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German Pages 91 Year 1990
Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Band 4
Der Zweck im Gentechnikrecht Zur Schutz- und Förderfunktion von Umwelt- und Technikgesetzen
Von
Wolfgang Graf Vitzthum Tatjana Geddert-Steinacher
Duncker & Humblot · Berlin
WOLFGANG GRAF VITZTHUM TATJANA GEDDERT-STEINACHER
Der Zweck im Gentechnikrecht
Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Herausgegeben von Wolfgang Graf Vitzthum in Gemeinschaft mit M a r t i n Heckel, Ferdinand Kirchhof Hans von Mangoldt, Thomas Oppermann Günter Püttner sämtlich in Tübingen
Band 4
Der Zweck im Gentechnikrecht Zur Schutz- und Förderfunktion von Umwelt- und Technikgesetzen
Von
Prof. Dr. Wolfgang Graf Vitzthum Dr. Tatjana Geddert-Steinacher
Duncker & Humblot * Berlin
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Vitzthum, Wolfgang Graf: Der Zweck im Gentechnikrecht: zur Schutz- und Förderfunktion von Umwelt- und Technikgesetzen / von Wolfgang Graf Vitzthum u. Tatjana Geddert-Steinacher. — Berlin: Duncker u. Humblot, 1990 (Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht; Bd. 4) ISBN 3-428-06829-7 NE: Geddert-Steinacher, Tatjana:; GT
Alle Rechte vorbehalten © 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: TecDok A. März, Tübingen Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0935-6061 ISBN 3-428-06829-7
Vorwort Nachfolgende Skizze zum „Zweck im Gentechnikrecht" ist aus Vorarbeiten entstanden, die die Verfasser - auch im interdisziplinären Gespräch und im Kontakt mit Praktikern in Tübingen und darüber hinaus - über Fragen des Rechts der industriellen Nutzung der Gentechnik sowie des Rechts der Humangenetik und der Fortpflanzungsmedizin in den vergangenen Jahren angefertigt haben. Wegen des GentechnikBeschlusses des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6.11. 1989, der angesichts seiner potentiell weitreichenden Konsequenzen eine etwas ausführlichere Kommentierung und Dokumentierung verlangte, wuchsen sich die Überlegungen zu diesem kleinen Buch aus. Die Verfasser sind sich darüber im klaren, daß es sich angesichts der in rascher Bewegung befindlichen Materie nur um einen Zwischenruf handeln kann. Mit der Frage nach der Funktion von Ziel- und Zweckbestimmungen in Technik- und Umweltschutzgesetzen besitzt die Studie allerdings einen über den aktuellen Anlaß der deutschen GentechnikGesetzgebung und -Rechtsprechung im Winter 1989/90 hinausweisenden, für die Rechtswissenschaft wie für den Gesetzgeber allgemein relevanten Gegenstand. Tübingen, im November 1989 Wolfgang
Graf Vitzthum
Tatjana Geddert-Steinacher
Inhalt
1. Einführung: Gefahrenabwehr und Wirtschaftsgestaltung als Gesetzeszwecke 1.1 Von der Risiko- zur Wachstumsvorsorge 1.2 Sachstrukturorientierte Gesetzeszweck-Technik 2. Regelungsinstrumente und ihre Anwendungsfelder 2.1 Verbot mit Erlaubnisvorbehalt: Immissionsschutzrecht 2.2 Inhaltsbestimmung und öffentliche Bewirtschaftung: Wasserrecht . . 2.3 Betätigungseröffnung und Versagungsermessen: Atomrecht 2.4 Sicherheitskontrolle und Entwicklungsrahmen: Gentechnikrecht
...
3. Dogmatische Funktionen der Gesetzeszwecke 3.1 Leitlinie und Schranke der Interpretation 3.2 Beitrag zu Rechtsklarheit und Rechtssicherheit 3.3 Förderung der Akzeptanz 3.4 Selbstkontrolle des Normgebers 4. Ausblick: Verhältnisbestimmungen und Folgerungen 4.1 Gesetzeszweck / Einzelregelung, Schutzzweck / Förderzweck 4.2 Systemkonforme Formulierung des Förderzwecks Anhang 1: Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Fragen der Gentechnik vom 11.8./9.11.1989 Anhang 2: Beschluß des Hess. VGH vom 6.11.1989 (Auszug)
8 TH 685/89
Anhang 3: Stellungnahme der Bundesregierung vom 23.11.1989 zum Beschluß des Hess. VGH vom 6.11.1989 Literatur
Abkürzungen Abs.
Absatz
Anm.
Anmerkung
Art.
Artikel
AtG
Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz)
Aufl.
Auflage
bad.-württ., Bad.-württ.
baden-württembergisch
Bde.
Bände
BMFT
Bundesminister für Forschung und Technologie
BMJFFG
Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit
BR-Drs.
Bundesrats-Drucksache
BT-Drs.
Bundestags-Drucksache
BVerfG(E)
Bundesverfassungsgericht (Entscheidungen des)
BVerwG(E)
Bundesverwaltungsgericht (Entscheidungen des)
BWaldG
Gesetz zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft (Bundeswaldgesetz)
bzgl.
bezüglich
DJT
Deutscher Juristentag
ebd.
ebenda
EG
Europäische Gemeinschaft(en)
EGenTG
Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Fragen der Gentechnik (BT-Drs. 11/5622)
f., ff.
fortfolgend, fortfolgende
Fn.
Fußnote
FS
Festschrift
GG
Grundgesetz
Abkürzungen ggf.
gegebenenfalls
hess., Hess.
hessisch, Hessisch
Hrsg., hrsg.
Herausgeber, herausgegeben
i.d.F.
in der Fassung
i.d.R.
in der Regel
i.d.S.
in diesem Sinne
insb.
insbesondere
i.S.v.
im Sinne von
i.Z.m.
im Zusammenhang mit
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
Nr.
Nummer
NRW
Nordrhein-Westfalen
Rdnr.
Randnummer(n)
s.
siehe
S.
Seite
S.o., s.o.
Siehe oben, siehe oben
soz.
sozusagen
u.a.
unter anderem, und anderswo
u.U.
unter Umstanden
VG
Verwaltungsgericht
VGH
Verwaltungsgerichtshof
vgl.
vergleiche
VwGO
Verwaltungsgerichtsordnung
VwVfG
Verwaltungsverfahrensgesetz
WHG
Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts
9
(Wasserhaushaltsgesetz - WHG) z.B.
zum Beispiel
Ziff.
Ziffer
z.T.
zum Teil
Im übrigen wird auf Hildebert Kirchner / Frìtz Kastner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 3. Aufl. Berlin/New York 1983 verwiesen.
1. Einführung: Gefahrenabwehr und Wirtschaftsgestaltung als Gesetzeszwecke 1.1 Von der Risiko- zur Wachstumsvorsorge Der am 11.8.1989 dem Bundesrat1 und am 9.11.1989 dem Bundestag2 übersandte „Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Fragen der Gentechnik" (EGenTG) hat, wie auf dem jeweiligen Vorblatt erläutert wird, das „Ziel..., Mensch und Umwelt vor möglichen Risiken der Gentechnik zu schützen und solchen Risiken vorzubeugen und zugleich den rechtlichen Rahmen für die weitere Erforschung, Entwicklung und Nutzung der Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen". „Zu diesem Zweck", heißt es weiter, „sollen gentechnische Arbeiten im geschlossenen System, die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt und das Inverkehrbringen von Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten oder daraus bestehen, einer gesetzlichen Regelung unterworfen werden."3 Die Formel von der Aufgabe „Schutz vor Risiken" und vom Recht als „Rahmen" bestimmter wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklungen steht für das klassisch-liberalstaatliche Konzept vom Verhältnis von Staat, Wissenschaft und Wirtschaft: Einwirkung als präventive Gefahrenabwehr y Forscher- und Unternehmerfreiheit unter Sicherheitskontrolle. Der Gesetzgeber definiert die Schranken, nicht die Inhalte individueller wissenschaftlicher und ökonomischer Freiheiten 4.
1
BR-Drs. 387/89. BT-Drs. 11/5622 (s. Anhang 1). 3 „Diese Regelung", fährt die Erläuterung fort, „soll den Inhalt der vom Bundesministerium für Forschung und Technologie erlassenen Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch in-vitro neukombinierte Nukleinsäuren rechtsverbindlich machen, die zu einzelnen Aspekten des Umgangs mit der Gentechnik in anderen Vorschriften erlassenen Regelungen zusammenfassen und so für eine einheitliche Entwicklung der Regelungen zur Gentechnik und deren einheitlichen Vollzug sorgen. Inhaltlich folgt das Gesetz im wesentlichen den Empfehlungen der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages ,Chancen und Risiken der Gentechnologie4. Zugleich dient das Gesetz der Umsetzung entsprechender Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften in deutsches Recht." 2
4
Am 22.9.1989 beschloß der Bundesrat (auch angesichts eines Rekordes von 253 Änderungswünschen), über den Entwurf nicht abzustimmen, sondern primär
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1. Einführung: Gefahrenabwehr und Wirtschaftsgestaltung
Im sozialen Rechtsstaat des Grundgesetzes (GG), in dem der Staat selbst zum Subjekt von Wirtschaft und Wissenschaft wird, konkretisiert dieser die Staats- und Verwaltungszwecke, gestaltet er die Grundrechte. Auch Materien, die schwerpunktmäßig der sicherheits- und ordnungsrechtlich orientierten Abwehr von Gefahren, wesentlichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen dienen, wie etwa das Gewerbe- und Immissionsschutzrecht, erhalten nun mittelbar gestaltenden Charakter. Die Gesetze promovieren wissenschaftlich-technischen Fortschritt wie wirtschaftliche Expansion, und sie betreiben zugleich, ökologisch und ressourcenökonomisch orientiert, Risiko- und Wachstumsvorsorge. M i t den „Zielen der Gefahrenabwehr, der Lenkung und Förderung" 5 wirkt der Staat des Grundgesetzes, primär der wirtschafts-, umweltschutz- und technikpolitische Gesetzgeber, auf den ökonomischen und wissenschaftlich-technischen Prozeß, ja auf die entwickelte Industriegesellschaft insgesamt ein, „ordnend, gestaltend und leistend" 6 .
die eigene Position deutlich zu machen (mit Gegenäußerung der Bundesregierung abgedruckt in: BT-Drs. 11/5622, S. 40 bzw. 41 f.). In jener Entschließung wurden dem EGenTG eigene Eckwerte des Bundesrates gegenübergestellt, nach denen das Gesetz - wie Ministerpräsident Streibl formulierte - „die Entwicklung der Gentechnik fördern und ihre Risiken minimieren soll." Die Bremer Senatorin Rüdiger warf dem EGenTG vor, er ziele „vorrangig auf eine Förderung der Gentechnik ab"; Minister Matthiesen (NRW) hielt es für „nicht hinnehmbar, daß das Gesetz eine duale Zweckbestimmung erhält, indem der Schutzzweck durch das Förderungsziel relativiert wird". Einzig der Wirtschaftsausschuß (024 - Nr. 46/89, 530. Sitzung, S. 47) hatte indes beantragt, in das Gesetz ausdrücklich den Zweck aufzunehmen, „die Entwicklung und die Nutzung der Gentechnologie in einem beherrschbaren Rahmen zu fördern"; nur hier wurden also „Schutzgedanken und Förderungsgedanken" (ebd., S. 51; vgl. ebd., S. 108) kombiniert. 5 Radura, Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: von Münch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 1988, S. 283 ff. (287). Einwirkungstechnik ist das Begründen von Aufgaben und Befugnissen der Verwaltung und von öffentlichrechtlichen Rechten und Pflichten der am wirtschaftlichen Prozeß Beteiligten. Die „wirtschaftspolitische Neutralität" des GG (seit BVerfGE 4, 7 [17 f.]; 7, 377 [400]) öffnet ein weites Feld: Gestaltungsfreiheit der (verfassungsrechtlich gebundenen) Legislative. Im EGenTG erfolgt der Risikoschutz vor allem „durch Verpflichtung dessen, der gentechnische Methoden benutzt oder gentechnisch veränderte Organismen freisetzt, zu eigenverantwortlicher Gefahrenabwehr und Risikovorsorge (§ 6)" sowie „administrativ insbesondere durch präventive staatliche Kontrolle und Aufnahme gentechnischer Arbeiten im geschlossenen System und vor der Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen (§§ 7 ff.)" (Vorblatt). 6
Dies spiegelt sich auch in der Verflechtung zivil- und öffentlich-rechtlicher Materien wider. Sie begann etwa schon mit dem Wasser- und dem Baurecht. Öffentliche Kontrolle, Gefahrenabwehr und Planung einerseits, die Rechtsbezie-
1.1 Von der Risiko- zur Wachstumsvorsorge
13
Dies gilt auch für Großtechniken wie die Nutzung der Kernenergie oder die Gentechnik, für Verfahren, Techniken und Anlagen also, die mit prinzipiell höheren oder mit möglicherweise anders strukturierten Risiken verbunden sein könnten als herkömmliche Forschungs- und Industrietechniken7. Selbst potentiell risikobehaftete Techniken sind indes nicht von vornherein als gemeinschädlich zu qualifizieren 8; vielmehr bergen sie jeweils differenziert zu betrachtende, differenziert zu bewertende Chancen und Risiken. Die Rolle des Staates ist hier wie dort nicht auf das Vermeiden von möglichen Risiken und Gefahren beschränkt. Es geht vielmehr auch um das Fördern der einschlägigen Entwicklung und der Nutzung ihres Potentials. Im demokratischen Verfassungsstaat sind Planung und Gestaltung der Zukunft prinzipiell mehrheitsfähiger Politikinhalt. Das etwaige Ergänzen des parlamentarischen Konsensbildungsprozesses durch Regelungen des Verwaltungsverfahrens, bei denen die jeweiligen Interessen einbezogen und Transparenz und Kontrolle der Entscheidung gewährleistet werden, ist dann keine bloße Frage demokratischer Legitimität — es geht dabei vielmehr um Konsensarbeit, um das komplementäre Induzieren und Stabilisieren gesellschaftlicher Akzeptanz9.
hungen der an der Planung und Durchführung von Bauwerken Beteiligten andererseits sind aufeinander bezogen. „Das öffentliche Baurecht schränkt im öffentlichen Interesse die allgemeine Handlungsfreiheit des Bauenden und der am Bau Beteiligten ein und steckt den Rahmen für die Baufreiheit ab ... Das private Baurecht ist also notwendigerweise in das öffentliche Baurecht eingebettet"; vgl. Locher, Das private Baurecht, 4. Aufl., 1988, S. 1. 7 In dem diesen Gesamtkomplex abdeckenden Umwelt- und Technikrecht ist einer der wichtigsten Berührungspunkte zwischen öffentlichem und privatem Recht das Haftungsrecht. Ihm kommt gem. Bundesverfassungsgericht sogar verfassungsrechtliche Relevanz zu. Gefährdungshaftung soll einen Ausgleich für Restrisiken darstellen. Im Technik- wie etwa auch im Baurecht ist das jeweilige Sachgefüge insofern von einer doppelten Aufgabenstellung geprägt: Zum einen sollen Gewerbefreiheit und Privatautonomie gewährleistet bleiben, zum anderen sollen dabei, auch durch Ausgestaltung des jeweiligen Haftungssystems, die Belange Dritter und der Allgemeinheit gewahrt werden. Kritisch zu diesem Kompensationsgedanken Beck, Risikogesellschaft, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (Beil. zu Das Parlament) Β 36/89, S. 3 ff. (5); zum Problem der Risikobewertung Meyer-Abich, Von der Wohlstandsgesellschaft zur Risikogesellschaft, ebd., S. 31 ff. (36). Auch der EGenTG versucht den Schutz vor möglichen Risiken u.a. durch Haftungsregelungen und Deckungsvorsorge (§§ 28 ff.) sicherzustellen; generalpräventive Straf- und Bußgeldsanktionen (§§ 32 f.) kommen hinzu. 8 So etwa auch P. Kirchhof\ Kontrolle der Technik als staatliche und private Aufgabe, NVwZ 1988, S. 97 ff. (99). 9 Graf Vitzthum, Das Verfassungsrecht vor der Herausforderung von Gen-
14
1. Einführung: Gefahrenabwehr und Wirtschaftsgestaltung
Andererseits führt die Verantwortung des Staates für Risiken der Technik nicht zu einem unmittelbaren Zurechnen des Verhaltens Privater. Von einer Gleichsetzung von staatlichem Eingriff und umweltrechtlicher Genehmigung10 kann nicht die Rede sein. Nichts anderes gilt im auch hierzulande bereits weit ausgedehnten Bereich der Gentechnik11.
1.2 Sachstrukturorientierte
Gesetzeszweck-Technik
Hinsichtlich der Chancen und Risiken der Großforschung und Großtechnik hat sich der Gesetzgeber immer reichhaltigere Instrumente zurechtgelegt12. Zu dem auch von Wissenschaft und Rechtsprechung ständig verfeinerten Arsenal gehört neben dem bekannten formalen Instrumentarium Anzeigepflicht, Untersagungsermächtigung und Verbot mit Erlaubnisvorbehalt die einleitende Bestimmung des Zwecks oder des Hauptziels des jeweiligen Gesetzes13. Der Gesetzgeber benennt dabei den Grund des Handelns oder der Existenz einer Organisation (Zweck), oder er beschreibt den gewünschten Zustand in Zukunft (Ziel). Beispiele für diese Gesetzeszweck-Technik sind die jeweiligen ersten Paragraphen des Chemikaliengesetzes von 1980 (ChemG) - in dessen § 1 mittels 16 Hauptworten bei nur einem Verbum der Gesetzeszweck allerdings besonders umständlich formuliert ist - bzw. des 1986 neuge-
technologie und Reproduktionsmedizin, in: Braun /Mieth /Steigleder (Hrsg.), Ethische und rechtliche Fragen der Gentechnologie und der Reproduktionsmedizin, 1987, S. 263 ff. (289 ff.); Wilrtenberger, Wandlungen in den privaten und öffentlichen Verantwortungssphären, in: JbRSoz. XIV (1989), S. 308 ff. (319). 10 I.d.S. etwa Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, 1985, S. 91 f. Zum Eingriffscharakter von Genehmigungen differenzierender Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 1988, S. 178 ff. 11 Nachweise etwa in der Stellungnahme der Bundesregierung (s. Anhang 3). 12 Von einer Unfähigkeit des Staates, Grenzen zu setzen und durchzusetzen, sprach demgegenüber der die „technische Realisation" kritisierende Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, 1971, S. 164 ff. 13
Die planungs- und abgabenrechtlichen Instrumente werden nachfolgend ebensowenig behandelt wie z.B. die patentrechtlichen. Es geht vielmehr nur um einige Maßnahmen der direkten Verhaltenssteuerung, insbesondere um gesetzliche Vorgaben sowie administrative Detailregelungen und Kontrollen. Präventiv, umfassend und durchsetzbar in Grundrechte „eingreifende" sicherheits- und ordnungsrechtliche Regelungen kann nur der Gesetzgeber erlassen (Vorbehalt des Gesetzes).
1.2 Sachstrukturorientierte Gesetzeszweck-Technik
15
faßten Pflanzenschutzgesetzes 14. Auch die neuere Landesgesetzgebung stellt vermehrt Leitvorschriften an die Spitze größerer Gesetze. Heute, da die Gesetze zunehmend die Gestalt von Programmgesetzen annehmen, werden derartige Ziel- und Zweckbestimmungen (finale Programmierung, Zwecksteuerung) immer wichtiger. Dies gilt insbesondere für den Bereich der Wirtschaftssteuerung und -förderung; nicht anders als im Technikrecht müssen dort bewegliche Faktoren einander zugeordnet werden16. Wechselnde konjunkturelle, strukturelle oder beschäftigungspolitische Größen fordern eine finale Regelungstechnik, die flexible behördliche Entscheidungen ermöglicht. Vergleichbares gilt für die ähnlich komplexen Steuerungsgrößen des Technikrechts, etwa für den „Stand von Wissenschaft und Technik", aber auch für die Kenntnis von Gefahren und Ursachenzusammenhängen17.
15
Die Auswahl und Kombination der verschiedenen legislativen Instrumente und Techniken, nachfolgend bezüglich des oder der Zwecke des EGenTG zu erörtern, ist nicht durch einen einheitlichen Typus „Großtechnikgesetz" o.ä. präjudiziert. Entscheidend ist vielmehr die spezifische Sachstruktur des Gegenstandes einschließlich der entsprechenden Entscheidung des Gesetzgebers. Die Analyse und Bewertung dieser konkreten Faktoren hilft auch bei der Beantwortung der nachfolgend im Mittelpunkt stehenden Frage, ob in einem Gentechnikgesetz (bzw. in seinem einleitenden Grundsatzparagraphen) neben der Gefahren-
14
Zu erinnern ist etwa auch an § 1 des Raumordnungsgesetzes von 1965, in dem „Aufgaben und Ziele der Raumordnung" umrissen werden, sowie an § la des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) von 1957/1986, der den rechtspolitischen Kerngedanken als Grundsatz formuliert. Zu phrasenhaft fiel demgegenüber § 1 des Sozialgesetzbuches I (Allgemeiner Teil) von 1975 aus. 15
Zu Gesetzesprogramm und Programmstruktur der Gesetze (sowie zu Konsequenzen für den Vollzug) B. Becker, Öffentliche Verwaltung, 1989, S. 71 ff., 83 ff. 16
So enthalten etwa das Mittelstandsförderungsgesetz des Landes BadenWürttemberg von 1975 sowie die arbeitsmarktpolitisch motivierte - ebenfalls baden-württembergische - Regelung der Teilzeitbeschäftigung und Beurlaubung von Beamten von 1985 überaus ausführliche Zweckformeln. 17
Von Zweckbestimmungen in solchen durch die Veränderlichkeit der Basisfaktoren geprägten Programmgesetzen sind prinzipiell die in Organisationsgeseizen zu unterscheiden. Hier sind Zweckbestimmungen „bloße" Beschreibungen der Aufgabe der jeweiligen Körperschaft, Behörde oder Einrichtung (etwa in § 1 Untersuchungsausschußgesetz von 1976 oder in § 1 Gesetz über die Datenzentrale von 1982, beides baden-württembergische Landesgesetze). Auch die z.B. in den Ausbildungsordnungen für Beamte formulierten Zielbestimmungen qualifizieren das jeweilige Gesetz noch nicht als Programmgesetz.
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1. Einführung: Gefahrenabwehr und Wirtschaftsgestaltung
abwehr und der Risikovorbeugung als wesentlicher Zweck die Förderung der Gentechnik ausdrücklich normiert werden sollte, und ggf. in welcher Form und mit welchen Konsequenzen. Die „richtige" Antwort läßt sich dabei nicht dem Grundgesetz deduzieren 18. Die wirtschafts-, umweit- und technikpolitischen Schutz- und Gestaltungsaufgaben können nicht primär durch Interpretation der Verfassung gelöst werden. Rechtspolitik ist mehr als Verfassungsvollzug. Das Grundgesetz enthält nur (aber immerhin) Vorgaben für „Richtung" und Schranken der legislativen Entscheidung, z.T. auch Aussagen über das Ob bzw. das Gebotensein einer Entscheidung gerade durch den (förmlichen) Gesetzgeber. Wer weiterzugehen versucht und die Reichweite der Verfassung überdehnt, schwächt ihre normative Kraft. Was spräche also - lautet unser Thema - für ein regelungstechnisches Akzentuieren des sozialstaatlichen und z.T. grundrechtseffektuierenden Förderns der Gentechnik als eines wissenschaftlich-technischwirtschaftlichen Prozesses? Was spräche gegen eine derartige Ausweitung des Legislativprogramms einschließlich der darin liegenden Relativierung des bloßen Schutzkonzeptes? Was ist ganz allgemein die rechtliche Bedeutung derartiger einleitender, notwendigerweise allgemein gehaltener gesetzlicher Zweckbestimmungen?19
18 Vorgaben erfolgten und erfolgen diesbezüglich auch auf EG-rechtlicher Ebene. So war das z.B. bereits bei Erlaß des ChemG, etwa bzgl. der Festlegung auf ein Anmelde- statt auf ein Zulassungsverfahren. Diese im „dreistöckigen Bundesstaat" (Land, Bund, EG) reizvolle und bei näherer Betrachtung bereits verblüffend reale Fragestellung kann in unserem Zusammenhang nicht vertieft werden. Näheres bei Graf Vitzthum, Gentechnik und Grundgesetz, in: Maurer u.a. (Hrsg.), Das akzeptierte Grundgesetz. Festschrift für Günter Dürig zum 70. Geburtstag, München 1990, S. 185 ff. (203 ff.). 19 Im EGenTG ist im Text des Gesetzes nicht (mehr) vom Förderzweck die Rede. Die Erwähnung des Fördergedankens wurde in die Begründung abgedrängt: „Die Erforschung, Entwicklung und Nutzung der Gentechnik als einem vielversprechenden Instrument zur Lösung drängender Gegenwarts- und Zukunftsprobleme soll in einem beherrschbaren Rahmen ermöglicht und gefördert werden", BT-Drs. 11/5622, S. 21. Demgegenüber war im Bericht des federführenden Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (BMJFFG) vom 25.1.1989 noch die Intention niedergelegt worden, „im Interesse von Mensch und Umwelt die Voraussetzungen für eine weitere Förderung und Nutzung der Gentechnik zu schaffen" (BT-Drs. 11/3908, S. 3). Entsprechendes galt von den ebd., S. 10 f. abgedruckten „Eckwerten" der Bundesregierung. Das Fördern der Gentechnik war einen Monat später auch für den Bundesrat ein „oberstes Ziel" (BR-Drs. 285/88), und es wurde dann in einem baden-württembergischen Entschließungsentwurf hervorgehoben (BR-Drs. 404/88). In einem EGenTG-Vorentwurf des BMJFFG vom 7.2.1989 war der Förderzweck in § 1
1.2 Sachstrukturorientierte Gesetzeszweck-Technik
17
Zur Beantwortung dieser Fragen bedarf es zunächst einer Bestimmung der Gesetzeszwecke und des Regelungstypus des EGenTG vor dem Hintergrund der allgemeinen Instrumente des gefahrenabwehrenden und wirtschaftsgestaltenden Gesetzgebers (unten 2). Darauf folgt ein Überblick über die dogmatischen Funktionen von legislativen Zielund Zweckvorgaben generell 20 und solchen im EGenTG im besonderen (unten 3). Die gebotenen Verhältnisbestimmungen und Folgerungen bilden - ebenfalls nur überblickartig - den Abschluß dieser Skizze (unten 4) 2 1 .
Nr. 2 dementsprechend noch enthalten („die Erforschung, Entwicklung und Nutzung der wissenschaftlichen und technischen Möglichkeiten der Gentechnik zu ermöglichen und zu fördern"); ebenso war das ein Jahrzehnt zuvor der Fall gewesen im Ref.-Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Gefahren der Gentechnologie vom 19.7.1979 (§ 1 I Nr. 3), der i.d.F. vom 2.6.1980 vom BMFT vervollständigt (ohne Änderung des § 1), u.a. aus Gründen noch unzureichender Erfahrung mit der Gentechnik damals aber ebensowenig fortgeführt wurde wie vergleichbare Regelungsansätze im westlichen Ausland. 20 Förderzwecke sind auch in älteren Rechtsvorschriften enthalten, sei es in Präambeln (z.B. Reichs-Straßenverkehrs-Ordnung vom 13.11.1937: „Die Förderung der Motorisierung ist das ... Ziel"), sei es in Leitvorschriften wie dem § 1 des Wohnungsbaugesetzes von 1953, vgl. H. Schneider, Gesetzgebung, 1982, Rdnr. 324 ff. (natürlich ließe sich auch auf weit ältere Normen zurückgehen). Die Aufnahme von Zweckbestimmungen in Einführungsparagraphen erhöht deren Gewicht im Vergleich zu ihrer Berücksichtigung in Präambeln, von ihrem Gewichtsverlust durch „Verstecken" in der Gesetzesbegründung ganz zu schweigen. 21
Hintergrund des Förderthemas im Gentechnikbereich sind u.a. an die neue Fertigkeit geknüpften Hoffnungen für die Diagnose und Therapie von Krankheiten, für energiesparende und umweltfreundliche landwirtschaftliche Produktionsverfahren sowie für neuartige Formen der Abfallbeseitigung. Diesen Chancen stehen bekanntlich nicht weniger gewichtige potentielle Risiken und reale Ängste gegenüber. Beide Aspekte sind vertieft in: Bericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Chancen und Risiken der Gentechnologie", BT-Drs. 10/6775 vom 6.11.1987. Die rechtspolitischen Empfehlungen der Kommission finden sich ebd., S. 290. Der Bundestag hat sich ihnen in allen für unser Thema relevanten Punkten angeschlossen, BT-Drs. 11/5320 vom 4.10.1989.
