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German Pages 172 [176] Year 1962
FRÜHWALD, DER ST. GEORGENER PREDIGER
QUELLEN UND FORSCHUNGEN ZUR SPRACH- UND KULTURGESCHICHTE DER GERMANISCHEN VÖLKER
BEGRÜNDET
VON
BERNHARD TEN BRINK U N D WILHELM
NEUE
SCHERER
FOLGE
HERAUSGEGEBEN VON HERMANN
KUNISCH
9 (133)
WOLFGANG FRÜHWALD DER ST. GEORGENER PREDIGER
WALTER DE GRUYTER & CO., BERLIN VORMALS G . J . GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG — J . GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG — GEORG REIMER — KARL J . TRÜBNER — VEIT & COMP.
DER ST. GEORGENER PREDIGER STUDIEN
ZUR
W A N D L U N G
DES
GEISTLICHEN
GEHALTES
V O N
WOLFGANG FRÜHWALD
WALTER DE GRUYTER & CO., BERLIN VOHMALS G . J . G Ö S C H E N ' S C H E VERLAGSHANDLUNG J . G U T T E N T A G , VERLAGSBUCHHANDLUNG — K A R L J . TRÜBNER —
VEIT &
—
GEORG REIMER COMP.
—
АГСЫУ-ΝΓ. 433062/3 © Copyright 1963 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschcn'sche Verlagshandlung — J. Guttcntag, Verbgsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp. — Printed in Germany. Alle Rechte des Nachdrucks, der photomechanisehen Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen, auch auszugsweise, vorbehalten Satz und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin 30
VORWORT Die vorliegende Arbeit, die im Januar 1961 von der Philosophischen Fakultät der Universität München als Dissertation angenommen wurde, versucht den gedanklichen Kreis des St. Georgener Predigers abzuschreiten und gleichzeitig an markanten Beispielen die gebrauchsbedingten Wandlungen im Handschriftenbild dieser Predigtsammlung zu verfolgen. Sie basiert auf zwei gedruckten und zwei ungedruckten Handschriften, doch werden auch die jeweils gedruckten Einzeltexte, vor allem aber zahlreiche Handschriftenbeschreibungen mit herangezogen. Dieses relativ schmale Fundament der Arbeit ist nur von der großen Textstabilität der St. Georgener Sammlung her zu rechtfertigen (vgl. unten S. 28). Bei der Beschaffung der Handschriften waren mir die Beamten der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe, der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien, der Universitätsbibliothek und der Bayerischen Staatsbibliothek in München behilflich. Ihnen allen danke ich herzlich. Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. Hermann Kunisch, München, der diese Arbeit angeregt und während ihrer Entstehung betreut hat, für freundliche Hinweise außerdem Herrn Professor Dr. Hans Fromm, München, und Frau Dr. Eva Lüders, Uppsala. Gersthofen bei Augsburg im August 1961
Wolfgang Frühwald
INHALT Seite
Vorwort Einleitung
V 1
I. GRUNDLAGEN Kapitel 1: Zur Bestimmung des Begriffes „St. Georgener Prediger"
2
Die Textirage Die Handschriften Die Abgrenzung der Sammlung
2 4 10
Kapitel 2: Um Karl Rieders Ausgabe
12
Die „Deutschen Texte des Mittelalters" Korrekturen an Rieders Ausgabe Die Bertholdthese Die Beurteilung der Ausgabe Rieders
12 13 16 15
Kapitel: 3 Die Textgrundlage
17
Handschriften Gesamtdrucke Einzeldrucke
17 17 17
II. UNTERSUCHUNG A. Das Predigtbuch: Die St. Georgener Sammlung als Gebrauchstext Kapitel 4: Textbearbeitung und Kompilation 1. Die Textbearbeitung Die Bearbeitung der Handschrift A Individuelle Schlußformulierungen in den Handschriften Ph, Z, H, U, A Textbindung und Textlösung 2. Die Kompilation Die bairische Anthologie W/N Die Handschrift Sa Die Streusammlung P h und die liturgische Anordnung ihrer Texte
25 25 28 28 42 51 54 54 62 ö3
Inhalt
vili
Seite
Kapitel 5: Rubrizierung und Gebrauch
76
Der Wandel im Gebrauch des Predigtbuches Das homiletische Handbuch Der Meditationstext Die außerliturgische Gemeinschaftslesung
76 77 79 83
B. Das Original: Untersuchungen zu Thematik und Gehalt Kapitel 6: Thematische Gruppierungen
87 87
Marientexte Christustexte Das liturgische Element Texte über das Klosterleben Gehaltliche Schichten
88 93 99 106 116
Kapitel 7 : Mystische Strömungen
117
Mystische Metaphorik in Rd. 66 Die Lehre von der unmittelbaren Anschauung Gottes . . . . Die Ekstase im Palmbaumtraktat Die Kontemplation in Rd. 63 „intellectus" und „amor" in Rd. 41
117 127 129 132 136
III. ZUSAMMENSCHAU 1. Die Handschrift A
140
Verklammerung der Kompilation durch a) Bernhard von Clairvaux Rd. 33 Rd. 84 b) Berthold von Regensburg Rd. 67 Rd. 86 und die Tradition
2. Das Original
140 141 145 147 148 148
166
a) Das klösterliche Kolorit b) Der „Prediger"
156 166
Literatur- und Abkürzungsverzeichnis
169
EINLEITUNG Unter der reichen Fülle mittelalterlicher Predigtliteratur steht die St. Georgener Sammlung an bedeutender Stelle. Rang verleihen ihr nicht nur die breit gestreute Überlieferung der Texte, sondern vor allem deren formale und gehaltliche Aussagekraft. Nach den neuen Handschriftenfunden durch Kurt Ruh und Eva Lüders ^ haben wir heute neben einer großen Zahl von Einzelüberlieferungen 21 Handschriften, die unsere Predigten ganz oder großenteils enthalten. Noch immer ist die älteste Überlieferung die der Handschrift G von 1300, die schon Karl Rieder ^ für seine Lesarten hauptsächlich verwendete. 8 weitere Handschriften, nämlich A, Ar, F, H, N, U, W und 2 entstammen noch dem 14., 12 Handschriften, nämlich Am, Bj, Bg, Bj, Bi, Br, Hl, L, La, Ph, Sa und St erst dem 15. Jahrhundert. Durch 200 Jahre hin wurde also unsere Sammlung immer wieder abgeschrieben für den Gebrauch in Klöstern verschiedener Richtung, aber auch zur Erbauung frommer Laien. Aus der Vielfalt der Tradition erwächst uns die ursprüngliche Gestalt der Sammlung, so wie umgekehrt erst von der Originalsammlung aus die einzelne Handschrift und ihre individuelle Bearbeitung zu beurteilen ist. Zwei Aufgabenbereiche greifen also ineinander. Abgesehen von der Grundbedingung eines verläßlichen Textes, auf dem eine Gehaltsanalyse aufzubauen ist, muß ein Bereich den anderen weitgehend ergänzen, bestätigen und korrigieren. So entsteht ш der Wechselwirkung eine Fülle Lösung fordernder Fragen und Aufgaben. ^ Kurt Ruh: Idenüfizierung der Hss. Sa (Zeitschr. f. Sch-weiz. KirchengescUchte, 44, 1950, S. 58ff.), F (Ruh, Bonaventura S. 48, Anm. 6) und Bi (Lüders II, S. 72, Fn. 2). Zu den Siglen vgl. das Verzeichnis Lüders III, S. 185 f. Eva Lüders: Zur Überlieferung der St. Georgener Predigten. Eine Folge von Einzelbeiträgen, in: StudiaNeophilologica, Vol. XXIX, Nr. 2 (1957), S. 200—249 = (Lüders I), Vol. XXX. Nr. 1 (1958), S. 30—77 = (Lüders II), Vol. XXXII, Nr. 1 ^960), S. 123—187 = (Lüders III), besonders Lüders I, S. 214ff. die Beschreibung der neu gefundenen Hs. U. Zur Begriffsbestimmung „St. Georgener Prediger" vgl. unten Kapitel 1. ^ Der sog. St. Georgener Prediger aus der Freiburger und der Karlsruher Handschrift hrsg. von Karl Rieder ( = Rd.), Berlin 1908 ( = DTM X). In dieser Ausgabe erschien erstmals die ganze Sammlung in mittelhochdeutscher Sprachgestalt.
1
Frühwald, Prediger
I. GRUNDLAGEN
Zur Bestimmung des Begriffes „St. Geqrgener Prediger" Es ist in der Geschichte unserer Wissenschaft kein Novum, daß eine längst erwartete Ausgabe bekannter Texte die Forschung zunächst in eine falsche Richtung wies. Als Franz Pfeiffer 1857 eine kritische Ausgabe der deutschen Werke Meister Eckharts veranstaltete, den Variantenapparat aber schuldig bleiben mußte, da verdeckte der sofort einsetzende Streit um die Verfasserfrage, um das „Vertrauen in den authentischen Charakter der von Pfeiffer edierten Texte" ^ das vordringliche Textproblem, von dem aus allein eine sichere Antwort auf die Frage nach der Echtheit gegeben werden konnte. Ähnlich steht es um die St. Georgener Predigten. Auch hier hat der sofort nach Karl Rieders Ausgabe einsetzende Streit um die Verfasserfrage das vordringliche Problem der Textgestaltung verdeckt^. Im Falle Eckhart hat — nach Vorarbeiten von Adolf Spamer® — Josef Quint in seiner umfangreichen Habilitationsschrift „Die Überlieferung der deutschen Predigten Meister Eckeharts, Bonn 1932" durch eine Kritik der Pfeifferschen Ausgabe das Textproblem zunächst unter Ausklammerung der Echtheitsfrage neu und richtig gesehen und damit die Grundlage für die heute von ihm betreute kritische Edition der Werke Meister Eckharts geschaffen. Ebenfalls als Vorarbeiten zu einer kritischen Ausgabe hat es jetzt Eva Lüders unternommen, die verwickelten Überlieferungsverhältnisse der St. Georgener Predigten zu klären und sie hat, aufbauend auf Wilhelm Wackernagels Untersuchungen, sowie auf Bemerkungen von Hermann Menhardt und Kurt Ruh^, die Frage 1 Josef Quint, Überlieferung S. X V I . ^ Freilich unterscheidet sich hier die Frage nach der Textgestaltung stark von der Pfeifïerschen, da Karl Rieder nach den Grundsätzen der DTM einen Handschriftenabdruck gab, während Franz Pfeiffer nach Lachmannschen Grundsätzen kritisch edierte. In den Gnmdzügen sind aber beide Streitfälle einander sehr ähnlich, denn beide Male verdeckt der Verfasserstreit das — jeweils anders geartete — Textproblem. ' Vgl. Adolf Spamer, Zur Überlieferung der Pfeifferschen Eckharttexte, PBB 34 (1909), S. 3 0 7 ^ 2 0 . * Vgl. Wilhelm Wackernagel, Altdeutsche Predigten und Gebete aus Handschriften. Gesammelt und zur Herausgabe vorbereitet v o n . . . mit Abhandlungen und einem Anhang, Basel 1876 ( = Wa.). Vgl. Hermann Menhardt, Das St. Trudperter Hohe Lied I, HaUe 1934, S.44ff., bes. S. 57 f. ( = Menhardt I). Vgl. Ruh, Bonaventura S. 48. Vgl. auch die Angaben bei Eva Lüders I, S. 211, Fn. 2 und 3.
Zur Bestimmung des Begriffes „St. Geoigener Ptediget"
3
nach der ursprünglichen Gestalt unserer Sammlung im Umriß schon entschieden. Diese Frage hat Wilhelm Wackernagel um die Mitte des vorigen Jahrhunderts® so gestellt: „Für einen beträchtlichen Theil seines Werkes . . . hat Albrecht der Kolbe [ = der Schreiber der Hs. A] offenbar eine schon vor ihm veranstaltete Sammlung benützt, eine Sammlung, die weit verbreitet gewesen sein muß, da aus eben derselben noch viele andere Schreiber in verschiedenen Gegenden Deutschlands, ja selbst in den Niederlanden geschöpft haben. Nicht weniger nämlich als 39 von seinen 85® Stücken enthält auch, Schritt für Schritt in der gleichen Reihenfolge (nur ein einziges Mal ist sie verletzt), die Handschrift Z , . . 26 und 25 derselben finden sich, theilweis umgestellt, in zwei Handschriften zu Wien und zu Kloster-Neuburg . . . und endlich von den Predigten aus S. Georgen im Schwarzwalde und den 47 niederländischen in Haag wird nicht bloß das wenige, das aus beiden schon gedruckt ist,., mit A und Ζ übereinstimmen: halten doch die ersteren sichtlich dieselbe Ordnung inne wie A und Z, und die letzteren fast eben dieselbe wie die Kloster-Neuburger und die Wiener Handschrift"'. Diese These, daß Albrecht der Kolbe „für einen beträchtlichen Teil seines Werkes . . . offenbar eine schon vor ihm veranstaltete Sammlung" benützt hat, präzisiert Wilhelm Wackernagel in einer vergleichenden Tabelle der Handschriften A, Z, G, W, N, H, z, B®, wonach diese ältere Sammlung die Nummern A 35—A 74 = Rd. 35 — Rd. 75 umfaßt. Sein Befund wird durch alle unsere großen Handschriften bestätigt, nur in Einzelheiten korrigiert^. ® Wilhelm Wackernagel starb 1869, seine „Altdeutschen Predigten und Gebete" erschienen posthum 1876, herausgegeben von Max Rieger, von dem ein großer Teil der Ausführungen stammt. Max Rieger hat alle seine Zusätze durch eckige Klammern bezeichnet (vgl. Vorwort bei Wa. S. VII—XI). Eva Lüders hat das Verdienst, erstmals wieder auf Wackernagel nachdrücklich hingewiesen und seine Ergebnisse für die St. Georgener Predigten fruchtbar gemacht zu haben. ' Bei Rd. 86 Stücke, da er Nr. 41 und 42, die in A als eine Nummer 41 erscheinen, in 2 Nummern trennt. ' Wa. S . 2 6 3 f . ® Wobei er die Nummern in A , Z, W, N, ζ und В vollständig, von Η nur 2, von G nur die bei Mone gedruckten Stücke anführt. Vgl. Wa. S. 264ff. ' Im folgenden werden nur solche Handschriften aufgeführt, die wenigstens fünf unserer Predigten enthalten. Diese von mir frei gewählte Richtzahl fand ich nachträglich durch Eva I.üders (II, S. 64) bestätigt. — Die Zählung der fraglichen Predigten in A ist am besten bei Wa. S. 264if. zu vergleichen. — In der Anordnung der Siglen übernehme ich die Reihenfolge von Eva Lüders (vgl. Lüders I, S. 226 fi. Fußnoten), da die Handschriften dort nach ihrer mutmaßlichen Zusammengehörigkeit in Gruppen und nach ihrem Wert für die Textgestaltung geordnet sind. Ich ordne dabei Sa nach U ein, da Sa zwar in der Reihenfolge der Nummern näher zu A ,
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Gnmdlagen Es enthalten nämlich die HANDSCHRIFTEN
FOLGENDE NUMMERN
G Rd. 35—66; 68—70 und den A 35—65; 67—69 und den AnAnfang von 71 fang von 70 nach Max Riegers Tabelle bei Wa. S. 517f. Dabei ist zu beachten, daß von Predigt A 70 = Rd. 71 in G nur der Anfang bis Rd. S. 306,10 enthalten ist, dann bricht die Hs. am Ende einer Lage ab^®. Die Nummern Rd. 41 und Rd. 42 = A 41 erscheinen in G getrennt. Die Reihenfolge der Stücke in G entspricht der von A, also G 1—32 = A 35—65; G 33—36 = A 67—70. Demnach enthält G 35 der fraglichen Predigtenii. Ζ Rd. 35—66; 68—75 A 35—65; 67—74 nach Wilhelm Wackernagels TabeUe S. 264fif., wobei A 41 = Rd. 41 + 42 = Z7-f8i2. Die Hs. enthält also 39 der fraglichen Predigten in derselben Reihenfolge wie A und G. An diese Predigten schließen in Ζ noch 15 weitere Stücke an, unter denen sich die Nummern Rd. 24 (f. 139 vb) und Rd. 67 (f. 146 ra) befindeni®. и
Rd. 36—75, mit Ausnahme von 67
А 36—74, mit Ausnahme von 66
G, Ζ steht als U, die Uppsalaer Handschrift aber unsere Predigten vollständig enthält. Die Hs. St ordne ich nach Bj, da St acht ganze Stücke aus unserer Sammlung entnommen hat; die Centotexte in St bleiben also hier unberücksichtigt. F erscheint am Schluß der Reihe, da über diese Hs. vorläufig nur die kurze Bemerkung bei Kurt Ruh Aufschluß gibt. Noch nicht berücksichtigt werden in unserer Aufstellung die Handschriften Am, Br, Bi und Bj. Die von Eva Lüders (III, S. 124, Fn. 5) zitierte Arbeit von Robrecht Lievens, Een Brabants Handschrift van de Limburgse Sermoenen (Handelingen XII der Zuidnederlandse Maatschappij voor Taal — en Letterkunde en Geschiedenis, Oudenaarde 1958) mit der genauen Beschreibung der Hs. Br war mir vor Drucklegung der Arbeit nicht mehr erreichbar. »» Vgl. Rd. S. XIII. " Vgl. die Beschreibung der Hs. bei Karl Rieder, DTM X, S. XIII und die dort angegebene Literatur, vgl. auch die Angaben Lüders II, S. 69, besonders aber Lüders II, S. 34, Fn. 1. 12 Vgl. Rd. S. 135 Lesarten, Lüders I, S. 240, Fn. 1; daß Rd. 42 = Ζ 8 betont auch Max Rieger Wa. S. 517. 1» Vgl. die Beschreibung der Hs. bei Rd. S. Xlllff., Wa. S. 271 f., Cunibert Mohlberg: Mittelalterliche Handschriften (Katalog der Handschriften der Zentralbibliothek Zürich I), Zürich 1932, S. 42, Nr. 107 und die wichtigen Ergänzungen dazu Lüders II, S. 34, Fn. 4.
Zur Bestimmung des Begriffes „St. Georgener Prediger"
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Dieser Kodex wurde von Eva Lüders identifiziert und beschrieben. (Lüders I, S. 214—245). Er enthält in seinerseits 35 Predigten 39 Rd.Nummern, da и 19 = Rd. 73+74 (1. Teil) = Rd. S. 314,21—316,19 (Lüders I, S. 234) U 2 0 = Rd. 74 (2. Teil)+75 =Rd. S. 316,19—319,15 (Lüders I, S. 235) и 27 = Rd. 41+42 - Rd. S. 128,2—135,11 (Lüders I, S. 239) и 28 = Rd. 43+44 = Rd. S. 135,13—140,8 (Lüders I, S. 240) Die Reihenfolge der Predigten in U teilt die von А etwa in der Mitte (Lüders I, S. 226if.), so daß die Predigten so angeordnet sind: Rd. 55, 54, 56—66, 68—75, 36, 48, 37—47, 49—53.
Sa Rd. 36—75 unter Ausschluß A 36—74 mit Ausnahme von 66, der Predigten 67, 71, 72, 70, 71, 73 7414 nach Kurt Ruh, Zur Überlieferung des St. Georgener Predigers: Cod. Sarnen 169 (237), in: Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte, hrsg. von der Arbeitsgemeinschaft kath. Historiker der Schweiz, Jahrgang 44 (1950), S. 58fF. Kurt Ruh hat die Hs., die also 36 (bzw. 37) unserer Predigten enthält, identifiziert und beschrieben. Die Nummernfolge in Sa entspricht bis auf folgende Ausnahmen der von A : Rd. 63 = Sa 22 steht zwischen Rd. 56 = Sa 21 und Rd. 57 = Sa 23, Rd. 43 = Sa 8 schließt ohne Absatz direkt an Rd. 42 = Sa 7 an. Auch für die Textkritik ist die Hs. nach Kurt Ruh S. 63 bedeutsam.
W Rd. 36—75 unter Ausschluß von 9 Predigten, nämlieh 39, 41, 43, 47, 49, 52, 53, 55, 67
A 36—74 unter Ausschluß von 39, 41 (der Schluß dieser Predigt = Rd. 42 ist aber vorhanden), 42, 46, 48, 51, 52, 54, 66 nach Menhardt, Verzeichnis. Diese 31 Rd.-Nummern sind in W zu 26 gezählten Predigten zusammengezogen. Aus Wilhelm Wackernagels Tabelle S. 264—267 ist nicht zu ersehen, daß den 26 Stücken in W 30 in A entsprechen. Es entsprechen zwar 31 Rd.-Nummern, aber nur 30 A-Nummern, da der kurze Text Rd. 42 = Schluß von A 41, nicht aber die Texte Rd. 41 und 43 in W erscheinen. Zu der von A stark abZu der Frage, ob evtl. auch Rd. 74 in Sa enthalten ist vgl. unten S. 62f.
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Grundlagen
weichenden Reihenfolge der Predigten in W vgl. die Angaben zur Hs. N.i«. Rd. 36—75 unter Ausschluß A 36—74 unter Ausschluß von von 9 Predigten, näm39, 41 (der Schluß dieser Prelich 39, 41, 43, 47, 49, digt=Rd. 42 ist aber vorhan52, 53, 55, 67 den) 42, 46, 48, 51, 52, 54, 66 nach der Tabelle von Eva Lüders (II, nach S. 48). Die Hs. N wurde zuerst von Hoffmann von Fallersleben in den Altdeutschen Blättern II (1840), S. 172ff. beschrieben, wobei er jedoch die 26. Predigt in N anzugeben vergaßt®. Die Übereinstimmung der Hs. N mit der gleichfalls von ihm beschriebenen^' Hs. W war Hoffmann deutlich^', ohne daß er daraus den Schluß auf ein Abhängigkeitsverhältnis gezogen hätte. Diesen weiteren Schritt tat erst Wilhelm Wackernagel, der ohne eigene Kenntnis beider Handschriften in W die Vorlage für N vermutete und darin von Hermann Menhardt gegen Philipp Strauch gestützt wird^®. N
Eva Lüders, die den ganzen verwickelten Forschungszusammenhang geklärt hat (II, S. 39ff.),hat auch eine detaillierte Beschreibung der Hs. N (ebenda S. 45—49) gegeben und in einer ausführUchen Tabelle die Nummernentsprechungen N : Rd., übersichtlich gemacht^®. Damit sind der Inhalt und die von A stark abweichende Folge der SG-Predigten in N — und somit nach Anmerkung 15 (unten) — auch in W — Zur Beschreibung der Hs. vgl. Rd. S. X V I , wo die Reihenfolge der Stücke richtig angegeben ist, und die dort verzeichnete Literatur. Vgl. auch dazu die berichtigenden und ergänzenden Angaben Eva Luders' (II, S. 40 ff.) und neuestens: Hermann Menhardt, Verzeichnis der altdeutschen literarischen Handschriften der österreichischen Nationalbibliothek, Bd. I, Berlin 1960,S. 141. Vgl. auch unten S. 55ίΤ. Auf ein nachträgliches Versehen HofTmanns schließt überzeugend Eva Lüders II, S. 40, bes. Fn. 2. Vgl. Hoffmann von Fallersleben, A'^erzeichniß der Altdeutschen Handschriften der k. k. Hofbibliothek zu Wien, Leipzig 1841, S. 303ff. " Vgl. Ad. BU. S. 172; zitiert Lüders II, S. 40, Fn. 2. " Vgl. Wa. S. 268: „ . . . die Wiener Handschrift scheint sogar das Original der Kloster-Neuburgischen zu sein . . . " Hermann Menhardt, Trudperter Hohes Lied I, S. 45: „N ist (mit Wa. S. 268 und Rieder S. X V I I , gegen Strauch S. 350) mit höchster Wahrscheinlichkeit Abschrift aus W. Beide Hss. stimmen in der Reihenfolge der Predigten überein. In W und N ist die 5. Predigt beim Zählen übersprungen, weil sie ohne Absatz an die 4. anschließt. N teilt mit W gegenüber der sonstigen Überlieferung fast alle, auch ganz geringfügige Einzelheiten und vor allem grobe F e h l e r . . . " Hermann Menhardt war nach Eva Lüders (II, S.39, Fn. 1) „allem Anschein nach der Erste, der beide dieser bairischen Repräsentanten unserer Predigten, W sowohl wie N, bei gleichzeitiger Kenntnis ihrer sonstigen Tradition und Verbreitung in Augenschein nahm und verglich." Vgl. Lüders II nach S. 48.
Zur Bestímmung des Begriffes „St. Georgener Prediger"
7
geklärt. Die Predigten sind so angeordnet: Rd. 36—38, 48, 45, 46, 72, 50,42, 40, 51,71, 56, 57, 60,44, 68, 59, 62—66, 69, 70, 73, 74, 54, 58, 61, 75. Über die Zählung der Stücke in N vgl. die Tabelle. L
Rd. 36—75 mit Ausnahme A 36—74 mit Ausnahme von 66 von 67 nach Eva Lüders' Anmerkungen zur Beschreibung der Hs. U = Lüders I, S. 226 ff. Die Handschrift enthält also 39 unserer Predigten. Nähere Angaben stehen noch aus. Ar Rd.36-^0(wobei40nurbis A 36—40 (40 nur bis Rd. S. Rd. S. 124,16), 57—59, 124,16) 56—58, 60, 62 61, 63 nach Priebsch II, S. 43. Die Handschrift enthält demnach 9 und eine fragmentarische unserer Predigten in der Reihenfolge: 36, 38, 37, 57— 59, 61, 63, 39, 40^1. Eva Lüders vermutet in Ar das verbindende Glied zu Ph». Ph Rd. 37—41, 46, 48, 50—52, 54—56, 58—60, 62, 63, 65, 69,70
A 37—41 (ohne den Schluß von A 41 = Rd. 42), 45, 47, 49— 51, 53—55, 57—59, 61, 62, 64, 68, 69 nach Lüders III, S. 156 ff. Die Hs. enthält demnach u. a. 21 unserer Predigten in einer von A stark abweichenden Reihenfolge^. Zur Nummernentsprechung und zur Reihenfolge der Predigten bzw. zu ihrer Einordnung in die Sammlung Ph vgl. die Tabelle bei Eva Lüders (III, S. 184). Die Nummernfolge wird hier nicht wiederholt, da wir es hier mit dem Typ der SG-Streusammlung zu tun haben H Rd. 36—75 unter Ausschluß von 5 Predigten nämHch 42, 43, 45, 46, 67
A 36—74 unter Ausschluß von 42, 44, 45, 66 und des Schlusses von 41
Aus Priebsch entnimmt Rd. S. XVII seine Angaben, die von Eva Lüders II, S. 60fr. ergänzt und korrigiert werden. Vgl. Lüders II, S. 62, bes. Fn. 1. " Vgl. Priebsch I, S. 61 ff. Nr. 59, dem Rd. seine Angaben S. XVIIf. entnimmt. Vgl. auch Dorothy К. Coveney, А Descriptive Catalogue of Manuscripts in the Library of University College London, London 1935, S. 49ff. Insgesamt wurden die Texte dieser Handschrift von Eva Lüders III, S. 156 ff., unter Berücksichtigung dieser Beschreibungen, identifiziert. Vgl. auch Lüders II, S. 62ff. und S. 71. Vgl. Lüders II, S. 64f.
8
Grundlagen
nach der Tabelle von Eva Lüders (II, S. 57). Die Hs. wurde schon 1895 von J. H. Kern ediert: De Limburgsche Sermoenen, uitgegeven door Dr. J. H. Kern Hz., Groningen 1895, Bibliotheek van Middelnederlandsche Letterkunde Afl. 46—48, 50—53. Wie Eva Lüders erstmals nachwies, enthält sie in 32 ihrer Predigten 35 unserer Texte Zur Nummernentsprechung vgl. die eben angegebene Tabelle, wonach die Texte so angeordnet sind: Rd. 3 7 ^ 1 , 47—59, 61, 62, 64, 69—73, 44, 74, 68, 63, 66, 75, 65, 60 und (mitten unter anderen Stücken) Rd. 36. H j Rd. 36—62, 64—66, 68—75 A 36—61, 63—65, 67—74 nach Strauch PBB 48, S. 350, Anm. 2 „Die hs. war im besitz des grafen Johann IV. von Nassau-Vianden (1410—1473) und seiner gattin Maria van Loen (1424—1502) und ist vielleicht für den grafen geschrieben". La Rd. 3 7 ^ 1 , 47—59, 61, 62
A 37—41 (mit Ausnahme des Schlusses = Rd. 42), 46—58, 60, 61 wie sich aus Rudolf Langenberg, Quellen und Forschungen zur Geschichte der deutschen Mystik, Bonn 1902, S. 178, Anm. 1 ergibt. Die Hs. enthält also 20 unserer Predigten in der Reihenfolge der Rd.Nummern (?). Bi Rd. 3 6 - 3 8 , 40, 49, 51, 56, A 36—38, 40, 48, 50, 55, 59, 64 60, 65, 66, 72 65, 71 wie sich aus Alexander Reifferscheid, Beschreibung der Handschriftensammlung des Freiherrn August von Arnswaldt in Hannover, in: NJb X (1884), S. 26—28 Nr. 3144 ergibt. Die Handschrift enthält also 11 unserer Predigten, die sich verstreut unter anderen Stücken finden. Bj Rd. 47, 48, 55, 64, 69 A 46, 47, 54, 63, 68 wie sich aus Alexander Reifferscheid a. a. O. S. 8 Nr. 3136 ergibt. Die Hs. enthält also u. a. 5 unserer Texte in der Reihenfolge 64, 69, 48, 47, 552 e. Zur Auseinandersetzung mit der niederländischen Forschung und den bisher falschen Angaben zur Nummernentsprechung (u. a. auch von Max Rieger bei Wa. á. 517 und S. 541 ff., dessen Angaben Rd. S. X V I I übernahm) vgl. Eva Lüders II, S. 50—59; vgl. auch Lüders II, S. 70. Rudolf Langenberg weist a. a. O. erstmals im Zusammenhang unserer Predigten auf Alexander Reifferscheids Beschreibung hin. Seine kurzen Angaben beziehen sich wie die zu La auf die Hs. H, die er als niederdeutsche Übersetzung der
Zur Bestimmung des Begriffes „St. Georgener Prediger"
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St Rd. neben den Centotexten A neben den Centotexten folfolgende ganze Stücke: gende Stücke ganz: 57, 59, 58, 60, 64—66, 70, 72, 63—65, 69, 71, 73 74 nach Karl Bihlmeyer, Der sog. St. Georgener Prediger und anderes. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Mystik, in: Theologische Quartalsschrift 123 (1942), S. 97 ff. Nach Karl Bihlmeyers Mitteilungen, der die Hs. identifiziert hat, lassen sich die Nummern 7—24 dieser Hs. „fast vollständig im StGPr. Nr. 36—75 nachweisen, jedoch nicht in der sonst handschriftlich überlieferten Textfolge, sondern aus dem Zusammenhang gelöst als Konglomerat von ungefähr 66 einzelnen Stücken, die wie Mosaiksteinchen nach Gutdünken verschoben und neu zusammengesetzt werden, wobei übrigens verschiedene Stücke vollständig übernommen sind (Ried. Nr. 65 = S 10; Ried. Nr. 66 = S 11; Ried. Nr. 70 und 72 = S 13; Ried. Nr. 64 = S 15; Ried. Nr. 74 = S 16; Ried.Nr.58 = S 17; Ried. Nr. 60 (PalmbaumaUegorie) = S 2 3 ) . . . ."2'.
F
Rd. 42—66, 68, 69
A Der Schluß von A 41,42—65, 67, 68 nach Kurt Ruh, Bonaventura S. 48, Anm. 6. Die Hs. enthält also 27 der fraglichen Stücke unter andere Predigten eingestreut^'. Alle weiteren Angaben bleiben Kurt Ruh vorbehalten.
Die von Wackernagel noch verglichenen Hss. ζ und В werden hier nicht mehr aufgeführt, da В mit Teilen von nur 3 SG-Predigten für unsere Sammlung nicht mehr repräsentativ sein kann und auch ζ nur scheinbar sechs der fraglichen Predigten, nämlich Rd. 43, 53, 66, 67, 72, 752» enthäh. ζ 17 = (bei Wa. S. 265) Rd. 53 stimmt nämlich „einzig am Schluß mit wenigen Zeilen, nämlich Wa. S. 122, 114—123, 123 in etwa = Rd. S. 203, 17—24 mit (53)" überein^o, und Rd. 67 „mystischen Predigten der Züricher und St. Georger Handschrift" auffaßt (a. a. O. S. 178). Den genauen Bezug der Hss. La, Bj und Bj zur SG-Sammlung stellt erstmals Eva Lüders her (Lüders I, S. 226ff. Anmerkungen). Zu B j vgl. besonders Lüders III, S. 142 ff. " Vgl. Karl Bihlmeyer a. a. O. S. 87 und dazu Eva Lüders' Kritik II, S. 53, bes. Fn. 4. Bei den Centotexten wurde u. a. auch Rd. 67 nicht benützt. Vgl. Lüders II, S. 65. " Vgl. Wa. S. 264ff. »» Vgl. Lüders II, S. 37, Fn. 4.
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Grandlagcn
( = Ζ 4) wird durch die Tradition aus der Folge unserer Predigten gestrichen (vgl. unten), so daß nur 4 stark gekürzte Stücke übrigbleiben»!. Die Hs. A, auf die alle bisher besprochenen Hss. bezogen wurden, erhielt diese Stellung nur durch Karl Rieders Ausgabe. Es wäre stets besser zu schreiben: A enthält die Nummern in derselben Reihenfolge wie G, Ζ usw. als umgekehrt, denn textlich ist die Redaktion A eine stark abweichende Variante und Bearbeitung der ursprünglichen Sammlung, die bisher am besten durch die Hss. G, Z, U und Sa repräsentiert wird^^. Für unsere Fragestellung gilt es nun festzustellen: 1. Wilhelm Wackernagels Befund wird im großen durch die Überlieferung bestätigt, aber darin korrigiert, daß die ursprüngliche Sammlung ( = SG) wohl nicht die Predigten A 35—74 ( = Rd. 35—75) umfaßte, sondern nur die Predigten A 36—74 ( = Rd. 36—75) mit Ausnahme von A 66 ( = Rd. 67). Beweis: Von den hier relevanten 16 Handschriften enthalten nur 3, nämlich A, G und Z, das Stück A 35^ und nur 2, nämlich A und Z, das Stück A бб^«. Die Hss. ζ und S, die А 66 ebenfalls enthalten, können nicht mehr zu den SG-Hss. gerechnet werden (zu S vgl. unten). 2. Die Redaktion A ist nicht mehr Leithandschrift einer Gruppe der SG-Sammlung, sondern eine stark überarbeitete Redaktion der Kernsammlung®®. Beweis: Die von Karl Rieder (S. XIII) zur A-Gruppe gerechnete Handschrift S enthält nur eine einzige Predigt der Kernsammlung SG, nämlich den Text A 74 ( = Rd. 75), und fällt damit als Zeuge für die Tradition der Sammlung aus®'. Demnach dürfen wir schließen, daß die ursprüngliche Sammlung die Predigten Rd. 36—75, mit Ausnahme von 67, umfaßt. Nur auf diese Sammlung kann also nach dem Vorgange Eva Lüders' ^^ Vgl. zum Vethältnis von ζ und В zur SG-Sammlung Lüders II ebenda. Vgl. Lüders I, S. 214, Fn. 4: „Die Hs. А spielt einzig die Rolle einer stark von der sonstigen SG-Tradition abweichenden Variante . . ." » Vgl. Lüders I, S. 215, Fn. 2. ^ Vgl. Lüders II, S. 35, Fn. 1. Vgl. Lüders I, S. 214, Fn. 4. ä« Vgl. Lüders II, S. 67 und S. 69 und Lüders I, S. 214, Fn. 4.
Zur Bestimmung des Begriffes „St. Georgener Prediger"
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die Bezeichnung „St. Georgener Prediger" ( = SG) angewandt werden3'. " Ich habe bereits bei einzelnen Hss. darauf hingewiesen, daß meine Angaben schon in Kürze durch weitere SG-Beiträge Eva Lüders' ergänzungsbedürftig sein werden, vor allem, nachdem sich, wie mir Frau Dr. Lüders freundlicherweise mitteilte, ihr Handschriftenmaterial ständig erweitert. Die oben erläuterte Grundthese steht aber schon heute fest und die zu erwartenden Handschriftenbeschreibungen werden diese nur noch bestätigen können. Um den mit großer philologischer Akribie gearbeiteten SG-Beiträgen nicht vorzugreifen, habe ich bei einzelnen Hss. auf nähere VVngaben verzichtet, die zudem aus den vorhandenen Hss.-Beschreibungen nur sehr spärlich entnommen werden können und auch für unseren Zusammenhang nicht gravierend sind. Alle meine Angaben können an der von Eva Lüders in Aussicht gestellten komparativen Nummemtabelle der SG-Hss. geprüft werden.
Um Karl Rieders Ausgabe Als Parallelunternehmen zu seinem groß angelegten Plan eines „Literarischen Grundrisses", d. h. der „Inventarisation sämtlicher altdeutscher Handschriften bis an die Schwelle der neuhochdeutschen Zeit"^ und der Schaffung eines gedruckten Führers durch das gesammelte Material, gründete Gustav Roethe 1904 die „Deutschen Texte des Mittelalters". Dabei hat ihn, wie Arthur Hübner meint, wohl der Gedanke geleitet, „für wertvolle Texte, die die Inventarisation neu ans Licht brachte, gleich ein Publikationsorgan bei der Hand zu haben"^^. Nach Gustav Roethes eigenen Worten sollte auch ein spätmittelalterliches Gegengewicht zu der Fülle bereits publizierter deutscher Texte des Hochmittelalters geschaffen werden®. Wenn die einzelnen Ausgaben der Reihe das in unserer Wissenschaft so häufige Schicksal des Torsohaften nicht teilen, so liegt es vor allem an dem grundlegenden Editionsprinzip, das Roethe so formulierte: „Schon im Interesse des schnellen Fortganges dieser Publikationen hat die Preußische Akademie der Wissenschaften von kritischen Ausgaben grundsätzlich abgesehen. Es soU durchweg eine möglichst gute und alte Handschrift wiedergegeben werden. Diese Absicht bedeutet nur teilweise einen Verzicht. Wie saubere Handschriftenabdrücke die beste Vorarbeit bilden für spätere philologisch erschöpfende Editionen, so haben sie zugleich ihren dauernden selbständigen Wert, insofern sie annähernd die Gestalt veranschaulichen, in der die Werke des Mittelalters gelesen worden sind. Für die Entwicklung der Sprache wie für das innere literarische Leben, zumal auch für die Geschichte des Publikums und seines Geschmacks hat das seine besondere Bedeutung; der Handschriftenabdruck leistet da Dienste, die durch kritische Ausgaben nie ersetzt werden können"*. 1 Arthur Hübner: Gustav Roethe als wissenschaftlicher Organisator. Rede am Grimm-Tage der Gesellschaft für deutsche Philologie. 9. Januar 1937, in: Arthur Hübner, Kleine Schriften zur deutschen Philologie, hrsg. v. Hermann Kunisch und Ulrich Pretzel, BerUn 1940, S. 55. ^ Arthur Hübner ebenda. ä Vgl. Gustav Roethe in DTM I, Berlin 1904, S. V. * Gustav Roethe, ebenda S. VI.
Um Karl Riedets Ausgabe
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Wir können nicht ermessen, welche Überwindung es den „Lachmannianer" Roethe® gekostet haben mag, mit den Lachmannschen Grundsätzen der Textedition zu brechen, wir sehen aber, daß er sogleich aus der Not eine Tugend machte und Möglichkeiten andeutete, die heute erneut ins Bewußtsein der Forschung treten®. Der Bruch mit diesen Grundsätzen und das Prinzip des Handschriftenabdruckes ermöglichten die rasche Aufeinanderfolge der Publikationen. „So erschienen in dem einen Jahr 1908 vier Bände, und 1913 lagen zweiundzwanzig Bände vor"'. Einer der vier im Jahre 1908 erschienenen Bände enthält den von Karl Rieder herausgegebenen „Sogenannten St. Georgener Prediger". Die rasche Folge der Veröffentlichungen war einmal der große Gewinn der DTM, ermöglichte aber andererseits, daß Fehlerquellen unentdeckt bleiben und Unstimmigkeiten nicht rechtzeitig bereinigt werden konnten. So mußte heute die Ausgabe Karl Rieders durch Eva Lüders in zahlreichen Einzelheiten verbessert werden, Korrekturen, die insgesamt doch bedeutende Abstriche an Karl Rieders Leistung bedingen. In folgenden Punkten orientiert Rd. falsch: 1. In der Frage der Nummernidentität. a) Die Hs. A: Auf die Differenz zwischen der Nummernzählung in A und Rd. wurde schon oben S. 3, Anm. 6 hingewiesen. Die Berechtigung zur Trennung von A 41 in Rd. 41 + 42 ergab sich für Karl Rieder aus den Hss. G und Ζ (und W), kann aber auch formal und inhaltlich begründet werden, zudem hat Karl Rieder selbst diese Differenz (S. 135 Lesarten) angegeben®. Irrtümer aber ergeben sich aus „Rieders Einleitung mit ihrem abwechselnden Gebrauch des Ausdrucks ,die Nrn. nach A' oder ,die Nrn. der Ausgabe', als wenn es sich damit um zwei identische Größen und beliebig vertauschbare Synonyme handele"®. Für Rieder selbst, der von seiner Bertholdthese überzeugt war, bedeutete diese ihm sicher nicht bewußte Inkonsequenz noch nicht, wie für uns heute, eine sehr ärgerliche Fehlerquelle. Er konnte nämlich aus der eigentlichen S G-Sammlung, die für ihn freilich in der von ihm angenommenen Form existierte, nur die Predigt Rd. 67 = A 66 als bertholdisch geprägt nachweisen. Diese Predigt fehlt aber in allen bisher bekannten SG-Hss. und macht schon dadurch die Sonderstellung der s Arthur Hübner a. a. O. S. 56. ° Vgl. dazu den Aufsatz von Hanns Fischer, Probleme und Aufgaben der Literaturforschung zum deutschen Spätmittelalter, GRM IX (1959), S. 217 ff. ' Arthur Hübner a. a. O. S. 56. » Vgl. dazu auch Lüders II, S. 32f., bes. S. 32, Fn. 3 und S. 33, Fn. 1, zur inhaltlich-formalen Begründung vgl. unten S. 52 f. » Lüders II, S. 32f.
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Grandlagen
Hs. A deutlich 1®. Wenn er nun in seiner Einleitung (S. XIII) mitteilt: „Drei vollständige Predigten aus G (hier Nr. 39,40,67) sind gedruckt bei Wackernagel S. 522—541", so vermuten wir sofort auch in der ältesten und besten SG-Hs. den Einfluß Bertholds von Regensburg. In Wahrheit fehlt aber auch in G die Predigt Rd. 67 = A 66, und bei Wackernagel sind gedruckt die Nummern Rd. + A 39, Rd. + A 40 und Rd. 68 = A 67". b) Die Hs. Z: Unstimmige Angaben Karl Rieders verführen weiter^^ zu der Annahme, die fragliche Predigt Rd. 67 sei in Ζ zweimal enthalten, während sie in Wahrheit in dieser Hs. nur einmal, und zwar außerhalb des geschlossenen SG-Korpus erscheint 2. In der Frage der Handschriftengruppierung. Karl Rieder kennt außer einer kleinen Zahl von Einzelüberlieferungen 9 große Hss. unserer Predigten mit den Siglen A, S, G, Z, W, N, Arundel, Η, Phill, die er in eine A- und in eine G-Gruppe scheidet, wobei die Hss. A und S die beiden einzigen Vertreter der ersteren Gruppe sind, G und die restlichen 6 Hss. die letztere Gruppe repräsentieren (vgl. Rd. S. XIfF.). Von diesen 9 Hss. verwendet Karl Rieder 5, nämlich A, G, Z, W und S für seine Ausgabe (vgl. Rd. S. XXIII f.), die 4 restlichen (N, H, Phill, Ar) aber hat er nicht selbst eingesehen, was er nur bei H angibt". Eva Lüders weist nach, daß Karl Rieder 1. seine Angaben über die Hs. N mit allen Unstimmigkeiten dem „Verzeichniß der Altdeutschen Handschriften der k. k. Hofbibliothek zu Wien" von Hoffmann von Fallersleben entnommen hat^®, 2. die Angaben über die Hs. H Max Riegers Tabelle bei Wackernagel entnahm, der seinerseits auf Angaben von Jonckbloet für Wackernagel zurückgreift, ohne ein Versehen Jonckbloets, der die 7. Predigt in H = Rd. 48 übersah, zu korrigieren i®, 3. seine Angaben über Ar und Ph den „Deutschen Handschriften in England" von Robert Priebsch entnahm^'. " Vgl. oben S. 9f. " Vgl. dazu Lüders II, S. 33, Fn. 1. " Vgl. Rd. S. XIV, Beschteibung der Hs. Z: . . . „Es stehen hier zunächst auf Bl. 1—138» die Predigten Nr. 35—75, und zwar in derselben Reihenfolge wie in A und G . . ." S. X V : „Bl. 146» : sint ηίη svnderliche sache = A Nr. 67" (statt Rd.67 = A 66). " Vgl. Lüders II, S. 35, Fn. 1. " Vgl. Lüders II, S. 38 f. '' Zu den Fehlschlüssen, welche diese Tatsache bei Philipp Strauch herbeiführte, zur Korrektur Philipp Strauchs durch Hermann Menhardt und zur näheren Beschreibung von N vgl. Lüders II, S. 39ff., auch Lüders I, S. 226, Fn. 1; vgl. auch oben S. 6. " Vgl. oben S. 8. " Vgl. oben S. 7.
Um Karl Rieders Ausgabe
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Dieser Umstand, daß Rieder 4 der insgesamt 7 von ihm zur GGruppe gerechneten Hss. nie selbst gesehen hat, mag mit za seinem falschen Bild der Hss.-Verhältnisse beigetragen haben, das ihn zur Scheidung in 2 Gruppen veranlaßte; denn damit stehen den 2 Hss. der A-Gruppe, die Rieder selbst eingesehen hat, nur 3 von ihm eingesehene Hss. der G-Gruppe gegenüber, deren eine die beiden Berthold-Predigten A 24 und A 66 = Rd. 24 und Rd. 67, wenn auch außerhalb des geschlossenen sonstigen Predigtkorpus enthält^®. Hinzu kam für Rieder die Identifizierung von 14^® vollständigen mit A übereinstimmenden Stücken in der von ihm mit S bezeichneten Hs. A 100 der einstigen Johanniterbibliothek zum Grünen worth in Straßburg Was aber Karl Rieder vor allem zur absoluten Bevorzugung der Hs. A und damit auch zur Gruppeneinteilung bewog, war seine ausgesprochene Blickverengung auf Berthold von Regensburg, wodurch er dem St. Georgener Prediger von wenigen sicher zu bestimmenden Stücken der A-ÜberUeferung aus die Bertholdsignatur aufpreßte^^. Nachdem heute der handschriftliche Befund so eindeutig ist, wie es unser 1. Kapitel darzustellen versuchte, fällt mit dem Anspruch Karl Rieders, daß A „die einzige Handschrift ist, in welcher die Predigten vollständig überliefert sind"22, auch seine Bertholdthese. Rieders Behauptung ist vielmehr jetzt durch die Feststellung Eva Lüders' zu ersetzen, daß A „eine völlig isolierte Variante der genuinen SG-Predigten repräsentiert"®. Mit diesem Befund entfällt auch die Berechtigung, auf Karl Rieders Ausgabe, d. h. auf die Gesamtheit der von Rieder veröffentlichten Predigten, die Bezeichnung „St. Georgener Prediger" anzuwenden^*. Was als Rieders eigentliche und nicht gering einzuschätzende Leistung bleibt, ist der im Text peinlich genaue und an zahlreichen Stellen gebesserte Abdruck der Hs. A. Bei der Wiedergabe des Textes wurde wirklich „das Möglichste geleistet"^®. Nur hier haben auch Gustav Roethe und Friedrich Panzer mitgearbeitet, so daß sich Eva Lüders' Vorwurf gegen die beiden Gelehrten^® durch ihre eigene Bemerkung " Vgl. Rd. S. XIV f. Vgl. Lüders II, S. 67; aus 2 weiteren Predigten aber Teile, so daß die Gesamtzahl der von ihm als übereinstimmend bezeichneten Stücke 16 war. ä"» Vgl. oben S. 10. " Vgl. Rd. S. X X I ff. «¡í Rd. S. XXIII. ' ' Lüders II, S. 38. — Als eindeutig bertholdisches Gut konnte Karl Rieder lediglich die Texte A 1, A 2, A 3, A 4, A 24 und A 66 nachweisen. Da die Tradition all diese Predigten aus der SG-Sammlung ausscheidet und die sonstigen von Karl Rieder für Berthold angeführten Argumente schon von Philipp Strauch (Germanica S. 530 ff.) widerlegt wurden, ist der Bertholdthese heute jede Grundlage entzogen. Vgl. dazu Lüders II, S. 33, Fn. 1. Vgl. auch Menhardt I, S. 57 f. « Vgl. oben Kapitel 1. ^^ R J . S. XXIV. " Vgl. Lüders I, S. 208, Fn. 7.
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Grundlagen
aufhebt. Rieder sei „innerhalb seiner eng umrissenen Grenzen^' ein peinlich genauer und treu-fleißiger Arbeiter" gewesen. Auch der Abdruck dieser Hs. in den DTM ist trotz aller einschränkenden Kritik gerechtfertigt. Die Qualität der Hs. an sich kann nicht bezweifelt werden, schon Wilhelm Wackernagel nennt sie „anziehend durch den Reichthum ihres Inhaltes, die Eigenthümlichkeit der Sprache und besonders auch durch die liebende Sorgfalt, welche sichtlich auf die Anfertigung verwendet worden"28^ dig Unvollständigkeit der Lesarten aus G^® kann nicht gerügt werden, da eine Edition aus mehreren Hss. außerhalb des Aufgabenbereiches®® der DTM lag, so bleibt als Einwand gegen die Aufnahme dieser Ausgabe in Gustav Roethes Reihe eigenthch nur der, daß die Hs. A als Grundlage einer kritischen Ausgabe ungeeignet ist. Dies war aber nur eine der Aufgaben der DTM neben der zweiten ihr völlig gleichwertigen, „den dauernden selbständigen Wert" der mittelalterlichen Hss. zu zeigen. Ist es somit einerseits bedauerlich, daß wegen Rieders einseitiger Spezialisierung gerade die abseitigste Uberlieferung der SG-Sammlung gedruckt wurde, so bietet andererseits auch die Hs. A interessante Forschungsaufgaben. Für die Geschichte des bürgerlichen Lebens im späten Mittelalter ist das Wissen um diese Handschrift Albrechts des Kolben für die Frau des Stadtamtmannes von Feldkirchen nicht ohne Bedeutung, Fragen der selbständigen Bearbeitung mittelalterlicher Handschriften durch den Schreiber können hier an einem Zeugnis geistlicher Prosa erforscht und geprüft werden. Für unseren Zusammenhang aber gibt die Hs. A zusätzlich 1. das durch den Großteil der Überlieferung bestätigte „Grundschema der Nrn.-Trennung und -Folge"®i der Georgener Sammlung und stellt 2. die Frage nach den Gründen der Kombination mit gedanklich anders oder gleichgeartetem Predigtgut. Hauptsächliche Textgrundlage einer Untersuchung des St. Georgener Predigers kann sie freilich nicht mehr sein. Vgl. Lüders I, S. 208, Fn. 4 „Ich denke hierbei an die wenigen von Rieder zur Kollation herangezogenen Hss., von deren sehr sorgfältigen Lesungen ich mich bezüglich G an Hand meiner Reproduktion dieser Hs. direkt, in anderen Fällen indirekt überzeugen konnte . . . " Wa. S. 262. " Vgl. Lüders I, S. 208, Fn. 4. ä» Vgl. Gustav Roethe in DTM I, S. VII: „Es ist erwünscht, daß der Herausgeber sich bei seinen Besserungen, soweit tunlich, an andere gute Handschriften anschließe. Aus ihnen darf er auch sonst textgeschichtlich interessante Varianten mitteilen, soweit ihm das geboten scheint: doch entspräche eine vollständige Kollation nicht den Absichten der Akademie."' Ί Lüders II, S. 30, Fn. 1.
Die Textgrundlage Grundlage meiner Untersuchung ist die bisher beste und älteste SG-Hs. G der Badischen Landesbibliothek; in Karlsruhe = St. Georgen Cod. germ. XXXVI, von der mir ein Mikrofilm zur Verfügung steht. Die Redaktion G enthält unsere Predigten in einer durch die sonstige Tradition bestätigten Textfassung und Reihenfolge. Da aber G bei Beginn der Predigt Rd. 71 am Ende einer Lage abbricht (Rd. S. 306,10), stütze ich mich für die Predigten Rd. 71—75 auf die Hs. W = Cod. 2702 der österreichischen Nationalbibliothek in Wien, die ich im Original benutzen konnte. Verglichen werden diese Leittexte jeweils mit den gedruckt erreichbaren Fassungen anderer Handschriften. Ich gebe deshalb im folgenden einen Überblick über die Gesamtund Einzeldrucke der SG-Sammlung. 1. GESAMTDRUCKE
Die Hs. A wurde, wie mehrfach erwähnt, herausgegeben von Karl Rieder = Der sogenannte St. Georgener Prediger aus der Freiburger und der Karlsruher Handschrift, herausgegeben von . . = DTM X, BerUn 1908. Die Hs. H wurde herausgegeben von J. H. Kern = De Limburgsche Sermoenen uitg. d o o r . . . = Bibliotheek van Middelnederlandsche Letterkunde, Afl. 46—48, 50—53, Groningen 1895. 2 . EINZELDRUCKE
Rd. 36 Von der sterki in Gottes dienst. Confortamini in Domino et in potentia virtutis etus. 1. Das Stück ist gedruckt nach N in: Altdeutsche Blätter II, S. 174—1781. 2. Ein Fragment dieser Predigt ist auch erhalten in Brüssel mit dem Rest eines Pergamentblattes aus dem 14. Jhd. „Die bll. waren, worauf schon die auf der Innenseite arg verriebene 1 Hinweise auf die einzelnen Drucke finden sich außer in Hss.-Katalogen jeweils auch bei Rd. in Anmerkungen, bei Kurt Ruh, Zeitschr.. f. Schweiz. Kitchengeschichte und bei Eva Lüders I, S. 226 ff. Auf diese Dtuckangaben witd nicht mehr einzeln verwiesen. 2 Frühwald, Prediger
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Grundlagen
Schrift weist, früher einmal zu einbandzwecken benutzt worden"®. Danach ist das Predigtstück gedruckt von Robert Priebsch in ZfdPh 36, S. 373'. Rd. 37 Von der seit beraitmg. Et vos similes hominibus exspectantibus dominum suum, quando revertatur a nuptiis. 1. Das Stück ist schon vor Kerns Ausgabe nach H von JuUus Zacher gedruckt in ZfdA II (1842), S. 350—356. 2. Auch von dieser Predigt ist ein Stück in Priebschs Brüsseler Fragmenten gedruckt, nämlich Rd. S. 99,21—99,31 = ZfdPh 36, S. 372, 40—373,8 (!) = Vorderseite eines der beiden oben® erwähnten Einbandblätter und Rd. S. 100,2—4+100,8 —12 = ZfdPh 36, S. 373, 9-16 = Rückseite dieses Blattes. Rd. 38 Von unser vrowen und ünserm hern. Erunt signa in sole et luna et stellis. 1. Das Stück ist schon vor Rieders Ausgabe gedruckt nach A bei Wa. S. 92—97, jedoch ohne die Lesarten aus Z, nicht, wie Rieder angibt, mit diesen. Die Lesarten aus G teilt Max Rieger ebenda S. 518—520 mit^ 2. Es ist schon vor Kerns Ausgabe nach H gedruckt in „De Maasgouw" 1. Jahrgang, S. 25 ff. Rd. 39 Von mânger hand regele. Stephanus autem plenus gratia et fortitudine faciebat signa magta et prodiga in populo. Das Stück ist gedruckt nach G von Max Rieger bei Wa. S. 522—531. Rd. 40 Von der erwellung dea^ mentschen. Elegit earn deus et preelegit earn et in tabernáculo suo habitare earn facit. 1. Das Stück ist gedruckt nach G von Max Rieger bei Wa. S. 531—539. 2. Außerdem stellt Philipp Strauch' die Identität von (Rd. S. 123,26—125,8 korrigiert von Eva Lüders I, S.239, Fn. 1 in:) Rd. S. 123,26—124,16 + 124,27—28 (!) + 125,4—8 mit Friedrich Wilhelm, Deutsche Mytikerpredigten, Münchener Museum I, S. 27,13—28,10 fest. 2 ZfdPh 36 (1904), S. 372. ' Vgl. Robert Priebsch: Aus deutschen Handschriften der Königlichen Bibliothek zu Brüssel III, ZfdPh 36 (1904), S. 371—387 im Abkürzungsvet2eichnis Lüders I, S. 248 werden diese Mitteilungen mit „Priebsch-Fragmente" bezeichnet. Philipp Strauch (Germanica S. 538) hat den Text identifiziert: Rd. S. 93,9 Lesarten — 94,1 = ZfdPh 36, S. 373,17—37 = (vgl. Lüders I, S. 237, Fn. 1) Ad. BU. II, 175,2—33 nach N. ^ Identifiziert von Eva Lüders nach einem Hinweis von Philipp Strauch I, S. 238, Fn. 1. ' Vgl. Anm. 3. « Vgl. Rd. S. 103 Anm. ' Germanica S. 538.
