Der preussische Civil-Prozess [2., verm. und verb. Ausg., Reprint 2021 ed.] 9783112396889, 9783112396872


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German Pages 967 [970] Year 1855

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Der preussische Civil-Prozess [2., verm. und verb. Ausg., Reprint 2021 ed.]
 9783112396889, 9783112396872

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Der

Preussische Livil-prozeft.

Von

Dr. CFK» ch.

Zweite vermehrte «ad verdesierte Aa-sade.

Berlin, 1855. Verlag von I. Guttentag.

Borrede zur zweiten Ausgabe. Die erste Ausgabe dieses Buchs traf in eine Zeit, wo

es schien, daß der in demselben vorgelegte Versuch einer

ersten wissenschaftlichen Bearbeitung

des Preußischen

Prozeßrechts schon bei dem Erscheinen in die Reihe

der rechtsgeschichtlichen Schriften treten sollte, indem

eö den Anschein nahm, als würde die Allgemeine Ge­

richtsordnung

als Ganzes plötzlich bei Seite gelegt

und durch etwas Neues ersetzt werden. Inzwischen hat der Sturm jener Zeit nur einen belebenden, luftreini­ genden Einfluß geübt und dadurch veranlaßt, daß manche

veraltete Zweige ausgeschieden sind.

Davon ist eine

lebhaftere Theilnahme an dem sich nach und nach verjiingenden Prozeßrechte die Folge gewesen.

Schon im

vorigen Jahre war das Bediirfniß einer neuen Ueberarbeitung der vorliegenden Darstellung eingetreten und auch großentheils zur Ausführung gekommen, noch ehe man erfahren hatte, daß es mit einer neuen, schon

mehrmals entworfenen Konkurs-Ordnung nun wirklich

Ernst geworden.

Deshalb mußte die Arbeit unter­

brochen werden, nachdem der Druck der neuen Ausgabe

fast bis zur Hälfte vorgeschritten war.

Darin wolle

der wohlmeinende Leser die Ursache sehen, aus welcher nicht von Anfang

auf die Konkurs-Ordnung vom

8. Mai 1855 Rücksicht genommen und warum an eini­

gen Stellen der Entwurf statt des Gesetzes worden

ist.

allegirt

Auch stütze ich darauf die Bitte,

von

einigen hierbei verzeichneten Verbesserungen und Druck­

fehlem wohlwollend Kenntniß zu nehmen. Blumenthal, im August 1855.

Der Verfasser.

Inhaltsverzeichnis). Einleitung. Begriff, Quellen, Hülfsmittel und Methode des Preußischen Civil - Prozesses. Seite

I. Begriff eines streitigen Rechts und Mittel zur Erledigung von Rechts­ streitigkeiten.

1. Begriff eines streitigen Rechts, §. 1.................................................... 2. Außergerichtliche Mittel. a) Eigenmacht, §. 2...........................................................................

1

b) SchiedSmannischer Vergleich, §. 3.............................................

5

c) Schiedsrichter, §. 4..................................................................... 3. Gerichtliche Mittel. a) Richter und Gerichte, §. 5.........................................................

6

2

9

b) Prozeß. aa) Begriff, §.6........................................................................... 9 bb) Eintheilungen, §. 7.................................................................... 10 II. Quellen.

1. Begriff und Arten, §. 8............................................................................ 11 2. Unmittelbare. a) Gesetzgebung, §.9................................................................................. 11 b) Gerichtsgebrauch, §.10...................................................................... 12 3. Mittelbare. . a) Analogie, §.11......................................................................................... 13 b) Deutsches Recht,§.12..........................................................................13 4. Verhältniß zu einander, §.13................................................ 17

III. Hülfsmittel. 1. Aeltere und fremde VerfahrungSarten, §.14.......................................... 17 2 Prozeß-Literatur, §. 15................................................................................. 19 3. Gesetzvorschläge und Kritiken, §. 16.......................................................... 21 4. Praktische Anleitungen, §.17....................................................................22 IV. Methode der Behandlung, §.18...................................................................... 23

Erstes Buch. Allgemeine Lehren. Uebersicht, §. 19..............................................................................................................24

Inhaltsverzeichnis

VI

Seite

Erstes Kapitel.

Bestandtheile des Prozesses. 1. Begriff und Arten, §. 20............................................................................................24 2. Natürlich wesentliche und positiv wesentliche Bestandtheile, §. 21 . . 25 3. Bestimmende Normen. a) Rechtliche Natur der Prozeßgcsetze, §22..................................................26 b) Rechtsverhältniß verschiedener Prozeßgesetze zu einander. aa) Verhältniß Neuer zu Aelteren, §.23.................................................. 28 bb) Verhältniß Ausländischer zu Inländischen, §. 24 . . . . 30

Zweites Kapitel.

Gegenstände des Prozesses. I. Begriff von Civilprozeß - und Administrativsache, §. 25................................ 32 II. Allgemeine Verwaltung--Iustizsachen, §.26.................................................. 36 III. Besondere Verwaltungs - Justizsachen. 1. In der Justiz-Verwaltung, §.27.............................................................. 37 2 Bei der Verwaltung der innern Angelegenheiten, §. 28 . . . . 38 3. Bei der Verwaltung des Staatshaushalts (der Finanzen), §. 29 40 4. Bei der Polizei-Verwaltung, §.30............................................................ 42 IV. Kompetenz-Streitigkeiten, §.31.......................................................................... 47 V. Verschiedenheit der wahren Civil-Prozeßsachen. s 1. Überhaupt, §.32............................................................................................. 49 2. Konnexe Sachen, §. 33....................................................................................49 3. Verhältniß zwischen Civil- und Kriminalsachen, §. 34 . . . . 50

Drittes Kapitel.

Richter und Gerichtspersonen. Erster Abschnitt.

Gerichtsverfassung. I. Geschichtliches. a) Einleitung, §.35............................................................ 52 b) Anfänglicher Zustand, §. 36-...........................................................................54 e) Geschichte, §. 37..................................................................................................57 Erste Periode.

1. Errichtung des Kammergerichts...................................................... 58

61

Errichtung der Quartalgerichtezu Stendal und Prenzlau . Andere Reform - Versuche

2. 3. 4. 5. 6.

.................................................................. 62

Errichtung des Neumärk'schen Hof- und Kammergerichts

.

63

Errichtung des Konsistoriums............................................................ 64

Die französischen Gerichte.................................................................. 66

Das Kriegsgericht.................................................................................. 66 Die Hof- und Landgerichte................................................................. 66

Jnstanzenzug.........................................................................................66 Vergleichöversuch.................................................................................. 68

Die Richter am Ende der Periode............................................... 69

Jnhaltsverzeichniß.

VII Seite

Verfahren...............................................................................................69 Geschäftsgang.................................................................................... 71 Uebrige Reichslandc..........................................................................73 7. Das Ober - AppellationSgericht....................................................... 74 Preußen...............................................................................................74 Zweite Periode.............................................................................................. 75

Bis 1748. 1. Die Verbesserung des Kammergerichts...................................... 75 2. Die Judenkommission........................................................................ 76 3. DaS Kriegs -, Hof- und Kriminalgericht...................................... 76 4. Das Kriminal-Kollegium............................................................ 77 5. Das Ober - AppellationSgericht........................................................77 6. Der Richterstand............................................................................ 77 7. Das Verfahren.................................................................................. 79 Seit 1748 ..................................................................................................... 80 A. Die Gerichte. 1. DaS Geheime Ober - Tribunal................................ . 84 2. Die landesherrlichen Landgericht? und die Appellations­ gerichte ....................................................................................91 3. Organe derselben......................................................................... 94 4. Die Untergerichte......................................................................... 96 5. Die Specialgerichte....................................................................97 B. Die Richter.....................................................................................98 C. Das Verfahren.............................................................................101 D. Die Advokaten (Justizkommiffarien)........................................... HO Dritte Periode.............................................................................................113

A. Die Gerichte. 1. Gerichte ersterInstanz.............................................................. 115 2. Appellationsgerichtc................................................................. 117 3. Obertribunal........................................... 118 B. Die Richter....................................................................................... 119 C. Das Verfahren..................................................................................119 D. Die Advokatur..................................................................................119 d) Zukunft, §. 38 . .......................................................................................... 119

II. Gerichtsbarkeit. 1. Begriff und Umfang, §. 39...........................................................................120 2. Eintheilung der Gerichtsbarkeit. a) Nach dem Titel der Zuständigkeit, 8 40....................................... 121 b) Nach dem Gegenstände, §. 41..............................................................124 c) Nach dem Umfange, §. 42. . . ................................................... 126 «) Delegirte Gerichtsbarkeit, §. 43................................................. 127 /§) Mandirte Gerichtsbarkeit, 8» 44.................................................. 130 p) Prorogirte Gerichtsbarkeit, 8* 45.............................................131

3. Grundsätze über die Ausübung der Gerichtsbarkeit, 8- 46 . . . 132 4. Ende der Gerichtsbarkeit, 3- 47.............................................................. 136 III. Organisation der Gerichte. 1. Begriff von Richter und Gericht, 8* 48................................................. 137

VIII

JnhaltSverzeichniß.

Seite 2. Justizkollegien, §. 49......................................................................................... 137 3. Ober- und Untergerichte, Jnstanzenzug, §. 50.................................. 139

Zweiter Abschnitt. Gerichtspersonen. I. Begriff und Arten, §. 51........................................................................................ 142 II. Hauptpersonen. 1. Der Richter. a) Fähigkeit desselben, §.52....................................................................... 142 b) Verdächtigkeit desselben, §.53................................................................. 145 c) Verfahren auf daS PerhorreScenzgesuch, §.54............................. 147 2. Der Aktuarius, §.55................................................................................... 149 3. Die Schöppen, §.56.......................................................................................151

4. Der Staatsanwalt, §. 56a 151 III. Nebenpersonen, §.57............................................................................................... 152

Dritter Abschnitt. Zuständigkeit (Kompetenz) der Gerichte. I. Begriff von Kompetenz und Gerichtsstand, §. 58.......................................... 154 II. Verschiedenheit der Gerichtsstände. 1. Eintheilung derselben, §. 59....................................................................... 154

2. Ordentlicher Gerichtsstand. a) Allgemeiner Gerichtsstand, §.60............................................................ 155 b) Besondere Gerichtsstände (fora specialia). aa) Dinglicher Gerichtsstand (formn rei sitae), §.61 . . 156 bb) Gerichtsstand vertragsmäßiger Verbindlichkeit (forum con­ tractu®) , §.62...................................................................... 159 cc) Gerichtsstand des Verbrechens (forum delicti commissi),

§.63......................................................................................... 162 dd) Gerichtsstand des Arrestes (forum arresti), §.64 . . 162

c) Befreite Gerichtsstände (foro privilegiata). aa) Der Personen, §.65....................................................................... 163 bb) Der Sachen, §.66....................................................................... 165

3. Außerordentlicher Gerichtsstand. a) Begriff und Grund, §. 67....................................................................... 165 b) Gerichtsstand des Zusammenhangs der Sachen (forum continentiae causarum), §.68............................................... 166 c) Gerichtsstand der Widerklage (forum reconventionis), §.69 168 d) Freiwillig prorogirter Gerichtsstand, §.70...................................170

4. Ausdehnung eines Gerichtsstandes auf Andere, §.71

.

172

III. Grundsätze über Anwendung der Gerichtsstände. 1. Pflicht und Erfordernisse zur Ausübung der Gerichtsbarkeit, §. 72 2. Verhältniß der verschiedenen Gerichtsstände.

173

.

.

.

a) Das Allgemeine, §.73............................................................................174

b) Prävention, §.74................................................................................... 174

Inhaltsverzeichnis

IX Seite

Viertes Lapitel.

Prozeßführende Personen. Gintheilung, §.75..................................................................................................... 175

Erster Abschnitt. Hauptpersonen. I. Kläger und Beklagter, §.76.............................................................................. 176 II. Streitgenoffenschaft (Iiti8eon8ortiuw), §. 77..............................................178 III. Theilnahme dritter Personen an einem Prozesse. 1. Nach vorheriger Aufforderung. a) Litisdenunciation, § 78........................................................................ 180 d) Adcitation, §. 79................................................................................. 184 2. Ohne Aufforderung. Intervention. a) Accefforische Intervention,§.80...........................................................186 b) Haupt - oder Prinzipal-Intervention, §.81.................................. 187 IV. Fähigkeit zur Prozeßsührung. 1. Grundsätze, §. 82.......................................................................................... 188 2. Persönliche Fähigkeit. a) Unbedingt Unfähige, §.83.................................................................... 189 b) Bedingt Unfähige. aa) Personen in vormundschaftlicher oder väterlicher Gewalt, §. 84 190 bb) Ehefrauen, §. 85 ............................................................................. 191 ec) Moralische (juristische) Personen, §.86....................................... 193 3. Verfügungsberechtigung. a) Legitimation zur Sache, §.87..............................................................194 b) Nennung des Autors (Nomination), §.88....................................... 196 4. Wirkungen mangelnder Legitimation, §.89....................................... 198 V. Rechtsverhältniß der Streitenden. 1. Verbindlichkeiten überhaupt, §.90......................................................... 199 2. Ausluge und Erstattung von Kosten.

a) Grundsätze, §.91.................................................................................... 200 b) Liquidationsvcrfahren, § 92 ............................................................... 207 3. Befreiung, und zwar: a) von Gerichtsgebühren. aa) Befreite Personen, §.93 ......................................................... 209 bb) Armenrecht, §.94......................................................................... 210 b) von dem Kostenersatze an die Gegenpartei, §.95............................213

VI. Mittel gegen frevelhaftes Prozessiren. 1. Kautionsbestellung. a) Fälle derselben, §.96......................................................................... 213 b) Folgen der unterbleibenden Kautionsleistung, §.97 .... 215 c) Art der Bestellung,§.98...................................................................... 217 2. Gefährde-Eid, §. 99.................................................................................... 217 3. Strafen, §.100.......................................................................................... 219

X

Inhaltsverzeichnis

Seite

Zweiter Abschnitt. Nebenpersonen. Historische Einleitung, §101................................................................................. 221 I. Die Rechtsanwälte. 1. Begriff und Erfordernisse, §. 102 ................................................... 229 2. Rechtsverhältniß zwischen Rechtsanwalt und Clienten. a) Natur und Eingehung, §. 103 .................................................. 230 b) Pflichten der Rechtsanwälte, §. 104 ....................................... 231 c) Rechte der Rechtsanwälte, §. 105 ............................................ 233 3. Folgen des Irrthums des Rechtsanwalts, §. 106 ....................... 235 II. Vertretung der Parteien im Prozesse. 1. Arten der Vertretung, §. 107 ............................................................. 235 2. Fähigkeit zur Anwaltschaft, §.108 ................................................... 236 3. Bevollmächtigung. a) Durch Vollmacht der Partei. d) Befugniß zur Bevollmächtigung, §.109 ............................ 238 ß) Verschiedenheit der Vollmachten, §. 110.................................239

7) Form und Bestandtheile der Vollmacht. a) der gewöhnlichen Prozeßvollmacht, §.111 .... 241 b) der Syndikate, §.112............................................................ 242 b) Durch richterliche Verfügung, §.113............................................ 244 c) Rechtsverhältniß zwischen Konstituenten und Anwalt, §.114 . 244 4. Anwälte ohne Auftrag, §.115............................................................ 246 5. Vertreter aus rechtlicher Nothwendigkeit, §.116................................. 247

6. Legitimation zum Prozeß, §.117...........................

248

Fünftes Kapitel.

Erfordernisse zur Herstellung der Bestandtheile des Prozesses in Ansehung der einzelnen Handlungen. Einleitung, §.118...................................................................................................250

Ersten Abschnitt. Grundformen des Prozesses. I. Marimc für die Thätigkeit des Richters und der Parteien, §. 119. . II. Eoentualmarime, §. 120 ..............................................................................

251 253

Form des Verfahrens. 1. Schriftlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens, §. 121 ... 2. Oeffcntlichkcit des Verfahrens, §.122 .............................................

256 259

III

Zweiter Abschnitt. Prozeßhandlungen. Einleitung, §. 123..................................................................................................261

Inhaltsverzeichnis!.

XI Seite

Erste Abtheilung. P a r t e i h a n d l u n g e n.

I. Arten, Form und Bestandtheile, §124

II.

................................

261

Klagen und Einreden. 1. Von den Klagen. a) Begriff und Arten, §. 125 b) Klaggrund, §.126 .......................................................................

263 266

c) Zweck der Klage, §.127 ............................................................. 268 d) Aufhebung der Klagen, §. 128 .................................................. 269 2. Einreden. a) Begriff, §.129 ............................................................................. 270 b) Arten, §.130 ................................................................................... 272 c) Grundsätze von den Einreden, §.131........................................... 274 d) Wirkungen der Einreden, §. 132 ................................................. 276 3. Repliken und Dupliken, §. 133 ....................................................... 277 4. Aeußere Form der Parteihandlungen, §.134 ................................. 277

Zweite Abtheilung. Richterliche Thätigkeit.

Uebersicht, §. 135 .............................................................................................. I. Thätigkeit des Richters in Beziehung auf die Parteien. A. Allgemeine Grundsätze, §. 136 ............................................................. B. Richterliche Thätigkeit. 1. Bei Einleitung der Sache, §. 137 ............................................. 2. Zur gütlichen Beilegung des Streits, §. 138 ............................

3. Bei Fortsetzung des Streits. a) Prozeßleitung, §. 139 ............................................................. b) Richterliche Verfügungen. aa) Begriff und Arien, §; 140 ............................................ bb) Aeußere Form und Bestandtheile, §.141 .... c) Bekanntmachung. a) Begriff und Arten, §.142 ............................................ ß) Insinuation. a) Begriff und Erfordernisse, §.143 ............................ b) Wirkungen, §. 144 ........................................................ y) Oeffentlichc Bekanntmachung, §. 145 ............................ d) Publikation oder Eröffnung, §.146 ............................

280

280 282 282

288

291 295

297 298 304 305 308

d) Wirkungen, §.147 ................................................................... 309 C. Gerichtsort, §.148........................................... 311 D. Zeitbestimmungen. 1. Arten, §. 149....................................................................................... 312 2 Berechnung und Verlängerung, §.150............................................ 313

E. Ungehorsam und dessen Folgen. 1. Begriff und Bedingungen des Ungehorsams, §.151. . . . 316 2. Folgen des Ungehorsams, §. 152...................................................... 317

XII

Jnhaltsverzeichniß. Seite

II. Thätigkeit des Richters in Beziehung auf andere Gerichte. 1. Coordinirter, §.153.................................................................................. 318

2. Subordinier, §.154............................................................................... 319 3. Verpflichtung des Gerichts zur Hülse Rechtens, §. 155 . . . . 320 in. Thätigkeit der Justizkollegien, §.156 ........................................................ 321 IV. Verantwortlichkeit der Richter. 1. Wegen Pflichtverletzungen, §.157 ........................................................ 326 2. Wegen Versehen und Rechtsirrthümer, §. 158 .................................. 327

Zweites Buch. Ordentlicher Prozeß. Begriff und Bestandtheile, §.159

....................................................................

330

Erste Abtheilung.

Verfahren in erster Instanz. Erster Abschnitt. Vorbereitendes Verfahren. Regelmäßiger Gang und Zweck des Verfahrens, §. 160 .............................

332 I. Klagschrift. 1. Klageanmeldung, §.161..........................................................................333 2. Inhalt der Klagschrist. a) Wesentlicher, §.162 .................................................................... 334 b) Zufälliger. a) Gewöhnliche Fälle, §.163 ............................................ ß) Klagenhäufung, §.164 ......................................................... 3. Form und Abfassung der Klagschrift, §. 165 ............................... 4. Mängel der Klagschrift, §.166 5. Verbesserung und Aenderung der Klage, §.167

II. Verfügung dcö Richters auf die Klagschrift. 1. Präsentation und Prüfung des KlagschreibenS, §. 168 . . . 2. Vorladung des Beklagten. a) Begriff, Arten und Bedeutung, §.169 .................................. b) Erfordernisse, §.170 ....................................................................

340 340

343 346 346 350

353 355

c) Bestandtheile der schriftlichen Ladung, §.171...........................356

d) Wirkung der Vorladung, §.172 .............................................. 3. Vorladung deS Klägers, §.173 .................................................... III. Vertheidigung des Beklagten. 1. Arten der Vertheidignngsmittel, §.174 ........................................ 2. Verzögerliche Einreden. a) Zweck und Zeit des Vorbringens, §.175 ............................ b) Verfahren über diese Einreden, §. 176 ..................................

358 361

362 362 364

JnhaltSverzeichniß.

XIII Seite

3. Einlassung auf die Klage. a) Begriff und Arten, §. 177 ..................................................... 367 b) Zweck und Erfordernisse, §. 178 .......................................... 368 c) Wirkungen, §.179 ............................................................... 369 4. Deduktion gegen die Klage, §. 180 .......................................... 370 5. RechtScinwendungen (Einreden, Erceptionen). a) Gemeine zerstörliche Einreden, §. 181......................................... 371 b) Prozeßhindernde zerstörliche Einreden, §. 182 ...................... 371 c) Einwendungen gegen den anticipirten Beweis, §. 183 . . 374 6. Wiedcrklage (Reconvention), §. 184 .......................................... 375 7. Form und Abfassung der Klagebeantwortung, §. 185. . . . 376 IV. Verfügung des Richters auf die Klagebeantwortung, §. 186 . . 378 V. Replik. 1. Begriff, Erfordernisse und Zweck, §. 187 ..................................... 381 2. Einrichtung des ReplikfatzcS und äußere Form, §. 188 . . . 382 3. Richterliche Verfügung auf die Replik, §. 189 ........................... 383 VI. Duplik, §. 190 .................................................................................... 384 VII. Unzulässigkeit weiterer Verhandlungen, §.191.................................... 384 VIII. Verfügung des Richters auf die Duplik, §. 192 .......................... 385

Zweiter Abschnitt. Beweisverfahren.

Erstes Lapitet. Allgemeine Grundsätze.

I. Begriff des Beweises, §. 193 ....................................................................... II. Einteilung deö Beweises. 1. Nach der Wirkung, §. 194 ................................................................ 2. Nach der Art der Führung, §.195 ................................................. 3. Nach der Form der Führung, 8-196 4. Nach der Liquidität der Beweismittel, §.197 ................................. 5. Nach dem Endzwecke, §. 198 ........................................................... III. Beweisführung. 1. Beweissatz, §. 199 2. Beweistermin, §. 200 3. Beweiölast, 8- 201 4. Beweisantretung, 8-202 ..................................................................... 5. Beweisaufnahme, §. 203 6. Schlußverfahren, §.204.......................................... 7. Außerordentliche Beweisaufnahme. a) Anticipirter Beweis, §. 205 ...................................................... b) Beweis zum ewigen Gedächtniß. a) Grundsätze, §. 206 ............................................................... /?) Verfahren, §. 207 ...............................................................

389 390 393 394 395 396 397 399 401 404 405 405 406

407 409

XIV

Inhaltsverzeichnis Seite

Zweites Lapitet.

B e w e i s in i t t e l. A. Begriff und Einteilung, §. 208

................................................................

411

..........................................................

412

B. Die einzelnen Beweismittel, §. 209

A. Notorietät, §.210........................................................................................... 413

B. Geständniß.

1. Begriff nnd Arten, §.211..................................................................... 415

2. Erfordernisse nnd Wirkung, §.212.................................................. 419 C. Urkunden-Beweis. I. Begriff von Urkunden, §.213.............................................................. 422

II. Arten. 1. Oeffentliche Urkunden, §.214......................................................... 422 2. Privat - Urkunden, §. 215.............................................................. 425

III. Beweiskraft der Urkunden. 1. Voraussetzungen, §.216..................................................................... 425

2. Feststellung derselben.

a) Gültigkeit der Urkunden, §.217............................................. 425 b) Aechtheit

d) öffentlicher Urkunden, §. 218 .

.

......

426

ß) der Privat-Urkunden.

a) Rekognition, §.219........................................................ 427

b) Diffesfionseid, §. 220

..............................................

c) Zeugenbeweis , §.221

...............................................

429

431

d) Vergleichung der Handschriften, §. 222

.

.

.

432

/) Produktions - und Schlußverfahren, §.223

.

.

.

434

ö) Verfahren,

wenn

der Beweisführer

die Urkunden

nicht besitzt. ad) Wenn

ein

Anderer im Besitze ist.

Editions­

verfahren. a) Editionspflicht, §. 224

...................................

437

b) Erfordernisse zur Begründung des Editions­

gesuchs , §. 225

...............................................

440

c) Verfahren, §.226...............................................

442

ßß) Wenn die Urkunde verloren gegangen ist, §.227 c) Glaubwürdigkeit, §. 228

6) Inhalt, §. 229

....................................................

445 446

......................................................................

449

e) Exemplare der Urkunden, §. 230 .........................................

450

IV. Umfang der Beweiskraft, §.231.....................................................

452

D. Zeugenbeweis. I. Begriff und Arten von Zeugen, §.232 '.........................................

452

II. Gründe der Unglaubwürdigkeit.

1. Unfähige Zeugen, §.233 2. Verdächtige Zeugen, §. 234 3. Einfluß

..........................................................

453

....................................................

455

der Zeugenverschiedenheit

auf die Beweisführung,

.............................................................................................

457

III. Mittel zur Erlangung treuer Aussagen, §. 236 .......................

459

§.235

XV

Jnhaltsverzeichniß.

Seite

IV. Herstellung des Zeugnisses. 1. Beweisantretung und Produktionsverfahren, K. 237

.

.

462

2. Beweisaufnahme. a) Vernehmung der Zeugen, §. 238 .................................... b) Konfrontation der Zeugen, 8.239 ...................................

464 466

....

466

V. Mittheilung der Zeugenverhöre und Schlußverfahren, 8- 241

467

c) Wiederholung des Zeugenverhörs, 8-240

E, Eides-Beweis. A. Begriff und Arten, 8- 242

...........................................................

469

B. Zugeschobener Eid.

I. Grundsätze. 1. Bedingungen der Zulässigkeit, 8- 243

2. Fälle der Unzulässigkeit, 8- 244

........................

471

....................................

474

II. Beweisführung. 1. Beweisantretung, 8- 245.................................................... 476 2. Verfügung des Richters, §.246 ....... 476 3. Widerruf und Veränderung der Beweisantretung, 8- 247 477 4. Produktionsverfahren. a) Erklärung des Delaten.

.... .............................. c) Zurückschiebung des Eides, §. 250 ........................ d) Gewiffensvertretung, 8-251 .................................... a) Möglicher Inhalt derselben, 8-248

b) Annahme des Eides, §. 249

478 479 481 482

b) Beweisaufnahme. a) Verfügung des Richters auf die Erklärung der

Parteien, 8-252

.....................................................

b) Ausführung des Beweises, 8-253 ........................

483 485

c) Erlassung und Verhinderung der Eidesleistung,

§.254 ............................................................................. 5.

C.

D.

Schlußverfahren, §. 255....................................................... Nothwendiger Eid.

487 489

I. Grundsätze, §. 256 ...............................................

489

II. Auflegung und Wirkung, §. 257 ..........................................

492

Verfahren bei der Eidesleistung.

.................................................................

493

1. Allgemeine, 8-259 ............................................................ 2. Bei katholischen und evangelischen Christen, 8-260 .

494 495

..........................................

496 497 498 498

I. Grundsätze, 8- 258 II. Feierlichkeiten. -

3. 4. 5. 6.

Bei Christkatholiken, 8- 261

Bei Griechen, 8-262 ........................................................... Bei Muhamedanern, §. 263

Bei Juden, 8-264

......................................... ...........................................................

7. Bei Mennoniten und Philipponen, §. 264a .... III. Beurkundung der Handlung, 8- 265 ..................................

F. Augenschein. 1. Begriff und Zweck deö Augenscheins, §. 266 ........................ 2. Augenschein als Beweismittel, 8-267 ........................................

501 503

503 504

XVI

Inhaltsverzeichnis Seite

.........................................................

