmatisierende Zugänge dazu zu ermöglichen. Vgl. Herwig, Oliver: Universal Design: Lösungen für einen barrierefreien Alltag. Basel. 2008. Margolin: Design Discourse. History. Theory. Criticsm. 1989. Ashton, Philippa: Social Networks and the Transmission and Embedding of Design Knowledge and Innovation. In International Journal of Knowledge, Culture and Change in Organisations. Vol. 4. Victoria. 2005. Dies.: Fashion Forward. Proceedings of the International Symposium on Fashion Marketing and Management Research. London College of Fashion. London. 2005. Barret/Bolt: Practice as Research. 2007. So beispielsweise: Baumhoff: The Gendered World of the Bauhaus. 2001.

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gesiedelt sind, besteht mitunter die Gefahr einer unkritischen Geschlechterreflexion. Dies ist etwa dort der Fall, wo ein unreflektierter, naturalisierender Praxis- oder Kunstbegriff vorherrscht oder bei solchen Projekten, die ohne Kenntnisse des betreffenden wissenschaftlichen Forschungsstandes angeblich ›neue‹ Erkenntnisse aus ›der Praxis‹ präsentieren. Hier ist beispielsweise zu befürchten, dass von der (feministischen) Kunstgeschichte bereits dekonstruierte historische Mythen zum Künstlersubjekt und zur ›künstlerischer Schöpfungskraft‹ in naiver Weise in der heutigen Designforschung perpetuiert werden. Vom Nutzen gut gemeinter Begriffsbestimmungen Hans-Jörg Rheinberger weist darauf hin, dass es nicht die Aufgabe von Epistemologen sei, unscharfe wissenschaftliche Begriffe zu kritisieren oder präzisere Bedeutungen vorzuschlagen, in der gut gemeinten Absicht, den Wissenschaftlern zu helfen, ihre Gedanken zu ordnen und exaktere Wissenschaft mit exakteren Begriffen zu betreiben. Dringend für beide Seiten sei vielmehr die Frage, wie und warum verschwommene Konzepte, unfertige oder überschießende Bedeutungen in der Wissenschaft positiv wirksam sein könnten.13 Analog zu dieser Frage kann auch mit Blick auf die vorliegende Untersuchung gefordert werden, dass weniger eine ›gut gemeinte‹, ›klärende‹ Begriffsdefinition zum Wissen im Design ihr abschließender Beitrag sein sollte. Vielmehr gilt es, eine Aussicht auf eine produktive Perspektivierung der aktuellen Wissensbestimmungen in der Designtheorie und -forschung zu entwerfen, vor allem im Hinblick auf ihr sinnstiftendes kulturelles Potential und ihre kulturelle Dimension. Mit Blick auf die weitreichenden Themen und Diskurse, die in den vorangegangenen Kapiteln behandelt wurden, kann ein solcher Ausblick an sehr unterschiedlichen Aspekten anknüpfen. Ein Ausblick – im Sinne der Formulierung eines Forschungsdesiderats – könnte zum Beispiel eine vertiefte Untersuchung des im Design überraschend stetig perpetuierten Ganzheitsideals betreffen. Dieses Ideal wurde, verkürzt dargestellt, vermittels einem essentialistisch-teleologischen Gestaltbegriffs bei Goethe sowie ganzheitlicher Kunst- und Gesellschaftsideale im 19. Jahrhunderts in der Designgeschichte verstetigt14 und wird gegenwärtig in der Designforschung vermittels Motiven wie ›Synthese‹ oder ›implizites Wissen‹ wiederbelebt. Lohnenswert wären zudem weitere Untersuchungen, die sich den pädagogischen und lerntheoretischen Prämissen heutiger Designforschung widmen. So kann diese ja nicht nur als ›Produkt‹ historischer Debatten 13. 14.

Rheinberger: Epistemologie des Konkreten. 2006, S. 226. Vgl. Harrington: Die Suche nach Ganzheit. 2002, S. 32–37.