Die Textgnuidlage
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Rd. 43 Wie und war umb der mentsch bihten sol. Rehtá biht sol han fúnf^^ehen ding, spricht ain wiser man. etc. Das Stück ist gedruckt nach G bei Rd. S. 135,21—137,32, (jeweils in einer 2. Spalte unter dem A-Text). Rd. 44 Von der sele beraitunge. Dicite filie Sjon, ecce rex tuus veniet tibi. Das Stück ist schon vor Rieders Ausgabe gedruckt nach A mit den Lesarten aus Ζ bei Wa. S. 98—100. Rd. 45 Von der waren minne. Dú minne ist, sprichet Prosper etc. Das Stück ist gedruckt nach G bei Rd. S. 140,17—143,32, (jeweils in einer 2. Spalte unter dem A-Text). Rd. 46 Von des mentschenglichung. Unser herregeschùf den mentschen dar ¡^ä etc. Das Stück ist gedruckt nach Ph bei Robert Priebsch: Deutsche Handschriften in England, Bd. I, Erlangen 1896, S. 227—2308. Rd. 47 Von unser vrowen und von haiigem leben. Et in habitatione sancta coram ipso ministravi. 1. Das Stück ist gedruckt nach G bei Rd. S. 146,19—152,39, (jeweils in einer 2. Spalte unter dem A-Text). 2. Ein Teil des Textes ist gedruckt von Hermann Menhardt, Wiener Bruchstücke des sogenannten St. Georgener Predigers, in: ZfdPh 79 (1960), S. 301—304. Nach Hermann Menhardt (S. 302) entspricht Bl. 1 r + v der Wiener Hs. Ser. nova 388P Rd. S. 148,38—149,341«. Rd. 50 Von der gätlichen minne. Hoc est preceptum meum, ut diligatis invicem, sicut dilexi vos'^'^·. 1. Das Stück ist gedruckt nach G bei Rd. S. 163,21—177,31, (jeweils in einer 2. Spalte unter dem A-Text) 2. Teile des Textes sind in den von Hermann Menhardt a. a. O. S. 303 gedruckten Wiener Fragmenten enthalten. Nach Menhardt entsprechen Bl. 2 r der Wiener Hs. Ser. nova 3881 Rd. S. 167 ,20—29, Bl. 2 V Rd. S. 167,31—38+168,19—20 und Bl. 3 r + v Rd. S. 172,13—32. ® Berichtigungen zu dem bei Robert Priebsch durch „zahlreiche Versehen und Flüchtigkeitsfehler" ungenauen Text gibt Eva Lüders III, S. 176f. • Die Wiener Hs. S. n. 3881 besteht nach Hermann Menhardt a. a. O. S. 301 aus einem Einzelblatt (Bl. 2) und einem Doppelblatt 1/3. „Beide Bruchstücke sind wohl im 19. Jh. von einem alten Einband in der damaligen Hofbibliothek abgelöst worden." Zur Erleichterung des Textvergleiches wäre vor dem ersten Wortfragment des Wiener Bruchstückes (lutir) zu ergänzen, so daß es hieße (lutir)chait d(in)er consciencie. Der Textvorspruch Joan. 15,12, den Rieder nach G einsetzt, wird durch die Tradition gebessert in Joan. 15,17: Haec mando vobis, ut diligatis invicem. Vgl. Lüders I, S. 243, Fn. 2.
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Grundlagen
Rd. 51 Von der hymeischen Wirtschaft. Vidi angelum stantem in sole et clamavit voce magia etc. 1. Das Stück ist gedruckt nach 2 bei Wa. S. 111—119. 2. Philipp Strauch (Germanica S. 538) stellte die Identität von Rd. S. 185,10 Lesa. — 185,18 Lesa, mit Friedrich Wilhelm, Deutsche Mystikerpredigten (a. a. O.) S. 28,12—29,3 fest. Der Vergleich wird besser nach Wa. durchgeführt: Wa. LUX, 281—303 (S. 119) = Wühelm S. 28,12—29,3. Rd. 53 Von des mentschen hailikait. Нес est voluntas Dei, sanctificatio vestra. Das Stück ist gedruckt nach Ζ bei Wa. S. 119—127. Rd. 54 Von gaischlichem leben. Illa autem que sursum est Jherusalem, libera est, que est mater nostra. Ein kleiner Teil dieses Stückes ist identisch mit Friedrich Wilhelm, Deutsche Mystikerpredigten (a. a. O.y^. Rd. 57 Von dem wort Gottes. Verhum Christi habitet in vobis habundanter ; doceatis et conmoneatis vosmetipsos etc. 1. Der Anfang des Stückes ist gedruckt nach Sa von Kurt Ruh: Zur Überlieferung des St. Georgener Predigers: Cod. Samen 169 (237), a. a. O. S. 63—65, wobei Ruh. S. 63,1—64,24 = Rd. S. 240,9—241,20 Ruh. S. 65,3—65,9 = Rd. S. 241,21—241,27. Das in A fehlende Stück Ruh S. 64,24—65,3 wird von Rieder nach G angegeben Rd. S. 241 Lesarten. 2. Ein großer Teil 4ieses Stückes (ab Rd. S. 244,15) ist gedruckt nach G bei Rd. selbst S. 244,21—248,26 (jeweils in einer 2. Spalte unter dem A-Text). 3. Das ganze Stück ist schon vor Rieders Ausgabe gedruckt nach A mit den Lesarten aus Ζ bei Wa. S. 100—105. Rd. 58 Von mänger hande schrift der mentschait. Dominus narrabit in scripturis populorum. Gedruckt nach Ζ bei Wa. S. 127—133. Rd. 59 Von der erkennung unsers herren. Petre, amas mei Ein Fragment dieser Predigt ist in G auf der Innenseite des Vorderdeckels eingeklebt. Dieses Bruchstück und der entsprechende G-Text sind gedruckt in: Anzeiger für Kunde des deutschen Mittelalters, hrsg. von H. v. Aufseß und F. J. Mone, Bd. 3, Nürnberg 1834, Sp. 183 if. Es stammt nach Eva Lüders (I, S. 245, Fn. 1 und III, S. 180) aus der Zeit vor 1250 und umfaßt den Text Rd. S. 254,18 Lesarten — Rd. S. 255,9 Lesarten. Die Identität wutde festgestellt von Pliilipp Straucli (Getmanica S. 538). Es entspricht Rd. 208,30—209,7 Wilhelm 29,4—12.
Die Textgrundlage
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Rd. 60 Von des halm homes he^atchnung. Dixi : ascendam in palmam. 1. Das Stück ist gedruckt nach Ζ bei Wa. S. 134—149. 2. Ein Teil des Traktates ab Rd. S. 268,19 ist gedruckt nach G bei Rd. selbst S. 268,25—276,27 (jeweils in einer 2. Spalte unter dem A-Text)«. 3. Ein Bruchstück aus Marburg ist von Dietrich gedruckt in: ZfdAII (1842), S. 227—231, und 2war ist Dietrich (ZfdAII, 1842) S. 227,1—231,19 = Rd. (Text nach G) S. 270,38 vir:(age тЫ — П\,\9 sûhti + 21\,2\ widir hraìhtì— demù (Jiges hercen sint). Die Lücken bei Dietrich sind zu ergänzen nach Rd. S. 227,9 S. 271,23
S. 230,1 f.
ъ.п\гъ
S. 230,5 S. 273,27 S. 230,11 S. 273,30 S. 230,18—20 S. 273,34f. S. 230,36—38 S. 274,16f. 4. Ein Bruchstück aus Basel ist gedruckt bei Wilhelm Wackernagel, Über die mittelalterUche Sammlung zu Basel, Basel 1857, S. 15—16. Es ist Wackernagel S. 15,1—16,11" = Rd. (Text nach G) S. 268,27 (der) vagii—269,η fenix + 2в9,\9 hie hi—269,23 wahsint + 269,26 da von ist gaistlich lehin — 269,ЪЪ miltichait + 269,35 uhint siu — 269,36 irlo^schin + 269,37 die du ^^e Gotte — 270,17 s^esamine slan + 270,18 mit ùhunge — 270,20 geksin + 270,22 unde in der hit^e — trachait ^ 210,2Ъ also — 271,18 irbarmist du sere mich + 271,19 also sprichit — Tl\,22 vatir. Wackernagel S. 16,11 vnd da von — 16,12 t^eschaiden fehlt Rd. Wackernagel S. 16,12 —13 = Rd. S. 271,22 allit¡i min hlùtùtigo:^ + 271,25 ich hin —gerüchint + 271,29 f. mir — sundich. Wackernagel S. 16,13 ff. gert — tot fehlt Rd. 5. „Ein oberdeutscher text hat auch aufnähme gefunden in den Wiegendruck ,Gaistliche vßlegong des lebes (1) Jhesu Cristi' о. о. u. j. —- (ich füge hier Strauchs Fn. 1 ein) das undatierte werk ist zu Augsburg bei Joh. Schobsser ca. 1490—95 gedruckt... — '' Zur Verwendung von Stellen aus dem St. Trudperter Hohen Lied vgl. Hermann Menhardt I, S. 43—58. " Meine Zählung des Baseler Textes beginnt mit der ersten Textzeile. Die beiden Texte entsprechen einander nur ungefähr. Wie sich aus der folgenden Aufstellung ergibt, ist Wackernagels Text gegenüber G im ganzen gesehen stark gekürzt.
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Rd. 64
Rd. 68 Rd. 69 Rd. 70
Rd. 71 Rd. 72
Grundlagen
Er Steht an dritter stelle neben verschiedenen anderen stücken auf Ы. t S*"—V l*" und wird mit emem holzschnitti® eingeleitet. Zugrunde liegt die redaction GZ im auszug, der nicht selten ein wörtlicher i s t . . ."i*. 6. Den Teil einer lateinischen Fassung und eine vollständige lateinische Fassung druckt Philipp Strauch in: PBB 48, S. 367—375. 7. Der bei Philipp Strauch PBB 48, S. 367 fehlende Anfang des lateinischen Palmbaumtraktates der Erfurter Hs. (Codex Amplonianus in 12® no. 8.f. 127r) ist gedruckt von Karl Christ, Le livre du paumier, in: Mittelalterliche Handschriften, Festgabe zum 60. Geburtstage von Hermann Degering, Leipzig 1926, S. 80—81. 8. Eine altfranzösische Fassung (aus der Berliner Hs. Lat. oct. 264) druckt Karl Christ a. a. O., S. 70—80. Von linser vrowen. Ego quasi vitis fructificavi. 1. Das Stück ist schon vor Rieders Ausgabe gedruckt nach A bei Wa. S. 106—108. 2. Es ist schon vor Kerns Ausgabe gedruckt in „De Maasgouw" 2. Jahrgang, S. 205ÍF. (Vgl. Lüdes II, S. 51, Fn. 1). Wie Got in den mentschen sige. Manete in me et ego in vobis. Das Stück ist gedruckt nach G von Rieger bei Wa. S. 539—541. Von únser vrowen. Ego quasi vitis fructificavi. Das Stück ist schon vor Kerns Ausgabe gedruckt in „De Maasgouw" 2. Jahrgang, im Anschluß an Rd. 64. Von der gothait und der mentschait únsers herren. Refloruit caro mea. 1. Das Stück ist gedruckt nach G bei Rd. S. 304,19—306,20 (jeweils in einer 2. Spalte unter dem A-Text). 2. Es ist schon vor Kerns Ausgabe gedruckt nach H von Zacher in: ZfdA II, S. 356—357. Von vier hand vrôden. Letare Jherusalem et conventum facite etc. Das Stück ist gedruckt nach Ζ bei Rd. S. 306,21—310,33i^ (jeweils in einer 2. Spalte unter dem A-Text). Wie man ünsern herren suchen sol. Querite Dominum et vivet anima vestra. Ein großes Stück dieser Predigt ist gedruckt nach Ζ bei Rd. S. 311,16—313,36 (jeweils in einer zweiten Spalte unter dem A-Text)".
Eine Reptoduktion dieses Holzschnittes gibt Philipp Strauch: Palma Contemplationis, in: PBB 48 (1924), S. 374. " Phiüpp Strauch ebenda S. 350—352. " Vgl. Rd. S. 306 Lesarten. 18 Vgl. Rd. S. 311 Lesarten.
Die Textgrundlage
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Rd. 73 Von ^aiger hand Ше in den clóstern. Quam pulchra tabernacula tua Jacob ! 1. Das Stück ist gedruckt nach Ζ bei Wa. S. 150—154. 2. Einen Teil des Stückes, der in einem Baseler Fragment enthalten ist, hat Wilhelm Wackernagel ediert in: „Über die mittelalterHche Sammlung zu Basel", Basel 1857, S. 16—17. Der A-Text eignet sich hier wegen seiner stark kürzenden Bearbeitung nicht zum Vergleich, der besser mit der oben angegebenen Z-Fassung durchgeführt wird^®. Es ist Wackernagel (Baseler Text) S. 16,18—17,12 = Wa. (Z-Text) LVII,68 (daz ist v f ) getan — LVII,75 + LVII,75 vnd brink — LVII,91 fruht + LVII,92 vnd din selige sele — LVII,96 smacke + LVII,98 daz closter — LVII,104 werden + LVII,104 si an gotte — LVII,115 ir lop mvei^s^en sprechen. Rd. 74 Von gaischlichen Шеп. Die gaischlichen lût sont glich sin etc. Der Schluß der Predigt ab Rd. S. 316,17 ist gedruckt nach Ζ bei Rd. S. 316,23—317,27 (in einer zweiten Spalte unter dem A-Text). Rd. 75 Von drier hand minne. Nos ergo diligamus Deum, quia prior dilexit nos. Ein kleiner Teil des Textes ist wie angegeben in dem oben besprochenen Baseler Fragment enthalten und von Wilhelm Wackernagel a. a. O. gedruckt. Es ist Wackernagel S. 17,12—26 = Rd. S. 317,11 Lesarten — 318,14 Lesarten. Das Baseler Fragment, das den Text durchaus selbständig bearbeitet, setzt sich zusammen aus dem unter Rd. 73 skizzierten Teil von Wa. LVII (Rd. 73) und einem kurzen unter Rd. 75 angegebenen Teil, der ohne besondere Kennzeichnung unmittelbar an den ersten Teil anschließt. Wilhelm Wackernagel irrt also, wenn er a. a. O. S. 11 meint: „Den fortlaufenden Inhalt des zweiten (Baseler) Blattes hat die gleiche Handschrift ( = unsere Hs. A, die damals im Besitze von Franz Grieshaber war. Vgl. Wackernagel a. a. O. S. 10 und Rd. S. XI) unter d r e i Rubriken vertheilt. / Von Zivaiger band livte in den Cioestern 191 d bis 192b, Von gaischlichen livten 192c bis 193a, Von drier band minne 193a bis d /, jedoch ebenwie bei dem ersten (vgl. oben unter Rd. 60) mannigfach abweichend, bald mit groesserer, bald mit geringerer Ausführlichkeit des Einzelnen." Daran anschließend druckt er zur vermeintlichen Ergänzung des fragmentarischen Textes aus A die Stelle Rd. S. 315,15—30 ab ( = Wackernagel S. 11,10—^22), wobei er einmal falsch liest: ist da^^ drit. lermg (statt: „lestmg" Rd. S. 315,20). Der Irrtum Wilhelm Wackernagels ist sehr verständlich, da kleinere inhaltliche Übereinstimmungen des Textes Rd. 74 mit den von A gestrichenen Teilen des Textes Wa. LVII ( = Rd. 73) bestehen. Vgl. etwa Rd. S. 317,2-^ mit Wa. LVII, 81—83 ( = Wackernagel S. 16,26 f.) Die Lesart, die in U eine Verbindung eines Teiles von Rd. 74 mit Rd. 73 ermöglicht, findet sich auch im Baseler Text, ohne daß hier diese Verbindung durchgeführt wurde. Vgl. dazu Lüders I, S. 235,
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Grundlagen 3. DIE VON PHILIPP STRAUCH IDENTIFIZIERTEN MOSAIKTEXTE
1. Wa. Nr. LXIV, S. lóSfif., „ein Cento aus verschiedenen St. Georgener Stücken (Nr. 6.13. 31. 62. 64. 71.)" 2. Wilhelm S. 27,13—29,15 =Rd. S. 123,26—124,16+124,27—28+125, 4—8+Rd. 185,10 Lesarten — 185,18 Lesarten ( = Wa. LIII, 281 — 303, S. 119) + Rd. 208,30—209,7. Es entspricht also ein größerer Teil des V. von Friedrich Wilhelm aus cgm. 64 entnommenen Textes kleineren Teilen der Stücke Rd. 40,51 und 54, wobei die 3 Stücke in cgm. 64 zwar fortlaufend geschrieben, aber jeweils durch eine Initiale voneinander abgesetzt sind. 4. Zu den von F. J. Mone im Anzeiger für die Kunde der deutschen Vorzeit IV, Sp. 365 gedruckten einzeben Sätzen aus G vgl. die genaue Aufstellung Lüders II, S. 30, Fn. 2. Fn. 2 : eyn tal vol sebón' Ыитт (U f. 72' ν, 5 f.) ein tal vol scboetmr borne (Wa. LVII, 7 f.)· Da der Anfang des Textes Rd. 73 im Baseler Text fehlt: vgl. Wa. LVII, 77f.: Nv svnt ir merken, те da:^ clostir gelobit ist. alse ein tal vol scbonir borne . . . und Wackernagel S. 16,23f.: Nv svlt ir merken wie clostergelo(v)bet ist. Als ein talvolblvmen . . . Vgl. Ph. Strauch, Germanica S. 538 f., genaue Verifizierung von 1. ebenda S. 540.
IL UNTERSUCHUNG
Α . DAS PREDIGTBUCH: DIE ST. GEORGENER SAMMLUNG ALS GEBRAUCHSTEXT
Textbearbeitung und Kompilation Da der „St. Georgener Prediger" bisher nur in zeitlich und räumhch •weit voneinander geschiedenen Handschriften zugänglich ist, stellt sich uns zunächst die Frage nach der „lebenden" Sammlung, wie sie im Laufe zweier Jahrhunderte in jeweils veränderter Gestalt erscheint, und erst dann die Frage nach dem Original, das aus dem Vergleich der Handschriften sichtbar wird. Einige Fachausdrücke homiletischer Theorie des Spätmitteblters sind hier im voraus zu klären. In der Taulerausgabe von Ferdinand Vetter findet sich als Nr. 79 „een kort uittreksel... uit Ruusbroec's Vanden vier becoringhen''^ mit der Überschrift Die materie sunder tytulus md one thema^. Drei Predigtelemente werden in dieser kurzen Zeile genannt: thema, tytulus, materia. Das thema im Sinne des Mitteblters meint nicht Stoff und Inhalt der Predigt, sondern einen kurzen Text aus der Heiligen Schrift, den Vätern oder antiken Moralphilosophen, der in der Predigt zergliedert und gedeutet wird. Diese Form der Predigt, die sich auch auf den geistlichen Traktat auswirkt, bestimmt spätestens vom 13. Jahrhundert an die gesamte homiletische Literatur®. In einer Homiletik des 14. Jahrhunderts wird das grundlegende scholastische Predigtelement so definiert: „Consuetudo communis est, et ab omnibus praedicatoribus moderni temporis merito approbata, ut praedicator in principio, quando incipit populum alloqui, thema suum proponat. Est autem thema dictum aliquod authenticum super (quo) intendit sermonem suum fundare. Unde et sie accipiendum est ut materiae congruat, de qua praedicator prindpaliter loqui intendit. Dicitur enim thema in graeco quod nos 1 De middebederlandsche Tauler-Handschriften door Dr. G. I. Lieftinck, Groningen 1936, S. 207. ^ Die Predigten Taulers aus der Engelberger und der Freiburger Handschrift sowie aus Schmidts Abschriften der ehemaligen Straßburger Handschriften hrsg. von Ferdinand Vetter, Berlin 1910, S. 422 (= DTM XI). ' Nach älteren Forschungen beginnt um 1200, nach neueren schon um 1100 für die Entwicklung der Predigt ganz allgemein ein neuer von der Scholastik geprägter Abschnitt. Die wichtigste Neuerung ist dabei die Einführung des kurzen „themas" statt der bisher vorherrschenden Perikopen. Vgl. dazu: R. Cruel, Geschichte der deutschen Predigt im Mittelalter, Detmold 1879, S. 1 ; Anton Linsenmayer, Geschichte der Predigt in Deutschland von Karl dem Großen bis zum Ausgang des 14. Jahrhunderts, München 1886, S. 67ff., bes. S. 152; Bugen Stolz in LThK VIII, Freiburg 1936, Sp. 442ff. ; ders. in RGG IV, Tübingen 1930, Sp. 1414f.
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Untetsuchung
vocamus materiam in latino. Unde, nisi id quod accipitur pro themate contineat matetiam sermonis, non thema proprie dicitur"*. Aus dieser Bestimmung wird die umfassendere Bedeutung unseres heutigen Wortes „Thema" gegenüber dem mittelalterlichen Fachterminus deutlich. „Thema" im heutigen Sinn bezieht die Bereiche der mittelalterlichen „materia" und „titulus, titel" mit ein'. Noch Martin Luther aber verwendet den Begriff im Sinne des Mittelalters : „Quo autem faciliorem viam nidibus (nam iis solis servio) aperiam duo haec Themata praemitto de libertate et Servitute spiritus: Christianus homo omnium dominus est liberrimus, nulli subiectus. Christianus homo omnium servus est officiosissimus, omnibus subiectus . . . " Luther übersetzt: „ . . . wil ich setzen / dyße zween beschluß . . Während also thema im ganzen Spätmittelalter ein Element der Predigt (und des geistlichen Traktates), den Vorspruch bedeutet, aus dessen begrifflicher Unterteilung die Exegese der Predigt lebt, meint „materia, materie" den Stoff der Predigt und ist nahezu sinngleich mit „propositum" und „intentio"'. Gehört das thema primär zur gesprochenen Predigt, in der es erst latemisch und dann in der Volkssprache vorgetragen wurde®, so gehört der tite! ausschließlich zum Predigtbuch. Daß wohl das thema, doch selten der titil vom Verfasser der Predigten selbst stammen, erklärt sich einmal aus der Entstehungsweise der Niederschriften deutscher Predigten im Mittelalter und zum andern aus der Entstehungsatt der großen Sammlungen. Der weitaus größte Teil unserer deutschen Predigthandschriften des Mittelalters besteht aus Aufzeichnungen nicht des Predigers selbst, sondern seiner Zuhörer, besser seiner Zuhörerinnen, da die Mehrzahl dieser Codices aus weiblichen Konventen stammen dürfte. In den Kompendien, denen wir unsere Texte größtenteils entnehmen, legen * Thomas Waleys: De modo componendi sermones cum documentis, in: Th. M. Charland : Artes Praedicandi. Contribution a l'histoire de la rhétorique au moyen âge, Paris-Ottawa 1936, S. 341 ( = Publications de l'institut d'études médiévales d'Ottawa Bd. VIII). Der Dominikanerpater Thomas Waleys war „maître en théologie de l'Université d'Oxford, célèbre par son opposition à la théorie du pape Jean ΧΧΠ sur la vision béatifique. Il vivait encore 1349". (Th. M. Charland a. a. O. S. 94). ' In dieser Arbeit wird der mittelalterliche terminus technicus „thema" daher stets klein geschrieben. ' Martin Luther: Von der Freiheit eines Christenmenschen, hrsg. von L. E. Schmitt, Tübingen 1954, S. 36 und S. 37 ( = Neudrucke deutscher Literaturwerke Nr. 18). ' Vgl. oben: „ . . . unde (thema) et sie accipiendum est ut m a t e r i a e congruat de qua praedicator principaliter loqui intendat. . ." (Charland S. 341) und: „Sextum documentum est quod praedicator licet videat thema quod satis sit ad p r o p o s i t u m suum et satis in tent ioni (suae) congruum, non tamen propter hoc statim figat in eo cor suum . . . " (Charland S. 345). ® Vgl. etwa Meister Eckhart DW I, S. 24: Ich hân ein wörteltn gesprochen in dem ¡atine, das^ stài geschriben in dem èwangeliô und sprichet also ze tiutsche . . . vgl. auch DW I, S. 263; S. 290; S. 299; S. 342; Pf. II, S. 189; S. 231; vgl. auch die Fassung G der SGSammlung z. B. Rd. S. 146,19—21 : Et in habitatione sancta coram ipso ministravi, disiu wort sprichit der hailic gaist von ünsirre vrown sant Marien, rehte als sie spreche : 'ich diende vor Got in der hailigun tvonunge hailiginz lebinz'· Vgl. dazu auch die Hss. U, Sa (Ruh S. 63), H u . a.
Textbeatbeitung und Kompilation
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uns diese Nachschriften nicht einmal selbst vor, sondern „nur" ihre stark überarbeiteten Kopien·. Es wird deutlich, daß wir damit ein „Personal" der Kompendien zu unterscheiden haben, deren Arbeit die Stilzüge des Verfassers (oder der Verfasser) überdeckt. Welche Bedeutung allein dem spätmittelalterlichen Schreiber innerhalb der literarischen Wertung eines Werkes zukommt, das rückt im Bereich der Dichtung heute wieder in den Blick der Forschung. „Der spätmittelalterliche Schreiber, dem allein wir ja nicht selten die Erhaltung selbst von Werken der Blütezeit verdanken..., steht oft ganz zu Unrecht in dem schlechten Ruf, mit dem ihn der Ärger der Editoren, die in der Überlieferung immer nur das Original suchten, belastet hat. In vielen Fällen fühlt er sich . . . nicht als Kopist, der eine möglichst getreue Abschrift liefern möchte, sondern als literarischer Bearbeiter, dessen Aufgabe es ist, den alten Text in einer Weise zu ,verbessern', die von geringfügigen Korrekturen der lautlichen Färbung bis zu einschneidenden Kürzungen, umfangreichen Zusätzen, ja völliger Umgestaltung des Wortlautes gehen kann, wo dann der Schreiber vom bloßen Statisten zum mitverantwortlichen Akteur avanciert . . . Die Bearbeitung ist die legitime Form einer geistigen Auseinandersetzung des Literaturkenners — und als solchen müssen wir uns den ,produktiven' Schreiber bzw. seinen unmittelbaren Auftraggeber meist vorstellen — mit dem Kunstwerk. Will man das Ergebnis seiner Bemühungen überhaupt bewerten, so muß man es jedenfalls an seinem Wollen, nicht am Original und damit mit unseren historischen Maßstäben messen" Grundsätzlich muß für den Bereich der Predigt dasselbe gelten, nur daß die Bearbeitung, die wieder als eine legitime Form der Auseinandersetzung mit dem Text zu gelten hat, großenteils von der beabsichtigten Verwendung bestimmt wird und der Kreis der Bearbeiter vermutlich differenzierter ist als im Bereich der Dichtung. Für unsere SG-Sammlung sind neben dem anonymen Verfasser (oder den Verfassern) drei Bearbeiter besonders wichtig: der Kompilator, der Schreiber und der Rubrikator, wobei der Rubrikator ganz allgemein, sofern er nicht mit Bestimmtheit einer späteren Zeit zugeordnet werden kann, meist nur „Handwerker", nicht verantwortlicher Bearbeiter isti^. ' Vgl. dazu Wolfgang Stammler, Mittelalterliche Prosa in deutscher Sprache, in: DPhiA II, 1960, Sp. 981 f. Die schwierigen philologischen Verhältnisse dieser Predigtkopieen waren für Josef Quint mit ein Grund für die Normalisierung seiner kritischen Eckhartausgabe (Quint D W I , S. X). Eine vermutlich vom Verfasser selbst aufgezeichnete Predigt liegt vor in Meister Eckharts Predigt „Von dem edeln menschen", vgl. Quint D W V, S. 107. »» Hanns Fischer a. a. O. S. 224f. Vgl. Wilhelm Wattenbach, Das Schriftwesen im Mittelalter, Graz« 1958, S.345: „Bei den Lateinern, w o die Anwendung der rothen Farbe weit ausgedehnter war ab
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Untersuchung
Daß Kompilator und Schreiber identisch sein können, versteht sich von selbst, wie überhaupt die Zahl der Bearbeiter natürlich von Fall zu Fall wechselt. Zwei hauptsächliche Gestaltungsebenen müssen wir im Bereich der Predigtkompilation unterscheiden 1. die Textbearbeitungen und 2. die Kompilation, wobei die Bearbeitungsintensität innerhalb beider Ebenen stark differenziert ist. Ihre Schwankungsbreite ist an der SG-Sammlung besonders gut abzulesen. 1 . D I E TEXTBEARBEITUNG
Die weit verbreitete und erstmals von Adolf Spamer umfassend dargestellte „Zersetzung und Vererbung in den deutschen Mystikertexten" ^^ ist in größerem Umfang innerhalb der SG-Tradition bisher nur an einer großen Hs., dem von Karl Bihlmeyer beschriebenen Cod. theol. philos. 8" 27 der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart zu beobachten und deshalb bei der Traditionsbreite unserer Texte relativ unbedeutend. Im ganzen gesehen ist für unsere Sammlung eine auffallende Textstabilität festzustellen", die aber doch Raum für eine Skala von Bearbeitungen bietet. Als textlich am stärksten überarbeitet erweist sich die Hs. A^®. Die Rücksicht auf die Auftraggeberin, die Frau Johansen Stôklim, des stattammans ^e VeMrchen^^, drückt sich in der Arbeitsweise des Schreibers Albreht genant der Kolhe^'' deutlich aus. Nicht nur daß die lateinischen themata meist getilgt und nur noch ihre deutschen Übersetzungen geblieben sind, auch die zahlreichen lateinischen Bibelzitate innerhalb des Textes, die in G, Z, W, N und H mit Sicherheit festzustellen sind, werden größtenteils sorgfältig gebei den Griechen und sehr gewöhnlich jeder Anfangsbuchstabe eines Abschnittes und viele andere dazu durch rothe Striche ausgezeichnet wurden fiel diese Aufgabe ( = die Rubrizierung) gewöhnlich nicht dem Schreiber zu, und ist sehr häufig gar nicht zur Ausführung gekommen. Oft fehlen deshalb die Initialen und Überschriften ganz, nicht selten aber sind sie auch ganz Idein vorgezeichnet; bei den Überschriften war das wohl immer der Fall, aber oft am äußersten Rande, w o sie beim Einband abgeschnitten sind." " Adolf Spamer, Über die Zersetzung und Vererbung in den deutschen Mystikertexten, Diss. Gießen 1910. " Vgl. oben Seite 9. " Vgl. Lüders III, S. 176 f. Es können im folgenden nicht alle unsere Hss. betrachtet werden, vielmehr soll nur an markanten Beispielen die Tatsache der bewußten Bearbeitung gezeigt werden. " Rd. S. 341,10. " Rd. S. 341,6 f.
Textbearbeitung und Kompilation
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Strichen. Dies ist schon ohne genauere Kenntnis der Hs. G aus den Lesarten bei Rieder eindeutig festzustellen^®. So schreiben in der Predigt Rd. 38 die Handschriften G, Z, W, (N) und H: 1. Ι)α:ζ ünsirtí"re schöne ist da:^ sprich (it), s. petrus. In qué desiderant angelt pspicere. Er ist also schöne da:¡^ in die engil lut(liche vñ vnuirdroi^nliche ¡gallen Seiten an sehint. Also sp'ch(it). s. Augustinus... (G f. 7 vb), ein Text, der von Ζ (Rd. S. 103,18 Lesarten), W (f. 9 v) und Η (Kern S. 190,3—6) bestätigt, von A dagegen verkürzt so wiedergegeben wird: Also ist unser herre och schöne als dü sunne, von siner schöni spricht sant Augustinus... (Rd. S. 103,18f.). Verfolgen wir diesen Prozeß kurz an unserem Text Rd. 38: 2. G (f. 8 rb): vñ sp'ch(it) der wissage. Dñe puenisti. О h're du färuerst mit diner gnade den übiln willen an deme menschin . . . W (f. 10 r) : Nv spricht der weissag Dñe puenisti etc. Ach here dv ùberverst mit deim willen, vnd mit deinengnaden den vbeln willen an dem menschen ... A (Rd. S. 104,24f.) : es spricht och der wissag : herre, du verfürest mit diner gnade den üblen willen an dem mentschen . . .i® 3. G (f. 9 vb): Die gnade het si funden, vñ merckint wie do der engil r(ir kam do er si grí4:(te vñ sprach. Aue maria gratia plena. Got grú¡^e dich vol der gnaden, do vant si die gnade, do an der selbun stunt enphie si got vñ menschin. von deme hailigen gaiste. do vant si gewarliehe die gnade die eua virios^, do wart virwandilot eua in aue. vñ liset man von ir da¡^ si irscharch ( ί) do der engil t^r kam (G f. 10 ra) do sprach er. Ne timeas maria. Nut enfúrhte dir. du hast die gnade funden, die eua uirlôs^^". 1« Vgl. auch PhiHpp Strauch, Germanica S. 539. " Vgl. H (Kern S. 191,7—9). 2» Zu E v a : Ave vgl. den erstmals im 12. Jhd. ins Deutsche übersetzten Hymnus „Ave maris stella", der u. a. auch Bernhard von Qairvaux zugeschrieben wird : „Ave maris stella Dei mater alma Atque semper Virgo Felix caeli porta. Sumens illud Ave Gabrielis ore Funda nos in pace Mutans Hevae nomen. (Rom. Brevier, Officium sanctae Mariae in Sabbato, In Vesperis) vgl. auch Bernhard von Clairvaux: „Sic nimirum prudentissimus et clementissimus artifex, quod quassatum fuerat, non confregit, sed utilius omnino refecit, ut videlicet nobis novum formaret Adam ex veteri, et Evam transfunderet in Mariam" (PL 183, Sp. 429C). Vgl. auch P L 183, Sp. 62 ВС u. Ö., Schönbach I, S. 80,16—20; 329,12f.
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Untersuchung
W (f. 12 г): . . vnd dev gnad hat si funden Νν merchi wî do der engel ir sprach do er ¡^û ir chom vnd sei vnd sprach Aue ^ plena da^ spechi got dich vol der gnaden, do vand sei dev gnad / auch an der seihen stüd Enphieng si got vnd menschen von dem heyligen gejst. da vand si waerleich die gnad dev Eua v'los^ do wart verwandelt eva in aue / vnd man list von ir da^ si erschracht do der engel ^й ir chôm do sp'cht er ir Ne timeas maria, nicht furcht dich, dv hast dev gnad fvnden die eva v4o^. A (Rd. S. 108,3—10): (. . do verlor si allem mentschlichem kúnne die gnade) und die hàt si funden, und merkent wie : do der engel νφ ir kam und si grûste und sprach : ,Got grút¡^e dich vol der gnaden', do vant si die gnade, do an der selben stunt enphieng si Got und mentschen von dem haiigen gaiste. do vant si wärlich die gnade die Eva verlorn hatte, man liset von ir da^ si erschrac do der engel v^ù ir kam. do sprach er ir : ,nút enfúrhte dir ! du hast die gnade funden die Eva verlor'^^. Besonders an Beispiel 3. wird deutlich, wie folgerichtig mit der Tilgung des lateinischen Zitates „Ave maria gratia plena" auch das Wortspiel Ave: Eva entfällt und was die Hs. damit an stilistischem Reiz verliert. Dieser konsequenten und bei aller Vereinfachung recht klugen Redaktion A steht gegenüber die gleichfalls bewußt entlatinisierte, aber vor allem durch mangelnde (lateinische) Sprachkenntnis charakterisierte Bearbeitung von Bj. Eva Lüders hat sie ausführlich beschrieben Während in Bj gerade sinnstörende Eliminierungen das sprachliche Unvermögen der Schreiberinnen erweisen, zeigt unser Beispiel (3.), Η bestätigt genau wie in Beispiel 2. die Fassung GW, vgl. Kern S. 195,3—12. Vgl. Lüders III, S. 143—155. B^ enthält 5 unserer Predigten und behält von dreien das lat. thema bei, während die lat. Bibelzitate innerhalb des Textes grundsätzlich getilgt werden. „. . . daß hier Unvermögen, mangelnde Sprachkenntnis in dem Auslassen dieser durch eine ohnehin zumeist sogleich anschließende Übersetzung als überflüssig erachteten lateinischen Sätzchen und Satzfragmente eine willkommene Ausflucht erblickt und ergriffen hat, zeigt sich beispielsweise bei unsern. . . Initien im Falle von Bj:2 = (69 = Rd. 69) und 3^:5 = (55 = Rd. 55), wo der lateinische Textvorspruch in Anbetracht seiner folgenden Übersetzung sogleich fortgelassen worden ist, bekundet sich ferner an gewissen durch unzweckmäßige oder gar unmögliche Eliminierung lateinischer Passagen hervorgerufenen Sinnstörungen des Textes, tritt schließlich und endlich auch am ungleichmäßigen Schriftbild unserer Texte zu Tage, indem sich tatsächlich sehr oft gerade beim Auftreten eines schlechterdings unvermeidlichen lateinischen Terminus der Einsatz einer andern, vermutlich .hilfreichen' Hand erkennen läßt" (Lüders III, S. 144). Nach Eva Lüders geht nun Hand in Hand mit der Streichung lateinischer Zitate eine ebenfalls popularisierende Tendenz verratende Verflachung des Wortschatzes; wir finden hier sogar häufig „Uminterpretationen und kleine Interpolationen, die im Rahmen der im übrigen auffallend pietätvollen Tradition unserer Predigten nahezu verblüffend wirken" (Lüders III, S. 145f.). Eva Lüders III, S. 141 unterscheidet für die 15 Blätter, die in B2 unsere Predigten enthalten, mindestens 3 verschiedene Hände.
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daß wir Albrecht dem Kolben gegenüber nicht so argumentieren dürfen. Ein Grund für seine Bearbeitung könnte die Konsequenz seiner Stilhaltung sein, da er auch andere Texte aufnahm, die nicht mit lateinischen Zitaten durchsetzt waren — etwa die Bertholdtexte — und er aus dem gesamten, von ihm gesammelten Material ein einheitliches Werk gestaltete Doch ein zweiter, entscheidender Grund kommt hinzu: Albrecht der Kolbe kopiert nicht, wie die Mehrzahl unserer Schreiber eine Predigtsammlung für den Gebrauch in klösterlichen Gemeinschaften, sondern er schreibt im Auftrage frommer Laien ein Erbauungsbuch. So nämlich muß der Schreibereintrag am Ende der Hs. A gedeutet werden: Es sont wissen alle die dis sehent oder Usent, da^ ich phaff Albreht genant der Kolbe, kirchherre s^e Sjgävis, han di^ buch geschriben mit grossen unstäten und durch ain Spiegel, do ich sechs und sechs^gjar alt und han es^ vollebraht an sant Jacobs abent anno domini MCCCLXXXVII der ersamen vrowen Johansen Stôklins, des stattammans ^e Velkirchen elichen vromn, du e^ Gotte ^e lob und siner lieben muter Marien und allem hjmelschen her ^e eren und ir sel und allen globigen seien ^e trost und v;e hilf gefrúmet hat von mir obgenanten priester. da von bitte ich alle die die in Gotte:^ namen iemer me lesent di!^ buch, da^ sie Got für mich armen sündigen priester bittent, dav^ er sich über mich erbarme ; won ich fürht dav^ ich iemer me buch geschribe. Hie mit hat di^ büch ain ende, in Gottes^ namen. amen (Rd. S. 341,6—17). Diese Absicht rechtfertigt und begründet die starke Textabweichung der Handschrift, die textlich eben wegen ihrer Bestimmung abseits der sonstigen Tradition steht. Die Tendenz der Bearbeitung ist vor allem erkennbar an der Beseitigung jener Merkmale, die auf die Nähe zum gesprochenen Wort deuten. So werden die lateinischen themata entfernt und durch tituli ersetzt, so werden auch die spontan wirkenden Für nicht wahrscheinlich halte ich den Grund, den Eva Lüders für die „völlige Entlatinisierung" anführt: die Rücksichtnahme auf das Bildungsniveau der Frau Amtmännin Stöklin" (Lüders III, S. 144, bes. Fn. 1), da man keineswegs von einer v ö l l i g e n Entlatinisierung sprechen kann. Zwar werden die lateinischen Bibelzitate meist gestrichen, doch sind einzelne Zitate erhalten (vgl. Rd. S. 178,9f., 228,21, 253,25f., 26f., 28), freilich Ausnahmen, welche die Regel nur bestätigen. Es bleiben aber auch zahlreiche andere lateinische Termini erhalten. Vgl. etwa Rd. S. 116,10 : lins ist ain naiúr an erborn, daz haisset Jomes peccati . . . oder Rd. S. 123,28; S. 124,12; S. 210,23f.: si hant vil nach glich namen : celum et cel(la) . . . Hier wäre eine Übersetzung nicht ohne Sinnänderung möglich gewesen. S. 283,22, 24; S. 284,11, 18, 24; S. 286,11, 16; S. 287,4, 12 u. ö. Der wechsetade Gebrauch lateinischer oder deutscher Namen für die Bücher der Bibel läßt keine Schlüsse zu, da dieser Wechsel großenteils von der Tradition bestätigt wird.
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lateinischen Bibelzitate im Text gestrichen und die Predigten insgesamt zu Lesestücken umgeformt. An einigen Stellen im G-Text meinen wir den Prediger unmittelbar fassen zu können, dort nämlich, wo er deutlich während des Gottesdienstes gepredigt und sein thema ausdrücklich der Tagesepistel oder dem Tagesevangelium entnommen hat^®. Es heißt in G f. lOrb, Wa. S. 522,1—4: Stephanus autê plenus gratta et fortitudine faciebat signa magna et p(ro)digia in populo. Disú wort sprichit. s. lucas in der epistel. vñ dú wort sprechint alsuÎ(. Stephanus wa^ vol gnadon vnde stercki. vñ tet gròtti s^aichin an deme volcke..." (Act. 6,8 = der Beginn der Epistel vom Fest des hl. Erzmartyrers Stephanus am 26. Dezember) Gerade dieser Stelle aber, an der deutlich der Redner hervortritt, nimmt Albrecht der Kolbe die Unmittelbarkeit, indem er interpoliert: ,Stephanus vol gnaden und sterki', spricht sant Lucas in Actibus, ,und tet grâssû ¡Raichen an dem volhe' (Rd. S. 109,7f.). Schwieriger als bei der Epistel ist der Bezug auf die Tagesperikope beim Evangelium festzustellen, da das Wort „Evangelium" den Gesamtbericht des (oder der) Evangelisten, aber auch einen Teil des Meßopfers bedeuten kann. Die Änderungen unseres Schreibers scheinen darauf hinzudeuten, daß er an den betreffenden Stellen den liturgischen Begriff streicht. Es lautet z. B. der Beginn von Rd. 55 in G (f. 64 vb) : Missus est angelus gabriel ad mariam uirgine desponsatam ioseph. Alsus scribit Lucas an deme ewangelio. vnde lobot unsir vrown an siben sundirlichen tuginden. Er sprach ain engtl wart gesant von gotte, der was^ gehaiv^in gabriel. v^eainir stat div hie^ na^areth vnde kan s^ainir megide div wa¡^ gemaehilt ainem man der hie:(^ ioseph. vnde hie^ div mag}t maria.^ Mit dem lat. thema eliDie lat. Textzitate wertet Eva Lüders als „ein untrügliches Kennzeichen der zeitlichen Frühe, die wir für die Abfassung unserer Predigtsammlung zu veranschlagen haben" (III, S. 143) und nennt als Parallelen das .Speculum ecclesiae', Schönbachs .Altdeutsche Predigten' und Grieshabers .Schwarzwälder Prediger' (Fn. 3). Zu der von Eva Lüders angeführten Nähe zu lateinischen Vorlagen kommt noch die Bestimmung dieser Kodices als Mustersammlungen für den Geistlichen; das bedeutet wieder relative Nähe zum gesprochenen Wort (vgl. dazu unten Kapitel 5). Freilich kann Albrecht auch die Absicht einer Modernisierung verfolgt haben, was aber nur unsere Annahme bestätigt. Vgl. die Predigttheorie Charland a. a. O. S. 342: ... . . si praedicandum sit de tempore, thema, secundum consuetudinem modernam, accipitur de evangelio quod eodem die in missa legitur. vel de epistola, aut saltem de lectione quae quandoque ante epistolam in missa legitur . . ." Vgl. Kern S. 196,22—2Ъ : Stephanus autem plenus gratia. Dise wort scriuet S. Lucas in der Epistelen ende dese wort spreken aldus : Stephanus was vol genaden ende sterkeden ende dedegrote teken ля Ля yo/^e. EbensoU (Lüdersl. S.238). Ζ (Rd. S. 109,7 Lesarten): . . . disü wort scribit man in de epistola . .. Vgl. Kern S. 328.7—12 Missus est Gabriel angelus etc. Dese wort sprict S. Lucas in der Ewangelien ende loeft onser Vrouwen ane seuen sonderliken dogeden. Hi sprict: Een
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miniert nun A die liturgische Stellenangabe und liest: Sant Lucas lobet unser vromn an siben sunderliehen fugenden und sprichet·. ,es wart gesant ain engel von Gotte, der ινα^ζ^ gehaissen Gabrjel, ψ ainer mägde, du iva^ gemähelt ainem man der hiess Joseph, in ainer statt, hiev^ Nas^areth, und hiess dü magt Maria' (Rd. S. 221,3—6)28. Die hier gezeigten Tendenzen ergeben sich nicht aus einer vorgefaßten Konzeption, sondern entwickeln sich mit dem Schreiben. Aus schwankenden Anfängen im ersten Teil der Sammlung (Rd. 1—34), der deshalb auch aus verschiedenen Quellen bearbeitet sein könnte, erwächst ein einheitliches Bearbeitungsprinzip, das deutlich mit dem Beginn einer neuen, umfangreichen Vorlage, eben unserer SG-Sammlung einsetzt, aber nicht alle Texte gleichmäßig erfaßt. Erst mit dem Beginn dieser Sammlung in A werden die lateinischen themata konsequent gestrichen und die Predigtanfänge entsprechend geändert. Während so die lat. Textvorsprüche der Predigten Rd. 4 (S. 10), Rd. 6 (S. 18), Rd. 7 (S. 22), Rd. 20 (S. 56), Rd. 24 (S. 61), Rd. 32 (S. 75), Rd. 33 (S. 77) und Rd. 34 (S. 83) erhalten sind, hat der Schreiber im 2. Teil seiner Sammlung mehrfach ein deutsches thema an die Stelle des ursprünglich allein vorhandenen lateinischen gesetzt. Für Blegit eam deus et p (re) elegit earn et in tabernáculo suo habitare earnfacit. Disti wort sint gesprochin i^aime iegelichin saeligin menschin . . . (G f. 15rb; Wa. VI, 1—3) setzt A ζ. В.: ,Got hât si erwellet und für welt und hat si gemachet wandlend in sim gesielt.' Disü wort sint gesprochen ΐζΰ aim ieglichen sâlgen mentschen . . . (Rd. S. 119,3—5)30. Teilweise erwecken die Predigtanfänge im ersten Teil den Eindruck, daß der lat. Vorspruch ohne weiteren TexteingrifF gestrichen ist, während im zweiten Teil diese dadurch recht schroffen Einsätze durch eine engel wart gesant van Gode dt hiet Gabriel, teenre stat die hiet Nazaret, ende quam tenre maget die was brut eens mans die hiet loseph, ende hiet die maget Maria. U (Lüders I, S. 226) : Missus est gabriel angelus in ciuitate. Alsus sp'cht sente lucas ΐ dem ewägelio . . . Vgl. etwa auch G f. 106ra, Rd. S. 299, 20 Lesarten: Unsir herre sprichit in deme evangelio ze sinen iungirán. Manete in me et ego in uobis. U (Lüders I, S. 232) Manete in me et ego in uobis. Vns' h're der sp'chet c^u synè Jügernyn dem ewägelio alsus blibet yn mir so blibe ich yn uch . .. Dagegen Kern S. 423,24—26: Manete in me et ego in uobis, etc. Dese wort sprac anse Here te sinen juncgeren, ende spreken die wort aldus . . . H (Kern S. 211,2f.): Elegit eam Deus et preelegit eam. Dese wort sin gesproken tenen jgeliken selegen mensce . . . U (Lüders I, S. 239) : Elegit eam deus etc. Dese wort sint gesprochen ci^u eyme i glichen seligen menschen. .. Vgl. auch Rd. S. 128,3—5 mit ebenda Lesarten und Kern S. 223,15—18 und Lüders I, S. 239; Rd. S. 293,7f. mit ebenda Lesarten und Kern S. 400,3 f. und Lüders I, S. 231; vgl. bedingt auch Rd. S. 276,7f. mit ebenda Lesarten und Kern S. 384,16—18 und Lüders I, S. 230; vgl. dazu etwa im 1. Teil der Sammlung einen der G-Fassung unserer Texte ganz ähnlichen Beginn, der aber nicht abgeändert wurde: Stephanus plenus spiritu sancto intendens in celum vidit gloriam dei etc. Stephanus das sprichet ain regel. .. (Rd. Nr. 4 S. 10,23 f.). 3
Frühwald, Prediger
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gleichmäßige Überarbeitung geglättet und der Eindruck eines fehlenden Vordersatzes verwischt wurde. Viele unserer SG-Predigten schließen nämlich an das voraufgehende lateinische thema so an, wie etwa Rd. 52 zeigt: Ivstum deduxit dominus per uias rectas et ostendit Uli regnü dei etcet'a. Disiv wort lisit man in den buchin der wishait. de sprichit der hailic gaist. Unsir herre laitit den rehtin mentschin durh den rehtin wec und ägit im gotis riche. In den wortin sunt ir merkin vier dine . . . (G f. 45va)®^. Daraus wird in A: Unser herre laitet den rehten mentschen durch den rehten weg und ^aiget im Gottes riche. Disú wort liset man in dem bûche der wishait. und sint dar an vier ding ¡ζ6 merkenn. . . (Rd. S. 186,3—6)®^. Nun kann sich das Demonstrativpronomen im G-Text auf das vorausgehende lateinische thema oder auf dessen folgende deutsche Übersetzung beziehen®®, wobei das erstere bei den an lateinischem Vorbild orientierten Zwillingsformeln, zu denen auch die eben zitierte gehört, wahrscheinlicher ist®^. Solche Formeln, die im zweiten Teil der Sammlung nur noch anschließend, nicht mehr einleitend gebraucht werden, finden sich gerade in der letzteren Eigenschaft im ersten Teil noch häufig neben der genannten Möglichkeit®®. In der Predigt Rd. 24 scheint der Anfang sogar bewußt von Albrecht so gestaltet zu sein: Disá wort sprichet unser herre in ApocaIjpsi und sprichet also : ,esto fidelis usque ad mortem'. ,bist du mir getrúwe säliger mentsch unt^ an den tod, so wil ich dir geben ain krone des ewigen lebens' (Rd. S. 61,18—20). In Ζ heißt es (nach den Lesarten bei Rd. S. 61,17f.) : Esto fidelis usque ad mortem et dabo tibi coronam vitae. Disv wort sprichit in Apocalipsi. vñ sprichit also, bistu mir getrúwe seliger mensche νηχ_ an den tot so wil ich dir geben eine crone des ewigen lebennis^^. Wie wir uns im Einzelfall Η (Kern S. 278,15—19): Jvstum deduxit Dominus etc. Dese wort lest mi in der Вис der Wisheide : dat sprict der Heitege Geest : Onse Here kit din regten mensce din regten mch ende toent heme Gates rike. Ane desen worden suldi mercken vir dene . . . U (Lüders I, S. 244) : lustum deduxit etc. Dese wort list mä y de buche d'wisheit Do (gegen G und H, mit Ζ) spricht d'heilige geist Vns' h're leitet den rechten menschen durch den rechten wec vñ ouget ym gotes riche An den Worte sulle wir m'ken vir dine . . . Vgl. zur Änderung solcher Predigtanfänge auch Rd. S. 92,9f. + Lesarten; Rd. S. 96,21 f. + Lesarten; Rd. S. 109,7f. + Lesarten; Rd. S. 128,6 + Lesarten; Rd. S. 146,12f. + S. 146,19—21 ; u. ö. ^ Vgl. Otto Behaghel, Deutsche Syntax, Bd. I,Heidelberg 1923: „Dieser weistauf Teile der Rede hin ; die Hinweisung ist eine rein geistige : I. Auf vorher Gesagtes . . . (S. 287) . . . III. Auf ein nachfolgendes Glied der Rede . . ."(S. 288). Albrecht der Kolbe umgeht mit seiner Bearbeitung im 2. Teil diese Unsicherheit, denn bei ihm bezieht sich das Demonstrativpronomen sicher auf das unmittelbar vorhergehende deutsche thema. Kern entscheidet sich mit der modernen Interpunktion für die andere Möglichkeit, während doch zumindest angesichts des UTextes diese Entscheidung zweifelhaft ist. Vgl. Rd. S. 59,8; S. 60,15; S. 62,32; S. 66,3; S. 67,35; S. 69,19. 3« Der von Schönbach WSB 153, IV (1906) S. 123f. gedruckte Text bestätigt die Fassung Z.