504 G. Beweis durch Sachverständige. 1. Wesen und Bedeutung des Verfahrens mit Sachverständigen, 8.269 ........................................................................................ 506 2. Erfordernisse und Wahl der Sachverständigen, §. 270 . . 507 3. Glaubwürdigkeit, §.271......................................................... 509 4. Verfahrungsart, §. 272 510 H. RechtSvermuthungcn, §.273 513 I. Richterliche Schlußfolgerungen, §.274 515 II. Richterliches Fragerecht, §. 274a . .............................................. 516 3. Verfahrungsart, §.268

Dritter Abschnitt. Mündliche Verhandlung und Erkenntniß. I. Thätigkeit der Parteien, §.275 ............................................................... 518 II. Thätigkeit des Richters. I. Vorbereitung des VortragS, §. 276 ......................... 520 2. Thätigkeit nach dem Vortrage. a) Prüfung des geführten Beweises, §. 277 ............................... 521 b) Grundsätze für die Beurtheilung der Kollision von Beweisen, §.278 ....................................................................................... .523 c) Beschluß nach Prüfung des Beweises, §.279 ..................... 525 d) Weitere richterliche Verfügung, §. 280 ..................................... 527 III. Verfahren. 1. Verfahrungsart, §.281 .................................................................... 527 2. Gerichtspolizei, §. 282 .................................................................... 530

Vierter Abschnitt. Abweichungen vom regelmäßigen Verfahren. I. Ursachen, §. 283 . .................................................................................... 530 II. Die einzelnen Fälle. 1. Tod einer Partei, §. 284 531 2. KriegSläufte und Landplagen, §. 285 ............................................... 532 3. Abwesenheit einer Partei, §.286 ..................................................... 533 4. Ungehorsam der Parteien, §. 287 ..................................................... 534 5. Anerkenntniß, §.288 ......................................................................... 535 6. Vergleich, §.289 .............................................................................. 536 7. Entsagung, §.290 536 8. Besondere Beschaffenheit der Sache, §. 291 536

Zweite Abtheilung. Exekutiv nS-Jnstanz.

I. Begriff von Exekutivn, §.292 ............................................................... II. Voraussetzungen. 1. Vollstreckbarkeit deS Urtels, §.293 ............................................... 2. Identität der Parteien, §.294 ............................... .....

538 539 541

XVII

Inhaltsverzeichnis

Seite

III.

3. Bestimmtheit des Gegenstandes, 8-295 ...............................................

545

4. Zuständigkeit des Gerichts, §. 296

546

....................................................

Erekutionsverfahren. 1. ErekutionSgesuch. a) Begriff und Erfordernisse, §. 297

...............................................

547

b) Verfügung des Richters, §. 298 ....................................................

548

c) Vollstreckung der Crekution, §. 299

..............................................

549

300 .......................................................................................

550

2. Trekutions - Mittel.

a) Arten,

b) Anwendung der Zwangsmittel auf die verschiedenen Fälle. aa) Herausgabe eines bestimmten Gegenstandes, §. 301

.

.

551

bb) Zahlung einer Summe. a) Auspfändung, 8- 302 ...........................................................

552

b) Beschlag der Forderungen und Renten, §.303 .

557

.

.

c) Beschlag von Besoldungen, Pensionen, Lehnsnutzungen rc. 8.304

.................................................................................

d) Beschlag von Gutseinkünften,

8-305

............................

563

567

e) Beschlagnahme unbeweglicher Güter.

aa) Grundsätze, 8-306

570

bb) Subhastationsverfahren.

d) Einleitung und Gang des Verfahrens, 8- 307

573

ß) Aufnahme der Taxe, §. 308

574

.............................

y) Bestimmung und Bekanntmachung des Bietungstermines, §. 309 ....................................................

576

ö) Licitation.

ad) Verfahren im Bietungstermine, 8- 310

.

580

ßß) Fortsetzung der Subhastation, 8-311 .

.

582

s) Zuschlag, 8-312......................................................... 584 C) Ausführung des Zuschlagsbescheides, 8-313

.

588

aa) Uebergabe, 8- 314............................................. 588

ßß) Kaufgelderbelegung und Verkeilung, §. 315

589

77) Ausschüttung der Specialmaffen, 8-316

.

597

dd) Exekution gegen den Adjudikatar, 8- 317 . f) Exekution gegen die Person.

600

a) Zwangsarbeit, 8-318.........................................................601

ß) Personalarrest, 8-319........................................................ 602 cc) Persönliche Leistungen, 8-320

...............................................

dd) Unterlassungen, 8-321

IV.

604 605

Mittel zur gänzlichen oder theilweisen Abwendung der Exekution. 1. Hemmungsgründe, 8- 322

607

2. VerfahrungSarten, 8- 323

609

Dritte Abtheilung. Instanz der Rechtsmittel.

Einleitung. I. Geschichtliches.

1, Allgemeines, 8-324

................................................................................. *

613

XVIII

Jnhaltsverzeichniß. Sette

2. In Beziehung auf Preußen, §. 325 ........................................... - . II. Begriff und Arten der Rechtsmittel, §.326............................................ III. Einteilung der Rechtsmittel, §. 327 .......................................................

616 621 624

Erster Abschnitt.

Allgemeine Grundsätze bei den eigentlichen Rechtsmitteln. I. Gemeinsame Erfordernisse. 1. Richterliche Entscheidung. a) Erfordernisse derselben zum Gebrauch eines Rechtsmittels, §. 328 b) Mittel gegen unvollständige und dunkle Entscheidungen, $. 329 2. Bestimmte Beschwerden, §. 330 ....................................................... 3. Befugniß zur Beschwerdeführung, §. 331 ....................................... 4. Beobachtung der Förmlichkeiten, §. 332 ............................................ II. Verfahren. A. Im Allgemeinen. 1. Einleitung, §.333 ....................................................................... 2. Anmeldung des Rechtsmittels und Verfügung darauf, §. 334.

3. Einführung und Rechtfertigung. a) Begriff, Erfordernisse, Form und Abfassung, §. 335 . . b) Verfügung des Oberrichters, §. 336 ................................. c) Wirkmrg der Zulassung des Rechtsmittels. a) Hinsichtlich der Litiskonsorten, $. 337 ...........................

627 628 631 631 633

633 634 636 639

639 640

b) Hinsichtlich dcS Gegners, $. 338 ................................. B. In nicht schleunigen Sachen. 1. Verfahren vor dem Richter erster Instanz, §.339 .... 2. Verfahren vor dem höhern Richter (judex ad quem), §. 340

642 645

C. In schleunigen Sachen, §. 341 ....................................................... III. Konkurrenz und Kumulation der Rechtsmittel, §. 342 ...................... IV. Außerordentliche Behinderungsarten der Rechtsmittel, §. 343 . . .

646 648 652

Zweiter Abschnitt.

Die einzelnen Rechtsmittel. Erstes Äapüei. Die Appellation. I. Begriff, $.344

.............................................................................................

II. Zulässigkeit. 1. Allgemeine Bedingungen, §.345 ....................................................... 2. Hinsichtlich des Werths des Gegenstandes. a) Grundsätze, §. 346 ........................................................................ b) Berechnung der Appellation-summe, $.347 ........................... c) Ermittelung des Werths, $.348 ................................................. III. Verfahren, §. 349 .................................................................................. IV. Remifforialien, §.350 .............................................................................

652

653

654 655 658 660 663

XIX

Jnhalt-verzeichniß.

Seite

Zweites Äapitet

Die Revision. I. Begriff, §.351

......................................................................................................

664

II. Zulässigkeit. 1. Fälle der bedingten oder unbedingten Zulässigkeit, §.352 . . . 665 2. Fälle der unbedingten Unzulässigkeit, §.353 .................................... 669 III. Einlegung, §.354 ........................................................................................ ..670 IV. Einführung und Rechtfertigung, §.355 ...................................................... 671 V. Verfahren. 1. Verfügung des geheimen Ober-Tribunals, §.356 2. Mündliche Verhandlung und Entscheidung, §. 357

........................ ........................

674 676

Bildungsgeschichte, §. 358 ..........................................................................................

680

Drittes Lapitet.

Die Nichtigkeitsbeschwerde. I. Das ordentliche Rechtsmittel wegen heilbarer Nichtigkeiten. A. Die Nichtigkeitsbeschwerde.

1. Fälle der Zulässigkeit, §.359 ......................................................

687

2. Nichtigkeitöfälle. a) Eintheilung, §. 360 .................................................................. b) Nichtigkeiten aus der Person des Richter-, §.361 . .

688 688

c) Nichtigkeiten

in

den

wesentlichen

Bestandtheilen

deS

Prozesses. a) Nichtigkeiten wegen Mängel im Prozeßverfahren, §. 362

692

ß) Nichtigkeiten wegen Mängel in Form und Inhalt deS

Urtels, §.363 Fortsetzung.

................................................................

Nichtigkeit contra jus in thesi, §. 364 .

3. Heilung der Nichtigkeiten, §. 365 .........

4. Behandlung der Nichtigkeiten, §.366 .................................... 5. Verfahren', §.367 .............................................................................

694 698 703 703 706

B. Der Rekurs.

1. Begriff und Fälle der Zulässigkeit, §.368 .............................. 2. Beschwerdegründe, §.369 ............................................................ 3. Verfahren, §.370 .............................................................................

711 712 714

II. Die Nullitätsklage. 1. Fälle der Zulässigkeit, §.371................................................................. 716 2. Fälle unheilbarer Nichtigkeit, §.372 .......................................... 717 3. Verfahren, §.373................................................................................... 719

viertes Äapitel. Die Restitution. I. Begriff und Arten, §.374 ................................................................................... II. Restitution gegen noch nicht rechtskräftig« Entscheidungen.

721

JnhaltSverzeichniß.

XX

Seite

1. 2. 3. 4. 5.

Fälle der Zulässigkeit, §. 375 .................................................................. Restitution gegen Kontumazialerkenntniffe. §. 376 ..............................

Restitutionen gegen PurisikationSresolutionen, §.377 ........................

Restitution gegen Versäumung eines andern SchwurterminS, §. 378

722 722 725 726

Restitution gegen ein Urtel wegen Mangels der Prozeßlegitimation,

§.379 ........................................................................................................... III. Restitution gegen rechtskräftige Entscheidungen. 1. Fälle der Zulässigkeit, §.380 .................................................................. 2. Restitutio ex capite minorennitatis, §.381 ..............................

726

727 729

3. Restitutio ex capite noviter repertorum. a) Begründung durch neu gefundene Dokumente, §. 382 ... b) Begründung durch neue Zeugen, §. 383 ..................................... c) Verfahren, §. 384 ..............................................................................

731 733 733

Drittes Buch. Die außerordentlichen Prozeßarten. Einleitung, §. 385

.....................................................................................................

736

Erste Abtheilung. Die abgekürzten Prozesse. I. Der abgekürzte ordentliche Prozeß. 1. Fälle der Zulässigkeit, §.386 ................................................................. 2. Verfahren, §.387 ......................................................................................... II. Der ordentliche Prozeß vor dem Einzelnrichter, §.388 . . . . . HI. Der Jnjurienprozeß, §. 389 ............................................................................. IV. Der Bagatellprozeß, §.390 ............................................................................. V. Der Mandatsprozeß. 1. Begriff und Geschichte, §.391 .................................................................. 2. Fälle der Statthaftigkeit, §.392 ............................................................ 3. Verfahren, §.393 .........................................................

739 740 742 743 745

747 750 753

Zweite Abtheilung. Die besonderen Prozeßakten. I. Der 1. 2. 3.

Provokationsprozeß.

Begriff und Grundsätze, §.394

............................................................

Der Diffamationöprozeß (provocatio ex lege diffamari), §. 395

756 759

Der eigentliche Provokationsprozeß (provocatio ex lege si con-

tendat), §.396

....................................................................................

762

II. Der Konfiskationsprozeß. 1. Begriff und Fälle der Statthaftigkeit, §.397 ....................................

763

2. Verfahren gegen ausgetretene Militairpflichtige. a) Erfordernisse und Dauer der Klage, §.398 .............................. d) Verfahren, §.399.......................................................... 3. Verfahren gegen andere ausgetretene Unterthanen, §. 400 . . .

763 765 767

XXI

Inhaltsverzeichnis

Seite

III. Todeserklärungen. 1. Grundsätze, §. 401

...................................................................................

2. Legitimation zur Klage und Gerichtsstand, §. 402

768

.......................

770

3. Verfahren. a) In Fallen ohne Ediktalcitation, §. 403 ......................................... . b) In Fallen mit Ediktalladung, §. 404 ...............................................

771 772

IV. Wahn- oder Blödsinnigkeits- und Prodigalitäts-Erklärungs - Prozeß. 1. Wahn- oder Blödsinnigkeitserklärung. a) Geschichte, §. 405 .................................................................................. b) Verfahren, §.406 ...................................................................................

774 776

2. Prodigalitätserklärung, §.407 ..................................................................

778

V. Vormundschaftliche Prozesse. 1. Begriff und Fälle der Statthaftigkeit, §.408 ....................................

780

2. Die einzelnen a) Verfahren b) Verfahren c) Verfahren d) Verfahren

Fälle. bei Entschuldigung, §.409 .................................................

781

bei eintretender Konkurrenz, §.410.......................... 781 bei Entlassung eines Vormundes, §.411 in Rechnungs - Defekten - Sachen, §.412

. . . , ....

782 783

VI. DaS Verfahren in Ehesachen. Geschichtliches, §.413..............................................................................................784 A. Verfahren vor den weltlichen Gerichten. A. Im Allgemeinen.

1. Sühneversuch, §.414...................................................................... 786 2. Erste Instanz. a) Erstes Verfahren, §.415.................................................... 787 b) Beweisverfahren. «) Besondere Grundsätze über den Beweis, §. 416 .

790

ß) Beweisaufnahme,§.417................................................. 791

Y) Haupt- und Schlußverfahren, §.418 .... 792 3. Zweite Instanz, §.419.................................................................792 4. Dritte Instanz, §.420 ............................................................ 793 5. Gemeinsame Grundsätze füralle Instanzen, §.421 . . 793

6. Interimistikum, §. 422

.............................................................

794

B. Besonderes Verfahren bei der Scheidung wegen böslicher Verlaffung.

1. Wenn der beklagte Theil erreichbar ist, §.423 . . 2. Wenn der beklagte Theil nicht erreichbar ist, §.424. B. Verfahren vor den geistlichen Gerichten, §. 425—427 . .

. . .

796 797 799

Verschiedenartigkeit der Fälle, §.428 ............................................................

800

VH. Erbfonderungen und Auseinandersetzungen.

A. Theilungöverfahren. 1. Gemeinsame Grundsätze, §.429

801

2. Erbtheilung, §.430 ........................................................................... 3. Gemeinheitstheilung, §.431 .............................................................

801 805

4. Separation bei Handlung-- Societäten, §.432 .... B. Absonderungsverfahren, §.433 ............................................................ VIII. Der General - Moratorien - Prozeß, §§. 434 — 439 ........................

806 807 809

XXII

Inhaltsverzeichnis Seite

IX. Das Vermögensabtrctungsversahren, §§. 440—444 .............................

800

X. Behandlung der Gläubiger.

1. Begriff, §.445...............................................................,

....

809

a) Vorbereitung, §.446 ...........................................................................

810

2. Verfahren.

b) Verhandlung und Beschlußfassung, §. 447

c) Bestätigung des Akkords, §.448

...................................

811

....................................................

813

d) Wirkung und Ausführung, §.449 .....................................................

814

e) Nichtigkeit deS Akkords, §.450 ..........................................................

815

f) Folgen der Nichtigkeit des Akkords, §.451........................................816 XL Der Konkursprozeß.

Einleitung. 1. Natur, Begriff und Wesen des Konkursprozeffes, §.452.

2. Arten, §.453

.

.

818

.......................................................................................

819

.........................................

820

3. Geschichte des Konkursprozeffes, §.454

Darstellung des Konkursprozeffes selbst......................................................... 839

Erster Abschnitt.

Von den rechtlichen Grundsätzen. Erstes Äapitet.

Entstehung des förmlichen Konkurses oder Anfang des Konkursprozesses. 1. Bedingungen der Möglichkeit, §. 455

840

...........................................................

2. Anfang oder Eröffnung des Konkursprozeffes selbst, §. 456

....

844

3. Abwendung deö Konkurses, §.457 ................................................................

845

Zweites Sapitet.

Wirkungen des Konkursprozesses. 1. Für den Gemeinschuldner. a) Hinsichtlich seiner Person, §.458

..........................................................

847

b) Hinsichtlich seines Vermögens, §.459 .....................................................

848

2. Für die Gläubiger. a) Allgemeine Grundsätze, §. 460 ................................................................

850

b) Verhältniß der Gläubiger als Inhaber der Masse. aa) Im Allgemeinen, §.461 ................................................................

853

bb) Umfang der Aktivrechte, §. 462

....................................................

853

cc) Inhalt der Rechte der Gläubiger, §.463 ...................................

859

c) Verhältniß der Gläubiger als Liquidanten. aa) Grundsätze, §. 464 ...........................................................................

861

bb) Liquidationsverfahren, §.465

.........................................

.

cc) Beweis bei der Liquidation, §.466.............................................. d) Verhältniß der Gläubiger al- Konkurrenten, §.467

.......................

861 865

867

Jnhaltsverzeichniß.

XXIII Seite

3.

Für Einzelne und für Dritte. a) DaS Allgemeine, §.468 ............................................................................869 b) Verhältniß einzelner gratificirter Gläubiger zur Masse, §.469. . 869 e) Verhältniß dritter Personen zur Masse. aa) Verhältniß der Vindikanten, §.470 ............................................ bb) Verhältniß der Masseglänbiger zur Masse, §. 471 . . . .

871 873

Drittes Kapitel. Ende des Konkurses. 1. Außerordentliche Beendigungsgrüude, §.472 ............................................. 2. Ordentliche Beendigung, §.473 ..................................................................

875 876

Zweiter Abschnitt. Von der Form des Verfahrens.

Erstes Kapitel. Das Allgemeine. 1. Handelnde Personen, §.474 ....................................................................... 2 Gegenstand des Verfahrens, §. 475 .......................................................

877 880

..................................................

881

3. Das Verfahren im Allgemeinen, §.476

Zweites Kapitel.

Das Verfahren im Einzelnen. A. Das ordentliche Verfahren. Eröffnung deS Konkurses, §. 477 ............................................................ Interimistische Verfügungen, §. 478 ............................................................. Ediktalladung, §. 479 ................................................................................... Die Anmeldung und die Ausschließung, §. 480 ......................................

883 885 887 888

5. DaS Liquidationsverfahren, §.481 ............................. *............................. 6. Das Prioritätsverfahren, §. 482 ................................................................. 7. Das Distributionsverfahren, §. 483 .......................................................

889 890 891

B. Das abgekürzte Verfahren. 1. Fälle der Zulässigkeit, §.484 ....................................................................... 2. Verfahren, §.485 ........................................................................................

894 894

1. 2. 3. 4.

XII. Der erbschastliche Liquidationsprozeß.

1. Begriff und Geschichte, §.486

..................................................

895

a) Voraussetzungen des Verfahrens, §. 487 ............................ b) Eröffnung des Prozesses, §.488............................................ c) Wirkung desselben.

896 897

2 Grundsätze.

aa) für den Erben, §. 489 bb) für die Gläubiger.

.................................................

898

a) Allgemeine Grundsätze, §.490 ................................. ß) Verhältnisse der Gläubiger, §.491 ........................... d) Ende des Verfahren-, §.492 ................................................. 3. Form des Verfahrens, §.493 .......................................................

899 900 900 901

Inhaltsverzeichnis.

XXIV

Seite

XIII. Die öffentlichen Aufgebote und Ediktalladungen. Einleitung.

1. Begriff und Zweck des Verfahrens, §. 494 .................................... 2. Geschichtliches, §. 495 ......................................................................... 3. Arten, §.496........................................................................

903 903 904

Erster Abschnitt. Von Aufgeboten liegender Gründe, oder einzelner darauf eingetragener Forderungen, oder auf den Inhaber lautender Instrumente. 1. 2. 3. 4. 5.

Aufgebot der Grundstücke gegen unbekannte Realprätendenten,§.497

. §. 498 ..................................... Aufgebot von Pfandbriefen, §.499 .......................................................... Aufgebot anderer öffentlicher kurshabender Geldpapiere, §. 500 . . . Aufgebot von Privaturkunden, §.501................................................914 Aufgebot eingetragener Hypothekenrechte,

906 907 911 913

zweiter Abschnitt. Von öffentlichen Aufforderungen unbekannter Interessenten zu Erklärungen oder Ausübungen gewisser Befugnisse.

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

§.502 .................................................... §.503 . . . unbekannter Handlungs - und Societätsgläubiger, §.504 . unbekannter Bau- und Kaffengläubiger, §. 505 .... unbekannter Deposita!-Interessenten, §.506 ..................... der unbekannten Gläubiger eines Verschwenders, §.507 . unbekannter Kontravenienten, §. 508 ..................................... unbekannter Verlierer von gefundenen Sachen, §. 509 . .

Vorladung unbekannter Erben,

Vorladung unbekannter Agnaten oder Gesammthänder, Vorladung

Vorladung

Vorladung Vorladung Vorladung Vorladung

916 919 920 921 923 924 924 926

Vorladung unbekannter Widerspruchs - Interessenten, bei Bewäfferungsund Entwässerungsanlagen, §.,510........................................................ 928 XIV. Das Subhastationsverfahren. A. Nothwendige Subhastation. 1. Begriff und Fälle der Zulässigkeit, §.511......................... 929 2. Verfahren, §.512.................................................................. 930 B. Freiwillige Subhastation. 1. Grundsätze, §. 513...................................................................930 2. Verfahren, §. 514................................................................... 931

Einleitung. Begriff, Quellen, Hülfsmittel und Methode des Preußischen Civil-Prozeffes. I. Begriff etneS streitigen Recht» und Mittet znr Erledigung von Recht-streitigkeiten.. §• 1.

1.

Begriff eines streitigen Recht-.

Streitig, in dem hier gemeinten Sinne, ist ein solches be­

hauptetes Recht, in Ansehung dessen der Behauptende zu Mitteln greift, um zu dem wirklichen Genusse zu gelangen.

Nicht allein

also thatsächlich verletzte, bestrittene, versagte oder nicht berücksich­

tigte Rechte sind streitige, sondern selbst solche, welche der Ver­

pflichtete ausdrücklich ernräumt und anerkennt, aber doch nicht durch die entsprechende That verwirklicht, werden durch Ergreifung der die Verschaffung des Genusses bezweckenden Maßregeln streittg.

Die Erstrebung

des Zwecks

auf der einen, und der handelnde

oder leidende Widerstand auf der andern Seite, macht den Rechts­ streit, welcher entweder durch die verlangte Genügeleistung, oder

durch entschiedene Ueberwindung des Anstrebens wieder aufgeho­ ben wird.

Die Lehre von den Mitteln, welche bewirken sollen,

daß geschehe was recht ist, nennt die Schule praktische Rechts­

wissenschaft.

Zur Wiederherstellung eines unstreitigen Zustan­

des ruft man entweder die Staattzhülfe, d. h. die von der Staats­ gewalt angeordneten Gerichte an, oder man sucht den Streit durch außergerichtliche Mittel auszuttagen. Als solche Mittel kennt das Preußische Recht die Eigenmacht, den schiedsmännischen Vergleich

und das Schiedsgericht. Koch, Clvilprozeß. 2. Aufl.

1

Einleitung.

2 2.

Außergerichtliche Mittel.

§• 2. a)

Eigenmacht.

Die Eigenmacht zur Geltendmachung eines Privatrechts ist in der Regel unerlaubt und strafbar.

Ausnahmsweise erlaubt ist:

1. Die eigentliche Selbsthülfe in folgenden Fällen: 1. wenn die Staatshülfe zu spät kommen und der wegen Mangels recht­

zeitiger Hülfe zu besorgende Schade unersetzlich

sein würde');

2. um sich im Besitze zu behaupten1 2)3; 4 3. 5 6 wenn ein Gläubiger

seinen versteckten oder flüchtigen Schuldner anhalten will, in welchem Falle jedoch die Person und die Sachen des Festgenommenen bin­

nen 24 Stunden an den Richter ausgeliefert

werden müssen ’);

4. wenn unstreitige, in dem gutsherrlich-bäuerlichen Verhält­ nisse^) begründete, Zinsen rückständig bleiben: diese darf die ZinsHerrschaft durch die Dorfgerichte des Orts eigenmächtig beitreiben lassen, doch sind, wenn es zur Auspfändung kommt, die Vorschriften

der Executionsordnung zu beobachten und die Pfandstücke an den

ordentlichen Richter, zum öffentlichen Verkauf,

zu überliefern");

5. wenn Schuldner des Fiskus oder politischer Korporationen in Rückstand bleiben; in diesem Falle dürfen die Verwaltungs-Be­

hörden, des erhobenen Widerspruchs ungeachtet, nachbenannte For­ derungen beitreiben lassen: liche Revenüen,

a) alle landesherrliche und grundherr

Abgaben und Dienste,

auch wenn sie nicht in

bestimmten Zeiten wiederkehren, sondern nur bei gewissen Gelegen­ heiten zu leisten sind"), namentlich:

1) die direkten Steuern: die

Grund-, Klassen-, klassifizirte Einkommen- und Gewerbesteuer, so 1) A. L. R. Einleitung §. 78. Die Strafbestimmungen dcS A. L. R. II, 20, §§. 521, 522 hat das von anderen Grundsätzen ausgehende Str. G. B. vom 14. April 1851 nicht ausgenommen; die Selbsthilfe kann darnach nur unter einer anderen Form zur Bestrafung kommen. Das Nähere darüber: Lehrbuch des PrivatrcchtS §. 206. 2) A. 8. R. I, 7, SS- 141-145. Da« Nähere f. Privatrecht a. a. O. 3) A. ®. D. I, 50, §. 484. — L. 10, §. 16 D. quae in fraudem creditorum (XLII, 8). Zu vcrgl. A. 8. R. II, 20, §§. 1075, 1076. 4) Auf Zinsen, welche aus andern Rechtsverhältnissen Herkommen, z. B. aus Bcfitzverhältniffcn, wie z. E. Mühlen- und Schankabgaben, findet das nicht An­ wendung. Dieses ErekutionSrecht des Zinsbercchtigtc» ist durch die Aufhebung der Paüimonial - Gerichtsbarkeit nicht betroffen, weil cs durch dieselbe nicht be­ dingt war. 5) A. 8. R. II, 7, §§. 484—486. Vcrgl. Pufendorf, Observ. Tom.II, obs. 61, und de jurisdict. Germanor. P. in, Sect. 2, cap. 5, §. 8.

6) Schics. Arch. Bd. IV, S. 323 ff. und S. 549. - Justiz - Min. - Reser. V. 9. Oktober 1840 (Min.-Bl. von 1840, S. 323).

Begriff eines streitigen Rechts und Mittel zur Erledigung

k.

g

wie diejenigen Abgaben, welche nach §. 11 des Gesetzes über die

Einrichtung des Abgabenwesens vom 30. Mai 1820 (G.S.S.134), als auf einem speziellen Titel beruhend, zu entrichten sind; des­ gleichen die für Staats-, Provinzial-, Kreis-, Kommunal-, Kirchen­

oder Schulzwecke ausgeschriebenen Beischläge zu diesen Steuem; 2) die durch die Berichtigung, Umschreibung und Erneuerung der

alten und die Aufnahme neuer Grundsteuerkataster entstehenden durch die Steuerverwaltung erfolgt; 3) die für die Provinzial-Feuersozietätskassen zu erhebenden Brand­ Kosten, deren Einziehung

versicherungs-Beiträge; 4) die indirekten Steuern, die Salzablö­ sungsgelder, die Blei- und Zettelgelder, die Wege-, Brücken-, Führ-, Waage- und Krahngelder, die Kanal-, Schleusen-, Schifffahrtkund Hafenabgaben, die Niederlagegelder, Ouarantaine-Gebühren

und Pachtgelder für verpachtete Abgaben-Erhebungen; 5) die von den Verwaltungsbehörden innerhalb der Grenzen ihrer

A n i !