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zur Erzeugung von Wissen lesbar werden, sondern auch zum Erwerb und zur Vermittlung desselben. Eine solche, noch zu schreibende Geschichte einer pädagogisch-lerntheoretisch begründeten Designforschung könnte Etappen zur Reform- sowie zur Bauhaus-Pädagogik umfassen, 15 zu Piagets Idee menschlicher Intelligenz als »offenes System«,16 zu Herbert Reads anarchistisch motivierter »education through art«17 sowie zu Positionen aus dem britischen Design Education Movement in den 1970er und -80er Jahren.18 Auf Read bezog sich in den 1990er Jahren Christopher Frayling mit seinem für die Designforschung zentralen Aufsatz Research through Art and Design19 in expliziter Weise und nahm damit auch (gewollt oder ungewollt) dessen pädagogische Vision für die Designforschung auf. Eine solche pädagogisch-lerntheoretisch angelegte Historiographie der Designforschung könnte sehr viel fundierter die ihr zugrunde liegenden gesellschaftlichen Visionen und politischen Motivationen beleuchten, als es im Rahmen der vorliegenden Arbeit möglich gewesen ist. Statt eine Vertiefung der genannten Forschungsdesiderate anzugehen, möchte ich den folgenden Ausblick entlang eines einzelnen Begriffs bzw. Konzepts strukturieren. Es handelt sich dabei um das Konzept der ›Wissenskultur‹, das auf die Wissenschaftssoziologin Karin Knorr Cetina zurückgeht. Das Konzept der ›Wissenskultur‹ soll keine exakte, eindeutige oder kategorische Definition zum Wissen im Design liefern, sondern sehr viel grundlegender die Möglichkeit einer nicht-essentialistischen, kulturtheoretischen Adressierung und Bestimmung von Wissensfragen in der Designtheorie und -forschung in Aussicht stellen. Zugrunde liegt diesem Ausblick eine Beobachtung, die sich während der Erstellung der vorliegenden Arbeit verfestigt hat: Wie schwierig es sich nämlich gestaltet, das ›Spezifische‹ und ›Charakteristische‹ an Design und Designforschung zu benennen, ohne dabei essentialistisch oder kategorisch zu argumentieren und ohne eine künstliche Opposition zwischen Kunst und Wissenschaft zwecks Identitätsstiftung zu konstruieren. Bevor ich einen Vorschlag zur Bestimmung von Wissensfragen im Design anführe, möchte ich zwei Dinge zur Klärung meiner eigenen Position festhalten. Zu Recht kann meines Erachtens heute dafür plädiert werden, das Design (vor allem im deutschsprachigen Raum) als autonome wissenschaftliche Disziplin anzuerkennen, da es in der Formation der akademischen Disziplinen bislang nur unzureichend Beachtung fand. Nur ein Bruchteil 15. 16. 17. 18. 19.

Hier finden sich bereits sehr gute Arbeiten, zum Beispiel von Wick: Bauhaus-Pädagogik. 1982. Vgl. dazu beispielsweise Neuhäuser, Gabriele: Konstruktiver Realismus: Jean Piagets naturalistische Erkenntnistheorie. Würzburg. 2003, S. 119 ff. Read: Education Through Art. 1943. Vgl. dazu auch: Dingkuhn Education through Art. 1995. Archer et al.: A Framework for Design and Design Education. 2005. Frayling: Research in Art & Design. 1993/94.