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nun auch entscheiden, ob für eine umfassendere, stilistisch hart gefügte Bearbeitung Albrechts des Kolben, oder für eine bloße Streichung des lat. themas — Sicheres könnten wir nur behaupten, wenn wir die genauen Quellen der Hs. A kennten —, die Tatsache einer Entwicklung der Bearbeitung aus schwankenden, unsicheren Anfängen im ersten Teil, wo möglicherweise der Individualität der Vorlage mehr Raum gegeben wird, zu einem zwar noch immer mannigfaltigen Textbild, das aber einheitliche Bearbeitungsgrundsätze prägen, wird auch durch die Predigtanfänge bestätigt. Gegen das Ende der Sammlung nimmt dann die Intensität der Überarbeitung zu. Sie äußert sich hier in einer starken TextrafFung, was von der Rücksicht auf den Umfang des Werkes bestimmt sein kann. Bindende Aussagen sind aber hier wegen weitgehender Unsicherheiten in der Überlieferung nicht zu machen. Schon Karl Rieder macht in seiner Einleitung (Rd. S. XVIIIf.) darauf aufmerksam, daß „die in der Handschrift berührten Anspielungen auf klösterliche Einrichtungen zweckentsprechend geändert" wurden, „je nachdem die Sammlung für das eine oder andere Kloster bestimmt war". Wurde G sicher in einem weiblichen Konvent gebraucht, so gehörte die SG-Vorlage von A einer männlichen Klostergemeinschaft an, wie sich aus dem Gebrauch von swester in G und dafür meist bruoder in A ergibt. Über eine eigenständige Änderung des klösterlichen Kolorits in A Zusammenfassendes auszusagen, ist schwierig, da die einzelnen Handschriften hier stark voneinander abweichen und die jeweils gebrauchsbedingte Überarbeitung deutlich sichtbar ist. In der Predigt Rd. 47 allerdings scheint A entschieden zugunsten einer allgemeineren Formulierung zu ändern und den Text vom unmittelbaren, klösterlichen Anlaß abzurücken. Hier schreibt G: Sit wir denne ane houptsúnde sin. so sin wir in gotis hulden. so ist ouch alli^ msir lebin ain dieniste uor gottis antlüte. wir dienen mit amhaht odir ane ambaht. Mit u^^j^irme geschaephide. odir mit inrem gaist. odir swie diu arbait uñ de ambaht sie. de wir ingehorsami tùgen. de ist alli^ ain dienist uñ ain Ion uor got. Dv priorin mit ir dienist. der priol mit sinim dienist. unde dü mdirpriorin. vñ bischofe ambaht. ebte ambahte. und kuri^eliche alle die. die mit dehainê ambaht. odir an ambaht. arbait odir kumbir hain in gotis nämin. de ist allis ain dienist uor got. Nu sie ioeh de ain prior, aide ain priorin. odir ain bisehophe. od' swer ambaht het. de ergeert werde uon den lútin. durh des ambahtis willin. so ist doeh sin dienist ain Ion uor got (Gf. 2 8 r b + v a ; Rd. S. 147,27—36). Die Hs. H, die grundsätzlich eine allgemeinere Redaktion gibt als die auf einen bestimmten Anlaß festgelegte Hs. G streicht in unserem Text die speziellen Beispiele und schreibt : Alse wi dan sonder hoftsunden sin, so sin wi in Gots hulden. So es dan al anse leuen een dinst vore Gots ansehin. Wi dinen met ambaehte ogte sonder ambaeht, met uterster onlede ogte met inger ; so wie die arbeit sie die wi dun in gehorsamheit, dats 3*
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al een dinst ende een loen vor Gode. Ende, kurtelike, wat wi arbeit ende commers hebben, bit ambachte ogte sonder ambacht, dats al een dinst vor Gode. Nu sie oec dat een igelic de ambacht heft in Gots namen ende begert ere van den liden dor des ambachts wille, so es dog sin dinst een loen vor Gode . . . (Kern S. 233,24— 234,2). Die Redaktion A weicht nun von diesem, in den Grundzügen doch einheitlichen Text stark ab : sit wir âne höbet sünde sint, so sint wir in Gottes hulden. so ist och alles unser leben ain dienst vor Gottes antlüt, es si dav^ wir joch dienen vor Gottes ogen mit andaht oder ân andaht, mit usserem geschâfte oder mit inrem gaiste, oder swie du arbait und der andaht si : da^i wir in gehorsami tunt, da^ ist alles ain dienst vor Gotte nu sijoch da^ ain mentsche umb sin gùtât gere von den Uten geerot werden, so ist doch sin dienst ain Ion vor Got (Rd. S. 147,9—15). Wenn ich recht sehe, so ist in A die Form ambaht für „Amt" nicht überliefert und wir können aus den Änderungen Albrechts des Kolben entnehmen, daß ihm diese Form unverständlich war. So schreibt er an acht Stellen andaht statt ambaht (Rd. S. 72,34; Rd. S. 147,11,12; S. 148, 1,3,5 f.) und einmal (Rd. S. 334,34) amaht, ein Schreibfehler ist also ausgeschlossen, Unverständnis gegenüber der altertümlichen Vorlage dagegen sehr wahrscheinlich. Karl Rieder konjiziert nun an den erstgenannten Stellen, ohne damit den eben zitierten Text wesentlich zu verbessern. Hier geht es nämlich um Last und Würde eines geistlichen Amtes, und der Gedankengang ist so geführt: 1. Unser ganzes Leben ist ein Gottesdienst, sei es nun, daß wir ein geistliches Amt verwalten oder nicht, alles, was wir im Gehorsam tun, ist Dienst vor Gott (Rd. S. 147,9—13). 2. Nun ist mit einem Amt notwendig die Ehre vor den Menschen verbunden, trotzdem ist das Dienen des Menschen in diesem Amt Gott wohlgefällig; nur soll der Mensch die ihm erwiesene Ehre stellvertretend empfangen (denn nicht der Mensch wird geehrt, sondern Gott, dem der Mensch mit seinem Amte dient) (Rd. S. 147,13—17). 3. Deshalb geschieht es eher aus Faulheit als aus Demut, wenn der Mensch sich der Bürde eines Amtes entzieht (Rd. S. 148,1—7). Dieser Gedankengang des konjizierten Textes wird in A durch die Lesart gùtât (Rd. S. 147,14) für ambaht^ gestört und unterbrochen. So ist in Rieders Text diese Lesung im Zusammenhang unverständlich, während sich aus dem Original deutlich ergibt, daß erst die Änderung von ambaht in andaht auch die von ambaht in gùtât nach sich zog. Es ist also die einzige Stelle, wo A entschieden das klösterliche Kolorit verwischt, durch Unverständnis gegenüber der Vorlage und nicht durch die Bestimmung der Hs. zu erklären. Gegenüber den speziellen und auf den bestimmten klösterlichen Gebrauch festgelegten Lesarten in G, liest A an den hier zu betrachtenden Stellen freilich
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meist allgemeiner, teilt diese Eigenart aber mehrfach mit H. Schreibt etwa G (f. 96 va): . . . sprichit dir din sivestir (din prùder W Z j herticliche ΐ ζ » . . s o ist din smstir in A vertreten durch ieman (Rd. S. 279,32), in Η durch een mensche (Kern S. 389,15), statt der genauen Amtsbezeichnung in G . . . man aine swest' ^ainir priolinvn aide gainer suppriolinvn weit (G f. 67va), formulieren A und H allgemeiner ob man ainen hrüder z» ainem amptmann erweit. . . (Rd. S. 226,18 f.) und wan het geschit wale alse mi enen bruder tenen amhagte kist (Kern S. 336,9f.)®'. Berücksichtigen wir noch, daß mit „Bruder" und „Schwester" dem Beispiel des Evangeliums folgend nicht nur der Nächste in der Gemeinschaft des Klosters, sondern der Nächste ganz allgemein®® bezeichnet sein kann, so werden die für den Laien vielleicht störenden Stellen mit ihrem Bezug auf das klösterliche Leben doch etwas reduziert. Mit der Frage des klösterlichen Kolorits hängt eng zusammen die der Anrede an die Zuhörerschaft, und hier ist mehrfach wieder Albrechts glättende und korrigierende Hand zu sehen. An ein differenziertes Publikum wenden sich G und Z: Nu sf chit sanctus Bernhardus. Gedenchint liebin brädir unde swestiran vnde prelatin, da^ gottes sun sine sele He von ime schaiden. dur gehörsami . . . (G f. 82 ra). H (und W) sprechen allgemeiner: Gedenct, Hue brudere ende sustere, dat Gots Son sine sele van heme Het scheiden dor gehorsamheit (Kern S. 372,3—5), während A die Anrede ganz streicht: nu sprichet sant Bernhart: ,gedenkent da^i Gottes sun sin lieben sei lie von sim libe schaiden durch gehorsami... (Rd. S. 252,5—7). G (und Z) sprechen die Nonnen unmittelbar an: Nu Hebú iuncvröwe nu mehtist du sprechin . . . (G f. 15rb), H lenkt von der speziellen Anrede zur allgemeinen ab : Nu, Hue mensce, nu maegtu spreken . . . (Kern S. 211,6), aber A streicht die Anrede ganz: Nu mähtest du sprechen. . . Mehrfach liest H sogar allgemeiner als A . Vgl. etwa Rd. S. 112,6f. sin prior oder sin hihter (G; diu priorin) und Kern S. 200,24f. sin ouerste ogte sin hicbtere.; Rd. S. 194,6f. ian ich ζ« ainer statt aingût swester oder eingñlen hrüder (G: gan ich an aine stai Zeainir gütir swestir aide z^ainim brüdir) und Kern S. 289,22—24 . . . /V gaen tenen geesteliken mensche agi een geestelic mensche campt te mi . . . u. ö. " In der Predigt Rd. 50 wird im G-Text z. B. in w e n i g e n Sätzen der Blick v o m Nebenmenschen, dem Bruder in Christus auf die unmittelbare Nächste der Hörer, die Schwester in der Ordensgemeinschaft gelenkt. Vgl. Gf. 36 va; Rd. S. 166,26—33. A führt den Blick v o m ebencristen (Rd. S. 166,5) zum hrüder in Got (Rd. S. 166,11), während H nur einmal den hrüder (Kern S. 254,29), sonst immer den euenkersten anführt (Kern S. 254,27, 31, 34); dabei muß die Lesart v o n A nicht auf eine Klostergemeinschaft bezogen sein, sondern kann ebenso allgemein gelten, wie die v o n H. Es lautet nämlich der Vulgatatext zu den beiden zitierten JohannessteUen (fälschБсЬ wird einmal dafür Paulus eingesetzt) : „Si quis dixerit quoniam diligo D e u m , et fratrem suum oderit, mendax est; qui enim non diligit fratrem smm, quem videt, D e u m , quem non videt, q u o m o d o potest diligere? E t hoc mandatum habemus a D e o : Ut qui diligit D e u m , diligat et fratrem suwn (1. Joan. IV, 20, 21). Dasselbe mehrfach.
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Untersuchung
(Rd. S. 119,8)39. Solche Korrekturen sind in A zwar nicht konsequent durchgeführt, es bleiben nämlich häufig allgemeinere Anreden erhalten^®, doch wird wieder das Bemühen um die Eliminierung rhetorischer Elemente sichtbar. " Vgl. etwa auch G : Nu sunt ir liebin imcurowan. die gottes brüte wellen sin. die sun ¡ich ml bewarn. unde behüten, da^ der r i f f e vnde daz miltú in dax_ blüginde paradys iwirs hercen niht kome . . . Nu vimini liebiu iuncuröme diu da m/ilt sin ain vriundin vnde ain gemahile dez töginen minners . . (Gf. 94rab; Rd. S. 275,26—28+31 f.). Ebenso Ζ Wa. S. 148 = LVI, 512 + S. 149 = LVI, 519, (U, der vergleichbare altfrz. und die lat. Texte enden früher). In Η ist der vorher erweiterte Text jetzt gekürzt, die Anrede ist allgemein: Bi dien huet dat der rim nog der honechdou dat bloyende paradis urs herten iet bespraie . . . Nu hoer. Hue sele die brut mit Verden dis edeles Minners (Kern S. 464,5 f. + 11 f.). A kürzt sehr stark und streicht u. a. auch die Anrede. Der erste zitierte Absatz fehlt in A, der zweite lautet : Swer nu Got aim gemaheln welli han, der hùti sich vor allen untugenden. . . (Rd. S. 275,9 f.). Vgl. vor aUem die unterschiedliche Behandlung der Anrede kint, womit weibliche und männliche Ordensleute gleichermaßen gemeint sein können. So findet sich diese Anrede z. B. in H auch außerhalb der SG-Uberlieferung: Ay lim kendere, behaud uive werdecheit. . . (Kern S. 473,6f.); vgl. dazu auch A : Bi den drin tohtren hern Jobs sint bezaichent drier hand kint die ünser herré in clóstern hat (Rd. S. 282,19f.) Dagegen H und G bestimmter: Bi din drin dogteren Heren Jobs sin ons betekent drirehande kent, heft anse Here in din ehestere. (Kern S. 393,19f.), G (f. 98ra): Bi dien drin tohtiron hern Jobis sint bezaichint driger hande kint div het unsir herre imme clöstir. (ebenso Rd. S. 283,20: . . . die volkommen kint. . ., Kern S. 349,23 . . . die volcomene Ilde in din clostere . . . G f. 98va: . . . ¿emmmenleich. ist gaistleich leben, geleich der himelischen. stai fílm . . . (W f. 101 ν = Rd. S. 208,15).
Textbeatbeitung und Kompilation
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Rd. 73 genau dem Schluß von Rd. 74 entspricht. . . . vnd vnser vatt' von himelrich der räche uch v'lichen gütliche fugende geben an alle dingen har nach das ewig leben lauten die letzten Worte von Rd. 73 in Sa (Sa f. 260ν ; Ruh S. 62) und das Explicit der Nr. Rd. 74 in Ζ lautet ebenso :{. . . doch der da hei^it herre und öch ist herre und Got der tugenden, der selbe Got) und unsir vattir von himelriche der ruche úch t^e verliehen und gotliche tugende geben an allen dingen und her nach das ewige leben, amen (Z-Text nach Rd. S. 317, 25—27)^'. Wie dem auch sei, wir müssen jedenfalls feststellen, daß zumindest der Schluß von Rd. 74 hier an Rd. 73 angefügt ist, und wir müssen zudem festhalten, daß der Schluß von Rd. 73 in Sa wenigstens stark erweitert ist, da der mit Ζ übereinstimmende Ausgang schon auf f. 259 r erscheint, das ganze Stück aber bis f. 260 ν reicht. Die Möglichkeit, daß der Ausgang eines Textes durch das Explicit eines anderen Textes erweitert wird, ist uns innerhalb der SG-Sammlung nicht fremd. Eva Lüders hat (III, S. 175f.) festgestellt, daß der Schluß der Predigt Ph 22 = Rd. 41 auf das thema SCio hominem in xpo durch das Explicit der Nr. Rd. 45 erweitert ist. „Nun hat unsere rip. Hs. Ph u. a. die gesamte Reihe der Rd. Nrn. 42, 43, 44 und 45 übergangen, und dies in weitgehender Übereinstimmung mit den nl.-nd. Hs. H, La, B r , . . . Bj, Bj und Bi, die auch, mit Ausnahme der in Bi und Η überlieferten Nr. 44, sonst allgemein in diesen Repräsentanten der nl.-nd. SG-Tradition fehlen. Die in Ph mit dem Paralleltext von Rd. Nr. 41 zu Ende verschmolzenen zwei Schlußsätze von Nr. 45 können also nicht diesem uns bislang bekannten nl.-nd. Überlieferungszweig unserer SG-Predigten entnommen sein und sprechen, schon von diesem Detail aus gesehen, gegen ein sekundäres Abhängigkeitsverhältnis von Ph zu diesem. Vielmehr steht man, da in Ph an die Nr. 41 mit dem zusätzlichen Schluß von 45 dann als nächstes Stück Rd. Nr. 46 direkt folgt, unter dem Eindruck, daß dem Kopisten von Ph eine vollständigere oder sozusagen .vollständige' SG-Sammlung, d. h. eine solche, die die Nrn. 36 bis 66 und 68 bis 70 oder auch gar bis 75 enthielt, vorlag, und daß er daraus für seine Zwecke eine eigene Auswahl von SG-Stücken vornahm, nicht aber seinerseits bereits aus einer SG-Anthologie abschrieb." Unsere Hs. W (und mit ihr N) ist in zweifacher Hinsicht Anthologie, einmal weil sie aus der Gesamtzahl unserer SG-Texte auswählt, zum andern gehört sie mit dieser Auswahl zum Gattungstyp der Anthologie, da sie kein äußerlich sichtbares Einteilungsprinzip verfolgt. Ph versucht dagegen, die Texte liturgisch, d. h. nach dem Kirchenjahr, anzu" Vgl. и : Der selbe got vnde vme valer von hymelriche der musse noch vorlytn vñ geben gotliche togmde an allen dingen vñ hir noch das euyge leben Amen (Lüders I, S. 235), ebenso W f. 101 r.
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Untersuchung
ordnen, wobei sie nicht systematisch, sondern chronologisch vorgeht®®. Die Hs. scheidet also nicht in ein „Proprium de Tempore" und ein „Proprium de Sanctis", sondern fügt gewisse Feste aus dem letzteren in das erstere ein und bringt im Anhang noch die wichtigsten Texte zum „Commune Sanctorum". Die Reihe der Stücke beginnt daher mit dem ersten Heiligenfest aus dem Proprium de Sanctis, einer Predigt Bernhards von Clairvaux, vp sent andreas dach (30. November) und führt durch das Kirchenjahr bis zum Fest Allerheiligen mit unserer Predigt Rd. 51 Vp aire heiligen dach. Somit müßte naturgemäß die Auswahl der SG-Texte in Ph — und unsere Sammlung ist die umfangreichste Quelle, aus welcher der Kompilator schöpft — von diesem Prinzip der Nummernordnung beherrscht sein. Innerhalb unserer Tradition ist eine solche Einteilung bisher nur in der Hs. Ph und in der eng mit ihr verbundenen Hs. Ar zu beobachten®'. Ohne daher unserem 6. Kapitel wesentlich vorzugreifen, sollen die Möglichkeiten der Unterordnung eines großen Teils unserer Predigten unter ein solches Schema kurz gezeigt werden: 1. Rd. 38 = Ph 6. Des äd'en süäages г à' aduête. Erunt signa in sole et luna. (Luc. 21,25). Lüders III, S. 161. Die erste der Sammlung entnommene Predigt ist die Nr. 38 auf ein thema aus dem Evangelium des 2. Adventssonntages „(In ilio tempore: Dixit Jesus discipulis suis:) ®® Die folgenden Angaben über Ph stützen sich auf die ausführliche Beschreibung dieser Hs. und die erstmalige Identifizierung des Materials außerhalb des S G in ihr durch Eva Lüders III, S. 156—184. Die erste Nummer unserer nun folgenden Tabelle ist identisch mit der von Eva Lüders eingeführten Vergleichszahl P h : l , Ph: 2 etc. Unsere Ph-Nummer (Ph 6 etc.) bezeichnet die Nummernfolge aller Stücke in der Hs. Vgl. Lüders II, S. 62: „. . . daß wir in A r wenn auch nicht die Vorlage, so doch evtl. das verbindende Glied zu dieser mfrk. Hs. zu suchen haben". Vgl. bes. ebenda Fn. 1. 1»® Da die Perikope Luc. 21,25—33 heute als Evangelium des ersten Adventssonntages gelesen wird, müssen wir aus dem Gebrauch auf folgende mittelalterliche Anordnung von Lectio und Evangelium an den vier Adventssonntagen schließen:
1 . ADVENTS-
SONNTAG z. B. a) Epistel:
Epistel
Evangelium
Rom. 13,11—14
Matth. 2 1 , 1 — 9
„Scientes, quia hora est jam nos de somno surgere . . ."
„Cum appropinquasset Jerosolymis . . ."
Jesus
Schönbach III, S. 177,30ff.; Spec. eccl. S. 6ff., bes. S. 10,18ff. und dazu die Anmerkung S. 1 6 1 ; Schönbach II, S. 14,32£f.; (identisch mit der heutigen Lesung). b) Evangelium: Schönbach II, S. 6,36f.; Schönbach III, S. 179,15; (entspricht dem Evangelium vom Palmsonntag. Wird heute nicht mehr im Advent gelesen).
Textbearbeitung und Kompilation
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E r u n t signa in sole et luna et stellis. . ( L u c . 2 1 , 2 5 ) . D a m i t ergibt sich aus d e m t h e m a die M ö g l i c h k e i t der E i n g l i e d e r u n g , o b w o h l der T e x t selbst den G e r i c h t s g e d a n k e n nicht aufgreift. 2 . R d . 6 5 =V\i\l
vp den heilgê Jairsdach
vä ts^ejn name uns here.
Ohne
t h e m a . L ü d e r s I I I , S. 1 7 3 . Z u r E i n g l i e d e r u n g dieses T e x t e s ist seine Stellung innerhalb d e r N u m m e r n f o l g e v o n P h b e d e u t s a m . Als N u m m e r n P h 1 0 u n d 11 g e h e n 2 w e i P r e d i g t e n v o r a u s auf die t h e m a t a MIsermt 2. ADVENTSSONNTAG „
iudei ab iherosoìimìs sacerdotes et leuitas ad iohannen vt
Rom. 15,4—13 „Quaecumque sctipta sunt. . . "
Luc. 21,25—33 „Erunt signa in sole et luna et stellis . . . "
2. D.
a) Epistel: Schönbach III, S. 181,34—36; (mit der heutigen Lesung identisch). b) Evangelium: Schönbach II, S. 9,18f.; III, S. 183,11—14; Lieftinck S. 297,2—11; SG-Sammlung Hs. Ph; Hs. Ar; (wird heute am 1. Adventssonntag gelesen). 3. ADVENTS(1. Cor. 4,1—5 Matth. 11,2—10 SONNTAG „Sic nos existimet homo" vgl. „Cum audisset Joarmes in vinunten Schlußbemerkung). culis opera Christi. . . " 2. В. a) Epistel: Schönbach III, S. 185,1 f.; (heute die Lectio des 4. Adventssonntages). b) Evangelium: Schönbach III, S. 186,2f.; (heute das Evangelium des 2. Adventssonntages). 4. ADVENTS(Phil. 4,4—7 Joan. 1,19—28 SONNTAG „Gaudete in Domino semper . . . " „Miserunt Judaei ab Jerosovgl. unten Schlußbemerkung) lymis sacerdotes et levitas ad Joannem. . . " 2. ö, a) Epistel: Schönbach III, S. 187,11 f.; (heute die Lectio des 3. Adventssonntages). b) Evangelium: Schönbach III, S. 188,24ff.; SG-Sammlung, Hs. Ph; Lieftinck S. 31,39 (vgl. Abbildung VIII), 58, 92, 109, (heute das Evangelium des 3. Adventssonntages). Die schmale Reihe unserer Belege kann natürlich keine Regel für die ma. Perikopenordnung begründen. Bei dem von uns mit nur je einem Beispiel belegten 3. Adventssonntag kommt uns aber die Autorität Schönbachs 2u Hilfe. E r schreibt nämlich (III, S. 383f.), daß der vom Priester Konrad für den dritten Adventssonntag in Anspruch genommene Episteltext (1. Cor. 4,1—5) 2um vierten gehört, „der hier 187,13 ff. (Phil. 4,4—7) für diesen in ansprach genommene 2um dritten, dieselbe vertauschung hat mit den evangelientexten stattgefunden: der text von 188,24ff. (Joan. 1,19—^28) fällt nach dem Ordo Romanus auf den dritten adventsonntag, auf den vierten hingegen Luc. 3,1 ff., indeß hier 186,2ff. der text Matth. ll,2ff. angeset2t ist, den auch Haymo von Halberstadt in seinen homilien ebenso wie die meisten mittelalterlichen prediget für den dritten adventsonntag beansprucht, jedenfalls ist die Stellung der episteln 78 und 79 ( = 3.-Ь4. Adventssormtag) hier verkehrt". Da wir vorläufig keine weiteren Belege für eine Bestätigung dieser Vertauschung in der Praxis bringen können, müssen wir uns der Autorität des Ordo Romanus fügen, die mindestens bei den Evangelien, wie unsere Beispiele beweisen, nicht allgemein durchgedrungen war und die Episteln zum dritten und vierten Adventssonntag austauschen. 5
Frühwald, Prediger
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Untersuchung
interrogarent eum Tu quis es. (Joan. 1,19) und VOx clamantis in deserto parate viam domino{\) (Joan. 1 , 2 3 ) d i e erste Des veirde södages t d' aduet, die zweite Item vp de seluen veirden södach г d' aduet überschrieben. Beide Predigten sind in der MehrzaM der bisher bekannten Hss. zusammen überliefert, und beide werden meist für den vierten Adventssonntag beansprucht^®^. Es folgen dann als Nummern Ph 12—16 fünf Texte Das thema findet sich in dieser Form nicht bei Joan. 1,23, wo es heißt: „Ego vox clamantis in deserto : Dirigite viam Domini. . .", sondern vielmehr bei Matth. з,3; Mate. 1,3; Luc. 3,4 wo es im Anschluß an Is. 40,3 lautet: „Vox clamantis in deserto: Parate viam domini: rectas facite semitas eius". In der Übersetzung von Ph 11 erscheint nun die Fassung der Synoptiker mit der Johannesstelle leicht kontaminiert : Sent iohänes sprach Ich by eyn stymme des r o i f f i s t der woistenyi Bereit den wech dê heren ind macht gerecht syne peede ; (Lüders III, S. 169 f.) In keinem der synoptischen Evangelien, nur bei Johannes wird die Isaiasstelle Johannes dem Täufer in den Mund gelegt, so wie in der Übersetzung von Ph {sent iohänes sprach : am Praeteritum ist erkennbar, daß Johannes der Täufer gemeint ist. Das Attribut sent, sant wurde auch ihm im MA allgemein gegeben. Vgl. etwa Schönbach III, S. 190,1 ; Lieftinck S. 61 и. ö.). Vgl. Joan. l,19fï.: „Miserunt Judaei ab Jerosolymis sacerdotes et levitas ad Joannem, ut interrogarent eum: Tu quis es? Et confessus est, et non negativ: et confessus est : Quia non sum ego Christus . . . Dixerunt ergo ei : Quis es, ut responsum demus his, qui miserunt nos ? Quid dicis de te ipso ? Ait : Ego vox clamantis in desetto : Dirigite viam Domini, sicut dixit Isaias Propheta . . Diese bei der Geläufigkeit der betreffenden Stelle in der synoptischen Fassung verständliche Kontamination wird durch die sonstige Tradition bestätigt. Bestätigt wird aber auch, daß es sich um Joan. 1,23 und nicht um Luc. 3,4 etc., des heutigen Evangelium auf den 4. Adventssonntag, handelt. Vgl. Baseler Taulerdruck: Vff den vierdten sontag im Aduent. Wie man warer einfeltigkeit kompt / mitt beschloßnen sinnen / vnd veracht sein selbs. Vnd wie der mensch alles sein Wesen besehen vñ richte sol nach dem lautern Spiegel des lebës christi. Vff die wort. Ego vox clamantis in deserto. Johannis primo, (f. 166 vb) Ich byn ein stym des rügendes in der wüstenj bereiten den weg des herren / vñ mâchent recht seine f ü ß p f a d . Wir haben nun vor vns ein xumal wüderlich fest vñ hoch!;it ¡ da das ewigwort geboren wUrt in menschlicher natur... etc. (f. 167 ra). In diesem Text und damit wohl in allen von Lieftinck angeführten Parallelen, vgl. folgende Anmerkung, wird die Vulgatastelle richtig zitiert, die deutsche Ubersetzung ist wieder kontaminiert. Die reiche Tradition dieser Predigten ist zusammengestellt bei Lüders III, S. 168f. und S. 170. Die Predigt Ph 10 trägt bei Lieftinck die Sigle S. II = der zweiten von Bihlmeyer edierten Predigt Seuses, Ph 11 die Sigle Bas. В = Baseler Taulerdruck f. 166. In den Überschriften ist mir bisher nur eine Aussnahme bekannt, Lieftinck S. 57f. Hier ist S. II überschrieben: Hoe iohannen in die woestijn drie vragen sijn gheuraecht Ende noch van ν vraghen Ende hoe die mensche toi ghewariger ghelatentheit sal comen Ende hoe hi hem in sijnen gronde verniet sal Non sum Opten iiij sondach vanden aduent des goeden tauwelers sermoen . . ., die daran anschließende Predigt Bas. В aber: Opten derden sondach vander aduent : hoe datmensal comen tot ghewarigher gelatentheit... etc. In dieser von Lieftinck mit G 1 bezeichneten Hs. der UB Gent no. 966, von ca. 1500 werden beide Predigten also getrennt, wie es ihrer thema-Fassung nach eigentlich auch sein müßte. Die gemeinsame Überlieferung und die gemeinsame Zuweisung auf den 4. Adventssonntag bedeutet ja, daß beide Bibelstellen als einem Evangelium zugehörig betrachtet werden, was ja streng genommen nicht stimmt.
Textbearbeitung und Kompilation
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Vä d' geboirt vs here, als Nr. Ph 17 erscheint unsere Predigt Rd. 65, als Nr. Ph 18 eine Übersetzung von Bernhards Sermo III „In circumcisione domini" und erst dann Ph 19 = Rd. 39 vä sent stephae und Ph 20 = DW I, S. 211—222 In der kynder dage ey sermoy, worauf mit Ph 21 = DWI, S. 230 f. vp der heiiger drij koyncge dach der Weihnachtsfestkreis in unserer Hs. schließt. Sonderbar erscheint die Deplacierung v o n P h l S , was bedeutet, daß der Oktavtag von Weihnachten, der 1. Januar, noch vor dem 26. Dezember, dem Fest des hl. Stephanus und dem 28. Dezember, dem Fest der Unschuldigen Kinder eingeordnet wird. Dies könnte zu Rückschlüssen auf den Text Ph 17 führen, den wir dann auf den Beginn des bürgerlichen Jahres festlegen müssen. Nun können wir aber neben der Feststellung, daß „der bürgerliche Neujahrsbeginn in der römischen Liturgie keine Berücksichtigung findet" annehmen, daß die Übersetzung der Bernhardpredigt mit guten Gründen vor Ph 19+20 steht. Sie ist in Ph überschrieben: sent bernart s c h r y f f t in eyme sermö van der besnydyngen vns heren van eycht vortgengen eyns geistlichen mynschen do hei noempt eychttage in milchen de mynsche wirt besnyden van allen sunden ind sait alsus . . . (Lüders III, S. 174). Aus der weiteren Angabe Eva Lüders, daß „die namentliche Hervorhebung der einzelnen ,acht Tage' bis zur Beschneidung Jesu . . . — im Migne-Text eliminiert — in konsequenter Aufrechnung durchgeführt" ist, ergibt sich, daß Ph 18 nicht erst am Ende, sondern am Beginn der Weihnachtsoktav zu stehen hat, will das Stück seinen Zweck, den Leser über acht Stufen der Askese näher zum göttlichen Ziel zu führen, nicht verfehlen. Damit wird auch Ph 17 unmittelbar an das Weihnachtsfest herangerückt. Ph 17 = Rd. 65 zählt im Anschluß an Is. 7,14; 9,6 und 8,3 zehn Namen unseres Herrn: Der erste name unsirs herren der hair^it Emanuel. Da^ sprich(it) got ist mit vns. vñ hdrit rehte ^e der kündunge unsirs herren. do er die menschait an sich nan. von der u^siriveltun maegide der höhgelobitun künigin. s. maeriun . . . Der andir name hai^. Admirabilis. dai^ sp^ch(it)der wndirliehe got. uñ hörit ¡^ù der geburte unsirs herren . . . (G f. 105ra). Schon in der Deutung des zweiten Namens wird die Geburt des Herrn erwähnt, ein Bezug, der dadurch, daß Is. 9,2 und 6 die Introitusantiphon der zweiten Weihnachtsmesse bilden präzisiert wird. Wir können also Ph 17 = Rd. 65 hier zu den Weihnachtstexten zählen und die Überschrift so deuten: „Auf den heiligen Jahrestag. Von zehn Namen Eisenhofer/Lechner S. 171. Der Inttoitus irregularis der Missa in aurora lautet: „Lux fulgebit hodie super nos: quia natus est nobis Dominus: et vocabitur Admirabilis, Deus, Princeps pads, pater futuri saeculi: cuius regni non erit finis. (Is. 9,2 und 6) Dominus regnavit decorem indutus est: indutus est Dominus fortitudinem, et praecinxit se. (Ps. 92,1) Gloria patri etc." Zum Beleg, daß die Introitus-Antiphonen der drei Weihnachtsmessen im MA denen von heute entsprechen vgl. Vetter, Tauler S. 7,22; 8,l,3,6f.
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Untersuchung
unseres Herrn". Der „heilige Jahrestag" ist dabei der Geburtstag Christi, der 25. Dezember. Das Bewußtsein des vergangenen und des ursprünglich am Weihnachtstag neu beginnenden kirchlichen Jahres muß selbst in dieser Zeit des ausgehenden Mittelalters noch sehr stark gewesen sein, da offensichtlich ein Isidortext, der in Ph 12 übersetzt ist, noch verstanden wurde: . . . Dit is dis dages ( = des Weihnachtstages) neuwe ind gloriose fest, dat da gescheit is de t^o kumst got;^ :ζρ dem manschen. Wilchen dach wir dar vmb groislicher hoget^jt hegajn soillen. na de verloiffêne vmbgäck des iairs. Vp dat it vns in vnser gedechtnisse vernemvet werde, dat ih'sus xf us geboren /j^®®. 3. Rd. 39 = Ph 19 vä sent stephaë. Stephanus autem pknus gracia et fortitudine . . . (Act. 6,8). Lüders III, S. 174. Die Zuweisung der Predigt auf den 26. Dezember als dem Festtag des hl. Stephanus versteht sich aus dem der Tagesepistel entnommenen thema von selbst, wenn auch die Ausführung sofort vom Festgedanken ablenkt, indem sie „Stephanus" als regel interpretiert, wie es ja im Mittelalter üblich war^"®: Stephanus da^ sprichit ain regilae. atn dinch da bi man ain andir dinch schepphit. vñ nah mackit. da^ ist ain regilae (G f. 10rb; Wa. S. 522,5f.). 4. Rd. 41 = Ph 22 vp sent pauwels dach do hey hekeirt wart. SCio hominem in xpo (2. Kor. 12,2). Lüders III, S. 175. Die Predigt Rd. 41 auf ein thema aus dem 2. Korintherbrief wird hier überraschend für den 25. Januar, den Festtag „Pauli Bekehrung" empfohlen, obwohl in unserer SG-Sammlung ein Text enthalten ist, der eindeutiger auf dieses Fest zugeschnitten ist, nämlich die Predigt Rd. 61 auf das thema „Beniamin amantissimus domini habitabit. . ."i"'. Darin heißt es: Bi beniamin ist (G f. 94 va) bei^aichinot der gâte sanct' paulus. vñ ist och geborn uon beniamins geslehte. vnde ist och gelich beniamin an den Worten. Da^ erste wort da^ er ( = Moses, der die Stammväter Israels segnet) sprach beniamin ist gotte der liebiste. dar an ist der gute sanctus paulus wol gelich beniamin. wan er ist gotte allir liebist. da^ mugent ir wol merckin an siner herlichun beckerde . . . Lüders III, S. 170. Dort ist der Text erstmals identifiziert. Der liturgische Jahresgang, der nicht festgelegt, sondern historisch geworden ist, beginnt im allgemeinen erst seit dem späten Mittelalter mit dem 1. Adventssonntag. Vorher lag der Beginn am Weihnachtstag (vgl. noch die Anordnung im Predigtbuch Priester Konrads. Schönbach III), in ältester Zeit in der Osternacht. (Vgl. dazu Eisenhofer/ Lechner S. 129fi.). Zur Deutung des „Jahrestages" als „Geburtstag" vgl. den Gebrauch des Wortes „Jahrtag" im Sinne von „Geburtstag" bei Luther (Paul/Betz, Deutsches Wörterbuch S. 329). loe Vgl. „Stephanus, Graece; Latine, corona: . . . Hebraice interpretatur Stephanus norma nostra, qui primo passus, sequentibus martyribus factus est forma mori pro Christo". (Walafrid Strabo, Glossa ordinaria, PL 114, Sp. 440BC.) Auch Ar überschreibt: de s. stephano. Das thema ist kontaminiert aus Deut. 33,12: „Et Benjamin ait: Amantissimus etc.".
Textbearbeitung und Kompilation
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(G f. 94vb)i®8. Folgerichtig ist dieser Text (Rd. 61), der in Ph nicht enthalten ist, in Ar auch überschrieben: de conversione s. pauli, in A: Von sant Paulus bekerde (Rd. S. 276) und in H : Dit sprict van s. Paulus bekeringen ende es een gut sermoen (Kern S. 384). Daß Ph nicht diesen, sondern einen anderen Paulustext auswählt, liegt daran, daß es dem Kompilator nicht eigentlich um den Festtag ging, der ihm nur Anlaß ist, sondern um einen möglichst ausdrucksstarken Meditationstext; und so gab er der ekstatisch-mystischen Nr. Rd. 41 den Vorzug vor der exempelhaften Heiligenpredigt. 5. Rd. 46 = Ph 23 des sundages als mä alleluia lecht in septuagésima. Ohne thema. Lüders III, S. Пб^®®. Für eine Zuweisung der traditionell untergeordneten Nr. Rd. 46 zum ersten Vorfastensoimtag besteht kein sichtbarer Grund. Es sei denn, daß die sechs empfohlenen Tugendübungen als vorbereitende Willensschulung für die Fastenzeit aufzufassen sind. Der zweite Teil des Textes besteht aus Väterzitaten, die auf liebende Einigung mit Gott ausgerichtet sind. 6. Rd. 54 = Ph 25 des sondages t^o halff vasten. Illa autem que sursum est iherusalem libera est... (Gal. 4,26). Lüders III, S. 178. Das Thema der Predigt ist der Epistel des 4. Fastensonntages entnommen (Gal. 4,22—31), der die Mitte der Quadragesima bildet — 1., 2., 3. Fastensonntag / 4. Fastensonntag / Passionssonntag, Palmsonntag, (Ostersonntag) — und deshalb auch den Namen Dominica in media Quadragesima trägt Die Ausführung hält sich auch hier wieder vom besonderen Bezug auf den Tag frei. 7. Rd. 55 = Ph 26 van vns heren boitschaff ind vnser vrouwen. Missus est angelus gabriel a deo . . . (Luc. 1,26f.) Lüders III, S. 178. Wenn auch der Festtag in der Überschrift nicht ausdrücklich genannt ist, so ist doch sicher, daß die Predigt an dem immer in die Fasten- oder 1®' Die Deutung ist wieder nicht original, sondern der Tradition entnommen: Vgl. „Aliter: Benjamin, de filio doloris filius dextrae dictus, exprimit Paulum de persecutore apostolum et vas electionis factum: ipse enim de hac tribu fuit; dignum autem erat ut sicut Domini praecursor prophetali oráculo praedictus est, ita magister gentium universo mundo profuturus inter magna Ecclesiae mysteria praedicaretur. etc . . . " (Glossa ordinaria PL 113, Sp. 497 A). Die Lesung als mä alleluia lecht in septuagésima (vgl. dagegen Rd. S. 143,12 Lesarten; Priebsch I, S. 62) wird bestätigt durch Schönbach III, S. 42,15ίΤ. D o r t findet sich eine Homilie auf die Epistel vom Sonntag Septuagésima unter der Überschrift So man alleluia kit. Der Sinn ist in beiden Fällen: Eine Predigt auf den Sonntag, von dem ab das Alleluja während der Meßfeier (bis Ostern) nicht mehr erklingt. „Der Abschied vom Alleluja wurde im Mittelalter nicht selten durch eigene Allelujaoffizien, deren Spuren sich schon im 9. Jh. finden, begangen" (Eisenhofer/Lechner S. 140). Schönbach II, S. 66; vgl. auch die Predigt auf den Anfang derselben Epistel „Scriptum est quomodo Abraham duos filios habuit, unum de anciUa et unum de libera" (Gal. 4,22) unter der Überschrift Ze mitter vasten Schönbach III, S. 57.
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Untersuchung
Osterzeit fallenden Fest „In annuntiatione B. M. V.", (25. März) gelesen werden sollte. Das thema ist diesem Tagesevangelium entnommen. 8. Rd. 60 = Ph 27 Item vp den palm dach. Ohne thema. Lüders III, S. 178. Der Palmbaumtraktat kann nach einer sehr oberflächlichen Auslegung für den Palmsonntag in Anspruch genommen werden, da wirklich nur die Palme in Rd. 60 und der volkstümliche Name des 2. Passionssonntages korrespondieren. Zudem hat der Kompilator wieder die für diesen Zweck geeignetere Nr. Rd. 44 (vgl. oben S. 60 f.) übergangen und ihr den allegorisch-mystischen Traktat vorgezogen. 9.—11. Rd. 62, 70, 58 = Ph 28—30. Lüders III, S. 178f. Rd. 62 Van dem Ijden vns heren. Ohne thema; Rd. 70 Item van deme lijden vns heren. Refloruit coro ( ! ) mea (Ps. 27,7); Rd. 58 Van deme Ijdê vns here. Dominus narrabit in scripturis populorum (Ps. 86,6). Rd. 62 hat kein lat., sondern lediglich ein (durch die Tradition bestätigtes) aus Job 42,14+15 kontaminiertes deutsches thema: Man vant in alkn landen undir wiben dekaine vröivn so schöne so hern Jobis tohtira waren drie. Div erste dies. Div andir hie:(^ Casia. Div dritte hiev^ Cornus tibi (G f. 97va)i". Der Name Jobs wird dann in traditioneller Weise auf den leidenden Christus gedeutet und dies ermöglichte dem Kompilator die Einreihung unter die Leidenspredigten, obwohl sich der Hauptteil der Predigt mit der allegorischen Deutung der Namen von Jobs Töchtern = driger hande kint. div het unsir herre imme сlöstir (G f. 9 8 ra) befaßt. Die Predigt Rd. 58 ist innerhalb unserer Sammlung eine ausgesprochene Leidenspredigt — auch in Ar ist sie in passione überschrieben — und in Rd. 70 nimmt die Passionsszenerie ebenfalls breiten Raum ein (vgl. unten S. 94ff.). Die Dreizahl der Leidenspredigten in Ph legt nahe, sie dem Triduum sacrum (Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag) zuzuordnen. 12.—13. Rd. 63+56 = P h 31+32. Lüders III, S. 179. Rd. 63 Vp vns heren hemelvart:(^ dah. Viri galilei quid statis aspicientes in celum. (Act. 1,11). Rd. 56 Vp vns heren hemelvart^ dach. Videntibus Ulis eleuatus est (Act. 1,9). Beiden Texten liegt ein thema der Epistel vom Feste „In ascensione Domini" — De ascensione ist Rd. 63 in Ar überschrieben — zugrunde. Job. 42,15: „Non sunt autem inventae mulieres speciosae sicut filiae Job in universa terra; . . . Job 42,14: Et vocavit nomen unius Diem, et nomen secundae Cassiam, et nomen tertiae Cornus tibii". „Sicut onrnes justi, ita Job, non modo verbis, sed rebus, Christum praesignavit: ut per passionem passurum ostendat Christum: id est, caput cum corpore, quod est Ecclesia . . . Job dolens dicitur, quo passio Christi vel labor Ecclesiae exprimitur . . ." (Glossa ordinaria, Prothemata in Job, PL 113, Sp. ySOB). Per Job Christus, id est, caput et corpus designatur . . . (Glossa ordinaria, PL 113, Sp. 751A).
Textbearbeitung und Kompilation
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Beide Predigten bleiben trotz ihrer mystischen Qualitäten verhältnismäßig eng dem Festgeheimnis verhaftet (vgl. auch oben S. 43 f.) 14. Rd. 59 = Ph 33 vp sent peters dach ey sermqy. Petre amas me (Joan. 21,17). Lüders III, S. 179f. Obwohl das thema der Predigt keinem Meßformular der Feste Petri entnommen ist, nehmen wir an, daß der Text für das Fest „Peter und Paul" (29. Juni) vorgesehen war, das ja besonders in Epistel und EvangeHum ganz auf Petrus hingeordnet ist. Wieder wendet sich der Text schon unmittelbar nach der Übersetzung des themas vom Festtage ab : Petre amas me. Disiv wort sprach unsir herre ^ sancto petro. Petir minnost du mich. Do antwrte ime sánete petir vñ sprach, herre du waist wo I da^i ich dich minnon von aliime mime hercen. Disiv vrage ist niht sánete petirs. si ist gesprochin ^aime iegdichin menschin. Vnde gesah got den menschin der mit rehtime hercen mach gesprechin. herre du waist wol ich dich uon allime mime hercen minnon. Petir dai^ ist (G f. 83 rb) also uil gesprochin als ain irkenner.. . . (G f. 83 va). Mit dieser, wohl wieder durch die Glossa ordinaria vermittelten Namensdeutung des Beda venerabiUs^i® ist der Ausgangspunkt für die Erläuterung mystischer Gottesschau gegeben. 15. Rd. 69 = Ph 35 In unser vrouwen auent assumpcio. Ego quasi vitis fructificaui (Eccli. 24, 23). Lüders III, S. 181. Das thema ist aus der Epistel der Vigil von Mariä Himmelfahrt (14. August) genommen. Vgl. auch oben S. 40f. Auch dem in Ph folgenden Text 16. Rd. 48 = Ph 36 Item van vnser Heuer vrauwen. Transite ad me omnes qui concupiscitis me (Eccl. 24,26), Lüders III, S. 181, liegt ein thema derselben Epistel zugrunde. Das Stück wird in Ph durch die Überschrift keinem bestimmten Marienfeiertag zugeordnet, kann aber nach seiner Einordnung in die Textfolge von Ph und gemäß seinem thema demselben Festtag zugezählt werden wie Rd. 69 H3 Vgl. die Glosse zu Matth. 4,18: „Petrus, agnoscens: Andreas, virilis: quod doctoribus convenit: quia hi soli etc. . ." (Glossa ordinaria, PL 114, Sp. 87С). Walafrids „Glossa" ist bekanntlich eine Kompilation aus den exegetischen Werken seines Lehrers Hrabanus Maurus, der seinerseits wieder aus den bekannten exegetischen Werken der Zeit, aus Augustinus' Doctrina Christiana, Gregors Moralia, Isidors Etymologien und den Werken Bedas schöpft (vgl. Ueberweg/Geyer S. 162). Migne gibt z. B. zu unserer Stelle in Klammern „Beda" an. Ar überschreibt De s. Petro. Vgl. etwa den Parallelfall Schönbach III, S. 203 und S. 205, wo zwei Predigten auf den Todestag Mariens angeführt werden, die erste unter der Uberschrift Als unser vrouwe verschiet, die zweite mit dem Titel Von unser froumen. Es ist aber auch möglich, daß die Unverbindlichkeit der Überschrift einen Spielraum für weitete Marienfeste zwischen dem 14. August und dem 1. November läßt. So findet sich z. B. in Vetters Taulerausgabe eine Predigt auf denselben Text Eccli. 24,26, die am Feste Mariä Geburt (8. September) gehalten wurde: Man begot hütte den minneklichen tag das die götliehe jungfröwe unser fröwe reine und tuter und heilig geborn wart von ir muter libe in der si gehailiget was (Vetter, Tauler, S. 219,20—24). Vgl. in derselben Ausgabe noch
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Untersuchung
17. Rd. 51 = Ph 37 Vp aire heiligen dach. Vidi angelum stanten ( l ) (Apoc. 19,17). Lüders III, S. 181. Die Zuweisung auf den 1. November, das Fest Allerheiligen ist hier in der Predigt selbst enthalten : Vivi ( ! ) an¿lm stante sol' (et)c' .ν. т. (et) cefa^^^. Disiu wort schribit sant iohannes in apoccaljpsi. Er sähe aine engil Stan, inder sunnun. und schrei mit ain groi^r stimme. Komint allii^ de gefúgile. de indem himil vlúgit. vñ saminont iv ^eainem gro^^in es^s^inne gottis. De wort ist ^evirneminne uon dem groi^in tage, so man allir hailigon tae begat. . . (G f. 41 rb). Der Text ist nicht identisch mit dem der Lectio in festo Omnium Sanctorum, der Apoc. 7,2—12 umfaßt. Die Glosse kommentiert aber mit unserem Text: „Omnibus avibus. Omnibus fidelibus qui agiles et leves sunt in promotione bonorum operum" (Glossa ordinaria, PL 114, Sp. 744 A) lie. Damit ist der Teil des Propriums zu Ende, und es folgt der kurze Anhang zum Commune Sanctorum. 18. Rd. 50 = Ph 38 van den apostelen jntgenejne ( ! ) . Нес mando vobis vt diligatis inuieem (Joan. 15,17). Lüders III, S. 181. Die Möglichkeit der Zuweisung zu einer Apostelmesse gibt wieder der Text selbst: Hoc estpreceptum meum ut diligatis invicem sie' dilexi uos. (Joan. 15,12) Din^gebúte ich iv. de ir ain andir minnent. alsus spräche unsir herre ^eden botton. vnd s^esinen jungeron. unde dii^ euuangl'um lisit man uö den botton... (G f. 35 va; Rd. S. 163,21—23). Das thema in G ist dem Evangelium der Apostelmesse im Commune Sanctorum entnommen. Auch im frühmhd. „Speculum ecclesiae" ist eine Apostelpredigt auf denselben Text (Joan. 15,12) enthalten"'. Eine gehaltliche Entscheidung, zwei weitere Predigten auf dieses thema, die erste zum Oktavtag von Maria Geburt : Man begat hútte den achtoden tag das unser fröwe gebom wart (ebenda S. 224,7—9), die zweite wieder auf das Fest Maria Geburt (?), (vgl. den Scliluß): Das wir ir nu alle also müssen volgen, das mr mit irre gehurt erfüllet werden, des helf uns Gol. Amen (ebenda S. 239,35 f.). „Et vidi unum angelum stantem in sole, et clamavit voce magna, dicens omnibus avibus quae volabant per medium caeli: Venite et congregamini ad coenam magnam Dei (Apoc. 19,17). не Vgl ijes ^Et ceteri ( = die Anhänger des Tieres) occisi sunt in gladio sedentis super equum, qui procedit de ore ipsius, et omnes aves saturatae sunt carnibus eorum" (Apoc. 19,21). „Et caeteri occisi sunt. Id est, sequaces eorum minori poena punientur, vel illi qui erunt caeteri, sive ad eum conversi, occisi mundo, vivent Deo. Et omnes aves, id est omnes sancti, delectati sunt de poena Шогит et de profectu fratrum". (Glossa ordinaria, PL 114, Sp. 744B). Vgl. Spec. eccl. Nr. 51, S. 122,26—30: De Apostolis. Hoc est preceptum meum, ut diligatis inuieem, sicut dilexi uos. Da^ sint div wort unseres herren. Er sprach χρ sinen lungere,η : ,Daz sint div gebot unsers herren, daz ir alle ein ander minnet, als ich ivch han ge-
Textbeatbeitung und Kompilation
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welches thema der Predigt zugrunde gelegt werden soll, ob Joan. 15,12 oder das durch die Tradition geforderte Joan. 15,17, ist bei der •weitgehenden Übereinstimmung beider Stellen nicht möglich. Für die Filiation kann die jeweils abweichende thema-Gebung aber mit als Kriterium gewertet werden 19. Rd. 52 = Ph 41 Vä ejme confessoir sermoy. lustum deduxit dominus per vias rectas (Sap. 10,10). Lüders III, S. 182f. Die Verwendung dieser Predigt am Festtag eines Bekenners hat keine direkten liturgischen Gründe, doch klingt das thema sehr an den Geist der betrefFenden Meßformulare an. Vgl. etwa die Introitustexte: Ps. 36,30—31; Ps. 91, 13—14; OfFertoriumstexte: Ps. 20,2—3; 88, 25; Lectio: EccH. 31,8—11 usw. Im Breviarium Romanum wird Sap. 10,10 als ein Versikel und Responsorium im Commune Confessoris Pontificis gelesen, ebenso im Commune Confessoris non Pontificis, dort aber auch als Capitel. 20. Rd. 37 = Ph 42 Item van ejme confessoir o f f vä sent mertij. Et vos siniles( ! ) hominibus (Luc. 12,36). Lüders III, S. 183. Das thema ist in dem Evangelium der ersten Bekennermesse (Luc. 12,35—40) enthalten. Vgl. auch die Predigt im Spec. eccl. auf den Anfang desselben Evangeliums Der Hinweis auf St. Martin hat seinen Ursprung im Explicit von Rd. 37 : Also liset man von .s. martin. Der also gedultich da^ er sprach, h're wilt du ich leben, wilt du ich stirbe. swa^ du wilt da^ wil deh ich. din wille werde an mir . . .i®" (G f. 7va). 21. Rd. 40 = Ph 43 Item van den iuffrauwen. Elegit earn deus et preelegit earn. Lüders III, S. 183. Das thema ist, wie Rieder S. 119,2 Anm. richtig angibt, einem „Versikel und Responsorium aus dem Commune Virginum des Breviers entnommen" und die Überschrift von daher verständlich. — mimet...' Vgl. auch die von Gert Mellbourn ebenda S. 192 angegebenen Quellen zu dieser Predigt. Vgl. auch die Überschrift in H (Kern S. 252): Dits van den apostelen. H hat als thema Joan. 15,17. Vgl. dazu Lüders I, S. 243, Fn. 2, vgl. auch oben S. 19, Anm. 11. Nachdem A übersetzt: Das ist min gebot. . . (Rd. S. 163,10), statt die traditionelle Form zu übernehmen Di^ gebute ich iv . .. dürfen wir annehmen, daß die Vorlage von A den Vers Joan. 15,12 enthielt. (Vgl. die Übersetzung im Spec. eccl. oben Anm. 117.) In G (eventuell schon in der Vorlage von G) hat der Schreiber луоЬ1 im Hinblick auf die Apostelmesse selbständig geändert; der ursprüngliche Text enthielt sicher Joan. 15,17, wie der Übersetzung zu entnehmen ist. De Confessoribus. Sint lumbi uestri precincti, et lucerne ardentes in manibus uestris etc. (Spec. eccl. Nr. 53, S. 126,13f.). Im Anschluß an das Responsorium des Breviers (1. Nokturn): Ό beatum virum Martinum antistitem, qui пес mori timuit, пес vivere recusavit! Domine, si adhuc populo tuo sum necessarius, non recuso laborem: fiat voluntas tua', wie Rieder S. 102,22 Anm. bemerkt.
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Untersuchung
Der Gesamtaufbau unserer Hs. Ph folgt 2war dem Kirchenjahr, doch ist gegenüber Predigtbüchern wie etwa dem Priester Konrads ein bedeutender Unterschied in der Anordnung: hier möglichste Vollständigkeit, mindestens im Proprium de Tempore, dort ein selektives Prinzip innerhalb beider Propria. In Ph ist nur innerhalb des Commune Sanctorum die Reihe relativ vollständig, d. h. es sind Texte für die häufigsten Anlässe vorgesehen: van den apostelen jntgeneyne; vgl. oben S. 72. Van ejme merteler ejn sermojn. Qui vult venire post me abneget semetipsum (Matth. 16,24; Luc. 9,23) Vä eyme confessoir sermoy; vgl. oben S. 73. Item van eyme confessoir o f f vä sent mertij; vgl. oben S. 73. Item van den iuffrauwen; vgl. oben S. 73. ^^^ Sonst fehlen sogar innerhalb des Proprium de Tempore wichtige Hochfeste wie Ostern und Pfingsten, andere Festzeiten, wie die Zeiten der Askese, Advent und Fastenzeit, sind besonders ausgeprägt. Wir nehmen hinzu die Rubra zu Ph 6 und Ph IS^^», das Füllstück Ph 24, das sich gut an die Zitatenkompilation im zweiten Teil von Ph 23 = Rd. 46 anschließt, aber durch eine Überschrift Eyn exempel die liturgische Reihe unterbricht, wie es auch Ph 5 mit dem Titel m got infangê wirt г d'selë tut, so geht aus all dem hervor, daß in Ph keine Mustersammlung von Predigten, sondern ein Erbauungsbuch — nur anderen Typs als A — vorliegt. Von dieser Absicht der Kompilation ist die Auswahl der Texte weit mehr bestimmt als von der Liturgie. Nicht nur daß 121 Vgl. das Evangelium der zweiten Messe von einem heiligen Märtyrer und Bischof: Matth. 16,24—27: „ . . . Si quis vult post me venire, abneget semetipsum, et tollat crucem suam, et sequatur me . . ." 122 Ygi 2ut Reihenfolge im Commune Sanctorum auch die dadurch bestimmte himmlische Hierarchie in Rd. 51 : . . . vnd komint die hailigen :(welf bottin. uñ enpfant die Sek. im grü^^mt sie. m gent der sete alle ir uroide. m ir Ion. de sú sich vritae als ouch siv. Dar nahe grù\int sie die hailigen marterer. vñ gent der sele allin den Ion. den siv mit ir mártir uirdienont hain. Dar nahe grü^int sie die hailigen hihter. vñ die hailigen hredier. vñ gent d'sele allin den Ion. den siv mit bitte uñ mit predie. uñ mit lerunge. uñ mit uastende. uñ mit wachenne. uñ mit gehorsami. und mit maeneger arbait hant uirdienot. de sich du sele an dem Ion urowe. reht als ouch siv. Darnahe grÙ!(int sie die hailigin maegede. vñ gent ir allin den ton. den siv uirdienot hant mit ir kúschehait. unde de siv ir raini^ blût «ζ gu^Z}"· durh vnsirs herrin willin. uñ durh sine minne . . . (G f. 44ra). Das Rubrum von Ph 18 wurde oben S. 67 zitiert und gedeutet. Das Rubrum von Ph 6 = Rd. 38 lautet : Dit is de rechte maneir vä uartgange eys geistliche myschi ey eicklich mach pui t wat grade hei vp geclomen sy want na desem wege mach mä wairlychi uoirt gay vä d' eyri doicht t^er äder Des äd'en südages id' adulte (Lüders III, S. 161). Inhaltlich paßt es nicht zu der Predigt Rd. 38, mit Recht lehnt aber Eva Lüders (III, S. 162) auch die Annahme Rieders ab, es beziehe sich auf die Reihe der SG-Predigten in Ph, es fügt sich jedenfalls vorzüglich der ganzen Tendenz unseres Buches ein und könnte gut am Anfang der Hs. stehen.
Textbearbeitung und Kompüation
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die liturgische Ordnung zugunsten mystischer Themata unterbrochen wird, daß der Kompilator mehrfach liturgisch geeignetere Texte ausdrucksstarker-mystischer Stücke wegen zurückstellt, die gesamte Richtung der Auswahl wird von der Mystik bestimmt. Neben den SG-Texten sind es vor allem bernhardisch und eckhartisch geprägte Stücke, die den Ausdruck der Sammlung bestimmen. Diese bewußte Anlage widerspricht der oben (S. 45) gezeigten Tendenz der Textbearbeitung so sehr, daß wir versucht sind, Kompilator und Schreiber zu trennen, wozu sich die häufigen am Rand stehenden Leseverbote des Schreibers fügten, eine These, die aber nicht zu beweisen ist, da in Kreisen der Devotio moderna und aller Nachfahren der Mystik das Interesse für die Spekulation bei weitgehendem Un- und Mißverständnis ihr gegenüber immer wach war. — Zwei Gestaltungsebenen unserer Predigtbücher haben wir geschieden, eine Methode, die nur von der wissenschaftlichen Systematik, nicht von der Praxis der Hss. her begründet ist. In diesen ergibt die gegenseitige Durchdringung beider Ebenen ein jeweils neues und wechsebdes Bild, d. h. nahezu jede der zahlreichen Fassungen unserer Sammlung repräsentiert ein eigenes, in sich geschlossenes Werk. Die Verfasserfrage tritt dabei schon im Mittelalter vor der Frage nach den verantwortlichen Bearbeitern zurück, und häufig wird sie gar nicht gestellt. Ш Leseverbote in der Form Item dit en sal mi mit ¡ese. befinden sich am Rand von Ph 4, 6, 9, (13 radiert), 19, 20, 21, 28; Priebscli I, S. 64 gibt an: „. . . sonst häufig von der Texthand der Eintrag: dit en sal men neit lesen".
Rubrizierung und Gebrauch In der von A. E. Schönbach edierten „Oberaltaicher Sammlung altdeutscher Predigten" (Schönbach II) aus dem 13. Jahrhundert finden sich zweierlei Überschriften, „die roten lateinischen Überschriften der stücke sind erst nach herstellung des textes, jedoch nicht lange darnach eingetragen, viel später, aber noch im 14. jahrhundert sind neben diese roten Überschriften schwarze mit etwas hellerer tinte gesetzt worden" (Schönbach II, S. Vif.). Die roten, lateinischen Überschriften ordnen die ganze Sammlung nach dem Proprium de Tempore, beginnend mit dem ersten Adventssonntag und endend mit dem 24. Sonntag nach Pfingsten Sie lauten etwa: Dominica I. in adventu domìni ( = Nr. 1, Schönbach II, S. 3,1), Dominica II. in adventu ( = Nr. 3, ebenda S. 9,18), In sancta nocte nativitatis domini (= Nr. 6, ebenda II, S. 16,33), Sermo quando volueris ( = Nr. 17, ebenda S. 44,33), In ascensione domini (= Nr. 40, ebenda S. 107,30), Dominica IUI. (post Pentecosten) ( = Nr. 47, ebenda S. 127,2), Dominica IX. (post Pentecosten) ( = Nr. 52, ebenda S. 141,2). Neben diese liturgisch ordnenden, lateinischen Überschriften hat also ein etwa 100 Jahre jüngerer Rubrikator deutsche Überschriften gesetzt, welche die Szenen der zugrunde liegenden Evangelienperikopen andeuten und die davon abweichende Thematik kurz referieren. Damit werden auch liturgisch nicht gebildete Leser in knapper Form über den Inhalt des jeweiligen Textes orientiert: da^ ist von dem heiligen chräts^ und von des levels chreuts^e ( = Nr. 1), Da^ ist von dem abnemen dirre werlt und von dem jüngsten gerichte unsers herren ( = Nr. 3), ^ In der von Schönbach gedruckten Fassung endet die Sammlung mit Nt. 63 = Dominica XXII. (post Pentecosten), bzw. mit Nr. 64 = Sermo quando volueris per Шит annum, doch schließt Schönbach aus der Notiz am Ende der Hs. : non (magis) quam LXVI evangelio sunt mit Recht, daß „die vollständige Sammlung 66 Stücke" umfaßte (Schönbach II, S. VIII), also noch zwei heute fehlende Stücke enthielt, die mit Sicherheit Texte für den 23. und 24. Sonntag nach Pfingsten waren.