Kosten und Entschädigungen; 6) diejenigen öffentlichen Abgaben, welche an Gemeinen, Korpo­

niffe ausgesprochenen Geldstrafen,

rationen, sowie an ständische Kassen zu entrichten, oder als Pro­ vinzial-, Kreis- oder Gemeinelasten, oder zur Unterhaltung öffent­

licher Anstalten aufzubringen

sind,

als:

Kommunal-,

Kirchen-,

Schul- und Armenabgaben, und die nach den Bestimmungen des Gesetzes über das Deichwesen vom 28. Januar 1848 (G. S. S. 54)

§§. 9, 18 und 19 zu leistenden Beiträge; 7) die Gebühren der Bezirks-Jmpfärzte für die in den öffentlich bekannt gemachten Ter­

minen vorgenommenen Impfungen; 8) die von den Auseinandersetzungs-Behörden für ihre Kassen festgesetzten Kosten und Gebühren; 9) die Domanial- und Forstgefälle, sofem sie ohne vorgängige gerichtliche Klage auf Grund bloßer Zahlungsbefehle beigetrieben

werden können; 10) die nach §. 21 des Rentenbank-Gesetzes vom

2. März 1850 (G. S. S. 112) und nach den im §. 58 daselbst bestätigten Reglements in derselben Art, wie die Staatssteuern,

beizutreibenden, den Rentenbankcn und Tilgungskassen überwiesenen

Renten; 11) die Postgefälle und Postgebühren; 12) die Eichungs­

gebühren,

Lootsengebühren,

Gebühren für Prüfungen aller Art,

wenn letztere unter öffentlicher Autorität erfolgen; 13) die Berg­ werksabgaben, Auffichtssteuern, Hüttenbetriebsgefälle und Mark-

schcidergebühren; 14) die Geldbeträge für Leistungen oder Lieferun­ gen, welche nach fruchtlos gebliebener Aufforderung des Verpflichteten für dessen Rechnung durch Dritte im Auftrage der Behörden autz-

geführt worden sind (Gesetz vom 11. März 1850 über die Polizei1*

4

Einleitung.

gewalt §. 20 (G. S. S. 265) ’); b) Forderungen aus Verträgen mit Privatpersonen, in sofern von der Erfüllung der Verträge die

Erreichung bestätigter Etats abhängt, namentlich die Forderungen

aus Pachtkontrakten über Domainen und Regalim; c) die Rück­ gabe solcher Grundstücke und Regalien nach abgelaufener Pachtzeit und beendigtem Befitzrechte, nicht auch wenn die Räumung früher,

aus irgend einem Grunde, gefordert wird.

Doch aber kann das

Pachtrecht wegen schlechter Wirthschaft eigenmächtig in Sequestra­

tion genommen werden; d) Forderungen auf Erfüllung anderer, über Gegenstände des Regierungs-Ressorts geschlossenen Verträge,

besonders über Kriegslieferungen und wichtige Entreprisen, nach dem Ermessen der Regierungen»); 6. wenn Schuldner solcher In­

stitute, welche unter unmittelbarer Verwaltung der Regierungen oder der Provinzial-Schul-Kollegien stehen, ihre mit denselben ge­ schlossenen Pachtverträge nicht erfüllen und sich in den Kontrakten

der außergerichtlichen Exemtion ausdrücklich unterworfen haben»). Der Rechtsweg ist später dem Betroffenen in allen diesen Fällen,

in sofern er nach den besonderen Bestimmungen an sich zulässig

ist,

unbenommen.

7. Aehnliche Befugnisse sind

den Standes­

herren 1 °) und den Gemeinde-Vorständen 1') wegen Abgaben bei­

gelegt;

desgleichen

8.

den

Kreditsystemen

und

Instituten •*).

II. Die Pfändung, d. i. das Rechtsmittel der eigenmächtigen

Festmachung einer Person oder Sache, zum Zweck der Sicherung

des Beweises und des Ersatzes von zugefügtem Schaden oder der Abwendung gedrohten Schadens 1 *).

7) D. wegen »rekutivischer Beitreibung der direkten und indirekten Steuern und andere« öffentliche« Abgabe« und Gefälle, Kasten ic., vom 30. Juli 1853 , 1. lG. S. @.909.)

8) A. 8. R. n, 14, SS- 78 — 82; Verordnung wegen verdefferter Einrichtnng der Provinzial - Polizei - und Finanz-Behörden, vom 26. December 1808, M. 42 und 48 (Mathis, Bd. VII, S. 339; Rabe, Bd. IX, S. 467); Schief. Archiv Bd. I, S. 159 u. 46». — K. O. vom 31. Decbr. 1825, Lit. v, Nr. XH (G. E. 1826, S. 11). 9) K. O. vom 31. Decbr. 1826, Nr. XII (G. S. 1826, S. 11). — Da« Verfahren für alle diese Falle ist durch die V. vom 30. Juli 1853 (Anm. 7) geregelt.

10) Instruktion v. 30. Mai 1820, $. 35 (G. S. S. 91).

11) D. v. 30. Juli 1853 $. 1, Nr. 6 (@. S. S. 909); Städteordnung v. 30. Mai 1853, $. 56, Nr. 9 und $. 68. (G. S. S. 261.) 12) S. die Reglement« für die verschiedenen landschaftlichen Kreditsysteme; und dir Verordnung v. 8. Juni 1835, betr. da« Kredit-Institut für Schlesien, $. 30 (G. S. S. 110). 13) «. 8. R. I, 14, S$. 413 ff. - Da« Nähere s. Privatrecht, $. 208.

Begriff tint« strcitigrn Recht« und Mittel zur Erledigung ic.

5

§. 3. b) SchiedSmännischer Vergleich. Instruktion v. I. Mai 1841 (Justiz-Min.-Bl. 1841, S. 236). — Schering,

die Verordnungen für die SchiedSmänner in den Provinzen Brandenburg, Schlesien, Sachsen und Pommern, nebst der Instruktion v. 1. Mai 1841, mit Ergänzungen, Erläuterungen, Formularen und Beispielen, unter Benutzung der Akten deS Justizministeriums.

Verordnungen

u. s. w. für

die

Berlin 1841. — Desselben

SchiedSmänner in

der Provinz Posen.

Berlin 1841.

I

Die Schiedsmänner

sind

eine Einrichtung der neuesten

Zeit'), dazu bestimmt, streitige Angelegenheiten durch gütliche Vereinigung zu schlichtens. Sie werden von den Einwohnern des Bezirks gewählt und von dem Obergericht der Provinz bestä­

tigt, vereidigt und beaufsichtigt.

Der Begriff der Streitigkeit ist

hier ebenderselbe, wie er vorhin (§. 1) bestimmt worden ist, so

daß beide Parteien mit einander völlig einverstanden sein und doch

zum Schiedsmanne gehen können, um von ihm eine Urkunde über

ihre Rechttzangelegenheit lediglich

zu dem Zwecke aufnehmen zu

lassen,

damit ein unstreitiger Zustand zwischen ihnen festgestellt

werde;

auch sind nicht die Erfordernisse eines eigentlichen

Ver­

gleichs nothwendig,

um die Handlung vor dem Schiedsmanne

wirksam zu machen.

II. Dem Berufe der Schiedsmänner entzo­

gen sind: alle Handlungen der fteiwilligen Gerichtsbarkeit; alle Handlungen,

welche als Vergehen oder Verbrechen mit Strafe

bedroht sind, sofern es sich nur um Untersuchung und Bestrafung

derselben handelt, doch ist in Injurien-Sachen die Abschließung eines Vergleichs, durch welchen die Zahlung einer Geldsumme zu einem milden Zwecke bestimmt wird, dem Schiedsmanne gestattet;

ferner sind ausgeschlossen: Konkurs-, Liquidations-, BehandlungS-, Subhastations-, Generalmoratorien-, Wechsel-, Arrest-, Vormundschafts-,

Prodigalitäts-

und BlödsinnigkeitserklärungS-Sachen;

Ehesachen, mit Ausnahme des Sühneversuchs, Behufs der Fort­ setzung der Ehe *).

III. Auf den Grund eines, von einem Schieds­

manne aufgenommenen Vergleichs oder Anerkenntnisses wird von 1) Zuerst wurde die Einrichtung 1827 in der Provinz Preußen, auf An­ trag der Stände, versuchsweise eingeführt und dann nach und nach auch in den übrigen Provinzen, mit Ausnahme von Westphalen und der Rheinprovinz, ge­ troffen. Darüber: Starke, Gerichtsverfassung I, S. 411 ff. Die organischen Verordnungen finden stch gesammelt in dem angeführten Schering' scheu Col­

lectiv nSwerke. Die Zweckmäßigkeit deS Instituts ist zweifelhaft. RechtSverfaffung, S. 230 ff. ES kommt viel Unfug vor.

Dergl. weine

2) SJ. 1 u. 4 der Verordnungen, und $. 5 der Jnstr. v. 1. Mai 1841. 3) 8« 14 der Verordnungen; SS« 5—8 der Jnstr.

Qinldtang.

6

dem ordentlichen Richter, nach dem Anträge der Partei, die Exe­

kution in allen Graden verfügt und vollstreckt, vorausgesetzt: 1. daß

der Bittsteller

eine,

mit dem

Siegel und der Unterschrift des

Schiedsmannes versehene Ausfertigung des s. g. Vergleichs vor­ legt;

2. daß der Act alle Erfordernisse

Protokolls enthält, nämlich:

eines schiedsmännischen

Ort und Datum;

Benennung der

Theilnehmcr und deren Legitimation; den Gegenstand des Streits;

eine deutliche Auseinandersetzung, was ein Theil dein Andern zu geben, 3« leisten oder zu gestatten versprochen hat; die Zeit der

Erfüllung; den Vermerk der Vorlesung und die Unterschrift der Parteien sowie des Schiedsmannes; 3. daß der Gegenstand dem

Berufe des Schiedsmannes nicht entzogen i|V).

IV. Kommt kein

Vergleich zu Stande, so hat der Versuch der Vermittelung keinen Einfluß auf das streitige Recht, insbesondere wird die Verjährung

durch die Einlassung vor dem Schiedsmanne nicht unterbrochen4 5),6 ausgenommen in Injurien-Sachen,

wo schon die Anbringung

des Gesuchs bei dem Schiedsmanne die Verjährung unterbricht'). §. 4. c) Schiedsrichter.

A. ®. D. I, 2, S$-167-176; I, 30, SS- 48-55. — A. 8. R. I, 17, $$. 23, 24. — Tit. D. de rcceptis, qui arbitrium (IV, 8); Tit. C. de receptis arbitris (II, 56); Nov. 82, cap. II. — Tit. X. de arbitris (I, 43); Tit. de arbitris in 6 (I, 22). — Boehm er, jus ecclesiast. protest. Tom. I, L. I, Tit. 43. — Puchta, das Institut der Schiedsrichter, nach feinem heutigen Gebrauche und seiner Brauchbarkeit für Abkürzung und Verminde­ rung der Prozesse. Erlangen, 1823. — Goldschmidt, Abhandlungen auS

dem Deutschen gemeinen Eivilprozeffe.

I.

Frankfurt a. Main 1818, Nr. 12.

Ein Schiedsgericht ist eine, durch Uebereinkunft der

streitenden Parteien

(Kompromiß),

zur Entscheidung des

unter

ihnen entstandenen Rechtsstreits, bestellte Privatrichter-Anstalt. Das

im R. R. ausgebildete und durch das canonische Recht den da­

maligen Zeitverhältnisscn angepaßtc, durch die Deutsche Gesetzgebung bestätigte *) Institut ist von der Prcuß. Gesetzgebung ausgenommen,

doch nicht weiter entwickelt und fast ganz außer Gebrauch.

II. Eine

4) SS. 27, 28, 29 der Verordnungen. 5) S 29 ebenda. Wer auf die Vorladung de« Schiedsmanne« nicht er­ scheinen will, muß e« ihm bei 5 Sgr. Polizeiftraf« anjtigcn. Min.-Grlaß vom 14. Juni 1844 (Oppeln. Am,«bl. 1844, S. 154). 6) Sinf.-Ges. v. 14. April 1851 Art. XVUI (G. S. S. 98). 1) ReichSabsch. von 1594, $$.65, 66. — Wiener Schlußakte von 1820, Art. 18.

7

Begriff «ine- streitigen Recht- und Mittel zur Sättigung ic. Entscheidung durch Schiedsrichter kam»,

außer dem Falle einer

besonderen gesetzlichen oder vertragsmäßigen Bestimmung, nur in Folge gütlicher Vereinbarung gedacht werden,

niemals kann sie

auf Grund einer allgemeinen gesetzlichen Vorschrift eintreten, und wenn schon in Gesetzen vorzüglich auf schiedsrichterliche Entschei­ dung verwiesen roitb2),3 4so 5 ist dabei doch in der Regel die Ver­

einigung der Parteien vorausgesetzt, weil in deren Entstehung kei« anderer Ausweg

als

Entscheidung

richterliche

Dagegen kann die Verpflichtung,

sich

einem

zu

finden ist.

schiedsrichterlichen

Ausspruche zu unterwerfen, in einem ftüheren Vertrage der Par­ teien, oder in einer sie bindenden Stiftung oder letztwilligen Ver­

ordnung begründet sein, wobei jedoch wieder vorausgesetzt ist, daß

bereits

in

jener Begründung -bet Verpflichtung

entweder daK

Schiedsgericht selbst, oder die Art und Weise, dasselbe zu bestellen, bestimmt sei, sonst die Anordnung wieder nicht wirksam sein kann,

111.

wenn keine Vereinigung stattfindet2).

Die Bestellung eines

Schiedsgerichts ist übrigens, so lange von dem ordentlichen Rich­

ter die Sache noch nicht rechtskräftig entschieden, zu allen Zeiten auch schon nach Anrufung des ordentlichen Richters, zulässig, wenn

nur überhaupt der Streit einer Entscheidung durch Schiedsrichter

nicht ausnahmsweise entzogen ist.

Solcher Entscheidung entzogen

sind aber Streitigkeiten, welche das Gemeinwesen oder das Interesse

des

Landcsherrn berühren,

Streitigkeiten wegen Abgaben*).

namentlich

landesherrlicher

Ehcscheidungssachen

oder

gemeiner Lasten

und und

Lei der Bestellung selbst ist, nach der Natur der

Sache als einer lediglich der Privatwillkür anheimgegebenen An­ gelegenheit, der Staatsbehörde gar kein Einfluß gestattet; deshalb

kann der Staat die Personen, unter welchen gewählt werden soll,

nicht vorschreiben2).

IV.

Das bestellte Schiedsgericht,

welches

aus einer Person, oder aus mehreren, ein Kollegium bildenden

2) Z. B. A. ®. O. I, 30, 8- 48 und A. L. R. I, 17, 8- 23. 3) Privatrecht, 8 728. - En,sch. dc« Geh. Ob.-Tr. Bd. X, S. 241 4) A. G. O. I, 2, 88.167, 168. 5) Der §. 49, Tit. 30 a. a. O. sagt: es muß jedoch allemal ein RechtSgclehrter darunter befindlich sein, welcher daS Protokoll führen, und auf Beob­ achtung der erforderlichen Legalitäten bei der Instruktion Acht haben muß. DaS ist jedoch nur ein Rath; wenn kein Rcchtögelehrter dabei ist und dennoch die Legalitäten beobachtet find, so ist daS Verfahren nicht nichtig, und auch daS be­ stellte Schiedsgericht nicht ungehörig. Ueberhaupt ist eS keine Staatssache, daß die Legalitäten beobachtet werden; cS ist lediglich privairechtlich, eine begangene Nichtigkeit zu rügen oder nicht. Ueber die erforderliche Fähigkeit f. Privatrecht, 6. 728, Nr. n.

Einleitung.

8

bildenden Personen bestehen kann, hat bei Erörterung der Sache

die ihm in dem Bestellungsvertrage (Receptum) vorgeschriebmen Prozeßregeln, oder wenn das Receptum keine Prozeß-Vorschriften

enthält, die Landetz-Prozeßordnung im Wesentlichen zu befolgen'). Wesentlich ist nur, daß beide Theile gehört, d. h. daß sie zum

Vortrag aufgefordert und zugelassen, und daß die erheblichen Um­ stände erörtert werden; die Weise, wie Beides geschieht, ist gleich­

gültig ’).

Gegen

die Partei,

welche

ausbleibt

oder

sich

nicht

autzläßt, findet keine Ungehorsamtzstrafe, sondern nur die Conven-

tionalstrafe statt'), weil nirgend von einem Gehorsam der einen Partei gegen die Andere

Privatperson und

(der Schiedsrichter ist auch nur eine Partei in seinem Verhältniß) die Rede ist.

V. Gegen den Autzspruch

des Schiedsgerichts

(laudum)

findet

binnen 10 Tagen statt: 1. die Nichtigkeitsklage, in Verbindung

mit der Hauptklage, bei dem ordentlichen Staatsgcricht a) wenn

die Parteien gar nicht gehört, oder offenbar erhebliche Thatsachen unerörtert gelassen sind; b) wenn gegen ein den vorliegenden Fall

ganz klar entscheidendes Landesgesetz erkannt worden ist (ex falsa

causa)»); oder wenn

kein Nichtigkeitsgrund

gegeben

ist 2. die

Appellation an das ordentliche oder beziehlich besondere Appellationsgericht des Bezirks, wenn der Gegenstand appellabel ist").

Doch ist die Apellation, die überhaupt der rechtlichen Natur des Kompromisses widerspricht, nur bei einem einfachen Kompromisse,

d. h. einem solchen, in welchem man sich nicht ausdrücklich ver­

pflichtet hat, das Laudum ohne Widerrede gelten zu lassen, zu­ lässig ").

VI.

Aus

dem,

ausdrücklich

oder durch

zehntägiges

Schweigen, anerkannten Ausspruch des Schiedsgerichts findet die

Klage ex compromisso auf Vollstreckung (das Executionsgesuck) bei dem ordentlichen Richter statt, weil die Vollstreckung durch den Schiedsrichter, abgesehen davon, daß dessen Berus mit dem Aus­

spruche endet, unerlaubte Privatgcwalt sein würde12).

Zur Begrün-

6) A. G. D. I, 2, §. 171. — L. 1 D. dc receptis; c. 2 X. de arbitris. 7) §. 172 a. a. O.; «ml. §§.25, 26 u. 31; I, 30, §§. 50 ». 51. Die mündliche Verhandlung ist nicht au-gtschloffen, nur muß da« Resultat anfgezeichntt werden, weil' sonst die wesentlichen Grundlagen de« Ausspruchs unerweislich sein und da« stattgehabte Verfahren nicht erkennbar sein würde. 8) L. 27, §. 4; L. 21, §. 9 D. h. t. — L. 2 C. eod. 9) A. G. O. I, 2, §§. 172—175. 10) Ä. G. O. I, 2, §. 175 verb. mit I, 30, §. 55. 11) A. G. O. I, 12, §. 173. — Privatrecht, §. 728, Nr. III. 12) A. G. O. I, 2, $. 176 und I, 30, §. 54. Eben so nach L. 1 u. 3 C. h. t. Vcrgl. L. 2 u. 38 D. eod. Völlig grundlos ist die Behauptung de«

Begriff «tat- streitigen Recht- und Mittel zur Erledigung ic.

9

düng des Antrags um Vollstreckung deß Schiedsrichter-Ausspruchs

muß daS Kompromiß und der Ausspruch dem Exekutions-Gesuche beigelegt werden; und wenn Beide nicht in autentischen Urkunden

bestehen, muß über den Widerspruch des Beklagten ordentlich ver­ fahren und über die Vollstreckbarkeit erkannt werden.

3.

Gerichtliche Mittel. §. 5. a) Richter und Gerichte.

Da die außergerichtlichen Mittel bei ausbleibender freiwilliger

Leistung oder Gestattung nicht ausreichen und zuletzt doch eine bezwingende Gewalt den rechtlichen Zustand Herstellen oder schützen

muß, die Privatgewalt aber, auch wenn die Macht immer auf der Seite des Rechts wäre,

unerlaubt und auch nicht für alle

Fälle ausreichend ist, so kann die sittliche und rechtliche Ordnung nicht ohne die Staatshülfe bestehen.

Gewalt,

zu bewirken,

Die hoheitliche Macht und

daß Alles den Rechten gemäß

geschehe

(potestas judicialis, jurisdictio, Gerichtsbarkeit), hat die Staats­

gewalt bei uns mit dem Richteramte verbunden, bestellte Richter und Gerichte verrichtet wird *)•

welches durch

Die gerichtlichen

Rechtsmittel bestehen also in der Anrufung der Staatshülfe, d. i. in Anzeige des Falles und Bitte um Hülfe bei dem Richter, b)

Prozeß.

§• 6. aa) Begriff. Auf die bloße Anzeige hin kann jedoch die verlangte Hülfe

nicht geleistet werden, denn der Richter hat den Beruf zu bewirken

was recht ist.

Deshalb muß er zuvörderst untersuchen: was ge­

schehen ist, um zu befinden: was geschehen muß, dem Rechte Gel­ tung zu verschaffen-).

Zn diesem Zwecke muß die Streitsache vor

dem Richter verhandelt werden (Judicium).

Die Verhandlung ist

an gewisse Regeln gebunden, welche den Zweck haben, einerseits

jeder Partei die Möglichkeit zu sichern, Alles was zur Darlegung

ihres Rechts gehört vorzubringen, andererseits aber zu verhindern, Verfassers der Trgänzunaen zur Alla. G. O., zu I, 2, §. 167, daß in dieser Hinsicht eine sehr erhebliche Abweisung des Preuß. von dem Gemeinen Rechte stattstnde; eine materielle Abweichung findet sich gar nicht und kann fich auch nicht finden. 1) A. L. R. II, 17, SS- 3, 18, 19. PrariS, Bd. XIII, S. 48 ff. 2) A. G. O., Tinl. S$. 5 — 7, 21.

- Heffter, im Archiv für civ.

(Knkitung.

10

daß die Chita«« unter dem Vorwande noch neuer Vorträge das

Recht hinzögere').

Damit der Zweck desto sicherer erreicht werde,

hat der Richter den Gang der Verhandlung zu leiten ■*).

Der

Inbegriff aller einzelnen Handlungen, aus welchen das Indizium besteht, heißt Prozeß').

Ein Prozeß kann mehrere Judizia')

enthalten. §- 7. bb)

in t beil it n gen.

Je nachdem der Prozeß die Entscheidung über die Anwendung einer öffentlichen Strafe und deren Vollstreckung, oder die Schlich­ tung einer Streitigkeit über das Mein und Dein betrifft, theilt

sich der Prozeß in den Criminal- oder Straf-Prozeß, gewöhnlich Untersuchung genannt, und in den Civil-Prozeß. Der Letztere

zerfällt in den ordentlichen Prozeß (processus Ordinarius), d. i.

der, in welchem nicht bloß die wesentlichen Stücke des Judiziums, sondern auch gewiffe Solennitäten, d. h. Formalien der Substan-

tialien beobachtet werden; und in den abgekürzten oder besondern Prozeß, in welchem die Fristen abgekürzt sind und die Verfahrungsart theils verändert, theils vereinfacht ist').

Der sonst sogenannte

summarische Prozeß kann nicht mehr als Gegensatz des ordent­

lichen Prozesses bezeichnet werden, denn der ordentliche Prozeß ist schon

seit Abschaffung des

artikulirtcu

Verfahrens8)

gleichfalls

summarisch, indem hiermit, im Gegensatz zu jenem alten artikulirten

oder feierlichen Prozesse, das Verfahren bezeichnet wird, wenn die Parteivorträge in zusammenhängender Darstellung schriftlich verfaßt

oder mündlich zu Protokoll gegeben worden. Die verschiedenen Prozeßarten werden daher nur durch Abkürzungen und Besonder­ heiten in dem sonst gleichartigen summarischen Verfahren hervor­ gebracht. 3) Diesem Zweck entsprachen die leiten Vorschriften der A. G. O. I, 10, $$. 3 n. 4 und I, 12, 8 19 schr wenig. (Stil die neuen Projeßgesetze vom I. Juni 1833, 88 14, 42 n. 44, und v. 21. Juli 1840, $. 8, find zweckentsprechend. 4) «. G. £>., Qinl. SS 6 n. 7, und V. v. 1. Jnni 1833, 8 28. 5) A. G. O. a. a. O. 8 2. — Gesetz vom 31. Marz 183b, 8 5, Nr. 2 (G. S. S. 251). — c. 22 X. dc rescriptis (I, 3): Clem. 2 de verb. eign. (V, 11). Von proccdere. In dieser Bedeutung ist der Ausdruck dem R. R. fremd. L. 2, §. 1 D. de off. jud. (1, 2); L. 40, 41 D. de donat. in ter vir ot uxor. (XXIV, 1). 6) Der Ausdruck ^udioium ist mehrdeutig. S. darüber Danz, Grundsätze des Prozesses, $. 7, Note a. 7) «. ).

11. In Gewerbe - Angelegenheiten

ist der Rechtsweg ausgeschlossen: 1. über die Zulässigkeit oder die

Untersagung eines

Gewerbebetriebes ^);

2. über die

Ertheilung

oder Versagung der polizeilichen Genehmigung zu einer davon ab­

hängigen gewerblichen Anlage, nur daß die bei der Polizeiobrigkeit angemeldeten Einwendungen privatrechtlicher Natur zum Rechts­ wege verwiesen werden, ohne daß von deren Erledigung das ad­

ministrative Verfahren wegen Genehmigung der Anlage abhängig ist31)42; 3. über die Zurücknahme einer Gewerbe-Konzession, Appro­ bation oder Bestallung«); 4. über die Bestimmung der Zahl, Zeit und Dauer der von einem Marktberechtigten abzuhaltenden Märkte,

mit Vorbehalt des Rechtsweges wegen der deshalb in Anspruch genommenen Entschädigung5)6; 7 5. * 9 über die Festsetzung der Markt­ ordnung, über die Einschränkung oder Erweiterung des Markt­

verkehrs"); 6. über die von der Polizei festgesetzten Lohn-Taxen^);

7: über Streitigkeiten wegen Aufnahme und Ausschließung von Mitgliedern bei Innungen"); 8. über Untersagung der Annahme

oder Beibehaltung von Lehrlingen");

9. über Streitigkeiten der

selbstständigen Gewerbetreibenden (Meister) mit ihren Gesellen, Ge­

hülfen und Lehrlingen, wegen Antritt, Fortsetzung oder Aufhebung

des

Arbeitö-

oder

Lehrverhältnisses,

oder

wegen

gegenseitiger

1) Gcs. vom 11. Mai 1842, über die Zulässigkeit des Rechtsweges in Be­ ziehung auf polizeiliche Verfügungen (G. S. S. 192). Alle älteren Bestimmungen über diesen Gegenstand, und namentlich die Vorschristc» der V. v. 26. December 1808, §§. 38—40 sind dadurch aufgehoben. §. 7. Man vergl. jedoch das Ges., bctr. die Konflikte bei gerichtlichen Verfolgungen wegen Amts- und Dicnsthandlungen, vom 13. Februar 1854 (G. S. S. 86), wodurch das Urtheil über die Frage: ob den betreffenden Beamten ein Versehen zur Last falle, de» Dienst­ obern bcigelcgt ist.

2) Allgcm. Gew.-Ordn. v. 17. Januar 1845, §§. 23, 24 (G. S. S. 45). 3) Ebenda §§. 31—33.

4) Ebenda §§. 71-74. 5) Ebenda §. 76. 6) Ebenda

84-86.

7) Ebenda §. 92 , 93.

daf — Das gilt jedoch nicht bei Privatgesellschaften. des Ob.-Tr. Bd. VH, S. 126. Vergl. Bd. IX, S. 141. 9) Allgem. Gew.-Ordn. §. 133 (G. S. S. 66).

Entsch.

Erste« Buch.

44

Allgemein« Lehren.