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der potentiell zu erforschenden Designthemen werden heute durch die bestehenden akademischen Disziplinen abgedeckt. Designforschende tun sich überdies oft schwer, ihre Fragestellungen an einen fundierten wissenschaftlichen Korpus anzubinden. Hier fehlt es oft schlicht an einer disziplinären Orientierung. Noch immer finden Designforschenden beträchtliche institutionelle Hindernisse vor, die einen akademischen Karriereweg erschweren oder sogar verhindern. Eine konzentrierte und fundierte wissenschaftliche Betrachtung von Design verspricht hier also Orientierungshilfe sowie lohnende Erkenntnisse, die ihrerseits wiederum über die Designgrenzen hinaus interdisziplinäre Forschungsdesiderate initiieren oder an solche anknüpfen können. Ebenfalls wäre für Designforschende ein institutionell geregelter Zugang zur Grundlagenforschung hilfreich. Allerdings legen gründliche Recherchen in den anglophonen design studies sowie in designnahen Fächern, etwa in der Kunst- und Architekturgeschichte und -theorie, in den Literatur- und Kulturwissenschaften oder in den Ingenieur- und Technikwissenschaften, auch nahe, dass Design keineswegs ein wissenschaftliches »Nicht-Thema«20 ist, wie dies von vielfach Designforschenden beklagt wird. Vielmehr wurden zahlreiche ›Designthemen‹ bereits in den genannten Fächern auf verdienstvolle Weise adressiert und untersucht. Diese Arbeiten tragen – auch wenn sie nicht das ›genuine‹ Label ›Design‹ oder ›Designforschung‹ tragen – zur Erforschung des Design maßgeblich bei. An sie gilt es trotz, oder vielmehr gerade wegen der Autonomiebestrebungen der Designdisziplin anzuknüpfen und ich habe versucht, mit der vorliegenden Arbeit dazu beizutragen. Als weitere Bemerkung möchte ich anfügen, dass ich solche Definitionen nicht grundsätzlich als falsch erachte, die ›Design‹ oder ›Designforschung‹ als etwas Eigenständiges zu bestimmen versuchen, zum Beispiel als eine ›zukunftsgerichtete‹, ›innovative‹ oder ›integrative‹ Tätigkeit. Ich halte sie aber für unterschiedlich produktiv, was die Klärung gewisser Fragestellungen betrifft. Zum einen weisen die darin genannten ›typischen‹ Designmerkmale oft nur wenig Unterscheidungskraft im Vergleich zu anderen Tätigkeiten in Kunst und Wissenschaft auf, zum anderen scheinen sie eher Modelle oder Visionen von zukünftigen bzw. wünschenswerten Designpraktiken zu sein, als dass sie bestehende oder historische Designpraktiken in ihrer Vielfalt und Widersprüchlichkeit analysieren. Ich kann und will solchen Definitionen dann aber nicht folgen, wenn sie für sich beanspruchen, essentielle oder kategorische ›Wesensmerkmale‹ zu benennen, die Design von Kunst und Wissenschaft unterscheiden sollen. Für die kritische Untersuchung und Analyse von ›real‹ existierenden und historischen Designpraktiken halte ich sie für ungeeignet, da sie darauf 20.

Bonsiepe: Von der Praxisorientierung zur Erkenntnisorientierung. 2004, S. 18.

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basieren, ihre eigene Geschichte, ihre historischen, sozialen und kulturellen Entwicklungszusammenhänge auszublenden. An die Stelle von Geschichtskritik tritt dann eine ahistorische Theoriebildung oder unkritische Selbsthistorisierung. Ein Vorschlag: Design als ›Wissenskultur‹ Wie kann aber dennoch das ›Spezifische‹, das ›Charakteristische‹ an Design und Designforschung benannt werden, wenn man essentialistische Engführungen oder ahistorische Theoriebildungen vermeiden will; wenn man die Anschlussfähigkeit an sowohl künstlerische als auch wissenschaftliche Forschungskontexte gewährleisten will? Der Vorschlag, den ich dazu skizziere, bezieht sich wie angekündigt auf das Konzept der ›Wissenskultur‹, das Knorr Cetina mit Blick auf den Vergleich von naturwissenschaftlichen Wissensformen entwickelt hat. In ihrer Untersuchung Epistemic Cultures: How the Sciences Make Knowledge von 1999 geht sie der Frage nach, worin sich benachbarte Wissensformen in den Naturwissenschaften unterscheiden und wie ihre Beschreibung in einer nicht-essentialistischen Weise angegangen werden kann.21 Eingangs ihres Buches weist sie darauf hin, dass über die Zweiteilung in Human- und Naturwissenschaften hinaus, »das Bild von der Einheit der Wissenschaft« weiterhin dominiere. 22 Differenzen innerhalb dieser Zweiteilung, etwa innerhalb der Naturwissenschaften, würde nur bedingt wahrgenommen, obwohl der Verdacht auf solche Unterschiede mittlerweile häufiger geäußert und auch ernst genommen werde: Die Wissenschaften haben […] ihre eigene Geografie. Sie bestehen nicht nur aus einem Unternehmen, sondern aus vielen; aus einer Landschaft unabhängiger Wissensmonopole, die höchst unterschiedlich arbeiten und unterschiedliche Produkte produzieren.23

Sie plädiert dafür – und diesen Vorschlag möchte ich für die Designforschung fruchtbar machen – eine »komparative Optik« als »Paradigma des Sehens« zu benutzen, um benachbarte, jedoch verschiedene Wissensformen miteinander zu vergleichen und ihre jeweilige Charakteristik zu benennen. »Jedes Muster, das in einer Wissenschaft detailliert werden kann«, so Knorr Cetina, »dient als Sensor für die Identifizierung und Kartierung äquivalenter, analoger, konfligierender Muster in der anderen«.24 21. 22. 23. 24.