2. Regelungsinstrumente und ihre Anwendungsfelder 11 Verbot mit Erlaubnisvorbehalt:
Immissionsschutzrecht
Gefahren begegnet der (nur) wirtschaftsordnende Gesetzgeber primär mit gewerbepolizeilichen und haftungsrechtlichen Instrumenten. Im Vordergrund steht das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Dem Einsatz dieser auch „Kontrollerlaubnis" genannten Rechtsfigur liegt die Wertung zugrunde, daß es sich um nicht prinzipiell (wohl aber potentiell) störende oder gar schädliche, sondern um grundsätzlich erwünschte Betätigungen handelt. Das zu prüfende bzw. zu überwachende Verhalten ist grundsätzlich Ausdruck grundrechtlich geschützter Freiheiten. Als (formellrechtliche) Sicherung dient das Genehmigungserfordernis dem Einhalten der (materiellrechtlichen) Voraussetzungen der Gemeinverträglichkeit. Ein Beispiel ist die Genehmigungspflicht für Atomanlagen; sie gehört zu den Überwachungsvorschriften des Atomgesetzes von 1959 (§ 7 AtG). Beim weitverbreiteten präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ist die Genehmigung nicht konstitutiv für das Bestehen des Rechts. Die Genehmigung bewirkt lediglich die Ausübungsberechtigung eines an sich ohnehin bestehenden Rechtes. Der Antragsteller hat, wenn er die legitimen ordnungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, einen subjektiven Anspruch auf Genehmigung; eine Ablehnung greift in seine Grundrechte ein22. Fehlen die Genehmigungsvoraussetzungen, schlägt das formelle Verbot in ein materielles um. Korrespondiert einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt kein Anspruch auf Genehmigung, handelt es sich regelmäßig um ein repressives Verbot (mit Befreiungsvorbehalt). Dieses Institut, auch „Ausnahmebewilligung" oder „Dispens" genannt, setzt voraus, daß die fragliche Tätigkeit in der Regel als Gefährdung „überragend wichtiger Gemeinschaftsgüter" betrachtet wird 23. 22
Nach BVerfG (E 20, 150 [155] - Sammlungsgesetz) muß dem Grundrechtsträger ein solcher Anspruch, ein subjektiv öffentliches Recht auf Erteilung der Erlaubnis, zustehen. 23 Repressive Verbote sind nur ausnahmsweise zulässig. Sie finden sich etwa
2.1 Immissionsschutzrecht
19
Jenem „klassischen", etwa auch in § 12 des Abfallgesetzes (AbfG) von 1986 verwirklichten Regelungstypus („Einsammlungs- und Beförderungsgenehmigung") entspricht insbesondere das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) von 1974. Den in § 1 BImSchG formulierten (bloßen) Schutzzweck 24 konkretisieren die präventiv-polizeilichen Genehmigungserfordernisse der §§ 4, 6 BImSchG sowie bestimmte Pflichten der Antragsteller bzw. Betreiber der Anlagen: vorbeugende Kontrolle durch präventive Verbote 25 . In der Zweckbestimmungsformel des Bundes-Immissionsschutzgesetzes werden die Betreiberbelange nicht genannt. Soweit es sich um grundrechtlich geschützte Formen wissenschaftlicher und/oder wirtschaftlicher Tätigkeit handelt, also insbesondere um in die Schutzbereiche der Art. 2 I, 5 III, 12 oder 14 G G fallendes Handeln, wäre diese Nennung allenfalls aus akzeptanzpolitischen Gründen erforderlich. Der Schutzzweck setzt die Wahrung der Rechtsposition der Betreiber bereits voraus. Sind die gesetzlichen Voraussetzungen, die Konkretisierungen des Schutzzwecks sind, gegeben, so muß die Behörde die Genehmigung erteilen.
bei der Konzessionierung von Spielbanken, aber auch bei berufslenkenden Zulassungssperren, vgl. BVerwGE 28, 119, sowie beim grundsätzlichen Waldrodungsund Umwandlungsverbot des § 9 BWaldG von 1975. - Zwischen präventiven und repressiven Verboten bestehen auch Unterschiede der Beweislast. Bei jener Kontrollerlaubnis hat die Behörde die tatsächlichen Ablehnungsvoraussetzungen nachzuweisen. 24 Schutz „vor schädlichen Umwelteinwirkungen" sowie vor bestimmten „Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen"; hinzu kommt der (Präventions-)Zweck, „dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorzubeugen". Vgl. Breuer, Umweltschutzrecht, in: von Münch (Fn. 5), S. 601 ff. (661): „Damit ist neben der anthropozentrisch und polizeirechtlich orientierten Abwehr von Gefahren ... die ressourcenökonomisch und ökologisch orientierte Vorsorge zum Gesetzeszweck erhoben worden." 25 In der Literatur wird vereinzelt die Auffassung vertreten, die Betreibergrundrechte seien bereits auf Tatbestandsebene zu limitieren; sie könnten von Anfang an nur soweit reichen, als Grundrechte Dritter oder Gemeinwohlbelange nicht verletzt würden; vgl. Suhr t Die Freiheit vom staatlichen Eingriff als Freiheit zum privaten Eingriff? JZ 1980, 166 ff.; Hoffnann, Rechtsfragen der atomaren Entsorgung, 1981, S. 322 f. mit Anm. 90. Zu Recht ablehnend Lübbe-Wolff (Fn. 10), S. 184 Fn. 343: Eine derartige Limitierung setze die materielle und formelle Schutzfunktion der Grundrechte beiseite; ähnlich befürchtet Kloepfer, Umweltrecht, 1989, S. 52, bei derartigen Begrenzungen des Grundrechtstatbestandes könnten „die wirtschaftlich relevanten Grundrechte leicht zu umweltpolitisch reduzierten verfassungsrechtlichen Restbeständen degenerieren".
2. Regelungsinstrumente und ihre Anwendungsfelder
20
2.2 Inhaltsbestimmung und öffentliche Wasserrecht
Bewirtschaftung:
Angesichts der existentiellen Bedeutung des Wassers für Bevölkerung wie Gesamtwirtschaft hat der (Bundes-)Gesetzgeber im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) für Gewässer von wasserwirtschaftlicher Bedeutung einen noch einschneidenderen Weg zur Wahrung der Gemeinwohlbelange gewählt. Das Wasserhaushaltsgesetz hat das Eigentum an Grund und Boden inhaltlich so bestimmt, daß ein Recht auf beliebige Benutzung des Wassers nicht umfaßt wird, auch nicht für Anlieger oder Eigentümer 26. Die Gewässerbenutzung wird einem umfassenden System öffentlicher Bewirtschaftung unterworfen. Diese öffentlich-rechtliche Benutzungsordnung macht alle wesentlichen Grundwassernutzungen und -einwirkungen von staatlicher Zulassung abhängig. Anders als im Immissionsschutzrecht hat die Behörde bei der erlaubnis- oder bewilligungspflichtigen Gewässerbenutzung ein (weites) Bewirtschaftungsermessen (§§ 7a I, 8 II WHG) 27 . Die Genehmigung ist für das Recht konstitutiv: keine materielle Legalität ohne formelle Legalität28. Die Wasserbehörde (sie hat zugleich die Stellung der Ordnungsbehörde) ist insofern grundsätzlich nur in negativer Hinsicht gebunden — bei Vorliegen von Versagungsvoraussetzungen i.S.v. § 6 WHG muß sie ablehnen. Erst die hoheitliche Zulassung macht die Benutzung auch materiell zulässig. Auch bei diesem Regelungstyp „repressives Verbot unter dem Vorbehalt administrativer Befreiung" findet sich keine doppelte, sondern eine monistische Zwecksetzung. Herausgestellt wird einzig der Schutzzweck29.
26
Anders als etwa die Luft kann das Wasser nicht mehr als freies Wirtschaftsgut betrachtet werden: Der Schutz und die Funktionstauglichkeit der Gewässer und damit die Sicherung einer ausreichenden Menge und Güte des Wassers erfordern eine geordnete Bewirtschaftung. Vgl. BVerfGE 10, 89 (113); 58, 300 ff.; Bender /Sparwasser, Umweltrecht, 1988, S. 115. 27
„Eine Erlaubnis" bzw. „Bewilligung ... darf nur erteilt werden, wenn ...". Dabei gewährt die Erlaubnis nur eine widerrufliche Befugnis. Sie ist letztlich nur eine Unbedenklichkeitsbescheinigung. Sie bestätigt, daß dem Verhalten geltendes Recht nicht entgegensteht. 28 BVerwG, NJW 1978, 2311 f. Krit. Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 2. Aufl. 1987, Rdnr. 549. 29 Jede „vermeidbare Beeinträchtigung" hat zu unterbleiben, „eine Verunreinigung des Wassers" ist „zu verhüten" usw., § la I, I I WHG. - Die Bewirtschaftungspflicht des § la I WHG richtet sich in erster Linie an die Wasserbehörden und den Landesgesetzgeber, sodann aber auch an die Stellen, die gewässerschüt-
2.3 Atomrecht
21
Im übrigen wird zwar die Möglichkeit eröffnet, Gewässer zu nutzen, soweit Gemeinwohlbelange nicht gefährdet werden. Anders als beim Bundes-Immissionsschutzgesetz handelt es sich dabei indes um eine nur ew/flc/igesetzlich begründete Position. Die Ausübung des Bewirtschaftungsermessen braucht sich nicht am Eigentumsmaßstab zu legitimieren; sie muß lediglich dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen 30 . Gemeinwohlverträglichkeit allein gibt keinen Gestattungsanspruch.
13 Betätigungseröffnung und Versagungsermessen: Atomrecht Gegenüber diesen Instrumenten des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt (BImSchG) bzw. der öffentlichen Bewirtschaftung (WHG) enthält das Atomrecht einen dritten Regelungstyp. Nach Art. 86 I Euratom-Vertrag von 1957 stehen die „besonderen spaltbaren Stoffe" im „Eigentum der Gemeinschaft" 31 . A n diesen Zuordnungsobjekten konnte der deutsche Gesetzgeber angesichts dieser Lage (nur) „das Nutzungs- und Verbrauchsrecht" (Art. 87 Euratom-Vertrag) gewähren 32. Ziel des Atomge-
zende Rechtsverordnungen, Verwaltungsvorschriften oder Pläne aufzustellen haben. 30 Vgl. § la III WHG: das private Grundeigentum berechtigt nicht zu einer nach dem Wasserrecht gestattungspflichtigen Benutzung oder zum Ausbauen eines oberirdischen Gewässers. Nach BVerfGE 58, 300 (338 ff.) (Naßauskiesung) ist § la III WHG keine Enteignungsvorschrift, sondern eine - im übrigen verfassungsgemäße - Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S.v. Art. 14 I 2 GG. 31 Näheres bei Offermann-Clos, Eigentum in den Europäischen Gemeinschaften, 1974, S. 125 ff. Eine Besonderheit besteht in der Koppelung von Eigentumsrecht (mit der Gemeinschaft als Zuordnungssubjekt) und (Euratom-)Sicherheitskontrollen (Safeguards). Lukes , Die Eigentumsregelung für die besonderen spaltbaren Stoffe im Euratomvertrag, in: ders. (Hrsg.), Zweites Deutsches Atomrechts-Symposium, 1975, S. 35 ff. (62 ff.) versteht dabei unter dem „Eigentum der Gemeinschaft", das ja etwa haftungs- bzw. versicherungsrechtlich von hoher praktischer Relevanz ist, (nicht mehr als) die Summe gemeinschaftsrechtlicher Verfügungsbeschränkungen und Eingriffsmaßnahmen. 32 Euratom hat u.a. die Kernforschung und Kernindustrie in den Mitgliedsländern zu fördern. Art. 1 Euratomvertrag pointiert diesen Förderzwcck. Zu den „Funktionen internationaler (Nuklear-)Organisationen" Graf Vitzthum, in: Kaiser / Klein (Hrsg.), Kernenergie ohne Atomwaffen, 1982, S. 163 ff. Bezeichnenderweise führt auch die IAEO-Satzung von 1956 den Förderungszweck („zu fördern und zu unterstützen") noch vor dem heute bekannteren Kontrollzweck an; es sind naheliegenderweise die halbindustrialisierten Länder, die, gestützt auch auf Art. IV des Nichtverbreitungs-Vertrages von 1968, den Förderaspekt gegenüber
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2. Regelungsinstrumente und ihre Anwendungsfelder
setzes von 1959/1985 war es deshalb nicht primär, atomwirtschaftliche Privatinitiativen gefahrenabwehrend zu regeln. Es ging vielmehr zunächst um die Aufgabe, ein bis dahin u.a. durch Besatzungsrecht blokkiertes „hypothekarisch belastetes" Tätigkeitsfeld, von dessen Bearbeitung durch deutsche Wissenschaftler und Firmen sich der Gesetzgeber großen Gemeinwohlnutzen versprach, erst einmal zu eröffnen 33. Wegen dieser speziellen Ausgangsbedingungen war und blieb die Nutzung der Kernenergie durch Private primär eine staatliche Gestaltungsentscheidung. „Unter Verzicht auf ein ... ausschließliches Staatseigentum ... und auf Bewirtschaftungs- und Lenkungsmaßnahmen" erhielten alle die Personen, „die sich auf dem Gebiet der ... Kernenergie betätigen wollen, gleich große Chancen"34. Diese über das Polizei- und Ordnungsrecht weit hinausweisende forschungs- und industriepolitische Grundsatzentscheidung unterstrich der Gesetzgeber durch die Aufnahme des Schutz- und des Förderzweckes in § 1 AtG: durch eine duale Zweckbestimmung also. Ausgeprägt werden sollte nicht nur das Grundrecht (z.B. der Anlagennachbarn) aus Art. 2 II GG (mittels Pointierung des Schutzweckes); konkretisiert werden sollten vielmehr auch Art. 5 III, 12 und 14 GG (u.a. mittels des Förderungszweckes) — eine spannungsreiche, gerade als solche gewollte legislative Grundentscheidung. Die Begründung des EAtG bezeichnete die Förderung damals gar als Hauptzweck. Wirtschaft und Wissenschaft - zunächst eher zurückhaltend und skeptisch - sollten „angelockt", „induziert" werden. Der privaten Initiative sollten nur dort Schranken gezogen werden, wo dies aus Gründen des Schutzes oder internationaler Verpflichtungen nötig sei35.
der IAEO und den Besitzer-Ländern von Nukleartechnologie zunehmend „einklagen" (ebd., S. 167, 171 f., 174 f.). 33 Vgl. Hofmann , Privatwirtschaft und Staatskontrolle bei der Energieversorgung durch Atomkraft, 1989, S. 16. Vgl. auch Begründung zum EAtG: BT-Drs. III/759, S. 17 sowie BVerfGE 49, 89 (146) - Kalkar. 34
BT-Drs. II/3026, Ani. lb, S. 19. BT-Drs. III/759, S. 18. Konkrete Förderprogramme brauche das Atomgesetz, hieß es ebd., demgegenüber nicht zu enthalten. Diese Aufgabe würde zunächst besser durch Verwaltungsmaßnahmen und Haushaltsgesetze gelöst (was indes u.a. zur partiellen Intransparenz bei der nachfolgenden jahrelangen Subventionsvergabe führte). 35
2.3 Atomrecht
23
Diese, jedenfalls bei entstehungsgeschichtlicher Auslegung so gegebene Prävalierung des Förderzwecks 36 kehrte das Bundesverwaltungsgericht bekanntlich um: Vorrang müsse der Schutzzweck haben37 — eine vielzitierte Forderung, die der Sonderstruktur des Atomrechts indes schwerlich gerecht wird. Die in § 1 AtG angelegte - konfligierende Wechselbezogenheit von Förder- und Schutzzweck wurde dann in der Kalkar-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 38 präzisiert: Uneingeschränkten Vorrang hat der Schutzzweck nur im Bereich empirisch gesicherter Schadenswahrscheinlichkeiten; darüber hinaus ist lediglich „bestmögliche Gefahrenabwehr und Risikovorsorge" - vage abgeschätzt (weil bis auf weiteres nur vage abschätzbar) „anhand praktischer Vernunft" - gefordert 39; ein verbleibendes „Restrà/fco" (nicht: ein „Rest"oder ein „Mindestschaden") ist als sozial-adäquate Last im Interesse des Gemeinwohls in Kauf zu nehmen, also „von allen Bürgern zu tragen"40. Der tradierte Ansatz der (bloßen) Gefahrenabwehr wäre der indùstrie-, forschungs-, gesundheits- und umweltpolitischen Funktion des Staates im Bereich des Atomrechts - von seinen einschlägigen außen-,
36 Hofmann (Fn. 33), S. 17: „gemäß der historischen wie logischen Priorität des Förderungszweckes" habe „der Staat diese Wirtschaft ... gewollt, initiiert und protegiert". A.A. (d.h. keine Auflösung des im Atomgesetz angelegten Zielkonflikts durch das Gesetz selbst) Kloepfer IMesserschmidt, Innere Harmonisierung des Umweltrechts, 1986, S. 61. 37
BVerwG, DVB1. 1972, 678 (680) - Würgassen.
38
BVerfGE 49, 89 (142 f.); vgl. auch BVerfGE 53, 30 (58 f.) - MülheimKärlich. 39 Hofmann (Fn. 33), S. 15 präzisiert als damaligen Willen des Gesetzgebers: „Die friedliche Nutzung der Kernenergie soll Vorrang haben vor allen nicht auf Erfahrung gestützten Sicherheitsbedenken, denen nach dem gegenwärtigen Stande von Wissenschaft und Technik durch weitere, zusätzliche Schutzvorkehrungen nicht sinnvoll begegnet werden kann." Ebd., S. 17 ff. zu den besonderen atomrechtlichen Haftungs- und Versicherungsbestimmungen. 40 Nach BVerfGE 49, 89 (141 ff.) liegt in dieser Inkaufnahme keine Grundrechtsverletzung: Mit absoluter Sicherheit Grundrechtsgefährdungen, die aus der Zulassung technischer Anlagen und ihrer Arbeit möglicherweise entstehen könnten, ausschließen zu wollen, „hieße die Grenzen menschlichen Erkenntnisvermögens verkennen und würde weithin jede staatliche Zulassung der Nutzung von Technik verbannen". Nach Kloepfer (Fn. 25), S. 477 wäre ein absoluter Gefährdungsausschluß (d.h. letztlich ein Unterbinden der friedlichen Nutzung der Kernenergie) auch mit dem Förderprinzip des § 1 Nr. 1 AtG nicht vereinbar. „Die verfassungsrechtliche Legitimation der Risikoakzeptanz dürfte letztlich in der Situationsgebundenheit der Grundrechte in der - auch die Grundrechte prägenden - technischen Zivilisation zu suchen sein" (ebd., S. 479).
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2. Regelungsinstrumente und ihre Anwendungsfelder
bündnis-, sicherheits- und europapolitischen Aufgaben ganz zu schweigen - demnach nicht gerecht geworden. Bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie ging es nicht allein um das polizei- und ordnungsrechtliche Überwachen der Nutzung, sondern auch - ebenfalls aus Gründen des Gemeinwohls - um das Initiieren (und Instrumentalisieren) der Betätigung selbst und um das Gestalten ihrer Bedingungen. Dabei übernahm und übernimmt der Staat eine Mitverantwortung für die Risiken der Technik41. Die traditionelle (punktuelle) staatliche Sicherheitskontrolle mutiert angesichts großer Gefährdungspotentiale zur umfassenderen Risikovorsorge. Das Atomrecht verdrängt hinsichtlich der spezifischen Gefahren der Kernenergienutzung das Immissionsschutzrecht ( § 8 1 AtG, § 2 II BImSchG). Die atomrechtliche Genehmigung schließt die Genehmigung nach §§ 4 ff. BImSchG (hinsichtlich der sonstigen schädlichen Umwelteinwirkungen) ein (§ 8 II AtG). Vor dem Hintergrund der Schutzaufgabe des Staates, der Sondergefahren des Regelungsgegenstandes, des speziellen Euratom-Eigentums an den Kernbrennstoffen sowie des hier (ebenfalls kaum kritikwürdigen) Paktierens von Staat, Wissenschaft und Wirtschaft ist das erst nachträglich auf Wunsch des Bundesrates in das Atomgesetz aufgenommene Versagungsermessen der (Anlagen-)Genehmigungsbehörde42 verfassungskonform. Bei präventiven Verboten mit Erlaubnisvorbehalt ist ein derartiger Spielraum pflichtgemäßen Ermessens - dazu dienend, auch bisher nicht vorhersehbaren Umständen Rechnung tragen zu können - allerdings die krasse Ausnahme. Nach dem ungewöhnlichen Schema des Atomgesetz hat der Antragsteller selbst dann keinen Anspruch auf Genehmigung, wenn sämtliche gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sind. Der Behörde sollte die Möglichkeit gegeben werden, die Genehmigung zu versagen, wenn dies besondere, nach dem heutigen Stand der Erkenntnisse in den Genehmigungsvoraussetzungen des
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Vgl. Degenhart, Kernenergierecht, 1981, S. 33. Von einer aus der Zulassung und Förderung dieser neuartigen, potentiell hochgefährlichen Technik resultierenden staatlichen „Mitverantwortung" war auch in der Mülheim-KärlichEntscheidung unter dem Aspekt des Grundrechtsschutzes die Rede, BVerfGE 53, 30 (58 f.). 42 Vgl. § 7 I I AtG: „Die Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn ....". In den meisten Fällen, etwa i.Z.m. wissenschaftlich-technischer oder medizinischer Verwendung, handelt es sich indes um gebundene Verwaltungsakte. Sie müssen erteilt werden, wenn die gesetzlich umschriebenen Voraussetzungen der Genehmigung vorliegen: gebundene Erlaubnis als Prototyp rechtsstaatlicher Ordnungsverwaltung.
2.3 Atomrecht
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Atomgesetz noch nicht erfaßbare Umstände gebieten43: Koppelung von Ermessensregelung und präventivem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. In diesem dogmatisch verblüffenden Schema konstituiert die duale Zweckbestimmung des § 1 Nr. 1, 2 AtG - der Förderungs- und der Schutzzweck - primär Leitlinien und Grenzen für die Ausübung des Versagungsermessens44. Diese verbindliche Vorgabe bezüglich der Anwendung der Ermessensermächtigung, aber auch bezüglich der Interpretation der zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe des Atomgesetzes ist von erheblicher Bedeutung. Ohne Gesetzesänderung - allein etwa unter Hinweis auf eine grundsätzlich veränderte Bewertung der Energiequelle, des Energiebedarfs oder des potentiellen Risikos in Teilen der Bevölkerung oder der vollziehenden Gewalt - dürfen die Behörden weder Genehmigungen generell versagen noch eine Auslegung wählen, die den Doppelzweck des § 1 AtG verfehlte; der Förderzweck erschwert insoweit bis auf weiteres eine „Vollbremsung" 45. Gewiß, dieses „ausstiegsfeindliche" Ergebnis ließe sich vorerst auch auf anderem Wege erreichen und begründen, etwa mittels Exegese der Verfassung (Verhältnismäßigkeitsprinzip usw.); aber § 1 Nr. 1 AtG widerstreitet bisher am expressivsten der Annahme oder Behauptung, Atomforschung und -Wirtschaft seien sozial unerwünschte Betätigungen. „Korrigierende Alleingänge" könnten hier nur der Verfassungs- oder der Gesetzgeber selbst unternehmen46. Die - im einzelnen detaillierter zu diskutierende - atomgesetzliche Regelung im allgemeinen und die in ihren dogmatischen Tiefen und
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Vgl. BT Drs. 3/759, S. 50, 59 (Begründung zum EAtG). Näheres u. 3. 45 Dazu Wagner, Kein Ausstieg aus der Kernenergie durch Gesetzesauslegung, NJW 1987, S. 411 ff. Es sei dahingestellt, ob, wie Hofmann (Fn. 33), S. 38 zugespitzt formuliert, „überall dort, wo es um Energieversorgung und moderne Großtechnik geht, die alte gewerbepolizeiliche Sicherheitskontrolle durch den Wandel der Staatsfunktionen in den sozial- oder besser: industriestaatlichen Aufgaben der Förderung und Steuerung, hegelisch gesprochen, ,aufgehoben', d.h. zwar bewahrt, aber zugleich in einem größeren, übergreifenden Zusammenhang eingeordnet ist." 44
46 Breuer (Fn. 24), S. 686 f.: Es wäre ein Verstoß gegen den Förderungszweck des § 1 Nr. 1 AtG, „wenn die Genehmigungsbehörde sich generell und absolut weigern würde, noch eine atomrechtliche Anlagengenehmigung zu erteilen. Der Gesetzgeber hat ... eine positive Grundsatzentscheidung zugunsten der friedlichen Nutzung der Kernenergie getroffen. Die Exekutive muß daher im Einzelfall in eine konkrete Abwägung zwischen den kontierenden Zwecken des § 1 AtG eintreten."
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2. Regelungsinstrumente und ihre Anwendungsfelder
Untiefen hier nicht auszuschöpfende duale Zweckbestimmung des § 1 AtG im besonderen interessieren in unserem Kontext nur im Hinblick auf die Konzeption des EGenTG. Wie das Atomgesetz geht dieser Entwurf von einer grundsätzlich positiven Option zugunsten der Erforschung, Entwicklung und Nutzung „seiner" neuen Technik aus. Diese legislative Grundentscheidung entspricht, wie es beim EGenTG (Vorblatt) heißt, „der Erkenntnis, daß die Anwendung gentechnischer Methoden mit Risiken verbunden sein kann, zugleich aber auch Chancen in vielfältigen Lebensbereichen eröffnet, die nicht ungenutzt bleiben dürfen" — ein Spannungsbogen vom (weitgehend unausgesprochenen) Förder- bis zum (deutlich herausgestellten) Schutzzweck, wie er etwa aus den für vom Bund unterstützte Forschung und Entwicklung verbindlichen, an den Stand von Wissenschaft und Technik mehrfach angepaßten „Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch in-vitro neukombinierte Nukleinsäuren" (Gen-Richtlinien) von 1978/86 (Abschn. B, Nr. 1) ebenso vertraut ist wie z.B. aus jenem der Öffentlichkeit bekannteren § 1 AtG.
2A Sicherheitskontrolle und Entwicklungsrahmen: Gentechnikrecht Anders als bei der friedlichen Verwendung der Kernenergie unterlagen und unterliegen die Materialien der Gentechnik nicht von vornherein einer Vielzahl von inter- und supranationalen Einfluß- und Kontrollrechten 47. Die Ausgangsstoffe werden hier nicht erst durch ein nationales Gesetz für Deutsche „entsiegelt", also für Wissenschaft und Wirtschaft erstmals zugänglich gemacht. Die seit Jahren auch in der Bundesrepublik Deutschland praktizierte (umfassende) Erforschung und (potentielle) Nutzung der Gentechnik ist vielmehr bereits de lege lata gewährleistet48 - Genehmigungen erfolgen primär nach §§ 4 ff.
47
Hofmann (Fn. 33), S. 25: „Zudem war nicht zu übersehen, daß bei Inkrafttreten des Euratom-Vertrages in der Bundesrepublik gar kein Privateigentum an Kernbrennstoffen existierte. Denn eine deutsche Produktion gab es nicht, und das aus den USA, England und Kanada importierte Material stand unter Eigentumsvorbehalt der Lieferländer, die damals noch ein staatliches Eigentumsmonopol an Kernbrennstoffen besaßen." 48
Durch die Gen-Richtlinien als Verwaltungsvorschrift, die normativ-verbindliche Regelung von Einzelaspekten der Gentechnik in einigen Rechtsbereichen (4. BImSchG-VO [Anhang Ziff. 4.11.], Abwasserherkunfts-VO, Gefahrstoff-VO) usw., von der verfassungsrechtlichen Grundlage (insb. Art. 5 III, 12 I GG) ganz zu schweigen. Für den Arbeitsschutz gilt eine bes. Unfallverhütungsvorschrift
2.4 Gentechnikrecht
27
BImSchG - , verfassungsrechtlich vor allem durch die Forschungsfreiheit und die Wirtschaftsgrundrechte 49 . Die gesetzliche Regelung der Gentechnik 50 , auch der EGenTG, ist nicht konstitutiv für das Erforschungs- und Nutzungsrecht 51 . A u f einem anderen Blatt steht die Forderung, daß auch im Bereich der Gentechnik 5 2 in „einem modernen Industrie- und Rechtsstaat wie der Bundesrepublik Deutschland ... auf die Dauer eine verbindliche Regelung ... unverzichtbar" ist, eine Regelung, die im wesentlichen „nur durch ein Gesetz erfolgen" kann 53 .
(VBG 102 Biotechnologie). Abwässer aus gentechnischen Anlagen erfaßt § 7 a WHG. Das ChemG mit der Gefahrstoff-VO regelt einzelne Anwendungsbeispiele der „klassischen" Biotechnik. Soweit Krankheitserreger freigesetzt werden, gilt das BSeuchG entsprechend. - Angesichts der Fülle einschlägiger gesetzlicher und untergesetzlicher Vorschriften wurde jahrelang vielfach die Auffassung vertreten, eine eigene gesetzliche Regelung für die Gentechnik sei entbehrlich, zumal es in der Bundesrepublik Deutschland wie im Ausland noch immer an hinreichender Erfahrung für eine sachangemessene, langfristig „greifende" gesetzliche Regelung fehle. Erst 1987/88 setzte sich offenbar die Auffassung durch, aus Gründen höherer Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, aber wohl auch zwecks Akzeptanzarbeit sei ein GenTG rechtspolitisch wünschenswert (wenn auch nicht verfassungsrechtlich geboten). 49 Klarstellend (wenn auch merkwürdig vage) heißt es in der Begründung des EGenTG: „Ein völliges Verbot" - zu ergänzen wäre: ebenso bereits ein ungerechtfertigt langes Moratorium - „würde auch die verfassungsrechtlich gewährleistete Forschungsfreiheit und Berufsfreiheit unverhältnismäßig einschränken und wäre mit den Grundsätzen einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung unvereinbar", BR-Drs. 387/89, S. 21. 50 In BR-Drs. 531/88 vom 7.11.1988 (betr. patentrechtliche Förderung der technischen Innovation, eines wesentlichen Faktors des Wirtschaftswachstums), S. 8, findet sich folgende für unsere Zwecke hinreichende Gentechnik-De/wzftoAi: Bei ihr „handelt es sich um neuaufkommende Methoden zur Einschleusung, Veränderung oder Lösung gentechnischer Informationen in einem Gastorganismus, mit dem Zweck, diesem (einem Mikroorganismus, einer Pflanze oder einem Tier) neue Eigenschaften zu vermitteln. Durch die Entwicklung der Anwendung dieser Methoden ist die Möglichkeit gegeben, gentechnische Merkmale von Organismen zu manipulieren und dabei die Schwierigkeiten und Grenzen des natürlichen Genaustausches zu überwinden." 51 Aufgrund des potentiellen Restrisikos sind der Schutz- und der Förderzweck im Gentechnikbereich indes in ähnlicher Weise (spannungsreich) aufeinander bezogen wie das bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie oder z.B. auch beim Pflanzenschutz erfolgte. 52
Zu möglichen Risiken (für Beschäftigte, Bevölkerung, Umwelt usw.) vgl. etwa die Stellungnahme der Bundesregierung (Anhang 3). 53 BT-Drs. 11/5622, S. 20.