Leistungen während der Dauer desselben "); 10. über die Zurücknahme

der Befugniß zum

selbstständigen Gewerbebetriebe");

11. über

die Ansprüche auf Entschädigung für den Verlust der durch die allgemeine

Gewerbeordnung aufgehobenen Berechtigungen,

sowie

über die Befugniß zur Ablösung der nicht aufgehobenen Zwangs­

und Bannrechte, doch mit Vorbehalt der Berufung-auf rechtliches Gehör, wenn dieses dem Rekurs an das Finanzministerium vor­

gezogen wird");

12. über die Ermittelung des Betrages der

Entschädigung"); 13. über die Verpflichtung, Beiträge zur Ver­ zinsung und Tilgung der Entschädigungskapitalien, Zahlung oder Ablösung der Entschädigungsrenten,

so

wie zur

und 14. bei

Streitigkeiten über die Ablösung der Entschädigungsrenten "). In

den Fällen 11 biß 14

Finanzministerium").

entscheidet

in der Rekurs-Instanz

das

Ferner 15. bei Streitigkeiten der Zünfte

unter einander oder mit Einzelnen in solchen Fällen, wo es sich lediglich um Auftechthaltung der im öffentlichen Interesse erlassenen

gewerbepolizeilichen Verordnungen, und nicht um Privatrechte aus besonderen Titeln, handelt"); 16. bei Streitigkeiten zwischen einem Patentisirten und einem Dritten über die dem Erstern aus dem

Patente zustehende Berechtigung "). 111. In Vorfluth-Angelegen­ heiten ist kein Civilprozeß zulässig: 1. über die zulässige Höhe des Wasserstandes bei Mühlen und andern mit Störung des Wasser­

standes verbundenen Anlagen, sofern der Anspruch nicht auf einen

besonderen Titel (Verträge, Verleihungen oder rechtsverjährten Besitz) gegründet wird "); 2. darüber: ob ein Stauungßberechtigter wegen

eines überwiegenden Vortheils für die Bodenkultur den freien Wasser­ lauf ganz oder theilweise wieder herzustellen oder gar sein Wasser-

10) $. 137 a. a. O. 11) $$. 71 — 74 a. a. O. Die Entziehung zur Strafe steht mir den Gerichten zu. %. 189 a. a. O. 12) Entschädiaung«gesetz zur Allgem. Gew.-Ordn, vom 17. Januar 1845, $$. 4, 37, 43 (G S. S. 79). 13) SS. 46, 50 u. 51. a. a. O.

14) SS- 53 u. 54 das. 15) Früher war die« Sach« de« Ministerium« de« Innern und der Polizei. B. v. 24. Oktober 1811, $. 8; B. v. 15. September 1818, 8 10 (G. S. 1811, S. 360, und 1818, S. 180). 16) R. d. Mia de« Innern u. der Justiz, v. 14. Mai 1836 (v. Kamph Ann. Bd. XXI, S. 510). 17) R. de« Juftizminifterii v. 7. Februar 1824.

18) Ges. v. 15. Rovbr. 1811, wegen de« Wasserstauen«, $$. 4, 5 (®. S. S. 352). Man vergl di« Anmerkungen dazu im A. 8. R. I, 8, Zus. 15.

Gegenständ« de- Prozesse-.

45

ttiebwerk (Mühle rc.) wegzuräumen gehalten"); 3. darüber: wann und wie und von wem die Auskrautung, Räumung, Vertiefung

oder Verbreiterung eines Grabens oder Wasserabzuges bewirkt wer­ den soll, doch mit Vorbehalt richterlicher Entscheidung des unter den Betheiligten über ihre Verpflichtung entstehenden Streits"); 4) über die Gestattung und Ausführung von Entwässerungsan­ lagen und über den Betrag der von dem Unternehmer den Be­

theiligten zu leistenden Entschädigung, nicht aber über den Umfang

der nach dem Entwässerungsplan zur Ausgleichung zu bringenden Rechte").

IV.

In Sachen betreffend die Benutzung der Privat-

Flüsse ist der Rechtsweg ausgeschlossen:

1. darüber: ob das zum

Betriebe von Färbereien, Gerbereien, Walken und ähnlichen An­ lagen benutzte Wasser einem Flusse zugeleitet werden bürst");

2. darüber: ob, wo und in wieweit das Einwerfen und Einwälzen von losen Steinen, Erde und anderen Materialien in Flüsse; das

Einkarren und Einschwemmen von Sand und Erde zur Anlage von Wiesen (das sog. Wiesenbrechen);

die Anlegung von Flachs­

und Hanfröthen gestattet sein solle"); 3. über die im öffentlichen

Interesse angeordnete Einschränkung der Ausführung einer Be­ wässerungsanlage "); 4. bei dem auf Anttag eines Uferbesitzers,

welcher eine Anlage zur Benutzung des Wassers beabsichttgt, zu erlassenden Aufgebot der Widerspruchsberechtigten"); stehendem Stteite über die Frage:

5. bei ent­

ob durch die Bewässerungs-

anlage einem zur Zeit der Publikation des Gesetzes vom 28. Febr. 1843 bestehenden Triebwerke das zum Bettiebe in dem bisherigen Umfange erforderliche Wasser entzogen werde;

nicht auch in den

Fällen, wo über das Dasein und den Umfang eines Rechtes, auf

welches

ein Widerspruch

oder ein Entschädigungs-Anspruch ge­

gründet werden kann, gestritten wird-»); 6. wenn ein Uferbefitzer zur Ausführung neuer, oder zur Erhaltung bereits auSgeführter Bewässerungen verlangt, daß ein Anderer, gegen Entschädigung,

19) SS. 11, 12 a. a. O. 20) s. 10 a. «. D.; R. v. 15. Juli 1833 (Jahr». Bd. XLH, S. 83) Schles. Arch. Bd. II, S. 443: Grs., üb« die Benutzung btr Priratfluffe, vom 28. gebt. 1843, S. 7 (®. S. S. 42). 21) Ges. ». 15. Rovbr. 1811, $$. 13-19, 21-34, 20. 22) Ges. v. 28. Februar 1843, $ 3. 23) SS- 4-6 a. a. O. 24) $. 15 ebenda. 25) SS. 19-22 a. a. O. 26) $. 23 ebenda.

46

Erstes Buch.

Allgemeine Lehren.

ihm ein Recht (eine Servitut) einräume, oder sich die Einschrän­ kung eines Rechts gefallen lasse, welches einen Widerspruch gegen

die Anlage begründen würde, und zwar ist hier die richterliche

Kognition sowohl über den Berechtigungsgrund

(Dasein eines

überwiegenden Bodenkultur-Interesses), und den Plan zur Aus­

führung und Benutzung der Anlage, als auch über den Umfang der Einräumung oder Einschränkung eines Rechts und die dafür zu leistende

Entschädigung

ausgeschlossen2 ’).

V.

In Armen-

Verpflegungs - Angelegenheiten ist der Rechtsweg unzulässig: 1. über Streitigkeiten zwischen verschiedenen Armenanstalten und Armen­ verbänden, mit Ausnahme des Streits: welcher von diesen Ver­

bänden den Armen zu verpflegen habe; doch steht auch hierüber eine provisorische Entscheidung der Landespolizeibehörde zu2«);

2. über den Anspruch eines Armen gegen einen Armenverband auf Verpflegung2«).

VI. In Gesindesachen, zu welchen auch das Ver­

hältniß der Seeschiffer zu den Rhedern und das der Schifferknechte

zu den Schiffsführern gehört2 °), findet kein Rechtsweg statt: 1. wenn zwischen Herrschaft und Gesinde Streit a) über die verweigerte An­ nahme, oder b) über das verweigerte Antreten des Dienstes, oder c) über das verweigerte Behalten des Gesindes im Dienste, oder

d) über die Weigerung des Gesindes zu bleiben, oder c) abzu­ ziehen, oder f) über die von der Herrschaft verweigerte Entlassung

Streit entsteht22); 2. wenn über die Erfüllung kontraktlicher Ver­ bindlichkeiten des Einen oder des Andern, während der Dauer des Verhältnisses Streit entsteht, doch in beiden Fällen mit Vorbehalt

des Rechtsweges nach Ausführung der sofort vollstreckbaren polizei­ lichen Entscheidung22);

wird22).

3. wenn über Livreen und Kost geklagt

VII. Bei Streitigkeiten zwischen Reisenden und Hand­

werkern entscheidet die Polizei provisorisch

über den Preis der

Arbeit und über den Betrag der Kautionssumme für die Mehr-

27) 88 30—47 ebenda.

28) Ges., über die Vervflichtunq jur Armenpflege, v. 31. Deeember 1842, §§.34 und 35 (G. S. 1843, S. 13). Das R. des Ober-Kousistoriums vom 17. November 1803 (Rabe, Bd. VII, S.522) ist antiqiiirt. 29) §. 33 a. a. O.

Auch dieser Fall ist eine positive Ausnahme.

30) K. O. v. 23 November 1831 u. v. 23. September 1835 (G. S. 1831, S. 255, und 1835, S. 222). 31) Gesinde-Ordn. v. 8. Novbr. 1810, §§.47, 51, 160, 167. 32) R. d. Min. d. Inn. n. d. P. v. 17. April 1812 (Rabe, Bd.X, S. 558).

33) Gesinde-Ordn-, §§. 37 u. 38.

47

Gegenstänbe bes Prozeffe«.

forderung deß Handwerkers««).

VIII. In MiethssacKcn hat die

Polizei den Bermiether in Ausübung seines ZurückbebaltungSrechts zu unterstützen, und zu diesem Behuse vorläufige Bestimmung zu

treffen"). — In allen der Polizei überwiesenen PrivatrechtSstreitigkciten hat dieselbe ebenso wie die Gerichte nach den geltenden

Rechtsgrundsätzen zu entscheiden. §. 31.

IV. Kompetenz - Streitigketten. Gtsch über das Verfahren bei Kompetenzkonflikten zwiscben den Gerichten und Verwaltungsbehörden. Dom 8. April 1847 (G. S. S. 170).

I.

Ein Kompetenz-Streit zwischen

den Justiz- und den

Verwaltungs-Behörden kann sich nur so erheben, daß ein Gericht

die Klage in dem Fragefalle zugelasscn und den Civilprozeß ein­ geleitet hat, darauf aber eine Verwaltungsbehörde oder eine Aus­

einandersetzungsbehörde mit der Behauptung auftritt, daß in der

Sache der Rechtsweg nicht stattfinde; oder daß sowohl das Ge­

richt wie die Verwaltungsbehörde oder Auseinandersetzung-behörde sich in der Sache für inkompetent erklärt*).

Ueber den dadurch

erhobenen Streit (Kompetenzkonflikt) zwischen den Behörden ent­ scheidet nicht mehr wie sonst, nach vorheriger Erörterung des Falles

im gesammten Staatsministerium, wenn der Konflikt nicht durch

eine Vereinigung zwischen dem Minister der Justiz und dem Mi­ nister der betroffenen Verwaltung zu erledigen ist, auf den moti-

virten Bericht des Staatsminifteriums der König oder der von

ihm damit beauftragte höchste Gerichtshof •), sondern ein besonderer „Gerichtshof zur Entscheidung

lin *).

der Kompetenzkonflikte"

zu Ber­

II. Sobald der Konflikt durch Ueberscndung eines darüber

abzufaffenden motivirten Beschlusses

der Verwaltungsbehörde an

das Gericht, worin die bestimmte Erklärung: daß der Kompetenz­

konflikt erhoben werde, und der Antrag: das Rechtsverfahren bis zur Entscheidung über denselben einzustcllen, enthalten sein muß,

erhoben ist,

stellt das Gericht das Rechtsverfahren durch einen

Bescheid, gegen welchen kein Rechtsmittel zulässig ist, einstweilen 34) R. btt Mi», der Just., btr Fi», und der Pol. v. 14. November 1816 (Jahrb. Bb. VIH, S. 251); R. v. 4. Febr. 1817 (Jatzb. Bd. IX, S. 10). 35) A. L. R. n, 17, SS-10, 12. — R. v. 8. Febr. 1839 (M. Bl. S. 76).

’) Ges. v. 8. April 1847, §§. 20, 21. 1) K. O. v. 30. Juni 1828 (G. S. S. 86). 2) Ges. ». 8. April 1847, §. 1.

Erste« Buch.

48

Allgemeine Lehren.

ein, fertigt diesen Bescheid, nebst einer Abschrift des Beschlusses

der Verwaltungsbehörde, beiden Parteim mit dem Eröffnen zu, daß sie sich binnen 4 Wochen präklusivischer Frist über den Kom­

petenzkonflikt schriftlich zu erklären hätten (§. 134, Nr. III, 5).

Nach Verlauf der Frist reicht das Gericht, indem es der Verwal­ tungsbehörde von der eingegangenen Erklärung der Parteien Ab­

schrift zufertigt

oder

von dem Ausbleiben Nachricht giebt,

Akten mit einem Gutachten dem Justizminister ein.

die

Ist das zu­

ständige Gericht ein Untergericht, so geht dessen gutachtlicher Bericht zunächst an daS Landes-Justizkollegium.

Der Justizminister giebt

die Akten mit seinen Bemerkungen an den Gerichtshof ab8*).

Die

Verwaltungsbehörde berichtet, nach Empfang der gerichtlichen Ver­

fügung, gleichfalls an das betroffene Ministeriums).

Untcrbehörden

und fürstliche Mediat-Regierungen dürfen nicht ohne Ermächti­ gung der ihnen vorgesetzten Verwaltungsbehörde den Konflikt er­

heben«).

III. Eine Privatpartei ist dazu gar nicht berechtigt, und

kann daher auch nicht auf eine Entscheidung dringen, wenn die

Ministerien sich gütlich einigen oder wenn der Streit fallen ge­

lassen wird»). IV. Nach rechtskräftig entschiedener Sache oder wenn die Präjudicialeinrede der

rechtskräftig

Unzulässigkeit des Rechtsweges

verworfen worden ist,

kann ein Kampetenzkonflikt

nicht mehr erhoben werden, weil der richterliche Ausspruch schon erfolgt ist und die Thätigkeit des Gerichts aufgehört hat'); wohl aber ist er recht angebracht,

stanz

erkannt ist.

V.

so lange noch nicht in letzter In­

Das Erkenntniß des Gerichtshofes wird

2 a) Ges. v. 8. April 1847, $$.4-7, 10. 3) Ebenda $. 9. Dasselbe kann ebenfalls seine Bemerkungen dem Gerichts­ höfe zusenden, muß davon aber auch zugleich dem Justiz-Minister Mittheilung machen. $. 12. 4) Ebenda, $. 3. 5) Jnstr. v. 1. Juli 1835 (Jahrb. Bd. XLVI, S. 106). Ges. v. 8. April 1847, $.11. 6) DaS Gegentheil wird zwar von dem Justizminister in einem sehr weitläuftigen Erlaß vom 4. Juli 1838 (Ulrich re. Archiv St). VII, S. 157) be­ hauptet : die angegebenen Gründe beweisen aber nur, daß das Judikat absolut nichtig sei. DaS ist etwas ganz Anderes. In welchem Verfahren ein solcher Rechtsspruch zu beseitigen, richtet sich nach der Beschaffenheit der entschiedenem Sache. Ist dabei der Staat im eigentlichen Sinne (ein MajestätSrecht) betheiligt, so wird davon nicht Notiz genommen, oder durch Verfügung der höchsten StaatSautorität beseitigt; ist eS eine PrivatrechtS-Sache, die nur aus Nützlichkeit«- oder Zweckmäßigkeitsgründen den Gerichten entzogen ist, so muß »wischen den Parteien ebenso verfahren werden, als wenn ein ganz inkompetentes Gericht erkannt hätte. Die Erhebung eines KompetenzkonfliktS kann in dem schon abgethanen Verfahren überall gar nicht mehr angebracht werden. In diesem Sinne hat auch daS Ges. v. 8. April 1847, $. 2 entschieden.

Gegenstände M Prozesse«.

49

dem Justizminister und dem beteiligten Verwaltungschef zur Mit­ theilung an das Gericht und an die Verwaltungsbehörde in Aus­

fertigung zugestellt; und das Gericht hat dasselbe den Privatpar­ Ist dadurch der Rechtsweg ausgeschlossen, so

teien zu eröffnen.

wird das Rechtsverfahren definitiv aufgehoben und die gerichtlichen

Kosten werden niedergeschlagen,

die schon

bezahlten werden er­

stattet; Erstattung der außergerichtlichen Kosten findet nicht statt.

Ist die Erhebung des Konflikts verworfen, so nimmt das Ver­

fahren seinen Fortgang.

Der Lauf der Präklusivfristen im Pro­

zesse und die Exekution ist bis zur Entscheidung des Kompetmz-

konflikts gehemmt*).

Verschiedenheit der wahren Etvil - ProzeßSachen.

V.

§. 32. 1)

Ueberhaupt.

Manche Beschaffenheiten der Gegenstand und dessen Werth,

Civilprozeßsachen,

z. B. der

haben an fich Einfluß auf die

Behandlung, namentlich auf den Gerichtsstand, die Prozeßart und

auf den Gang des Verfahrens. Orte das Nähere vor.

Davon kommt am gehörigen

Eine andere Beschaffenheit einer Civil-

prozeßsache liegt in der Beziehung, welche dieselbe mit einer andern Sache haben kann.

Nur diejenige Beziehung,

welche in einer

wirklichen Verbindung mehrerer Sachen (Connexität) besteht, hat nach Preußischem Prozeßrechte rechtliche Wirkung; nicht connexe

Sachen unter denselben Parteien und vor demselben Richter be­

gründen durch ihre Concurrenz keinerlei Verhältniß. §. 33.

2)

Connexe Sachen.

Plank, die Mehrheit brr Recht«streitigkeiten im Prozeßrecht.

prozessualischen Erscheinungen,

welche

Entwickelung der

durch den Einfluß mehrerer Rechts­

streitigkeiten ans einander heroorgerufe« werden.

Göttingen 1844.

Dazu je­

doch di« Recenfion von Wetzel in Richter'« und Schneider'« kritischen

Jahrbüchern, Jahrgang 1847, S. IW ff.

I.

Connexität heißt der Zusammenhang, in welcher zwei oder

mehrere Rechtsstreitgegenstände mit causarum).

Sie ist entweder

formell (continentia caüsarum

7) Ges. v. 8. April 1847, $$. 17—19.

Koch, Livilprozeß. 2. Aufl.

einander stehen (continentia

Erste« Buch.

50

Allgemeine Lehren.

formalis s. accidentalis, s. mcre extrinseca), welche darin be­ steht, daß mehrere Gegenstände in Einem Verfahren verfolgt wer­

den, wie z. B. bei der Kumulation der Klagen'); oder mate­ riell (continenlia causarutn esscntialis s. intrinseca), wenn sie

in ihrer Entstehung zusammenhängend), wie z. B. bei der Con-

currenz mehrerer Klagen und der uneigentlichen Wiederklage, oder

wenn die eine Sache zu der Andern in dem Verhältnisse einer

Nebensache steht.

Hauptsache ist diejenige, welche zuerst für sich

anhängig gemacht worden

ist.

Die Nebensachen sind ent­

II.

weder präparatorische, wenn das Hauptverfahren dadurch be­ fördert werden soll und deshalb auf den Erfolg warten muß, wie das EditionSgesuch

Zeugen.

oder das Verfahren

gegen

einen renitenten

Diese Nebensachen werden alle Mal von der Hauptsache

angezogen.

Oder präjudiciclle,

Verhältnisse zur Hauptsache stehen:

wenn

sie in einem Ursachs-

Diese begründen nicht noth:

wendig eine Prorogation des Gerichtsstandes, sic müssen aber vor: weg entschieden werden, und hemmen deshalb den Lauf der Haupt­ sache^).

Oder Jncidentsachen, d. h. Ncbenanträge, welche bei

der Verhandlung der Hauptsache von einer Partei^), oder auch

von einem Dritten''), nebenher zur Entscheidung gebracht werden. Viele Nebensachen sind gemischter Natur. §. 34.

3)

Verhältniß zwischen Civil- und Criminalsachen. Die Rechts- und Gerichtsverfassung in Preußen nimmt der

materiellen Connexität der Civil- und Strafsachen alle praktische Wirkung.

Das Strafverfahren wird

vor besonderen Gerichten

verhandelt und schließt den Verletzten als Partei aus.

Was also

dort ausgemacht und erkannt worden, ist für die Civilpartei eine 1) A. G. O. I, 5, $6. 24, 25; I, 1, §.35; Dekl. vom 28. August 1825 (®. S. S. 223); und K.O. v. 7. Mai 1835 (Jahrb. Bd. LI, S. 374). la) Bra ckenh öft, die Identität und materielle Conncrität der Rccht«. Verhältnisse ic. Göttingen 1839. 2) A. G. O. I, 13, §. 43. — Qiti Beispiel ist auch die exceptio veritatis in Jnjuriensachcii. Ein Ofssjicr hatte gegen Jemand wegen Derläumdung de nnneirt. Der Denunciat machte den Einwand der Wahrheit. Der Richter erster Instanz hatte keine Rückficht darauf genommen und den Denunciaten vcrurtheilt. Der Richter zweiter Instanz resolvirtc auf Bersolgung de« Einwande« und gab di« Sache an da« Miliiairgcricht ab. Hier wurde nun der ätriminalprozeß er­ öffnet und erst nach dessen vollständiger Beendigung die Hauptsache wieder an da« Eivilgericht zur Fortsetzung abgegeben. 3) Fristgesuche, Strafanträge, Liti-denuncialionen, Adcitation-gesuche.

4) Interventionen, Aostcn-Zahlung«gesuche der Zeugen u. Sachverständigen.

Gtgmständt bk« Prozkffk«.

unter Dritten verhandelte Sache.

51

Die Preußische Gesetzgebung

hat dem Deutschen Reichsgesetz die Verordnung, daß der Uebel­ thäter, neben der ihm aufzulegenden Strafe, auch „zur Wiederkehrung oder Dargebung des Guts"

verurtheilt werden solle'),

zwar nachgebildet ’), aber sie hat nicht dafür gesorgt, daß die Civilpartei, wie nach Gemeinem Rechte durch den Anklageprozeß oder

den AdhäsionSprozeß möglich ist, auftreten und ihr Recht verfolgen kann, und so ist denn diese Vorschrift ganz unpraktisch geblieben.

Die Strafsache wird, in der Regel, weder durch die Civilsache

gehemmt, noch darf die Civilsache nach dem Ausgange des Straf­

verfahrens aufgehalten werden; dies würde eine Rechtsverweigerung sein. Wird der Beklagte in der Criminalsache freigesprochen, so ist das kein Grund, auch die Civilklage abzuweisen; der Civilklägcr kann in der Civilsache durch alle zulässige Mittel den Grund

seiner Klage beweisen; ist der Beklagte verurtheilt worden, so wird

dadurch eben so wenig der Kläger von der ihm obliegenden prozeffualischen Beweisführung entbunden: der Beklagte kann den

erbrachten Beweis, im ordnungsmäßigen Prozeßgange, vielleicht völlig entkräften, weshalb darüber contradiktorisch verfahren wer­ den muß.

In keiner von beiden Sachen ist die Entscheidung

durch die andere wesentlich bedingt.

Das Recht deß Beschädigten

auf Schadenersatz ist von der Bestrafung unabhängig').

Drittes Kapitel.

Mchter und Gerichtspersonen. Erster Abschnitt. Gerichtsverfassung. Ueber die heutige Gerichtsverfassung haben wir keine besondere Nachweisung, wohl

wegen ihrer Einfachheit. Haden

wir:

Ueber die vor 1849 bestandene Gerichtsverfassung

Starke, Beitrage zur Kenntniß der bestehenden Gerichtsver­

fassung und der neuesten Resultate der Justizverwaltung in dem Preußischen

Staate.

Erster Theil: Darstellung der bestehenden Gerichtsverfassung. Zweiter

Theil: Justizverwaltungs-Statistik.

Berlin 1839. — v. DueSberg, Ueber-

5) P. G. O. Art. 198, $. 4. 6) A. G. O. I, 2, § 178. - Grim. Ordn. $§. 6, 68, 69. *) Str. G. B. 8- 6 Eine Ausnahme macht der Nachdruck. Ges. vom 11. Juni 1837, 88 11 u. 12; Erk. des Ob.-Tr. v. 11. Septbr. 1846 (Erttsch. Dd. xm, S. 134).

Gtgmständt bk« Prozkffk«.

unter Dritten verhandelte Sache.

51

Die Preußische Gesetzgebung

hat dem Deutschen Reichsgesetz die Verordnung, daß der Uebel­ thäter, neben der ihm aufzulegenden Strafe, auch „zur Wiederkehrung oder Dargebung des Guts"

verurtheilt werden solle'),

zwar nachgebildet ’), aber sie hat nicht dafür gesorgt, daß die Civilpartei, wie nach Gemeinem Rechte durch den Anklageprozeß oder

den AdhäsionSprozeß möglich ist, auftreten und ihr Recht verfolgen kann, und so ist denn diese Vorschrift ganz unpraktisch geblieben.

Die Strafsache wird, in der Regel, weder durch die Civilsache

gehemmt, noch darf die Civilsache nach dem Ausgange des Straf­

verfahrens aufgehalten werden; dies würde eine Rechtsverweigerung sein. Wird der Beklagte in der Criminalsache freigesprochen, so ist das kein Grund, auch die Civilklage abzuweisen; der Civilklägcr kann in der Civilsache durch alle zulässige Mittel den Grund

seiner Klage beweisen; ist der Beklagte verurtheilt worden, so wird

dadurch eben so wenig der Kläger von der ihm obliegenden prozeffualischen Beweisführung entbunden: der Beklagte kann den

erbrachten Beweis, im ordnungsmäßigen Prozeßgange, vielleicht völlig entkräften, weshalb darüber contradiktorisch verfahren wer­ den muß.

In keiner von beiden Sachen ist die Entscheidung

durch die andere wesentlich bedingt.

Das Recht deß Beschädigten

auf Schadenersatz ist von der Bestrafung unabhängig').

Drittes Kapitel.

Mchter und Gerichtspersonen. Erster Abschnitt. Gerichtsverfassung. Ueber die heutige Gerichtsverfassung haben wir keine besondere Nachweisung, wohl

wegen ihrer Einfachheit. Haden

wir:

Ueber die vor 1849 bestandene Gerichtsverfassung

Starke, Beitrage zur Kenntniß der bestehenden Gerichtsver­

fassung und der neuesten Resultate der Justizverwaltung in dem Preußischen

Staate.

Erster Theil: Darstellung der bestehenden Gerichtsverfassung. Zweiter

Theil: Justizverwaltungs-Statistik.

Berlin 1839. — v. DueSberg, Ueber-

5) P. G. O. Art. 198, $. 4. 6) A. G. O. I, 2, § 178. - Grim. Ordn. $§. 6, 68, 69. *) Str. G. B. 8- 6 Eine Ausnahme macht der Nachdruck. Ges. vom 11. Juni 1837, 88 11 u. 12; Erk. des Ob.-Tr. v. 11. Septbr. 1846 (Erttsch. Dd. xm, S. 134).

Allgemeine Lehren.

Erstes Buch.

52

ficht der Juftizverfassung

in den Preußischen Staaten von der Publikation

der Allg. Gerichtsordnung bis auf die neueste Zeit; in den v. Kamptz'scheu Jahrbüchern für die Preuß. Gesetzgebung, Rechtswissenschaft und RechtSverwaltung, Bd. XLII (v. I. 1833), S. 3 ff. — Ueber die frühere Verfassung:

Nachrichten von der Preußischen Justiz-Verfassung; in Hymmen'S Beitragen zur Literatur für die Preuß. Staaten, Samml. I, S. 176 ff.; Samml. H, S. 246 ff.; Samml. TH, S. 150 ff.; Samml. IV, S. 218 ff.; Samml. VI,

S. 225 ff. — Fischer, Lehrbegriff sämmtlicher Kammeral- und Polizei-

Rechte.

3 Bde.

Frankfurt 1785.

Bd. 2, S. 27-165.

I. Geschichtliches. Gärtner, Geschichte der Preußischen Gerichtsverfassung; in HinschiuS ju­

ristischer Wochenschrift 1840, S. 153 ff. bis 1709.)

(Sehr gut, geht aber leider! nur

Eine ausführliche, ins Einzelne gehende diplomatische Geschichte

der Preußischen Gerichtsverfassung fehlt noch.

§. 35. a.

Einleitung.

Die Gestaltung des Gerichtswesens als eines Theils der Staatsverfassung ist bedingt durch die eigenthümliche Staatsform und durch die Regierungsform.

Denn da das Recht der Staats­

gewalt zum Schutz gegen den Einzelnwillen bedürftig ist und vor

Anwendung solcher Gewalt erkannt worden sein muß (Rechtsspruch), so ergiebt sich, daß die Bildung und Gestalt des Werkzeuges für

das Erkennen des Rechts (Gericht)

von der Staatsgewalt ab­

hängig ist und von dem Träger der Machtvollkommenheit bestimmt

wird.

Wo der Gewalthaber, auch nur in der Idee, keine Genossen

hat, personificirt sich in ihm die Staatsgewalt; er hat Niemand neben sich, welcher ihm aus eigenem Rechte helfen könnte; er thut

Alles in Person

oder durch Beauftragte,

er

selbst erkennt das

Recht, welches er zu schützen angerufen worden ist, er selbst ist

mithin der Richter, das Gericht.