Knorr Cetina: Epistemic Cultures. 1999. [Dt. Ausgabe: Wissenskulturen. 2002]. Knorr Cetina: Wissenskulturen. 2002, S. 14. Knorr Cetina: Wissenskulturen. 2002, S. 14. Knorr Cetina: Wissenskulturen. 2002, S. 15.

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Allerdings – und diese Aussage ist entscheidend – wird dadurch nicht das ›Wesen‹ einer Disziplin bestimmt, sondern es kann nur eine Aussage über die kulturellen Differenzen zwischen den Disziplinen getroffen werden: Eine komparative Optik bringt nicht Wesensmerkmale eines Bereichs zum Vorschein, sondern Unterschiede zwischen Bereichen. Diese sind, wie ich meine, aussagekräftiger als essenzielle Merkmale.25

Diese Auffassung von disziplinärer Eigenständigkeit beruft sich also nicht auf ein essentialistisches Verständnis von Wissensformen und Disziplinen, wie es solche Ansätze in der Designforschung tun, die den »Kern« des Design »gegenstandsneutral«, »expansiv« und möglichst wenig »zeitgeistig« zu treffen versuchen, oder die Design kategorisch von Kunst und Wissenschaft unterscheiden wollen.26 Vielmehr argumentiert es zum einen vergleichend, zum anderen wissens- und kulturhistorisch. Als ›Wissenskultur‹ versteht Knorr Cetina »diejenigen Praktiken, Mechanismen und Prinzipien, die gebunden durch Verwandtschaft, Notwendigkeit und historische Koinzidenz, in einem Wissensgebiet bestimmen, wie wir wissen, was wir wissen«.27 Mit dem Begriff der ›Wissenskultur‹ wird zum einen auf die konkreten Praktiken der Wissenserzeugung aufmerksam gemacht, zum andern wird die kulturelle Dimension von Wissen betont. Die Anbindung an den Kulturbegriff bereichert den Wissens- und Praxisbegriff nach Knorr Cetina in mehrerlei Hinsicht: Erstens verweist Kultur »auf die Brüche in der Einheit und Einförmigkeit von Praxis«, zweitens auf das »Dickicht verschiedenartigster Muster, die sich in lebensweltlichen Zusammenhängen überlagern und anhäufen« und drittens fügt der Kulturbegriff dem Wissens- und Praxisbegriff »Sensibilität für Symbole und Bedeutungen« hinzu.28 Ihr theoretischer Zugriff auf interdependente, dennoch eigenständige Wissenskulturen in den Naturwissenschaften weist Übereinstimmungen zu Bernhard Siegerts Forderung auf, die »Praxis des Entwerfens« als eine historisch konstituierte »Kulturtechnik« aufzufassen, als ein Feld konkreter symbolischer und materieller Zeichenpraktiken.29 Die inhaltliche Affinität beider Ansätze – Knorr Cetinas zu den Naturwissenschaften und Siegerts zum Entwurf – bekräftigt die Aussicht, dass das Konzept der ›Wissenskultur‹ über seine Geltung in der Wissenschaftssoziologie hinaus für die Designforschung in sowohl theoretischer als auch methodischer Hin25. 26. 27. 28. 29.

Knorr Cetina: Wissenskulturen. 2002, S. 15. Etwa Jonas: Die Spezialisten des Dazwischen. 2002 oder Cross: Design Research: A Disciplined Conversation. 1999, S. 5–10. Knorr Cetina: Wissenskulturen. 2002, S. 11. Knorr Cetina: Wissenskulturen. 2002, S. 21 f. Siegert: Weiße Flecken und finstre Herzen. 2009, S. 23.