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2. Regelungsinstrumente und ihre Anwendungsfelder
Das Regelungsgefüge des EGenTG korrespondiert schwerpunktmäßig somit demjenigen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Die Sicherheitskontrolle steht auch hier im Vordergrund. Nur bestimmte Tätigkeiten werden als genehmigungspflichtig eingestuft. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen besteht ein Genehmigungsanspruch54. Es gibt, anders als etwa im Atomrecht, kein Versagungsermessen. Neuen Erkenntnissen über bislang unbekannte mögliche Risiken (und Chancen) ist u.a. bei der Auslegung der (notwendigerweise zahlreichen) unbestimmten Rechtsbegriffe und bei der Anwendung der (wenigen) Ermessensermächtigungen Rechnung zu tragen — jeweils im Lichte der Grundweichenstellung des Gesetzgebers für die (kontrollierte, verantwortete) Genforschung und Gentechnik. Als Rechtsrahmen für die weitere Entwicklung der Gentechnik erdrosselt der EGenTG diese ebensowenig wie er eine Blankovollmacht darstellt. In der rechtspolitischen Diskussion ist der EGenTG - wie die Gentechnik selbst, vor allem in der Bundesrepublik Deutschland - stark umstritten. Einen zentralen Kritikpunkt bilden dabei die im Entwurf (verfassungsgerecht) getroffenen Risikoabstufungen und ihre Ausgestaltung in Form differenzierter, zudem den jeweiligen wissenschaftlichen und technischen Erkenntnissen und Erfahrungen anzupassenden Genehmigungs- und Sicherheitsanforderungen. Der EGenTG sieht, wie gesagt, nicht für alle Anwendungsbereiche der Gentechnik eine Genehmigungspflicht vor — das Übermaßverbot soll nicht verletzt werden. In diesem differenzierenden Ansatz kommt zum Ausdruck, daß die gentechnischen Sicherheitsprobleme in einigen Bereichen als denjenigen, die bei jedenfalls vorerst vertrauteren Forschungs- und Produktionsmethoden entstehen, vergleichbar angesehen werden. Die etwaigen spezifischen Risiken der Gentechnik55, insbesondere ein behauptetes
54 Ob dies auch im Bereich der Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen der Fall bleiben wird, wie in §§ 13 ff. EGenTG vorgesehen, oder ob diesbezüglich in der Bundesrepublik Deutschland ein (mehrjähriges) Moratorium verfügt werden soll, ist eines der Streitthemen der derzeitigen rechtspolitischen Beratung. Während der EGenTG einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Genehmigung an Generalklauseln knüpft, entfällt dieser nach den Vorschlägen der Kritiker, und es werden umgekehrt nur die Voraussetzungen genannt, unter denen eine Freisetzung genehmigt werden darf; es werden also Ermessensspielräume eingeräumt. Vgl. z.B. Agrarausschuß BR-Drs. A 024 - Nr. 43/89, S. 18 ff. Die einschlägigen Rechtsfragen sind zunehmend nicht nur solche des deutschen Verfassungs-, sondern auch des Europäischen Gemeinschaftsrechts. 55 Zu „Anhaltspunkten für prinzipiell neue Risiken" i.V.m. der Gentechnik (verneinend) BT-Drs. 11/5622, S. 20. Zu den Gefahren zurückhaltend bereits
2.4 Gentechnikrecht
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Risiko der „Ungewißheit" 5 6 bzgl. möglicher pathogener Mutationen oder ökologischer Konsequenzen unfreiwillig freigesetzter Mikroorganismen, werden auf bestimmte, einzelne Anwendungsbereiche begrenzt. Die Kritiker betrachten dagegen alle Anwendungsbereiche der Gentechnik - insofern in Analogie zum Atomrecht - als von einem „prinzipiell neuen Risiko" entscheidend kontaminiert. Diese Stimmen weigern sich insofern, in die konkrete Überprüfung der jeweiligen Verfahren und Anlagen bzw. ihrer spezifischen möglichen Risiken überhaupt einzutreten 57 . Dies gilt auch für den Hessischen Verwaltungsgerichtshof y auf dessen aktuellen, in seinen Konsequenzen weitreichenden Gentechnik-Beschluß ausführlicher einzugehen ist. Nach Auffassung des 8. Senats des V G H Kassel 58 kann eine Genehmigung zur Herstellung von Humaninsulin -
BT-Drs. 11/3908, S. 3: „keine empirischen Anhaltspunkte für prinzipiell neue Risiken". - Konsequenterweise sehen die EG-Richtlinienvorschläge als wesentliches Element ein Anzeigeverfahrcn für die Betreiber vor. Ein Genehmigungsverfahren wird nur erörtert für die industrielle Produktion mittels risikoreicher Organismen in geschlossenen Systemen. 56 Nicklisch, Das Recht im Umgang mit dem Ungewissen in Wissenschaft und Technik, NJW 1986, S. 2287 ff. 57 Hier handelt es sich insbesondere um die Bundestagsfraktion der GRÜNEN, vgl. das im Bericht der Enquete-Kommission (Fn. 21), S. 314 ff. abgedruckte Sondervotum; weiterhin Ökoinstitut Freiburg / Darmstadt (Hrsg.), Gefahren der Gentechnik, Gutachten erstellt im Auftrag des Hess. Ministers für Umwelt und Energie, Werkstattreihe Nr. 34, 1986. - Von juristischen Kritikern der Gentechnik wird zwar eine „ganzheitliche Bewertung", d.h. eine an einem einheitlichen Restrisiko orientierte Bewertung der Gentechnik gefordert; es wird indes auch aus diesem Lager kein grundsätzliches Verbot der Gentechnik verlangt. Es handele sich um einen „Zielkonflikt zwischen Schutz- und Förderzweck", der zugunsten der Priorität des Schutzzweckes zu lösen sei. Vgl. dazu Hart, Rechtspolitik und Gentechnologie, KJ 1988, S. 99 ff.; Damm/Hart, Rechtliche Regulierung riskanter Technologien, KritV 1989, S. 183 ff. 58
Beschluß (nach § 80 VwGO) vom 6.11.1989 - 8 TK 685/89 (rechtskräftig); auszugsweise abgedruckt in Anhang 2. Das erstinstanzliche Judikat (Beschluß des VG Frankfurt vom 3.2.1989), das zum entgegengesetzten Ergebnis kam, ist abgedruckt in NVwZ 1989, S. 1097 ff. - Anders als das VG Frankfurt hält der VGH Kassel die Klage in der Hauptsache für offensichtlich begründet und damit das Interesse der Antragsteller an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes für überwiegend. Der Schwerpunkt der Begründung des VGH Kassel liegt deshalb auf der Prüfung der Hauptsache. Eine solche nicht nur summarische Prüfung ist insbesondere bei technischen Großprojekten, die wegen ihrer Kostenintensität nur schwer rückgängig zu machen sind sowie bei schweren Grundrechtseingriffen legitim, i.d.R. sogar geboten. Sie muß sich dann allerdings auf die Frage der Offensichtlichkeit der fehlenden oder bestehenden Erfolgsaus-
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2. Regelungsinstrumente und ihre Anwendungsfelder
zur Behandlung von Diabetikern - unter Verwendung gentechnisch veränderter Mikroorganismen - das konkrete Genehmigungsverfahren dauert seit 1984 an - nicht auf der Basis des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erteilt werden59. Wie etwa die Freisetzung von gentechnisch veränderten Mikroorganismen sei jene Arzneimittelproduktion, so der VGH Kassel, durch ein Risiko der Ungewissheit - gemeint ist: ein letztlich nicht abschätzbares biologisches Risiko - geprägt; dieses Risiko werde vom BundesImmissionsschutzgesetz, das soz. „konventionellere" Gefahren im Auge habe, nicht erfaßt. Entscheidend für die Qualifikation des Regelungsproblems sei - analog zum Atomrecht, konträr zum Bundes-Immissionsschutzgesetz bzw., so müssen wir ergänzen, zum EGenTG - das allgemeine „Restrisiko", nicht die nach Anwendungsbereichen abgestufte Sicherheitsproblematik, oder gar die konkrete Gefährlichkeit (oder Nichtgefährlichkeit) einer Anlage oder Tätigkeit. Insofern sei ein Spezialgesetz60 zur Zulassung und Regelung aller Anwendungsbereiche der Gentechnik rechtlich geboten. Bereits diese Einschätzung des Gefährdungspotentials der Gentechnik ist - um hier nur den offenkundigsten Kritikpunkt zu erwähnen zumindest nicht evident 61. Der Hess. VGH stützt sich offenbar im we-
sicht in der Hauptsacheentscheidung beziehen. Vgl. Kopp, VwGO, 8. Aufl. 1989, § 80, Rdnr. 82. 59 Wie bereits die Entstehungsgeschichte des BImSchG zeigt, soll das Gesetz indes die in ganz unterschiedlichen technischen Prozessen entstehenden Folgewirkungen regeln. Das BImSchG ist nach seiner Funktion nicht auf diejenigen Gefahrenquellen und technischen Anlagen beschränkt, die der historische Gesetzgeber im Auge haben konnte, sondern soll gerade auch neue Entwicklungen rasch erfassen und in das System der Gefahrenprävention durch Genehmigungserfordernisse eingliedern. Die Ergänzung der ImmissionsschutzVO ist hierzu ein rechtsstaatskonformes Mittel der Anpassung des Regelungsinstrumentariums. Nicht jede neue Technik erfordert eine eigene Regelung. Huber, Der Immissionsschutz im Brennpunkt des modernen Verwaltungsrechts, AöR 114 (1989), 253 ff. (255 ff.); Schwab, Gentechnologie und Immissionsschutzrecht, NVwZ 1989, 1012 ff. (1013 f.). 60 S. Leitsatz 1: „Gentechnische Anlagen dürfen nur aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung über die Nutzung der Gentechnologie errichtet und betrieben werden." Leitsatz 2: „Weder das Bundesimmissionsschutzgesetz noch andere Fachgesetze bilden eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer gentechnischen Anlage." 61 So hält etwa Richter, Gentechnologie als Regelungsgegenstand des technischen Sicherheitsrechts, 1989, S. 280 f., die gentechnische Arzneimittelproduktion
2.4 Gentechnikrecht
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sentlichen auf das Gutachten des Freiburger Ökoinstituts, das zu dem Ergebnis kommt, biologische Sicherheit könne es nicht geben. Auch die bei der Insulinproduktion verwendeten „Sicherheitsstämme" der EColi Bakterien seien außerhalb des geschlossenen Systems im Verhältnis 1 zu 200 000 überlebensfähig und könnten den menschlichen Darm besiedeln62. Ob es sich bei den im Gutachten genannten Folgewirkungen - wie gefährlichen Wechselwirkungen mit körpereigenen Substanzen und Austausch der transferierten DNA mit Körperzellen - um potentielle, d.h. naturwissenschaftlich nicht auszuschließende Risiken handelt, oder ob es konkrete Anhaltspunkte für eine Wahrscheinlichkeit dieser Folgen gibt, ob es sich also um bloß vermutete oder um erwiesene Gefahren handelt, bleibt in dem Gutachten hingegen unscharf. Aus juristischer Sicht kommt es jedoch u.a. auf diesen Unterschied an. Ein nicht auszuschließendes „Restrisiko" der begrenzten Vorhersehbarkeit des Verhaltens biologischer Systeme ist im Hinblick auf die Genehmigungs- und Sicherheitsanforderungen anders zu bewerten als eine erwiesene Gefahr. Ein potentielles Restrisiko führt nicht etwa zu einem generellen Verbot der Gentechnik63. Auf dieser verfassungsrechtlichen Grundlage hatte bereits die Enquete-Kommission argumentiert und ihre Empfehlungen, denen dann der Bundestag in allen wesentlichen Punkten zustimmte, formuliert. Eine über 10-jährige Grundlagenund Sicherheitsforschung, in der weltweit unzählige Gentransferexperimente durchgeführt wurden, habe keinerlei Hinweis auf die hypothetisch angenommenen Risiken ergeben; es bleibe lediglich ein Restrisiko in den Grenzen der Vorhersehbarkeit 64.
für „unspektakulär"; es handele sich eher um eine Materie „klassischer Risikoabwehr"; Richter plädiert daher für eine Mischregelung. 62 Oben Fn. 57, S. 21 ff. (31). Dieses Gutachten wurde von den Antragstellern (Nachbarn der Anlage) im erstinstanzlichen Verfahren eingebracht und bereits vom VG Frankfurt - wenn auch mit entgegengesetztem Ergebnis gewürdigt. - Auch für die Produktion mit Sicherheitsstämmen der Ε-coli Bakterien sei deshalb ein 100%iges Containment, d.h. absolute Laborsicherheit, erforderlich. 63
I.d.S. auch die Stellungnahme der Bundesregierung (Anhang 3). Bericht der Enquete-Kommission (Fn. 21), S. 195 f.: „auch für Aussagen über das Verhalten von Sicherheitsstämmen gilt natürlich die prinzipielle Grenze der Bestimmung biologischer Restrisiken" (S. 196). 64
32
2. Regelungsinstrumente und ihre Anwendungsfelder
Der VGH Kassel hatte nur die Frage zu prüfen, ob die Klage in der Hauptsache offensichtlich begründet ist65. Ist die für die rechtliche Bewertung maßgebliche Risikoeinschätzung aber sowohl unter Experten als auch Politikern umstritten, hätte das Gericht besser judicial selfrestraint geübt und die Evidenz - wie bereits das VG Frankfurt verneint. Bei mangelnder Offensichtlichkeit hätte die Risikobewertung des Gerichts bei der Abwägung der Vor- und Nachteile eines verspäteten Vollzugs zum Tragen kommen können. Fehlt die Evidenz, so ist diese Abwägung nicht durch die Prognose für die Hauptsachentscheidung präjudiziert. Hier kann das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung treffen. Neben den Risiken der gentechnischen Produktion hätte der VGH Kassel dann allerdings auch die ökonomischen Folgen des Stops der Anlage, einschließlich der weitreichenden Konsequenzen eines solchen Technikmoratoriums 66, in seine Abwägung miteinbeziehen müssen, wie dies bereits das VG Frankfurt getan hat. Sollen bis zum Erlaß eines Gentechnikgesetzes - bis zu dem ja u.U. noch Jahre hingehen können - keine gentechnischen Arbeiten mehr in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt oder (man denke nur an die universitäre Forschung und Lehre) staatlicherseits organisiert und gefördert werden dürfen? Die - auch zeitlich - weitreichenden Konsequenzen der staatlichen Grenzziehung im Bereich der mit potentiellen Restrisiken belasteten Großtechniken 67 sowie die kontroversen, polarisierenden Diskussionen mögen die Option für oder gegen „die Gentechnik" als eine wesentliche Entscheidung qualifizieren, als eine Entscheidung also, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, losgelöst vom Merkmal des „Eingriffs", parlamentarischer Legitimation bedarf. Ein derartiger Legitimationsbedarf wäre Ausfluß des u.a. die Öffentlichkeit des Willensbildungsprozesses gewährleistenden Demokratieprinzips; er bedeutete indes nicht notwendig, daß eine Bedarfsdeckung nur in Form
65
Für die Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage gelten grundsätzlich keine anderen Regeln als für das Hauptsacheverfahren selbst. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann das Gericht jedoch eigenständige Erwägungen bezüglich der Verfassungsmäßigkeit einer Norm anstellen; es ist von der Vorlagepflicht gem. Art. 100 GG insoweit befreit; Kopp (Fn. 58), § 80, Rdnr. 92a. Spezielle Probleme, die der Beschluß im Hinblick auf den vorläufigen Rechtsschutz aufwirft, bleiben im Folgenden außer Betracht. 66 Zu Folgen der Entscheidung vgl. auch die Stellungnahme der Bundesregierung (Anhang 3). 67 Zu verfassungsrechtlichen Problemen von Langzeitrisiken Hofmann (Fn. 24), S. 258 ff.
2.4 Gentechnikrecht
33
eines förmlichen Gesetzes möglich wäre. Dies wäre vielmehr nur dann geboten, wenn staatliches Handeln intensiv im Grundrechtsbereich wirkte, insbesondere ein Lebenssachverhalt normiert würde, der den einzelnen in seiner individuellen Existenz umfassend ergriffe 68. Das förmliche Gesetz, das verstärkt Rechtssicherheit gewährleistet, wird dabei vom Rechtsstaatsgebot gefordert, nicht vom Demokratieprinzip; einen „demokratischen Totalvorbehalt" kennt das Grundgesetz ebensowenig wie - in den Worten des Bundesverfassungsgerichts 69 - „einen aus dem Demokratieprinzip fälschlich abgeleiteten Gewaltenmonismus in Form eines allumfassenden Parlamentsvorbehalts." Auch aus dem Demokratieprinzip folgt bekanntlich nicht, daß alle objektiv wesentlichen Entscheidungen in Form eines Gesetzes zu ergehen haben70. Die beiden Elemente der Wesentlichkeitslehre, der freiheitssichernd-rechtsstaatliche Gesetzesvorbehalt und der demokratische Parlamentsvorbehalt, sind also auseinanderzuhalten71. Auch diesem Differenzierungsgebot wurde der VGH Kassel nicht gerecht. In seinem Gentechnik-Beschluß prüfte der VGH nicht, ob eine auch für den Bereich der Grundrechtsausübung ausreichende Willensäußerung des Parlaments72 etwa bereits in der jahrelangen Bewilligung
68 69
Etwa in den Bereichen Schule, Ausbildung, Beruf - BVerfGE 33, 125.
BVerfGE 49, 89 (125). Vgl. BVerfGE 68, 1 (109) - Pershing. 71 Das BVerfG selbst vermengt (bzw. verschränkt) diese unterschiedlichen Elemente zuweilen in seiner „Wesentlichkeitsrechtsprechung". Dazu bereits Op~ permann, Nach welchen rechtlichen Grundsätzen sind das öffentliche Schulwesen und die Stellung der an ihm Beteiligten zu ordnen? Gutachten C zum 51. DJT 1976, C 48 f. sowie die kritische Diskussion zum Begriff der „Wesentlichkeit" ebd., Sitzungsbericht M, M 108 ff.; vgl. weiterhin Degenhart, Staatsrecht I, 5. Aufl. 1989, Rdnr. 33 ff., 262. 72 Ob wesentliche Entscheidungen „am Parlament vorbei" getroffen werden, ergibt sich nicht nur aus dem Einsatz (oder Nichteinsatz) des Gesetzgebungsinstruments, sondern etwa auch aus der parlamentarischen Einwirkung mittels des Kontroll- und Budgetrechts (vom Wahl- und Abwahlrecht als „fleet-in-being" ganz zu schweigen). Beide Formen der Einwirkung und begleitenden Verantwortungswahrnehmung hat der Deutsche Bundestag gerade im Gentechnikbereich intensiv wahrgenommen, nicht zuletzt durch die beeindruckende Arbeit der einschlägigen Enquete-Kommission und die detaillierte Beratung ihrer Empfehlungen. Vgl. nur BT-Drs. 11/5320 vom 4.10.1989 (Vorblatt): Mit den Beschlußempfehlungen „werden Maßstäbe für einen verantwortlichen Umgang mit der Gentechnologie gesetzt". - Ähnlich auch VG Frankfurt (Fn. 58), S. 1099. Daß der Gesetzgeber im Grundsatz die Entwicklung und den Einsatz der Gentechnik nicht nur toleriert, sondern (wenn auch eben noch nicht spezial-gesetzlich) gebilligt hat, ergibt sich schon aus diesen seinen Einzelschritten. 70
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2. Regelungsinstrumente und ihre Anwendungsfelder
der Haushaltstitel in der Gesamthöhe von Hunderten von Millionen D M zur Förderung der Gentechnik zu sehen ist. Keine Rolle spielte in diesem Zusammenhang für das Gericht insbesondere die massive jahrelange staatliche Unterstützung von gentechnischen Arbeiten in Forschungslabors, einschließlich ihres bisherigen Freistellens vom Erfordernis einer ausdrücklichen Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz. All diese Tätigkeiten und Anlagen hielt und hält der Gesetzgeber, auch im Hinblick auf den Grundrechts- und Umweltschutz, offensichtlich für zulässig, ja überwiegend für erwünscht, für förderungswürdig 73. Die europäische und internationale Dimension, in die auch der deutsche Gesetzgeber eingebunden ist (etwa im Hinblick auf EG-Richtlinien und EG-Förderprogramme), nahm der Hess. VGH ebenfalls nicht in den Blick. Gleiches gilt von dem Umstand, daß die Enquete-Kommission des Bundestags, wie dieser selbst, in den Jahren 1987/89 Moratoriumsvorstellungen insofern eine Absage erteilte, als sie ein spezifisches Gentechnikgesetz - wie es sich dann im EGenTG niederschlug - zwar forderte, für die Zwischenzeit das Bundes-Immissionsschutzgesetz aber offensichtlich für ausreichend ansah. Moratoriumskonzepte wurden zwar minderheitlich für Freisetzungsexperimente diskutiert, mehrheitlich indes auch diesbezüglich vorerst verworfen — in Brüssel allerdings weit nachdrücklicher als in Bonn. Der VGH Kassel folgerte aus der Pflicht des Staates zum Schutz der Grundrechte, hier reduziert auf die Schutzpflichten aus Art. 2 II 1 GG, daß ein förmliches (Spezial-)Gesetz erforderlich sei. Anders als bei der Kalkar-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die sich an § 7 AtG orientieren konnte, fehle im Gentechnikbereich, der ein der Kerntechnik vergleichbares Gefahrenpotential aufweise, eine hinreichend bestimmte normative - parlamentsentschiedene - Grundlage74.
73 Zudem besteht zwischen den Koalitionsparteien und der SPD seit längerem weitestgehend Konsens darüber, daß eine Nutzung der Gentechnik unter Begrenzung der Risiken grundsätzlich ethisch und rechtlich verantwortbar und möglich ist. Vgl. als neuesten Beleg die Auszüge aus der Debatte vom 26.10.1989, in: Das Parlament vom 10.11.1989, S. 6 ff. (Erste Lesung des EGenTG). 74 Mit der Frage, ob die bisher von der Exekutive generell und im konkreten Fall angewandte normative Grundlage (BImSchG, nebst den einschl. Verordnungen), von deren „Passen" stets auch die Legislative (und wohl auch die EGRechtsetzung) ausging, dem Schutzpflichtgedanken (selbst in dessen Interpretation durch den VGH) nicht bereits genügt, hat sich das Gericht nicht auseinandergesetzt.
2.4 Gentechnikrecht
35
Durch diese Koppelung von staatlicher Schutzpflicht einerseits und Wesentlichkeitstheorie bzw. Parlamentsvorbehalt andererseits werden die Voraussetzungen des rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehaltes gegenüber der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Richtung eines demokratischen Totalvorbehalts erweitert. Für jede staatliche Entscheidung, die nicht nur marginale Auswirkungen im grundrechtsrelevanten Bereich hat, wäre danach ein förmliches (Zulassungs-) Gesetz erforderlich; ohne derartige formalgesetzliche Zulassung bestünde ein Moratorium. Das Grundgesetz statuiert indes keinen Gewaltenmonismus i.S.e. allgemeinen Parlamentsvorrangs, sondern verleiht auch den übrigen, verfassungsmäßig konstituierten Gewalten demokratische Legitimation75. Der Ansatz des Hess. VGH stellt insoweit eine Übersteigerung der Anforderungen der Wesentlichkeitsrechtsprechung dar. Der Legislative wie der Exekutive kommt bei der Erfüllung der Schutzpflichten - auch bezüglich des Zeitrahmens - „ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu", eine „weite Gestaltungsfreiheit", die von der Judikative „nur in begrenztem Umfang überprüft werden" kann76. Daß die bisherigen Maßnahmen des Gesetzgebers (insbesondere das Bundes-Immissionsschutzgesetz) wie der vollziehenden Gewalt im Hinblick auf den Grundrechtsschutz im Gentechnikbereich „gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich" - etwa lükkenhaft bzgl. des Grundrechtsschutzes - sind, oder daß dem Schutzpflichtgedanken ausnahmsweise „allein durch eine bestimmte Maßnahme" (eben den Erlaß eines Gentechnik-Spezialgesetzes) „Genüge getan werden kann" - so die Fragestellung, die das Bundesverfassungsgericht 77 aufgibt - , wird man nicht sagen können.
Der VGH Kassel hat diese für den Umfang und das Ergebnis seiner Prüfung entscheidenden Fragen mittelbar insofern beantwortet, als er aus der Doppelperspektive „Schutzpflichtgedanke" und „Wesentlichkeitsprinzip" eine einzige Maßnahme für sofort geboten hält (bzw. ihr Fehlen, ohne Einräumen einer Übergangsfrist, „durchschlagen" läßt): die ausdrückliche Zulassung der Gentechnik allein durch den Gesetzgeber in Form eines Spezialgesetzes 78. Bis zum Schaffen dieser spezifischen 75
BVerfGE 49, 89 (124 ff.); 68, 1 (109); Kloepfer Degenhart (Fn. 71), Rdnr. 41. 76 77
(Fn. 25), S. 118, Rdnr. 40;
BVerfGE 77, 170 (214 f.) - C-Waffen.
BVerfGE 77, 170 (215). 78 Noch unbeantwortet, aber eben zu beantworten sei „die Frage, ob der Gesetzgeber überhaupt gerade die mit der Nutzung der Gentechnik verbünde-
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2. Regelungsinstrumente und ihre Anwendungsfelder
Gentechnikregelung besteht im Ergebnis, als Konsequenz dieses Beschlusses, nach Auffassung des VGH ein „Gentechnikverbot"; eine Anpassungs- und Nachbesserungs/rwi wird dem Gesetzgeber, obwohl dieser doch bereits erhebliche Vorarbeiten geleistet hat und bzgl. des bisherigen Vorliegens einer gesetzlichen Grundlage für die Zulassung und Nutzung der Gentechnik zumindest „guten Glaubens" war, überraschenderweise und abweichend von der einschlägigen Praxis des Bundesverfassungsgerichts nicht zugebilligt79. Widersprüchlich erscheint insofern auch die so griffig formulierte Aussage des VGH Kassel, die Anlage sei genehmigungsbedürftig, aber nicht genehmigungs/a/wg. Kann die Anlage auf der Grundlage von § 4 BImSchG nicht genehmigt werden, weil diese Norm hinsichtlich der Gentechnik den Anforderungen der Wesentlichkeitsrechtsprechung nicht genügt, stellt sich doch die Frage, aus welcher rechtlichen Grundlage ihre behauptete Genehmigungsbedürftigkeit folgen soll. Eine entsprechende einfachgesetzliche Norm fehlt, wenn man das Bundes-Immissionsschutzgesetz als nicht einschlägig ansieht. Auf der Ebene der Grundrechte könnte eine Genehmigungsbedürftigkeit nur begründet werden, wenn der Tatbestand der Berufs- und Gewerbefreiheit das risikobelastete Verhalten nicht umfaßt. Diese Argumentation trägt wie gesagt - verfassungsrechtlich nicht. Sie widerspricht dem Gefüge des Gentechnik-Problems als einer Frage der Grundrechtskollision bzw. der Schrankenbestimmung. Die VGH-Einschätzung der mit der Gentechnik verbundenen potentiellen Risiken, einschließlich ihrer Analogiefähigkeit mit denen der Kernenergie, ändert nichts an der nicht nur für die Frage der legislativen Zweckbestimmung maßgeblichen grundrechtlichen Struktur des EGenTG. Auch solche Tätigkeiten, die bei Schadensrealisierung Rechtsgüter Dritter massiv verletzen könnten oder deren Folgen schwer absehbar wären, sind zunächst grundrechtlich geschützt; Schutzinteressen stoßen also auf Betreiberinteressen, beider Positionen sind grundrechtlich garantiert. Ein Ausgrenzen „gemeinschädlicher" Tätigkeiten mittels Inhaltsbestimmung des Eigentums - wie etwa im Wasserrecht - bzw. auf Tatbestandsebene (etwa über den Schutzpflichtgedanken) ist im Bereich der Gentechnik schon wegen der Vielfalt und Heterogenität der Anwendungsbereiche letztlich nicht möglich; auch der EGenTG zielt nicht in diese Richtung.
nen Gefahren ... als sozial-adäquates Risiko der Bevölkerung zumuten will", s. Anhang 2. 79 Kritisch dazu auch die Stellungnahme der Bundesregierung (Anhang 3).
2.4 Gentechnikrecht
37
Es gilt eine grundsätzliche Freiheitsvermutung auch für risikobelastete Tätigkeiten. Die Grundrechte begründen hier wie allgemein eine Argumentationspflicht zu Lasten des (einschränkenden) Gesetzgebers. Die Genehmigung im Gentechnik-Bereich kann keinen repressiven, sondern nur einen präventiven Charakter haben. Sie dient dem Ausgleich der kollidierenden Grundrechte (auch solchen zwischen Betreibern, Mitarbeitern und Anwohnern), der öffentlichen Interessen usw. i.S.d. praktischen Konkordanz — auf der Ebene der gesetzlichen Schrankenziehung (insbesondere eben in der Form einer Genehmigungspflicht) 80. Auch im Bereich der Gentechnik bleibt die Verantwortung des Staates damit mehrdimensional: der Risikovorsorge (Art. 2 II 1 GG) wie der Chancengenerierung und -Nutzung (Art. 5 III, 12, 14 GG) verpflichtet. Dabei ist Art. 2 II 1 GG keine ,preferred freedom". Es liegt vielmehr eine im Prinzip durchaus vertraute, traditionelle Grundrechtskonkurrenz vor; sie ist lege artis zu lösen, auf dem Hintergrund also der jeweiligen konkreten Gefahrenlage 81. Das gilt für den Verfassungsinterpreten genauso wie für den Gesetzgeber. Letztlich ist das Problem Gentechnik hier, im materiellen Bereich, zu lösen, nicht dort, bei der Wesentlichkeitslehre. Insgesamt gehört der EGenTG damit eher zum „klassischen" Typus der Gefahrenabwehr (und Risikovorsorge) als zum Instrumentarium wohlfahrtsstaatlicher oder „betätigungseröffnender" Wirtschaftslenkung bzw. -gestaltung. Im Rahmen jenes Typus polizei- und ordnungsrechtlicher Wirtschafts- und rechtsstaatlicher Technikkontrolle müssen die Grundrechte der Betreiber (u.a. Art. 2 I, 12, 14 GG) wie die Dritter
80
Der Betrieb der industriellen Anlage ist - entgegen der Auffassung des VGH - bei einem Nichtgreifen des § 4 BImSchG wie etwa der Betrieb von Forschungsanlagen genehmigungsfrei, und er kann nur auf der Grundlage der polizeirechtlichen Generalklausel untersagt werden. Ein solches Verbot kann aber auch unterbleiben, wenn die Rechtsgüter Dritter ausreichend geschützt sind. Die Begründung des Urteils vermag ein Moratorium damit nicht zu stützen. 81 Jarass, Grundrechte als Wertentscheidungen bzw. objektivrechtliche Prinzipien in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 110 (1985), S. 363 ff. (384) geht sogar umgekehrt von einer Asymmetrie zu Lasten des Drittbetroffenen (Art. 2 I I GG) aus. Von einer „Symmetrie" im Dreieck zwischen Störer, Drittem und Staat spricht dagegen zu Recht Hermes, Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit, 1987, S. 206. Abwehrrechte und Schutzpflichten unterscheiden sich nicht in ihrem grundrechtlichen Gewährleistungsumfang, sondern im Hinblick auf ihre gerichtliche Überprüfbarkeit. Dazu auch Klein, Grundrechtliche Schutzpflichten des Staates, NJW 1989, 1633 ff. (1637 ff.).
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2. Regelungsinstrumente und ihre Anwendungsfelder
(insbesondere Art. 2 II GG) sowie der Umweltschutz und die übrigen Gemeinwohlbelange nach den Grundsätzen praktischer Konkordanz optimiert werden. Welche dogmatische Aufgabe kommt dabei - sowie im Technik- und Umweltrecht allgemein - den gesetzlichen Zweckbestimmungen im einzelnen zu? Was folgt daraus für den EGenTG bzw. seine etwaige Korrektur?