Wo hingegen die höchste Macht­

vollkommenheit in einem Staate Mehreren zusteht, kann über die Anwendung oder Aeußerung der Staatsgewalt in einzelnen Fällen nicht von dem Vollstrecker allein bestimmt werden.

Darin liegt

das Princip der gänzlichen Trennung des Richteramts von dem Vollzieher des Ausspruchs.

In jenen Staaten, wo sich alle Staats­

gewalt in dem Einzelnen

vereinigt,

fehlt ein solches,

aus der

Einrichtung von selbst hervorgehendes Princip ; cs ist ein zufälliger

thatsächlicher Zustand,

wenn der Herrscher nicht in Person zu

Gericht sitzt, sondern Beauftragte bestellt, welche in seinem Namen

und an seiner Statt das Recht finden: es steht bei ihm, diesen

Richter und Grricht-prrsonrn.

Zustand nach Willkür zu ändern.

Gerichttvcrfaffnng.

53

Weil jedoch nach modernen

Ansichten über Staatseinrichtungen das Gericht von der Staats­ gewalt getrennt und unabhängig sein soll, aber doch kein Unter­ than als solcher Richter sein kann, so ist man aus den Ausweg

gekommen, die sonstigen Stellvertreter des Herrschers, einmal be­

stellt, für unabsetzbar zu erklären,

dadurch den ihnen ertheilten

Auftrag zu einem ihnen gehörigen Amte zu machen und in ihrer Person eine Art von selbstständigen Magistraten zu schaffen, welche zwar nur Beamte sind, aber doch das ihnen verliehene Amt

vermöge eines ihnen zustehenden unwiderruflichen Rechts ausüben. Hieran läßt sich der Werth einer wilUürlichen Disciplinirung der

Richter ermessen.

Diese neutralisirt das Princip der Unabhängigkeit

vollständig. — Ein anderes Grundverhältniß führt auf die Wahl der Personen zu diesem Stande einer eigenthümlichen Magistratur.

Weil das Gericht die Wahrheit des zu schützenden Rechts erkennen soll, so müssen die Urtheiler das Recht verstehen.

Ist das Recht

eines Volkes zur Wissenschaft geworden, so können nur Rechts­ gelehrte zur Rechtsbelehrnng gerufen werden. der Magistratus,

Der Richter, d. h.

welcher den Rechtsausspruch thut,

muß zwar

nicht nothwendig die Wissenschaft haben, aber er kann nicht Recht sprechen, ohne sich vorher das Recht weisen zu lassen.

Ein Zu­

fälliges ist die Gestaltung der Gerichte, welchen Antheil der eigent­ liche Richter an der Rechtsfindung zu nehmen hat, ob nämlich der

Richter, selbst ein Rechtsverständiger, zugleich selbst das Recht er­ kennt, oder ob er sich solches durch Beigeordnete (Schöffen, Asses­

soren), ohne eigenes Stimmrecht, weisen lassen muß. — Dies find

im Allgemeinen die Grundverhältnisse, durch welche der Verlauf der Bildnngsgeschichte der Gerichtsverfassung eines Volkes im Wesentlichen geregelt wird').

In der einheimischen Gerichtsver­

fassung find sie deutlich wieder zu erkennen.

Im Anfänge findet

sich der Charakter des Deutschen Gerichtswesens; mit der abge­

sonderten Thätigkeit der Landesregierung

nimmt die Gestaltung

ihren eigenen Lauf, und nach einer langjährigen Verfolgung des eingeschlagenen Weges steht man auf dem Punkte, wieder umzu­

kehren.

Wir durchlaufen den Gang im Allgemeinen, von dem

Zustande bei dem Anfänge der selbstständigen Thätigkeit anfangend bis auf den gegenwärtigen Zustand, und deuten an, wohin der

Weg künftig muthmaßlich führen wird; denn da wir es mit einem I) Gärtner, a. a. O. S. 153 ff. und 169.

Erste- Buch.

54

Allgemeine -ehren,

lebenden Wesen zu thun haben, so kann dessen Geschichte nicht

geschloffen sein2).3 4 §. 36.

b. Anfänglicher Zustand. Die Mark ist der Kem des Landes.

Von ihm aus sind

die Staatseinrichtungen allmälig auch in die angewachsenen Lande

übergegangen, wennschon manche Besonderheit beibehalten worden

ist. Der Markgraf hatte, von Amts wegen, das Landesgericht in dem Umfange deS Markgrafenthums. Neben dieser ordentlichen Gerichtsbarkeit hatten aber die Geistlichkeit, die einheimischen Häupt­

linge (der Adel), und die Städte in ihrem Bereiche ihre selbststän­ dige Gerichtsbarkeit, welcher keine Sache durch das fürstliche Land­

recht entzogen werden durfte, ausgenommen int Falle der verwei­ gerten Justiz.

Daraus ist mit der Zeit ein privilegium primae

instantiae geworden ’).

An eine Unterordnung dieser Sonder-

Gerichte unter das fürstliche Landgericht in dem heutigen Sinne, wonach die Untergerichte nur Kommanditen der Appellationsgc-

richte, keineswegcs selbstständige Staatsinstitute sind, war nicht zu denken; nur im Wege der Appellation oder der Supplikation war

eine Einmischung der landesfürstlichcn Gerichte in eine vor die ländlichen Gerichte (die Stadtrechts-Gerichte hatten andere Ober­

höfe) gehörige Sache zu erwirken *).

Das fürstliche Landgericht

war, wie die Sondergerichte, ein Gericht erster Instanz in Sachen, welche nicht vor ein Sondergericht gehörten, und man appellirte

von ihm an des „Reichs-Kämmerers Kammer" zu Tangermünde. Attch die schweren Kriminalsachen standen dem Landgerichte zu, nur daß den Gerichtsobrigkeiten ihre Unterthanen nicht entzogen

2) Sehr gut von Gärtner, a. a. O. S. 173 auSgcdrückt. Dessen Ab Handlung ist hier überhaupt leitend. 3) Der LandtagS-Rezeß v. 26. Juli 1653 (der I. R. A. deS Preuß. Landes) wiederholt: „zum zwanzigsten, bei dem privilegio primae instantiae feind wir die Prälaten, von Adel und den Senatum in den Städten allerdings zu schützen, in Gnaden erbötig, und soll jede Sache zuvörderst an die unmittelbare Obrigkeit remittiret, und von derselben keine causa, eS geschehe denn in casu denegatac jnstitiae, liederlicher Weise avociret, sondern die Sachen nicht angenommen und simpliciter ad forum competens, et immcdiatum judicem remittiret werden, wie solches den vorigen Landtags - Reversen ausdrücklich gemäß ist." Ueber die älteren Reverse s. 8 ehe plitz, Consuet. March. I, 2, 3, $. 1 4) Weiter heißt eS daselbst: „Den gravatis aber wollen wir nicht allein daS beneficium appellationis, sondern auch nullitatis gnädigst conccdiren." So war eS schon lange gewesen. Eine Einwirkung durch eine astcrkluge „Belehrung" und Anweisung für künftige Fälle war undenkbar.

Richter und Genchtspersonen.

und

zur Vollstreckung

mußten«).

des

55

Gerichtsverfassung.

gefällten Urtels

überlassen

werden

Es war auch anfangs keine Behörde oder Amtsstelle

vielmehr wurde es von Zeit

zu Zeit

durch Versammlung der

Landes-Gerichts-Gemeinde — wie die Sondergerichte durch die

versammelte Ortsgemeinde — unter Vorsitz des Fürsten oder seines

Landesbeamten

gehalten«).

In den Marken spaltete

sich

das

Landesgericht dadurch, daß die geschlossene Ritterschaft nicht unter

dem Gerichtsvorsitz des Landesbeamten zu Recht stehen wollte; es entstand für den Landadel ein besonderes Hofgericht unter dem Vorsitze des Landesfürsten oder

eines Stellvertreters desselben'),

und die Schöffen desselben waren aus der Ritterschaft.

Das Land­

gericht blieb das Gericht der freien Landsassen und nahm aus Diesen seine Schöffen. Von nun an ist das Hof- und Landgericht

5) Ebendaselbst wird wiederholt (über die alteren Reverse s. Scheplitz 1. c. §. 5) zugcsichert: „zum Acht und Zwanzigsten wollen wir keinem Fiscali gestatten, denen von Adel in ihre Gerichte zu greisen, auch ihre Unterthanen ge­ fangen zu nehmen, sondern wann sie inquirirt haben, seind sie schuldig, die acta in unsere suprema tribunalia einzuschicken, und daselbstcn weitere Verordnung zu gewarten; es muß auch die Grekution vom judice ordinario, und nicht von dem Fisco, cs wäre denn summum periculum in mora, angeordnet werden." Nur in geringern Sachen trat die Gerichtsbarkeit „der Obrigkeit, so die Ge­ richte et jus primae instantia© hat", ein. Nr. 22 a. a. O. Von dieser Art ist die Criminal-Jurisdiktion der Patrimonialgerichte noch jetzt. 6) „Landgericht und Landtag", sagt Gartner a. a. O. i« st« in den prophetischen und apostolischen Schriften, denen daran« gezogenen symbolischen Büchern und der Aug«burgische» Eonfesston begriffen und versasset; und in Ehesachen da« bisher darin gebrauchte geistliche Recht gemeint (Kapitel „Wa« vor Recht"). 30) Reverse von 1538 u. 1572. 31) Kapitel „Wa« vor Sachen", und Reverse von 1534, 1538.

32) Landtag«-Rezeß vom 26. Juli 1653, Art. 17. 33) Reverse von 1534, 1538, 1572 u. 1602.

34) Cons.-Ordu., Kap. von der Supplikation.

«och, awilproze». 2. Aust.

5

Erste« Vnch.

66 4.

SUIgrmtue stehrur.

Die Französischen. Gerichte,

welche ausschließlich

für die ausgenonunenen Französischen Ver­

triebenen eingesetzt wurden, greifen nicht weiter in den Gang der

Geschichte ein.

Auch

5.

Das Kriegsgericht*»)

ist etwas Exklusives, bloß auf die Soldateska, als etwas außer der Landesgemeinde stehendes, berechnet.

Nur tritt hervor, daß

dieser Charakter noch jetzt, nachdem das Heer doch wesentlich aus

Staatsbürgern besteht, den Militairgerichten eigen ist.

Zur heu­

tigen Verfassung passen Militairgerichte in Friedenszeiten nicht.

6.

Die Hof- und Landgerichte

in der Uckermark, Priegnitz, Altmark, Stolpe und Ruppin, welche

eben so wie das Kammergericht mit Assessoren aus dem Adel wie aus dem Bürgerstande besetzt wurden, erhielten mit der Zeit Stän-

digkeit.

Sie sind die ordentlichen Gerichte erster Instanz in Civil-

und Kriminal-Sachen, soweit diese nicht von dem Gerichtszwange derselben eximirt und den Stadt- oder anderen Sondergerichten

übertragen waren, und selbst in diesen eximirten Sachen im Falle

der verweigerten Justiz.

In der Mittelmark war datz Kammer­

gericht und in der Neumark das Kammergericht zu Cüstrin zugleich das Hof- und Landgericht.

Die späteren Ober-Landes-Gerichte

hatten dieselbe Bedeutung und warm eigentlich die Fortsetzung der

Hof- und Landgerichte.

Im Jahre 1849 sind die s. g. Preisge­

richte und Stadtgerichte in deren Stelle getreten.

Die Sonder­

gerichte hatten zwar, soweit ihnen nicht die Halsgerichte und die Berechtigungen des Landgerichts in ihrem Bezirk übertragen waren, die Bedeutung der Niedergerichte, nicht aber die von Untergerichten

im Sinne der Unterwürfigkeit, in welchem Verhältnisse später die Untergerichte zu den s. g. Obergerichten standen, obwohl viele sol­

cher Untergerichte alle Merkmale und wesentliche Attribute, welche ein Gericht zu einem Obergerichte im Sinne der damaligen Zeit machten, hatten. Instanzen,ug.

Der Theorie nach war die Mark Brandenburg und der Kur-

35) Churfurstlich Brandenburgisches KrieaSrecht »der ArtikulS - Brief von 1656, SS. 33, 49, 50-52, 61, 65 (C. C. M. Ül, 1, Rr. 25),

Richter und Grrtcht-Prrsinirn.

67

Gericht-verfassung.

fürst' im Kalle des defectus juBtitiae84), und auch für bot Fall

der zweiten Appellation, der Gerichtsbarkeit deS ReichskarnmerGerichtS unterworfen; allein die Landesfürsten hatten mit Eifer den Eintritt deS Gesetzesfalles, durch Einrichtung der erforderlichen

Gerichte und bereitwillige Annahme der zweiten Berufungen, vor­ gebeugt, so daß im Jahre 1586 seit Menschen Gedenken kein Fall

der Anrufung deS Reichsgerichts vorgekommen war.

Für den Fall,

daß der Kurfürst persönlich in Anspruch genommen würde, war

durch die Uebereinkunst mit den Ständen gesorgt worden, daß der­

gleichen RechtSstreittgkeiten,

in Entstehung gütlichen Vergleichs,

durch ein AuSträgalgerichk entschieden werden sollten,

Seiten deS Fürsten Drei

seiner Räthe,

wozu von

nach Entbindung von

ihrem Amttzeide gegen ihn, und Drei autz den Ständen gewählt

und

für UefeS Schiedsgericht besonders in Eid und Pflicht zu

nehmen wärm.

WaS von solchm sechs Schiedsrichtern ausge­

sprochen werden würde, dabei sollte es sein Bewenden behalten8 7). Auf diesen Zustand gestützt8 ®), erwirkte Johann Georg vom Kai­ ser Rudolph II., am 24. Juli 1586, ein unbedingtes Privilegium de non appelllando für die Mark Brandmburg.

Die zweite Instanz bildete in dieser Zeit nicht ausschließlich das Kammergericht zu Berlin und eS gingen nicht alle Appellationen an dasselbe, sondern in der Neumark war daS Hof- und Kammer­ gericht zu Eüstrin die zwette Instanz88); und von den Urtheilen

der Ouartalgerichte und deS Hauptmanns (Hof- und Landgericht) in der Alttnark gingen die Appellationen unmittelbar an den Kur­

fürsten48); auch von den Urtheilen deS Kammergerichts

selbst,

wenn dieses als Hof- und Landgericht in erster Instanz erkannt

hatte4'), so wie von den Aussprüchen detz Konsistoriums48).

Auf

diese Appellationen wurden die Akten an die Universität zu Frank36) Golden« Bulle, ttap. 15, $. 4.

37) > Reverse «ton Jahre 1534, 1538, 1572, 1602 unb v. 11. Juni 161L ßcheplitz, Consuetud. March. L. I, P. II, Tit. 4, $. 1. 38) In dem Privilegium ist die Juftir-Tinrichtung in der Mark als Motiv ausführlich erzählt. C. C. M. VI, 1, S. 119; und Scheplitz L c. p. 548.

39) LandtagS-Rezeß v. 1653, Art. 26. Wenn in dem Privilegium de non appellando das Kammergericht zu Cölln als dasjenige Gericht bezeichnet wird, an welches zu appelliren nachgelassen, so hat damit nicht eine erschöpfende Ueberficht gegeben werden sollen. 40) LandtagS-Rezeß v. 26. Juli 1653, Art. 2b ; Chi. G. O. $. 8, Rr. 17. 41) Privilegium Rudolph II, v. 1586, PaffuS: „da sich auch je zu Zeiten zutrüge."

42) Conf.-Ordn., Kapitel von Supplikationen.

(ärftrt Buch.

68

HHgtmdnt Mftm.

furt oder an eine ausländische Universität versendet, wenn zuvor die Güte versucht worden wat43).

Eine dritte Instanz ist durch die Anfangs aus Gnaden ange­

nommenen, durch das Privilegium de non appellando als ordent­ liches Rechtsmittel anerkannten Supplikationen an den Landes­

fürsten entstanden.

Darauf fand eine bloße Revision der Akten,

ohne weiteren Rechtsprozeß, statt, es wurde mithin lediglich auf

die bis dahin gepflogenen Verhandlungen, „wiederumb mit gehab­ tem Rathe der Franksurtischen oder anderer fremden Rechtsgelehrten

und Erfahrenen", im Namen des Kurfürsten erkannt44).45 46 In47den 48

Sachen, wo schon von den Urteln erster Instanz an den Kurfürsten

appellirt worden war, wurde die dritte Instanz, „wann die Parthen noch nicht ruhig sein wollen", auch wohl durch eine Revision aller

Akten und darauf ergangener Urtel "), also durch eine ausführ­ liche Wiederholung der Supplikations-Instanz gebildet. Vergltichs-Bersuch.

Eine uralte,

sich bis auf die neueste Zeit erhaltene Eigen­

thümlichkeit des vaterländischen Prozeßverfahrens ist der damit in

Verbindung gebrachte Sühneversuch.

In der ältesten Zeit war es

Gewohnheit, daß auf Antrag der Herrschaft des Beklagten, von den geistlichen oder Landgerichten, die Sachen sechs Wochen lang zu gütlicher oder rechtlicher Verhandlung remittirt werden mußten und nur auf Antrag dessen, der sie abgefordert hatte, oder wenn

derselbe zu gütlicher oder rechtlicher Verhandlung nicht wollte ver­

helfen, wieder eingefordert werden durften4').

Auch war ausbe­

dungen, daß in den Fällen, wo von den Ouartalgerichten unmittel­ bar an den Kurfürsten appellirt (supplicirt) wurde, der Kurfürst

zuvor,

ehe

„dem

appellations posscssui sein Lauf unhinderlich

gelassen wurde", durch das Kammergericht zwischen beiden Parteien gütliche Handlung versuchen ließe 4 ’).

Die Allgemeine Gerichts-

Ordnung widmet den Vergleichsvorschlägen bekanntlich einen be­

sonderen Titel44). 43) Privilegium de non appellando u. Landtags - Rezeß v. 1653 a. a. O.

44) Privilegium Rudolph'S a. a. O. — LandtagS-Rezeß v. 1653, Art. 18. 45) Privilegium Rudolph'S a. a. O. 46) Reverse v. 1534, 1538, 1572 u. 1602; Scheplitz p. 72. 47) LandtagS-Rezeß vom 26. Juli 1653, Art. 25. 48) Th. I, Tit. 12. In dem neuesten Verfahren ist zu Bergleichsvorschlägen keine besondere Gelegenheit mehr; fie sollen bei der Klagebeantwortung und bet der mündlichen Verhandlung vorgenommen werden. S. u. $. 138.

Richter und Gericht-personen.

Gericht-verfaffung.

69

Die Richter am Ende der Periode.

In Folge des Privilegiums de non appellando hatte der

Landesherr aufgehört, in Person Richter zu sein, denn es sollte nur in seinem Namen in der letzten Instanz von unabhängigen

„Rechtsgelehrten und Erfahrenen" Recht gesprochen werden.

Die

von ihm errichteten Landes- und Appellationsgerichte warm mit

Richtem besetzt, welche nicht mehr aus eigenem politischen Rechte,

in Vertretung der Landesgemeinde, sondem vennöge des ihnen vom Fürsten verliehenen Amtes, Recht sprachen; sie, diese Beamten, waren wirkliche Richter,

nicht mehr die alten Schöffm,

dem eigenberechtigten Richter das Recht wiesen.

welche

Aber diese Setz-

Richter waren noch keinem persönlichen Dienstzwange unterworfm; sie verwalteten das ihnen verliehene Amt ohne einen unmittel­

baren Dienstaufseher und ohne persönlichen Zwang, und es war nur der geordnete Jnstanzenzug,

und die Anrufung des Ober­

gerichts wegen verweigerter Rechtshülfe die Vermittelung zur Ord­

nung Rechtens; Dienstentlassung

gerichte dagegen,

fand nicht statt.

Die Nieder­

welche nicht dem Landesherm als Gutsbesitzer

zustande», wurden noch von dem Gerichtsherrn selbst, aus eigenem

Rechte, verwaltet.

Die Aufhebung jeder politischen Selbstberechti­

gung — das Ziel des Strebens der Staatsgewalt — war also noch nicht vollkommen erreicht. Berfa hrkn.

Ehe in der angebrachten Sache verfahren wurde, hatten die Richter die Sühne mit den Parteien zu

versuchen""); mißlang

der Versuch, die Sache tw aber dabei klar geworden, so konnte

der Streit ohne förmlichen Prozeß durch einen richterlichen Be­

scheid entschieden werden»").

Geschah dies nicht, so wurde nun

die Sache „zu rechtlichem Austrage", „zum Rechtsprozeß", verwiesen und zu diesem Zwecke an die mit Rechtsverständigen besetzten Ge­ richte abgegeben, und zwar von den fürstlichen Amtlmten und dm

Gerichtsherrschaften der Dörfer an die Hof- und Landgerichte, von den Stadträthen an die Stadtgerichte1').

Die ungelehrten Richter

49) Reverse ». 1534, 1538, 1572, 1602; und Kammergerichts-Reformativ» V. 1540. — Scheplitz p. 95.

50) Nach dem Revers v. 1550 sollte dies zwar nur mit beider Theile Zu­ stimmung geschehen, doch nahm man dies nicht so genau; der unzufriedene Theil mochte gegen den Abscheid appelliren. Scheplitz 1. c., p. 96. — LandtagSRezeß v. 1653, Art. 16. 51) C. C. M. VI, 3, Nr. 3, Tit. 1. — S. o. Note 19.

70

Erstes Buch.

Allgemein« Lehre«.

waren dem geschriebenen -Rechte nicht gewachsen und mußten des­

halb der professionellen Richterkaste Raum geben. Der Kläger hatte binnen sechs Wochen nach geendigtem Ver­ gleichsversuche seine Klage schriftlich einzureichen, und der Beklagte

erhielt davon Abschrift.

Darauf hatte der Beklagte, ebenfalls

binnen sechs Wochen, seine Antwort und alle seine Exceptionell auf einmal schriftlich einzubringen; der Kläger durfte repliciren,

der Beklagte dupliciren, der Kläger redupliciren und der Beklagte

zum Schluß antworten, doch durfte er in diesem dritten Schrift­

sätze nichts Neues mehr vorbringen 5i).

Die Zeit von sechs Wochen

für die einzelnen Sätze konnte nach richterlichem Ermessen abge­

kürzt werden; wer die Frist versäumte, war pläkludirt 52 53).

Der

auferlegte Beweis war gleichfalls in sechs Wochen einzubringen,

und nach dessen Publikation konnten wieder zwei Schriftsätze dar­ über gewechselt werben54).

Nach geschlossenem Verfahren sollte

das Urtel schleunig ergehen, und die Richter sollten in der Zeit, „so sie über die Urtheil sitzen, mit keinen andern Händeln beladen

werden, sondern allein die Gerichts-Akte zu übersehen, und Urtheil zu begreifen auswarten55)". 56

Es stand aber auch im Belieben

der Richter, das Urtheil von den Fakultäts-Rechtsgelehrten einzu­ holen, wenn deshalb kein Parteien-Antrag vorlag; auf den An­

trag einer Partei mußte es unbedingt geschehen55). — Man sieht hieraus, das alte mündliche Verfahren war mit dem,

durch das

angenommene gemeine Kaiserrecht nothwendig gewordenen, schrift­

lichen Verfahren verbunden; erst wo das erstere nicht mehr zum 52) Kammergerichts-Reformation, u. Schäplitz 1. c., p. 98, 99 u. 102.

53) Ebenda, p. 103 u. 105.

54) Ebenda, p. 105. — Der schriftliche Conststorial-Prozeß war ganz der­ selbe, cs ging aber ein mündlicher Prozeß voraus, wie in de« Civilsachen, und es konnte auf das mündliche Verhör entweder definitiv, oder auf den schriftlichen Prozeß erkannt werden. Cons.-Ordn., Kap.: „Wann beide Part auf den Termin erscheinen". Die Folgen des Ungehorsams des Beklagten bestanden in der An­ nahme einer negativen LitiScontestatio». 55) Reverse von 1538, 1572 it. 1602; Scheplitz I. c., p. 108. Das ist jetzt freilich anders; jetzt find die Richter Handarbeiter; wer nicht seine Portion mechanischer Schreiberei macht, gilt nicht für brauchbar, sein Verstand und seine wissenschaftlichen Fähigkeiten haben eine» untergeordneten Werth. „Er muß mehr leisten!" heißt es. M. RechtSverfaffung I, Forts. S. 20 ff. 56) ,,— fr solle» sie —, was Recht ist, sprechen und ergehe« lassen, oder sich ans der Part Urteilgeld des Rechten über die eingelegten Acta an andcrn Oertern inner oder außer Lands erholen, und waS daselbst erkannt, den Parteien publicircii." Cons.-Ordn., Kap.: „Wann beide Parth." — Altmark. LandgerichtsOrdn., §. 5; Neumark. K. G. O. v. 1700, Kap. 13.

Richter und Gericht-personen.

Gericht-verfassung.

71

Stele führte und die Richter nicht mehr klar durchsehen konnten, trat der gelehrte „Rechtsprozeß" ein.

Geschäftsgang.

Der Kläger mußte mit Angabe seiner Sache um Ladung

bitten.

Diese wurde „decernirt" und dem Beklagten, mit Rücksicht

auf seine Entfernung, eine Tagzeit angesetzt, wo er sich einfinden

sollte. Die Ursache seiner Ladung wurde ihm angegeben, oder das

Libell des Klägers wurde der Citation eingerückt.

Die Insinuation

bewirkte ein geschworner Bote, dessen Relation darüber registrirt

wurde.

Alle Citationen sollten peremtorisch sein und gingen vom

Notarius, nach Befehl des Richters, aus. Waren die Parteien zu früher Tagzeit beschieden, so mußten sie um 7 Uhr (später um

8 Uhr), waren sie aber „zu rechter Tagzeit" erfordert, so mußten sie um einen Schlag nach Mittage in dem Vorzimmer

Räthe-Stube anzutreffen sein.

vor der

Wer ohne vorherige Anzeige der

Ehehasten nicht erschien, oder ohne Erlaubniß vom Gerichte ging,

oder zwar gegenwärtig war, aber nicht antworten wollte oder dunkel und unbestimmt antwortete, konnte des Ungehorsams beschuldigt

werden.

That dies der erschienene Kläger, der von der Tagzeit

Nachricht erhielt, so wurde der Ungehorsame in die Terminskosten verurtheilt,

in eine Strafe genommen und der „Rechtsprozeß"

wurde sofort dekretirt; demzufolge wurde dem Beklagten die Klage mit der peremtorischen Aufforderung, seine Nothdurft darauf binnen sechs Wochen einzubringen,

zugestrtigt.

War der Beklagte zum

andern Male ungehorsam, so wurde, nach Beschaffenheit des Falles,

ad primum und secundum decretum procedirt, oder der Rechts­

streit wurde pro negative contestato angenommen und dem Klä­ ger nachgelassen, seine Klage ordentlich zu beweisen; der Beweis wurde eröffnet, und darauf, was Rechtens, erkannt. Zur Eröff­

nung des Ausspruchs wurden die Parteien wieder geladen. Blieb der Kläger in dem ersten Termine unentschuldigt aus, so wurde

er in eine Geldbuße genommen und eher nicht wieder gehört, bis er die Strafe erlegt, dem Beklagten die Kosten erstattet und Kaution de prosequenda lite bestellt hatte. Waren beide Theile erschienen, so wurden sie vor versammel­ tem Gerichte vorgelassen,

mündlich verhört,

das

Vorgetragene

wurde von dem Gerichtsschreiber registrirt, und, wenn der Ver­

such der Sühne fehlschlug, auf die mündliche Verhandlung, was Rechtens, alsbald erkannt und den Parteien eröffnet, oder, wenn

Erstcs Buch.

72

Allgemeine Lehren.

der Fall wichtig und bedenklich,

der schriftliche Prozeß erkannt.

Nach stattgefundcnem Schriftwechsel wurden die Parteien wieder mit ihren Anträgen mündlich gehört,

und das darauf abgefaßte

Urtel publicirt, oder wenn es von einer Fakultät eingeholt worden, wurden die Parteien wieder zur Audienz geladen und ihnen das Urtel publicirt.