Rubri2ienmg und Gebrauch
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Von dem ¡¡jns den man dem chaiser Octaviano gab s^e Rom ( = Nr. 6), £>а^ ist wie ein man saet guten samen uf den akcher und einer bösen samen ( = N r . 17), Dav^ ist wie unser herre v^e himel fur und von dem herhorn ( = Nr. 40), Dai^ ist von Kayn und von Abel und von einem vollen mat(}(^ und wie wir unser m bruder vergeben schùlhn ( = Nr. 47), Dit^ ist von einem riehen manne, der het einen amman, und von sant Paulus ( = Nr. 52). Zwei Ergebnisse sind daran abzulesen: 1. Die Rubrizierung ist (häufig), ob sie nun vom Schreiber oder vom Kompilator dem Rubrikator angegeben wird oder ob der Rubrikator nach eigenem Ermessen verfährt, eine wichtige Schicht bei der Bearbeitung der Predigtsammlungen. Sie ist meist mit dem jeweiligen Bearbeiter verbunden und vom Verfasser der Predigten unabhängig. Dafür gibt es kaum einen deutlicheren Beweis als die verschiedenen Hss. der SG-Sammlung, aus denen eine ganze Skala gebräuchlicher Überschriften abgeleitet werden kann^. 2. Aus dem Übergang von liturgisch ordnenden lat. Titeln zu gehaltlich orientierenden deutschen Überschriften ist ein Wandel im Gebrauch der Predigtbücher zu erkennen: der Übergang von der Predigtsammlung zum Erbauungsbuch®. Neben der Bewahrung von Texten überhaupt, die auch, wie in Seuses Exemplar, mit der Absicht authentischer Überlieferung verbunden sein kann, wurde ursprünglich eine große Zahl der uns bekannten Predigtkompendien als Mustersammlungen angelegt und verwendet. War dies zunächst Aufgabe der lateinischen Sermonensammlungen, deren eine ja Dormi secure'^ heißt, so wurden bald auch deutsche Musterkompendien geschaffen für die Predigt „populo in vulgari". Schon das (fälschlich so genannte) „Speculum ecclesiae" (altdeutsch) ^ Vgl. aber auch Spec. eccl. S. IX; Schönbach I, S. XI ; vgl. vor allem auch rubtiziette Hss., die nachweisbar Predigten verschiedener Autoren enthalten, wobei es nicht ausgeschlossen ist, daß der Schreiber eigene Predigten mit einfügte (vgl. dazu Preger II, S. 91ff.). ' Es wird hier hauptsächlich die Entwicklung innerhalb der eigentlichen Predigtkompilatorik, d. h. innerhalb der Hss. betrachtet, die in großem Umfange Predigten enthalten, die weitere Entwicklung der Erbauungsbücher, die Gebete, Sprüche und katechetische Stücke in größerem Ausmaß mit Predigten in einer Hs. vereinigt, bleibt hier unberücksichtigt. Auch die eigentlichen Sammelhandschriften, die mehrere Einzelkodices in einem Konvolut vereinigen, bleiben außerhalb der Betrachtung. * „Dormi secure" heißt die Sammlung des Johannes von Werden. Hans Fromm deutet sehr humorvoll „Beruhigung für den Pfaffen, der die Samstagnacht nicht mit Predigtvorbereitungen hinzubringen brauchte" (Zum Stil der frühmittelhochdeutschen Predigt, in: Neuphilologische Mitteilungen Bd. LX (1959), S. 406); vgl. auch Wolfgang Stammler, DPhiA II, Sp. 980.
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Untersuchung
aus dem 12. Jahrhundert „sollte . . . als homiletisches Hilfsmittel dienen, was.. aus einigen eingeschalteten Bemerkungen hervorgeht, die nur für den Prediger bestimmt sind, indem sie sich auf die Verwendbarkeit der betreffenden Predigt beziehen"®. Die Homilien des Priesters Konrad werden im Proemium ausdrücklich als Predigthandbuch gekennzeichnet: „. . . in chorbonam itaque, ut legitur, coUectio fiebat sacerdotum et hanc ego quoque coUectionem Christi sacerdotibus ofFero. Christi sacerdotibus dico, qui Christum amant, qui Christum et non se predicant, veruntamen maxime plebeis et popularibus prespiteris et quibus forsan hbrorum copia defuerit, et qui frequentius cum beata Martha circa exteriora soUiciti et occupati fuerint et ob hoc rarius cum beata Maria ad pedes domini sedere, id est sánete lectioni operam dare potuerint; Ita tarnen per onmia, ut quisque speret idem. Quapropter nec latinis verbis editum, quod etiam magistrorum querit ingenium, in ydioma materne lingue prorupi, quo facilius pateat legenti et audienti ejus intuitus . . ." (Schönbach III, S. 3,13—23) und die Texte der Oberaltaicher Sammlung und der Blaubeurer Hs., die überschrieben sind Sermo quando volueris. Sermo quando volueris per Шит annum (Schönbach II, S. 44,33; S. 171,6) und Sermo quando vis (Schönbach I, S. 387,25; 388,4) deuten in dieselbe Richtung. Unsere Sammlung, deren Texte nur in Ar und Ph liturgische Überschriften tragen, widerspricht in ihrer unverbindlichen Anlage eigentlich der eines Predigthandbuches, doch finden sich in einzelnen Handschriften Anzeichen, daß ein solcher Gebrauch nicht ausgeschlossen war. Die Hs. Ar, die zwei Quinternionen umfaßt, wobei wir es „in diesem Falle wohl nur mit den herausgelösten zwei Lagen einer vermutlich ursprünglich vollständigeren, wo nicht vollständigen SG-Hs. zu tun" ® haben, enthält in einer vom Grundschema stark abweichenden Reihenfolge zehn SG-Predigten, von denen sieben durch die Überschrift für bestimmte Tage des Kirchenjahres beansprucht werden. Dabei ordnet Ar die Predigten nicht chronologisch, was uns zu der Annahme verleitet, daß die Rubrizierung erst nach der Textherstellung versuchte, gewisse Texte auf einen liturgischen Termin festzulegen. Es folgen in Ar nacheinander die Nummern Rd. 36 (ohne Überschrift), Rd. 38 = Dominica in adventu domini, Rd. 37 (ohne Uberschrift), Rd. 51 = de nativitate, Rd. 58 = in passione, Rd. 59 = De sancto petro, Rd. (Л = de conversione s. pauli, Rd. 63 = de ascensione, Rd. 39 = de s. stephano und Rd. 40 (ohne Überschrift). Selbst wenn wir für Rd. 59 hier das römische Fest Petri Stuhlfeier (18. Jan.) statt des Festes Peter und Paul (29. Juni) und für Rd. 39 statt des in der Weihnachtszeit liegenden Festes des hl. ^ Gert Mellbourn in der Einleitung seiner Ausgabe des Spec. eccl. S. XXII. ' Lüders II, S. 61.
Rubrizierung und Gebrauch
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Stephan (26. Dez.) das Fest der Auffindung der Reliquien des Ы. Stephanus (3. August) nehmen, wird die Reihe nicht geordneter. Während in Ph die chronologische Festfolge größtenteils eingehalten wird und somit das Fest Pauli Bekehrung (25. Januar) nach Epiphanie (6. Januar) erscheint, das Fest des hl. Petrus (damit deutlich als Peter und Paul markiert) nach dem meist im Mai liegenden Fest Christi Himmelfahrt und das Fest des hl. Stephanus in der Weihnachtswoche, ist die Nummernfolge in Ar von der Rubrizierung unabhängig'. Kann auch der Gebrauch unserer Hs. Ar als homiletisches Handbuch nicht eindeutig geklärt werden, so dürfen wir diese Möglichkeit trotzdem nicht ausschließen, und die Rubrizierung legt sie nahe. Wie stark das liturgische Denken war, beweist die Korrektur des themas von Rd. 50 in G, die offensichtlich im Hinblick auf die damit legitime Verwendung der Predigt an einem Apostelfest geschah®, es beweist auch die einzige und von späterer Hand hinzugefügte Überschrift in derselben Hs. : von allen hailigan (G f. 41 rb; Überschrift zu Rd. 51), ein Hinweis für die Leser, der in diesem Falle auch durch das verderbte und stark mit Abkürzungen durchsetzte thema gerechtfertigt wird®. So wurden allenfalls einzelne unserer Texte als Vorbilder und Muster gebraucht, keineswegs aber die ganze Sammlung. Diese wurde im Kloster in erster ' Zur Möglichkeit der liturgischen Eingliederung aller Texte außer Rd. 57 vgl· oben die Aufstellung zu Ph. Die Zuweisung von Rd. 57 auf das Weihnachtsfest stützt sich auf das mit dem thema in Verbindung gebrachte Evangelium der dritten Weihnachtsmesse Joan. 1,1—14. Das thema lautet: Verbum xpi habitet in nobis bahmdanter. doceatis et conmoneatis uosmetipsos (vgl. Lüders I, S. 228, Fn. 1). Es wird nun so gedeutet : Zwaigir bande gottis aort sunt ir merckin. Ains ist gottes wort, vnde ist got selbe. Daz andir ist ainis iegelichin predieris wort, da^ (ist) von gotte, vnde ist doch niht got. . . (G f. 75 vb) Nu sprichit sanctus paulus. Gottes wort sol wonen in (G f. 76 va) vwiren bercen rilicbe. daz ist da^ lebinde wort. xpc. vnsir herre. von deme sanctus iohannes scribet insinem buche. In principio erat uerbum . . . (G f. 76 vb). ® Zur Änderung des themas von Joan. 15,17 in Joan. 15,12 vgl. oben. Die Korrektur des themas beweist nicht nur dessen deutsche Übersetzung, sondern vor allem auch die folgende Stelle im Text selbst: . . . Also lisit man in ainem andirn (G f. 35vb) ewangelio. Hoc est preceptü meum. (von Rd. S. 164,31 ganz irreführend in Klammern gesetzt) De unsir herre χύ inen spräche, und rette, de ist min gebotte. de ir ain andir minnlt als ich iu geminnet han... (G f. 36 ra). Beachte die originalgetreue Übersetzung im Gegensatz zu der Diskrepanz zwischen Übersetzung und Original am Anfang der Predigt! Ich nehme an, daß ein früher Schreiber in dem Satz . . . unde dix euuangelium lisit man uö den botton... das Wort „Evangelium" liturgisch interpretiert hat, obwohl durch den Folgensatz unde ellú div ewangelia div man uon in lisit. dü sprechint dliu uon der minne . . . (Rd. S. 163,23f.) diese Deutung objektiv unwahrscheinlich ist. Joan. 15,12 ist nicht nur der Evangelienbeginn der Apostelmesse im „Commune Sanctorum", sondern wird auch als Brevierantiphon im „Commune Apostolorum extra Tempus Paschale' verwendet (In I Vesperis und Ad Laudes). ' In G fehlt hier die Initiale. Das thema lautet : Vivi angl'm stante sol (et) с' .v.m. (et) cet'a. (G f. 41 rb).
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Untersuchung
Linie als Meditationsgrundlage, als Anleitung zur „oratio mentalis" und zum betrachtenden Studium des einzelnen verwendet und die Mahnung des Predigers in Rd. 57 kann in diesem Zusammenhang gesehen werden: . . . du ensolt niht t^andiren livtê l ö f f e n . bitten brot. ist also, du ensolt niht allii:^ an andine livte tröstes bedürfen, vnde ir ratis. du solt dich selhin trösten mit gottes morte, da^ du gehörit haest. von dien hailigon. von dien livten. von den botton. von dien brüdirn. von dien prediern. von dem evangelio. da^ lege in din herce. ob du ioch niemir predier gesaehist. in aime iare. odir in ^vain. noh engehortist. das^ du dich seibin lerest. unde manest. du ensolt dar umbe niht ^irgan an tuginden. ob du prediere niht enhast. alse dicke so du mit. du solt dich seibin leren vnde predien tuginde unde gut lebin. vñ hailiges. mach der mesche gnaedicliche gedenchin. tröst an gotte sùchin . . . (G f. 76 va). Wir wissen, welch breiten Raum Meditation und Studium neben dem werk in den mittelalterlichen Klöstern einnahmen, und wir kennen die Werke, die z. B. den Meistern der spekulativen Mystik richtungweisend waren. So schöpfte Meister Eckhart nicht nur aus Florilegien und anderen Standardwerken, sondern auch aus den Werken der Väter selbst, und für Heinrich Seuse galten die Vitae patrum, das Altväterbuch, „als 'nucleus totius perfectionis' (Hör. 175), und die Abtötungen der Anachoreten sind ihm bis ins einzelne vorbildUch gewesen"i®. Für die Mehrzahl der Nonnen und Mönche —· vor allem für die Nonnen — traten sehr bald neben die altüberlieferten Autoritäten deutsche Predigtsammlungen und Erbauungsbücher als Anweisungen auf dem Weg zur Vollkommenheit, aber auch t^e einer underlibi dines gemütes'^^. In dieser Funktion entsprechen unsere Sammlungen teilweise schon dem erst im 17. Jahrhundert ausgebildeten Typ der Betrachtungsbücher. Von dem eifrigen Studium unserer SG-Hss. und der Einrichtung zum Gebrauch zeugen außer den mannigfaltigen Rubrizierungen auch die häufigen Marginal- und Interlinearnotizen in einer Reihe wichtiger Handschriften. In der Handschrift W sind mindestens drei Hände an den Marginalien beteiligt, und bei der Beschreibung der Handschrift N berichtet Eva Lüders (II, S. 46) über die „von zusätzUchen Eintragungen stellenweise Bihlmeyer, Seuse S. 104 Anm. Dieses Buch hat Seuse so hochgeschätzt, daß in seiner Vita berichtet wird, ein Engel habe ihm daraus vorgelesen : Dar na in einer gesibt las^ der enget dem diener ab der altveter bücb also : ein ursprung alter selikeit ist, sich seih still halten und in einikeit (Bihlmeyer, Seuse S. 104,7—9 und Anm.). ^^ Bihlmeyer, Seuse S. 360,5—8; Teil der Überschrift zum Kleinen Briefbüchlein. Vgl. auch S. 405,1—5. Unsere Hs. Ph führt im Kreis des Kirchenjahres den Leser seinem überzeitlichen Ziele zu und die von Wilhelm Wackernagel beschriebene Hs. b ( = Hs. der Baseler Universitätsbibliothek В XI 10 = Quint Ba^) wurde von den Baseler Karthäusern mit Berichtung ¡фт weg der volkomenheit überschrieben (Wa. S. 272).
Rubrizierung und Gebrauch
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geradezu übersäten Ränder, an denen zwei Hände beteiligt sind, deren eine, obwohl bisweilen mit spitzerer Feder, oft flüchtig kursiv schreibend, auf den ersten Blick wie eine weitere, dritte anmutet, doch in allen Fällen dem Schreiber selbst angehört.. . Sowohl paläographisch wie inhaltlich weit geschieden von diesen . . . Marginaleintragungen des Schreibers sind die von zweiter, sehr viel späterer Hand eingetragenen Randbemerkungen". Die Randbemerkungen des Schreibers in N sind, soweit sie am Anfang einer Predigt stehen und daher als Marginaltitel aufzufassen sind, gedruckt^^^ sie stimmen nicht immer mit denen in W überein. Während die Randbemerkungen in W und auch die Marginaltitel in N die Bücher durch kurze lateinische Themaangaben bequemer nutzbar machten, ist das Interesse des frühneuzeitlichen Benutzers von N nicht mehr auf den Heilsgehalt der Predigten gerichtet, sondern von distanzierter wissenschaftlicher Haltung geprägt. Es geht dies weniger aus den über die Hs. verstreuten lateinischen Erklärungen nicht mehr verstandener mittelhochdeutscher Wörter hervor, als vielmehr aus dem zusammenfassenden Eintrag am Beginn der Hs.: Scriptus anno 1372. Continet condones 26, dictas fere ad Religiosos, ut apparet ex locis pluribus, ubi morali:(at de vitiis Religiosorum, eorumque peculiares obligaciones inculcai. Jstud de reliquis concionibus vel confirmât vel infirmât concio vigésima tertia, ad cujus initium in margine adscriptum est — sermo ad claustrales. Jtem ad initium сoneionis 16te in margine — De Religiosi s. Et ad initium 24te — Religionum commendacio. Occurrunt autem in his concionibus varia que mores illius temporis manifestent (ас historiam illustrentDer Eintrag verrät einen Benutzer mit historischem, besser kulturhistorischem Interesse — varia, que mores illius temporis manifestent ас historiam illustrent —, und wir gehen nicht fehl, wenn wir in ihm einen gebildeten, von humanistischen Ideen beeinflußten Laien vermuten. Lautet der mittelalterliche Schreibereintrag päch hat geschrieben Petrus von Trebense ^й den feiten Chappellan dat^ ^elking. Finitus est Uber iste Anno domini M'CCClxxij" in die sancti Willibaldi confessoris^'^, so löst der Bearbeiter nach 200 Jahren nur noch die Jahreszahl auf, nicht mehr das genaue, liturgisch bestimmte Datum, an dem die Hs. beendet wurde: Scriptus anno 1372. Daß dabei abgekürzte Rubra wie sermo ad claustrales labor (antes) mit sermo ad claustrales wiedergegeben werden, bestärkt uns in dieser Ansicht ebenso, wie der für einen Kleriker oder gar für einen Mönch von der Sache zu sehr distanzierte Satz: „(Der Kodex) enthält 26 Predigten, die in der Regel (fere) an Mönche gerichtet sind, wie aus verschiedenen Stellen erheUt, wo er ( = der Prediger) strafend über die Fehler der Mönche Vgl. die Tabelle Lüders II nach S. 48. " Lüders II, S. 46f. " Rd. S. XVII, Lüders II, S. 45. 6
Frühwald, Prediger
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Untersuchung
Spricht (moralizat) und ihre besonderen Verpflichtungen (peculiares obligaciones) einschärft."
An der Rubrizierung in H sind zwei Hände beteiligt: die eines Rubrikators, der nach der Vorschrift des Schreibers die Einzeltexte überschreibt — nach Kern ist es der Schreiber selbst — und die eines nicht viel später anzusetzenden Rubrikators, der ein Inhaltsverzeichnis voranstellt 1®. Während der Textrubrikator kurz den Inhalt des Stücks angibt und nur an wenigen Stellen Angaben über den Umfang und den Wert des Textes macht, so erhebt der Schreiber des Inhaltsverzeichnisses diese gelegentlichen Hinweise zum Prinzip, indem er grundsätzlich den Benutzer über Länge, Wert und Haupttendenz des betreflienden Sermons unterrichtet. Dit sprict van gesteliken leuem ende es en lane sermoen ist die Nummer XIII. in H (Kern S. 309) überschrieben, und im Inhaltsverzeichnis wird daraus lila autem que sursum est, Jherusalem. Dets van der himelscher Jherusalem ende betekent gestelic leuen ; ende es een harde gut sermoen ende een barde lane (Kern S. 178,16ff.). Wenn sich der Schreiber von H zu solchen subjektiven Stellungnahmen veranlaßt sieht, dann muß die lange Predigt schon harde lane sein und die gute Predigt schon harde gut'^^. Der Textrubrikator scheidet dabei sauber in sermoen und buee, in Predigt und Traktat, während das Inhaltsverzeichnis alle Texte als Predigten anspricht — schon die Überschrift lautet ja Htr vint mi alle de sermone van den bueke (Kern S. 177) — und die Gattungen teilweise sorglos vermischt. Im Text sind z. B. die Nummern Kern XXXI ( = Rd. 60), XXXIX, XL und XLIV als Traktate gekennzeichnet, während sie im Inhaltsverzeichnis jeweils sermoene genannt werden. Dets dbuee van den palmboeme steht über Rd. 60 in H (Kern S. 439) und offensichtlich in der Freude, einen bekannten Text zu finden, schreibt der Inhaltsrubrikator Dixi : Aseendam in palmam. Dets der palmboem, ende es der beste sermoen van den buke ende harde lane (Kern S. 179,31 ff.). Beide Bezeichnungen stellt er etwa in Kern XXXIX nebeneinander : Got hi mut ons allen gruten. Dets dbuee van den boegarde, ende es een harde geestelie sermoen ende een eort (Kern S. 180,22ff.), während die Textüberschrift lautet: Dits dbuee van den boegarde (Kern Vgl. Kern S. 1 ; zur Scheidung von Inhaltsverzeichnis und Text vgl. Lüders II, S. 53. — Die ganze Kompilation H beschreibt ausführlich Stephanus Axters, Geschiedenis van de Vroomheid in de Nederlanden, Bandii, Antwerpen 1953, S. 138— 149. Hier findet sich auch ein Uberblick über die bisherige niederländische Literatur Zu den Limburgsen Sermoenen. Zur Auseinandersetzung mit dieser Literatur vgl. auch Lüders II, S. 50, Fn. 3, S. 51, Fn. 1. Vgl. dazu Kern Nr. XIX : Dit sprict van s. Paulus bekeringen ende es een gut sermoen (S. 384) und im Inhalt: . . . Dets van Sente Pauwels bekeringen ende es een harde gut sermoen ende een cort (S. 178 f.). Vgl. auch die Überschriften zu Kern Nr. X V und XLV.
Rubrizierung und Gebrauch
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S. 538)1'. EJ ist anzunehmen, daß für den späteren Schreiber sermoen nicht in strengem Maße als Gattungsbegriff gilt, sondern auch den predigthaften Tenor eines der Gattung nach als Traktat zu bezeichnenden Textes wiedergibt Die Längenangaben im Inhaltsverzeichnis umfassen die folgende Skala: = akcort (z. B. Kern XXIII, XXIX, XXX), cort (z. B. Kern I, VIII, XVIII), lane (ζ. В. Kern III, IX, XV), te moten lane (ζ. Б. Kern IV, V, VI) und barde lane (ζ. В. Kern XI, XIII, XXXI), sie sind für den Gebrauch der Texte im Kloster wertvoll. Der Schreiber des Textes und der des Inhaltsverzeichnisses gehören wohl derselben Gemeinschaft an, denn der Bezug auf Nonnen, der bekanntlich in G hervortritt, ist für männliche Leser abgeändert, und auch im Inhaltsverzeichnis wird auf die Brüder im Kloster angespielt: Mi lest in Apoealipsi. Det sin de twelf vrogte, ende es een orberlie sermoen als de brudere onsen Here suln ontfaen, ende es lane (Kern S. 180,25ff.)". Da unsere Predigten in H damit für das klösterliche Leben berechnet waren, so erübrigt sich für uns eine Diskussion von Thesen, wie sie sich an die unterschiedliche Länge z. B. der Texte des frühmhd. Speculum ecclesiae geknüpft haben Sicher richtig ist aber dort die Annahme Schönbachs — und sie wird in unserem Fall durch die Längenangaben des Rubrikators gestützt —, daß die Länge der Predigt in Beziehung zu ihrer Verwendung steht. Ob der Text als Muster für eine zu haltende Predigt genommen wird, ob er als Anleitung zur Meditation oder zur Erbauung dient, immer ist seine Länge zusammen mit einer Empfehlung und hin und wieder einem Hinweis auf seine hauptsächliche Tendenz für den Benutzer wichtig. Wertvoll ist die Angabe der Länge aber auch für einen bevorzugten Gebrauch der Predigtbücher in Klöstern: für die außerliturgische Gemeinschaftslesung, und dafür wurden die mittelalterlichen Handschriften bis tief ins 17. Jahrhundert hinein verwendet. Franz Jostes gab im NJb von 1884 Proben aus einem Predigt-Kodex des späteren 15. Jahrhunderts. „Das erste Blatt (der Hs.) ist wahrschein1' Vgl. auch Kern S. Ъ9,2·. Detsdhue!:vandeng,esíelekenmnkeÍrenTíáK.eTnS. 180,34ff.: Ay sute jomfrouiven van jherusalem! Dets dbuec van den winkelre, ende es een barde geestelic sermoen ende een barde tane. Deutlich und ausschließlich Gattungsbegriff ist Sermon dagegen in der Hs. U, w o der Schreiber auf Predigten innerhalb der Sammlung, die auch andere Stücke enthält, z. B. den durch nota hervorgehobenen katechetischen Text Rd. 43 (Lüders I, S. 240) aufmerksam macht; als sermo werden in U z. B. bezeichnet: Rd. 61, 62, 63, 68, 69, 70, 71 etc. Zu der sich an diese Feststellung anschließenden Kritik an P. C. Beeren, De Twaalf Vruchten van de Eucharistie en het Veertigste der Limburgse Sermoenen Ts. 71 + Ts. 72, vgl. Lüders II. S. 56, Fn. 1. "" Vgl. Spec. eccl. S. X X V und die dort angegebene Literatur.
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Untersuchung
lieh erhalten: es enthält den Anfang einer Predigt ,In die nativitatis domini nostri Jesu Christi', und da die Predigten nach dem Kirchenjahr geordnet und die vorliegenden sämmtlich Festtagspredigten sind, kann wenigstens nicht viel vorhergegangen sein. Nun trägt aber dieses Blatt die Ziffer CIX . . . (CIXL). Daraus können wir mit ziemlicher Sicherheit schließen, daß wir hier den zweiten Teil einer großen Sammlung von Sermones de tempore et de sanctis vor uns haben." Diese Predigtsammlung, deren Vorlage nach den von Jostes angegebenen Stilmerkmalen und auch nach dem Stil der abgedruckten Probe etwa ins 13. Jhd. zurückzudatieren ist, enthält „Spuren des fleißigen Gebrauchs .. : mindestens bis ins 17. Jahrhundert hinein ist in irgendeinem Kloster aus diesem Buche vorgelesen worden. Denn eine Hand jener Zeit hat am Rande bisweilen dem Vorleser oder der Vorleserin einen Fingerzeig gegeben durch Bemerkung: hyr leset an — hyr holdet up"2i. Die „gemeinsame außerliturgische Schrift- und Väterlesung" in den Klöstern des Mittelalters, die als „collatio" bezeichnet wird, hat ihren Namen von den zunächst ausschließlich verwendeten Collationes Patrum des Johannes Cassianus. Sie schlossen sich regelmäßig an die Hauptmahlzeit an und nahmen schon bald auch andere Erbauungsschriften zur Grundlage, die vom Ordensoberen, vom Beichtvater usw. erläutert wurden Statt der Lesung konnten auch unter Leitung des Lektors Fragen des seelischen Lebens erörtert und disputiert werden, wofür Meister Eckharts „Reden der Unterscheidung" beispielhaft sind In unserer Hs. Ph hat eine erheblich spätere Hand als die Texthand am Rande der Nr. Rd. 46 eingetragen: dyt soll men in dem Reiffender leissen^* und den Text damit als „collatio" empfohlen. Rd. 46 ist als Franz Jostes, Westfälische Predigten, in: NJb X (1884), S. 44. Vgl. A. Sturm in: LThK III (1959), Sp. 3. Vgl. Bihlmeyer, Seuse S. 47,21 Anm. Wir dürfen annehmen, daß die Tischreden allmählich aus den Erläuterungen zu den Lesungen entstanden sind, so daß schließlich in der Scholastik eine kurze Predigt, eine Ansprache als „collatio" bezeichnet wurde. Vgl. etwa Rd. Nr. 19, S. 56,26 f. : Lob und ere und dank st dem an dirre collackne der vol ist gut i und aisshait und aller süssekait. . . Umfangreichere Vorarbeiten über die mittelalterliche Collatio, die eine Untersuchung der mhd. collacien sehr erleichtern würden, fehlen bisher; vgl. Charland a. a. O. S. 224, Anm. 1 : „La Collatio n'a pas encore été l'object d'une étude exhaustive" (zitiert von Joseph Koch LW IV, S. XXVIII Anm. 1). Vgl. aber die Literaturangaben bei Charland, ebenda und jetzt bes. die umfangreichen Erläuterungen von Josef Quint zu Theorie und Praxis der Collatio: DW V, S. 171ίΤ., S. 312 Anm. 1. Hier findet sich u. a. auch der Nachweis, daß der bekannte Satz aus der Überschrift der RdU dô sie sazen in collationibus mit einander (DW V, S. 185,6; RdU S. 5) offensichtlich einen terminus technicus wiedergibt, „wenn man die aus der Regula S. Isidori zitierte Wendung .Sedentes autem omnes in CoUatione' vergleicht . . ." Lüders III, S. 176; Reiffender = reventer = lat. refectorium, d. h. der klösterliche Speisesaal.
Rubrizierung und Gebrauch
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Tischlesung geeignet. Wie schon oben (S. 69) angedeutet, besteht der Text aus zwei Teilen, einer sehr kurzen Anweisung zum Tugendleben, die einführend gelesen werden konnte, während sich an die folgende Zitatenkompilation eine Disputation oder Erläuterungen durch den Lektor ohne weiteres anschließen ließen; auch beide Teile zusammen überschreiten aber den Umfang einer Collatio nicht. Ebenfalls eine jüngere Hand hat auf f. 2 ν eingetragen: Yn desem buch stejt der sermon des Vierden sondags in dem adrnnt misermt iudei. diesen sal men in dem Reijfender dieser gelesen werden, dat ander mrdt all in dem werckûs gelesem (Coveney S. 54), woraus hervorgeht, daß auch umfangreichere Texte für die Tischlesung verwendet werden konnten, daß aber andererseits das Refektorium nicht der einzige Ort gemeinsamer, außerliturgischer Lesungen war, daß eben auch im mrkhüs vorgelesen wurde Für solche Lesungen ersparten natürlich liturgisch angeordnete Sammlungen dem Lektor die Mühe der Textauswahl und nach den Eintragungen in die Hss. Phill. 528 und 626 Vur der bruder refenter (Priebsch I, S. 45) und Inn der broder Reventer (Priebsch I, S. 60) waren einzelne Bücher für die Tischlesungen reserviert Zusammen mit der schlichten Anlage erweisen die Marginalien und Interlinearnotizen unsere Handschriften als Gebraustexte. Als Beispiel für viele seien nur die Handschriften U und W erwähnt. „Durchblättern wir noch einmal" schreibt Eva Lüders (I, S. 224) „unsere so anspruchslos ausgestattete Hs., deren kunstlose rote Initialen und Durchstreichungen keine Verzierung, sondern nur eine Augenfälligkeit der sinngemäßen Textabsätze bezwecken, so wiU sich im Gesamteindruck die Annahme verstärken . . . : daß U nämlich höchstwahrscheinlich aus einem Mannskloster stammt, das wir uns wohl kaum als wohlhabend vorstellen dürfen und das wir, der Mundart der Hs. zufolge, im ostsaalischen Raum zu suchen haben werden." Auch in W bezeugt außer den Randbemerkungen die Ausstattung der Hs. ihren Gebrauchscharakter, denn sie ist in „flüchtiger Buchschrift" geschrieben mit „einfachen z. T. ein wenig verzierten roten Anfangsbuchstaben, roten Haken und Strichel" (Menhardt, Verzeichnis S. 141). Nur eine scheinbare Ausnahme bildet die Hs. A, worin wir nach Rieder (S. XII) ein „Prachtstück kalligraphischer Kunst des Mittelalters" zu sehen haben und die auch Wilhelm Wackernagel anziehend ^^ Zum mrkhüs vgl. Bihlmeyer, Scuse S. 415,19 Anm. und die dort angegebenen Stellen aus den Viten von Töss ; dat ander . . . ist die zweite in Ph enthaltene Predigt auf den 4. Adventssonntag „Vox clamantis in deserto . . ." = Ph 11. Eventuell gehörte unsere Hs. Ph später mit den Hss. Phill. 528, 626 und 647 in dasselbe Kölner Kloster (vgl. Priebsch I, S. 64), keinesfalls aber war sie wie Phill. 528 und 626 ausschließlich zum Gebrauch im Speisesaal bestimmt.
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Untersuchung
nennt „... besonders auch durch die liebende Sorgfalt, welche sichtlich auf die Anfertigung verwendet worden" (Wa. S. 262)®'. Auch A ist aber Gebrauchstext, nur statt für den täglichen Gebrauch im Kloster als Andachtsbuch für eine geachtete und wohlhabende Bürgersfrau und daher liebevoller geschrieben und ausgestattet. Der Reichtum ihres Inhalts begründet die vielseitige Verwendbarkeit der SG-Sammlung vor allem im klösterlichen Bereich und damit ihre Beliebtheit, ihre Verbreitung, ihre Stellung als „klösterliches Standardwerk". " Vgl. dazu auch Lüders II. S. 69.
в. DAS ORIGINAL: UNTERSUCHUNGEN ZU THEMATIK UND GEHALT
Thematische Gruppierungen Aus der unverbindlichen Folge unserer Predigten in der Kernsammlung heben sich, in zahlreichen Handschriften schon durch die Überschriften markiert, thematische Gruppen heraus, die kennzeichnend sind für die geistige Haltung und die Kompilationsabsicht des Sammlers. Die in den folgenden Kapiteln gegebenen Hinweise auf die Autoritäten in der SG-Sammlung sollen mithelfen, den theologischen Hintergrund aufzuhellen. — Die Rubrizierung, welche mit dem Gebrauch der Handschriften so eng zusammenhängt, wie es das vorhergehende Kapitel erwies, entspricht meist der Thematik des Textes. Drei Typen von Überschriften lassen sich den SG-Handschriften entnehmen: 1. ein liturgischer, wie ihn besonders Ar und Ph belegen, 2. ein nur registrierender, wie ihn meist Ζ repräsentiert und 3. ein annähernd kommentierender Typ, wie ihn vor allem Η und А zeigen. So ist z. B. die Predigt Rd. 39 in Ar überschrieben de s. stephano und entsprechend in Ph vä sent stephäe. Diese Form Von see Stephane findet sich außerhalb einer liturgischen Ordnung auch in Z, während Η präziser als A f = Von mänger hand regele) kommentiert: Dets van gestelihen ende vangordenirden leuem^. Oder ein anderes Beispiel: die Predigt Rd. 58 ist in Ar rubriziert In passione, in Ph Van dem Ijde vns here, Ζ gibt lediglich die ungefähre Schriftstelle an Dise wort sprichit ein wissage, während H wieder das Thema genauer als A (= Von mänger hande Schrift der mentschait) umreißt: Dit sprict van agt lessen die ons Jhesus Cristus screep. So läßt sich in vielen Fällen schon an den Überschriften erkennen, welches Thema der mittelalterliche Schreiber und Rubrikator in dem von ihm gestalteten Text behandelt sah, und es lassen sich daraus thematische Einheiten festlegen, die für die gehaltliche Wertung der Sammlung von Bedeutung sind. 1 Vgl. Rd. S. 109,4 Lesarten; Lüders III, S. 174; Kern S. 196. a Vgl. Rd S. 248,1 Lesarten; Lüders III, S. 179; Kern S. 365.
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Untersuchung
Als erste, weil durch fast gleichlautende Überschriften bezeichnete Gruppe fällt dabei die der M a r i e n p r e d i g t e n auf. Sie umfaßt die Texte Rd. 47—49, 55, 64 und 69. Fünf dieser sechs Predigten hat die Handschrift Bj als eine geschlossene Gruppe übernommen, während die hier fehlende sechste Marienpredigt = Rd. 49 der Bj ergänzende Kodex Bj enthält. Übereinstimmend enthalten die Titel dieser Predigten die im Mittelalter für Marienpredigten stereotyp gebrauchte Formel Von unser vrowen. Rd. 64 ist z. B. überschrieben in A Von unser vromn (Rd. S. 293,5), in Ζ Von vnserre vrowen (ebenda Lesarten), in Η Dets van onser vroumn, ende geltet hare eenre mngartreuen (Kern S. 400), in Bj Op onser vroum lichmus sermoe (NJb X, S. 8), W trägt f. 90ν die Überschrift — übrigens die einzige Überschrift in W—-.De btä maria und der Marginaltitel in N lautet de beata virgine (Lüders II nach S. 48). Von den sechs Marienpredigten ist Rd. 49 in der Hs. Ζ nicht schon im Titel auf Maria bezogen®. Die Überschrift in Ζ von dem paradjse ist dem lateinischen thema oder dessen anschließender deutscher Übersetzung entnommen, wobei der wenige Zeilen später folgende Bezug auf Maria unberücksichtigt blieb: Plantauerat autem deus paradjsum uoluptatis aprincipio. Disiv wort lisit man in dem erstin bûche der hailigm schrifte. vñ sprichit herre moyses. Got hat gepflanv^ot ain paradjse uon anegene der weit und indem paradjse het er gebetet aine mentschin. (G f. 31 vb) uñ den mentschin hat er smdirliche geschaffin. Disiu wort sint wol ^emerkinne an die uroide richun mariä. diu de gewaere paradjse wa^ des oberostin gottis . . . (G f. 32ra)^. Der Titel in Ζ fügt sich der oberflächlichen und meist der ersten Textzeile entnommenen Rubrizierung ein. Rd. 44 etwa beginnt in Ζ Unser herre sprichit dvrch des wissagen mvnt jsaias Dicite filie sjon ecce rex tuus ueniet tibi. . . und ist demnach überschrieben vns^ h're (Wa. S. 98,1 Lesarten), Rd. 51 beginnt: Uldi angelum stantem in sole etc. v. m. et cetera. Disiv wort scribit sanctus Johannes in apocalipsi. . . und ist überschrieben (Wa. S. 111,1—3), Rd. 53 beginnt: HEc est enim voluntas dei sanctificatio vestra. Disiv wort sprichit Sant Paulus Gottis wille ist ivwir heilikeit. . . und ist überschrieben Dise wort sprichit Sant Paulus (Wa. S. 119,1 f.) und, um ein letztes Beispiel anzuführen, Rd. 58 beginnt in Ζ : DO minus narrabit in scripturis populorum. Disiv wort sprichit ^ Überschriften in A Vonúnser vrowen (Rd. S. 156,1); H Dets van onser vrouwen wiest Got macde (Kern S. 243) ; B j Dit is van onser vrouwe me si got macten van anbeghin der rnrlt (NJb X, S. 26); St Von vnser lieben frowen (Bihlmeyer S. 90; Rd. 49 ist in St mit Rd. 55 zusammengeschrieben). Vgl. U : . . . Dese wort sit wol c^» merken ander vroudenrichë marie dy dasgew'e paradise was des obirstengotes . .. (Lüders I, S. 242); H : . . . Dese wort sin wale te merckene ane die selege Maria, die dat gewarege paradis was dis ouersten Gots. . . (Kern S. 243,8f.); B j : . . . Dese waerde syn wael te merken an die satige Maria die dat waer paradys was des он'sien gades . . .(NJb X, S. 26).
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der ivissage dauid. . . und ist überschrieben Dise wort sprichit ein wtssage (Wa. S. 127,1 f.). Rd. 62 hat der sicher nicht mit dem Schreiber identische Rubrikator überdies ohne jeden erkennbaren Grund fälschlich Von vnser vrowen sant Marien (Rd. S. 282,1 Lesarten) überschrieben®. Ein Rd. 49 ähnlicher Text findet sich auch in der Hs. von Arnswaldt 3142 ( = ms. germ. 4» 1085) f. 226r—244r6 und ist dort überschrieben Dit is её geistelick bongart. Das thema stimmt zu dem von Rd. 49 = Gen. 2,8 „Plantaverat autem Dominus Deus paradisum voluptatis a principio, in quo posuit hominem quem formaverat", doch aus der gegenüber der SG-Fassung erweiterten Übersetzung und Interpretation des themas wird die Überschrift sofort verständlich: God heuet geplant een paradys van begjne der merit ja enen bongaert der genoechten ende heuet daer in gesät ene mensche die hi Sonderlinge gescape heuet dat is die sue te moeder gades die desë bongart plante eñ regeren sal. eñ behoedê voer venyde dieren eñ oncruyt. want die suete moeder gads is gehet tè bongaert vol aire genoechdê... (NJb Χ, S. 22). Aus diesem Incipit geht hervor, daß der Text in der Hs. V. Arnswaldt 3142 nur sehr entfernte Ähnlichkeit mit dem in v. Arnswaldt 3144 und so mit dem SG-Text hat. Der SG-Text deutet nämlich drei Worte des themas „deus", „paradysus" und „homo" und nur der mittlere umfangreichste Teil, der „paradysus" = Maria setzt, berechtigt uns dazu, von einer Marienpredigt zu sprechen. Die drei Teile des Textes werden so eingeleitet: a) Nu merkint drú dine an dem erstin worte da er sprach, got. Wir hören got dike nemmìn. uñ hören uil uon im sagen. Wc abir got sie. des enwiv(p(in wir niht. Dai^ wort got. de het drie betütunge. Der brinnende got. Der creftige got. und der lúhtende got... (G f. 32ra). b) Nu merkint uírba^ de andir wort de er spriehit. Got hat gepflan^ot •ain paradyse. Paradyse sp'ehit reht ain gart der wolluste. De wort sulnt ir uirstan an die selderiehun mariam. die únsir herre het gepflani^et. uon anegenge der weit, du ist gnant ain sehönir gart der wolluste. Wie ist (sie) ain gart der wolluste. Da^ sulnt ir also uirstan. ir der uattir uon himilriehe geret. Ir geret sin liebir sun ihc xpe. Ir gert der hailige gaist. . . (G f. 33ra). ® Zu Rd. 62 vgl. unten S. III. Es würde sehr gut in das Bild dieses flüchtig und mechanisch arbeitenden Rubrikators passen, wenn er wieder den Titel der ersten Textzeile entnommen und dabei nur aus dem Wort vrâu/n den falschen Schluß gezogen hätte: Man vant in allen landen undir wiben dekaine vrówn so schöne, so hern Jobis tohtira waren drie ...{Gl. 97va). Ebenso Ζ nach Rd. S. 282,2 Lesarten; ebenso U Lüders I, S. 230, Sa Ruh S. 61 Nr. 28, geringfügig abweichend Ph Lüders III, S. 178, ebenfalls mit kleineren, aber anderen Abweichunegn als Ph, Η Kern S. 392,18f., stärker abweichend A Rd. S. 282,2f., ebenfalls abweichend die von Ruh, Bonaventura S. 150 angegebene Parallele. » Nach Reifferscheids Beschreibung NJb X, S.22; vgl. auchLüdersI, S.243, Fn.l.
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с) Nu merckint vúrba^ er hat gesprochin. got hat gepfla(n)^ot ain paradjse der Wollüste uor dem anegenge der mite, m indem paradjse hat er geheittit aine mentschin. vñ den mentschin hat er smdirliche geschaffin. Nu merkint wer der mentsche ist. den er smdirliche hat geschaffin. e^ ist sin liehir sun ihc xpc. den hat er wol sundirlicher geschaffin. denne er ie mentschin geschuphe. Wie ist er ahir sunderliche geschaffin. de ist er daran, de er got und mentsche ist. . . (G f. 35ra). A n c) wird nun deutlich, daß sich die beiden Texte wesentlich exegetisch unterscheiden. Während die SG-Fassung Maria als den „hortus deliciarum" den garten der wolluste und demnach den Menschen, den Gott in diesen Garten gesetzt hat, als ihren Sohn Jesus Christus deutet, bezieht der Einzeltext auch den 2weiten Teil des themas auf Maria. Der letzte von Alexander Reifferscheid mitgeteilte Satz des Incipit stimmt dann wieder mit der SG-Fassung überein, da H und mit ihr sicher auch Bj (eventuell alle mnl.-mnd. Texte) stiAt garten der wolluste übersetzen: Paradjs dat sprict een boegart der genuchden. Dat wort suldi verstan an die selege Maria, die onse Here heft geplant vor din beginsele der mrelt. . . (Kern S. 246,6—8 entspricht b). Damit aber sind wir im Bereich der weitverbreiteten Baumgartenallegorien, die eine gesonderte Untersuchung erfordern®. ' Vgl. Isidor, Etym. XIV, III, 2: „Paradisus est locus in orientis partibus constitutus, cuius vocabulum ex Graeco in Latinum vertitur hortus: porro Hebraice Eden dicitur, quod in nostra lingua deliciae interpretatur. Quod utrumque iunctum facit hortum deliciarum; est enim omni genere ligni et pomiferarum arborum consitus . . ." Zur Deutung des „hortus deliciarum" auf Maria vgl. Bernhard von Clairvaux: „Hortus plane deliciarum, quem non modo afflaverit veniens, sed et perflaverit superveniens auster ille divinus, ut undique fluant et effluant aromata ejus, charismata scilicet gratiarum . . . (PL 183, Sp. 441 B). ® Es ist streng zu scheiden in die Darstellungen, die Maria in allegorischer Exegese einen „Baumgarten" nennen, wie etwa die oben beschriebene Nr. Rd. 49 in H, wo bongart vol aire genoechdë und boegart der genuchden das „paradysus (voluptatis)" des themas übersetzen oder wie die Nrn. Kern XLVI und Rd. 16 auf das thema Ortus conclusus est etc. (Cant. 4,12) {Dese antypbene sinct die heilige Kerke int ere der hoger Vroumn . . . Kern S. 626,7 f. Dese wart sprict Salomon, also dasse sie besloten boegart ende besigelt borne . . . Kern S. 626,28 f. Dat s der besloten boegart ende der besigelt borne, dar m Ы rerstaen Marien, de müder ons Heren. Sis der boegart dar alle boeme van allen dogden in sin geworfelt ende geplant. . . Kern S. 631,28—31), und in die bekanntere Baumgartenallegorie, die aus ms. germ 4° 191 in v. d. Hagens Germania II, S. 303ff. gedruckt und von Preger II, S. 51 f. besprochen wurde. Dieser „Baumgarten" ist verwandt mit dem Palmbaumtraktat, da hier „die geistliche betrachtung an einen wasserdurchrauschten baumgarten mit sieben bäumen anknüpft, auf deren jedem ein vogel nistet, während unter ihnen je eine blume aufsprießt" (Strauch, PBB 48, S. 348). Der Text wird von dem Herausgeber Bormann Konrad von Weissenburg zugeschrieben, was Preger (II, S. 51, Anm. 2) bestätigt, Strauch aber (PBB 48, S. 348) als voreilig zurückweist. Schon Preger weist (II, S. 51, Anm. 1) auf einen weiteren Baumgattentyp „Geistlicher Leute Baumgarten" in cgm. 210 „und dann noch in mehreren
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Rd. 38 ist in A überschrieben Von unser vromn und únserm hern und wir müssen diesen Text, dessen zweiter etwas kürzerer Teil marianisch geprägt ist, bei den Marientexten mit berücksichtigen. Es wird nämlich das luna des themas Erunt signa in sole et luna et stellis auf Maria, die Mutter des Herrn gedeutet: An deme manen sun deh s^aichin geschehin. da^ ist vnsir vröwe. An drin dingen ist si dem manen gelich. Da^ erste ist swat^ er liehtis hat. da^ hat er von der sunnen. Da^ and' ist. er ist ain lieht in der naht. Dav;^ dritte ist. er ist gematne . . . (G f. 9rb)®. Handschr. des 15. J." hin, der „Anweisungen und Gebete enthält und unser Gebiet ( = ms. germ. 4° 191) nicht berührt", ein Typ, den A. E. Schönbach untersucht, seine Nachforschungen aber, die ergaben, daß es sich dabei um ein „Mosaik aus den Schriften Davids von Augsburg und Bertholds von Regensburg" handelt, nicht abgeschlossen hat. Vgl. dazu vorläufig die Hss.- und Literaturangaben von Philipp Strauch PBB 48, S. 348, Anm. 4. Ebenda unterscheidet Strauch unter dem Titel „Der geistliche baumgarten" einen anderen Typ, einen Traktat mit „zahlreichen excerpten aus Seuses Buch der ewigen Weisheit"; (vgl. dazu die Hs.-Angaben ebenda). Vgl. dazu folgendes Zitat aus Seuses „Büchlein der Ewigen Weisheit": . . . Herre, sol mich ermäten, oder aa^ sol mich uf enthaltend Entaùrt der Ewigen Wisheit : Da soll du dich dik ergan in disen schönen wmneklichen böngarten mins geblümten lobes . . . (Bihlmeyer, Seuse S. 313,5—7). Unter den bei Strauch noch näher zu bestimmenden Handschriften enthäh Trier, Stadtbibl. Hs. 2017 auf f. 168—180 sicher dieselbe Baumgartenfassung wie unsere Hs. H. Die Trierer Fassung ist überschrieben Ein verrvent bongart eyns geistlichen hert^en und beginnt Got de mois ons alle groissen (A. Becker, Die deutschen Hss. S. 58 Nr. 13), in H ist die Nummer Kern XXXIX, S. 538 überschrieben = Dits dbuec van den boegarde und beginnt Got hi mute ons allen gruten mettin engte Gabriele, dar Marie mede gegrut ward duese eruült wart mettin heiigen geeste (Kern S. 538,5—7). Dieser Baumgarten hängt typenmäßig mit den „Geistlichen Kloster" zusammen, was aus folgender Stelle erhellt : Bi dien radie ν allen di mint, dat gi Gode mint met bernender minnen ende mact hem in ν herte enen edelen boegart, dar hi gerne in wandele ende beste dat wale rtkende ende dat wale smakende crut der doegäe . . . (Kern S. 538,25—28). Ein Hinweis zur Autorenbestimmung einer der Baumgartenallegorien Ruh, Bonaventura S. I I I . Korrekturnotiz: Erst während der Korrektur konnte ich Wolfgang Stammlers Aufsatz „Der allegorische Garten", in : Hart, warr nich mööd, Festschrift für Christian Boeck, Hamburg I960, S. 260—269 einsehen. Im Anschluß an die Edition einer mit keiner unserer Fassungen zusammenhängenden Baumgartenallegorie (Dit js der geistliche bongart, dair dat lieffJhesusgen ingaen sal speien) aus dem cod. В VI 2 der Hofbibliothek zu Donaueschingen, gibt Stammler hier einen kurzen Überblick über „den weiten Kreis der Garten-Allegorie" im Mittelalter. Für uns kommen hier bes. die Angaben über „Den Baumgarten der geistlichen Herzen" und „Das Buch vom Baumgarten" (S. 262; 267, Anm. 24—27) in Betracht. Dabei ist der erstere identisch mit Strauchs „Geistlicher leute baumgarten" und die beiden von Stammler (S. 267, Anm. 26) angeführten Handschriften sind bereits von Strauch (PBB 48, S. 348, Anm. 4) verzeichnet, die Angaben zu „Dem Buch vom Baumgarten" (S. 267, Anm. 27), wozu Stammler außer Kern Nr. XXXIX vier weitere Handschriften anführt, bestätigen nun unsere Annahme, daß die Hs. 2017 der Stadtbibliothek Trier identisch ist mit der genannten Nummer bei Kern. ' Die Deutung Maria = luna ist im Mittelalter sehr verbreitet. Zugrunde liegt aber meist nicht der Evangelientext des 2. Adventssonntages, sondern Cant. 6.9:
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Diese Marientexte sind nun innerhalb ihres äußerlich gleichen Themenbereichs voneinander sehr unterschieden. Rd. 47 und Rd. 69 können als Pole der Gruppe gelten. Rd. 47 führt in A mit Recht die Doppelüberschrift Von ünser vrowen und von haiigem leben (Rd. S. 146,9), denn diese Predigt auf das thema Eccli. 24,14 Et inhabitatione sancta coram ipso ministraui^'^ bringt konkrete Ausführungen : „Quae est isla quae progreditur quasi aurora consurgens, pulchra ut luna, electa ut sol, tetribilis ut castrorum acies ordinata ?" Vgl. dazu etwa Spec. eccl. S. 93,30—94,8, liier ist luna so gedeutet: Do si ( = Maria) do gote ir magetöm uersalte do er seein si same div liebte maninne. Der mane lûhtet âne hizZ', lúhtet si uröwe âne hizxß uleislicher girde (94,1—3). Vgl. auch Schönbach III, S. 213,31 ff.; bes. S. 214,33—215,1 ; Par. an. S. 83,32ff.; bes. S. 85,33—86,4; diese beiden Deutungen (Schönbach + Par. an.) sind einander ähnlich, da beide an die gegenüber den Sternen größere Leuchtkraft und an die Phasen des Mondes anknüpfen, in der jeweiligen Ausführung dann freilich eigene Wege gehen. Zur ersten Bestimmung des Mondes in Rd. 38 vgl. u. a. Isid. Etym. III, 53: „De lumine lunae: Lunam quidam philosophi dicunt proprium lumen habere . . . Alii e contra aiunt lunam non suum lumen habere, sed solis radiis inluminari. . ." Hugo V. St. Victor (PL 177, Sp. 151 CD): „. . . Luna lumen habet a sole; de nocte lucet recedentibus aliis; inferior est et propior terrae aliis; recedente sole, sola dat lucem noeti, maculam habet, quae quanto videtur clarior, tanto macula est major; rotunda est, quandoque corniculata, per tempora crescit et decrescit, cito explet cursum suum, permagna est, et tamen parva videtur. . ." Zu der zweiten und dritten Bestimmung werden im Text selbst jeweils die Quellen angegeben : Also sp'chit. s. B'nhart. Fröive du bist ain geivaere mane der da lúhtet in der naht.. . (G f. 9va; vgl. Kern S. 193,33f.). Im Wortlaut konnte ich die Stelle bei Bernhard nicht nachweisen, ähnliche Stellen sind bei ihm aber häufig; vgl. etwa: „An non etiam Virgo dies? Et praeclara. Rutilans plane dies, quae procedit sicut aurora consurgens, pulchra ut luna, electa ut sol. . . (PL 183, Sp. 444A); vgl. auch PL 183, Sp. 442 f. u. ö. und: Also spricbit. s. ¡ob's. Fröwe du bist der mane der da gemainlicbe lúhtet... (G f. 9 va; vgl. Kern S. 194,15f.), ein außerbiblisches Zitat, als dessen Autor Kern Johannes Chrysostomus vermutet (Kern S. 194,15 Lesarten). Zu G f. lOra: Der mane ist daz naebiste gestirne deme ertriche. . . (Kern S. 195,18) vgl. oben Hugo von St. Victor und Par. an. S. 85,35 : . . . daz be de nidirsteplanete i s t . . . Die Predigt ist auf kein Marienfest eindeutig festzulegen, da Eccli. 24,14—16 an zahlreichen Festtagen zwischen Lichtmeß und Advent als Lectio und auch im Commune festorum Beatae Mariae Virginis des Breviers als Capitel gelesen wird. Die Hs. B j überschreibt Rd. 47 Бё s'moen vä d' baetscop onser vrouwe (NJb X , S. 8) und legt damit den Text auf den 25. März, das Fest „In annuntiatione Beatae Mariae Virginis" {baetscop = Botschaft) fest; weder inhaltlich noch liturgisch läßt sich aber diese Überschrift rechtfertigen. Die Lectio am Feste Mariae Verkündigung ist nicht Eccli., sondern Is. (7,10—15) entnommen. (Vgl. dazu etwa Guerrici abbatis. De annuntiatione domini. Sermo III auf das thema Is. 7,13f. PL 185, Sp. 124ff.). Die Predigt Rd. 55 ist in derselben Hs. ebenfalls für den 25. März bestimmt: Von onser vrouwi baetscap se'moe, was in diesem Fall liturgisch durch das thema begründet ist, das den Anfang des Evangeliums vom Feste Mariae Verkündigung bildet (Luc. 1,26—38). Während Rd. 69 und Rd. 48 in B j keine liturgischen Titel tragen (Oee van
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1. über die Gesinnung, in der Mühe und Kummer eines geistlichen Amtes zu ertragen sind (G-Text Rd. S. 147,21 ff.) und 2. über die Ordnung eines heiligmäßigen Lebens (Rd. S. 148,25 ff.). Wir können die Tendenz der Predigt ganz von dem einen Satz aus erfassen : Da nah merkint. de sie sprichit. ich diende. Sie maht ml sprechin de sie diendi. wan allis ir Uhm ain dienist m йог got. Nu sulne wir uns bilden nah ir. Sit sie ist ain liehte. uñ ain bilde allir tuginde. unde selkait. so suln wir nemin ab ir bilde, und sulne ouch wir dienen uor got. als ouch sie tet. . . (Gf.28rb; Rd. S. 147,21—24). Rd. 69 ist im Gegensatz zu dieser Sittenlehre meditativ-allegorisch bestimmt Im ganzen Stück findet sich keine Aufforderung an den Leser, eine Nutzanwendung aus den sieben Worten Mariens, die wie Betrachtungspunkte anmuten, zu ziehen und der allegorische Schluß rundet das Stück folgerichtig ab. Die restlichen vier Marientexte stehen je nach dem Vorherrschen katechetisch-moralischer oder betrachtendallegorischer Elemente näher zu dem einen oder dem anderen Beispiel. Rd. 48 näher zu 47, Rd. 49 und 64 näher zu 69, während Rd. 55 die Mitte einnimmt. Damit wird deutlich, wie Albrecht der Kolbe auch innerhalb der thematischen Einheit durch den Texteingriff (vgl. oben S. 41) das Gewicht verschiebt, wenn er durch einen morahsierenden Schluß Rd. 69 an Rd. 47 heranrückt und daß in H Rd. 64 und 69 (vgl. oben S. 51) nicht nur wegen der Gleichheit des themas, sondern auch aus gehaltlichen Gründen zusammengeschrieben sind. Einer äußerlichen Systematik folgend können wir in einer zweiten Gruppe C h r i s t u s p r e d i g t e n zusammenfassen. Hierher gehören die Texte Rd. (38), 58, 63, 65, 70 und 72, denen allen der unmittelbare Bezug auf die gottmenschliche Natur Jesu Christi und ein jeweils breit angelegter Hauptteil von den Christus zugeschriebenen Bezeichnungen und Eigenschaften gemeinsam ist. Dabei führt die gedankliche Linie entweder ausdrücklich oder auch dem Leser nur in nachvollziehender Meditation greifbar von Gott zum Menschen. Zwei der hier angeführten Predigten, nämlich Rd. 70 und Rd. 58 erscheinen in der Hs. Ph zusammen mit der gehaltlich nicht hierher onser vrouwi und Van onset vrouai) ist strmol, also dem Fest Maria Lichtmeß
Rd. 64 überschrieben Op onser vrouwi lichmus ( = lichmus) am 2. Februar zugeordnet. Da Rd. 69 in B^ unmittelbar auf Rd. 64 folgt und beiden dasselbe thema Eccli. 24,23 „Ego quasi vitis fructifica vi" zugrunde liegt, ist es möglich, daß auch beide demselben Feste zugewiesen sein sollten. Doch ist auch hier keine inhaltliche oder liturgische Begründung dafür gegeben. Die Lectio des Festes „In purificatione Beatae Mariae Virginis" umfaßt den Text Mal. 3,1—4 (eindeutig auch im Mittelalter vgl. Schönbach I, S. 158; III, S. 23; PL 185, Sp. 68; Sp. 76). " Vgl. oben S. AOL — Rd. 69 hat in W f. 94v einen Marginaltitel, der Verba marie lautet und offensichtlich von N Marie verba (Lüders II nach S. 48) übernommen wurde.