3. Dogmatische Funktionen der Gesetzeszwecke 3.1 Leitlinie und Schranke der Interpretation Legislative Ziel- und Zweckbestimmungen verdeutlichen den Grundgedanken des jeweiligen Gesetzes. Indem sie dem gesamten Normenkomplex eine bestimmte „Tönung" geben, fungieren sie als Hilfe und Leitlinie bei der Auslegung, besonders bei Ermessens- und unbestimmten Rechtsbegriffen. Vor allem in den Fällen, in denen der Gesetzgeber die rechtlichen Anforderungen zur Erfüllung des Schutzzweckes dynamisiert - indem er, auch für den Verordnungsgeber, z.B. die Beachtung des Standes der Technik zur Pflicht macht - , ist diese verbindliche Zielund Interpretationsvorgabe wichtig. Sie ist eine ausdrückliche Auslegungshilfe für den Rechtsanwendenden wie für den Rechtsunterworfenen, eine finale Steuerung des Vollzugs. Der EGenTG räumt im Genehmigungsverfahren, wie gesagt, kein Versagungsermessen ein. Etwas anderes gilt im Rahmen des Anmeldeverfahrens. So kann die Behörde, „um die in § 1 Nr. 1 bezeichneten (Schutz-)Zwecke sicherzustellen", gem. § 11 III EGenTG z.B. „die Durchführung der angemeldeten gentechnischen Arbeiten von Bedingungen abhängig machen, zeitlich befristen oder dafür Auflagen vorsehen": Zweckvorgabe als rechtliche Grenze für die Ausübung des Ermessens81. Weiterhin enthält der EGenTG eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe wie „Zuverlässigkeit", „Stand von Wissenschaft und Technik" usw. Auch bei ihrer Auslegung und Anwendung, einschließlich der Gestaltung der Verordnungsbestimmungen, haben die Ziel- und Zweckvorgaben Leitfunktion. Das ist gewiß nicht wenig: Im Hinblick auf die Risikoermittlung und -einschätzung steht der Behörde (ausnahmsweise) ein Beurteilungsspielraum zu83. Bestünden bei der Interpretation der
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Macht die Behörde von ihrem Ermessen in einer dem Gesetzeszweck widersprechenden Weise Gebrauch, so ist ihre Ermessensentscheidung rechtswidrig: Gesetzeszweck als Ermessensleitung. 83 Im Wyhl-Urteil (BVerwGE 72, 300 [316]) wurde dies, durchaus auf der zurückhaltenden Linie des Bundesverfassungsgerichts, zumindest i.S.e. Einschätzungsprärogative bei gleichwertigen Entscheidungen anerkannt: „Die Verantwor-
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3. Dogmatische Funktionen der Gesetzeszwecke
entsprechenden Termini Zweifel, so wäre die Auslegung zu wählen, die dem Zweck oder den Zwecken des Gesetzes besser gerecht würde. Die authentische Interpretation und Explikation des Gesetzeszweckes durch die Legislative selbst schränkt die Auslegungsautonomie von Verordnungsgebern, Vollzugsbehörden und Gerichten ein (Vorrang des Gesetzes). Umgekehrt kann die Gesetzeszweck-Technik die gerichtliche Kontrollmöglichkeit etwa bei Verhältnismäßigkeits- und Prognoseprüfungen auch erweitern. Soweit die vorangestellten Zweckformeln Interpretationsmaximen für die übrigen Bestimmungen des Gesetzes sind, ist das Konkordanzverhältnis zwischen den in den Umsetzungsnormen zum Ausdruck kommenden Einzelzielen stärker präformiert als ohne Zweckformel 84. Zweck- und Zielvorgaben haben bei Gesetzen, die grundrechtliche Kollisionslagen „konkordieren" sollen, überwiegend idarstellenden Charakter. Bei gesellschaftspolitisch umstrittenen Materien, wie der Gentechnik, käme der Aufnahme eines Förderzwtckes zudem u.a. die Funktion einer f yAusstiegsbremse u zu. In dieser Zweckvorgabe würde deutlich, daß der Gesetzgeber die mit der Technik verbundenen potentiellen Risiken im Interesse von Zukunftsentwicklung und Gemeinwohlchancen als sozial-adäquat bewertet. Exekutive wie Judikative sind im Rahmen der Gesetzesanwendung an diese Wertung gebunden85. Umgekehrt hilft der Schutzzweck des EGenTG, bei der Umsetzung von EG-Richtlinien86 und internationalen Vereinbarungen eine Nivellie-
tung für die Risikoermittlung und -bewertung trägt nach der Normstruktur des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG die Exekutive ... Daraus folgt, daß es nicht Sache der nachträglichen gerichtlichen Kontrolle sein kann, die der Exekutive zugewiesene Wertung wissenschaftlicher Streitfragen einschließlich der daraus folgenden Risikoabschätzung durch eine eigene Bewertung zu ersetzen." 84 Hill, Diskussionsergebnisse, in: ders. (Hrsg.), Gesetzesvorspruch, 1988, S. 34. 85 Die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung könnten sich bei der Wahrnehmung bzw. Überprüfung des Ermessens, bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe usw. nicht z.B. auf eine partei- oder gesellschaftspolitisch veränderte Einschätzung der Risiken und Gefahren berufen; die Gesetzeszwecke wirkten hier also als Auslegungsschranke. Eine Legislatiworgabe „Förderung" stünde der Annahme entgegen - und drückte dies deutlich aus - , es handele sich bei Genforschung oder Gentechnik um sozial unerwünschte Betätigungen. 86 Nachweise der umfangreichen Vorhaben etwa bei Kloepfer (Fn. 25), S. 812 f. und Wurzel, Gentechnologie/Humangenetik, BayVBl. 1989, 421 ff. (425 f.). Die EG-Richtlinie über die absichtliche Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt (BR-Drs. 11/4460, Rats-Dok. Nr. 6398/88) ist
3.1 Leitlinie und Schranke der Interpretation
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rung der Sicherheitsbelange zu vermeiden. Der EGenTG kann nicht zu einem Gesetz, das das Schutzgebot seines § 1 außer acht läßt, uminterpretiert werden. Soweit die Umsetzung von EG-Richtlinien den deutschen Behörden Spielräume eröffnet 87, ist diese „Nivellierungsbremse" zu berücksichtigen. Auch soweit die Zweckbestimmungen - wie im EGenTG - relativ offen formuliert sind, um Weiterentwicklungen und Veränderungen der untergeordneten Zielsetzungen und der eingesetzten Mittel zuzulassen, stellen sie Gre/izmarkierungen dar; als solche bilden sie operationale Handlungskriterien für die Verwaltung und ebensolche Kontrollmaßstäbe für die Rechtsprechung88. Eine Dualität der Zweckbestimmung - Schutzvorgabe plus Förderungsvorgabe - sichert in den geschilderten Grenzen die Möglichkeit einer dynamischen, offenen Interpretation der Umsetzungsnormen. Der Inhalt des Gesetzes, insbesondere die Angemessenheit der konkreten Mittel, müßten dann jeweils bestimmt werden unter Bezug auf die doppelte Telosbestimmung. Im übrigen sind Zweckformeln (pointierter) Ausdruck der teleologischen Struktur des Rechts selbst. Auch wenn ausdrückliche, authentische Zweckbestimmungen des Gesetzgebers fehlen, orientieren sich die Vollzugsbehörden wie die Gerichte bei der Auslegung und Anwendung der einzelnen Normen und Normengruppen u.a. an den latenten Zielperspektiven der jeweiligen Regelungsmaterie und ihres systematischen Zusammenhangs. Diese Zweck-Mittel-Rationalität des Rechts, von Max Weber 189 und Rudolph von Jhering 90 bis hin zu Niklas Luhmann91 in ihren
mittlerweile in erster Lesung verabschiedet; für die Entwicklung und Anwendung der Gentechnik in dem genannten Regelungsbereich wird in ihr - nicht zuletzt auf Grund wiederholter deutscher Intervention - ein hohes, EG-einheitliches Niveau für den Gesundheits- und Umweltschutz festgelegt. Im übrigen s. oben Fn. 18 m.w.N. 87 Sie sind, je nach der Rechtsgrundlage der Richtlinien (Art. 100 a oder Art. 130 r EWG-Vertrag), unterschiedlich groß. 88 Vgl. Hilly Maßnahmen zur Verbesserung der Gesetzgebungskultur in nationalen Rechtsordnungen in Anlehnung an das EG-Recht, in: ders. (Fn. 84), S. 1 ff., 12; hierzu auch Beutler /Bieber /Pipkorn / Streil, Die Europäische Gemeinschaft, 3. Aufl. 1988, S. 384 ff. 89 Rechtssoziologie, in: ders., Wirtschaft und Gesellschaft, bes. von /. Winckelmann, 5. Aufl., 1980, S. 387 ff., 395 f. (Rationalität des Rechts). 90 Der Zweck im Recht, 2. Bde., 1877 und 1883. - Zur soziologischen Bedeutung dieser Theorie Schelsky, Das Jhering-Modell des sozialen Wandels durch Recht, in: ders., Die Soziologen und das Recht, 1980, S. 147 ff. 91 Zweckbegriff und Systemrationalität, 1968; Becker (Fn. 15), S. 83 ff.; vgl.
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3. Dogmatische Funktionen der Gesetzeszwecke
unterschiedlichen Facetten theoretisch begründet, bedarf hier nur einer einzigen Klarstellung: Die finale Struktur von Gesetzen ist nicht identisch mit den Zwecken des historischen Gesetzgebers. Gesetze erhalten ihren jeweiligen normativen Sinn im Kontext sich verändernder Rahmenbedingungen. Dieser Sinn kann sich von den entstehungsgeschichtlich relevanten Motiven und Zwecksetzungen emanzipieren. Als Element der Rechtsordnung hat jede Rechtsnorm zudem teil an den dem Recht generell immanenten Zwecken, etwa dem der Friedenssicherung (pax optima rerum), des Interessenausgleichs, des Rechtsgüterschutzes, der Verfahrens- 92, Verteilungs- oder der Sachgerechtigkeit93.
3.2 Beitrag zu Rechtsklarheit
und Rechtssicherheit
Die ausdrückliche Aufnahme von Zweckbestimmungen - auch solcher primär deklaratorischer Natur - unterstreicht und erläutert die Grundentscheidung des Gesetzgebers. Durch die Wahl des Mediums Stammgesetz (statt eines bloßen Artikelgesetzes) 94 hat diese grundsätzliche legislative Weichenstellung - beim EGenTG eine Vindikation der umweit- und industriepolitischen Führungsfunktion - eine weitere Pointierung erfahren. Gerade bei neuartigen Problemfeldern wie dem der Gentechnik, deren grundrechtliche Qualifizierung z.T. umstritten ist, kann diese Explikation zu Rechtssicherheit und -klarheit beitragen95: Akzidentelles wirkt hier essentiell. Zudem zeigt eine derartige
auch Höger, Die Bedeutung von Zweckbestimmungen in der Gesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland, 1976, S. 74 f. 92 Lorenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 4. Aufl. 1979, S. 303f., S. 322. Beispiele bei Graf Vitzthum, Verfahrensgerechtigkeit im Völkerrecht, in: v. Münch (Hrsg.), FS Schlochauer, 1981, S. 739 ff. 93 Zur systematischen und teleologischen Funktion von Rechtsprinzipien im Verfassungsrecht Geddert-Steinacher y Menschenwürde als Verfassungsbegriff, 1990, S. 22 ff., 136 ff. 94 Denkbar wäre auch ein Vollst setz, das aber weniger anpassungsfähig wäre. Ein Artikelgtstiz würde die bestehende Rechtszersplitterung nicht aufheben. Ein Stammgesetz - wie der EGenTG - , das also die Grundsätze der Gentechnik regelt, die Ausformung der Einzelheiten Verordnungen oder Verwaltungsvorschriften überläßt, ist zwar weniger „benutzerfreundlich" als ein Vollgesetz, bietet aber eine hohe Flexibilität und ermöglicht die Bündelung aller Anforderungen in einem Genehmigungsverfahren (einschließlich Umweltverträglichkeitsprüfung). Die Wahl des jeweiligen Typs des Gesetzes kann auch andere Gründe haben, etwa Kompetenzprobleme des Bundesgesetzgebers. 95 Kirchhof (Fn. 8), S. 99: „Technische Überwachung braucht einen Rechts-
3.2 Beitrag zu Rechtsklarheit und Rechtssicherheit
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Zweckvorgabe die besondere Zielrichtung eines Gentechnikgesetzes gegenüber der verwirrenden Vielfalt anderer Gesetze im Bereich des Technik-, Umwelt- und Gesundheitsrechtes auf; die neuesten Umweltschutzgesetze etwa haben durchweg „ihre" Zwecknennungen. Eine solche Klarstellung ist bei Gesetzen besonders wichtig, die eine doppelte Zwecksetzung verfolgen, deren Normen also jeweils im Lichte des einen oder des anderen Zwecks ausgelegt werden könnten. Die Dualität der Zweckbestimmung sichert die Konkordanz der Gesetzeszwecke. Insofern geht die Klarstellungsfunktion der Zweckformel über die bloße Illustration und ggf. bürgerfreundlich-transparente Formulierung des legislativen Grundanliegens hinaus. Von Präambeln 96 unterscheiden sich Zweckbestimmungen in ihrer Zweckrichtung. Vorsprüche wollen die Motivation des Gesetzgebers darlegen; die Öffentlichkeit soll in untechnischer, eben: einstimmender, einführender Form informiert werden. Zudem werden Gesetzentwürfe gelegentlich mit einem das Parlament und die Medien orientierenden Vorspruch vorgelegt, der dann später, beim Gesetzesbeschluß, wegfällt. Der Präambelentwurf hat dann mittlerweile seinen rechtspolitischen Zweck, die Diskussion zu strukturieren und dem Laien transparent zu machen, erfüllt, dieser edukative Teil des Gesetzentwurfes kann nun entfallen. Diese „Mohr-Rolle" spielte der Präambelentwurf etwa beim zweiten Rechtsbereinigungsgesetz; beim Strahlenschutzvorsorgegesetz war es nicht anders97. Der heutige deutsche Gesetzgeber ist im übrigen wohl auch aus historischen Gründen zurückhaltend bei der Verwendung von Präambeln, führten diese doch während der NS-Herrschaft gelegentlich zur Auflösung des normativen Gehalts eines Gesetzes98. In anderen natio-
maßstab, der das Überwachungsziel konkret benennt und mit gegenläufigen Zielen abstimmt ...". 96 Zur ihrer Funktion Höger (Fn. 91), S. 112 ff.; Rethorn, Verschiedene Funktionen von Präambeln, in: Rödig (Hrsg.), Theorie der Gesetzgebung, 1976, S. 296 ff. Zur Bedeutung der Präambel des Grundgesetzes BVerfGE 5, 85 (127); 12, 45 (51); 36, 1 (17); s.a. Häberle, Präambeln im Text und Kontext von Verfassungen, in: Listi /Scha/nbeck (Hrsg.), Demokratie in Anfechtung und Bewährung. Festschrift für Johannes Broermann, 1982, S. 224 ff.; von Mangoldt /Klein / Starck, Das Bonner Grundgesetz, 3. Aufl., 1985, Präambel, Rdnr. 19 ff. 97 Vgl. Fliedner, Einführung eines Gesetzesvorspruchs, in: Hill (Fn. 84), S. 16 ff., 22 ff. mit weiteren Beispielen. 98 Rethorn (Fn. 96), S. 298 f; Höger (Fn. 91), S. 50 ff.; Dietze, Der Gesetzesvorspruch, 1939.
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3. Dogmatische Funktionen der Gesetzeszwecke
nalen Rechtsordnungen, aber z.B. auch im sekundären Europäischen Gemeinschaftsrecht sowie im Völkerrecht (besonders in „soft law"Texten), vom allgemeinen Vertragsrecht ganz zu schweigen, werden Präambeln, Ziel- und Zweckbestimmungen sowie sonstige „narrative Normen" (Jayme) demgegenüber weit unbefangener verwendet. Vor allem in der Gesetzgebung der Vereinigten Staaten finden sich häufig Vorsprüche, „findings" oder „declarations of purpose" 99; insbesondere bei der historischen Interpretation spielen sie dort eine erhebliche, ganz praktische Rolle. Anders als im Kernenergierecht steht der Ausgangsstoff der Genforschung und Gentechnik - wie gesagt - nicht unter „europäischem Ober-Eigentum" 100. Auch insofern bestehen keine Zweifel an der Bewertung der Interessen der Genforscher, Gentechniker und ihrer Institutionen als grundrechtlich geschützte. Anlagenhersteller und Betreiber von gentechnischen Anlagen genießen ebenso Grundrechtsschutz (Forschungs-, Berufs- und Gewerbefreiheit) wie etwa (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) Anlagenanwohner und Betriebsangehörige101. Andererseits wird die Berufsfreiheit in der Literatur, irrtümlicherweise wie gesagt, z.T. bereits auf Tatbestandsébene , von Verfassungs wegen, auf „das Erlaubte" beschränkt. Für die Forschungsfreiheit bringt eine Mindermeinung zusätzlich gar eine ethische und/oder soziologische Vorab-Limitierung ins Spiel. Die ausdrückliche Aufnahme einer Zweckbestimmung, die der Gentechnik das Stigma „sozial unerwünscht" bzw. „ethisch nicht verantwortbar" gerade nicht aufdrückte, sondern die sich dieser Stigmatisierung ausdrücklich entgegenstemmte, wirkte insofern öffentlich klarstellend, rechtssichernd und legitimierend — nicht mehr, aber auch nicht weniger.
3.3 Förderung der Akzeptanz Die ausdrückliche (Wieder-)Aufnahme eines „Förderzwecks" in ein GenTG (neu) i.S.e. öffentlichen „Bekennens" zur Gentechnik dürfte kommunikations- und akzeptanzfördernd wirken. Eine entsprechende 99
Siedentopf / Huber, Präambeln, Vorsprüche und Zweckbestimmungen in den Rechtsordnungen der westlichen Welt, in: Hill (Fn. 84), S. 37 ff., 64. 100 Hofmann (Fn. 33), S. 26. 101 Diesen Aspekt berücksichtigt der VGH Kassel (Anhang 2) nicht, wenn er die Grundrechtsinteressen der (räumlich bereits recht weit entfernten) Anlagennachbarn (Art. 2 I I GG) gegen die der Betreiber (Art. 2 I, 5 III, 12 I, 14 I GG) ohne „Konkordierung" „durchschlagen" läßt.
3.4 Selbstkontrolle des Normgebers
45
Ausdehnung des Zweckkatalogs, noch dazu im Rahmen eines Stammgesetzes, hätte insofern auch konsenspolitische Bedeutung. Es würde u.a. dokumentiert, daß die Förderung der Gentechnik bei uns als eine wichtige industrie- und forschungspolitische Agende betrachtet wird 102 — in der EG und in anderen Staaten, insbesondere in Japan, wurde die Gentechnik längst zur öffentlichen Aufgabe. Noch „effektiver" i.S.e. Verstärkung der bisher eher nur latent positiven Weichenstellung des Gesetzgebers wäre das Verankern einer speziellen Kompetenznorm im Grundgesetz. Als Verfassungsänderung würde sie die Grundentscheidung für die Gentechnik mit einem höheren Maß an demokratischem Konsens ausstatten103. Eine solche verfassungsrechtliche Kompetenzzuweisung wäre im übrigen eine dogmatisch überzeugendere Fundierung für ein Gentechnikgesetz als die aus bundesstaatsrechtlicher Sicht konstruiert wirkende Sammelkompetenz, die derzeit dafür herhalten muß. Andererseits bedarf natürlich nicht jedes „Phänomen" auch verfassungstextlicher Anerkennung.
3.4 Selbstkontrolle
des Normgebers
In der rechtspolitischen Diskussion drohen die Schutzgüter und Gesetzeszwecke gerade bei umstrittenen Materien wie der Gentechnik in den Kompromißformeln der Einzelbestimmungen zu verschwimmen.
102 1.d.S. erklärt sich seit Jahren die Bundesregierung, vgl. etwa BT-Drs. 9/ 682 vom 21.7.1981, S. 4 f., und sie verhält sich als („unauffällige") Subventionsgeberin auch entsprechend konsequenter denn als („transparente") Autorin des EGenTG. Ein als reines Schutzgesetz ausgestaltetes GenTG stellte insofern einen gewissen Widerspruch zur massiven Subventionsvergabepraxis seit Ende der 70er Jahre dar (nahezu 600 Mio DM Unterstützung allein seitens des Bundes), vom Widerspruch zu den „Eckwerten" der Bundesregierung (Fn. 19), die ein für die Bundesrepublik Deutschland als Wissenschafts- und Industrienation bedeutsames Bekenntnis zur industriellen Nutzung der Gentechnik ablegten, ganz zu schweigen. 103
In Art. 74 Nr. IIa, 87c GG (und im Atomgesetz) wurde (bemerkenswert detailliert) bestimmt, daß trotz der Risiken eine Verwendung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken erfolgen darf: eine verfassungsrechtliche und -textliche Bestätigung der Kernenergienutzung. Kompetenznormen dürfen nicht überinterpretiert werden; aber auch das BVerfG (E 53,30) hat anerkannt, daß aus Art. 74 Nr. IIa GG eine „grundsätzliche Anerkennung und Billigung des darin behandelten Gegenstandes durch die Verfassung selbst folgt und daß dessen Verfassungsmäßigkeit nicht aufgrund anderer Verfassungsbestimmungen grundsätzlich in Frage gestellt werden könnte." Von Art. 74 Nr. IIa GG als „Anerkennungsnorm" spricht insofern Wagner (Fn. 45), S. 416.
46
3. Dogmatische Funktionen der Gesetzeszwecke
Der fortbestehende Dissens über die rechtspolitische Zielsetzung des Gesetzes droht verschleiert zu werden; je mehr es an einem klaren Maßstab fehlt, desto weniger lassen sich die gewählten Mittel auf ihre Notwendigkeit und Angemessenheit hin überprüfen. Insofern können Zweckformeln eine den Gesetzgeber disziplinierende, das Regelwerk und das Regelungs- und etwaige Novellierungsverfahren „auf Kurs haltende", systematisierende Funktion haben. Dem Gesetzeszweck hat die Ausgestaltung der übrigen Bestimmungen des Gesetzes ebenso zu folgen wie die der Verordnungsvorschriften. Ob eine Zweckbestimmung dies in concreto einlösen kann, hängt dann in erster Linie von der Eindeutigkeit ihrer Formulierung ab. Der rechts- und gesellschaftspolitische Dissens vermag sich auch und gerade in der Definition des Gesetzeszwecks fortzusetzen. Ziel- und Zweckbestimmungen können, bei aller „erzieherischer Intention", Formelkompromisse geradezu erzwingen104. Expressive Versuche legislativer Transpavtnzverschleierung mögen für den Interpreten dann beredter sein als ein dröhnendes Schweigen des Gesetzgebers.
104 I.d.S. Hill (Fn. 84), S. 34. - Finale Regelungsprogramme dürfen nicht Ausdruck eines „legislativen Rückzugs aus der Regelungsverantwortung sein", bei dem das Handeln der Exekutive „nicht mehr durch Vergabe bestimmter Tatbestandsmerkmale, sondern (nur!) noch unter Vorgabe bestimmter Regelungsziele geleitet wird", Damm/Hart (Fn. 57), S. 198 Fn. 77. - Während es für z.T. marginale Bereiche der technischen Produktion detaillierte Vorschriften gibt, bleibt im Bereich der Großtechnik die grundsätzliche Option gelegentlich verschwommen. Nicht selten fehlt ein einheitlicher Wille, eine klare Dezision. Darin liegt ein Wertungswiderspruch.
4. Ausblick: Verhältnisbestimmungen und Folgerungen 4.1 Gesetzeszweck / Einzelregelung, Schutzzweck ! Förderzweck Die legislativen Ziel- und Zweckvorgaben sind regelmäßig nur eine lose, allgemein gehaltene Sammlung programmatischer Aussagen. Sie sind teilweise keine selbständig vollzugsfähigen Regelungen; ihre normative Kraft, ihre Bindungswirkung entfalten sie dann erst i.Z.m. anderen gesetzlichen Bestimmungen105. Das ist bei § 1 EGenTG nicht anders als z.B. beim bereits behandelten § 1 AtG, bei § 1 des Bundeswaldgesetzes von 1975106 oder bei § 1 des Tiefseebergbaugesetzes von 1980107. Diese Einführungsparagraphen, z.T. durch Präambeln und/oder Legaldefinitionen komplettiert, binden jeweils die mit der Verwirklichung der Ziele und der Anwendung und Auslegung der Vorschriften beauftragten Stellen: die Anmelde- und Genehmigungsbehörden, die Förderinstanzen, die Gerichte usw.; sie enthalten gelegentlich auch (z.B. beim Tiefseebergbaugesetz) Signale für ausländische Kooperationspartner und internationale Rechtsetzungs- und Verhandlungsforen. Der Schwerpunkt der Konkretisierungsarbeit liegt bei der Exekutive. Sie wird regelmäßig zum Erlaß von Rechtsverordnungen und Satzungen ermächtigt (etwa in §§ 7 I, 48, 49 III BImSchG), z.T. so umfassend, daß das Teilthema „Parlamentsvorbehalt" in Sichtweite kommen kann. Die £ïnze/bestimmungen des jeweiligen Gesetzes stehen, dogmatisch betrachtet, im Vordergrund; von ihnen ist bei der Auslegung und An-
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Hoppe!Beckmann, Umweltrecht, 1989, S. 77.
106
Enthält Schutz- und (bzgl. der Forstwirtschaft) Förderzweck.
107
„Zweck dieses Gesetzes ist es, ... die Aufsuchung und Gewinnung mineralischer Rohstoffe vom Tiefseeboden vorläufig zu regeln und zu fördern, um damit 1. ... zur Erschließung dieser Rohstoffe zum Wohle aller Völker beizutragen, 2. den Interessen Dritter ... Rechnung zu tragen sowie auf die Meeresumwelt Rücksicht zu nehmen, 3. Leben, Gesundheit und Sachgüter gegen Gefahren ... zu schützen
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4. Ausblick: Verhältnisbestimmungen und Folgerungen
wendung der Gesetze auszugehen. Regelmäßig lassen diese speziellen Regelungen nicht Raum für eine „ergänzende" oder gar „korrigierende" Auslegung via Zweckbestimmungen. Ein in einem § 1 eines GenTG (neu) ggf. ausdrücklicher statuierter Förderzweck würde insofern nur dann „vollzugsrelevant", wenn eine Detailregelung entweder ganz fehlte (Lückenthema), oder wenn die vorhandenen Vorschriften interpretationsbedürftig und -fähig wären. Andernfalls geriete man schnell in die Gefahr, Normen, die vom Gesetzgeber als Spezialregelungen ausformuliert worden sind, teilweise zugunsten einer als vorrangig behaupteten zweck- oder allgemeinpolitischen Grundlinie zu überspielen108. Der EGenTG enthält durchweg Normierungen, die aus sich heraus verständlich und insofern „immanent" interpretierbar sind, die jedenfalls den vorschnellen Rückgriff auf einen in § 1 vorgeblich angelegten „§ 242 des Gentechnikrechts" verbieten. Gerade die Genehmigungsvoraussetzungen und Verfahrensschritte werden im EGenTG in allen relevanten Einzelheiten durchnormiert; dies gebietet bereits das Rechtsstaatsprinzip. Daraus folgt andererseits nicht, daß die legislativen Zweckbestimmungen nicht als (auch) in den Einzelbestimmungen angelegt oder enthalten angesehen, also soz. „von innen heraus" angewendet werden können, als Auslegungshilfe vor allem für den Vollzug der £ï/tze/bestimmungen. Je „lückenhafter", „unbestimmter", gar „ermessenseröffnender" dabei die besonderen Bestimmungen sind, desto stärker sind die allgemeinen Gesetzeszwecke bei ihrer Auslegung zu beachten 109 . In der Praxis dürften sie dabei, wie gesagt, weniger speziell ermessens- als generell auslegungsleitend wirken. Wie steht es demgegenüber mit dem Verhältnis von Schutz- und Förderzweck? Stünden in einem § 1 EGenTG (neu) Schutz- und Förder-
108 Einführende legislative Leitvorschriften dienen weder zur „Reparatur" schludrig oder entscheidungsschwach gemachter Gesetze, noch sind sie Einfallstore zum Relativieren des Vorrangs des Gesetzes. Zweckbestimmungen erlauben ebensowenig wie Einzelbestimmungen eine „unbegrenzte Auslegung". 109 Die Zweckbindung der Behörde ist etwa in § 40 VwVfG sogar ausdrücklich normiert: „Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten." Als Zweck der Ermächtigung sind nicht nur die engeren Zwecke der Vorschrift aufzufassen, sondern alle der Gesamtheit der Sätze des geschriebenen und ungeschriebenen Rechts für die in Frage stehende Entscheidung zu entnehmenden Zwecke. Dazu gehören auch die Wertentscheidungen der Verfassung. Vgl. Kopp, VwVfG, 4. Aufl. 1986, § 40, Rdnr. 12 m.w.N.
4.2 Systemkonforme Formulierung des Förderzwecks
49
funktion ausdrücklich nebeneinander, so müßte im Kollisionsfall, wie etwa bei § 1 AtG, ihr Rangverhältnis erörtert werden. Für die Anwendung und Auslegung eines EGenTG (neu) wäre es jedenfalls wichtig zu klären, in welcher Relation diese beiden Vorgaben ggf. zueinander stünden, Vorgaben, die doch z.T. von unterschiedlichen Interessenlagen her Eingang in das Gesetz gefunden hätten110. Aus systematischen wie akzeptanzpolitischen Gründen müßte dabei, ausdrücklich oder implicite, der Schutzfunktion Vorrang vor der Förderfunktion eingeräumt werden. Letztere fiele, wie die Ausführungen zum primär liberalstaatlichen (Gefahrenabwehr-)Gefüge des EGenTG gezeigt haben111, (etwas) weniger zentral in den Normbereich dieses Umwelt- und Technikgesetzes. Gegen eine entsprechende Prävalenz der schutzpolitischen Zielsetzung wäre auch im übrigen nichts einzuwenden. Ein Gentechnik-Stammgesetz wird stets primär ein Schutz- und Vorsorge-, erst sekundär ein Gestaltungs- und Leistungsgesetz sein. Denkbar wäre zudem, daß der Gesetzgeber selbst eine Abwägung der unterschiedlichen Ziele und Zwecke auch im Rahmen der Gesetzesauslegung verlangte; ein Beispiel dafür ist § 1 I, II BNatSchG — eine „nachvollziehende" Abwägung im Rahmen der Gesetzesinterpretation, die richterlich vollständig überprüfbar ist.
4.2 Systemkonforme
Formulierung
des Förderzwecks
Wie wäre eine demgemäß „passende" (Mit-)Berücksichtigung des Förderzwecks zu formulieren? Die früheren Entwürfe eines Gentechnikgesetzes enthielten regelmäßig eine dem Atomgesetz analoge, die Förderung also (mit-)akzentuierende Formulierung. Sie findet sich heute nur noch in der Begründung des EGenTG: Zweck des Gesetzes sei es, die Erforschung, Entwicklung und Nutzung der Gentechnik (in einem beherrschbaren, also verantwortbaren Rahmen) zu ermöglichen und zu fördern 112. Der Text des EGenTG formuliert hingegen, wie ge-
110
Hoppe ! Beckmann (Fn. 105), S. 78 illustrieren die Konkurrenz verschiedener gesetzlicher Zielsetzungen. Zugleich unterstreichen sie die Vageheit der meisten Zielvorgaben, selbst bei Ausgestaltung durch Legaldefinitionen: Diese suchten nichts als „die unbestimmten Rechtsbegriffe der Zielvorgaben wiederum mit unbestimmten Rechtsbegriffen zu erläutern". Zur gesetzestechnischen Bewältigung von Zielkonflikten vgl. praxisorientiert Fleiner-Gerster, Wie soll man Gesetze schreiben?, 1985, S. 21. 111 112
S.o. 2.4. BR-Drs. 387/89, S. 21.