In wiefern bei diesem mündlichen Verfahren die

Oeffentlichkeit stattfand, ist nicht ersichtlich, es scheint darüber nie

eine direkte Bestimmung ergangen, vielmehr die Oeffentlichkeit mit

der Mündlichkeit allmälich von selbst erloschen zu sein. Die stehen­ den Gerichtstage bei dem Kammergericht kehrten jetzt von sechs zu

sechs Wochen wieder,

wonach sich die Prozeßftisten bestimmten;

nach Bedürfniß wurden Gerichtstage besonders angesagt und ein:

geschoben8').

Der Unterschied vom gebotenen und ungebotenen

Ding dauerte also fort, wie er noch jetzt in den ein für alle Mal bestimmten, und in den besonders angesagten Sessionen der kolle-

gialisch eingerichteten Gerichte zu finden ist, denn ein solches Ge­ richt ist nur in und während seiner Versammlung sichtbar vorhan­

den.

In der Zwischenzeit beschäftigten die Mitglieder sich mit den

Gesuchen und Anträgen (Supplikationen) der Parteien, mit den

Spruchvorträgen (Relationen) und Kommissionen, wie Zeugenver­

hören und Lokalbesichtigungen5 8). — Das Expeditions- und Schreib­ werk besorgte der Kanzler (bei dem Konsistorium der Notarius) mit seinen Gehülfen, den Sekretairen und Kanzlisten; die Rein­

schriften beglaubte er oder der Sekretair in der Eigenschaft als Ge­ richtsschreiber und Notar; später ist dessen wesentlich nöthige Unter­

schrift zur bloßen Kontrasignatur gesunken, indem der Vorgesetzte des Gerichts (Präsident oder Direktor) die Reinschriften zu voll­

ziehen hatte88).

— Richter und Beamte erhielten weder vom

57) Cons.-Ordn., Kap.: Wie die Prozeß u. ff. — Ed. wegen Besuchuiig der Audienzen zu rechter Zeit, von 1621 (C. C. M. II, 1, Nr. 20); 93., zur Verhütung einiger Unordnungen beim Kammcrgcricht und unleidlichen Getümmels in de» Rathstubcn, von 1594 (ib. Nr. 14); Ordn, der Räthe de» Kammcrgerichts, von 1562 (ebenda, Nr. 18); Kurf. Ordn, der Kanzellei, von 1562 (ebenda, Nr. 10); Edictc von 1658 (ebenda, Nr. 28 n. 29).

58) Gegen solche Zwischcnbeschäftigunge», wodurch die Richter von ihrem Berufe abgezogen wurde», machten die Landstäiidc Einwendungen. S. o. Note 55, und LandtagS-Rezeß v. 26. Juli 1653, wo es Art. 16 heißt: „Wir halten auch nützlich und gut zu sein, verordnen es auch hiermit, daß die zu den Jndicialibus verordneten Räthe sich aller Vormundschaften enthalten, und solches darumb, ut non tantum a crimine, sed et suspicione criminis immunes videantur. Die Commissiones aber müssen den Hof- und EammergerichtS - Räthen, wenn die Sachen zum mündlichen Verhör viele zu weitlaufsig fein, nothwendig aufge­ tragen werden. —" 59) In dem neuen Prozeßverfahren hat man angefangen, davon theilweife

Richter und Gericht-personen.

73

Gerichtsverfassung.

Fürsten noch vom Lande einen Sold,

sondern bezogen für ihre

Amtshandlungen Sporteln und die Prozeßstrafen’°). In den übrigcn Reichslanden

war im Wesentlichen die Einrichtung dieselbe.

In Pommern

bestanden Hofgerichte in Stettin und Stargard; die Burggerichte und der Magistrat zu Stettin waren für gewisse Niedergerichte

die Appellations-Instanz, der letztere sogar in gewissen Sachen die dritte Instanz.

Im Ravensbergischen bestanden Gohgerichte in

erster Instanz, ein Hauptgericht zu Bielefeld, später eine Regierung zu Minden für die zweite Instanz, und überdies ein, den 29. April

1693 unter der Benennung des Ravensbergischen Appellations­ gerichts

eingerichtetes,

supremum judicium

appellationis.

In

dem Fiirstenthum Meurs eine Regierung daselbst; für die Graf­ schaften Lingen und Tecklenburg eine Regierung zu Lingen, und außerdem ward, nach Erlangung des privilegii de non appel-

lando, den 2. Oktober 1709 das sog. Orangische Tribunal als Obergericht für Meurs, Tecklenburg und Lingen eingerichtet"').

Für Cleve und Mark bestand eine Regierung zu Cleve, für Gel­ dern ein Justiz-Kollegium zu Geldern, und in Magdeburg und

Halberstadt bestanden ebenfalls Regierungen als fürstliche Territo­ rialgerichte.

Alle diese Reichsländer waren zu Ende dieser Periode

noch in unbedingter Abhängigkeit

von der Reichsgerichtsgewalt.

Aber König Friedrich I. erlangte

für dieselben von dem Kaiser

Leopold am 16. December 1702 ein auf die Summe von 2500

Goldgulden in petitorio beschränktes privilegium de non appellando"2), ein Ereigniß, wodurch das Ziel des Strebens, nämlich völlige territoriale Geschlossenheit der Rechtspflege und ausschließ­ liche oberstrichterliche Gewalt, als Hauptgrundlage einer vollkom­ menen Souverainität, bedeutend näher gerückt wurde.

Dieses Er­

eigniß machte aber auch eine höchste Richteranstalt für diese Lande nothwendig.

Einstweilen wurde die Entscheidung der dahin gehö-

«ikder abjligehen, indcm man den Erpedirnten die Beglaubig»»« der Ladungen übertragen hat. 60) Die Sporteln flössen in eine gemeinschaftliche Kaffe und wurden vertheilt. Bergt. Landtags-R. v. 1653, Art. 16. — K. G. O. v. 1516; QuartalGerichtsordnungen; Cons.-Ordn., Kap. von des Bekl. und des Kl. Ungehorsam; Kap. von den Strafen. a

61) C. C. M. n, 4, Nr. 30, 2. Beil., S. 55; 1. Anh. Nr. 1, S. 107. 62) 0. C. M. n, 4, Nr. 1. ebenda, Nr. 68.

— Ueber den Werth des Goldgnlden, flehe J

dqtet Bich.

74 rigeit

MgraKHW ich«».

Sachen dem Geheimen Justiz-Rathe übertragen"); t$

wurde aber noch im Jahre 1703 7.

DaS Oberappellationsgericht,

auch Tribunal genannt, nach dem Vorbilde des Schwedisch -Pommerschen Tribunals zu Witzmar, eingerichtet'«), und mit 1 Präsi­

denten und 6 Assessoren besetzt; als Subalternen wurden 2 Se-

cretair« oder Protonotarien, die zugleich die Registratur zu versehen hatten, 2 Kanzlisten und 1 Bote beigegeben.

Später (1716) wurde

damit das Ravensbergische Appeüationsgericht und das Orangisch« Tribunal vereinigt").

Dem neuen Lberappellattonsgericht ward

die Aktenversendung verboten"). Mit dieser Einrichtung war nun auch die Unterordnung der

einzelnen Landesgerichte und Regierungen, welche bisher nicht un­ ter einer Centtalstelle im Stammlande gestandm hatten, unter ein am Hofe des Fürsten befindliches gemeinschaftliches Obergericht

entschieden"), und dadurch der Grund zu der spätem, sämmtliche

Landestheile umfassenden Gerichtshierarchie gelegt worden.

Die

Einrichtung geschah auf Landeskosten, und die Mitglieder wurden

lediglich vom Landesherrn auf Sold angestellt"). Ju Preußeu

findet sich am Schluffe dieser Periode noch eine vollkommene Zu­ sammenhangslosigkeit mit den übrigen Besitzungen des Landesherrn.

Die Untergerichtt bestanden, ganz so wie in den Deutschm Län-

dem, auö städttschm Gerichten, landesherrlichen Pattimonialgerichten (Domainen-Justizämtern) und adligen Pattimonialgerichten.

Altz Landesgerichte findet man eine gwße Anzahl kleiner JustizKollegien unter der Bmennung von Aemter-Justiz-Kollegien und

Erbämtern; die letzter» waren Eigenthumsgerichtsbarkeiten gewis­ ser Familien.

In Königsberg war das entsprechende Gericht daS

63) K. O. v. 13. August 1703 (Hymnien VT, S. 229).

64) 3t. O. vorn 14. Juli 1703 (ebenda, S. 227). — Jnterim«-Ordn. für di» Regierungen zu Magdeburg, Cleve, in Pommer», zu Halberstadt, Minden, vom 28. November 1703 (C. C. M. II, 4, Nr. 3); und vorläufige Instruktion an da» Ober-Appellation-gericht, vom 4. December 1703 (ebenda, Nr. 4).

65) R. O. v. 1. Juli 1716 (C. C. M. U, 4, Nr. 37). 66) Jnftr. v. 4. December 1703 (ebenda, S. 9). 67) Manch« Regierungen, namentlich die Clevisch«, wollten sich Anfang» nicht fügen. R. O. ». 14. Mai 1704 (ebenda, Nr. 18): u. R. O. v. 12. Oder. 1706 (Hymmen VI, S. 235 ff.) 68) 3t. O. v. 10. Octbr. 1703 (Hymmen a. a. O., S. 232)

Richter und Gericht«perso»en.

-kricht-verfaffung.

75

Ober-Bmggrasta-Amt* Für die Eriminal-Justiz bestatck ein Hof-HalSgericht zu Königsberg. Als Obergericht findet fich ein

Hofgericht daselbst"), uitb für die Appellations - Instanz ein Tri­ bunal. Die Revision ging an dm König, der daS ergehende Urtel auch selbst unterschrieb. Zweite Periode. In dem Zeitraume von Publikation der revidirten Kammer­ gerichtsordnung, vom 1. Mai 1709, bis jetzt, tritt eine mtschiedene Veränderung deS Charakters der Geschichte unserer Justiz­ verfassung ein. DaS Pflichtgefichl der Staatsgewalt zur RechtSgewährung, schon in der vorigen Periode als Beruf zur Justiz­ verwaltung aufgefaßt, steigert sich bis zum Justizeifer. Zweck ist

nicht mehr Ordnungsmäßigkeit der Rechtspflege allein, sondern auch Schleunigkeit derselben und objective Wahrheit der Rechtssprüche, womü das Stteben nach Gleichförmigkeit der Richtersprüche zusammmhängt. Mittel find: vollkommene Beseiti­ gung der politischen Selbstberechtigung zum Rechtsprechen; wissen­ schaftliche Fähigkrtt und reine Beamtenqualität aller Richter; per­ sönliche Unterordnung derselbm unter eine DiSciplinargewalt und Anwendung eines DimstzwangrS gegm die Person; ein überall gleichförmiges Prozeßverfahren, und Einwirkung der Richter auf den Gang und Betrieb deS Prozesses selbst gegm dm Willm der Parteien; und Herstellung einer gehörig gegliedertm Gerichtshier­ archie durch das ganze Land. Die Verpflichtung der Staatsge­ walt zu der Thättgkeit in der aufgefaßtm Weise ist die Berechti­ gung zu dm für zwrckdimlich gehaltenm Mitteln *). Das Jahr 1748 führt eine Krise herbei und theilt die Periode in zwei Abschnitte. BiS 1748 tteten folgende Ereignisse hervor:

1.

Die Verbesserung deS Kammergerichts.

Die nach dem Dorbilde der Sächsischen Ordnung von 1587 und 1589, der Halberstädtischen Kanzleiordnung von 1583 und 69) Regl., wegen künftiger Einrichtung de« JuftijweseaS in Oft- und West­ preußen und Lttthauen, v. 3. Decbr. 1781 (Rabe I, 6, ®. 542). 70) Pat Wege» Publ. de« verbesserten Landrecht«, v. 27. Juni 1721. 1) -Di« schlimme Justiz schreiet gen Himmel, und wenn ich« nicht remedire, so lade ich selber di« Berantwvrtnng auf mich/ schreibt König Friedrich Wilhelm L de» Kommissarien zur Abfassung einer besser» Prozeßordnung, al« er ihnen di« Beschlrunigung «inschärst«. Hymmea, Bd. II, G. 272.

Erste- Buch.

76

Allgemeine -ihr«».

der Reichskammergerichtsordnung neu verfaßte Kammergerichtsord­ nung von 1709 ging noch davon aus, daß die Mitglieder des Kammergerichts Repräsentanten der Landesgemeine sein sollten; sie verordnete, daß das Gericht mit einem Präsidenten und zehn Räthen, die Hälfte vom Ritterstande, besetzt sein und Montags,

Mittwochs und Freitags Sitzung halten solle.

Die bald folgende

allgemeine Ordnung vom 21. Juni 17132)3 bestimmte

für alle

Berliner Gerichte die Zahl der Prokuratoren auf 24 und die der

Advokaten auf ebensoviel. Umformung.

Im Jahre 1738 erfolgte eine neue

Man theilte das Kammergericht in drei Senate und

besetzte es mit einem Präsidenten, einem Vicepräsidenten, einem

Director, zehn ordentlichen besoldeten Räthe»», fünf auf der adligen und fünf auf der gelehrten Bank, und mit sechszehn außerordent­

lichen Räthen.

Der Erste Senat, bestehend aus einem Präsiden-

ten, fünf Räthen auf der adligen Bank, und dem Director mit

zwei Räthen auf der gelehrten Bank, hatte aus den distribuirten Akten die Urtel abzufassen; der Zweite Senat, bestehend aus zehn mit jenen alternirenden Räthen, war bestimmt, diejenigen Sachen

zu behandeln, welche der Erste wegen Menge nicht hatte erledigen sönnen.

Der Dritte, aus dem Director und neun Räthen beste­

hend, behandelte alle kleinen Sachen, die ohne Advokaten mündlich vorzutragen waren, und die Criminalsachen *).

Doch auch diese

Einrichtung genügte nicht, und eine neue Revision der Kammer­ gerichtsordnung ward angeordnet 4).5

2.

Die Judenkommission,

ein Sondergericht für die Juden und deren Sachen, errichtet ge-

»näß Verordnung vom 23. November 1708s), bestehend aus einein Director und aus drei Hof- und Kammergerichtsräthen. Äorher hatte der Generalfiskal und Hausvoigt die Judensachen bis

zum Belauf von 100 Thlrn. erledigt. 3.

Das Kriegs-, Hof- und Kriminalgericht,

welches an Stelle des Hofrichters im Jahre 1718 als ein un­

mittelbares Kollegiuin für Verwattungs- und Sttaffachen, auch für

2) C. C. M. n, 1, Mr. 131. 3) R. v. 19. Mai 1738 (C. C. M. Cont. I, Mr. 23). 4) ft. O. vom 9. April 1740 und vom 22. Juni 1741 (Hyrnrnen, Bd. II, E. 275, Molt 5 und S. 276, Mote 1). 5) C. C. M. n, 1, Mr. 117.

Richter und Grrichttprrsonni.

Grrichttvrrsaffung.

77

Militairpersonen, eingerichtet und außer dem Vorsitzenden Staat-minister mit vier Räthen und einem Hausvoigt besetzt wurde').

Im Jahre 1738 trennte man das Kriegsgericht, das sich später in das Generalauditoriat umwandelte, davon wieder, und das Hof-

und Kriminalgericht ging an das Kammergericht übtr6 7).8 9 10 4. Das Kriminal-Kollegium

war dazu bestimmt, Urtel auf Kriminal-Akten,

welche man an

dasselbe wie an inländische Juristenfacultäten und Schöppenstühle zum Spruch versenden konnte, abzufassen *).

5. Das Oberappellationsgericht

erhielt in diesem Zeitraum keine veränderte Bestimmung.

Die Re­

visions-Sachen aus Preußen wurden ihm zwar durch eine Ver­ ordnung vom 9. November 1731 zugewiesen, doch nur um einen

Urtelsentwurf zu machen, der an den König zur Unterschrift ein­ gesendet werden mußte'); eine Verhandlung fand daher in diesen Sachen vor dem Appellationsgerichte nicht statt.

Zur Verhand­

lung der aus den Deutschen Provinzen, außerhalb der Mark Bran­ denburg, an dasselbe

gelangenden Appellationssachen waren bei

ihm eine Anzahl Sachwalter, Prokuratoren und Notarien ange­

stellt.

Das Verfahren hatte nichts Besonderes. 6.

Der Richterstand.

Die gelehrte Rechtsbildung ist, wenigstens bei den Landes­ gerichten und Obergerichten, unbedingtes Erforderniß zur Befähi­

gung, Richter zu sein, und die politische Standesberechtigung tritt

zurück,0).

Nach dem Vorbilde des Reichskammergerichts war schon

von dem letzten Kurfürsten Friedrich verordnet worden, daß, da­ mit das Kammergericht mit guten qualificirten und rechtsverstän­ digen Subjecten besetzt werde, und man von den dazu erforderli­

chen Qualitäten genugsam versichert sei, künftig, bei Ersetzung einer vacanten Stelle, der Kompetenten Qualitäten jedesmal vorher ex6) V. ». 8. Aaguft 1718 (C. C. M. n, Nr. 172, 245).

7) D. ». 19. Mai 1738 (C. C. M. Cent. I, Nr. 23). 8) B. ». 29. Avril 1720 (C. C. M. ll, 3, Nr. 41).

9) C. C. M. H, 4, Nr. 62.

10) „Wollen wir uns insonderheit — mit höchstem Fleiße und äußerster Sorgfalt angelegen sein lassen, — unser Kammergericht allhicr zu Cölln an der Spree, und Reumarkische Regierung ru Cüftrin, jederzeit mit qualificirten Per­ sonen zu besetzen." LandtagS-R. v. 1653, Art. 16.

78

Erstes Buch.

Allgeimine Lehren.

plorirt, sie zur Mstattung einer Relation, welche sie ohne fremde

Beihülfe verfertigt zu haben an Eides Statt anzugeloben hätten, angewiesen und nach Abstattung der Relation von dem Kammer­ gerichte examinirt werden sollten1 >).

Doch

hat dieses Examen

keineswegs die politische Bedeutung wie bei dem Reichskammer­ gericht.

Die Kandidaten hierzu wurden von den Reichsständen

nur präsentirt und das Reichskammergericht wählte sein Mitglied

durch die Prüfung, übte mithin in der Form der Prüfung ein

Mitwahlrecht aus, wodurch ihm die unentbehrliche Selbstständig­ keit eines Reichsgerichts gesichert ward.

In diesem Sinne hat

die Prüsimg bei den inländischen Gerichten niemals stattgefunden. Die Wahl traf der Landesherr, und von den Gerichten gingen

nicht einmal die Vorschläge aus; erst nach der Approbation der Kandidaten hatte Jeder eine Probe-Relation zu machen, die von dem Gerichte nur recensirt würbe11 12); 13 14 es 15 kam selbst vor, daß erst nach Ertheilung des Patents eine Probe-Relation geliefert, auch

daß davon ganz dispensirt wurde'2).

Im Verlaufe der Zeit ist

dadurch, daß die Prüstingen lange Zeit im Voraus, ehe der Kan­ didat noch weiß, um welches Amt er sich bewerben wird, und von

ganz andern Autoritäten, als von den Gerichten, wo der Geprüfte angestellt werden soll, geschehen'*), die Prüfung in der in Rede ste­

henden Hinsicht ganz bedeutungslos geworden.

Aber eine ganz be­

sondere Kaste im Juristenstande, ausschließlich bestimmt zur Recrutirung der Richter, hat sich durch die von der Staatsbehörde eingerichtete Kandidatur gebildet.

Der Anfang dazu ist die schon zu Anfang

dieser Periode vorkommende Anstellung von außerordentlichen Mit­

gliedern bei den Obergerichten'2).

Diese „Extraordinarii“, auch

11) V. v. 22. August 1693 (C. C. M. II, 1, Nr. 79). 12) Pat. wegen Pnbl. des Pr. Laudr., v. 27. Juni 1721, I, Nr. I—III. 13) Hymmen, Beitr. Sammt. III, S. 153; und «Sammt VI, S. 259.

14) Allg. Ordn. v. 21. Juni 1713, §.23 ; R. v. 23. Septbr. 1717. — 6b. v. 9. Deebr. 1737 wegen Erarninis der Justizbedientcn (C. C. M. II, 1, Nr. 163). — Regl, ietr. die Errichtung einer besondern Jmmediat-ExaininaiionsKommisston, v. 12. u. 19. Novbr. 1755 (N. C. C. Tom. I, S. 891 u. 895). — K. O. v. 17. März 1833 (G. S. . S. S. 186).

Richter und Gericht-personen.

153

Gericht-Personen.

Supernumerarien') und Applicanten?) für den Subalternendienst; theils solche, welche den Gerichtsdienst, soweit derselbe nicht in

richterlichen Handlungen besteht, zu verrichten haben.

Man nennt

solchen Dienst den Subalternendienst, und die Klasse von Gerichts­ personen, welche dazu bestimmt sind, Subalternenbeamten»).

Sie

fallen in zwei Klassen: in höhere Subalterne und in Unterbediente. Zu den Erstern gehören die Biireanbeamten41),52 63als: Expedienten»), Actuarien, Registratoren, Kanzlisten und Kopisten; die Kassenbe­

amten») und die Kalkulatoren; zu den Andern die Botenmeister, Executoren, Boten»), Actenhefter, Actenträger und dergleichen.

1) Ueber die Aunchmunq und Qualifikation: K. O. vom 31. Octbr. 1827, Nr. 9 (Jahrb. Bd. XXXII, 'S. 298); K. O. vom 19. Octbr. 1828 (ebenda); R. vom 29. Decbr. 1828 (ebenda, S. 303); R. vom 27. April 1829 (Jahrb. Bd. XXXIII, S. 357); R. v. 22. Novbr. 1836 (Jahrb. Bd. XLVIII, S. 478), u. o. §. 55, Anm. 6. 2) Die Applikanten unterscheiden sich von den Supernumerarien nur in den Erfordernissen zur Aufnahme uiib in der Anstellungsberechtigung.

3) K. O. vom 31. Decbr. 1827, das Verfahren bei Anstellung der Sub­ alternen bei den Justizbehörden betreffend (G. S. für 1828, S. 6). S. o. §. 55, Anm. 6. — Langner, kurze Anweisung zur Geschäftsführung für die Sub­ alternen bei den Königl. Ober- und Untergerichten. Berlin, 1830. — Sieke, Lehrbuch des subalternen Civildienstes. Berlin, 1835. — Der Preuß. Subalternen-Offiziant, oder Sammlung der die Anstellung, Beförderung, Besoldung, Pcnsionirung und übrigen Verhältnisse der höheru und niedern Subalternbeamten betreffenden Vorschriften. 2te Aust. Torgau u. Leipzig, 1834. — Alker, Hand­ buch zur Vorbereitung und zum praktischen Gebrauch für preuß. Juristen und für preuß. Juftiz-Subaltern-Beamten u. s. w. Lissa, 1844^6. — Es giebt noch einige Druckschriften über den Gegenstand von geringerem Werth und zum Theil auch veraltet. Keine von allen genügt den Ansprüchen vollständig. Im Jahre 1847 erschien eine Schrift in Eilenburg, von Bechstein, unter dem Titel: der Preußische Eivil-Subaltern-Beamte, in 17 Abtheilungen. Ferner: C. F. Schmidt, Anleitung zur schnellen Ausbildung im höhern Justiz - SubalternDienst. 2te Aust. Sorau, 1850. Doch auch dadurch wird ein gründliches Handbuch für die Justiz-Subaltern-Beamten nicht überflüssig.

4) Geschäfts-Reglement für die Subaltern-Bureau's der Königl. Gerichte vom 3. August 1841. — A. G. O. Th. IN, Tit. 5, §§. 4-69. 5) Eossmann, der Erpcdient in gerichtlichen Angelegenheiten. Berlin, 1829. — Terlinden, praktische Anleitung zum Dekretiren und Erpediren nach den Grundsätzen der neuern Preuß. Gesetze. Halle, 1805. Der Buchhandel bietet noch verschiedene andere derartige Formularbücher, von welchen keines ganz befriedigt. Auch die in der Anm. 3 genannten Schriften gehören hierher. 6) A. G. O. Th. HI, Tit. 5, §. 70. — Es ist zwar ein „Lehrbuch zur Vorbereitung auf das Gramen als Kaffenrendant, Kaffenkontroleur , Kassenbuch­ halter, Kassirer Kaffenschreiber, Kaffendiener, Kalkulator," Glog au, 1833, vorfyinfcai; doch ist seitdem nicht bloß das Verfahren bei der Verwaltung der genchtllchen Salancnkaffen durch die sogenannte Posener Anweisung und eine Menge spaterer Zusätze und Abänderungen gänzlich, sondern auch die'DepositalVerwaltung tit manchen Stücken verändert. Ein brauchbares Handbuch für die Gerichts - Kaffen - Beamten fehlt. Jur Vereinfachung dieses Kaffendienstes ist in der letzten Zelt manches geschehen. M. s.: Instruktion zur Verwaltung der ge­ richtlichen Salarien-Kaffen vom 10. Novbr. 1851. Nebst Formularen und An­ lagen. Amtliche Ausgabe. Berlin, 1851. Ferner: Instruktion zur Anfertigung

Dritter Abschnitt. Zuständigkeit (Kompetenz) der Gerichte. §• 58.

I.

Begriff von Kompetenz und Gerichtsstand. Zuständigkeit oder Kompetenz

des Gerichts (compe-

tentia fori) ist das Recht des Richters, gerade in der vorliegenden

Sache richterlich zu handeln; sie ist bedingt durch den Gerichts­ stand der Person oder Sache, auf welche die richterliche Handlung sich bezieht, und bestimmt sich in der Regel nach der Person des

Beklagten >), wenn nicht der Gerichtsstand der Sache in Betracht kommt2* ).1

Gerichtsstand heißt das Zustandsrecht einer Person,

vor einem bestimmten Gerichte zu Recht stehen zu dürfen und zu müssen; dann bedeutet es auch den Gerichtsort, das zuständige

Gericht (forum) selbst.

n. Verschiedenheit der Gerichtsstände. A. G. O. I, 2. — Cod. Theod. de jurisdictione et ubi quis conveniri debeat (II, 1); D. de judiciis et ubi quis agere et conveniri debeat (V, 1); Cod. de jurisdictione omnium judicum et de foro competenti (HI, 13); Decretal. de foro competenti (II, 2). — Bielitz, über den verschiedenen Gerichtsstand. Leipzig, 1801. — Scaccia, tractatus de judiciis causarum civilium, criminalium et haeredum. II Vol. fol. Colon. 1765. §■ 59.

1.

Eintheilung derselben.

Die allgemeinste Eintheilung der Gerichtsstände ist die in ordentliche (Fora ordinaria) und in außerordentliche (Fora extraordinaria).

1. Ordentliche Gerichtsstände sind diejenigen,

der Jahres-Rechnungen und der Quartal-Abschlüffe der gerichtlichen SalarienKaffen, vom 1. März 1852. Nebst Formularen und Anlagen. Amtliche Ausgabe. Berlin, 1852. — Wegen Anstellung der Kaffenrendantcn s. K. O. v. 31. Dccbr. 1827, Nr. 1 (G. S. für 1828, S. 6): R. vom 2. Septbr. 1832 (Jahrb. Bd. XLII, S. 149). 7) A. G. O. Th. III, Tit. 5, §§. 72—104. - Bühl, Handbuch für Ge­ richtsboten und Erekutoren in den Prcuß. Staaten. Essen, 1826. — Cossmann, Lehrbuch für Boten und Erekutoren bei den Preußischen Gerichtshöfen. Berlin, 1829. — Mehrere von verschiedenen Obergerichten gegebene Instruktionen für die Boten und Erekutoren. 1) Actor sequitur forum rei. A. G. O. I, 2, §. 1 u. 8. — L. 2, C. de jurisdict. omnium jud. (III, 13); L. 3, C. ubi in rem actio (III, 19). 2) Hier heißt die Regel: actor sequi debet forum causae. L. 3 eit. C. - A. G. O. a. a. O. §§. 1,4,111.

Richt« und Gmchttpersonkn. Juständigtkit btr Gerichtk.

155

welche durch das Gesetz für den Ort, Bezirk oder für gewisse

Klaffen von Personm oder

von Sachen bestimmt sind»).