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gehörenden Nr. Rd. 62 in der Dreiergruppe der Leidenspredigten, Rd. 63 ist dort für Christi Himmelfahrt und Rd. 65 für das Weihnachtsfest in Anspruch genommen, vier unserer sechs Predigten sind im Mitteklter also für Feste des Herrn bestimmt (vgl. oben S. 70). Während in Rd. 62 = Ph 28 die Leidenschilderung nur wenige einleitende Sätze umfaßt, in G etwa von isg. 11% Spalten, ist sie im ersten Hauptteil von Rd. 70 = Ph 29 zentral. Die Predigt Rd. 70, deren Zugehörigkeit zu unserer Gruppe der Christenpredigten auch einige andere Überschriften bezeugen vergleicht Christus im Anschluß an das thema Re floruit caro mea (Ps. 27,7) einer Blume mit sechs Blättern: nu sunt ir merchin an disem hlûmen driv blettir an sinre süs^un menschait. uñ öch driv an siner hohun gothait (Gf. 108ra; Rd. S. 304,22f.). Der Teil, in dem die Eigenschaften der menschlichen Natur Christi betrachtet werden (Demut, Keuschheit und Gehorsam) i® reicht von Rd. S. 304, 24—S. 305,24, die Passionsbetrachtung innerhalb dieses Teiles von Rd. S. 304,30—305,24. In Rd. 58 = Ph 30 nun nimmt die Leidensbetrachtung den gesamten Raum ein. So ist die kleine Gruppe der Passionspredigten in Ph gestuft nach der Intensität dieser Meditation, was unsere Annahme (vgl. oben S. 70), daß die Texte für das Triduum sacrum berechnet waren, bestätigt. Rd. 58 ist die einzige wirkliche Leidenspredigt unserer Sammlung und steht daher etwas abseits der ihr gehaltlich benachbarten Christuspredigten. Rd. 58 liegt das thema Dominus narrahit inscripturis populorum (Ps. 86,6) zugrunde, welches „übersetzt wird: Disiv wort sprichit der A: Von der gothait und der mentschait únsers herren (Rd. S. 304,1); Z: Von vnserme h'rl (ebenda Lesarten) ; H : Dets wie sich Got gelict ernre blumen (Kern S. 406). " Diese Eigenschaften der menschlichen Natur Jesu Christi klingen stark an die drei evangelischen Räte von Armut, Keuschheit und Gehorsam an, eine Assoziation, die im G-Text deutlich durchbricht, aber durch H und A nicht bestätigt wird: An siner menschait sott du merckin demütichait. kivschichait vñ gehorsami. Er waz^ der demùtigoste mensche der ie gehom wart, der hohe got der wax_ also uirsmahit da:^^ nie enhain mensche so armis wart, ez, enhetti uon etweme irbermide. wan dez menschin kint der waz uirsmahit uñ virworfen (Gf. 108ra; Rd. S. 304, 24—27). H kürzt beträchtlich: Ane sinre mensheit was oetmudecheit, kuscheit ende gehorsamheit. Onse Here Jhesus Cristus was der oetmudechste mensche die ie geboren wart : hi was also sere versmaet dat mit mensche op ertrike so versmaet en wart (Kern S. 406,16—20). In der Fassung A ist wieder der selbständig bearbeitende Moralist Albrecht zu erkennen : An siner mentschait was demüt, künschi und gehorsami. er waz der demütigest mentsch der ie wart oder iemer werden mag. (von hier ab selbständiger Zusatz in A ?) er lebt under sinen jungern αΙχ ain kneht ; er diente inen, und si nüt im, al\ er selb sprichet in dem ewangelio : ,ich bin under úch alz diener'. (der folgende Zusatz trägt unverwechselbar Albrechts Stilzüge) sit nu der höh Got so demütig waz, so mugent si sich wol schämen die hohfertigen die da von bozhait komen sint und z« bozhait werden sont (Rd. S. 304,7—12). Vgl. zum letzten Absatz auch die Anknüpfung Rd. S. 303,15 Sit nu únsrú liebü vrowe . . . Vgl. oben S. 41. W bestätigt f. 96r die GFassung.
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wissage dauid. Got sol künden an dien scriften dien livten (G f. 79 vb), ein Bibelwort, das wir nach dem Prediger so zu verstehen haben: 1. Gott zeigt uns den rechten Weg zum Himmelreich und das richtige Leben in der Heiligen Schrift, wobei nach der Weise des Mittelalters unter „Heiliger Schrift" nicht nur die Bücher der Bibel, sondern auch die Schriften der Väter verstanden werden 2. Da viele Leute nicht lesen können, so hat ihnen Gott eine andere Schrift gegeben, an der sie den Weg zum Himmelreich ablesen können, nämlich die Gemälde in der Kirche, die a) Darstellungen aus dem Leben der Heiligen, b) vor allem aber das Bild des gemarterten Heilands umfassen!®. Der Teil 2 b) verselbständigt sich nun und erweist sich als das eigentliche Thema. Acht für uns vorbildliche Eigenschaften ergeben sich aus der Betrachtung des leidenden Herrn: 1. . . . mlliclichiv armùt. da^ merkint da bi. da^ er gar nackint stat. . . (G f. 80rb; Wa. LV, 35ff.). 2. . . . uollekomminiv minne. da^ merchin(t) da Ы da^ er walte gehenchit werden entwischen ^wene schahchere . . . (G f. 80vb; Wa. LV, 67ff.). 3. . . . sin grö^iv vnde sin ubirvlie^indiv irbermide. vnde merchint da^ da bi. da^ er sinen viende der bi ime hangete von schulden, vnde der sin haette gespottot. vñ in haette gescholten, do der selbe an in gnade gerte da irhorte ern ^ehant. vnde gap ime me gnade denne er gerti... (G f. 81ra-fb; Wa. LV, 95ff.). 4. . . . andehtigiv gehorsami. da^ merchint da bi. da^ er sine sele He schaiden uon sime libe mit genaigitime höbite . . . (Gf. 81 va; Wa. LV, 121 ff.). 5. . . . gütiv (in der Hs. ain lehs^e gütir) :(uht. da^ merchint da bi da^^ sin liebiv mùtir bi ime stunt vndir deme cruce ... (G f. 82 ra; Wa. LV, 154ff.). ^^ . . . alse div sunne entluhtet den nebil. also entluhtet div hailige scrifi die hailigun cristenhait. vnde div hailige lere die uns gottes sun krte selbe mit sinem munde, vnde die hailigen propbetin. die hailigen ^rnlf hotten, vnde andir hailigen dien der hailige gaist kunte vnde laerte. wie siv die hailigun cristenhait leren solton . . . (G f. 79vb; Wa. LV, 5—10). Vgl. Charland a. a. O. S. 341 : „Secundum (documentum) est ut thema accipiatur ex Sacra Scriptura. Licet autem scriptura beati Augustini et aliorum doctorum fidelium merito possit dici sacra et sanata, tarnen, autonomasti eloquendo, quando de Sacra Scriptura absque addito facimus mentionem, semper intellegimus de illa scriptura quae in canone Bibliae continetur. Et quia circa eius veritatem non licet alicui fidelium dubitare, illa praestabit totius sermonis certissimum documentum". Ain andire scrift het och unsir herre uns gegebin. da^ ist der laion scrift. wan der livte ist vil die der scrift niht kunnen. div an den büchin ist gescriben. vnde dar umbe het inen got ain andir scrift gegebin . . . Div (G f. 79 vb) gescrift ist div gemaelde in der kilchun. da^ man da malet von dien hailigon (G f. 80 ra) . . . Ahirúbir alliii gemaelde unde ubir ellü bilde, sun wir am sehin unsirs lieben herren martyr bilde (G f. 80rb) . . . vgl. Wa. LV, 10—34.
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Untersuchung
6. . . . durnehtigiv gehorsami (wird durch Z, H und A korrigiert in gedvltsami) ; merchint da hi. da^ er genegilt wart an cruce . . . ( G f. 82rb; Wa. L V , 175f.). 7. . . . endihaftiv staetichait. da^ merchint da hi. dat^^ er dur sine haiIlgen ß^e genagilot wart ...{GL 82va; Wa. L V , 187ff.). 8. . . . lanch gebet. merchint da hi. da^ er in allir siner not an deme crúce hettotte... ( G f. 82vb; Wa. LV, 206f.). So werden hier alle Eigenschaften Christi — nur auf seine menschliche Natur bezogen — aus der Betrachtung seiner Marter abgeleitet, sonst ist sein Leiden jeweils nur Beleg für eine seiner vorbildlichen Eigenschaften. In Rd. 63 ist der Kreuzestod Christi nur u. a. ein Beweis für seine Geduld (vgl. Nr. 6 in Rd. 58) : 0 herre uil liehir herre got. vmhe die gedult so mùi^en dich wol alle creature lohin vñ eren. Dich enhegnùget ioch niht da^ du deme sunder haitost manich iar in manigir totlichun smde. du enladest in ioch dai^ er an deme tode widir kere. Alse man liset in der minne buche : Reuertere. reuertere. her widir. ker widir. sunder gedenche da^ ich den bitteren tot dur dich lait, vñ erhöre mine stimme vñ ker widir . . . (G f. 103ra); in Rd. 65 kommt dem Herrn unter zehn Bezeichnungen auch der Name fortis zu: Da:(^ sp'ch(it) starch vñ hörit rehte der martyr unsirs herren an der ^aigite er wol sine sterchi do er sprach, min sele ist beträhit unv^ an den tot. vñ sprach öch. uatir muge e^ sin so irla mich dirre martyr. Herre uatir min wille werde niht. niuwan der dine werde . . . vñ do er gebundin wart an cruce, do enbant er uns uon des tieuils handin. mit dien wir gehundin waren me dennefivnftusintiar do er ungebundin was^ ( G f. 105 rb)^®. Den Gehorsam Jesu (vgl. oben " Zur Zeitrechnung me denne fivnftusint iar vgl. Isidor, Etym. V , 38,5: „Aetas autem proprie duobus modis dicitur: aut enim hominis, sicut infantia, iuventus, senectus: aut mundi, cuius prima aetas est ab Adam usque ad Noe; secunda a Noe usque ad Abraham; tertia ab Abraham usque ad David; quarta a David usque ad transmigrationem luda in Babyioniam; quinta deinde usque ad adven tum Salvatoris in carne; sexta, quae nunc agitur, usque quo mundus iste finiatur". Genaue Zeitbestimmung: 5233 Jahre: „Sexta aetas. Octavianus ann. LVI. Christus nascitur (VMCCX). Tiberius ann. X X I I I . Christus cruci figitur (VMCCXXXIII) . . . (Isid. Etym. V, 39,26) Vgl. auch Schönbach II, S. 81,28f. : . . . die fümf tausent jar súmlich da gewesen waren. . . Der Text, der von H (Kern S. 438,1—12) und W f. 93r bestätigt wird, zeigt uns, wie die Kürzungen in A das Sinngefüge radikal verändern können. A liest: Der fünfte haisset ,fortis', da^ sprichet ,stark', und höret rehte der marterünsers herren. an der er ml ^aiget sin sterki ; mon erúberivand an dem crúts^e den túvel und enbandúns von der Sünden banden, mit den wir me denfünf tusent jar gebunden warent (Rd. S. 296,20—23). Während im G-Text fortis deutlich im Sinne von „Tapferkeit, Seelenstärke" gebraucht ist, deutet A die Stelle im Sinne von Gottes Allmacht und Gewalt. A streicht den in G das fortis unmittelbar erklärenden Satz und damit ergibt sich aus der neuen Kausalverknüpfung zweier ursprünglich nebeneinander stehenden Gedanken auch ein anderer Sinn. Im übrigen lehnt sich der Text an den 53. Sermo Bernhards de diversis über „De nominibus Salvatoris" an. (PL 183, Sp. 676f.) Die kurze Einleitung
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Nr. 4) bezeichnet sein Leiden in Rd. 7 0 : . . . er wai^ δώ gehorsam sinen vatir un;i an den tot. div gthorsami hant in an da^ cruce . . . ( G f . l O S r a + b ; Rd. S. 3 0 4 , 3 0 f.) und seine Milde schließlich in Rd. 7 2 : . . . dar an mugent ir wol merken de unsir herre Got gar milte ist, rvan er strabte sin arme an dem cruce dar umbe das er den sunder umhe vahen mehti swenne er widir mite keren von sinen sünden гф siner hulde . . . (Z-Text bei Rd. S. 3 1 1 , 3 3 — 3 5 ) i'. A n Rd. 58 ist zu erkennen, wie auch А in der Überschrift gelegentlich undeutlich orientiert, w e n n es schreibt Von mânger hande schrift der mentschait (Rd. S. 248,1), während A r und Ph mit der Festlegung der Predigt auf die Leidenszeit den K e r n des Themas treffen, den auch H richtig umschreibt: Dit sprict van agt lessen die ons Jhesus Cristus screef ( K e r n S. 365). A u c h sonst geben die Hss. mit Ausnahme v o n Ζ die Thematik zutreffend an, wobei meist Η den übrigen rubrizierten Hss. vorzuziehen ist. Η überschreibt Rd. 6 3 Dit sprict van twelf dogeden die arte Gode sin ( K e r n S. 426) und umreißt damit den Hauptteil der Predigt, während der Titel in A nur die Einleitung umfaßt Von drier hande u f f a r t (Rd. S. 2 8 7 , 2 1 ) und der Rubrikator in Ζ wieder über die erste Textzeile nicht hinaussieht: Von vnserme herren Jhesu cristo vie er selbe :(e himelßr (Rd. S. 287,21 Lesarten)". Ähnlich ist es bei Rd. 72, w o die der Ansprache kehrt in den betreffenden Punkten von Rd. 65 wieder: „Et vocabitur nomen eius admirabilis, consiliarius. Deus, fortis, pater futuri saeculi, princeps pacis (Is. IX,6). Admirabilis est in nativitate, consiliarius in praedicatione. Deus in operatione, fortis in passione, pater futuri saeculi in resurrectione, princeps pacis in perpetua beatitudine. Haec etiam nomina possunt ei congrue assignari in opere nostrae salutis . . . " Zur Entsprechung admirabilis = Geburt vgl. oben S. 67; zu consiliarius = Predigt vgl. Der dritte name hais^it. Consiliarius. daz sprichit der rat gebe, vn hörit rehte unsirs herren predienne . . . (G f. lOSra); zu deus = Wirken vgl. Der Vierde name hais^it Dem. daz sp'ch(it) got. vñ hörit rehte ze dien zaiMnen div vnsir herre tet vf ertriche . . . (G f. lOSra + b); zu fortis = Leid vgl. oben S. 96; zu pater futuri saeculi = Auferstehung vgl. Der sibinde name haizit. Pater futuri seculi. Daz sprichit ain uatir der kúnftigwt weite, m hörit rehte zfi der urstende unsirs herren . . . (G f. 105rb 105 va) ; der sechste Name hat keine genaue Entsprechung: vgl. Der ahtode name haizit. Princeps pacis. Das sprichit fúrste dez vrides. vñ hörit ζΛ der u f f e r t e unsirs herren . . . (G f. 105 va). Das Thema an sich wird bei Bernhard häufiger abgehandelt, vgl. etwa PL 183, Sp. 136; vgl. auch Sermones in Cantica, Sermo XV, Qualiter nomen Jesus est medicina salubris fidelibus christianis in omnibus adversis (PL 183, Sp. 843 ff.). Beachte die Anklänge an den oben aus Rd. 63 zitierten Text. . . . Do unsir herre ^e himile für. do stùnt unsir vröwe vñ sine ivngirn. vñ andir livte die ieme nah hetton geuolget. die stündin vf deme berge, vñ warteton ime nah . . . Nu merchint von drierhande v f f a r t . Ainiv ist unsirs herren. div and' unsirre vrown. Div dritte ist ains iegelichin menschin. daz saelich ist.. . (G f. lOOva) . . . Nv merchint daz erste wort daz sprachin. viri galylei. Ir herren von galylea wez stant ir hie vnde wartent in den himil. ir sunt wizsen diz "t >hc xpc der hie uon iv geuam ist z' himilriche. Diz ^"Z wndirlichiv vrage. war umbe siv deme nah lüget in. der ir tröster un ihr behalter waz. siv mah ton ime wol nah warten, wan siv wisson groz wndir. groze tuginde. vñ groze süzichait an ime. Nu sunt ir merchin daz Î^oze (G f. 100 vb) wndir. vden die grozin tuginde die an gote sint. an z^^lf dingin . . . (G f. 101 ra). 7
Frühwald. Prediger
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Untersuchung
Überschrift in H den größten Teil des Textes erfaßt Dits wie mi Gode suken ende venden sal (Kern S. 411), der Inhaltsrubrikator von H den gesamten Inhalt umschreibt Dets wie mi Gode suken sal ende war min venden sal ende wie min hauden sal.., (Kern S. 179,15f.), A nur einen Teil wiedergibt Wie man msern herren suchen sol (Rd. S. 310,18 vgl. auch N am Rande Largitas Dei) und Ζ wieder das erste Textwort Der wissage (Rd. S. 310,18 Lesarten) über die ganze Predigt setzt. Rd. 65 endlich ist einheitlich überschrieben, so daß der Titel von Η in etwa beispielhaft für alle sonstigen Titel stehen kann Dit sprict van teen namen die ane onsen Here sin (Kern S. 437). Zuletzt muß in der Reihe der Christuspredigten der erste Teil des Textes Rd. 38 besprochen werden, dessen zweiter kürzerer Teil schon unter den Marienpredigten aufgeführt wurde. In Rd. 38 stehen zwei themata, ein Haupt- und ein Nebenthema, miteinander in Verbindung. Luc. 21,25 und Apoc. 8, 7, 12. In beiden Bibeltexten kommt es auf das Wort sol an, das traditionsgemäß auf Christus, die Sonne der Gerechtigkeit, das Licht der Welt gedeutet wird. Die Eigenschaften der Sonne sind es auch, die dann auf den Herrn übertragen werden: Di^ mugen wir merchin an vnsirn h'ren. d' du gewaere vñ du ewige sunne ist. Also ist von ime gescriben da¡^ er si ain sunne d'rechtichait. Nu sun wir merchin drú dinch an d' sunnen. dar an únsir h're der sunnen wol gelich ist. Das^ erste ist dai^ du sunne schöne ist. vñ ist du schönschte creature die got deme ertriche ie geschùf. andirist. da:^ enhain fruht dez ertrichis fruhtbaere mach sin ane d' sunnen hitv¡e. Da^ dritte ist. da^ der sunnen lieht gemaine ist allir der weite, deme armen alse deme riehen, deme alten alse deme iungen. ώη sündern alse den guten, hie an ist msir herre der sunnen gelich (G f. 7vb). Zu dem sehr unbestimmten Schriftzitat dasher sie ain sunne d' rechtichaitiühxtYi&.ú'Ricáe.t'Ps. 88,38 (allerdings mit Fragezeichen) als Beleg an, doch ist die Stelle vielmehr nach einer Parallele bei Schönbach I, S. 60,22—27 zu bestimmen: . . . also hat die reine magt sente Maria geendet die nacht des ungeluben und hat uns bracht das^ ware Hecht und die ware sunne, unsern herren Jesum Christum, von der sunne spricht her Ahacuch der propheta : vobis timentibus nomen meum orietur sol justitiae. uch sol uf gen die sunne der gerechticheit, allen den die minen namen vorchten, spricht er'^^. Von dieser Stelle aus ergeben sich zahlreiche Querverbindungen und Beziehungen zu der mittelalterlichen Sonnenallegorese^®. " Die Stelle findet sich, wie Schönbach S. 406 richtig angibt nicht bei Habakuk, sondern bei Malachias 3,20 (Vulgata 4,2) : „Et orietur vobis timentibus nomen meum sol justitiae . . ." Zu „sol justitiae" vgl. etwa im Anschluß an Cant. 1,5 die Deutung Bernhards: „ . . . Sol justitiae decoloravit me Christus, cuius amore langueo . . . (PL 183, Sp. 928 B) ; vgl. dazu die andersartige Deutung Eckharts, die aber teilweise eine Parallele dar-
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Neben diesen beiden größeren Gruppen mit Sonderthematik finden sich noch zwei kleinere thematische Einheiten. Zunächst die Texte, welche in manchen unserer Handschriften und auch von ihrem eigenen Thema her auf bestimmte Tage des Kirchenjahres festgelegt sind. In nicht gerade vielen unserer Predigten ist der Festtag, an dem sie gehalten wurden, noch erkennbar, da aber das Festgeheimnis an einigen Stellen noch durchschimmert, ist es möglich, eine sehr lose thematische Einheit zu bilden, die innerhalb unserer Anthologie den l i t u r g i s c h e n G e d a n k e n geltend macht. Am deutlichsten ist dies in Rd. 61, einer Predigt auf das Fest „Pauli Bekehrung" (25. Januar), deren Anfang schon oben S. 68 f. kurz behandelt wurde (vgl. auch die dort angegebenen Überschriften). Das ganze thema des in U ausdrücklich als Sermo (Lüders I, S. 230) bezeichneten Textes lautet: Beniamin amantissimus dñi habttabit (con)fidenter in eo quasi in thalamo tota die morab(itur) et int' hum'os etc. Disiv wort lisit man in ainem buche dav^ hai^it numeri, da liset man uon hern mojses. do der sterbin mite, da gap er den ¡^welf sunnen hern Jacobes sinen segen. Vnde benjamin der wa^ der iungiste. vnder ienen. deme wart dirre segen gegebin. Beniamin amantissimus. da^ sprichit alse vil beniamin der ist gotte allir liebist. unde getar sin lebin getursticliche gewandilon. vnde got wandilot an ime als an aime bette, vnde got rûmet an sinen ahsilon. vndir sinen ahsilon. Bi beniamin etc .. . (Vgl. stellt 2u der Annahme unseres Predigers, daß die Sonne die schönste Kreatur ist: Niht enabtet, meinet daz buoch der mime, daz ich brm hin, ich bin doch schoene und aol gestdt ; aber diu sunne hât mich entveraet. Diu sunne ist daz lieht dirre werlt und meinet, daz daz höchste und daz beste, daz geschaffen und gemachet ist, decket und entverwet daz bilde gotes in uns (BgT S. 74,5—9). Vgl. auch: „Et quis justus, si non Maria justa, de qua sol justitiae ortus est nobis? . . ." (PL 183, Sp. 440C) u. ö. bei Bernhard. Vgl. dazu Honorius Augustodunensis PL 172, Sp. 512AB: „Quae est ista, hoc est qualis est ista, quae progreditur de peccatrice massa, quasi aurora de tenebris consurgens, de qua procedit Sol justitiae, hos qui in tenebris et in umbra mortis sedent illuminate. Haec in praesenti est pulchra ut in nocte luna; electa in superna patria ut sol inter sidera . . ." Zu Christus = sol vgl. Schönbach II, S. 44,17—19; S. 74,34; S. 236; III, S. 215,3 etc. Vgl. auch Gregor d. Großen, Moralium lib. XXXIV, Cap. XIV (PL 76, Sp. 730 f.) : „In Scriptura enim sacra cum figurate sol ponitur, aliquando Dominus, aliquando persecutio, aliquando de re qualibet manifestae visionis ostensio, aliquando autem intelligentia sapientium designatur. Per solem quippc Dominus figuratur, sicut Sapientiae libro perhibetur, quod omnes impü in extremi die judicii cognita sua damnatione dicturi sunt : Erravimus a via veritatis, et lumen justitiae non luxit nobis, et sol non est ortus nobis (Sap. V, 6) . . ." Zu Christus = die wahre Sonne vgl. Joan. 1, 5, 9; der letzte Teil unseres SGZitates . . . daz der sunnen liehtgemaine ist allir der inerite . . . im Anschluß an Matth. 5,45 : „Ut sitis filii Patris vestri, qui in caelis est, qui solem suum oriri facit super bonos et malos, et pluit super justos et injustos." Vgl. auch den oben S. 40 aus G zitierten Schluß des Textes Rd. 69. Für den weiteren Zusammenhang vgl. Herbert Kolb, Der Begriff der Minne, Tübingen 1958, S. 120ff. Vgl. auch Grete Lüers, S. 262—265.
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oben. G f. 94 va.) In vier Teile wird das thema zerlegt, auf deren Exegese die Predigt gebaut ist: 1. beniamin ist gotte der liebiste = Paulus erkennbar an seiner Bekehrung (vgl. oben). 2. Nu merchint dan^ andir wort, da^ er sprichit. Beniamin getar sin lebin getursticliche gewandilon. Das^ ist och be^aichinliche an sancto paulo, da^ er starck vnde geturstich wa^ an sime lebinne . . . (G f. 95 vb). 3. Nu merchint da^ dritte wort das^ er sprichit. Got wandilot an Beniamin alse an ainem bette, da^ ist öch be^aichint an deme guten sancto paulo, dan^ er vridesan τναΐζ^... (G f. 96ra). 4. Nu sunt ir merchin da^ vierde wort. er sprichit. Beniamin got rùwet undir dinen ahsilon. da^ ist also uil gesprochin. got rùwet vf diner gedultichait. da^ sun wir abir merckin an sánete paulen, wan er gedultich wa:;^ da uon rùwet got undir sinen ahsilon . . . (G f. 96 vb)^!. Die Eigenschaften Pauli werden in jedem Fall als vorbildlich für den Hörer, besonders den geistlichen Hörer dargestellt und mit weiteren biblischen und legendären Beispielen wirkungsvoll ornamentiert. Neben den biblischen Gestalten Job und Tobias sind dabei Andreas und Laurentius aus der Heiligenlegende Beispiele für die Erduldung der Leiden22. Typisch für die Haltung der Predigt ist der dritte Teil, der von Pauli Friedfertigkeit spricht: Nu merchint vier dinch div den vride irrent. da¡^ aine ist der tieuil der ist de^ menscht widirsache, er set^it sich mit allen dien listen die er kan vindin. widir den menschin . . . (f. 96 ra). Die Anfeindung Satans wird illustriert mit einer bekannten Legende aus dem Leben Bernhards von Clairvaux, die allerdings in unserem Text aller Erzählfreudigkeit entkleidet wiedergegeben wird: Also liset man uon. s. Bern, der wa^ ^ainem male in ains mannes hus. vnde do er des nahtes nidir kam. do kan der tieuil in ainir vröwn gelichnúst. vnde wolte in uirsùchtn. do schre(i)er uil lute, hie diep hie diep. do fùr der wirtuf vnde kan dar. vnde sprach, wa diep wa. do sprach er der tieuil der hie. vñ wolte mir mine sele uirsteln. Also solt du wiesen. das[_ der tieuil ist der diep. der din ¡gallen Seiten uaret. . . (f. 96 rb). Die lateinische Originalfassung lautet demgegenüber: „Contigit item ut Vgl. Glossa ordinaria PL 113, Sp. 497C: „Humeris onera portantur, ideo in eis robusta patientia designatur. Tanto autem libentius Christus in ilio requievit, quanto pro ipso durissimos labores toleravit: tanto arctius amplexus est, quanto ab illius amplexu nullo terrore avulsus est. Unde ait: Quis nos separabit a charitate Christi"? ^^ Man liset von. s. laurentio da^ er vf deme roste lach, alse sü^tdiche als er uf ainm bette laege. Man liset och uon. s. andrea. daz er rehts spilnde χΰ deme cruce gienge . . ." (G f. 97 ra). Vgl. Leg. aur. S. 492; S. 17f. NB. A liest statt uf ainim bette : er in rosen läge und teilt diese Lesart (Rd. S. 280, 31—281,1) wieder mit W f. 122r und Η (Kern S. 390,32).
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cum sociis aliquantis apud matronam aliquam Bernardus hospitaretur. Considerans autem mulier adolescentem decorum aspectu, capta est laqueo oculorum suorum, et in concupiscentiam ejus exarsit. Cumque tamquam honoratiori omnium, seorsum ei fecisset lectulum praeparari, surgens ipsa de nocte impudenter accessit ad eum. Quam Bernardus sentiens, nec consilii inops, clamare coepit: Latrones! latrones! Ad quam vocem fugit mulier, familia omnis exsurgit, lucerna accenditur, latro quaeritur, sed minime invenitur. Ad lectulos singuli redeunt, fit silentium, fiunt tenebrae sicut prius, pausant caeteri, sed non illa misera requiescit. Exsurgit denuo, et Bernardi lectulum petit; sed denuo ille proclamati Latrones! latrones 1 Quaeritur iterum latro, latet iterum, nec ab eo qui solus noverat, publicatur. Usque tertio improba mulier sic repulsa, vix tandem seu metu, seu desperatione vieta cessavit. Cum autem die sequenti iter agerent, arguentes Bernardum socii, quosnam toties ea nocte latrones somniaverit, perquirebant. Quibus ille: Veraciter, inquit, aderat latro, et quod mihi pretiosius est in hac vita, castitatem videlicet, hospita nitebatur auferre, incomparabilemque thesaurum"^®. Der mittelhochdeutsche Text ist nicht nur durch die prägnantere Fassung der Predigt angepaßt, sondern er ist für die Hörer schon interpretiert, besonders durch den Zusatz der tieuil in atnir vrSwn gelichmst und insgesamt allein auf den geistlichen Gehalt der Legende reduziert. Noch drei weitere Dinge stören den Frieden: der Leib : der uigent ist vil nah raete. er gat mit dir v^em bette vnde gat mit dir ^ekore. vñ swa du hine kerist. da gat er mit dir . . . (G f. 96rb) ; wie der folgende Punkt, so wird auch dieser durch Bibel- und Väterzitate belegt; der Nächste: Das^ dritte da\ den vride irret, da:ζ_ ist din ehin mensche, uon deme rniist du manich scho^ enphan. dav^ enmaht du mit enhaine dinge so wol úbir kon. so da\ du αΐϋίζ^ an miltichaitfür bietest. . . (G f. 96va); die Welt: Dav^ pierde das^ den vnvride machit. da^ ist div weit, div vihtet dich italien stundin an. unde lait dem menschin mantge uppichait für ...{GL 96 va) Unter diesem Gliederungspunkt findet sich außer den Schrift- und Väterzitaten auch ein Gleichnis aus dem weltlichen Bereich, ein Beispiel von der Bärenjagd, dessen Quelle ich nicht nachweisen konnte: man liset uon dem hern. So man den uahin ivil. so lait man ime stricke, vnde so er dar kumet. so dunckot er sich so er iemir tivfost mach, vnde nimit die stricke unde ^ PL 185, Sp. 230f. = Caput III, n. 7. aus S. Bernardi vita prima, liber primus, auctore Guillelmo. Die Legende ging nahezu im Wortlaut über in die „Secunda vita sanctí Bernardi abbatis auctore seu compilatore Alano" PL 185, Sp. 472f. und in die Legenda aurea (Leg. aur. Cap. CXX, S. 529).
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wirfet siv übtr daii höbit. vnde gat er drundir hin. also sol da:^ mensche tun. Es^ sol sich druchin mit der demùtichait. vñ sol die striche alle tibir da^ höbit werfen (G f. 96vb)2«. Rd. 61 steht mit der hier dargelegten exempelhaften, moralischasketischen Haltung nahe zu der anderen Heiligenpredigt unserer Sammlung, zu Rd. 39, der Predigt auf den Stephanstag. Rd. 39 wurde sicher am 26. Dezember gepredigt, da der schon oben S. 68 gezeigte Bezug auf die Tagesepistel selbst in der Einzelüberlieferung des Textes festzustellen ist: Stephanus aut plenius grä et fortitudie faciebat prodigia et signa ma^a in pplo act' Dese morde sprict sunte lucas in der epistele eñ sprict aldus Stephanus was vol graden eñ stercheide eñ dede groete tejke in de wolks . . Obwohl wir also für diese Predigt einen gesprochenen Text voraussetzen müssen, ist die Verbindung mit dem Tagesheiligen viel lockerer als in Rd. 61 ; wird dort bei jedem neuen Gliederungspunkt das Tagesthema wieder in die Predigt hereingeholt, so wird es hier schon nach wenigen Sätzen durch die Entscheidung für die Interpretation Stephanus = norma (vgl. oben S. 68 Anm. 106) völlig daraus verbannt. Ähnlich geschieht es in der Bertholdpredigt Rd. 4 Von manger bande regel, der allerdings nicht Act. 6,8, sondern Act. 7,55 als thema zugrunde liegt: Stephanus plenus spiri tu sancto intendens in celum vidit gloriam dei etc. Stephanus da¡^ sprichet ain regel, und sint bi im bes^aichent alle gaistlich lût in clöstern . . . (Rd. S. 10,23—25), anders in Rd. 77, eine Predigt um die Gestalt des Heiligen und nicht um die Deutung seines Namens; sie ist deshalb als einzige der drei Stephanuspredigten in A auch überschrieben Von sant Stephan (Rd. S. 322,11). Rd. 39 ist wie die Mehrzahl unserer Predigten deutlich auf das Юosterleben abgestimmt. Das thema wird in vier auszulegende Teile zerlegt, dessen vierter, mit einem Nebenthema in Verbindung gebracht, sich zum eigentlichen zweiten Hauptteil des Textes erweitert. 1. Stephanus = norma. Es gibt zweierlei Regeln: Aine die hant gaistliche lüte. die andtrun hant weltliche lúte. drú dinch sint an der raegile da mitte ist ellü dü weit begriffen. ist unkuschi de^ libes, vñ wollusti der ögen. (vñ ^ Die hier beschriebene Methode der Bärenjagd gehört zumindest nicht zu den häufigsten im Mittelalter. Bekannt war die Bärenhetze mit dem Wurfspieß usw. (vgl. A. Schultz, Das höf. Leben zur Zeit der Minnesinger, Bd. 1, Leipzig 1889, S. 576 u. ö.), der Fang des Bären in der Grube; dar umb mm die jäger ainen pern vahen wellent, sé grahent si ain gruob und besprengent den weg ζ»ο der gruob mit bong, dar umb, da^ er dem mg volge und in die gruob vali (Das Buch der Natur von Konrad v. Megenberg, . . . , hrsg. von Franz Pfeiffer, Stuttgart 1861, S. 163,9—12) und der Fang mit dem Bärenhammer (vgl. Friedrich Ranke, Etwas vom Bätenfang im Mittelalter, ZfdPh 70, 1949, S. 225 ff.). " NJb X, S. 17 = Hs. V. Arnswaldt 3141 = Berlin ms. germ. 4» 1084; vgl. Lüders I, S. 238, Fn. 3.
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hohvart)'^^. E n t s p r e c h e n d zu d e n drei B e s t i m m u n g e n der die Welt reg i e r e n d e n regel u m f a ß t a u c h die N o r m v o l l k o m m e n e n geistlichen L e b e n s drei B e s t i m m u n g e n , nämlich die geistlichen R ä t e g a n z allgemein: armät. kúschichait. vñ gehörsamt ( G f . 10 v b ; W a . S. 523, V , 41 f.). 2. (Stephams autem) plenus gratia = Stephanus der wa^ vol gnadon da^ ist also i(emrstainne. also sprichit vnsir herre in deme evangelio. Swer alle dise welt dur mich lat. deme ml ich andirre weite gebin hundirtvaltigen Ion. vnde ^enre weite himilriche . . . ( G f. 12ra + b ; W a . S. 525, V , 129—132)2'. 3. (plenus gratia et) fortitudine = sprichit stercki. alse. s. lucas scribet. stephanus der wa:^ vol stercki vnde gnadon. rehte als ob er sprechi, siver die drie regilen behaltet, deme git unsir h're tuende, vñ da nah wirt er mit dien tuginden gesterckit. . . ( G f. 1 2 r b + v a ; W a . S. 526, V , 149—152). 4. faciebat signa magia = Da·:^ Vierde wort scribet er. da^ er gröi^tt r^aichin tet an dem volcke. H i e r setzt n u n das N e b e n t h e m a (Marc. 16,17) ein, das als G e r ü s t des 2. Hauptteiles zu gelten h a t : Nu merckint wie disti ^aichin sun G f. 10 va ; Wa. S. 522, V, 5—9. vn hohvart fehlt G, wird durch A Rd. S. 109,14 und H Kern S. 197,5 gebessert. Sonderbarerweise wird dieser zweite Gliederungspunkt, der im Kern aus der Bibelstelle Matth. 19,29 besteht, als Bernhardzitat deklariert: Also sprichit. s. B'nhart. Da:^ ""»"t sprich(it). plenus gratia. Stephanus der aaz vol gnadon . . . (G f. 12ra) vgl. Kern S. 201,27: Also sprict S. Bern. : Dander aort sprict plenus gratia : Stephanus di ¡vas ml genaden. Dats also te verstane . . . Kern schließt durch die Interpunktion die Bibelstelle aus dem Zitat aus, wodurch das angebliche Zitat noch unbestimmter wird. A (oder Rieder?) löst den Zusammenhang dieser SG-Hss. und fügt das also sprichet sant Bemhart dem vorhergehenden Absatz an, was vom Gebrauch der Formel also sprichet. . . aus ungewöhnlich, für das Zitat selbst aber wahrscheinlicher ist : sant Paulus sprichet : 'unser herre gehorsam an den tot', und mite gerner sterben, denn er ungehorsam wäre, und noch hut dis tages minnet er gehorsami also sere er sich niemann git won der gehorsam ist ; also sprichet sant Bemhart.¡ ,Stephanus aa^ vol der gnade', da^ ist also vil gesprochen .. . (Rd. S. 112,28—32). Im ganzen entsteht der Eindruck, daß entweder nach dem Also sprichit. s. Bernhart das Zitat selbst fehlt oder daß angebliche Bernhardzitate auch willkürlich verwendet werden, um das durch zahlreiche Zitate des Abtes von Clairvaux erzeugte Kolorit der Sammlung zu wahren. In Rd. 55 wird z. B. im Gegensatz zu dieser nicht näher zu bestimmenden Stelle, Bernhard schon vor den in Fülle folgenden namentlichen Zitaten ungenannt zitiert : Οαχ^ dritte dar an vnsir vrowe gelobit ist. daz ist daz si irfúllet ist mit der gotlichun gnade, daz merkint an den warten daz der engil sprach. Aue gratia plena. Got halte dich vol der gnaden got ist mit dir. du bist gesegenot ubir alle vrowan. . . Man liset von sancto stephano vnde och von sumilichen hailigen andiren. daz siv vol gnaden waerin. Abir unsir vrowe div wart vollicliche erfúllit mit der gnade, denne ie dehain mensche ane ihm xpm ir sun . . . (G f. 65 vb) So sprichit sánete Bernehart. Si ist ain kenel vnde ain runs allir gnadin. vnde ist ain kenel der dez himilschen vatirs gnade z" üns laiten sol. . . etc. (f. 66 ra). Vgl. Kern S. 331,7 if. Statt kenel vnde runs liest H conduit, condtgt (Kern S. 331,23,28). Zum ersten Teil unseres Zitates vgl. Bernhards Homilialll super verba evangelii: „Missus est angelus Gabriel" etc. (PL 183, Sp. 72A): „Ingressus ergo Angelus ad eam dixit: Ave, gratia plena. Dominus tecum. Legimus in Actibus apostolorum, et Stephanum plenum gratia (Act. VI, 5), et apostolos fuisse
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sin. man liset in deme ewangelio. vnsir herre sinen iungirn sprach. In nomine meo demo. In mime namen sunt ir den tieuil vs^ triben. ir sunt nmve !^ungen reden, uñ die slangen sunt ir vf hebin. vñ trinckit ir virgift. da^ ensol tu nüt schadon. vñ úwir hende sunt ir vf die sieckin legin. vñ sunt gesunt werdin (Gf. 12vb; Wa. S. 526, V, 174—182). Es wird nun nach seinen fünf Punkten ausgelegt: 1. Den Teufel austreiben = mit gaistlichir arbait. vñ sun wainon vñ betton. vñ discipline nemin. vñ sun die tuginde ûbin . . . (Gf. 13va; Wa. S. 528, V, 229f.). 2. In neuen Zungen reden = . . . so redit der mensche kúschú wort, vñ senftü. vñ demütigú... (Gf. 13va; Wa. S. 528, V, 233). 3. Schlangen aufheben = Dú natürliche kranchait dú disen rat git. vñ aludan den menschin raiv^it v j f i n die súnde. da\ ist der slange den wir sun vf hebin . . . (Gf. 14va; Wa. S. 530, V, 302f.). 4. Ohne Schaden Gift trinken = Der sete uirgift ist niht andirs wan du weit, vñ alliii dai^^ dti weit begriffen het. . . (G f. 15ra; Wa. S. 530, V, 323f.) 5. Kranke heilen = vñ ist d' sieche gesunt wordin. da^ ist der wille. den willen het denne der mensche irweckit mit äbungegùtir werche . . . (Gf. 15rb; Wa. S. 531, V, 344f.). Die ganze umfangreiche Predigt ist also eine einzige ausführliche Anleitung zum klösterlichen Tugendleben, wobei die Beispiele größtenteils der Hl. Schrift entnommen sind und Väterzitate, wie Augustinus und Bernhard auffallend spärlich verwendet werden. Die Predigt Rd. 51 auf das thema Apoc. 19,17 ist dem Feste „Omnium Sanctorum" zugewiesen (vgl. oben S. 72). Den hier ausschlaggebenden Satz De wort ist ^evirneminne uon dem grov^in tage, so man allir hailigon tac begat bestätigen ζ. В. die Hss. U und Η und die in diesem repletos Spiritu sancto (Act. II, 4) ; sed longe dissimiliter a Maria : Alioquin nec in ilio habitavit plenitudo divinitatis corporaliter, quemadmodum in Maria; nec Uli conceperunt de Spiritu sancto, quomodo Maria. Ave, inquit, gratia plena. Dominus tecum. Quid mirum si gratia plena erat, cum qua Dominus erat? . . . " ; zum zweiten Teil vgl. Bernhards Sermo de aquaeductu (PL 183, Sp. 440AB): „Advertistis jam, ni fallor, quem velim dicere aquaeductum, qui plenitudinem fontis ipsius de corde Patris excipiens, nobis edidit illum, si non prout est, saltem prout capere poteramus. Nostis enim cui dictum sit: Ave, gratia plena. An vero inveniri potuisse miramur, unde talis ас tantus fieret aquaeductus, cujus nimirum summitas, instar profecto scalae illius quam vidit patriarcha Jacob, coelos tangeret (Gen. XXVIII, 12), imo et transcenderet coelos, et vividissimum istum aquarum, quae super coelos sunt, posset attingere fontem? Mirabatur et Salomon, et velut desperanti simiUs aiebat: Mulierem fortem quis inveniet? (Prov. XXXI, 10) Nimirum propterea tanto tempore humano generi fluenta giatiae defuerunt, quod necdum intercederet is, de quo loquimur, tarn desiderabilis aquaeductus . . ."
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Fall besonders häufig übereinstimmenden Überschriften^». N u r A überschreibt abweichend Von der hymehchen Wirtschaft (Rd. S. 177,7) und entfernt auch den liturgischen Anklang: wort ist ^e verstände von allen engein und hailigen (Rd. S. 178,1)2». Auf den ersten Blick scheint der liturgische Gedanke in dieser Predigt ein Fremdkörper zu sein, da die Heiligen im engeren Sinn, also die Schar der zur Ehre der Altäre erhobenen Männer und Frauen, keine Rolle spielen, sondern der W e g der Seele z u m Himmel, in die Gemeinschaft der Heiligen gezeigt wird. Diese Ausführung aber entspricht dem Gedanken des Festes, an dem das Evangelium aus der Bergpredigt (Matth. 5,1—12: „Beati pauperes spiritu . . . beati mites . . . beati, qui lugent etc.") gelesen wird. Gedanken der Lectio und des Festevängeliums werden mit dem thema verbunden: 1. A p o c . 7,4ff. (die ganze Epistel umfaßt A p o c . 7,2—12) wird u. a. als Beweis dafür gebraucht, daß der Mensch den W e g zum Himmel in der Gemeinschaft suchen soll: Vnsir herre enwolt niht aine s^ehimilriche uarn. er vür mit ainir gro^un menegi. baidiu engil m mentschon. Entrmvan da bie gäbe er uns ^emerkinne. de ouch wir mit samenunge sulne dar uarne. so uaren wir uràliche, und also schribit sant iohannes in apocalipsi. de im wart irv^aigit ^welf schar, uor den ^velf geschlehtin. und ielichir schar warin ^welf tusint. uñ sähe do aine schar, du wc so gro:(e. de sie nieman geahton künde, de be^aichint de ouch wir mit menegi. und inder schar :^ehimilriehe sulne uarne. so uaren wir uroiliche. uñ werden enpfangin mit lobe uñ mit sänge ( G f. 43 vb)®". U: Das wort ist wol czu vornemen andern grasen tage allir heiigen . . . (Lüders I S. 244) H: Dat wort es vale te ventane an den graten Dach Aire Heilegen . . . (Kern S. 266,19f.) Mit H stimmt sicher Bj überein, aus dem Fehlen besonderer Angaben bei Lüders III können wir entnehmen, daß auch Ph den Text bestätigt, so wie sich Ζ und Sa sicher an G anschließen. W bestätigt f. 38 r U. Überschriften: G: van allen hailigan (vgl. oben S. 79); Ph: Vp aire heiligen dach (vgl. oben S. 72) ; H : Dit campt regte ap Aire Heilgen Dage (Kern S. 266) und Oese sermoen campt regte ap Alte Heilgen Dach . . . (Kern S. 178,7f.); Bj: Dit Sermaë comt recht ap aire heilige dach (NJb X, S. 27). Ζ überschreibt; scêjah's (Rd. S. 177,7 Lesarten). Zu den einleitenden Sätzen : Nv ist úns hie dem engil be^aichenot. ain ielich predier. bie der svnnun ist be:(aichint diu hailige schrifte. da er inne sal stan . .. vgl. etwa Gregor d. Großen, Moral, lib. XXXIV, Cap. VII, PL 76, Sp. 725 A: „Sed quia saepe Scriptura sacra praedicatores Ecclesiae pro eo quod gloriam patriae coelestis annuntiant, angelorum solet nomine designare, possumus hoc loco angelos sanctos praedicatores accipere. Hinc est enim quod Joannes in Apocalypsi, Septem Ecclesiis scribens, angelis Ecclesiarum loquitur, id est praedicatoribus populorum . . ." Zu Vnsir herre etc. vgl. Leg. aur. S. 321 f.: „Circa quartum, cum quibus scilicet adscendit, notandum, quod adscendit cum magna praeda hominum et magna multitudine angelorum . . . etc."; zu sant iohannes. . . etc. vgl. Apoc. 7,4,9: „Et audivi numerum signatorum, centum quadraginta quatuor millia signati, ex omni tribu filiorum Israel... Post haec vidi turbam magnam, quam dinumerare nemo poterat..." ; statt uor den xwelf geschlechtin lies uon den .. . vgl. Kern S. 273.2 twelf scaren van den twelf
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2. Matth. 5,6 (das ganze Evangelium umfaßt Matth. 5,1—12) wird u. a. als Beleg dafür gegeben, daß wir hungern sollen nach dem ewigen Mahle Gottes : dritte wort daran virnmen wir de das^ е^К.'" ¿^"K m dannati von bedurfin ivir wol. de wir hungerte dar komen. de wir uil mu§n ge:(P^n. vñ dannan spriehit unsir herre in dem ewangelio. Selie sint die hungeric sint. die sm gesattot wer din (G f. 44 va). Zu unserer liturgischen Gruppe gehören sicher die Apostelpredigt Rd. 50 (vgl. oben S. 72 und S. 107 Anm. 8) und aus der Gruppe der Marienpredigten die Nr. Rd. 55 auf das thema Missus est angelus. .. (vgl. oben S. 69f.). Unsicher ist dagegen die Zuweisung anderer Nummern, wie die der beiden Himmelfahrtstexte Rd. 56 und Rd. 63 (vgl. oben S. 70f.) oder des Petrustextes Rd. 59 (vgl. oben S. 71), der in der Methode an die Stephanuspredigt erinnert, gehaltlich aber durch mystische Anklänge weit von ihr geschieden ist und auch den ausdrücklichen Bezug auf ein bestimmtes Fest vermissen läßt. Ebenso steht es mit den übrigen in Ph und Ar Uturgisch rubrizierten Texten. Das eigentlich liturgische Element in unserer Anthologie repräsentieren also nur fünf Predigten, deren Text eine solche Zuweisung unmittelbar entnommen werden kann: Rd. 39, 50, 51, (55) und 61. Eine letzte durch ihre Sonderthematik umrissene Gruppe läßt sich aus der SG-Sammlung lösen: die K l o s t e r p r e d i g t e n im engeren Sinn, d. h. solche Texte, die allein dem Leben klösterlicher Gemeinschaften gewidmet sind und dies schon in der Überschrift erkennen lassen. Hierher gehören die Nummern Rd. 54, 62, 73 und 74. Rd. 54 ist in A überschrieben Von gaisehlichem leben (Rd. S. 207,17), in H Dit spriet van gesteh ken leuene ende es en lane sermoen (Kern S. 309) und am Rande in N steht Religionum eommendaeio (Lüders II, n. S. 48). Das „geistliche Leben" in den Überschriften von A und H ist zunächst das Leben im Kloster, erst in zweiter Linie ist damit, ausgehend von der ersten Bedeutung, auch eine zu Askese und Mystik tendierende Ausprägung des seelischen Lebens gemeint. Illa autem que sursum est iherusalem. libera est que est mater nostra (Gal. 4,26), lautet das thema, das sofort übersetzt und einführend gedeutet wird: Alsus spriehit sanet' paulus. Jherlm du da obinan lit. diu da vrie ist. du ist ünsir mütir. Di^^ wort ist gesproehin uon der himilsehun iherlm. Nv merkint vier dine. De erste ist de si gesleten. A interpretiert hier gegen die Schrift: also spricht sant Johannes in Apocalypsi da^ im wart er^aiget scharen und der :(n>elfbi>tten geschlâhte . . . (Rd. S. 182,20—22 Lesarten). Rieder konjiziert wieder nur halb und gibt dadurch einen unmöglichen Text. . . da:(_ im mart en^aiget xpelf scharen von der xpelfhotten geschlâhte... (Rd. S. 182,21f.) Mit samenunge, menegi dürfte auch in diesem Fall die Gemeinschaft des Klosters (congregatio) oder in anderen Hss. (z. B. in H) eine klosterähnliche Gemeinschaft gemeint sein, nicht wie Rieder S. 368 annimmt „die Gesellschaft, Allgemeinheit".
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hohe lit. und da uon ist sichir. De andir ist. de sie vridebaere ist. De dritte ist de sie vrie ist. De Vierde ist. de sie ünsir mùtir ist. da bi merkint minne. wan de ist uon nature, de du mùtir ir kint minnen mû^ sie welle aldir enwelle. und an dem worte merken wir de oueh minne da ist ^der himilsehun iherlm (G f. 57 rb). Die Predigt ist insofern interessant, als das „Jerusalem" des themas in vierfacher Weise gedeutet wird: historisch, d.h. nach dem Litteralsinn, allegorisch, tropologisch und anagogisch. Es müssen hier kurz die möglichen Dimensionen des Schriftsinnes im Mittelalter geklärt werden, da gerade Jerusalem, wie Lubac sagt, „das klassische Beispiel" ist, „das irgendwie durch seine Weite alle andern möglichen in sich begreift"'^. Einen vierfachen Schriftsinn unterscheidet das Mittelalter: den historischen, den tropologischen (= moralischen), den allegorischen und den anagogischen ( = eschatologischen) Sinn. So faßt es ein spätmittelalterliches Distichon für die Schule leicht faßbar zusammen: „Littera gesta docet, quid credas allegoria, Moralis quid agas, quo tendas anagogia." Dieser, in der einschlägigen Literatur immer wieder zitierte Merkvers stammt wahrscheinlich von dem Franziskanerprovinzial Nicolaus von Lyra (f 1340), denn er findet sich unter seinem Namen mehrfach in den Prolegomena zu Walafrids Glossa ordinaria PL 113, Sp. 28,33, leicht abgewandelt Sp. 38. Die weite Verbreitung des Verses bezeugt nicht zuletzt Martin Luther, der bei seiner Auseinandersetzung mit der allegorischen Schriftdeutung und seiner entschiedenen Abwendung von ihr auch unser Distichon zitiert und übersetzt; „Der Buchstab lehrt, was geschehn ist, Allegorie, was zu gläubn ist. Moralis lehrt, was man soll thun. Anagogie, wo es naus soll nun". Die Belegstelle in den Schriften Luthers ist zugleich typisch für die Überlieferung des Schulspruches, der wohl hauptsächlich mündlich weitergegeben wurde, er findet sich unter den Tischreden, Weimarer Ausgabe Bd. II, S. 317. Der zitierte einleitende Abschnitt erklärt im ersten Satz des Textes das Pauluswort und gibt damit kurz den unmittelbaren (historischen) Sinn der Galaterstelle an, der an sich schon allegorisch, besser anagogisch aufzufassen ist: „Scriptum est enim: Quoniam Abraham duos filios habuit, unum de ancilla, et unum de libera. . . Quae sunt per Henri de Lubac, Der geistige Sinn der Schrift, Einsiedeln 1952, S. 18 = Christ heute, 2. Reihe, 5. Bändchen. — Nicht immer muß ein vierfacher Schriftsinn festgehalten werden, zahlreiche Exegeten des 12. Jahrhunderts kennen auch den dreifachen Sinn (Lubac S. 14, Anm. 8), andere wieder lassen den anagogischen im allegorischen Sinn aufgehen. Nach dem vierfachen Schriftsinn bedeutet Jerusalem „die historische Stadt der Juden, die mystische Stadt der Kirche, die christliche Seele, das himmlische Jerusalem als triumphierende Kirche" (vgl. Lubac a. a. O. S. 18, bes. die dort Anm. 28 angegebenen Quellen). Weiteste Zusammenhänge eröffnet für diesen Bereich der grundlegende Aufsatz Friedrich Ohlys, Vom geistigen Sinn des Wortes im Mittelalter, ZfdA 89 (1958/59), S. 1—23: vgl. auch die dort zusammengestellte Literatur.
