Der Weltkaiser der Endzeit : Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung 379954254X

»Wann kommt das Ende der Welt?« - diese Frage bringt eine eschatologische Angst zum Ausdruck, die den Menschen seit Urze

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German Pages [529] Year 2000

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Table of contents :
Umschlag
Titel
Impressum
Inhalt
Einleitung
Die Entstehung der Endkaiser-Weissagung
Spätere Ausformungen der Endkaiser-Weissagung
Die Verbreitung der Endkaiser-Weissagung
Die Mahdi-Vorstellung
Schlußbetrachtung
Bildanhang
Die Dürer-Apokalypse
Anhang
Abkürzungs- und Siglenverzeichnis
Quellen- und Literaturverzeichnis
Register
Personennamen und geographische Bezeichnungen
Quellen
Allgemeine Stichwörter
Ein Wort des Dankes
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Der Weltkaiser der Endzeit : Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung
 379954254X

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Hannes Möhring

Der Weltkaiser 1

1



Mittelalter-Forschungen Herausgegeben von Bernd Schneidmüller und Stefan Weinfurter

Band 3

Jan Thorbecke Verlag Stuttgart 2000

Hannes Möhring

Der Weltkaiser der Endzeit Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung

Jan Thorbecke Verlag Stuttgart 2000

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Möhring, Hannes: Der Weltkaiser der Endzeit: Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung / Hannes Möhring. - Stuttgart: Thorbecke, 2000 (Mittelalter-Forschungen; Bd. 3) ISBN 3-7995-4254-X

Hannes Möhring Der Weltkaiser der Endzeit Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung

Band 3 der Schriftenreihe »Mittelalter-Forschungen« Herausgegeben von Bernd Schneidmüller und Stefan Weinfurter © 2000 by Jan Thorbecke Verlag GmbH & Co., Stuttgart Alle Rechte vorbehalten. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Werk unter Verwendung mechanischer, elektronischer und anderer Systeme in irgendeiner Weise zu verarbeiten und zu verbreiten. Insbesondere vorbehalten sind die Rechte der Vervielfältigung auch von Teilen des Werkes - auf photomechanischem oder ähnlichem Wege, der tontechnischen Wiedergabe, des Vortrags, der Funk- und Fernsehsendung, der Speicherung in Datenverarbeitungs­ anlagen, der Übersetzung und der literarischen oder anderweitigen Bearbeitung.

Dieses Buch ist aus alterungsbeständigem Papier nach DIN-ISO 9706 hergestellt. Die Wiedergabe der Dürer-Apokalypse im Bildanhang und auf dem Schutzumschlag erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg.

Satz: polyma, Konstanz Druck und Buchbindearbeiten: Druckhaus »Thomas Müntzer«, Bad Langensalza Printed in Germany • ISBN 3-7995-4254-X

...et postea veniet Jerusalem, et ibi deposito capitis diademate et omni habitu regali relinquet regnum Christianorum Deo patri et Iesu Christo filio eius. Et cum cessaverit imperium Romanum, tunc revelabitur manifeste Antichristus ... ... und danach wird er nach Jerusalem kommen, Diadem und königliche Gewandung ablegen und das Reich der Christen Gottvater und seinem Sohn Jesus Christus über­ lassen. Wenn aber das römische Reich aufgehört hat zu existieren, dann wird der Antichrist ganz offen hervor­ treten ... Tiburtinische Sibylle

Inhalt

Einleitung ...............................................................................

11

Die Entstehung der Endkaiser-Weissagung ..........................

15

Die mittelalterlich-lateinische Sibylle von Tibur....................................................

17

Erwartungen der Wiederkehr Christi vom 3. bis zum 11. Jahrhundert 17 Der Inhalt der mittelalterlich-lateinischen Tiburtina 28 Die Datierung und die Identifizierung der genannten Herrscher 32 Die Quellenabhängigkeiten 33 Die Zielsetzung und die Person des Verfassers 37 Die Datierung des Constans-Vaticinium 39 Die Zielsetzung des Constans-Va licinium 45 Die Person des Verfassers und das Entstehungsgebiet des Constans-Vaticinium 48 Die Wurzeln der Endkaiser-Vorstellung 49

Die Weissagung des Ps.-Methodios..........................................................................

54

Die Araber und der Ansturm wilder Völker in der Endzeit-Erwartung der Christen 54 Der Inhalt der beiden erhaltenen syrischen Versionen des Ps.-Methodios 58 Die Quellen und Traditionen 67 Die ursprüngliche Fassung 72 Die Datierung des syrischen Originals 75 Die Identifizierung des Endkaisers 82 Die Zielsetzung 88 Die Person des Verfassers 92 Der Inhalt der griechischen und lateinischen Übersetzung 97 Die Datierung der griechischen Übersetzung 100 Die Datierung der lateinischen Übersetzung 101 Die griechischen Redaktionen 102 Zur Person der Übersetzer 104

Spätere Ausformungen der Endkaiser-Weissagung ..............

105

Ein syrisches Weissagungsfragment ........................................................................

107

Der Inhalt 107 Inhaltliche Besonderheiten und Abhängigkeiten 109 Die Datierung 113 Die Zielsetzung 117 Die Person des Verfassers 118

Eine christlich-arabische Daniel-Apokalypse ........................................................

120

Der Inhalt 120 Die Datierung und die Identifizierung der genannten Herrscher 123 Die Zielsetzung 125 Das Entstehungsgebiet und die Person des Verfassers 126

Die Sergios-Bahirä -Apokalypse................................................................................ Der Inhalt 128

128

Die Datierung 133

7

Die lateinische Kurzfassung der Weissagung des Ps.-Methodios......................

136

Der Inhalt 136 Die Datierung 140 Die Zielsetzung 141 Die Person des Bearbeiters 143

Der Traktat über den Antichrist des Adso von Montier-en-Der ........................

144

Die mittelalterliche Sibylle von Cumae.....................................................................

149

Der Inhalt 149 Die Identifizierung der genannten Herrscher 152 Die Datierung 154 Die Zielsetzung und die Person des Verfassers 155

Die durch Benzo von Alba überlieferte Sibylle ......................................................

157

Der Inhalt 157 Die Datierung und die Person des Verfassers 160 Zu dem von Benzo berichteten Vorschlag des Konstantin Dukas, mit Heinrich IV. einen Kriegszug nach Jerusalem zu unternehmen 161 Ähnliche Vorstellungen in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts 164

Die Endkaiser-Weissagung in der Zeit der ersten Kreuzzüge............................

166

Der Ludus de Antichristo.............................................................................................

176

Der Inhalt 176 Die Datierung 178 Die Zielsetzung 180 Die Quellen 183 Der Entstehungsort 184 Die Person des Verfassers 184

Die Hoffnung auf den Zusammenbruch der islamischen Macht und die Erwartung des Weitendes im 13. Jahrhundert.........................................................

185

Die Herrscherauffassung Friedrichs II. in endzeitlicher Sicht............................

209

Die Hoffnung auf die Wiederkehr Friedrichs II. oder einen dritten Friedrich als Kaiser der Reformen ...............................................................................................

217

Friedrich II. in endzeitlicher Sicht von Freund und Feind 217 Die Erwartung der Wiederkehr Friedrichs II. 220 Friedrich im Ätna und im Kyffhäuser 223 Betrügerische Doppelgänger: Der falsche Balduin und die falschen Friedriche 229 Die Vorstellung vom dritten Friedrich 239 Die deutsche Sibyllen-Weissagung 253 Kaiser Friedrich in Reformschriften des späten Mittelalters 260

Die Weissagungen über engelgleiche Päpste..........................................................

269

Die Erwartung eines zweiten Kaiser Karl.................................................................

291

Das Motiv des armen Endkaisers, die Rolle des Volkes und die ersten Ansätze zur Überwindung der Endkaiser-Weissagung ......................................

311

Die Verbreitung der Endkaiser-Weissagung..........................

319

Ps.-Methodios .................................................................................................................

321

Zur räumlichen und zeitlichen Verteilung der lateinischen Handschriften 321 Ps.-Methodios als Quelle abendländischer Autoren 332 Ps.-Methodios bei Byzantinern, Slawen und orientalischen Christen 343

8

Die Tiburtina ...................................................................................................................

350

Der Antichrist-Traktat des Adso von Montier-en-Der..........................................

360

Die Endkaiser-Weissagung im Judentum................................................................

369

Einflüsse der Endkaiser-Weissagung auf islamische Vorstellungen?................

371

Die Mahdi-Vorstellung der Muslime.......................

375

Ihre Entstehung und Ausformung............................................................................

377

Der Mahdi 377 Jesus 387 Der Qahtäni 389

Der Sufyäni 392

Mahdi-Prätendenten im Mittelalter.......................................................................... Allgemeiner Überblick 395

395

Fätimiden und Qarmaten 405

Schlußbetrachtung .................................................................

415

Die unterschiedliche Wirkung der Endkaiser- und der Mahdi-Vorstellung als Charakteristikum der Geschichte Europas und des Vorderen Orients im Mittelalter .................................................................................................................

417

Bildanhang

421

Die Dürer-Apokalypse ................................................................................................

423

Anhang ...................................................................................

453

Abkürzungs- und Siglenverzeichnis........................................................................

455

Quellen- und Literaturverzeichnis............................................................................

457

Register.............................................................................................................................

509

Personennamen und geographische Bezeichnungen 509 Quellen 521 Allgemeine Stichwörter 522

Ein Wort des Dankes .....................................................................................................

525

9

Einleitung

Wann wird das Ende der Welt kommen - erst in Hunderten von Jahren oder schon bald, schon morgen? Diese Frage der Menschen scheint so alt wie jene nach dem eigenen Tod. Die in Spätantike und Mittelalter lebenden Christen glaubten im all­ gemeinen, daß das Weitende jederzeit erfolgen könnte. Viele aber verlangten nach genauen Angaben. Trotz des auf die Bibel gestützten Verbots der Kirche stellten sie über seinen Zeitpunkt immer wieder Mutmaßungen an und versuchten, ihn auf verschiedene Weise zu berechnen oder anhand vermeintlicher Vorzeichen voraus­ zusagen. Sie malten sich seine näheren Umstände aus und meinten zuweilen auch bereits den Hufschlag der apokalyptischen Reiter zu vernehmen. In die Hoffnung auf die Wiederkehr Christi mischte sich nicht nur die Angst vor dem Jüngsten Ge­ richt, sondern auch die Furcht vor den schrecklichen Ereignissen, die nach dama­ liger Vorstellung dem Weltuntergang beim Sturz aller Sterne1 vorausgehen sollten. So oft sich auch die Weissagungen über das Weitende als falsch erwiesen, so be­ stand das Verlangen vieler Menschen doch fort, den über der Zukunft liegenden Schleier gelüftet zu sehen. Man pflegte sich mit dem Gedanken zu trösten, daß die Weissagungen eben anders zu deuten seien und ein andermal sicherlich eintreffen werde, was diesmal nicht geschehen sei, denn häufig beanspruchten die Weissagun­ gen göttliche Autorität. Schon bei Joel 3,1-5 und ebenso in der Apostelgeschichte 2,17-21 sagt Gott über die letzten Tage: »Ich werde von meinem Geist ausgießen über alles Fleisch. Eure Söhne und eure Töchter werden Propheten sein, eure jungen Männer werden Visionen haben, und eure Alten werden Träume haben. Auch über meine Knechte und Mägde werde ich von meinem Geist ausgießen in jenen Tagen, und sie werden Propheten sein. Ich werde Wunder erscheinen lassen droben am Himmel und Zeichen unten auf der Erde: Blut und Feuer und qualmenden Rauch. Die Sonne wird sich in Finsternis verwandeln und der Mond in Blut, ehe der Tag des Herrn kommt, der große und herrliche Tag. Und es wird geschehen: Jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet.« Während des 4. Jahrhunderts, in einer Umbruchsituation von welthistorischer Bedeutung, entstand mit dem Sieg des Christentums eine Weissagung, die zunächst im 7. Jahrhundert unter dem Eindruck der unwiderstehlichen Macht des Islam und dann bis zum Anbruch der Neuzeit noch mehrmals aktualisierend bearbeitet wurde und besonders im Abendland, aber auch in Byzanz und im Orient Verbreitung fand. Sie handelt von einem kurz vor dem Weitende regierenden idealen Herrscher, der als letzter Kaiser der Römer alle Feinde des Christentums vernichtet oder bekehrt, ein die ganze Welt umfassendes Reich des Friedens und Wohlstands schafft und am Ende seiner Regierung alle Macht an Gott zurückgibt, indem er in Jerusalem die 1

Vgl. Matthaeus 24,29; Markus 13,25; Lukas 21,26.

11

Zeichen seiner Herrschaft ablegt. Durch die Abdankung macht er dem betrügerisch als Messias auftretenden Antichrist Platz. Dessen Schreckensherrschaft wird schließ­ lich vernichtet, wenn Christus auf die Erde zurückkehrt und dann über die Men­ schen Gericht hält. Am Beispiel dieser Weissagung vom letzten römischen Kaiser soll im folgen­ den ein möglichst umfassendes Bild der Bedeutung endzeitlicher Weissagungen für die mittelalterliche Geschichte gegeben werden. Es geht ebensosehr um die Ge­ schichte der Erfolgreichen wie der Erfolglosen und Gescheiterten, um Einzelgänger ebenso wie um Menschenmassen und dabei auch um Verführer und Betrüger, die den geistig-religiös oder materiell und existentiell Bedrohten, Unterlegenen oder Un­ terdrückten die Hoffnung auf einen grundlegenden Wandel der Verhältnisse durch einen neuen oder angeblich aus der Verborgenheit wiederkehrenden Herrscher zu geben versuchten. Nicht selten war dies eine mit Haß gepaarte Hoffnung gegen alle Vernunft und Wahrscheinlichkeit. Als die Realität verdrängender Selbstbetrug aber war sie auch Selbstschutz. Die verzweifelte Hoffnung auf den großen Triumph, oft­ mals die Revanche, in der ihre gerechte Sache zum guten Ende doch noch siegen würde, half den Menschen, ihr Los zu ertragen und nicht an den erlebten Enttäu­ schungen zu zerbrechen. So manche spätere wäre ihnen freilich erspart geblieben, wenn sie sich nicht an ihre Hoffnungen geklammert hätten. Wann aber ist ein Kampf endgültig verloren? Oft genug doch hat sich Großes erst aus Rückschlägen und Niederlagen heraus entwickelt, hat der härtere Wille, die tiefere innere Über­ zeugung über Erfolg oder Mißerfolg entschieden und hat ihre Hoffnung die Men­ schen über sich hinauswachsen lassen. Selbst wenn sich die Hoffnung auf das Ende der Zeiten richtete, so bedeutete dies nach damaliger Auffassung keineswegs, daß der erhoffte Wandel nicht schon bald eintreten könnte, denn oft genug glaubte man das Weitende ganz nahe. Des­ halb bildeten derartige Hoffnungen nicht unbedingt ein Zeichen der Resignation, wie der heutige Betrachter glauben mag, sondern auch sie konnten zu einem den Ablauf der Geschichte bestimmenden Faktor werden und bargen für die Herrschen­ den nicht zu unterschätzende Gefahren in sich. Vor allem die islamische Geschichte zeigt, daß zuweilen ein tatkräftiger Propagandist genügte, um latente Widerstände der Menschen gegen die bestehende Herrschaft zu nutzen und in offene Rebellion umschlagen zu lassen. Das beste Gegenmittel war wohl, eine Weissagung mit ent­ gegengesetzter Aussage in Umlauf zu bringen, und so kam es auf einem Feld wild wuchernder Weissagungen zu regelrechten Propagandaschlachten. Die nicht zuletzt bei den Deutschen zu beobachtende, teilweise verhängnisvolle Sehnsucht nach dem alle Übel und Mühsal beseitigenden Führer am Ende der Zeiten, dem blindlings vertraut werden darf, weil er in Übereinstimmung mit der Vorsehung handelt, ist als ein Grundzug der christlichen und islamischen Geschichte im Mittelalter zu betrachten. Sie hatte jedoch im islamischen Machtbereich mehr­ fach erheblich konkretere Auswirkungen als im christlichen Abendland. Während die abendländische Geschichte trotz der großen Verbreitung der Endkaiser-Weis­ sagung kaum einen Endkaiser-Prätendenten aufzuweisen hat, traten auf islami­ scher Seite allen durch ihre Vorgänger enttäuschten Hoffnungen zum Trotz immer neue Mahdi-Prätendenten auf, denen es einige Male sogar gelang, eigene Reiche und Dynastien zu gründen - nicht zuletzt als Folge des Kolonialismus und Imperia­ lismus hat sich daran bis in unsere Zeit hinein wenig geändert. Der Vergleich der Endkaiser- mit der Mahdi-Erwartung macht grundlegende Eigenarten der ge­ 12

schichtlichen Entwicklung im christlichen Abendland und im islamischen Orient deutlich. Auf viele religiöse und soziale Herausforderungen hat die islamische Ge­ sellschaft offenbar kaum eine andere Antwort gehabt als die Hoffnung auf den Mahdi. Dieser Umstand ist in seinen Konsequenzen schwerlich zu überschätzen. Die große Zahl der aus dem Mittelalter erhaltenen Weissagungen beziehungs­ weise ihrer Abschriften und Bearbeitungen macht sie zu einem wesentlichen Merk­ mal des Mittelalters. Obwohl sich nur wenige erfüllten, fanden sie zu fast jeder Zeit Interesse, und zwar nicht etwa nur bei Ungebildeten und Leichtgläubigen, sondern - dies zeigt schon ihre schriftliche Überlieferung - auch bei Gebildeteren und sogar bei Gelehrten. Wie das Beispiel der lateinischen Columbinus-Weissagung und des deutschen Sibyllen-Liedes lehrt, schrieb man sie teilweise auch dann noch ohne Änderungen ab, als manche ihrer Daten unleugbar überholt waren, und nahm sie offenbar als Kommentar zu jüngst vergangenen Ereignissen und nicht etwa als Vorausschau auf die Zukunft2. Viele mittelalterliche Weissagungen mag man aus heutiger Sicht belächeln, ver­ gessen wir aber nicht, wie viele sogar mit dem Etikett der Wissenschaftlichkeit ver­ sehene Zukunftsprognosen selbst heute noch in Umlauf gesetzt werden, deren Wert höchst zweifelhaft ist. Wie die neuere historische Forschung zeigt, sind die Weis­ sagungen des Mittelalters keineswegs als Ausgeburten primitiver, vielleicht auch krankhafter Phantasie oder allzu durchsichtiger Propaganda abzutun. Nicht zuletzt durch sie kommt man der Mentalität der damals lebenden Menschen ein gutes Stück näher, jenem psychischen Element im historischen Geschehen also, das stets schwer zu fassen ist. Außerdem lassen uns die aus ihnen sprechenden politischen und reli­ giösen Hoffnungen und Ängste, die untrennbar zum Erlebnis von Geschichte ge­ hören, die Vergangenheit mit den Augen der Zeitgenossen als Zukunft sehen - eine in den zur Verfügung stehenden Quellen seltene Gelegenheit. Durch die Weissagun­ gen wird der Historiker teilweise in die Lage versetzt, sich bestimmte Situationen besser zu vergegenwärtigen. Sie sind geeignet, das häufig durch die Erfolgreichen aus dem historischen Bewußtsein Verdrängte wieder bewußt zu machen, genauer erkennen zu lassen, welche Möglichkeiten einzelne Situationen in sich trugen, und damit die Ausgangslage oder die Stationen einer Entwicklung schärfer in den Blick zu bekommen, eventuell auch deren vermeintliche Gradlinigkeit oder Zwangs­ läufigkeit zu hinterfragen3. Übrigens darf selbst bei der Frage nach dem Bild der damaligen Menschen von der Vergangenheit, nach ihrem Geschichtsbild also, der Anteil der Weissagungen nicht unterschätzt werden. Viele Verfasser lieferten nämlich nicht nur ein Bild ihrer Zukunft, sondern gewissermaßen als Unterbau auch eines ihrer Gegenwart und Ver­ gangenheit, die sie allerdings als aus ihrer Sicht noch zukünftig hinstellten, um durch das Eintreffen vermeintlicher Vorhersagen die Glaubwürdigkeit der eigentlichen Weis­ sagung zu erhöhen. Ein krasses Beispiel dafür bietet Ps.-Methodios. Seine End­ kaiser-Weissagung ist in eine Darstellung der Weltgeschichte eingebettet, die im Sinne seiner Zielsetzung durch die Erfindung einer jahrzehntelangen, aber längst schon vernichteten Weltherrschaft der Araber bewußt verfälscht ist.

2 3

Vgl. Kerby-Fulton und Daniel, Columbinus-Prophecy, S. 321. Zum Sinn, auch über unrealisierte Möglichkeiten in historischen Abläufen nachzudenken, vgl. Demandt, Ungeschehene Geschichte, S. 16 und 33f.

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Für die Untersuchung von Weissagungen und in besonderem Maße für die Frage der Entstehung und Entwicklung der Endkaiser-Vorstellung ist die Datierung von grundlegender Bedeutung. Gerade sie aber macht oftmals erhebliche Schwie­ rigkeiten, denn die Verfasser beschränkten sich häufig auf Andeutungen und lieb­ ten Zweideutigkeiten, um sich nicht blamiert zu sehen, wenn sie sich irrten. Im Be­ mühen, mit der Rätselhaftigkeit das Ansehen ihrer Weissagung zu steigern, konnte manches davon auch bedeutungslos sein. Einige vermeintliche Propheten allerdings mögen geschrieben haben, was sie selbst nicht verstanden, ohne deshalb als Schar­ latane gelten zu müssen. Abgesehen davon, ist stets damit zu rechnen, daß die uns erhaltene Version einer Weissagung nicht völlig dem Original entspricht, sondern kleinere Veränderungen - etwa bei abgekürzten Namen oder Zahlenangaben - und umfangreiche Einschübe aufweist, die von einem späteren, um Aktualität bemüh­ ten Bearbeiter stammen und zu groben, ihm aber wegen der dadurch gegebenen Mehrdeutigkeit vielleicht gar nicht unerwünschten Ungereimtheiten4 im uns erhal­ tenen Text führen können. Wie die in der Forschung nicht selten um mehrere Jahre oder ganze Jahrhunderte auseinandergehenden Meinungen zeigen, ist die Datie­ rungsfrage, die zur Beherrschung einer Fülle von Details und zum Durchdenken vieler Möglichkeiten und Zusammenhänge zwingt, des öfteren nicht befriedigend zu beantworten, so daß sich dadurch bei der Interpretation erhebliche Unsicherhei­ ten ergeben können. Zudem bleiben der genaue Entstehungsort und die Person der Verfasser von Weissagungen fast immer im dunkeln. Die Schwierigkeiten der Bearbeitung erkennt erst ganz, wer mehrere Weissagun­ gen miteinander vergleicht. Wie bereits Herbert Grundmann in einem Brief an Emil Donckel geschrieben hat5, trägt freilich auch dann erst die Beschäftigung mit ihnen Früchte. Die Gefahr der Fehlinterpretation einzelner Weissagungen ist ohne tiefere Kenntnis vieler anderer sehr groß. Das zeigt nicht nur die ältere Forschungsliteratur. Was den Stand der Forschung betrifft, so haben vor rund 100 Jahren Franz Kampers und Emst Sackur mit ihren Arbeiten über die Endkaiser-Weissagung und verwandte Themen die Grundlage für weitere Untersuchungen geschaffen. Inzwi­ schen sind viele ihrer Ergebnisse überholt und neue Fragestellungen hinzugekom­ men. Während der letzten Jahrzehnte hat nämlich das Interesse der Historiker und Philologen an mittelalterlichen Weissagungen derart zugenommen, daß die Zahl der Publikationen kaum noch überschaubar ist. Aber es gibt keine zusammen­ fassende, notwendigerweise fächerübergreifende Darstellung der Endkaiser-Weis­ sagung, die heutigen wissenschaftlichen Ansprüchen genügt, und trotz des gestie­ genen Interesses ist eine Fülle wichtiger Detailprobleme noch ungelöst. Bezüglich der in der vorliegenden Arbeit angewendeten Schreib- und Zitier­ weisen ist zu bemerken, daß ich mich bei der Umschrift orientalischer Wörter mit Ausnahme auch im Deutschen gängiger Namen und Begriffe bemüht habe, den Richtlinien der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft gerecht zu werden. Mon­ golen beziehungsweise Tataren bezeichne ich bei der Wiedergabe lateinischer Quel­ len, deren Schreibweise entsprechend, als Tar(!)taren, so wie ich zuweilen auch von Sarazenen statt von Arabern oder Muslimen spreche. Mit Rücksicht auf den Leser, der kein Orientalist ist, zitiere ich orientalische Quellen soweit wie möglich nach Übersetzungen, deren Zuverlässigkeit ich am jeweiligen Text geprüft habe. 4 5

14

Vgl. beispielsweise Lerner, Powers, S. 84-113 und 114-134. Vgl. ebd., S. 4 Arun. 7.

Die Entstehung der Endkaiser-Weissagung

Die mittelalterlich-lateinische Sibylle von Tibur

Erwartungen der Wiederkehr Christi vom 3. bis zum 11. Jahrhundert Das römische Reich bilde das letzte von vier Weltreichen in der Geschichte1, werde an seinem Ende von zehn römischen Königen aufgeteilt2 und dann vom Reich Chri­ sti abgelöst, so lehrte an der Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert der Kirchenvater Hieronymus in seinem Daniel-Kommentar3. Außerdem schrieb Hieronymus in ei­ nem Brief an Algasia und in seinem Jeremias-Kommentar4, daß die am Weitende zu erwartende Schreckensherrschaft des Antichrist5 entsprechend 2 Thess. 2,6-86 so lange hinausgezögert werde, so lange das römische Reich als Katechon bestehe. Ähnliche Auffassungen waren bereits unter den Judenchristen verbreitet7, und fin­ den sich auch schon bei den Kirchenvätern weit vor Hieronymus, nämlich etwa bei Hippolytos und Tertullianus8, aber es war Hieronymus, der maßgeblich die im Abendland während des Mittelalters herrschende Vorstellung vom römischen End­ reich prägte9. 1 Entsprechend Daniel 2,31-45 und 7,1-27 sowie Off. Joh. 13,1-18 und 17,1-18. Zur Lehre von den vier Weltreichen vgl. Adamek, Endreich, S. 26-31; Flusser, Four Empires; Swain, Four Monarchies. 2 Entsprechend Daniel 7,24 sowie Off. Joh. 13,1 und 17,12-14. 3 Hieronymus, In Danielem II 7,7-27, ed. Glorie, S. 842-850; ders., In Zachariam 1 1,18 f., ed. Adriaen, S. 760 f. 4 Ders., Epistulae, ed. Hilberg, Bd. 3, Nr. 121, S. 53 f.; ders., In Hieremiam V 27, ed. Reiter, S. 246. 5 Zur Entstehung der Vorstellung vom Antichrist vgl. Jenes, Origins; Heid, Chiliasmus, S. 188-230; McGinn, Antichrist, S. 9-78 (kritisch zu Jenks: S. 281 f. Anm. 3 und 5, S. 284 Anm. 26, S. 289 f. Anm. 17 und 20). 6 In 2 Thess. 2,6-8 schreibt Paulus: »Ihr wißt auch, was ihn jetzt noch zurückhält, damit er erst zur festgesetzten Zeit offenbar wird. Denn die geheime Macht der Gesetzwidrigkeit ist schon am Werk; nur muß erst der beseitigt werden, der sie bis jetzt noch zurückhält. Dann wird der gesetz­ widrige Mensch allen sichtbar werden. Jesus, der Herr, wird ihn durch den Hauch seines Mundes töten und durch seine Ankunft und Erscheinung vernichten.« Vgl. dazu: Adamek, Endreich, S. 35 f. und 46 f.; Verhelst, La préhistoire, S. 54. 7 Vgl. Adamek, Endreich, S. 37. 8 Vgl. Strobel, Verzögerungsproblem, S. 131-140. Im Gegensatz zu Tertullianus verkörperte frei­ lich für Hippolytos das römische Reich noch die höchste Steigerung der Gottesfeindschaft, denn seiner Meinung nach sollte der Antichrist ein römischer Kaiser sein, vgl. Adamek, Endreich, S. 38-40; Dunbar, Hippolytus, S. 330 und 332; Podskalsky, Reichseschatologie, S. 9f. Es wäre je­ doch verfehlt, die Haltung des Hippolytos etwa allein in den Christenverfolgungen römischer Kaiser begründet zu sehen, denn bei anderen Kirchenschriftstellem aus der Zeit vor Constantin dem Großen finden sich in der Daniel-Auslegung und darüber hinaus bedeutend positivere Aus­ sagen über Rom, vgl. Podskalsky, ebd., S. lOf. Zu den Widersprüchen im Rombild des Hippo­ lytos vgl. Dunbar, Delay, S. 319-322. 9 Zur Verbreitung der Vorstellung vom römischen Reich als dem vierten danielischen bzw. letzten Weltreich vgl. Adamek, Endreich, S. 31-51; Bousset, Antichrist, S. 77-83; Podskalsky, Reichs-

17

Die Frage, wann denn das Ende Roms und der Welt kommen werde, war aller­ dings umstritten. Die römischen Heiden der Kaiserzeit sahen ihr Reich zwar im Greisenalter stehen10, sie rechneten jedoch keineswegs mit seinem baldigen Unter­ gang, den drohend so manches christliche, jüdische oder parsistische Orakel11 ver­ hieß, sondern eher mit seiner ewigen Dauer12. Die Christen dagegen glaubten die von ihnen am Ende der Zeiten erwartete Wiederkehr Christi und die ihr laut Matt­ haeus 24,29 und Markus 13,24 vorausgehende kosmische Katastrophe ganz nahe. Mit der Parusie verbanden sie die Hoffnung auf die baldige Vernichtung der sie ver­ folgenden römischen Macht und häufig - aber keineswegs unwidersprochen - auch darauf, daß Christus nach seiner Wiederkehr zwischen dem Ende der gegenwär­ tigen und dem Beginn der zukünftigen, ewigen Welt ein Friedensreich von tausend­ jähriger Dauer gründen werde13. In der Offenbarung des Johannes heißt es nämlich unter anderem: »Dann sah ich einen Engel vom Himmel herabsteigen ... Er über­ wältigte den Drachen, die alte Schlange - das ist der Teufel oder der Satan - und er fesselte ihn für tausend Jahre ... Ich sah die Seelen aller, die enthauptet worden wa­ ren, weil sie an dem Zeugnis Jesu und am Wort Gottes festgehalten hatten ... Sie ge­ langten zum Leben und zur Herrschaft mit Christus für tausend Jahre ... Wenn die tausend Jahre vollendet sind, wird der Satan aus seinem Gefängnis freigelassen werden. Er wird ausziehen, um die Völker an den vier Ecken der Erde, den Gog und den Magog, zu verführen und sie zusammenzuholen für den Kampf; sie sind so zahlreich wie die Sandkörner am Meer. Sie schwärmten aus über die weite Erde und umzingelten das Lager der Heiligen und Gottes geliebte Stadt. Aber Feuer fiel vom Himmel und verzehrte sie. Und der Teufel, ihr Verführer, wurde in den See von brennendem Schwefel geworfen, wo auch das Tier und der falsche Prophet sind. Tag und Nacht werden sie gequält, in alle Ewigkeit«14. Als dann im 4. Jahrhundert das Christentum Staatsreligion wurde, schlug die negative Einstellung der Christen gegenüber Rom ins positive Gegenteil um15. Die allgemeine verbreitete christliche Ansicht, daß das Weitende kurz bevorstehe, blieb davon allerdings unberührt. Ungeachtet des biblischen Verbots16 und aller sich im­ mer wieder als falsch erweisenden Erwartungen stellte man ständig neue Spekula­ tionen über das Ende der Zeiten an.

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eschatologie, S. 9,11, 13, 17, 24-26, 35f., 39, 55 und 58f.; Rauh, Antichrist, S. 55-71; Suermann, Reaktion, S. 193 und 197-200. Vgl. Demandt, Metaphern, S. 37-45; Häussler, Lebensaltervergleich; Kötting, Endzeitprog­ nosen, S. 125; Schwarte, Weltalterlehre, S. 44-46. Vgl. Kötting, Endzeitprognosen, S. 134f. und 139; zum Orakel des Hystaspes besonders Hinnells, Zoroastrian Doctrine. Vgl. Demandt, Fall Roms, S. 52-55; von Ivánka, Selbstdeutung; Koch, Roma aetema. Vgl. Bietenhard, Das tausendjährige Reich; ders., Millenial Hope; Fäbrega, Laktanz; Heid, Chiliasmus, S. 8-187; O'Rourke Boyle, Irenaeus; Podskalsky, Reichseschatologie, S. 79-83; Schwarte, Weltalterlehre, S. 83 f. und 108 f. Übrigens läßt sich die Vorstellung eines tausend­ jährigen Messiasreiches auch bei den Juden nachweisen, vgl. Strack und Billerbeck, Kom­ mentar, Bd. 3, S. 824 f. Off. Joh. 20,1^4 und 7-10. Als Kronzeuge des frühen Chiliasmus hat allerdings Jesaja und weniger die Offenbarung des Johannes zu gelten. Auf diese griff man in erster Linie nur für die zeitliche Begrenzung des Reiches auf 1000 Jahre zurück, vgl. Heid, Chiliasmus, S. 19. Vgl. S. 45. Laut Matthaeus 24,36 und Markus 13,32 weiß niemand außer Gott, wann das Ende kommt, und keinem steht es laut Apg. 1,7 zu, dies zu erfahren. Vgl. dazu: Atzberger, Eschatologie, S. 325-333. Laut Hilarius von Poitiers beispielsweise soll das Nichtwissen den Menschen nicht zum Irrtum

Während die Enderwartung des Phrygiers Montanos und seiner Anhänger, die in ihm den angeblich von Jesus den Jüngern als Beistand (Paraklet) verheißenen »Geist der Wahrheit«17 sahen, wohl längst nicht so akut war wie von der älteren For­ schung angenommen18, machen andere Beispiele aus der Zeit um 200 die äußerste Intensität christlicher Enderwartung deutlich, die auch in der Großkirche herr­ schte19: Vielleicht in Zusammenhang mit den Christenverfolgungen unter Kaiser Septimius Severus verbreitete ein gewisser Judas die Ansicht, daß nun der Anti­ christ erscheinen werde. Ungefähr zu dieser Zeit auch zog ein nicht näher bekannter syrischer Bischof in die Wüste, um dort Christus zu treffen20 - sein Irrtum hätte den vielen ihm folgenden Gläubigen beinahe das Leben gekostet. Infolge dreier Visio­ nen war sich außerdem ein Bischof aus Pontus ganz sicher, daß innerhalb eines Jah­ res das Jüngste Gericht erfolgen werde. Er lehnte es ab, der Bibel noch zu glauben, wenn seine Voraussage sich als falsch erweisen sollte. Daraufhin hörten viele Chri­ sten der Gegend auf zu arbeiten und verkauften ihren Besitz. Als das Weitende aus­ blieb, sahen sie sich finanziell ruiniert. Diese Erwartungen stießen auf die Kritik des Hippolytos21, weil sié den Glauben gefährdeten. Seiner Ansicht nach stand der Zusammenbruch der römischen Macht, nach dem erst der Auftritt des Antichrist erfolgen könne, noch nicht unmittelbar be­ vor. Obwohl er einerseits selbst davor warnte, den Zeitpunkt des Jüngsten Gerichts berechnen zu wollen, erklärte er andererseits, wegen der den Menschen eigenen Wiß­ begier doch aussprechen zu müssen, was mitzuteilen nicht erlaubt sei. In seinem Daniel-Kommentar datierte er die Geburt Christi auf das Jahr 5500 nach Erschaffung der Welt22 und sah deren Ende im Jahre 6000 - das heißt im Jahre 500 a. d. - erreicht, aus seiner Sicht also in etwa 300 Jahren. Indem Hippolytos jedoch betonte, daß das End­ gericht durch das über den einzelnen Menschen unmittelbar nach dem Tode gehalte­ ne Gericht vorweggenommen werde, gewann bei ihm die individuelle Eschatologie eben das an Gewicht, was die kosmologische durch seine EndzeitBerechnung verlor. Die von ihm angenommene Weltdauer begründete Hippolytos damit, daß sie der Zahl der sechs Schöpfungstage entspreche, denn in der Bibel23 heiße es, vor Gott seien 1000 Jahre wie ein Tag. Diese Argumentation läßt sich bereits im BarnabasBrief und bei seinem Lehrer Irenaeus nachweisen24.

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führen, sondern zur Beständigkeit. Umgekehrt soll nicht durch die Sicherheit des Wissens der Gleichgültigkeit eines untätigen Glaubens Vorschub geleistet, sondern durch ungewisse Erwar­ tung unablässige Vorbereitung bewirkt werden, vgl. Durst, Hilarius von Poitiers, S. 209. Auch im Judentum hat man die Berechnung des Weitendes abgelehnt, weil man die Gefahr erkannte, daß überspannte und dann enttäuschte Endzeit-Erwartungen zur Resignation und Negierung der Religion selbst führen könnte, vgl. Schäfer, Studien, S. 225, 228, 230 und 234. Vgl. Johannes 14,16f. sowie 15,26 und 16,13. Vgl. Schöllgen, Tempus. Vgl. zum Folgenden: Hippolyte, Commentaire sur Daniel IV 18f., ed./tr. Lefévre, S. 296-300 (ed.) und 297-301 (tr.); dazu: Schöllgen, Tempus, S. 75f. und 95f. Trotz Matthaeus 24,26: »Wenn sie also zu euch sagen: Seht, er ist draußen in der Wüste!, so geht nicht hinaus...«. Vgl. Adamek, Endreich, S. 39 f. und 44; Dunbar, Delay, S. 315 f.; Landes, Expectations, S. 147. Vgl. auch Heid, Chiliasmus, S. 125-134; Schwarte, Weltalterlehre, S. 128-148,152-158 und 264. In seiner Chronik weicht Hippolytos geringfügig davon ab, vgl. ebd., S. 153; Podskalsky, Reichs­ eschatologie. S. 80 Anm. 459. Psalm 90,4; 2 Petrus 3,8. Vgl. Daniélou, La typologie millénariste; Kötting, Endzeitprognosen, S. 127 f.; Landes, Expec­ tations, S. 141 f.; Schwarte, Weltalterlehre, S. 88,100-102 und 107.

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Die Zeitrechnung des Hippolytos begann sich allmählich durchzusetzen, als sie noch zu seinen Lebzeiten von Sextus Julius Africanus in die Geschichtsschrei­ bung eingeführt wurde25. Dies entzog aber den von Hippolytos bekämpften Speku­ lationen über das Weitende nicht den Boden. Abgesehen davon, daß Hippolytos das Datum des Weitendes nur hinausschob und die darauf gerichteten Erwartungen mit fortschreitender Zeit wieder wachsen mußten, gab es im 3. Jahrhundert nämlich auch Zeitrechnungen, wonach das Jahr 6000 nicht erst wie bei Hippolytos und Afri­ canus mit dem Jahr 500 a.d.26, sondern weit früher anzusetzen war, so daß die Men­ schen den Untergang der Welt spätestens (!) in 200 Jahren erwarteten27. Noch ande­ ren Rechnungen zufolge sollte Christus 350, 365 oder 400 Jahre nach seiner Geburt oder seinem Tod wiederkehren, also ebenfalls längst vor 500 a.d.28. Zwar ist unklar, ob beispielsweise Tyconius für die Zeit um 380 das Weitende erwartete29, sicherlich aber glaubte Ambrosius (+ 397), daß der Untergang der Welt unmittelbar bevor­ stehe30. Er hielt bereits mehr als 6000 Jahre der Weltgeschichte für verstrichen31 und betrachtete die Goten als die von Ezechiel und in der Offenbarung des Johannes32 erwähnten Völker Gog und Magog, die am Ende der Zeiten als die Scharen des Satan die ganze Erde verwüsten sollten33. Ähnliche Erwartungen hegte Sulpicius Severus (+ um 420), obwohl er der Ära des Hippolytos entsprechend rechnete und demnach das Jahr 6000 noch fast 100 Jahre entfernt lag34. Er war nicht zuletzt durch den heiligen Martin (+ 397) in der Überzeugung bestärkt worden, daß er das Weit­ ende noch erleben werde, und glaubte den Antichrist bereits geboren, weil als des­ sen vermeintliche Vorläufer in Spanien und im Orient zwei falsche Propheten35 erschienen waren, deren einer Elias oder Christus und deren anderer Johannes (der Täufer) zu sein behauptet hatte36. Als den Westgoten im Jahre 410 die Eroberung

25 Vgl. ebd., S. 148-152; Landes, Expectations, S. 138 und 146 Anm. 31. 26 Dieses Datum wurde in etwa durch eine andersartige Berechnung des Apollinarios von Laodikeia (+ nach 390) bestätigt. Aufgrund der bei Daniel 9,24 genannten 70 (Jahr-)Wochen erwar­ tete er die Wiederkehr des Elias und den Auftritt des Antichrist 483 bzw. 486'6 Jahre nach Christi Geburt, vgl. Hieronymus, In Danielem III 9,24, ed. Glorie, S. 878-880; Reusch, Be­ rechnungen, S. 549f. Auch jüdischen Berechnungen nach sollte das Ende der Welt in der zwei­ ten Hälfte des 5. Jhs. kommen, vgl. Schäfer, Studien, S. 230; Silver, Messianic Speculation, S. 25-27. 27 Vgl. Schwarte, Weltalterlehre, S. 121,167 und 238. 28 Vgl. Landes, Expectations, S. 154 f. 29 Entgegen der herrschenden Meinung wird dies von Fredriksen Landes, Tyconius, bestritten. Vgl. andererseits die Argumentation von G. Maier, Johannesoffenbarung, S. 118-120 und 123. 30 Vgl. Adamek, Endreich, S. 45 Anm. 66; Dassmann, Ambrosius, S. 220-224; Niederhuber, Ambrosius, S. 131-134; Schwarte, Weltalterlehre, S. 236-238. 31 Vgl. ebd., S. 238. 32 Vgl. Ezechiel, 38-39; Off. Joh. 20,8. 33 Vgl. Anderson, Alexander's Gate, S. 9f.; Kötting, Endzeitprognosen, S. 136. Zu weiteren Belegen für den Vergleich barbarischer Völker mit Gog und Magog vgl. Enzyklopädie des Mär­ chens, Bd. 5, Berlin-New York 1987, col. 1349 und 1352 (Artikel von W. Kottinger). Falsch ist allerdings die Angabe, daß Ps.-Methodios die Ismaeliten mit Gog und Magog vergleiche. Dieser Irrtum findet sich bereits bei Anderson, Alexander's Gate, S. 13. 34 Vgl. Kötting, Endzeitprognosen, S. 129. Eine solch widersprüchliche Haltung ist auch bei Hieronymus zu beobachten (vgl. unten S. 21) und scheint nicht selten gewesen zu sein, vgl. Durst, Hilarius von Poitiers, S. 223; Landes, Expectations, S. 148. Sie verdeutlicht die Unsicher­ heit und Anspannung damals lebender Christen. 35 Zum Auftreten falscher Propheten als Zeichen der Endzeit vgl. S. 21. 36 Vgl. Kötting, Endzeitprognosen, S. 129; Vaesen, Sulpice Sévére, S. 52-64.

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Roms gelang, sah auch Hieronymus den Weltuntergang gekommen37, obwohl der von ihm übernommenen Rechnung des Eusebios nach das Jahr 6000 noch mehrere Jahrhunderte entfernt war38 und er es ablehnte, die Goten mit Gog und Magog gleichzusetzen39. Vielleicht aber identifizierte er die Hunnen mit ihnen40. Ganz sicher dagegen glaubte Augustins Schüler Quodvultdeus (+ um 453), der gemein­ sam mit anderen Bischöfen seine nordafrikanische Heimat verlassen mußte, Gog und Magog am Werke, als die arianischen Wandalen mit der Verfolgung von Katho­ liken und Donatisten begannen41. Außerdem wurden im 5. Jahrhundert die Wandalenkönige Geiserich (+ 477) und Hunerich (+ 484) mit jenem endzeitlichen Tier aus der Offenbarung des Johannes 13,11-18 gleichgesetzt, das die Zahl 666 trägt42. Entsprechend der Offenbarung des Johannes 11,3-14 vertraten mehrere Kirchenväter die Ansicht, der Parusie Christi werde die Wiederkehr zweier nicht etwa gestorbener, sondern nur vorübergehend entrückter Propheten vorausgehen, nämlich diejenige von Elias und von Henoch oder Jeremias oder Moses43. Aber vor falschen, die Gläubigen irreführenden Propheten als Zeichen der Endzeit soll schon Jesus selbst gewarnt haben44. Infolgedessen konnten auch die Kirchenspaltungen beziehungsweise Häresien des 4. und 5. Jahrhunderts endzeitlich interpretiert wer­ den45. Von vielen Kirchenvätern wurden häretische Glaubensgegner als »Anti­ christen« gebrandmarkt46, so beispielsweise durch Papst Leo den Großen der mono­ physitische Patriarch von Alexandria, Timotheos Ailuros47, und hundert Jahre zu­ vor mehrfach sogar Kaiser Constantius II.48, den Athanasios, Lucifer von Calaris und Hilarius von Poitiers wegen der arianischen Tendenzen seiner Kirchenpolitik49 scharf angriffen. Es gibt aber keinen Hinweis darauf, daß sie des­ halb das Weitende gekommen sahen50. Die Bezeichnung »Antichrist« zielte also nicht unbedingt auf die Identifizierung mit jenem Antichrist, dessen Schreckens­ herrschaft nach allgemeinerAuffassung der Parusie Christi unmittelbar voraus­ gehen sollte, sondern konnte auch andere Feinde des Christentums als Vorläufer dieses endzeitlichen Antichrist meinen. 37 Vgl. Adamek, Endreich, S. 48 f.; Sugano, Rombild, S. 54-63 und 106-117; Verhelst, La préhistoire, S. 68-70. 38 Vgl. S. 23f. 39 Vgl. Anderson, Alexander's Gate, S. 10. 40 Anderson, ebd., S. 12, hält dies für erwiesen. Hieronymus, Epistulae, ed. Hilberg, Bd. 2, Nr. 77, S. 45, erwähnt zwar die von Alexander dem Großen gegen wilde Völker errichtete Mauer und die Hunnen, von Gog und Magog ist jedoch keine Rede. Wenn überhaupt, handelt es sich also nur um eine indirekte Identifizierung. 41 Vgl. Landes, Expectations, S. 158; Verhelst, La préhistoire, S. 75. 42 Vgl. ebd., S. 76. 43 Vgl. Durst, Hilarius von Poitiers, S. 227-230. Zu Elias und Henoch vgl. außer der bei Durst angegebenen Literatur auch Black, The >Two WitnessesafterwardsBuch ohne Namen«, S. 43 Anm. 1; Rusconi, L'attesa, S. 62. 172 Vgl. Möhring, Der andere Islam, S. 133,138,144 und 147; Röhricht, Sagenhaftes, S. 418-421. 173 Vgl. Matthaeus 24,14; Markus 13,10; Römer 11,25-26; Schmieder, Europa, S. 274f. 174 Vgl. Niccoli, Prophecy, S. 113 und 168 f.; dies., Prophetie Culture, S. 207 f. und 210; Reeves, Influence, S. 368 Anm. 3. Es sei als Kontrapunkt zum damals herrschenden Türkenbild da­ rauf hingewiesen, daß auf christlicher Seite ein besseres Leben unter einem islamischen Herr­ scher nicht gänzlich unvorstellbar war, jedenfalls nicht in einer durchaus verbreiteten sozial­ kritischen Satire wie »Des Türken Fastnachtspiel«, die vermutlich zwischen 1453 und 1460 in Nürnberg entstand, vgl. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 8, BerlinNew York 1992, col. 228 s.v. Rosenplütsche Fastnachtspiele (Artikel von I. Glier). 175 Vgl. zum Folgenden Möhring, Der andere Islam, S. 151-155. 176 Vgl. von Palombini, Bündniswerben, S. 38-70.

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im Abendland aus der zuvor meist übersehenen177 Spaltung der Muslime in Sun­ niten und Schiiten178 politischen Nutzen zu ziehen, aber die angestrebte militä­ rische Kooperation gegen die Osmanen scheiterte an der großen Entfernung, die aufeinander abgestimmte Feldzüge unmöglich machte179. Mit der Hoffnung auf das Ende des Islam und die Bekehrung der Muslime und Mongolen zum Christentum ging nicht nur die mehr allgemeine Erwartung einher, daß es sich dabei dann um die für das Ende der Zeiten prophezeite Bekehrung der Heiden handeln werde. Vielmehr war sie im 13. Jahrhundert und noch lange danach von verschiedenen, ganz konkreten Spekulationen über den Zeitpunkt begleitet, wann der Antichrist erscheinen und bald darauf das Weitende kommen werde. Wenn die Quellenlage der früheren Jahrhunderte nicht täuscht, war die Intensität der Erwartungen beziehungsweise Befürchtungen im Europa des 13. Jahrhunderts höher als jemals zuvor - das bloße Bekenntnis einzelner Zeitgenossen allerdings, sie glaubten im letzten Weltalter zu leben, ist auch im 13. Jahrhundert nicht unbedingt als Ausdruck akuter Enderwartung zu verstehen180. Gleich im Jahre 1201 sollen nicht wenige Gelehrte der Meinung gewesen sein, nach den in der Offenbarung des Johannes 20,3 angegebenen 1000 Jahren seiner Fes­ selung sei der Satan nun wieder frei181, und etwas später, im Jahre 1210, behauptete ein pseudopropheta im Einklang mit verschiedenen Stimmen des 12. Jahrhunderts182, daß der Antichrist inzwischen bereits erwachsen sei, der Beginn seiner Schreckens­ herrschaft also unmittelbar bevorstehe und damit auch schon der Tag des Jüngsten Gerichts drohe183. Dagegen erklärte 1217 ein aus Kalabrien stammender Abt na­ mens Johannes, der vielleicht mit Johannes von Aquitanien, einem Schüler Joachims von Fiore, identisch ist184, in einer Unterhaltung mit Prior Gebeno von Eberbach, daß der Antichrist bald geboren werde185, und dieser Auffassung entsprechend schrieb 1227 ein gewisser Petrus de Boreth, ein im Heiligen Land bei Akkon lebender Fran­ ziskaner, in einem Brief an einen südfranzösischen Bischof, daß der Antichrist nun­ mehr zehn Jahre alt sei186. Am Ende der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts mußte der Vergleich der Mon­ golen mit Gog und Magog187 die Antichrist-Erwartung noch weiter steigern. Dies gilt auch für den die Schrecken der Endzeit beschwörenden Propagandakampf zwi­ schen Kaiser und Papst, besonders den 1239 erhobenen Vorwurf Gregors IX., Fried­ rich II. sei das aus der Offenbarung des Johannes 13 und Daniel 7 bekannte Tier aus 177 Vgl. Möhrinc, Der andere Islam, S148-150. 178 Aus schiitischer Sicht besaß der Gihäd gegen nichtschiitische Muslime Vorrang vor dem Gihäd gegen Christen, vgl. Kohlberg, Doctrine of jihäd, S. 69 f.; Schwartz, Gihäd unter Muslimen, S. 31 f. 179 Vgl. S. 308. 180 Vgl. S. 168. Entgegen Schaller, Endzeit-Erwartung, S. 31, und ders., Frömmigkeit, S. 509, ist dies auch bei den entsprechenden Äußerungen von Gregor IX., Thomas von Aquin, Dante und Eike von Repgow zu bedenken. 181 Vgl. Roger von Howden, Chronica, ed. Stubbs, Bd. 4, S. 161 f. 182 Vgl. S. 168 f. 183 Vgl. Auctarium Mortui Maris, ed. Bethmann, MGH SS 6, S. 466. 184 Vgl. Grundmann, Kleine Beiträge, S. 164f.; Bloomfield und Reeves, Penetration of Joachism, S. 789 f. 185 Vgl. Gebeno von Eberbach, Speculum futurorum temporum, in: Pitra, Analecta Sanctae Hildegardis Opera, S. 484; dazu: Kerby-Fulton, Reformist Apocalypticism, S. 28-31. 186 Vgl. Alberich von Troisfontaines, Chronica, ed. Scheffer-Boichorst, MGH SS 23. S. 920. 187 Vgl. S. 196.

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dem Meer, und Friedrichs Entgegnung, nicht er, sondern Gregor sei der Anti­ christ188. Obwohl Friedrich nach Gregors Tod am 22. August 1241 von päpstlicher Seite nur noch als Vorläufer des Antichrist bekämpft wurde189, blieb er für manchen seiner Gegner der Antichrist selbst, so etwa für jene Franziskaner, die den sich nach 1240 in ihrem Orden ausbreitenden Vorstellungen des Joachim von Fiore190 an­ hingen191 und in Franziskus teilweise einen zweiten Christus sahen192. Vielleicht verstärkte unter anderem noch jener Umstand die Furcht der abend­ ländischen Christen vor dem Antichrist, daß die Messias-Erwartung der Juden im Zusammenhang mit dem Vormarsch der Mongolen einen weiteren Höhepunkt er­ reichte: viele Rabbiner glaubten nämlich, daß 1240, im Jahr 5000 jüdischer Zeitrech­ nung, der Messias erscheinen werde193, und es lag aus christlicher Sicht nahe, ihn mit dem Antichrist zu identifizieren, weil dieser der herkömmlichen Auffassung nach ein Jude aus dem Stamme Dan sein sollte. Gleichzeitig gab es Mitte des 13. Jahrhunderts aber auch Stimmen, die behaup­ teten, der Antichrist werde erst demnächst geboren werden. So heißt es in einigen auch während der folgenden Jahrhunderte noch verbreiteten und in bezug auf das angegebene Datum immer wieder aktualisierten Versen194, die Geburt des Anti­ christ sei nach Ablauf von 1250 oder 1260 Jahren zu erwarten195. Dabei ist zu beach­ ten, daß die Zahl 1260 nicht etwa erst nach dem Jahr 1250 oder 1251196 eingeführt wurde197, denn sie findet sich bereits 1242 in dem Apokalypsenkommentar des Alexander Minorita198199 . Dem Geburtsdatum 1261 entsprechend, befürchtete man den Beginn der Herr­ schaft des Antichrist teilweise für die Jahre 1290 und 1291als im Heiligen Land mit Akkon der letzte christliche Stützpunkt in die Hände der Muslime fiel. Eine an­ dere Weissagung wiederum, nämlich die spätestens 1312, zum Teil vielleicht jedoch schon vor 1300 entstandene Columbinus-Weissagung200, behauptete, daß der Anti­ 188 189 190 191 192 193 194 195 196

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Vgl. S. 209 f. und 212. Vgl. S. 212. Vgl. S. 205-208. Vgl. S. 217 f. Vgl. Feld, Franziskus, S. 256-277, bes. 262 und 275. Noch im 13. Jahrhundert begannen sie auch auf seine Wiederkehr zu hoffen, vgl. Töpfer, Reich des Friedens, S. 229. Vgl. Aronius, Regesten, Nr. 531; BreSSLAU, Juden und Mongolen 1241; ders., Juden und Mon­ golen. Ein Nachtrag; Menache, Tartars, S. 334-338. Vgl. Lerner, Refreshment, S. 138; Reeves, Influence, S. 50; Schmolinsky, Alexander Minorita, S. 76 Anm. 250. Vgl. Reeves, Influence, S. 49 f. Man konnte in den auf 1251 folgenden Jahren ja auch noch gar nicht wissen, ob der Antichrist nicht unerkannt (wie stets vermutet) doch schon 1251 geboren worden war. Entgegen der Vermutung von Reeves, Influence, S. 49, die auf S. 50 selbst auf Alexander Mino­ rita hinweist. Vgl. Alexander Minorita, Expositio, cap. 20, ed. Wachtel, S. 429; dazu: Schmolinsky, Ale­ xander Minorita, S. 76 und 84. Vgl. Brown und Lerner, Columbinus Prophecy, S. 231 f. Anm. 38; Burr, Olivi's Apocalyptic Timetable, S. 251. Vgl. Brown und Lerner, Columbinus Prophecy, S. 219-256, bes. 248-253 (Text); Kerby-Fulton und Daniel, Columbinus Prophecy, S. 313-350, bes. 333-350 (Text). Die Columbinus-Weis­ sagung besteht aus zwei (so Brown und Lemer) oder drei Teilen (so Kerby-Fulton und Daniel), die aber nicht unbedingt von mehreren Autoren stammen müssen (so Brown und Lemer). Der letzte Teil entstand vor 1312, vielleicht um 1303 (so Brown und Lemer) oder um 1297 (so KerbyFulton und Daniel). Der die Angaben über den Antichrist enthaltende erste Teil wird von

Christ 1287 geboren werde beziehungsweise schon geboren worden sei201 und daß man seinen Auftritt für 1316, seinen Tod für 1320 zu erwarten habe. Neue Züge von weitreichender Bedeutung erhielt die Endzeit-Erwartung der abendländischen Christen durch den kalabresischen Abt Joachim von Fiore (+ 1202). Indem sich sein Denken auf die Herbeiführung eines Zustandes der Vollkommen­ heit noch innerhalb der irdischen Geschichte richtete, kam Joachim dem altchrist­ lichen Chiliasmus nahe. Aufbauend auf der älteren Vorstellung, daß nach der Ver­ folgung durch den Antichrist vor dem Jüngsten Gericht eine kurze Ruhepause ein­ trete202, erwartete Joachim im Anschluß an die Herrschaft des Antichrist ein Zeit­ alter religiöser Erneuerung und neuer Geistigkeit. Die Gestalt des Endkaisers spielte in Joachims Lehre keine Rolle. Das tat der Popularität der Endkaiser-Weissagung aber keinen Abbruch203. In den folgenden Jahrhunderten kam es teilweise zu einer Verschmelzung beider Vorstellungen204. Joachims Meinung nach ist die Weltgeschichte der Dreifaltigkeit entsprechend in drei Status gegliedert: Auf das sich mit dem Zeitraum des Alten Testaments deckende Zeitalter des Vaters folgt zunächst das mit Christus beginnende Zeitalter des Sohnes und schließlich dasjenige des Heiligen Geistes. Jedem Status entspricht ein bestimmter ordo, der ihm das Gepräge gibt. Im ersten ist dies der ordo coniugatorum, im zweiten der ordo clericorum und im dritten der ordo monachorum205. Im letzten Zeitalter206 wird der Heilige Geist den Menschen die unmittelbare, den Buchstaben überwindende Erkenntnis des inneren Sinns von Altem und Neuem Testament und damit der vollen göttlichen Wahrheit bringen. Diese mittels der spiri­ tualis intelligentia durch unmittelbare Schau gewonnene Erkenntnis bedarf keiner gelehrten Methoden mehr. Die Menschen des dritten Status können auf alles Buch­ stabenwissen verzichten. An die Stelle von Gelehrtheit und Belehrung tritt eine kontemplative Haltung, die den Eremiten eigen ist und die Menschen nicht länger nach zeitlichen Gütern trachten läßt. Damit und auch dadurch, daß die Sakramente in ihrer bisherigen Form als symbolische Handlungen verschwinden sollten, untergrub Joachim von Fiore die Funktion des Klerus. Er erstrebte eine nach den Grundsätzen des Mönchtums aufgebaute Kirche ohne weltliche Interessen, in welcher der Klerus den Mönchen untergeordnet ist oder ihnen ganz Platz macht und das Papsttum zumindest seine Funktion als Regierung der Kirche verliert207.