50
4. Ausblick: Verhältnisbestimmungen und Folgerungen
sagt, in § 1 Nr. 2 sowohl zurückhaltender als auch abstrakter: Zweck sei das Schaffen des „rechtlichen Rahmens". Das positive Votum der Begründung des EGenTG kommt in der nicht nur für den Laien eher technisch wirkenden - und später etwa dem Bürger dann bei der Interpretation nicht ohne weiteres verfügbaren - Formulierung des Gesetzestextes weniger klar zum Ausdruck als in der ursprünglichen Formulierung 113 — ein „verbesserter Zugang des Bürgers zum Recht" 114 ? Ein Hilfsmittel erleichterter Kommunikation zwischen Gesetzgeber und Gesetzesadressat ist diese mehr als nur redaktionelle Camouflage jedenfalls nicht. Nicht nur aus diesem kommunikations- und damit konsenspolitischen Grund bedürfte es, bei Vorliegen eines entsprechenden Wollens (der Mehrheit) des Gesetzgebers, einer klaren Entscheidung. Vielmehr deutet die jetzige Formel auch eher auf einen ressortpolitischen, u.U. auch bundesratsorientierten Formelkompromiß hin als auf eine Änderung der sachlichen Bewertung seitens der Bundesregierung insgesamt. Geboten wäre insofern die Wiederherstellung von Erklärungswahrheit und -klarheit durch (Wieder-)Aufnahme des Förderzwecks in einen § 1 EGenTG (neu), also durch deutlichere Dokumentation der bisher offenbar unverändert positiven Grundentscheidung der Mehrheit des Gesetzgebers für die (kontrollierte) Genforschung und Gentechnik115. Nur ein entsprechend klar, eben „entschieden" formulierter Gesetzeszweck kann die Wahrnehmung seiner primären Aufgabe fördern: verbindliche Auslegungsregel zu sein bei der Anwendung des Gesetzes. Die Zielsetzung von Forschung, Entwicklung und Nutzung der neuen Technik, die Entscheidung insbesondere über das Ob, Wie, Wann und Wo von Investitionen bleibt - daran ändert die Zweckbestimmung
113 Andererseits würde eine die Förderfunktion ausdrücklich im Text des GenTG aufführende Formulierung eine strukturelle, zumindest textliche Nähe zum Atomgesetz herstellen. Der Akzeptanz eines GenTG bzw. der Gentechnik insgesamt könnte diese Affinität u.U. weniger zuträglich sein. 114 So der Untertitel von Hül (Fn. 84). 115 Mit Aufnahme der Förderfunktion übernähme der Staat eine stärkere Mitverantwortung für die Gentechnik — was auch mit stärkeren Ingerenzrechten verbunden sein könnte. Würde die Gentechnik mit dem Förderzweck deutlich als Gemeinwohlbelang ausgewiesen, läge es weniger fern, die Zielsetzungen von Erforschung, Entwicklung und Nutzung auch an gesellschaftlichen Bedürfnissen zu orientieren (eine „Bedürfnisprüfung" findet de lege lata natürlich nicht statt). Die gentechnische Bewältigung von Umweltproblemen etwa, also z.B. manche Altlastsanierung mit Hilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen, könnte in den Abwägungsprozessen dann ihrerseits mit höherem Gewicht versehen werden.
4.2 Systemkonforme Formulierung des Förderzwecks
51
eines Gentechnikgesetzes nichts - den Forschern und Unternehmen vorbehalten 116 . Eine inhaltliche Steuerung gentechnischen Handelns i.S.v. Gemeinwohlbelangen, etwa hinsichtlich der besonderen Unterstützung von Projekten, die sich mit der Lösung von Problemen der Umwelt und Gesundheit beschäftigen, erfolgt primär mit den leistungsreehtliehen Instrumentarien der Subventionspolitik sowie mittels öffentlicher Förderung der Grundlagenforschung 117 . Die beiden Zwecke Gefahrenabwehr und Entwicklungsförderung ergänzen sich. Die komplementäre Struktur der Umweltschutz- und Technikpolitik, auch im Hinblick auf die Existenzsicherung für künftige Generationen, käme durch die ausdrücklich duale Zweckbestimmung eines GenTG (neu) am deutlichsten zum Ausdruck. Ein Absichern des Förderzwecks neben dem Schutz- und Risikovorsorgezweck würde das Befolgen des aus Art. 109 I I G G und dem Sozialstaatsprinzip abgeleiteten Verfassungsgebotes der „Wachstumsvorsorge" 118 effekti-
116 Eine Steuerung von Zielvorgaben, gar eine Bedarfslenkung i.S.d. Wachstums· und Wirtschaftsförderung wäre, soweit verfassungsrechtlich überhaupt zulässig, eher kontraproduktiv. Fortschritte in wichtigen Bereichen der Technik werden nicht selten im Kontext der Grundlagenforschung erreicht; manchmal sind sie „ A b f a l l p r o d u k t e " ganz anderer Fragestellungen. Die Logik der wissenschaftlich-technisch-industriellen Entwicklung steht inhaltlicher staatlicher Reglementierung entgegen. Zu einem bedeutsamen Wirtschaftsfaktor kann die heimische Gentechnik nur werden, wenn sie international wettbewerbsfähig ist und ihre Zielvorgaben primär am Markt orientieren kann. Hinsichtlich ihrer Themen etc. ist die Forschung womöglich noch „staatsferner". 117 Die Grundaussage der Bundesregierung, sie wolle den Staat „auf den Kern seiner Aufgaben zurückzuführen" (Regierungserklärung), darf dabei nicht als Abkehr von einer sozialstaatlich „getönten" Wirtschaftsordnung verstanden werden. Im übrigen wäre es bereits eine wesentliche Förderung, wenn für ein forschungsfreundliches Umfeld gesorgt würde; treffend Bundesminister Riesenhuber. „Der Staat bringt schon eine beachtliche Leistung, wenn er die Leute nicht bei der Arbeit stört." Es bedarf keiner Hervorhebung, daß sich die staatliche Förderung verstärkt auch der Präventions- und Sicherheitsforschung zuzuwenden hat. - Wegen des quantitativen Umfangs und der Bedeutung der Subventionspolitik für die Forschungssteuerung wird u.a. ein Forschungsförderungsgesetz gefordert, das den Einfluß des Gesetzgebers auf Umsetzung und Zielsetzung der Förderung verbessern soll. Catenhusen, Ansätze für eine umweit- und sozialverträgliche Steuerung der Gentechnologie, in: Steger (Hrsg.), Die Herstellung der Natur, 1985, S. 29 ff. (44). Die Bundeskompetenz für ein solches Gesetz müßte aber wohl erst noch geschaffen werden. Die „Krücke" Sammelkompetenz trägt hier nicht allzu weit. 118 ' Z u r Wachstumspolitik vgl. § 1 Stabilitäts- und Wachstumsgesetz von 1967. Ziel ist vor allem eine angemessene Wirtschaftsentwicklung, auch durch staatliche Förderung der wissenschaftlich-technischen Innovation. Zum Gebot der
52
4. Ausblick: Verhältnisbestimmungen und Folgerungen
vieren, von dem Schutz der Betreibergrundrechte und sonstiger verfassungsrechtlich gewährleisteter Rechtsgüter ganz zu schweigen. Es sind dies letztlich Fragen des politischen Wollens, nicht des verfassungsrechtlichen Könnens. Das Entscheidungsfeld ist für den Gesetzgeber von Verfassungs wegen weit geöffnet. Er muß nur „Entschiedenheit" - pro oder contra Förderzweck in der Zweckbestimmungsnorm - wollen, nicht das bisherige intransparente teils-teils. Ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf subventionierten Ausbau der Genforschung und Gentechnik läßt sich nicht begründen. Dessen bedarf es indes auch nicht. Der unmittelbar demokratisch legitimierte Gesetzgeber ist - im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen und ethisch Verantwortbaren - zur gentechnikpolitischen Kursbestimmung berufen. Die Legislative hat das Recht dazu, aber auch die Pflicht. Würde ohne Bürde gibt es nicht. Mögen sich Richter wie Ministerialbeamte, Staatsrechtslehrer und Journalisten heute als die primären „Hüter der Verfassung" sehen — die Verantwortung für die Rechtspolitik liegt immer beim Gesetzgeber. In der parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes konkretisiert er die Zwecke im Gentechnikrecht.
Wachstumsvorsorge H.P. Ipsen, W D S t R L 24 (1966), S. 221 f. (Diskussionsbeitrag). Das komplexe Thema „Förderung der Gentechnik als Beitrag zum Erreichen wirtschaftlicher Oberziele" (Stabilität des Preisniveaus, hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht, stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum) und entsprechender Zwischenziele (z.B. Wettbewerbsfähigkeit) kann hier nicht vertieft werden.
Anhang 1: Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Fragen der Gentechnik vom 11.8/9.11.1989 Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:
§ 26 Erlaß von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften § 27 Gemeinschaftsrecht Fünfter Teil: Haftungsvorschriften
Artikel 1 Gesetz zur Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz - GenTG)
§ 32 Bußgeldvorschriften § 33 Strafvorschriften
Erster Teil: Allgemeine Vorschriften 1 2 3 4 5 6
Zweck des Gesetzes Anwendungsbereich Begriffsbestimmungen Kommission Aufgaben der Kommission Allgemeine Sorgfaltspflichten, sorge
Haftung Auskunftsansprüche des Geschädigten Deckungsvorsorge Haftung nach anderen Rechtsvorschriften
Sechster Teil: Straf- und Buflgeldvorschriften
Inhaltsübersicht
§ § § § § §
§ 28 § 29 § 30 § 31
Siebter Teil: Übergangs- und Schluflvorschriften § 34 Übergangsregelung § 35 Berlin-Klausel GefahrenvorERSTER TEIL
Zweiter Teil: Gentechnische Arbeiten im geschlossenen System
Allgemeine Vorschriften
§ 7 Sicherheitsstufen, Sicherheitsmaßnahmen § 8 Gentechnische Arbeiten zu Forschungszwekken § 9 Gentechnische Arbeiten zu gewerblichen Zwecken § 10 Anmelde- und Antragsunterlagen § 11 Anmeldeverfahren § 12 Erlaubnis und Genehmigung bei gentechnischen Arbeiten
Zweck des Gesetzes
Dritter Teil: Freisetzung und Inverkehrbringen § 13 Freisetzung und Inverkehrbringen § 14 Antragsunterlagen bei Freisetzung und Inverkehrbringen § 15 Genehmigung bei Freisetzung und Inverkehrbringen Vierter Teil: Gemeinsame Vorschriften § 16 Anhömngsverfahren § 17 Nebenbestimmungen § 18 Rücknahme, Widerruf, einstweilige Einstellung § 19 Anzeigepflicht § 20 Andere behördliche Entscheidungen § 21 Kosten § 22 Überwachung § 23 Behördliche Anordnungen § 24 Unterrichtungspflicht § 25 Auswertung von sicherheitsrelevanten Erkenntnissen
§1 Zweck dieses Gesetzes ist, 1. Leben und Gesundheit von Menschen, Tiere, Pflanzen und Sachgüter sowie die sonstige Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge vor möglichen Gefahren gentechnischer Verfahren und Produkte zu schützen und dem Entstehen solcher Gefahren vorzubeugen und 2. den rechtlichen Rahmen für die Erforschung, Entwicklung und Nutzung der wissenschaftlichen und technischen Möglichkeiten der Gentechnik zu schaffen.
§2 Anwendungsbereich (1) Dieses Gesetz gilt für 1. gentechnische Arbeiten, 2. Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen und 3. das Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen und von sonstigen Produkten, die solche Organismen enthalten; soweit das Inverkehrbringen durch andere den Vorschriften dieses Gesetzes entsprechende Rechtsvorschriften, die die Zulässigkeit des Inverkehrbringens von einer
54
Anhang 1: Entwurf eines Gentechnikgesetzes
besonderen Risikoabschätzung abhängig machen, geregelt ist, gelten nur die §§ 28 bis 31 dieses Gesetzes.
solchen Zellen an deren Nachkommen weitergeben oder auf andere lebende Organismen oder Zellen übertragen können,
(2) Die Bundesregierung bestimmt nach Anhörung der Kommission durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates, daß die Vorschriften dieses Gesetzes über gentechnische Arbeiten im geschlossenen System, insbesondere die Vorschriften über die Einteilung in Sicherheitsstufen, das Anmelde- und das Erlaubnis- oder Genehmigungsverfahren, die Überwachung, die Haftung sowie die Deckungsvorsorge und die Vorschriften der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen über Sicherheitsmaßnahmen auf andere künstliche Methoden zur invitro Veränderung von Nukleinsäuren mit Risiken, die denen bestimmter gentechnischer Arbeiten vergleichbar sind und bei denen Organismen gebildet werden, die auf natürliche Weise nicht entstehen können, entsprechende Anwendung finden.
c) der Umgang mit vermehrungsfähigen Organismen, die Träger in-vitro neukombinierter Nukleinsäuren sind, soweit noch keine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wurde,
(3) Die Bundesregierung bestimmt nach Anhörung der Kommission durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates, daß die Vorschriften dieses Gesetzes über Freisetzungen, insbesondere die Vorschriften über die Genehmigungspflicht, die Überwachung, die Haftung sowie die Deckungsvorsorge und die Vorschriften der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen über Sicherheitsmaßnahmen auf das bewußte und gewollte Ausbringen von Organismen in die Umwelt entsprechende Anwendung finden, wenn diese Organismen auf natürliche Weise nicht entstehen können und die Risiken des Ausbringens mit denen einer Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen vergleichbar sind.
4. Gentechnisch veränderter
Organismus
Organismen, die das Ergebnis einer gentechnischen Arbeit nach Nummer 3 Buchstabe a oder b sind sowie deren Nachkommen oder Vermehrungsmaterial, soweit sie Träger der gentechnisch veränderten Erbinformation sind, 5. Geschlossenes System Einrichtungen, in denen gentechnische Arbeiten im Sinne der Nummer 3 durchgeführt werden und für die physikalische Schranken verwendet werden, gegebenenfalls in Verbindung mit biologischen oder chemischen Schranken oder einer Kombination von biologischen und chemischen Schranken, um den Kontakt der verwendeten Organismen mit Menschen und der Umwelt zu begrenzen, 6. Gentechnische Arbeit zu Forschungszwecken Eine Arbeit für Lehr-, Forschungs- oder Entwicklungszwecke oder für nichtindustrielle bzw. nichtkommerzielle Zwecke in kleinem Maßstab, 7. Gentechnische Arbeit zu gewerblichen Zwecken Jede andere Arbeit als die in Nummer 6 beschriebene,
§3 Begrliisbestlmmungen Im Sinne dieses Gesetzes sind 1. Organismen Viren, Viroide, Einzeller, Pflanzen und Tiere sowie Zellkulturen, 2. In-vitro neukombinierte Nukleinsäuren Vermehrbare Nukleinsäuremoleküle, die außerhalb lebender Zellen zu neuen Molekülen verknüpft wurden, 3. Gentechnische Arbeiten a) Die Einführung in-vitro neukombinierter Nukleinsäuremoleküle in geeignete Empfängerorganismen, die in der Lage sind, solche Nukleinsäuremoleküle nach Vermehrung weiterzugeben oder auf andere lebende Organismen zu übertragen, b) der Umgang mit Agenzien, die in-vitro neukombinierte Nukleinsäuren enthalten und die wie Viren auf natürlichen Wegen in lebende Zellen eindringen und itoe in-vitro neukombinierten Nukleinsäuren nach Vermehrung in
8. Freisetzung Das bewußte und gewollte Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt, 9. Inverkehrbringen Die Abgabe von gentechnisch veränderten Organismen und von sonstigen Produkten, die solche Organismen enthalten, an Dritte; das Verbringen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes gilt als Inverkehrbringen, soweit es sich nicht lediglich um einen unter zollamtlicher Überwachung durchgeführten Transitverkehr handelt, bei dem keine Be- oder Verarbeitung erfolgt, 10. Betreiber Eine juristische oder natürliche Person oder eine nichtrechtsfähige Personenvereinigung, die unter ihrem Namen gentechnische Arbeiten oder Freisetzungen durchführt oder gentechnisch veränderte Organismen oder sonstige Produkte, die solche Organismen enthalten, erstmalig in Verkehr bringt, 11. Projektleiter Eine Person, die im Rahmen ihrer beruflichen Obliegenheiten die unmittelbare Planung, Leitung oder Beaufsichtigung einer gentechnischen Ar-
Anhang 1: Entwurf eines Gentechnikgesetzes §5
beit im geschlossenen System oder einer Freisetzung durchführt, 12. Beauftragter
für die Biologische Sicherheit
Eine Person oder eine Mehrheit von Personen (Ausschuß für Biologische Sicherheit), die die Erfüllung der Aufgaben des Projektleiters überprüft und den Betreiber berät, 13. Sicherheitsstufen Die Einteilung von Gruppen gentechnischer Arbeiten nach ihrem Gefährdungspotential, 14. Laborsicherheitsmaßnahmen sicherheitsmaßnahmen
Aulgaben der Kommission Die Kommission prüft und bewertet sicherheitsrelevante Fragen nach den Vorschriften dieses Gesetzes, gibt hierzu Empfehlungen und berät die Bundesregierung in sicherheitsrelevanten Fragen der Gentechnik. Bei ihren Empfehlungen soll die Kommission auch den Stand der internationalen Entwicklung auf dem Gebiet der gentechnischen Sicherheit und entsprechende internationale Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland angemessen berücksichtigen.
oder Produktions-
Arbeitstechniken und eine festgelegte Ausstattung von Laboratorien oder Produktionsbereichen, 15. Biologische Sicherheitsmaßnahmen Die Verwendung geeigneter Empfängerorganismen oder Vektoren mit bestimmten Eigenschaften.
§4
§6 Allgemeine Sorgfaltspflichten, Gefahrenvorsorge Wer gentechnische Arbeiten durchführt oder gentechnisch veränderte Organismen freisetzt oder erstmalig in Verkehr bringt, hat die damit verbundenen Risiken umfassend zu bewerten und die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um die in § 1 Nr. 1 genannten Rechtsgüter vor möglichen Gefahren zu schützen und dem Entstehen solcher Gefahren vorzubeugen.
Kommission ZWEITER TEIL
(1) Unter der Bezeichnung „Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit" (Kommission) wird beim Bundesgesundheitsamt eine Sachverständigenkommission eingerichtet. Die Kommission setzt sich zusammen aus:
Gentechnische Arbeiten im geschlossenen System §7 Sicherheitsstufen, Sicherheitsmaßnahmen
1. acht Sachverständigen, die über besondere und möglichst auch internationale Erfahrungen in den (1) Gentechnische Arbeiten dürfen nur in einem Bereichen der Mikrobiologie, Zellbiologie, Virologie, Genetik, Hygiene oder Ökologie verfügen; je- geschlossenen System durchgeführt werden. Dies gilt der der genannten Bereiche muß durch mindestens nicht, soweit sich aus den Vorschriften dieses Gesetzes oder der darauf beruhenden Rechtsverordnungen einen Sachverständigen vertreten sein; etwas anderes ergibt. 2. vier weiteren fachkundigen Personen aus den be(2) Gentechnische Arbeiten im geschlossenen Syteiligten Kreisen, insbesondere aus den Bereichen der Gewerkschaften, des Arbeitsschutzes, der stem werden in vier verschiedene Sicherheitsstufen Wirtschaft, der Uinweltschutzorganisationen oder eingeteilt: der forschungsfördemden Organisationen. 1. Der Sicherheitsstufe 1 sind gentechnische Arbeiten Für jedes Mitglied der Kommission ist ein stellvertretendes Mitglied zu bestellen.
mit apathogenen Organismen und Vektoren zuzuordnen, einschließlich anerkannter Sicherheitsstämme als Empfängerorganismen, bei denen nach dem Stand der Wissenschaft nicht von einem Risiko für Leben und Gesundheit der Beschäftigten, der Bevölkerung, von Nutztieren und Kulturpflanzen sowie für die Umwelt auszugehen ist;
(2) Die Mitglieder der Kommission werden vom Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit im Einvernehmen mit den Bundesministern für Forschung und Technologie, für Arbeit und Sozialordnung, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher- 2. Der Sicherheitsstufe 2 sind zuzuordnen gentechnische Arbeiten mit pathogenen gentechnisch veränheit sowie für Wirtschaft für die Dauer von drei Jahren derten Organismen, bei denen nach dem Stand der berufen. Wiederberufung ist zulässig. Wissenschaft von einem mäßigen Risiko für die Beschäftigten und einem geringem Risiko für die (3) Die Mitglieder und die stellvertretenden MitglieBevölkerung, Nutztiere und Kulturpflanzen sowie der sind unabhängig und nicht an Weisungen gebundie Umwelt auszugehen ist; den. Sie sind zur Vertraulichkeit verpflichtet. (4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch 3. Der Sicherheitsstufe 3 sind zuzuordnen gentechnische Arbeiten mit hochpathogenen Organismen Rechtsverordnung das Nähere über das Verfahren der mit Eigenschaften, die auf gentechnischen ArbeiKommission und ihre Zusammenarbeit mit dem Bunten beruhen, bei denen nach dem Stand der Wisdesgesundheitsamt zu regeln.
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Anhang 1: Entwurf eines Gentechnikgesetzes
senschaft von einem hohen Risiko für die Beschäftigten und einem geringen Risiko für die Bevölkerung und die Umwelt sowie einem mäßigen Risiko für Nutztiere und Kulturpflanzen auszugehen ist;
§9 Gentechnische Arbeiten zu gewerblichen Zwecken
4. Der Sicherheitsstufe 4 sind zuzuordnen gentechnische Arbeiten, bei denen nach dem Stand der Wissenschaft von einem hohen Risiko oder dem begründeten Verdacht eines solchen Risikos für die Beschäftigten und die Bevölkerung sowie für Nutztiere, Kulturpflanzen und die Umwelt auszugehen ist.
(1) Wer erstmals in einem bestimmten geschlossenen System gentechnische Arbeiten der Sicherheitsstufe 1 zu gewerblichen Zwecken durchführen will, hat dies spätestens 90 Tage vor dem beabsichtigten Beginn der Arbeiten bei der zuständigen Landesbehörde anzumelden. Die Durchführung weiterer einzelner gentechnischer Arbeiten der Sicherheitsstufe 1 ist bei der zuständigen Landesbehörde spätestens Die Bundesregierung regelt nach Anhörung der Kom- 60 Tage vor dem beabsichtigten Beginn dieser Arbeimission durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des ten anzumelden. Bundesrates zur Erreichung der in § 1 Nr. 1 genannten Zwecke auf der Grundlage vorhandener oder ver(2) Wer erstmals in einem bestimmten geschlossemuteter Risiken unter Berücksichtigung der Spender- nen System gentechnische Arbeiten der Sicherheitsund Empfängerorganismen und ihrer Eigenschaften stufen 2, 3 oder 4 zu gewerblichen Zwecken durcheinschließlich der Vektoren sowie ihrer Wirkungen, führen will, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Landes Ziels der gentechnischen Arbeit sowie des Um· desbehörde. Die Durchführung weiterer einzelner fangs des Experimentieransatzes die Zuordnung be- gentechnischer Arbeiten auch derselben oder einer stimmter Gruppen gentechnischer Arbeiten zu diesen niedrigeren Sicherheitsstufe bedarf einer neuen ErSicherheitsstufen. laubnis der zuständigen Landesbehörde. (3) Bei der Durchführung gentechnischer Arbeiten im geschlossenen System sind bestimmte Labor- und Produktionssicherheitsmaßnahmen zu beachten. Die Bundesregierung regelt nach Anhörung der Kommission durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die für die unterschiedlichen Sicherheitsstufen nach dem Stand der Wissenschaft und Technik erforderlichen Labor- und Produktionssicherheitsmaßnahmen sowie die Anforderungen an die Auswahl und die Sicherheitsbewertung der bei gentechnischen Arbeiten verwendeten Empfängerorganismen und Vektoren.
§ 10 Anmelde- und Antragsunterlagen (1) Einer Anmeldung oder einem Antrag auf Erlaubnis oder Genehmigung sind die Unterlagen beizufügen, die zur Beurteilung der Anmeldung oder zur Prüfung der Voraussetzungen der Erlaubnis oder Genehmigung erforderlich sind. Die Unterlagen müssen insbesondere folgende Angaben enthalten: 1. den Namen der Institution und des Betreibers,
§8 Gentechnische Arbeiten zu Forschungszwecken
2. den Namen des Projektleiters und den Nachweis der erforderlichen Sachkenntnis,
3. den Namen des oder der Beauftragten für die Bio(1) Wer erstmals in einem bestimmten geschlosselogische Sicherheit und den Nachweis der erfornen System gentechnische Arbeiten der Sicherheitsderlichen Sachkenntnis, stufe 1 zu Forschungszwecken durchführen will, hat die spätestens 90 Tage vor dem beabsichtigten Be- 4. eine Beschreibung des bestehenden oder geplanginn der Arbeiten beim Bundesgesundheitsamt anzuten geschlossenen Systems, insbesondere der simelden. Über die Durchführung der angemeldeten cherheitsrelevanten Einrichtungen (Autoklaven, sowie weiterer gentechnischer Arbeiten der SicherSicherheitswerkbänke, Vorrichtungen zur Steriliheitsstufe 1 hat der Betreiber Aufzeichnungen der zusation von Abluft oder Abwässern oder sonstige ständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen. Die Sicherheitseinrichtungen), Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnimg mit Zustimmung des Bundesrates nach Anhörung der 5. eine Beschreibung der vorgesehenen gentechnischen Arbeiten, aus der sich die Eigenschaften der Kommission die Einzelheiten über Form und Inhalt verwendeten Spender- und Empf ängerorganismen der Aufzeichnungen sowie die Aufbewahrungs- und sowie der Vektoren im Hinblick auf die erforderliVorlagepflichten. che Sicherheitsstufe sowie ihre möglichen sicher(2) Wer erstmals in einem bestimmten geschlosseheitsrelevanten Auswirkungen auf die in § 1 Nr. 1 nen System gentechnische Arbeiten der Sicherheitsbezeichneten Rechtsgüter und die vorgesehenen stufen 2,3 oder 4 zu Forschungszwecken durchführen Vorkehrungen ergeben. will, bedarf der Genehmigung des Bundesgesundheitsamtes. Die Durchführung weiterer einzelner gen(2) Der Betreiber kann auf Unterlagen nach Abtechnischer Arbeiten auch derselben oder einer nied- satz 1 Bezug nehmen, die er der zuständigen Behörde rigeren Sicherheitsstufe ist beim Bundesgesundheits- in einem vorangegangenen Verfahren vorgelegt hat. amt spätestens 60 Tage vor dem beabsichtigten Be- Bei der Anmeldung oder dem Antrag auf Erteilung ginn der Arbeiten anzumelden. einer Erlaubnis oder Genehmigung einer gentechni-
Anhang 1: Entwurf eines Gentechnikgesetzes sehen Arbeit, die in ihrer Art im Geltungsbereich dieses Gesetzes bereits angemeldet und durchgeführt, erlaubt oder genehmigt ist, kann der Betreiber auf Unterlagen nach Absatz 1 Nr. 5 eines früheren Antragstellers (Vorantragsteller) mit dessen Zustimmung Bezug nehmen.
§ 12 Erlaubnis und Genehmigung bei gentechnischen Arbelten (1) Die Erlaubnis und die Genehmigung gelten nur für die im Bescheid aufgeführten und einer bestimmten Sicherheitsstufe zugeordneten gentechnischen Arbeiten; die Genehmigung berechtigt unbeschadet des $ 8 Abs. 1 Satz 2 darüber hinaus auch zur Durchführung aller gentechnischer Arbeiten der Sicherheitsstufe 1.
(3) Bei der Beantragung einer Erlaubnis nach § 9 Abs. 2 Satz 1 sowie einer Erlaubnis für weitere gentechnische Arbeiten der Sicherheitsstufen 3 und 4 zu gewerblichen Zwecken sind die Unterlagen, soweit sie Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten, zu kennzeichnen und getrennt vorzulegen. Ihr Inhalt ist, (2) Erlaubnis und Genehmigung sind zu erteilen, soweit es ohne Preigabe des Geheimnisses geschehen wenn kann, so ausführlich darzustellen, daß es Dritten möglich ist zu beurteilen, ob und in welchem Umfang sie 1. die vorgelegten Unterlagen vollständig sind, von den Auswirkungen der gentechnischen Arbeit 2. nachgewiesen ist, daß der Projektleiter sowie der betroffen werden können. oder die Beauftragten für die Biologische Sicherheit die für ihre Aufgaben erforderliche Sachkenntnis haben und die ihnen obliegenden Verpflichtungen ständig erfüllen können,
§ 11
Anmeldeverfahren
3. keine Tatsachen vorliegen, aus denen sich Bedenken gegen die erforderliche Zuverlässigkeit des Betreibers, des Projektleiters sowie des oder der Beauftragten für die Biologische Sicherheit ergeben,
(1) Die zuständige Behörde hat dem Betreiber den Eingang der Anmeldung im Falle der §§ 8 Abs. 1 Satz 1 und 9 Abs. 1 Satz 1 innerhalb von 90 Tagen, im 4. gewährleistet ist, daß für die erforderliche SicherFalle der §§ 8 Abs. 2 Satz 2 und 9 Abs. 1 Satz 2 innerheitsstufe die nach dem Stand der Wissenschaft halb von 60 Tagen zu bestätigen. Die Bestätigung gilt und Technik notwendigen Vorkehrungen getrofals Zustimmung zur Durchführung der gentechnifen sind und deshalb schädliche Einwirkungen auf schen Arbeit. die in § 1 Nr. 1 bezeichneten Rechtsgüter nicht zu erwarten sind und (2) Lassen die Anmeldeunterlagen eine Beurteilung der angemeldeten gentechnischen Arbeiten nicht zu, 5. eine aufgrund einer nach § 30 Abs. 1 erlassenen Rechtsverordnung erforderliche Deckungsvorso kann die zuständige Behörde die Vorlage weiterer sorge nachgewiesen ist. zur Beurteilung erforderlicher Unterlagen verlangen. In diesem Fall darf mit der Durchführung der gentech- Vor Erteilung einer Genehmigung oder Erlaubnis hat nischen Arbeiten erst begonnen werden, wenn die die zuständige Behörde die erforderliche Beschaffenzuständige Behörde der Durchführung der gentechni- heit und Ausstattung des geschlossenen Systems zu schen Arbeiten zustimmt. Die zuständige Behörde hat überprüfen. Bei Genehmigungsanträgen, die genihre Entscheidung dem Antragsteller spätestens 60 technische Arbeiten der Sicherheitsstufe 2 betreffen, Tage nach Eingang der zusätzlichen Unterlagen mitgenügt eine Bestätigung der zuständigen Landesbezuteilen. hörde, daß die Beschaffenheit und Ausstattung des geschlossenen Systems der vorgelegten Beschrei(3) Die zuständige Behörde kann die Durchführung bung entspricht. der angemeldeten gentechnischen Arbeiten von Be(3) Vor der Entscheidung über eine Genehmigung dingungen abhängig machen, zeitlich befristen oder dafür Auflagen vorsehen, soweit dies erforderlich ist, prüft und bewertet die Kommission die sicherheitsum die in § 1 Nr. 1 bezeichneten Zwecke sicherzustel- technische Einstufung der beantragten gentechnischen Arbeiten und gibt hierzu Empfehlungen. len; § 17 Satz 3 gilt entsprechend. (4) Die zuständige Behörde kann die Durchführung der angemeldeten gentechnischen Arbeiten untersagen, wenn die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nummer 1 bis 5 nicht oder nicht mehr gegeben sind. Die Entscheidung bedarf der Schriftform. (5) Bei Anmeldungen nach § 8 Abs. 2 Satz 2 prüft und bewertet die Kommission die sicherheitstechnische Einstufung der beantragten gentechnischen Arbeiten und gibt hierzu Empfehlungen. Weicht das Bundesgesundheitsamt bei einer Entscheidung nach Absatz 3 oder 4 von einer Empfehlung der Kommission ab, so hat es die Gründe für die abweichende Entscheidung im Bescheid darzulegen.