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allegoriam dicta; haec enim sunt duo testamenta: unum quidem in monte Sina, in servitutem generans, quae est Agar . . . Illa autem quae sursum est Jerusalem..." (Gal. 4,22—26), deshalb also schreibt G: wort ist gesprochin uon der himikchm iherlm. Es folgt die Innengliederung, die innerhalb jeder Einzeldeutung wiederholt wird, denn dieses himmlische Jerusalem liegt hoch oben und ist daher sicher ( = sursum), es ist voller Friede ( = iherlm), es ist frei ( = libera) und es erfüUt mit minne und vröide (= mater). Von den Gliederungspunkten sind der erste und der dritte unmittelbar einsichtig, der zweite und vierte von der Tradition aus zu klären. Jerusalem wird seit Hieronymus mit „visio pacis" übersetzt, seit Isidor auch mit „pacifica" und an die letztere Deutung schließt unsere Predigt hier an, während sie die erstere nur einmal bei der tropologischen Ausdeutung von Jerusalem gebraucht®^. Der Schluß von mùtir auf minne, der im Text selbst einZu Jerusalem = visio pacis, visio perfecta vgl. Vulgata, Nominum interpretado; Isidor Etym. VIII, 1,6: „ . . . et idcirco Sion, id est speculatio, nomen accepit. Pro futura vero patriae pace Hierusalem vocatur. Nam Hierusalem pacis visio interpretatur. Ibi enim absorpta omni adversitate pacem, quae est Christus, praesenti possidebit obtutu". Vgl. auch Haymo von Halberstadt (PL118, Sp. l l f . ) : „Hierusalem quippe, quae „visio pacis" interpretatur, coelestem patriam significai ubi summa et vera est pax de visione Conditoris . . . " vgl. auch PL 118, Sp. 672C. Vgl. Schönbach I, S. 18,35; vgl. ebenda S. 125,9; Schönbach II, S. 7,36 (nach Haymo, vgl. Schönbach II, S. 190); S. 154,8 (nach Beda, vgl. Schönbach II, S. 296). Vgl. den Hymnus : „Caelestis urbs Jerusalem Beata pacis visio. Quae celsa de viventibus Saxis ad astra tolleris, Sponsaeque ritu cingeris Mille Angelorum millibus. .. (Brevier, Commune Dedicationis Ecclesiae, In I Vesperis u. ö.). Vgl. Bernhard von Clairvaux : „Est enim Jerusalem visio pacis ; visio, non possessio, cujus fines Dominus posuit pacem, non initium sane, пес medium . . ." (PL 183, Sp. 90D), vgl. auch PL 183, Sp. 150B und 534D. Vgl. auch Gregor d. Großen, Moralium lib. X X X V , Cap. XVI (PL76, Sp. 771D), Homiliarum in Ezechielem, lib. I, homil. X, PL 76, Sp. 894C; lib. II, homil. IX, PL 76, Sp. 1048f.: „Sion vero speculatio, Jerusalem autem visio pacis dicitur". Vgl. die Anknüpfung, die sich aus Gregors Homilien zu den folgenden Punkten ergeben: Homiliarum in Ezechielem, lib. I, homil. VIII, PL 76, Sp. 857A: „. . . ut dicatur: Pulchra es, amica mea, suavis et decora sicut Jerusalem, terribilis ut castrorum acies ordinata (Cant. VI, 3). Quia enim Jerusalem pacis visio interpretatur, cujus nomine patria coelestis exprimitur, sancta Ecclesia suavis et decora ut Jerusalem dicitur,. . ." und lib. II, homil. I, PL 76, Sp. 938CD: „. . . Quia etenim illa internae pacis visio ex sanctorum civium congregatione construitur, Jerusalem coelestis ut civitas aedificatur. Quae tamen in hac peregrinationis terra dum flagellis percutitur, tribulationibus tunditur, eius lapides quotidie quadrantur. Et ipsa est civitas, scilicet
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leuchtend begründet wird, findet sich ähnlich schon der Glossa ordinaria®®. Im zweiten Punkt der Außengliederung wird „Jerusalem" allegorisch gedeutet: Nu lisit man auch da;^ hie ihrlm be^aichint ist du cristenhait. m da uon schribit sunt iohans in Apocalipsi. Vidi ciuitatem scäm. etc. Ich sähe atn nüwe stat. du wc hailic und wc generit alse ain brut, ingegin aine brutegomin. Di^ be^aichint die hailigun cristenhait. du sol ge^erit sin alse ain brut, ingegim dem brutgomin. wan diu cristenhait ist du brut, vñ unsir herre ist der brütgome . . . (G f. 57rb). Jerusalem, das allegorisch die Gesamtheit der Christenheit, d. h. die Kirche bezeichnet, ist hier mit der durch die Tradition verbürgten Johannesstelle Apoc. 21,2 belegt®*. Der dritte Punkt bringt die tropologische Deutung, die entgegen der sonstigen allgemeinen Fassung auf den speziellen klösterlichen Bereich eingeengt ist: Abir sundirbaerlich vnde vi^jgenominliche istgaistlich lebin gelich der himilschun ierlm. Jerlm sprichit aingesiht des^ vrides. da^ ist gaistlich lebin ... (G f. 57va). Statt gaistlich lebin spricht der Prediger auch einfach vom clöstir, so daß sich jede weitere Spekulation über das Gemeinte erübrigt: Das^ andir dar an da:^ clöstir gelich ist der himilschun stat. . . (G f. 59ra)®®. Die etwas ungewöhnliche Deutung wird im Text selbst mit sancta Ecclesia, quae regnatuta in coelo adhuc laboral terra . . ." Vgl. auch Trudp. Hohes Lied 93,20i. Zu Jerusalem = pacifica vgl. Isidor Etym. XV, 1,5: „Hanc postea tenuerunt lebusai, ex quibus et sortita vocabulum est lebus ; sicque duobus nominibus copulatis lebus et Salem vocata est Hierusalem, quae postea a Salomone Hierosolyma quasi Hierosolomonia dieta e s t . . . Ipsa est et Sion, quae Hebraice interpretatur speculatio, eo quod in sublimi constructa sit, et de longe venientia contempletur, . . . Hierusalem pacifica in nostro sermone transfertur." Vgl. Vetter, Tauler S. 16, 10; 22, 25, 30f.; 23, 4; 83, 11 £. u. Ö. ^ „Quae est mater. Quia singuli verbo et exemple ejus instructi ex charitate serviunt" (Gloss, ord. PL 114, Sp. 581C). Vgl. Gloss, ord. zu Apoc. 21,2: „Sicut sponsam ornatam. Sicut sponsus praemittit muñera sponsae antequam eam ducat, sic Christus Ecclesiae fidem et virtutes et bona opera antequam eam suscipiat in gloria" (PL 114, Sp. 746A). Zu ecclesia = Christenheit vgl. etwa Vetter, Tauler S. 391,7f. -b 13f.: Do unser herre der stat von Jherusalem nohete, er sach sù an und weinde úber su .. . dise stat do unser herre über minde, das ist i^ü dem ersten die heiige kirche, die heiige cristenheit. . . Vgl. auch Schönbach II, S. 77,34: Jerusalem bedAtet die hiligen christenhait. . . und die S. 238 angegebene Quelle Honorius Augustodunensis, Spec. eccl. (PL 172, Sp. 921D): „Sicut saepedixi vobis, karissimi, Hierusalem dicitur visio pacis et significat Ecclesiam, quae in coelis visura est principem pacis". Vgl. neben den anderen von Lubac angegebenen Stellen Nicolaus von Lyra (PL 113, Sp. 28D): „Secundum sensum vero allegoricum (Jerusalem) significat Ecclesiam militantem, secundum quem dicitur Apocalypsis vigésimo primo: jVidi civitatem sanctam Jerusalem novam descendentem de coelo, a Deo paratam, sicut sponsam ornatam viro suo'". Vgl. auch ebenda Sp. 33D. Zu Jherlm = ain gesiht des vrides vgl. Seite 108 Anm. 32. Sonst wird bei tropologischen Deutungen Jerusalem meist allgemein mit der menschlichen Seele identifiziert, vgl. neben den Angaben bei Lubac auch Nicolaus von Lyra (PL 113,
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einem sehr ausführlichen, dem Original gegenüber aber trotzdem noch stark gekürzten Bernhardzitat belegt: Nv sprichtt .s. B'n. da^ gaistlich lebin ist gelich der himilschun stat. vnde sprichit. gaistlich kbin vnde dai^ himilsche lebin sint rehte nüftelan, siv hant vil nahe gelichin namen. (celum et celum wird durch H, W, N gebessert in:) celum et cella, vnde sint ich gelich an dien dingen, div drinne sint. der himil haii^it dar umbe ain himil. wände er virbirget vnde ist gesundirot von deme ertriche, also ist gaistlich lebin sprichit er. dan^ virbirget {cella von celare = verbergen) vnde sundirot den menschin von der weite, vnde uon allen bösen dingen div in der weite sint. Wan gaistlich lebin sprichit er. ist rehte ain mäijchait. nah gotte ^egendenkinne da^i ist ain reht werk úbir ellú werk da^ man gotte ane hafte mit gelüste, vnde mit begerunge. also das^ der mensche enhain dinch minne. noch wollust sûcke. noh v^aige. wan a(ijnigun an gotte, vnde ellú dinck in gotte, vnde dur got. vnde swenne dav^ geschiht (G f. 58 vb) sprichit er. so wil ich dav^ baltliche sprechin. da^ die engil wonende sint in der celle, vnde in deme clöstir alse in deme himile. Div varnt von deme gebete mit deme gaiste in den himil. vnde abir widir. vnde wil da^ sprechi sprichit er. da^ da:^ vmmugelich ist sprichit er. da^ dehain mensche v^ deme clöstir î^helle var. vnde sagen iv warumbe. Ist 5ch dehain böse wiht drinne. der deme tievil ^etaile werdin sol. der mach da niht beliben vn¡^ an de ende, got der wirfet in wan e\ ist vnmugelich. dehaine belibe in deme clöstir vn^ an da^ ende, wan der irwelt wart vor gotte, wan alse der kercker ist deme gevangin. also ist da^i clöstir deme der vngerne drinne ist. vnde ist ime div celle alse dem lebindin menschin da^grap. der abir gerne drinne ist. deme ist e^ ain hlügindis paradjse. vnde da von ist dü himilsche ierlm gelich aime clöstir. vñ hain rehte aine nüftilschaft vnde hanlichi ^ain andir. dur die gelichi de^ lebinnes (G f. 59ra)®°. Sp. 28 D): „Secundum sensum vero moralem (Jerusalem) significat animam fidelem' secundum quem sensum dicitur Isaiae quinquagesimo secundo: 'Consurge, sede' JerusalemI' etc " Vgl. auch Par. an. S. 128,20ff. Zur gleichgeordneten Verwendung von „congregatio" und „quaeque fidelis anima" vgl. Bernhard von Clairvaux: „Similiter congregatio, seu quaeque fidelis anima, si veri Solis obtutibus offeratur intuenda, sine dubio ex visione illius admittet protinus in se decus quoddam pulchritudinis, et venustatem castitatis . . ." (PL 183, Sp. 712A). Die Gleichsetzung „himmlisches Jerusalem" = Kloster findet sich (speziell auf Clairvaux) bezogen im LXIV. Brief Bernhards bei Migne : „Et, si vultis scire, ClaraVallis est. Ipsa est Jerusalem, ei quae in coelis est, tota mentis devotione, et conversationis imitatione, et cognatione quadam spiritus sodata. . . etc." (PL 182, Sp. 169f.). ' ' Der lateinische Originaltext dazu stammt nicht von Bernhard selbst, sondern steht im 4. Kapitel der „Epistola seu tractatus ad fratres de Monte Dei, Guigonis prioris quinti majoris Carthusiae" PL 184, Sp. 314f. Dasselbe Zitat findet sich im Wortlaut wieder in: Die heilige Regel für ein vollkommenes Leben (ed. Robert Priebsch DTM X V I , Berlin 1909). Dort ist S. 50,10 Anm. auch die Quelle des Zitates nachgewiesen. Zur Übereinstimmung von Rd. 54 mit Passagen der von Priebsch als Zisterzienser-
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Die vierte und letzte Deutung ist die anagogische und führt uns in das himmlische Jerusalem selbst: Nv merkint wrba^. Jerlm div da ohinan lit. div da vri ist. div ist unsir mütir. Di^ wort merckint an die himilschm stat. ΐζί der wir naii^wene sunt komin. mit vröden . . . (G f. 62va). Der folgende Satz: in der stat sint div seibin driv dinch. div da uor be^aichint sint an gaistlichime lebinne muß trotz der Bestätigung durch die Tradition gebessert werden, da es jeweils vier und nicht driv Benennungen sind, die Jerusalem zukommen®'. Die Besonderheit der Deutung in unserer Predigt beruht darin, daß Litteralsinn und anagogischer Sinn zusammenfallen, nachdem das thema selbst schon anagogisch ausgerichtet ist, daß also die kurze Anfangsbemerkung und der abschließende Gliederungspunkt ihrem Gehalt nach identisch sind. In unserem Text ist ungeachtet aller theologischen Spekulation das himmlische Jerusalem з® einfach mit dem Himmelreich identisch: Div sichirhait div in himilriche ist. div ist dar an. da^ div sele niemir mach von gote geschaidin werdin (G f. 62va+b). Die Nummer Rd. 62, deren Grundriß schon kurz bei der Behandlung der Leidenspredigten (vgl. oben S. 70, S. 89, Anm. 5 und S. 94) gezeichnet wurde, ist in ihrem Hauptteil ohne das in den Handschriften fehlende lateinische thema nicht zu erklären. Nur fünf Worte des themas arbeit bezeichneten „Heiligen Regel" vgl. Karl Rieder in AfdA 34, S. 263 und dazu Strauch, Germanica S. 542 und Göttinger Gel. Anz. 1911, Nr. 12, S. 760. Die von Priebsch S. 50,10 angegebene Belegstelle PL 183, Sp. 663B kommt als sinngemäße Vorlage für den letzten Abschnitt (der abir gerne drinne ist etc.) in Betracht, obwohl schon das pseudobernhardische Zitat in den letzten Sätzen auf die ewige Vollendung hinweist: „(Secunda regio est paradisus claustralis). Vere claustrum est paradisus (regio vallo disciplinae munita, in qua pretiosarum et mercium fecunda fertilitas). Gloriosa res, homines unius moris habitare in domo; bonum et ¡ucundum habitare fratres in unum. (Videas illum peccata sua deflentem, alium in Dei laudibus exsultantem . . .)." Hier ist also ein ziemlich genauer Bernhardkenner am Werk, der sich aus verschiedenen Schriften eine für seinen Zweck geeignete Autorität anfertigt. " Vgl. H (Kern S. 322,25f.): . . . daer in sin die sehe drie dem die daer vore betekent sin ane gesteliken leuene . . . A (Rd. S. 217,22f.); in der statt sint du selben drú ding dú da vor bezaichent sint an gaischlichem leben. ' ' Zum Wortgebrauch „himmlisches Jerusalem", der sich so in der Bibel findet: Hebr. 12,22 „Sed accessistis ad Sion montem et civitatem Dei viventis, Jerusalem coelestem, et multorum millium angelorum frequentiam", vgl. die folgende kleine Auswahl: Bernhard von Clairvaux u. a.: „Vox illius coelestis Jerusalem, congaudientis huic quae peregrinatur terris . . (PL 183, Sp. 710D); vgl. Trudp. Hohes Lied 31,2; vgl. Schönbach I, S. 125,8—10; Schönbach II, S. 14,22 und die dazu S. 194 angegebene Quelle Honorius Augustoduensis PL 172, Sp. 1077 В „Tunc Ecclesia, Christi sponsa, diu in peregrinatione Babylonis oppressa, de exilio Babyloniae a Sponso suo educetur et cum magno angelorum tripudio in civitatem Patris sui coelestem Hierusalem introducetur . . ."; Schönbach II, S. 39,38; 76,36 u. ö. Bihlmeyer, Seuse S. 367,22; 432,15 ; 440,19 ; 490,16; vgl. auch Rd. S. 58,23; 84,3; 125,27; 283,2; 307,12,17,22; 308,6 u. ö.
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sind es, auf die sich der Traktat stützt: in der Einleitung der Name Job, dann die Namen seiner drei Töchter und schließlich für den Hauptteil das Wort mulieres. Dieses aber findet sich nicht im deutschen thema (zitiert oben S. 70), sondern nur in einem eventuell noch einzusetzenden lateinischen: „Non sunt autem inventae mulieres speciosae sicut filiae Job in universa terra. Nomen unius (erat) Dies, et nomen secundae Cassia, et nomen tertiae Cornus tibii" (Im Anschluß an Job 42,15—14). Nach der kurzen Deutung Jobs auf den leidenden Christus werden ebenso kurz die Namen der beiden ersten Töchter interpretiert: Bi dien drin tohtiron hern Jobis sint be^aichint driger bande kint. div het unsir herre imme clöstir. Bi der erstun div da haii^it dies. Bi der sint bes^aichint die nouicien. die in dien ersten tagen sint (G f. 98 ra). . . Bi der andirun tohtir div da hai^it Casia, bi der sint be^aichint die höhir in hbin sint getretin vnde gehorsam hant gelobet... (f. 98 rb). Der eigentliche Hauptteil aber schließt an die Deutung des dritten Namens an: Bi der drittun tohtir (f. 98rb) div da hai^t Cornus tibi, bi der sint bei^aichint div uollekominen kint imme cUstir. Corrí tibi da^ sprichit ain vollekomin wip. an der nivtes de^ ie wart bristet, an der sol sin Mulieres. an deme worte sint ahte bächstabin dar an solt du merkin ahte tuginde die da^ uollekomine mensche sol han. é muge hai^in Cornus tibi (f. 98 va). Dieses mulieres, dessen Buchstaben nun wie angekündigt mit acht Tugenden identifiziert werden, wird zwar für uns rein äußerlich mit der Namensdeutung verbunden, gehört aber für den Verfasser in den allegorischen Sinnzusammenhang des themas. Ob es ohne den lateinischen Text für mittelalterliche Hörer sofort verständlich war, können wir nicht entscheiden, jedenfalls ist durch das thema ein legitimer Zusammenhang gegeben^®. Die Interpretation der von Hieronymus übersetzten Namen geht nach dem Vorgange Gregors des Großen von der lateinischen Wortbedeutung aus^". „Haec nomina, pro eo quod a virtutibus sumpta sunt, apte curavit interpres non ea sicut in Arabico sermone inventa sunt ponere, sed in Latinum eloquium versa apertius demonstrare. Quis enim nesciat Diem vel Casiam Latina esse vocabula ? At vero in Cornustibii " A gibt durch die Kürzung einen schlechteren Text als G: ,Cornus tibi' da:^ sprichet ain volkomen wip, an der nút gebristet. Nu merkent : an dem aorte ,mulieres' sint aht büchstaben. die he^aichent aht tugend die da:^ «olkomen mentsch haben sol (Rd. S. 283,20—23). H bestätigt G: Bi der derder doegter, die Cornusiibir hiet, sin betekent die volcomene lide in din dosiere. Comustibir dat sprict een mf die volcomen es, daer nit ane en bersi. An dir sal sin mulieres. An din morde sin agte bucstaue : daer ane suldi verstaen agte dogede die der volcomen mensche hebben sal eer hi muge heiten Comustibir (Kern S. 394,22—23), ebenso W f . 82 V. Zur Übersetzung der Namen aus dem Hebräischen vgl. Kern S. 392,20 Lesarten.
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ЦЗ
(quamvis non cornus, sed cornu dicitur, пес cantantium fistula Tibium, sed tibia vocatur) in Latina tarnen lingua sermonis genere minime custodito, rem, credo, prodere maluit, atque in ejus linguae de qua transferebat proprietate perdurare. Vel quia per cornu et tibiam unum verbum ex utroque composuit, utrumque verbum per unam orationis partem in Latina lingua transfusum quo voluit genere licite vocavit (PL 76, Sp. 774 C). Gregor erklärt freilich die Namen umfassender als Rd. 62, er be2Ìeht die gesamte Menschheit (universum genus humanum) in seine Deutung mit ein. Und nur wegen der schon in anderem Zusammenhang beobachteten Einengung auf den klösterlichen Bereich, enstpricht die dreifach gestufte Folge der Vollkommenheit in unserem Traktat nicht der Einteilung Gregors Die Tugenden heißen: munda. Da^ sprichit rainichait. . . (G f. 98va), uerecundia. dat^ sprichit schaemilich (f. 98 vb), kta. Frölich . . . (f. 98 vb), insta. Rehtichait... (f. 99 ra), erecta. si sol sin vf gerihtet... (f. 99 vb), robusta, starchait. . (f. 100 ra), electa. Gedenche da^ du hist ù^rwelt. . . (f. lOOra), sodata. Du bist ··· ЮОгЬ). — " 1. „Homo namque quasi dies ex conditione damit, quia hunc auctor suus ingenitae innocentiae splendore respersit. Sed sponte sua ad peccati tenebras lapsus, quia veritatis lucem deseruit, quasi in nocte se erroris abscondit, quia alias dicitur secutus umbram . . . Cui quia post casum suum illa conditionis suae pristina firmitas defuit (auctor) eum contra bella intima repugnantis corruptionis multiplicibus donorum suorum virtutibus fulsit" (PL 76, Sp. 774f.). Dieser erste Punkt korrepondiert kaum, da hier in Rd. 62 das Klösterliche am deutlichsten angesprochen ist. 2. „. . . Nunc ( = nach dem Sündenfall) ergo majoribus studiis utimur, cum salutem nequaquam servamus habitam, sed reparare curamus ablatam. Et quia omnes hl annisus nostrae reparationis magnis intra sanctam Ecclesiam opinionibus pollent, nomen secundae filiae velut casia ex merito redolet, ut quia prima filia quasi dies exstitit per dignitatem conditionis, secunda casia sit per fragrantiam fortitudinis ex gratia redemptionis. Unde et eidem venienti Redemptori per Prophetam dicitur: Myrrha, et gutta, et casia a vestimentis tuis a gradibus ebumeis, ex quibus te delectaverunt filiae regum in honore tuo (Ps. XLIV, 9). Quid enim myrrhae, guttae et casiae nomine nisi virtutum suavitas designatur? . . . " (Sp. 775 f.) 3. „. . . Quia vero tertio ordine humanum genus etiam carnis resurrectione renovatum, in ilio concentu aeternae laudis assumitur, tertia filia Cornustibii vocatur. Quid enim per Cornustibii nisi laetantium cantus exprimitur?. . . Ibi a nobis conditor noster laudum suarum veraces cantus recipit, qui humanum genus et condendo diem, et redimendo casiam, et assumendo cornustibii fecit. Qui ^nim lux fuimus conditi, et nunc sumus casia redempti, erimus quandoque cornustibii, in exsultatione aeternae laudis assumpti.. ." (Sp. 776 ВС). Der eindeutigen Stufung im mhd. Text entspricht bei Gregor eher eine Kreisbewegung : von der Vollkommenheit des paradiesischen Zustandes über Sündenfall und Erlösung zur Vollkommenheit der ewigen Seligkeit. Der Einfluß des dritten Punktes bei Gregor auf unseren Text ist gegenüber dem zweiten und ersten ungleich stärker. Das Bernhardzitat zu robusta : Da uon sprichit. s. Bernh\ So der ritter sines herren amdan siht bluten, so wirt er also starch, vñ also ueste, das^ er niht enphindet sin selbis wndon. daz ist also uil gesprocht. daz der mensche sol gedenchì. an vnsirs herren tot. unde an sin blüt. m 8
Flühwald, Prediger
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Untersuchung
Von der kürzeren Stücken Rd. 73 und 74 unterscheidet das erstere zwei Typen geistlichen Lebens, einen arbeitenden und einen betrachtenden und führt dann in engem Anschluß an das thema Num. 24,5 f. die Vergleiche des Klosters mit einem tal volles schöner plùmen (W f. 99 r)^®, einem würc^arten pej einem wa^ (W f. 99 r)^^ und mit Zedern, die am Wasser stehen durch (W f. 99 v)«. Ähnlich vergleicht der traditionell untergeordnete Text Rd. 74 den Menschen mit einer Blume : Vier tugent sind an den plämen vndpey den Edeln plùmen ist he^aichent ein yegleich' sälig mensche, ivan ein ygleich geistleich mensche an vier dingen sich dem plùmen geieichen sol.. . (W f. 100 r), und mahnt zuletzt, der edlen Blume gotes svn von himelreich (W f. lOOv) zu gedenken: Sich an die pläme. vnd nim dar abe senftichait vnd ygleich prùder sol sich vleii^r^en wider den and'n tugent vnd senftichait ^ücht vnd rainchait da^ ander letvte da von gepe^ert werden . . . (W. f. lOOv)^®. ·—· an Jim manichmltigm not. m sol da^ ahton z^ siner not (f. 100 ra), findet sich nochmals f. 3va: Also sp'ch(it). s. B'nhart. Do der getruwe ritther siht sinis h'ren runden bläten. so mrt er so starch, da^ er siner wnden saeri virgi^zet. wis sp'ch(it) er. also geschiht dem menschin. d' msirs h'ren mdin ane siht. der wirt so starch in der bechormge. daz in nieman úbir windin mach. Es ist entnommen dem 61. Sermon Bernhards in Canticum Canticorum PL 183, Sp. 1074B: „Vult ergo (Christus) videri, vult benignus dux devoti militis vultum et oculos in sua sustolli vulnera, ut illius ex hoc animum erigat et exemplo sui reddat ad tolerandum fortiorem. Enimvero non sentiet sua, dum illius vulnera intuebitur. Stat martyr triupidans et triumphans toto licet lacero corpore; et rimante latera ferro, non modo fortiter, sed et alacriter sacrum e carne sua citcumspicit ebullire cruorem." " Die Lesart von W tal volles schöner plämen wird bestätigt durch U (Lüders I, S. 235), H (Kern S. 417,26f.) und das Baseler Fragment (vgl. oben S. 23 Anm. 19). Ζ liest tal vol schonir home (Wa. LVII, 78), was gemessen am thema der Predigt: „. . . ut valles nemorosae.. ." (nemorosus = baumreich) richtiger ist. Die Lesart plämen ist eventuell aus folgendem Text verständlich: Nu schült ir merchen mie daz chlostergelob(t) ist alz wlles schöner plämen. da pey ist bezaichent ein ygleich p'der in dem chloster ζ> gleich' tueiz alz pc'vmme mänig hant f'cht gepernt alzo habent dev prüder mänigerlay tugent ainer trayt den wächer götleick'.r liebe der and' trait den viol der dymätichait der dritte trayt den lyligen d'chawschait der vierd trait den z'itlözin dir vröleichait ingot... (W f. 99r). Vgl. Kern S. 417,26—32. ** Vgl. H : . . . alse een cruthof bi enen watere . . . (Kern S. 418,6i.) = hortus juxta fluvium irriguus. . . . . alz schöner ceder pawme pey einem №azz! • • • (W f. 99 v). Der Zeder wird dabei u . a . folgende Eigenschaft beigelegt : . . . vnd ist sein gesmachk alz ^r dev slangen töt. .. (W f. 99 v). Vom Duft des Zedernholzes weiß schon Isidor zu berichten: „Lignum vero iucundi odoris est diu durans . . . " (Etym. XVII, 7,33). Die Eigenschaft Schlangen zu vertreiben wird sonst dem Schatten, nicht dem Duft der Zeder beigelegt: „Cedrus umbra sua fugat serpentes" (PL 184, Sp. 430 C), aber auch den Blüten des Weinstockes zugeschrieben. Vgl. „Vitis mystica" PL 184, Sp. 728f. Der hier zitierte Anfang aus W sowie der bei Rd. S. 315,32 Lesarten zitierte Anfang aus Z, die Unselbständigkeit des Stückes in W, N, U, H, Sa (?), seine Verstümmelung in Bi (vgl. Lüders I, S. 235, Fn. 3) und die völlige Umgestaltung in Λ
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Die noch verbleibenden Predigten unserer Sammlung, aus denen als Einzelstück der Beichtunterricht Rd. 43 mit seiner Einleitung Rd. 42 herausfällt, schließen sich nicht reibungslos zu einer Themagruppe zusammen. Ein Zug aber, der ihnen allen gemeinsam ist, kann festgehalten werden. In ihnen vollzieht sich der Aufstieg des Menschen zur Vollkommenheit, zur Seügkeit in Gott. Im Gegensatz zu den Christuspredigten, in denen der Blick von Gott zum Menschen hin gerichtet ist, bückt hier der Betrachter von der Welt zum Himmel. Unter die Texte der SG-Sammlung, die ursprünglich — unsere letzte Gruppe beweist es — für ein Kloster gesammelt und bestimmt wurden, sind starke Gruppen von Marien- und Christustexten mit aufgenommen worden, wobei innerhalb der Christuspredigten die Passionsbetrachtung breiten Raum einnimmt. Für sich allein besagen diese Feststellungen noch sehr wenig, im Zusammenhang anderer Kriterien werden sie aber für die Herkunftsbestimmung des Sammlers Bedeutung gewinnen. Die liturgische Gruppe zeigt uns, daß das Schema unserer Nummernfolge keineswegs zufällig nicht von einer liturgischen Ordnung bestimmt wird; da vielmehr Texte aus anderen liturgischen Zusammenhängen entnommen und hier eingeordnet wurden, ohne daß ihr dieslassen an den herausgelösten Teil eines ursprünglich längeren Stückes denken. Zum Vergleich säUg mensche = pUme vgl. unten Bernhards Sermo 59 in Cantica. Zu Christus = Blume vgl. die Exegese zu Cant. 2,1 : „Ego flos campi, et lilium convallium". U. a. Bernhard von Clairvaux PL 183: „. . , Ad hoc respicere puto quod sponsa de respersis lectulum florihus commendarat. Ne enim sibi flores adscriberet illos, quibus lectulus decoratus, et venustatus thalamus videbatur, infert sponsus sc esse florem campi. . . (Sp. 1008BC). . . . Et haec omnia secundum aliquid Dominus Jesus. Ipse flos horti, virgo virga virgine generatus . . . (Sp. lOlOA) . . ." Ders. im Sermo 58 in Canticum Canticorum PL 183, Sp. 1059f.: „Caeterum illis decurrentibus terra apparuit arida, et flores apparuerunt in ea, significantes tempus putationis adesse. Quaeris quando hoc fuit? quando putas, nisi cum refloruit caro Christi in resurrectione ? Et hic primus et maximus flos, qui apparuit in terra nostra. Nam primitiae dormientium Christus. Ipse, faquam, flos campi et hlium convallium Jesus, ut putabatur filius Joseph a Nazareth, quod interpretatur flos. Is ergo flos apparuit primus, non solus. Nam et multa corpora sanctorum, qui dormierant, pariter surrexerunt, qui veluti quidam lucidissimi flores simul apparuerunt in terra nostra . . . Flores etiam fuerunt qui primi crediderunt de populo, primitiae sanctorum. Flores eorum miracula, instar florum producentia fructum fidei. . . Dominus dedit benignitatem, et terra nostra dedit flotes suos, ita ut una de tria millia, in alia quinqué millia de populo crederent: adeo in brevi crevit florum numerus, id est credentium multit u d e . . ." - Vgl. auch Glossa ordinaria PL ИЗ, Sp. 1135f., Trudp. Hohes Lied 26,19; 27,7 u. a. m. — Allgemein zur mittelalterlichen Hoheliedexegese vgl. u. a. Helmut Riedlinger, Die Makellosigkeit der Kirche in den lateinischen Hoheliedkommentaren des Mittelalters = Beitr. zur Gesch. der Philosophie und Theologie des Mittelalters Bd. 38,3, Münster 1958; Friedrich Ohly, Hohelied-Studien, Wiesbaden 1958.
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Untersuchung
bezüglicher Charakter berücksichtigt wurde, können wir annehmen, daß schon die ursprünghche Sammlung ein Betrachtungs- und Erbauungsbuch war, wobei die Vielfalt der behandelten Themen zu ihrer Beliebtheit mit beigetragen haben mag. Wir haben nun in diesen Gruppen von der Thematik her Texte zusammengefügt, die gehaltlich keine Einheit bilden. Zwei gehaltliche Grundströmungen sind uns dabei bisher aufgefallen, eine katechetischmoralisierende und eine mehr allegorisch-meditativ bestimmte. Zu der ersten Strömung fügen sich bei einer summarischen Betrachtung die Stücke Rd. 36, 39,42/43, 44,46 1. Teü, 47, 51, 52, 58, 61, 62, 66, 7 3 - 7 5 , zu der zweiten der größte Teil unserer Marien- und Christuspredigten. Eine dritte Grundströmung des „Predigers", die wir als ekstatischmystisch, teilweise auch als spekulativ-mystisch bezeichnen können, soll im folgenden Kapitel an Beispielen noch näher beleuchtet werden. Keine unserer Unterscheidungen darf im Sinne einer Verfasserbestimmung mißverstanden werden, da nämlich auch innerhalb der thematischen und der gehaltlichen Gruppen Stilunterschiede bestehen, die nur durch die Prüfung eines kritischen Textes geklärt werden könnten.
Mystische Strömungen^ Unter der Reihe intensiv-geistig gestalteter Texte unserer Sammlung fällt besonders Rd. 56 auf, da in diesem Text, den wir seines Umfanges wegen kaum noch als Predigt, eher als Traktat bezeichnen können, die Lehren „der wissenschaftlichen Mystik" (Strauch, Germanica S. 544) gestreift werden. Wir müssen aber vorläufig den Zusammenhang neutraler sehen, denn in dem Exkurs, auf den sich Philipp Strauch bezieht (Rd. S. 234,7 fF.) werden nicht genuine Lehren der Mystik, sondern der Trinitätsspekulation vorgetragen. Ein großer Teil des Stückes wird aber andererseits von mystischen Metaphern und Bildern bestimmt. Die inneren Augen, die Leitern der Seele, der Spiegel der Gottheit, das Schmecken Gottes, die visio beatifica etc. sind Leitworte des Traktates. 1 . D I E INNEREN A U G E N
Dreierlei Augen unterscheidet unser Text: die oculi carnis, den oculus = fides Christiana und den oculus cordis. Mit fleischlichen Augen sahen die Jünger, wie Jesus zum Himmel fuhr: vnde sahin siv mit ir vlaischlichen 5gen da^ er gewalticliche vnde herliche ^himile für. vnde warteton siv ime nah (G f. 69 ra). Da nun Jesus so weit von uns gefahren ist, müssen wir ein starkes und reines Auge haben um ihn zu sehen: Dit^ * Nachdem auch im Bereich det deutschsprachigen Mystik des Mittelalters der Begriff des „Mystischen" so fließend geworden ist, wie es der Aufsatz von Joachim Seyppel, Mystilc als Grenzphänomen und Existenzial. Ein Beitrag zur Uberwindung ihrer Definitionen, in: DVS 35 (1961), S. 153—183, belegt, erscheint es angebracht den Begriff, wie er in dieser Arbeit verwendet wird, kurz zu erläutern : 1. Wir beschränken uns zeitlich auf den oben angegebenen Bereich. 2. Innerhalb dieses Zeitraumes wird die unio mystica definiert als eine innerweltliche Vorwegnahme jener Schau der Wesenheit Gottes, die nach scholastischer Lehre die Seligkeit im Himmel konstituiert; (die Akte der ewigen Seligkeit sind dabei visio, caritas und fniitio, ihr unterschiedlich bewerteter Rang bleibt hier vorläufig dahingestellt; vgl. auch unten „visio beatifica"). Diese immanente Schau Gottes geschieht aus Gnaden, ihr eignet keine Dauer. Von mystischer Didaktik her wird es dann verständlich, daß im folgenden auch die Grade mystischen Lebens, sofern sie als solche erkennbar sind, in den Begriff des „Mystischen" mit einbezogen •werden.
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luter âge da mitte wir got sun schowin. das^ ist cristêlich gelöbe. die ain cristaene mensche sol han (G f. 69ra + b). Noch ein zweites Auge, mit dem wir nach Gott Ausschau halten können, kennt der Verfasser: ώίζ ist ain vfgerihte^ öge. wan er ist ob vns hohe, vnde dannan von mü:(in wir ain vfgerihtes öge han. wellen wir got schowin. Bideme ögen virstaen wir da^ herce. wan in disime libe mack nieman got sehin. wan mit deme h'cen (G f. 69 va). Die dreifache Scheidung in oculus carnis, oculus = fides und oculus cordis oder mentis, in oculus exterior und interior findet sich schon im Werke Augustins, der wohl durch die Exgese von Eph. 1,18 darauf gestoßen ist. PL 38, Sp. 366 knüpft Augustinus hier an und verbindet die Lehre von den Augen des Herzens mit der von den Augen des Glaubens: „ . . . Non sine causa, nisi quia ibi sunt oculi, unde videtur Deus. De his oculis Paulus apostolus loquens ait: Illuminatos oculos cordis vestri (Eph. 1,18). Modo ergo oculi isti pro sua infirmitate illuminantur fide : postea pro sua firmitate illuminabuntur specie". Er kennt aber auch die Gleichung Auge: Glaube, wie aus PL 37, Sp. 1169 hervorgeht: „ . . . lUi oculos habebant, nos non habemus ? Imo et nos cordis habemus ; sed per fidem adhuc videmus, non per speciem . . ." und erklärt, daß unsere Aufgabe in diesem Leben darin besteht, das Auge des Herzens zu läutern: „Tota igitur opera nostra, fratres, in hac vita est, sanare oculum cordis, unde videatur Deus . . (PL 38, Sp. 542). Augustins Schüler Hugo von St. Victor entwickelt im Anschluß an seinen Lehrer die Lehre von den dreifachen Augen: „Et ipsa anima, quasi in medio quodam erat habens extra se mundum, intra se Deum, et acceperat oculum, quo extra se mundum videret et ea quae in mundo erant: et hic erat oculus carnis. Alium oculum acceperat quo seipsam videret et ea quae in ipsa erant, hic est oculus rationalis. Alium rursum oculum acceperat quo intra se Deum videret et ea quae in Deo erant et hic est oculus contemplationis" (PL 176, Sp.329C). Da nun durch die Sünde der „oculus rationalis" getrübt, der „oculus contemplationis" aber ausgelöscht ist, ergibt sich die Notwendigkeit des Glaubens: „Quia vero oculum contemplationis non habet, Deum et quae in Deo sunt videre non valet. Fideles ergo necessaria est qua credantur quae non videntur, et subsistant in nobis per fidem, quae nondum praesentia nobis sunt per speciem" (Sp. 330 A). Unter anderem ist bei Augustinus und Hugo jeweils der Anklang an 1. Cor. 13,12 zu bemerken und die Erklärung des Glaubens aus dem Verlust der vollen inneren Sehkraft. Daran khngt auch Rd. 56 an : Vnde da von sp'ch(it) sanctus paulus. Div cristenliche gelSbe ist ain bevahunge der dinge der wir dingen Qlfht. 11,1). div dinch der wir gingen ( ! ) . da^ ist vnsir herre. wan er wil selbe vnstr Ion sin. vnde dar umbe sprichit er. da^ wir da^ mit gelöbe beuahen. wan ist vns noh kmfttch. vnde mugin^ noh nivt gesehin. vnde dannan von mû^n wir^ bevahin mit deme gelöbin. Wan
Mystische Strömungen sanctus paulus sprichit da^ wir msirn herren nu niht mugen gesehin. dur ainen nebil aide dur aingla¡^ (1. Cor. 1 3 , 1 2 ) ( G f. 69rb).
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aise
An Augustinus knüpft auch Meister Eckhart an: Diu sile bât í^wei ougen, cinz inwendU und einz uzivendic. Daz inner ouge der seit ist, daz in daz nenn sihet und sin wesen von gote âne allez ""f'l · · · (DW I, S. 165,4—6, vgl. auch die dort von Quint gegebenen Parallelen). Er gibt die Lehre dann an seine Schüler Tauler und Seuse weiter (vgl. Vetter. Tauler S. 195,15—22; 294,25. Bihlmeyer, Seuse S. 70,4f.; 153,2f., 227,12, 237,4, 247,27, 256,14, 304,11 u. ö.). Ein anderer Augustinusschüler, der auch „Augustinus redivivus" genannt wird, Bernhard von Qairvaux, vermittelt die Lehre von den inneren Augen an die Brautmystik. Er bestimmt z. B. im „Liber de praecepto et dispensatione" das Auge des Herzens vierfach: „Ego vero ut interior oculus vere simplex sit, duo illi essearbitror necessaria, charitatem in intentione, et in electione veritatem. Nam si bonuni quidem diligat, sed verum non eligat; habet quidem zelum Dei, sed non secundum scientiam: et nescio quemadmodum judicio. . . Patet ergo laudabilem illam et a Domino laudatam simplicitatem absque his duobus non esse bonis, benevolentia atque prudentia: ut oculus videlicet cordis, non solum pius, qui fallere nolit, sed et cautus sit qui falli non possit" (PL 182, Sp. 881 ВС). Vgl. auch PL 182, Sp. 850f. und PL 183, Sp. 460f., wo „oratio et confessio". Gebet und Beichte das Auge des Herzens reinigen: „Porro beati mundo corde, quoniam ipsi Deum videbunt. Videbunt quidem in fine facie ad faciem; videbunt etiam nunc, sed per speculum in aenigmate; et nunc cognoscunt ex parte, perfecte postea cognituri"'. 2 . D I E LEITERN DER SEELE
D a G o t t so hoch über uns w o h n t , hat er der Seele drei Leitern gemacht, die si vf climmin sol. da¡^ sie den b e g r i f f e , der da wonet in der höhi. a) Die Schöpfungsleiter: Div erste laetere ist div creature . . . (f. 70rb). Drei Sprossen hat diese Leiter stercki (f. 70rb), schöni (f. 7 0 v b ) und nut^haeri (f. 71 ra). D a ß in allem Geschaffenen die Spur Gottes gefunden werden kann, ist alte christliche Lehre. G r e g o r der G r o ß e drückt es so aus : „Vestigia quippe creatoris nostri sunt mira opera visibilis creaturae. Ipsum namque adhuc videre n o n possumus; sed jam ad ejus visionem tendimus, si eum in his quae fecit miramur. Ejus ergo vestigia creaturam didmus, quia per haec quae ab ipso sunt sequendo imus ad ipsum . . ." (PL 76, ^ Weitere Ausführungen vgl. Grete Lüers S. 102£f., Stellenbelege bes. aus dem Werke der Mechthild von Magdeburg ebenda S. 129 ff. Zur Unterscheidung der „oculi carnales et cordis" im Werke Gregors des Großen vgl. PL 76, Sp. 948 ВС, die „oculi mentis" vgl. ebenda Sp. 990 A. Vgl. außerdem Glossa ordinaria PL 114, Sp. 590 A. Zu Augustinus vgl. den Index generahs zu den Werken Augustine PL 46, Sp. 469f. und die Verweise bei F. David Lenfant, Concordantiae Augustinianae 1. Bd. Paris 1656, 2. Bd. Paris 1665 jeweils unter „oculus". — Zu Hugo von St. Victor vgl. Ueberweg/Geyer S. 265—267, ebenda S. 267 die bei Hugo anschließende Unterscheidung der drei „visiones"; dazu vgl. auch Friedrich Ohly, Hoheliedstudien S. 219. Die Unterscheidung des dreifachen Auges wird auch von Bonaventura übernommen.
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Sp. 358В), und deshalb sind die Kreaturen Wege zu Gott: „Viae quippe ad Creatorem sunt opera considerata creaturae. Quae dum facta cernimus, potentiam factoris miramur. In istis viis a sapientia omni nobis Providentia occurritur, quia factoris nobis virtus inquirenda proponitur in omne quod mirabiliter factum videtur; et quocumque se verterit anima, si vigilanter intendit, in iisdem ipsis Deum invenit, per quae reliquit; ejusque potentiam ex eorum rursus consideratione cognoscit, quorum amore deseruit; et per quae perversa cecidit, per haec conversa revocatur . . ( S p . 358 CD). Meister Eckhart faßt die mittelaherliche Lehrmeinung in dem Satz zusammen: . . . wan ein iegltchiu creature ist vol gotes und ist ein huoch (DW I, S. 156,9). Die Vorstellung von der Leiter der Kreatur bringt wohl erstmals Bernhard von Clairvaux im 5. Buch seines Traktates „De consideratione". Das erste Kapitel ist überschrieben: „De his quae supra nos sunt, id est de Deo rebusque divinis, considerationem instituit, ad quas modo per creaturas erigimur." Darin führt Bernhard u. a. aus: „Et hoc velim solerter advertas . . ., quia toties peregrinatur consideratio tua, quoties ab iUis rebus ad ista deflectitur inferiora et visibilia, sive intuenda ad notitiam, sive appetenda ad usum, sive pro officio disponenda vel actitanda. Si tamen ita versatur in his, ut per haec ilia requirat, haud procul exsultat. Sic considerare repatriare est. Sublimior iste praesentium ac dignior usus rerum, cum juxta sapientiam Pauli, ,invisibilia Dei, per ea quae facta sunt, intellecta conspiciuntur'"^. Der folgende Satz aber beweist, daß die Leiter der Kreatur für Bernhard nur ein Behelf ist, denn ihrer bedürfen die Fremdlinge, nicht die Bürger (des Reiches Gottes): „Sane hac scala cives non egent, sed exules. Quod vidit ipse hujus sententiae auctor, qui cum diceret invisibilia per visibilia conspici, signanter posuit, ,a creatura mundi'. Et vere quid opus scalis tenenti jam solium? Creatura coeli illa est, praesto habens per quod potius ista intueatur. Videt Verbum, et in Verbo facta per Verbum . . ." (PL 182, Sp. 787 f.). Ganz in diesen Vorstellungsbereich gehört es, wenn als „exempla" zur ersten Leiter der Seele in unserem Text nicht nur die Bibel und die Väter, sondern vor allem die wisen haidinen (f. 70rbf.) angeführt werden. b) Die Seelenleiter: Div andir laetire. da mitte wir vf ^e gotte climmen sun. ist div sek. div laetire ist vil hohtr denne div erste, vnde dannan von sprichit sanctus gregorius. Wie div sele aine laetirun sol machin. da v f f e si í^egotte Climen sol. Er sprichit. da^ sich div sele in ^ehi. in sich selhun. dav^ si virge^se allir vi^wendiger dinge, vnde sol vf stigen an den ersten grat (f. 71 rb). ^ Dasselbe Schriftzitat Rom. 1,20 führt Gregor der Große an der oben zitierten SteUe PL 76, Sp. 358 В als Beleg an.
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Das Zitat ist der fünften Homilie des zweiten Buches von Gregors „Homiliae in Ezechielen!" entnommen: „Nam saepe volumus omnipotentis Dei naturam invisibilem considerare, sed nequaquam valemus; atque ipsis difficultatibus fatigata anima ad semetipsam redit, sibique de seipsa gradus ascensionis ( = atne laetirm) facit, ut primum sementipsam, si valet, consideret, et tunc illam naturam quae super ipsam est, in quantum potuerit, investiget. Sed mens nostra si in carnalibus imaginibus fuerit sparsa, nequaquam vel se vel animae naturam considerare sufficit, quia per quot cogitationes ducitur, quasi per tot obstacula caecatur" (PL 76, Sp. 989 C). Dann aber gehen der lateinische und der mittelhochdeutsche Text eigene Wege. Während Rd. 56 an Augustinus' Lehre von den drei Seelenkräften „memoria, intellegentia, voluntas" anknüpft, bestimmt Gregor die drei Stufen (gradus) der Leiter wie folgt: „Primus ergo gradus est ut se ad se colligat, secundus ut videat qualis est collecta, tertius ut super semetipsam surgat, ac se contemplationi auctoris invisibilis intendendo subjiciat. Sed se ad se nuUatenus coUigit, nisi prius didicerit terrenarum atque coelestium imaginum phantasmata ab oculis mentis compescere, quidquid de visu, quidquid de auditu, quidquid de odoratu, quidquid de tactu et gustu corporeo cogitation! ejus occurrerit, respuere atque calcare, quatenus talem se quaerat intus, qualis sine istis est . . ." (PL 76, Sp. 989f.). Die erste Stufe der Seelenleiter = memoria gehugide (f. 71 rb) ist dadurch hervorgehoben, daß sie mit dem Begriff des „Spiegels" zusammengebracht wird, woran sich eine lange Spekulation schließt. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts (um diese Zeit müssen wir die Vorlage von G ansetzen) gibt es wohl kaum einen deutschen Text, der mit gleicher Sicherheit und Wortgewalt die hauptsächlichen Bildkomplexe dieses Begriffes umreißt: In disen spro:(in sol denne disiv sele vf climmen. vñ sol irkennen si gotte gelich ist dar an. wan aise si hildunge het in (G f. 71 rb) ir allir dinge, vnde toh der dinge div si niht ist also ist got at bildunge allir dinge, vnde ist ain lebindir spiegil in deme elliv dinch bilde enphant. Er ist inhimilriche ain spiegil der engilon. vnde ain spiegil allir selon, da siht man den engil in gotte, vnde got in deme engile. da sehen wir got in der sele. vnde die sele in gotte, vnde des^ hain wir aine gelichi vf ertriche. iehint die maistire. der s^wene spiegil naeme vnde die gegin ain andiren betti, so hildeti sich aenwedire spiegil in dem andini. Zegelichir wi:^ ist ζί himilriche. Vnsir herre ist ain lebindir spiegil. vnde der ewige spiegil. von deme elliv schonhait vñ elliv vrdde vlú^et. so ist och ain iegelich engil vnde ain iegelich sele ain spiegil. die spiegile glem^int alle gegin ain andir. Vnde sehint inden gütlichen spiegil alle engilsliche spiegile. vnde in den engilschen spiegiln sehen wir den gotlichin spiegil. So sehin wir och indeme gotlichin spiegile ainer iegelichir sele spiegil. vnde abir got in der sele. also ist vnsir herre ain bilder vnde ain spiegil allir der die inhimilriche sint.
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So ist er och ain bildet allir creature, wan er het elliv dinch geschaf — (f. 71 va) fen vnde gebildet in ime seibin da¡i man got dran irkennen mach (f. 71 vb)®. Der metaphorische Begriff des Spiegels ist nicht allein in mystischen Schriften festzustellen, die Mystik hat sich hier vielmehr eines schon ' Folgende Bildbereiche umfaßt unser Zitat: 1. Die Gottheit als Spiegel aller Dinge, als Spiegel der Engel und der Seelen, 2. die Engel als Spiegel, 3. die Seele als Spiegel. Die von Grete Lüers angemerkte Metapherngruppe „Spiegel des Vergänglichen, Irdischen" ist nicht belegt. Bei Augustinus gibt Lenfant keine Belege für die metaphorische Verwendung von „speculum". Unsere dritte Verwendungsart findet sich auch bei Hugo v. St. Victor, sowie bei seinem Schüler Richard (PL 196, Sp. 51 CD;) und ist offensichtlich so allgemein verbreitet, daß sie in der Glossa ordinaria erschein : „Speculum. Est anima: speculum vi cujus aliquo modo Deum noscimus, sed obscure". (Glossa zu 1. Cor. 13,12; PL 114, Sp. 543). Nach Grete Lüers hat auch Dionysius Areopagita als Quelle zu gelten. Die verschiedenen Begriffsgruppen des mittelalterlichen „speculum" sind bisher noch nicht systematisch erfaßt. Zahlreiche metaphorische Beispiele sammelt Grete Lüers, Die Sprache der Mystik S. 245—248, doch findet sich darunter kein Beleg, der den Umfang unseres Zitates erreicht. Auf dieses in der Fassung A weist schon Wilhelm Wackernagel hin: Über die Spiegel im Mittelalter, in: Kleinere Schriften von Wilhelm Wackernagel, 1. Bd., Leipzig 1872, S. 131, Anm. 8. Ebenda und S. 132, Anm. 2 u . 3 sind weitere Stellen mit der metaphorischen Verwendung des Wortes gesammelt, während sich der Aufsatz hauptsächlich mit dem Gebrauchsgegenstand „Spiegel", besonders dem Glasspiegel befaßt. Über den Spiegel als Gebrauchsgegenstand spricht schon Isidor, und wir wollen das Zitat seiner „kulturgeschichtlichen" Bedeutung wegen hier mitteilen: „Specula sunt in quibus feminae vultus sues intuuntur. Dictum autem speculum vel quod ex splendore reddatur, vel quod ibi feminae intuentes considèrent speciem sui vultus et, quidquid ornamenti deesse viderint, adiciant" (Isid. Etym. XIX, 31,18). Auf die zahlreichen //i/V^eZ-Belege in der Ausgabe Rieders bezieht sich Wolfgang Stammler, Studien zur Geschichte der Mystik in Norddeutschland (jetzt in: Wolfgang Stammler, Kleine Schriften zur Literaturgeschichte des Mittelalters, Berlin 1953) S. 180, Anm. 73 und verweist auf Parallelen in Pfeiffer I - f l l , Tauler, Seuse und Par. an. Besonders im Par. an. und bei Seuse (S. 237,7f.; 242,17f.; 263,12 ; 277,8 u. ö.) tritt die metaphorische Verwendung hervor. Zur metaphorischen und bildlichen Verwendung bei Meister Eckhart vgl. DW I, S. 154,2,4f. und die Anm. 1 angegebenen Parallelen, S. 259,2,5f., 11 f. und dazu Anm. 2 und S. 266,2,4f. mit der Anm. 1. Vgl. auch Hans Leisegang, Die Erkenntnis Gottes im Spiegel der Seele und Natur in: Zeitschrift für philosophische Forschung IV,2 (1950), S. 161—183. Einen weiteren großen Bereich des Spiegelbegriffes müssen wir anmerken: „speculum, Spiegel" in mittelalterlichen Uberschriften. Paul Lehman hat in: Mittelalterliche Büchertitel 2 = Sitzungsberichte der phil. hist. Klasse der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, 1953,3 eine stattliche Anzahl solcher Titel gesammelt. Einige Hinweise gibt schon Wackernagel (vgl. oben) S. 132f., gehäuft finden sich Beispiele bei Matthäus Bernards, Speculum virginum. Geistigkeit und Seelenleben der Frau im Hochmittelalter, Köln 1955, S. 1—6 (vgl. auch S. 6—9 55 Handschriften des Jungfrauenspiegels); einen weiteren Rahmen steckt schließlich E. R. Curtius ab: Europäische Literatur und Lateinisches Mittelalter, Bern ®1954, S. 340, Anm. 1.
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lange vorgezeichneten „Sinnträgers" bemächtigt und ihn besonders für das Verhältnis der Seele zum dreifaltigen Gott verwendet: „. . . tu namque es speculum divinitatis, eo quod in te principalius quam in ceteris creaturis deus reluceat; imago trinitatis, eo quod eius imago in te resplendeat; exemplar aeternitatis, eo quod inviolabili incorruptione gaudeas" = Du bist nach dinem naturlichen wesen ein Spiegel der gotheit, du hist ein bilde der drivaltkeit und bist ein exemplar der ewiheit (Bihlmeyer, Seuse, S. 237, 7f. u. Anm.). Somit ergibt sich die Verbindung zu der zweiten Spekulation in unserm Text, den Ausführungen über die „analogia entis" und den innertrinitarischen Prozeß. Sie schließen die Darstellung der Seelenleiter ab, nachdem ihre zweite und dritte Sprosse kurz gekennzeichnet wurde* : Nv merkint di\ vil virnunsticliche. Di^ drie groe te. das^ sint die krefte in der sele. daran sigelich ist der hatligun drivaltichait. vnde an dien drin kreften sunt ir lernen vnde merkin me der sun von deme vatir ist geborn. nah der gothait. vnde wie der hailige gaist von in baiden ist gevlo^sin. Div erste kraft da¡^ ist div gehugide. dar an merkin wir den vatir. wan in der hailigun schrift git man deme vatir den gewalt. Vnde deme sune die hailigun wishait. vnde deme hailigen gaiste die gùti. Nu merkint rehte ir sunt dav(^ wiesen, das^ man dar umbe deme uatir niht den gewalt git. dai^ der sun vnde der hailige gaist deste ungewaltiger sin denne der uatir. Man ^t och deme ewigen sune niht (f. 72 ra) dar umbe die wishait. da;^ der uatir unde der hailige gaist iht vnwiser sin. denne er. Man engit och deme hailigen gaiste niht dar umbe die gûti. dai{_ der vatir vnde der sun deste minre gut sin. denne der hailige gaist. E^ sint drie benemide vnde ain gewaere got. mit aime gewalte, mit ainir wishait. mit ainir gùti. mit ainir gothait. Doh git man an deme namen deme vatir den gewalt inder hailigun schrift (f. 72rb)5. Die Spekulation geht also von den Zueignungen Gottes aus: von potentia, sapientia, bonitas (benignitas) zu den Wesensnamen der drei göttlichen Personen und zugleich des dreieinigen Gottes. Schon das * Vgl. G f. 71 vb : Der andir sprone der laetire da:^ ist der sele virrtust. div ist ain lieht der gehugide in der sele. . . mit demi lichte der vimust mr(d) div sele irkenninde daz si an der edilchait der nature gotte gelich ist. Zehant gat nach der virnust der dritte grat. dai^ ist minne. so div behugide ( ! ) der bildungeenphat. vnde dar nah div virnust irkennet die edilchatt der bildmge. So minnet si vnde het denne so gror^e vröde an dien editen vnde dien hohen bildungen die siv in der gehugide irkennet. da;^ si enhaines v^wendigen dinges bedarf, vnde het sich so gar in ge^ogin in sich seibin. da^ sie enhainir vröde gerot. noh enbedarf. man die si an ir selbun hat. ^ An Schriftstellen kommen für die „Gewalt" Gottes u. a. in Betracht 1. Paralip. 29,11 f. „Tua est. Domine, magnificentia et potentia . . .", Ps. 79,3 „. . . Excita potentiam, et veni, ut salvos facias nos". Ps. 144,4,11 f., Luc. 1,51. Zur „Weisheit" des Sohnes vgl. etwa 1. Cor. 1,30 „Ex ipso autem vos estis in Christo Jesu, qui factus est nobis sapientia a Deo, et justitia, et sanctificatio, et redemptio". Es ist aber wahrscheinlicher, daß hailige schrift hier auch die Werke der Väter und damit deren Lehre von den Appropriationen Gottes mit einbezieht.