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Brown und Lerner auf die Zeit nach 1294 und von Kerby-Fulton und Daniel auf die Jahre 1260-1271 datiert. Je nach dem, ob der erste Teil der Weissagung vor oder nach 1287 verfaßt wurde. Vgl. Lerner, Refreshment; ders., Breakthrough; Töpfer, Reich des Friedens, S. 87-89. Vgl. S. 321-368. Vgl. S. 275-309. Vgl. Reeves, Influence, S. 135; Töpfer, Reich des Friedens, S. 61. Zur Charakterisierung des dritten Status vgl. Reeves, Influence, S. 135-144; Töpfer, Reich des Friedens, S. 52-80. Blank, Modell, S. 111-120, beschäftigt sich nur mit der Concordia veteris ac novi testamenti und keiner anderen Schrift Joachims. Zur Rolle des Klerus und des Papsttums im dritten Status vgl. Morru, La manifestation, S. 47f. und 136-140; Töpfer, Reich des Friedens, S. 60-76 und 80. Dagegen McGinn, Pastor ange­ licus, S. 225f.; Reeves, Influence, S. 395-397; dies., Originality, S. 294-297. Ursprünglich neigte McGinn, The Abbot, S. 34, mehr der von Töpfer vertretenen Ansicht zu. Anz, Rebell, S. 172 f., behauptet ohne weiteres, daß Joachims Lehre zufolge die Kirche »zwangsläufig verschwin­ den« sollte, geht aber auf die in der Forschung über diese Frage geführte Diskussion nicht ein.

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Während der erste Status laut Joachim 42 Generationen von unterschiedlicher Länge dauerte, sollte seiner Vorstellung zufolge der zweite Status 40 Generationen von jeweils 30 Jahren und zwei weitere von ungewisser Länge umfassen, weshalb sich in bezug auf den Eintritt in den dritten Status nur sagen ließ, daß er nach der 40. Generation, also nach dem Jahre 1200, erfolgen werde, aber nicht unbedingt erst 1261, wie wenige Jahrzehnte nach Joachims Tod mancher Anhänger seiner Lehre glaubte208. Was die beiden letzten Generationen betrifft, so betonte Joachim ihren Übergangscharakter: Sie bildeten zugleich das Ende des zweiten und den Anfang des dritten Status, und deshalb sei es gleichgültig, ob man den letzteren mit der 41., 42. oder 43. Generation nach Christus beginnen lasse209. Für die Zeit der 41. und 42. Generation erwartete Joachim zwei Verfolgungen der Christenheit210, deren erste er bereits durch Sultan Saladin und dessen Nachfolger gekommen sah. Entsprechend den zehn Hörnern des apokalyptischen Tieres glaubte er Saladin von zehn heid­ nischen Herrschern unterstützt. Sie unterwürfen das dann schon zersplitterte rö­ mische Reich, würden schließlich jedoch von den milites Christi zurückgeschlagen. In der darauf folgenden kurzen Friedenszeit sollte ein universalis pontifex nove Hieru­ salem als novus dux erscheinen, der das Christentum erneuere. Dann komme es durch den Antichrist zu einer weiteren, noch schwereren Verfolgung, bis schließlich Christus den Antichrist und dessen Bundesgenossen, den nochmals mit aller Macht über die Christen herfallenden letzten Sarazenenherrscher, besiege. Der als univer­ salis pontifex auftretende Antichrist ist bei Joachim kein Jude und als Führer einer Ketzersekte zugleich König und Priester211. Für die Zeit dieser seiner Meinung nach kurz bevorstehenden Veränderungen erwartete Joachim auch die Bekehrung aller Völker zum Christentum und die Ver­ einigung der griechischen mit der römischen Kirche212. Zudem sollten am Ende des zweiten Status als Vertreter der neuen Geistigkeit zwei Orden auftreten, mit denen sich wenige Jahrzehnte nach Joachims Tod Franziskaner und Dominikaner, zu identifizieren begannen213. Der Beginn des dritten Status bedeutete für Joachim im Grunde den Anbruch des Weitendes, denn er sollte keine dem zweiten Status entsprechende Zeit dauern, sondern vielleicht nur wenige Jahre214. Außerdem ist zu beachten, daß mit der Nie­ derlage des »eigentlichen« Antichrist die den Menschen auferlegten Leiden noch keineswegs beendet sein sollten, denn am Ende des dritten Status - also entgegen der Tradition erst nach dem Antichrist - erwartete Joachim den Auftritt von Gog als »letztem« Antichrist215. 208 Vgl. S. 207 f. 209 Vgl. Grundmann, Studien, S. 49, 64 und 66; Reeves, Influence, S. 47 f. und 54; Töpfer, Reich des Friedens, S. 50 und 130. Blank, Modell, S. 121-127, geht auf die Zahl und Dauer der Ge­ nerationen nicht ein. 210 Vgl. Daniel, Conversion, S. 134-137; Töpfer, Reich des Friedens, S. 72 f., 76,80 und 90f. 211 Vgl. Lerner, Antichrist, S. 566. 212 Vgl. Töpfer, Reich des Friedens, S. 80. 213 Vgl. Reeves, Influence, S. 142-144; Töpfer, Reich des Friedens, S. 66 f. 214 Vgl. ebd., S. 81-88. 215 Deshalb gibt Joachim entgegen der von Reeves, Influence, S. 303 und 506 f., vertretenen Mei­ nung kaum zu mehr Optimismus Anlaß als die Endkaiser-Weissagung, zumal der dritte Status vielleicht nicht länger als die Friedenszeit unter der Regierung des Endkaisers dauern und der Antichrist in beiden Fällen allein durch Christus besiegt werden soll. Zum Problem zweier Antichristen bei Joachim von Fiore vgl. Lerner, Antichrist.

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Joachim glaubte während der Verfolgung durch Saladin zu leben, also der im zweiten Status vorletzten216, und hielt den Antichrist für schon geboren217. In Innocenz III. sah er angeblich den letzten Papst218. Obwohl Joachims Name auch im nördlichen Europa schnell bekannt wurde besonders in England, dessen König Richard I. Joachim auf dem Weg nach Palästina über die Erfolgsaussichten seines Kreuzzuges befragt hatte -, griff man die Vorstel­ lung vom dritten Status offenbar erst nach mehreren Jahrzehnten auf. Mit wenigen Ausnahmen sah man in Joachim, dessen Angriffe auf Petrus Lombardus in Fragen der Dreifaltigkeit durch das Vierte Laterankonzil 1215 als Ketzerei verurteilt wur­ den219, zunächst nicht mehr als einen Verkünder des Antichrist und des Weltunter­ gangs. Wie die Wiedergabe seiner Lehre durch mehrere Autoren zeigt, wurde seine Originalität nicht deutlich. Vom dritten Status ist häufig gar keine Rede, so daß bei der Lektüre ihrer Werke der Eindruck entsteht, als seien Joachims Lehren nicht über die längst vor ihm bekannten Endzeit-Vorstellungen hinausgegangen220. Die Belege dafür sind zwar dürftig, aber es ist anzunehmen, daß Joachims An­ sichten zunächst zumindest in seinem eigenen Orden und damit vor allem im Sü­ den Italiens Verbreitung fanden. Für ihre Wirkung über Kalabrien hinaus war von entscheidender Bedeutung, daß auf dem Höhepunkt des Kampfes zwischen Fried­ rich II. und dem Papsttum die Vorstellung von der Überwindung der Klerikerkirche im dritten Status begierig von den Franziskanern aufgenommen wurde, besonders von denen, die kompromißlos für das Armutsideal ihres Ordensgründers eintraten. Viele glaubten, daß sie einem der beiden neuen Orden angehörten, die Joachim für den dritten Status verheißen hatte, und daß sie so in einer neuen Epoche die führende Rolle spielen würden221. Der Einfluß joachitischer Anschauungen auf Mit­ glieder des Franziskanerordens scheint zuerst kurz nach 1240 in Unteritalien, be­ sonders in Neapel und Umgebung, wirksam geworden zu sein222. Unter den ersten namentlich bekannten Franziskanern, die der Lehre Joachims von Fiore anhingen, findet sich auch Johannes von Parma, der von 1247 bis 1257 Generalminister seines Ordens war223. Den frühesten eindeutig faßbaren joachitischen Kreis im Franzis­ kanerorden bildete 1248 eine Gruppe um Hugo von Digne in der Provence. Zu ihr gehörten auch Juristen und Ärzte, also gebildete Laien, die sich für Joachims Vorstellungen interessierten«224. Wie schon gesagt, erwarteten die Joachiten, daß im Jahre 1260 die Herrschaft des Antichrist und damit auch der zweite Status enden werde225. Sie sahen sich 216 217 218 219 220 221 222 223

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Vgl. S. 206. Vgl. S. 169. Reeves, Influence, S. 6-10 und 12-14; Töpfer, Reich des Friedens, S. 91. Vgl. Reeves, Influence, S. 13 f., und dazu: Lerner, Powers, S. 96 Anm. 27. Vgl. Reeves, Influence, S. 28-36. Vgl. Bloomfield und Reeves, Penetration of Joachism; Reeves, Influence, S. 37-58; Töpfer, Reich des Friedens, S. 105-107; zur Verbreitung der Lehre Joachims in Deutschland vgl. beson­ ders Schmolinsky, Alexander Minorita, S. 1-14. Vgl. Töpfer, Reich des Friedens, S. 124,126 und 129. Vgl. ebd., S. 110; Daniel, Origins. Vgl. Daniel, Origins, S. 674, Lerner, Frederick II, S. 366. Laut E. Pásztor bedeutet die Bezeich­ nung des Johannes von Parma durch Salimbene als maximus joachita vielleicht nicht mehr, als »daß Johannes Franziskus eine eschatologische Funktion zuschrieb«, vgl. Lexikon des Mittel­ alters, Bd. 5, München-Zürich 1991, col. 593 s.v. Johannes von Parma. Vgl. Töpfer, Reich des Friedens, S. 124. Vgl. S. 206, 217 f. und 220 f. sowie Lerner, Frederick II, S. 363 Anm. 14; Longpré, Les »Distinc­ tiones«, S. 26; Reeves und Hirsch-Reich, The Figurae, S. 136-138; Schmolinsky, Alexander

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jedoch getäuscht, als Friedrich II., den sie mit dem Antichrist oder dessen direktem Vorläufer identifizierten226, bereits 1250 starb und bis zum Jahre 1260 kein anderer Antichrist erschien. Der Franziskaner Salimbene war wohl nicht der einzige, der daraufhin seine joachitischen Anschauungen aufgab227. Andere dagegen glaubten mm, daß das Ende des zweiten Status erst mit dem Jahre 1290 kommen werde228, und danach dann, daß 1335 das entscheidende Jahr sei229. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, daß joachitische Vorstellungen, wenn überhaupt, so nur eine geringe Rolle spielten, als es 1260 in Italien von Peru­ gia aus zu den ersten Zügen halbnackter Geißler kam, die aus Angst vor Gottes Strafgericht zur Buße aufriefen230. Nirgends nämlich findet sich ein Hinweis darauf, daß die Geißler in der Erwartung des dritten Status gelebt hätten. Auch scheinen sie nicht etwa den Auftritt des Antichrist befürchtet zu haben231.

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Minorita, S. 114; Töpfer, Reich des Friedens, S. 50 Anm. 11, S. 129 und 137. Bei Gherardino von Borgo San Donnino dagegen beginnt die Herrschaft des Antichrist erst 1260 (vgl. ebd., S. 129f.), während im Liber de oneribus prophetarum das entscheidende Jahr nicht 1260, sondern bereits 1200 ist, vgl. ebd., S. 134, und unten S. 241. Vgl. S. 217 f. Vgl. S. 220. Vgl. Reeves, Influence, S. 59 und 185; Töpfer, Reich des Friedens, S. 137. So der katalanische Verfasser der auf etwa 1350 zu datierenden Summula seu breviloquium super concordia Novi et Veteris Testamenti, vgl. Lee, Reeves, Silano, Western Mediterranean Prophecy, S. 3 und 113. Vgl. Frugoni, Sui flagellanti del 1260; Dickson, Flagellants of 1260, bes. S. 253-255; Töpfer, Reich des Friedens, S. 280-283. Entgegen Töpfer, ebd., S. 282.

Die Herrscherauffassung Friedrichs II. in endzeitlicher Sicht

Zweimal ist Kaiser Friedrich II. von Papst Gregor IX. exkommuniziert worden, näm­ lich am 29. September 1227 und am 20. März 1239. Bereits beim erstenmal ging es Gregor unverkennbar um Friedrichs Unterwerfung oder sogar Vernichtung. Zwar befand sich der Papst 1227 immerhin formal im Recht, weil Friedrich wegen einer Erkrankung nicht - wie bereits 1215 und danach noch mehrfach versprochen - zum Kreuzzug aufgebrochen war, aber als der Kaiser im Sommer 1228 tatsächlich mit ei­ ner Flotte nach Palästina fuhr, versuchte Gregor in seiner Abwesenheit Unteritalien zu erobern, und er löste Friedrich erst mit dem Friedensschluß im Jahre 1230 vom Bann1. Auch bei der zweiten Exkommunikation war von dem eigentlichen Grund, daß Gregor durch die von Friedrich in Oberitalien betriebene Politik den Kirchen­ staat bedroht sah, keine Rede2, sondern Gregor warf dem Kaiser unter anderem vor, ihm fehle der rechte Glauben3. In dem allen geistlichen und weltlichen Großen zugeleiteten Rundschreiben Sedes apostolica vom 7. April 1239 begründete Gregor seinen Bannspruch eingehend4. Friedrich reagierte darauf am 20. April mit seinem an alle Fürsten des Abend­ landes gerichteten Manifest Levate in circuitu5, in dem er Gregor persönlich angriff und als des päpstlichen Amtes unwürdig bezeichnete. Unter anderem warf Fried­ rich dem Papst vor, er begünstige die früher von ihm selbst bekämpften Ketzer in der Lombardei, und erschütterte dadurch Gregors Glaubwürdigkeit, daß er mit den päpstlichen Interessen in der Lombardei die eigentliche Ursache seiner Exkom­ munikation aufdeckte6. Die Antwort der Kurie erfolgte gut zwei Monate später. Der propagandistische Kampf zwischen Friedrich II. und dem Papsttum wurde von nun an mit kaum noch zu steigernder Schärfe geführt. Unter dem Datum des 1. Juli 1239 erging von Gre­ gor IX. an alle Erzbischöfe, Bischöfe und Könige der abendländischen Christenheit die Enzyklika Ascendit de mari bestia7, in der Friedrich II. der Ketzerei bezichtigt und 1 Vgl. Abulafia, Herrscher, S. 136,145,157,159f., 173f., 204-210; Schaller, Friedrich II., S. 23,26, 33-40; Stürner, Kreuzzugsgelübde. 2 Vgl. Segl, Feindbilder, S. 57. 3 Vgl. Böhmer, Regesta imperii, Bd. 5,2, Nr. 7226a; Historia diplomatica, ed. Huillard-Bréholles, Bd. 5, S. 286-289, bes. S. 288 f. 4 Vgl. Epistolae saeculi XIII, ed. Rodenberg, Bd. 1, Nr. 741, S. 637-639, in der Ausfertigung für den Erzbischof von Rouen. 5 Böhmer, Regesta imperii, Bd. 5,1, Nr. 2431; Historia diplomatica, ed. Huillard-Bréholles, Bd. 5, S. 295-307; Constitutiones, ed. Weiland, MGH Leges 4,2, Nr. 215, S. 290-299. 6 Vgl. Segl, Feindbilder, S. 59-61. 7 Böhmer, Regesta imperii, Bd. 5,2, Nr. 7241,7245 und 14850. Nr. 7245 ist nach der Ausfertigung für den Erzbischof von Canterbury gedruckt in: Historia diplomatica, ed. Huillard-Bréholles, Bd. 5, S. 327-340; nach der Ausfertigung für den Erzbischof von Reims in: Epistolae saeculi XIII, ed. Rodenberg, Bd. 1, Nr. 750, S. 645-654.

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- gleich zu Anfang - mit dem aus der Offenbarung des Johannes 13 und Daniel 7 bekannten Meeresungeheuer verglichen wurde. Außerdem behauptete der Papst, als hinterlistiger und erbarmungsloser Feind des Christentums höre Friedrich es gern, Vorläufer des Antichrist genannt zu werden8. Des Kaisers Antwort ließ nicht lange auf sich warten: In seinem an die Kar­ dinale gerichteten und offenbar auch als Flugschrift verbreiteten Rundschreiben In exordio nascentis mundi9 wies Friedrich noch im Juli 1239 alle Vorwürfe des Pap­ stes zurück und bezeichnete diesen nun seinerseits sogar als den Antichrist selbst10. Im Gegensatz zur päpstlichen Seite erhob Friedrich diesen eschatologische Ängste schürenden Vorwurf niemals wieder11, aber seine Propaganda verglich ihn selbst anschließend des öfteren in derartiger Weise mit Christus, daß Gregor12 sein Urteil bestätigt sehen mußte. Bereits 1223 hatte der melkitische Patriarch im fernen Alexandria an Papst Honorius III. - also nicht als Schmeichelei dem Kaiser gegen­ über - geschrieben, Friedrich werde von den ägyptischen Christen erwartet wie seinerzeit Christus von den Heiligen13, und 1236 hatte Petrus de Vinea, Friedrichs Logothet und Kanzleichef, in einer Rede vor den Einwohnern von Piacenza den von jenseits der Alpen nahenden Kaiser mit den Worten der Messiasverheißung aus Je­ saja 9,2 als ihren Erretter angekündigt: »Das Volk, das im Finsteren wandelte, sieht ein großes Licht; denen, die im Schatten des Todes wohnen, ist ein Licht erschie­ nen«14. 1239 dann feierte Friedrich in einem auf den August15 zu datierenden Brief an die Einwohner von Jesi16 seine vom Namen her an Jesus erinnernde Geburtsstadt als (zweites) Bethlehem, aus dem der dux17, der princeps des römischen Reiches, her­ vorgegangen sei, und in einem Brief an die Stadt Viterbo18 vom Januar 1240, als Fried­ rich nach Mittelitalien gezogen war, um gegen Rom vorzustoßen, zitierte er mit Bezug auf sich selbst die Worte, mit denen Johannes der Täufer die Ankunft des Heilands verhieß: »Bereitet den Weg des Herrn! Machet gerade seine Pfade!«19 8 Nicht nur Lerner, Frederick II, S. 360 Anm. 2, glaubt diesen Brief durch Vorstellungen Joachims von Fiore beeinflußt. McGinn, Visions, S. 323 Anm. 14, hält dies für fraglich. Von Bedeutung dürfte in diesem Zusammenhang sein, daß Gregor IX. als Kardinal von Ostia aus eigenen Mit­ teln zwei Florenserklöster stiftete, vgl. Brem, Gregor IX., S. 71. 9 Böhmer, Regesta imperii, Bd. 5,1, Nr. 2455 und 2454; Acta imperii, ed. Winkelmann, Bd.l, Nr. 355, S. 314 f.; Historia diplomatica, ed. Huillard-Bréholles, Bd. 5, S. 348-351. Zum Ver­ hältnis dieser beiden unterschiedlichen Fassungen vgl. Graefe, Publizistik, S. 41-47; Vehse, Propaganda, S. 75 f. Anm. 35. 10 Vgl. Schaller, Endzeit-Erwartung, S. 39; Segl; Feindbilder, S. 46-48. 11 Vgl. ebd., S. 64 und 69. 12 Zumal er sich als vicarius Christi und Christus domini betrachtete. Vgl. dazu die Hinweise bei Schaller, Antwort, S. 207; ders., Jesi, S. 418 f.; Sturner, Friedrich II., Bd. 1, S. 68. 13 Vgl. Epistolae saeculi XIII, ed. Rodenberg, Bd. 1, Nr. 233, S. 162 f. 14 Vgl. Böhmer, Regesta imperii, Bd. 5,2, Nr. 13205a; Annales Placentini Gibellini, ed. Pertz, MGH SS 18, S. 471; Chronicon Placentinum, ed. Huillard-Bréholles, S. 155. 15 Vgl. Hagemann, Jesi, S. 172f. 16 Böhmer, Regesta imperii, Bd. 5,1, Nr. 2470; Historia diplomatica, ed. Huillard-Bréholles, Bd. 5, S. 378; Constitutiones, ed. Weiland, MGH Leges 4,2, Nr. 219, S. 304. Vgl. zu diesem Brief Schaller, Jesi. 17 Vgl. die Parallele zu Matthaeus 2,6 und Micha 5,1 in der Vulgata. Zur Bezeichnung dux in mes­ sianischem Sinn vgl. auch Jesaja 55,4 und Daniel 9,25. 18 Böhmer, Regesta imperii, Bd. 5,1, Nr. 2750; Historia diplomatica, ed. Huillard-Bréholles, Bd. 5, S. 665. Zu ähnlichen Schreiben vgl. Kantorowicz, Friedrich, Erg.-Bd., S. 202; Schaller, Kaiseridee, S. 71. 19 Vgl. Matthaeus 3,3; Markus 1,3; Lukas 3,4; Johannes 1,23.

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Schließlich noch ist Friedrichs Schreiben Collegerunt pontifices20 zu erwähnen, das wohl auf den Juni 1240 zu datieren ist. Es bildete nicht die Antwort auf eine be­ stimmte Äußerung Gregors IX., sondern scheint sich als offener Brief vor allem an die Bevölkerung Roms und des Kirchenstaates gerichtet zu haben, um den Wider­ standswillen der dortigen Gegner zu untergraben und die eigenen Anhänger zu unterstützen21. Wie von Christus22 heißt es in dem Schreiben mit Bezug auf den Kaiser gleich zu Anfang: »Es versammelten die Hohepriester und Pharisäer einen Rat und kamen wider den Fürsten und Gesalbten des Herrn zusammen«23. Weiter unten sodann wird Friedrich wie Christus als König der Könige bezeichnet, den Jerusalem sehnsüchtig erwarte24, und dementsprechend Gregor IX. mit Pilatus und Herodes gleichgesetzt25. Zumindest an Friedrichs Hof gewann dieser Vergleich noch dadurch an Kraft, daß man dort in bezug auf Petrus de Vinea die Anspielung auf den Apostel Petrus liebte26. Außerdem bedienten sich die Höflinge dem Kaiser gegenüber gern des »Salvatorstils«. So schrieb ein in Gefangenschaft geratener kaiserlicher Notar an Friedrich: »Aus unseren Martern überkomme Barmherzigkeit Euer Herz. Führet Israels Söhne aus Ägypten heraus, sendet Erlösung Euren Knech­ ten ... Wie für Christus die Märtyrer Qualen ertrugen, so dulden wir für Euch... «27. Abgesehen davon, reizte Friedrich den Papst auch dadurch, daß er, der in der Öffentlichkeit gewöhnlich einen anderen für sich reden ließ28, am Weihnachtstag 1239 im Dom zu Pisa die Kanzel bestieg, um eine Predigt zu halten29. Als er bald darauf in das früher zum Reich gehörige, nun aber vom Papst beherrschte Gebiet30 des Herzogtums Spoleto und der Mark Ancona einmarschierte31, ließ er - vor allem wohl byzantinisch-normannischer Tradition entsprechend32 - ein Kreuz vor sich hertragen und erteilte im Gebiet von Foligno und Gubbio der ihn begrüßenden Volksmenge den Segen33.

20 Böhmer, Regesta imperii, Bd. 5,1, Nr. 2434; Historia diplomatica, ed. Huillard-Bréholles, Bd.5, S. 309-312. 21 Vgl. Schaller, Antwort, S. 200-203. 22 Vgl. Matthaeus 22,34; Johannes 11,47. 23 Zur richtigen Lesart christus domini vgl. Schaller, Antwort, S. 204 Anm. 38. 24 Vgl. Historia diplomatica, ed. Huillard-Bréholles, Bd. 5, S. 312. 25 Vgl. ebd., S. 310 und 312. Wenn Friedrich im letzten Satz damit drohte, sein nur vermeintlich schlafender Löwe werde mit schrecklichem Gebrüll alle fetten Stiere von den Enden der Welt zu sich rufen, Gerechtigkeit herstellen und die Kirche auf den rechten Weg führen, jedoch die Hörner der Stolzen ausreißen und zerbrechen, so ist darin schwerlich eine Anspielung auf den Endkaiser zu sehen. Diese zunächst von ihm vertretene Auffassung scheint Schaller inzwischen aufgegeben zu haben, vgl. Schaller, Antwort, S. 205-207, und ders., Endzeit-Erwartung, S. 39. Als Beispiel für einen aus dem Schlaf erwachenden Löwen vgl. die oben S. 120-127 behan­ delte arabische Daniel-Apokalypse, bes. S. 121 und 124. 26 Vgl. Kantorowicz, Friedrich, S. 274, 280, f. und 608; Erg.-Bd., S. 130 und 208. 27 Vgl. ebd., S. 475; Erg.-Bd., S. 206f. 28 Vgl. ebd., Erg.-Bd., S. 91. 29 Vgl. ebd., S. 465 f.; Schaller, Kaiseridee, S. 71. 30 1213 und 1219 hatte Friedrich II. zugunsten des Papstes darauf verzichtet, vgl. Leonhard, Ancona, S. 137. 31 Vgl. Kantorowicz, Friedrich, S. 467 f.; Erg.-Bd., S. 289-292. 32 Vgl. Schaller, Kaiseridee, S. 71 f. Anm. 58; Kantorowicz, Friedrich, Erg.-Bd., S. 291 f. An Fried­ richs Hof war auch die Proskynese üblich, vgl. ebd., S. 76 und 91. 33 Vgl. Kantorowicz, Friedrich, S. 467 f.; Schaller, Kaiseridee, S. 71. Beispiele für die Segnung des Volkes durch den Herrscher sind auch aus Byzanz, England und Frankreich bekannt, vgl. ebd., S. 71 f. Anm. 58; Kantorowicz, Friedrich, Erg.-Bd., S. 292.

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Als Friedrich im Februar und nochmals im Juni 1240 mit seinem Heer kurz vor Rom stand34, ließ Gregor in höchster Not das Kreuz gegen ihn predigen35, und als Antwort auf Friedrichs offenen Brief Collegerunt pontifices schrieb er an höhere Geist­ liche, des Kaisers Taten ließen keinen Zweifel mehr, daß Friedrich der Antichrist sei36 - also nicht nur dessen Vorläufer. Angesichts der von den Mongolen ausgehenden Gefahr ordnete Gregor IX. auch gegen sie die Kreuzpredigt an37. Aber selbst als die Mongolen 1241 in Ungarn einfielen, ließ er dort die Kreuzpredigt gegen Friedrich fortsetzen38. Auf päpstlicher Seite behauptete man, der Kaiser sei mit Sarazenen und Tartaren verbündet, die man vielfach mit Gog und Magog als den aus der Offenbarung des Johannes 20,8-9 bekannten Hilfsvölkem des Satan gleichsetzte39. Obwohl die Auseinandersetzung zwischen Papsttum und Kaisertum unter dem Pontifikat Innocenz' IV. nichts an Erbitterung und Schärfe einbüßte und Innocenz auch weiterhin gegen Friedrich das Kreuz predigen ließ40, wurde Friedrich nach dem Tode Gregors IX. am 22. August 1241 auf päpstlicher Seite nicht mehr als der Antichrist selbst bezeichnet, sondern nur noch als dessen Vorläufer41. Für manchen von Friedrichs Gegnern blieb er freilich der Antichrist, so etwa für jene Franziskaner, die den sich nach 1240 in ihrem Orden ausbreitenden Vorstel­ lungen des Joachim von Fiore anhingen42. Trotz des nicht zuletzt von endzeitlichen Erwartungen geprägten Propaganda­ kampfes zwischen Friedrich II. und dem Papsttum gibt es so gut wie keine Anhalts­ punkte für die Annahme, daß Friedrich glaubte, der Endkaiser zu sein43, obwohl die Vorstellung vom Endkaiser seit jeher mit Jerusalem verbunden war, Friedrich als Kaiser von 1225 an auch den Titel eines Königs von Jerusalem trug44 und er bis zu sei­ nem Tod immer wieder seine Bereitschaft bekundete, in das Heilige Land zu ziehen45. Zu seinem Kreuzzug von 1228 brach Friedrich nicht etwa in dem Gefühl auf, der letzte Kaiser zu sein, denn er war sich keineswegs sicher, am Ende der Zeiten zu stehen, und schrieb ein halbes Jahr vorher, am 6. Dezember 1227, als Reaktion auf 34 Vgl. Schaller, Friedrich, S. 66 f. 35 Vgl. Koester, Kreuzablaß, S. 26; Sütterlin, Politik, S. 29. Einen vergleichbaren Fall hatte es bis dahin nicht gegeben. Damit tat der Papst, worauf er 1228 noch verzichtet hatte, vgl. Abulafia, Herrscher, S. 204 f. Es darf in diesem Zusammenhang freilich nicht vergessen werden, daß Fried­ richs zunächst im Einvernehmen mit dem Papsttum geführter Ketzerkampf in der Lombardei, wo es tatsächlich viele Ketzer gab, nicht nur der Kirche, sondern auch den Zielen seiner eigenen Politik diente, vgl. Selge, Ketzerpolitik, S. 463 und 477f.; Vehse, Propaganda, S. 177 und 183 f. 36 Vgl. ed. Schaller, Antwort, S. 218-223, bes. 219 37 Vgl. Vehse, Propaganda, S. 93. 38 Vgl. Bezzola, Mongolen, S. 76. 39 Vgl. Schaller, Endzeit-Erwartung, S. 40; Schmieder, Europa, S. 123. Zur Gleichsetzung der Mongolen mit Gog und Magog vgl. auch oben S. 196 und unten S. 325. 40 Vgl. Kantorowicz, Friedrich, S. 568; Reh, Peter Capocci, S. 27f., 66-72 und 74. 41 Vgl. zusammenfassend Segl, Feindbilder, S. 65-68; zu einzelnen Beispielen auch Graefe, Publi­ zistik, S. 121,124,144 f. und 222; Reh, Peter Capocci, S. 66; Sütterlin, Politik, S. 92 und 114. 42 Vgl. S. 204 und 217f. 43 Kantorowicz, Friedrich, S. 388, und Mayer, Kreuzzüge, S. 206, nehmen dies an. Schaller, Kaiseridee, S. 66, hält dies immerhin für möglich. 44 Vgl. Böhmer, Regesta imperii, Bd. 5,1, Nr. 1588; Hiestand, Titulatur Friedrichs II. 45 Taktische Manöver sind dabei nicht zu übersehen, vgl. Schaller, Friedrich IL, S. 23, 26, 33-40, 72 und 82f.; Vehse, Propaganda, S. 10-19, 56, 65, 81, 87, 106f-, 121, 123, 175f„ 180, 182f. und 190-192. Vgl. außerdem Van Cleve, Crusade of Frederick II, S. 430-437; Hiestand, Friedrich II., S. 129-137; Powell, Anatomy, S. 3, 74f., 108 und 112.

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seine Exkommunizierung: »Vielleicht sind wir es, auf die das Ende der Welt zu­ kommt...«46. Erst im Februar 1249, als ihn Petrus de Vinea hintergangen hatte, der Versuch eines Giftmordes fehlgeschlagen war und Friedrich den Zusammenbruch aller Ordnung drohen sah, hielt er das Weitende für nahe47. Deshalb spricht wenig dafür, daß sich der vom Papst gebannte Friedrich zum End­ kaiser machen wollte, als er wegen der fehlenden Mitwirkung eines Geistlichen mit notgedrungen eigenen Händen eine selbst mitgebrachte Krone vom Altar der Grabeskirche nahm und sich in der Art einer Festkrönung aufsetzte48. Vor dem Hintergrund der bei Benzo von Alba überlieferten Sibylle49 und der als Epistola Methodii50 bezeichneten Version von Adsos Antichrist-Traktat konnte Friedrichs Hand­ lungsweise allerdings manchem Zeitgenossen als Zeichen des Endkaisers erscheinen. Auch der Nimbus des Davidkönigtums, mit dem sich Friedrich seit der Wie­ dereinnahme Jerusalems zu umgeben und so regnum und sacerdotium in seiner Per­ son zu vereinigen versuchte51, bedeutet keineswegs, daß Friedrich als der Endkaiser auftreten wollte. Zwar hat der Endkaiser mit David die Herrschaft über Jerusalem gemein, aber in keiner Version der Endkaiser-Weissagung spielt David eine Rolle. So präfiguriert bei Ps.-Methodios nicht etwa David den Endkaiser, sondern es ist Gideon, der die Ismaeliten zurück in die Wüste jagt. Außerdem ist die Ansiedlung der Friedrich als Garde dienenden Muslime in der apulischen Stadt Lucera kaum mit dem Anspruch zu vereinbaren, der End­ kaiser zu sein, denn diesem mußte es um die Bekehrung oder Ausrottung aller Muslime gehen. Es scheint bezeichnend, daß Friedrich auch nicht in jener Predigt als der End­ kaiser gefeiert wurde, die im Sommer 1229 und wohl in Gegenwart des vom Kreuz­ zug zurückgekehrten Kaisers52 ein nicht näher bekannter Nikolaus von Bari hielt. Nikolaus sah in Friedrich einen Herrscher, dem sich die Völker der Heiden beugen53, nicht aber den letzten Kaiser54, sondern er glaubte, daß das staufische Herrscher­ haus bis zum - noch unbestimmten - Weitende die Kaiserwürde innehaben werde55. 46 Vgl. Böhmer, Regesta imperii, Bd. 5,1, Nr. 1715; Constitutiones, ed. Weiland, MGH Leges 4,2, Nr. 116, S. 148. Es handelt sich zum Teil um ein Zitat aus 1 Kor. 10,11. 47 Vgl. Böhmer, Regesta imperii, Bd. 5,1, Nr. 3767; Historia diplomatica, ed. Huillard-Bréholles, Bd. 6, S. 705 f. Dafür, daß Friedrich nicht an die Ewigkeit der Welt glaubte, spricht auch das Prooemium der Konstitutionen von Melfi, dessen Eingangsworte die christliche Überzeu­ gung von der Erschaffung der Welt ex nihilo voraussetzen, vgl. Stürner, Rerum necessitas, S. 482-484. Die Behauptung arabischer Geschichtsschreiber, Friedrich sei ein Materialist, ein dahrf, gewesen, ist deshalb nicht haltbar, vgl. die Quellenbelege bei Gottschalk, al-Kämil, S. 156. Zu den im Mittelalter geführten Diskussionen um die Frage der Ewigkeit der Welt vgl. Dales, Medieval Discussions. 48 Vgl. Mayer, Pontifikale, S. 200-210; Schramm, Krönung, S. 466-469. 49 Vgl. S. 158. 50 Vgl. S. 148. 51 Vgl. Kantorowicz, Friedrich, Erg.-Bd., S. 73 f.; Schaller, Bitonto, S. 16 und 21; ders., Kaiser­ idee, S. 63 f. und 67; Vehse, Propaganda, S. 31 und 154. 52 Der Verfasser redet Friedrich nämlich häufig an, vgl. Schaller, Bitonto, S. 10. 53 Vgl. ed. Kloos, Nikolaus von Bari, S. 374 und 377. 54 Wie schon die lateinische Kurzfassung des Ps.-Methodios zeigt, konnte in der Endkaiser-Weis­ sagung der in Jerusalem abdankende letzte Kaiser durchaus einen Vorgänger haben, der die is­ lamische Macht vernichten sollte. In einigen byzantinischen Weissagungen hat der Endkaiser sogar Nachfolger, die allerdings negativ gezeichnet sind, vgl. S. 312 f. 55 Vgl. ed. Kloos, Nikolaus von Bari, S. 373. Schaller, Bitonto, interpretiert ein an der Kanzel der Kathedrale von Bitonto befindliches Relief, das 1229 entstand, als Illustration dieser Predigt und

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Während es also kaum einen Hinweis darauf gibt, daß Friedrich sich etwa für den Endkaiser traditioneller Prägung hielt, ist es durchaus möglich, daß Friedrich sich an Vorstellungen Joachims von Fiore anlehnte und ähnlich wie der von Joachim verheißene novus dux aufzutreten oder sich diesem als novus rex an die Seite zu stel­ len versuchte56. Laut Joachim, bei dem man die Gestalt des Endkaisers vergeblich sucht57, sollte am Ende des zweiten Status - nach der ersten von zwei Verfolgungen der Christenheit - ein mit Serubbabel verglichener novus dux de Babylone auftreten, der das Christentum erneuern werde, bevor es dann unter dem Antichrist zu einer weiteren Verfolgung der Christen komme58. Mit dem als universalis pontifex nove Hierusalem bezeichneten novus dux ist offenbar ein Papst gemeint. Es ist anzunehmen, daß ein so interessierter Mann wie Friedrich II., der in der Kutte der Zisterzienser die Sterbesakramente empfing, Joachims Lehre vom Ablauf der Geschichte kannte, denn das von Joachim in Kalabrien gegründete und von Friedrichs Eltern reich ausgestattete Kloster San Giovanni in Fiore erfreute sich sei­ ner besonderen Gunst. Kein anderes Kloster wurde von Friedrich derart gefördert59. Wohl nicht zufällig bezeichnete sich Friedrich 1231 nicht nur im Schlußsatz der Konstitutionen von Melfi als novus rex60, obwohl er schon Jahre vorher seine Herr­ schaft in Unteritalien gesichert hatte, sein Königtum so neu also nicht mehr war. Vielleicht ist es auch kein Zufall, daß Friedrichs Gesetzeswerk nach der Rechnung der Joachiten am Anfang der 42. und somit letzten, zum dritten Status überleiten­ den Generation des zweiten Status stand und mit Gesetzen gegen Ketzer begann. Zum Anspruch des novus dux paßt außerdem ein Brief an die Prälaten und den Klerus der Stadt Worms, in dem Friedrich behauptete, daß in ihm der Geist des Elias wiedererwacht sei61, denn wie Johannes der Täufer als Herold des zweiten Status, so galt Elias in Joachims Augen als derjenige des dritten62. Als Anspielung auf den

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sieht in den vier dargestellten Personen Friedrich Barbarossa, Heinrich VI., Friedrich II. und Konrad IV. Allerdings bleibt zu erklären, warum bei einer solchen Identifizierung Heinrich VI. keine Krone trägt. Der Hinweis von Schaller, Bitonto, S. 14, daß in der Predigt (ed. Kloos, S. 371) nur von zwei Kronen die Rede ist, reicht als Erklärung kaum aus, zumal nicht auszu­ schließen ist, daß die Gestalt ganz rechts eine Kappenkrone trägt, wie Neu-Kock, Kanzelrelief, S. 254, meint. Daher scheint es fraglich, ob das Relief wirklich »das staufische Endkaiserge­ schlecht in Form eines Jessebaumes darstellt«, wie Schaller, Bitonto, S. 21, schreibt. NeuKock, Kanzelrelief, sieht in den vier Gestalten David, Konrad IV, Friedrich II. und Heinrich (VII.). Es kommt hinzu, daß mit der linken, auf dem Thron sitzenden Gestalt wohl eher eine Frau dargestellt ist als ein Mann wie David oder Barbarossa, vgl. Claussen, Bitonto, S. 82-85. Bereits Kantorowicz, Friedrich, S. 362 f. und 476, hat sich in diesem Sinne geäußert. Ähnlich schreibt Reeves, Influence, S. 310, seine Anhänger hätten in Friedrich - allerdings in unbewußter Anlehnung an Joachims Lehre - den »ultimate renovator mundi« gesehen. Vgl. Reeves, Influence, S. 304. Laut Joachim werden Heiden und Muslime in der 42. Generation des zweiten Status von milites Christi zurückgeschlagen, vgl. Töpfer, Reich des Friedens, S. 90. Vgl. ebd., S. 72 f.; McGinn, Pastor angelicus, S. 225 f. Gegen McGinn, S. 226, vgl. Töpfer, S. 63 f. Vgl. Schaller, Frömmigkeit, S. 502. In Angelegenheiten des Klosters zählt Schaller 31 Urkun­ den und Mandate sowie drei Urkunden seiner Gemahlin Konstanze und seines unmündigen Sohnes Heinrich (VII.) aus den Jahren 1214-1216. Dazu auch: Höflinger und Spiegel, Stauferurkunden; dies., Urkunden. Vgl. Die Konstitutionen Friedrichs IL, I 73.1 und III 94, ed. Stürner, S. 244 Zeile 1 und S. 453 Zeile 1. Vgl. Böhmer, Regesta imperii, Bd. 5,1, Nr. 3436; Historia diplomatica, ed. Huillard-Bréholles, Bd. 5, S. 1131. Laut Böhmer (gegen Huillard-Bréholles) stammt der Brief nicht aus dem Jahre 1241, sondern ist frühestens auf 1244 zu datieren. Vgl. Reeves und Hirsch-Reich, Figurae, S. 196-198; Mottu, La manifestation, S. 163.

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novus dux könnte auch Friedrichs Brief von 1239 an seine mit Bethlehem verglichene Geburtsstadt Jesi zu verstehen sein, in dem es unter anderem heißt, aus ihr sei der dux hervorgegangen63. Durch das Bewußtsein, an der Wende zum dritten Status zu stehen, mag in Friedrichs Augen der für einen mittelalterlichen Herrscher nicht an sich, aber in seiner Intensität doch ungewöhnliche Vergleich mit Christus einen besonderen Sinn erhalten haben, weil mit Christus ebenfalls ein neuer Status be­ gonnen hatte. Andere Züge der von Friedrich betriebenen Politik und Propaganda fügen sich gut in das Bild des novus dux ein. Das von Friedrich angekündigte Ziel einer tiefgrei­ fenden Kirchenreform64, seine Forderung, die Kirche solle zur Armut der aposto­ lischen Zeit zurückkehren65, könnte allerdings auch einfach das Ergebnis seiner Auseinandersetzung mit dem Papsttum sein, und wenn Friedrich auf der Kanzel des Pisaner Domes predigte, bei öffentlichen Auftritten ein Kreuz vor sich hertragen ließ und das Volk segnete66, so ist dies vielleicht nicht mehr als der Ausdruck des von Friedrich betonten Davidkönigtums, das ihn mit dem Nimbus des Priester­ königs umgab. Dem Chronisten Saba Malaspina zufolge, der 1285 sein Werk abschloß, wollte Friedrich »gegen die Natur des Körpers unsterblich werden«. Er habe vielleicht we­ gen seiner mathematischen Kenntnisse geglaubt, seine eigene der Natur der Himm­ lischen angleichen zu können67. Sollte Friedrich also etwa gehofft haben, nicht ster­ ben zu müssen, sondern von Gott lediglich entrückt zu werden wie der Prophet Elias68, dessen Geist er in sich wiedererwacht behauptete69? Der Umstand, daß Friedrich mehrmals sein Testament machte, spricht nicht unbeding dagegen und seine angebliche Vorliebe für grüne Gewänder vielleicht sogar dafür70. Andererseits soll Friedrich 1243 nach dem Verlust Viterbos gesagt haben, selbst nach dem Tode noch möge sein Gebein sich zur Zerstörung dieser Stadt erheben71. Außerdem hat er angeblich immer die Stadt Florenz gemieden, weil ihm geweissagt worden sei, sub flore zu sterben72, und tatsächlich hat er geschrieben, daß er die Mark Ancona und das Herzogtum Spoleto niemals mehr der Kirche zurückgeben 63 Dies entspricht allerdings dem Wortlaut der Vulgata, vgl. S. 210 Anm. 17. Bisher ist die Parallele zu Matthaeus 2,6 übersehen worden. Die häufige Übersetzung von dux mit »Herzog« trifft nicht den Sinn, so jedoch Heinisch, Friedrich II., S. 453; Kantorowicz, Friedrich, S. 467; Schaller, Kaiseridee, S. 72; von den Steinen, Kaisertum, S. 39. 64 Vgl. Schaller, Frömmigkeit, S. 508f.; Vehse, Propaganda, S. 75, 77f. und 179. Für Joachim war das apostolische Armutsideal zwar wesentlich, letzter Richtpunkt war ihm aber nicht die vita apostolica bzw. ecclesia primitiva, sondern die vita heremitica, vgl. Töpfer, Reich des Friedens, S.77f. 65 Vgl. dazu Berg, Herrschaftsideologie, S. 48-50. 66 Vgl. S. 211. 67 Vgl. Saba Malaspina, Historia I 2, ed. del Re, S. 208; dazu: Kantorowicz, Friedrich, S. 228 und 627; Erg.-Bd., S. 101 f. und 249; Schaller, Kaiseridee, S. 66. 68 Nach Aussage der Bibel war Elias nicht gestorben, sondern lediglich entrückt worden und in der Gestalt Johannes' des Täufers schon einmal wiedergekehrt, vgl. 2 Könige 2,11-12; Maleachi 3,23; Matthaeus 11,10-15 und 17,11-13; Lukas 1,13-17. Allgemein erwartete man auf christlicher Seite, daß Elias vor der Parusie Christi abermals erscheine, um den Kampf gegen den Antichrist aufzunehmen, vgl. S. 21 Anm. 43. 69 Vgl. S. 214 Anm. 61. 70 Zu dieser Vorliebe vgl. Schaller, Kaiseridee, S. 65f. und 83. Wie Schaller selbst betont, war grün aber auch die Farbe der Kaiser. Vgl. dazu allgemein Taubert, Textilien, S. 16f. 71 Vgl. Acta imperii, ed. Winkelmann, Bd. 1, Nr. 720, S. 567. 72 Vgl. Kantorowicz, Friedrich, S. 586; Erg.-Bd., S. 249.

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werde, selbst wenn er tausend Jahre leben sollte und solange mit dem Papst Krieg führen müßte73. Unzweifelhaft also rechnete Friedrich mit seinem Tod. Freilich mag schon die bloße Behauptung, der Kaiser habe unsterblich werden wollen, dazu bei­ getragen haben, die Erwartung seiner Wiederkehr zu wecken.

73 Vgl. Schaller, Eine kuriale Briefsammlung, S. 304 und 308 (ed.).

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Die Hoffnung auf die Wiederkehr Friedrichs II. oder einen dritten Friedrich als Kaiser der Reformen

Friedrich II. in endzeitlicher Sicht von Freund und Feind

Wie sein Vorgänger Gregor IX. ließ auch Papst Innocenz IV. gegen Friedrich II. das Kreuz predigen, doch bezeichnete er den Kaiser nicht mehr als den Antichrist selbst, sondern lediglich als dessen Vorläufer. Für so manchen Gläubigen, der im Kampf zwischen Kaisertum und Papsttum auf päpstlicher Seite stand, blieb Friedrich trotz­ dem der für das Ende der Zeiten geweissagte Antichrist selbst. Dies gilt zumin­ dest für einen Teil der Joachiten beziehungsweise jener Franziskaner, die den Vor­ stellungen Joachims von Fiore anhingen1. Einen ihrer Höhepunkte erreichte die gegen Friedrich II. gerichtete Polemik mit der Schmähschrift Iuxta vaticinium Isaie2, die wohl im Auftrag des Kardinals Rainer von Viterbo3 im Mai oder Juni 1245 verfaßt wurde4. Darin erscheint Friedrich an mehreren Stellen wie der Teufel oder der Antichrist selbst. Der Kampf zwischen Papst und Kaiser wird mit dem Sieg des Erzengels Michael über den Drachen in der Offenbarung des Johannes 12,7 verglichen. Außerdem wird Friedrich als das vierte Untier in Daniel 7 hingestellt, und wie vom Antichrist heißt es von Friedrich, er sitze im Tempel des Herrn, als wäre er Gott5, und lasse sich von Bischöfen und Geist­ lichen die Füße küssen. Wie so häufig zu beobachten, wagt aber auch dieser Autor es nicht, sich in Fragen der Endzeit festzulegen und den Antichrist eindeutig zu identifizieren, denn zweimal bezeichnet er Friedrich als dessen bloßen Vorläufer6. Ähnlich widersprüchlich ist die Gleichsetzung Friedrichs II. mit dem Anti­ christ in dem bedeutenden, unter dem Namen Joachims von Fiore verfaßten Jere­ mias-Kommentar, dessen in den Drucken7 überlieferte lange Version, die von einem Franziskaner stammt, zwischen 1241 und 1249 entstand und dessen kürzere zwi­ schen 1215 und 1245, wobei die ursprüngliche Fassung vielleicht noch von Joachim selbst, also vor 1202, geschrieben wurde8. Im Gegensatz zu Joachims Werken zeich­ net sich die lange Version durch radikale Kritik an der Verweltlichung der Kirche

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Vgl. S. 204 und 212. Acta imperii, ed. Winkelmann, Bd. 2, Nr. 10371, S. 709-717. Vgl. Graefe, Publizistik, S. 170. Vgl.ebd., S. 127 und 171 f. Vgl. 2 Thess. 2,4; Adso, De ortu, ed. Verhelst, S. 24. Acta imperii, ed. Winkelmann, Bd. 2, Nr. 10371, S. 713 Zeile 32f. und 42. Venedig 1516 und 1525, Köln 1577. Zur äußerst schwierigen Frage nach den zisterziensisch-florensischen und den franziskanischen Anteilen vgl. Moynihan, Development; Reeves, Influence, S. 151-157; Simoni, II »Super Hieremiam«; Schmolinsky, Alexander Minorita, S. 68-75; Töpfer, Reich des Friedens, S. 109-115; Wessley, Joachim of Fiore, S. 101-135.

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aus, aber die Fortdauer des Papsttums im dritten Status steht außer Frage9. Unter anderem heißt es in dem Kommentar, daß der Nachfolger Heinrichs VI. der Kirche alle Reichtümer nehmen und so entscheidend zu der vom Verfasser als notwendig erachteten Wandlung der kirchlichen Ordnung beitragen werde. Trotzdem sah der Verfasser in Friedrich II. keine positive Gestalt, sondern den Antichrist oder dessen Vorläufer. An manchen Stellen charakterisiert er Friedrich in einer Weise, die als Identifizierung mit dem Antichrist zu verstehen ist, an anderen jedoch läßt er einen mit Friedrich verbündeten beziehungsweise von ihm eingesetzten Pseudopapst als den eigentlichen Antichrist erscheinen10 und gibt außerdem an, daß (der 1194 gebo­ rene) Friedrich 60 Jahre alt werden (also 1254 oder 1255 sterben) werde11, während die Herrschaft des Antichrist erst 60 Jahre nach dem angeblich 1197 verfaßten Kom­ mentar beginnen und dreieinhalb Jahre dauern soll (also von 1257 bis höchstens zum Sommer 1261 )12. Dagegen heißt es in einem wohl bald nach 1241 verfaßten13 Vaticinium über mehrere italienische Städte14 ganz eindeutig, daß Friedrich II. der große Drache sei, mit dessen Tod im Jahre 1260 Frieden herrschen werde15, während der von joachitischen Vorstellungen beeinflußte Alexander Minorita das Weitende frühestens 1326 erwartete und den Antichrist für noch nicht einmal geboren hielt, der von ihm mit dem Meeresungeheuer in der Offenbarung des Johannes 13 verglichene Friedrich II. also nur dessen Vorläufer sein konnte16. Im Gegensatz zu seinen für das Papsttum kämpfenden Gegnern sahen die An­ hänger der Staufer und des Kaisertums in Friedrich II. natürlich nicht den Antichrist oder dessen Vorläufer, sondern teilweise den Endkaiser oder einen Mann wie den novus dux, der Joachims Vorstellungen nach freilich kein Kaiser sein sollte17. Dies gilt wohl vor allem für die Zeit, als es Friedrich auf seinem Kreuzzug ohne Kampf gelang, Jerusalem zurückzugewinnen1819 . Von besonderem Interesse ist aber auch ein nicht näher bekannter Dominikaner namens Arnold, der unter Berufung auf göttliche Eingebung als Anwalt der Armen und Gläubigen mit dem Ziel auftrat, die Kirche zu ihrem ursprünglichen Zustand zurückzuführen. In seiner etwas wirren, mit Bibelzitaten gespickten Epistola de cor­ rectione ecclesiae™, die er während des Pontifikats Innocenz' IV. zu Lebzeiten Fried­ richs II. schrieb, also zwischen 1243 und 1250, warf er der Kirche in einem Katalog von 25 Ketzereien unter anderem vor, die Armen und Gläubigen ihres Besitzes be­ raubt zu haben. Arnold glaubte am Übergang vom sechsten Zeitalter der Besserung zum siebenten Zeitalter der Gerechtigkeit und Ruhe zu leben und erwartete durch 9 Vgl. Töpfer, Reich des Friedens, S. 116 f. 10 Vgl. ebd.,S. 119-121. 11 Ähnlich heißt es in den joachitischen Bearbeitungen der Erythraeischen Sibylle (vgl. S. 240), ein (mit Friedrich zu identifizierender) Adler werden 60 Füße haben, d.h. 60 Jahre leben oder herr­ schen, vgl. ed. Holder-Eccer, Prophetieen I, S. 165; ders., Prophetieen II, S. 332. 12 Vgl. Lerner, Frederick II, S. 363 f. Anm. 14. 13 Zur Datierung vgl. Schaller, Endzeit-Erwartung, S. 43 Anm. 77. 14 ed. Holder-Eccer, Prophetieen II, S. 358-365. 15 Ebd., S. 364-366. 16 Vgl. Lerner, Frederick II, S. 368 Anm. 26; Schmolinsky, Alexander Minorita, S. 38, 73 und 110-114. 17 Vgl. S. 206 und 214. 18 Vgl. S. 197. 19 Vgl. Fratris Amoldi ord. praed. de correctione ecclesiae epistola, ed. Winkelmann, S. 9-19.

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Friedrich II., den er als höchsten Verteidiger der Kirche vom Vorwurf des Unglau­ bens freisprach und mit dem König der Perser (Cyrus) verglich, die Wiederherstel­ lung der Kirche. Den Antichrist sah er dagegen in Innocenz IV.20, den Christus durch den Hauch seines Mundes töten werde, so daß die Armen dann alle kirchlichen Güter zurückerhielten. Außerdem behauptete Arnold, die Dominikaner seien von Gott als die wahren Hirten der heiligen Kirche ausersehen. Deshalb sollten sich die Gläubigen von der Kirche trennen und ihrem Orden folgen. Der Einfluß Joachims von Fiore ist in diesen Gedanken unverkennbar. Aber auch die Abweichungen sind deutlich. Erstmals in der Weissagungsliteratur ist hier die Forderung nach einer durchgreifenden Reform der Kirche mit der Hoffnung auf Friedrich II. verbunden. Während Joachim von Fiore die Unterwerfung des rö­ mischen Reiches durch heidnische Herrscher vorauszusehen glaubte und der Per­ son des Kaisers in seinen Gedanken keinerlei Bedeutung zukam21, rückte der Kaiser bei dem Dominikaner Arnold unausgesprochen in die Rolle des novus dux. Damit entsprach Arnold vielleicht Friedrichs eigenen Vorstellungen22. Der Dominikaner Arnold gehörte wohl kaum zu den Ketzern von Schwäbisch Hall23, von denen Albert von Stade zum Jahre 1248 berichtet24, denn im Gegensatz zu ihm verurteilten sie nicht nur das Papsttum und die Geistlichkeit, sondern auch die Bettelorden25. Albert von Stade schreibt, die Ketzer von Schwäbisch Hall hätten die Glocken läuten lassen, Gottesdienst gehalten und behauptet, nur sie predigten die Wahrheit, und nur die Sündenvergebung durch sie sei von Gott. Das vom Papst verhängte Interdikt sei Ketzerei, denn kein Lebender dürfe den Gottesdienst unter­ sagen. Der Papst und alle Geistlichen seien Ketzer und Simonisten, die wegen ihrer Laster und Sünden keine Vollmacht hätten, zu binden und zu lösen, und nur die Menschen verführten. Die Dominikaner und Franziskaner richteten die Kirche durch falsche Predigten zugrunde und führten ebenso wie die Zisterzienser ein verkehr­ tes, ungerechtes Leben. Friedrich II. und sein Sohn Konrad IV. dagegen seien Vollendete26 und Gerechte. Für sie sollten die Menschen beten. Abschließend be­ merkt Albert von Stade, Konrad IV. habe die Ketzer von Schwäbisch Hall begün­ stigt, aber die rechtgläubigen Prediger hätten energisch Widerstand geleistet und die Gläubigen durch ihre Ermahnungen dazu veranlaßt, sich von Konrad zurückzu­ ziehen, so daß sich dieser wie ein Verbannter und Flüchtling aus Schwaben in Bayern aufhalten müsse27. Leider geht aus Alberts ausführlichem Bericht nicht her­ 20 Von Arnold scheint auch der Libellus de Innocentio IV. P. M. Antichristo zu stammen, dessen Autor Innocenz IV. mit dem Antichrist identifiziert, weil Innocenc(!)ius papa die apokalyptische Zahl 666 ergebe, wenn man den Zahlenwert der einzelnen Buchstaben zusammenzähle, vgl. ebd., S. 20-22; dazu: Graefe, Publizistik, S. 258-263. 21 Vgl. S. 206 und 214. 22 Vgl. S. 214 f. 23 Entgegen Bloomfield und Reeves, Penetration of Joachism, S. 791 f.; Reeves, Influence, S. 170 und 310 f.; Abulafia, Herrscher, S. 394. 24 Albert von Stadt, Annales Stadenses, ed. Lappenberg, MGH SS 16, S. 371 f. 25 Diesen Umstand betonen Graefe, Publizistik, S. 262, und Töpfer, Reich des Friedens, S. 160. 26 Zur Einteilung in credentes und perfecti bei Katharern und Waldensern vgl. Borst, Katharer, S. 202-208, bes. S. 205 f. Anm. 13, und auch S. 110 Anm. 5. 27 Cohn, Paradies, S. 122, schreibt über die Wirkung der Ketzer von Schwäbisch-Hall: »Unter dem Einfluß solcher Propaganda erhoben sich die Handwerker der Stadt Schwäbisch-Hall und verbannten die Priester und etliche wohlhabende Patrizier.« Darauf gibt es jedoch keinerlei Hinweis. Auch Abulafia, Herrscher, S. 394, sieht in den bei Albert von Stade geschilderten Ereignissen »zugleich eine soziale Bewegung von Handwerkern«.

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vor, welcher größeren Sektengruppe die Ketzer von Schwäbisch Hall zuzurechnen sind28. Nach 1248 hören wir nichts mehr von ihnen. Die Erwartung der Wiederkehr Friedrichs II.

Obwohl Friedrich II. in Palermo beigesetzt wurde und sein Leichnam nicht etwa verschollen blieb, machte sich nach seinem Tode am 13. Dezember 1250 in seinem ehemaligen Herrschaftsbereich der Glauben breit, er sei gar nicht gestorben und werde demnächst wiederkehren oder aber einer seiner Nachkommen, ein dritter Friedrich, werde sein Werk als Verfolger oder Reformer der Kirche zu Ende führen. Vielleicht konnte es zu diesem Glauben kommen, weil Friedrichs Gegner frü­ her des öfteren die Lüge verbreitet hatten, der Kaiser sei tot29. Doch Jahre und Jahr­ zehnte nachdem selbst in fernen deutschen Gebieten längst klar sein mußte, daß Friedrich II. tatsächlich im Dezember 1250 gestorben war, wollten sich viele Men­ schen nicht mit seinem Tod abfinden. Deshalb und weil es keinen entsprechend früh zu datierenden Quellenbeleg für den Glauben an Friedrichs Wiederkehr gibt30, er­ scheint es möglich, daß dieser nicht sofort nach Friedrichs Tod, sondern erst einige Jahre später entstand, als mit dem Tode Konrads IV. im Jahre 1254 die Zukunft des staufischen Geschlechts auf dem Spiel zu stehen begann und der Gang der Ge­ schichte eine für die meisten Zeitgenossen wohl unerwartete Wende nahm. Mit Konrad noch hatten die Anhänger der Staufer ja höchste Erwartungen ver­ bunden, wie die Vorstellungen der Sekte von Schwäbisch Hall31 und eine auf seine Regierungszeit zu datierende Sibylle aus Tivoli32 zeigen, die Konrad als neue Sonne feiert. Wer freilich in Friedrich II. den Endkaiser gesehen hatte33, der mag schon bei seinem Tode geglaubt haben, er werde wiederkehren, denn laut Ps.-Methodios sollte der Endkaiser ja ein für tot gehaltener Mann sein, der wie aus dem Rausch erwachen werde. Der im letzten Jahrzehnt seines Lebens schreibende Franziskaner Salimbene (+ 1288 oder 1289), der seine joachitischen Vorstellungen aufgab, als bis Ende 1260 der Auftritt des Antichrist ausgeblieben war34, berichtet35, daß er - wie wohl auch andere Joachiten - die Nachricht vom Tode Friedrichs II. zunächst36 nicht habe glau­ ben wollen, weil er der Meinung gewesen sei, daß Friedrich als Vorläufer des Anti­ christ37 vor seinem Tod noch weitere Untaten begehen müsse. Der Tod Friedrichs II. 28 Vgl. Töpfer, Reich des Friedens, S. 160 Anm. 28. 29 Vgl. Kantorowicz, Friedrich, S. 188,190 und 579; Erg.-Bd., S. 75 und 251; Sütterlin, Politik, S. 99 und 120; Winkelmann, Friedrich II., Bd. 2, S. 53 f. Anm. 8. 30 Die bei Thomas von Eccleston erwähnte Vision eines Franziskaners, der gesehen haben wollte, wie Friedrich in seiner Todesstunde mit 5000 Rittern in den Ätna zog, ist dafür kein Beleg, vgl. S. 224. Ebensowenig gilt dies für die Aussage der Erythraeischen Sibylle, daß Friedrich lebe und nicht lebe, denn sie wurde bereits vor Friedrichs Tod gemacht und sollte nicht mehr bedeuten, als daß Friedrich in seinen Nachkommen fortleben werde, vgl. S. 240. 31 Vgl. S. 219. 32 ed. Hampe, Verknüpfung, S. 18 f. 33 Wie vielleicht auf seinem Kreuzzug, vgl. S. 197. 34 Vgl. Salimbene, Cronica, ed. Holder-Ecger, MGH SS 32, S. 302 f. 35 Vgl. ebd., S. 174. 36 d.h. bis zum Oktober 1251, als Friedrichs Tod durch Innocenz IV. in einer Predigt bestätigt worden sei. 37 Vgl. Lerner, Frederick II, S. 364 Anm. 14; West, Between Flesh and Spirit, S. 347 f.