(4) Ober die Erteilung einer Erlaubnis entscheidet die zuständige Landesbehörde hinsichtlich der sicherheitstechnischen Einstufung der gentechnischen Arbeit im Benehmen mit dem Bundesgesundheitsamt. Das Bundesgesundheitsamt holt eine Stellungnahme der Kommission über die sicherheitstechnische Einstufung der gentechnischen Arbeiten ein. Diese Stellungnahme ist der Landesbehörde mitzuteilen. (5) Die Entscheidung über den Antrag auf Erlaubnis oder Genehmigung zur Durchführung gentechnischer Arbeiten bedarf der Schriftform. Weicht das Bundesgesundheitsamt bei der Entscheidung über die Genehmigung oder der Sicherheitseinstufung gegenüber der Landesbehörde von der Empfehlung der
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Anhang 1: Entwurf eines Gentechnikgesetzes
Kommission ab, so hat es die Gründe für die abweichende Beurteilving schriftlich darzulegen. Weicht die zuständige Landesbehörde bei der Entscheidung über die Erlaubnis von der Sicherheitseinstufung des Bundesgesundheitsamtes ab, so hat sie ebenfalls die Gründe für die abweichende Entscheidung schriftlich darzulegen.
dung der in § 1 Nr. 1 bezeichneten Rechtsgüter ausgeschlossen ist. (5) Die Bundesregierung kann nach Anhörung der Kommission durch Rechtsverordnung bestimmen, daß außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes in einem gleichwertigen Verfahren erteilte Genehmigungen der Genehmigimg des Inverkehrbringens durch das Bundesgesundheitsamt gleichstehen.
(6) Über einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis oder Genehmigung ist innerhalb von 90 Tagen zu entscheiden. Lassen die Antragsunterlagen eine Beurteilung der beantragten gentechnischen Arbeiten nicht § 14 zu, so kann die zuständige Behörde die Vorlage weiAntragsunterlagen bei Freisetzung terer zur Prüfung der Erlaubnis- oder Genehmigungsund Inverkehrbringen voraussetzungen erforderlicher Unterlagen verlangen; in diesem Fall ist über den Antrag innerhalb von (1) Dem Antrag auf Genehmigung einer Freiset60 Tagen nach Eingang der zusätzlichen Unterlagen zung sind die zur Prüfung der Genehmigungsvorauszu entscheiden. setzungen erforderlichen Unterlagen beizufügen. Die Unterlagen müssen außer den in § 10 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 beschriebenen insbesondere folgende Angaben entDRITTER TEIL halten: Freisetzung und Inverkehrbringen 1. die Beschreibung des Freisetzungsvorhabens hinsichtlich seines Zweckes und Standortes,
§ 13 Freisetzung und Inverkehrbringen (1) Einer Genehmigung des Bundesgesundheitsamtes bedarf, wer 1. gentechnisch veränderte Organismen freisetzt, 2. gentechnisch veränderte Organismen oder sonstige Produkte, die solche Organismen enthalten, in den Verkehr bringt. Die Genehmigung für das Inverkehrbringen umfaßt auch die Nachkommen und das Vermehrungsmaterial des gentechnisch veränderten Organismus. Einer Genehmigung für ein Inverkehrbringen bedarf es nicht, wenn eine solche Genehmigung bereits einem früheren Betreiber für den gentechnisch veränderten Organismus oder das sonstige Produkt erteilt wurde. (2) Eine Genehmigung ist nicht erforderlich für die Abgabe zu Zwecken der Forschung von einem Betreiber, der nach den Vorschriften dieses Gesetzes befugt ist, gentechnische Arbeiten zu Forschungszwecken oder eine Freisetzung durchzuführen, an einen anderen Betreiber, der gleichfalls die erforderliche Befugnis hat. (3) Eine Genehmigung kann sich auf die Freisetzung unterschiedlicher gentechnisch veränderter Organismen am gleichen Standort sowie eines bestimmten gentechnisch veränderten Organismus an verschiedenen Standorten erstrecken, wenn die Freisetzung zum gleichen Zweck erfolgt. (4) Die Bundesregierung kann nach Anhörung der Kommission durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, daß für bestimmte Freisetzungen oder das Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen oder von Produkten, die solche Organismen enthalten, Ausnahmen von der Genehmigungspflicht nach Absatz 1 gelten, soweit nach dem Stand der Wissenschaft eine Gefähr-
2. die dem Stand der Wissenschaft entsprechende Beschreibung der sicherheitsrelevanten Eigenschaften des freizusetzenden Organismus und der Umstände, die für das Überleben, die Fortpflanzung und die Verbreitung des Organismus von Bedeutung sind; Unterlagen über vorangegangene Arbeiten im geschlossenen System und Freisetzungen sind beizufügen, 3. eine Darlegung der durch die Freisetzung möglichen sicherheitsrelevanten Auswirkungen auf die in § 1 Nr. 1 genannten Rechtsgüter und der vorgesehenen Vorkehrungen, 4. eine Beschreibung der geplanten Überwachungsmaßnahmen. (2) Soweit im Genehmigungsverfahren die Öffentlichkeit zu beteiligen ist, gilt § 10 Abs. 3 entsprechend. (3) Dem Antrag auf Genehmigung des Inverkehrbringens sind die zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen erforderlichen Unterlagen beizufügen. Die Unterlagen müssen insbesondere folgende Angaben enthalten: 1. den Namen oder die Firma und die Anschrift des Betreibers, 2. die Bezeichnung und eine dem Stand der Wissenschaft entsprechende Beschreibung des inverkehrzubringenden Organismus oder Produkts im Hinblick auf die gentechnisch veränderten spezifischen Eigenschaften; Unterlagen über vorangegangene Arbeiten im geschlossenen System und Freisetzungen sind beizufügen, 3. eine Beschreibung der zu erwartenden Verwendungsarten und der geplanten räumlichen Verbreitung, 4. eine Darlegung der durch das Inverkehrbringen möglichen sicherheitsrelevanten Auswirkungen auf die in § 1 Nr. 1 genannten Rechtsgüter,
Anhang 1: Entwurf eines Gentechnikgesetzes 5. eine Beschreibung der geplanten Maßnahmen zur Kontrolle des weiteren Verhaltens oder der Qualität des inverkehrzubringenden Organismus oder Produkts. (4) § 10 Abs. 2 Satz 1 gilt entsprechend. Hinsichtlich der Unterlagen nach Absatz 1 Nr. 2 und 3 oder Absatz 3 Nr. 2, 4 und 5 gilt $ 10 Abs. 2 Satz 2 entsprechend.
§15 Genehmigung bei Freisetzung und Inverkehrbringen (1) Die Genehmigung für eine Freisetzung ist zu erteilen, wenn
VIERTER TEIL
Gemeinsame Vorschriften § 16 Anhörungsverfahren (1) Vor der Entscheidung über eine Erlaubnis nach § 9 Abs. 2 Satz 1 sowie einer Erlaubnis für weitere gentechnische Arbeiten der Sicherheitsstufen 3 und 4 zu gewerblichen Zwecken hat die zuständige Behörde ein Anhörungsverfahren durchzuführen. Das gleiche gilt bei Freisetzungen, soweit es sich nicht um Organismen handelt, deren Ausbreitung begrenzbar ist. Die Bundesregierung bezeichnet nach Anhörung der Kommission durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Organismen, deren Ausbreitung bei einer Freisetzung begrenzbar ist.
1. die Voraussetzungen nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 vorliegen,
(2) Das Anhörungsverfahren regelt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates, Das Verfahren muß den Anforderungen des § 10 Abs. 3 bis 8 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes entsprechen.
2. gewährleistet ist, daß alle die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen sind,
Nebenbestimmungen, nachträgliche Auflagen
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3. nach dem Stand der Wissenschaft im Verhältnis Die zuständige Behörde kann ihre Entscheidung zum Zweck der Freisetzung unvertretbare schädli- mit Nebenbestimmungen versehen, soweit dies erforche Einwirkungen auf die in § 1 Nr. 1 bezeichneten derlich ist, um die in $ 1 Nr. 1 bezeichneten Zwecke Rechtsgüter nicht zu erwarten sind und sicherzustellen. Durch Auflagen können insbesondere bestimmte Verfahrensabläufe oder Sicherheits4. eine aufgrund einer nach § 30 Abs. 1 erlassenen vorkehningen oder eine bestimmte Beschaffenheit Rechtsverordnung erforderliche Deckungsvor- oder Ausstattung des geschlossenen Systems angeordnet werden. Die nachträgliche Anordnung von sorge nachgewiesen ist. Auflagen ist zulässig. (2) Die Genehmigung für ein Inverkehrbringen ist zu erteilen, wenn 1. die vorzulegenden Unterlagen vollständig sind und 2. nach dem Stand der Wissenschaft im Verhältnis zum Zweck des Inverkehrbringens unvertretbare schädliche Einwirkungen auf die in § 1 Nr. 1 bezeichneten Rechtsgüter nicht zu erwarten sind. (3) Die Entscheidung ergeht im Einvernehmen mit der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft und dem Umweltbundesamt, bei der Freisetzung gentechnisch veränderter Tiere auch im Einvernehmen mit der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere. (4) Vor Erteilung der Genehmigung prüft und bewertet die Kommission den Antrag im Hinblick auf mögliche Gefahren für die in § 1 Nr. 1 genannten Rechtsgüter, in den Fällen des Absatzes 1 unter Berücksichtigung der geplanten Sicherheitsmaßnahmen, und gibt hierzu Empfehlungen. (5) § 12 Abs. 5 Satz 2 gilt entsprechend.
$ 18 Rücknahme, Widerruf, einstwellige Einstellung Sind die Voraussetzungen für die Fortführung der gentechnischen Arbeit, der Freisetzung oder des Inverkehrbringens nachträglich entfallen, so kann anstelle einer Rücknahme oder eines Widerrufs der Erlaubnis oder Genehmigung nach den Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze die einstweilige Einstellung der Tätigkeit angeordnet werden bis der Betreiber nachweist, daß die Voraussetzungen wieder vorliegen.
δ 19 Anzeigepflichten (1) Der Betreiber hat jeden Wechsel in der Person des Projektleiters, des Beauftragten für die Biologische Sicherheit oder eines Mitgliedes des Ausschusses für die Biologische Sicherheit der für eine Anmeldung, die Erteilung der Erlaubnis oder Genehmigung und der für die Überwachung zuständigen Behörde vorher anzuzeigen. Bei einem unvorhergesehenen
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Anhang 1: Entwurf eines Gentechnikgesetzes
Wechsel hat die Anzeige unverzüglich zu erfolgen. Mit der Anzeige ist die erforderliche Sachkenntnis (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 und 3) nachzuweisen. (2) Anzuzeigen ist ferner jede beabsichtigte Änderung der sicherheitsrelevanten Einrichtungsgegenstände eines geschlossenen Systems, auch wenn das geschlossene System durch die Änderung weiterhin die Anforderungen der für die Durchführung der angemeldeten oder erlaubten oder genehmigten gentechnischen Arbeit erforderlichen Sicherheitsstufe erfüllt. (3) Der Betreiber hat der für die Anmeldung, die Erlaubnis- oder Genehmigungserteilung und der für die Überwachung zuständigen Behörde unverzüglich jedes Vorkommnis anzuzeigen, das nicht dem erwarteten Verlauf der gentechnischen Arbeit oder der Freisetzung entspricht und bei dem der Verdacht einer Gefährdung der in § 1 Nr. 1 bezeichneten Rechtsgüter nicht auszuschließen ist. Dabei sind alle für die Sicherheitsbewertung notwendigen Informationen sowie geplante oder getroffene Notfallmaßnahmen mitzuteilen.
§ 20 Andere behördliche Entscheidungen Vorschriften, nach denen öffentlich-rechtliche Genehmigungen, Zulassungen, Verleihungen, Erlaubnisse und Bewilligungen erteilt werden, finden auf gentechnische Arbeiten, Freisetzungen oder das Inverkehrbringen, die nach diesem Gesetz anmelde-, erlaubnis- oder genehmigungspflichtig sind, insoweit keine Anwendung, als es sich um den Schutz vor den spezifischen Gefahren der Gentechnik handelt; Vorschriften über das Inverkehrbringen nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 bleiben unberührt.
§21 Kosten (1) Das Bundesgesundheitsamt erhebt für Amtshandlungen nach diesem Gesetz Kosten (Gebühren und Auslagen). (2) Der Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die gebührenpflichtigen Tatbestände näher zu bestimmen.
gentechnischer Arbeiten der Sicherheitsstufen 3 und 4 zu Forschungszwecken kann die zuständige Behörde Vertreter des Bundesgesundheitsamtes als Sachverständige beteiligen, soweit Besichtigungen von geschlossenen Systemen und Untersuchungen von Probeentnahmen vorgenommen werden. (2) Natürliche und juristische Personen sowie nichtrechtsfähige Personenvereinigungen haben der zuständigen Behörde auf Verlangen unverzüglich die zur Überwachung erforderlichen Auskünfte zu erteilen. (3) Die mit der Überwachung beauftragten Personen sind befugt, 1. zu den Betriebs- und Geschäftszeiten Grundstücke, Geschäftsräume und Betriebsräume zu betreten und zu besichtigen, 2. alle zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Prüfungen einschließlich der Entnahme von Proben durchzuführen, 3. die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Unterlagen einzusehen. Zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung können Maßnahmen nach Satz 1 auch in Wohnräumen und zu jeder Tagesund Nachtzeit getroffen werden. Der Betreiber ist verpflichtet, Maßnahmen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 und Satz 2 zu dulden, die mit der Überwachung beauftragten Personen zu unterstützen, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist sowie die erforderlichen geschäftlichen Unterlagen vorzulegen. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt. (4) Auskunftspflichtige Personen können die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung sie selbst oder einen ihrer in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozeßordnung bezeichneten Angehörigen der Gefahr der Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit aussetzen würde. (5) Die in Erfüllung einer Auskunfts- oder Duldungspflicht nach diesem Gesetz oder einer aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung erhobenen personenbezogenen Informationen dürfen nur verwendet werden, soweit dies zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlich ist. (6) Die Kosten, die bei der Entnahme von Proben sowie deren Untersuchung entstehen, sind dem Auskunftspflichtigen nur aufzuerlegen, wenn die Ermittlungen ergeben, daß Vorschriften dieses Gesetzes, der auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen oder Anordnungen nicht erfüllt worden sind.
§ 22 Überwachung, Auskunft«-, Duldungspflichten
§ 23 Behördliche Anordnungen
(1) Die zuständigen Landesbehörden haben die Durchführung dieses Gesetzes, der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen und der darauf beruhenden behördlichen Anordnungen und Verfügungen zu überwachen. Bei der Überwachung
Die zuständige Landesbehörde kann im Einzelfall die Anordnungen treffen, die zur Beseitigung festgestellter oder zur Verhütung künftiger Verstöße gegen dieses Gesetz oder gegen die aufgrund dieses Geset-
Anhang 1: Entwurf eines Gentechnikgesetzes zes erlassenen Rechtsverordnungen notwendig sind. Sie kann insbesondere gentechnische Arbeiten, eine Freisetzung oder ein Inverkehrbringen ganz oder teilweise untersagen, wenn 1. die erforderliche Anmeldung unterblieben ist, eine erforderliche Erlaubnis oder Genehmigung nicht vorliegt oder die einstweilige Einstellung der Tätigkeit angeordnet ist, 2. ein Grund zur Rücknahme oder zum Widerruf einer Erlaubnis oder Genehmigung nach den Verwaltungsverfahrensgesetzen oder ein Grund zur Untersagung nach § 11 Abs. 4 gegeben ist, 3. gegen Nebenbestimmungen oder nachträgliche Auflagen nach § 11 oder § 17 verstoßen wird. §24 Unterrichtungspfllcht Die zuständigen Landesbehörden unterrichten das Bundesgesundheitsamt unverzüglich über die ihnen nach § 19 Abs. 3 angezeigten oder im Rahmen der Überwachung bekanntgewordenen sicherheitsrelevanten Vorkommnisse, über Zuwiderhandlungen oder den Verdacht auf Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften dieses Gesetzes, der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen sowie gegen Auflagen oder nach § 23 angeordnete Maßnahmen, soweit gentechnische Arbeiten zu Forschungszwekken, Freisetzungen oder ein Inverkehrbringen berührt sind.
(4) Art und Umfang der Daten regelt der Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates.
§ 26 Erlafl von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschrlften (1) Die Bundesregierung bestimmt nach Anhörung der Kommission durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Erreichung der in § 1 Nr. 1 genannten Zwecke die Verantwortlichkeit sowie die erforderliche Sachkenntnis des Projektleiters im Hinblick auf nachweisbare Kenntnisse in klassischer und molekularer Genetik, praktische Erfahrungen im Umgang mit Mikroorganismen und die erforderlichen Kenntnisse einschließlich der arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen über das Arbeiten in einem geschlossenen System. (2) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der Kommission durch Rechtsverordnung mit Zustimmimg des Bundesrates zur Erreichung der in § 1 Nr. 1 genannten Zwecke zu bestimmen,
§ 25
1. wie die Arbeitsstätte, die Betriebsanlagen und die technischen Arbeitsmittel bei den einzelnen Sicherheitsstufen beschaffen, eingerichtet und betrieben werden müssen, damit sie den gesicherten sicherheitstechnischen, arbeitsmedizinischen, hygienischen und sonstigen arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen, die zum Schutz der Beschäftieften zu beachten sind;
Auswertung von sicherheitsrelevanten Erkenntnissen
2. die erforderlichen betrieblichen Maßnahmen, insbesondere
(1) Das Bundesgesundheitsamt darf sicherheitsrelevante Daten, die im Zusammenhang mit der Durchführung genehmigungspflichtiger gentechnischer Arbeiten im geschlossenen System, von Freisetzungen oder eines Inverkehrbringens von ihm erhoben oder ihm übermittelt worden sind, zum Zweck der Beobachtung, Sammlung und Auswertung sicherheitsrelevanter Sachverhalte verarbeiten und nutzen. (2) Die Rechtsvorschriften über die Geheimhaltung bleiben unberührt. Die Übermittlung von sachbezogenen Erkenntnissen an Dienststellen der Europäischen Gemeinschaft und Behörden anderer Staaten darf nur erfolgen, wenn die anfordernde Stelle darlegt, daß sie Vorkehrungen zum Schutz von Geschäfts-und Betriebsgeheimnissen getroffen hat, die den entsprechenden Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes gleichwertig sind. (3) Personenbezogene Daten dürfen beim Bundesgesundheitsamt nur verarbeitet und genutzt werden, soweit dies für die Beurteilung der Zuverlässigkeit des Betreibers, des Projektleiters sowie des oder der Beauftragten für die Biologische Sicherheit oder die für die Beurteilung der Sachkenntnis des Projektleiters oder des oder der Beauftragten für die Biologische Sicherheit erforderlich ist.
a) wie das Arbeitsverfahren gestaltet sein muß, damit die Beschäftigten durch gentechnische Arbeiten oder eine Freisetzung nicht gefährdet werden, b) wie gentechnisch veränderte Organismen innerbetrieblich aufbewahrt werden müssen und auf welche Gefahren hingewiesen werden muß, damit die Beschäftigten durch eine ungeeignete Aufbewahrung nicht gefährdet und durch Gefahrenhinweise über die von diesen Organismen ausgehenden Gefahren unterrichtet werden, c) welche Vorkehrungen getroffen werden müssen, damit gentechnisch veränderte Organismen nicht in die Hände Unbefugter gelangen oder sonst abhanden kommen, d) welche persönlichen Schutzausrüstungen zur Verfügung gestellt und von den Beschäftigten bestimmungsgemäß benutzt werden müssen, e) daß die Zahl der Beschäftigten, die mit gentechnisch veränderten Organismen umgehen, beschränkt und daß die Dauer einer solchen Beschäftigung begrenzt werden kann,
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Anhang 1: Entwurf eines Gentechnikgesetzes
f) wie sich die Beschäftigten verhalten müssen, damit sie sich selbst und andere nicht gefährden, und welche Maßnahmen zu treffen sind, g) unter welchen Umständen Zugangsbeschränkungen zum Schutz der Beschäftigten vorgesehen werden müssen; 3. daß und wie viele Beauftragte für die Biologische Sicherheit der Betreiber zu bestellen hat, die ihn und die verantwortlichen Personen in allen Fragen der biologischen Sicherheit zu beraten haben, wie diese Beratungsaufgabe im einzelnen wahrzunehmen und welche Sachkenntnis von den Beauftragten für die Biologische Sicherheit hierfür nachzuweisen ist; 4. welche Kenntnisse und Fähigkeiten die mit gentechnischen Arbeiten im geschlossenen System oder einer Freisetzung Beschäftigten haben müssen und welche Nachweise hierüber zu erbringen sind; 5. wie und in welchen Zeitabständen die Beschäftigten über die Gefahren und Maßnahmen zu ihrer Abwendung zu unterweisen sind und wie den Beschäftigten der Inhalt der im Betrieb anzuwendenden Vorschriften in einer tätigkeitsbezogenen Betriebsanweisung unter Berücksichtigung von Sicherheitsratschlägen zur Kenntnis zu bringen ist; 6. welche Vorkehrungen zur Verhinderung von Betriebsunfällen und Betriebsstörungen sowie zur Begrenzung ihrer Auswirkungen für die Beschäftigten und welche Maßnahmen zur Organisation der Ersten Hilfe zu treffen sind; 7. daß und welche verantwortlichen Aufsichtspersonen zur Aufsicht über gentechnische Arbeiten im geschlossenen System und Freisetzungen sowie über andere Arbeiten im Gefahrenbereich bestellt und welche Befugnisse ihnen übertragen werden müssen, damit die Arbeitsschutzaufgaben erfüllt werden können; 8. daß im Hinblick auf den Schutz der Beschäftigten vom Betreiber eine Gefahrenbeurteilung vorzunehmen ist, welche Unterlagen hierfür zu erstellen sind und daß diese Unterlagen zur Überprüfung der Gefahrenbeurteilung zur Einsichtnahme durch die zuständige Behörde bereitgehalten werden müssen; 9. welche Unterlagen zur Abwendung von Gefahren für die Beschäftigten vom Betreiber zu erstellen und zur Einsichtnahme durch die zuständige Behörde bereitzuhalten und auf Verlangen vorzulegen sind; 10. daß die Beschäftigten gesundheitlich zu überwachen und hierüber Aufzeichnungen zu führen sind sowie zu diesem Zweck a) der Betreiber verpflichtet werden kann, die mit gentechnischen Arbeiten im geschlossenen System oder einer Freisetzung Beschäftigten ärztlich untersuchen zu lassen, b) der Arzt, der mit einer Vorsorgeuntersuchung beauftragt ist, im Zusammenhang mit dem Un-
tersuchungsbefund bestimmte Pflichten zu erfüllen hat, insbesondere hinsichtlich des Inhalts einer von ihm auszustellenden Bescheinigung und der Unterrichtung und Beratung über das Ergebnis der Untersuchung, c) die zuständige Behörde entscheidet, wenn Feststellungen des Arztes für unzutreffend gehalten werden, d) die in die Aufzeichnung aufzunehmenden Daten den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung oder einer von ihnen beauftragten Stelle zum Zweck der Ermittlung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren oder Berufskrankheiten übermittelt werden; 11. daß der Arbeitgeber dem Betriebs- oder Personalrat Vorgänge mitzuteilen hat, die dieser erfahren muß, um seine Aufgaben erfüllen zu können; 12. daß die zuständigen Landesbehörden ermächtigt werden, zur Durchführung von Rechtsverordnungen bestimmte Anordnungen im Einzelfall auch gegen Aufsichtspersonen und sonstige Beschäftigte insbesondere bei Gefahr im Verzug zu erlassen; 13. daß bei der Beendigung einer gentechnischen Arbeit im geschlossenen System oder einer Freisetzung bestimmte Vorkehrungen zu treffen sind; 14. daß die Beförderung von gentechnisch veränderten Organismen von der Einhaltung bestimmter Vorsichtsmaßregeln abhängig zu machen ist; 15. daß und wie zur Ordnung des Verkehrs mit gentechnisch veränderten Organismen und sonstigen Produkten, die solche Organismen enthalten, die Organismen und Produkte zu kennzeichnen sind, insbesondere daß Angaben über die gentechnische Veränderung und über die vertretbaren schädlichen Einwirkungen im Sinne von § 15 Abs. 2 Nr. 2 zu machen sind, soweit dies zum Schutz des Anwenders erforderlich ist; 16. welchen Inhalt und welche Form die Anmeldeund Antragsunterlagen nach den §§ 10 und 14 haben müssen, insbesondere an welchen Kriterien die Bewertung auszurichten ist, sowie die Einzelheiten des Anmelde-, Erlaubnis- und Genehmigungsverfahrens ; 17. daß die aufgrund von Absatz 2 Nr. 1 bis 16 getroffenen Regelungen auf die bei gentechnischen Arbeiten und bei Freisetzungen anfallenden biologischen Agenzien im Sinne der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdungen durch biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit auszudehnen sind. (3) Wegen der Anforderungen nach Absatz 1 und 2 kann auf jedermann zugängliche Bekanntmachungen sachverständiger Stellen verwiesen werden; hierbei ist 1. in der Rechtsverordnung das Datum der Bekanntmachung anzugeben und die Bezugsquelle genau zu bezeichnen,
Anhang 1: Entwurf eines Gentechnikgesetzes 2. die Bekanntmachung beim Bundesgesundheitsamt archivmäßig gesichert niederzulegen und in der Rechtsverordnung darauf hinzuweisen.
Verhältnis, aus dem er diesem gegenüber kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war oder unterhaltspflichtig werden konnte und ist dem Dritten infolge der Tötung das Recht auf Unterhalt entzogen, so hat der Ersatz(4) Die Bundesregierung kann nach Anhörung der pflichtige dem Dritten insoweit Schadensersatz zu leiKommission mit Zustimmung des Bundesrates zur sten, als der Getötete während der mußmaßlichen Durchführung dieses Gesetzes und der auf Grund die- Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts ses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen allge- verpflichtet gewesen wäre. Die Ersatzpflicht tritt auch meine Verwaltungsvorschriften erlassen. ein, wenn der Dritte zur Zeit der Verletzung gezeugt, aber noch nicht geboren war. § 27 Angleichung an Gemeinschaftsrecht Zum Zwecke der Umsetzung oder Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaften können Rechtsverordnungen nach diesem Gesetz erlassen werden, soweit dies zur Umsetzimg oder Durchführung dieser Rechtsakte erforderlich ist.
FÜNFTER TEIL
Haftungsvorschriften § 28 Haftung (1) Wird infolge von Eigenschaften eines Organismus, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen, jemand getötet oder an Körper oder Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Betreiber verpflichtet, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Schaden durch höhere Gewalt verursacht ist.
(5) Im Falle der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit ist Ersatz der Kosten der Heilung sowie des Vermögensnachteils zu leisten, den der Verletzte dadurch erleidet, daß infolge der Verletzung seine Erwerbsfähigkeit zeitweise oder dauernd aufgehoben oder gemindert war oder seine Bedürfnisse vermehrt waren. (6) Der Schadensersatz wegen Aufhebung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit und wegen vermehrter Bedürfnisse des Verletzten sowie der nach Absatz 4 Sätze 3 und 4 einem Dritten zu gewährende Schadensersatz für die Zukunft ist durch eine Geldrente zu leisten. § 843 Abs. 2 bis 4 des Bürgerlichen Gesetzbuchs findet entsprechende Anwendung. (7) Stellt die Beschädigung einer Sache auch eine Beeinträchtigung der Natur oder der Landschaft dar, so ist, soweit der Geschädigte den vorherigen Zustand wiederherstellt, § 251 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit der Maßgabe anzuwenden, daß Aufwendungen für die Wiederherstellung des vorherigen Zustandes nicht bereits dann unverhältnismäßig sind, wenn sie den Wert der Sache erheblich übersteigen. Für die erforderlichen Aufwendungen hat der Schädiger auf Verlangen des Ersatzberechtigten Vorschuß zu leisten.