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Untersuchung
St. Trudperter Hohe Lied verbindet sie mit der analogia entis und den drei göttlichen Tugenden. Nu geit an die hrûtlùfte. nû hebe ûf dîne gehuth mit der heiliger geluohe nâch deme gewalte des schephâris. si wirt inte gefvget als ein brät, ebe ûf dîne uernunst mit gedingen hin ^e deme wîstùme dînes urlosâres. si ìvirt ime gefûgit same chone karle. ebe ûf dtnin willin mit der heiligm minne nâch der oberôstin gute des heiligin geistes. ime wirt din séle gefüget ^e êgelikir unde ^ rehtir wineschefte . . . Auch Bernhard von Clairvaux kennt die Appropriationenlehre in Verbindung mit der Trinitätsspekulation: „Beata illa et sempiterna Trinitas, Pater et Filius et Spiritus Sanctus, unus Deus scilicet, summa potentia, summa sapientia, summa benignitas, creavit quamdam trinitatem ad imaginem et similitudinem suam, animam videlicet rationalem: quae in eo praefert vestigium quoddam illius summae Trinitatis, quod ex memoria, ratione et volúntate consistât. . Unser Text hat schon einmal, bei der Erläuterung der Schöpfungsleiter, gewalt, wishait und gäti als Eigenschaften Gottes genannt, wobei Gott nicht als erste trinitarische Person, sondern als dreipersönliche göttliche Wirklichkeit gefaßt ist (vgl. Rd. S. 231,16; S. 232,15). Wenn er sich jetzt der Appropriationenlehre anschließt, sich aber gleichzeitig gegen alle Gefahren einer ketzerischen Mißdeutung sichert — sint drie benemide vnde ain gewaere got —, so ist darin die Verurteilung Abälards und der Geist Bernhards im Kampfe mit seinem großen Gegner zu finden: „Adhuc advertite clarius quid (Abaelardus) sentiat, doceat, scribat. Didt proprie et specialiter ad Patrem potentiam, ad Filium sapientiam pertinere: quod quidem falsum. Nam et Pater sapientia, et Filius potentia verissime sunt, sanissime dicuntur: et quod est commune amborum, non erit proprium singulorum . . . Non enim una et ' St. Trudp. Hohes Lied 13,4—12. Vgl. auch 18,7—34. ' 45. Sermo in diversis, P L 183, Sp. 667 A. Die Lehre von den Appropriationen Gottes, von den „nomina absoluta et essentialia", wie sich Bernhard ausdrückt, von den „essentialia attributa" nach Thomas, ist schon bei den griechischen Vätern, vor allem bei Irenaus formuliert. ( Έ λ έ γ χ ο ί και άνατροττή τ η ; ψευδωνύμου γνώσεω5 = Adversus haereses, 4. Buch 38. Kapitel). Sie ist angelegt bei Augustinus (De doctr. christ. I, 5,5) und Hilarius (De trin. 11,1), streng ausgebildet aber erst in der scholastischen Philosophie des 12. und 13. Jahrhunderts: bei Abälard (Theol. 1,10 sapientia, potentia, benignitas), Bernhard von Clairvaux (vgl. unten), bei Hugo von St. Victor, Petrus Lombardus, Bonaventura, Thomas von Aquin, aber auch bei kleineren Geistern, wie etwa Gerhoh von Reichersberg, Opera inedita, Bd. I I , Rom 1956, S. 100 u. a. Vgl. dazu Michael Schmaus, Katholische Dogmatik, Bd. 1, München 1953, S. 361—374; Ludwig Ott, Grundriß der kathl. Dogmatik, Freiburg ^1959, S. 39. (dort auch die Augustinusdefinition des „appropriare"). Zur deutsch-sprachigen Appropriationenlehre des Mittelalters vgl. bes. Kurt Ruh, Die trinitarische Spekulation in deutscher Mystik und Scholastik, ZfdPh 72 (1953), S. 2 6 f . ; S. 29, Anm. 14; S. 39.
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eadem res proprie poterit convenire duobus, hoc est, ut cuique propria sit. Eligat quod vult: aut det sapientiam Filio, et toUat eam Patri; aut Patri tribuat, et auferat Filio; et rursum benignitatem aut Spiritui sancto sine Patre, aut Patri sine Spiritu sancto assigner : aut certe desinai nomina communia propria facere, et Patri, quoniam a seipso habet potentiam, non ideo tarnen audeat concedere propriam: ne et benignitatem simul et sapientiam, quas a se nihilo minus habet, identidem proprias ipsi sua ratione assignare cogatur . . Im Text selbst findet sich nun keine klare Brücke von der Appropriationenlehre zur anschließenden Schilderung des innertrinitarischen Prozesses : Nu ist hi der gehugtde ba^ainchint der uatir. vnde der sun Ы der virnust. vñ der hailige gaist bi der minne. Vnde alse ir da^ merchint. div virnust kunt von der gehugtde. also ist der sun geborn vnde gevlo^sin von deme ewigen vatir. nah der goihait. Vnde ¡^ege lichir ms alse dise drie krefte ane ain andir nlht mugen sin. wan nah der bildungt gat uirnust. WM virnust mach niht von ir selbun sin. sie тй;^ iemir etwa^ han da an si si. vnde da uon si si. Vnde alse div !^wai baeidiv werdint in der sele. beidiv bildunge unde virnust. So vallet s^ehant dat^ dritte dar da;(^ ist div minne. da^ e^ div sele denne minnen тй^. vnde ¡^egelichir wis alse div minne kMmet vnde úbir vlús^et von der gehugide. vnde von der virnust (f. 72 rb). also ist och der hailige gaist gevlo^in von deme vatir vnde von deme sune. man git alli^an deme hailigen gaiste die gùti vnde die sü^ichait vnde da von be^aichinen wir in bi der minne. Vnde da bi sunt ir uirstan das^ der hailige gaist. in in baiden swebit. vnde wie er von in baiden vlus^set. Vnde als ir sehint denne da^ die drie href te an ain andir haftent. vnde doch drie namen bain, vnde enist doch enhainiv an dir andirun. Also ist der uatir vnde der sun. vnde der hailige gaist. da^ sint drie benemide. vnde enist doch niht wan ain got. div driualtichait (f. 72 va). Nach der Terminologie müssen wir unseren Text in die „dynamische Strömung"® der DreiEaltigkeitsspekulation einreihen, die vom Neuplatonismus ausgehend vor allem durch die Namen Dionysius Areopagita — Richard von St. Victor — Alexander v. Haies — Bonaventura gekennzeichnet ist. Der Vorgang der Emanation ist gekennzeichnet durch die Termini vliev^en, übervlie^en, mit denen im späteren Text das Bild des göttlichen Brunnens korrespondiert: Der brunne von deme div lebinden wa^sir vlie^ent. dai^ ist unsir herre got der ist der lebinde brunne von deme wir werden getrenkit. da^ wir ewicliche leben (f. 74rb). Obwohl das letzte Zitat an Apoc. 7,17 anknüpft: „Quoniam Agnus qui in medio throni est, reget illos, et deducet eos ad vitae fontes aquarum, et ' S. Bernardi abbatis contra quacdam capitula errorum Abaelardi epistola CXC seu tractatus ad Innocentium II pontificera. Caput III Absurdum dogma Abaelardi, nomina absoluta et essentialia uni personae proprie et specialiter attribuentis, oppugnai. PL 182, Sp. 1058 D—1059 С usw. ^ Vgl. dazu und zum folgenden Kurt Ruh, Trinitätsspekulation S. 40 f.
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absterget Deus omnem lacrymam ab oculis eorum", besteht doch kein Zweifel, daß die deutsche Mystik, wie schon Grete Lüers nachweist, diese Emanation stermini aus Dionysius Areopagita schöpft, der den Vater den alleinigen Quell (πηγή) der überwesentlichen Gottheit und Quelle und Ausspendung der Gnaden nennt, der vom Ausströmen Gottes wegen der Fülle der Güte spricht, auf den also alle diese Vorstellungen des FUeßens und Strömens direkt zurückgehen. Später hat dann vor allem Richard von St. Victor, die „plenitudo divinitatis" betont^" Der enge Zusammenhang zwischen der Appropriationenlehre und der Lehre vom innertrinitarischen Prozeß muß hier nicht ausdrücklich gekennzeichnet sein, da er im Mittelalter für den geschulten Theologen eo ipso durch die scholastische Tradition gegeben ist^i. Die Tradition führt uns auch zur dritten Leiter, zu c) der Tugendleiter: So m div sele disiv laetirm vf geclimmet. vnde die drie spro^sin übirstiget. alse iv och gesait ist. Gehugide. uirmst. vnde mime. So sol si derme an die drittun laetir tíimmen. div ist noch höhir. da^ sint die gotlichtn tuende, an der laitire mach div sele rehte s(e gotte komen. Div ¡attire der tuginde het och drie sprot^sen. die div sele vf climmen müi^. ivil si ^e gotte komen (f. 72va). Die drei Sprossen sind also Glaube, Hoffnung und Liebe, wobei die zweite und dritte Sprosse charakteristisch umgestellt sind, der höchste Grad dieser Leiter also die ^ävirsiht (f. 73 ra) ist. Wie diese Leiter mit den vorhergehenden verbunden ist, warum sie eine höhere Leiter als die der Seele genannt werden kann und warum die Hoffnung erst auf Glaube und Liebe folgt, das zeigen deutlich Bernhard und Hugo, wenn auch die einzelnen Ausführungen unseres Textes keine unmittelbare lateinische Quelle haben: „Veruntamen hunc tam gravem, tam tenebrosum, tam sordidum lapsum nostrae naturae ( = den Sündenfall) reparavit illa beata Trinitas, memor misericordiae suae, immemor culpae nostrae. Venit ergo a Patre missus Dei Filius, et dedit fidem; post Filium missus est Spiritus sanctus et dedit docuitque charitatem. Itaque per haec duo id est fidem et charitatem, facta est 10 Vgl. zu Vliesen Grete Lüers a. a. O. S. 278—285; zu brume ebenda S. 140—143; zur Vorstellung der „plenitudo" bei Richard von St. Victor: Kurt Ruh, Trinitätsspekulation S. 41, zu diesen Termini im Konzept der gesamtmystischen Terminologie vgl. Hermann Kunisch, Spätes Mittelalter (1250—1500), in: Maurer-Stroh, Deutsche Wortgeschichte, 1. Bd., Berlin П958, S. 254, S. 262f. Vgl. auch Dionysius Areopagita: Μόνη δέ π η γ ή τήξ ύπερουσίου θεότητοξ ó ΤΤοττήρ . . . (PG 3, Sp. 641 D) Μόνη γ α ρ π η γ ή . . . 6 Πατήρ . . . (PG 3, Sp. 668 Β) Τήν ττηνήν καΐ διαυομήν τ ω ν χαρισμάτων . . . (PG 3, Sp. 660 С) . . . ή δια ττλήθοί ά γ α θ ό τ η τ ο ί Ίτρόοδο; TOÖ Θεοϋ είζ τήν ττολυειδίαν . . . (PG 3, Sp. 668 С) u. ö. 11 Diesen Zusammenhang formuliert im Anschluß an die Scholastik z. B. Schmaus a. a. O. S. 361 n. 3 ; vgl. auch Ruh, Trinitätsspekulation S. 27, sowie unten das Zitat aus Hugo V. St. Victor.
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spes redeundi ad Patrem. Et haec est trinitas, scilicet fides, spes, Charitas ; per quam velut per tridentem reduxit de limo profundi ad amissam beatitudinem illa incommutabilis et beata Trinitas mutabilem, lapsam, et miseram trinitatem. Et fides quidem illuminavit rationem; spes erexit memoriam; Charitas vero purgavit voluntatem" (PL 183, Sp. 6 6 8 A B ) 12. 3 . D I E VISIO BEATIFICA
Von der dominikanischen Mystik herkommend erwarten wir, daß Spekulationen, wie sie hier vorgeführt werden, letztlich zur innigsten Vereinigung der Seele mit Gott, zur unio mystica führen, doch diese Konsequenz ergibt sich nicht in unserem Text. Zwar erscheint noch einmal bei der Erläuterung der Hoffnung ein mystisches Gleichnis, doch wird daran anschließend die visio Gottes, als ein Schauen von Angesicht zu Angesicht in das jenseitige Leben verlegt: . . . in der staetichait löfet div sek gotte nah alse der edile iagehmt deme hir^e. Der (f. 73 ra) ist der nature, da^ er alli^an ainen smach lat nah ime an dien ß^en. vnde deme smacke löfet der hunt mit also grosjr girde nah. da^ er niemir gerâwet. . . ^egelichir ms geschiht der sek. so si vnsirs herren gesmekit. alse div sek sprichit in Canticis. Min gemahile het sinen smach v^ virla^sen. deme smache löfet si so his^ecliche nah. da^ si niemir den Up lat gerüwen . . . e si in an da^ ende bringet, da^ ist der sele ewichait. da mitte si sich gelichit gottes ewichait. so si in der staetichait löfet. vnt{_ an da:^^ ende ir lebinnes (f. 73 rb). Unter den zahlreichen von Lüers S. 256—259 angegebenen Belegen können nur die als Die Übereinstimmung dieses Bernhardtextes mit dem folgenden Text Hugos von St. Victor ist frappierend. Wir dürfen dennoch nicht auf eine gegenseitige Abhängigkeit, eher auf eine gemeinsame Quelle, etwa in dem Werke des gemeinsamen Lehrers Augustinus schließen: „Vultus Patris est potentia Filii; sapientia Spiritus sancri, benignitas. (Die Zeichensetzung bei Migne muß sicher so geändert werden: Vultus Patris est potentia, Filii sapientia, Spiritus sancti benignitas). Lumen vultus est memoria, intellectus, voluntas. De memoria cecidit homo in oblivionem; de intellectu in ignorantiam; de volúntate in rectitudinis abusionem. Sed Deus misit Filium suum qui attulit fidem, spem, charitatem. Quibus haec imago, hic vultus Signatur super nos, id est rationi imprimitur. Fides pellit oblivionem, memoriam restituendo; spes ignorantiam fugat, intellectum purgando; Charitas rectitudinis abusionem exstinguit, voluntatem relevando. Vultus itaque Trinitatis in charitate, est potentia, sapientia, benignitas. Per potentiam cuncta creavit; per sapientiam cuncta disposuit; per benignitatem cuncta gubernat et fovet. Sed quia ad vultum videndum accedere non possumus, habemus lumen, id est imaginem et similitudinem. Per imaginem ipsum apprehendimus, id est, per memoriam, intellectum et voluntatem. Per similitudinem eum nobis exprimimus, id est, per fidem, spem et charitatem etc." (PL 177, Sp.794CD). Zum Thema der Tugendleiter vgl. Matthäus Bernards, Spec, virg., S. lOóf. und die dort verzeichneten Stellen- und Literaturangaben. Vgl. etwa auch PL 184, Sp. 460ίΤ., 210, Sp. 224.
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Untersuchung
Parallelen gelten, die smecken nicht im Sinne von „gustare, frui", sondern von „riechen, bemerken, aufspüren" gebrauchen, und es sind dies bezeichnend Stellen aus der Jagdmetaphorik^®. Schließen wir uns der alten Unterscheidung von via purgativa, illuminativa und unitiva an, so erreicht unser Text Rd. 56 im diesseitigen Leben „nur" die via illuminativa, während die unio, bestehend in der Schau Gottes, der visio beatifica dem ewigen Leben nach dem Tode des Leibes vorbehalten ist: Denne ( = nach dem Tode) mrt der sele gegehin das^ naehe öge. da^ got dur schôwit. da mitte mrt si got lutirliche vnde vnmrdaht schowinde. vnde dar vf disputierent sumiliche maistir vnde duhte siv da^ mmugelich da^ ivir got soltin sehin ane bedeckunge. Vnde irkandon sine schonhait also höh. vnde also gro^· da;(^ siv (f. 73 va) des iahin da^ in mdir engil noh seien mohtin gesehin. ane uirdeckunge. er mùi(e etwas uirdeckunge an sich nemin. da¡^ wir in gesehin mehtin (f. 73 vb). Die genannten sumiliche maistir'^*' sind besonders Johannes Eriugena, die teilweise von ihm abhängigen und 1215 verketzerten Amalricaner, aber selbst ein Mann wie Alexander von Haies. „Im Jahr 1241 verurteilten Bischof und Universität von Paris als ersten neben neun anderen den Satz: ,Quod divina essentia in se пес ab homine пес ab angelo videbitur'." Der Lehre von der Anschauung Gottes etwa durch Theophanien, wie sie Johannes Eriugena lehrte, widerspricht Hugo von St. Victor und verteidigt die traditionelle abendländische Lehre von der direkten Anschauung Gottes Auch Rd. 56 schließt sich den Verteidigern der Lehre an, die sich schließlich seit Albertus Magnus durchgesetzt hat: Da^ widir wirf et sanctus Beda, vnde sprichit. siv sun ir trûbi^ wolkin hin tun. da mitte siv uns dav^ unsir lieht, vnde die vröde vnsirs herren wolton virdeckin. Vnde da mitte git er ain urkünde, da^ wir got lutirliche vnde ane uirdeckunge werden sehinde. rehte mit offinen ögen . . . (f. 73vb). Die Diskussion um die visio beatifica führt unseren Text ins 13. Jahrhundert, es könnte nämlich die Vorlage — wenigstens von Rd. 56 — unmittelbar nach dem Pariser Urteil, also in der 2. Hälfte des 13. Jahr" Zum „Jagen" Gottes vgl. Grete Lüers S. 204 f. " Vgl. dazu und zum folgenden Karl Forster, Anschauung Gottes, in : LThK 2. Aufl. Bd. I (1957), Sp. 587f. „ . . . Sic ergo поп constituimus alium inter Deum nostrum et nos, sed immediate viam facimus et nobis ad ipsum, et ipsi usque ad nos, ut simus in ipso, et ipse in nobis : ut non sit aliud extra ipsum, in quo beatificemur, sicut aliud esse non potuit praeter ipsum, a quo c r e a r e m u r . . . A c si diceret: Non solum illa invisibilia, quorum haec signa proposita sunt, in manifestationem venerunt; sed etiara quaecumque alia invisibilia, quae nobis quidera, scilicet hominibus symbolice, id est figurative et per sensibiles demonstrationes sunt tradita, id est proposita et manifesta; coelestibus autem essentiis, id est angelicis spiritibus supermundane et spiritualiter per nudam et simplicem veritatem impressam revelata" (Commentarium in hierarchiam coelestem s. Dionysii Areopagitae, secundum interpretationem Joannis Scoti. . . libri X , lib. II, PL 175, Sp.955f.).
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Hunderts oder gar noch während des Meinungsstreites, also eventuell schon vor 1241 entstanden sein. Ein letzter Teil in Rd. 56 handelt von der Freude im Himmelreich, kommt also für die mystischen Untersuchungen nicht mehr in Frage. Im ganzen ist der Text sehr selbständig gearbeitet und nur mit wenigen Autoritäten durchsetzt, so daß lediglich Einflüsse der Mystik und Scholastik festzustellen sind, Bernhardischer und Victorinischer Geist sind daran stark beteiligt. — Im Gegensatz zu Rd. 56 dringt Rd. 60, der Palmbaumtraktat zur unio mystica selbst vor. Den Inhalt der Schrift umreißt ziemlich genau die resümierende Einleitung: Der balmebdn hat siben este, vnde iegelich ast het ainen blümen vnde aiti vocili, vnde singet iegelich vogilli ainen sundirlichin sanch. vnde iegelich blùme het sinen sundirlichin smach, vnde sine varwe. vnde sine schönhait. Dise balmebòn da¡^ ist ain iegelich saelich mensche, da^ unsirs herren balmebin ist. vnde ime sä^en sanch singet, vnde schöne blümen bringet, wan swer ime mit staeten tuginden dise be^aichinunge bringet, an sinen werchin vnde an sineme lebinne. Der mach wol sprechin. Dixi ascendam in palmam. Ich bin gestigen vf den balmebòn. da wil ich rùwen. wan swenne er den sibindin ast ubir stiget. So gat ez an die sù^ùn rûwe. div sele bi gotte rùwen sol. in úbtrvliet(indir süv^ichait. vnde nah der rûwe kumet vil schiere div ewige rùwe. von der da gesprochin ist. Нес requies mea. Di^ ist min rûwe. dit¡^ ist min erbe, hie sol ich ewicliche rùwen. mit deme liebin gotte (G f. 86 vb). Die Siebenzahl der Seelenstufen ist seit Augustins „De quantitate animae" Allgemeingut der geistlichen Literatur des Mittelalters, wobei die siebte und letzte Stufe (bei Augustinus = contemplatio) jeweils zur Vereinigung der Seele mit Gott führt. In der Redaktion *G von Strauch, zu der auch unser Palmbaumtext gehört, bedeutet der siebte Ast gan^iu su^ichait. so der mensche des bömis este alle ubir stiget mit staeten tuenden vnde e^ an den obirostin ast htmet. so givrât unsir (f. 90 vb) herre also gro^n sùi^ichait in die rainun sele. da^ si deme libe unvirtragilich ist. Vnde mach sich kume in ime enthabin. . . Vnde ist abir der gaist also gesterchit da^ er den Up trait rehte als ir sehint da^ der gesunde mensche den stechin trait, also trait der gaist vongotlichir kraft des libes irschrekunge (f. 91 ra). Nur im ZusammenDas Handschriftenmaterial hat sich seit Walther Dolch und Philipp Strauch noch erheblich erweitert. Vgl. zum eigentlichen Palmbaumtraktat: Walther Dolch, Die Verbreitung oberländischer Mystikerwerke im Niederländischen, Weiden i. Th. 1909 §§ 43—50; Philipp Strauch, PBB 48, S. 355—375; Karl Christ, Le livre du paumier, vgl. oben S. 22 Nr. 7; Ruh, Bonaventura S. 151 (Ergänzungen zu Strauch und Dolch); Eva Lüders I, S. 229, Fn. 2 (vier weitere lat. Palmbaumtraktate). Nach emem freundlichen Hinweis von Herrn Klaus Grubmüller, München kann ich hier zwei weitere deutsche Palmbaumtraktate aus der Universitätsbibliothek München mitteilen: 4® cod. ms. 479 f. 7 3 v — 7 7 r und 8" cod. ms. 279 f. 6 9 v — 7 3 v . Beide Texte stellen sich zu Strauchs Redaktion *E, bzw. zu seiner Hs. M. 9
FiUhwald, Prediger
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hang mit der Einleitung wird deutlich, daß hier eine Ekstase geschildert ist, ohne daß der Vorgang bewußt erfaßt wird. Wir müssen annehmen, daß kein eigenes Erleben zugrunde liegt, sondern vielmehr nach einer Vorlage oder von der Schultradition bestimmt ein ekstatischer Vorgang beschrieben wird, der nur entfernt an die unio mystica anklingt. Das Interesse des Verfassers ist nämlich ungeachtet des allegorischen Gewandes ganz auf die Praxis klösterlichen Tugendlebens ausgerichtet, wie aus der Deutung des Vogels Phönix und der Feldblume auf dem siebten Ast der Palme hervorgeht. Der bekannte Bericht vom Vogel Phönix, der für das Mittelalter von Isidor im Anschluß an Plinius vorbildlich formuliert ist^', wird in Rd. 60 auf saeltge mensche da^ alliwege gerne mnetufdeme hohin berge, da^ istgaistlich lebin (G f. 91 rb ; Rd. S. 269,20 f.) gedeutet. Auch hier bedeutet gaistlich lebin lediglich das Leben im Kloster: so solt du dich irnúwin. vnde solt allumbe gan in deme dosier цй iegelichir swestir. vnde salt ab iegelichir srnstir smdirliche tuginde lernen... (Gf. 91 rb + va; Rd. S. 269,30—32), und es besteht kein notwendiger Zusammenhang zwischen dem Ast und dem Vogel, der auf ihm sitzt. Die Blume des siebten Astes ist eine Feldblume, bi deme ist be^aichint unsir herre ihc xpc (Gf. 91vb; Rd. S. 270,25f.) ... er stat offinberliche uf deme plane des hailigen unde des süi^in cruces, da ml er alle die enphahin unde tröstin die s^ä ime komint und sin von inniclichime hercen gérant vnde mit demütigeme hercen sùchint . . . (G f. 92vb; Rd. S. 270,31—33). Die alte Gleichung Palme = Kreuz bricht hier am Ende des eigentlichen Traktates durch, wie sie in Strauchs Redaktion *E erscheint: „In sacra scriptura per palmam aliquando intelligitur crux, aliquando penitentia, aliquando contemplatio exprimitur. In palma crucis intelligitur fructus vite, de palma penitentie carpitur septiplex fructus . . und wie sie besonders innerhalb der Zisterzienserexegese des Hohenliedes, aber auch von Bonaventura verwendet wurde i®. Die Vermutung Strauchs „Phoenix Arabiae avis, dicta quod colorem phoeniceum habeat, vel quod sit in tote orbe singularis et unica. Nam Arabes singularem .phoenicem' vocant. Haec quingentis ultra annis vivens, dum se viderit senuisse, collectis aromatum virgulis, rogum sibi instruit, et conversa ad radium solis alarum plausu voluntarium sibi incendium nutrit, sicque iterum de cineribus suis resurgit" (Isidor, Etym. XII, 7,22). 18 Karl Christ a. a. O. S. 80. Vgl. auch den altfranz. Text ebenda S. 70: En sainte escriture entent on aucune fois par le paumier le crois, aucune fois peneance. aucune fois contemplación. El paumier de le crois keut on le fruit de vie. El paumier de peneance keudra on. vij. fruis. . . " Vgl. etwa Thomas Cisterciensis : „Palma haec est anima vel Ecclesia . . . Palmae quoque nomine victoriosa crucis arbor designatur . . . Folia itaque sunt verba, quae protulit in cruce Christus, flores sunt sanguis pro nobis in cruce effusus, fructus in cruce pendens Dominus . . ." (PL 206, Sp. 729f.) oder Alanus ab Insulis = Sermo Π, De sancta cruce auf das thema „Ascendam in palmam, et comprehendam fructus ejus : Palma horribilis est in radice, aspera in cortice, erecta proceritate, pulchra in culmine.
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(PBB 4 8 , S. 365), daß der Traktat ursprünglich mit Rd. S. 2 7 2 , 4 (nach A ; Rd. S. 2 7 2 , 2 2 nach G ; W a . L V I , 4 0 3 nach Z ; K e r n S. 4 5 8 , 5 nach H) endete, w i r d nicht n u r durch die Paralleltexte der Redaktion * E und durch unsere Hs. U (Lüders I, S. 2 2 9 , bes. A n m . 2) bestätigt, sondern auch durch die Einleitung, welche die E r w e i t e r u n g in G nicht mit einbezieht Erst die E r w e i t e r u n g des Palmbaumtraktates innerhalb unserer S a m m l u n g b r i n g t die Schilderung der u n i o mystica. Sie geht aus v o n der T u g e n d der D e m u t , einem religiösen Erfahrungsbereich, dem seit Benedikt v o n Nursia eine f ü h r e n d e Rolle i m klösterlichen Leben zuk o m m t und den Bernhard v o n Clairvaux z u m A u s g a n g s p u n k t des mystischen W e g e s macht: „Primus e r g o cibus est humilitatis, purgatorius cum amaritudine: secundus charitatis, consolatorius cum dulcedine: tertius contemplationis, solidus cum fortitudine . . . Denique sicut finis legis Christus, sie perfectio humihtatis, cognitio veritatis . . ." (De grad. humil. P L 1 8 2 , Sp. 9 4 4 A B ) . Ein v o l l k o m m e n e s und demütiges Herz ist V o r b e d i n g u n g f ü r die mystische Einigung auch in Rd. 6 0 u n d schon hier k n ü p f t der Text, w i e Hermann M e n h a r d t im einzelnen nachweist, an das St. T r u d p e r t e r H o h e Lied an, dem die ganze Schilderung der unio mystica dann fast w ö r t l i c h verpflichtet ist^i. D a m i t erweist sich auch die A n k n ü p f u n g an die A p p r o p r i a t i o n e n dulcis in fmctus suavitate. Sic crux Dominica horribilis fuit in radice . . . etc." (PL 210, Sp. 223 CD) Alanus führt auch den Vergleich der Palme mit der Himmelsleiter durch (Sp. 224) und fordert dann die Hörer auf, diese Palme zu ersteigen: „Ascendit ergo (Christus) in hanc palmam et comprehendit fructus ejus. Folia fuerunt verba Christi, quae dixit in passione; flores, exemplum patientiae; fructus, gloria beatitudinis aeternae. . . Ascendamus ergo, fratres charissimi, in hanc palmam, ut comprehendamus ejus fructus. Palma quidem in radice amara est, sed dulcís in fructus suavitate. Compatiamur ergo, ut glorificemur . . . " (Sp. 225 CD). Zu Bonaventura vgl. etwa Karl Christ a. a. O. S. 70, Anm. 5 u. ö. Zur Deutung des Vogels Phönix auf Christus in Strauchs Redaktion *E vgl. den Jüngeren Physiologus und seine Quelle, bei Friedrich Wilhelm, Denkmäler deutscher Prosa des 11. und 12. Jahrhunderts, München (1960) A : S.28 n. 27 und B: S.43 n. 27. 20 Schon F. R. Albert stellt fest, daß die „Predigt Nr. 56 (d. h. Wa. LVI = Rd. 60) aus 2 verschiedenen Predigten zusammengesetzt ist. Die erste Predigt endigt p. 145 Z. 403 . . . Der p. 134 angekündigte Gedankengang der 1. Predigt ist p. 145 vollständig erschöpft. . ." (F. R. Albert, Die Geschichte der Predigt in Deutschland bis Luther, III. Teil, Gütersloh 1896, S. 97, Anm. 1). Die sonstigen Ausführungen Alberts, die auf Wa. beruhen, sind für uns insofern nicht allzu bedeutsam, da er zur Verfasserbestimmung auch Predigten aus A einbezieht. Immerhin versucht Albert, aus der verschiedenen Art der Schriftbenutzung auf zwei Verfasser zu schlieí3en, während Cruel (S. 355) und Linsenmayer (S. 364flF.) die Einheit der Sammlung lediglich behaupten oder voraussetzen, diese im übrigen aber durch einige Proben (in Ubersetzung) kurz charakterisieren. " Vgl. Hermann Menhardt, Das St. Trudperter Hohe Lied I, Halle 1934, S. 47— 57. Die Entsprechungen umfassen die ganze eigentlich mystische Stelle von Rd. S. 274,14—275,38. 9*
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lehre hier im Gegensatz zu Rd. 56 als nicht original; weitere Abhängigkeiten und Einflüsse müßten im Zusammenhang eines bisher ungelösten Problems, der Untersuchung des St. Trudperter Hohen Liedes geklärt werden^®. Für uns ist es bedeutsam, daß eine der eindeutig mystischen Stellen der Sammlung dem frühesten Buch deutschsprachiger Mystik entlehnt ist. — Die Zueignungen Gottes spielen auch innerhalb der mystischen Vision in Rd. 53 eine Rolle. Nach der Einleitung, die den Text 1. Thess. 4,3 „Haec est (enim) voluntas Dei sanctificatio vestra" auslegt und das Thema der ganzen Predigt angibt, folgen die zwei Teile der Ausführung, die an Sp. 36,27 und Apoc. 22,11 anknüpfen und den Aufstieg der Seele zur Schau Gottes in zwei großen Gedankenkreisen zeigen, einmal mit negativem und einmal mit positivem Vorzeichen: a) Nu merkint v^merste wc de übil sie. da uon steh diu sele sol naigtn. e sie hallte muge werdin. Da uon sehribit sant aug' in dem bäehe da er sehribit uon der sele michtli... (G f. 53 vb). Nun folgen im Anschluß an Augustinus fünf Übel von denen sich die Seele reinigen muß, um heilig zu werden^^. b) So wir uon disen fúnfe vbilne gerainit werden, so sien wir hailie. unde sun dennoeh hailigir werdin . . . Nu sulnt ir merkin drier bande gedanke. die maehont die sele hailie... (G f. 55rb). Der dritte der hier angekündigten Gedanken bezeichnet die unmittelbare Anschauung Gottes, wobei eine visio in speculo und nicht per speculum gemeint ist und der Zustand der seligen Seele nach dem Tode ausdrücklich mit der mystischen Schau gleichgesetzt wird: Nv merkint diu wort, ain vriv durhgesiht. vri. darà sunt ir merkin. de der gaist reht uri mûz sin uon allim kumhir. vfí sol also uri sin. de er niht beträhit werde, uö Aus Rd. S. 274,31 f. geht nicht deutlich hervor, daß es sich um die Zueignungen Gottes handelt, die hier aufgeführt werden: Nu hörint ivaz Got si. /й^ antwrte ich. Er ist der gewalt. div wishait vnde daz oberaste güt. . . Das oberaste gut entspräche einem lateinischen „summum bonum"; daß aber nicht dieses, sondern die höchste Güte, d. h. also „summa bonitas (benignitas)" gemeint ist, erhellt nicht nur aus Rd. S. 274,39 so bringet dir denne div oberaste gM aine hitze in dine sele, sondern auch aus dem Trudp. Hohen Lied. Dort lautet die Parallele zu Rd. S. 274,31 f.; ... er ist diu oberôstegüte . . . (117,32) und zu Rd. S. 274,39: . . . diu hailige gute.. . (118,15). Die Schwierigkeit einer Untersuchung des Trudperter Hohen Liedes zeigt schon allein die Tatsache, daß Friedrich Ohlys mehr als 300 Seiten umfassende Hohelied-Studien als „vorbereitende Grundlegung einer Untersuchung über Form und Inhalt des um 1160 für ein Nonnenkloster gedichteten ,St. Trudperter Hohenlieds'", entstand (Friedrich Ohly, Hohelied-Studien S. 2). Das blich von der sele michili ist sicher Augustinus „De quantitate animae", doch kann ich darin das fünffache Übel der Seele nicht im Wortlaut nachweisen. Sinngemäß entspricht die vierte Stufe der Seele in Augustine Traktat, die mit „purgatio" gleichgesetzt ist (PL 32, Sp. 1075).
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des libis nature, wan der тй^ aìntìvedìr^ sin de des libt^ nature rehte tot sie. aide de der gaist niemir uon im betrùbit werde, aide de abir der gaiste alse stark sie. de er niht ahte uf des libis kranehait. Swenne de gesebiht. so ist der mentseh vri. darnahe gat diu durhgesiht. de ist also, de denne der gaist in der girde besehowet. den spiegil der wishait. . . vñ besehowit denne an got den gewalt. m die wishait. (f. 56 ra) uñ güti. иЯ sehonhait. urâud'. unde ewekait. . . (f. 56 rb). Von den sechs genannten Zueignungen sind die drei ersten trinitarisch geordnet, die anderen dagegen nicht, da die Ewigkeit dem Vater, die Schönheit dem Sohne und die Seligkeit und Wonne dem Heiligen Geiste zukommen Der Gedanke an trinitarische Spekulation liegt dem affektiv gerichteten Text aber sehr fern, es werden die Eigenschaften der trinitarischen Wesenseinheit aufgezählt, um die überströmende Fülle und Gewalt der seligen Vereinigung zu charakterisieren. Der hier und auch sonst an mystischen Stellen der Sammlung auftauchende Begriff der g}rde ist das „desiderium" des Mittelalters, das eng dem „amor" verbunden ist, in platonischer Philosophie wurzelt und besonders auch von Bernhard und seinem Freunde Wilhelm von St. Thierry beschrieben wird^s. Bernhards mystischer Traktat „De consideratione" ist es auch, der in Rd. 53 gleich anschließend zitiert wird: Nv schribit sant Bernhart, uon vier besehöwedin. die diu sele an got besehowen sol. Diu erste besehowsde ist sin gerihte . . .(f. 56ra) Di andir besehôwede ist an gotis güti. de der mentsehe sol besehowen. allis de im got t(egùt het getan. . . Dû dritte beschowede de ist ^ùuirsiht des lonis. du bringit stete äbunge der tuginde . . . Dv vierde besehowede de ist du hohe magin e r a f t . . . (f. 56va)2e. Der Text Bernhards, der zugrunde liegt, findet sich im 5. Buch, Cap. XIV des erwähnten Traktates. Es werden jeweils die Stichworte herausgegriffen und als Gliederungspunkte der insgesamt doch eigenständigen Ausführungen benutzt: „Et nunc adverte in quatuor istis contemplationis species quatuor. Prima et maxima contemplatio est admiratio majestatis ( = du hohe magin eraft). (Haec requirit cor purgatura, ut a vitiis liberum, atque exoneratum peccatis, facile ad superna levet: interdum quoque vel per aliquas morulas stupore et ecstasi suspensum teneat admirantem). Secunda autem necessaria est huic; est enim Vgl. Michael Schmaus a. a. O. S. 361. Vgl. zu Bernhards Wortgebrauch „Epistola ad Petrum diaconum cardinalem", PL 182, Sp. 121 u. ö. Allgemein zum Begriff des „desiderium" vgl. Joseph Bernhart, Die philosophische Mystik des Mittelalters von ihren antiken Ursprüngen bis zur Renaissance, München 1922, S. 77—79. Während H in den ersten drei Beschauungen mit G übereinstimmt — gerigte (Kern S. 307,2) gutheit (S. 307,12), hope dis Ions (Kem S. 307,24) — weicht es in der vierten Schauung von G, Ζ (Wa. LIV, 235) und A (Rd. S. 206,26) ab und liest: Die virde sake es sine gotheit. . . (Kern S. 308,1).
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intuens judicia Dei ( = sin gerihie). Quo sane pavido aspectu, dum vehementius concutit intuentem, fugat vitia, fundat virtutes, initiât ad sapientiam, humilitatem servat. — Dieser Satz wird fast wörtlich in den mittelhochdeutschen Text übernommen: disiu beschSwede wirt angeuangin in vorhte. m ivirt geubit mit lobe, mde wirt uollebraht mit (f. 56 rb) mishait. uñ wirt hehaltin inder demùtekait (f. 56 va). — (Nempe si nutet illa, virtutum aggregatio nonnisi ruina est). Tertia contemplatio occupatur, vel potius otiatur circa memoriam beneficiorum ( = gotis güti) ; et ne dimittat ingratum, sollicitât memorantem ad amorem benefactoris. De talibus dicit propheta loquens ad Dominum: Memoriam abundantiae suavitatis suae eructabunt (Ps. 144,7). — Auch dieser Passus ist in Rd. 53 eingegangen, doch ist statt Ps. 144,7 das Psalmwort 115,12: „Quid retribuam Domino pro omnibus quae retribuii mihi ?" verwendet : . . . der mentsche sol beschowen allis de im got s^egût het getan . . . wan enhain mentsche ist dem got so lúcilgnadon habe getan, un irkandi si reht e^ müv^e got minnon uon alli sinim her^n. Dannan uon sp'chit der wissage. Herre wie sol ich dir gedankon der gnade iemir die du mir hast getan (f. 56 va). — Quarta quae retro sunt obliviscens, in sola requiescit exspectatione promissorum ( = ^uirsicht des lonis) : quae cum sit meditatio aeternitatis (siquidem quae promittuntur, aeterna sunt), longanimitatem alit, et perseverantiae dat vigorem. — Gekürzt ist auch dieser Gedanke mit aufgenommen: . . . de ist ^uirsieht des lonis. du bringit stete übunge der tuginde (f. 56va). — (Puto jam facile est quatuor nostra haec, quatuor iUis Apostoli assignare etc. . . PL 182, Sp. 806 CD). Die Methode der Textgliederung nach autoritativen Stichworten haben wir schon mehrfach beobachtet. Der erste Teil unserer Predigt Rd. 53 gliedert sich nach einem Augustinuszitat, der letzte eben nach Bernhard von Clairvaux. Aber auch anderen Texten, wo eine Quelle nicht genannt ist, wie Rd. 65 oder Rd. 68 meinen wir, diese Methode entnehmen zu können. Sie erinnert an die häufigen Mahnungen des Rd. 68 verwendet zur Gliederung des zweiten Teiles drei bekannte Bilder, von denen zwei eventuell auf Bernhard von Clairvaux zurückgehen : Wie belibet unsir htm in vns. alse div sunne in deme lüfte . . . (G f. 106 rb) . . . ahe div sunne in deme glase... (f. 106va) alse dazfúr indeme isine (f. 106vb). Vgl. zum ersten und zum letzten Vergleich Bernhard „De diligendo deo" Cap. X, η. 28 (PL 182, Sp. 991 AB): „Quomodo stilla aquae modica, multo infusa vino, deficere a se tota videtur, dum et saporem vini induit, et colorem; et quomodo ferrum ignitum et candens, igni simillimum fit, pristina propriaque forma exutum; et quomodo solis luce perfusus aer in eandem transformatur luminis claritatem, adeo ut non tam illuminatus, quam ipsum lumen esse videatur: sic omnem tunc in sanctis humanam afìectionem quodam ineffabili modo necesse erit a semetipsa liquescere, atque in Dei penitus transfundí voluntatem . . ." Wir dürfen hier nicht auf eine direkte, wohl aber auf eine indirekte Abhängigkeit schließen, ohne dabei die allgemeine Verbreitung gewisser Bilder zu übersehen. Parallelen zum Scheinen der Sonne durch das Glas vgl. Lüders I, S. 228, Fn. 2.
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heiligen Zisterzienserabtes, seine Anregungen aufzunehmen und seine Gedanken weiterzuführen (vgl. unten S. 141). Für die bisher besprochenen mystischen Gehalte — wir wollen den Begriff der Mystik hier auch auf die via illuminativa ausdehnen — ist immer die Gemütsbewegung kennzeichnend, sprachlich äußert sich dies in einem Vorherrschen der Bildlichkeit gegenüber der Abstraktion^®. Im Gegensatz zu der auf reiner Wesensschau gegründeten Mystik Eckharts sind hier die Eigenschaften Gottes für die Beseligung des mit Gott vereinigten Menschen ausschlaggebend. . . . da^ erste, dà saelicheit ane geliget, da^ ist, so diu sele schotmet got blô^, spricht Meister Eckhart, dà nimet sì allev^ ir ivesen und ir leben und schepfet alle^, daii si ist, von dem gründe gotes und enwei^_ von wi^s^ene niht noch von minne noch von nihte alternale. Si gestillet gan^e und aleine in dem ivesene gotes, si enwei^ niht dan ivesen dà und got (VeM S. 77,11—17). Dagegen beschaut die verzückte Seele in unserer Sammlung Gottes Allmacht, Weisheit und Güte, seine Ewigkeit, Schönheit und Wonne, ja sie beschaut die Seligkeit aller „Bewohner" des Himmels von den Engeln über die Patriarchen, Propheten, Apostel, Märtyrer, Bekenner und Jungfrauen bis zur einzelnen seligen Seele. Dabei ist oft die theologische Unterweisung mit angeschlossen, wie in Rd. 56 die von der Unmittelbarkeit der visio beatifica oder in Rd. 53 und 54 (Rd. S. 206,26fr. S. 218,15fT.) die vom Unterschied der Seligkeit^». Von der Zu Bildlichkeit und Abstraktion als Grundzüge mystischen Sprechens vgl. Hermann Kunisch a. a. O. S. 252 und dens.. Die mittelalterliche Mystik und die deutsche Sprache. Probleme und Aufgaben. Deutsche Kultur im Leben d. Völker ( = Mitteilungen der deutschen Akademie) 15 (1940), S. 25—33. Dû Vierde beschovede de ist du hohe magin craft, da sol dú sele betrah- (f. 56 va) ton wie alle engil. die patriarchin. die pphetin. die xaelßottin. und alle martirer. m die raine maegedi. vñ allis himilsche her. ielichiz sine Ion. m sine sundirlicbe uroude het. an der gro:^un magincraft. In dirre beschôtvede sol diu sele gan. uon ainem ^em andirne. und sol beschowen. me der engil ist geschaidin uon dem mentschin. der mentschs uö dem engil. diu magit uon der witteàm. der martirere uon dem bihter. der bischoffe uon dem martirer. uñ ist ielichiz sundirlicbe mit sinem sundirlichin Ion gesunderot. nach sine werkin. uñ enhain doch elliu aine gemainen Ion .. . (f. 56 vb). Die visio beatifica wird den Gerechten in der Ewigkeit je nach Verdienst vollkommener oder unvollkommener zuteil, so wie auch in der Hölle je nach dem Maß der Schuld die Strafe verschieden ist. Schon Tertullian lehrt den Unterschied im Genuß der Seligkeit und Augustinus baut diese Lehre weiter aus und betont vor allem die Einheit in der Verschiedenheit der Herrlichkeit. Formuliert wird die Lehre erst auf dem Unionskonzil von Florenz im Jahre 1439. Vgl. dazu Ludwig Ott a. a. O. S. 570f. u. S. 574; LThK I (1957), Sp. 586. Das Anselm-Zitat nahe dem Schluß der Predigt findet sich, wie Eva Lüders I, S. 240, Fn. 2 bemerkt, auch in Rd. 43 (G-Text Rd. S. 136, 31—33), wo es fälschlich Augustinus zugeschrieben wird. Kern identifiziert es nämlich S. 308,24 Lesarten als Anselm-Zitat: Dannan von sprichit Anshelm'. О vil hailigiu angesiht. du bist ain volliu vür. vñ ain oberostu mllust. uñ bist ain vollekominv girde. О girlichix^ antlúte. uñ vrolichiu girde (G f. 57 ra) = „О beata visio . . ., plena exultatio: О summum gaudium . . ., consummatum desiderium! O desiderabilis vultus . . ., jocundus asoectus".
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Untersuchung
mystischen Ekstase führt der Weg jeweils zur jenseitigen ewigen Schau, und die Trennstriche sind nicht immer scharf zu ziehen. Zur ekstatischen Schau befähigt den Menschen die höchste Kraft der Seele, die minne. Einzig in Rd. 41, einer Predigt auf den Text vom „raptus sancti Pauli" 2. Cor. 12,2, scheint der Erkenntnis der Vorzug vor der Liebe gegeben zu werden, doch ist gerade dieses Stück so stark bernhardisch geprägt, daß die Erkenntnis als höchste Seelenkraft wie ein Fremdkörper innerhalb des Kontextes wirken würde. So wie Paulus in den dritten Himmel entrückt wurde, so sollen auch wir entrückt werden: Wir sulne en s^wain wisin ge^ukchit werdin. undir ms. und úbir ms... (G f. 19vb). Der Mensch soll in einen Bereich entrückt werden, der unter ihm liegt, d. h., er soll an die Sünde, die Welt und die Hölle denken, damit er gereinigt den Weg zu einem über ihm liegenden Bereich betreten kann: Wir suhl auch ibir tinsge^ukkit werdin. in drie himile alse sant paulus ge^u/dt wart. Der erste himil de ist din sele . . . (f. 20 ra) Der andir himil. de ist der gesihtic himil. den wir irkennen an siner herschef te. an der sunnun. an dem manen, md an dem gestirne . . . (f. 21 ra). Der dritte himil da wir ine ges(uekit sulne werdin. der hais^it intelleetualis. de spriehit ain uirstandinisse (f. 22 rb). Die Leseart intelleetualis, die von H (Kern S. 231,8) bestätigt wird, während A intellectus schreibt (Rd. S. 133,15), erinnert an die „visio intelleetualis", womit die Anschauung Gottes in der vorthomasischen Scholastik des 12. Jahrhunderts „im Anschluß an die Auslegung Augustinus' für den raptus Pauli. . . " bezeichnet wird®^. Der eigentliche Gedankengang rankt sich aber nicht um die uirstandinisse, sondern um die minne : da merkint also, de der mentsehe sine sine uñ sine besehaidinhait. sol t^uekin an got. unde sol da uirstan. we got únsir herre sie. Nu uraget sant BernF. we got únsir herre sie. uñ sprieh(it) (f. 22rb) also. О we wer sagit mir we got sie. uent wrte er ieh abir spriehit er. (Die verderbte Stelle wird durch H (Kern S. 231,12) verständlich: Nu antwert hi heme seluer ende spriet:) Er ist du lengi. uñ div hraiti und du hoihi. und du tie fi. Div vier dine, diu sint an got únsirm herrin. Er ist div lengi ander ewekait. wan an sinir ewekait ist wedir aneuanek. noch ende, uñ darumbe nemmit er in du lengi. Er ist div bratti, ander minne. ivan er het sieh mit der minne gebraitit inhimilriehe. uñ in ertriehe. Er ist ouch div hoihi. an der maginkrefte. wan sin maginkrafth diu ist umbegriffinliche. Er ist ouch div tiefi. an der wishait. wan sin wishait ist ane grünt, wan ir kan nieman r^eendi komin (f. 22va). Wieder lehnt ^^ Zur Deutung des „raptus Pauli" vgl. Augustinus, De gen. ad litt. 12,6—7 = PL 34, Sp. 458f.; Bernhard von Clairvaux, Tract, de grad. hum. Cap. V i l i , PL 182, Sp. 954f.; zur „raptus"-Lehre allgemein vgl. Joseph Bernhart a.a.O. S. 81, bes. Anm. 218. 31 Karl Forster, LThK I, Sp. 587.
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sich der Text an Bernhards „De consideratione" an, wo das 13. Kapitel des 5. Buches bei Migne überschrieben ist: „De longitudine, latitudine, profunditate, et sublimitate Dei profunde et eleganter discurrit." Unser Zitat setzt mit n. 27 ein: „Quid est Deus? Longitudo, latitudo, sublimitas, et profundum", und fährt mit n. 28 fort: „(Quid igitur est Deus ?) Longitudo, inquam. Quid ipsa? Aeternitas. Haec tam longa, ut non habeat terminum, non magis loci, quam temporis. Est et latitudo. Et ipsa quid? Charitas." Die nun folgenden Zeilen sind ledigHch sinngemäß übernommen: „Quibus et ista terminis angustetur in Deo, qui nihil odit eorum quae fecerit? Denique solem suum oriri facit super bonos et malos, pluit super justos et injustos. Ergo et inimicos concludit sinus ille. Nec hoc quoque contentus, evadit in infinitum . . ." Während Bernhard noch bei Länge und Breite Gottes verweilt, geht Rd. 41 sofort zu den beiden anderen Bestimmungen Gottes über, wobei das Original stark gerafft wird: „Quid item Deus? Sublimitas et profundum. (In altero supra omnia, in altero infra omnia. Liquet in deitate nusquam claudicare aequalitatem, stare eam undique firmiter, constare immobiliter sibi.) Sublime, potentiam; profundum, sapientiam ejus considera. Ex aequo et ista respondent sibi, dum et sublimitas inattingibilis {= unbegriffinliché), et profunditas aeque inscrutabilis ( = unerforschlich, hier = ane grunt) cognoscatur, (Paulo admirante et exclamante: , 0 altitudo divitiarum sapientiae et scientiae Dei! quam inscrutabilia sunt judicia ejus, et investigabiles viae illius!' Libet et nos exclamare cum Paulo, horum utcumque intuentes in Deo, et cum Deo simplicissimam unitatem: О sapientia potens, attingens ubique fortiter! о potentia sapiens, disponens omnia suaviter! Res una, efFectus multiplex, operationesque diversae.) Et illa una res est longitudo propter aeternitatem, latitudo propter charitatem, subUmitas propter majestatem, profunditas propter sapientiam "(PL 182, Sp. 805 A—D). Hier wird das uirstan nun durch einen anderen Terminus ersetzt, nämhch durch das begrifin und Bernhard selbst gibt die Stufenfolge beider Begriffe an: „. . . Nam hoc monitum habemus ab ipso auriga et primo currus hujus exhibitore, ut studeamus comprehendere cum omnibus sanctis, quae sit longitudo, latitudo, sublimitas, et profundum. (Ephes. III, 18). Comprehendere dixit, non cognoscere: ut non curiositate contenti scientiae tota cura fructui inhiemus. Non in cognitione est fructus, sed in comprehensione" (PL 182, Sp. 804D). Dies muß als Erläuterung und verbindendes Gedankenglied unserem Text hinzugefügt werden, der sich auch weiter an „De consideratione" anlehnt: Dv vier dine, sprichit er de got sie. unde sp'chit denne vúrha^. О we wie sulne wir den begrifin. der alle die weit püllit. und den ellü weit niht begrifin mac .. .0 we sprichit er. ich hat mich des gar uirtroestit. de ich in iemir moehti begriffin. wan de mich ain wort troestit.
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Untersuchung
de sprichit der gro^e. uñ der edile hredier s. patilus. de gii mir ainen trost. andirs so engetorste ieh niemir des gedenkin. de ich ine iemir geuan mehti. IPV ist abir de. da^^ der grov^ sant раиГ spiehit. Er sprichit. Ir sulnt (f. 22 va) got ànsime herrin geuahin mit der hailkait. De ist also gesproehin. Ir sulnt got geuahin mit der hatligm minne. иЯ mit hailigun uorhte. de sint die sele arma, da mit sie got sol итЬеиаЫп. uñ denne sol sie ine uaste haben, de er ir nút entwiche . . . (f. 22 vb). Hat der mittelhochdeutsche Text im 13. Kapitel des Traktates gekürzt, so erweitert er jetzt bei Beginn des 14. sehr stark: „(Novimus haec.) Num ideo et arbitramur nos comprehendisse ? Non ea disputatio comprehendit, sed sanctitas: si quo modo tarnen comprehend! potest quod incomprehensibile est. At nisi posset, non dixisset Apostulus : ,Ut comprehendamus cum omnibus sanctis' (Ephes. 111,18) (Sancti igitur comprehendunt. Quaeris quomodo? Si sanctus es, comprehendisti, et nosti: si non; esto, et tuo experimento scies. Sanctum facit aíFectio sancta, et ipsa gemina:) timor Domini sanctus, et sanctus amor. His perfecte affecta anima, veluti quibusdam duobus brachiis suis comprehendit, amplectitur, stringit tenet, et ait: Tenui eum, nec dimittam. (Cant. 111,4). (Et timor quidem sublimi et profundo, amor lato et longo respondet" (PL 182, Sp. 805 f.). Der ganze rhetorisch reizvolle, mit wechselnden Paulus- und Bernhardworten ausgebaute Schluß der Predigt kann hier nicht vorgeführt werden. Die Kerngedanken sind, daß die uorhte = timor begründet ist in Gottes Allmacht, der nichts widerstehen kann und in seiner Weisheit, der nichts verborgen bleibt: „Quid tarn timendum quam potestas, cui non potes resistere; quam sapientia, cui absondi non potes ?" ,und daß die minne = amor mit dem Wesen Gottes, das die Liebe selbst ist, begründet wird: „Quid item tam amabile, quam amor ipse, quo amas, et quo amaris ?" (PL182, Sp. 805 A). Die Liebe aber ist es letzlich, die Gott fest ergreifen kann, von ihr kommt der Lohn im Himmel: Uñ darumbe suln wir (uns) crefteliche kerin an die minne. so wirt ellü ünsir arbait. ain Ion uon der minne. ane die enmae niht gutis gesin (f. 23ra+b). So bleibt auch hier trotz des Gliederungspunktes intelleetus die minne beherrschend®'. Durch die Quelle wird Rieders vermutetes Schriftwort Eph. 4,24 (Rd. S. 134,4 Anm.) in Eph. 3,18 gebessert, obwohl Rieders Zitat dem Wortlaut des mhd. Textes besser entspräche. ^ Uber das Verhältnis von „intelleetus" und „amor" handelt Bernhard von Clairvaux in einem Brief an den Kardinaldiakon Petrus. Die wichtigsten Stellen können nahezu als Parallelen zu unserem Zitat angesehen werden und machen auch das Verhältnis von „intelleetus" und „cognitio" in Bernhards Theologie deutlich: „ . . . Si enim adhuc absentes initiât fides, et desiderium, praesentes profecto consummat intelleetus et amor. Sicut autem fides dueit ad plenam eognitionem, sie desiderium ad perfeetam dilectionem . . . His igitur fortassis quasi duobus animae brachiis, intelleetu
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D i e minne dominiert überhaupt innerhalb des mystischen Vorstellungsbereiches unserer Sammlung. S o fügen sich zu Rd. 41 besonders die N u m m e r n Rd. 40, 45, (der Zitatenanhang v o n Rd.) 46, 50, 57, 59, 60 u n d 71. Innerhalb dieser Textreihe sind wiederum stilistische u n d gehaltliche Unterschiede insofern festzuhalten, als die mime den ganzen Raum beherrscht oder nur als höchste unter anderen T u g e n d e n auftritt. Insgesamt aber m ü s s e n wir festhalten, daß die u n i o mystica hauptsächlich als ekstatischer Zustand geschildert wird, w i e z. B. in Rd. 53, 60 und besonders in Rd. 37^^, u n d daß die Hoheliedexegese einer der Grundpfeiler unserer Sammlung ist. videlicet et amore, id est cognitione et dilectione veritatis, amplecitur et comprehenditur cum omnibus sanctis longitudo, latitudo, sublimitas et profundum, hoc est aeternitas, Charitas, virtus et sapientia. Et haec omnia Christus . . ." (PL 182, Sp. 121 B-D). Bei Rd. 37 ist wichtig, daß im Gegensatz zur Fassung A im SG-Text der vollständige Vorgang der Ekstase geschildert wird, einschließlich des Wiederzusichkommens. Während nämlich A schreibt: . . . und naiget sich dermi der gaist uff den Up, undkumet denne der mentscbe von im seihen (Rd. S. 99,7f.), schreibt G : vñ naiget sich denne der gaist vffin den Up. vñ kumit denne der mensche mdir zime selhin (f. 5 vb) und wird darin durch H bestätigt: Ende neigt sich dan dergeest op den Ughame, ont der mensce mider te sich seluer compt (Kern S. 184,26f.) Auch W bestätigt die Fassung G : . . . vnd tuiygt sich den der gaist auf den leih vnd chümpt den der mensch ζ ί im selbe . . .(f. 6r). Wir müssen also für Albrecht den Kolben wieder Unverständnis gegenüber der Mystik konstatieren.
m . ZUSAMMENSGHAU
I. Die Handschrift A Nachdem wir nun einen Überblick über die Originalsammlung (SG) gewonnen haben, soU im folgenden noch kurz versucht werden, die gesamte Kompilation Albrechts des Kolben zu verdeutlichen. Wenn wir einmal von dem eingeschobenen Bertholdtext Rd. 67 absehen, so sind drei Teile der Sammlung A zu unterscheiden, die jeweils kurz charakterisiert werden können: 1. Rd. 1—34, ein Teil, der vermutlich aus verschiedenen Vorlagen kompiliert wurde, den aber vor allem die Bertholdüberlieferung prägt. 2. Rd. 35—75, der Hauptteil mit der SG-Sammlung, wobei in diesem Zusammenhang Rd. 35 als ein der Vorlage entnommenes Stück mitzuzählen ist. 3. Rd. 76—86, ein Teil, in dem zur Abrundung des Buches vor allem kürzere, weit verbreitete Texte aus späterer Zeit zusammengestellt sind. Zwei Klammern nun gewährleisten die Einheit des Werkes. Die eine sehen wir im Gedankengut Bernhards von Clairvaux, die andere in dem Bertholds von Regensburg. a ) B E R N H A R D VON CLAIRVAUX
Sollte die von Kurt Ruh (Bonaventura S. 25) u. a. geforderte Untersuchung über Bernhard von Clairvaux im Spiegelbild der deutschsprachigen Literatur (des Mittelalters) einmal geschrieben werden, so wird unsere Handschrift A darin eingehend zu behandeln sein. Der überaus starke Einfluß des großen Zisterzienserabtes auf die SG-Sammlung, nur in den Predigten Rd. 50—53 auffällig zurückgehend'^, wurde hinlänglich gezeigt. Bei der Besprechung von Rd. 65 ^ haben wir dann gesehen, wie eine kurze Gedankenreihe Bernhards Stichworte zur Gliederung einer ganzen Nummer abgeben kann. Dies lag im Sinne des Abtes, der gewohnt war, in seinen Predigten Betrachtungspunkte zu geben, die den Hörer bzw. den Leser zu persönlicher Meditation führen sollten. Im „Sermo in dominica infra octavam assumptionis В. V. Mariae" auf das thema Apoc. 12,1 identifiziert Bernhard z. B. die zwölf Sterne der Königskrone Mariens mit zwölf gnadenhaften Vor^ Vgl. Strauch, Germanica S. 546. 2 Vgl. oben S. 96, A n m . 16.