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konnte jenen Joachiten, die den Kaiser mit dem Antichrist identifiziert hatten38, kaum in ihre Vorstellung vom Ablauf der Geschichte passen, denn der Antichrist sollte ihrer Meinung nach ja erst im Jahre 1260 sterben39. Sie haben sich zur Bewah­ rung ihrer Vorstellung aber nicht etwa in die Erwartung geflüchtet, Friedrich werde bis zum Jahre 1260 als Antichrist wiederkehren und sein böses Werk vollenden40, sondern haben nach einem Nachkommen Friedrichs II. als Antichrist Ausschau ge­ halten41. Dies ist insofern besonders bemerkenswert, als es ein leichtes gewesen wä­ re, die anfänglichen Zweifel am Tode Friedrichs II. mit dem von Gregor IX.42 und Alexander Minorita43 gezogenen Vergleich des Kaisers mit dem apokalyptischen Tier aus dem Meer zu verbinden, denn in der Offenbarung des Johannes 13,14 steht zu lesen, daß dieses Tier »mit dem Schwert erschlagen worden war und doch wie­ der zum Leben kam«44. Ähnlich heißt es dort (17,8) von jenem scharlachroten Tier mit ebenfalls sieben Köpfen und zehn Hörnern, auf dem die vom Blut der Heiligen betrunkene Hure Babylon sitzt: »Das Tier, das du gesehen hast, war einmal und ist jetzt nicht; es wird aber aus dem Abgrund heraufsteigen und dann ins Verderben gehen.« Und (17,11): »Das Tier aber, das war und jetzt nicht ist, bedeutet einen ach­ ten König und ist doch einer von den sieben und wird ins Verderben gehen«45. Salimbene schreibt an anderer Stelle, viele Leute hätten nicht geglaubt, daß Friedrich II. gestorben sei46. Dabei bleibt unklar, ob sich diese Angabe nur auf die ersten Monate nach Friedrichs Tod oder auch auf spätere Zeiten bezieht. Wie das Beispiel von Salimbenes eigener Haltung zeigt, bedeuten anfängliche Zweifel am Tode Friedrichs II. nicht zwangsläufig die dauerhafte Erwartung, daß Friedrich wiederkommen werde. Der früheste sichere Beleg für den dauerhaften, über anfängliche Zweifel am Tod des Kaisers hinausgehenden Glauben an Friedrichs Wiederkehr stammt aus der Zeit nach dem Tode Konrads IV. (1254) und vor dem Auftritt des sizilischen 38 Dies gilt keineswegs für alle Joachiten, vgl. S. 217f. 39 Vgl. S. 206 und 217 f. Der Verfasser des Liber de oneribus prophetarum allerdings sah in Fried­ rich II. auch nach dessen Tod noch den Antichrist, vgl. S. 240 f. 40 Vgl. Töpfer, Reich des Friedens, S. 166 f. (In Widerspruch dazu schreibt Töpfer allerdings zuvor, daß der »angeblich gar nicht verstorbene und wiederkehrende Kaiser Friedrich II. diese Rolle des antichristlichen Kirchenverfolgers ... übernehmen werde«, vgl. ebd., S. 160.) Dagegen glaubt Lerner, Frederick II, S. 371 f., daß die Joachiten die alte christliche Vorstellung von dem eines Tages als Antichrist wiederkehrenden Nero auf Friedrich II. übertragen hätten. Seiner Argumen­ tation fehlt jedoch die Durchschlagskraft, denn er gibt nicht einmal einen Beleg dafür an, daß Friedrich von den Joachiten mit Nero verglichen wurde, und anhand der Ausführungen des Thomas von Pavia (vgl. Longpré, Les »Distinctiones«, S. 25f.) zeigt Lemer selbst, daß mancher Zeitgenosse wie ein als religiosus bezeichneter Mann um 1254 oder 1255 in Nero den zukünf­ tigen Antichrist sah, Friedrich also nicht an Neros Stelle trat, vgl. ebd., S. 372 Anm. 44 und S. 375 Anm. 52. Abulafia, Herrscher, S. 395, folgt offenbar der von Lemer vertretenen Auffassung. 41 Vgl. S. 240f. 42 Vgl. S. 209 f. 43 Alexander Minorita, Expositio, cap. 20 und 22, ed. Wachtel, S. 430 Zeile 29 und S. 507 Zeile 4; dazu: Schmolinsky, Alexander Minorita, S. 38 und 111 f. 44 Vgl. auch Off. Joh. 13,3 und 12. Im Falle Neros dagegen leitete man in der Spätantike die Erwar­ tung seiner Wiederkehr auch aus dem Vergleich mit dem Tier aus dem Meer ab, vgl. Sulpicius Severus, Chronica II29, ed. Halm, S. 84. 45 Vielleicht ist in diesen Passagen aus der Offenbarung des Johannes einer der Ursprünge der Weissagung Vivit et non vivit zu sehen, die sich in der Erythraeischen Sibylle findet und dort auf Friedrich II. und sein Geschlecht bezogen ist, vgl. S. 240. 46 Salimbene, Cronica, ed. Holder-Egcer, MGH SS 32, S. 347.

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»falschen Friedrich« Johannes von Cocleria (1261)47, nämlich aus dem Jahr 1257, als ein Goldschmied in San Gimignano während des Mai, Juli und August mit sechs Personen vier notariell beglaubigte Wetten darüber abschloß, daß Friedrich II. noch lebe48 - und folglich eines Tages zurückkommen werde. Dagegen berichtet die wohl erst nach 1260 verfaßte, früher Eike von Repgow zugeschriebene49 »Sächsische Weltchronik« nur ganz allgemein, daß man im Volk lange Zeit am Tode Friedrichs II. gezweifelt habe50, und Jans Enikel behauptet in sei­ ner zwischen 1277 und 1290 entstandenen51 »Weltchronik«, Friedrich sei so plötz­ lich verschwunden, daß niemand wisse, wo er sei, und man in Italien darüber strei­ te, ob er noch lebe oder nicht52. Ähnlich schrieb 1292 oder kurz danach der fran­ ziskanische Verfasser der Flores temporum53, Friedrich II. sei so heimlich begraben worden, daß viele Leute selbst nach 40 Jahren noch erklärt hätten, der Kaiser lebe und werde demnächst mit großer Macht zurückkehren54. Wie stark dieser Glauben um 1290 war, zeigt der Auftritt mehrerer falscher Friedriche, deren einer Rudolf von Habsburg persönlich zum Eingreifen zwang55. Zu dieser Zeit hielt man auch in Ita­ lien noch die Wiederkehr Friedrichs II. nicht für gänzlich ausgeschlossen, und zwar nicht nur mancher Joachit, wie Salimbene betont, denn einige lombardische Städte und der Markgraf von Este schickten Gesandtschaften an den falschen Friedrich von Neuss56, um sich ein Bild von der Situation zu machen. Aber während die Friedrich-Erwartung in Italien doch nur Episode blieb, war die im deutschen Reichsgebiet zu beobachtende Stärke des Glaubens an die Wiederkehr Friedrichs II., der nicht zuletzt aus der Weissagung des Ps.-Methodios von dem für tot gehaltenen Endkaiser Kraft ziehen mochte, offenbar Ausdruck der Hoffnung auf einen Wandel der bestehenden Verhältnisse und der Ohnmacht, diesen Wandel selbst herbeizu­ führen57. Schlechte Zeiten haben dafür gesorgt, das Andenken an Friedrich II. zu ver­ golden. Der Herrschername Friedrich begann für ein Leben in Frieden und Überfluß zu stehen. Entsprechend beschrieb um 1300 der Thüringer Priester Siegfried von Balnhausen58 in seinem Compendium historiarum die Regierungszeit Friedrichs II.59. Damit bildete er unter den damaligen Geschichtsschreibern allerdings die Aus­ 47 Vgl.S.233. 48 Vgl. Davidsohn, Forschungen, Bd. 2, S. 101 f. 49 Zur Datierung und Verfasserfrage vgl. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 8, Berlin-New York 1992, col. 482^184 s.v. Sächsische Weltchronik (Artikel von H. Herkommer). 50 Vgl. Sächsische Weltchronik, ed. Weiland, MGH Deutsche Chroniken 2, S. 258 und 285. Peuckert, Wende, S. 214, sieht darin ein Zeugnis aus dem Jahre 1251. Wie Kloos, Petrus de Prece, S. 152 Anm. 5, betont, läßt es die einheitliche Überlieferung des bis 1260 reichenden Kapitel 399 aber nicht zu, einzelne seiner Sätze früher zu datieren. 51 Vgl. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 2, Berlin-New York 1980, col. 565 s.v. Enikel, Jans (Artikel von K.-E. Geith). 52 Vgl. Jansen Enikel, Werke, ed. Strauch, MGH Deutsche Chroniken 3, S. 574 Vers 28945-28956. 53 Vgl. Die Deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 2, Berlin-New York 1980, col. 754f., s v. >Flores temporum« (Artikel von P. Johanek). 54 Flores temporum, ed. Holger-Egger, MGH SS 24, S. 241. 55 Vgl. S. 236. 56 Vgl. Salimbene, Cronica, ed. Holder-Egger, MGH SS 32, S. 537. 57 Vgl. S. 238 und 257. 58 Vgl. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 8, Berlin-New York 1992, col. 1200-1204 s.v. Siegfried von Balnhausen (Artikel von B. Studt). 59 Vgl. Siegfried von Balnhausen, Compendium historiarum, ed. Holder-Egger, MGH SS 25, S.699.

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nähme. Das in der Historiographie gepflegte Bild Friedrichs II. wandelte sich erst mit der kirchlichen Reformbewegung der Konzilszeit im 15. Jahrhundert zum Positiven60. Friedrich im Ätna und im Kyffhäuser

Im Abendland vermutete man während des Mittelalters vor allem von König Arthur, daß er in einem Berg verborgen lebe61. Hatten ihn Bretonen und Waliser zunächst auf die unbekannte Insel Avalon entrückt geglaubt, von wo er nach Hei­ lung seiner schweren Verwundungen siegreich zurückkehren und sein Volk von aller Fremdherrschaf befreien sollte62, so wurde offenbar unter der normannischen Herrschaft in Unteritalien63 - vermutlich durch die dorthin kommenden AngloNormannen - die fortan ebenfalls verbreitete Vorstellung geboren, König Arthur halte sich auf der Insel Sizilien am oder im Ätna verborgen. Sie läßt sich erstmals in den um 1215 abgeschlossenen, Kaiser Otto IV. gewidmeten Otia imperialia des Ger­ vasius von Tilbury belegen, der sich 1189 am Hofe Wilhelms II. aufgehalten hatte und Unteritalien wie Sizilien aus eigener Anschauung kannte64. Gervasius schreibt65, die Einwohner Siziliens erzählten, daß zu ihren Lebzeiten in der Einöde des Ätna, in dem ein schwefeliges Feuer brenne, der große König Arthur erschienen sei. Als nämlich ein Stallknecht des Bischofs von Catania ein ihm entlaufenes Pferd auch an den dunklen Orten des Ätna gesucht habe, sei er über einen äußerst schmalen Weg auf eine weite, liebliche Ebene66 gelangt, wo er in einem wunderbar erbauten Palast mit König Arthur gesprochen habe. Nachdem ihm auf Arthurs Befehl hin das ent­ laufene Pferd zurückgegeben worden sei, habe ihm der auf einem prächtigen Lager ruhende König gesagt, daß seine Wunden nicht heilen wollten, sondern immer wie­ der aufbrächen67. Wie Gervasius von Tilbury abschließend bemerkt, behaupteten die Leute der Gegend, daß König Arthur dem Bischof von Catania Geschenke geschickt habe, die sie selbst gesehen hätten. Der Ätna und die Vulkane der Liparischen Inseln galten im Mittelalter als Orte der Hölle68, aber es ist bei Gervasius von Tilbury zweifelhaft, ob Arthurs Aufenthalts­ ort die Hölle sein soll, denn sein Palast muß sich nicht unbedingt in dem Berg selbst befinden69, von dem es heißt, daß in ihm schwefeliges Feuer brenne. Zwar bedeuten für König Arthur seine immer wieder aufbrechenden Wunden eine womöglich ewige Qual, von irgendwelchen Sünden des Königs ist jedoch keine Rede.

60 Vgl. Hampe, Auffassung der Nachwelt, S. 11 und 19-23. 61 Zur Tradition des Glaubens an einen im Berg verborgenen Herrscher in Europa vgl. Graus, Herrschersagen, S. 80-82. Zur Sage von einem bergentrückten Karl vgl. Graf Pfeil, Karl der Große, S. 332 f. 62 Vgl. S. 327-329. 63 Vgl. A. Graf, Miti, S. 473-477; Schlauch, Literary Exchange, S. 175f. 64 Vgl. A. Wolf, Gervasius von Tilbury, S. 414 f. und 419. 65 Vgl. Gervasius von Tilbury, Otia imperialia II12, ed. Liebrecht, S. 12; dazu: Le Goff, Geburt des Fegefeuers, S. 248 f. 66 Laut Krappe, König im Berge, S. 90, ist dies die Mag Mell, die große Ebene der keltischen Ge­ filde der Seligen. 67 Verbirgt sich hinter dieser Darstellung die Aufforderung, alle Hoffnung auf Arthurs Wiederkehr aufzugeben? 68 Vgl. Le Goff, Geburt des Fegefeuers, S. 118L, 246-253 und 318f. 69 Entgegen Loomis, Arthurian Legend, S. 70.

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Nur wenige Jahre nach Gervasius von Tilbury gab Caesarius von Heisterbach in seinem Dialogus miraculorum, den er in den Jahren 1219-1223 verfaßte70, einen Bericht über ein ebenfalls auf Sizilien zu König Arthur entlaufenes Pferd71. Ihm zu­ folge hält sich Arthur eindeutig im Ätna auf, denn er schreibt, das Pferd befinde sich in dem (als Berg Gyber bezeichneten) Vulkan bei König Arthur. Aber obwohl es von dem Berg heißt, er speie Feuer wie der Vulcanus, deutet nichts darauf hin, daß Ar­ thur wegen irgendwelcher Sünden ein zu ewiger Höllenqual Verdammter sein soll. Dagegen wird in dem bei Caesarius von Heisterbach unmittelbar anschließen­ den Bericht über Herzog Berthold V. von Zähringen (+ 1218) ganz eindeutig be­ hauptet, daß dieser zur Hölle gefahren ist. Caesarius schreibt nämlich, in der Todes­ stunde Bertholds, der ein von Habsucht getriebener und vom rechten Glauben ab­ gefallener Tyrann gewesen, hätten einige Leute am Berge Gyber jemanden (wie den Herrn der Hölle) mit gewaltiger Stimme befehlen hören, man solle für seinen ihm immer treuen Freund, den Herzog von Zähringen, ein großes Feuer machen72. Auch im Falle Friedrichs II. läßt sich der Glaube nachweisen, er halte sich im Ätna auf. Gestützt auf einen Bericht, den ihm wohl 1258 der mit dem damaligen Joachiten Salimbene befreundete apostolische Nuntius und Poenitentiar Mansue­ tus73, sein Ordensbruder, gegeben hatte, schrieb der englische Franziskaner Thomas von Eccleston74 in seinem spätestens 1260 abgeschlossenen Buch De adventu Fratrum Minorum in Angliam, zur Zeit des Todes Friedrichs II. habe ein auf Sizilien lebendes Mitglied ihres Ordens beim Gebet 5000 Ritter in das Meer hineinreiten sehen, dessen Wasser dabei aufgezischt sei, als wären sie alle aus glühendem Erz gewesen. Einer der Ritter habe ihm erklärt, es sei Kaiser Friedrich, der dort in den Ätna einziehe75. Im Gegensatz zur späteren Kyffhäuser-Sage war mit dieser Vision eines Fran­ ziskaners nicht die Erwartung der Wiederkehr Friedrichs II. verbunden. Vielmehr erscheint der vom Papst exkommunizierte Kaiser als ein in die Hölle einziehender Verdammter76. Das Vorbild der durch Gregor den Großen weit verbreiteten Ge­ schichte über das Ende des arianischen, aus katholischer Sicht also ketzerischen Ost­ gotenkönigs Theoderich ist schwerlich zu leugnen: In dessen Todesstunde soll ein 70 Vgl. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 1, Berlin-New York 1978, col. 1157 s.v. Caesarius von Heisterbach (Artikel von K. Langosch). 71 Vgl. Caesarius von Heisterbach, Dialogus miraculorum XII12, ed. Strange, Bd. 2, S. 324f. 72 Vgl. ebd.XII 13,Bd.2,S.325f. 73 Vgl. zu ihm Thomas von Eccleston, Tractatus de adventu XV, ed. Little, S. 94 Anm. 2 b. 74 Vgl. Lexikon des Mittelalters, Bd. 8, München 1997, col. 717 s.v. Thomas von Eccleston (Artikel von D. Berg). 75 Thomas von Eccleston, Tractatus de adventu XV, ed. Little, S. 96. Die Inhaltsangabe bei Abulafia, Herrscher, S. 395, entspricht nicht der Quelle. Abulafia geht auch zu weit, wenn er aus den Angaben bei Thomas von Eccleston folgert, »die« Joachiten Siziliens (und wenn ja: nur sie?) hätten Friedrich im Ätna vermutet, denn nicht jeder Franziskaner dieser Zeit ist als Joachit zu bezeichnen. 76 Dies erkennt auch Cohn, Paradies, S. 123, der anschließend aber behauptet, daß »viele Sizilianer ... zu einem andern Schluß« als der Franziskaner gekommen seien: »Der Ätna galt schon lange als ein Walhall abgeschiedener Helden einschließlich König Athurs; indem man Friedrich un­ ter sie einreihte, wurde er zum schlafenden Kaiser, der eines Tages als Erlöser wiederkommen mußte.« Ähnlich einfach liegen die Dinge für Lerner, Frederick II, S. 371: »Once in Etna, Fred­ erick could tum into Arthur in the imaginations of the downtrodden... «. Auch Töpfer, Reich des Friedens. S. 165 f., geht über die Unterschiede der beiden Motive Arthur im Ätna und Fried­ rich im Ätna hinweg und bezeichnet die bei Thomas von Eccleston berichtete Vision ohne wei­ teres als »Friedrichsage«. Laut Schwinges, Verfassung, S. 194, ritt Friedrich II. in den Ätna als »Herberge schlafender Helden«.

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auf der Insel Lipari lebender Einsiedler gesehen haben, wie Theoderich von Papst Johannes I. und dem Patrizier Symmachus, die er beide hatte hinrichten lassen, in den »Kochtopf« der Insel Volcano geworfen wurde77. Eine Parallele zu den Angaben des Thomas von Eccleston findet sich auch bei Ekkehard von Aura (+ nach 1125) und dem ihm folgenden Annalista Saxo: Im Wormsgau soll 1123 während mehrerer Tage eine Schar bewaffneter Reiter herum­ gezogen sein, die immer um die neunte Stunde in dem Berg78 verschwanden, aus dem sie zuvor herausgekommen schienen. Einer der Reiter habe sich als der vor wenigen Jahren (1117 im Kampf Adalberts von Mainz gegen Friedrich von Schwa­ ben) gefallene Graf Emicho79 zu erkennen gegeben und ein anderer seine Genossen als die Seelen solcher Ritter bezeichnet, für die ihre Waffen, Rüstungen und Pferde wegen ihrer Sünden nun zu Marterwerkzeugen geworden seien. Alles an ihnen sei von Feuer80, wenn dies auch mit menschlichen Augen nicht erkannt werden könne81. Ob die nur bei Thomas von Eccleston zu belegende Vorstellung, daß Fried­ rich II. sich im Ätna aufhalte, 1261-1262 beim Auftritt des Johannes von Cocleria, des ersten falschen Friedrich82, eine Rolle gespielt hat83, ist möglich, läßt sich aber nicht beweisen. Es besagt wenig, daß Johannes sich im Gebiet des Ätna versteckt hielt, denn wohl nirgends sonst hätte er sich auf Sizilien besser verstecken können. Außerdem verband sich mit der Vorstellung keine positive Erwartung. Unstrittig läßt sich die Erwartung der Wiederkehr Friedrichs II. zuerst in Italien nachweisen. Es ist aber fraglich, ob die Wurzeln der späteren Sage, Friedrich lebe im Kyffhäuser verborgen, in Italien zu suchen sind. Möglicherweise geht die Kyffhäuser-Sage84 auf die Vorstellung von dem sich am oder im Ätna aufhaltenden König Arthur zurück, denn diese findet sich in mehreren deutschen Quellen85, vor allem im Dialogus miraculorum des Caesarius von Heisterbach86, der in über 100 Hand­ schriften - teils vollständig, teils fragmentarisch - erhalten ist87. Unwahrscheinlich da­ gegen ist eine Beeinflussung der Kyffhäuser-Sage durch den Glauben, Friedrich II. 77 Vgl. Gregoire le Grand, Dialogues IV 31, ed./tr. de Vogüe und Antin, Bd. 3, S. 104 (ed.) und 105 (tr.); dazu: Benedikt, Überlieferungen, S. 100-103; Le Goff, Geburt des Fegefeuers, S. 118L; F. Schneider, Friedrich IL, S. 149 f.; Clark, Pseudo-Gregorian Dialogues, Bd. 2, S. 645, der im übrigen zu beweisen versucht, daß die Dialoge in der überlieferten Form nicht von Gregor dem Großen stammen. Damit ist Clark auf entschiedenen Widerspruch gestoßen: vgl. Godding, Les Dialogues; Meyvaert, The Enigma; Verbraken, Les Dialogues. 78 Nicht unbedingt der Donnersberg, wie Schultheiss, Volkssage, S. 84L, mit Jacob Grimm meint, vgl. Möhrinc, Emicho, S. 104 Anm. 45. 79 Er muß keineswegs mit dem Judenmörder und »Kreuzfahrer« Emicho identisch sein, vgl. ebd., S. 103. 80 Wie die »glühenden« Reiter bei Thomas von Eccleston. Das Motiv gespenstischer feuriger Ritter findet sich auch in der mittelhochdeutschen Epik, vgl. Benedikt, Überlieferungen, S. 102. 81 Vgl. Ekkehard von Aura, Chronica, Recensio IV, ed. Schmale und Schmale-Ott, S. 336 und 362; Annalista Saxo, ed. Waitz, MGH SS 6, S. 754 und 760. Von etwaigen Erwartungen der Wieder­ kehr ist auch in diesem Fall nichts zu spüren, entgegen Cohn, Paradies, S. 74f. und 99, der behauptet, das Volk im Wormsgau habe auf die Wiederkehr des Judenmörders Emicho als des im Berg verborgenen Endkaisers gehofft. 82 Vgl. S. 233. 83 So meinen Kampers, Kaiseridee, S. 85, und F. Schneider, Friedrich IL, S. 154. 84 Vgl.S. 226f. 85 Vgl. Kampers, Kaiseridee, S. 86. 86 Vgl.S.224. 87 Vgl. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 1, Berlin-New York 1978, col. 1156 s.v. Caesarius von Heisterbach (Artikel von K. Langosch).

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sei in den Ätna eingezogen, denn er läßt sich nur in einer einzigen, weder deutschen noch italienischen Quelle belegen, und mit ihm verband sich, wie schon betont, zumindest ursprünglich keine positive Erwartung. Aber auch der Ätna und König Arthur sind nicht etwa als das einzige mögliche Vorbild zu betrachten. In diesem Zusammenhang ist an das Beispiel des im Worms­ gau herumgeistemden Grafen Emicho zu erinnern88 oder an die Weissagung über den Sturz der hohen Zeder des Libanon, die in der zwischen Sommer 1289 und Sommer 1291 entstandenen Redaktion eines vielleicht deutschen Verfassers einen aus den Höhlen der Berge hervorkommenden Löwen verheißt89. Dieser Zug erin­ nert an eine andere Weissagung, die den Auftritt eines wohl mit Karl von Anjou zu identifizierender rex novus ankündigt, der sich von den hohen und höhlenreichen Bergen her auf den ganzen Erdkreis stürzen werde90. Von einem aus den Höhlen kommenden Löwen, der späterhin mit Karl von Anjou identifiziert werden konnte, ohne daß dies ursprünglich beabsichtigt war91, spricht auch die Erythraeische Sibyl­ le92, und Heinrich von Isemia drohte 1269 mit Bezug auf Friedrich den Freidigen, der Löwe werde aus den Höhlen hervorkommen, um das dem Adler (Konradin) widerfahrene Unrecht zu rächen93. Schließlich noch spricht gegen die Beeinflussung der Kyffhäuser-Sage durch Berichte über den im Ätna verborgenen Arthur oder Friedrich der Umstand, daß der Vorstellung von dem im Kyffhäuser lebenden Friedrich der Glaube vorausging, der Kaiser geistere in den Ruinen der dortigen Burg(en)94 umher, lebe also nicht in, sondern auf dem Kyffhäuser: Während Friedrich etwa bei Oswald dem Schreiber noch ein an keinen Ort gebundener Pilger ist95, findet sich erstmals in der 1421 abge­ schlossenen »Thüringischen Weltchronik« des Johannes Rothe (+ 1434)96 die Auffas­ sung, daß Kaiser Friedrich sich in einigen verlassenen (von der vergangenen Herr­ lichkeit des Reiches kündenden) Burgen aufhalte. Indem Rothe dies als Ketzerei be­ zeichnet, berichtet er, daß manche Christen glaubten, Friedrich erscheine zuweilen auf dem Kyffhäuser oder anderen zum Reich gehörenden wüsten Burgen, rede von Zeit zu Zeit auch mit den Leuten und werde als der letzte Kaiser bis zum Jüngsten Tag leben97. Diese Verörtlichung auf einen Berg in Thüringen, wo zunächst eher die Hoffnung auf einen dritten als auf den wiederkehrenden Friedrich ausgeprägt war98, kann erst nach 1407 erfolgt sein, als die Burgen auf dem Kyffhäuser nicht mehr bewohnt waren99. 88 Vgl.S.225. 89 Vgl. Lerner, Powers, S. 52. Es ist freilich unklar, ob mit dem Löwen Friedrich II. und überhaupt ein toter Herrscher gemeint ist, vgl. oben S. 199. 90 Vgl. ed. Holder-Egger, Prophetieen II, S. 383 f.; ders., Prophetieen III, S. 104; dazu unten S. 295. 91 Zur Datierung der Erythraeischen Sibylle vgl. S. 240. 92 Vgl. ed. Holder-Egger, Prophetieen I, S. 169; ders., Prophetieen II, S. 334. 93 Vgl. Hampe, Beiträge, S. 40 und 102. 94 Es gab deren drei, vgl. Eberhardt, Kyffhäuserburgen, S. 68. 95 Vgl. Schultheiss, Volkssage, S. 51 und 71. Die Lebensdaten Oswalds des Schreibers sind ebenso unklar wie die Datierung seines Werkes, vgl. ebd., S. 52; Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 7, Berlin-New York 1989, col. 132 s.v. Oswald der Schreiber (Artikel von D. Huschenbett). 96 Vgl. Schultheiss, Volkssage, S. 69; Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 8, Berlin-New York 1992, col. 277-285 s.v. Rothe, Johannes (Artikel von V. Honemann). 97 Johann Rothe, Düringische Chronik, ed. v. Liliencron, S. 426. 98 Vgl. S. 242-244. 99 Vgl. Schultheiss, Volkssage, S. 72; Eberhardt, Kyffhäuserburgen, S. 89 f.

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Den Kyffhäuser meint auch Dietrich Engelhus (+ 1434)100, wenn er in seiner »Weltchronik« schreibt, ein Gerücht besage, daß Friedrich II. nicht tot sei, sondern in castro confusionis lebe101. Als andere Gestalt der Volkssage scheint erst später der Glaube entstanden zu sein, daß Friedrich sich nicht in der Burg auf dem Kyffhäuser, sondern im Inneren dieses »Berges bei Frankenhausen in Thüringen« aufhalte. Diese Vorstellung ist in einer 1537 erschienenen Flugschrift zu belegen, die eine Zusammenstellung von Angaben zum Glauben an die Wiederkehr Friedrichs II. enthält102 und unter ande­ rem behauptet, Friedrich werde 1548 oder 1549 Kaiser Karl V. bei der Eroberung des Heiligen Landes helfen103. Ihr zufolge soll der im Berg verborgene Kaiser (als Freund des »kleinen Mannes«) einen Schafhirten in den Kyffhäuser hineingeführt, ihm viele Waffen gezeigt und ihn reich beschenkt mit dem Auftrag entlassen haben, den Leu­ ten draußen zu sagen, daß er mit diesen Waffen das Heilige Grab gewinnen werde104. Weniger darauf als auf die Unterstützung ihrer Sache scheinen einige Jahre zu­ vor die Bauern der Umgebung gehofft zu haben, nachdem sie am 15. Mai 1525 in der Schlacht von Frankenhausen am Fuße des Kyffhäuser blutig geschlagen worden waren. Wie sich aus den nicht genau zu datierenden Angaben eines gefangenen Wilddiebes ergibt, wollten sie sich nämlich in der Hoffnung auf Friedrichs Auf­ erstehung an einem Karfreitag auf dem Kyffhäuser versammeln105. Eine befriedigende Antwort auf die Frage, weshalb Friedrich ausgerechnet im Kyffhäuser weiterleben sollte, fällt schwer106. Offenbar war die Hoffnung auf die Wiederkehr Friedrichs II. in Thüringen oder zumindest in der Umgebung des Kyff­ häuser besonders groß. Vermutlich ist außerdem von Bedeutung, daß auf dem Kyff­ häuser eine Reichsburg gestanden hatte107 und sich mit ihrer Ruine die Erinnerung an die alte Herrlichkeit des Reiches, den Glanz der Stauferzeit, verbunden haben mag. Vielleicht spielte auch die Ansicht eine Rolle, daß die Kyffhäuserburg bereits von Caesar erbaut und confusio genannt worden sei108. Dagegen ist es unwahr­ scheinlich, daß man den Kyffhäuser in heidnischer Zeit als Sitz des Gottes Wotan betrachtet hatte und diese Vorstellung später auf Friedrich übertrug109. Die Flugschrift von 1537 berichtet außerdem von einem Gerücht, daß Kaiser Friedrich bei Kaiserslautem in einer Felsenhöhle lebe und zwar - im Unterschied zum Kyffhäuser - mit großem Gefolge110. Die Behauptung, Kaiser Friedrich halte 100 Vgl. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 2, Berlin-New York 1980, col. 556-561 s.v. Engelhus, Dietrich (Artikel von D. Berg und F. J. Worstbrock). 101 Vgl. Schultheiss, Volkssage, S. 72 f. und 94 Anm. 99. Timm, Sagengeschichtliches, S. 3, hält dies für zweifelhaft, erwähnt aber nicht, daß auch Johannes Rothe den Kyffhäuser mit einer angeb­ lich von Caesar erbauten Burg namens confusio gleichsetzt. 102 Vgl. Draudius, Tischreden, Teil 1, S. 322-330. Cohn, Paradies, S. 159, behauptet ohne weiteres, bereits der thüringische Geißler Konrad Schmid (vgl. unten S. 239) sei von seinen Anhän­ gern als der aus der Verborgenheit des Kyffhäuser zurückgekehrte Kaiser Friedrich betrachtet worden. 103 Vgl. Draudius, Tischreden, Teil 1, S. 329 f. und unten S. 309. 104 Vgl. Draudius, Tischreden, Teil 1, S. 327f. 105 Vgl. Eberhardt, Kyffhäuserburgen, S. 97. 106 Vgl. Eberhardt, Kyffhäuserburgen, S. 96; Graus, Vergangenheit, S. 341 f.; Schultheiss, Volks­ sage, S. 94-96; Timm, Sagengeschichtliches, S. 8f. 107 Vgl. Eberhardt, Kyffhäuserburgen. 108 Vgl. Schultheiss, Volkssage, S. 94f. 109 Vgl. ebd., S. 75-78,92-94 und 99. 110 Vgl. Draudius, Tischreden, Teil 1, S. 326.

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sich in der Nähe von Kaiserslautern auf, findet sich bereits in der vor 1499 entstan­ denen »Koelhoffschen Chronik«111 der Stadt Köln112. Die Verörtlichung der Fried­ rich-Sage bei Kaiserslautern erklärt sich wohl zum Teil dadurch, daß Friedrich Bar­ barossa dort eine Pfalz gebaut hatte113. Während sich die Sage von dem Fortleben und der schließlichen Wiederkehr Kaiser Friedrichs bemerkenswerterweise mit keinem Berg in den Stammlanden der Staufer verband, findet sie sich 1557 oder 1558 auch im Untersberg bei Salzburg verörtlicht, wie sich aus dem Bericht eines gewissen Lazarus Gizner von Reichenhall ergibt114. Leider bleibt auch in diesem Falle unklar, wie viele Jahre vor dem uns erhaltenen Quellenbeleg diese Auffassung entstand. Mit dem in einem Berg verborgenen Kaiser Friedrich konnte spätestens seit 1519 auch Barbarossa gemeint sein. Am Ende des in diesem Jahr erstmals gedruck­ ten Volksbuches über Friedrich Barbarossa, das zwischen 1493 und 1516 wahr­ scheinlich im niederbairischen Raum entstand115, heißt es nämlich, die Bauern und Anhänger der Schwarzen Kunst glaubten, daß der in einem hohlen Berg lebende Kaiser eines Tages wiederkehren und nach der Bestrafung der Geistlichen seinen Schild an den von den Sultanen gehüteten »dürren Baum« hängen werde116. Es ist durchaus möglich, daß die Vorstellung des im Berg lebenden Barbarossa, die in der Neuzeit populär werden sollte, nicht erst aus dem Volksbuch stammt, denn eine Verwechslung Friedrichs II. mit seinem Großvater ist mehrfach im 15. Jahrhundert und früher zu belegen117. Kantorowicz möchte die Sage vom wiederkehrende Kaiser Friedrich aus den Rechtsanschauungen der Zeit Friedrichs II. erklären und behauptet, sie gehe »im Grunde ... auf das Mißverstehen der rationalen, juristischen Argumente für eine Kontinuität der Dynastie und eine Sempemität der Dignitas« zurück118. Sicherlich konnte die Friedrich-Sage aus solchen juristischen Argumenten Kräfte ziehen, darin aber ihren Ursprung zu sehen, scheint verfehlt. An der entscheidenden Stelle seiner Argumentation kann Kantorowicz als Zeugen für seine These nämlich nur den Fran­ ziskaner Salimbene nennen, der vorübergehend joachitischen Vorstellungen anhing. Solche Rechtsanschauungen (beziehungsweise deren Mißverständnis), um die es Kantorowicz geht, sind bei Salimbene jedoch nicht nachzuweisen. Vielmehr ist es, so Kantorowicz selbst119, die Verborgenheit des Todes (beziehungsweise der Zweifel am Tod) Friedrichs II., die Salimbene jene Aussage der Erythraeischen Sibylle120, 111 Vgl. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 5, Berlin-New York 1985, col. 7-10 s.v. «Koelhoffsche Chronik« (Artikel von H. Beckers). 112 Vgl. Koelhoffsche Chronik, ed. Cardauns, S. 539. 113 Vgl. Schultheiss, Volkssage, S. 85, der außerdem vermutet, daß die Felsenhöhle im Gebiet des Donnersberges zu suchen und Friedrich an die Stelle Wotans gesetzt ist. 114 Vgl. Herzog, Untersbergsage, S. 27-80 (Text), 18f. (zum Verfasser), 20f. (zur Datierung), 23, 48 und 62 (zu Friedrich); Schultheiss, Volkssage, S. 88-92. 115 Vgl. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 2, Berlin-New York 1980, col. 933 s.v. «Friedrich Barbarossa« (Volksbuch) (Artikel von G. Bonath). 116 Vgl. Das Volksbuch von Barbarossa, ed. Barnick, S. 30. 117 Zuerst bei Jansen Enikei, Werke, ed. Strauch, MGH Deutsche Chroniken 3, S. 554-556 Vers 27929-28002 und S. 560f. Vers 28205-28208. Vgl. Grauert, Kaisersage, S. 141; Kampers, Kaiser­ idee, S. 155-157. 118 Kantorowicz, Rechtsgrundlagen, S. 150. 119 Ebd., S. 128 und 149. 120 Entgegen Kantorowicz, ebd., S. 127 und 149, entstand zumindest die längere der beiden er­ haltenen Versionen der Erythraeischen Sibylle bereits vor dem Tod Friedrichs II. Die kürzere, in

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daß Friedrich lebe und nicht lebe, im Unterschied zu dieser nicht auf die Nach­ kommen, sondern auf die Person des Kaisers beziehen ließ. Abgesehen davon, daß es fraglich bliebe, ob überhaupt von einem Mißverstehen zu sprechen wäre, wenn Kantorowicz im großen und ganzen doch recht hätte, ist auch zu beachten, daß Salimbene (+ 1288 oder 1289) nicht etwa schon bald nach Friedrichs Tod, sondern erst nach dem Untergang des staufischen Geschlechts schrieb, als bereits der auch von Salimbene erwähnte falsche Friedrich Dietrich Holzschuh auftrat,und die Aussage der Sibylle neu zu interpretieren war, wenn sie weiterhin von Bedeutung sein sollte. Entgegen der Ansicht von Kantorowicz ist mit Töpfer zu be­ tonen, daß das Aufkommen der Überzeugung vom Fortleben Friedrichs II. »wohl kaum einer Umdeutung jener Theorie von der Fortdauer der Dynastie« bedurfte, weil unabhängig von dieser Theorie Zweifel am Tode des Kaisers aufkamen und diese sich dann nur mit dem alten Motiv der Wiederkehr eines entrückten Herrschers zu verbin­ denbrauchten121. Kantorowicz scheint zu übersehen, daß bereits der Endkaiser bei Ps.Methodios ein für tot gehaltener, wie aus dem Rausch erwachender Mann sein sollte. Betrügerische Doppelgänger: Derfalsche Balduin und die falschen Friedriche

Zu der Vorstellung, daß ein verstorbener Herrscher wiederkehren werde, ist es in der europäischen Geschichte des öfteren gekommen, und zwar besonders, wenn der Tod des Herrschers auch das Ende seiner Dynastie bedeutet hat. Bereits von dem auf christlicher Seite so verhaßten fünften römischen Kaiser Nero, mit dessen Selbst­ mord im Jahre 68 das julisch-claudische Kaisergeschlecht erlosch, hieß es bald nach seinem Tod, er sei gar nicht gestorben. Vielleicht nicht zufällig erstmals in dem poli­ tisch unruhigen Jahr 69, das die Herrschaft von vier Kaisern sah, aber auch noch zwanzig Jahre später traten im Orient zwei oder drei Männer auf, die sich als Nero ausgaben, und die Hoffnung auf Neros Wiederkehr oder die Furcht davor hielt sich bei Heiden und Christen über Jahrhunderte hinweg122. Zwar lehnten es die christ­ lichen Autoritäten wie Augustinus und Hieronymus ab, in Nero den am Ende der Zeiten erscheinenden Antichrist zu sehen, doch blieb diese Vorstellung im Mittelalter bekannt, wie nicht nur Otto von Freising bezeugt123. Auch im Mittelalter gab es mehrere Männer, die zu behaupten wagten, mit einem verstorbenen Herrscher identisch zu sein124, und außerdem einige Frauen,

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der Kantorowicz, ebd., S. 127f., Salimbenes Interpretation schon angelegt sieht, ist vielleicht älter als die längere Fassung, vgl. unten S. 240 Anm. 207. Vgl. Töpfer, Reich des Friedens, S. 163 Anm. 47. Auch Graus, Herrschersagen, S. 73, lehnt die These von Kantorowicz ab: »Man wird zwar zugeben müssen, daß eine Reihe von Sagen tat­ sächlich Mißverständnissen verschiedenster Art ihren Ursprung verdankt. Aber das ist bloß eine Komponente der Sagenbildung, und bei weitem nicht jedes Mißverständnis konnte zum Ausgangspunkt einer Sagenbildung werden.« K. Schreiner, Staufer, S. 250, betont gegen Kan­ torowicz, daß sich die Sage jedenfalls von ihrem rechtlichen Ausgangspunkt abgelöst habe, »ein literarisches Eigenleben führte und deshalb von Zeitgenossen und Nachfahren nicht als irrational-verschwommene Verkleidung eines juristischen Arguments aufgenommen und verstanden wurde, sondern als wörtlich zu glaubende Aussage und Verheißung«. Vgl. Charlesworth, Nero, S. 73 f.; Gallivan, False Neros; Lawrence, Nero redivivus. Vgl. auch oben S. 52 Anm. 305. Vgl. Otto von Freising, Chronica III16, ed. Hofmeister, MGH SS rer. Germ., S. 155; Konrad, Kaiser Nero, S. 4f.; Loncpré, Les »Distinctiones«, S. 25f.; Rauh, Antichrist, S. 47f. und 322. Vgl. zu den im folgenden nicht genannten Fällen Schwinges, Verfassung, S. 178 Anm. 3, S. 179 Anm. 5 und S. 181 f.

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die als Jeanne d'Arc (+ 1431) auftraten125. Unter den Kaisern fand offenbar als erster Heinrich V., der letzte Salier, einen Doppelgänger. Kurz nach dem Tod seines Nach­ folgers Lothar III. und 13 Jahre nach seinem eigenen trat 1138, als Konrad III. Hein­ rich dem Stolzen erfolgreich die Königskrone streitig machte, ein Eremit auf, der bei Solothurn gelebt hatte und nun behauptete, Kaiser Heinrich V. zu sein. Er gewann angeblich viele Anhänger und sorgte vorübergehend für Unruhe, wurde schließlich aber mit Waffengewalt in das Kloster Cluny gebracht126. Als dann 1197 große Hungersnot herrschte, soll - vielleicht noch vor dem Tod Heinrichs VI. - an der Mosel der Ostgotenkönig Theoderich auf schwarzem Roß er­ schienen sein und dem Reich großes Unglück vorausgesagt haben127. Dem Bericht der »Kölner Königschronik« zufolge handelte es sich dabei um ein Gespenst und nicht et­ wa um einen Betrüger. Allerdings traten wenig später auch Männer auf, die mit sol­ chen identisch zu sein erklärten, die nicht erst vor einigen Jahren, sondern schon vor Jahrhunderten gestorben waren128. So behauptete zu Beginn des 13. Jahrhunderts ein Mann in Frankreich, er sei Ogier beziehungsweise Holger der Däne, dessen Taten man aus der Historia Karoli Magni kannte. Laut Alberich von Troisfontaines war er aus Spa­ nien gekommen und starb 1210 im Gebiet von Nevers129. Ähnlich soll 1231 auf dem Hoftag Friedrichs II. in Ravenna ein gewisser Richard erschienen sein, der erklärte, er habe als Knappe Olivers, des Herzogs von Dacien, gemeinsam mit Karl dem Großen die Stadt Ravenna besucht. Wie Thomas Tuscus zu berichten weiß, half er Friedrich II. dabei, das Mausoleum des Theodosios und der Galla Placidia wiederzufinden130. Nicht von ungefähr ließ Rudolf von Habsburg 1278 nach der Schlacht von Dürnkrut den Leichnam Otakars II. öffentlich ausstellen131. Dem deutschen Studen­ ten freilich, der 1270, zwei Jahre nach der Hinrichtung Konradins, in Pavia, Zürich und Konstanz als Konradin auftrat und in Wahrheit der Sohn eines Schmiedes aus Ochsenfurt namens Stöcklin gewesen sein soll, fehlte offenbar der politische Ehr­ geiz, denn er verschwand so plötzlich wie er gekommen, obwohl er von der Bevöl­ kerung in Konstanz mit großem Jubel empfangen worden war132 und der dortige Bischof deshalb nicht gewagt hatte, ihn festzunehmen133. 125 Vgl. Tanz, Jeanne d'Arc, S. 251-262. Noch bevor 1436 erstmals eine Französin als Jeanne d'Arc aufzutreten versuchte, glaubte übrigens in Deutschland eine gewisse Magdalena Walpotin, die Jungfrau von Orléans zu sein! Sie wurde 1434 in Regensburg der Ketzerei angeklagt und ein­ gekerkert, nachdem man sie dazu gebracht hatte, ihre Ansichten zu widerrufen. Diese selbst­ ernannte mater christianitatis war angeblich davon überzeugt, die Gnade der Krankenheilung zu besitzen, und hatte unter Berufung auf göttliche Offenbarungen verkündet, man könne zu einer solchen Vollkommenheit gelangen, daß die Sünde unmöglich werde, vgl. Andreas von Regensburg, Werke, ed. Leidinger, S. 484. 126 Vgl. Bernhardi, Konrad III., Bd. 2, S. 940. In England erzählte man sich, Heinrich V. habe noch einige Zeit als Eremit bei Chester gelebt. 127 Vgl. Chronica regia Coloniensis, ed. Waitz, MGH SS rer. Germ., S. 159 f. 128 Vgl. als Parallele die Vorstellung der Muslime von den mu'ammarün: Goldziher, Abhand­ lungen, Bd. 2, S. XXXIV-XCII; EI2, Bd. 7, Leiden-New York 1993, S. 258f. s.v. muammar (Artikel von G.H.A. Juynboll). 129 Vgl. Alberich von Troisfontaines, Chronica, ed. Scheffer-Boichorst, MGH SS 23, S. 891. Später dann behauptete Jean d'Outremeuse (+ 1400), der Lütticher Bischof Hugues de Pierrepont habe 1214 den zurückgekehrten Ogier selbst gesehen und nach Ogiers eigener Erzählung seine Geschichte aufgezeichnet, vgl. Bassermann, Veltro, S. 60; Goosse, Ogier le Danois, S. 197f. 130 Vgl. Thomas Tuscus, Gesta, ed. Ehrenfeuchter, MGH SS 22, S. 511 f. 131 Vgl. Graus, Otakar IL, S. 97; Redlich, Rudolf von Habsburg, S. 532. 132 Wie 1212 Friedrich II. 133 Vgl. Redlich, Rudolf von Habsburg, S. 531 f.; Schreibmüller, Der Schmied von Ochsenfurt.

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Die wohl größte Wirkung unter den falschen Herrschern des Mittelalters hatte ein burgundischer Spielmann namens Bertrand de Rays, der 1225 in Flandern als Graf Balduin IX. von Flandern und Hennegau auftrat134. Letzterer war einer der Führer des 1204 zur Eroberung der byzantinischen Hauptstadt führenden Vierten Kreuzzuges gewesen und hatte als erster die Krone des neu gegründeten latei­ nischen Kaiserreichs von Konstantinopel getragen, jedoch nur kurz regiert, denn schon 1205 war er vom Kampf gegen die Bulgaren nicht mehr zurückgekehrt. Sein Leichnam blieb verschollen. Es hieß, Balduin sei in bulgarischer Gefangenschaft gestorben135. Damit eröffnete sich die Möglichkeit eines Betruges, zumal Balduin keinen männlichen Erben, sondern nur zwei Töchter hatte und der Mann der älteren Toch­ ter Johanna, ein Prinz aus Portugal, 1214 bei Bouvines in französische Gefangen­ schaft fiel, aus der man ihn erst nach 13 Jahren auslöste136. Aber es dauerte 20 Jahre, bis ein Mann wie Bertrand de Rays aus diesen Umständen Vorteil zu ziehen und als Balduin aufzutreten versuchte. Er führte zwischen Tournai und Valenciennes das Leben eines Eremiten, zog aber trotzdem die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich. Das Gerücht, daß Balduin noch lebe, ließ nicht nur das niedere Volk herbeiströ­ men, sondern auch einige hohe Herren zu ihm kommen. Es ist nicht auszuschließen, daß der falsche Balduin von vornherein ein Geschöpf jener Adligen war, die der Gräfin Johanna feindlich gegenüberstanden. Darauf könnte auch der Umstand deu­ ten, daß schon früher in Valenciennes ein Mann aufgetreten war, der öffentlich erklärte, Balduin werde bald zurückkehren, und nicht nur eine goldene Zukunft versprach, sondern schon selbst größte Freigebigkeit bewies und auf diese Weise so manchen Anhänger gewann. Nachdem er zunächst bestritten hatte, Balduin zu sein, »gestand« der Eremit schließlich, er sei von einer zur Buße seiner Sünden unternommenen Pilgerfahrt in die Heimat zurückgekehrt. In einem wahren Triumphzug holte man ihn im März 1225 nach Valenciennes, wo der echte Balduin 1172 geboren worden war. Getragen von der Begeisterung des niederen Volkes, das ihn fast wie einen Heiligen verehrte, und anerkannt von den meisten Adligen und Städten in Flandern und im Henne­ gau, brach der neue alte Graf in einem kurzen Bürgerkrieg den Widerstand derjeni­ gen, die ihn als Betrüger bezeichneten. Seine »Tochter« Johanna floh nach Frank­ reich und suchte die Hilfe Ludwigs VIII., ihres in der Heimat verhaßten Oberherrn. Antifranzösische Ressentiments beim Adel wie in den Städten und die damit verbundene Unzufriedenheit mit der Politik der Gräfin Johanna gegenüber Frank­ reich begünstigten in maßgeblicher Weise die Usurpation des falschen Balduin. Von großer Bedeutung war außerdem die Unterstützung durch das niedere Volk, das sich durch den Betrüger offenbar eine Verbesserung seiner Lage erhoffte. Ob man deshalb jedoch von revolutionären sozialen Zielen sprechen darf137, ist durchaus fraglich, denn erst am Ende der Herrschaft des Usurpators und nur in Valenciennes sahen sich Teile des Patriziats genötigt, die Flucht zu ergreifen138.

134 Zur Geschichte des falschen Balduin vgl. L. Schmitt, Der falsche Balduin; Wolff, Baldwin, S. 294-301. 135 Vgl. L. Schmitt, Der falsche Balduin, S. 250-252; Wolff, Baldwin, S. 289-292. 136 Vgl. Schwinges, Verfassung, S. 187. 137 Wie Wolff, Baldwin, S. 300. 138 Vgl. L. Schmitt, Der falsche Balduin, S. 486.

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Nachdem Heinrich III. von England versucht hatte, das frühere Bündnis mit Flandern zu erneuern, der falsche Balduin also auch im Ausland Unterstützung ge­ funden hatte, beging dieser den entscheidenden Fehler, als er der Einladung Lud­ wigs VIII. an dessen Hof nach Péronne folgte, um auch von dem französischen Kö­ nig anerkannt zu werden. Im Gespräch mit Ludwig wurde er entlarvt, weil er sich an verschiedene Dinge nicht zu erinnern vermochte, die ihm hätten bekannt sein müssen. Er verließ sich nicht auf die Zusicherung freien Geleits, sondern ließ seine Begleiter im Stich und floh nach Valenciennes. Dort wollten ihn die Patrizier fest­ nehmen, scheiterten aber am Widerstand der übrigen Bevölkerung und ergriffen teilweise ihrerseits die Flucht. Als sich daraufhin die Franzosen zur Belagerung der Stadt entschlossen, entfloh er ein weiteres Mal. Im heimatlichen Burgund, in der Nähe von Besan^on, wurde er jedoch erkannt und gefangengenommen. Von Lud­ wig VIII. an die Gräfin Johanna ausgeliefert, wurde er in Ketten durch die Orte sei­ ner früheren Triumphe geschleppt. Im Oktober 1225, ein halbes Jahr nach dem Be­ ginn seiner Herrschaft, endete der Spielmann Bertrand de Rays zu Lille am Galgen. Angeblich hatte er vorher zugegeben, ein Betrüger zu sein. Trotzdem war die Gräfin Johanna in den Augen so mancher seiner Anhänger eine herrschsüchtige Tochter, die den eigenen Vater hatte hinrichten lassen. Ob aber die Einwohner von Valen­ ciennes auch nach dem Tod des Betrügers noch die Wiederkehr Balduins erwarteten wie die Bretonen diejenige König Arthurs139, ist fraglich, denn diese bei Philippe Mousquet zu findende Aussage140 bezieht sich nicht etwa auf die Stimmungslage nach Bertrands Hinrichtung, sondern auf die Situation in Valenciennes, als man dort auf die Rückkehr des Flüchtlings hoffte. Es ist in der Forschung suggeriert worden, Bertrand de Rays habe versucht, wie der Endkaiser aufzutreten, und seine Anhänger hätten in ihm den Endkaiser ge­ sehen141. Für eine solche Annahme fehlen allerdings durchschlagende Argumente, denn die Tatsache, daß der echte Balduin Kaiser von Konstantinopel war und der Betrüger wie der Kaiser von Konstantinopel auftrat, ist natürlich nicht zwangs­ läufig mit dem Anspruch verbunden, der Endkaiser zu sein. Auch gibt es weder bei Balduin noch bei Bertrand de Rays oder dessen Anhängern Hinweise darauf, daß sie von ungewöhnlich starken oder überhaupt von Enderwartungen erfüllt waren und von der Vernichtung der Muslime oder der Eroberung Jerusalems und der Welt träumten. Der Umstand schließlich, daß viele Leute bei Bertrands Auftritt glaubten, Balduin sei zurückgekehrt, und vielleicht nach dem Tod des als Betrüger entlarvten Spielmanns auf seine Wiederkehr hofften, bedeutet nicht unbedingt, daß sie ihn für den Endkaiser hielten. Zwar findet sich das Motiv des für tot gehaltenen, aber zu neuer Aktivität erwachenden Herrschers in der Endkaiser-Weissagung schon bei Ps.-Methodios, aber wie die Mythen verschiedener Völker zeigen, ist das Motiv der Wiederkehr eines Herrschers oder Helden nicht notwendig mit der Endzeit verbunden142. 139 Dies glauben Cohn, Paradies, S. 99, und der ihm folgende Schwinges, Verfassung, S. 193. Verfehlt ist in jedem Fall die in diesem Zusammenhang als vermeintliche Parallele wiederholte Behauptung von Cohn (S. 74f. und 99), das Volk im Wormsgau habe 1123 auf die Wiederkehr des Judenmörders Emicho gehofft, vgl. Möhring, Emicho, S. 103 f. 140 Vgl. Philippe Mousket, Historia regum Francorum, ed. Tobler, MGH SS 26, S. 776 Vers 25201-25214. 141 Vgl. Cohn, Paradies, S. 97 und 99. Schwinges, Verfassung, S. 193, folgt Cohns Darstellung. 142 Vgl. die Fülle von Beispielen bei Lanczkowski, Verborgene Heilbringer. Die leichtfertige Be­ hauptung von Cohn, Paradies, S. 99, daß man auf die Wiederkehr des Betrügers gewartet habe,

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Gleich mehrere Betrüger behaupteten im 13. Jahrhundert, Kaiser Friedrich II. zu sein. Der erste falsche Friedrich trat in den Jahren 1261 und 1262 in Sizilien auf143, also wohl nicht zufällig erst zu einer Zeit, als den Joachiten zufolge der Antichrist bereits überwunden sein und der dritte Status beginnen sollte144, so daß der Betrü­ ger schwerlich noch mit dem Antichrist gleichzusetzen war, wenn die Joachiten an ihrer Rechnung festhielten. Mit wahrem Namen hieß er angeblich Johannes von Cocleria. Als Bettler von Almosenspendem auf seine Ähnlichkeit mit Friedrich II. hingewiesen, soll er sich vorübergehend zurückgezogen haben, um sich den Bart wachsen zu lassen und zu lernen, den Kaiser auch in Sprache und Verhalten nach­ zuahmen. Indem er behauptete, Friedrich II. zu sein, zeigte er sich danach wieder den Leuten. Er erklärte, während seiner vermeintlichen Abwesenheit eine lange Pil­ gerfahrt zur Buße seiner Sünden unternommen zu haben, nun aber nochmals die Regierung übernehmen zu wollen, und fand in der Bevölkerung alsbald Unterstüt­ zung. Auch jene Adligen, denen die staufische Herrschaft verhaßt war, sollen ihn als Kaiser anerkannt haben, und die Kurie schlug sich ebenfalls auf seine Seite. Gleich auf die ersten Nachrichten von dem »wunderbaren Wirken der Hand des Herrn« entsandte Urban IV. einen Bevollmächtigten, um den Usurpator zu ermutigen, den er zweifellos für einen Betrüger hielt, denn der exkommunizierte echte Friedrich hätte nicht ohne weiteres die Hilfe des Papstes erhalten können145. So kam es zu der paradoxen Situation, daß der angebliche Kaiser nicht gegen das Papsttum, sondern gegen seinen »Sohn« Manfred den Kampf aufnahm. Er wurde jedoch in Castro Gio­ vanni, dem alten Enna, gefangengenommen und endete zusammen mit elf Gefolgs­ leuten am Galgen146. In Deutschland erschienen mehrere falsche Friedriche, aber nicht etwa schon während des Interregnum, sondern erst in den Jahren nach 1280: Zum Jahr 1284 wird in den Annalen von Colmar ein zwischen Basel und Worms als Eremit leben­ der Bruder Heinrich erwähnt, der sich »Kaiser Friedrich« nannte, jedoch wieder verschwand, als im Juli Rudolf von Habsburg heranrückte147. Ob beziehungsweise wieviele Anhänger er um sich versammelte, wissen wir nicht. Unklar ist auch, ob dieser falsche Friedrich mit seinem fehlgeschlagenen Versuch für immer von der Bildfläche verschwand oder ob er woanders einen weiteren Auftritt wagte148.