(2) Sind für denselben Schaden mehrere Betreiber zum Schadensersatz verpflichtet, so haften sie als Ge(8) Auf die Verjährung finden die für unerlaubte samtschuldner. Im Verhältnis der Ersatzpflichtigen Handlungen geltenden Vorschriften des Bürgerlichen zueinander hängt, soweit nichts anderes bestimmt ist, Gesetzbuchs entsprechende Anwendung. die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil ver§ 29 ursacht worden ist; im übrigen gelten die §§ 421 bis Auskunltsansprttche des Geschädigten 425,426 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. (1) Entsteht im Einwirkungsbereich eines geschlos(3) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Ver- senen Systems oder einer Freisetzung ein Personenschulden des Geschädigten mitgewirkt, so gilt § 254 oder Sachschaden und besteht die emsthafte Mögdes Bürgerlichen Gesetzbuchs. Im Falle der Sachbe- lichkeit, daß der Schaden auf gentechnischen Arbeischädigung steht das Verschulden desjenigen, der die ten beruht, so ist der Betreiber verpflichtet, auf Vertatsächliche Gewalt über die Sache ausübt, dem Ver- langen des Geschädigten über die Art der in dem schulden des Geschädigten gleich. Die Haftung des geschlossenen System durchgeführten oder einer Betreibers wird nicht gemindert, wenn der Schaden Freisetzung zugrundeliegenden gentechnischen Arzugleich durch die Handlung eines Dritten verursacht beiten Auskunft zu erteilen, soweit dies zur Feststelworden ist; in diesem Fall gilt Absatz 2 Satz 2 entspre- lung, ob ein Anspruch nach § 28 besteht, erforderlich chend. ist. Die §§ 259 bis 261 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (4) Im Falle der Tötung umfaßt der Schadensersatz finden entsprechende Anwendung. die Kosten der versuchten Heilung sowie des Vermö(2) Ein Auskunftsanspruch besteht unter den Vorgensnachteils, den der Getötete dadurch erlitten hat, aussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 auch gegenüber daß während der Krankheit seine Erwerbsfähigkeit den Behörden, die für die Anmeldung, die Erteilung aufgehoben oder gemindert war oder seine Bedürf- einer Erlaubnis oder Genehmigung oder die Überwanisse vermehrt waren. Der Ersatzpflichtige hat außer- chung zuständig sind. dem die Kosten der Beerdigung demjenigen zu ersetzen, der diese Kosten zu tragen hat. Stand der Getö(3) Die Ansprüche nach den Absätzen 1 und 2 bestetete zur Zeit der Verletzung zu einem Dritten in einem hen insoweit nicht, als die Vorgänge aufgrund gesetz-
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licher Vorschriften geheimzuhalten sind oder die Geheimhaltung einem überwiegenden Interesse des Betreibers oder eines Dritten entspricht.
Nr. 5 und § 2 Satz 2 des Produkthaftungsgesetzes keine Anwendung, wenn der Produktfehler auf gentechnischen Arbeiten beruht.
§ 30
(3) Unberührt bleiben gesetzliche Vorschriften, nach denen ein Ersatzpflichtiger in weiterem Umfang als nach den Vorschriften dieses Gesetzes haftet oder nach denen ein anderer für den Schaden verantwortlich ist.
Deckungsvorsorge (1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, in einer Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, daß die Betreiber von gentechnischen Arbeiten der Sicherheitsstufen 2 bis 4 und von Freisetzungen verpflichtet sind, zur Sicherung der Haftimg nach § 28 Vorsorge zu treffen (Deckungsvorsorge). Die Rechtsverordnung muß nähere Vorschriften enthalten über den Umfang und die Höhe der Deckungsvorsorge sowie über die für die Überwachung der Deckungsvorsorge zuständigen Stellen und deren Verfahren und Befugnisse bei der Überwachung der Deckungsvorsorge. (2) Die Deckungsvorsorge kann insbesondere erbracht werden 1. durch eine Haftpflichtversicherung bei einem im Geltungsbereich dieses Gesetzes zum Geschäftsbetrieb befugten Versicherungsunternehmen oder 2. durch eine Freistellungs- oder Gewährleistungsverpflichtung des Bundes oder eines Landes. In der Rechtsverordnung nach Absatz 1 können auch andere Arten der Deckungsvorsorge zugelassen werden, insbesondere Freistellungs- oder Gewährleistungsverpflichtungen von Kreditinstituten, sofern sie vergleichbare Sicherheiten wie eine Deckungsvorsorge nach Satz 1 bieten. (3) Von der Pflicht zur Deckungsvorsorge sind befreit 1. die Bundesrepublik Deutschland, 2. die Länder und 3. die juristischen Personen des öffentlichen Rechts. § 31 Haftung nach anderen Rechtsvorschriften (1) Wird infolge der Anwendung eines zum Gebrauch bei Menschen bestimmten Arzneimittels, das im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes an den Verbraucher abgegeben wurde und der Pflicht zur Zulassung unterliegt oder durch Rechtsverordnung von der Zulassung befreit worden ist, jemand getötet oder an Körper oder Gesundheit verletzt, so sind die §§28 bis 30 nicht anzuwenden.
SECHSTER TEIL
Straf- und Bußgeldvorschriften §32 Bußgeldvorschriften (1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. entgegen § 7 Abs. 1 Satz 1 gentechnische Arbeiten durchführt, 2. entgegen § 8 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 Satz 2 oder § 9 Abs. 1 gentechnische Arbeiten nicht oder nicht rechtzeitig anmeldet, 3. gentechnische Arbeiten ohne Erlaubnis oder Genehmigung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 oder § 9 Abs. 2 durchführt, 4. ohne Genehmigung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 gentechnisch veränderte Organismen oder sonstige Produkte, die solche Organismen enthalten, in den Verkehr bringt, 5. einer vollziehbaren Auflage nach § 17 Satz 2 oder einer vollziehbaren Anordnung nach § 23 zuwiderhandelt, 6. entgegen § 19 Abs. 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2 oder Absatz 2 oder 3, eine Anzeige nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig erstattet, 7. entgegen § 22 Abs. 2 eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt, 8. entgegen § 22 Abs. 3 Satz 3 einer dort genannten Verpflichtung zuwiderhandelt oder 9. einer Rechtsverordnung nach § 7 Abs. 3 Satz 2 oder § 26 Abs. 2 Nr. 1 bis 15 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist. (2) Die Bußgeldvorschriften des Absatzes 1 gelten auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 2 Abs. 2 oder 3.
(2) Das gleiche gilt, wenn gentechnisch veränderte Organismen oder sonstige Produkte, die solche Orga(3) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldnismen enthalten, aufgrund einer Genehmigung nach buße bis zu einhunderttausend Deutsche Mark ge§ 15 Abs. 2 oder einer Zulassung oder Genehmigung ahndet werden. nach anderen Rechtsvorschriften im Sinne des § 2 Abs. 1, 2. Halbsatz in den Verkehr gebracht werden. (4) Soweit dieses Gesetz von Bundesbehörden ausIn diesem Fall finden für die Haftung desjenigen Her- geführt wird, ist Verwaltungsbehörde im Sinne des stellers, dem die Zulassung oder Genehmigung für § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigdas Inverkehrbringen erteilt worden ist, § 1 Abs. 2 keiten die nach Landesrecht zuständige Behörde.
Anhang 1: Entwurf eines Gentechnikgesetzes § 33 Strafvorschriften (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. ohne Genehmigung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 2 Abs. 3, gentechnisch veränderte Organismen freisetzt, 2. einer Rechtsverordnung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist. (2) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer durch eine in Absatz 1 Nr. 1 oder eine in § 32 Abs. 1 Nr. 1,5,6 oder 9 bezeichnete vorsätzliche Handlung Leib oder Leben eines Menschen, Sachen von bedeutendem Wert oder Bestandteile des Naturhaushalts von erheblicher ökologischer Bedeutimg gefährdet. (3) Der Versuch ist strafbar. (4) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe 1. in den Fällen des Absatzes 1 Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe, 2. in den Fällen des Absatzes 2 Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.
schutzgesetzes erteilt worden ist, gilt im bisherigen Umfang als Anmeldung oder Erlaubnis im Sinne dieses Gesetzes fort. (3) Bereits begonnene Verfahren sind nach den Vorschriften dieses Gesetzes und der auf dieses Gesetz gestützten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu Ende zu führen.
§35 Berlin-Klausel Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes auch im Land Berlin. Rechtsverordnungen, die aufgrund dieses Gesetzes erlassen werden, gelten im Land Berlin nach § 14 des Dritten Überleitungsgesetzes.
Artikel 2 Änderung der Verordnung Ober genehmigungsbedürftige Anlagen Die Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen vom 24. Juli 1985 (BGBl. IS. 1586), zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 15. Juli 1988 (BGBl. I S. 1059) wird wie folgt geändert: Im Anhang wird Nummer 4.11 gestrichen.
SIEBTER TEIL
Übergangs- und Schlußvorschriften
Artikel 3
§34
Änderung der Abwasserherkunftsverordnung
Übergangsregelung (1) Für gentechnische Arbeiten, die bei Inkrafttreten der Vorschriften dieses Gesetzes über Anmeldungen sowie Erlaubnis- und Genehmigungspflichten in einem nach den * Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch in-vitro neukombinierte Nukleinsäuren" (GenRichtlinien) registrierten Genlabor durchgeführt werden durften und die nach den Vorschriften dieses Gesetzes angemeldet werden müssen oder einer Erlaubnis oder einer Genehmigung bedürfen, gilt die Anmeldung als erfolgt oder die Erlaubnis oder Genehmigung als erteüt. Die durch Satz 1 erfaßten Betreiber haben der zuständigen Überwachungsbehörde innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Inkrafttreten der Vorschriften dieses Gesetzes über Anmeldungen sowie Erlaubnis- und Genehmigungspflichten das Vorliegen eines Registrierungsbescheides des Bundesgesundheitsamtes sowie eine nach den GenRichtlinien erforderliche Zustimmung der Kommission oder des Bundesgesundheitsamtes zu gentechnischen Arbeiten im geschlossenen System oder Freisetzungen nachzuweisen. (2) Eine Genehmigung, die vor dem Inkrafttreten der Vorschriften dieses Gesetzes über Anmeldungen sowie die Erlaubnis- und Genehmigungspflichten nach § 6 Bundes-Immissionsschutzgesetz in Verbindung mit Nummer 4.11 des Anhangs zur Vierten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissions-
Die Abwasserherkunftsverordnung vom 3. Juli 1987 (BGBl. I S. 1578) wird wie folgt geändert: In § 1 Nr. 10 wird Buchstabe h gestrichen.
Artikel 4 Änderung der Gefahrstoffverordnung Die Gefahrstoffverordnung vom 26. August 1986 (BGBl. I S. 1470), geändert durch Verordnung vom 16. Dezember 1987 (BGBl. I S. 2721), wird wie folgt geändert: In § 15 Abs. 1 Nr. 1 werden nach dem Wort „Chemikaliengesetzes " die Worte „einschließlich des bei der Bio- und Gentechnik anfallenden gefährlichen biologischen Materials" gestrichen.
Artikel 5 Änderung des Tierschutzgesetzes Das Tierschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. August 1986 (BGBl. I S. 1319) wird wie folgt geändert: § 7 Abs. 1 Satz 1 wird wie folgt neu gefaßt:
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Anhang 1: Entwurf eines Gentechnikgesetzes
(1) Tierversuche im Sinne dieses Gesetzes sind Eingriffe oder Behandlungen zu Versuchszwecken 1. an Tieren, wenn sie mit Schmerzen, Leiden oder Schäden für diese Tiere oder 2. am Erbgut von Tieren, wenn sie mit Schmerzen, Leiden oder Schäden für die erbgutveränderten Tiere oder deren Trägertiere verbunden sein können.
Artikel 7 Berlin-Klausel Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes auch im Land Berlin.
Artikel 8 Inkralttreten
Artikel 6 Rückkehr zum einheitlichen Verordnungsrang Die durch Artikel 2 bis 4 geänderten Rechtsverordnungen können im Rahmen der jeweils einschlägigen Ermächtigung in Verbindung mit diesem Artikel weiterhin durch Rechtsverordnung geändert oder aufgehoben werden.
(1) Das Gesetz tritt vorbehaltlich des Absatzes 2 am 1. Januar 1991 in Kraft. (2) Artikel 1 § 2 Abs. 2 und 3, § 4 Abs. 4, § 7 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2, § 8 Abs. 1 Satz 4, § 13 Abs. 4 und 5, § 16 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2, § 21 Abs. 2, § 25 Abs. 4, § 26 Abs. 1 bis 3, δ 27 und δ 30 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.
Anhang 2: Beschluß des Hess. VGH vom 6.11.1989 - 8 TH 685/89 (Auszug)
Leitsätze: 1. Gentechnische Anlagen dürfen nur aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung über die Nutzung der Gentechnologie errichtet und betrieben werden. 2. Weder das Bundesimmissionsschutzgesetz noch andere Fachgesetze bilden eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer gentechnischen Anlage.
Aus den Gründen: ... [Sachverhaltsdarstellung] Die Beschwerde ist begründet; denn das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der von den Antragstellern erhobenen Klage gegen die der Beigeladenen erteilte Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer gentechnischen Anlage zu Unrecht abgelehnt. Dieser Antrag ist zulässig und auch in der Sache erfolgreich. An der Zulässigkeit des Antrags bestehen keine Bedenken. Insbesondere sind die Antragsteller antragsbefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog). Es ist jedenfalls nicht offensichtlich unmöglich, daß die maximal 8,5 km von der von der Beigeladenen für die baldige Inbetriebnahme vorgesehenen Einrichtung entfernt wohnenden Antragsteller durch die vom Betriebe dieser Anlage vermeintlich ausgehenden Emissionen (Freisetzung lebender Organismen) in ihren Grundrechten auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) und in ihrem Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) mit der Folge eines entsprechenden Abwehranspruchs verletzt werden.
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Das Aussetzungsbegehren ist auch begründet; denn die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die der Beigeladenen erteilte Genehmigung erscheint rechtswidrig und verletzt die Antragsteller in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die hier in Rede stehende gentechnische Anlage ist genehmigungsbedürftig, aber nicht genehmigungsfähig. Eine parlamentarische Grundsatzentscheidung für oder gegen die rechtliche Zulässigkeit eines Einsatzes der Gentechnologie (Hinweise auf das Schrifttum zu tatsächlichen und rechtlichen Fragen der Umwelt-Gentechnik bei Kloepfer, Gentechnikrecht zum Schutze der Umwelt, UPR 1989, S. 281 Fn. 1) gibt es in der Bundesrepublik Deutschland derzeit noch nicht (allein in Dänemark existiert in Form eines Umwelt- und Gentechnologiegesetzes eine spezialgesetzliche Regelung; zitiert nach Pohlmann, Gentechnische Industrieanlagen und rechtliche Regelungen, BB 1989, S. 1205 Fn. 4). Inzwischen liegt lediglich der umfangreiche Bericht der vom Deutschen Bundestag am 29. Juni 1984 eingesetzten Enquete-Kommission „Chancen und Risiken der Gentechnologie" vor (BT-Drs. 10/6775). Dagegen sind sämtliche Gesetzesinitiativen bislang im Entwurfsstadium steckengeblieben (vgl. zuletzt den Entwurf der Bundesregierung v. 11.08.89 - BR-Drucks. 387/89 dazu die kritische Stellungnahme des Öko-Instituts Freiburg/Darmstadt, KJ 1989, S. 349). Der Senat ist der Auffassung, daß Anlagen, in denen mit gentechnischen Methoden gearbeitet wird, nur aufgrund einer ausdrücklichen Zulassung durch den Gesetzgeber errichtet und betrieben werden dürfen. Dies folgert er aus der Schutzpflicht des Gesetzgebers, die auch auf dem Gebiet der Gentechnologie jedenfalls für die - wie hier durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützten Rechtsgüter z.B. der Antragsteller besteht (für das Atomrecht vgl. BVerfGE 49, 89 [141 f.]; 53, 30 [57]). In seinem klassischen Gehalt schützt das Recht auf körperliche Unversehrtheit zwar nur vor gezielten staatlichen Eingriffen, wie Zwangsversuchen an lebenden Menschen, Zwangssterilisationen und ähnlichem (vgl. Wernicke , in: Bonner Kommentar, Art. 2 GG Anm. II 2 c; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 16. Aufl., Rdnr. 364). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erschöpft sich das Grundrecht aber nicht in einem subjektiven Abwehrrecht gegenüber solchen Eingriffen (so zuletzt BVerfGE 79, 174 [201/202]). Aus ihm ist vielmehr auch eine Schutzpflicht des Staates und seiner Organe für
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das geschützte Rechtsgut abzuleiten, die auch die Pflicht zur Risikoabwehr umfaßt und es gebietet, die Gefahr von Grundrechtsverletzungen einzudämmen (Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, S. 127/128). Insofern begründet auch ein unterlassener Schutz eine Grundrechtsverletzung, wenn der Staat zum Schutze verpflichtet ist. Bei der Erfüllung dieser Schutzpflicht kommt dem Gesetzgeber wie der vollziehenden Gewalt ein weiterer Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich zu, der auch Raum läßt, etwa konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen (BVerfGE 77, 170 [214 f.]). Auf dem Gebiet der gesamten Forschung und Technik sind auf der einen Seite die Grundrechte des Anwenders (Forschers, Betreibers von Anlagen) aus Art. 5 Abs. 3 GG (Forschungsfreiheit), Art. 12 GG (Berufs- und Gewerbefreiheit) sowie Art. 14 GG (Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) zu sehen, auf der anderen Seite die Grundrechte der durch die Anwendung und Nutzung der Technik betroffenen Dritten, namentlich deren Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Für die Durchführung von Forschungsvorhaben, die sich mit der invitro-Neukombination von Nukleinsäuren befassen, und für die wie hier von der Beigeladenen beabsichtigte produktionstechnische Gewinnung von Substanzen mit Hilfe gentechnischer Verfahren - dort allerdings nur bei freiwilliger Unterwerfung bzw. durch behördliche Auflage (vgl. 1.2.1.1 der Entscheidungsformel des Widerspruchsbescheides) - gelten bislang die „Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch in-vitro neukombinierte Nukleinsäuren" in der nunmehr fünften Fassung vom 28. Mai 1986 (Anhang 3 zu BT-Drs. 10/6775, S. 381 ff.). Dabei handelt es sich um eine von der Bundesregierung erstmals im Jahre 1978 erlassene und inzwischen zur Anpassung an den Stand von Wissenschaft und Technik mehrfach überarbeitete Verwaltungsvorschrift, nicht um eine Rechtsnorm (Winter, Gentechnik als Rechtsproblem, DVB1. 1986, S. 585, 590; Lukes , Die Gentechnologie aus der Sicht des Rechts der Technik, DVB1. 1986, S. 1221, 1222, der bereits den Charakter als Verwaltungsvorschrift bestreitet, ebenda, S. 1223). Auch die EnqueteKommission hat aus dem Fehlen des Rechtsnormcharakters der Richtlinien die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung gefordert (BTDrs. 10/6775, S. 286-289) und eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen (BT-Drs. 10/6775, S. 290). Dabei hat sie sich auf die vom Bundesverfassungsgericht vertretene Wesentlichkeitstheorie gestützt, wonach der Gesetzgeber verpflichtet ist, - losgelöst vom Merkmal des „Eingriffs" - in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zu-
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gänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen. Verfassungsrechtlicher Ansatzpunkt der von der Enquete-Kommission geforderten gesetzlichen Regelung sind jedoch nur die Rechtspositionen des Forschers und Unternehmers, nicht die der möglicherweise Gefährdeten. Offensichtlich wurde die grundsätzliche Zulässigkeit der Gentechnologie selbst nicht zum Thema erhoben, obwohl in dem vom Deutschen Bundestag am 29. Juni 1984 verabschiedeten Beschluß zur Einsetzung dieser Enquete-Kommission als erste der vier Aufgaben die „Betrachtung möglicher Zielkonflikte zwischen der gesetzlich garantierten Freiheit der Forschung und anderen Grundrechten" genannt worden ist (BT-Drs. 10/1581). Die solchermaßen verkürzte Betrachtungsweise kann vom Senat nicht geteilt werden. Wo die bereits genannten Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit auf dem Spiele stehen, ist der Gesetzgeber nicht nur berechtigt und verpflichtet, Schutzgesetze zu erlassen, um die den Anwendern einer Technik zur Seite stehenden Grundrechte in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise einzuschränken, sondern diese Pflicht ergibt sich objektiv, d.h. ganz unabhängig von der Geltendmachung subjektiver Ansprüche von Grundrechtsträgern aus dem Schutzpflichtgedanken. Der Staat hat sich demnach nicht nur selbst aller Übergriffe in die grundrechtlichen Freiheitsbereiche zu enthalten, sondern darüber hinaus - notfalls bis zum Erlaß von Strafvorschriften - Vorsorge zu treffen, wenn die grundrechtlichen Schutzgüter der Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG von Dritten bedroht werden. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Gedanken zunächst in seinem Urteil zur Reform der Abtreibungsbestimmungen des § 218 StGB im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG entwickelt (BVerfGE 39, 1 [41 f.]) und sodann in seinen atomrechtlichen Entscheidungen weiter ausgebaut (BVerfGE 49, 89 ff.; 53, 30 ff.; ebenso zum Fluglärm, E 56, 54 ff.; zur Entwicklung dieser Rechtsprechung sowie zur dogmatischen Herleitung der grundrechtlichen Schutzpflichten siehe Klein, Grundrechtliche Schutzpflichten des Staates, NJW 1989, S. 1633 ff.). Bei einer Konkurrenz der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 3, 12 und 14 GG einerseits und Art. 2 Abs. 2 GG andererseits kehrt sich das Verhältnis von prinzipieller Forschungs-, Berufs- und Gewerbefreiheit und damit einhergehender besonders begründungsbedürftiger Beschränkung angesichts der überragenden Bedeutung des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit um mit der Folge, daß die Nutzung einer Technologie wegen ihrer weitreichenden Auswirkungen auf die Menschen einer besonderen Zulassung durch den Gesetzgeber bedarf (Kloepfer, Umweltrecht, S. 810 Rdnr. 201; zum ganzen insb. Hofmann, Biotechnik, Gentherapie, Genmanipulation - Wissenschaft im rechtsfreien
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Raum?, JZ 1986, S. 253, 255/256). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die öffentliche Gewalt bereits Vorkehrungen getroffen hat, die geeignet sind, das Schutzziel zu erreichen. Das ist für den Bereich der Gentechnologie zu verneinen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main sowie der vom Antragsgegner und der Beigeladenen vertretenen Ansicht stellt das Bundesimmissionsschutzgesetz eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der streitbefangenen Anlage nicht dar. Es bestehen keine Zweifel, daß der Gesetzgeber im Zeitpunkt des Erlasses des Bundesimmissionsschutzgesetzes - BImSchG - vom 15. März 1974 (BGBl. I S. 721, 1193), zuletzt geändert am 26. November 1986 (BGBl. I S. 2089), Anlagen zum Umgang mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen nicht ins Auge gefaßt hatte. Daran hatte nicht einmal der Verordnungsgeber gedacht, wie die erst auf Vorschlag des Bundesrats in den aufgrund einer Rechtsverordnung geschaffenen Katalog erfolgte Aufnahme von „Anlagen zum Umgang mit a) gentechnisch veränderten Mikroorganismen, b) gentechnisch veränderten Zellkulturen, soweit sie nicht dazu bestimmt sind, zu Pflanzen regeneriert zu werden, c) Bestandteilen oder Stoffwechselprodukten von Mikroorganismen nach a) oder Zellkulturen nach b), soweit sie biologisch aktive rekombinante Nukleinsäure enthalten ..." durch die Änderungsverordnung vom 19. Mai 1988 (BGBl. I S. 608) zeigt (weitere die Gentechnik betreffende Regelungen auf der Ebene der Rechtsverordnungen finden sich daneben in § 15 Abs. 1 Nr. 1 der Gefahrenstoffverordnung i.d.F. der Ersten Änderungsverordnung vom 16.12.87, BGBl. I S. 2721: „... bei der Bio- und Gentechnik anfallendes biologisches Material", in der Anlage A der Gefahrgutverordnung Straße i.d.F. der Ersten Änderungsverordnung vom 21.12.87, Anlagenband zum BGBl. I vom 30.12.87: „Organismen mit neukombinierten Nukleinsäuren" sowie in § 1 Nr. 10 h der Abwasserherkunftsverordnung vom 03.07.87, BGBl. I S. 1578: „Herstellung und Verwendung von Mikroorganismen und Viren mit in-vitro neukombinierten Nukleinsäuren"). Zwar kommt es grundsätzlich nicht darauf an, welche subjektiven Vorstellungen der Gesetzgeber bei der Regelung einer Materie hat, wenn nur objektiv die Normierung einen in Frage stehenden Sachverhalt erfaßt (BVerfGE 77, 381 [403]). Diese Auffassung, die vom Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der Genehmigung privater externer Zwischenlager der nuklearen Entsorgung vertreten worden ist, gewinnt aber nur vor dem Hintergrund Bedeutung, daß aus dem vom Gesetzgeber ausdrücklich zugelassenen Betrieb von Kernkraftwerken
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zugleich die im Grundsatz gesetzgeberische Billigung auch der Zwischenlagerung abgebrannter Kernbrennelemente gefolgert werden kann. Denn eine Zwischenlagerung stellte sich bei der Entsorgungslage, die bei Erlaß der Entsorgungsnovelle des Atomgesetzes bereits gegeben war und auch derzeit noch besteht, als notwendige Folge der - vom Gesetzgeber zugelassenen - Nutzung der Kernenergie dar. Indes erfassen weder das Bundesimmissionsschutzgesetz noch andere Gesetze (z.B. das Bundes-Seuchengesetz oder das Chemikaliengesetz; ausführlich zur Frage der Anwendbarkeit bestehender Gesetze auf die Gentechnologie Richter, Gentechnologie als Regelungsgegenstand des technischen Sicherheitsrechts, 1989, S. 69 ff.) die Frage, ob der Gesetzgeber überhaupt gerade die mit der Nutzung der Gentechnik verbundenen Gefahren (zu den zu berücksichtigenden Besonderheiten der Biotechnologie statt vieler: Nicklisch, Rechtsfragen der modernen Bio- und Gentechnologie, BB 1989, S. 1 ff.) als sozial adäquates Risiko der Bevölkerung zumuten will. Insoweit unterscheidet sich das - gegenwärtig - nach Überzeugung des Senats auch bei Beachtung der nach dem Stand von Wissenschaft und Technik gebotenen Vorsichtsmaßnahmen letztlich nicht abschätzbare biologische Risiko von den Gefahren, vor denen zu schützen und deren Entstehen vorzubeugen Zweck des Bundesimmissionsschutzgesetzes ist (vgl. § 1 BImSchG). Der Gesetzgeber ist bei der Schaffung des Bundesimmissionsschutzgesetzes offensichtlich von der Beherrschbarkeit und Abwehrmöglichkeit von Emissionen und ihrer Endlichkeit ausgegangen, wenn er in § 5 fordert, daß genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben seien, daß a) schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können, b) Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen zur Emissionsbegrenzung, und c) die beim Betrieb der Anlage entstehenden Reststoffe ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder, soweit dies technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist, als Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden.
Dabei hat er ein dynamisches Konzept gewählt, indem er den Katalog der genehmigungsbedürftigen Anlagen nicht festgeschrieben, sondern eine Festlegung der Verordnung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 BImschG überlassen hat. Damit sollte zum einen mehr Flexibilität erreicht werden, zum anderen ist der Genehmigungsvorbehalt auch für neue, bei Erlaß des Gesetzes noch nicht oder nicht voll erkannte Gefahrenpotentiale in einer Weise zur Geltung gebracht worden, die stets dem neuesten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse Rechnung tragen sollte.
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Gleichwohl ist mit diesem Konzept der Anpassungsmöglichkeit durch Rechtsverordnung dem Schutzpflichtgedanken und dem Grundsatz des Parlamentsvorbehalts auf dem Gebiet der Gentechnologie (vgl. auch dazu Richter y a.a.O., S. 193 ff.) nicht hinreichend Rechnung getragen. Die Tatsache, daß mit dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt untrennbar auch das Ungewisse, die Lücke im menschlichen Wissen sowie das vorläufige, noch nicht gesicherte Wissen verbunden ist, stellte die Rechtsordnung schon immer vor die Frage, wie sie mit diesen neuen Bereichen und vor allem mit dem Phänomen des Ungewissen, d.h. des Noch-nicht-Wissens, umgehen soll. Diese insoweit nicht neue Frage - man denke nur an die preußische Dampfkesselgesetzgebung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts - hat jedoch im Umgang mit den Basisinnovationen Kernenergie, Raumfahrt, Informations- und Kommunikationstechnologie sowie Biotechnologie, insbesondere Gentechnologie, ganz andere Dimensionen und damit auch eine andere Qualität angenommen (Nicklisch, Das Recht im Umgang mit dem Ungewissen in Wissenschaft und Technik, NJW 1986, S. 2287, 2288). Die Form der gezielten Neukombination des genetischen Materials von Lebewesen mit technischen Methoden (Gentechnik) ist erst in den letzten zwei Jahrzehnten möglich geworden (Konferenz amerikanischer Molekularbiologen im Februar 1975 in Asilomar/USA; weitere Hinweise dazu bei Pohlmann, a.a.O., S. 1206 Fn. 8). Entsprechend begrenzt sind derzeit noch die Erkenntnisse über Nutzen und Gefahren. Den nur anzudeutenden positiven Potentialen der Gentechnik auch und gerade im Gesundheitsbereich - neue und bessere Arzneimittel (Diagnostika), Therapeutika, Impfstoffe für die Human- und Veterinärmedizin (vgl. zum ganzen Bericht der Enquete-Kommission vom 06.01.87, BT-Drs. 10/6775, S. 40 ff.: Abschnitt C „Anwendungsbereiche der Gentechnologie") - stehen jedoch auch potentielle Risiken und Gefahren gegenüber. Sie ergeben sich insbesondere aus dem Umgang mit pathogenen oder in ihrer Pathogenität nicht endgültig abschätzbaren Keimen in Genlabors und Produktionsstätten und aus dem beabsichtigten oder unbeabsichtigten Ausbringen gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt. Die Risiken beziehen sich auf die Gesundheit der Bevölkerung und der mit der Gentechnik beschäftigten Menschen sowie auf die Umwelt, insbesondere auf Tiere und Pflanzen. Auch soweit die Risiken und Gefahren primär auf die Umwelt gerichtet sind, können sie mittelbar die menschliche Gesundheit bedrohen. Auf weitgehend sicherer Grundlage können dabei diejenigen Risiken beurteilt werden, die sich aus dem Umgang mit pathogenen Mikroorganismen oder von ihnen produzierten toxischen Stoffen ergeben. Hier kann auf langjährige Erfahrungen, z.B. aus der Entwicklung und Herstellung von
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Impfstoffen, zurückgegriffen werden. Weit weniger untersucht und bekannt sind dagegen die Risiken des bewußten oder unbeabsichtigten Ausbringens von - wie hier - gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt. Das erklärt sich bereits aus dem Umstand, daß solche Freisetzungen weltweit bisher nur in einer begrenzten Zahl vorgenommen wurden. Die vielfältigen und im voraus nur schwer überschaubaren Wechselwirkungen eines Organismus mit der Umwelt lassen irreversible Umweltveränderungen denkbar erscheinen und machen auch Prognosen auf hypothetischer Grundlage schwierig. Der Senat teilt - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - die Einschätzung nicht nur der Antragsteller, daß für den Bereich der Gentechnik eine hinsichtlich des Regelungsbedarfs mindestens vergleichbare Gefahrensituation besteht, wie sie für den Bereich der friedlichen Nutzung der Kernenergie angenommen worden ist, und die dort zu einer Leitentscheidung des Gesetzgebers durch Verabschiedung des Atomgesetzes geführt hat. Stellvertretend für die allenthalben erhobene Forderung nach einer gesetzlichen Regelung über die Anwendung der Gentechnologie sei auf folgende Ausführungen von Nicklisch (in: Lukes j Scholz, Rechtsfragen der Gen technologie - Dritte Arbeitssitzung: Rechtswissenschaftliche Problematik, S. 112, 126 f.) verwiesen: „Angesichts der Chancen, aber auch der Risiken gentechnologischer Manipulation von biologischem Material scheint es mir keiner weiteren Begründung zu bedürfen, daß. die eben genannten Grundentscheidungen - aber auch nur die Grundentscheidungen - über die Anwendung der Gentechnologie in Gesetzesform getroffen werden müssen. Vor dem Hintergrund der Kalkar-Entscheidung wird man dies ohne weiteres bejahen müssen. Denn bei der Anwendung gentechnologischer Methoden, insbesondere bei der beabsichtigten oder unbeabsichtigten Freisetzung geht es um Risiken, die zu möglicherweise unermeßbaren Schäden führen und damit das Ausmaß denkbarer Schäden der Kernenergie erreichen oder sogar überschreiten können ..."