Die­

jenigen ordentlichen Gerichtsstände, welchen im Allgemeinen alle

Eingesessene des Bezirks oder Orts zugewiesen sind, heißen all­

gemeine (fora ordinaria generalia); solche ordentliche Gerichts­

stände aber, welche in dem Bezirke für gewisse Angelegenheiten

oder Sachen bestimmt sind, nennt man besondere (Fora ord. specialia5); diejenigen, welche für gewisse von dem allgemeinen

Gerichtsstände ausgenommene5) Klassen von Personen oder Gegen­ ständen bestehen, heißen befreite Gerichtsstände (fora ord. privilegiata ratione personarum — rat. causarum).

2. Außer­

ordentlich ist der Gerichtsstand, welcher für eine einzelne Rechts­ sache, aus einem besonderen Grunde, eintritt, obwohl dieselbe sonst

vor ein anderes Gericht gehören würde. 2.

Ordentlicher Gerichtsstand.

§. 60. a) Allgemeiner Gerichtsstand. Der allgemeine Gerichtsstand wird begründet: 1. durch den

Wohnsitz (Forum domicilii5 *).

und müssen in der Regel5)

In diesem Gerichtsstände können

alle persönliche Klagen angebracht

werden, daher er auch der persönliche Gerichtsstand heißt»); dingliche Klagen dürfen daselbst angebracht werden, wenn auch der Gegenstand in

einem

anderen Gerichtsbezirke

Dieser Gerichtsstand nimmt Wohnsitzes.

2.

gelegen ist5).

ein Ende mit der Aufhebung des

Durch den Ort der Herkunft (Forum originis),

so lange Jemand noch keinen eigenen Wohnsitz genommen hat5).

3) Ebenda, $. 2. 4) Ebenda, $. 6. 5) Wer au-nahmSweise einen andern als den allgemeinen Gerichtsstand haben will, muß die Ausnahme beweisen. A. G. O. a. a. D. SS- 5, 110. 5 a) A. G. O. a. a. O. $$. 3, 8—12. — Ueber die Errichtung des Wohn­ sitzes: Preuß. Privatrecht Z. 219. — Gesterding, vom Gerichtsstände des Wohnorts; in den Nachforschungen, Bd. UI, S. 33 ff. 6) Ausnahmen sind alle die Rechtssachen, welche einem besondern Gerichts­ stände zugewiesen find. 7) A. G. O. a. a. O. $$. 3, 9 u. 112. 8) Ebenda, $$. Hl—113, 115. — L. 3 C. ubi in rem actio (III, 19); L. un. C. ubi de hercditate agatur (III, 20); L. 29, $. 4 D. de inoff. test. (V, 2). — L. 10, 11 D. de rei vind. (VI, 1). 0) A. G O. a. a. O. $. 17. In der römischen Bedeutung kommt daS formn originis nicht mehr vor. Jeder CiveS konnte nämlich, wenn er in Rom angetroffen wurde, daselbst wie in seiner Heimath belangt werden, er mochte

Erst»« Buch.

156

Allgtwtm« Lrhrm.

Dieser Gerichtsstand wird nicht durch die Geburt an einem ge­ sondern für legitimirte und angenommene Kinder,

wissen Orte,

sowie für Kinder aus einer Ehe zur linken Hand, durch den Wohn­

sitz des leiblichen und Adoptiv-Vaters1 °), und für uneheliche Kin­

der durch den Wohnsitz der Mutter1') begründet.

Er geht ver­

loren durch eine über drei Jahre dauernde Entfernung aus dem­ selben").

3.

Durch den Ort des Aufenthalts: a) wenn man

keinen Wohnsitz hat und auch den Gerichtsstand der Herkunft ver­

loren, oder den Ort seiner Herkunft nicht kennt"); b) wenn man Vagabunde, im rechtlichen Sinne, ist'*); c) wenn man Ausländer

ist, und weder im Inland noch in einem Deutschen Bundesstaate, einen bestimmten Wohnsitz genommen hat''); . 2, $. 1 u. Landfr. v. 1466, $. 8) wird Aus­ schließlichkeit angenommen. Die gemeinrechtliche Prari- folgt jedoch meisten« dem R. R., und die Preuß. Recht-bestimmung ist eben au- dieser Prari- ent­ nommen. Trümmer, de foro rei sitae non exclusive, Heidelb. 1814. — 3o Ansehung de« Erbrecht« hat man darüber nach Pr. R. gestritten, da« Ob.-Tr. hat aber den Grundsatz anerkannt und angewendct. Pr. 2493, vom 21. Decem­ ber 1853.

Richter und Gerichtspersouen.

Zuständigkeit der Gericht«.

159

§. 62. bb) Gerichtsstand vertragsmäßiger Verbindlichkeit (sorum contractu■). Linde, über den Gerichtsstand vertragsmäßig eingegangeuer Verbindlichkeit; im

Archiv für civil. Praxis, Dd. VII, S. 59 ff.; und in den Abhandlungen aus dem deutschen gemeinen Civilprozeß, Bd. II, S. 75. — S. auch Schirach, Beiträge zur Anwendung des Rechts (Hamburg 1822),

Abhandl. 10. —

Bethmann-Hollweg, Versuche (Berlin u. Stettin 1827), S. 1 ff. —

Briel, Gerichtsstand aus persönlichen Verbindlichkeiten. Eine gekrönte PreiS-

München 1828. — Ayrer, de foris obligationum, commenta-

schrist.

tio praemio ornata.

Götting. 1833. — Hellmuth, über die Gerichts­

stände persönlicher Verbindlichkeiten.

München

1836.

— Vorzüglich aber

Mühlenbruch, über das forum contractu»; im Archiv für civil. Praxis, Bd. XIX, S. 338 ff.

I.

Gerichtsstand vertragsmäßiger Verbindlichkeiten (forum

contractus s. contractae obligationis) heißt das Gericht des Orts,

wo ein Vertrag geschlossen ist oder erfüllt werden soll. Die Preu­

ßische Gesetzgebung stellt ihn zwar unter die außerordentlichen Ge­ richtsstände •);

doch ist er eine Art von forum speciale und in

sofern alle fora specialia Ausnahmen von der Regel:

actor se-

quitur forum rei, sind *), kann man sie wohl auch außerordent­

liche Gerichtsstände in der allgemeinsten Bedeutung nennen, ohne daß damit der Wissenschaft ein Gesetz gegeben ist.

Dieser Gerichts­

stand bezweckt die Beförderung des gemeinen Verkehrs und beruhet

auf dem daraus fließenden Grundsatz, daß wer an einem von seinem

Wohnsitze verschiedenen Orte Geschäfte treibt, daselbst auch wegen der daraus entstehenden Verbindlichkeiten zu Recht stehen muß').

Die ältere Preußische Gesetzgebung entspricht nicht vollständig die­ sem Grundsätze, doch ist sie der gemeinen Meinung ihrer Zeit schon

bedeutend voraus; die neuere Gesetzgebung ist darin etwas weiter gekommen.

1.

Verbindlichkeit

Der Gerichtsstand des Kontrakts ist da, wo die nach der Verabredung erfüllt werden soll,

oder,

wenn es an der Ortsbestimmung fehlt, da, wo der Vertrag per­

fect geworden ist4); dieser Gerichtsstand setzt aber, nach seinem Zwecke, voraus, daß der in Anspruch zu nehmende Theil zu der

1) 3. ®. O. a. a. O. 8. 148. 2) Mühlenbruch, a. a. O. S. 386 ff. 3) L. 19, $$. 1 u. 2 D. de jedicii« (V, 1). — Mühlenbruch a. a. O. 4) a. ®. O. a. «. O. $. 149. — L. 19, $$. 2, 4 D. de jud. (V, 1); L. 3 D. de rtbus au et. jud. (XLII, 5); L. 21 D. de obl. et act. (XLIV, 7). — L. 17 C. de fide Instrument. (IV, 21). — Eine Anwendung dieseö GcrichtrstandeS auf die Entscheidung-klage ist A. ®. O. 8.129 a. a. O.

Erste» Buch.

160

Allgemeine Lehre«.

Zeit sich an dem Orte des Kontrakts anwesend befinde').

2. Nicht

allein auf Erfüllung, sondern auch auf Aufhebung •) des Vertrags, und zwar von jedem Theile,

contraria,

sowohl actione directa als auch

kann in diesem Gerichtsstände geklagt werden,

wenn

für die actio contraria die Voraussetzung der Anwesenheit vor­

handen ifp).

3.

Es tritt clective Concurrenz

dieses Gerichts­

standes mit dem ordentlichen persönlichen und beziehlich dingliche»

Gerichtsstände ein, ohne Unterschied, wenn auch ein Zahlungsort

zum Vortheil des Beklagten bedungen ist").

4.

Ein befreiter

Gerichtsstand schließt den besondern Gerichtsstand des Kontrakts zwar nicht aus, doch ist das den Verhältnissen des Beklagten ent­

sprechende Gericht des Orts oder Bezirks das zuständige •). 5. Die

Erben sind nicht schuldig diesen Gerichtsstand anzuerkennen, wenn

nicht bei ihnen selbst die Voraussetzung zutrifft,

Geschäftszwecken

an

dem

ftaglichen

II. Specien dieses Gerichtsstandes sind:

Orte

daß sie sich zu

antreffen

lassen"').

1. Der Gerichtsstand ge­

führter Verwaltung (forum gestae administrationis)1 *), welcher dadurch, daß man unter einem Gerichte fremdes Gut oder Ver­

mögen in Bewirtbschaftung oder Verwaltung nimmt,

wird12).

begründet

Ist die Verwaltung von einer Behörde, welche Gerichts­

barkeit hat, aufgetragen,

so ist diese das zuständige Forum;

ist

aber die Verwaltung aus eigener Bewegung oder auf Ansuchen

5) R. G. O. §. 150. Damit ist der Meinungsstreit btt gemeinrechtlichen Schriftsteller über bicft Frage ganz sachgemäß und folgenrichtig entschieden. Tine Ausnahme macht auch da» Prcux. EinführungSges. vom 15. Febr. 1850, $• 6, in Ansehung der Wechselklagen. 6) $• 151 das. — Auch darüber streiten die Gelehrten de» Gem.Recht»; für da» Gegentheil beruft man sich auf L. 2 C. ubi et apud quem (II, 47).

7) Außerdem sind die Gründe der gemeinrechtliche» Schriftsteller für die Zulässigkeit nicht treffend. 8) $. 152 a. a. O. — Ist gleichfall» streitig »ach Gem. Recht.

9) $. 153 ebenda. — L. 36 8 1 D. de jud. (V, 1). In Beziehung auf die Geistlichen ist c» »ach Gem. Rechte streitig: ob der befreite Gerichtsstand den de» Kontrakt» auSfchließc. S. Böhmer, Jus eccles. Prot. P. II, Tit. 2, 88 81, 62 ». A. sind für die Ausschließung; Eichmann, bürg. R- Th. V, S. 188 ii. A. für das Gegentheil. 10) Wer die Bedingung der Anwesenheit bestreitet, behauptet folgerecht aucl>, daß die Erben de» Gerichtsstand des Kontrakt» anerkennen müffen. Diese be­ rufen sich auf L. 19 pr. D. de jud. (V, 1), welche Stelle sich jedoch auf diesen Gerichtsstand nicht bezieht.

11) Schuhmacher, de foro administrationis et quatenus adminiatrator forum ordinarium declinare queat. Marb., 1768. — Ueber den Gerichtsstand der geführten Verwaltung; in v. Hohnhorst, Jahrb., 8r. Jahrg.

S. 140 ff. 12) A. G. O. a. a. O. 8-154. - L. 19, SS- >. 2 v. de jud. (V, 1).

Richter unb Gericht-personen.

161

Zuständigkeit der Gerichte.

des Eigentümers unternommen, so ist der Gerichtsstand der Ver­

waltung bei dem ordentlichen Gerichte des Orts oder Districts1 *).

Auch die elective Concurrenz tritt hier, wie bei dem Gerichtsstände des Kontrakts überhaupt, ein"). der Quittirung der nach

Rechnung auf; richtsstände

völlig

Dieser Gerichtsstand hört mit

beendigter Verwaltung

gelegten

Nachforderungen müssen in dem ordentlichen Ge­

angebracht

werden").

Dienst- und Erwerbsverhältnisses.

2.

Der

Gerichtsstand

des

Dieser wird dadurch begründet,

daß Personen, welche ihren ordentlichen persönlichen Gerichtsstand

beibehalten,

unter

anderen

einem

Dienstverhältniß eingehen.

Gerichtsstände

ein dauerndes

Diesem besondern Gerichtsstände sind

unterworfen: minderjährige, auch großjährige noch unter väterlicher Gewalt stehende Personen, welche sich im Dienste Anderer befinden,

sowie dergleichen Lehrlinge, Gesellen, Handlungsdiener, Kunstge­ hülfen,

Hand-

und

Fabrikarbeiter,

in allen Rechtsstreitigkeiten,

welche aus ihren Dienst-, Erwerbs- und Kontrakts-Verhältnissen

entspringen,

auch

in Alimenten-"),

und

als

verpflichtet,

führen, ohne daß es

Vaters bedarf;

Injurien- und

Die Großjährigen

gungs")-Prozessen.

Entschädi-

unter ihnen sind befugt

Kläger und Beklagte

selbst ihre Sache zu

der Zuziehung oder Benachrichtigung ihres

den Minderjährigen wird, wenn die Väter oder

Vormünder einen andern Wohnort haben, ein Rechtsbeistand als Litiskurator

von

dem

Prozeßrichter

zugcordnet1 *).

Dieselben

Grundsätze finden, aus gleichem Grunde, auch auf Militairpersonen, welche noch unter väterlicher Gewalt stehen

und ihren dadurch

begründeten ordentlichen persönlichen Gerichtsstand beibehalten, so­ wie auf solche

Militairpersonen,

welche lediglich zur Erfüllung

ihrer allgemeinen Militairpsticht in den Dienst getreten sind und

nicht beabsichtigen,

sich in dem Garnisonsorte bleibend niederzu-

13) A. ®. O. S- 156 und 154 vrrbunbtn mit $. 153. Ist nach Gem. R. streitig. 14) A. G. O. $. 158 n. a. O. Darüber ist gleichfalls Meimmgsverschiedenhnt nach Gem. R. 15) S. 155 a. a. O. 16) Dicserwegen ist der Gerichtsstand de- forum contractus (vel quasi denn auch dnrch vertrag-ähnliche Geschäfte, wie B. Geschäftsführung ohne Auftrag, Wb dieser Gerichtsstand begründet, worüber jedoch Meinung-verschie­ denheit ist) selbst begründet. 17) Vermög« de« fori delicti commissi. S. u. $. 63. 18) R. O. vom 4. Juli 1832 (G. S. S. 175); und R. O. vom 5. Decbr. 1835 c®. S. T. 294). Koch, Livilprozeß. 2. Aufl.

11

«Srfttf Buch.

162

lassen, Anwendung'•),

angcmdnt ithren.

nur daß hier keine Concurrenz mit dem

Gerichtsstände des Wohnorts eintritt.

Dieser Gerichtsstand hört

mit dem Dienstverhältnisse auf, kann mithin nicht das Forum hereditatis werden").

§. 63. cc) Gerichtsstand des Verbrechens (formn delicti commissi).

Dieser Gerichtsstand ist, außer dem so eben gedachten ver­ einzelten Falle (§. 62, Note 17), und insoweit das Privatintereffe

nicht in der Untersuchung berückfichtigt werden kann (§. 34), nur

für drei Fälle beibehalten: 1. für begangene Defraudationen eines Privatzolles'); 2. für Beschädigungen, wenn der Beschädiger ge­ pfändet worden ist, bei Pfändungen zum Schutze gegen Beein­

trächtigungen aber nur dann, wenn der Gepfändete ein Ausländer

ist»); 3. für die einfachen Holzdiebstähle»).

Im Uebrigen soll die

besondere Civilklage wegen Entschädigung immer in dem ordent­

lichen

persönlichen Gerichtsstände

des

Beschädigers

angebracht

werden*).

§.64. dd) Gtrii - stand te- Arreste- (formn arrestl).

Mittermaier, Beiträge, Bd. IV, S. 149 ff. — Krüll, Prüfungen einzelner Theile btf bürgerlichen Recht«, Bd. IV, Nr. III.

Arrest heißt der Befehl des Richters, daß eine Person oder Sache an

einem

bestimmten Lite bleiben solle,

und auch der

durch die Bollziehung des Befehls hervorgebrachte Zustand').

Die

Verhängung des Arrestes kann bei dem Richter, in dessen Gerichts­ sprengel der Gegenstand sich befindet, gesucht werden.

Wenn dieser

Richter dem Gesuche willfahrt und den Arrest angelegt hat, so ist die Frage:

ob er dadurch in der Hauptsache selbst kompetent ge­

worden. Hierüber ist nach Gemeinem Rechte Meinungsverschieden­ heit.

Die Preußische Gesetzgebung hat nach der Meinung, welche

19) Ä. O. vom 2. Rovbr. 1833 (G. S. S. 290); Deklarativ» über die Anwendung der §§. 12, 13 de« Anhänge« znr A. G. D., vom 31. Mär» 1839 (®. S. S. 155). 20) Doch sollte c« „ach einem Justiz-Min.-Rescr. vom 28. Septhr. 1835 (Jnhrb. Bd. XLVI, S. 145) so sein. Bergt, aber die so eie» alleg. Declarat. »o* 31. Mär, 1839. 1) «. ®. O. a. a. O. S 120, d; A. L. R. II, 15, SS-130 ff. 2) A. ®. O. a. a. O. — A. 8. R. I, 14, $$. 437, 455. 3) Holjdiebstahl-.Ges. vom 2. Juni 1852 $. 26 (®. S. S. 310). 4) «. ®. £/. a. a. £). $. 178.

1) ®«g1. Preuß. gemeine« Privatrecht, §. 205.

Richter und Gericht-personen.

Zuständigkeit dec Gericht«.

163

die Kompetenz dadurch nicht für begründet hält2*),1 3 Bestimmung

getroffen.

Der Richter, welcher den Arrest auf Gefahr des Arrestan­

ten erkannt hat,

muß die Sache zur weitern Verhandlung und

Entscheidung an den ordentlichen Gerichtsstand verweisen, ausge­ nommen, wenn der Arrrstat ein Ausländer ist, welcher auch in der Hauptsache sich vor dem Gerichtsstände des Arrestes einlaffen

muß *).

Davon sind auch die Einwohner der Deutschen Bundes­

staaten nicht ausgenommen, denn nur der volle Landsasfiat findet auf sie nicht Anwendung. c) Befreilk Gerichtsstände

(fort privilegieta)*).

§. 65. m)

Der Personen.

Ein befreiter Gerichtsstand ist ein solcher, welcher gewissen Klassen von Personen oder Rechtssachen, die von den ordentlichen

Gerichten des Bezirks ausgenommen find, angewiesen ist.

Dieser

Gerichtsstand der Personen tritt an die Stelle des gemeinen per­

sönlichen Gerichtsstandes (fori domicilii) ’) und ist entweder wegen

einer besonderen Standesdisciplin,

oder wegen des

bevorzugten

Stande- der Personen angeordnet. Man nennt ihn auch den eximirten Gerichtsstand. Er steht, bei eintretender Kollifion, dem befreiten Gerichtsstände der Sachen2) nach.

stand haben:

1. vermöge der Geburt:

I. Solchen Gerichts­

a) sämmtliche Mitglieder

der landesherrlichm Familie, die ihren Gerichtsstand, in der Regel, bei dem mit dem Kammergerichte verbundenen Geheimen Justiz­

rath haben'),

b) Die Mitglieder der Fürstenhäuser Hohenzollern-

Hechingen und Hohenzollern-Sigmaringen*).

2) ©trüben, rcchtl. Bedenken, v. 1670, $. 84.

®b. V,

2. Vermöge der

Nr. 88, auf Grund M R. A.

3) A. G. O. a. a. O. $$. 118,119. *) Ukbrr bcn befreiten Gerichtsstand; im niederrheinischen Archiv von Sandt ic. Bd. III, S. 163. — Etwa- über mißbräuchliche Ausdehnung dcS )Ki»lle^ltten Gerichtsstandes; in El» erS atigern, juristischer Zeitschrift, Bd. III, 1) A. S. O. a. a. O. $$. 3 u. 30. 2) Ebenda, $. 6. — c. 6 et 7 X. de foro competente (II, 2); c. 1 X« de privil. in 6 (V, 7). 3) «. 6. O. a. a. O. $. 41. Daselbst ist zugleich die Ausnahme bestimmt, welche Hau-verträge »der Berfaffung mit sich bringen und welche eintreten muß, wenn da- Familienhaupt dabei Partei ist. An die ©teile der Landesgerichte treten dann Schiedsgerichte oder AuSträae. Da- G. v. 26. April 1851, Art. III (®. S. S. 181) regelt diesen Gerichtsstand von Steuern.

4) ®. vom 26. April 1861 a. a. O.

ir

Erste- Buch.

164

Aemter und Würden:

Allgemeine -ehren.

a) Gesandtschastliche Personen.

Die am

hiesigen Hofe accreditirten fremden Gesandten und deren Gefolge sind der hiesigen Gerichtsbarkeit nicht unterworfen*).

Die Kon­

suls fremder Nationen stehen unter den ordentlichen Landesgerich­ ten •).

Die an auswärtigen Höfen beglaubigten königl. Gesandten,

Residenten und Geschäftsträger, sowie alle zur Gesandtschaft ge­

im Auslande

ingleichen c) die

hörenden Personen,

stationirten

Steuerbeamten haben ihren persönlichen Gerichtsstand bei dem Stadtgerichte zu Berlin'),

d) Rücksichtlich anderer im Auslande

stationirter Beamten kann durch königl. Verordnung ein Gerichts­

stand im Jnlande bestimmt werden.

e) Studirende

(Note 7).

ohne Unterschied ihrer Herkunft; sie haben einen beschränkten eximirten Gerichtsstand:

wegen gesetzmäßiger Schulden,

Injurien und

geringerer Studenten-Vergehungen stehen sie unter der akademischen Obrigkeit; im Uebrigen unter dem ordentlichen Gerichte des Orts

oder Bezirks"). nicht

statt:

1.

II. Der eximirte Gerichtsstand der Person findet

wenn der

Gerichtsstand

der

Sache eintritt*);

2, wenn ein Eximirter bürgerliche Handthierung oder Handlung treibt, und

daraus

Rechtsstreitigkeiten

entstehen").

III.

Der

eximirte Gerichtsstand geht verloren, wenn der Grund, aus welchem

derselbe zugestanden hat, wegfällt1 •).

Die Kinder der zu I. unter

2. gedachten Eximirten verlieren den Gerichtsstand des

Vaters

durch den Uebergang in einen eigenen Gerichtsstand mittelst Er­

langung einer Bedienung, Anfanges eines Gewerbes, Heirath oder sonstiger Gründung eines Wohnsitzes").

5) A. G. O. SS- 62—64, 66—68. — Martin, RechtSautachten, Bd. I, Seite 282. 6) A. G. O. 8- 65 a. a. O. 7) ®. vom 26. April 1851, Art. III, Nr. 2 (®. S. S. 181). Dieser Ge­ richtsstand ist ein dclegirter, daher die sonst durch den Gericht-stand bedingten Eigenschaften unverändert bleiben. Der ordentliche Gerichtsstand würde der des letzten Wohnsitzes im Jnlande sein.

8) Regt, wegen Einrichtung der akademischen Gerichtsbarkeit bei den Uni­ versitäten, vom 2d. Dccbr. 1810, SS- 2, 4—13 (®. S. S. 142). Verordn, v. 2. Januar 1849, $. 10. Auch dieser Gerichtsstand beruhet auf Delegation, daher er keine Veränderungen in den Zustand-rechten, die mit dem ordentlichen Gerichts­ stände zusammcnhängen, bewirkt. A. G. O. §. 76 a. a. O. Ueber die Ent­ stehung des besondern Gerichtsstandes der Studirende»: Auth. Habite C. ne

filius pro petre (IV, 14). . V A. G. O. a. a. O. $. 6. - c. 5 X de jud. (II, 1); c. 1 de privil. in 6 (V, 7); 11. F. 22. v 10) A. G. O. SS- 78, 89. 11) Ebenda, §§. 85, 86. 12) A. G. O. S 98 a. a. O.

Richter und Gericht-Personen.

Zuständigkeit der Gerichte.

165

§. 66. bb) Der Sachen.

Der befreite Gerichtsstand der Sachen gründet sich auf daß

Erforderniß besonderer Kenntniß und Erfahrung für gewisse Arten von Rechtsangelegenheiten'), deshalb sind den

richten

entzogen und befonberen

ordentlichen Ge­

zugewiesen:

Gerichten

1.

die

Landeskultur - Sachen, d. h. die Ablösungs-Sachen und die guts-

herrlich-bäuerlichen Angelegenheiten, sowie die Gemeinheitstheilungs­ Sachen, für welche die General-Kommissionen oder die an Stelle

der aufgehobenen General-Kommissionen

getretenen Regierungs­

für die Appellations-Instanz

ein besonderes

Revisions-Kollegium in Berlins errichtet sind’);

2. die Lehns-

Abtheilungen,

und

sachen, welche vor die Lehnscurien gehören'); 3. die FamilienFideikommiß- und Familien-Stiftungs-Sachen 5); 4. Schifffahrts-,

Gewerbe- und Handelssachen, wofür an verschiedenen Orten be­ sondere Handels- und Gewerbegerichte bestehen');

5. die Elb-,

Weser- und Rhein-Zollsachen, wofür nach Staatsverträgen besondere

Gerichte bestehens. 3.

Außerordentlicher Gerichtsstand.

§. 67. a) Begriff und Grund.

Ein außerordentlicher Gerichtsstand ist ein solcher, welcher in einer einzelnen Sache,

die

ihren eigenen

ordentlichen gemeinen

oder besondern Gerichtsstand hat, eintritt und dadurch die Sache ihrem eigenen, also dem ordentlichen Gerichtsstände entzieht.

Er

findet nur in den Fällen, welche die Prozeßgesetze dafür bestimmen,

statt').

Ueber die Gründe

der Zulässigkeit ist nach Gemeinem

Rechte Meinungsverschiedenheit.

Die Preußische Gesetzgebung läßt

1) A. G. O. a. a. O. §. 6. — Mittcrmaier, Beiträge, St. II, S. 39. 2) V. vom 22. Novbr. 1844 (®. S. für 1845, S. 21).

3) Die Reihe ter dicscrhalb ergangene» ältern Verordnungen find zusammen­ gestellt von 3- Koch, Geh. Regierung« - Rathe zu BreSlau, zum Tit. 7, Th. II de« A. 8. R.; adgedruckt in ten Ergänzungen dazu. Sie find meisten- ab­ geschafft durch die neueren durchgreifenden Agrargesetze vom 2. März 1850. 4) A. 8. R. I, 18, $$. 166—177. Die Lehn-kurien find durch die V. v. 2. Januar 1849, $• 25 mit den Avvellation-gerichten verbunden. — Vgl. II. F. 22; II. F. 55, S. 5-

5) V. vom 2. Januar 1849, $. 25 (G. S. S. 9). 6) V. vom 2. Januar 1849, §. 18 a. E. 7) G. vom 26. April 1851, Art. VI (®. S. S. 184). 1) A. G. O. a. a. O. $. 7.

Erste- Buch.

166

Allgemeine Lehren.

einen außerordentlichen Gerichtsstand aus zwei Gründen eintreten;

1. wenn dadurch

eine

schleunige

und unparteiische Rechtspflege

befördert und die Vervielfältigung der Prozesse verhindert wirb2).3

Fälle dieser Art sind:

a) wenn die Jurisdiktion streitig ist.

dieser Weise kann der Fall nicht mehr vorkommen; nun als Kompetenzstreit auf.

In

aber er tritt

Dieser wird durch die Bestimmung

des nächsten gemeinschaftlichen Obergerichts, also von dem BezirksAppellationsgerichte, oder, wenn die streitenden Gerichte in ver­ schiedenen Bezirken liegen, für den einzelnen Rechtsfall erledigt2);

b) wenn die Rechtspflege verweigert oder verzögert wirb4); c) wenn der ordentliche Richter perhorrescirt ist5)6; 7d) wenn der Richter selbst, als betheiligt oder zur Beseitigung des Verdachts der Parteilich­

keit, sich des Urtheils entschlägt");

e) wenn aus irgend

einem

andern Grunde die Nothwendigkeit eintritt, eine Sache von einem Gerichte an ein Anderes zu verweisen2);

2. wenn die Parteien

in Fällen, wo es nicht verboten ist, sich einem andern als dem

ordentlichen Gerichtsstände freiwillig unterworfen haben.