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»wie das gemeine Volk allüberall seit langem den wiedererstandenen Constans erwartete«, bleibt in gleich mehrfacher Hinsicht zu beweisen! Vgl. Saba Malaspina, Historia II 6, ed. del Re, S. 227-229; Salimbene, Cronica, ed. HolderEgcer, MGH SS 32, S. 173; dazu: Hampe, Urban IV. und Manfred, S. 9f.; F. Schneider, Unter­ suchungen, S. 213-218. Späteren Quellen zufolge soll sich um die gleiche Zeit in Apulien ein Mann als Friedrich II. ausgegeben haben, vgl. V. Meyer, Tile Kolup, S. 54 f. Diese Behauptung könnte aus der Darstellung der Cronica minor minoritae Erphordensis, ed. Holder-Eccer, MGH SS rer. Germ., S. 667, abgeleitet sein. Die diesbezüglichen Ausführungen von Schwinges, Verfassung, S. 194, fuhren in die Irre, weil dieser falsche Friedrich nicht schon 1260 auftrat und weil nach Auffassung der Joachiten (mit Ausnahme des Gherardino von Borgo San Donnino) die Herrschaft des Antichrist 1260 enden, nicht aber erst beginnen sollte, vgl. oben S. 206 und 220f. Warum auch hätte Johannes von Cocleria als der Antichrist auftreten sollen? Vgl. Hampe, Urban IV. und Manfred, S. 10. Nach der Eroberung des Königreichs Sizilien durch Karl von Anjou traten dort übrigens auch falsche Manfrede auf, vgl. Salimbene, Cronica, ed. Holder-Egger, MGH SS 32, S. 174 und 472. Vgl. Annales Colmarienses maiores, ed. Jaffé, MGH SS 17, S. 211 (zum Jahr 1284). Diese Möglichkeit deutet Schultheiss, Volkssage, S. 26, an.

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Vielleicht ist er mit jenem falschen Friedrich zu identifizieren, der femerstehenden Zeitgenossen und späteren Quellen zufolge in Wirklichkeit Dietrich Holzschuh - oder niederdeutsch: Tile Kolup - geheißen haben soll149. Erfolglos versuchte er 1283150 oder 1284151 sein Glück in Köln, der damals größten deutschen Stadt, wo er in aller Öffentlichkeit behauptete, er sei Friedrich II. Vermutlich dauerte es nicht lange, bis er festgenommen wurde und sich im Gefängnis wiederfand. Da er auch dort an seiner Behauptung festhielt, führte man ihn schließlich auf den Marktplatz, setzte ihm zum Hohn eine wertlose Krone auf und jagte ihn dann aus der Stadt152. Der Verdacht der Kölner, es habe sich bei diesem Betrüger um einen Wahnsinnigen beziehungsweise Besessenen gehandelt, ist nicht von der Hand zu weisen153. Offenbar unbeeindruckt von seinem Mißerfolg in Köln, hielt Dietrich Holz­ schuh seinen Anspruch aufrecht und wandte sich rheinabwärts nach Neuss154, wo er höchst ehrenvoll aufgenommen und materiell so großzügig unterstützt wurde, daß er »standesgemäß« Hof zu halten vermochte. Vielleichtbestand schon zu dieser Zeit ein Gegensatz zwischen der Stadt Neuss und dem Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg155. Jedenfalls weigerte sie sich, dessen Aufforderung vom März oder Mai 1285156 Folge zu leisten und den Betrüger auszuliefem157, der sich nicht scheute, der Reichsabtei Essen Privilegien zu bestätigen, deretwegen es 1289 zu einem Rechtsstreit zwischen der Äbtissin Bertha von Arnsberg und Siegfried von Westerburg kam158. Auf der Suche nach weiteren Verbündeten entwickelte Dietrich Holzschuh rege diplomatische Aktivitäten. Indem er als Gegenleistung seine Gnade und rei­ chen Lohn versprach, ließ er verschiedene Fürsten auffordem, nach Neuss zu kom­ men, ihm zu huldigen und ihn bei der Durchsetzung seiner Ansprüche zu unter­ stützen. Zwei seiner Briefe, deren Authentizität freilich zweifelhaft bleibt, sind über­ liefert. Der eine richtet sich in besagtem Sinn an Herzog Johann von Brabant und Graf Florens von Holland. Letzterer soll dem Betrüger geantwortet haben, er sei nicht Friedrich II. und selbst dann jedenfalls kein Kaiser mehr. Er möge sich an den Papst und die deutschen Fürsten wenden, denen die Wahl zustehe. Rudolf von Habsburg sei der von ihnen rechtmäßig gewählte Herrscher159. Der zweite im Wortlaut überlieferte Brief des Dietrich Holzschuh ist vielleicht als Reaktion auf diese Abfuhr zu betrachten. In ihm wird dem Bischof von Utrecht 149 Zu seinem Namen vgl. die bei Struve, Die falschen Friedriche, S. 319 Anm. 9, angegebenen Quellen; Schultheiss, Volkssage, S. 36 f. und 41 f.; Schwinges, Verfassung, S. 181 Anm. 13. 150 Vgl. Ellenhard, Chronicon, ed. Jaffé, MGH SS 17, S. 125. 151 Von den folgenden Ereignissen her kommt auch dieses Datum in Frage. 152 Die Quellen zur Geschichte dieses falschen Friedrich sind verzeichnet bei Schwinges, Verfas­ sung, S. 201, und Struve, Die falschen Friedriche, S. 319 f. Anm. 9. Über die Ereignisse in Köln unterichtet am ausführlichsten die Vita Henrici archiepiscopi altera, cap. 6, ed. Waitz, MGH SS 24, S. 462; dazu: V. Meyer, Tile Kolup, S. 21 f.; Redlich, Rudolf von Habsburg, S. 533 f. 153 Zur Psyche der falschen Friedriche vgl. Pöllot, Die falschen Friedriche, S. 72-76; Radbruch und Gwinner, Geschichte des Verbrechens, S. 48-52. 154 Dieser Umstand spricht gegen die Darstellung des Johannes von Winterthur, Chronica, ed. Baethgen und Brun, MGH SS rer. Germ., Nova series, 3, S. 22, daß er gleichsam gegen seinen Willen zur Übernahme der Rolle des falschen Friedrich gedrängt worden sei. Demnach wäre er auch nicht wahnsinnig bzw. besessen gewesen. 155 Vgl. Erkens, Siegfried von Westerburg, S. 262. 156 Vgl. ebd., S. 264. 157 Vgl. ebd., S. 262. 158 Vgl. ebd., S. 263 und 320; Struve, Die falschen Friedriche, S. 332. 159 Vgl. Schultheiss, Volkssage, S. 29-31.

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mitgeteilt, er solle den Grafen von Holland auffordem, das Volk der Friesen in Ruhe zu lassen oder aber vor dem kaiserlichen Gericht in Neuss zu erscheinen160. Späteren Chronisten zufolge wurde Dietrich Holzschuh von mehreren Emp­ fängern seiner Briefe als Herrscher anerkannt161. Ohne Zweifel trafen sogar vom Markgrafen von Este und aus mehreren lombardischen Städten Gesandtschaften in Neuss ein, um zumindest genauere Informationen über die unerwartete Situation zu erhalten162. Die nach Neuss kommenden Besucher vermochten den Betrüger nicht in Ver­ legenheit zu bringen. Als Erklärung für die Länge seiner angeblichen Abwesenheit gab er offenbar vor, eine Pilgerfahrt zur Buße seiner Sünden unternommen zu ha­ ben163. Andererseits verglich er sich in dem Brief an Johann von Brabant und Florens von Holland mit einem Wurm, der sich während des Winters in der Erde verborgen gehalten habe164. Durch die mehrfach bewiesene Kenntnis von Namen und Einzel­ heiten aus der Geschichte Friedrichs II., welche die zumeist geistlichen Bericht­ erstatter nicht anders als mit Zauberei zu erklären wußten, versuchte er alle jene ei­ nes Besseren zu belehren, die an der Identität seiner Person zweifelten165. Angeb­ lich wurde Dietrich Holzschuh während seines Aufenthaltes in Wetzlar auf Befehl Rudolfs von Habsburg durch die Grafen Gerlach von Breuberg und Eberhard von Katzenellenbogen sogar einer regelrechten Prüfung unterzogen, aus der sich ledig­ lich ergab, daß der falsche Friedrich wohl kaum das Alter von 90 Jahren hatte, in dem der echte inzwischen hätte stehen müssen166. Nachdem der Kölner Erzbischof im März oder Mai 1285 von der Stadt Neuss die Auslieferung des Betrügers verlangt hatte167, zog Dietrich Holzschuh mit seinem »Hofstaat« in die Reichsstadt Wetzlar. Vielleicht fühlte er sich in Neuss nicht mehr sicher, vermutlich aber ging es ihm vor allem darum, seine Machtbasis zu erweitern und seinen Anspruch im ganzen Reich durchzusetzen. Dietrich Holzschuh wählte als neuen Aufenthaltsort wohl deshalb die Stadt Wetzlar, weil diese sich im Bündnis mit Frankfurt, Friedberg und Gelnhausen eben­ so wie einige Städte des Elsaß den Steuerforderungen Rudolfs von Habsburg wider­ setzte168, der sich infolgedessen zur Belagerung von Colmar gezwungen sah169. Vielleicht erst in dieser Situation hatte der falsche Friedrich auch die Bürger von Wetzlar aufgefordert, seine Herrschaft anzuerkennen. Genaueres über seinen dor­ tigen Empfang erfahren wir nicht. Auch bleibt unklar, wie lange ihm die Stadt Neuss noch treu blieb, wieviele ihrer Einwohner mit nach Wetzlar zogen, wie groß überhaupt die ihn begleitende Anhängerschaft war und aus welchen Schichten der 160 Vgl. Oorkondenboek van Holland en Zeeland, 1,2, ed. van den Bergh, S. 281 Nr. 646; dazu: Schultheiss, Volkssage, S. 35. 161 Vgl. die bei V. Meyer, Tile Kolup, S. 93 f., 97 und 100 (Nr. 3, 7,9 und 10) abgedruckten Berichte. 162 Vgl. Salimbene, Cronica, ed. Holder-Egger, MGH SS 32, S. 537. 163 Wie der falsche Balduin. Vgl. Continuatio imperatorum Anglica, ed. Weiland, MGH SS 24, S. 252; dazu: Schultheiss, Volkssage, S. 28. Pilgerfahrt oder Kreuzzug waren als Erklärung für jahrelange Abwesenheit immer geeignet, vgl. Schwinges, Verfassung, S. 197 und 198. 164 Vgl. Schultheiss, Volkssage, S. 29. 165 Vgl. ebd., S. 38; Struve, Die falschen Friedriche, S. 323. 166 Vgl. Ottokar von Steiermark, Österreichische Reimchronik, ed. Seemüller, MGH Deutsche Chroniken, 5,1, S. 425 Vers 32442-32474; dazu: Struve, Die falschen Friedriche, S. 334. 167 Vgl. Erkens, Siegfried von Westerburg, S. 264. 168 Struve, Die falschen Friedriche, S. 326 und 332. 169 Vgl. Redlich, Rudolf von Habsburg, S. 527-529 und 536.

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Bevölkerung sie sich zusammensetzte. Vermutlich fand Dietrich Holzschuh nicht nur beim niederen Volk Unterstützung170. Sollen einerseits solche Randgruppen wie Ketzer und Juden seine Partei ergriffen haben171, so ließen sich andererseits auch die Patrizier von Wetzlar mit ihm ein172 und angeblich sogar einige Fürsten, die der Herrschaft Rudolfs von Habsburg feindlich gegenüberstanden173. Es zeigte sich allerdings, daß diese Unterstützung nicht viel wert war, als Rudolf von Habsburg persönlich gegen Wetzlar zog. Der falsche Friedrich war nicht in der Lage, eine eigene Streitmacht aufzustellen, die ihm wenigstens die Flucht ermöglicht hätte. Bemerkenswert ist auch, daß die soziale Frage bei seinem kurzen Erfolg zwar eine Rolle gespielt zu haben scheint, aber weder in Neuss noch in Wetzlar zu bewaff­ neten Auseinandersetzungen führte174. Seinen Aufenthalt in Wetzlar betrachtete Dietrich Holzschuh offenbar nur als eine Station auf dem Weg in das mit Rudolf von Habsburg ebenfalls im Steuerstreit liegende Frankfurt. In dieser Stadt, in der außer Friedrich II. auch schon andere deut­ sche Könige des 13. Jahrhunderts gewählt worden waren, wollte er wohl die Oppo­ sition gegen Rudolf von Habsburg um sich versammeln und »seine« Wahl von 1212 durch einen Teil der Fürsten bestätigen lassen175. Er soll aber nicht die Absetzung oder Abdankung Rudolfs von Habsburg verlangt176, sondern diesem angeboten haben, ihn zu seinem Lehensmann zu machen und als König zu bestätigen177! Rudolf von Habsburg glaubte zunächst Wichtigeres zu tun zu haben, als sich gegen Dietrich Holzschuh zu wenden. Nachdem er jedoch hatte hören müssen, daß der Betrüger nun auch in Wetzlar Fuß zu fassen beginne und womöglich noch in weiteren Reichsstädten wie Frankfurt, Friedberg und Gelnhausen Unterstützung fände178, brach er am 18. Juni 1285 die gerade begonnene Belagerung von Colmar ab und zog nach Wetzlar. Noch bevor er dort Anfang Juli eintraf, kam es im Steuerstreit zu einer Einigung: Die Bürger von Wetzlar gaben den Forderungen des Königs nach, und als dieser dann persönlich erschien, lieferten sie ihm auch den falschen Fried­ rich aus179. Der Ketzerei und Zauberei verdächtigt, wurde der Betrüger in Rudolfs Anwesenheit vor den Toren der Stadt verbrannt180. Femerstehenden Zeitgenossen

170 Die Annahme von Wisplinghoff, Stadt Neuss, S. 76, daß das Patriziat die Stadt verlassen habe, bleibt zu beweisen, vgl. Erkens, Siegfried von Westerburg, S. 216 und 263. Vielleicht gilt dies immerhin für einen Teil der Patrizier. 171 Vgl. Struve, Die falschen Friedriche, S. 323f. Diese Behauptung paßt zu dem Ansehen Fried­ richs II. unter den Mitgliedern der Sekte von Schwäbisch Hall (vgl. oben S. 219) und zu der Hal­ tung Friedrichs II. den Juden gegenüber (vgl. Diestelkamp, Der Vorwurf des Ritualmordes). 172 Angeblich gilt dies auch für Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und andere Städte, vgl. Ellen­ hard, Chronicon, ed. Jaffé, MGH SS 17, S. 126. 173 Vgl. Schultheiss, Volkssage, S. 33 f.; Struve, Die falschen Friedriche, S. 331 und 324 Anm. 34. 174 Cohn, Paradies, S. 125, schreibt dagegen, wie im Fall des falschen Balduin seien »die Massen bereit« gewesen, »für ihren Kaiser die Waffen zu ergreifen«. Jedenfalls haben sie es nicht getan. Der Bericht des Ottokar von Steiermark, Österreichische Reimchronik, ed. Seemüller, MGH Deutsche Chroniken 5,1, S. 424 f. Vers. 32422-32453, gibt das nicht her. Vgl. dazu: Struve, Die falschen Friedriche, S. 324. 175 Vgl. Vita Henrici archiepiscopi altera, cap. 6, ed. Waitz, MGH SS 24, S. 462f. 176 Entgegen der Darstellung von V. Meyer, Tile Kolup, S. 40. 177 Vgl. Ellenhard, Chronicon, ed. Jaffé, MGH SS 17, S. 126. 178 Vgl.ebd. 179 Vgl. Redlich, Rudolf von Habsburg, S. 529 und 536 f. 180 Vgl. Struve, Die falschen Friedriche, S. 323 und 335.

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und späteren Quellen zufolge gab er vorher zu, in Wirklichkeit Dietrich Holzschuh beziehungsweise Tile Kolup zu heißen181, andererseits jedoch soll er seinen Anspruch noch ins Übermenschlich-Mythische zu steigern versucht und seine An­ hänger kurz vor seinem Tod aufgefordert haben, nach Frankfurt zu gehen und ihn dort zu erwarten182. In Dietrichs Asche fand man angeblich keinerlei Knochen, so daß sich auch da­ durch im Volk der Glaube hielt, Friedrich werde wiederkehren und ein Strafgericht über den Klerus halten183. Tatsächlich tauchte schon bald nach Dietrichs Tod ein Mann auf, der vorgab, der (wie Christus) am dritten Tage auferstandene (falsche) Friedrich zu sein184. Es scheint möglich, daß der Glaube an Dietrichs Wiederkehr erst durch ihn entstand. Er soll durch viele Dörfer und Städte gezogen sein, bis er im Lande des falschen Balduin, in Gent, verhaftet wurde, aber wieder frei kam und schließlich in Utrecht am Galgen endete. Vielleicht hatte er wie Dietrich Holzschuh versucht, die Friesen gegen den Grafen von Holland zu unterstützen. Kurz nach dem Tod des Dietrich Holzschuh, um 1287185, erschien auch in Lübeck, das 1226 von Friedrich II. zur Reichsstadt erhoben worden war186, ein Mann, der behauptete, der letzte Stauferkaiser zu sein, und das niedere Volk für sich gewann. Er konnte freilich durch Bürgermeister Hinrich Steneke, von dem es heißt, er habe Friedrich II. selbst gesehen und gesprochen, als Betrüger entlarvt wer­ den. Unklar bleibt, ob er daraufhin zum Tode verurteilt und ertränkt wurde oder ob ihm die Flucht gelang187. Der vorerst letzte in der Reihe der falschen Friedriche trat 1295 in Esslingen auf und wurde dort als Ketzer verbrannt188. Die Hoffnung auf die Wiederkehr Friedrichs II. aber blieb lebendig. Keiner der Betrüger vermochte sie nachhaltig zu diskreditieren. Die deutschen falschen Friedriche traten nicht etwa schon während des Inter­ regnum, sondern erst zu einer Zeit auf, als ein 1194 geborener Mann wie Friedrich II. zwar noch hätte leben können, es aber nach dem Tod von Friedrichs Tochter Marga­ rethe, der 1270 gestorbenen Mutter Friedrichs des Freidigen, keine den Betrug leicht durchschauenden Mitglieder der staufischen Familie mehr gab und die weitaus mei­ sten Deutschen, die den Kaiser einstmals gesehen hatten, bereits tot sein mußten, zumal Friedrich nur von 1212 bis 1220, von 1235 bis 1236 und zuletzt 1237 (in Wien), also 13 Jahre vor seinem Tod, in Deutschland gewesen war. Dort konnten sich 1284 nur noch die über 60jährigen persönlich an Friedrich erinnern, es sei denn, sie hat­ ten ihn wie der junge Rudolf von Habsburg189 nach 1237 noch in Italien gesehen. Dem niederen Volk war dies natürlich nur ausnahmsweise möglich. 181 Vgl. S. 234 Anm. 149. 182 Vgl. Ottokar von Steiermark, Österreichische Reimchronik, ed. Seemüller, MGH Deutsche Chroniken 5,1, S. 426 Vers 32545f. und 32585f. 183 Vgl. ebd., S. 427 Vers 32611-32621; dazu: Schultheiss, Volkssage, S. 26, 42f. und 47; Struve, Die falschen Friedriche, S. 336. 184 Vgl. ebd. 185 Obwohl Schultheiss, Volkssage, S. 27 Anm. 26, den entscheidenden Quellenbeleg zitiert, nimmt er als Datum 1284 an, weil er den falschen Friedrich von Lübeck für identisch mit Dietrich Holzschuh hält. 186 Vgl. Boockmann, Reichsfreiheitsprivileg, S. 97-106. 187 Vgl. Struve, Die falschen Friedriche, S. 336f. 188 Vgl. ebd., S. 337. 189 In den Jahren 1241 und 1245, vgl. Redlich, Rudolf von Habsburg, S. 80f.

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Voraussetzung für einen Erfolg war außerdem, daß die falschen Friedriche in einer Gegend auftraten, wo es keine früheren Bekannten gab, die um ihre wahre Identität wußten. Leider ist unklar, woher die Betrüger stammten und welchen Standes sie waren. Dietrich Holzschuh wird in einigen Quellen als rusticus oder als faber bezeichnet190. Auf Grund seiner Kenntnisse von Namen und Ereignissen aus der Geschichte Friedrichs II. erscheint dies fraglich. Es ist zu vermuten, daß Dietrich Holzschuh sich zeitweise in Italien aufhielt, zumal er in Neuss Gesandte aus Italien empfing und dazu wohl der italienischen Sprache mächtig sein mußte, wenn er sich nicht verraten wollte. Vielleicht nahm er an den Feldzügen Friedrichs II. oder Man­ freds teil, vielleicht aber war er auch nur ein weit herumgekommener Spielmann wie schon der falsche Balduin. Abgesehen davon, daß auch die politisch-verfassungsmäßigen Gegebenheiten im 13. und 14. Jahrhundert den Auftritt falscher Herrscher begünstigten191, waren wohl nicht zuletzt die sozialen Spannungen von Bedeutung, die während des 13. Jahr­ hunderts in mehreren Städten zu Aufständen des niederen Volkes gegen die herr­ schenden Patriziergeschlechter führten192. Offenbar ließen erst sie die falschen Herr­ scher Fuß fassen und eröffneten ihnen die Aussicht, sich eine Machtbasis zu schaf­ fen. Es darf aber nicht von der Wirkung des falschen Balduin und der durch ihn ausgelösten Volksbewegung auf die Wirkung der falschen Friedriche geschlossen werden193, denn mit Ausnahme des Dietrich Holzschuh haben sie keine vergleich­ baren Erfolge aufzuweisen, vermochten sie ihre »Untertanen« nicht in einen wahren Taumel zu versetzen. Auch bleibt unklar, ob Vorstellungen eine Rolle spielten, die denen des Dominikaners Arnold194 ähnelten. Die Frage, ob die falschen Friedriche als Endkaiser aufzutreten versuchten oder von manchen Zeitgenossen dafür gehalten wurden und sich unter anderem auch dadurch ihr kurzer Erfolg erklärt, ist schwer zu beantworten195. Zwar erscheint der wiederkehrende oder dritte Friedrich in den Quellen erst nach 1322 als Endkaiser196, aber von manchen Teilnehmern seines Kreuzzuges197 ist Friedrich II. wohl mit dem Endkaiser identifiziert worden. Deshalb konnte man auch in dem einen oder ande­ ren falschen Friedrich den Endkaiser sehen, zumal sich das Motiv des für tot gehal­ tenen, aber zu neuer Aktivität erwachenden Herrschers in der Endkaiser-Weissa­ gung schon bei Ps.-Methodios findet. Nichts jedoch deutet darauf hin, daß einer der falschen Friedriche von endzeitlichen Erwartungen erfüllt war und sich für den Endkaiser hielt. Auch die beiden Selbstzeugnisse des Dietrich Holzschuh, sofern sie überhaupt authentisch und keine Projektion späterer Vorstellungen sind, müssen nicht unbedingt in diesem Sinn interpretiert werden: weder der Vergleich mit einem 190 Vgl. Vita Henrici archiepiscopi altera, cap. 6, ed. Waitz, MGH SS 24, S. 462; Martini continuatio Coloniensis, ed. Waitz, MGH SS rer. Germ., S. 357; Johannes von Winterthur, Chronica, ed. Baethgen und Brun, MGH SS rer Germ., Nova series, 3, S. 22. 191 Vgl. Schwinges, Verfassung, S. 183-200. 192 Vgl. ebd., S. 196; Struve, Die falschen Friedriche, S. 329 f. 193 Dies tut Struve, ebd., S. 330. 194 Vgl. S. 218 f. 195 Cohn, Paradies, S. 124 f., Schwinges, Verfassung, S. 193-195, und Struve, Die falschen Fried­ riche, S. 327f., nehmen beides ohne weiteres an. Laut Cohn hielt sich Dietrich Holzschuh nicht nur für Kaiser Friedrich, sondern darüber hinaus für den von Gott gesandten Züchtiger der Geistlichkeit, den Herrn der Welt und Erlöser. 196 Vgl. S. 254. 197 Vgl. S. 197.

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in der Erde verborgenen Wurm198 noch die Ankündigung, trotz seiner Verbrennung nach Frankfurt zu kommen199, können als Beweis dafür gelten, daß sich Dietrich Holzschuh als Endkaiser betrachtete. Wie schon im Fall des falschen Balduin betont, zeigen die Mythen verschiedener Völker, daß das Motiv der Wiederkehr eines Herr­ schers oder Helden nicht notwendig mit der Endzeit verbunden ist200. Die falschen Friedriche des 13. Jahrhunderts, von denen nur der in Utrecht gehängte erklärte, er sei von den Toten wiederauferstanden, traten zu einer Zeit auf, zu der Friedrich II. noch hätte leben können, wenn auch in ungewöhnlich hohem Alter. Nach 1295 hören wir nur noch von zwei ähnlichen, im ganzen aber kaum ver­ gleichbaren Fällen: In Thüringen, wo die Friedrich-Erwartung durch die Person Friedrichs des Freidigen von vornherein besonders ausgeprägt war201, aber zuvor kein falscher Friedrich sein Glück gesucht hatte, soll sich Konrad Schmid, der viel­ leicht als Ketzer verbrannte Führer der dortigen Kryptoflagellanten, der für 1369 das Jüngste Gericht erwartete und in dieser Zeit starb, als König von Thüringen und als (der wiedergekehrte oder dritte) Kaiser Friedrich bezeichnet haben. Zweifellos aber fühlte er sich vor allem als Prophet eines neuen Glaubens202. Spätere Anhänger sahen in ihm den zum Kampf gegen den Antichrist wiedergekehrten Elias203. Ebenfalls in Thüringen trat 1546, ein Jahr vor dem Sieg Karls V. im Schmalkaldischen Krieg, ein Schneider aus Langensalza auf, der behauptete, Kaiser Friedrich zu sein und 400 (!) Jahre im Kyffhäuser gelegen zu haben, nun aber für Frieden sorgen zu wollen, da die regierenden Fürsten dazu nicht in der Lage seien. Wie die Untersuchung seines Falles ergab, lag ihm der Gedanke an Aufruhr ganz fern. Er war im Gefängnis seiner Vaterstadt irrsinnig geworden204. Die Vorstellung vom dritten Friedrich

Vielleicht entstand noch vor dem Glauben an die Wiederkehr Friedrichs II. die Er­ wartung des Auftritts eines dritten Friedrich aus staufischem Geschlecht, der die Rolle Friedrichs II. als Verfolger der Kirche übernehmen werde. Hatte bereits im Winter 1215-1216 Thomasin von Zerklaere205 an einen dritten Friedrich besondere Erwartungen geknüpft, indem er durch Friedrich II. als dem dritten das Kreuz neh­ menden Friedrich die Eroberung Jerusalems erhoffte206, so wurde die eigentliche Vgl. S. 235. Vgl. S. 237. Vgl. S. 232. Vgl. S. 242-244. Vgl. Erbstösser, Sozialreligiöse Strömungen, S. 71 f. und 76 f. Vgl. ebd., S. 80. Cohn, Paradies, S. 160, glaubt aus diesem Umstand schließen zu dürfen, daß sie auf Konrads Wiederkehr hofften. 204 Vgl. Voigt, Kaisersage, S. 170-175; Eberhardt, Kyffhäuserburgen, S. 98-100. 205 Vgl. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 9, Berlin-New York 1995, col. 896-902 s.v. Thomasin von Zerklaere (Artikel von C. Cormeau). 206 Vgl. Thomasin von Zirclaria, Der wälsche Gast, ed. Rückert, S. 320-322 Vers 11787-11830; ed. von Kries, Bd. 1, S. 376 f.; dazu: Töpfer, Reich des Friedens, S. 164 Anm. 49, der gegen Kampers betont, daß hinter Thomasins Worten noch keine allgemein verbreitete Weissagung über einen dritten Friedrich steht. Auch läßt sich nicht feststellen, ob Thomasins Hoffnungen durch die Endkaiser-Weissagung geprägt waren, wie Kampers, Kaiserprophetieen, S. 102, und ders., Kaiseridee, S. 77, meint. Entgegen Cohn, Paradies, S. 120, sind Weissagungen über einen dereinst auftretenden Friedrich nicht schon kurz nach dem Fehlschlag des Dritten Kreuzzugs entstanden, auf dem Friedrich Barbarossa den Tod fand. Zwar starb Barbarossa 1190 in frem­ 198 199 200 201 202 203

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Grundlage für die Erwartung eines dritten Friedrich wohl durch eine bereits vor dem Tod Friedrichs II. entstandene207 joachitische Bearbeitung der Erythraeischen Sibylle208 gelegt. Dort heißt es über Friedrich II.: »Verborgenen Todes wird er die Au­ gen schließen und fortleben; tönen wird es unter den Völkern: Er lebt und lebt nicht, denn eines von den Jungen und von den Jungen der Jungen wird überleben«209. Die­ ser Version der Erythraeischen Sibylle zufolge sollte der Kaiser also nicht etwa als Person, sondern lediglich in seinen Nachkommen weiterleben210. In ihrer kürzeren, vielleicht älteren Version ist diese Interpretation zwar weniger deutlich211, doch offenbar erst Jahre nach Friedrichs Tod wurde das Vivit et non vivit der Erythreaea in dem Sinne verstanden, daß Friedrich II. gar nicht gestorben sei, sondern im Ver­ borgenen lebe. Vielleicht ist es kein Zufall, daß diese Deutung erst bei Salimbene212, das heißt erst nach dem Untergang des staufischen Geschlechts, zu belegen ist, als von dem Fortleben Friedrichs in seinen Nachkommen keine Rede mehr sein konnte. Die Vorstellung von einem dritten Friedrich als Verfolger der Kirche scheint in Italien in den Reihen der Joachiten entstanden zu sein. Jedenfalls läßt sie sich zuerst in dem zwischen Mitte 1255 und Ende 1256 geschriebenen213214 Liber de oneribus pro­ phetarum™ nachweisen, einer Sammlung von Weissagungen über Völker, Länder, Städte und Herrscher, die sich wie der joachitische Jeremias-Kommentar als von Joachim an Kaiser Heinrich VI. gerichtet ausgab und auch nicht mit Kritik an der ver­ weltlichten Kirche sparte. Nach Ansicht des Verfassers spielt der Erbe Heinrichs VI., also Friedrich II., beim Anbruch (!) des dritten Status die gleiche Rolle wie Pharao und Herodes zu Beginn des ersten und zweiten Status. Friedrich ist der apokalyp­

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dem Land, doch hoffte man im 13. Jahrhundert noch keineswegs auf seine Wiederkehr, wie Riezler, Kreuzzug, S. 132-140, meint. Die Beweiskraft fehlt auch der Behauptung von Münz, Frederick Barbarossa, S. 31 f., daß Barbarossa geglaubt habe, der letzte Kaiser zu sein. Der Hin­ weis auf den Ludus de Antichristo oder auf Otto von Freising genügt nicht, zumal in dessen Gesta Frederici im Gegensatz zu der früheren Historia de duabus civitatibus kein EndzeitBewußtsein mehr erkennbar ist. Vgl. gegen Münz auch Jakobs, Weltherrschaft, S. 20. Holder-Egger, Prophetieen I, S. 149, und ders., Prophetieen II, S. 327, datiert die längere Versi­ on auf die Zeit 1252-1254 und die kürzere nicht lange danach. Ihm folgt Hampe, Verknüpfung, S. 7f. Allerdings hält er einen späteren Zusatz aus der Zeit nach Konradins Tod (1268) für wahr­ scheinlich. Auch Kantorowicz, Rechtsgrundlagen, S. 127 mit Arun. 38, und Kloos, Petrus de Prece, S. 152 und 156 Anm. 20, übernehmen die von Holder-Egger vorgeschlagene Datierung der längeren Fassung, glauben jedoch die kürzere wegen angeblich deutlicher Anspielungen auf Karl von Anjou und Konradin erst um 1270 oder noch später verfaßt. Aber die längere Version muß bereits 1249 und die kürzere oder eine andere schon vor 1242 entstanden sein, vgl. Alexander, Diffusion, S. 73-79; Lerner, Frederick II, S. 367 Anm. 23; Schmolinsky, Alexander Minorita, S. 54-63; Töpfer, Reich des Friedens, S. 142 Anm. 211. Die vermeintlichen Anspielungen auf Karl von Anjou und Konradin am Ende der kürzeren finden sich auch in der Mitte der längeren, so daß sich daraus kein Anhaltspunkt für eine Datierung der kürzeren auf die Zeit um 1270 ergibt, vgl. ed. Holder-Egger, Prophetieen I, S. 169, und ders., Prophetieen II, S. 334. Vgl. ed. Holder-Egger, Prophetieen I, S. 155-173 (längere Version); ders., Prophetieen II, S. 328-335 (kürzere Version). ed. Holder-Egger, Prophetieen I, S. 168. Vielleicht in Anlehnung an Off. Joh. 13,14 und 17,8, vgl. oben S. 221. Diese Deutung übernahm auch der staufische Hofkanzlist Petrus de Prece, vgl. Kloos, Petrus de Prece, S. 152 und 170 (ed.). Vgl. ed. Holder-Egger, Prophetieen II, S. 333f.; dazu: Kantorowicz, Rechtsgrundlagen, S.127f. Vgl. ebd., S. 128. Vgl. Lerner, Frederick II, S. 373 Anm. 46; Töpfer, Reich des Friedens, S. 131 f. ed. Holder-Egger, Prophetieen III, S. 139-187.

tische Drache, den Gott zur Züchtigung der Kirche ausersehen hat, er entspricht dessen siebentem Haupt, das für die siebente und letzte Verfolgung der Kirche vor dem Auftreten Gogs am Ende der Welt steht215. Indem dieser siebente Verfolger­ könig an anderer Stelle als der Antichrist bezeichnet wird, ist Friedrich II. mit diesem zu identifizieren. Das ist um so bemerkenswerter, als der Liber de oneribus prophetarum ja erst nach Friedrichs Tod entstand und die Joachiten glaubten, daß die Herrschaft des Antichrist erst im Jahre 1260 enden werde. Diesen Widerspruch ver­ suchte der Verfasser durch die Behauptung aufzulösen, daß ein dritter Friedrich als Nachfolger Friedrichs II. dessen Werk der Züchtigung und Reinigung der Kirche vollenden und danach das imperium Germanorum untergehen werde. Nachdem be­ reits im Jahre 1200 (!) der dritte Status begonnen habe, finde 1260 endlich alle Mühsal der Kirche ein Ende. Dann würden die Christen frei und alle Könige der Welt dem Szepter Christi unterworfen sein216. Durch die Namensgleichheit machte der Verfasser die Ähnlichkeit des Nach­ folgers Friedrichs II. mit seinem Vorgänger besonders deutlich. Sofern er überhaupt auf eine konkrete Person zielte, konnte er mit dem dritten Friedrich wohl nur Fried­ rich von Antiochien217, einen der unehelichen Söhne Friedrichs II., meinen218. Nach dessen Tod im Jahre 1256 sah der eine oder andere den Antichrist dann in Alfons dem Weisen219, der eine staufische Mutter hatte, oder in Friedrichs II. unehelichem Sohn Manfred220. Den Fortbestand der Furcht vor dem Auftritt eines - wohl nicht mehr mit dem Antichrist zu identifizierenden - dritten Friedrich bezeugt Alexander von Roes in seinem Memoriale de prerogativa Romani imperii221 aus dem Jahre 1281. Er berichtet von einer in Deutschland verbreiteten Weissagung, die besagt habe, daß aus dem Geschlecht Friedrichs II. eine sündhafte Wurzel namens Friedrich hervorbrechen und den Klerus in Deutschland, aber auch die römische Kirche selbst mit aller Hef­ tigkeit erniedrigen werde. Direkt im Anschluß daran erwähnt Alexander von Roes eine Weissagung über einen ganz Europa beherrschenden und Kirche wie Reich re­ formierenden letzten Kaiser namens Karl222. Damit findet sich bei Alexander von Roes erstmals die Furcht vor dem dritten Friedrich der Hoffnung auf einen zweiten Karl den Großen gegenübergestellt, freilich ohne daß in der zweiten Weissagung auf die erste Bezug genommen wird. Dies ist dann später vor allem in dem Libellus des Telesphorus von Cosenza der Fall. Dort erscheint der mit dem Engelpapst ver­ bündete Karl als Sieger über den dritten Friedrich, den letzten, aber nicht mit dem Antichrist zu identifizierenden Kaiser deutscher Herkunft223. 215 Vgl. S. 206. 216 Vgl. Töpfer, Reich des Friedens, S. 131-135. 217 Zu ihm vgl. NDB, Bd. 5, Berlin 1961, S. 489f. s.v. Friedrich von Antiochien (Artikel von HM. Schaller). 218 Vgl. Lerner, Frederick II, S. 372 f., Töpfer, Reich des Friedens, S. 133. 219 So 1258 Gherardino von Borgo San Donnino, vgl. Salimbene de Adam, Cronica, ed. HolderEgger, MGH SS 32, S. 456; dazu: Töpfer, Reich des Friedens, S. 129 Anm. 145 und S. 162. 220 So wohl der Autor der Bearbeitung des unter Joachims Namen verfaßten Jesaja-Kommentars, die zwischen 1260 und 1266 entstand, vgl. Töpfer, Reich des Friedens, S. 136f.; Reeves, Influence, S. 308. Zur ursprünglichen Fassung des Jesaja-Kommentars vgl. Wessley, Joachim of Fiore, S. 121 f. 221 Alexander von Roes, Memoriale, cap. 30, ed. Grundmann und Heimpel, MGH Staatsschriften 1,1, S. 136. Vgl. auch unten S. 296. 222 Vgl. ebd. 223 Vgl. S. 283 f.

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Von dem dritten Friedrich ist auch in der spätestens 1312, zum Teil vielleicht jedoch schon vor 1300 entstandenen Columbinus-Weissagung224 die Rede. Es heißt dort225, im Jahre 1312 - dem Jahr der Kaiserkrönung Heinrichs VIL! - werde ein Friedrich von der dritten Generation des »ehemaligen« Kaisers Friedrich durch Simonie von den deutschen Fürsten zum Kaiser gewählt werden. Unter seiner Herr­ schaft werde die Ketzerei blühen und der Papst alle Macht verlieren. Die hochmüti­ gen Geistlichen würden leugnen, Geistliche zu sein, und ihre Tonsuren verbergen. Über das Ende der Herrschaft dieses Friedrich wird nicht mehr gesagt, als daß sie wie jene des Antichrist - dreieinhalb Jahre, also bis 1316 dauern werde, in welchem Jahr dem ersten Teil der Columbinus-Weissagung zufolge der Antichrist auftreten sollte226. Offenbar ist Friedrich III. (II.) von Sizilien (+ 1337) gemeint, dessen Mutter Konstanze eine Tochter Manfreds war227. Auch südfranzösische Beginen sahen in ihm einen Helfer des Antichrist228. Positive Erwartungen scheinen sich mit der Gestalt des dritten Friedrich erst nach der Hinrichtung Konradins durch Karl von Anjou (1268) verbunden zu haben, als mancher Ghibelline auf einen Enkel Friedrichs II. als Kandidaten für den sizilischen Königsthron hoffte, nämlich auf den 1257 geborenen Wettiner Friedrich den Freidigen, den späteren Landgrafen von Thüringen und Markgrafen von Meißen. Offenbar übernahmen die Ghibellinen die Vorstellung eines demnächst auftreten­ den dritten Friedrich von den Joachiten, deuteten sie aber in ihrem Sinne um229. Die ghibellinischen Hoffnungen werden um 1269 in mehreren Schriften deut­ lich. So verfaßte wohl Anfang 1269 der zuletzt in Konradins Diensten stehende staufische Hofkanzlist Petrus de Prece ein Manifest, das die Kandidatur Friedrichs des Freidigen für den sizilischen Thron propagierte und sich an dessen Großvater Hein­ rich den Erlauchten wendete. In dieser Adhortatio ad Henricum illustrem230 verweist Petrus de Prece auf angebliche Weissagungen, denen zufolge der von Friedrich II. abstammende und seinen Namen tragende Enkel Heinrichs des Erlauchten die Herrschaft und das Geschlecht Karls von Anjou vernichten und als Fredericus tertius die Weltherrschaft erringen werde. Da die Ghibellinen 1269 direkte Verbindung mit dem wettinischen Hof auf­ nahmen231, wurde durch sie wohl nicht nur dieses Manifest in der Mark Meißen bekannt, sondern auch eine Weissagung, die in der ersten Fortsetzung der Crortica minor minoritae Erphordensis zum Jahre 1269 überliefert ist und vermutlich ebenfalls in ghibellinischen Kreisen entstand232. Sie stammt angeblich aus der Feder Joachims von Fiore und soll durch den Kardinalbischof von Porto, Johann von Toledo233, nach Deutschland geschickt worden sein. In ihr wird zunächst der Sieg des als leo Francie 224 Vgl. S. 204 f. 225 Vgl. ed. Brown und Lerner, Columbinus Prophecy, S. 252; ed. Kerby-Fulton und Daniel, Columbinus Prophecy, S. 335,338,341 und 344 f. 226 Vgl. ebd„ S. 319. 227 Vgl. Brown und Lerner, Columbinus Prophecy, S. 234; Kerby-Fulton und Daniel, Colum­ binus Prophecy, S. 319. 228 Vgl. Leff, Heresy, Bd. 1, S. 199, 216 und 226; Töpfer, Reich des Friedens, S. 174. 229 Vgl. Töpfer, Reich des Friedens, S. 171 und 174 Anm. 94. 230 Petrus de Prece, Adhortatio ad Henricum illustrem, ed. del Re, S. 687-700; dazu: Dobenecker, Kaisertraum, S. 18-22; E. Müller, Peter von Prezza, S. 61-84; Töpfer, Reich des Friedens, S. 168. 231 Vgl. S. 243. 232 Vgl. Töpfer, Reich des Friedens, S. 168 f. 233 Zu seiner Person vgl. Grauert, Johann von Toledo, S. 111-165.

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bezeichneten Karl von Anjou über den bastardus Manfred und den filius aquile Kon­ radin »geweissagt«. Weiter heißt es, daß nach einiger Zeit de radice regni, also aus staufischem Geschlecht, ein Fridericus orientalis die Macht des Löwen und sogar die Erinnerung an ihn vernichten und seine Herrschaft bis an die Grenzen der Welt ausdehnen werde, indem er den Papst gefangennehme und im Bündnis mit den Spaniern auch das französische Königreich erobere234. Diese Weissagung diente den rein politischen Interessen der Ghibellinen, die sich dem Bündnis Karls von Anjou mit dem Papsttum und den Guelfen gegenüber­ sahen. Bezeichnenderweise wird zwar die Gefangennahme des Papstes verheißen, nicht aber eine Reform der Kirche. Im Sommer 1269 schickten lombardische Ghibellinen eine Gesandtschaft über die Alpen, um Friedrich den Freidigen und seine Ratgeber für ihre Pläne zu gewin­ nen235. Am Hof der Wettiner rechnete man mit böhmischer Unterstützung und er­ klärte sich bereit, in die italienischen Verhältnisse einzugreifen. Dies zeigt die Ant­ wort vom 23. August 1269, in der sich Friedrich der Freidige wie in zwei anderen Briefen236 der Jahre 1269 und 1270 schon als Friedrich III., König von Jerusalem und Sizilien bezeichnete237. Aber trotz weiterer Briefwechsel konnte der Angriffsplan nicht realisiert werden. Der am 1. September 1271 in Verona als Generalvikar einge­ troffene Friedrich von Treffurt wartete vergeblich auf die versprochene Streitmacht und mußte schließlich unverrichteter Dinge die Rückreise antreten238. Doch noch im Jahre 1293 drohten die Sizilianer ihrem König Jakob II. mit der Berufung Friedrichs des Freidigen239. Auch nachdem die Kandidatur Friedrichs des Freidigen für die römisch-deut­ sche Königswürde gescheitert und Rudolf von Habsburg am 1. Oktober 1273 zum neuen König gewählt worden war240, blieben mit diesem dritten Friedrich, der im Laufe seines Lebens viele Schwierigkeiten zu überwinden hatte, große Hoffnungen verbunden. Nach der Ermordung Albrechts I. durch Johann Parricida im Jahre 1308 unterstellte ihm der vulgi rumor Absichten auf die Königswahl241242 , und der späte­ stens 1270 geborene Peter von Zittau (t 1339) berichtet von einem in seiner Jugend weit verbreiteten Vaticinium, daß Friedrich der Freidige, der dem Volksglauben nach ein goldenes Kreuz zwischen den Schultern getragen habe, als mächtiger Kai­ ser der Zukunft am Klerus Wunderbares tun werde243.

234 Vgl. Cronica minor minoritae Erphordensis, ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ., S. 679. Die Weissagung findet sich um 1350 auch bei Konrad von Halberstadt dem Jüngeren, von dem sie 1480 Theodericus Pauli (Dirk Pauw) übernahm, vgl. Haeusler, Ende der Geschichte, S. 125 f. und 130. Eine andere, vielleicht die ursprüngliche Version ist in der Admonter Hs. 326, fol. 230v, erhalten, vgl. Lerner, Powers, S. 57. Sie endet mit der Verheißung, daß zum Schluß das Grab des Herrn wunderbar verehrt werde. Dies erinnert an Jesaja 11,10 und das ConstansVaticinium, vgl. oben S. 158 f. 235 Vgl. Dobenecker, Kaisertraum, S. 26. 236 Vgl. ders., Regesta, Bd. 4, Nr. 395 und 464. 237 Vgl. DERS., Kaisertraum, S. 26L; ders., Regesta, Bd. 4, Nr. 383. 238 Vgl. ders., Kaisertraum, S. TI f. und 32-35. 239 Vgl. Bartholomaeus de Neocastro, Historia, ed. Paladino, S. 139. 240 Vgl. Dobenecker, Kaisertraum, S. 35 f. 241 Chronica S. Petri Erfordensis modema, ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ., S. 335 f. 242 Vgl. zu diesem Motiv Grauert, Schulterkreuz. Dergleichen wurde auch von Karl von Anjou behauptet, vgl. ebd., S. 714. 243 Vgl. Cronica Aulae regiae II12, ed. Loserth, S. 424.

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Vielleicht ist damit die Weissagung gemeint, die mit den Worten Veniet aquila, cuius volatu debellabitur leo beginnt und wie jene in der Erfurter Chronik einen die ganze Welt beherrschenden Fridericus orientalis verheißt. Von der Vernichtung Karls von Anjou oder Frankreichs ist in ihr nicht eigens die Rede, aber in bezug auf die Kirche geht ihr Verfasser deutlich über die erste Weissagung hinaus, indem er zu be­ haupten wagt, Friedrich werde nicht nur den Papst gefangennehmen, sondern den Klerus als solchen zerschlagen. Der sich auf Rudolf von Habsburg und Otakar II. von Böhmen beziehende Anfang findet sich verkürzt und übersetzt in der 1319 ab­ geschlossenen Reimchronik Ottokars von Steiermark244, in voller Länge aber wird diese zweite Weissagung über einen Fridericus orientalis erst in der 1451 vollendeten Cronica regum Romanorum des Thomas Ebendorfer245 und in einer 1439 gehaltenen Predigt des Johann von Wünscheiburg246 überliefert. Sie ist wohl 1275 oder 1276 entstanden, zielt aber in den erhaltenen Versionen vielleicht nicht mehr auf Fried­ rich den Freidigen (+ 1323), sondern auf Friedrich den Schönen von Habsburg (+ 1330)247. Selbst nach dem Tode Kaiser Friedrichs III. (t 1493) blieb sie lebendig und wurde unter Auslassung des Namens Friedrich auf Kaiser Karl V. gemünzt248. Der Name Friedrich wurde im Haus der Wettiner über mehrere Generationen hinweg bevorzugt: Auf Friedrich den Freidigen (t 1323) folgten Friedrich der Ernst­ hafte (+ 1349), Friedrich der Strenge (+ 1381), Friedrich der Streitbare (+ 1428), Fried­ rich der Sanftmütige (+ 1464), Friedrich der Weise (+ 1525) und Johann Friedrich der Großmütige (+ 1554), von dem es zumindest später ähnlich wie von Friedrich dem Freidigen hieß, er habe ein goldenes Kreuz auf dem Rücken getragen249. Ein Zusammenhang dieser auffälligen Namenshäufung mit der weit verbreiteten Hoff­ nung auf einen am Ende der Zeiten auftretenden Kaiser Friedrich250 liegt auf der Hand. Vielleicht als Folge dessen, daß keiner der Wettiner und auch nicht Kaiser Friedrich III.251 diese hohen Erwartungen zu erfüllen vermochte, hofften einige oder viele der wettinischen Untertanen im 15. Jahrhundert wohl eher auf die Wiederkehr Friedrichs II. als auf einen dritten Friedrich. Darauf scheint die Ent­ stehung der Kyffhäuser-Sage zu deuten252. Auch in Italien verband man mit der Vorstellung vom Auftritt eines dritten Friedrich positive Erwartungen, und zwar nicht nur um 1270, als die ghibellinischen Hoffnungen auf Friedrich dem Freidigen ruhten, sondern auch in den Jah­ ren um 1300, als in Sizilien ein Herrscher namens Friedrich auf den Thron gelangte, der eine Tochter Manfreds zur Mutter hatte und jahrelang in scharfem Gegensatz zu Papst Bonifaz VIII. stand. Auf der am 15. Januar 1296 in Catania gehaltenen Reichsversammlung, die den bis dahin als Statthalter Jakobs II. von Aragon fungierenden Infanten Friedrich zum 244 Ottokar von Steiermark, Östereichische Reimchronik, ed. Seemüller, MGH Deutsche Chro­ niken 5,1, S. 159 Vers 12020t. (und bis Vers 12065 die Interpretation). Vgl. dazu: E. Klein­ schmidt, Herrscherdarstellung, S. 220f. 245 Vgl. Thomas Ebendorfer, Cronica regum Romanorum, ed. Pribram, S. 143. 246 ed. v. Bezold, Kaisersage, S. 606; Hermann, Veniet aquila, S. 115. Zur Predigt des Johann von Wünscheiburg vgl. unten S. 303 f. 247 Vgl. Töpfer, Reich des Friedens, S. 172. 248 Vgl. Reeves, Influence, S. 361. 249 Vgl. Grauert, Kaisersage, S. 135; ders., Schulterkreuz, S. 718f. 250 Vgl. S. 253-256. 251 Vgl. S. 248-253. 252 Vgl. S. 226f.

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König von Sizilien bestimmte, soll der berühmte Admiral Roger de Lauria den Infanten als fato debitum bezeichnet haben, also als den in der Weissagung Erwar­ teten253. Angeblich erklärte der schon bald als Verräter gefangengesetzte Admiral an Friedrichs Krönungstag (26. März 1296) dann (nochmals) gegenüber den sizilischen Ständen, der neue Herr sei jener dritte Friedrich, von dem die Weissagungen be­ haupteten, daß er das imperium und den größten Teil der Welt beherrschen werde er sei nämlich der dritte Sohn König Peters III., der dritte Friedrich, der über Sizilien herrsche (!), und auch der dritte Friedrich, der Kaiser von Deutschland sein wende254. Friedrich (+ 1337) sah sich hinfort - und wahrscheinlich schon vorher255 - auch selbst in der Rolle des geweissagten dritten Friedrich. Obwohl er in Wahrheit erst der zweite Friedrich war, der über Sizilien herrschte, nannte er sich in offiziellen Schriftstücken Fredericus tercius und rex Sicilie, ducatus Apulie et principatus Capue256, aber er bezeichnete sich nicht wie Friedrich der Freidige als König von Jerusalem, machte also diesen Titel Karl II. von Neapel nicht streitig. Dementsprechend schrieb er seinem Bruder Jakob II. in einem Brief vom 3. April 1296, er wolle auch die unter­ italienischen Teile des Königreichs Sizilien erobern, zumal die Vernichtung des gallischen Geschlechts, das heißt der Angiovinen in Neapel, als nahe bevorstehend beschrieben worden sei257. Damit nahm Friedrich offenbar Bezug auf jene Weis­ sagung, die sich zum Jahr 1269 in der ersten Fortsetzung der Cronica minor minoritae Erphordensis findet258 und besagt, daß ein Fridericus orientalis aus staufischem Ge­ schlecht die Angiovinen vernichten, den Papst gefangennehmen, im Bündnis mit den Spaniern auch das französische Königreich erobern und schließlich seine Macht bis an die Grenzen der Welt ausdehnen werde259. Seinen Titel Fredericus tercius, der unverkennbar mit dem Anspruch auf das so lange verwaiste Kaisertum verbunden war, gab Friedrich im Sommer 1311 auf260 - wohl mit Rücksicht auf den nach Italien gezogenen Heinrich VII., mit dem er in dieser Zeit in Kontakt trat und am 4. Juli 1312, fünf Tage nach dessen Kaiserkrönung, ein Bündnis schloß261. Es ist durchaus möglich, daß Friedrich glaubte, der Endkaiser zu sein, und er diesbezüglich unter den abendländischen Herrschern eine der wenigen Aus­ nahmen bildete, denn sein Denken und Handeln war nicht nur durch die FriedrichWeissagung bestimmt, sondern einige Jahre später nachweislich auch durch die Ansichten Arnalds von Villanova (+ 1311), der gedanklich den franziskanischen Spiritualen nahestand und in seinen Schriften die Erneuerung der Welt durch die Rückführung der Menschen zu einem wahrhaft evangelischen Leben forderte. Amald kam erstmals im Jahre 1304 nach Sizilien262, aber bereits 1302, im Jahre des 253 254 255 256

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Vgl. Hitzfeld, Anschauungen Friedrichs III., S. 7f. Vgl. ebd., S. 8. Vgl. ebd., S. 11. Vom April 1296 bis zum Juni 1311, vgl. Giunta und Giuffrida, Acta Siculo-Aragonensia, Bd. 2, Nr. 3, S. 47, und Nr. 75, S. 120. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Jakob II. führte Friedrich also den Titel der Anjou, vgl. Hitzfeld, Anschauungen Friedrichs III., S. 11 Anm. 23. Vgl. Finke, Acta Aragonensia, Bd. 3, Nr. 26, S. 53f.; dazu: Hitzfeld, Anschauungen Fried­ richs III., S. 10. Vgl. S. 243. Vgl. Hitzfeld, Anschauungen Friedrichs III., S. 13 f. Er ist bis zum Juni 1311 nachweisbar. Seit dem September 1311 nannte er sich nur noch Fride­ ricus dei gracia rex Trinacrie, vgl. Giunta und Giuffrida, Acta Siculo-Aragonensia, Bd. 2, Nr. 75, S. 120, und Nr. 77, S. 125. Vgl. Hitzfeld, Anschauungen Friedrichs III., S. 40 und 45. Vgl. ebd., S. 17; Lee, Reeves, Silano, Western Mediterranean Prophecy, S. 39.

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mit Robert von Neapel geschlossenen Friedens von Caltabellotta, den auch Boni­ faz VIII. anerkannte, ist bei Friedrich ein Sinneswandel zu beobachten, der in einem Brief an Jakob II. deutlich wird. Darin teilte er seinem Bruder mit, im Gegensatz zu früheren Zeiten wolle er in Zukunft der römischen Kirche und dem Papst dienen, dessen Aufgabe es sei, unter den Christen Eintracht herzustellen, so daß die Rück­ eroberung des Heiligen Landes möglich werde263. Zwischen Friedrich und Amald von Villanova entwickelte sich ein persön­ liches Verhältnis, das auch dadurch kaum beeinträchtigt wurde, daß Amald wegen einiger Äußerungen vor Papst und Kardinälen in Avignon bei Jakob II. Ende 1309 in Ungnade fiel264. Amald glaubte Friedrich zu großen Taten berufen. So gab er in sei­ nem 1309 verfaßten »Raonament d'Avinyö« der Hoffnung Ausdruck, daß Friedrich gemeinsam mit Jakob II. das Heilige Grab befreien, den Islam vernichten und alle Menschen zum rechten Glauben führen werde265, und in seiner »Informaciö espiritual al rei Frédéric« vom Sommer 1310 glaubte er den Auftritt des von ihm als Refor­ mator der Kirche erwarteten, aber mit keiner bestimmten Person identifizierten Engelpapstes266 ganz nahe und sah in Friedrich den Herrscher, der mit dem Engel­ papst Zusammenarbeiten und das Heilige Land erobern werde267. Friedrich bemühte sich, in seiner Lebensführung den Vorstellungen Amalds von Villanova so weit wie möglich zu entsprechen. Er verbannte von seinem Hof allen Luxus und gründete evangelische Schulen für männliche wie auch solche für weibliche Schüler, in denen Reiche und Arme zu einem wahrhaft christlichen Leben erzogen und die als Prediger Begabten in mehreren Sprachen ausgebildet werden sollten, um Heiden und Schismatiker von der Wahrheit des Evangeliums über­ zeugen zu können. Außerdem ließ er verkünden, daß jeder, der ein Leben in Armut führen wolle, seiner Fürsorge sicher sein dürfe268. Infolgedessen wanderten 1312 viele der franziskanischen Spiritualen nach Sizi­ lien aus, um der Verfolgung durch den Papst und den Generalminister ihres Ordens zu entgehen. Fünf Jahre lang waren sie auf der Insel sicher. Erst als 1317 die sizilischen Städte erklärten, für Friedrich alles erdulden zu wollen, nur nicht, als Ketzer oder deren Beschützer bezeichnet zu werden, und als nach dem Generalminister der Franziskaner und Jakob II. nun auch der Papst von ihm verlangte, gegen die Spiritualen vorzugehen, sah Friedrich sich gezwungen, dem äußeren Druck nachzugeben. Doch lieferte er die Spiritualen nicht etwa ihrer Ordensleitung aus, sondern vereinbarte mit dem Herrscher von Tunis, daß die Spiritualen sich auf der Insel Djerba aufhalten dürften. Er ließ auch keineswegs alle Spiritualen aus Sizilien vertreiben269.

263 Vgl. Finke, Acta Aragonensia, Bd. 3, Nr. 48, S. 110; dazu: Hitzfeld, Anschauungen Fried­ richs III., S. 15-17. 264 Vgl. ebd., S. 17,21 f. und 26-29. 265 Amau de Vilanova, Obres catalanes, ed. Batllori, Bd. 1, S. 167-221; dazu: Lee, Reeves, Silano, Western Mediterranean Prophecy, S. 44. 266 Zur Entstehung und Wirkung der Weissagungen über engelgleiche Päpste vgl. S. 269-290. 267 Amau de Vilanova, Obres catalanes, ed. Batllori, Bd. 1, S. 223-243; dazu: Batllori, La Sicile, S. 364 f.; Lee, Reeves, Silano, Western Mediterranean Prophecy, S. 44 f.; Reeves, Lnfluence, S. 317; Töpfer, Reich des Friedens, S. 254. 268 Vgl. Hitzfeld, Anschauungen Friedrichs III., S. 30 und 32. 269 Vgl. Pou Y Martí, Visionarios, S. 102-110; Lee, Reeves, Silano, Western Mediterranean Prophecy, S. 45 f.; Hitzfeld, Anschauungen Friedrichs III., S. 31.