Die Handschiift A
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rechten, die allein die Mutter des Herrn schmücken (praerogativa gratiarum..., quibus Maria singulariter adornatur PL 183, Sp. 433A). Ehe er dann selbst einige Erläuterungen anknüpft, empfiehlt er diese Aufzählung dem Betrachtungseifer seiner Mitbrüder: „Vestrae quidem sedulitatis erit singula quaeque diligentius intueri. Nos interim satis fecisse videbimur, si breviter ea potuerimus demonstrare" (PL 183, Sp. 433B). Die Predigt Rd. 33 hat sich nach dieser Empfehlung gerichtet und ist daher in der Methode mit Rd. 65 verwandt In den Anmerkungen 2u Rd. 33 (Rd. S. 77,16) weist schon Karl Rieder auf den genannten Bernhardsermon hin, den wir als Hauptquelle für diese Predigt 33 ansprechen dürfen. Als Hauptquelle aber nur insofern, als ihm die Mehrzahl der in der deutschen Predigt verwendeten Autoritäten entstammen, deren Gebrauch im übrigen nicht sonderlich das im Mittelalter übliche Maß überschreitet. Drei Hauptteile des Stückes, dessen thema mit dem der Hauptquelle übereinstimmt, werden unterschieden: Sant Johannes sprichet in Apocaljpsi (12,1): 1. ich sach ain vrowen, du iva^ be/daidet mit der sunnen 2. und hatte den man under irsn fûssen 3. und hatte uff irem höbet ain krone mit r^welf Sternen (Rd. S. 77,18—20). Zum ersten und umfangreichsten Teil der Predigt werden als Autoritäten hauptsächlich Bernhardzitate gewählt, aber auch Worte aus Dionysius, Gregor dem Großen und der Heiligen Schrift. Drei der insgesamt vier Bernhardzitate dieses Teiles entstammen dem genannten Sermon. 1. Es ist nämlich Rd. S. 77,24—27 = PL 183, Sp. 432CD: vrowe du hast wol gewehselt ! du hast die sunnen klait mit den wölken, und er hat dich klait mit der sunnen : du hast in klait mit den wölken diner mentschait, und er hat dich klait mit der sunnen sinergothait. = „ . . . Domina ! quam próxima, imo quam intima fieri meruisti, quantam invenisti gratiam apud eum! In te manet et tu in eo; et vestis eum, et vestiris ab eo. Vestis eum substantia carnis, et vestit iUe te gloria suae majestatis. Vestis solem nube, et sole ipsa vestiris." Schon aus diesem kurzen Vergleich ist ersichtlich, wie der deutsche Übersetzer die lateinische Vorlage adaptiert, sie umformt und interpretiert. Die ersten beiden Sätze werden zusammengezogen zu vrowe, du hast wol gewehselt (Rd. S. 77,24), dann wird der bildhafte Teil vorgezogen und der im lateinischen Text vorausgehende Satz folgt als ® Diese Übereinstimmung genügt freilich nicht, um auf einen gemeinsamen Verfasser schließen zu lassen.
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Zusammenschau
Erläuterung der Allegorie. Die didaktische Absicht ist aus dem Wortlaut zu erkennen, da wölke und sunne, die beiden zu erklärenden Worte der Allegorie, entgegen dem Wortlaut der Quelle in die Übersetzung einbezogen werden: „substantia carnis" wird mit wölken diner mentschait und „gloria suae majestatis" mit sunne siner gothait umschrieben. Nachdem unsere Bernhardpredigt sehr ausführlich im gesamten deutschen Text benutzt wurde, ist die Übernahme des Zitates aus einem Florilegium auszuschließen, die stilistische Sicherheit des deutschen Verfassers aber und seine katechetischen Fähigkeiten sind festzuhalten. 2. Es ist Rd. S. 77,33—36 in ähnUcher Weise aus PL 183, Sp. 430 D entnommen und 3. ist Rd. S. 78,21 ff. in Anlehnung an verschiedene Gedanken der Hauptquelle gestaltet. Das wörtHche Zitat Rd. S. 78,24f. = PL 183, Sp. 432AB: „Quomodo enim in tarn vehementi fervore tam fragilis natura subsistit?", während die wenige Zeilen später folgende Nennung Bernhards (S. 78,27), kein wörtliches Zitat, sondern nur eine Erklärung des vorhergehenden bringt. Der weitere Text paraphrasiert zwar frei, aber doch erkennbar Teile der lateinischen Vorlage: Rd. S. 78,28—30 Got der gro^ wunder hat getan, dat^ er ain so klain creature in sich selben so höh ge^^ogen hat, der git ir och wol die kraft dai^ si die hit^e siner gothait erliden mag.
PL 183, Sp. 432 ВС „ . . . magnum signum, mulier iUaesa manens amicta sole. Non est rubi natura, opertum undique flammis, manere nihilominus incombustum; non mulieris potentia, ut sustineat solis amictum. Non est virtutis humanae, sed пес angelicae quidem: sublimior quaedam necessaria est. Spiritus sanctus, inquit, superveniet in te. Et tamquam responderet Ша: Quoniam spiritus est Deus, et Deus noster ignis consumens est: Virtus, ait, non mea, non tua, sed Altissimi obumbrabit tibi. . . ."
Rd. S. 78,30—32 die hohen engel Seraphyn brinnent och in disent füre, aber doch brinnent si so vast nit in disem füre als unser vrowe, won si och dem füre nit so nahe sint.
PL 183, Sp. 431 В . . . ilio igne seraphin duntur. . .
accen-
Die Handschrift A
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Rd. S. 78,32—34 nu engel noch mentsche bran von disem füre so vaste als unser vrowe, won och nie creature so hoh in das^ für kam der gothait als únser vrowe, noch niemer me kunt.
PL 183, Sp. 431 В Jure ergo Maria sole perhibetur amicta, quae profundissimam divinae sapientiae, ultra quam credi valeat, penetravit abyssum: ut quantum sine personali unione creaturae conditio patitur, luci illi inaccessibili videatur immersa.
Rd. S. 78,34—79,5 für mag üns wol enwenig an rüren, als^ man liset von Ysaya. do den ünser herre hiess bredien, do antwurt er im und sprach : фегге, min lef^en sint unraine'. . . . do kam der engel im und hrahte ain brinnenden kein und traff sin lefr^en da mit und sprach do ^ im : ,nu sint gerainnet din lefî^en und sint dir alle din sünd belassen', al^ mag üns da^für wol enwenig treffen, wir geraint werdent und üns all ünser sünd belassen werdent : aber nieman umbvahet dat^ für der gothait als es ünser vrowe umbvangen hat. es hat sie allenthalben umbvangen und umb gössen, und ist in der gothait als in ainer cluse.
PL 183, Sp. 431 В Ilio nimirum igne prophetae labia purgantur, (ilio igne séraphin accenduntur).
Longe vero aliter Maria meruit, non velut summatim tangi, sed operiti magis undique, et circumfundi, et tamquam ipso igne concludi."
An der Gegenüberstellung ist nicht nur die Arbeitsweise des deutschen Predigers abzulesen, sondern es sind auch Unterschiede 2wischen der Predigt in der Volkssprache und der lateinischen Klerikerpredigt zu erkennen. Während die bibelfesten Zuhörer Bernhards das Isaiaszitat aus dem Zusammenhang heraushören mußten, wird es den weniger theologisch gebildeten Hörern des deutschen Predigers ausführlich zitiert und gedeutet; während es Bernhard insgesamt auf die allegorische Exegese, die Formulierung theologischer Gehalte ankommt, ist die Darstellung des deutschen Autors trotz der Allegorese im Ausdruck einfacher, unmittelbar verständlicher und im ganzen den Bedingungen eines nicht besonders subtilen Seelenlebens angemessen. 4. Das vierte Bernhardzitat des ersten Teiles Lucifer, lieht trager, wärist du ain für trager gesin, so wärist du nie gevallen (Rd. S. 79,10f.) findet sich im „Sermo III pro dominica I novembris": „Tu vero habuisti.
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Zusammenschau
(Lucifer) miser, lucem, sed ardorem non habuisti. Bonum erat tibi, si ignifer magis esses quam lucifer, пес tam immoderato appetitu lucendi, ut eras frigidus ipse, frigidam quoque eligeres regionem" (PL 183, Sp. 349 D). Außer diesen umfangreichen Bernhardautoritäten und einem Gregorzitat, fällt die Nennung des Dionysius Areopagita auf (Rd. S. 78,7— 10; 79, 21—23; 80,27f.). Die hier seinen Werken entnommenen Zitate spielen auch sonst in der geistlichen Literatur des Mittelalters eine Rolle. So hält z. B. Grete Lüers (S. 246) das erste und umfangreichste dieser Dionysiusworte für eine der Quellen, aus denen sich der metaphorische SpiegelbegrifF ableitet: sant Djomsius sprichet und seit wav^ der enget si. er sprichet der engel si ain bilde Gottes und ain luter glaner Spiegel ane flehen und ain offenunge des tognen spiegeis und liehtes (Rd. S. 78,7—10) = ó γάρ άγγελοξ είκών εστι του Θεοΰ . . . φοα;έρωσΐ5 τοΟ àçocvoôs φωτ05, καΐ εσοτττρον διειδέστοττον . . . (PG 3, Sp. 793AB). Während in dem kurzen zweiten Teil der Predigt einzig Augustinus zitiert wird, gliedert sjch der ganze dritte Teil nach den von Bernhard summarisch vorgeführten zwölf Sternen der Königskrone Mariens (PL 183, Sp. 433AB): „. . . habemus . . stellas duodecim, quibus reginae nostrae diadema praefulgeat universis. Mihi sane singularis rutilât fulgor; primo quidem, in Mariae generatione ( = si hoher gehurt Rd. S. 81,16); secundo in angelica salutatione ( = da^ si wart gegrüt^^t von dem engel Rd. S. 81,23); tertio, in Spiritus superventione ( = das^ der hailig gaist über si kam Rd. S. 81,33); quarto in Filii Dei inenarrabili conceptione ( = ώίζ si got wunderlich und unsäglich enphieng Rd. S. 81,39). Sic et in his quoque sidereum plane irradiat decus, quod virginitatis primiceria ( = da^ si dü erst du Got iren magtüm opherte Rd. S. 82,3), quod sine corruptione fecunda ( = da¡^ si in genta;} wa^ berhaft Rd. S. 82,9), quod sine gravamina gravida ( = dat^ si únsern herren trüg ane swâre Rd. S. 82,14), quod sine dolore puerpera ( = si ân klag vnsern herren gebar Rd. S. 82,20). Nihilominus etiam speciali quodam splendore in Maria coruscant mansuetudo pudoris ( = schäm Rd. S. 82,25), devotio humilitatis ( = andâhtig demütkait Rd. S. 82,33), magnanimitas credulitatis ( = si höh wa^ an dem geloben Rd. S. 83,5), martyrium cordis ( = du marter irs herben Rd. S. 83,14f.). Ehe dann die Predigt in der Schlußformel ausklingt, spricht nochmals Sankt Bernhard von Maria (Rd. S. 83,22—25 = PL 183, Sp. 71A, Schluß der zweiten Homilie über „Missus est"): der ir nach volget, der wirt nit ierre in dem wege (ipsam sequens non dévias) ; der si bittet, der bedarf ¡^wiflen nit (ipsam rogans non desperas) ; der an si gedenket, der mag verierran nit (ipsam cogitans non erras) ; den si hebet, der envallet nit (ipsa tenente non corruis) ; den si beschirmet, der darf im fürhten nit (ipsa prete-
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gente non metuis); den sißret, der wird müde nit (ipsa duce non fatigaris); dem si gnädig ist, der kämet ^ù der ewigen vrâde (ipsa propitia pervenis).— Wir haben aus den Predigten Rd. 1—34 das Stück Rd. 33 als markantestes Beispiel gewählt, um den Einfluß Bernhards von Clairvaux auf den ersten Teil der Sammlung zu zeigen, wo er sich aber auch in zahlreichen Einzelzitaten äußert. Einzelzitate aus dem Werke Bernhards erscheinen mit nur einer Ausnahme in den Texten Rd. 76—86 nicht mehr, doch weist Rieder (S. 340,2 Anm.) den Anfang des Mosaikes Rd. 86 als ein Bernhardwort nach. Bernhards Gedankengut erscheint hier aber vor allem in einem Text, der in einer Heidelberger Handschrift sant befhart:^ sei gerät (Bartsch S. 153) genannt wird. Es ist die Nummer Rd. 84, welche nach Rieder S. 338,10 Anm. dem „43. Sermo in Cantica des hl. Bernhard entnommen ist". Der erste Teil des Stückes Rd. S. 338,13—23 hält sich relativ eng an das lateinische Original, erweitert aber einige Partien charakteristisch und kürzt anderes. Der zweite Teil Rd. S. 338,24—339,5 bildet die Hoheliedpredigt aber so stark um, daß ich zunächst noch zahlreiche andere Passionsbetrachtungen Bernhards verglich, ehe ich mich für Rieders Angabe entscheiden konnte. Schon der Anfang Rd. S. 338,13f. = PL 183, Sp. 994C ist eindeutiger als im Lateinischen, deutlich abgerückt von der Allegorese, da ein predigthafter Charakter hier offensichtlich vermieden werden sollte: Liehen minen junger ! sit da^ ich ain gaischlich mentsch wart, so baisse ich mich, da^ ich mich rainte von allen weltlichen dingen = „Et ego, fratres, ab ineunte mea conversione pro acervo meritorum, quae mihi deesse sciebam, hune mihi fasciculum coUigare et inter ubera mea collocare curavi"^. Die Erweiterungen der folgenden Sätze führen deutlich in den Bereich der späten Nonnenliteratur etwa einer Elsbeth Stagel, einer Margarete Ebner, einer Nonne von Engeltal. Während es nämlich bei Bernhard nur heißt: „. . . collectum ex omnibus anxietatibus et amaritudinibus Domini mei: primum videlicet, infantilium iUarum necessitatum, deinde, laborum quos pertulit in praedicando...", weitet der deutsche Text gerade die Betrachtung der Kindheitsnöte aus: . . . und nam (im Text: man) minen schepfer in min hert^e mit allen sinen nòten, und gedahte an sin (im Text: din) kinthait wie er gewunden wart in du túchlú und wie er geleit wart in die krippe, wie er sin blät goa^ in der beschnidunge, wie er mit grosser arbait ertragen wart, ich gedahte och an sin vasten ...,wie dik er müde von bredienn wart... (Rd. S. 338,14—19). Nach der verkürzt wiedergegebenen Betrachtung des Lebensweges und der Passion Christi (Rd. S. 338,22f.), folgt der zweite, sehr frei bearbeitete Teil des Textes. Die Zählung von sieben Früchten der Meditation ist dem * Bezieht sich auf das thema der Predigt Cant. 1,12: „Fasciculus myrrhae dilectus meus mihi; inter ubera mea commorabitur". 10
FrUhwald, Prediger
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Mignetext gegenüber vom deutschen Bearbeiter hinzugefügt und die ganze Betrachtung ins Anschaulich-Volkstümliche gewendet worden: 1. Rd. S. 338,24f. . . . so wart ich al^ durnâhtig und raine rehte al^ ich nie smde hetti getan.
PL 183, Sp. 995 A („. . . in his justitiae mihi perfectionem constituí, in his plenitudinem scientiae,) in his divitias salutis,
2. Rd. S. 338,26 £. PL 183, Sp. 995 A . . . da^i ich also grossen schats^ gewan in his copias meritorum. von tugenden, und wart al^ rieh al^ oh ich tusend jar nach tugenden hetti geworben. 3. Rd. S. 338,28—30 .. . da^i mir der hymel o f f e n wart und ich de^ gewisse was^, wäre ich innen de^ tot, da^ ich an underla^^ ^e hymel kamen wäre.
PL 183, Sp. 995 A (Ex his mihi interdum potus salutaris amaritudinis), ex his rursum suavis unctio consolationis.
4. Rd. S. 338,30 f. PL 183, Sp. 995 A . . . da^^ ich denne uf gerihtet wart in Haec me erigunt adversis, widerwärtekait und in arhait. 5. Rd. S. 338,32f. . . . da^ si mich denne demütegent in franschmûtkait und so mir min ding wol gie.
PL 183, Sp. 995 AB in prosperis reprimunt, et inter laeta tristiaque vitae praesentis via regia incedenti tutum praebent utrobique ducatum, hinc inde mala imminentia propulsando.
6. Rd. S. 338,33 f. . . . da^ si mir denne frid mahtent entr^wúschent mir und minem schepfer.
PL 183, Sp. 995 В Haec mihi conciliant mundi judicem . . .
7. Rd. S. 339,1 f. . . . da¡^ si mich denne wis machetent ünsers herren willen χβ erkennende, den er hat gegen mir.
PL 183, Sp. 995 В . . . dum non solum placabilem, sed et imitabilem repraesentat eum, (qui inaccessibilis est principatibus, terribilis apud reges terrae").
. . . und di^ gedenke warent also stäte in mim hert^en da^ nie dehain gedank da herherg gewan der unreht wäre und wider^âme. dei^ ist Got selber min ge^úg
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und min brùder, da^ ich all min s^it von su^ getaner materie rette (Rd. S. 339, 2—5) = „Propterea haec mihi in ore frequenter, sicut v o s scitis; haec in corde semper, sicut D e u s seit; haec stylo m e o admodum familiaria, sicut apparet; (haec mea sublimior interim philosophia, scire Jesum, et hunc crucifixum" P L 183, Sp. 995 B). Wenn auch Bernhard v o n Clairvaux seit dem 13. Jahrhundert in der deutschsprachigen geistlichen Literatur des Mittelalters eine bevorzugte Stellung einnahm®, so sind die Zitathäufungen und die umfangreichen Auszüge aus seinem Werk gerade auch in der Hs. A so auffällig, daß wir darin die Absicht des Kompilators erkennen •— Dieser ersten Verklammerung gegenüber ist nun die zweite, die wir in der Bertholdüberlieferung gegeben sahen, weniger gewichtig. Darin aber, daß unter all unseren SG-Handschriften nur in A die Bertholdtradition belegt ist, erkennen wir eine individuelle Kompilationsvariante Albrechts des Kolben. b ) BERTHOLD VON REGENSBURG
D i e Diskussion u m die Bertholdtexte in der Hs. A des St. Georgener Predigers, die besonders durch Philipp Strauch (Germanica S. 530 ff.) gefördert wurde, wird durch die neuen Erkenntnisse E v a Lüders' nun in den Hintergrund gedrängt. Trotzdem sollten die Predigten Bertholds in A auch weiterhin in der Diskussion bleiben, da ihre gegenüber anderen Drucken teilweise abweichende Textgestalt' immerhin inter^ Solange das von Wolfgang Stammler (DPhiA Bd. II, Sp. 1092) angekündigte Corpus Bernhardinum Germanicum nicht erschienen ist, geben die Handschriftenkataloge unserer Bibliotheken einen hinreichenden Einblick in die Fülle bernhardischen und pseudobernhardischen Materials. Eine kleine Auswahl bietet Kurt Ruh, Bonaventura S. 29 f. Unter den besonders beliebten Pseudoschriften Bernhards fällt uns z. B. die Epistola CDLVI. Ad Raymundum dominum castri Ambruosii PL 182, Sp. 647—651) auf, die allein in München in sechs deutschen Handschriften nachzuweisen ist: cgm 323, 396, 564, 746, 751 und 1141. Vgl. auch folgende Handschriften: Hs. 2881 der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien, worin der Brief f. 87ra—88rb lateinisch und anschließend f. 88va—90va deutsch enthalten ist, Berlin ms. germ. 2» 653f. 389ra, ms. germ. 2» 1313f. 202ra, ms. germ. 4" 1583f. 7vb und ms. germ. 8° 101 f. 118r, die bei Priebsch I unter Nr. 5 und II unter den Nummern 168 und 175 beschriebenen Handschriften. Zu den Handschriften, die umfangreiche Verdeutschungen von Bernhatdpredigten enthalten, gehört auch unsere Hs. Ph, die besonders auch in ihrem ersten mit der SG-Stteusammlung erst später zusammengebundenen Teil f. Ira—79ra Bernhardpredigten enthält. Vgl. Coveney S. 49. Zu den Bernhardpredigten im zweiten Teil von Ph vgl. Lüders III, S. 156ff. ' Im Gegensatz zu der Vielzahl namentlicher Bernhardzitate in A und im ganzen St. Georgener Prediger finden sich z. B. bei Schönbach I nur fünf Bernhardzitate, während in Schönbach II und III Bernhard weder genannt noch verwendet wird. ' Besonders auffallend ist die starke Kürzung von Rd. 1 gegenüber der bei Pfeiffer-Strobl Bd. I, S. 264—288 gedruckten Fassung.
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essant ist, ihre Anzahl noch keineswegs feststeht' und ihre KlammersteUung in dem Buch Albrechts auffallend ist. Fünf Texte sind aus dem ersten Teil der Sammlung für Berthold bisher gesichert: die Vierergruppe des Anfangs und die Nummer Rd. 24. In die Kernsammlung hat dann der Kompilator ganz unauffällig den ebenfalls für Berthold gesicherten Text Rd. 67 eingeschoben und somit zwei Teile seines Buches einander angenähert. Für den Einschub fand sich nach Rd. 66, einem Stück, das in A überschrieben ist Von drier bande flehen der sele (Rd. S. 298,1), die geeignete Stelle. Hier werden dreierlei Sünden, welche die Seele beflecken, vorgeführt: die Erbsünde, die Todsünde und die läßliche Sünde : Drier hand fleken sint : der erste ist der den wir geerbet hant von mserm ersten vatter Adam, und den nimet der tof ab. der ander ist bobet súnde, der die bat^. der dritie ist tägliche smde (Rd. S. 298,6—8). Daran ließ sich ohne Schwierigkeiten Rd. 67 anschließen, ein Text, dessen Überschrift der ersten Zeile entnommen ist: Von den schaden täglicher smde. Nun sunderlicb schaden emphabet dà sele von täglichen smden . . .(Rd. S. 299,1 f.). Im letzten Teil von A findet sich nun kein Text, den wir mit Sicherheit Berthold zuweisen könnten, doch ist Rd. 85 Von der sele closter (Rd. S. 399,13) ein kurzes Lesestjick, das thematische Übereinstimmungen mit einem von Schönbach als „Bertholdsches Gut" erkannten lateinischen Text zeigt^®. Die Allegorie vom Kloster der Seele, des Herzens, der Tugenden, vom geistlichen Kloster ist aber andererseits im Mittelalter so allgemein bekannt, daß wir aus dieser Übereinstimmung keine bindenden Schlüsse ziehen können. Vielmehr ist anzunehmen, daß sich auch Berthold von Regensburg hier einen vorgeprägten und in den Klöstern des Mittelalters sehr beliebten Typ volsktümlicher Allegorese angeeignet und selbständig bearbeitet hat. Einige Angaben zu diesem Typ, dessen Gesamtuntersuchung einer größeren Arbeit vorbehalten bleiben muß, sollen hier den Zusammenhang verdeutlichen. Ausgangspunkt der Allegorie, welche die verschiedenen Ämter, Übungen, Gebäude, Räume, Geräte usw. des Klosters mit Tugenden gleichsetzt, scheint der Traktat des Kartäuserpriors Hugo von FouiUoy (1100/10—1172/73) „De claustro animae" (PL 176, Sp. 1017—1182) zu sein". Nach der einleitenden Gliederung kommt als Vorlage für ® Es wäre immerhin möglich z. B. in Rd. 18 den Text S. 53,14—54,9 für einen Volksprediger in Anspruch zu nehmen. ' der die hat wird durch die Tradition getilgt. W S B 153,4 (1906), S. 125f. Vgl. Rieder S. 339 Anm. " Wolfgang Stammler weist in semer „Geschichte der niederdeutschen Literatur", Berlin 1920, S. 34 darauf hin, daß das Bild Hugos von St. Victor vom „Geistlichen Kloster" bei dessen Landsleuten „in gleicher Art wie in Obetdeutschland — sehr
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unseren Text vor allem das dritte Buch in Frage: „Placet quoque opusculi hujus spatium in quatuor libellos relevandae mentis gratia scindi. . . Primus quidam quid noceat claustralibus vel mundo renuntiare volentibus, continet. Secundus vero claustri materialis ordinationem, in quo tenetur homo exterior, docet. Tertius animae claustrum ordinat. Quartus claustri non manufacti habitationem quae est in coelo, commendai appetendam ( P L 176, Sp. 1019AB). Der Schlußsatz dieser Gliederung „Summi quoque abbatis, scilicet Christi, pacem quam ibi habet cum sujectis, hic hortatur cum fratribus exhibendam", ist vorbildlich für den Beginn der Allegorie in der Mehrzahl unserer Handschriften: Eein frldesam herede ist ein kloster da ist got ein apt inne / Bescheidenheit ist die eptissen / Demuot ist ein priorin . . . (Wa. S. 609). Sonst wird nur die Methode, nicht der Wortlaut des lateinischen Traktates übernommen. Messikeit ist der reuentor heißt es z. B. im deutschen Text dieser Fassung I, während Hugo von Fouilloy schreibt: „Sicut homo exterior in refectorio materiali ad horam cibo potuque reficitur, sic homo interior in refectorio sanctae meditationis potatur vino compunctionis, et diversis exemplorum saginatur ferculis . . . " oder der Schlafsaal wird als kiuschkeit gedeutet, während der lateinische Text lautet: „Potest mentis tranquillitas animae dormitorium per similitudinem nuncupari, in qua ponitur lectus conscientiae {ein geriegick herc^ ist der strosack Wa. S. 610), substernitur fenum carnis, carpitur pacis Die hier zitierte häufigste deutsche Fassung unseres Textes (daher von uns als Fassung I bezeichnet) ist nach der Straßburger Hs. В 146 von Max Rieger bei Wa. S. 609 f. gedruckt und von Wolfgang Stammler nach der Hs. 33548 des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg in: „Prosa der deutschen G o t i k " , Berlin 1933, S. 50. Das Stück ist nach Wieland Schmidt („Die vierundzwanzig Alten Ottos von Passau", Leipzig 1938 = Palaestra 212, S. 46, bes. Anm. 3) außerdem enthalten in der Berliner Hs. ms. germ. 2» 19 (f. 250v—251r), in Ms. Ρ I 25 der Stadtbibliothek Lindau, in Ms. 4486 a des Germanischen Museums Nürnberg, in Ms. L germ. 78 4° der Universitätsbibliothek Straßburg. Nach Dolch S. 38 findet sich die Fassung I auch in zwei Berliner Handschriften: ms. germ. 4° 1082 ( = ν. Arnswaldt 3139. Anfang beliebt (war) und . . . bald in volkssprachliche Verse umgesetzt (wurde)". Wir nehmen hier den Namen des wahrscheinlichen Verfassers Hugo de Folieto, dessen Schriften unter dem Namen Hugos von St. Victor umliefen. Auch Stammler schränkt in seinem Aufsatz „Die mittelniederdeutsche geistliche Literatur" (Kleine Schriften zur Literaturgeschichte des Mittelalters, Berlin 1953, S. 240) die Verfasserschaft Hugos von St. Victor ein, wenn er davon spricht, daß der „aus Ballenstedt stammende Scholastiker angeblich einen lateinischen Traktat ,Vom geistlichen Kloster' verfaßt" hat. Ein Hinweis auf eine niederdeutsche Klosterallegorie ohne Handschriftenangabe bei Ehrismann II, 2,2, S. 681. 12 Refectorium = Wa. S. 610, P L 176, Sp. 1097 D ; dormitorium = Wa. S. 610, P L 176, Sp. 1101 C. Vgl. PL 176, Sp. 1091 D , 1093 C, 1094 D , 1107 C.
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und Schluß des Stückes ausführlich bei Reiflfetscheid NJb X, 1884, S. 14. Der Schluß ist verkürzt.) und ms. germ. 4® 1086 ( = ν . Arnswaldt 3143. Vgl. Reifferscheid ebenda S. 24. Abweichender Schluß!), in je einer Hs. der Königlichen Bibliothek in Brüssel, der Bibliotheca publica in Deventer, der Leipziger Universitätsbibliothek und der Königlichen Bibliothek in den Haag. Hat Dolch hier nur mnd.-mnl. Handschriften erfaßt, so fügt er in Anm. 2 eine hochdeutsche Hs. unseres Textes aus der Prager Universitätsbibliothek hinzu. Wir schließen hier eine niederdeutsche Hs. an: Berlin ms. germ. 8° 371 (Anfang f. 91 v) und folgende hochdeutsche Hss.: Berlin ms. germ. 4" 74 (Anfang f. 118r), ms. germ. 4» 1131 (Anfang f. 15r), ms. germ. 8° 222 (Anfang f. 148r), ms. germ. 8° 565 (Anfang f. 259 v), ms. germ. 8» 567 (Anfang f. 209 v ) ; Basel, Öffentliche Bibliothek, Hs. A. V. 33 (Anfang f. 26va); Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. pal. germ. 472 (f. 126vb—127rb. Vgl. auch Rd. S. 339 Anm.); Zürich, Stadtbibliothek Hs. С 31 f. 230 r (nach dem Explicit bei Mohlberg Nr. 65 fragmentarisch), München, Bayerische Staatsbibliothek cgm. 29 (f.77r—77v), cgm. 255, cgm. 509 (f. 364 rb— 365vb), cgm. 519 (f. 269va—270va), cgm. 831 (f. 52r—56r) und cgm. 835 (f. 99r— 1 0 4 v ) " , Wien, österreichische Nationalbibliothek Hs. 3011 f. 71r—71v, Hs. 4348 f. 61r. (Vgl. zu diesen Hss. auch unten Anm. 17). Da in zahlreichen der hier genannten Handschriften der Text Bernhard von Clairvaux zugeschrieben wird, dürfen wir annehmen, daß die Fassung I immer dann vorliegt, wenn schon in der Überschrift der Name Bernhards genannt wird. Demnach enthalten mit großer Wahrscheinlichkeit die von Rieder S. 339 Anm. genannten Codices der Stiftsbibliothek St. Gallen den Text im Wortlaut dieser Fassung. In Codex 1014 ist nämlich (nach Schertet S. 387) auf f. 320 die Allegorie St. Bernhard zugeschrieben und sie deckt sich nach Scherrers Angaben mit den Texten in Cod. 966 (f. 103) und Cod. 967 (f. 120—123). W i r müssen n u n aber eine Fassung l a ausscheiden, da z. B. in den Münchener Handschriften (außer in cgm. 29 u n d 2 5 5 ) auffällt, daß unser Text i m Zusammenhang einer Reihe v o n Traktaten steht, die häufiger überliefert w i r d und v o n der W i e l a n d Schmidt (a. a. O . S. 4 6 , A n m . 4) vermutet, daß sie den K r e i s e n der G o t t e s f r e u n d e entstammt. Dabei ist — wenigstens in den M ü n c h e n e r Handschriften — die A l l e gorie in der Fassung I durch 2wei sich anschließende und deutlich auf sie bezogene Stücke ebenfalls zu einem K u r z t r a k t a t erweitert. Diese Fassung l a findet sich außerhalb des Traktatzusammenhanges auch in cgm. 2 9 u n d 255. A u s cgm. 29 geben w i r im f o l g e n d e n ausführlich jeweils Incipit und Explicit der drei fraglichen Stücke, da hier die Einteilung des K u r z t r a k t a t e s besonders deutlich zu erkennen ist. Schon im Register ist unter der Ziffer /xx^' (f. I v ) vermerkt: It(em) daz geystlich closter. Daz han ich nit gemachf^^*. Auf Blatt 77r ist der Text dann überschrieben: Dit:(_ sülln merckñ dye gaystlichñ menschñ vñ auch dy weltlichñ. dy mit sampt den gaistlichñ hegerñ Die Münchener Handschriften habe ich außer cgm. 255, der nach Petzet S. 48 genaue Abschrift von cgm. 29 ist, selbst eingesehen, während die sonstigen Angaben den im Anhang verzeichneten Handschriftenkatalogen entnommen sind. " Bei der Wiedergabe des Textes werden aus satztechnischen Gründen die Punkte, die sich mit großer Regelmäßigkeit über a, u, w und у finden nur über umlautfähigen Vokalen belassen.
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cze bestizñ da^ emg lehn, worauf dann mit einer dreizeiligen roten Großinitiale beginnend unsere Fassung I folgt; (f. 77r) Eyn fridsam hercz ist ayngeystkych chlöster / dar yñ Got selbs d'plat(l) ist / Beschaydenhayt ist darin Abbtissyñ / Dymutichayt ist daryñ prioryñ j Gedultichayt ist dy custriñ I . . . Frid ist der pawmgart / Ein güt ebenbild getragñ vor allen lewtñ das ist dy frucht der pawm / Behär^üg vñ nit ablassñ in allñ dingñ pis an das endt ist dy frucht die man evichleychñ nyessñ sol vñ ¡virt nyessñ bye in c^eyt vñ dort in ewikayt. (Kein Absatz, da Ende der Zeile. Es schließt sich an, beginnend mit roter, zweizeiliger Kleininitiale:) Dye sol einyegleycher geystleycher mensch j er sey prüder oder swester ebñ vñ wol merckñ. versten vñ auch wissñ welichs oder was ordens er halt oder ist swartz, oder Weys — oder grab ( l ) j wye wol dañ sein chlöster oder wye vest er gemawret ist vnd verschlossen ist j . . . Es müs auch ein yegleycher (f. 77 v) weltleycher mensch wer er ist / oder wo / oder was er ist / oder in welchem stat / wil er dañ frum vñ sälig werdñ so müs erye das vorgenänt geystleych chlöster auch pawen in ym selber / wañ welcher behalten wil werdñ der müs dy tugñt all habñ vñ ayner nicht myner Aber c^w der helle hat man genüg an ayner vntugñt wan es ain tödsündt ist / vñ darumb so ist des vorgenanten geystleychñ chlösters pawe allñ menschñ geystleychñ vñ weltleychen ein grossew nötdürfft (Absatz. Dann wieder mit roter zweizeiliger Kleininitiale beginnend:) Nach allñ disñ vorgeschribñ dingñ / so möcbt ein mensch also sprechñ / wye chan ich vñ mag ich ymmer c^w disñ vorgenátñ tugentñ vñ dingñ allñ bechömen j wañ ich doch nichtzgütz vberal von mir selbers han / vñ auch on dy genad Gots chayn güts getün chan / vñ darumb so chan ich nicht frum noch sälig werdñ mir helff dañ Got vñ geb mir gnad das ich es getün müg Ну e soit du gar ebñ mere ken ... vñ darvmb weñ der mensch dy selbñ drew dineк tüt / so ist eryec^und geschickt ^w der erstü genad / wil dañ der mensch fleyssig vñ emsig seyn / so gibt ym Got ymmer vñ mer / vñ also mag er dañ mit Götz hÜff '"»i sälig werdñ ob er wil / das vns ditz beschech vñ widerfar dez helff vns Jhüs Marie Sun Amen. Der Gebrauch von Groß- und Kleininitialen macht einerseits die Zusammengehörigkeit des Textes, andererseits aber auch seine Gliederung deutlich. In cgm. 509, 519 und 835 ist die Einheit der drei Texte schon äußerlich dadurch dokumentiert, daß der Allegorie jeweils eine rote Überschrift vorangestellt ist und die beiden Auslegungen jeweils mit einer Initiale beginnen. Nur in cgm. 831 beginnt der dritte Teil des Traktates nicht mit einer Initiale, sondern ist mit dem zweiten Teil zusammengeschrieben. Es muß dahingestellt bleiben, ob unser Text immer dann Traktatform hat, wenn er innerhalb der genannten Traktatreihe erscheint, die nicht immer in derselben Anzahl und Reihenfolge auftritt, aber doch ein charakteristisches Grundschema aufweist'®. Innerhalb des Traktatzusammenhanges steht die Fassung I jedenfalls in den Hss. Berlin ms. germ. 2° 19, ms. germ. 4° 74, Braunau, Privatbibliothek Langer Ms. 404, Lindau, Stadtbibliothek Ms. Ρ I 25 (hier nach Wieland Schmidt S. 93 sicher in der erweiterten Form l a überliefert) und Zürich, Zentralbibliothek Ms. С 20 f. 98ff.ie. Die Traktatreihe ist aber in ms. germ. 4° 74 nur fragmentarisch enthalten, ebenfalls fragmentarisch in Berlin ms. germ. 8° 565, vollständiger ist sie dagegen in Berlin ms. germ. 4° 1131 überliefert, da nämlich das Stück Von liebin Gots f. 16v identisch ist mit der „Goldwaage der ewigen Stadt Jerusalem". Zu den Traktaten der Reihe gehört auch ein Stück, das in cgm. 509 f. 370 ra ζ. В. überschrieben ist : Bonaventura in de das er nennet stimula amoris do schreibt er vö volkomer diemutikeit also und das sich nach Ruh, Bonaventura S. 277 im Rahmen unserer Traktatfolge auch in den Hss. Einsiedeln 709 und 710 findet. Daraus ist eventuell zu entnehmen, daß auch das „Geistliche Kloster" in diesen Manuskripten enthalten ist. Vgl. dazu vorläufig Wieland Schmidt a. a. O. S. 45 f. und S. 93. Soweit die Angaben bei Wieland Schmidt S. 46, Апш. 4.
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Schon Dolch unterscheidet S. 38 eine zweite erweiterte Fassung der Klosterallegorie in der Hs. Berlin ms. germ. 4® 1086 ( = von Arnswaldt 3143, Anfang und Schluß des Stückes bei Reifferscheid N J b X , 1884, S. 24). In ms. germ. 4® 1U86 sind also unabhängig voneinander zwei Fassungen des Textes zu erkennen, die in der Hs. den Haag 132 F. 17 zusammengeschrieben sind. Eigenständige Bearbeitungen unseres Themas in lateinischer Sprache und in deutscher Sprache über den ganzen Sprachraum verbreitet gibt es in großer Zahl. Schon Mechthild von Magdeburg schreibt im 7. Buch, Kapitel X X X V I ihres Werkes eine gereimte Klosterallegorie, worin sie die Ämter des Klosters mit Tugenden vergleicht: Hienach such ich ein geistlich dosier, de wc mit fugenden gebuwen. Die eptischin ist die ware minne, . . . Der minne capellanine ist die gôtliche diemutekeit, . . . etc. (Gall-Morel S. 249f.). Eine lange mittelniederdeutsche Reimfassung dieses Themas ist gedruckt von Karl Bartsch in N J b X I (1885), S. 128—133 und auch hier ist caritas ...de abbatissa (S. 128). A n die eigentliche aus 19 Reimpaaren bestehende Allegorie schließt sich in 97 Reimpaaren eine Kapitelsitzung der Tugenden a n " . Eine sehr reizvolle Ausprägung unserer Allegorie kann hier nur kurz angedeutet werden, nämlich das sog. „Seelenklösterlein", das als Spinnstubenlied der Nonnen weit verbreitet war. In zahlreichen Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek, Wien folgt diese Reimfassung der Klosterallegorie nämlich auf das „Lied von der geistlichen Spinnerin" und ist teilweise auch mit ihm zusammengeschrieben. Die „Geistliche Spiruierin" aber ist nach einem Eintrag des 17. Jahrhunderts in der Hs. 4745 der Österreichischen Nationalbibliothek ein gutts gsang fur die normen. Das Lied wird in der Hs. 3650 derselben Bibliothek pater leronymus ¡verdea zugeschrieben. Zusammen mit dem „Lied von der geistlichen Spinnerin" findet sich das „Seelenklösterlein" in folgenden Handschriften der österreichischen Nationalbibliothek, Wien: Hs. 3011: Spinnerin f. 163r—164v, Seelenklösterlein f. 164v—165r (vom vorhergehenden Text nicht getrennt). In dieser Handschrift sind also unabhängig voneinander zwei Fassungen unserer Klosterallegorie belegt. Hs. 3650: Spinnerin f. 103v—104r, Seelenklösterlein f. 104r, Text bei Menhardt, Verzeichnis Bd. 2, S. 938: Fabula. wir mlltn vns paaen ain heyslein, in vnser sei ain klosterlein, da sol Usus der mayster in sein vnd maria dy kellerin, Gotleyche foricht dy porterin vnd gòtleych lieb dy huetterin dyemüttikait khert auch darein, dy beysha(i)t beschliost vns da^ heyslein. Hs. 4119: Spinnerin f. 19v—21r, Seelenklösterlein f. 21r, Hs. 4348: Spinnerin f. 65 V—66 r, Seelenklösterlein f. 66 r. Auch in dieser Handschrift finden sich also unabhängig voneinander zwei Fassungen unserer Allegorie. Hs. 4745: Spinnerin
Die Handschrift A
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Zwei -weitere niederdeutsche Reimfassungen erwähnt Hermann JeШnghaus, „Geschichte der mittelniederdeutschen Literatur", Berlin ®1925, S. 8. Noch näher zu bestimmen sind Berlin ms. germ. 4® 192f. 223 V Das geistliche dosier der seien, von tugenden gemäht (Degering II, S. 37) und ms. germ. 4» 1100 ( = von Arnswaldt 3164 f. 210r —212r) Dit is van eenre geestelicker clujsen (Reifferscheid NJb X, 1884, S. 43). Auch predigthaften Charakter kann der Text aber annehmen, wie in dem Berliner ms. germ. 8® 224, wo f. 83r in der Überschrift auch der Name Hugos von St. Victor genannt wird: Von ainem gaistlichi closter volkommender gaistlichait als hugo vnd bernhard schribt. Paulus : Vos estis templum dei uiut etc. Das ist in tütsch also gesprochen: Ir sind ain tempel des lebendigen gotv^vnd der hailiggaist haut wonungin uch . . . (Degering III, S. 76). Wie dieser Berliner, so beginnt auch der oben erwähnte und von Schönbach gedruckte Innsbrucker Bertholdtext — Schönbach verweist dabei a. a. O. S. 125 Anm. auf die Nr. 86 von Bertholds Sermones ad Religiosos — mit einem thema {Protexisti me. Deus, a conventu malignantium etc., a. a. O. S. 125,19) und nimmt damit predigthaften Charakter an. Im Bertholdtext werden ein gutes und ein schlechtes Kloster unterschieden, wobei wie bei Mechthild und in der von Bartsch gedruckten Wolfenbütteler Fassung caritas die Äbtissin des guten Klosters ist. Der ungleich breiter ausgeführte Teil über das schlechte Kloster beginnt: in malo conventu abbas est diabolus ...{&. a. O. S. 125,26). Die Klosterallegorie Rd. 85, von der wir ausgegangen sind, steht nun zwischen der Fassung I und dem Bertholdtext. Im ersten Abschnitt (Rd. S. 339,14—25) finden sich nämlich so häufige Übereinstimmungen mit unserer Fassung I, daß wir von einer selbständigen Bearbeitung dieser Fassung sprechen können. Der Text entstammt sicher einem Konvent der Bettelorden, da hier das Priorat höchstes Amt des Klosters ist: In der sele closter sol Got únser herreprior sin, beschaidenhait subprior . . . (Rd. S. 339,14). Der zweite und, wie wir annehmen, gekürzte Absatz (Rd. S. 339,26—29) nähert sich Bertholdischem Gedankengut, da hier wie in der Innsbrucker Hs. von einem kloster de^ libe^, da der tüvelprior ist gesprochen wird. Rieders Text ist also ein individuell bearbeitetes „Verbindungsstück" zwischen zwei Fassungen, da es sich sowohl an f. 64V—Ir, Seelenklösterlein f. Ir (vom vorhergehenden Text nicht getrennt). Nach diesem Kodex sind beide Texte gedruckt in: Diutiska III (1829), S. 4 0 7 ^ 1 0 . Die „Geistliche Spinnerin" findet sich auch in Berlin ms. germ. 8" 590 f. 91 ν— 93r, auf f. 93r beginnt dann der „Geisthche Krapfen", der auch in cgm. 454 (Bayerische Staatsbibliothek, München) f. 171 ff. enthalten ist. Im Berliner ms. germ. 8® 329 ist f. 178 V—181 r der Text der „Geistlichen Spinnerin" in einer Prosafassung enthalten. — Aus allen bisherigen Angaben wird deutlich, daß unser „Geistliches Kloster" dem im späten Mittelalter wuchernden Typ der „Dispositionsallegorie" (Ruh, Bonaventura S. 256) zuzuweisen ist.
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die Fassung der Gottesfreunde, wie wir unsere Fassung I vorläufig benennen wollen, als auch an die Bertholdfassung anlehnt. — Sicher ist es kein Zufall, daß gerade in die Sammlung A Bertholdtexte oder Berthold nahestehende Texte mit aufgenommen wurden. Albrecht der Kolbe schreibt sein Buch ja im Auftrage der Frau eines Stadtamtmanns; für sie fügt er Texte des größten Bußpredigers, den das heilshungrige Städtertum im Mittelalter kennt, mit ein. Seine Vorliebe für den Regensburger Franziskaner erklärt sich aber auch aus einer Geisteshaltung, die wir als „moralisierend" gekennzeichnet haben, wobei dem Wort kein negativer Nebensinn anhaftet. Die gelegentlichen Mißverständnisse mystischer Tendenzen schließen sich hier ani®. Auch für die zweite, die Handschrift A kennzeichnende Schicht, die wir bei der Besprechung der Textbearbeitung feststellen konnten, ergeben sich Hinweise aus der Art der Kompilation : Da Albrecht bewußt ein Erbauungsbuch schreibt, fügt er eben seinem Text häufig kurze, volkstümliche Lesestücke mit ein^®. — Die Handschrift A ist für die Herstellung eines kritischen Textes nicht sehr ergiebig, gerade deshalb aber ist sie ein besonders eindrucksvolles Zeugnis aus der Werkstatt des „produktiven" Schreibers. 1« Vgl. oben S. 50 und S. 139 Anm. 34. 19 Dies gilt nicht nur für Rd. 85 Von der sele dosier, sondern auch für das kurze Bertholdstück Rd. 67, wozu Rieder S. 299, 1 Anm. Paralleltexte angibt, sowie für Rd. 84 Von dem пШ^е linsers herren behúgde (vgl. die Handschriftenangaben Rd. S. 338, 10 Anm.) und für Rd. 86 War umb Got mentsch wart (vgl. die Angaben Rd. S. 340, 1 Anm. und Spamer, Diss. S. 80).
2. Das Original A u s u n s e r e r A n a l y s e d e r K e r n s a m m l u n g lassen sich, z u m i n d e s t in d e r F o r m v o n H y p o t h e s e n , s u m m a r i s c h e E r g e b n i s s e ableiten, die erst d u r c h eine U n t e r s u c h u n g d e r g e s a m t e n T r a d i t i o n differenziert w e r d e n könnten. a ) D A S KLÖSTERLICHE KOLORIT
E s g i b t keinen Z w e i f e l daran, daß unsere T e x t e — in d e r M e h r z a h l sind es P r e d i g t e n , die sich teilweise zu T r a k t a t e n e r w e i t e r n , a b e r auch k ü r z e r e L e s e s t ü c k e — d u r c h w e g s f ü r eine klösterliche G e m e i n s c h a f t bestimmt waren. Überlieferung, Thematik, Stoff u n d A u s f ü h r u n g weisen deutlich darauf hin. D a b e i k ö n n e n w i r nicht festlegen, o b es sich bei d e m ersten K r e i s d e r H ö r e r , b z w . d e r L e s e r u m N o n n e n o d e r u m M ö n c h e g e h a n d e l t hat, n a c h d e m sich die S a m m l u n g g l e i c h e r m a ß e n i n F r a u e n — u n d i n M ä n n e r k l ö s t e r n findet u n d die A n r e d e jeweils charakteristisch g e ä n d e r t ist^®. Selbst ein S c h r e i b e r w i e A l b r e c h t d e r K o l b e , Die Anrede ist aber ein Hauptargument Pregers für seine Vermutung, daß die Predigten von einem Dominikaner verfaßt wurden (Preger II, S. 32). Das Priorat gab es und gibt es nicht nur in den Dominikanerklöstern, sondern auch in den Klöstern der Benediktinerregel. Da hier in früher Zeit meist der Abt Prediger war, könnte sich die Nennung des Priors, des Subpriors etc. evtl. auch so erklären. Auf die weitere Feststellung Pregers, daß der Georgener Prediger eventuell die Sprache Taulers und Seuses beeinflußt hat, können wir für den letzteren antworten, daß diese, meist ganz allgemeine Übereinstimmung eher auf eine gemeinsame Vorliebe für Bernhard von Clairvaux als auf eine direkte Beeinflussung zurückzuführen ist. — Ungeachtet dieser auf schwachen Füßen stehenden Argumente Pregers, ist seine Beschreibung unserer Sammlung noch längst nicht überholt und wohl die bedeutendste unter den älteren Darstellungen. Preger stellt den Einfluß der Mystik Augustins, Bernhards und Hugos von St. Victor fest (S. 33), während vor ihm schon Linsenmayer a. a. O. S. 365 einen Zug „praktisch-asketischer" Mystik erkennt. Vgl. dazu auch Albert Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands, Bd. V, 1, S. 351. Zu weit aber führt die Arbeit von Oskar Steigerwald, Die transzendente Richtung im Sog. St. Georgener Prediger und die Auflehnung dagegen im Ackermann aus Böhmen, Diss. Würzburg 1923, der den SG in der Ausgabe Rieders als ein durchgehend mystisches Denkmal betrachtet und ihm — orientiert an den Grundbegriffen Fritz Strichs — als Pol einer entgegengesetzten Weltanschauung den „Ackermann aus Böhmen" gegenüberstellt. Dabei werden Bertholdpredigten mit mystisch ausgerichteten vermischt, so daß das Problem der Untersuchung, die „an zwei großen Werken zwei wichtige Strömungen der spätmhd. Literatur . . ., die Mystik und die beginnende Renaissance" zeigen will, für den SG falsch gestellt ist.
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der bei der Arbeit stets die Interessen seiner Auftraggeberin berücksichtigt, hat dieses Hösterliche Kolorit nicht getilgt. b ) DER „PREDIGER"
Wenn wir nach dem „Verfasser" der Predigten und seiner Herkunft fragen, so ist zunächst festzustellen, daß die Einheit der Sammlung vom. Gehalt aus nicht zu beweisen ist. Es verdichtet sich vielmehr der Eindruck, daß wir schon für die Originalsammlung einen Kompilator anzusetzen haben, der das Werk gleichzeitig bearbeitet hat. Einzelne Stücke, wie Rd. 39 stehen ziendich weit vom Gesamtbild des „Predigers" entfernt, für andere Texte wieder, wie etwa den Palmbaumtraktat ist eine fremde Vorlage anzunehmen, die schon der erste Bearbeiter dem Buch eingepaßt hat. Hinzukommen die Merkmale sekundärer Überlieferung in den Nummern Rd. 42, 45, 46, 74 und 75, so daß insgesamt doch ein heterogenes Bild der Sammlung entsteht. Es werden ältere und relativ jüngere Teile der Sammlung zu unterscheiden sein, wobei die fünfziger Nummern als die älteren erscheinen werden, doch ist diese Aufgabe kaum durch stilistische, eher durch rein philologische Untersuchungen zu lösen. Aus unseren Nachweisen der Tradition ergibt sich, daß für die überwiegende Zahl der Texte keine Zitatreihen, keine Paraphrasen, aber auch keine Reihung lateinischer Quellen in der Art zu beobachten sind, wie sie z. B. Schönbach in den Predigten des Priesters Konrad nachgewiesen hat. Solche Vermutungen widerlegen schon die häufigen, meist genauen und namentlichen Zitate, die bei entsprechender Länge freilich den Rang einer Quelle besitzen. Finden wir auch gelegentlich außerhalb der Zitate Anlehnungen etwa an Bernhard von Clairvaux, so sind die Texte im ganzen doch selbständig und von Vorlagen unabhängig. Die Autoritäten sind für uns auch ein Kriterium zur Bestimmung der geistlichen Richtung des Kompilators. Den Einfluß der Dominikaner, besser thomistischen Einfluß müssen wir ausschließen. Die wenigen Spekulationen der Sammlung weisen auf die Scholastik des 12. Jahrhunderts. Gegen dominikanischen Einfluß spricht auch die Tradition, da bisher nur eine Handschrift aus einem Dominikanerkloster bekannt ist, wo sie aber nicht geschrieben wurde: die Hs. Ζ aus dem Dominikanerinnenkloster Adelhausen bei Freiburg i. Br. Die starke Eckhartüberlieferung der Hs. Ph wird durch eine weit stärkere Bernhardtradition (bes. im ersten Teil der Sammlung) kompensiert. Dominikus wird im SG nicht erwähnt, in A fällt sein Name einmal außerhalb der Originaltexte Rd. S. 320,17. „Daß Franziskus an keiner Stelle der Sammlung genannt wird" hat schon Kurt Ruh, Bonaventura S. 49 als „ernsthaftes Hindernis" für
Das Original
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die Annahme franziskanischer Herkunft des SG bezeichnet, nachdem er die Bonaventurathese von P. C. Boeren, „De Twaalf Vruchten van de Eucharistie en het Veertigste der Limburgse Sermoenen", Tijdschrift 71 (1953) S. 242ff. und 72 (1954) S. 18if. mit guten Gründen zurückgewiesen hat. Dem letzten noch bestehenden Hinweis auf franziskanische Herkunft der Limburgschen Sermoenen entzieht nun Eva Lüders II, S. 56, Fn. 1 die Stütze. Die Anklänge an Bonaventura, die auch wir gelegentlich feststellen konnten, müssen eher vom Stil der Epoche als von einer direkten Rezeption aus verstanden werden. Franziskanischer Einfluß ist also ebenfalls auszuschließen. Die St. Georgener Sammlung nennt als Autoritäten in erster Linie Bernhard von Clairvaux, Augustinus und daneben Anselm von Canterbury und Gregor den Großen. Ist schon die Zahl der Bernhardzitate —· Bernhard und Pseudobernhard werden natürlich nicht geschieden ·—, die fast immer mit der lateinischen Fassung im Werke des doctor mellifluus verglichen werden können, auffällig, so wächst dessen Bedeutung für die Sammlung noch durch manche direkten, aber nicht näher bezeichneten Anleihen. Sicher wurde besonders im 14. und 15. Jahrhundert Bernhard auch in der geistlichen Literatur der Franziskaner und Dominikaner häufig zitiert, für die zweite Häfte des 13. Jahrhunderts aber ist eine solche Zitathäufung noch keineswegs selbstverständlich. Die Predigt Rd. 59 z. В., die Eva Lüders nach einem auf der Innenseite des Vorderdeckels von G eingeklebten älteren Fragment noch in die erste Häflte des 13. Jahrhunderts datiert (Lüders III, S. 180), lebt etwa ab der Mitte aus drei sehr umfangreichen Bernhardzitaten. Insgesamt ist festzuhalten, daß Bernhards Mystik, die großenteils im Anschluß an seine Hohelieddeutung entwickelt wurde, im gleichen Rahmen — gelegentlich mit victorinischem Gedankengut durchsetzt — das Bild des „Predigers" prägt. Unter den Sonderthemen nehmen die Marientexte und die Passionsschilderungen breiten Raum ein, eine Zisterzienserarbeit des 13. Jahrhunderts stimmt in einer langen Passage mit Rd. 54 überein — alles deutet auf Zisterziensereinfluß hin. Wichtige Handschriften der St. Georgener Sammlung entstammen Klostergemeinschaften, die der Benediktinerregel gehorchten und über den hl. Bernhard in Verbindung mit den Zisterziensern standen : G kommt aus dem einstigen Benediktinerkloster St. Georgen-Villingen (Lüders II, S. 69), Sa wurde für „Agnes Trüllerey, Meisterin des Benediktinerinnenkonvents Hermetschwil" geschrieben (Ruh S. 59), als Heimat von U vermutet Eva Lüders (I, S. 224, Fn. 2) „das i. J. 1132 gegründete Zisterzienserkloster Pforta bei Naumburg", W (N) ist eine Kartäuserarbeit (Lüders II, S. 45, Fn. 1) und Ar entstammt dem Kartäuserkloster in Mainz (Lüders II, S. 70).
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„Die mit Bernhard und Wilhelm heraufgeführte Zisterziensermystik", schreibt Friedrich Ohly (Hoheliedstudien S. 217), „blieb auch bei den folgenden Hoheliederklärern dieses Ordens ihrer ursprünglichen Bestimmung gemäß vor allem Anleitung zur Vollkommenheit des klösterlichen Lebens." Und dieser Haltung paßt sich unsere Sammlung gehaltlich vollkommen an. Wir haben an einen Zisterzienser als Sammler und für -weite Strecken des Buches an einen Mönch desselben Ordens als Verfasser zu denken.
LITERATUR- UND ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS Die Quellen, die im nachstehenden Verzeichnis alphabetisch eingeordnet werden, sind oben S. 17 — S. 24 systematisch zusammengestellt. Die Abkürzungen stimmen meist mit den von Eva Lüders gebrauchten überein. Albert Axters
Bartsch
BgT
Bihlmeyer
Bihlmeyer, Seuse
Binz
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PG PL Petzet
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