Die Vergleichbarkeit der Gefahrenpotentiale auf dem Gebiet der Kernenergie mit denjenigen der Gentechnologie kann auch nicht - wie vom Verwaltungsgericht (zustimmend Pohlmann, a.a.O., S. 1210) damit verneint werden, daß anders als im Atomrecht eine auch nur annähernd sichere Einschätzung der Gefahren der Gentechnik derzeit nicht vorgenommen werden könne, weil konkrete Schadensfälle, soweit sie bekannt geworden seien, bislang nur eine marginale Rolle spielten, während im Zusammenhang mit dem Betrieb von Kernkraftwerken zahlreiche Störfälle, Beeinträchtigungen und Gesundheitsbeschädigungen vorlägen. Abgesehen davon, daß Anlaß für Entscheidungen des Gesetzgebers für die Schaffung von Spezialgesetzen nicht immer konkrete Schadensereignisse waren (wie etwa für das Arzneimittelgesetz
Anhang 2: Beschluß des Hess. VGH vom 6.11.1989
die Auswirkung des Arzneimittels Contergan, vgl. dazu BT-Drs. 7/ 1060, S. 43 sowie 7/5091, S. 5) - so gab es beispielsweise kein konkretes Schadensereignis, das das Gesetz über die friedliche Nutzung der Kernenergie veranlaßt hätte -, läuft der vom Verwaltungsgericht eingeschlagene Weg, erst die Zukunft erweisen zu lassen, ob die Entscheidung für die Anwendung der Gentechnik mehr zum Nutzen oder zum Schaden gereiche, methodisch darauf hinaus - um mit Nicklischs Worten (NJW 1986, S. 2287, 2288) zu sprechen - , „das Kind zunächst in den Brunnen fallen zu lassen" und dann mit Regelungen zu reagieren. Diese Methode ist jedenfalls bei solchen Technologien und solchen Neuerungen, die Schäden größten Ausmaßes oder irreversible Schäden nach sich ziehen können, unakzeptabel (so auch Nicklisch, a.a.O., S. 2288). Das Verwaltungsgericht verkennt schon im Ansatz die Bedeutung der von ihm in diesem Zusammenhang zitierten Aussagen des Bundesverfassungsgerichts im Kalkar-Beschluß (E 49, 89 [131]), daß in dieser notwendigerweise mit Ungewißheit belasteten Situation es aber zuvorderst in der politischen Verantwortung des Gesetzgebers und der Regierung liege, im Rahmen ihrer jeweiligen Kompetenz die von ihnen für zweckmäßig erachteten Entscheidungen zu treffen, daß es bei einer derartigen Sachlage nicht Aufgabe der Gerichte sein könne, mit ihrer Einschätzung an die Stelle der dazu berufenen politischen Organe zu treten und daß den Gerichten insoweit die rechtlichen Maßstäbe fehlten. Anders als auf dem hier in Rede stehenden Gebiet der Gentechnologie hat der Gesetzgeber eine Grundentscheidung für die Nutzung der Atomenergie in einem förmlichen Gesetz getroffen und - nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O., S. 128) - in diese Entscheidung auch die seinerseits streitbefangenen schnellen Brutreaktionen einbezogen. Lediglich für die Frage eines „Nachfassens" des Gesetzgebers im Hinblick auf die Nutzung der Brütertechnik und ihre mögliche Folgewirkung hat das Bundesverfassungsgericht (a.a.O., S. 130/131) es der Zukunft überlassen, ob sich die die Brütertechnik einschließende gesetzliche Grundentscheidung bewähren wird. Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um eine neuerliche, sondern um eine erstmalige, überhaupt zu treffende Entscheidung des Gesetzgebers. Solange eine nur vom Gesetzgeber zu treffende Grundentscheidung für die Nutzung der Gentechnologie fehlt, können gentechnische Anlagen auch der hier in Rede stehenden Art nicht errichtet und betrieben werden. Erst nach einer parlamentarischen Leitentscheidung über das „Ob" der Zulässigkeit dieser Technologie schlechthin stellt sich die Frage nach dem „Wie" eines Betriebes im Einzelfall.
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Anhang 2: Beschluß des Hess. VGH vom 6.11.1989
Die Bewertung des von der Beigeladenen beabsichtigten und von ihr sowie vom Antragsgegner unter Hinweis auf bisherige Gutachten, Stellungnahmen und Erfahrungswerte als ungefährlich bezeichneten Einsatzes sogenannter Sicherheitsstämme von gentechnisch veränderten E.Coli-Bakterien (zur Kritik an dieser Einschätzung als ungefährlich siehe etwa Binder, Richtlinien für die Genforschung im Spannungsfeld zwischen Gefahrenschutz und Forschungsfreiheit, in: KlingmilUer, Genforschung im Widerstreit, 2. Aufl. 1986, S. 125, 128 ff.) ist gegenwärtig für die hier zu treffende Entscheidung ohne Bedeutung. Die ohne gesetzliche Grundlage gleichwohl der Beigeladenen vom Antragsgegner erteilte Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer gentechnischen Anlage ist - ungeachtet ihres Charakters als Versuchs- oder Produktionsanlage - rechtswidrig und verletzt die als Nachbarn betroffenen Antragsteller in ihrem durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Für die mit Erfolg im Hauptsacheverfahren angreifbare Genehmigung besteht ein wie immer geartetes Bedürfnis für einen Sofortvollzug nicht.
Anhang 3: Stellungnahme der Bundesregierung vom 23.11.1989 zum Beschluß des Hess. VGH vom 6.11.1989 A. Ausgangssituation
Gentechnische Verfahren werden in der Bundesrepublik zur Zeit vor allem zu Forschungszwecken in ca. 1.000 registrierten Labors angewandt. Zu Produktionszwecken wird bisher mit gentechnischen Methoden nur bei einer Firma gearbeitet. Das Verfahren dient der Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung von Herzinfarkten. In drei Fällen liegen den Behörden derzeit Anträge zur Genehmigung von Produktionsanlagen zur Herstellung von Arzneimitteln vor. Die Anlage der Firma Hoechst in Frankfurt (Humaninsulin) wurde genehmigt. Allerdings wurde hiergegen Klage erhoben. In dem Verfahren „Hoechst" hat der VGH Kassel nunmehr im Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz eine Entscheidung getroffen, die dazu führt, daß die fertig gestellte Anlage den Betrieb zunächst nicht aufnehmen kann. In dieser Entscheidung sind rechtliche Ausführungen grundsätzlicher Art enthalten. Im Ergebnis würde die Auffassung des VGH Kassel bedeuten, daß bis zum Erlaß eines Gentechnikgesetzes keine gentechnischen Arbeiten mehr in der Bundesrepublik durchgeführt werden dürfen. Damit würde vorübergehend die Anwendung und Weiterentwicklung einer Technologie unmöglich gemacht, die weltweit insbesondere für folgende Bereiche immer größere Bedeutung erlangen wird: — biologische und chemische Grundlagenforschung — medizinische Forschung und Arzneimittelherstellung — Pflanzen- und Tierzucht — biologische Produktions- und Entsorgungsverfahren. Wenn auch bisher lediglich einer Firma in der Bundesrepublik eine bestandskräftige Genehmigung zum Betrieb einer gentechnischen Produktionsanlage erteilt wurde, ist zu erwarten, daß die entsprechenden Produktionsbereiche stark expandieren und insbesondere auch in der
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Anhang 3: Stellungnahme der Bundesregierung vom 23.11.1989
Bundesrepublik Deutschland eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung gewinnen werden. Allerdings ist nicht zu verkennen, daß die Gentechnik auch potentielle Risiken und Gefahren beinhaltet, insbesondere dann, wenn mit pathogenen oder in ihrer Pathogenität nicht endgültig abschätzbaren Keimen in Genlabors und Produktionsstätten umgegangen wird oder beabsichtigt oder unbeabsichtigt gentechnisch veränderte Organismen in die Umwelt ausgebracht werden. Die Risiken bestehen für die Gesundheit der Bevölkerung allgemein und der mit der Gentechnik beschäftigten Menschen sowie für die Umwelt, insbesondere für Tiere und Pflanzen. B. Derzeitige Rechtslage
Seit dem 1. September 1988 werden gentechnische Produktionsanlagen im Bundes-Immissionsschutzgesetz i.V. mit der 4. BImSchV, Anhang Ziff. 4.11, ausdrücklich genannt. Vor diesem Zeitpunkt unterfielen gentechnische Anlagen dann dem Bundes-Immissionsschutzgesetz i.V. mit der 4. BImSchV, wenn sie unter eine der dort genannten Produktionsanlagen gefaßt werden konnten. Wichtigster und bisher einziger Anwendungsfall war die Arzneimittelherstellung (§ 4 Ziff. 35 der 4. BImSchV vom 14. Februar 1975 bzw. Ziff. 4.3 Spalte 2 der 4. BImSchV vom 24. Juli 1985). Die Genehmigung erfolgt nach den §§ 4 ff Bundes-Immissionsschutzgesetz, wobei der materielle Prüfungsrahmen jeweils derselbe ist. Er ergibt sich aus den §§ 5 und 6 Bundes-Immissionsschutzgesetz und der zur Durchführung des Gesetzes erlassenen Rechts- und allgemeinen Verwaltungsvorschriften. Danach sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, daß insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können bzw. Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen getroffen wird. Maßstab für die Vorsorge ist dabei der Stand der Technik. Dieser Prüfungsrahmen galt auch schon vor der ausdrücklichen Erwähnung gentechnischer Anlagen in der 4. BImSchV. Den Umgang mit Krankheitserregern (pathogenen Organismen) regelt im übrigen das Seuchenrecht. C. Sachverhalt, der dem Beschluß des VGH Kassel zugrundeliegt
Die dem Verfahren beigeladene Firma Hoechst AG hat im September 1984 den Antrag auf Errichtung und Betrieb einer Produktionsan-
Anhang 3: Stellungnahme der Bundesregierung vom 23.11.1989
läge für Humaninsulin (erste Stufe: FERMTEC-Züchtung der Bakterien, die aufgrund einer gentechnischen Veränderung Humaninsulin produzieren) gestellt; dieser Antrag wurde am 24. Juni 1985 genehmigt. Ende 1985 beantragte die Hoechst AG die zweite Stufe (CHEMTEC auf der im chemischen Wege das in den Bakterien befindliche Humaninsulin isoliert wird) und modifizierte diesen Antrag im Frühjahr 1986 wegen der beabsichtigten erheblichen Verminderung der einzusetzenden Chemikalien auf eine Versuchsanlage. Dieser Antrag wurde am 12. Oktober 1987 genehmigt. Aufgrund zahlreicher Widersprüche - unter anderem der Antragsteller des Verfahrens vor dem VGH Kassel wurden die Genehmigungen mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 1988 modifiziert; zugleich wurde der sofortige Vollzug angeordnet. Zeitgleich mit dem Widerspruchsbescheid erging die Genehmigung für die dritte Stufe des Insulinherstellungsverfahrens (INSULTEC - Erhalt von Humaninsulin in hochgereinigter Form). Im August 1988 erhoben die Antragsteller Klage vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt gegen die Erteilung der Genehmigungen, über die bislang noch nicht entschieden ist. Im Oktober 1988 hat das VG Frankfurt den Antrag, den sofortigen Vollzug auszusetzen, zurückgewiesen (Beschluß vom 3. Februar 1989). Die hiergegen eingelegte Beschwerde ist Gegenstand des hier zu bewertenden Beschlusses des VGH Kassel vom 6. November 1989, der die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller gegen die der Firma Hoechst erteilten Genehmigungen wiederhergestellt hat.
D. Auswirkungen des Beschlusses
Die Entscheidung erging im Eilverfahren; sie präjudiziert die Entscheidung in der Hauptsache nicht. Allerdings läßt die Diktion des Beschlusses nicht erkennen, daß diese Entscheidung inhaltlich aus der Sicht des VGH Kassel nur eine vorläufige Festlegung darstellen soll. Gegen eine Entscheidung des VGH in der Hauptsache wäre noch die Möglichkeit der Revision an das Bundesverwaltungsgericht gegeben. Rechtliche Bindung entfaltet der Beschluß des VGH nur zwischen den Verfahrensbeteiligten. Jedoch wird der Beschluß praktische Bedeutung für andere staatliche Stellen haben, die insbesondere mit gentechnischen Genehmigungsverfahren befaßt sind oder befaßt werden. Es muß davon ausgegangen werden, daß die vom VGH Kassel in seinem Beschluß geäußerte Auf-
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fassung von diesen Stellen in ihre juristischen Überlegungen einbezogen werden wird. Die potentiell betroffenen Bereiche sind im einzelnen: — Die drei weiteren laufenden Genehmigungsverfahren, bei denen bislang noch keine behördliche Entscheidung erging. — Die weitere Arbeit der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit und des Bundesgesundheitsamts auf der Grundlage der Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch in-vitro neukombinierte Nukleinsäuren. Neben Entscheidungen über Forschungs- und Entwicklungsarbeiten im geschlossenen System steht die Entscheidung über den erneuten Antrag der Max-Planck-Gesellschaft auf Ausbringung gentechnisch veränderter Petunien in Köln an. Die bereits ausgesprochene Zulassung konnte nicht ausgenutzt werden. — Auswirkungen des Beschlusses auf bestandskräftige Genehmigungen zum Betrieb gentechnischer Anlagen. (Direkte Auswirkungen hat der Beschluß nicht, da die bestandskräftige Genehmigung Rechtsgrundlage auch für die weitere Produktion ist. Allerdings kann die im Beschluß geäußerte Rechtsauffassung die Genehmigungsbehörde veranlassen zu prüfen, ob die erteilte Genehmigung weiterhin Bestand haben kann.) — Vergabe von Fördermitteln für Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet der Gentechnik. — Zulässigkeit von gentechnischen Arbeiten in Forschungslabors. (Die hierfür verantwortlichen Wissenschaftler werden sich auf der Grundlage der vom VGH geäußerten Rechtsauffassung fragen, ob sie ihre Forschungstätigkeit einstellen müssen. Forschungsanlagen bedürfen derzeit keiner ausdrücklichen Genehmigung nach einem Gesetz. Insoweit besteht eine andere Situation als bei Produktionsanlagen.)
E. Kernaussagen des Beschlusses
— Das Gericht geht davon aus, daß ein vergleichbares Gefahrenpotential zwischen dem Bereich der Gentechnik und dem Bereich der friedlichen Nutzung der Kernenergie besteht. — Der Gesetzgeber sei deshalb im Hinblick auf die aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG (Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit) folgenden Schutzpflichten und die vom Bundesverfassungsgericht vertretene Wesentlichkeitstheorie (wonach der Gesetzgeber - losgelöst vom Merkmal des „Eingriffs" - in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, alle
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wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muß) zu einer Leitentscheidung auf dem Gebiet der Gentechnik verpflichtet. — Aus der vorliegend gegebenen Konkurrenz der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 3, 12 und 14 GG (Firma Hoechst) einerseits und Art. 2 Abs. 2 GG (Antragsteller) andererseits sei zu schließen, daß das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit uneingeschränkten Vorrang vor der prinzipiellen Forschungs-, Berufs- und Gewerbefreiheit habe. Die Nutzung der Gentechnologie bedürfe deshalb wegen ihrer weitreichenden Auswirkungen auf die Menschen einer besonderen Zulassung durch den Gesetzgeber. Ohne eine solche Entscheidung könnten gentechnische Anlagen nicht genehmigt werden. — Das Bundes-Immissionsschutzgesetz reiche als Rechtsgrundlage nicht aus; insoweit unterscheide sich das auch bei Beachtung der nach dem Stand von Wissenschaft und Technik gebotenen Vorsichtsmaßnahmen letztlich nicht abschätzbare biologische Risiko von den Gefahren, vor denen zu schützen und deren Entstehung vorzubeugen Zweck des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sei. Dies gelte unabhängig von der konkreten Gefährlichkeit einer Anlage. Dem Beschluß läßt sich nicht eindeutig entnehmen, ob diese Aussagen des Gerichts auch für den Bereich der Forschung gelten sollen. Dafür spricht die ausdrückliche Erwähnung von Art. 5 Abs. 3 GG. Bei der nachfolgenden Bewertung wird von einer solchen Interpretation ausgegangen. F. Bewertung des Beschlusses
/. Aussagen zum Gefährdungspotential Die rechtliche Argumentation des VGH Kassel beruht auf der Annahme, daß das Gefahrenpotential der Gentechnik von nicht absehbarem Ausmaß sei. Dem kann in dieser Allgemeinheit nicht zugestimmt werden. Der vom Gericht zur Begründung seiner Einschätzung des Risikopotentials der Gentechnik herangezogene Vergleich mit der Kerntechnik ist irreführend. Risiken technischer Verfahren sind nur nach konkreter Würdigung des jeweils genutzten technischen Verfahrens mit seinen spezifischen Eigenheiten zu bewerten. Nicht jede Nutzung der Gentechnik ist schlechthin mit Risiken verbunden und schon gar nicht mit den vom Gericht unterstellten Gefahren.
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Gentechnik bedeutet Umgang mit und Verändern von Organismen mit völlig unterschiedlichem Gefahrenpotential. Das Spektrum der Gefährdung durch gentechnisch veränderte Organismen kann — von ungefährlich, z.B. bei nicht überlebensfähigen begrenzten apathogenen Organismen, — über weniger gefährlich — bis hin zu gefährlich, z.B. bei virulenten menschlichen Krankheitserregern oder durch dominierende Konkurrenzvorteile im Ökosystem gekennzeichnete Organismen reichen. Maßstab ist insoweit das Produkt (der veränderte Organismus), seine Eigenschaften und das daraus resultierende Verhalten gegenüber anderen Organismen (einschließlich Mensch) und dem Ökosystem (Zusammenwirken der Organismen in einem System, in einem bestimmten Raum). Sicherheitsüberlegungen müssen daran ansetzen. Diese Aussagen beruhen auf langjährigen und weltweit gewonnenen Erkenntnissen. Ihre Beachtung ermöglicht den sicheren Umgang mit der Gentechnik. Über diese grundsätzlichen Erwägungen hinaus wird die Sicherheit im Umgang mit der Gentechnik im Einzelfall durch biologische Sicherheitsmaßnahmen erhöht, z.B. durch die Verwendung von Vektoren, die nicht auf weitere Bakterienstämme übertragen werden können (Sicherheitsvektoren), oder durch die Verwendung von Sicherheitsstämmen, die im Menschen oder in der Umwelt nicht überlebensfähig sind (ein solcher Sicherheitsstamm ist z.B. für die Produktion in der Anlage der Fa. Hoechst vorgesehen). Die Kriterien für die biologischen Sicherheitsmaßnahmen sind in den Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch in-vitro neukombinierte Nukleinsäuren festgelegt. Sie entsprechen dem internationalen Stand von Wissenschaft und Technik und werden bei allen der Bundesregierung bekannten gentechnischen Arbeiten in der Bundesrepublik beachtet. Mit diesen Gesichtspunkten hat sich das Gericht nicht auseinandergesetzt. IL Verfassungsrechtliche
Beurteilung
Der Beschluß des VGH erscheint sowohl von der Argumentation als auch vom Ergebnis her verfassungsrechtlich nicht überzeugend. 1. Das Gericht geht aufgrund seiner Einschätzung des Gefahrenpotentials davon aus, daß die Genehmigung einer gentechnischen Anlage
Anhang 3: Stellungnahme der Bundesregierung vom 23.11.1989
verfassungsrechtlich zwingend einer spezialgesetzlichen Grundlage bedarf und insoweit die Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes nicht ausreichen. Bereits diese Gefahrenprognose erscheint - wie dargelegt hinreichend differenziert.
nicht
Aber selbst wenn man - unabhängig von der Frage der Vergleichbarkeit mit den Gefahren der Atomenergie - das Gefahrenpotential jedenfalls für so hoch halten würde, daß der Gesetzgeber zu einer spezifischen Regelung verpflichtet wäre, stellt sich die Frage, ob nicht bis zum Erlaß eines Gentechnikgesetzes das Bundes-Immissionsschutzgesetz eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Genehmigung gentechnischer Anlagen darstellt. a) Insoweit ist zu berücksichtigen, daß bisher allgemein von der Anwendbarkeit des Bundes-Immissionsschutzgesetzes auf gentechnische Produktionsanlagen ausgegangen wurde, d.h. die Verwaltung das Genehmigungsverfahren in derartigen Fällen auf der Grundlage des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der einschlägigen Verordnungen durchgeführt hat. Dabei waren und sind die Genehmigungsbehörden aufgrund der geltenden Vorschriften in der Lage, die zum Schutz von Nachbarschaft und Allgemeinheit und die nach dem Stand der Technik zur Vorsorge gebotenen Anforderungen an die Sicherheit derartiger Anlagen zu stellen und den Betrieb von Anlagen zu versagen, die diesen Anforderungen nicht gerecht werden. Es ist nicht ersichtlich, daß sich hier unter dem Aspekt verfassungsrechtlicher Schutzpflichten die nicht nur für den Gesetzgeber, sondern auch für die Exekutive bestehen - bisher Lücken im Grundrechtsschutz gezeigt haben. b) Gleichwohl wird allgemein davon ausgegangen, daß das BundesImmissionsschutzgesetz nicht auf Dauer als angemessene Regelung der Fragen der Gentechnik angesehen werden kann. So hat insbesondere die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages, die eigens zur Ermittlung des Nutzens und der Gefahren der Gentechnik eingesetzt worden ist, eine (spezifische) gesetzliche Regelung der Gentechnik gefordert. Der Deutsche Bundestag hat sich dieser Forderung mit seiner Entschließung (Bundestags-Drucksache 11/5320) am 26. November 1989 angeschlossen. Dabei ist er erkennbar davon ausgegangen, daß die Nutzung der Gentechnik auch vor einer derartigen gesetzlichen Spezialregelung grundsätzlich erlaubt sei. Die Bundesregierung hat am 12. Juli 1989 den Entwurf eines Gentechnikgesetzes vorgelegt. Von daher fragt sich, ob der Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen den Bereich der Gentechnik darüber hinaus bereits hätte spezialgesetzlich
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regeln, d.h. schon ein Gentechnikgesetz verabschieden und in Kraft setzen müssen. Zweifellos steht dem Gesetzgeber bei der Beurteilung der Frage, in welcher Weise er etwaige Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG erfüllt, ein Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zu. Dabei ist von wesentlicher Bedeutung, daß der Gesetzgeber erst dann eine sachgerechte, umfassende Regelung schaffen kann, wenn im Bereich der Wissenschaft hinreichende Erkenntnisse vorhanden sind, die den Gesetzgeber in die Lage versetzen, den Regelungsbedarf im erforderlichen Maße abzuschätzen. c) Auf diesem Hintergrund stellt sich ganz konkret die - vom VGH nicht aufgeworfene - Frage, ob der Gesetzgeber von der Verfassung her gehindert ist, mit einer gesetzlichen Regelung zu warten, bis derartige Erkenntnisse und Erfahrungen vorliegen, wenn — die auf der Grundlage des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder des Bundes-Seuchengesetzes bzw. des Tierseuchengesetzes im Hinblick auf Krankheitserreger zu stellenden Anforderungen an Gefahrenabwehr und Vorsorge gegen mögliche Gefahren allgemein als ausreichend bewertet werden, — zugleich Anhaltspunkte dafür fehlen, daß das Gefahrenpotential der Gentechnik so hoch sein wird, daß sie grundsätzlich verboten werden muß, — das Parlament, also der Gesetzgeber selbst, etwa durch die Bewilligung von Haushaltsmitteln für die Genforschung offenbar von deren grundsätzlicher Zulässigkeit ausgeht, — auch die vom Deutschen Bundestag eingesetzte Enquete-Kommission mehrheitlich die grundsätzliche Verantwortbarkeit der Gentechnik nicht in Frage stellt, und — der Deutsche Bundestag zwischenzeitlich am 26. Oktober 1989 also vor der Entscheidung des VGH Kassel - auf der Grundlage dieses Enquete-Berichts die Bundesregierung ersucht hat, die Forschung auf verschiedenen Gebieten der Gentechnologie zu fördern. Aufgrund dieser Gesichtspunkte ist davon auszugehen, daß dem Gesetzgeber ein gewisser Zeitraum bis zum Erlaß einer spezialgesetzlichen Regelung zur Verfügung steht. Dabei kann man hier mangels konkreter verfassungsrechtlicher Maßstäbe und angesichts der dem Gesetzgeber vom Bundesverfassungsgericht in anderen Fallgestaltungen eingeräumten, nicht eng bemessenen Fristen für die Schaffung von verfassungsrechtlich gebotenen Regelungen nicht sagen, daß der hier zuzubilligende Zeitraum bereits abgelaufen ist.
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2. Bedenklich erscheint des weiteren die Auffassung des VGH, daß bis zum Erlaß eines Gentechnikgesetzes keine gentechnische Anlage genehmigt werden dürfe, weil wegen Fehlens der für erforderlich gehaltenen gesetzlichen Grundlage die Grundrechte der Anlagenbetreiber (in bezug auf die Produktion Art. 12 Abs. 1 GG, in bezug auf die Forschung Art. 5 Abs. 3 GG) generell völlig zurücktreten müßten. a) Der Betrieb einer derartigen Produktionsanlage fällt grundsätzlich unter den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG und kann aufgrund des dortigen Gesetzesvorbehalts nur durch Gesetz einer Einschränkung etwa in Form einer Genehmigungspflicht oder eines Verbotes unterworfen werden. Nimmt man mit dem VGH an, daß gentechnische Anlagen nicht vom Bundes-Immissionsschutzgesetz erfaßt werden, so fehlt aber eine gesetzliche Grundlage, auf die das Erfordernis einer Genehmigung und erst recht eines generellen (vorläufigen) Verbots des Betriebs einer gentechnischen Anlage gestützt werden könnte. Die Auffassung des VGH läßt sich von daher nur begründen, wenn man annimmt, daß sich aus der Verfassung selbst - hier unter dem Aspekt von Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 GG - unmittelbar eine Einschränkung des Art. 12 Abs. 1 GG in der Weise ergibt, daß die entsprechende berufliche Tätigkeit bis zum Erlaß eines Gentechnikgesetzes verfassungsrechtlich unzulässig ist. (1) Diese, dem VGH-Beschluß offenbar zugrundeliegende Bewertung geht über die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, insbesondere auch in den atomrechtlichen Entscheidungen, weit hinaus, weil in diesen Fällen eine als ausreichend erachtete gesetzliche Grundlage vorhanden war und sich von daher gar nicht die Frage stellte, welche verfassungsrechtlichen Konsequenzen zu ziehen sind, falls der Gesetzgeber eine nach der Wesentlichkeitstheorie erforderliche gesetzliche Regelung (noch) nicht getroffen hat. Mit dieser Problematik setzt sich der VGH Kassel nicht auseinander. (2) Die Annahme einer derart weitgehenden verfassungsunmittelbaren Einschränkung des Art. 12 Abs. 1 GG erscheint kaum begründbar. Insoweit muß man sehen, daß auf der einen Seite eine konkrete verfassungsrechtliche Gewährleistung vorliegt (hier Art. 12 Abs. 1 GG), der auf der anderen Seite nur durch Interpretation aus der Verfassung abzuleitende Pflichten zum Schutz bestimmter Rechtsgüter gegenüberstehen, wobei dem Gesetzgeber ein weiterer Gestaltungsspielraum in bezug auf die Umsetzung eines derartigen Gesetzgebungsauftrages verbleibt. Inhalt und Umfang solcher Schutzpflichten hängen immer vom Ausmaß der jeweiligen Gefahrenlage ab. Insoweit nimmt aber auch der VGH Kassel nicht an, daß die Gentechnik ein generell nicht hinnehm-
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bares Gefahrenpotential beinhaltet. Vielmehr geht auch er davon aus, daß zumindest in bestimmten Bereichen die Risiken aufgrund gesicherter, langjähriger Erfahrung abschätzbar sind. Bei dieser Ausgangslage erscheint bisher nicht ersichtlich, wie die völlige Verdrängung der Gewährleistung des Art. 12 GG durch Schutzpflichten aus Art. 2 GG begründet werden könnte. Entsprechendes gilt erst recht für den durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Bereich der Forschung, da diese grundrechtliche Gewährleistung nicht unter Gesetzesvorbehalt steht und dementsprechend von vornherein nur Einschränkungen durch andere von der Verfassung geschützte Rechtsgüter unterliegt. b) Man müßte daher in jedem Fall annehmen, daß in dieser (Übergangs-)Situation im Einzelfall die gegenläufigen Grundrechtspositionen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes abzuwägen sind, so daß im Genehmigungsverfahren eine konkrete Bewertung der von einer gentechnischen Anlage ausgehenden Gefahren erforderlich ist.
G. Schlußfolgerungen 1. Unabhängig von einer endgültigen Bewertung des Gefahrenpotentials der Gentechnik ist der vom VGH Kassel zur Begründung seiner Einschätzung des Risikopotentials der Gentechnik herangezogene Vergleich mit der Kerntechnik irreführend. Nicht jede Nutzung der Gentechnik ist schlechthin mit Risiken verbunden und schon gar nicht mit den vom Gericht unterstellten Gefahren. Ob und gegebenenfalls welche Gefahren mit der Gentechnik verbunden sind, ist in jedem Einzelfall zu ermitteln. 2. Nach den dargelegten verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten erscheint die rechtliche Aussage des Gerichts, daß ohne spezielles Gesetz keine gentechnischen Anlagen errichtet und betrieben werden dürfen, nicht haltbar. Diese Auffassung würde die Grundrechte der Betreiber solcher Anlagen nicht ausreichend berücksichtigen. 3. Die Bundesregierung bekräftigt ihre Auffassung, daß die vorhandenen Regelungen derzeit eine hinreichende Grundlage für den Umgang mit der Gentechnik darstellen, insbesondere für die Genehmigung gentechnischer Anlagen und die Gewährleistung ihres sicheren Betriebes. Dies gilt sowohl für die gewerbliche Nutzung gentechnischer Verfahren als auch für die Tätigkeit in den zahlreichen Forschungslabors in der Bundesrepublik.
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