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Die Gedanken Amalds von Villanova fanden nach Friedrichs eigener Aussage Eingang in jene Gesetze, die er am 15. Oktober 1310 erließ. Außer einigen gegen die Juden gerichteten Maßnahmen enthielten sie unter anderem vor allem Bestim­ mungen über die Behandlung der auf Sizilien lebenden Sklaven, die möglichst alle zum Christentum bekehrt werden sollten270. Amald von Villanova war nicht der einzige, der auf Friedrich III. (II.) von Sizi­ lien nachweislich größte Hoffnungen setzte. Ähnliche Erwartungen, die sich aller­ dings in äußerster Radikalität gegen die Kirche richteten, sind um 1300 auch in Nord­ italien zu beobachten, und zwar bei der um 1260 durch Gerardo Segarelli aus Parma gegründeten Sekte der Apostelbrüder, die für sich in Anspruch nahmen, das Ideal der Urkirche zu verkörpern, als Ketzer verfolgt wurden, aber selbst durch den 1307 gegen sie geführten Kreuzzug nicht völlig ausgerottet werden konnten271. Fra Dolcino (t 1307), ihr offenbar auch durch joachitische Gedanken beeinflußter Prophet, der sich am Ende seines Lebens für den Engelpapst gehalten haben soll272, sah in dem bis 1302 gegen den Papst kämpfenden Friedrich den Herrscher, der alle Geist­ lichen töten und dann bis zum Erscheinen des Antichrist gemeinsam mit einem von Gott gesandten heiligen Papst die ganze Welt regieren werde, so daß alle Menschen, die sich den Apostelbrüdem anschlössen, die Gnade des Heiligen Geistes empfingen. Wie sicher sich Fra Dolcino seiner Sache war, zeigt der Umstand, daß er zum Ablauf der von ihm erwarteten Ereignisse mehrere Jahresangaben zu machen wagte273. Aus den Protokollen der Inquisition ergibt sich, daß zu Beginn des 14. Jahr­ hunderts in letzter Verzweiflung auch südfranzösische Katharer auf einen dritten Friedrich hofften, der die römische Kirche niederdrücken und ihre eigene fördern werde274. Um so bemerkenswerter ist die Haltung südfranzösischer Beginen, die wie die Columbinus-Weissagung in Friedrich III. (II.) von Sizilien einen Helfer des Antichrist sahen275. Was die römisch-deutschen Könige und Kaiser betrifft, so soll Sigismund bei seiner Krönung zum Kaiser (1433) vom Papst den Namen Friedrich erhalten haben276. Entgegen dieser Angabe der bis zum Jahr 1445 reichenden Rezension D der »Kölner Jahrbücher«277 kann davon freilich keine Rede sein. Vermutlich handelt es sich dabei um ein Echo auf den Volksglauben, denn im Volk soll man sich zuvor erzählt haben, daß nach Aussage der Sibylle niemand Kaiser werden könne, der nicht Friedrich heiße278, und manche Leute haben angeblich geglaubt, daß man den Endkaiser auch dann Friedrich nennen werde, wenn er auf einen anderen Namen getauft sei279. 270 Vgl. Finke, Acta Aragonensia, Bd. 2, Nr. 438, S. 695-699; dazu: Hitzfeld, Anschauungen Fried­ richs III., S. 28 und 34 f.; Töpfer, Reich des Friedens, S. 255. 271 Vgl. Reeves, Influence, S. 247; Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, München-Zürich 1980, col. 793 s.v. Apostoliker (Artikel von R. Orioli). 272 Vgl. S. 289. 273 Vgl. Orioli, Venit perfidus heresiarcha, S. 1201. und 230; Reeves, Influence, S. 245f.; Töpfer, Reich des Friedens, S. 300-304. 274 Vgl. Jacques Fournier, Le registie, ed. Duvernoy, Bd. 3, S. 237. 275 Vgl. S. 242. 276 Vgl. Cölner Jahrbücher des 14. und 15. Jahrhunderts, ed. Cardauns und Schröder, S. 1661. (zum Jahr 1432!). 277 Vgl. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 5, Berlin-New York 1985, col. 47-49 s.v. >Kölner Jahrbücher< (Artikel von H. Beckers). 278 Vgl. Andreas von Regensburg, Werke, ed. Leidinger, S. 577. 279 Vgl. Johann Rothe, Düringische Chronik, ed. v. Liliencron, S. 426.

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Während hussitische wie katholische Gegner in Sigismund teilweise den Vor­ läufer des Antichrist sahen, wurde er von anderen Zeitgenossen als das Licht der Welt gefeiert, als neuer Moses oder David bezeichnet und mit Karl dem Großen verglichen280. In seiner 1417 vollendeten Geschichte des Konstanzer Konzils behaup­ tete der Augustinereremit und Theologe Dietrich Vrie, Sigismund werde es gelingen, die Kirche zu reformieren und damit das neue Jerusalem aus der Offenbarung des Johannes 21,2 zu erbauen281, und 1418 schrieb Thomas Prischuch, Sigismund sei die Eroberung des Heiligen Grabes geweissagt worden282. Sigismund, der mehrfach sei­ nen Willen zum Kreuzzug bekundete283, könnte also mit dem Endkaiser identifiziert worden sein. Vielleicht hielt er sich auch selbst für den Endkaiser284, denn kurz vor seinem Tod am 9. Dezember 1437 soll der schon kranke Kaiser gesagt haben285, daß er nicht sterben werde, bevor er nicht ins Heilige Land gezogen sei286. Als der Habsburger Friedrich III. am 2. Februar 1440 zum römisch-deutschen König gewählt und dann am 19. März 1452 - als letzter Kaiser in Rom - vom Papst zum Kaiser gekrönt wurde, mußte dies die Hoffnungen oder Befürchtungen der vielen Zeitgenossen wachsen lassen, denen die Friedrich-Weissagungen bekannt waren287. Das Memoriale de prerogativa Romani imperii des Alexander von Roes aus dem Jahre 1281, das eine Weissagung über einen Geistlichkeit und römische Kirche erniedrigenden Abkömmling Friedrichs II. namens Friedrich erwähnt288, war im 15. Jahrhundert nicht weniger verbreitet als der 1386 verfaßte Libellus des Telesphorus von Cosenza, der den Leser einen ebenfalls negativ gezeichneten dritten Fried­ rich als Vorkämpfer des von seinen Fesseln befreiten Satan erwarten ließ289, oder als das auch im 14. Jahrhundert entstandene deutsche Sibyllen-Buch, das im Gegenteil einen am Ende der Zeiten das Heilige Grab erobernden und seinen Schild am »dürren Baum« aufhängenden Kaiser Friedrich verhieß290. Aus dem 15. Jahrhundert stammen die meisten erhaltenen Handschriften des Sibyllen-Buches, das erstmals 1451-1453, kurz vor oder nach der Kaiserkrönung Friedrichs III., gedruckt wurde und dann mehrfach 1491 und 1492291, kurz vor Friedrichs Tod (1493), als sich dessen Regierung in bezug auf die Weissagung längst als Enttäuschung erwiesen hatte. Bezeichnend für die Erwartungen der Zeitgenossen ist die vor Friedrich III. ge­ haltene Rede des kurkölnischen Rates Propst Tilmann von St. Florin in Koblenz292, 280 281 282 283 284 285 286 287 288 289 290 291 292

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Vgl. v. Bezold, Kaisersage, S. 583 und 585; Reeves, Influence, S. 340 f. Vgl. Pferschy-Maleczek, Nimbus, S. 462f. Vgl. v. Liliencron, Volkslieder, Bd. 1, Nr. 50, S. 237 Vers 497f. Vgl. Erkens, Und wil ein grosse Reise do tun. Vgl. dazu auch die Beobachtung von Pferschy-Maleczek, Nimbus, S. 455. Ähnlich wie 1516 Ferdinand der Katholische, vgl. S. 331. Dagegen beteuerte Heinrich V. von England 1422 auf dem Totenbett lediglich, immer die Absicht gehabt zu haben, Jerusalem zu erobern, vgl. Wylie und Waugh, Henry the Fifth, Bd. 3, S. 418. Dies berichtet am 25. November 1437 Bischof Georg von Vieh an das Konzil von Basel, vgl. Deutsche Reichtagsakten unter Kaiser Sigmund, 6. Abteilung, ed. Beckmann, Nr. 160, S. 263. Vgl. dazu demnächst F. Fuchs und W. Hartmann, Friedrich III. - der dritte Friedrich der Kaiserprophetien? Beiden Autoren, die mir liebenswürdigerweise Einblick in ihre Entwürfe gewährten, verdanke ich wichtige Hinweise. Vgl. S. 241 und 296. Zur besonders großen Verbreitung des Memoriale in der Zeit des Konzils von Basel vgl. Boockmann, Wirkungen, S. 117f. Vgl. S. 283 f. Vgl. S. 255. Vgl. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 8, Berlin-New York 1992, col. 1148 f. s.v. Sibyllenweissagungen (Artikel von B. Schnell und N.F. Palmer). Zu ihm vgl. Podlech, Tilmann Joel.

der Ende März 1440 als Mitglied einer Gesandtschaft der Kurfürsten nach Wiener Neustadt kam293, um Friedrich die Nachricht seiner Wahl in feierlicher Form zu überbringen, nachdem sie diesem bereits durch ein Schreiben vom 9. Februar 1440 mitgeteilt worden war. Wie in einem Fürstenspiegel gab Propst Tilmann dem neu gewählten König Ratschläge für seine Amtsführung und sprach die Hoffnung aus, daß sich nun jene alte Weissagung erfüllen möge, die unter der Regierung eines Friedrich höchsten Frieden und vollkommene Ruhe verheiße294. Nicht nur im Jahr der Wahl Friedrichs III. zum König, sondern auch in dem seiner Krönung zum Kaiser beschäftigten die Friedrich-Weissagungen die Zeit­ genossen und wurden zum Mittel der Politik. Jedenfalls berichtet dies Aeneas Sil­ vius Piccolomini, der damalige Berater des Königs und spätere Papst, in seiner Historia Austrialis295: Papst Nikolaus V. habe Bedenken gehabt, Friedrich III. zu krö­ nen, denn er sei von denen, die dem Romzug des Königs voller Sorge entgegenge­ sehen hätten, auf Weissagungen hingewiesen worden, daß sich der dritte Friedrich, sobald er die Herrschaft übernommen habe, dem Klerus gegenüber durch Unduld­ samkeit auszeichnen werde und daß er nicht nur die Kirchen unterdrücken, son­ dern sich auch an der Stadt Rom rächen solle. Dieselben Leute hätten außerdem behauptet, daß der Papst vor dem 20. März sterben oder in Gefangenschaft geraten werde und daß diesbezüglich unter den Kaufleuten von Florenz hohe Wetten abge­ schlossen worden seien. Aeneas Silvius Piccolomini gibt an, ihm sei es mittels eines Briefes gelungen, die Bedenken des Papstes auszuräumen, indem er Nikolaus daran erinnert habe, daß dieser doch selbst Friedrich III. als einen Freund der Kirche kenne. In der Zeit des Schisma habe Friedrich sich als Stütze des Papsttums er­ wiesen, und nirgends gehe es dem Klerus besser als in seinen Erblanden. Im übrigen sei Weissagungen nicht zu trauen. Wenn sie aber doch wahr sein sollten, so sei es unmöglich, die vorausgesagten Ereignisse zu verhindern296. Vielleicht auf der Grundlage dieser Darstellung berichtet Johannes Trithemius (t 1516) in seinen erst nach dem Tod Friedrichs III. verfaßten Annales Hirsaugienses297, Nikolaus V. sei beim feierlichen Mahl nach der Kaiserkrönung auf die Weissagungen über einen dritten Friedrich, der die Kirche verfolgen werde, zu sprechen gekommen. Friedrich III. habe daraufhin betont, daß er der Kirche freundlich gesonnen sei, es aber nicht in seiner Macht stehe, wenn Gott anderes mit ihm vorhabe. Friedrich III. stand den Friedrich-Weissagungen offenbar ablehnend gegen­ über. Im Unterschied zu Friedrich dem Freidigen und Friedrich III. (II.) von Sizilien nannte er sich nicht etwa Fridericus tertius298. Abgesehen davon, daß der Vergleich 293 Vgl. ebd., S. 64 f. 294 Vgl. Deutsche Reichtagsakten unter Kaiser Friedrich III., 1. Abteilung, ed. Herre, Nr. 107, S. 184-191, bes. 189 Zeile 3-9. 295 Aeneas Silvius, Historia rerum Friderici III. imperatoris, ed. Kollár, coi. 188. 296 Ebd., coi. 189-193. 297 Johannes Trithemius, Annales Hirsaugienses, Bd. 2, S. 422 f. Bekanntlich ist diese Chronik mit Verfälschungen durchsetzt, vgl. Staubach, Auf der Suche. 298 Die Erklärung dafür liegt vielleicht auch darin, daß Friedrich III. zwar als Kaiser, aber sein Vor­ fahre Friedrich der Schöne, Rivale und später Mitregent Ludwigs des Bayern, als König der dritte Friedrich war. Allerdings hat Thomas Ebendorfer diesen Umstand in seiner 1451 Fried­ rich III. gewidmeten, danach jedoch noch fortgesetzten Cronica regum Romanorum zunächst ignoriert und erst in deren Kurzfassung berücksichtigt (vgl. Zimmermann, Friedrich, S. 233 f ), und der Aragonese Friedrich III. von Sizilien war ja auch nicht wirklich der dritte sizilische Herrscher dieses Namens, vgl. oben S. 245.

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mit dem geweissagten Friedrich als durchaus zweischneidig der Propaganda seiner Gegner womöglich nur allzu willkommen gewesen wäre, entsprach auch die Politik Friedrichs III. nicht der Vorstellung vom Endkaiser. Friedrich III. war unkriegerisch, kein Mann der Konfrontation. Obwohl er 1436 wie einst sein Vater eine Pilgerfahrt ins Heilige Land machte299 und sich eine Kooperation mit Philipp dem Guten von Burgund (t 1467) angeboten hätte, der mehrmals ernsthafte Anstrengungen zu einem Kreuzzug unternahm300, sah Friedrich III. seine vordringliche Aufgabe als Kaiser selbst dann nicht im Kreuzzug gegen die Türken301302 , als diesen ein Jahr nach Friedrichs Kaiserkrönung die Eroberung von Konstantinopel gelang und sie bald auch seine eigenen Länder direkt bedrohten. Zu dem Friedrich der Weissagungen wollte außerdem kaum passen, daß Friedrich III. das Papsttum im Kampf gegen den Konziliarismus unterstützte, um dadurch die Kaiserkrone zu gewinnen. Nicht zuletzt kommt noch hinzu, daß das von Friedrich III. selbst als seine »Reformation« und daher von den Zeitgenossen als Reformatio Friderici bezeichnete Landfriedens­ gesetz vom 14. August 1442 als Ergänzung zur Goldenen Bulle vor allem das Fehde­ wesen einschränken sollte, also nur einen Teil des Rechtslebens betraf und nicht etwa wie die in den Handschriften häufig mit ihr zusammen überlieferte Reformatio Sigismund?02 eine umfassende Reichsreform zum Ziel hatte303. Zunächst freilich mag die Reformatio Friderici den Zeitgenossen als der Auftakt zu weiteren Reformen und Friedrich selbst als der verheißene Friedensherrscher erschienen sein. Es ist wohl bezeichnend für die Haltung Friedrichs III., daß der Wiener Gelehrte Thomas Ebendorfer (+ 1464), Friedrichs damals noch enger Vertrauter, mit keinem Wort auf die von Propst Tilmann betonte Aktualität der Friedrich-Weis­ sagungen einging, als er am 6. April 1440 in einer Rede304 vor der Gesandtschaft der Kurfürsten die Annahme der Königswahl erklärte. Später, in seiner 1451 Fried­ rich III. gewidmeten Cronica regum Romanorum305, nannte Ebendorfer die Weissa­ gungen über einen Kaiser namens Friedrich oder Karl zu widersprüchlich, als daß sie Glauben verdienten, und empfahl, statt dessen der göttlichen Vorsehung zu ver­ trauen. Vielleicht entsprach er damit der Meinung Friedrichs III. Zur Verdeutli­ chung ihrer Widersprüche ging Ebendorfer aber auf mehrere Weissagungen näher ein. Zuerst wird von ihm das mit den Worten Veniet aquila beginnende Vaticinium über einen Fridericus orientalis zitiert306, das vermutlich 1275 oder 1276 entstand und ursprünglich auf Friedrich den Freidigen, später aber wohl auf Friedrich den Schö­ nen zielte307. Danach erklärt Ebendorfer die »Erdichtungen« des Telesphorus308 über den dritten Friedrich für »ohne Grundlage«309. Trotzdem erwähnt er die beiden 299 Vgl. Lhotsky, Kaiser Friedrich III., S. 130-132. 300 Vgl. Housley, Later Crusades, S. 91-94,101, 107-109, 395, 431-433; H. Müller, Kreuzzugs­ pläne. 301 Zu Friedrichs Haltung in der Kreuzzugsfrage vgl. auch Koller, Der St. Georgs-Ritterorden, S. 422 f.; Mertens, Europäischer Friede, S. 76-78. 302 Vgl. Boockmann, Wirkungen, S. 524. 303 Vgl. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 7, Berlin-New York 1989, col. 1069 f. s.v. >Reformatio Friderici« (Artikel von H. Koller); Koller, Zur Beurteilung. 304 ed. Lhotsky, Königswahl, S. 166-176. 305 Thomas Ebendorfer, Cronica regum Romanorum, ed. Pribram, S. 144. 306 Ebd„ S. 143. 307 Vgl. S. 244. 308 Zu ihm vgl. S. 283 f. 309 Thomas Ebendorfer, Cronica regum Romanorum, ed. Pribram, S. 144.

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Weissagungen über eine sündhafte Wurzel namens Friedrich und einen letzten Kai­ ser Karl310, die Alexander von Roes wiedergibt311, und zitiert als Schluß des sechsten Buches seiner Königschronik auch noch die sich ursprünglich auf Karl VI. von Frankreich beziehende Weissagung312, und zwar in der Bearbeitung, in der es heißt, daß Karl von dem pastor angelicus die Kaiserkrone empfangen und der erste Kaiser nach den Verfolgungen des dritten Friedrich sein werde313. Obwohl Friedrich III. sich nicht mit dem geweissagten Friedrich identifiziert sehen wollte, wurde er von Panegyrikern und Kritikern oder Gegnern doch immer wieder mit diesem verglichen. So setzte - wohl um 1460314- der Dichter Michel Beheim (t 1474-1478)315 in einem seiner vielen Lieder Friedrich III. mit dem ersehn­ ten Friedrich gleich. Er rief den Kaiser dazu auf, ihn nicht Lügen zu strafen und die Prophezeiung wahrzumachen, indem er Ketzer, Juden und Heiden besiege und die Kirche reformiere316. Ähnlich glaubte Rudolf Montigel317 in einem Gedicht voller Zukunftshoffnungen, das er 1474 nach dem Bündnis318 zwischen Herzog Sigmund von Österreich und der Eidgenossenschaft verfaßte, in Friedrich III. den Endkaiser zu sehen, der seinen Schild am »dürren Baum«319 aufhänge, nachdem er mit der Hil­ fe der Eidgenossen Venedig und die Türken besiegt und das Heilige Grab erobert habe320. Kritische Stimmen zogen ebenfalls den Vergleich: 1475 entstand in einer süd­ deutschen Stadt ein Gedicht321, dessen Verfasser besonders ausgiebig auf die Fried­ rich-Weissagungen Bezug nahm. Dabei berief er sich auf eine Cretensische, die Erythraeische und die Tiburtinische Sibylle322, die er vielleicht nur aus einer von ihm zitierten Schrift des Johannes Lichtenberger kannte323, und behauptete, daß Friedrich III. die Ordnung in Kirche und Reich wiederherstellen werde. Der Kaiser wurde dazu aufgerufen, mit dem Schwert in der Hand die Türken zu verjagen und nicht wieder wie im Falle der Belagerung von Neuss (1475 durch Karl den Kühnen) die Schlacht zu vermeiden324. Um den Kampf gegen die Türken geht es auch in einem »Maueranschlag wider Kaiser Friedrich III.«325, der 1470 in Wien und dann vielleicht nochmals 1478 in Graz 310 311 312 313 314 315 316 317 318 319 320 321

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Vgl. ebd. Vgl. S. 241. Thomas Ebendorfer, Cronica regum Romanorum, ed. Pribram, S. 149. Vgl. S. 299. Vgl. U. Müller, Untersuchungen, S. 259. Vgl. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 1, Berlin-New York 1978, col. 672-680 s.v. Beheim, Michel (Artikel von U. Müller). Vgl. Michel Beheim, Gedichte, ed. Gille und Spriewald, Bd. 1, Nr. 116, S. 424-428. Vgl. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 6, Berlin-New York 1987, col. 682 f. s.v. Montigel, Rudolf (Artikel von F. Schanze). Vgl. Sieber-Lehmann, Nationalismus, S. 97,109L, 130 und 253. Zum Motiv des »dürren Baumes« vgl. S. 254-260. Vgl. v. Lilienchron, Volkslieder, Bd. 2, Nr. 129, S. 23-27, bes. S. 26. Vgl. ebd., Nr. 134, S.45-58, bes. S. 56-58; dazu: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasser­ lexikon, Bd. 5, Berlin-New York 1985, col 62f. s.v. »Vorn kölnischen Krieg« (Artikel von U. Müller). Vers 510,520 und 569. Vgl. Vers 606 und 1-14; dazu: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 5, Berlin-New York 1985, col. 772 s.v. Lichtenberger, Johannes (Artikel von D. Kurze). Vers 580-582. ed. Zahn, Maueranschlag. Vgl. auch die Textauszüge bei Joachimsohn, Pamphlet, S. 352-355; Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 9, Berlin-New York 1995, col. 1167 f. s.v. »Türkenmahnung an Kaiser Friedrich III.« (Artikel von F. Schanze).

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erschien326, nachdem die Türken in die Steiermark eingefallen waren. Seine Auffor­ derung, Friedrich möge nun endlich vom Schlaf aufstehen327, zielte vielleicht auf die bekannte Neigung des Kaisers, lange zu schlafen, sollte vielleicht aber auch an den wie aus dem Rausch zum Kampf gegen die Muslime erwachenden Endkaiser des Ps.-Methodios erinnern. In einem Gedicht, das den Reichstag von Regensburg zu Maßnahmen gegen die Türken veranlassen sollte, forderte 1471 auch Ulrich Höpp den Kaiser auf, nicht zu schlafen. Er spielte auf mehrere Weissagungen an, die Friedrich III. günstig wa­ ren, und hoffte, daß sich der Kaiser im Kampf gegen die Türken als der erwartete Friedrich erweisen möge328.1471 auch wurde zu Beginn des Reichstags von Regens­ burg am dortigen Marktturm ein Zettel angeschlagen, dessen Verfasser seinem Zweifel Ausdruck gab, daß der in seinen Regierungsgeschäften allzu langsame Kai­ ser wirklich »der recht«, also der geweissagte Friedrich, sei329. Trotz wachsender Zweifel gab es aber sogar noch 20 Jahre später Leute, die fest davon überzeugt waren, daß es Friedrich III. oder - noch zu dessen Lebzeiten einem anderen christlichen Fürsten gelingen werde, Jerusalem zu erobern. Dies zeigt die Wette zweier Nürnberger Bürger im Jahre 1492330. Der angeblich aus der Feder von Dominikanern stammende Tractatus quidam de Tureis,331 der 1474 in Rom und 1481 in Nürnberg gedruckt wurde, bestreitet dagegen ganz entschieden, daß Friedrich III. der erwartete Sieger über die Türken sein wer­ de, weil die maßgeblichen Weissagungen über ihn negativ seien und er nicht einmal seine eigenen Untertanen vor den Einfällen der Türken habe schützen können. Der Kaiser sei zwar nicht die Ursache, aber während seiner Regierung werde es zu den vorausgesagten schrecklichen Ereignissen kommen. Dem Traktat zufolge sollte aber nicht etwa der französische König der geweissagte Sieger über die Türken sein, sondern einer von den »kleinen« Königen der Christen, vielleicht der König der Ungarn, also Matthias Corvinus. Von Interesse sind in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen des Zister­ ziensers Adrien de But (t 1488) aus Flandern332, der zum Jahr 1449 in seiner Chronik unter Hinweis auf die vielen früheren Christenverfolgungen und die nicht weniger häufigen Schismen in der Kirche darzulegen versuchte, daß Friedrich III. entgegen mancher Mutmaßung nicht der am Ende der Zeiten regierende Antichrist sei333. Zum Tod Friedrichs III. im Jahr 1493 schrieb Stefano Infessura in seinem »Tage­ buch«: ... mortuus fuit imperator Federicus, et cum eo perierunt omnes prophetiae ,..334. Diese Behauptung sollte sich als vorschnell erweisen, denn bereits Friedrichs III. Sohn Maximilian, der nicht nur die Kaiserkrone, sondern auch die Tiara erstreb­ 326 Zur Datierung vgl. Joachimsohn, Pamphlet, S. 355 f. 327 ed. Zahn, Maueranschlag, S. 57; Joachimsohn, Pamphlet, S. 352. Vgl. Peter von Andlau in sei­ nem Friedrich III. gewidmeten Libellus de cesarea monarchia, ed. Hürbin, S. 215: Exurge igitur jam tandem, qui dormis. 328 Vgl. v. Liliencron, Volkslieder, Bd. 2, Nr. 126, S. 3-9, bes. Vers 29-31,193-195 und 309-314. 329 Vgl. den Text bei Boockmann, Wirkungen, S. 135 Anm. 86. 330 Vgl. Toch, Nürnberger Mittelschichten, S. 8, und den Quellenanhang in dem demnächst er­ scheinenden Aufsatz von F. Fuchs und W. Hartmann über Friedrich III. (vgl. oben Anm. 287). 331 Vgl. v. Bezold, Kaisersage, S. 593-595; Reeves, Influence, S. 335-337. 332 Vgl. Dictionnaire d'histoire et de géographie ecciésiastiques, Bd. 10, Paris 1938, col. 1436 s.v. But, Adrien de (Artikel von J.-M. Canivez). 333 Vgl. Adrien de But, Chronique, ed. Kervyn de Lettenhove, S. 305-308. 334 Stefano Infessura, Diario, ed. Tommasini, S. 292 f.

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te335, wurde 1518 von Jörg Graff unter Berufung auf (Ps.-)Methodios als der Jerusa­ lem erobernde Endkaiser gefeiert, wobei Graff auf das oben erwähnte Gedicht des Ulrich Höpp von 1471 zurückgriff und Maximilian aufforderte, nicht zu schlafen336. Aber nachdem sich die Friedrich-Weissagungen unter der langen Regierung Fried­ richs III. nicht erfüllt hatten, hielt wohl nicht nur Johannes Trithemius sie alle für falsch und mochte sie nicht auf einen späteren Kaiser beziehen337. Andere, die am Kem der Weissagungen kaum zweifelten, machten teilweise immerhin Zugeständ­ nisse. So änderte ein Bearbeiter in dem 1516 zu Venedig gedruckten Libellus des Telesphorus die Jahresangaben und bezeichnete den vermeintlich letzten Kaiser deutscher Herkunft nicht mehr als den dritten Friedrich338. Obwohl er so gut wie alle mit seinem Namen verbundenen Erwartungen enttäuscht hatte, unterstellte man Friedrich III. erstaunlicherweise Jahrzehnte nach seinem Tod den Versuch einer umfassenden Reichsreform. Freilich ist die 1523 gedruckte, aber angeblich schon 1441 entstandene »Reformation Friedrichs III.«339 von ihren Forderungen her nicht mit der deutlich radikaleren Reformatio Sigismundi oder dem »Buch der hundert Kapitel« des sogenannten Oberrheinischen Revolu­ tionärs auf eine Stufe zu stellen340, obwohl sie ebenfalls die Kirche enteignen möchte. Auch ruhen die Hoffnungen des Verfassers nicht auf dem Kaiser, von dem kaum die Rede ist, sondern auf den Ständen. Während der Reformationszeit glaubten die Lutheraner, den Endkaiser in dem sächsischen Kurfürsten Friedrich dem Weisen gefunden zu haben, der 1493 eine Pil­ gerfahrt nach Jerusalem341 unternommen hatte. In seiner Schrift »Vom Mißbrauch der Messe« sah Martin Luther 1521 die Weissagung vom Endkaiser Friedrich durch Friedrich den Weisen erfüllt, weil dort mit dem Heiligen Grab die Heilige Schrift gemeint sei, deren Wahrheit Friedrich der Weise wieder habe aufblühen lassen (wie den »dürren Baum«)342. Mehrere Beispiele belegen, daß diese Auffassung von Luthers Anhängern, die in dem Reformator teilweise den Engelpapst sahen343, noch Jahrzehnte später geteilt wurde344.

Die deutsche Sibyllen-Weissagung

Den Namen Friedrich, der vom Wort her wie kein anderer auf Frieden hoffen ließ, trägt der letzte Herrscher in der Endkaiser-Weissagung vielleicht erstmals in den jüngeren Versionen des aus dem 14. Jahrhundert stammenden Sibyllen-Liedes345, 335 Um als Papst oder Gegenpapst die deutsche Kirche von Rom zu lösen und an sich zu bringen, vgl. Wiesflecker, Neue Beiträge; ders., Maximilian I., Bd. 4,S. 91-95. 336 Vgl. v. Liliencron, Volkslieder, Bd. 3, Nr. 306, S. 212-216, bes. Vers 116-184. 337 Vgl. Johannes Trithemius, Annales Hirsaugienses, Bd. 2, S. 423; ders., Catalogus scriptorum ecclesiasticorum, fol. 76' s.v. Ioachim abbas. 338 Vgl. Donckel, Telesforus, S. 43 f. 339 Zu ihr vgl. Arnold, Reichsherold. 340 Vgl. S. 260-266. 341 Vgl. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 2, Berlin-New York 1980, col. 965f. s.v. »Friedrichs des Weisen Jerusalemfahrt< (Artikel von D. Huschenbett). 342 Vgl. Martin Luther, Werke, Bd. 8, S. 475f. (lateinische Fassung) und S. 561 f. (deutsche Fassung). 343 Vgl. S. 288. 344 Vgl. Preuss, Martin Luther, S. 26f.; Reeves, Influence, S. 373. 345 Vgl. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 8, Berlin-New York 1992, col. 1142-1145 s.v. Sibyllenweissagungen (Artikel von B. Schnell und N.F. Palmer).

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einer auf deutsch verfaßten strophischen Weissagung im kurzen Ton (Hofton des Marner). Von ihm sind vier Versionen erhalten, die eine Länge von 5,12, 17 (bezie­ hungsweise 18) und 19 Strophen haben346. Insgesamt sind sechs Handschriften be­ kannt. Die älteste stammt aus der Zeit um 1400. Keine ist älter als das in ihnen mit 1321, 1361 oder 1390 angegebene Datum des Weitendes! In der Handschrift Mün­ chen Cgm 42Ó347 ist die das Weitende für 1361 ankündigende Version des SibyllenLiedes in den Schlußteil einer Konstanzer Weltchronik aufgenommen, die über das vermeintliche Weitende hinaus bis zum Jahr 1383 reicht348. In den beiden älteren und kürzeren Versionen, die noch nicht die EndkaiserWeissagung enthalten, wird König Salomon durch eine Sibylle, welche die Züge der Königin von Saba trägt349, vorausgesagt, daß der Herrscher F (Friedrich der Schöne von Österreich) den Herrscher L (Ludwig den Bayern) nach siebenjährigem Kampf besiegen werde und daß 1321 das Ende der Welt zu erwarten sei - Friedrich der Schöne erscheint so als der letzte römisch-deutsche König oder Kaiser, ohne daß die Endkaiser-Weissagung auf ihn bezogen wird350. Da die Auseinandersetzung zwi­ schen Friedrich und Ludwig im Herbst 1314 begann und am 28. September 1322, erst nach acht Jahren, mit Friedrichs Niederlage in der Schlacht von Mühldorf en­ dete, es sich also um eine unzutreffende, aber wirkliche Voraussage handelt, ent­ standen die beiden älteren Versionen des Sibyllen-Liedes vermutlich in den sechs Jahren vor dem Weissagungsjahr 1321351. Die beiden jüngeren Versionen von 17 (beziehungsweise 18) und 19 Strophen Länge wurden nach 1322 und vielleicht erst nach dem Tod Friedrichs des Schönen (+1330), aber vor 1361 und 1390 geschrieben, da in ihnen Ludwig der Bayer zum Sieger über Friedrich den Schönen erklärt352 und das Weitende für 1361 beziehungs­ weise 1390 angekündigt wird353. Nur in diesen beiden Versionen des Sibyllen-Lie­ des findet sich die Endkaiser-Weissagung, die ihren Schluß bildet354. Es heißt dort, ein Friedrich genannter (letzter) Kaiser - also wohl ein dritter Friedrich - werde das Heilige Grab gewinnen und seinen Schild an einen »dürren Baum« hängen, der dar­ aufhin als Zeichen einer guten Zeit wieder zu grünen beginne. Der Glauben bezie­ hungsweise die Kraft der Juden finde ein Ende, und von der Geistlichkeit bleibe nur der siebente Teil bestehen. Der Endkaiser soll auf Golgatha also nicht seine Krone niederlegen, um auf diese Weise Gott die Macht zu übergeben. Auch markiert die Schildaufhängung nicht etwa den Beginn der Herrschaft des Antichrist. Bemerkens­ werterweise ist von ihr bereits unmittelbar vor dem Auftritt des Endkaisers die 346 Die beiden längeren Versionen sind nach je einer Hs. gedruckt bei Neske, Sibyllenweissagung, S. 324-330 und 317-323. 347 ed. Neske, ebd., S. 324-330. 348 Vgl. Haeusler, Ende der Geschichte, S. 133 f. 349 Zur Bezeichnung der Königin von Saba als Sibylle vgl. Dronke, Medieval Sibyls, S. 598 f.; Chastel, Reine de Saba, Revue de l'histoire des religions 120 (1939) S. 165 f. 350 Entgegen Schultheiss, Volkssage, S. 54. Schultheiss konnte noch nicht zwischen den verschie­ denen Versionen des Sibyllen-Liedes unterscheiden. 351 Neske, Sibyllenweissagung, S. 41, und B. Schnell, in: Die deutsche Literatur des Mittel­ alters. Verfasserlexikon, Bd. 8, Berlin-New York 1992, col. 1143, datieren zu eng auf 1320 oder 1321. 352 ed. Neske, Sibyllenweissagung, S. 326 und 319 f. Die Aktualisierung wurde im Sibyllen-Lied aber nicht konsequent durchgeführt, vgl. ebd., S. 7f. 353 Ebd., S. 325 f. und 320. 354 Ebd., S. 330 und 323.

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Rede355 und nicht erst danach. Die Endkaiser-Weissagung des Sibyllen-Liedes weist also gleich mehrere neue Züge auf. Eine wichtige Rolle spielt der Endkaiser Friedrich auch in den fünf mit ab­ nehmendem Alter immer längeren Hauptredaktionen356 des sogenannten SibyllenBuches357, einer paarzeilig gereimten Geschichte der Menschheit in deutscher Sprache, die dem Werk des Ps.-Methodios vergleichbar ist. Sie war offensichtlich weiter verbreitet als das Sibyllen-Lied, denn von ihr sind 39 vollständige, teilweise als selbständige kleine Bücher erhaltene Handschriften und fünf Fragmente bekannt. Außerdem erschien sie bis zum Jahre 1517 in 15 Drucken358. Die ältesten und auch die meisten Handschriften des Sibyllen-Buches stammen aus dem 15. Jahrhundert359. Wie im Falle des Sibyllen-Liedes ist keine älter als das mit 1361 angegebene Datum des Weitendes! Wegen des in seinen sämtlichen Redak­ tionen enthaltenen Hinweises auf Karl (IV.)360 dürfte das Sibyllen-Buch nach dem Oktober 1347, dem Todesmonat Ludwigs des Bayern, aber vor dem Tod Karls IV. am 29. November 1378 entstanden sein, weil sich über die Regierungszeit Karls IV. hinaus in keiner Redaktion eine zuverlässige historische Aussage findet, die eine noch spätere Datierung verlangt361. Da das Weitende für 1361 vorausgesagt ist362, wurde das Sibyllen-Buch entgegen Neske wohl eher vor als nach 1361 verfaßt. Freilich zeigt die Übernahme des Sibyllen-Liedes in die erwähnte Konstanzer Welt­ chronik, daß das Sibyllen-Buch auch nach 1361 entstanden sein könnte. Wie in dem Sibyllen-Lied handelt es sich bei der Endkaiser-Weissagung des Sibyllen-Buches um die Weissagung einer die Züge der Königin von Saba tragenden Sibylle, die diese König Salomon gemacht haben soll. Es heißt363, ein Friedrich genannter (letzter) Kaiser werde für die Ehre Gottes streiten und das Heilige Grab gewinnen. Wenn er an den dort stehenden großen »dürren Baum« seinen Schild hänge, so werde dieser wieder zu grünen beginnen und es folgten Jahre allge­ meinen Wohlstands. Außerdem bekehrten sich Juden und Heiden zum Christen­ tum und die (zuvor kritisierte)364 Geistlichkeit gewinne ihr Ansehen im Volk zurück. Danach erscheine der Antichrist. Im Unterschied zum Sibyllen-Lied sollte dessen Herrschaft also auf diejenige des Endkaisers folgen, wie dies der traditi­ onellen Vorstellung entsprach. 355 Ähnlich wie in dem syrischen Weissagungsfragment, vgl. S. 108 und 110 f. 356 Zu diesen kommen noch mehrere verkürzte oder erweiterte Redaktionen und einige mit von der Hauptüberlieferung abweichenden Zügen, vgl. Neske, Sibyllenweissagung, S. 216-219 und 223. 357 Zum Inhalt der fünf Hauptredaktionen vgl. ebd., S. 2-4. Die längste Redaktion ist ediert von Neske, ebd., S. 250-300. Vgl.auch den Druck zweier niederdeutscher Hss. durch Mante, Sibyllen-Weissagung. 358 Vgl. Neske, Sibyllenweissagung, S. 50-52 und 119 f.; Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 8, Berlin-New York 1992, col. 1145 und 1148 s.v. Sibyllenweissagungen (Artikel von B. Schnell und N.F. Palmer). 359 Vgl. Neske, Sibyllenweissagung, S. 45. 360 Vgl. ebd., S. 41 und 269 Vers 384. 361 Vgl. ebd., S. 43 f. Zur Person des Vfs. vgl. die Beobachtungen von Neske, ebd., S. 47-49 und 245; kritisch dazu: B. Schnell, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 8, Berlin-New York 1992, col. 1148 s.v. Sibyllenweissagungen. 362 Vgl. ed. Neske, Sibyllenweissagung, S. 266 f. Vers 332 und 343. 363 Ebd. S. 274-276 Vers 497-524. 364 Vgl. ebd., S. 273 f. Vers 478-482: nur ein Siebentel der Pfaffen werde als Strafe Gottes bestehen bleiben.

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Trotzdem ist das Sibyllen-Lied als Quelle des Sibyllen-Buches zu betrachten365366 . Auch der zuvor gegebene Katalog der Vorgänger Ludwigs des Bayern scheint aus dem Sibyllen-Lied übernommen, dessen Verfasser sich dabei vielleicht auf jene Version der Tiburtina stützte, die in der Donaueschinger Handschrift 432360 erhalten ist367. Die Weissagung über den Friedrich genannten Endkaiser ist auch das Thema eines aus dem 15. Jahrhundert in drei Handschriften368 überlieferten Liedes im Grauen Ton369, das früher dem um 1300 lebenden Sangspruchdichter Regenbogen370 zugeschrieben wurde371, vermutlich aus den späteren Jahren Ludwigs des Bayern (+1347) stammt372 und somit vielleicht noch vor den beiden die Endkaiser-Weis­ sagung enthaltenden jüngeren Versionen des Sibyllen-Liedes entstand. Ohne daß eine direkte Abhängigkeit vom Sibyllen-Lied besteht373, behauptet der Verfasser des Liedes im Grauen Ton: Wenn die Not im Kampf der beiden Häupter der Christen­ heit am größten sei, erscheine (der wiedergekehrte oder dritte) Kaiser Friedrich, befreie das Heilige Grab und hänge seinen Schild an den alsbald wieder grünenden »dürren Baum«. Für alle seine Untertanen gelte dann wieder gleiches Recht. Von der Geistlichkeit bleibe kaum der siebente Teil bestehen, die Klöster würden zerstört (und deren Besitz verteilt?374) und die Nonnen verheiratet, so daß sie Wein oder Ge­ treide anbauen müßten. Dann brächen gute Jahre an. Es fällt auf, wie undeutlich im Vergleich zum Sibyllen-Lied und Sibyllen-Buch der Bezug zur Endzeit ist. Zwar sollen sich Friedrichs Herrschaft auch die Heiden und Juden beugen, von ihrer Bekehrung zum Christentum ist aber nicht expressis verbis die Rede, und der Anti­ christ bleibt gänzlich unerwähnt. Indem der Endkaiser in diesem Lied im Grauen Ton als Reformer erscheint, wird in der Endkaiser-Weissagung erstmals konkrete Kritik an den bestehenden Ver­ hältnissen geübt. Sie entfaltet sich an der Kirche, ohne deren Reform die Herbei­ führung eines Idealzustandes auf Erden nun offenbar kaum noch denkbar schien375. 365 Vgl. ebd„ S. 5-8,10 f. und 324-330. 366 ed. Vogt, Sibyllen Weissagung, S. 86 f. Vgl. zu dieser Version der Tiburtina unten S. 353. Die in der Donaueschinger Hs. vorliegende Redaktion ist wohl erst unter Kaiser Karl IV. entstanden, die ursprüngliche Redaktion dieser Version der Tiburtina aber vielleicht bereits während des Kampfes zwischen Friedrich dem Schönen und Ludwig dem Bayern, vgl. Vogt, Sibyllen Weis­ sagung, S. 88. 367 Vgl. Neske, Sibyllenweissagung, S. 20-22; B. Schnell, in: Die deutsche Literatur des Mittel­ alters. Verfasserlexikon, Bd. 8, Berlin-New York 1992, col. 1141 f. und 1144. Angesichts des bei beiden Quellen gegebenen Datierungsspielraums ist aber die umgekehrte Abhängigkeit nicht auszuschließen. 368 Zu den drei Hss. München Cgm 351, 1018 und 5198 vgl. Schanze, Liedkunst, Bd. 2, S. 197f. und 83-88, 208 und 133-135 sowie 210 und 122-133. 369 Vgl. Repertorium der Sangsprüche, Bd. 5, S. 77f. (Regb/2/43a-c); Minnesinger, ed. von der Hagen, Bd. 3, S. 349. 370 Zu seiner Person vgl. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 7, BerlinNew York 1989, col. 1077-1087 s.v. Regenbogen (Artikel von F. Schanze). 371 So auch durch Schultheiss, Volkssage, S. 55. 372 So Schultheiss, ebd.; Töpfer, Reich des Friedens, S. 177; Vogt, Sibyllen Weissagung, S. 76 f., unter Hinweis auf den Kampf Ludwigs des Bayern mit dem Papsttum. 373 Vgl. Schanze, Liedkunst, Bd. 1, S. 67 Anm. 99; Die deutsche Literatur des Mittelalters. Ver­ fasserlexikon, Bd. 8, Berlin-New York 1992, col. 1144L s.v. Sibyllenweissagungen (Artikel von B. Schnell und N.F. Palmer). 374 Wie bei dem Dominikaner Arnold, vgl. S. 218 f. und 257 f. 375 Wie auch die Engelpapst-Weissagung zeigt, vgl. S. 269-290.

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Bemerkenswerterweise spielt der Papst aber keine Rolle, wird also nicht etwa wie in der Epistola de correctione ecclesiae des Dominikaners Arnold376 mit dem Antichrist identifiziert. In dem Bericht des Franziskaners Johannes von Winterthur (+ nach 4. Juni 1348) über die Friedrich-Erwartung seiner Zeitgenossen377 erscheint der Kaiser nicht nur als Verfolger - und damit aus Sicht seiner Anhänger als Reformer - der Kirche, son­ dern auch als Reformer der Gesellschaft. Man hatte offenbar erkannt, daß nicht al­ lein in der kirchlichen Ordnung die Ursache aller Mißstände lag378, und begnügte sich nicht länger mit der bloß allgemeinen Hoffnung auf Frieden und Überfluß379. Interessanterweise verband sich die Hoffnung auf Reformen eher mit der Erwar­ tung der Wiederkehr Friedrichs II. als mit der Erwartung des Erscheinens eines drit­ ten Friedrich380. Vielleicht ist in diesem Umstand ein Echo auf jene Hoffnungen zu sehen, die Teile der Bevölkerung von Neuss und Wetzlar auf Dietrich Holzschuh, den 1285 als Ketzer verbrannten falschen Friedrich, gesetzt hatten381. Gestützt auf die Flores temporum382, schreibt Johannes von Winterthur zum Tode Friedrichs II., noch 40 Jahre danach hätten viele Menschen Wetten darauf ab­ geschlossen, daß der Kaiser noch lebe und demnächst wiederkehren werde383. An späterer Stelle, zum Jahr 1348, geht er dann näher auf die von ihm scharf kritisierte Friedrich-Erwartung der Deutschen ein384. Er berichtet, die verschiedensten Men­ schen hätten geglaubt, daß Friedrich II. nach Gottes Ratschluß mit großer Macht wiederkehren werde, um die verkommene Kirche zu reformieren, selbst wenn er zuvor in tausend Stücke geteilt, ja sogar zu Asche verbrannt worden wäre385. Ähn­ lich dem Lied im Grauen Ton heißt es bei Johannes von Winterthur außerdem, die Leute erwarteten, daß der Kaiser die Nonnen und die sorores in seculo degentes386 ebenso zur Ehe zwingen werde wie die Mönche. Noch darüber hinaus jedoch sollte Friedrich nicht nur den Waisen, Witwen und (anderen) Beraubten ihr geraubtes Gut zurückgeben387 und überhaupt allen Menschen volle Gerechtigkeit widerfahren las­ sen, sondern auch die armen Frauen mit reichen Männern und die reichen Frauen mit armen Männern verheiraten, also alle sozialen Unterschiede ausgleichen388. 376 Vgl.S. 219. 377 Entgegen Hosp, Ketzertum, S. 166-168, und Schultheiss, Volkssage, S. 61-68, läßt sich schwer­ lich behaupten, daß die Friedrich-Erwartung unter Ketzern besonders groß war, vgl. Töpfer, Reich des Friedens, S. 181. Ihm folgt Lerner, Free Spirit, S. 236f. Die siidfranzösischen Katha­ rer haben freilich zu Beginn des 14. Jahrhunderts in letzter Verzweiflung auf einen dritten Friedrich gehofft, vgl. oben S. 247. 378 Vgl. Töpfer, Reich des Friedens, S. 179. 379 Ebd.,S. 181. 380 Ebd., S. 180. 381 Vgl.S. 236und 238. 382 Flores temporum, ed. Holder-Egger, MGH SS 24, S. 241; zu dieser Quelle vgl. Die Literatur des deutschen Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 2, Berlin-New York 1980, col. 753-758 s.v. »Flores temporum< (Artikel von P. Johanek). 383 Vgl. Johannes von Winterthur, ed. Baethgen und Brun, MGH SS rer. Germ., Nova series, 3, S. 12. 384 Vgl. ebd., S. 280 f. 385 Offenbar ein Echo auf den 1285 verbrannten Dietrich Holzschuh. 386 Damit könnten die Beginen gemeint sein, vgl. Hosp, Ketzertum, S. 164; Schultheiss, Volks­ sage, S. 59; Töpfer, Reich des Friedens, S. 181 Anm. 116. 387 Im Gegensatz zum Dominikaner Arnold (vgl. S. 218 f.) ist vom Kirchengut keine Rede. Nicht zuletzt aber ist es wohl auch gemeint. 388 Das Motiv des sozialen Ausgleichs läßt sich auf orientalisch-christlicher und byzantinischer Seite schon viel früher nachweisen, vgl. S. 311-313.

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Zudem sollte der Kaiser die ihre Tonsur verbergenden389 Geistlichen und besonders die Franziskaner grausam verfolgen, weil sie seinerzeit gegen ihn auf der Seite des Papstes gestanden hatten. Für das Ende seiner Herrschaft erwartete man, daß Fried­ rich mit einem großen Heer über das Meer fahren und auf dem Ölberg390 vel apud arborem aridam391 abdanken werde. Die Befreiung des Heiligen Grabes ist in dem Bericht des Johannes von Winterthur wohl ebenso stillschweigend vorausgesetzt wie das anschließende Weitende und damit der endzeitliche Bezug. Das Motiv der Kirchenreform durch den Endkaiser Friedrich kann verschieden erklärt werden: Vor allem ist darauf hinzuweisen, daß bereits Friedrich II. selbst eine tiefgreifende Reform der Kirche angekündigt hatte392 und er in der Epistola de correctione ecclesiae des Dominikaners Arnold393 als endzeitlicher Kirchenreformer erschienen war. Eine Reform der Kirche und des Reiches durch den Endkaiser hatte zudem schon die durch Alexander von Roes mitgeteilte Weissagung auf Karl von Anjou in Aussicht gestellt394, und nicht zuletzt könnte auch die Konkurrenz zur Engelpapst-Weissagung395 bewirkt haben, daß das Thema der Kirchenreform Ein­ gang in die Weissagung vom Endkaiser Friedrich fand. Das Motiv des seinen Schild am »dürren Baum« aufhängenden Endkaisers wurde wohl kaum bereits zu seinen Lebzeiten auf Friedrich II. bezogen, denn es läßt sich erstmals nicht schon in einer während des Fünften Kreuzzuges umlaufenden Weissagung nachweisen396, sondern erst an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhun­ dert, nämlich bei dem Wiener Arzt Heinrich von Neustadt. Im dritten Buch seines Gedichtes »Gottes Zukunft« schreibt er, ein König von Frankreich, der die Krone von Rom trage, werde das Heilige Grab gewinnen und sieghaft gegen Babylon zie­ hen. An den »dürren Baum« werde er seinen Schild hängen und außer Ägypten auch andere Länder des Nahen Ostens erobern. Nachdem sich Heiden und Juden zum Christentum bekehrt hätten, danke er auf dem Ölberg ab, indem er seine Krone niederlege. Dann breche die Herrschaft des Antichrist an397. Abgesehen davon, daß der Endkaiser ein französischer Herrscher und sein Na­ me nicht etwa Friedrich sein soll, gilt es zu beachten, daß die Schildaufhängung bei Heinrich von Neustadt deutlich von der Abdankung unterschieden ist, während es bei dem etwa gleichzeitig schreibenden Engelbert von Admont ähnlich wie bei dem etwas späteren Johannes von Winterthur398 heißt, der französische Endkaiser werde am »dürren Baum« abdanken, indem er dort Szepter, Krone und Schild niederlege399. 389 Vgl. die Parallele zur Columbinus-Weissagung, oben S. 242. 390 Also wie bei Adso. 391 Dieses kann entweder bedeuten »auf dem Ölberg oder beim dürren Baum« oder aber »auf dem Ölberg und zwar beim dürren Baum«. 392 Vgl. S. 215. 393 Vgl. S. 218 f. 394 Vgl. S. 296. 395 Vgl. S. 272-277. 396 Vgl. S. 189 Anm. 35. Das Motiv findet sich auch im Werk Oswalds des Schreibers, das jedoch nur derart ungenau zu datieren ist, daß eine chronologisch korrekte Einordnung in die Ent­ wicklungsgeschichte der Friedrich-Erwartung unmöglich wird, vgl. Schultheiss, Volkssage, S. 51-53: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 7, Berlin-New York 1989, col. 132 s.v. Oswald der Schreiber (Artikel von D. Huschenbett). 397 Vgl. Heinrich von Neustadt, Gottes Zukunft, ed. Singer, S. 411 f. Vers 5396-5461. 398 Vgl. oben. Von Szepter, Krone oder Schild ist bei Johannes von Winterthur freilich ebensowenig die Rede wie von einem französischen Endkaiser. 399 Vgl. S. 201.

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Zwar gab es also das Motiv der Abdankung des Endkaisers am »dürren Baum«, aber die Schildaufhängung wurde nicht als Zeichen der Abdankung verstanden. Ganz klar bezeichnet sie auch im Sibyllen-Lied, Sibyllen-Buch und Lied im Grau­ en Ton nicht etwa das Ende, sondern den Beginn einer sich über die ganze Welt er­ streckenden Herrschaft des Friedens. Eine derartige Interpretation lieferte um 1364400 auch Johannes von Hildesheim (t 1375) in seiner weit verbreiteten401402 Historia trium regum*02. Wie in dem Lied im Grauen Ton wurde die Schildaufhängung wohl vor allem als Zeichen der Gerichtsbarkeit verstanden403. Der erstmals 1188 oder 1189 in einem angeblichen französischen Gesandt­ schaftsbericht aus Byzanz404 und dann auch in dem Buch des Sidrac405 erwähnte »dürre Baum«406 ersetzt in der Weissagung vom Endkaiser Friedrich das Heilige Kreuz der traditionellen Endkaiser-Weissagung. Wie dieses soll er im Sibyllen-Buch beim Heiligen Grabe stehen. Sein Vorbild ist im Kreuzholz oder in jener Eiche oder Terebinthe von Mamre (bei Hebron) zu sehen, bei der Abraham sein Zelt auf­ geschlagen und einen Altar gebaut haben soll407. Laut Petrus Comestor wurde ihm bei diesem Baum, den man später seit Christi Tod verdorrt glaubte408, die Welt­ herrschaft verheißen409. Eine Lokalisierung in oder bei Jerusalem legen auch das Sibyllen-Lied und das Lied im Grauen Ton nahe, während es bei Johannes von Winterthur unklar bleibt, ob der »dürre Baum« auf dem Ölberg oder anderswo stehen soll410. In dem angeb­ lichen französischen Gesandtschaftsbericht und im Buch des Sidrac ist der »dürre Baum« offenbar noch östlich von Bagdad zu lokalisieren. Ludolf von Sudheim (Suchern)411, der um 1350 schrieb, glaubte den »dürren Baum«, »von dem man sagt, 400 Vgl. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 4, Berlin-New York 1983, col. 642 s.v. Johannes von Hildesheim (Artikel von F. J. Worstbrock und S.C. Harris). 401 Mindestens 64 Hss. des 14. und 15. Jhs. sind erhalten, vgl. ebd., col. 643. 402 Johannes von Hildesheim, Historia trium regum, cap. 44, ed. Horstmann, S. 299. 403 Vgl. Kampers, Kaiserprophetieen, S. 137; Schultheiss, Volkssage, S. 61. Zu weiteren Inter­ pretationsmöglichkeiten vgl. Prasser, Zukunftsschlacht, S. 182-189. 404 Vgl. S. 174. Es heißt dort, einer byzantinischen Weissagung zufolge sollten die Franken das Hei­ lige Grab befreien, Bagdad erobern und jenseits des »dürren Baumes« ihre Zelte aufschlagen. Tatsächlich findet sich auch auf byzantinischer Seite eine derartige Vorstellung. In der wohl aus dem 13. oder 14. Jh. stammenden »Letzten Vision des Propheten Daniel« wird vorausgesagt, ein byzantinischer Herrscher armer Herkunft werde einen Teil der Ismaeliten mit dem Schwert schlagen, einen anderen taufen und den dritten bis zum »Einbaum« verfolgen, vgl. Schmoldt, Daniel, S. 134-136 (ed.) und 135-137 (fr.). Schmoldt, ebd., S. 154, überlegt, ob mit »Monodendros« nicht ursprünglich eine Stadt gemeint war. Zur Datierung der »Letzten Vision des Pro­ pheten Daniel« vgl. Schmoldt, ebd., S. 262f. sowie 157,159,163f., 165f., 174,179,181 und 184; Pertusi, Fine, S. 111-127, bes. 115. 405 Vgl. S. 201. 406 Zur Vorstellung vom »dürren Baum« vgl. Pelliot, Notes, Bd. 2, S. 627-637. Der Artikel von Peuckert, in: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Bd. 2, Berlin-Leipzig 1929-1930, col. 506-513 s.v. dürrer Baum, weist viele Fehler auf. 407 Vgl. Genesis 13,18. Zur Abrahamseiche in christlichen Pilgerberichten vgl. Mader, Altchrist­ liche Basiliken, S. 48-57,82-103 und 150 f. 408 Erstmals in dem früher fälschlich (vgl. Pelliot, Notes, Bd. 2, S. 634) Odorich von Pordenone zugeschriebenen Liber de Terra Sancta, cap. 46, ed. Laurent, S. 154, und dann bei Jean de Man­ deville und Johann Schiltberger, vgl. unten S. 260. 409 Vgl. Petrus Comestor, Historia scholastica, Liber Genesis, cap. 45, Migne PL 198, col. 1093 D. 410 Vgl. S. 258. 411 Vgl. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 5, Berlin-New York 1985, col. 984-986 s.v. Ludolf von Sudheim (Artikel von M.-L. Bulst-Thiele).

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daß der Kaiser der Römer an ihm seinen Schild aufhängen müsse«, in Tabriz, der Hauptstadt der Ilkhane412. Entsprechend äußert sich ein etwa gleichzeitiger »Niederrheinischer Orientbericht«413. Ebenfalls in Tabriz lokalisierten den »dürren Baum« etwas früher (1330) der weit verbreitete Reisebericht des Odorich von Pordenone414 und etwas später (um 1364) die gleichfalls populäre Historia trium regum des Johannes von Hildesheim415, der den Bericht Ludolfs von Sudheim und den »Niederrheinischen Orientbericht« benutzte416. Abgesehen davon, daß es sich dabei um eine Weiterentwicklung der traditio­ nellen Endkaiser-Weissagung handelt, ist unklar, wie es zu der Vorstellung kam, daß Kaiser Friedrich nach der Befreiung des Heiligen Grabes seinen Schild an den »dürren Baum« hängen werde417. Dieses Motiv blieb offenbar auf den deutsch­ sprachigen Raum beschränkt und wurde auch nicht etwa in die Weissagung des Ps.Methodios oder in das Constans-Vaticinium aufgenommen. So heißt es bei Jean de Mandeville, der um 1356 schrieb, ähnlich aber auch bei dem weitgereisten Johann Schiltberger (+ nach 1427), ein Fürst aus dem Westen werde das Heilige Land erobern und unter dem bei Hebron stehenden »dürren Baum« die Messe singen lassen, der dann wieder grünen und Früchte tragen werde, so daß sich auf­ grund dieses Wunders Sarazenen und Juden zum Christentum bekehrten418. Das Motiv der am »dürren Baum« gehaltenen Messe erinnert an das Buch des Sidrac419.

Kaiser Friedrich in Reformschriften des späten Mittelalters

Wie der Bericht des Johannes von Winterthur zeigt420, standen in den Weissagungen des späten Mittelalters nicht allein kirchliche Mißstände im Vordergrund. Auch dem Autor der wahrscheinlich 1439 abgeschlossenen421 Reformatio Sigismundi, einer als das Werk Kaiser Sigismunds geltenden Reformschrift in deutscher Sprache, ging es um Reformen im geistlichen wie im weltlichen Bereich. Als Teilnehmer des Kon­ zils von Basel brachte er die Enttäuschung der um Reformen bemühten Kräfte zum Ausdruck und lenkte nach dem Tode Kaiser Sigismunds (9. Dezember 1437) die Hoffnungen wieder auf einen Endkaiser Friedrich, aber auch auf das Volk selbst. Trotz radikaler Forderungen zielte er jedoch nicht etwa auf den Umsturz der bestehenden politischen Ordnung422: An der Spitze des Reiches soll ein gegenüber 412 Vgl. Ludolf von Sudheim, De itinere Terrae Sanctae, cap. 32, ed. Deycks, S. 58. 413 ed. Röhricht und Meisner, Ein niederrheinischer Bericht, S. 60. Vgl. zu diesem Bericht: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 6, Berlin-New York 1987, col. 998-1000 s.v. >Niederrheinischer Orientbericht< (Artikel von A.-D. v. den Brincken). 414 Odorich von Pordenone, Relatio, cap. 3, ed. van den Wyngaert, S. 417. 415 Johannes von Hildesheim, Historia trium regum, cap. 44, ed. Horstmann, S. 298. 416 Vgl. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 4, Berlin-New York 1983, col. 644 s.v. Johannes von Hildesheim (Artikel von F. J. Worstbrock und S.C. Harris). 417 Es bleibt zu beweisen, daß dieses Motiv »auf der Verbindung einer östlichen Sonnengottsage und der westlichen Sage vom Priesterkönig Johannes im heiligen Land« beruht, wie Neske, Sibyllenweissagung, S. 227 Anm. 20, schreibt. 418 Jean de Mandeville, Travels, cap. 9, ed./tr. Letts, Bd. 1, S. 48f. (tr.), sowie Bd. 2, S. 264f. und 443 f. (ed.); Johann Schiltberger, Reisebuch, cap. 42, ed. Langmantel, S. 72. 419 Vgl. S. 201. 420 Vgl. S. 257 f. 421 Vgl. Koller, Eine neue Fassung, S. 153 f.; ders., Untersuchungen II, S. 436-438; ders., Unter­ suchungen III, S. 138-142. 422 Vgl. Struve, Reform, S. 99 f.