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sicht fruchtbar gemacht werden kann. Anhand vergleichender kulturhistorischen Untersuchungen von konkreten Entwurfs- und Zeichenpraktiken kann demnach auch das Wissen im Design (zumindest partiell) beschrieben, analysiert und bestimmt werden. Als methodische Konsequenz legt das Konzept nahe, dass die Eigenständigkeit einer ›Wissenskultur‹ des Design sich nur im konkreten (meist historischen) Vergleich zu verwandten wissenschaftlichen und künstlerischen Praktiken, Techniken und Sprachregelungen ex negativo abzeichnen kann. Zum Beispiel können heutige typografische Praktiken schwerlich ohne eine Genealogie der ihnen zugrunde liegenden technologischen Entwicklungen, aber auch der sie inspirierenden intellektuellen Inspirationen verstanden werden. Bei einer derartigen, historisch-vergleichenden Untersuchungsweise von Designpraktiken werden sich vermutlich aber mehr Gemeinsamkeiten (zu anderen Feldern) und Widersprüche (im eigenen Feld) finden lassen, als dies eine ahistorische, essentialistische Designdefinition gelten lassen würde. Dennoch ist gerade dieser Befund notwendig für eine produktive Weiterentwicklung der Designforschung. Die Breite dessen, was man aus historischer Sicht eine Designtätigkeit nennen könnte, die Vielfalt der existierenden Designkulturen und -praktiken (vom Ingenieurwesen bis zum Modedesign), legt ebenso wie die Polyphonie der existierenden Designdefinitionen nahe, dass eine adäquate Beschreibung des Gegenstands oder Feldes nicht in einer einheitlichen Designdefinition, sondern vielmehr in der Anerkennung seiner sozialen Bedingtheit, in seiner kulturhistorischen Vielfalt und Widersprüchlichkeit sowie in seinen Interferenzen zu Kunst-, Wissenschafts- und Technikdiskursen zu suchen ist. Designforschung ist in diesem Sinne nicht als ›epistemologischer Sonderfall‹ und das Wissen im Design nicht als kategorisch oder essentiell ›gesonderte‹ Wissensform zu verstehen. Vielmehr sind Fragen nach den konstitutiven Wissensbeständen des Design ohne die Betrachtung von diskursübergreifenden denkhistorischen und soziokulturellen Entwicklungszusammenhänge sowie – und dieser Aspekt ist ebenso zentral – ohne vergleichende und praxisnahe Analyse von konkreten gestalterischen Praktiken und materialen Darstellungsformen nicht zu beantworten. Designforschende werden, und ich zähle mich selbst dazu, künftig nicht umhinkommen, sich über praxisbasierte und angewandte Fragestellungen hinaus, in einer differenzierten und kritischen Weise mit den Kriterien und Werten, aber auch mit den Mythen und Kulturen sowohl des wissenschaftlichen als auch künstlerischen Arbeitens auseinanderzusetzen, wenn in einer ernstzunehmenden Weise zu einer kritischen Geschichtsschreibung des Wissens beigetragen werden soll. Dies gilt umso mehr für jene Formate, die sich selbst als ›wissenschaftsalternativ‹ etikettieren. Das Postulat einer ›wissenschaftsalternativen‹ Forschung kann auf 399

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keinem stereotypen, eindimensionalen Bild von Wissenschaft (verstanden als rigorose Naturwissenschaft) auf bauen, wenn es nicht hinter den aktuellen Forschungstand der Wissenschaftsgeschichte und -theorie sowie hinter die gelebte Diversität wissenschaftlicher Praktiken zurückfallen will. Es gilt also, sowohl ein Bewusstsein für schon bestehende avancierte Wissenschafts- und Wissensmodelle zu entwickeln als auch präzise Argumente bezüglich der eigenen projektierten Alternativen zu formulieren. Das Anliegen eines differenzierten, kritischen Umgangs steht auch für die eigene Geschichte, die Designgeschichte, an. Eine Designforschung und -theorie ohne ideologiekritisches Geschichtsbewusstsein kann trotz – oder vielmehr wegen – der Aktualität ihrer Themen, dem Potential ihrer Ansätze und der Virulenz ihrer Fragen nicht wünschenswert sein. Sie bliebe dann mit Blick auf ihre ökonomische Lage eine rein marktwirtschaftliche Dienstleistung und mit Blick auf ihren epistemologischen Status ein leeres Wortspiel, eine »Epistemologia imaginabilis«.30

30.

Fleck: Die Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. 1980, S. 31.