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der Macht der Fürsten zu stärkender Kaiser stehen, der die Rechte studiert und kirchliche Weihen empfangen hat. Das von den Fürsten usurpierte Reichsgut soll eingezogen werden, ihr Herrschaftsmonopol aber grundsätzlich unangetastet blei­ ben423. Der Ritterschaft und den Reichsstädten wird eine wichtige Rolle als Reprä­ sentanten der »gemein« und als Schützer des Reiches zuerkannt424. Unter anderem verlangt der Verfasser die Trennung von geistlichem und welt­ lichem Bereich425. Manche in früheren Weissagungen nur angedeutete Forderung findet sich bei ihm mit konkretem Inhalt gefüllt: Die Tätigkeit der Geistlichen ist auf die Seelsorge zu beschränken. Jeder von ihnen soll sich seine Pfründe selbst verdie­ nen. Der Besitz der Kirche hat allein dem Unterhalt der Geistlichen zu dienen426. Äbte und Bischöfe dürfen weder Schlösser, Burgen und Städte noch Zwing und Bann besitzen427. Besonders scharfe Kritik übt der Verfasser an den geistlichen Orden und den Klöstern. Ihre Mitglieder seien als Päpste, Kardinäle oder Bischöfe ungeeignet, da de­ ren Ämtern die Sorge für die Gesamtheit obliege, die Orden hingegen immer nur ihre eigenen Interessen verfolgten. Außerdem häuften die Klöster Reichtümer an, statt ihre soziale Funktion zu erfüllen und für die Armen zu sorgen. Ihre weltlichen Hoheitsrechte sollten ihnen deshalb ebenso entzogen werden wie jene Besitzungen, die nicht zur Deckung des täglichen Bedarfs der Mönche nötig seien428. Nicht die Mönche betrachtet der Verfasser als die legitimen Nachfolger des Apostels Petrus, sondern die Weltgeistlichen und fordert für sie die Aufhebung des Zölibats429. Was die Reformen im weltlichen Bereich betrifft, so liegt der Schwerpunkt der Reformatio Sigismundi, auf den Interessen des gemeinen Mannes430. Nicht nur im Fall der Domherren und Beginen, sondern ganz allgemein verlangt der Verfasser, daß jedermann seinen Unterhalt durch eigene Arbeit zu verdienen habe431. Jede unver­ diente Nutzung, jedes Einkommen ohne entsprechende Gegenleistung ist in seinen Augen Wucher432. Als solchen verurteilt er beispielsweise die dem ursprünglichen Zweck der Förderung von Handel und Verkehr zuwiderlaufende Verwendung von Zöllen433. Verbieten möchte er auch den sogenannten »Fürkauf«, das heißt den spe­ kulativen Aufkauf von Lebensmitteln und deren Weiterverkauf gegen Aufschlag434, und die Handelsgesellschaften, die durch Preisabsprachen übermäßige Gewinne erzielten435. In bezug auf die Städte verlangt der Verfasser zudem die Erleichterung der Aufnahme von Neubürgem, und er kritisiert die Zünfte, die mit ihren Absprachen

423 Vgl. ebd., S. 89 und 99. 424 Vgl. ebd., S. 99,109 und 121. 425 Vgl. ebd., S. 82, 86 und 99, entgegen der Meinung von Graf Dohna, Reformatio Sigismundi, S. 128f. 426 Vgl. Struve, Reform, S. 82 f. und 87. 427 Damit wird die Säkularisation der geistlichen Herrschaft gefordert, vgl. ebd., S. 83f., 86 und 122. 428 Vgl. Graf Dohna, Reformatio Sigismundi, S. 163 f.; Struve, Reform, S. 85 f. 429 Vgl. Graf Dohna, Reformatio Sigismundi, S. 127; Struve, Reform, S. 88 f. 430 Vgl. ebd., S. 89-96. 431 Vgl. ebd., S. 83,87 und 100 f. 432 Vgl. ebd., S. 82. 433 Vgl. ebd., S. 90-92. 434 Vgl. ebd., S. 93 f. 435 Vgl. ebd., S. 92 f.

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gegen den »gemein nutz«436 verstießen437. Die Bauern möchte er von zu hohen Ab­ gaben und übermäßigen Frondiensten befreien438 und die Leibeigenschaft auf­ heben439. Was schließlich den Adel betrifft, so fordert er die Ablösung des alten durch einen neuen, der sich allein durch seine Verdienste um Reich und Kirche aus­ zeichnen soll440. Der Verfasser fordert die Herrschenden zu Reformen auf441, erwartet deren Durchführung jedoch erst von einem noch zukünftigen, aber angeblich schon in Kürze auftretenden Priesterkönig, der seiner Herkunft nach nicht zu den Herr­ schenden gehören soll. Gestützt auf Ezra442, verheißt er nämlich einen »kleinen Ge­ weihten«, einen König und Priester wie Melchisedech, der 1439, im Entstehungsjahr der Reformatio Sigismundi, aufstehen und über die Völker in Gerechtigkeit herrschen werde443. In der anschließenden, an diese Verheißung anknüpfenden »Offenbarung eines neuen stats«, die Kaiser Sigismund 1403 zu Preßburg empfangen habe444, wird Sigismund als der Wegbereiter eines nach ihm kommenden Priesters namens Friderich von Lantnewen445 bezeichnet, der die Ordnung Gottes durchsetzen und seinem Namen entsprechend allen Ländern Frieden bringen werde. Außerdem läßt der Ver­ fasser Sigismund behaupten, diesen Priester bereits gefunden, ihm in Basel ein Kleid geschenkt und ihm »die Ordnung der heiligen Christenheit« aufgetragen zu haben. Davon jedoch, daß Friderich von Lantnewen Jerusalem erobern werde, ist keine Rede. Der Verfasser der Reformatio Sigismundi hält die Kreuzzugsidee für ver­ fehlt und hofft auf eine friedliche Bekehrung der Heiden durch das gute Beispiel der Christen446. Offenbar soll sich unter dem Priesterkönig Jesu Wort aus Johannes 10,16 von der einen Herde und dem einen Hirten erfüllen447. Dies ergibt sich nicht aus der Offenbarung Sigismunds, sondern aus anderen Passagen der Reformatio Sigismundi. Dadurch erscheint der Priesterkönig als Herrscher der Endzeit, ohne daß dies direkt ausgesprochen ist. 436 Zum Zusammenhang zwischen Gemeinnutz und Herrschaftsbegründung sowie zur Berufung auf den Gemeinnutz und die damit verbundenen Ansprüche im politischen Machtkampf zwischen Bürgerschaft und Geistlichkeit während des späteren Mittelalters vgl. Eberhard, »Gemeiner Nutzen«, und ders., Kommunalismus. Zur Begriffsgeschichte vgl. den Forschungs­ überblick von Hibst, Utilitas Publica. 437 Vgl. Struve, Reform, S. 96 f. 438 Vgl. ebd., S. 98 f. 439 Vgl. ebd., S. 102-104. 440 Vgl. ebd., S. 106f. 441 Vgl. Reformation Kaiser Siegmunds, ed. Koller, S. 330. 442 Vgl. das apokryphe 4. Buch Ezra 16,53 in der Vulgata, dessen Kapitel 1-2 und 15-16 als 5. und 6. Ezra bezeichnet werden; dazu: Graf Dohna, Reformatio Sigismundi, S. 159. 443 Vgl. Reformation Kaiser Siegmunds, ed. Koller, S. 326 und 328 sowie 242. 444 Vgl. ebd., S. 330-344. Wie Graf Dohna, Reformatio Sigismundi, S. 188 f., erkannt hat, ähnelt diese Offenbarung in manchen Zügen der »Vision auf das Jahr 1401«. Zu ihr vgl. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 10, Berlin-New York 1997, col. 425-429 s.v. >Vision auf das Jahr 1401 < (Artikel von C. Stöllinger-Löser) und unten S. 316. 445 Zu diesem Namen vgl. Koller, Untersuchungen Ill, S. 149 und 152-154. Der Verfasser ist nicht - wie etwa noch Cohn, Paradies, S. 129 meint - mit dem verheißenen Friderich von Lantnewen identisch, denn nur die Version V der Reformatio Sigismundi gibt ihm diesen Namen, vgl. Reformation Kaiser Siegmunds, ed. Koller, S. 89; Graf Dohna, Reformatio Sigismundi, S. 19. 446 Vgl. Graf Dohna, Reformatio Sigismundi, S. 78,81 f. und 128; Struve, Reform, S.115 f. 447 Vgl. Graf Dohna, Reformatio Sigismundi, S. 82, 145 und 186 f. Zur Verbreitung des Motivs unum ovile et unus pastor in Weissagungen des Mittelalters vgl. Reeves, Influence, Index, S. 572 s.v. Unum ovile.

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Als »kleiner Geweihter« ist der verheißene Friedrich von seiner Herkunft her den sogenannten »Kleinen« zuzurechnen. Mit diesen meint der Verfasser nicht allein die wahren Christen, aber auch nicht nur das einfache Volk, sondern ebenso die Ritter und Reichsstädte als Wortführer der nicht direkt an der Herrschaftsaus­ übung beteiligten sozialen Schichten448. Doch auf welche Weise soll der Priester­ könig den Thron besteigen? Die Leser oder Zuhörer werden aufgefordert, sich ihm »zuzuschlagen«, also anzuschließen449. Dies ist zweifellos ein Aufruf zur Tat, aber nicht zum Kampf der unteren gegen die oberen Stände, wie Graf Dohna richtig er­ kannt hat. Entgegen seiner Meinung ist es jedoch keineswegs sicher, daß der Ver­ fasser glaubte, der Priesterkönig könne auf wunderbare Weise ohne Gewaltanwen­ dung die Macht erringen, indem er sich an die Spitze des Konzils stelle450. Natürlich gilt es zu beachten, daß in Weissagungen die Hoffnung auf ein Wunder nicht unge­ wöhnlich ist, aber entgegen der von Graf Dohna vertretenen Auffassung verlangt der Verfasser nicht unbedingten Gehorsam, sondern er hält Widerstand gegen be­ stehende Mißstände für durchaus berechtigt451. Um die neue Ordnung durchzu­ setzen, glaubt er als letztes Mittel selbst den bewaffneten Kampf erlaubt. So schreibt er von dem Priesterkönig, den er erst an späterer Stelle als solchen bezeichnet: »... es wirt einer auffsteen, der durchbrichet mit gewalt...«452. Außerdem heißt es, nach dem Versagen der Herrschenden müsse die Reform »mit gewalt und pene«453, also unter Zwang und Strafandrohung, durchgeführt werden, und schließlich noch kün­ digt der Verfasser an: «... es kumpt ein scharpffer richter, der wirt mit zom richten, dem sol man peystendig sein byß in den tod«454. Abgesehen davon, widerspräche es auch der Zielsetzung des Autors, der nicht von ungefähr konkrete ReformVorschlä­ ge macht, wenn man ihm mit Graf Dohna unterstellen wollte, seine Leser und Zuhörer nach dem Scheitern der Reform durch die Herrschenden lediglich auf Um­ kehr und Buße zu verweisen und ihnen unter der Voraussetzung, daß sie wie die Kleinen würden, nur den Schatz aller Gerechtigkeit im Himmel zu versprechen455. Von der Reformatio Sigismundi sind 17 Handschriften bekannt456. Außerdem wurde sie in der Zeit von 1476 bis 1522 achtmal gedruckt und stellt damit alle an­ deren Reformschriften des 15. Jahrhunderts weit in den Schatten457. Doch wird ihre Verbreitung als vermeintliche, aber reichlich umfangreiche Flugschrift allzu leicht überschätzt458. Besonders bemerkenswert ist, daß die Reformatio Sigismundi wohl 448 Entgegen Graf Dohna, Reformatio Sigismundi, S. 154-169, ist der Begriff nicht nur spirituell zu verstehen. Vgl. Irsicler, Die »Kleinen«; Struve, Reform, S. 108f., 111 f. und 118f. 449 Vgl. Graf Dohna, Reformatio Sigismundi, S. 138-185,187 und 190. 450 Vgl. ebd., S. 143 und 151 f. 451 Vgl. Struve, Reform, S. 113-115 und 120 f. Dagegen ist die von Graf Dohna, Reformatio Sigis­ mundi, S. 59,72 und 84 f., vertretene Ansicht, daß der Verfasser jegliche Selbsthilfe und Gewalt­ anwendung ablehne, nicht haltbar. 452 Vgl. Reformation Kaiser Siegmunds, ed. Koller, S. 168. Trotz der Ausführungen von Graf Dohna, Reformatio Sigismundi, S. 179-182, bleibt unklar, warum man »mit Gewalt durch­ brechen« anders als im heutigen Sinn zu verstehen haben sollte. »Gewalt« kann hier durchaus für vis und nicht nur für potestas stehen, wie auch das folgende Zitat zeigt. 453 Vgl. Reformation Kaiser Siegmunds, ed. Koller, S. 56. 454 Ebd., S. 76; vgl. auch S. 336. 455 Dies betont Irsicler, Die »Kleinen«, S. 251. 456 Vgl. Märtl, Reformgedanke, S. 93 Anm. 6. 457 Vgl. die ebd., S. 107f., gegebene Übersicht. 458 Vgl. Boockmann, Wirkungen, bes. S. 134: »Die >Volksmassen< jedenfalls sind von der Refor­ matio Sigismundi gewiß nicht erreicht worden.«

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erst im Jahre 1439 abgeschlossen wurde, in dem bereits der verheißene Friderich von Lantnewen auftreten sollte, sich ihre Weissagung also sehr schnell als richtig oder falsch erweisen mußte459, und daß sie Jahrzehnte nach 1439 mehrfach gedruckt wurde, obwohl in diesem Jahr kein Friderich von Lantnewen erschienen und der 1440 auf den Thron gekommene Habsburger Friedrich III. schwerlich mit ihm zu identifizieren war460. Mehr als die Weissagung dürften die Leser die konkreten Re­ formvorschläge interessiert haben. Das Kaiser Maximilian I. gewidmete461, nur in einer Handschrift462 erhaltene, niemals gedruckte und somit kaum verbreitete »Buch der hundert Kapitel«463 des irreführend so genannten Oberrheinischen Revolutionärs, der oftmals auch als Na­ tionalist verkannt wurde464, verheißt ebenfalls einen Friedenskaiser namens Fried­ rich. Dieses 1490 begonnene und 1509 fertiggestellte465 Werk, dessen Verfasser auf die Ausführung der ursprünglich vorgesehenen zehn letzten Kapitel verzichtete466, ist Chronik und moralisierende Reformschrift zugleich. Die entsprechend der Konjunktionenlehre der Astrologen al-Kindl und Abü Ma'äar in sieben Zyklen zu je 960 Jahren gegliederte467 Geschichte von Adam und Eva bis zur eigenen Gegenwart sollte Maximilian beziehungsweise dem Leser die Notwendigkeit tiefgreifender Reformen vor Augen führen. Es geht dem Verfasser weder um die Wiederherstellung alter Zustände468 noch um die Aufhebung der Standesordnung469. Die früher in der Forschung zur Charak­ terisierung seines Werkes üblichen Begriffe »revolutionär« oder »konservativ« wer­ den ihm nicht gerecht470. Als höchstes Ziel betrachtet der Verfasser die Verwirk­ lichung eines Gott gefälligen Lebens in christlicher Brüderlichkeit471. Seine Vorstel­ lungen einer Reform von Kirche und Reich sind geprägt durch die Abkehr vom »Personalismus« und die Hinwendung zum »Funktionalismus« der politischen und gesellschaftlichen Institutionen472. Der Gemeinnutz soll die Stellung der sozialen

459 Ähnlich wie im Falle des sogenannten Oberrheinischen Revolutionärs, vgl. S. 266. 460 Koller, Kaisertum Friedrichs III., S. 587f., schließt dies nicht aus, aber die Angaben über Fride­ rich von Lantnewen widersprechen einer derartigen Identifizierung. 461 Vgl. Buch der hundert Kapitel, cap. 1, ed. Franke, S. 199. 462 Zu dieser Hs. vgl. Lauterbach, Geschichtsverständnis, S. 262-282. Durch die Arbeit von Lau­ terbach sind die früheren Untersuchungen über den Oberrheinischen Revolutionär in vielen Fragen überholt. 463 Vgl. bis auf weiteres die Edition von Franke. Kritisch dazu: Lauterbach, ebd., S. 261 f., der eine neue Edition vorbereitet. 464 Vgl. ebd., S. 152-162. 465 Vgl. ebd., S. 109-118, bes. 110 und 112. 466 Vgl. ebd., S. 117. 467 Vgl. Buch der hundert Kapitel, cap. 4, 8 und 62, ed. Franke, S. 211,220 f. und 368; dazu: Lauter­ bach, Geschichtsverständnis, S. 140-152. Die Konjunktionenlehre liegt schon um 1425 einer welthistorischen Skizze des Nikolaus von Kues zugrunde, vgl. Haeusler, Ende der Geschichte, S. 145-149. 468 Vgl. Lauterbach, Geschichtsverständnis, S. 244 und 252. 469 Vgl. ebd., S. 230. 470 Vgl. ebd., S. 249-257. Lauterbach, ebd., S. 19-21, macht auch deutlich, wie verfehlt die Aus­ führungen von Cohn, Paradies, S. 130-138, sind, denen beispielsweise auch die gute Arbeit von Milhou, Colón, S. 296f., folgt. Entgegen der Behauptung von Cohn, Paradies, S. 131 f., hält sich der Oberrheinische Revolutionär nicht etwa für den Messias. 471 Vgl. Lauterbach, Geschiehtsverständnis, S. 241-244. 472 Vgl. ebd., S. 247 und 257.

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Gruppen zueinander und deren Beteiligung an politischen Institutionen bestim­ men473. Machtausübung ohne gesellschaftliche Funktion wird ausgeschlossen474. Die den Konsens der Gläubigen ermöglichenden Voraussetzungen für sozialen Frieden und politische Stabilität sind nach Ansicht des Verfassers durch eine Re­ form des Rechts und des Abgabenwesens zu schaffen475. Unter anderem fordert er die Beseitigung der Urfehde476, der Leibeigenschaft477 und des Zehnten sowie aller umstrittenen Abgaben, die zu sozialen Konflikten führen können. Er möchte sie durch eine allgemeine Reichssteuer auf alle Erträge und Gewinne ersetzen, deren Verwendung er genau festlegt478. Außerdem verlangt er eine allgemeine Entschul­ dungsaktion479. Mehrere seiner Reformvorschläge decken sich mit den Forderungen der Bundschuhbewegung480. Auch hält er die Verwirklichung einer Gütergemein­ schaft für durchaus möglich, freilich erst in der Zeit vollendeter Brüderlichkeit481. Den Aufstieg vom Volk in den Adel schließt er nicht aus, doch soll aus 1000 Einwoh­ nern höchstens ein Ritter hervorgehen482. Die Macht der Fürsten möchte er trotz aller Kritik nicht beseitigen, aber verhindern, daß sie sich gegen Kaiser und Reich richtet483. Die Kirche sieht er der weltlichen Gewalt untergeordnet. Sie soll wieder in die Lage gesetzt werden, ihre geistlichen Aufgaben zu erfüllen. Deshalb muß sich die Geistlichkeit aller weltlichen Geschäfte enthalten und der Kontrolle durch die weltliche Gewalt unterwerfen, als deren Aufgabe im Sinne des Gemeinnutz auch der Kampf gegen die Simonie gilt. Das Recht der Bischofsinvestitur soll weiterhin allein dem Papst zustehen, dieser selbst jedoch nur mit Zustimmung des Kaisers eingesetzt werden484. Der Kaiser ist der »obrist pfarrer«485. Er wird gewählt und ist durch das ihn wählende Gremium absetzbar. Als entscheidend für die Wahl zum Kaiser erachtet der Verfasser nicht die Herkunft, sondern die moralische Integrität des Kandidaten sowie dessen Verdienste um das Gemeinwesen und Befähigung zur Führung der Regierungsgeschäfte. Der nach diesen Kriterien gewählte Kaiser muß seiner Ansicht nach frei von finanziellen Zwängen, persönlichen Verpflichtungen und Hausmachtinteressen regieren können. Seine »Besoldung« soll die Funktio­ nalität seines Amtes sichern und verhindern, daß im Interesse der Landesherren ein möglichst schwacher Kaiser gewählt wird486. Indem der Verfasser mehrfach mit einem Aufstand des Volkes droht, den er zu fürchten behauptet, jedoch für berechtigt hält487 und als Anhänger der Astrologie in 473 474 475 476 477 478 479 480 481 482 483 484 485 486 487

Vgl. ebd., S. 212-219. Vgl. ebd., S. 229 f. und 241. Vgl. ebd., S. 238 und 256 f. Vgl. ebd., S. 233 f. Vgl. Buch der hundert Kapitel, Statut 11, ed. Franke, S. 455 f. Vgl. Lauterbach, Geschichtsverständnis, S. 236f. Vgl. ebd., S. 234 f. Vgl. ebd., S. 210 und 212. Vgl. ebd., S. 254f. Vgl. ebd., S. 242. Vgl. Kraft, Reformschrift, S. 126,159 f., 163, 244 und 283. Vgl. Lauterbach, Geschichtsverständnis, S. 230-232. Vgl. Buch der hundert Kapitel, Statut 37, ed. Franke, S. 519. Vgl. Lauterbach, Geschichtsverständnis, S. 240 und 242. Vgl. Buch der hundert Kapitel, cap. 34, 62, 76, 81 und Statut 2, 4,10,15, 17, 23, 31, ed. Franke, S. 286,369,372,402,411,428,435,453,463,466,479 und 495. - Entgegen Zschäbitz in der Einlei­ tung zum Buch der hundert Kapitel, ed. Franke, S. 150, sowie Haeusler, Ende der Geschichte, S. 150 f., und Kraft, Reformschrift, S. 281 f., befürchtet der Verfasser einen Volksaufstand nicht

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Kürze erwartet488, ohne dazu aufzurufen, fordert er die Herrschenden zu Reformen auf, aber er glaubt, daß erst ein als Friedenskaiser Friedrich erscheinender gemeiner Mann aus dem Schwarzwald489 die nötigen Reformen durchsetzen werde490. Dieser Friedrich soll aber nicht einfach plötzlich erscheinen, sondern von einer Bruder­ schaft frommer Eheleute, die unter der Führung des Erzengels Michael und unter dem Zeichen eines gelben Kreuzes stehe491, zum (Gegen-)König gewählt werden492. Entgegen der traditionellen Endkaiser-Weissagung ist also das Volk am Auftritt des aus seinen Reihen stammenden »Königs aus dem Schwarzwald« aktiv beteiligt. Der Verfasser erwartet ihn noch zu Lebzeiten Maximilians I.493. Er nennt sogar das Jahr. Gestützt auf die Konjunktionenlehre der Astrologen, schreibt er nämlich einleitend zum Friedenskaiser Friedrich, daß es - zu Beginn des achten weltgeschichtlichen Zyklus - im Jahre 1509 mit der Erhebung der Bauern gegen ihre Herren zu großen Veränderungen und Blutvergießen kommen werde494. Außerdem behauptet er, der Friedenskaiser werde 1000 Jahre lang regieren495, also wohl die 960 Jahre von einer großen Konjunktion zur nächsten. Daher ist kaum zu bezweifeln, daß dem »König aus dem Schwarzwald« durch den für 1509 vorhergesagten Aufstand der Weg ge­ ebnet werden soll. Der Kampf mit Maximilian scheint infolgedessen unausweich­ lich496, zumal der Verfasser schreibt, daß der verheißene Friedrich die Übeltäter und Gegner der Reform zumeist mit dem Tode bestrafen werde497. Wie bei Ps.-Methodios erscheint der Friedenskaiser als ein neuer Gideon498. Es heißt außerdem, während seiner Regierung werde es nur noch einen Hirten, einen

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wirklich, sondern verbindet Hoffnungen mit ihm. So schreibt er (cap. 34, ed. Franke, S. 286), es sei zu befürchten, daß ein - von ihm an anderen Stellen (vgl. unten S. 266) ja als »König aus dem Schwarzwald« erhoffter! - gemeiner Mann kommen werde, um die für die Mißstände Ver­ antwortlichen zu strafen. Auch ist mehrfach davon die Rede, daß viele die Todesstrafe verdie­ nen (vgl. cap. 31 und 65 und Statut 2, 4 und 31, ed. Franke, S. 275 f., 381, 428, 435 und 495). Außerdem muß die Äußerung angeblicher Befürchtungen nicht nur Mahnung an die Herr­ schenden sein, sondern kann zugleich auch eine verkappte Aufforderung an deren Untertanen bilden, indem sie auf die Möglichkeit eines Aufstandes hinweist - noch dazu, wenn die Be­ fürchtungen in bezug auf ein konrektes Datum, nämlich das Jahr 1509 (vgl. unten S. 266), geäußert werden und der Ausbruch eines Aufstandes aufgrund astrologischer Erkenntnisse als sicher gilt, wie in diesem Fall. - Schließlich noch kann keine Rede davon sein, daß der Verfas­ ser mit dem erwarteten Aufstand etwa das apokalyptische Chaos ausbrechen sieht, denn er glaubt das Weitende noch 1500 Jahre entfernt (vgl. unten S. 267). Gegen Zschäbitz und Kraft vgl. auch Lauterbach, Geschichtsverständnis, S. 250. Vgl. unten auf dieser Seite. Vgl. Buch der hundert Kapitel, cap. 31,56 und 62 und Statut 31 und 33, ed. Franke, S. 275, 343, 370,495 und 503. Vgl. ebd., cap. 31 und 62-68, S. 275f. und 368-390 (und öfter). Vgl. ebd., Prolog, cap. 6, 31, 54, 63, 68 und Statut 15 und 32, ed. Franke, S. 181-184, 213, 278, 333,375,388,462 und 499. Vgl. ebd., Register und cap. 63 und 64, S. 192, 375 und 378; dazu: Lauterbach, Geschichts­ verständnis, S. 194,197 f., 200-203,211 und 240. Vgl. Buch der hundert Kapitel, cap. 56, ed. Franke, S. 343. Vgl. ebd., cap. 62, S. 368 f. Vgl. ebd., cap. 2, S. 202. Vgl. Lauterbach, Geschichtsverständnis, S. 211. Kraft, Reformschrift, S. 209 und 217, bestrei­ tet dagegen, daß der »König aus dem Schwarzwald« in Konkurrenz zu Maximilian treten soll. Vgl. Buch der hundert Kapitel, cap. 31 und 36 und Statut 31, ed. Franke, S. 275f., 289 und 495. Vgl. ebd., cap. 31, S. 275; dazu: Lauterbach, Geschichtsverständnis, S. 197f. Auf (Ps.-)Methodios beruft sich der Verfasser dreimal, vgl. Buch der hundert Kapitel, cap. 4, 12 und 62, ed. Franke, S. 211, 229 und 371. Aber nur bei dem zuerst genannten Beleg (Ermordung Abels im Jahre 130) entsprechen seine Angaben denen des Ps.-Methodios.

Schafstall und einen Glauben geben, sich also das Wort Christi aus Johannes 10,16 erfüllen499. Er soll Jerusalem erobern500, schließlich die ganze Welt beherrschen501 und 1000 Jahre lang502, aber offenbar nicht bis zum Ende der Welt regieren, denn dieses erwartet der Verfasser erst 3000 Jahre nach Christi Geburt503. Nirgends behauptet er denn auch, daß der verheißene Friedrich der letzte Kaiser sein werde, und nirgends ist von der Schreckensherrschaft des Antichrist die Rede, sondern nur von dessen Kindern und Schülern504. In dem Friedrich III. gewidmeten Libellus de cesarea monarchia des Peter von Andlau, der 1460 anläßlich der Gründung der Universität Basel entstand, nicht ohne Widerspruch505 unter die Reformschriften des 15. Jahrhunderts eingereiht wird und jedenfalls nicht als der Versuch einer Darstellung des deutschen Staats­ rechts gelten kann506, findet sogar die Endkaiser-Weissagung des Ps.-Methodios ihren Platz. Im Schlußkapitel über das Ende des römischen Reiches507 beschreibt Peter von Andlau ausführlich die Abdankung des Endkaisers, indem er sich auf (Ps.-)Methodios beruft. Er glaubt, daß am Ende der Zeiten der letzte römische Kaiser über die Heiden und die ganze Welt herrschen werde, aber er erhofft die für erforderlich gehaltenen Regierungsmaßnahmen bereits von Friedrich III., den er im drittletzten Kapitel auffordert, doch endlich aufzustehen und nicht länger zu schlafen508. Nicht die Endkaiser-Weissagung, wohl aber die Gestalt Kaiser Friedrichs spielt auch in jener Schrift eine Rolle, die Johannes Hermansgrün509 anläßlich des Worm­ ser Reichstags von 1495 verfaßte510. Hermansgrün kleidet seine Gedanken in die Form eines Traumes, in welchem der von Karl dem Großen und Otto dem Großen begleitete Kaiser Friedrich II., genannt Barbarossa (!)511, vor einer Reichsversamm­ lung ohne König oder Kaiser512 erschienen sei und die Reichsstände in einer flam­ menden Rede aufgefordert habe, vom »Schlaf der Wollust« aufzuwachen513, allen Egoismus aufzugeben514 und sich wieder auf die Tugenden der Vorfahren zu besin499 500 501 502 503

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Vgl. ebd., Prolog, cap. 7 und 62 und Statut 31, S. 184,219,371 und 495. Vgl. ebd., Prolog und cap. 62 und 63, ed. Franke, S. 184,371 und 375. Vgl. ebd., Prolog und cap. 7,62 und 68, S. 184,219,372 und 390. Vgl. ebd., cap. 2, S. 202. Vgl. ebd., cap. 4, S. 210. Im Gegensatz zur Vergangenheit teilt der Verfasser übrigens die Zu­ kunft, d.h. die seiner Ansicht nach bis zum Weitende noch verbleibenden 1500 Jahre, in Zyklen von nur 532 (!) Jahren Länge, also in Osterzyklen. Dreimal 532 ergibt freilich mehr als 1500, vgl. ebd., cap. 68, S. 386f. Vgl. ebd., cap. 47, 63 und 68, S. 315, 376 und 388. Der Antichrist wird offenbar nicht als Person von Fleisch und Blut aufgefaßt. Vgl. Walther, Gelehrtes Recht, S. 98. Vgl. ebd., S. 78 und 111. Vgl. ed. Hürbin, Der »Libellus de Cesarea monarchia«, S. 217-219. Vgl. ebd., S. 215. Vgl. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 3, Berlin-New York 1981, col. 1118 f. s.v. Hermansgrün, Johannes (Artikel von V. Honemann). Sie ist nach der Münchener Hs. Clm 924 gedruckt bei Ulmann, Hermansgrün, S. 78-92. Eine weitere, früher in Regensburg und nun in München befindliche Hs., die offenbar eine etwas äl­ tere Version bietet und nicht den Widmungsbrief an Friedrich den Weisen von Sachsen enthält, hat Märtl entdeckt, vgl. Märtl, Hermansgrün. Vgl. ed. Ulmann, Hermansgrün, S. 81. Vgl. ebd., S. 80. Vgl. ebd., S. 90. Vgl. ebd., S. 83.

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nen515. Im Vordergrund der Rede steht die Außenpolitik. Als die wichtigste Aufgabe betrachtet Hermansgrün die Abwehr eines angeblich drohenden französischen und türkischen Angriffs. Angesichts des italienischen Feldzugs Karls VIII. hält er die Er­ oberung Italiens für vordringlich516. Zur inneren Reform des Reiches macht Hermansgrün keine konkreten Vor­ schläge. Sie ist für ihn vor allem ein Werk der sittlichen Erneuerung des Adels. In den Reichstagsversammlungen sieht er das Mittel zur Durchsetzung seiner For­ derungen. Ohne eine Änderung der Organisation zu verlangen, betrachtet er den Reichstag als die eigentliche oberste Reichsbehörde, die seiner Ansicht nach den König oder Kaiser weitgehend entmachten und sogar absetzen kann517. Auf den untätigen, in den »Schlaf der Wollust« versunkenen518 Maximilian setzt Hermansgrün keine Hoffnungen519. Bezeichnenderweise läßt er Kaiser Fried­ rich ausrufen: »O daß doch, ihr Fürsten und Ritter meine, noch einer der alten Herr­ scher lebte, der euch zu Ruhm und Ehre, zur Erhaltung des Reiches und Bewahrung eurer Freiheit antriebe!«520 Hermansgrün träumt aber nicht etwa, daß Kaiser Fried­ rich nochmals die Regierung übernehmen werde. Friedrich erscheint nur noch als Kritiker und Ratgeber. Allerdings gibt Hermansgrün vor, in dem sächsischen Kurfürsten Friedrich dem Weisen, den er vielleicht auf dessen Pilgerfahrt von 1493 ins Heilige Land be­ gleitet hatte521, einen Herrscher zu sehen, der den Vergleich mit Kaiser Friedrich nicht zu scheuen braucht. In der Münchener Handschrift Clm 924 ist sein »Traum« nämlich Friedrich dem Weisen mit der Bemerkung gewidmet, indem er des Kurfür­ sten so weise Ratschläge in der Rede Kaiser Friedrichs II. zusammengetragen habe, wolle er nicht bloß mit seinem Namen spielen, sondern diesen als Vorzeichen neh­ men, weil Friedrich als der Fähigste aller Reichsfürsten in der Lage sei, das Reich wirkungsvoll zu schützen und zu vergrößern522. Hermansgrün hat wohl Friedrich den Weisen im Auge, wenn er die Fürsten durch Friedrich II. auffordern läßt, einen gubernator imperii einzusetzen, falls Maximilian sich weiterhin seinen Pflichten als Herrscher entziehe523.

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Vgl. ebd., S. 83 und 91 f. Vgl. ebd., S. 82 und 85-90. Vgl. Schubert, Reichstage, S. 132 f. Vgl. ed. Ulmann, Hermansgrün, S. 85 und 86. Vgl. Schubert, Reichstage, S. 129f. Trotzdem glaubt Wiesflecker, Hermansgrün, daß Hermansgrün im Auftrag Maximilians schrieb. Gegen Wiesflecker vgl. auch Märti., Hermans­ grün, S. 262, und P. Schmid, Friedrich der Weise, S. 60 Anm. 66. ed. Ulmann, Hermansgrün, S. 84f. Vgl. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 3, Berlin-New York 1981, col. 1118 s.v. Hermansgrün, Johannes (Artikel von V. Honemann); Märtl, Hermansgrün, S. 260. Vgl. ed. Ulmann, Hermansgrün, S. 78 f. Vgl. ebd., S. 85. In der von Märtl gefundenen Hs. heißt es nicht gubernatorem imperii create, sondern gubernationem imperii create, vgl. Märtl, Hermansgrün, S. 262.

Die Weissagungen über engelgleiche Päpste

In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts genügte es offensichtlich in der Regel nicht mehr, in Weissagungen einen Friedenszustand voller Glück unter einem schon bald herrschenden Kaiser zu verheißen, denn als nahezu unabdingbare Vorausset­ zung für ideale Verhältnisse wurde nun eine gründliche Reform der Kirche betrach­ tet. Wie das Beispiel des Johannes von Winterthur zeigt1, begann dann im 14. Jahr­ hundert sogar die Forderung nach einer Umgestaltung der Gesellschaft laut zu werden. Als Gegenstück zu der Endkaiser-Weissagung entstand im 13. Jahrhundert die Anfang des 14. Jahrhunderts voll ausgeprägte Vorstellung von einem engelgleichen Papst am Ende der Zeiten, für dessen Pontifikat besonders die durch das Armuts­ ideal des Franziskus und Gedanken Joachims von Fiore geprägten franziskanischen Spiritualen eine tiefgreifende Reform der Kirche, die Rückeroberung Jerusalems und die Bekehrung aller Menschen zum Christentum erhofften. Die Vorstellung von diesem pastor angelicus bildete sich zwar auf dem Höhe­ punkt päpstlicher Macht, sie war jedoch Ausdruck der im 13. und 14. Jahrhundert wachsenden Unzufriedenheit mit der Amtsführung der Päpste, die häufig aus­ gezeichnete Juristen und Politiker, aber nur selten Männer von besonderer Religio­ sität waren2 und die sich zwar alle mehr oder weniger intensiv um eine Reform der Teilkirchen »an Haupt und Gliedern« bemühten, aber nicht etwa an eine bei sich selbst, bei der Kurie, beginnende Reform der Gesamtkirche dachten3. In dieser Hin­ sicht besteht ein deutlicher Unterschied zur Entstehung der Endkaiser-Weissagung, denn dort wurde der Gedanke an Reformen erst nach Jahrhunderten aufgegriffen, nämlich im 14. Jahrhundert. Bereits während des Investiturstreits versuchte Johannes von Mantua4, dem Papst ein Kaisertum aus eschatologischen Gründen zuzusprechen, weil nur so die Einheit der Kirche zu bewahren und der Antichrist abzuwehren sei. Als dann im 12. Jahrhundert beispielsweise Anselm von Havelberg, Honorius Augustodunensis und Otto von Freising nicht das römische Reich, sondern - wie schon Tyconius - die Kirche oder einzelne Orden als den Katechon, jene den Antichrist noch aufhaltende Kraft, betrachteten5 und der Papst in der sogenannten Summa Parisiensis ebenso wie

Vgl. S. 257 f. Vgl. Baethgen, Engelpapst, S. 88; McGinn, Pastor angelicus, S. 224 f. und 229. Vgl. Frech, Reform, S. 119-175,203-206 und 209 f. Vgl. Johannes von Mantua, In Cantica Canticorum I, ed. Bischoff und Taeger, S. 64: Restat igitur, ut imperatorem Romanum accipiamus papam catholicum... Vgl. dazu den Kommentar, ebd., S. 11 f., und Fuhrmann, Der wahre Kaiser, S. 115 f. Anm.l. 5 Vgl. Rauh, Antichrist, S. 110,288,345,353 und 535 f.

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in der Summa Coloniensis6 expressis verbis zum wahren Kaiser erklärt wurde, lag der Schluß nahe, daß am Ende der Zeiten ein Papst die Rolle des Endkaisers spielen werde. Ganz konkret aber wurzelt die Vorstellung vom Engelpapst nicht zuletzt in der Lehre des Joachim von Fiore. Erstmals bei ihm hatte das Papsttum eine endzeitliche Aufgabe zu erfüllen. In seinem frühesten Werk, der aus dem Jahre 1184 stammen­ den Expositio de prophetia ignota, schreibt er, daß unmittelbar vor dem Erscheinen des Antichrist ein Papst alle Heiden zum Christentum bekehren werde7, und in seinem Liber de concordia soll ein als universalis pontifex nove Hierusalem bezeichneter und mit Serubbabel verglichener novus dux in der letzten Generation des zweiten Status das Christentum erneuern8. Sowohl im Liber de concordia als auch in der Expositio in Apocalypsim vergleicht Joachim diesen Papst mit jenem Engel, von dem es in der Offen­ barung des Johannes 7,2 heißt: »Dann sah ich vom Osten her einen anderen Engel emporsteigen; er hatte das Siegel des lebendigen Gottes.. .«9. Der nächst ältere und wesentlich konkretere Beleg für die sich ausbildende Vor­ stellung vom Engelpapst findet sich 1267 bei dem englischen Franziskaner Roger Bacon, der in seinem Opus tertium Papst Clemens IV. darauf hinwies, daß schon seit 40 Jahren ein Papst geweissagt werde, der das kanonische Recht und die Kirche von den Machenschaften der Juristen befreie, so daß überall Gerechtigkeit herrsche. Wegen der Güte, Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit dieses Papstes kehrten die Grie­ chen in den Gehorsam der römischen Kirche zurück, nähmen die meisten Tartaren das Christentum an und würden die Sarazenen vernichtet werden, so daß es (gemäß Johannes 10,16) nur noch eine (christliche) Herde und einen Hirten gebe10. Roger Bacon glaubte, daß Clemens IV. vielleicht selbst der erhoffte Reformpapst sei11. Auch in seinem Compendium studii philosophiae von 1272 ging Roger Bacon auf diesen beatissimus papa ein, der vor den Verfolgungen durch den Antichrist die Kirche reformieren werde. Dabei liefert er den frühesten Beleg für die Erwartung, daß Engelpapst und Endkaiser sich gemeinsam ans Werk machen12. Der Begriff des pastor angelicus fiel bei Roger Bacon noch nicht, aber das Motiv des engelgleichen Papstes tauchte ungefähr gleichzeitig in einem Gedicht auf, das laut Überschrift den von 1268 an fast drei Jahre über die Wahl des Nachfolgers Cle­ mens' IV. beratenden Kardinälen übersandt wurde. Auf die unmittelbare Zukunft bezogen, heißt es darin unter anderem: der neue Papst werde ein heiliger Mann sein, der das Leben eines Engels führe, ein Vater der Armen, der Jerusalem zurück­

6 Summa Parisiensis, c. 2 q. 6 cap. 3, ed. McLaughlin, S. 108; Summa »Elegantius in iure divino« seu Coloniensis V 30, ed. Fransen und Kuttner, Bd. 2, S. 65. Vgl. dazu: Fuhrmann, Der wahre Kaiser, S. 99 und 115 Anm. 1. 7 Vgl. Kaup, De prophetia ignota, S. 212-216 (ed.) und 213-217 (tr.); dazu: McGinn, Joachim and theSibyl, S. 126 f. 8 Vgl. S. 206 und 214. 9 Vgl. Herde, Cölestin V, S. 194. 10 McGinn, Angel Pope, S. 161, und ders., Pastor angelicus, S. 227, schreibt irrtümlich, auch die Sarazenen sollten sich zum Christentum bekehren. Zur Verbreitung des Motivs unum ovile et unus pastor in ma. Weissagungen vgl. Reeves, Influence, Index, S. 572 s.v. Unum ovile. 11 Vgl. Roger Bacon, Opus tertium, cap. 24, ed. Brewer, S. 861. 12 Ders., Compendium studii philosophiae, cap. 1 und 4, ed. Brewer, S. 402f. und 418. Laut Reeves, Influence, S. 47, soll der Engelpapst bei Roger Bacon erst nach dem Antichrist auftreten.

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gewinne und unter dessen Pontifikat die Welt in Frieden und Fruchtbarkeit erblühe. Während die erste Fassung des Gedichtes noch keine besonderen Bezüge auf die Person des erst noch zu wählenden neuen Papstes erkennen läßt, wurde das Ge­ dicht in späterer Umformung zur Apotheose Gregors X. (1271-1276), auf den sich große Erwartungen richteten, weil er den Kreuzzugsgedanken in den Mittelpunkt seiner Politik stellte und seinen Pontifikat mit der Berufung eines Konzils eröffnete, um über die Befreiung des Heiligen Landes, die Beseitigung des Schisma mit den Griechen und die Besserung der Sitten unter Klerus und Laien zu beraten13. Vielleicht entstand während des Pontifikats Gregors X. auch die Weissagung des Sidrac14, wonach die Christen unter der Führung des Papstes, des Kaisers und vieler Könige bis Bagdad und zum alsbald wieder grünenden »dürren Baum« vor­ dringen sollten, an dem der Papst zu Ostern die Messe halten werde. Als die Kardinäle 1294 nach längerem Hin und Her keinen der Ihren, sondern gänzlich unerwartet als Kompromißkandidaten den benediktinischen Eremiten Peter von Morrone zum Papst wählten15, der den Namen Coelestin annahm, um damit wohl seine besondere Verbundenheit mit den himmlischen Mächten zu be­ tonen16, schien sich nochmals - wie schon unter Gregor X. - die von manchen-ge­ hegte Hoffnung auf den idealen Papst zu erfüllen. Entgegen der herkömmlichen Vorstellung war der neue Papst in Mittelitalien längst kein Unbekannter mehr und hatte als Abt der zum großen Kloster S. Spirito di Sulmona (oder: del Morrone) aus­ gebauten kleinen Eremitage auch organisatorische Fähigkeiten und einiges Durch­ setzungsvermögen entwickelt. Wenn er während seines Pontifikats teilweise als naiv und weltfremd erschien, so war dies wohl eine Folge seines hohen Alters von fast 85 Jahren17. Allerdings war er im Gegensatz zu den Kardinälen in den Ge­ schäften der Kurie und überhaupt politisch völlig unerfahren. Während die Kardinäle wohl bald schon ihre Wahl bereuten18, blieben die fran­ ziskanischen Spiritualen über den Tod des Papstes hinaus Coelestins glühende Anhänger. Sie, die scharfe Verfolgungen durch die Mehrheit der Franziskaner zu erdulden hatten, aber kompromißlos dem Armutsideal anhingen und sich als die Verkörperung der durch Joachim von Fiore geweissagten Geistkirche betrachteten, erfreuten sich seines besonderen Wohlwollens19. Später sahen die franziskanischen Spiritualen in Coelestin V. den Engelpapst, es ist jedoch fraglich, ob dies bereits für die Zeit vor seinem Tod gilt20 - soweit bekannt, war es erst kurz danach der Domi­ nikaner Robert von Uzes, der Coelestin V. in seinen Visionen21 deutliche Züge des Endzeit-Papstes verlieh. So sehr die Spiritualen den 1313 heiliggesprochenen Coe­ lestin verehrten, so sehr haßten sie seinen Nachfolger Bonifaz VIII., den viele von ihnen für unrechtmäßig hielten und dafür verantwortlich machten, daß Coelestin in

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Vgl. Baethgen, Engelpapst, S. 79f. Vgl. S. 200f. Vgl. Herde, Cölestin V, S. 31-83. Vgl. ebd., S. 81 f. Zur Charakterisierung der Persönlichkeit Coelestins V. vgl. ebd., S. 23f., 31 f., 97 und 117f. Vgl. ebd., S. 97, und zu kritischen Stimmen überhaupt S. 121-126. Vgl. ebd., S. 110-114 und 128; ders., Spiritualität, S.411—415. Vgl. ebd., S. 416, und die von Töpfer, Reich des Friedens, S. 213, geäußerten Vorbehalte. ed. Bignami-Odier, Les visions, S. 279 und 281 f. (13. und 18. Vision). Vgl. dazu: Herde, Cölestin V, S. 198 f.; ders., Spiritualität, S. 416; McGinn, Pastor angelicus, S. 231. Zu Robert von Uzes vgl. auch unten S. 278.

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einer Handlung ohne Beispiel nach nur fünf Monaten abdankte, weil er seine Un­ fähigkeit für das Amt des Papstes eingesehen hatte22. Tatsächlich hat Bonifaz seinen Vorgänger nach dessen mißglückter Flucht zurück ins Eremitenleben bis zum Tod im Jahre 1296 gefangengehalten23. Die Episode des Pontifikats Coelestins V. zeigte, daß es durchaus einen wahr­ haft asketischen und frommen Papst geben konnte und daß er nicht aus den Reihen der Kardinäle kommen mußte. Sie entzog der Hoffnung auf den Engelpapst nicht etwa den Boden. Wie auch in anderen Fällen zu beobachten24, scheint die Enttäu­ schung (über Coelestins Abdankung) die Hoffnung noch verstärkt zu haben, wobei der aus der Sicht der Spiritualen abstoßend weltliche Pontifikat Bonifaz' VIII. das Seine dazu beitrug. Da Bonifaz die zugunsten der Spiritualen getroffenen Maßnah­ men Coelestins rückgängig machte und diese damit wieder neuen Verfolgungen ausgesetzt waren, wanderten manche nach Griechenland aus und kehrten erst nach Jahren in ihre italienische Heimat zurück25. Aber erst mit dem Papsttum von Avig­ non, das ihrer Kritik weitere Angriffsflächen bot, erreichte die Drangsal der Spiri­ tualen den Höhepunkt. In Johannes XXII. (1316-1334), unter dessen langem Ponti­ fikat vier von ihnen 1318 in Marseille als Ketzer verbrannt wurden, glaubten sie den von Petrus Johannis Olivi (t 1296) erwarteten mystischen Antichrist zu sehen26, der dem großen Antichrist vorausgehen sollte27. Ihre volle Ausprägung und große Popularität erreichte die Vorstellung vom Engelpapst mit zwei im Mittelalter häufig Joachim von Fiore zugeschriebenen Wer­ ken, nämlich mit den sogenannten Vaticinia de summis pontificibus und dem Liber de Flore. Bei den Vaticinia handelt es sich um eine weitgehend wörtliche Übersetzung28 der aus dem 12. Jahrhundert stammenden griechischen Orakel Kaiser Leons des Weisen29, die sich auf byzantinische Kaiser beziehen, wobei auf schlechte Regie­ rungen eine Zeit des Glückes unter einem wiedererstandenen Herrscher folgen soll. Die letzten der zu den Orakeln gehörenden Illustrationen zeigen diesen Kaiser, wie er aus dem Grabe ersteht, von einem Engel belebt wird, Ornat und Insignien anlegt und neben den Patriarchen von Konstantinopel tritt. Im allgemeinen umfassen die Vaticinia in den erhaltenen Handschriften 15 kur­ ze, schwer verständliche Weissagungen30, denen normalerweise jeweils ein in sei­ nem Bezug zum Text nicht immer klares Bild und eine Überschrift in der Art eines Mottos oder einer Devise zugeordnet sind31. Unter Hinzufügung entsprechender

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Vgl. Herde, Cölestin V., S. 126-142 und 164-168. Vgl. ebd.,S. 143-160. Vgl. nicht zuletzt die Fallstudie von Festinger, Riecken, Schächter, When Prophecy Fails. Vgl. von Auw, Angelo Clareno, S. 44-77. Vgl. McGinn, Angel Pope, S. 167-169; Reeves, Influence, S. 213 und 411. Als Ketzer galt Johan­ nes XXII. auch anderen, vgl. Ullmann, Geschichte des Papsttums, S. 270 f. Vgl. zu dieser Lehre die Einleitung von Lerner zu Johannes de Rupescissa, Liber secretorum eventuum, ed./tr. Lerner und Morerod-Fattebert, S. 52f.; Vian, Dalia gioia dello Spirito, S.185L Vgl. Millet und Rigaux, Aux origines, S. 133. Imperatoris Leonis cognomine sapientis oracula, Migne PG 107, col. 1129-1140. Vgl. dazu: Mango, Legend of Leo the Wise; Rigo, Oracula Leonis; Schmoldt, Daniel, S. 284-289. Zur Da­ tierung auch Alexander, Diffusion, S. 79 und 103 Anm. 114; Reeves, Popular Prophecies, S. 109; Schussler, Reform, S. 51 Anm. 24. In einigen Hss. auch 14 oder 16, vgl. Millet und Rigaux, Aux origines, S. 130. Vgl. Grundmann, Papstprophetien, S. 78; Millet und Rigaux, Aux origines, S. 131.

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Namen am Anfang32 wurden sie schon bald33 nach der Übersetzung auf eine Reihe von Päpsten bezogen, ex eventu beginnend mit Nikolaus III. (1277-1280) und endend mit mehreren idealen Päpsten der Zukunft, die nach einem über die Stadt der sieben Hügel gehaltenen Gericht auftreten und - den Illustrationen früher Handschriften zu­ folge - dem Antichrist unmittelbar vorausgehen sollten. Mit Ausnahme des fünften wird an den ersten sieben Päpsten scharfe Kritik geübt. Einer der letzten Päpste trägt wie der Kaiser in der griechischen Vorlage die jüdische Messiasbezeichnung menachim, zuweilen umgedeutet in monachus. Da er wie dieser als nackt aus einem Grabe oder einer Höhle sich erhebend abgebildet ist, erinnert er an einen Eremiten. Der Begriff des pastor angelicus fällt auch in den Vaticinia noch nicht, aber die dann folgenden Päpste werden in den Illustrationen gemeinsam mit Engeln gezeigt. Zusammen mit dem letzten Papst, der seine Tiara absetzt, ist häufig ein für den Antichrist stehendes Tier34 mit Menschengesicht und Krone abgebildet, wodurch wohl darauf hingewie­ sen werden soll, daß der letzte Papst - ähnlich wie der Endkaiser - dem Antichrist Platz machen wird, nachdem er Gottes Auftrag erfüllt hat35. Aber es werden in den Vaticinia keinerlei Angaben über die Erfolge der letzten Päpste gemacht wie etwa bei Roger Bacon. Sollte sich unter ihrem Pontifikat also wie von selbst ein Ideal­ zustand einstellen? Von dem auf die Herrschaft des Antichrist folgenden Anbruch eines dritten Zeitalters im Sinne Joachims von Fiore findet sich jedenfalls keine Spur. Wie sich aus einem in der Handschrift Vat. lat. 381936 enthaltenen frühen Kom­ mentar37 zu den Vaticinia ergibt, wurden sie wohl ursprünglich nicht ausschließlich auf Päpste bezogen. Vielmehr waren mit den ersten der nicht zuletzt wegen seines Nepotismus bekannte Papst Nikolaus III. und andere Angehörige oder Anhänger der Familie der Orsini gemeint, nämlich die Kardinäle Matteo Rosso Orsini, Jacopo Sa velli (Honorius IV.), Latino Malabranca, Giordano Orsini und vielleicht auch noch Napoleone Orsini38. Unabhängig davon ist klar, daß mit der fünften Person ursprüng­ lich nicht Coelestin V. (1294) gemeint war39. Außerdem galten die letzten fünf Weis­ sagungen, die zunächst nicht oder nicht immer Bestandteil der Vaticinia waren40, ent­ sprechend der griechischen Vorlage ursprünglich wohl nur einem einzigen Papst41. Die Vaticinia sind zwischen Erde 1280 und Anfang 1305 entstanden42, also mög­ licherweise unbeeinflußt vom Vorbild Coelestins V. Vielleicht ist der Übersetzer 32 Vgl. ebd., S. 131,143 und 149. 33 d.h. wohl spätestens kurz vor der Wahl Clemens' V. am 5. Juni 1305, denn in der Hs. Florenz, Riccardiana 1222 B, werden die Namen der Päpste einschließlich Benedikts XI. genannt, so daß sie vermutlich zwischen Oktober 1303 und Juni 1305 entstand. Vgl. zu dieser Hs. Lerner, Origins, S. 634; Schussler, Reform, S. 41-48. 34 Reeves, Influence, S. 403, glaubt mit diesem Tier ursprünglich das imperium gemeint und folgert: »Thus, at the last, the Angelic Pope is expected to dominate over both secular and spiritual spheres.« 35 Vgl. Lerner, Ursprung, S. 33; McGinn, Pastor angelicus, S. 236. Dagegen glaubt Schussler, Reform, S. 47, daß das Papsttum den Antichrist überdauern soll. 36 Vgl. zu dieser Hs. Lerner, Origins, S. 635; Rehberg, »Kardinalsorakel«-Kommentar, S. 92-94. 37 Er ist ediert von Rehberg, ebd., S. 107-112. Zu seiner Datierung vgl. Lerner, Recent Work, S. 152-154. 38 Vgl. ebd., S. 149 f. und 153 f.; Millet und Rigaux, Aux origines, S. 143-145; Rehberg, »Kardinalsorakel«-Kommentar, S. 50-60 und 70. 39 Vgl. Lerner, Origins, S. 618f.; Rehberg, »Kardinalsorakel«-Kommentar, S. 59f. 40 Vgl. ebd., S. 100 f. 41 Vgl. McGinn, Pastor angelicus, S. 236. 42 Vgl. Lerner, Recent Work, S. 151 f. und 155 f. Millet und Rigaux, Aux origines, S. 144 f., und Rehberg, »Kardinalsorakel«-Kommentar, S. 71 f. und 99, datieren auf 1285-1287.

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beziehungsweise der Verfasser der Vaticinia den Franziskaner-Spiritualen zuzu­ rechnen43. Bei ihnen erfreuten sich die Vaticinia offenbar besonderer Beliebtheit44. Aber da diese kein spezifisch franziskanisches Merkmal aufweisen, kann der Über­ setzer auch aus anderen Kreisen stammen. Sein Name soll Rabanus Anglicus ge­ wesen sein. Angesichts der gegen die Orsini gerichteten Tendenz der Vaticinia ist es jedoch wenig wahrscheinlich, daß er in England lebte und die Vaticinia von dort und nicht aus Italien stammen45. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts46 entstand eine gleichartige zweite Serie von 15 Papst-Weissagungen47, also lange bevor sich die erste Serie als gänzlich falsch erwiesen hatte. Sie stammt vermutlich aus der Feder eines Mannes, der den Franziskaner-Spiritualen nahestand und vielleicht nicht in Italien, sondern in Süd­ frankreich lebte48. Er hielt die erste Serie wohl nicht für glaubwürdig oder sie ent­ sprach nicht seiner Zielsetzung. Auch seine Weissagungen begannen mit Niko­ laus III. Die ersten neun bis zu Johannes XXII. (1316-1334) sind mit Sicherheit ex eventu verfaßt. Die letzten Päpste sind positiv gezeichnet, wobei besonders der drei­ zehnte die Züge des Engelpapstes trägt. Am Ende steht jener Drache, der in der Offenbarung des Johannes 12,4 mit seinem Schwanz ein Drittel der Sterne vom Himmel fegt49. Diese Weissagung bewahrheitete sich insofern, als unter Urban VI. (1378-1389), dem vierzehnten Nachfolger Nikolaus' III., das Schisma ausbrach, das wohl nicht selten als der Beginn der Herrschaft des Antichrist betrachtet wurde50. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, spätestens 138751, vielleicht also un­ ter Urban VI., wurden die beiden Serien von Papst-Weissagungen dergestalt mitein­ 43 Wie Grundmann, Papstprophetien, S. 102, vermutet. Vgl. aber die Einwände von Lerner, Origins, S. 613-619; McGinn, Pastor angelicus, S. 237; Millet und Rigaux, Aux origines, S. 149. 44 Vgl. Lerner, Origins, S. 629-631, entgegen Millet und Rigaux, Aux origines, S. 149. 45 Die von Lerner, Origins, S. 620-626, zunächst vertretene Annahme englischen Ursprungs hat Lerner, Recent Work, S. 149, inzwischen aufgegeben. Zu Rabanus Anglicus vgl. ebd., S. 156 Anm. 34. Vielleicht wurden die Vaticinia zuerst in England ausschließlich auf Päpste bezogen, vgl. Rehberg, »Kardinalsorakel«-Kommentar, S. 102. Millet und Rigaux, Aux origines, S. 145-147, unterstellen den Vaticinia eine guelfische, pro-angiovinische Tendenz und glauben sie im Umkreis der Anjou von Neapel entstanden, vgl. aber die Kritik von Lerner, Recent Work, S. 151 f. 46 Schwartz und Lerner, Illuminated Propaganda, S. 166-170, datieren auf die Zeit zwischen 1318 und 1340, wahrscheinlich zwischen Mai 1328 und Mai 1330, Millet und Rigaux, Ascende Calve, S. 702 f. und 710, dagegen auf 1349-1350. 47 Der Text ist ediert von Schwartz und Lerner, Illuminated Propaganda, S. 187-191. 48 Dieser Ansicht sind Schwartz und Lerner, Illuminated Propaganda, S. 167 und 179-185. Da­ gegen glauben Millet und Rigaux, Ascende Calve, S. 706-710, daß die Weissagungen aus der Umgebung des Giovanni Visconti stammen. 49 Da sich die vorausgehenden 14 Weissagungen allesamt auf Päpste beziehen, bestand die Mög­ lichkeit, auch in dem Drachen einen Papst zu sehen, wie dies bereits vor dem Schisma von 1378 Heinrich von Kirkestede tat, vgl. Schwartz und Lerner, Illuminated Propaganda, S. 166; Millet und Rigaux, Ascende Calve, S. 710-713; McGinn, Angel Pope, S. 169, hält diese Identifi­ zierung für die ursprüngliche Absicht des Verfassers. 50 Vgl. S. 283. 51 Aus diesem Jahr stammt die Hs. Vat. Reg. Lat. 580, die bereits die Kombination von 30 PapstWeissagungen enthält, vgl. Reeves, Influence, S. 93, 328, 405, 420 Anm. 1 und S. 537; Spence, Telephorus, S. 271 Anm. 5. Deshalb sind die von Lerner, Ursprung, S. 59-61, und Rusconi, L'attesa, S. 55, vorgeschlagenen Datierungen der Kombination auf 1410-1414 bzw. 1409-1417 nicht zu halten. Rusconi, ebd., S. 173 Anm. 122, scheint die Datierung der Hs. Vat. Reg. Lat. 580 auf 1387 falsch (»almeno alia luce di un esame sommario del codice«), er gibt aber keine kon­ krete Begründung.

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ander verbunden, daß die ältere auf die jüngere folgte52. Dadurch rückte der Drache aus der Offenbarung des Johannes 12,4 in die Mitte, erschien also wie der erste und eigentliche Antichrist bei Joachim von Fiore nicht erst am Ende der Geschichte und konnte für den Ausbruch des Schisma stehen53. Den Schluß bildete die Reihe der Engelpäpste, deren letzter den Illustrationen zufolge dem Antichrist Platz machen sollte. Aber auch der mit dem vorbildlichen Urban V. (1362-1370) zu identifizie­ rende dreizehnte Papst blieb mit einem Engel abgebildet. Für die große Popularität der Papst-Weissagungen, die wohl nicht zuletzt auf die Illustrationen zurückzuführen ist, spricht die Zahl von 76 bisher bekannten Handschriften der ersten und zweiten Serie und ihrer Kombination54. Selbst der Tod Leos X. (1513-1521), des 29. Papstes nach Nikolaus III., tat ihr keinen Abbruch, wie die 24 Drucke zeigen, die zwischen 1505 und 1670 - auch in landessprachlichen Übersetzungen - erschienen55. Die Vaticinia blieben sogar in protestantischen Krei­ sen verbreitet56. Die wohl kurz vor der Wahl Papst Clemens' V. (5. Juni 1305) verfaßte57 und zu­ sammen mit einem - unter dessen Pontifikat (1305-1314) entstandenen - Kommen­ tar überlieferte Weissagung des Liber de Flore58, die ex eventu nicht erst mit Niko­ laus III., sondern bereits mit Gregor IX. einsetzt, kennt vier am Weitende aufeinan­ der folgende Päpste, die erstmals expressis verbis als pastores angelici bezeichnet und deren Taten im Unterschied zu den Vaticinia de summis pontificibus eingehend be­ schrieben werden. Ähnlich wie schon bei Roger Bacon59, aber weit ausführlicher wird außerdem die Gestalt des letzten Kaisers in die Weissagung mit einbezogen60. Der erste der vier Engelpäpste, dessen Nationalität im Unterschied zu seinen drei Nachfolgern unbestimmt bleibt, soll ein Mönch hohen Alters sein. Durch himmlische Botschaft zum Papst bestimmt, werde er von einem Engel, der ihn zu­ vor verborgen gehalten habe, aus seinem ergastulum61 herausgeführt. Bei seinem Anblick neigten sich die Berge, wendeten die Flüsse ihren Lauf und liege das Meer wellenlos da. Die Toten ständen auf und Kirchen würden erneuert, neue Altäre ge­ baut. Weiter heißt es, um das Böse zu vernichten, habe der Engelpapst als rectificator der ganzen Welt viele Kämpfe zu bestehen. Einen mit dem Buchstaben P62 bezeich­ neten »edelmütigen König aus der Nachkommenschaft Pippins« mache er zum Kai­ ser. Indem dieser ausführe, was der Papst beschließe, könne jener sich ganz seinem 52 Vgl. als Beispiel die Faksimileausgabe der Hs. Vat. Ross. 374. In der Hs. Tours, Bibi, munic. 520, dagegen folgt die jüngere auf die ältere Serie, vgl. Tobin, Une Collection, S. 423. 53 Vgl. Grundmann, Papstprophetien, S. 116 f. 54 Vgl. Millet und Ricaux, Aux origines, S. 129f. Zu den ältesten neun Hss. der ersten Serie: ebd., S. 155 f. und 151 Anm. 8; Lerner, Origins, S. 633-635. Eine davon findet sich sogar im Register der Kanzlei Philipps des Schönen, vgl. Lerner, ebd., S. 634; Millet und Rigaux, Aux origines, S. 149 und 154 Anm. 68. Zu den Hss. der zweiten Serie: Millet und Rigaux, Ascende Calve, S. 714-719. 55 Vgl. Lerner, Ursprung, S. 13. Zu einigen Drucken speziell: Grundmann, Papstprophetien, S. 135-137; Reeves, Influence, S. 453-462. 56 Vgl. ebd. 57 Vgl. Grundmann, Liber de Flore, S. 39^42. 58 Nur teilweise ediert von Grundmann, ebd., S. 80-91. 59 Vgl. S. 270. 60 Zum Inhalt vgl. Grundmann, Liber de Flore, S. 70-74. Vgl. auch Baethgen, Engelpapst, S. 100-102, und McGinn, Pastor angelicus, S. 243-245. 61 Von Grundmann, Liber de Flore, S. 70 Anm. 93, mit »Grab« wiedergegeben. 62 Damit ist wohl ein neuer Pippin gemeint, vielleicht Philipp der Schöne (reg. 1285-1314).

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geistlichen Amt widmen. Nach der Eroberung Konstantinopels durch den franzö­ sischen Kaiser gelinge dann die mit der Aufnahme einiger Griechen ins Kardinal­ kolleg besiegelte Einigung der griechischen und lateinischen Kirche. Aber nicht etwa der Kaiser soll Jerusalem erobern63, sondern der aus seinem Geschlecht stam­ mende64, mit dem Papst befreundete König von Sizilien, der danach zugunsten seiner Nachkommen abdanke und in den Orden der Franziskaner eintrete65. Schließlich noch heißt es von dem ersten Engelpapst, daß er die zwischen den Städten Italiens bestehende Zwietracht schlichten und sie von allen Übeln reinigen werde. Am Ende seines Pontifikates zerstöre er alle Waffen und beseitige das Kriegshandwerk. Durch seine väterliche Liebe überwinde er die Bösen. Das von ihm ausgehende Licht der Versöhnung strahle bis zu den Heiden in der Feme. Sein Tod sei von Wundem begleitet. Danach werde sofort und ohne Streiterei ein noch von ihm selbst zum Nach­ folger bestimmter Franzose als Papst gewählt. Dieser bemühe sich vor allem, die Deutschen, denen eigentlich die Kaiserwahl zustehe, mit dem französischen Kaiser zu versöhnen. Wie sein Vorgänger so verbiete auch er die Herstellung von Waffen und ihre Benutzung. Während seines Pontifikates werde der französische Kaiser in Konstantinopel sterben, ohne einen Nachfolger zu erhalten, weil die dann beste­ henden Verhältnisse keinen weltlichen Ordner mehr erforderten. Das französische Herrscherhaus erlösche allerdings erst unter dem vierten Engelpapst. Der Nachfolger des auf dem Weg nach Jerusalem auf einer Insel sterbenden zweiten Engelpapstes soll ein Italiener mittleren Alters sein, dessen Wahl sich in­ folge von Zwietracht um ein halbes Jahr verzögere. Wie sein Vorgänger trage er »das Kleid der Armut«. Er widme sich vor allem der inneren Ordnung der Kirche und der sozialen Gerechtigkeit, indem er den verkommenen Orden der Franziskaner be­ seitige, die Zahl der Kardinäle auf zwölf beschränke und den Prälaten alles Geld nehme, um es an die Armen zu verteilen und so zu verhindern, daß ihr Seelenheil aus der Not der Armut heraus zu Schaden komme. Unter seinem Pontifikat würden die Offenbarungen des Daniel und des Johannes von allen verstanden66, bekehrten sich endlich auch die Juden und Sarazenen zum Christentum. Als vierten Engelpapst weissagt der Verfasser des Liber de Flore einen von den zwölf Kardinälen gewählten Aquitanier, der die Einigung aller Menschen unter christlicher Herrschaft vollenden werde. Wunderwirkend und beispielgebend durch­ wandere er als Prediger die Welt bis weit nach Osten, wo ihm zwei barbarische Völ­ ker (Gog und Magog?) friedlich mit Palmen und Gesang entgegenkämen und sei­ nen Segen erhielten. Wenn dann auch dieser letzte Engelpapst gestorben sei, werde der Teufel (wie in der Offenbarung des Johannes 20,7 angekündigt) von allen Fesseln befreit werden. Wie in den Vaticinia de summis pontificibus findet sich vom Anbruch des dritten Status Joachims von Fiore keine Spur. 63 Von Reeves, Influence, S. 404 und auch 323, unbeachtet. 64 d.h. angiovinische. 65 Vielleicht hat bei dieser Vorstellung das Beispiel des 1317 heiliggesprochenen Ludwig (t 1297), des Zweitältesten Sohnes Karls II., der auf seine Thronrechte verzichtete und in den Franzis­ kanerorden eintrat, eine Rolle gespielt. Ludwig verkörperte für die Spiritualen das Ideal der Armut und Verachtung weltlicher Macht, vgl. Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, München-Zürich 1991, col. 2202Í. s.v. Ludwig von Anjou (Artikel von A. Vauchez). 66 In abgeschwächter Weise tritt hier Joachims Gedanke von der den Buchstaben durchdringenden mtelligentia spiritualis hervor.

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Der Autor des Liber de Flore verrät deutliche Sympathien für die franziska­ nischen Spiritualen und für das französische Königshaus. Er stammt wohl aus den Reihen der Spiritualen67 und stützt sich teilweise auf die Vaticinia de summis ponti­ ficibus68. Der Zahl der erhaltenen Handschriften nach zu urteilen, war der Liber de Flore erheblich weniger verbreitet als die Vaticinia69. Trotzdem war seine Wirkung groß, denn er beeinflußte maßgeblich so populäre Autoren wie Johannes de Rupescissa und Telesphorus von Cosenza, bei denen ebenfalls Engelpapst und Endkaiser Zusammenarbeiten sollen70. Von einer anderen Weissagung über die Päpste der Endzeit berichtet in der er­ sten Hälfte des 14. Jahrhunderts ein Mönch namens Gentilis71: Wegen der in Frank­ reich erlittenen Verfolgung der Kirche flüchteten die wenigen überlebenden Kardinäle nach Rom. Ihre Absicht, einen der Ihren zum Papst zu wählen, werde eine Stimme vereiteln, die ihnen befehle, einen wie Johannes der Täufer gekleideten pau­ per nudus als neuen Papst zu suchen. Dieser werde der erste reformator ecclesie sein und die Kirche zum ursprünglichen Zustand der Armut und Heiligkeit zurück­ führen. Da er schon alt sei, habe er nicht mehr lange zu leben, doch führten seine beiden Nachfolger sein Werk fort. Von den Sarazenen freudig empfangen, ziehe der zweite zusammen mit dem ihm untergebenen Kaiser friedlich in Jerusalem ein. Unter seinem Pontifikat werde der Antichrist erscheinen72. In dieser Weissagung fällt die frankreichfeindliche Tendenz auf, die in völligem Gegensatz zum Liber de Flore steht. Dementsprechend wird der mit dem dritten Papst in Jerusalem einziehende Kaiser nicht etwa als Franzose bezeichnet. Auch ist nicht wie im Liber de Flore von vier, sondern nur von drei idealen Päpsten die Rede7374 . In dem als Summula seu breviloquium super concordia Novi et Veteris Testamenti™ betitelten Werk aus der Feder eines katalanischen Franziskaners75, das auf etwa 1350 zu datieren ist76, wird der wie bei Joachim von Fiore an der Wende vom zwei­ ten zum dritten Status auftretende Endzeit-Papst entsprechend Joachims Lehre als neuer Serubbabel betrachtet. Ihm soll der mit Peter IV. von Aragon (+ 1387) iden­ tifizierte, viele Länder beherrschende letzte König kurz vor dem Tod das Heilige Land übergeben - offenbar als Zeichen seiner Reue für früher begangene Sünden, denn zuvor heißt es, er werde mit den Ungläubigen verbündet sein und die Chri­ sten verfolgen. Als den Antichrist erwartet der Autor einen vom aragonesischen König unterstützten falschen Papst77. 67 68 69 70 71

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Vgl. Grundmann, Liber de Flore, S. 43-69. Vgl. ebd., S. 41,66 Anm. 80 und S. 74 Anm. 104; Baethcen, Engelpapst, S. 101 Anm. 2. Vgl. McGinn, Pastor angelicus, S. 239. Vgl. S. 279-284. Ob Gentilis in Paris lebte, wie Finke, Aus den Tagen Bonifaz VIII., S. 218, meint, der ihn als Pa­ riser Mönch bezeichnet, ist fraglich. Allerdings schreibt Gentilis, noch unter dem Pontifikat Bo­ nifaz' VIII. (!) habe er in Paris einen Theologen sagen hören, daß die römische Kirche 40 Jahre lang - also bis 1345 - in Frankreich bleiben werde, vgl. Finke, ebd., S. 220 Anm. 1. Vielleicht handelt es sich bei seiner Person um Gentile von Foligno, einen Freund Angelos von Clareno, wie Reeves, Influence, S. 418 f., erwägt. Vgl. zu ihm von Auw, Angelo Clareno, S. 78 Anm. 19. Der Text dieser Weissagung ist ediert von Finke, Aus den Tagen Bonifaz VIII., S. 220 f. Anm. 1. Entgegen der Auffassung von Reeves, Influence, S. 418, ist es deshalb unwahrscheinlich, daß die Weissagung vom Liber de Flore abhängig ist. Ediert von Lee, Reeves, Silano, Western Mediterranean Prophecy, S. 164-322. Vgl. ebd., S. 90,92 f. und 100. Vgl. ebd., S. 120. Vgl. ebd., S. 122L, 130 und 249.

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Bemerkenswerterweise zeigten Petrus Johannis Olivi, Angelo von Clareno und Ubertino von Casale, also die drei um 1300 bedeutendsten Autoren der Spiritualen, an der Vorstellung vom Engelpapst nur wenig Interesse78, das andererseits jedoch keineswegs auf die Franziskaner beschränkt war. Ein früher Zeuge für die Verbreitung der Engelpapst-Weissagung in ihrer voll ausgebildeten Form ist der nicht nur als Arzt berühmte Amald von Villanova (+ 1311)79, der den Spiritualen zwar nahestand, aber kein Franziskaner war. So fin­ det sich bei ihm beispielsweise auch die Vorstellung, daß Papst und Kaiser am Ende der Zeiten erfolgreich Zusammenarbeiten, wobei er Friedrich III. (II.) von Sizilien für diese Aufgabe auserwählt glaubt, aber nicht sagt, wer der Engelpapst sein soll80. Ähnlich sah Fra Dolcino (+ 1307), der Prophet der als Ketzer verfolgten Apo­ stelbrüder81, in Friedrich von Sizilien den Herrscher, der alle Mönche und Geist­ lichen samt Papst und Kardinälen töten und dann bis zur Ankunft des Antichrist gemeinsam mit einem von Gott gesandten, nicht von Kardinälen gewählten hei­ ligen Papst regieren werde, so daß alle Menschen, die sich den Apostelbrüdem an­ schlössen, die Gnade des Heiligen Geistes empfingen82. Wie verbreitet die Hoffnung auf das Erscheinen eines engelgleichen Papstes um 1300 auch außerhalb des Ordens der Franziskaner war, zeigt nicht zuletzt das Beispiel des Robert von Uzes (+ 1296), der - selbst ein Dominikaner - in seinen Visi­ onen bemerkenswerterweise einen Franziskaner als Engelpapst erwartete, jedoch keine näheren Angaben zu dessen Lebenslauf und Handlungsweise machte8384 . Ein halbes Jahrhundert später träumte auch ein Humanist wie der durch seine Briefe und Reden berühmte, sogar von Petrarca bewunderte Cola di Rienzo (+ 1354) nicht nur von der Freiheit Italiens und der Größe des republikanischen Rom. Als er 1347 für mehrere Monate in Rom die Macht ergriff, nahm er zwar den Tribunentitel an, aber er nannte sich unter anderem - und an erster Stelle - auch candidatus spiritus sancti64. Er glaubte sich maßgeblich daran beteiligt, das Reich des Heiligen Geistes heraufzuführen, und hoffte auf die Herrschaft des Engelpapstes. Unter Berufung auf einen den Franziskaner-Spiritualen zuzurechnenden Eremiten, den er nach sei­ ner Flucht aus Rom im Maiella-Gebirge kennengelemt hatte, behauptete er im Juli 1350 Kaiser Karl IV. gegenüber, daß schon bald ein göttliches Strafgericht zu er­ warten sei, dem eine Reform der Kirche und ein allgemeiner Frieden unter Christen wie Sarazenen folgten. Dieses Zeitalter des Heiligen Geistes werde mit einem von Gott erwählten heiligen Mann anbrechen, der zwar den Tod erleide, aber nach vier Tagen wiederauferstehe. Als pastor angelicus reformiere er gemeinsam mit einem auserwählten Kaiser den ganzen Erdkreis und verwende die Schätze der Kirche dafür, zu Ehren des Heiligen Geistes einen großen, Jerusalem genannten Tempel zu erbauen, zu dem auch die Heiden Ägyptens kämen, um zu beten85. 78 Vgl. McGinn, Pastor angelicus, S. 233. 79 Vgl. ebd., S. 245 f. 80 Vgl. Batllori, La Sicile, S. 364 f.; Lee, Reeves, Silano, Western Mediterranean Prophecy, S. 44f.; Reeves, Influence, S. 317; Töpfer, Reich des Friedens, S. 254. Vgl. auch oben S. 246. 81 Vgl. S. 247 und 289. 82 Vgl. Orioli, Venit perfidus heresiarcha, S. 120Í. und 230; Reeves, Influence, S. 245f.; Töpfer, Reich des Friedens, S. 300-304. 83 Vgl. ed. Bicnami-Odier, Les visions, S. 279 und 281 f. (13. und 18.Vision); Herde, CölestinV, S. 198f. 84 Vgl. Lexikon des Mittelalters, Bd. 3, München-Zürich 1986, col. 26-28 s.v. Cola di Rienzo (Arti­ kel von R. Manselli). 85 Vgl. Cola di Rienzo, Briefwechsel, ed. Burdach und Piur, Teil 3, Nr. 49, S. 193-195.

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Als Cola di Rienzo Karl IV. mit diesen Vorstellungen nicht zu beeindrucken vermochte, sondern gefangengesetzt wurde, schrieb er an Erzbischof Emst von Prag, flehend wie im Gebet: »O von allen Gerechten erwarteter Engel, von dessen Ruhm die ganze Erde erleuchtet werden wird, erscheine doch schnell, vertreibe die Nebel und leuchte, weil jetzt vor unseren Augen verloschen ist alles Licht!«86 Die Gestalt des Engelpapstes spielte auch in den Weissagungen des Franzis­ kaners Johannes de Rupescissa (+ nach 1365) eine dominierende Rolle. Sie fanden weite Verbreitung87, obwohl Johannes wegen seiner Kritik am Zustand der Kirche vom Oktober 1349 an88 während der Jahre der Pest und länger im päpstlichen Ker­ ker zu Avignon saß und dort, immerhin über die Geschehnisse der Außenwelt unterrichtet und mit Büchern versorgt, einen Teil seiner Werke schrieb. In seinem am 11. November 1349 fertiggestellten89 Liber secretorum eventuum90 schreibt Johannes de Rupescissa, auf Clemens VI. (+ 1352) folge als Papst ein vom Heiligen Geist inspirierter sehr heiliger Mann91, der sich ebenso wie sein tugendhaf­ ter, an dieser Aufgabe jedoch scheiternder Nachfolger um die Reform der Welt be­ mühe92. Erst der von allen christlichen Königen tatkräftig unterstützte wunderbare dritte Papst nach Clemens VI. mache der Ketzerei ein Ende93. Unter dem vierten Papst dann, über dessen Persönlichkeit und Taten Johannes schweigt94, breche der Zorn Gottes über die Welt herein. Zahlreiche Klöster und Kirchen würden zerstört und das Blut von Laien wie Geistlichen in Strömen vergossen95. Die nach dem Tod des Papstes in Italien herrschenden Zustände ließen das Ende der Welt befürchten. Erst nach anderthalb Jahren könnten sich die Kardinäle auf einen Nachfolger einigen. Der neue Papst werde ein sehr heiliger Mann sein, der wie einstmals Coelestin V. nicht aus den Reihen der Kardinäle stamme96. Schon bald aber machten viele Kar­ dinäle einen anderen zum Papst und zwängen den um sein Leben fürchtenden wah­ ren Papst zur Abdankung97, die ebensowenig gültig sei wie diejenige Coelestins V.98. Zehn Zwölftel aller Geistlichen hingen dem falschen Papst an99, so auch die Au­ gustiner-Eremiten, die Karmeliter und die Dominikaner, nicht aber alle Franzis-

86 Ebd., Nr. 63, S. 353. Vgl.dazu: Baethgen, Engelpapst, S. 108 Anm. 2. 87 Vgl. Bignami-Odier, Études, S. 209-253; dies., Jean de Roquetaillade, S. 202-238. Ich verzichte im folgenden darauf, diese teilweise stark gekürzte Neuauflage mit nur wenigen Ergänzungen zur Sekundärliteratur zu zitieren. Zur Verbreitung des Vade mecum in tribulatione im deutsch­ sprachigen Gebiet vgl. auch Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 4, Berlin-New York 1983, col. 725 s.v. Johannes de Rupescissa (Artikel von H. Herkommer). 88 Vgl. Bignami-Odier, Études, S. 20-25. 89 Vgl. Johannes de Rupescissa, Liber secretorum eventuum, ed./tr. Lerner und Morerod-Fattebert, cap. 161, S. 218. 90 Vgl. die Edition und Übersetzung ebd., S. 137-218 und 265-319. 91 Vgl. ebd., cap. 56, S. 165. 92 Ebd., cap. 57, S. 166. 93 Ebd., cap. 58, S. 166. Wie die zu Ludwig von Sizilien gemachten Angaben zeigen, verschwindet die Ketzerei damit aber nicht endgültig. 94 Trotzdem bezeichnen Lerner, ebd., S. 33, und McGinn, Pastor angelicus, S. 249, alle vier Päpste als »holy popes«. 95 Vgl. Johannes de Rupescissa, Liber secretorum eventuum, ed./tr. Lerner und Morerod-Fatteberg, cap. 59, S. 167. 96 Ebd., cap. 19 und 20, S. 146 f. 97 Ebd., cap. 21 und 22, S. 147f. 98 Ebd., cap. 25, S. 149 f. 99 Ebd., cap. 24, S. 149.

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kaner100, die deshalb teilweise verfolgt würden und den Tod erlitten oder sich wie der wahre Papst in der Wüste versteckt hielten101. Kurz nach diesem Schisma trete der große (vierte)102 Antichrist auf103, der mit Ludwig von Sizilien (* 1338) zu identifizieren sei und zunächst wie ein Vorkämpfer des Christentums erscheine. Er werde die Franzosen aus Süditalien vertreiben104, mit der Eroberung Granadas die Iberische Halbinsel vom Islam befreien, zur Aus­ breitung des Christentums die Herrschaft über ganz Afrika erringen105, die Mo­ scheen zerstören und auch jene Stadt erobern, in der Muhammad begraben liege106. Dann werde Ludwig von den Fürsten des römischen Reiches gegen den Willen aller Vertreter der Kirche zum Augustus der Römer gewählt werden107. Während ein zuvor unternommener Kreuzzug der Könige von England und Frankreich nicht das Ziel der Vernichtung der Muslime erreicht habe108, gelinge Ludwig als Kaiser die Eroberung Syriens, Jerusalems und Ägyptens109. Das nach seiner Wahl gegen ihn rebellierende Rom werde er fast völlig zerstören110 und seine Macht nicht nur über Italien und Deutschland, sondern auch über ganz Asien ausbreiten, indem der dortige (sechste) Antichrist sich ihm unterwerfe oder sein Verbündeter werde111. Trotzdem soll Ludwig nicht etwa der Endkaiser sein, denn Johannes de Rupescissa schreibt, zwar nehme er dem Klerus allen Besitz, lasse die Anhänger des falschen Papstes verbrennen und rotte die Dominikaner aus112, doch würden auf seinen Be­ fehl außer den häretischen auch die rechtgläubigen Geistlichen getötet, so daß sich der wahre Papst vor ihm versteckt halte113. Mit diesen Angaben schwer zu verein­ baren ist die anschließende Behauptung, auf der Erde werde es keinen Geistlichen mehr geben, der nicht ein ketzerischer Anhänger des Kaisers sei114. Da Ludwig den verstockten Juden für eine gewisse Zeit die Freiheit gebe, feier­ ten sie ihn als den von ihnen erwarteten Messias. Alle unbelehrbaren Menschen, vor allem die den Klerus hassenden Ghibellinen, verehrten ihn wie Gott115. Auch er selbst werde sich für den Messias und für Gott halten, und damit erfülle sich, was der Apostel116 geschrieben habe117. Daran, daß Ludwig ein Aragonese und Nach­ komme Kaiser Friedrichs II. sei, könne er als der Antichrist erkannt werden, zumal die Buchstaben seines Namens, als lateinische Zahlen genommen, zusammen die Ebd., cap. 28-36, S. 151-155. Ebd., cap. 29, S. 151 f., und cap. 40, S. 157. Ebd., cap. 10, S. 141. Ebd., cap. 19, S.146, und cap. 26, S. 150. Ebd., cap. 11, S. 142. Ebd., cap. 47, S. 160. Ebd., cap. 48, S. 160. Ebd., cap. 49, S. 161. Ebd., cap. 60-62, S. 167 f. Ebd., cap. 49, S. 161. Obwohl er doch schon vorher ganz Afrika erobert haben soll. Ebd. Ebd., cap. 50, S. 162, und cap. 10, S. 141. Ebd., cap. 36, S. 155. Ebd., cap. 37, S. 156. Ebd. Ebd., cap. 39, S.156Í. 2 Thess. 2,3-4: «... der Sohn des Verderbens..., der sich über alles ... so sehr erhebt, daß er sich sogar ... als Gott ausgibt.« 117 Vgl. Johannes de Rupescissa, Liber secretorum eventuum, ed./tr. Lerner und MorerodFattebert, cap. 41, S. 157.

100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116

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Zahl 666 ergäben, die in der Offenbarung des Johannes 13,18 das zweite, aus der Erde heraufsteigende Tier bezeichnet118. Den offenen Auftritt Ludwigs als Antichrist erwartete Johannes de Rupescissa für das Jahr 1366, nämlich in Auslegung von Daniel 12,11 1290 Jahre nach der Zer­ störung des Tempels durch die Römer119. Der Tradition entsprechend, sollte die Herr­ schaft des Antichrist dreieinhalb Jahre bis in das Jahr 1370 hinein dauern120. Beinahe diese ganze Zeit lang würden zwei wundertätige Propheten, wie in der Offen­ barung des Johannes 11,3-12 angegeben, den Glauben an Christus predigen. So mancher der vielen sie begleitenden Heiligen finde durch den Antichrist den Tod121. Schließlich zögen die Gläubigen unter der Führung der vorübergehend vom Antichrist ebenfalls unterworfenen Franzosen als neue Makkabäer gegen die Übermacht des Antichrist in den Kampf. Während der folgenden Schlacht werde Christus mit einer Engelschar vom Himmel herabkommen und den Antichrist samt seinen Anhängern vernichten122. Danach sollte aber nicht etwa gleich das Jüngste Gericht erfolgen, sondern Jo­ hannes de Rupescissa wagte zu behaupten, die Welt werde - entsprechend Joachims (zeitlich weder in bezug auf die Dauer noch auf den Beginn fixiertem) drittem Status - noch volle 1000 Jahre fortbestehen123. Auch diese Zeit beschreibt Johannes sehr ge­ nau: Während der ersten 45 Jahre, von 1370 bis 1415, versuchten mehrere Tyrannen, das römische Reich zu beherrschen, und würden nach der Überwindung vieler Wid­ rigkeiten alle Sekten der Ungläubigen vernichtet124. Dann jedoch scheine es, als sei das Paradies auf die Erde herabgekommen. Jedermann werde durch den Heiligen Geist erleuchtet125. Die Juden nähmen das Christentum an und erhielten damit besonders bemerkenswert!126 - von Gott auch die universale Macht der Römer127. Unter der Regierung von Papst und Kaiser, der dementsprechend aus dem Ge­ schlecht Abrahams stammen, also ein Jude (und kein Franzose) sein soll128, werde überall Frieden herrschen129. Der Papst, der dem vom Himmel herabsteigender En­ gel aus der Offenbarung des Johannes 10,1-3 gleiche130, verlasse Rom endgültig und mache das wiedererbaute, aber unbefestigte Jerusalem131 zum Sitz des Papsttums132. 118 Ebd., cap. 4, S. 138, und cap. 152-158, S. 214-217. 119 Unausgesprochen steht vielleicht dahinter, daß Ludwig Johannes' Meinung nach dann etwa 30 Jahre alt gewesen wäre und damit das Alter erreicht hätte, in dem der Antichrist der all­ gemeinen Vorstellung nach triumphieren sollte, vgl. Lerner, ebd., S. 55 Anm. 89. 120 Ebd., cap. 15-18, S. 144-146, und dazu: Lerner, ebd., S. 57. 121 Ebd., cap. 42, S. 158. 122 Ebd., cap. 44, S. 159, cap. 65-66, S. 170f., und cap. 71-73, S. 174f. 123 Ebd., cap. 74, S. 175, cap. 104, S. 192, cap. 118, S. 198, und cap. 124, S. 201. 124 Ebd.,cap. 104-106, S. 192. 125 Ebd., cap. 125, S. 202. Von völliger Gleichheit der Menschen ist freilich nicht die Rede, wie Lerner, ebd., S. 80, betont. 126 Nicht zuletzt wegen der Pogromwelle von 1348-1350, die in Südfrankreich ihren Anfang nahm und der Clemens VI. entgegentrat, vgl. Graus, Pest, S. 159f. 127 Vgl. Johannes de Rupescissa, Liber secretorum eventuum, ed./tr. Lerner und MokerodFattebert, cap. 107, S. 193, cap. 125, S. 202, cap. 147, S. 212, und dazu: Lerner, ebd., S. 78. Vgl. auch Bignami-Odier, Études, S. 103. 128 Vgl. Johannes de Rupescissa, Liber secretorum eventuum, ed./tr. Lerner und MorerodFattebert, cap. 122, S. 200. 129 Ebd., cap. 107-110, S. 193 f. 130 Ebd., cap. 116, S. 197f. 131 Ebd., cap. 119-121, S. 199f. 132 Ebd., cap. 116, S. 198.

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Dort werde auch bis zum Ende der Zeiten ein collegium ecclesiae bestehen133. Damit die Laien nicht die Geistlichen störten, residiere der Kaiser nicht in Jerusalem selbst, son­ dern nur in dessen Nähe134. Die Franziskaner würden so zahlreich wie die Sterne am Himmel sein und führten ein so vorbildliches Lebens, daß jeder von ihnen wie ein zweiter Franziskus erscheine135. 700 Jahre nach dem Tod des großen Antichrist nähmen Glauben und Moral der Menschen wieder ab136. Unter den Prälaten gewännen Geiz und Stolz die Oberhand, und die Reinheit der Franziskaner gehe verloren, indem sich unter ihnen die Homo­ sexualität, Blasphemie und Häresie breit machten. Auf dem Tiefpunkt, 1000 Jahre nach dem Tod des großen Antichrist, erscheine als letzte Strafe der Menschen Gog, der letzte Antichrist. Aber dieser werde von Gott vernichtet, und dann gebe Chri­ stus die Herrschaft an den Vater zurück137. Der frühe Tod des von ihm mit dem Antichrist identifizierten Ludwig von Sizi­ lien im Jahre 1355 zwang Johannes de Rupescissa, seine Voraussagen zu ändern. In seinem am 1. September 1356 fertiggestellten138 Liber ostensor betrachtete er nun wohl Ludwigs bis 1377 über Sizilien regierenden Bruder Friedrich IV. (III.) als den großen Antichrist139. Er hat in diesem Werk140 unter anderem die Weissagung des Ps.-Methodios, die Sergios-Bahirä-Apokalypse und die Tiburtinische Sibylle sowie nicht zuletzt auch die beiden Serien der Vaticinia de summis pontificibus und den Liber de Flore benutzt141. Aus letzterem ist die Reihe der vier Engelpäpste, die Rolle des aus dem Geschlecht Pippins stammenden letzten Kaisers und des mit ihm ver­ wandten, Jerusalem erobernden Königs von Sizilien übernommen142. Im Gegensatz zum Liber secretorum eventuum soll der letzte Kaiser also ein Franzose und kein zum Christentum bekehrter Jude mehr sein. In seinem Vade mecum in tribulatione143, das Johannes de Rupescissa ebenfalls 1356 verfaßte144, ist wie im Liber secretorum eventuum und im Liber ostensor von einem östlichen und einem westlichen Antichrist die Rede, aber ohne einen davon mit da­ maligen Herrschern zu identifizieren. Am Beginn der auf sie folgenden tausend­ jährigen Friedenszeit soll als reparator orbis und neuer Elias ein Engelpapst stehen, der zusammen mit einem von ihm zum Kaiser erhobenen König von Frankreich die ganze Welt regiere. Der Papst sterbe nach neuneinhalb Jahren, der Kaiser ein Jahr später. Ein König von Sizilien erobere Jerusalem, danke danach jedoch ab und trete in den Franziskanerorden ein. Dies entspricht weitgehend der Darstellung im Liber de Flore145, von Nachfolgern des Engelpapstes ist freilich keine Rede. Die Weissagungen des Johannes de Rupescissa fanden nicht nur in Frankreich und Italien Verbreitung, sondern trotz ihrer aus dortiger Sicht negativen Tendenz 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145

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Ebd., cap. 120, S. 199. Ebd., cap. 122, S. 200. Ebd., cap. 127, S. 202 f. Ebd., cap. 128-130, S. 203f. Ebd., cap. 131-145, S. 205-211. Vgl. Bignami-Odier, Études, S. 140. Vgl. ebd., S. 148,197 und 206. Zum Inhalt vgl. ebd., S. 142-148. Vgl. ebd., S. 154 und 156 sowie 1431., 145 und 151. Vgl. ebd., S. 1431. Zum Inhalt vgl. ebd., S. 162-172. Vgl. ebd., S. 158; Lerner, »Popular Justice«, S. 40 Anm. 2. Bignami-Odier, Études, S. 173, erwähnt nur die Vaticinia de summis pontificibus als Quelle.

auch in Katalonien und im deutschsprachigen Gebiet146. So ist beispielsweise auch der Einfluß auf jenen Friedrich von Braunschweig unverkennbar, der wahrschein­ lich dem Franziskanerorden angehörte und 1392 in Speyer wegen seiner zunächst in Hildesheim und dann in Speyer und Weißenburg (Elsaß) unter Laien wie Geist­ lichen verbreiteten Lehren zu lebenslänglicher Kerkerhaft verurteilt wurde. Fried­ rich glaubte, daß der Auftritt des Antichrist in wenigen Jahren bevorstehe, daß er je­ doch durch einen als reparator bezeichneten Franziskaner getötet werde (!), der als Papst und Kaiser in einer Person (!) 1000 Jahre lang unter dem Gesetz des Heiligen Geistes herrsche. Friedrich betrachtete sich selbst als Vorläufer dieses reparator und nannte sich Johannes147. War schon die in der Mitte des 14. Jahrhunderts ausgebrochene Pest geeignet, endzeitliche Ängste zu verstärken148, so nicht weniger das Schisma von 1378 als ver­ meintlicher Beginn der Herrschaft des Antichrist149. Dessen Geburt war zuvor für verschiedene Jahre erwartet worden, nämlich zumindest für 1310,1360,1365,1375 und 1400150, und ungefähr für das Jahr des Schisma hatte kurz vor 1300 Amald von Villanova in seinem Traktat De tempore adventus Antichristi den Auftritt des Anti­ christ vorausgesagt151. Wer der zweiten Serie der Vaticinia de summis pontificibus Glauben schenkte, mußte mit dem vierzehnten Nachfolger Nikolaus' III., also unter Urban VI., den Drachen der Apokalypse kommen sehen152. Wohl nicht nur Heinrich von Kirkestede153, ein Benediktiner aus Bury St. Edmunds, identifizierte Urban VI. selbst mit dem Antichrist. In der Zeit des erst 1417 durch das Konzil von Konstanz überwundenen Schis­ ma errang der Libellus de causis, statu, cognitione ac fine praesentis schismatis et tribu­ lationum futurarum große Popularität, als dessen Verfasser sich ein gewisser Telesphorus von Cosenza bezeichnet. Wie in den Werken des Johannes de Rupescissa sind auch in dem Libellus viele Weissagungen miteinander verbunden: der Engelpapst und der von ihm zum Kai­ ser gekrönte französische König Karl stehen dem dritten Friedrich der Deutschen gegenüber, dessen Gestalt gänzlich negativ erscheint. Über die Person des Telesphorus kann nur wenig gesagt werden154. Es bleibt fraglich, ob er, wie in dem Widmungsbrief und in der Einleitung des Libellus ange­ geben155, wirklich ein Eremit war und aus Kalabrien stammte. Bei seinem Namen, der Verkünder des Endes bedeutet, handelt es sich vielleicht um ein Pseudonym156. Der Libellus entstand 1386, also in der Situation des Schisma von 1378. Vielleicht ist 146 Vgl. S. 279 Arun. 87. 147 Vgl. Die Rektorbücher der Universität Heidelberg, ed. Miethke, Bd. 1, S. 29 f. 148 Vgl. Lukas 21,11; Lerner, Black Death, der u.a. (S. 78) den mamlukischen Geschichtsschreiber al-Maqrizi zitiert und (S. 79-81) an Cohn, Paradies, Kritik übt. 149 Vgl. Reeves, Influence, S. 422. 150 Vgl. Lerner, Refreshment, S. 138; Reeves, Influence, S. 50. 1349 lief das Gerücht um, der Antichrist sei bereits zehn Jahre alt, vgl. Lerner, Black Death, S. 91. 151 Vgl. die Teiledition von Finke, Aus den Tagen Bonifaz VIII., S. CXXXII und auch S. 218 Anm. 1; dazu: Gerwing, Ende der Zeit, S. 133-143 und 184. Zur Datierung des Traktats vgl. Batllori, Dos nous escrits, S. 51 f.; Gerwing, Ende der Zeit, S. 74 und 76-80; Lee, Reeves, Silano, Western Mediterranean Prophecy, S. 28 f. 152 Vgl. S. 274. 153 Vgl. Lerner, Powers, S. 93-101. 154 Vgl. Donckel, Telesforus, S. 95-104. 155 Ebd., S. 282 f. und 299. 156 Vgl. ebd., S. 97; Rusconi, L'attesa, S. 171 und 173 Arun. 121.

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er als die aktualisierende Bearbeitung eines nicht mehr erhaltenen Werkes aus dem Jahre 1365 zu betrachten, das von einem anderen Autor stammt157. Der oder die Ver­ fasser haben vor allem auf joachitische Vorlagen zurückgegriffen. Durch die Benut­ zung des Liber de Flore geben sie sich als Gesinnungsgenossen der franziskanischen Spiritualen zu erkennen158. Das Oraculum Cyrilli und der Kommentar des Ps.Joachim dazu159 bilden die Hauptquelle160. Unter anderem ist auch die Tiburtinische Sibylle161, nicht aber Ps.-Methodios herangezogen. Der Einfluß des Johannes de Rupescissa ist gering162. Obwohl seine Gegenwart keineswegs der Vorstellung des Joachim von Fiore von dem idealen dritten Status entsprach, glaubte Telesphorus, dieser habe bereits im Jahre 1260 begonnen163. Auch die von ihm vorausgesagte nächste Zukunft paßte schlecht dazu: Seiner Meinung nach sollte ein 1365 geborener dritter Friedrich der letzte Kaiser deutscher Herkunft sein, der als Vorkämpfer des von seinen Fesseln befreiten Satan von einem falschen, deutschen Papst gekrönt werde. Dieser Fried­ rich strafe die Kirche für ihre Sünden. Die Hoffnungen des Verfassers ruhen auf einem französischen König Karl aus dem Geschlecht Pippins, der als Verbündeter des Engelpapstes den dritten Friedrich besiegen werde, nachdem er zunächst in dessen Gefangenschaft geraten, aber auf wunderbare Weise wieder aus ihr befreit worden sei. Karl soll sogar den die Kirche in das Schisma von 1378 führenden großen Antichrist (also Urban VI.?) vernichten. Der Verfasser erwartet, daß das Schisma im Jahre 1391 oder 1393 ein Ende finde, der Kampf zwischen Gut und Böse jedoch bis 1409 fortdauere. Der Anspruch der Deutschen auf das Kaisertum er­ lösche, indem Karl aus den Händen des Engelpapstes die Kaiserkrone empfange. Gemeinsam würden beide die Kirche reformieren und das Heilige Land erobern, woraufhin die Juden, Griechen (!) und übrigen (!) Ungläubigen begännen, sich zu Christus zu bekehren. Der Engelpapst werde drei Nachfolger haben, bevor dann im Jahre 1433 Gog, der letzte Antichrist, auftrete und der französische Kaiser seine Krone am Heiligen Grab niederlege. Auf die Herrschaft Gogs folge nicht un­ mittelbar das Weitende. Vielmehr breche mit seinem Tod eine Zeit vollkommenen Friedens an. Der Libellus weist einige Widersprüchlichkeiten auf, die auf (die) spätere Bear­ beitung (von 1386) zurückzuführen sind164. Obwohl die mehrfach für die nahe Zu­ kunft gemachten genauen Jahresangaben geeignet waren, schon bald Zweifel am Wahrheitsgehalt des Libellus aufkommen zu lassen, fand er auch nach dem Ende des Schisma - und trotz seiner anti-deutschen Tendenz und der Kritik Heinrichs von Langenstein165 sogar im deutschsprachigen Gebiet - bis in die Neuzeit hinein

Vgl. Donckel, Telesforus, S. 78-86; kritisch dazu: Spence, Telesphorus, S. 272f. Vgl. Donckel, Telesforus, S. 50-74 und 102. Vgl. Oraculum angelicum Cyrilli, ed. Piur, S. 251-327. Vgl. Donckel, Telesforus, S. 58f. Vgl. ebd., S. 60. Entgegen Kampers, Kaiserprophetieen, S. 237f. Vgl. Donckel, Telesforus, S. 67-70. Vgl. Kampers, Kaiserprophetieen, S. 246. Zur folgenden Inhaltsangabe vgl. ebd., S. 168-170 und 245-248; Donckel, Telesforus, S. 77 f. und 81-83; Rusconi, L'attesa, S. 175-180. Der Druck Venedig 1516 ist für eine kritische Edition von nur geringem Wert, vgl. Donckel, Telesforus, S. 49. 164 Vgl. ebd., S. 79 und 83; Rusconi, L'attesa, S. 176. 165 Vgl. Kreuzer, Heinrich von Langenstein, S. 119-128.

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weite Verbreitung166, zu der wie im Falle der Vaticinia de summis pontificibus auch die Illustrationen beigetragen haben dürften167. Allerdings kam es im 16. Jahrhun­ dert aus Gründen der Aktualität zu Änderungen, die nicht nur die Jahresangaben betrafen. Vor allem wurde der deutsche Kaiser nicht mehr als der dritte Friedrich bezeichnet, weil Friedrich III. 1493 gestorben war, ohne daß sich die Weissagung des Telesphorus erfüllt hatte168. Der Libellus des Telesphorus hat auch in der Vita des heiligen Angelus, jenes 1220 auf Sizilien erschlagenen Karmeliters, seine Spuren hinterlassen169. Die Vita stammt aus dem 14. oder 15. Jahrhundert170. In den dort wiedergegebenen Visionen, die der heilige Angelus gehabt haben soll, erscheint ein französischer König, von dem es heißt, er werde gemeinsam mit dem Papst die Kirche reformieren und Jeru­ salem befreien171. In zwei Weissagungen aus der Zeit des Übergangs vom Mittelalter zur Neuzeit werden das Eremitentum beziehungsweise die Armut des Engelpapstes nochmals besonders betont. Die eine172 teilte angeblich der französische König (Karl VII. oder Ludwig XI.) Papst Pius II. (1458-1464) mit und war jedenfalls einigen Mitgliedern der römischen Kurie bekannt. Ebenso kurz wie klar, enthält sie sehr genaue Zeitan­ gaben: 1466 sollte der Papst sterben, im folgenden Jahr eine große Hungersnot aus­ brechen und 1468 der gesamte Klerus getötet werden. Weiter heißt es, daß es 1469 zur Belagerung Roms durch die Türken komme. Der französische König werde sie jedoch bis zum Heiligen Grab in Jerusalem jagen und dann im nächsten Jahr be­ siegen. 1470 auch erwähle ein Engel einen Eremiten als Papst, der - wie in der Weis­ sagung des Sidrac173 - an dem alsbald wieder blühenden »dürren Baum« die Messe halte. Unter seinem Pontifikat werde ein Jahr später die ganze Christenheit geeint sein und 1472 der französische König sterben. Die zweite Weissagung174 trägt die Züge einer Vision, die 1436 ein später an­ geblich als Kartäusermönch lebender, aber nicht zu identifizierender Mann namens Albert von Trient gehabt haben soll. Sie entstand aber wohl erst zwischen Ende 1503 und Anfang 1504, weil die ex eventu »vorhergesagten« Ereignisse der italienischen Geschichte bis zum Tode des als lupus rapax bezeichneten Papstes Alexander VI. (18. August 1503) reichen. Der Einfluß der Anschauungen Savonarolas ist unver­ kennbar, aber der Verfasser denkt deutlich radikaler. Er verheißt nicht nur einen 166 Vgl. Donckel, Telesforus, S. 33—49; Reeves, Influence, S. 327f. und 342-345. Zur Verbreitung in Frankreich besonders: Beaune, Telesphore, sowie Britnell und Stubbs, Mirabilis liber, S. 132 und 135; zum deutschsprachigen Gebiet: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexi­ kon, Bd. 9, Berlin-New York 1995, col. 680f. s.v. Telesforus von Cosenza (Artikel von C. Stöllinger-Löser). McGinn, Pastor angelicus, S. 249, sieht in Telesphorus »the most important follower of the Liber de Flore, and by far the most influential proponent of the idea of a succession of pastores angelici, to judge from the number of surviving manuscripts«. 167 Vgl. McGinn, ebd., S. 250. 168 Vgl. Donckel, Telesforus, S. 42-49. 169 Vgl. Saggi, S. Angelo di Sicilia, S. 119 f. 170 Vgl. ebd., S. 131-136. Wegen dieser späten Datierung ist die Darstellung von Reeves, Influence, S. 320, irreführend. Sofern sich die Visionen des Angelus auf das 13. Jh. datieren ließen, wäre dies natürlich für die Entstehung des Motivs der Kooperation zwischen Papst und franzö­ sischem Endkaiser von erheblicher Bedeutung. 171 ed. Saggi, S. Angelo di Sicilia, S. 196,197 und 199. 172 Vgl. Setton, Western Hostility, S. lOf. mit Anm. 11 (Text). 173 Vgl. S. 200 f. 174 ed. Weinstein, Albert of Trent, S. 320-331. Vgl. dazu: ders., Savonarola, S. 338-341.

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Propheten (Savonarola), sondern wagt auch die Behauptung, daß die Könige und Fürsten der Welt gemäß dem gerechten Urteil Gottes von ihren Völkern bestraft würden, und sagt den Auftritt eines armen Mannes voraus, der die Kirche refor­ mieren und offenbar175 die Rolle des Engelpapstes spielen soll. Zwar wird er nicht als Papst bezeichnet, ist im Zusammenhang mit ihm auch von keinem Engel die Re­ de, doch heißt es, daß sich nach der zu seiner Zeit erfolgenden Bekehrung der Juden alle Menschen in einer einzigen (christlichen) Herde unter einem einzigen Hirten vereinigten176. In dieser Hinsicht besonders erwähnenswert ist schließlich noch die als Er­ klärung zu Daniel ausgegebene Weissagung eines Franziskaners177, die angeblich aus dem Jahr 1368 stammt, offenbar aber erst während des Ciompi-Aufstands von 1378 in Florenz, also im Jahr des Schisma, entstand. In ihr wird der Aufstand der Ciompi, die sich als das Volk Gottes betrachteten, in endzeitliche Zusammenhänge gebracht. Es wird »vorhergesagt«, daß das niedere Volk zu den Waffen greife, alle Tyrannen und Verräter töte und sich mit dem reformierten, den weltlichen Besitz aufgebenden Klerus zusammentue. Nach dem Erscheinen des Antichrist werde ein heiliger Papst auftreten, der gemeinsam mit den von einem mystischen Elias aus dem Franziskanerorden geführten Fraticelli alle habgierigen, den Luxus liebenden Priester aus der Kirche jage. Der König von Frankreich werde zum römischen Kai­ ser gewählt, versöhne Guelfen und Ghibellinen miteinander, erobere Jerusalem und beherrsche die ganze Welt. Bemerkenswerterweise wird in dieser Weissagung also das Volk zum Akteur! Es begnügt sich nicht damit, auf eine Besserung der Verhält­ nisse durch Engelpapst und Endkaiser zu warten178. Obwohl die Hoffnung auf das Erscheinen des pastor angelicus vom Spät­ mittelalter an bis in die Neuzeit hinein weit verbreitet war und obwohl außer Coelestin V.179 auch Hadrian VI. (1522-1523)180 und Marcellus II. (1555)181 von einzel­ nen Zeitgenossen als der ersehnte Engelpapst betrachtet wurden182, trat kein um die Reform der Kirche bemühter Papst als pastor angelicus auf. Allerdings ist nicht aus­ zuschließen, daß sich Coelestin V. als Engelpapst fühlte183, und Leo X. (1513-1521), den 1514 zu Florenz ein Karmeliter in seiner Predigt mit dem Engelpapst identi­ fizierte, versuchte für kurze Zeit vielleicht, sich mit dieser Aura zu umgeben184. Leo X. war der 29. Nachfolger Nikolaus' III. und damit der letzte der in den Vaticinia de summis pontificibus geweissagten Päpste. Es ist schwerlich ein Zufall, daß gerade zu der Zeit, als für die Vaticinia zum zweitenmal die Stunde der Wahrheit 175 Für Weinstein, ebd., S. 341, steht dies außer Frage. 176 Vgl. Johannes 10,16. Zur Verbreitung des Motivs unum ovile et unus pastor in ma. Weissagungen vgl. Reeves, Influence, Index, S. 572 s.v. Unum ovile. 177 Zu ihr vgl. Weinstein, Savonarola, S. 50 f. 178 Allerdings scheinen die Endzeit-Vorstellungen der Fraticelli beim Ciompi-Aufstand keine wesentliche Wirkung gehabt zu haben, vgl. Hunecke, Ciompi, S. 402^110; Rusconi, L'attesa, S. 79-84. 179 Es ist allerdings fraglich, ob dies bereits für die Zeit vor Coelestins Tod zutrifft, vgl. S. 271. 180 Dies gilt für Kardinal Carvajal und den Dominikaner Isidoro Isolani, der vorher bereits Denis Bri^onnet mit dem Engelpapst verglichen hatte. Vgl. Minnich, Carvajal, S. 118 und 120; Pros­ peri, New Heaven, S. 286 f. 181 Zumindest in der Sicht des Kardinals Seripando, vgl. Hudon, Marcellus II, S. 376, 378f., 381 f., 384 und 387. 182 Auffallend und vielleicht bezeichnend ist in allen drei Fällen die Kürze des Pontifikats. 183 Vgl. Herde, Spiritualität, S. 416 und auch 412. 184 Vgl. Weinstein, Savonarola, S. 353.

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schlug, die Zahl der Engelpapst-Prätendenten zunahm. So kann mit ziemlicher Sicherheit behauptet werden, daß sich in den Jahren kurz nach 1500 zwei Kardinale dazu ausersehen glaubten, die Rolle des pastor angelicus zu übernehmen, nämlich nicht zuletzt als Folge relativ präziser, besonders auf ihre Person passender Weis­ sagungen - der auch als Humanist geachtete Adriano Castellesi (+ 1521)185 und Ber­ nardino López de Carvajal (+ 1523)186. Vielleicht wurde außerdem der tatkräftige Kardinal Cisneros (+ 1517), der 1509 die nordafrikanische Stadt Oran eroberte, aber erst in vorgerücktem Alter Karriere machte, nachdem er mehrere Jahre lang wie ein Einsiedler gelebt hatte, von einer derartigen Überzeugung getrieben: Er träumte da­ von, daß sich nach dem entscheidenden, von Spanien geführten Kreuzzug das Wort Jesu187 von der einen Herde und dem einen Hirten erfüllen werde und er am Hei­ ligen Grabe die Messe zelebrieren könne188. Als Engelpapst betrachteten sich auch der bosnische Franziskaner und spätere Bischof von Cagli, Giorgio Benigno Salvia ti (Dragiáic) (+ 1520)189 sowie der aus Apu­ lien stammende Franziskaner Petrus Galatinus (+ um 1540), der sich 1525 in seiner Vaticinii Romani explicatio mehr oder weniger deutlich mit dem Engelpapst identi­ fizierte190, und vielleicht schon der Franziskaner Amadeo Meneses da Silva (+1482)191, der Gründer der Kongregation der Amadeiten und Verfasser der Apocalypsis Nova, unter deren Einfluß Carvajal und Salviati standen192. Es scheint typisch für die um 1500 in Italien herrschende Stimmung, daß die Befürchtung geäußert wurde, Savonarola wolle sich zum Engelpapst machen193. Tatsächlich erhoben unter den vielen selbsternannten Propheten, die in den beiden Jahrzehnten nach Savonarolas Tod (1498) öffentlich auftraten und für die Kirche zum Problem wurden194, mehrere ganz offen den Anspruch, der pastor angelicus zu sein: Von den Predigten Savonarolas geprägt, gründete kurz nach dessen Tod ein noch junger Florentiner niederer Herkunft namens Pietro Bernardino, der 1502 als Ketzer verbrannt wurde, die Sekte der durch ihn mit dem Öl des Heiligen Geistes »Gesalbten«. Seine Anhänger sollen ihn zum Papst gewählt haben. Er betrachtete sich als den Gesandten Christi, verglich sich mit Paulus und forderte die Erneue­ rung der Kirche durch das Schwert195. 185 Vgl. Juncic, Prophecies, S. 365 f.; Paschini, Tre illustri prelati, S. 87 Rusconi, An Angelic Pope, S.157. 186 Vgl. Landi, Prophecy, S. 59; Minnich, Carvajal, S. 112f., 118 und 120; ders., Prophecy, S. 71; Morisi-Guerra, The Apocalypsis Nova, S. 45; Vasoli, Salviati (DragiSic), S. 142. 187 Vgl. Johannes, 10,16. 188 Vgl. Bataillon, Erasme, Bd. 1, S. 56 und 75; García Oro, Cisneros, Bd. 1, S. 256f., und Bd. 2, S. 566-590; Housley, Later Crusades, S. 306 f. 189 Vgl. Landi, Prophecy, S. 59; Minnich, Prophecy, S. 71; Morisi-Guerra, The Apocalypsis Nova, S. 47; Vasoli, Salviati (Dragiäic), S. 145. 190 Vgl. Rusconi, An Angelic Pope, S. 158,160f., 180 und 184. 191 Vgl. Reeves, Influence, S. 440. 192 Vgl. Morisi-Guerra, The Apocalypsis Nova, S. 45 und 47. 193 Vgl. Weinstein, Savonarola, S. 230. 194 Vgl. Cantimori, Haeretiker, S. 9-15; Minnich, Prophecy; Niccoli, Prophecy and People, S. 89-120; dies., Prophetie Culture; von Pastor, Päpste, Bd. 3, S. 193-203. Im Dezember 1516 wurde auf dem 5. Laterankonzil beschlossen, daß ein Welt- oder Ordensgeistlicher nur dann predigen dürfe, wenn er dazu von dem Bischof der betreffenden Diözese für tauglich gehalten werde. Insbesondere sollten die Prediger sich davor hüten, einen bestimmten Zeitpunkt für zukünftige Übel, die Ankunft des Antichrist oder das Jüngste Gericht vorherzusagen. 195 Vgl. von Pastor, Päpste, Bd. 3, S. 193f.; Reeves, Influence, S. 438; Weinstein, Savonarola, S. 324-334.

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Einige Jahre später, von 1511 bis 1516, trat in Rom und Umgebung ein gewisser Fra Bonaventura auf, der den Christen schwere Prüfungen voraussagte196. Er be­ zeichnete sich in einem Brief an den Dogen von Venedig als »von Gott zum Hirten der Kirche in Zion erwählt, durch Engelhände gekrönt und zur Erlösung der Welt bestimmt«. Indem er den Papst samt Kardinälen und Prälaten für exkommuniziert erklärte, rief er die christlichen Könige auf, ihn im Kampf gegen die römische Kirche zu unterstützen. Den König von Frankreich betrachtete er als das von Gott zur Er­ neuerung der Kirche auserwählte Werkzeug - ihm werde auch die Bekehrung der Türken gelingen, mit der das dritte Zeitalter, dasjenige des Heiligen Geistes, beginne. Der Wirkung des Fra Bonaventura wurde ein Ende gesetzt, als ihn Leo X. in der En­ gelsburg einsperren ließ, wo er schon die letzten elf Monate unter Julius II. (+ 21. Fe­ bruar 1513) zugebracht hatte. Wie diesem so sagte er auch dem deshalb beunru­ higten Leo X. (+ 1521) den baldigen Tod voraus. Ob er selbst aber bereits vorher im Kerker starb, ist unbekannt. Ähnlich wie Fra Bonaventura in Rom erhob in Florenz ein der Kongregation von Monte Oliveto zugehöriger Benediktiner namens Teodoro den Anspruch, der Engelpapst zu sein, und predigte gegen den verweltlichten Klerus offene Gewalt. Auch er übte sich in der Kunst der Weissagung und behauptete dabei sogar, der ihm mehrfach erschienene Savonarola habe seine Prophezeiungen bestätigt. Nur allzu bald verhaftet, verurteilt und dazu gezwungen, am 11. Februar 1515 seine Äuße­ rungen öffentlich zu widerrufen, erneuerte er seinen Anspruch, die Rolle des Engel­ papstes zu spielen, nachdem ihm die Flucht aus dem Gefängnis gelungen war197. Damit nicht genug, lesen wir außerdem von einem etwa 20 Jahre später in den Bergen von Montefeltro lebenden Eremiten, in dem einige Leute den pastor angelicus sahen198. Auch Martin Luther (+ 1546), der die Weissagung vom dritten Friedrich mit Friedrich dem Weisen erfüllt glaubte199, wurde von manchem seiner Anhänger als Engelpapst betrachtet, erhob aber selbst keinen derartigen Anspruch200. Außer­ halb Italiens bildet im 16. Jahrhundert der Fall des Guillaume Postel (t 1581) das ein­ zige bekannte Beispiel eines Mannes, der sich für den pastor angelicus hielt - und für den wiedergekehrten Elias beziehungsweise den ersten, den kleineren Messias201. Als typisch für die um 1500 in Europa zu beobachtende Anspannung der Menschen, ihre ausufemden, teilweise mit grotesker Selbstüberschätzung gepaarten Zukunfts­ spekulationen soll schließlich noch das Beispiel des aus Burgos stammenden und in England aufgewachsenen Fray Melchior erwähnt werden, der 1512 für die näch­ sten fünf Jahre den gewaltlosen (!) Zusammenbruch aller europäischen Reiche und des Papsttums sowie die Rückkehr der Kirche nach Jerusalem weissagte und dabei selbst als der dort einziehende Messias auftreten wollte202. 196 Vgl. Jungic, Prophecies, S. 365; Minnich, Prophecy, S. 80; Niccoli, Prophetie Culture, S. 207-210; von Pastor, Päpste, Bd. 3, S. 201; Reeves, Influence, S. 438; Secret, Aspects oubliés, S. 177-179 und 197-199. 197 Vgl. Prosperi, II monaco Teodoro; Minnich, Prophecy, S. 74 und 77f.; Weinstein, Savonarola, S. 357 f. 198 Vgl. Polizzotto, Confratemities, S. 280; ders., Documents, S. 290; Vasoli, Salvia ti (Dragiäic), S. 143. 199 Vgl. S. 253. 200 Vgl. Reeves, Influence, S. 454,488 und 490. 201 Vgl. Bouwsma, Concordia mundi, S. 17 und 161-163; Reeves, Influence S. 238 und 479; Secret, Guillaume Postel, S. 376 f. 202 Vgl. Bataillon, Erasme, Bd. 1, S. 66-69;García Oro, Cisneros, Bd. 1, S. 259Í.