400

Danksagung

Die vorliegende Arbeit wäre ohne vielfache Unterstützung kaum zu realisieren gewesen. Ich möchte vor allem Sigrid Schade sehr herzlich für ihre großzügige, sorgfältige und kritische Begleitung meiner Arbeit danken. Ebenso danke ich Barbara Paul für ihre Unterstützung und die hilfreichen Kommentare zu meinem Vorhaben. Den Teilnehmerinnen des Doktoranden-Kolloquiums am Institute for Cultural Studies in the Arts Zürich habe ich wichtige Anregungen und Kritik zu verdanken. Das ICS hat zudem die Drucklegung dieses Buches unterstützt. Bei Hans-Jörg Rheinberger und dem Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin bedanke ich mich herzlich für die Gastfreundschaft. Meine Arbeit hat von dem dortigen Aufenthalt enorm profitiert. Dem Schweizerischen Nationalfonds danke ich für die großzügige Förderung, die er mir zur Fertigstellung meiner Dissertation sowie zur Drucklegung dieses Buches gewährt hat. Zudem danke ich Michael Hagner herzlich für die Unterstützung meines Projekts. Florian Dombois und Arne Scheuermann von der Hochschule der Künste Bern haben mir wichtige Freiräume und Unterstützung zur Erstellung meiner Arbeit gewährt. Dem Team vom FSP Kommunikationsdesign und vom Institut Y danke ich für den Austausch. Birte Förster hat frühe Teile meiner Arbeit gelesen und hilfreich kommentiert. Margareta Tillberg hat mir wertvolle Anregungen und Korrekturen für die Einleitung und das 1. Kapitel gegeben und mir Mut gemacht, meine eigene Position in den oft turbulenten Debatten rund um die Designforschung zu vertreten. Meine Familie, insbesondere meine Mutter Mathilde Mareis-Lauber hat mich bei meinem Vorhaben von Herzen unterstützt, ebenso Bettina Mareis und Bernadette Stucky-Perren. Bruno Lauber danke ich für seine guten Worte und Taten. Mehr als allen danke ich meinem Mann Reinhard Wendler. Er ist eine großartige Inspiration für mein Denken. Seine Geduld, sein Zuspruch sowie seine intellektuelle Offenheit und Großzügigkeit sind ein Geschenk.

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Die Urheberrechtslage für die Umschlagsabbildung konnte nicht zweifelsfrei geklärt werden. Wir bitten um Mitteilung an den Verlag.

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Studien zur visuellen Kultur Angelika Bartl, Josch Hoenes, Patricia Mühr, Kea Wienand (Hg.) Sehen – Macht – Wissen ReSaVoir. Bilder im Spannungsfeld von Kultur, Politik und Erinnerung Mai 2011, ca. 206 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 26,80 €, ISBN 978-3-8376-1467-1

Kerstin Brandes Fotografie und »Identität« Visuelle Repräsentationspolitiken in künstlerischen Arbeiten der 1980er und 1990er Jahre 2010, 288 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 34,80 €, ISBN 978-3-8376-1586-9

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Studien zur visuellen Kultur Sigrid Schade, Silke Wenk Studien zur visuellen Kultur Einführung in ein transdisziplinäres Forschungsfeld August 2011, ca. 228 Seiten, kart., ca. 22,80 €, ISBN 978-3-89942-990-9

Philipp Weiss Körper in Form Bildwelten moderner Körperkunst 2010, 274 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1550-0

Anja Zimmermann Ästhetik der Objektivität Genese und Funktion eines wissenschaftlichen und künstlerischen Stils im 19. Jahrhundert 2009, 254 Seiten, kart., zahlr. Abb., 27,80 €, ISBN 978-3-89942-860-5

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Silke Büttner Die Körper verweben Sinnproduktion in der französischen Bildhauerei des 12. Jahrhunderts

Barbara Paul, Johanna Schaffer (Hg.) Mehr(wert) queer – Queer Added (Value) Visuelle Kultur, Kunst und Gender-Politiken – Visual Culture, Art, and Gender Politics

2010, 374 Seiten, kart., zahlr. Abb., 36,80 €, ISBN 978-3-8376-1544-9

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2007, 284 Seiten, kart., zahlr. Abb., 30,80 €, ISBN 978-3-89942-633-5

Jennifer John, Sigrid Schade (Hg.) Grenzgänge zwischen den Künsten Interventionen in Gattungshierarchien und Geschlechterkonstruktionen

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2008, 200 Seiten, kart., zahlr. Abb., 25,80 €, ISBN 978-3-89942-967-1

Yvonne Volkart Fluide Subjekte Anpassung und Widerspenstigkeit in der Medienkunst

Renate Lorenz Aufwändige Durchquerungen Subjektivität als sexuelle Arbeit

2006, 302 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 28,80 €, ISBN 978-3-89942-585-7

2009, 236 Seiten, kart., zahlr. Abb., 27,80 €, ISBN 978-3-8376-1196-0

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