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Ob sich auch im Spätmittelalter ein Papst oder Kardinal203 dazu berufen glaub­ te, die Rolle des Engelpapstes zu übernehmen, wissen wir nicht, ist jedoch in Paral­ lele zu der Zeit Leos X. durchaus möglich, als der Pontifikat des letzten in der ersten und zweiten Serie der Vaticinia de summis pontificibus geweissagten Papstes immer näher rückte. Auf seifen der Sekten - und zwar vor allem wiederum in Italien - hat es derartige Fälle jedenfalls gegeben: So soll sich Fra Dolcino (+ 1307), der Prophet der Apostelbrüder, am Ende seines Lebens für den von ihm verheißenen Engelpapst gehalten haben204. Einige Jahre zuvor hatte in Mailand die kleine Gruppe der Guglielmiten die Gründerin ihrer Sekte als die Inkarnation des Heiligen Geistes205 verehrt und deren im Jahre 1300 von der Inquisition verurteilte und verbrannte Nachfol­ gerin als Päpstin der Endzeit, die in Rom herrschen und Juden wie Muslime zum Christentum bekehren werde206. Gut zwei Jahrzehnte später erklärte die in Montpellier verhaftete und 1325 in Carcassonne als Ketzerin verbrannte Prous Boneta207 in ihrem Geständnis, ein Fran­ ziskaner namens Guillelmus Guiraudi - also nicht etwa Coelestin V. - sei als erster Papst vom Heiligen Geist geweiht worden208. Dieser Guillelmus war wohl nicht der einzige Engelpapst der Spiritualen beziehungsweise der von den Franziskanern sich abspaltenden Fraticelli, die sich in Anlehnung an die Offenbarung des Johannes 3,7-12 und deren Auslegung durch Joachim von Fiore209 als die Kirche von Philadel­ phia, die letzte und universale Kirche der Christen, betrachteten. Der Inquisitor Iacobus de Marchia behauptete nämlich, 1449 in der nördlich von Camerino gele­ genen Burg von Maioreti (Maiolati) auf einer Glocke eine aus dem Jahre 1419 stam­ mende Inschrift gefunden zu haben, in der ein gewisser Frater Gabriel210 als epis­ copus Philadelphiae, pastor universalis und fratrum minorum minister generalis bezeich­ net worden sei211. Außerdem sollen in diesem Gebiet des Kirchenstaates um 1424 ein Guillelmus nobilis de castro Maioreti und ein dominus Ranaldus haereticus sacerdos saecu­ laris den Anspruch erhoben haben, der Kaiser der Christen und der Papst zu sein212. Vom Auftritt des letzten, von Engeln gekrönten Papstes namens Johannes, auf den die Fraticelli der Toskana im 14. Jahrhundert zumindest vorübergehend hofften213, hören wir in den spärlichen Quellen dagegen nichts.

203 Dies könnte z.B. für den Kardinal Talleyrand (+1364) gelten, dem Johannes de Rupescissa sei­ nen Liber ostensor widmete und dem er voraussagte, daß er die Kirche retten werde - aller­ dings als Kardinal und nicht als Papst, vgl. Bignami-Odier, Études, S. 140,142 f., 160,175 und 177f. 204 Vgl. Orioli, Venit perfidus heresiarcha, S.121 und 230; Reeves; Influence, S. 246 und 414; Töpfer, Reich des Friedens, S. 304. Vgl. oben S. 247. 205 Vgl. Muraro, Vilemína, S. 135,144,147,156,170,178 f. und 185; Reeves, Influence, S. 249. 206 Vgl. Muraro, Vilemína, S. 83,136 f., 153 f. und 158-162; Reeves, Influence, S. 249. 207 Vgl. May, Confession, S. 4; D. Müller, Prous Boneta, S. 200. 208 Vgl. May, Confession, S. 19 f. Guillelmus war offenbar einer jener 25 Spiritualen, die 1317 in die Hände der Inquisition fielen. Da er nicht zu den vier Angeklagten gehörte, die 1318 in Mar­ seille verbrannt wurden, ist anzunehmen, daß er widerrief, vgl. ebd., S. 20 Anm. 50. 209 Joachim von Fiore, Expositio in Apocalypsim, fol. 82v-92r. 210 Vielleicht ist er identisch mit jenem frater Gabriel de Florencw, der bei Ehrle, Die Spiritualen, S. 114, erwähnt wird. 211 Vgl. Iacobus de Marchia, Dialogus contra fraticellos, ed. Lasií, S. 238f. Vgl. dazu: von Auw, Angelo Clareno, S. 296; Ehrle, Die Spiritualen, S. 109; Nimmo, Reform, S. 255f. und 586. 212 Vgl. ebd., S. 232 f. 213 Vgl. Lerner, Ursprung, S. 46 f.; Rusconi, L'attesa, S. 66 f.

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Mitte des 15. Jahrhunderts läßt sich auf Seiten der Ketzer auch in Deutschland ein Engelpapst-Prätendent nachweisen: Jener nicht näher bekannte Nikolaus von Buldesdorf, ein 1446 auf dem Basler Konzil als Ketzer verbrannter Laie, fühlte sich der Verurteilungssentenz zufolge allerdings nicht nur als pastor angelicus, sondern auch als filius naturalis Yesu Cristi und Messias der Juden. Seiner Meinung nach soll­ te die Kirche der Endzeit wieder die Synagoge sein, sollten die Juden als Juden und nicht etwa als konvertierte Christen (wie im Liber secretorum eventuum des Johannes de Rupescissa) - den Kem des neuen Gottesvolkes bilden214! Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß es unter den Sekten EngelpapstPrätendenten gab, von denen wir nichts mehr wissen. Auffallend ist jedenfalls ihre Häufung in Italien am Vorabend der Reformation und um so bemerkenswerter der Umstand, daß diese nicht dort auch ihren Anfang nahm. Außerdem scheint es für die Stimmung zwischen 1490 und 1520 bezeichnend, daß sich offenbar zwei der damaligen Herrscher, nämlich Karl VIII. und Ferdinand der Katholische für den Endkaiser hielten215. Nach der Vollendung der Reconquista durch die Eroberung Granadas 1492 wuchs im Zeitalter der Entdeckungen unverkennbar die Zuversicht, daß die Zeit nun endlich für eine entscheidende Wende reif sei: für die Reform der Kirche und auch - der bedrohlichen Macht der Osmanen zum Trotz - für die Ver­ nichtung des Islam. Festzuhalten gilt nicht zuletzt, daß es in Europa augenscheinlich mehr Männer gab, die glaubten, der Engelpapst zu sein, als solche, die sich für den Endkaiser hiel­ ten, und zwar selbst nachdem es zu der Vorstellung gekommen war, als Endkaiser sei ein ursprünglich armer Mann ausersehen216. Der Grund dafür liegt unter ande­ rem vielleicht darin, daß die Gestalt des Engelpapstes wohl eher geeignet war, reli­ giöse Schwärmer in ihren Bann zu ziehen. Auch ist zu bedenken, daß ein Engel­ papst-Prätendent nicht unbedingt der letzte aller Päpste sein mußte, sondern der erste von mehreren aufeinanderfolgenden Engelpäpsten sein konnte wie in den Vaticinia de summis pontificibus und im Liber de Flore. Außerdem gab es im Unter­ schied zur Engelpapst-Weissagung keine die Endkaiser-Erwartung auf den Höhe­ punkt treibende Angabe darüber, der wievielte Kaiser der Endkaiser sein sollte. Was speziell das spätmittelalterliche Italien betrifft, so kommt schließlich noch hin­ zu, daß man dort im Gegensatz zu Deutschland der gesunkenen Macht des Kaiser­ tums kaum nachtrauerte und damit auch die Gestalt des Endkaisers an Attraktivität verlor.

214 Vgl. Patschovsky, Nikolaus von Buldesdorf, bes. S. 283-290 (Text der Verurteilungssentenz); DERS., Chiliasmus, S. 477-483. 215 Vgl. S. 300 und 331. 216 Vgl. S. 311-317.

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Die Erwartung eines zweiten Kaiser Karl

Wie gesehen, wurde im Zusammenhang mit dem Engelpapst mehrfach und nicht erst durch Telesphorus behauptet, daß der letzte Kaiser ein Franzose sein werde. Diese Ansicht war aber keineswegs auf die Engelpapst-Weissagung beschränkt. Sie ergab sich ohne Mühe aus Adsos Antichrist-Traktat, wonach der letzte Kaiser ein König der Franken sein sollte, und läßt sich längst vor dem 14. Jahrhundert belegen. Sie ist nicht etwa nur als Reaktion auf die Friedrich-Erwartung der Deutschen zu betrachten. In zwei der neun erhaltenen Versionen von Adsos Traktat findet sich auch das Constans-Vaticinium1, wobei in der als Vita Antichristi bezeichneten Fassung, die wohl im 11. Jahrhundert noch vor dem ersten Kreuzzug entstand2, der Name des Constans mit C. abgekürzt ist3, so daß C. für Carolus stehen und der letzte Kaiser als ein wiederkehrender oder zweiter Karl der Große erscheinen konnte. Ganz ähnlich sollen ja deutsche Teilnehmer des Ersten Kreuzzuges geglaubt haben, Karl der Große sei wiedererstanden, um ihre Führung ins Heilige Land zu übernehmen4, wohin er der Legende nach schon einmal gezogen war5. Ebenso mochte das zu Beginn des Zweiten Kreuzzuges verfaßte LudwigVaticinium, in dem es heißt, das L des geweissagten Herrschers werde sich in ein C verwandeln, als die Verheißung eines neuen Karl verstanden werden, obwohl mit diesem Buchstaben ursprünglich nicht Carolus oder Constans, sondern der Perser­ könig Cyrus gemeint war6. Als ein neuer Karl erscheint auch jener rex futurus in Gallia natus, von dem im 12. Jahrhundert Ps.-Turpin in seiner in fast alle europäischen Sprachen und dabei gleich mehrfach ins Französische übersetzten7 Historia Karoli Magni et Rotolandi behauptet, er werde am Ende der Zeiten wie Karl der Große8 ganz Spanien dem Christentum unterwerfen, nachdem die dortigen Sarazenen bereits auf die Kunde von seiner Geburt hin die Flucht ergriffen hätten9. 1 2 3 4

5 6 7 8 9

Vgl. Adso, De ortu, ed. Verhelst, S. 125 und 135 f. Vgl. ebd.,S. 105-110. Vgl. ebd., S. 125. Vgl. Ekkehard von Aura, Chronica, Recensio I, ed./tr. Schmale und Schmale-Ott, S. 144f. (zum Jahr 1099). Vgl. S. 157. Vgl. S. 170 f. Vgl. Lexikon des Mittelalters, Bd. 7, München 1995, col. 310 s.v. Pseudo-Turpin (Artikel von P. Bourgain). Vgl. Historia Karoli Magni et Rotolandi, cap. 3 und 11, ed. Hämel (und de Mandach), PseudoTurpin, S. 45 und 54; Chronik von Karl dem Großen, ed./tr. H.-W. Klein, S. 42 und 60. Vgl. Historia Karoli Magni et Rotolandi, cap. 4, ed. Hämel (und de Mandach), Pseudo-Turpin, S. 46; Chronik von Karl dem Großen, ed./tr. H.-W. Klein, S. 44.

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Besonders die Kapetinger10 haben zur Erhöhung des Ansehens11 ihrer Dynastie an die Legenden und Sagen über Karl den Großen12 angeknüpft und dabei den An­ spruch auf Kaisertum und Weltherrschaft erhoben. Aber auch die Kaiser der Ottonen, Salier und Staufer sahen in Karl ihr großes Vorbild: Bekanntlich stieg Otto III. im Jahre 1000 in seine Gruft hinab und setzte anscheinend seine Gebeine wie die eines Heiligen neu bei. Adalbold von Utrecht führte in seiner Vita Heinrichs II. die Liudolfinger auf Karl den Großen zurück. Wipo betonte in seinen Versen zur Geburt Heinrichs III., daß dessen Mutter Gisela von Karls Blut sei, und dementsprechend schrieb Otto von Freising, mit Heinrich III. sei die kaiserliche Würde wieder an das alte, edle Geschlecht Karls gekommen. Lampert von Hersfeld nannte Heinrich III. einen zweiten Karl. Wegen der Verwandtschaft mit den Saliern wurde auch Fried­ rich Barbarossa karolingische Abstammung bescheinigt, und mehrfach verglichen ihn die Zeitgenossen mit Karl dem Großen. Barbarossa selbst berief sich in wich­ tigen Reden auf Karl und Otto den Großen und nannte Karl mit Vorliebe in seinen Urkunden. 1165 ließ er ihn heiligsprechen13. Das Andenken an Karl den Großen war in Deutschland wie in Frankreich lebendig, aber in Deutschland fehlte ihm die breite volkstümliche Grundlage, während sich in Frankreich ganze Epenzyklen um Karls Person rankten14. Zudem erwuchs der deutschen Krönungsstadt Aachen in dem französischen Kloster SaintDenis als weiterem Zentrum karolingischer Tradition eine mächtige Rivalin. Den dortigen Äbten gelang es nämlich, dem heiligen Dionys das Ansehen eines Patrons und Apostels ganz Frankreichs zu geben und mit seiner Verehrung auch diejenige Karls des Großen zu verbinden: Die rote Fahne des Heiligen, welche die Könige in Zeiten der Gefahr vom Altar des Klosters aufnahmen, damit sie ihrem Heer den Sieg bringe, wurde spätestens am Ende des 12. Jahrhunderts mit der Karlsfahne der Oriflamme des Rolandsliedes - gleichgesetzt und zu einem Symbol des werden­ den französischen Nationalstaats erhoben. Auch galt das in Saint-Denis verwahrte Krönungsschwert als das Schwert Karls des Großen, und in einer dort zwischen 1156 und 1248 auf den Namen Karls des Großen gefälschten Urkunde erklärt dieser, daß er Frankreich allein von Gott und dem heiligen Dionys zu Lehen halte, und bestimmt, daß sich seine Nachfolger in der französischen Königswürde nur in Saint-Denis krönen lassen dürften. Auf diese Weise wurde die Verehrung Karls des Großen zu einem Werkzeug der französischen Politik15. In den Adem der kapetingischen Könige von Hugo bis Ludwig VII. floß durch ihre Großmütter oder Mütter karlingisches Blut16. Aber während etwa Ordericus Vitalis (+ 1142) die karlingische Abkunft verschiedener französischer Grafen des 11. Jahrhunderts vermerkte, fand dieser Umstand bei den Kapetingem erst Beach­ tung, nachdem Ludwig VII. Adela, eine von Karl dem Großen abstammende Toch­ ter des Grafen von der Champagne, zur Frau genommen und sie ihm 1165 den lang­ ersehnten Thronfolger Philipp geschenkt hatte. Zwar heiratete 1188 auch Philipp 10 11 12 13

Vgl. S. 292-298. Vgl. Ehlers, Kontinuität, S. 31 f. Vgl. Kienast, Deutschland und Frankreich, Bd. 2, S. 481 und 500-505. Vgl. ebd., S. 516-520. Zu Barbarossa außerdem: Folz, Le Souvenir, S. 191-213; Petersohn, SaintDenis. 14 Vgl. Kienast, Deutschland und Frankreich, Bd. 2, S. 500f. 15 Vgl. Kienast, Deutschland und Frankreich, Bd. 2, S. 505; Patschovsky, Dionysius, S. 13-16; Petersohn, Saint-Denis, S. 442-444; Spiegel, Cult of Saint Denis, S. 58-61. 16 Vgl. zum Folgenden Kienast, Deutschland und Frankreich, Bd. 2, S. 506-513.

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mit Elisabeth, der Tochter Balduins V. von Hennegau, eine Frau karlingischen Ge­ blüts, und pries nicht nur Guillaume le Breton17, der den Tag von Bouvines als neuen Sieg der Franken über die Sachsen feierte, seinen König als Karoliden18, aber es ist fraglich, ob die Betonung der karlingischen Abkunft der Kapetinger vom Hof aus­ ging, denn erst in dritter Ehe vermählte sich Ludwig VII. mit Adela, und unter den erhaltenen Quellen war es als erster der Troubadour Bertran de Born, also ein Partei­ gänger der Plantagenets, der Karl den Großen als Philipps Vorfahren bezeichnete und damit den Vorwurf verband, daß Philipp ihm nicht gleiche. Erst im 13. Jahrhun­ dert wies eine französische Chronik, die Historia regum Francorum, ausdrücklich auf die karlingische Abstammung Adelas von der Champagne hin. Die Heirat Philipps II. August mit Elisabeth von Hennegau erregte bezüglich der Frage der Abkunft zumindest im nachhinein größere Aufmerksamkeit, obwohl ihr Grund19 wohl vor allem darin lag, daß ein Teil der Grafschaft Flandern Elisa­ beths Mitgift war: In seiner Historia succincta de gestis et successione regum Francorum erklärte der den Franzosen wenig geneigte flandrische Mönch Andreas von Marchiennes (+ 1202), daß durch Elisabeths karlingische Abstammung das französische Königreich wieder zum Geschlecht Karls des Großen zurückkehren werde, wenn Elisabeths (1187 geborener) Sohn Ludwig (VIII.) den Thron besteige20. Andreas sah damit eine von ihm kurz danach angeführte Prophezeiung erfüllt21, die aus dem 11. Jahrhundert stammt22 und sich wie die Tiburtinische Sibylle unter anderem auch im Register der Kanzlei Philipps II. findet23. In ihr wurde je nach Überlieferung be­ hauptet, die Herrschaft der Kapetinger werde bis zu dem siebenten auf Hugo Capet (oder dessen Vater Hugo den Großen) folgenden König oder insgesamt, Hugo ein­ geschlossen, nur sieben Generationen dauern24, also höchstens bis zumTode Phi­ lipps II. Die Interpretation dieser Weissagung durch Andreas von Marchiennes, der sie mit einer Veredelung statt mit dem Sturz der Kapetinger verknüpfte, wurde durch Vincenz von Beauvais übernommen und fand dadurch weite Verbreitung25. Zwei Jahre nach dem Tod Philipps II. (t 1223) versuchte man auch nachzuweisen, daß Hugo Capet karlingischen Geblütes war, und Philipp der Schöne (+ 1314) griff diese Ansicht auf, um das Prestige der frühen gegenüber den späten Kapetingern zu wahren26. Von einigen seiner Untertanen wurde Philipp II. August als würdiger Nachkomme Karls des Großen gefeiert27. Zudem hoffte offenbar der eine oder an­ dere, daß Philipp die Welt erobern und die Endkaiser-Weissagung in seiner Person ihre Erfüllung finden werde28. Dem Bericht des Caesarius von Heisterbach (+ nach 17 18 19 20 21 22 23 24

25 26 27 28

Zu ihm vgl. Spiegel, Chronicle Tradition, S. 63-68. Vgl. Brown, La notion, S. 81 f.; Kienast, Deutschland und Frankreich, Bd. 2, S. 509 und 513. Vgl. Cartellieri, Philipp II. August, Bd. 1, S. 52-55. Vgl. die Edition des Textes von Brown, Vincent de Beauvais, S. 189-192, bes. 190. Vgl. ebd., S. 192. Vgl. Werner, Legitimität, S. 204f. und 213-217. Vgl. Brown, La notion, S. 91 f., und unten S. 354. Vgl. Brown, La notion, S. 91 f; dies., Vincent de Beauvais, S. 171 mit Anm. 11, S. 172 Anm. 14 und S. 192. Vgl. ebd., S. 172-187; Werner, Legitimität, S. 204. Vgl. Brown, La notion, S. 95 f.; dies., Vincent de Beauvais, S. 172 und 187 f.; dies., La généalogie, S. 201-208; Lexikon des Mittelalters, Bd. 7, München 1995, col. 537f. s.v. Reditus ad stirpem Karoli (Artikel von K.E Werner). Vgl. Brown, La notion, S. 81 f.; Kienast, Deutschland und Frankreich, Bd. 2, S. 509 und 513. Vgl. S. 174f. und 354.

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1240) zufolge setzte auch die Sekte der Amalrikaner auf Philipp II. August und mehr noch auf dessen zukünftigen Thronfolger, den späteren Ludwig VIII., beson­ dere Hoffnungen29: Ein gewisser Wilhelm, den Caesarius als Propheten der Amalri­ kaner bezeichnet und der 1210 zusammen mit anderen führenden Mitgliedern der Sekte in Paris als Ketzer verbrannt wurde30, habe der Menschheit für die nächsten fünf Jahre vier schwere Plagen, nämlich Hunger, Krieg, Erdbeben und Feuer, geweissagt - das Feuer sollte auf die Prälaten, die Anhänger des mit dem Papst zu identifizierenden Antichrist, (vom Himmel) herabkommen. Wilhelm habe hinzu­ gefügt und damit Philipps Gunst gewinnen wollen, daß dem König und seinem Sohn, der in der Zeit des Heiligen Geistes leben und nicht sterben werde, die Unter­ werfung aller Königreiche gelinge und daß es ihnen gegeben sei, die (heiligen) Schriften zu verstehen. In dieser Weissagung ist der Einfluß des nur wenige Jahre vorher gestorbenen Joachim von Fiore unverkennbar und somit die frühe Verbrei­ tung seiner Vorstellungen auch außerhalb Italiens belegt31. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts fand der Karlskult Eingang an der päpstlichen Kurie und wurde dadurch bald auch zu einem festen Bestandteil der Propaganda der im Kampf gegen Staufer und Ghibellinen mit dem Papsttum ver­ bündeten Guelfen. Gregor IX. und Innocenz IV. beschworen die angeblich uralte Verbundenheit der Päpste mit den Königen von Frankreich, um Ludwig den Hei­ ligen dazu zu bewegen, seine neutrale Haltung gegenüber Friedrich II. aufzugeben. Gregor IX. betonte die von Karl dem Großen und seinen Nachfolgern übernom­ mene Rolle als Verteidiger der Kirche. Nach dem endgültigen Bruch mit Friedrich II. wurde der französische König aus kirchlicher Sicht zum bevorzugten, nunmehr allein als rex christianissimus bezeichneten Herrscher32. Die Hoffnungen vieler Franzosen und Italiener auf die Wiederkehr Karls des Großen oder das Auftreten eines ihm ähnlichen Kaisers aus französischem Ge­ schlecht konzentrierten sich im 13. Jahrhundert, als die Kapetinger den Höhepunkt ihrer Macht erreichten, auf Karl von Anjou33, den Bruder Ludwigs des Heiligen, der sich in Unteritalien ein eigenes Königreich eroberte, indem er dort als Verteidiger der Kirche im Bündnis mit dem Papsttum die Macht der Staufer endgültig brach. Papst Urban IV, der Karl von Anjou und seinem Heer für den Krieg gegen Manfred den gleichen Ablaß wie für einen Kreuzzug zur Befreiung Jerusalems versprach und dementsprechend gegen Manfred und seine Sarazenen das Kreuz predigen ließ34, setzte 1264 in einem Brief an die französischen Prälaten die Übertragung des König­ reichs Sizilien an Karl von Anjou in Parallele dazu, daß in der Person Karls des Großen das römische Reich von den Griechen auf die Deutschen übergegangen sei35. Als der Anjou dann 1265 nach Italien zog, feierten ihn dort auch die Guelfen als zweiten Karl und behaupteten, seine Abstammung von Karl dem Großen aus 29 Vgl. Caesarius von Heisterbach, Dialogus miraculorum V 22, ed. Strange, Bd. 1, S. 304-307. 30 Zu seiner Person vgl. Töpfer, Reich des Friedens, S. 273 f. Anm. 77. 31 Vgl. ebd., S. 272 f. Dickson, Amalricians, vertritt die Auffassung, daß Joachims Vorstellungen erst mit dem Tod Amalrichs von Bene (+ um 1206) Eingang bei den Amalrikanem fanden. 32 Vgl. Herde, Guelfen, S. 269 f. Zum Titel rex christianissimus vgl. Krynen, L'empire, S. 345-383; Strayer, France, S. 306 f.; Valois, Le roi tres chrétien. 33 Der Name Karl war bei den Kapetingem ungewöhnlich. Karl von Anjou wurde zunächst auf den Namen Stephan getauft und wohl erst später Karl genannt, vgl. Sternfeld, Karl von Anjou, S. 19. 34 Vgl. Housley, Italian Crusades, S. 18. 35 Martene und Durand, Thesaurus, Bd. 2, col. 57f., und dazu: Herde, Guelfen, S. 270 f.

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alten Schriften beweisen zu können. Erst der Ausbruch der Sizilischen Vesper 1282 ließ sie die Härte der angiovinischen Herrschaft erkennen. Noch vor Karls Ankunft forderte Luchetto Gattilusi, der mehrfach außerhalb seiner Heimatstadt Genua das Amt des Podesta innehatte, den Anjou dazu auf, den Namen Karl als Verpflichtung zu verstehen und an die (angebliche) Eroberung Apuliens durch Karl den Großen zu denken36. Wenige Jahre später wurde der Frankenkaiser in den guelfischen Gesta Caroli Magni37 nach dem Vorbild Karls von Anjou gezeichnet. Dort ist Karl der Große ein italienischer, aus französischem Königsgeschlecht stammender Herrscher, und die heidnische Welt, zu deren Eroberung er aufbricht, stellt sich als alles das dar, was Karl von Anjou schon erobert hatte und noch erobern wollte oder entsprechend den Erwartungen der für ihn das Kaisertum fordernden Guelfen noch erobern sollte, nämlich ganz Italien, Deutschland und das bereits christliche Frankreich sowie Spanien und Afrika38. In einem nach der Niederlage Konradins bei Tagliacozzo verfaßten fingierten Briefwechsel aus dem Jahre 1268 fordert Konradin von dem Anjou, sich auf seine angestammten Fürstentümer zu beschränken und nach Frankreich zurückzukeh­ ren, während Karl die Staufer als ehemalige Vasallen seines Geschlechts bezeichnet und behauptet, wie schon seinem Vorfahren Karl dem Großen, dem Gott das Kaiser­ tum verliehen habe, so stehe ihm als Verteidiger der Kirche das Königreich Sizilien zu und ebenso Deutschland und Afrika39. Auch die Weissagungen nahmen sich der Gestalt Karls von Anjou an. So behauptete eine teilweise dem »weißen Kardinal« Johann von Toledo40 zugeschrie­ bene Weissagung in Versen41 unter Berufung auf die Sterne, daß zunächst sich die Häresie ausbreiten und ein propheta novus das Volk in seinem Glauben erschüttern werde, während mehrere Männer zugleich sich zum Papst erklärten, daß sich dann jedoch von den hohen und höhlenreichen Bergen her ein rex novus auf den ganzen Erdkreis stürze, die Sizilier und das verworfene Geschlecht des wild wütenden Friedrich zertrete und alles wiederherstelle, was durch Friedrich und seine Nach­ kommen durcheinander geraten sei. Dieser Herrscher bezwinge auch die Römer und bekehre die Anhänger Muhammads zu Christus. Er werde milde und ohne Falsch sein, arm an Schätzen, aber reich an guten Sitten. Mit dem rex novus dürfte Karl von Anjou gemeint sein42, der diese Bezeichnung auch in einer anderen gegen Manfred gerichteten Weissagung trägt43. Das Ent­ stehungsjahr der Weissagung, an ihrem Ende mit 1256 angegeben, ist jedoch un­ klar. Karl von Anjou zog erst 1265 nach Italien. Abgesehen davon, daß es sich bei der Passage über den rex novus um eine spätere Interpolation handeln könnte, wurde vielleicht ein zu frühes Entstehungsdatum behauptet, um die eigene Glaubwürdig­ keit zu erhöhen. Vgl. ebd., S. 272-275. Gesta Caroli Magni, ed. Dürrwaechter, S. 145-218. Vgl. ebd., S. 107-109 und 112-116. Vgl. ebd., S. 101-105. Zu seiner Person vgl. Grauert, Johann von Toledo, S. 111-165. ed. Holder-Egger, Prophetieen II, S. 382-384; ders., Prophetieen III, S. 1041. So schon Holder-Ecger, Prophetieen II, S. 381. Dagegen hält Töpfer, Reich des Friedens, S. 183, an dem mit 1256 angegebenen Entstehungsjahr der Weissagung fest und glaubt mit dem rex novus den 1255 mit Sizilien belehnten englischen Prinzen Edmund gemeint. 43 Vgl. Brückner, Manfred, S. 38; Töpfer, Reich des Friedens, S. 183 Anm. 121. 36 37 38 39 40 41 42

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Der Chronist Andreas Ungarns, der zuvor Hofkapellan der Könige Bela IV. (1235-1270) und Stephan V. (1270-1272) gewesen war44, griff die durch Nikolaus von Bari45 bekannte Vorstellung vom staufischen Endkaiser-Geschlecht auf und führte sie in angiovinischem Sinn weiter. In seiner wenige Jahre nach der Schlacht von Benevent und dem Tod Manfreds (1266) verfaßten Descriptio victoriae a Karolo Provinciae comite reportatae, die dem Grafen Peter von Alengon, einem Neffen Karls von Anjou, gewidmet ist, heißt es unter anderem: Die Söhne Friedrichs II. hätten die Übel des Vaters noch vermehrt, ohne zu wissen, daß Gott ihnen das Königreich nicht in Ewigkeit, sondern nur so lange überlassen habe, bis der von den Völkern erwartete zweite Karl aus den Lenden Karls des Großen auftrete und Manfreds Schätze und Reich ebenso in seine Gewalt bringe wie dessen Frau und Nachkom­ menschaft46. Von einer entsprechenden Weissagung berichtete 1281 der kurz zuvor nach Rom gekommene Kölner Kanoniker Alexander von Roes in seinem Memoriale de pre­ rogativa Romani imperii. Das Werk ist dem die franziskanischen Spiritualen protegie­ renden Kardinal Jakob Colonna gewidmet, wurde als Reaktion auf triumphierende Äußerungen der Franzosen nach der Wahl des französischen Papstes Martin IV. ver­ öffentlicht und hat sich in knapp 70 Handschriften erhalten47. Einer dort wieder­ gegebenen und angeblich in Deutschland verbreiteten Weissagung zufolge sollte aus dem Stamm Karls des Großen48 und aus dem Haus der Könige von Frankreich ein Herrscher namens Karl auftreten, der als der letzte Kaiser über ganz Europa regieren und Kirche wie Reich reformieren werde49. Bemerkenswert ist an diesem Beispiel nicht zuletzt der Wunsch nach einer Reform der Kirche auch unter den Gegnern der Staufer. Freilich ist von Gewaltanwendung oder gar Blutvergießen in bezug auf den Klerus keine Rede50. Natürlich sahen die Ghibellinen Karl von Anjou mit ganz anderen Augen als die Guelfen. In der ersten Fortsetzung der Cronica minor minoritae Erphordensis ist zum Jahr 1269 eine wohl in Italien entstandene Weissagung überliefert, die der Kar­ dinalbischof von Porto, also Johann von Toledo, nach Deutschland geschickt haben soll. Als ihr Verfasser wird einmal mehr Joachim von Fiore angegeben. Die Weis­ sagung behauptet, daß ein von den Staufern abstammender Fridericus orientalis sei­ ne Macht bis an das Ende der Welt ausdehnen werde. Zunächst vernichte er Karl von Anjou und nehme den Papst gefangen. Danach verbündeten sich die Deutschen mit den Spaniern und eroberten das französische Königreich51. 44 Vgl. Lexikon des Mittelalters, Bd. 1, München-Zürich 1980, col. 611 s.v. Andreas Ungarus (Arti­ kel von L. Capo und E. Pasztor). 45 Vgl. S. 213 f. 46 Vgl. Andreas Ungarus, Descriptio, cap. 4, ed. Waitz, MGH SS 26, S. 561. 47 Vgl. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. 1, Berlin-New York 1978, col. 222L s.v. Alexander von Roes (Artikel von M. Hamm). Der weitaus größte Teil der Hss. stammt aus dem 15. Jh., vgl. Boockmann, Wirkungen, S. 117 f. 48 Ihn sucht Alexander an anderer Stelle als Deutschen zu erweisen, vgl. Alexander von Roes, Noticia seculi, cap. 18, ed. Grundmann und Heimpel, MGH Staatsschriften 1,1, S. 165. 49 Vgl. ders., Memoriale, cap. 30, ed. Grundmann und Heimpel, MGH Staatsschriften 1,1, S. 136f. Dazu: Hirsch-Reich, Alexanders von Roes Stellung, S. 306 f.; Mohr, Alexander von Roes, S. 279 f. Vgl. auch oben S. 241. 50 Vgl. Töpfer, Reich des Friedens, S. 186 f. 51 Vgl. Cronica minor minoritae Erphordensis, ed. Holder-Egger, MGH SS rer. Germ., S. 679. Eine andere, vielleicht die ursprüngliche Version dieser Weissagung ist in der Admonter Hs. 326, fol. 230v, erhalten, vgl. Lerner, Powers, S. 57. Vgl. auch oben S. 243.

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Vor allem das Beispiel Karls von Anjou führt vor Augen, daß den Kapetingem der Bezug auf Karl den Großen zur Rechtfertigung ihrer Ansprüche auf Kaisertum und Weltherrschaft diente. Während Karl von Anjou für sich selbst die Eroberung Konstantinopels ins Auge faßte, an der ihn nach bereits abgeschlossenen Rüstungen 1282 die Sizilische Vesper hinderte52, versuchte er, seinem Neffen Philipp III. von Frankreich zur römischen Kaiserkrone zu verhelfen53, auf deren Erringung er dem Papst gegenüber hatte verzichten müssen, bevor er den Kampf gegen Manfred auf­ nahm54. Vielleicht noch zur Zeit Philipps III. (+1285), wahrscheinlich nach 1284 und jedenfalls vor 130555, entstand der angeblich aus der Feder des Merlin stammende, nicht mehr erhaltene, aber im Liber de Flore und später dann auch von Johannes Lichtenberger56 benutzte Liber regum, der einen zwei Kronen tragenden König aus dem Geschlecht Pippins und damit den Kapetingern die Kaiserwürde verhieß57. Die fehlgeschlagene Kandidatur Philipps III. bedeutete denn auch keineswegs das Ende der kapetingischen Hoffnungen auf die Kaiserkrone. In den Jahren 1308 und 1324 unternahmen Philipp der Schöne für seinen Bruder Karl von Valois und Karl IV. für sich selbst entsprechende Anstrengungen58. Als Gemahl der Tochter des letzten lateinischen Kaisers von Konstantinopel verfolgte Karl von Valois auch mehrere Jahre lang das Ziel, Byzanz zu erobern, konnte seine Vorbereitungen aber nicht zum Abschluß bringen59. Die letzten kapetingischen Könige erklärten die Eroberung Jerusalems zum vor­ nehmsten Ziel der französischen Monarchie, brachen jedoch aus verschiedenen Grün­ den niemals zum Kreuzzug auf60. Philipp der Schöne dachte 1305 offenbar sogar da­ ran abzudanken, um als Großmeister aller Ritterorden den Aufgaben des Heiligen Landes seine ganze Kraft zu schenken61. Als er 1313 zusammen mit seinen Brüdern, seinen Söhnen und seinem Schwiegersohn Eduard II. von England tatsächlich das Kreuz nahm, versprach er freilich nur, in erst sechs Jahren gen Jerusalem zu ziehen62. Bezeichnend für den von Sendungbewußtsein63 getragenen Expansionsdrang der französischen Politik in den Jahrzehnten um 1300 sind nicht zuletzt die Aus­ führungen des Juristen Pierre Dubois, obwohl oder gerade weil er am Hofe Philipps 52 53 54 55

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Vgl. Boehm, De Karlingis imperator Karolus, S. 24-35; Herde, Karl I., S. 83-98. Vgl. ebd., S. 88; Zeller, Les rois de France, S. 287f. Vgl. Herde, Karl I.,S. 45 f. Vgl. Grundmann, in: Göttingische gelehrte Anzeigen 190 (1928) S. 575. Baethgen, Engelpapst, S. 100 Anm. 1, versucht diese Datierung noch zu präzisieren. Seine Argumentation ist aber hin­ fällig, wenn die Vaticinia de summis pontificibus nicht erst kurz nach 1300 verfaßt wurden. Vgl. Kurze, Nationale Regungen, S. 8, Reeves, Influence, S. 350 f.; Spohn, Karl-Prophezeiung, S. 239. Vgl. Grundmann, in: Göttingische gelehrte Anzeigen 190 (1928) S. 570; ders., Liber de Flore, S. 71 Anm. 94; Baethgen, Engelpapst, S. 100 Anm. 1. Vgl. Zeller, Les rois de France, S. 297 f. und 300 f. Vgl. Housley, Later Crusades, S. 53 f.; Laiou, Constantinople and the Latins, S. 200-220 und 233-242. Vgl. Housley, Later Crusades, S. 25-36; Tyerman, Sed nihil fecit? Vgl. Finke, Papsttum, Bd. 1, S. 121 f., und Bd. 2, S. 118f. (Text); Hillgarth, Ramon Lull, S. 72 und 77. Ähnlich soll 1246 Friedrich II. dem Papst angeboten haben, zugunsten seines Sohnes Konrad abzudanken und in das Heilige Land zu ziehen, um es für die Christen zurückzuge­ winnen, vgl. Kantorowicz, Friedrich, S. 542 und 573. Vgl. Housley, Later Crusades, S. 29; Strayer, Philip the Fair, S. 296 f.; Tyerman, England, S. 242 f. Strayer, France, S. 313, bringt dies auf die Formel: »The most Christian king ruled a chosen people who lived in a kingdom which was the principal support and etemal defender of the faith.«

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des Schönen keinerlei Einfluß besaß64. In dem zweiten, für Philipp bestimmten Teil seines um 1306 verfaßten Werkes De recuperatione Terre Sancte führt Dubois seinem König die mögliche Zukunft der französischen Monarchie vor Augen: Er tritt dafür ein, den Sitz des Papsttums nach Frankreich zu verlegen und unter den Kardinälen für eine Mehrheit der Franzosen zu sorgen. Außerdem fordert er für Karl von Valois die Kaiserkrone von Konstantinopel und für die Anjou in Unteritalien die Königs­ krone von Jerusalem. Nach der Eroberung des Heiligen Landes soll Karl von Valois auch die Kaiserwürde des Westens zufallen, der König von Frankreich dabei aber die Herrschaft über Teile des linken Rheinufers und Oberitaliens erhalten65. Im Unterschied zu Karl von Anjou scheinen mit Karl von Valois (+ 1325) und mit Karl IV. (+ 1328), der nach Jahrhunderten als erster französischer König wieder den Namen Karl trug, keine besonderen Weissagungen verbunden worden zu sein. Dies gilt offenbar auch für Karl V, den ersten Valois dieses Namens auf dem franzö­ sischen Thron, der durchaus den Vergleich mit Karl dem Großen suchte66. Nach seinem Tod (16. September 1380) jedoch entstand in Anlehnung an das Constans-Vaticinium eine Weissagung, die mit Sicherheit im Juli 1382 öffentlich be­ kannt war67 und sich auf den am 3. Dezember 1368 geborenen und am 4. November 1380 gekrönten Karl VI. bezog, den ersten französischen König, der einen Vater na­ mens Karl hatte. In dieser Weissagung heißt es68: Karl, der Sohn eines Karl, aus der hochberühmten Nation der Lilie werde im Alter von ungefähr 14 (oder 13?)69 Jahren gekrönt werden und in seinem Reich für Ordnung und Gerechtigkeit sorgen. Bis zu seinem 24. (Regierungs-?)Jahr führe er Krieg und unterwerfe dabei die Engländer, Italiener und Spanier, erobere auch Rom und zerstöre Florenz. Jene verworfenen Kleriker, die den apostolischen Stuhl des Petrus und Paulus besetzt hätten70, lasse er töten. In demselben Jahr erlange er die doppelte Krone71. Er werde mit einem gro­ ßen Heer über das Meer nach Griechenland übersetzen und rex Grecorum genannt werden. Außerdem unterwerfe er die Chaldäer, Türken und Barbaren und befehle, diejenigen zu töten, die nicht zu Christus beteten. Weil der heilige Arm Gottes mit ihm sei, könne niemand ihm widerstehen, so daß er die ganze Welt beherrschen werde. Wegen seiner Taten sanctus sanctorum genannt, werde er im 31. Jahr seiner Herrschaft nach Jerusalem ziehen, auf dem Ölberg72 zu Gottvater beten, seine Krone niederlegen und dann sterben. Zwar soll sein Tod von einem großen Erdbeben und wunderbaren Zeichen begleitet sein, doch ist vom Weitende oder vom Beginn der Herrschaft des Antichrist keine Rede. Es fehlt also der eschatologische Bezug, den der Verfasser für selbstverständlich gehalten haben mag. 64 Zur Bedeutung und Wirkung der Gedanken des Pierre Dubois vgl. Oexle, Pierre Dubois, S. 332 f.; Strayer, France, S. 310 und 312. Strayer schreibt (S. 310 Anm. 41): »There ist some danger that, after being overrated, Dubois is now being underrated. He is important, not because he influenced policy, but because he represented the views of the hundreds of officials who worked for the king throughout France.« 65 Vgl. Oexle, Pierre Dubois, S. 331 f.; Scholz, Publizistik, S. 436. 66 Vgl. Lambrech, Charlemagne, S. 285-287. 67 Zur Datierung vgl. Chaume, Une prophétie, S. 28 und 30f.; Reeves, Influence, S. 330 Anm. 1. 68 ed. Chaume, Une prophétie, S. 29. 69 Vgl. Reeves, Influence, S. 330 Anm. 1 und S. 355 Anm. 5. 70 Damit ist wohl Urban VI. gemeint, vgl. Chaume, Une prophétie, S. 31. 71 Damit sind wohl wie im Liber regum die beiden Kronen des französischen Königs und des römischen Kaisers oder des römischen und byzantinischen Kaisers gemeint. 72 Also wie bei Adso und nicht wie bei Ps.-Methodios auf Golgatha.

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Mit dieser wohl ursprünglichen Fassung deckt sich weitgehend eine nur we­ nige Jahre spätere Version73, die sich im Anschluß an den Libellus des Telesphorus in der aus dem Jahre 1387 stammenden74 Handschrift Vat. Reg. Lat. 580 findet. Ei­ nerseits fehlt aber die Passage über die Tötung der das Papsttum usurpierenden Geistlichen, und andererseits heißt es in dem am Ende angefügten letzten Satz in deutlicher Anlehnung an Telesphorus, Karl werde von dem pastor angelicus gekrönt werden und der erste Kaiser nach dem gegenwärtigen Schisma und den Verfol­ gungen des dritten Friedrich sein. Die auf Karl VI. (t 1422) gemünzte Weissagung überlebte diesen Herrscher, der trotz seiner Geisteskrankheit beim Volk beliebt war75. Sie wurde auf Karl VII. (+ 1461 )76 und von den Gegnern Ludwigs XI. auf dessen jüngeren Bruder Karl von Frankreich (t 1472) bezogen77 und fand auch außerhalb Frankreichs weite Verbrei­ tung78. Die Popularität der Vorstellung von einem französischen Endkaiser scheint also während der schwierigen Lage der französischen Monarchie im hundertjäh­ rigen Krieg - vielleicht nicht zuletzt gerade deswegen - zugenommen zu haben, wie nicht nur die Verbreitung der Schriften des Johannes de Rupescissa und des Teles­ phorus zeigt. Ihr an die Seite stellte sich freilich die bereits im 12. Jahrhundert zu be­ legende Weissagung von einer das Königreich Frankreich rettenden Jungfrau79. So mancher Zeitgenosse sah sie in der Gestalt der Jeanne d'Arc (t 1431) erfüllt, die dem Königtum der Valois in einer verzweifelten Situation neue Kraft verlieh und die Franzosen im Kampf mit den Engländern wieder an den Sieg glauben ließ. Unter den französischen Königen wurde vor allem Karl VIII. (+ 1498), den 1494 nach seinem bei Rapallo über die neapolitanische Flotte errungenen Sieg80 ein Triumphzug81 ohnegleichen über Florenz und Rom nach Neapel führte82, von Fran­ zosen wie Italienern als zweiter Karl gefeiert. Vielfach verbanden sich mit seiner Person höchste Erwartungen, wurde er angeblich nicht nur in Neapel wie der Ge­ sandte Gottes, wie der Messias begrüßt83, während sich andererseits Papst Alexan­ der VI. und Alfons II. von Neapel nicht scheuten, gegen ihn den osmanischen Sultan um Hilfe zu bitten84. Mehrere Monate vor seinem Aufbruch nahm Karl VIII. am 13. März 1494 den zuvor von Ferrante von Neapel (t 25. Januar 1494) getragenen Titel eines Königs 73 ed. Reeves, Influence, S. 328. 74 Vgl. S. 274 Anm. 51. 75 Vgl. Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, München-Zürich 1991, col. 978 s.v. Karl VI. (Artikel von F. Autrand). 76 Vgl. Reeves, Influence, S. 341-343. 71 Vgl. Beaune und Lemaítre, Prophétie, S. 605-607 und 612. 78 Vgl. Reeves, Influence, S. 330f., 334, 345, 361 und 531 f.; Spohn, Karl-Prophezeiung, S. 226f. Entgegen Reeves (S. 331,361 und 532) handelt es sich allerdings bei der 1519 in England umlau­ fenden Version, die Marin Sanudo d.J. überliefert, um eine lateinische Fassung und nicht etwa um eine englische Übersetzung, vgl. unten S. 305. 79 Vgl. Tanz und Werner, Laienmentalitäten, S. 230-245. 80 Vgl. Labande-Mailfert, Charles VIII, S. 278-280. 81 Vgl. Denis, Charles VIII, S. 67-77 und 80 f. 82 Zu dem Italien-Feldzug Karls VIII., vgl. Setton, Papacy, Bd. 2, S. 448-498; Labande-Mailfert, Charles VIII, S. 265-438. Zu den Hintergründen: ebd., S. 169-218. Zu den Rüstungen Karls VIII.: ebd., S. 233-263. 83 Vgl. Labande-Mailfert, Charles VIII, S. 340; Schnitzer, Savonarola, Bd. 1, S. 169 und 288. 84 Vgl. Denis, Charles VIII, S. 66 Anm. 222 und S. 132 f.; Housley, Later Crusades, S. 115; Pfeffer­ mann, Zusammenarbeit, S. 97-112; Setton, Papacy, Bd. 2, S. 454,456 f., 464 und 480.

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von Neapel und Jerusalem an85. Sein Feldzug, durch den Italien für Jahrzehnte zum Schauplatz des europäischen Machtkampfes wurde, zielte denn auch nicht nur auf die Einnahme des einstmals angiovinischen Königreichs Neapel, sondern wurde als Vorspiel zu einem Kreuzzug propagiert, der von Italien aus gegen die Osmanen unternommen werden sollte. Obwohl die Kreuzzugsidee ein beliebtes Mittel der Propaganda war, ohne Taten folgen zu lassen, ist an der Ernsthaftigkeit dieses Pla­ nes kaum zu zweifeln, denn Karl VIII. fühlte sich offenbar zu großen Taten beru­ fen86. Während seines Zuges sicherte er sich auch den Erbanspruch auf den byzanti­ nischen Kaiserthron. Zu Karls Gunsten nämlich verzichtete Andreas Palaiologos, der als der älteste Neffe des letzten Kaisers Konstantin den Titel imperator Constantinopolitanus trug und allgemein in Europa als dessen Erbe galt87. Für Karl VHI., der bereits im Alter von 28 Jahren starb, war Karl der Große das Vorbild, dem es nachzueifem galt88. Es ist gut möglich, daß er mit der ursprünglich auf Karl VI. gemünzten Weissagung von einem zweiten Karl sich selbst gemeint glaub­ te, zumal andere sie auf ihn bezogen89 und er unter dem Einfluß des aus Kalabrien stammenden Eremiten Francesco di Paola stand, der ihn als von Gott für die Erneue­ rung der Kirche auserwählt betrachtete90. Auch wegen der in den Jahren um 1500 be­ sonders intensiven endzeitlichen Erwartungen vieler Menschen, die an der Fülle der da­ mals umlaufenden Weissagungen abzulesen ist, darf vermutet werden, daß Karl VIII. ähnlich wie wohl sein Zeitgenosse Ferdinand der Katholische91 - die Rolle des End­ kaisers für sich bestimmt glaubte. Vielleicht wollte er sich auch mit dem Messias verglichen wissen, als er am 22. Februar 1495 auf einem Maulesel in Neapel einritt92. Wie groß die auf Karl VIII. ruhenden Hoffnungen der Franzosen waren, zeigen die folgenden Beispiele: Der Arzt des Königs, Jean Michel, behauptete, Karl in einer Vision als Reformer und Welteroberer gesehen zu haben93, der Dichter André de la Vigne berichtete von einem Traum, in dem Karl von einer für die Christenheit ste­ henden Frau angefleht worden sei, sie vor den Ungläubigen zu retten94, und sein aus Bordeaux stammender Kollege Guilloche übertrug 1494 die ursprünglich auf Karl VI. zielende Weissagung von einem zweiten Karl ins Französische, setzte sie zudem in Verse und bezog sie gleich am Anfang expressis verbis auf Karl VIII., der wie in der Weissagung verlangt - mit 14 Jahren gekrönt worden war und im Alter von 24 Jahren nach Italien zog95. 85 Vgl. Labande-Mailfert, Charles VIII, S. 183 und 268. 86 Vgl. Housley, Later Crusades, S. 115; Labande-Mailfert, Charles VIII, S. 346-350 und 530-532; Setton, Papacy, Bd. 2, S. 4481., 4521., 461,463,468,482,484,486,489,496 und 498, 87 Es ist jedoch fraglich, ob die vereinbarte jährliche Pension von Karl gezahlt wurde und die Ab­ machung in Kraft trat. 1502 übertrug Andreas seine Ansprüche auf Ferdinand den Katholischen, vgl. Runciman, Eroberung, S. 192; Setton, Papacy, Bd. 2, S. 461-463 und 476. 88 Vgl. Denis, Charles VIII, S. 22; Labande-Mailfert, Charles VIII, S. 186 f., 364 und 366; Lambrech, Charlemagne, S. 289. 89 Vgl. unten auf dieser Seite und S. 301. 90 Vgl. Weinstein, Savonarola, S. 113. Zum Einfluß des Francesco di Paola auf Karl VIII. vgl. auch Labande-Mailfert, Charles VIII, S. 190 f., 353 und 471. 91 Vgl. S. 331. 92 Vgl. Labande-Mailfert, Charles VIII, S. 339 und pl. XV. Angeblich wurde Karl ja wie der Messias begrüßt, vgl. oben S. 299. 93 Vgl. Reeves, Influence, S. 355; Weinstein, Savonarola, S. 113. 94 Vgl. Reeves, Influence, S. 355. 95 Vgl. Chaume, Une prophétie, S. 31-35; Reeves, Influence, S. 355-357. Weinstein, Savonarola, S. 114, gibt den Inhalt teilweise falsch wieder.

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In Italien blieben die Vorbereitungen zu dem 1492 beschlossenen Feldzug Karls VIII. nicht verborgen96 und fanden in den dort umlaufenden Vatizinien ihren Niederschlag. Während eine 1491 in den Straßen von Rom verbreitete Weissagung wissen wollte, daß 1493 der Engelpapst auftreten werde, nachdem die Städte Italiens ihre Freiheit und der Klerus alle weltliche Macht verloren hätten97, sagte eine andere98, die 1492 zumindest in Florenz bekannt war, bis zum Jahre 1510 die (französische) In­ vasion des Königreichs Neapel, weltweite Kriege und schließlich einen Engel voraus, der eine allgemeine Erneuerung bewirken werde. In Florenz, aber auch andernorts in Italien99 war außerdem das ursprünglich auf Karl VI. gemünzte Vaticinium von einem zweiten Karl in Umlauf, der Florenz und Rom zerstören sollte100. Eine weitere Weis­ sagung, die wohl im Herbst 1494 kurz vor dem Eintreffen Karls VIII. in Florenz ent­ stand, behauptete, daß der französische König (wie der Antichrist) dreieinhalb Jahre lang die Kirche verfolgen werde, dann jedoch seinen Irrtum erkenne101, das Christen­ tum unter den Heiden ausbreite und schließlich auf dem Ölberg102 abdanke103. Als es nach dem Einzug Karls VIII. in Florenz (17. November 1494) unter Savonarolas Vermittlung104 zu einem Bündnis zwischen dem König und der Stadt kam, knüpfte Savonarola, der auch den Auftritt eines heiligen Papstes erwartete105, an das Vaticinium vom zweiten Karl an und erhoffte von Karl VIII. die Erneuerung der Kirche und die Bekehrung der Muslime, nachdem er ihn zunächst als neuen Cyrus und Strafwerkzeug Gottes betrachtet hatte106. Diese Erwartungen bestätigte den Florentineml496107 auf deren Anfrage hin der Eremit Angelo von Vallombrosa, obwohl er Savonarola ablehnend gegenüberstand. Auch er sah in Karl VIII. das von Gott erwählte Instrument und den letzten Kaiser, der die Kirche reformieren und nach der Eroberung Konstantinopels deren Einheit wiederherstellen werde108. Mit Karl VIII. erhielt in Florenz die dort seit den Tagen des Bündnisses zwi­ schen Karl von Anjou und den Guelfen zur Tradition gewordene Verehrung Karls des Großen109 neues Leben. So sagte auch ein Mann wie der Florentiner Humanist Marsilio Ficino (t 1499), der später Savonarola als den Antichrist bezeichnete110, die Eroberung Jerusalems durch Karl VIII. voraus und verglich diesen mit dem Fran­ kenkaiser111, der in Florenz vom 14. Jahrhundert an als der Erbauer der Stadt nach der Zerstörung durch (den mit Totila verwechselten)112 Attila galt113. Allzu leicht 96 97 98 99 100 101

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Vgl. Weinstein, Savonarola, S. 63. Vgl. Stefano Infessura, Diario, ed. Tommasini, S. 264f. ed. Tognettt, Le fortune, S. 279 f. Vgl. Reeves, Influence, S. 330 f. und 344f. Das zeigt nicht nur das Beispiel Savonarolas, vgl. Weinstein, Savonarola, S. 64 und 166. Ähnlich wie in der Summula seu breviloquium super concordia Novi et Veteris Testamenti, vgl. S. 277. Wie bei Adso. Vgl. Weinstein, Savonarola, S. 65 f. Vgl. ebd., S.115 f. Vgl. ebd., S. 77,173 und 175. Vgl. ebd., S. 117,129 und 166f. d.h. als Karl VIII. bereits wieder nach Frankreich zurückgekehrt war. Vgl. Denis, Charles VIII, S. 65 f.; Weinstein, Savonarola, S. 231 f. Vgl. ebd., S. 63. Vgl. McGinn, Visions, S. 279 und 282f. Vgl. Denis, Charles VIII, S. 75; Weinstein, Savonarola, S. 187. Vgl. Herde, Guelfen, S. 267. Vgl. Weinstein, Savonarola, S. 38-40.

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übersehen, stand aber wohl nicht nur in Florenz die Angst, die Sorge um das eigene Schicksal hinter dem Jubel um Karl VIII.114. Auch auf Seiten der in Italien lebenden Juden, die um 1500 von einer neuen Welle messianischer Erwartungen getragen wurden, sah man die Gestalt Karls VIII. in endzeitlichen Zusammenhängen. Allerdings betrachteten die Juden den franzö­ sischen König nicht etwa als den Messias, wie dies der Franziskaner Johannes An­ gelus von Leonessa geglaubt zu haben scheint115. So groß die Hoffnungen vieler französischer und italienischer Christen waren, die (zunächst) auf Karl VIII. ruhten, so groß war offenbar die Aufmerksamkeit, mit der man im Reich des von Alexander VI. und Alfons II. um Hilfe gebetenen Osmanensultans Bäyazid II. von Karls unaufhaltsamem Vormarsch in Italien und seinen Kreuzzugsplänen hörte116. Wie sich aus gewöhnlich gut unterrichteten venezia­ nischen, aber auch aus anderen Quellen ergibt117, waren auf dem Balkan viele Weis­ sagungen über den baldigen Untergang der osmanischen Macht in Umlauf, die nicht nur die dortigen Christen mit den Erfolgen und Plänen Karls VIII. in Zusam­ menhang brachten, und in Neapel trafen Boten aus Albanien und Griechenland mit der Versicherung ein, sich Karl sofort zu unterwerfen, wenn sein Heer an der dor­ tigen Küste lande. Die auf Karl VIII. ruhenden Hoffnungen wurden nur allzu rasch enttäuscht. In seinem Rücken, in Oberitalien, bildete sich ein gegen ihn gerichtetes Bündnis zwi­ schen Alexander VI., Maximilian, Ferdinand und Isabella, Ludovico Sforza und Vene­ dig118, so daß er am 20. Mai 1495 Neapel wieder verließ, um sich auf den Weg gen Norden zu machen. Statt den angekündigten Kreuzzug gegen die Osmanen zu unternehmen oder die Absetzung Alexanders VI. und die Reform der Kirche zu betreiben119, traf er am 7. November 1495 in Lyon ein, nachdem seine Gegner ver­ geblich versucht hatten, ihm den Weg in die Lombardei zu sperren120. Sein kurzer Auf­ enthalt in Neapel brachte ihm bei seinen neuen Untertanen offenbar nur wenig Sym­ pathien ein121. Das vordem so positive Bild Karls VIII. verwandelte sich ins Negative122. Einige Italiener aber hofften auf einen erneuten Italien-Feldzug der Fran­ zosen123, so nicht zuletzt Savonarola und der Franziskaner Johannes Angelus von Leonessa, der zu behaupten wagte, daß die französischen Könige von David ab­ stammten124. Aber trotz der Ermahnungen Savonarolas und der Zusage der franzö­ sischen Gesandten kam Karl VIII. nicht. 114 Vgl. ebd., S. 136. 115 Vgl. Linder, L'expédition italienne. 116 Zu den Vorkehrungen, die Bäyazid II. gegen einen möglichen Angriff Karls VIII. traf, vgl. Setton, Papacy, Bd. 2, S. 464 und 480. 117 Vgl. Schnitzer, Savonarola, Bd. 1, S. 294. Zu den laut Giorgio Benigno Salviati (Dragiäic) im Osmanenreich verbreiteten Weissagungen vgl. außerdem Schnitzer, Flugschriften-Literatur, S. 210f., und Vasou, Salviati (Dragiäii), S. 130 und 135. 118 Vgl. Labande-Mailfert, Charles VIII, S. 357 f.; Setton, Papacy, Bd. 2, S. 487 f. 119 Vgl. Denis, Charles VIII, S. 131; Labande-Mailfert, Charles VIII, S. 310-312 und 517f.; Setton, Papacy, Bd. 2, S. 448,452,474-476 und 484 f. 120 In der Schlacht von Fornovo am Taro (6. Juli 1495), vgl. Labande-Mailfert, Charles VIII, S. 391—414; Setton, Papacy, Bd. 2, S. 493—495. 121 Vgl. Denis, Charles VIII, S. 130; Labande-Mailfert, Charles VIII, S. 354f.; Setton, Papacy, Bd. 2, S. 484. 122 Vgl. Denis, Charles VIII, S. 147; De Frede, Piü simile. 123 Vgl. Setton, Papacy, Bd. 2, S. 505; Weinstein, Savonarola, S. 266 und 278-280. 124 Vgl. Linder, Un (Jnpublished >PronosticatioDXVie Krise des abbasidischen Kalifats im 3./9. Jahrhundert. 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