Aus dem

ersten Grunde ist auch der Gerichtsstand des Zusammenhangs der

Sachen und der der Wiederklage gerechtfertigt. §. 68.

b) Gerichtsstand des Zusainmenhangs der Sachen (formn continentiae causarum). Ueber das forum continentiae causarum; im Archiv für civil. Praxis, Bd. II, S. 141. — Lotz, Revision der gewöhnlichen Begriffe vom Gerichtsstände deS Zusammenhangs der Sachen; in s. civil. Abhandl., S. 135 ff.

Die gewöhnliche Lehre') ist: Zusammenhang der Sachen ist Beziehung zweier oder mehrerer Sachen

auf ein-

2) Ebenda, Nr. 1, und I, 19, §. 8. 3) Pr. O. Tit. 2, §§. 131—133; B. vom 2. Januar 1849, §. 16; G. v. 26. April 1851, Art. V. 4) Pr. O. a. a. O. §. 142. Die Bestimmung, wenn schon mit der Erwei­ terung: „alsdann hängt es von dem Ermessen des Obergerichts ab, in wiefern das gehörige Gericht durch zweckmäßige Zwangsmittel zu seiner Schul­ digkeit anruhalten", ist aus der R. Kammer-G O. v. 1555, Th. II, Tit. 1, §. 2 und Tit. 26 (Eonc. von 1613, Tit. 28), und R. A. von 1566, §. 108 (vergl. L* 12 pr. C. de jud. III, 1) auf ganz unähnliche Zustände übertragen. In einem Lande, wo die Richter wesentlich als Kommissionaire der Obergerichte be­ handelt werden, sind die „zweckmäßigen Zwangsmittel" das allein richtige; die Anwendung eines außerordentlichen Gerichtsstandes paßt da nicht. Es giebt eigentlich keine verschiedenen Gerichtsstände in dem alten technischen Sinne. 5) P. O. a. a. O. §§. 143-146; Anh. §. 40. 6) Ebenda, §. 147. 7) Ein clausula generalis, eingeführt durch das G. vom 26. April 1851, Art. V, Nr. 2 a. 1) Danz, Grundsätze deS gemeinen Prozesses, §. 33. — Lotz, a. a. O.

Richter und Gerichtspersoncn.

ander.

I.

Zuständigkeit der Gerichte.

167

Liegt die Beziehung darin, daß die Sachen auf dem

nämlichen Klagegrunde beruhen oder einen und denselben Wider­

spruchsgrund haben, so ist dies der eigentliche Zusammenhang der Sachen oder der Zusammenhang wegen Einheit des Klage­

grundes (continentia causarum stricte sic dicta, s. cont. caus.

ex identitale fundamenti)2).3 4 Steht 5 einer Person gegen mehrere, unter verschiedenen Gerichtsständen stehende Personen eine Klage aus dem nämlichen Grunde zu, sei sie theilbar oder untheilbar:

so ist der nächste gemeinschaftliche Oberrichter der zuständige Richter (for. contin. caus. ex identitale personali); betrifft aber eine Klage

gegen dieselbe Person mehrere unter verschiedenen Richtern gelegene Sachen: so ist der ordentliche persönliche Richter des Beklagten,

oder derjenige Realrichter,

unter welchem der größere Theil der

Sachen ist, zuständig, es kann aber auch der nächste gemeinschaft­

liche Oberrichter, selbst mit Uebergehung der ersten Instanzen, in

dem Falle, wo von dem andern Richter die Vollstreckung des Urtels über die unter dessen Gerichtsbarkeit gelegene Sachen versagt wer­

den könnte, reali).

angegangen werden (for. cont. caus. ex identitale

Der Grund dieses von der Praxis eingeführten Gerichts­

standes ist, damit die Prozesse nicht vervielfältigt und widersprechende

Urtheile vermieden werden. streitig.

An diesen Sätzen ist jedoch Vieles

Das vaterländische Recht hat davon das formn conti-

nentiae causarum ex identitale personali anerkannt nur in dem Gerichtsstände der Wiederklage, wenn der Wiederbeklagte als Cessio-

nar geklagt hat und die Gegenforderung mehr als die Forderung beträgt, wo der Wiederklagcr den Ccdcnten wegen des Ueberschusses in demselben Prozesse mit belangen darf2).

Außerdem ist ein sol­

cher Zusammenhang der Sachen nur ein Grund zur Delegation der Gerichtsbarkeit, die auch dann stattfinden kann, wenn die Be­

klagten bei verschiedenen privilegirtcn Gerichten oder in verschie­ denen Obergerichtsbezirken ihren ordentlichen Gerichtsstand habens. Das andere Forum continentiae causarum ex identitale, sc. reali,

ist verworfenr), doch bezieht sich dies nur auf den dinglicher!

2) Pufendorf, Observ. jur. Tom. I, obs. 153; Tom. II, obs. 148. — Engelbrecht, Observ. sei. for. Obs. II, §.3. — Charroch, de foro continentiae causarum ex identitate. Halae, 1750. — Schmidt, de generibus continentiae causarum genuinis. Jehae, 1754. 3) A. G. O. I, 19, §. 8. 4) A. G. O. I, 2, §§. 136-140. SB. vom 2. Januar 1849, §.16; ®. vom 26. April 1851, Art. V. - S. o. §. 43, Nr. 1, lit. c. 5) A. G. O. I, 5, §.24. Einem Kläger ist erlaubt, wenn er — tut#'

Erst«« Buch.

168

Gerichtsstand,

indem der

Allgemein« Lehren.

persönliche

Gerichtsstand mit dem

dinglichen, nicht aber dieser mit jenem elective concurrirt. II. Be­ steht der Zusammenhang der Sachen in einer solchen Beziehung

derselben auf einander, daß eine ohne die andere gar nicht oder doch nicbt füglich entschieden werden kann (continentiae causarum

ex connexitate earum) •), so soll, nach der Lehre der gemeinrecht­

lichen Prozessualisten, derjenige Richter zuständig sein, vor welchen die Hauptsache, oder doch die wichtigere, gehört, vorausgesetzt, daß er die Gerichtsbarkeit über die Art der Nebensachen hat').

Auch

diese durch die Praxis aufgebrachte und damit, daß der Richter, bei welchem die eine Sache verhandelt worden, über die andern

damit zusammenhängenden Sachen besser als ein Anderer urtheilen könne, und daß verschiedene Richter leicht widersprechend entscheiden

könnten, — gerechtfertigte Regel ist in vielen Beziehungen streitig und unbestimmt. Das Preußische Recht kennt diesen Gerichtsstand

nicht, mit Ausnahme des Konkurses, der alle auch vor andern Ge­ richten schwebenden Prozesse,

causae angewiesen ist,

welchen nicht ein forum speciale

vor den Richter des Konkurses ziehte);

sowie mit Ausnahme der Rechtsangelegenheiten, welche mit einer, vor einer General-Kommission anhängigen Sache zusammenhängen,

die Alle an die General-Kommission abgegeben werden müssen'). §. 69. c) Gerichtsstand der Widerklage (forum reconventionie).

I. Wiederklage*), Gegenklage, reconventio >), heißt eine Klage gegen Denjenigen angestellt, der den Kläger zuerst verklagt hat.

einerlei HauptgeschLst« — mehrere Forderungen an den Beklagten zu machen hat, dieselben in sofern, al« sie an sich für einerlei Gerichtsstand gehören, st» Eine Klage zusammen zu fassen. 6) Carrach, exerc. «ist. mcilimenta de foro continentiae causarum ex connexitate. Halae, 1751. — Springer, Comm. de causae continentia germanica, quatenus distat a romana, sive connexitate causarum. Monast. Westph. 1770. 7) Danz, a. a. O. S. 90; und Lotz, a. a. O. S. 143 u. A. 8) A. ®. O. $. 141 a. a. O.; und I, 50, $. 27. 9) B. vom 30. Juni 1834, $$. 7. u. 8 (®. S. S. 99). *) Nicht Widerklage, wie Viel« schreiben, welche den Begriff de« gegen, contra, hinkinlegen, der mit jeder Klage, nicht mit der Wiederklage allein, ver­ bunden ist. Die Wiederklag« ist eine Zurück klage, reconvention, nicht ein« contraconvention. 1) Der Ausdruck ist nicht römisch; mutua petitio ist der Ausdruck für die Gegenforderung. L. 1 C. rer. amotar. (V, 21), doch ift damit nicht eine Gegenklage im heutigen Sinnt gemeint. Die L. 5 C. de fruct. et litis exp.

Richt« und Gericht-personen.

169

Zuständigkeit der Gerichte.

Der Grundsatz, daß Jemand an dem Orte,

wo er selbst nicht

aber selbst klagt,

seinen ordentlichen Gerichtsstand hat,

sich von

dem Verklagten wieder verklagen laffen muß, ist schon im Pan­

dektenrecht anerkannt*2),3 4und 5 6 7in dem Justinianischen Rechte weiter entwickelt').

Eben so hatte daS Deutsche Recht die Regel:

wo

Jemand Recht sucht, muß er Recht nehmen'), welcher Satz auch

von der Reichsgesetzgebung bestätigt ists).

Die Wiederklage unter­

scheidet sich von dem Einwande der Kompensation dadurch, daß diese bloß die Verwerfung der Klage bezweckt, die Reconvention

aber eine Gegenverurtheilung verlangt. das Preußische Recht übergegangen').

Die Wiederklage ist in II. Die rcconventio heißt,

nach Gemeinem Recht, perfecta, wenn sie auch eflsectum simul­

tane! processus und nicht bloß effectum prorogationis fori hat; imperfecta heißt sie, wenn sie bloß eflsectum prorogationis fori hat.

Die Preußische Terminologie weicht davon ab.

Die recon-

ventio perfecta hat keine eigene Benennung, es wird bloß vor­

geschrieben,

daß wenn die Gegenforderung aus eben demselben

Geschäfte herkommt, aus welchem die Forderung geltend gemacht

wird, und sich zu derselben Prozeßart eignet, sie in demselben Ver­ fahren erörtert, sonst aber besonders verhandelt werden solle; die

Praxis nennt sie jedoch die uneigentliche Reconvention; eigent­ liche Reconvention wird die Wiederklage genannt, wenn ihr ein anderes Geschäft zum Grunde liegt').

Die eigentliche Recon­

vention des Preußischen Rechts entspricht also ganz dem gemein­

rechtlichen Begriff der reconventio unter die eigentliche Reconvention

imperfecta, denn es fallen auch die Fälle der uneigent-

(VII, 51), wo der Ausdruck reconventio vorkommt, ist von Cujaciue restituirt. Obs. XII, 21, au- 9 Synops Basil. III, c. 70.

2) L. 22 D. de judic. (V, 1); L. 14 C. de sent. et interioc. (VII, 45).

3) L. eit. 14 C. de sent. — Auth. Et consequenter C. eod. — Nov. 96, c. L; Nov. 123, c. 25. Daß da» ältere 9t. R. die Wiederklage gekannt habe, ist gleichwohl streitig. Justinian beruft fich in der L. 14 C. de sent. auf Papinian. 4) Sachs. Sp. I, 61; III, 12 u. 79. — Weichbild, Art. 28. — Schw. Gp. Kap. 87,127. 5) R. Ä. G. O. von 1507, 1,18; von 1555, III, 30; I. R. A. $. 46. 6) A. G. O. I, 2, $.159; I, 19, $$.5 ff. — Die Praris ist in der Unterscheidung der bloßen Kompensationseinrede und der Wiederklage fich nicht immer klar. Bergl. den Aussatz: Einige Bemerkungen zum Tit. 19 der Prozeß­ ordnung, namentlich in Bezug auf $.359 A. 8. 0t. I, 16, in Gans Beitragen, S. 557 ff. 7) A. G. O. I, 19, §$. 1-7 und $. 8,

170

Erstes Buch.

Allgemeine Lehren.

lichen, in welchen ein Separatverfahren eintreten muß8).9 10III. Zur

Reconvention beider Arten wird erfordert: 1. daß der Richter die Species von Gerichtsbarkeit habe, zu welcher beide Sachen ge­

hören; 2. daß der Prozeß noch in erster Instanz schwebe —; und die uneigentliche Reconvention (ree. perfecta) erfordert noch 3. daß sie sogleich bei der Klagebeantwortung angebracht werdet). —

Der wiederbeklagte Kläger muß diesen Gerichtsstand anerkennen,

wenngleich er sonst einen befreiten Gerichtsstand hat'").

§- 70. d) Freiwillig prorogirtcr Gerichtsstand.

I.

Erstreckung, Prorogation, ist der Act, wodurch ein

bestimmter einzelner Rechtsstreit vor einen Richter gezogen wird, der sonst inkompetent sein wurde (§. 45).

Sie erfordert: 1. aus­

drückliche oder stillschweigende Einwilligung der Parteien').

Die

ausdrückliche Zustimmung des Beklagten muß sich besonders auf

die Klage, welche gegen ihn jetzt angebracht werden soll, beziehen und mit der Klage selbst dem Richter vorgelegt werden").

im Allgemeinen voraus gegebene Einwilligung, Vertrag")

vorher verabredete Prorogation,

Eine

oder eine durch

wenn dadurch nicht

etwa der Gerichtsstand des Kontrakts begründet wird, ist unwirk­ sam.

Stillschweigend wird in die Prorogation dadurch gewilligt,

daß der Beklagte sich

vor dem inkompetenten Richter auf die

Klage einläßt, ohne den Einwand der Inkompetenz zu erheben; später ist der Einwand nicht mehr zulässig").

2. Der Wille des

8) Ebenda, §§. 3 n. 4. Wenn also nicht beide Sachen in einerlei Prozeßgattnng verhandelt werden können, so ist die Reconvention eine eigentliche (reconventio imperfecta), wenn sic auch aus demselben Geschäfte herkommt. DaS gilt auch in dem deutschen Rcichsprozcß. Ge. Ludw. Boehmer, Prine, jur. canon. §.695 und Knorr, Anl. zum Prozeß, II, 5, §. 2. 9) A. G. O. a. a. O. §§. 1 u. 2. - S. u. §. 184.

10) Ebenda, §. 5. — Vergl. Leyser, Med., sp. 123, m. 7. 1) A. G. O. I, 2, §. 7, Nr. 2. — L. 1, 2, 30 u. 52 D. de jud. (V, 1). — Bu sch, Beiträge zur Lehre von der freiwilligen Erstreckung der Gerichts­ barkeit ; im Archiv für civil. Praris, Bd. XIX, S. 26 u. ff.

2) A. G. O. a. o. O. §. 163. 3) Eine Ausnahme macht die Verabredung in einem Pachtkontrakt, daß der Pachter von der Gerichtsbarkeit des Verpächters ausgenommen sein solle; doch wird diese Verabredung nur als ein Kompromiß auf das Obergericht bloß für die Prozesse zwischen dem Verpächter und dem Pächter angesehen. Anhang zur A. G. O. (I, 2, §. 12) §. 5. — Der §. 100 des Anh. zu I, 12, §. 20 gestattet auch nur ein Kompromiß. 4) A. G. O. a. a. O. §. 160. — S. u. §.179, Nr. 2. Die gemeinrecht­ lichen Prozessualisten sind nicht einig darüber, ob in diesem Falle eine eigentliche Prorogation anzunehmen sei.

Richter mib Gcrichtspcrsonen.

171

Zuständigkeit der Gerichte.

Richters "), weil kein Gericht durch Privatwillkür verpflichtet wer­ den kann, noch weniger als durch Vertrag ein Dritter verbindlich

geinacht wird, da bei der Zuständigkeit der Gerichte auch das Ge­ meinwesen betheiligt ist6).

Doch ist unter dem Willen bloße Will­

fährigkeit, nicht eigentliche Einwilligung, welche durch Irrthum ungültig werden würde, zu verstehen, vielmehr ist der außerordent­ liche Gerichtsstand durch Prorogation wirklich begründet,

wenn

auch der Richter bei der Annahme der Klage sich irrthümlich für

den gehörigen Richter hielt').

3. Der Richter, vor welchem der

Gerichtsstand durch Prorogation begründet werden soll, muß in der Regel die Species von Gerichtsbarkeit über Gegenstände und

Rechtssachen der streitigen Art haben"); 4. die Prorogation muß nicht in Sachen der fraglichen Art verboten sein,

wie z. B. in

Ehescheidungssachen").

Ein befreiter persönlicher Gerichtsstand ist

kein Hinderniß1 °).

Daß der Richter nicht ein ausländischer

5.

sei, ist deshalb zu beobachten, weil dessen Urtel hier nicht ohne Weiteres vollstreckt werden würde;

daß aber ein Ausländer vor

einem hiesigen Richter durch Prorogation einen Gerichtsstand nicht

begründen könne, läßt sich mit Grunde nicht behaupten.

II. Die

Prozeßordnung verbietet den Gerichten, sich auf eine stillschweigende

Prorogation einzulassen; der Richter soll vielmehr seine Kompetenz sorgfältig prüfen, und die nicht vor ihn gehörigen Klagen an bey

kompetenten Richter verweisen, ohne den Versuch zu machen, ob der Gerichtsstand durch Prorogation vor ihm begründet werden

möchte.

Wer dies aus Vorsatz oder grobem Versehen unterläßt,

soll bestraft werden1 •).

III. Nach den Erfordernissen der Proro-

5) Anh. j. A. G. O. (1,2, §. 12) 8 5, Pos. 2. Nach Gem. Rechte wird dies zwar von Einigen geleugnet, aber ohne Rechtsgrund; denn auch nach G. R. gilt der Satz, daß Privatpersonen nicht über die Fälle: wenn und wo die Staatsobrigkeit thätig sein soll oder nicht, zu bestimmen haben. 6) S. darüber auch den im Schlcs. Arck. Bd. II, S 214 mitgetheilten Rechtsfall. 7) A. G. O. a. a. O. §. 164. - L. 2, §. I v. de jud. (V, 1). — In keinem Falle kann das ergangene Urtel wegen Inkompetenz angegriffen, aufge­ hoben und die Verhandlung an das ordentliche Gericht gewiesen werden, wenn nicht eine der beiden Ausnahmen des §. 161 cintritt. (Nr. 3 u. 4 d. §.)

r \®-01 161- Nr- > - L. 36, §. 2 D. de fideicomm. lib. (XL, 5); L. 2 C. nbi causa Status (III, 22); c. 5, 8, 13 X. de jud. (II, 1); II F. 51, §. I, ii. 46. (Sitte Ausnahme gilt bei Handelssachen: zwischen den Handels­ gerichte» und anderen Gerichte» ist eine freiwillige Prorogation des Gerichts­ standes zulässtg. G. vom 3. April 1847, §. 23 (G. S. S. 187). 8 16*P N 0

”Om 25‘ ®t6tuat *833 (G. S. S. 24). — A. G. O. a. a. O.

10) Den katholische» Geistliche» ist dir Prorogation verboten, c. 1, 12, 18

Erst«- Buch. Allgemeine Lehren.

172

gation hat der hierdurch zuständig gewordene Richter viele Aehnlichkeit mit einem Schiedsrichter; aber es ist zwischen beiden der

wesentliche Unterschied, daß der prorogirte Richter ein MagistratuS

ist und selbst sein Urtel vollstreckt, während aus dem Ausspruch

des

Schiedsrichters dem Obtinenten nur

ordentlichen Richter zusteht.

eine Klage bei dem

(S. oben §. 4, No. V).

Der nach

gemeinem Rechte noch vorhandene zweite Unterschied, daß von dem schiedsrichterlichen Ausspmch nicht appellirt werden kann, ist

im Preußischen Rechte verschwunden. §. 71. 4.

Ausdehnung eines Gerichtsstandes auf Andere.

Der Gerichtsstand einer Person steht in folgenden Verhält­ nissen auch Anderen zu.

I. Ehefrauen haben immer den Gerichts­

stand ihrer Männer, auch bei einer Ehe zur linken Hand').

Sie

behalten ihn auch, nach Auflösung der Ehe durch den Tod, bis zur Verrückung des Wittwenstuhls'), und bei eintretender Schei­

dung, wenn die Frau schuldlos ist').

die Ehefrauen der

Militairpersonen

Eine Ausnahme ist, daß

in Straffachen

Militair-Gerichtsstand des Mannes haben«).

nicht den

2. Die Kinder aus

einer Ehe zur rechten Hand haben den Gerichtsstand des Vaters,

und

die unehelichen Kinder,

sowie Kinder aus einer Ehe zur

linken Hand«), haben den der Mutter so lange, bis sie einen

eigenen Wohnsitz gründen oder den Gerichtsstand der Herkunft ver­

lieren«).

Die Kinder der Militairpersonen haben in Strafsachen

gleichfalls nicht den Gerichtsstand des Vaters').

3.

Die Haus-

X. de foro compet. (II, 2), aber doch nicht da- Kompromiß, was sich widerspricht. Diese- Verbot will man generalifiren, e- paßt aber nur auf solche Per­ sonen, welche unter einer Stande-diScipli» stehen. 11) A. G. O. a. a. O. 88- 162, 164. — Ist wegen mangelhafter Pro­ rogation der Gerichtsstand nicht begründet und deshalb da- Urtel nichtig, so soll der au- Vorsatz oder grobem Versehen gehandelt habende Richter auch den Par­ teien die Kosten ersetzen. 8-165 ebenda. 1) A. G. O. I, 2, 8- 87. - A. L. R. II, 1, 8- 866. — L. 65 D. dejud. (V, 1): L. 9 C. de incolis (X, 39). 2) A. ®. O. 8- 90 a. a. O. - L. 22, 8- 1 v eod. — L. 13 C. de dignit. (X, 1). Unzucht ändert nichts. Grell, Obs. de foro viduarum. Witemb. 1754. 3) 8- 94 a. a. O. - A. L. R. II, 1, 88 738, 739. 4) Anh. z. A. G. O. (I, 2, 8 48) 8 19. 5) A. G. O. I, 2, 88- 99. — Da aber die Ehefrau zur linken Hand den Gerichtsstand de- Manne- hat, so haben auch di« Kinder den de- Vaters. 6) A. G. O. I, 2, SS- 95 , 98 u. 18 ff.; Anhang (zu 1,2 , 8- 95) 8- 27; A. L. R. II, 8, 8- 70. — L. un. C. ubi petantur tut. (V, 32). 7) Anh. j. A. G. O. (1,2, $. 48) 8-19.

Richter und Gericht-personen.

Zuständigkeit der Gerichte.

173

offizianten, Bedienten und das Gesinde, insoweit diese Personen

nicht unter väterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft stehen,

haben den Gerichtsstand der Herrschaft").

4.

Erben haben,

so

lange die Erbschaft nicht getheilt oder die Theilung nicht gehörig

bekannt gemacht ist, den Gerichtsstand des Erblassers in Ansehung der Legate und Erbschaftsschulden *), auch wenn daselbst kein Theil

deS Nachlasses mehr vorhanden ist'"); denn dieser Gerichtsstand ist nicht als ein Forum rei sitae, sondern als das fortdauernde

Forum domicilii des Erblassers aufzufassen.

HI. Grundsätze über Anwendung der Gericht-» stände. §. 72. 1.

Pflicht und Erfordernisse zur Ausübung der Gerichtsbarkeit.

Kein Richter kann in Civilrechtssachen seine Hülfe leisten, bevor und insoweit er nicht darum gebeten wird, sonst tritt Nich­ tigkeit ein').

Sobald er aber angegangen wird, ist er verpflichtet,

unverzüglich und bereitwillig dem Rechtsbedürftigen Gehör zu geben

und nach den vorgeschriebenen Regeln thätig zu fein2*).3 1

Die an­

gerufene Thätigkeit des Richters ist, um wirksam zu sein, bedingt: 1. durch Zuständigkeit des angerufenen Richters, denn Niemand

soll in der Regel seinem ordentlichen Richter entzogen werden2')

und die Ueberschreitung der dem Richter gesetzlich angewiesenen Grenzen hat Nichtigkeit zur Folge$); 2. durch gehörige Besetzung

des Gerichts, wozu bei kollegialisch eingerichteten Gerichten zur

Abfassung des Erkenntnisses in erster Instanz wenigstens drei, und 8) A. G. O. SS 100 u. 13. Ist nach Gem. Rechte streitig. 9) A. ®. O. SS- 122—124. — Koch, de foro heredis. Giess. 1774. — Schwabe, de foro heredum comp. Giess. 1774. 10) Erk. M Ob.-Tr. v. 12. Januar 1853 (Sntsch. Bd. XXIV, S. 374). 1) Nach den Sprüchwörtcrn: Wo kein Kläger ist, da ist kein Richter; und volenti non fit injuria. — V. über das Rechtsmittel der Revision und Nich­ tigkeitsbeschwerde, vom 14. Decbr. 1833, 8 5, Nr. 10, lit d. (G. E. S. 304). Ton' n“‘jC' “* L1 4 0. de usuris pup. (V, 56); L. 20 C. de pignor. (VIII, 14). 2) A. G. O. I, 4, S$. 3 u. ff.; 111, 1, SS- 6 ff.; u. III, 8, S S. 2 a) Berf.-Urk. vom 31. Januar 1850, Art. 7. 3) A. G. O. I, 2, S 1; I, 4, $.5; I, 5, $. 4. - V. vorn 14. Decbr. 1833, S- 5, Nr. 8. — L. 1-4 C. si a non compet. jud. (VII. 48); L. 1, $. 2 D. 3uod quisque juris (II, 2); L. 53, §. 3 D. de re jud. (XI.II, 1), — c. 4 de )ud. (II, I); 3. f». «. SS-121,122.

Trstkt Buch.

174

Sfigrmcint Lrhren.

in der Appellationsinstanz wenigstens fmb4),

fünf Richter

bei einem Einzelnrichter aber zu gewissen,

erforderlich gesetzlich be­

zeichneten Verhandlungen ein Gerichtsschreiber oder zwei Schöppen neben dem Richter herangezogen werden müssen (§§. 55, 56); sonst tritt Nichtigkeit ein. 2.

Verhältniß der verschiedenen Gerichtsstände. §. 73.

a) Das Allgemeine. Der Zweck der einzelnen Gerichtsstände bestimmt zugleich, in­ wiefern sie einander ausschliehen oder nicht.

Als allgemeine Regel

ist anzunehmen, daß die für gewisse Rechtsangelegenheiten, wegen

ihrer besonderen Beschaffenheit, angeordneten Gerichtsstände (sora specialia causac) in der Regel jeden andern Gerichtsstand aus­ schließen ');

daß

sodann der vertragsmäßige

Gerichtsstand den

Uebrigen vorgeht, d. h. die exceptio incompelentis fori begründet;

nächstdem der Gerichtsstand des Zusammenhangs der Sachen, der unter Umständen2*)1 3 auch dem vertragsmäßigen vorgeht, ein­

tritt; daß endlich der Personal- den Real-Gerichtsstand ausschließt4),

alle übrigen Gerichtsstände aber mit einander konkurriren.

§. 74. b) Prävention. v. Bülow, Beiträge zur Lehre von der Prävention; in seinen Abhandlungen über einzelne Materien de- röm. bürgerlichen Rechts, Braunschweig, 1817, S. 214 ff. — Bester ding, Irrthümer der RcchtSgelehrten, S. 450 ff. — SinteniS, Erläuterung über verschiedene Lehren deS CivilprozeffcS, Bd. I, S. 58 ff. — Pütter, de praeventione atque inde nata praescriptione fori; in Opusc. Nr. II. — Hommel, Ariadne jurisdictionum concurrentium, Lips. 1779, und in Dessen Rhaps. qu., 0b«. 727—736,791.

Wenn mehrere Gerichtsstände clective konkurriren, so steht es in der Wahl des Klägers, die Klage anzubringen in welchem er will, ohne daß dem Gegner der Einwand der Inkompetenz des Gerichts zusteht.

Damit jedoch dieselbe Sache, im Falle auch die

4) D. vom 14. Dccbr. 1833, %. 5, Nr. 4. - D. A. von 1600, $. 15. — Die Anzahl der zur Berathung und Beschlußnahme bei kollegialisch formirtcn Gerichten erforderlichen Richter war vor dieser 93. von 1833 nicht bestimmt. Vorbild der neuen Bestimmung ist das französische Recht. 1) A. G. O. I, 2, §. 6 und S$. 161, 165. S. o. S- 70, Note 8. 2) Namentlich alsdann, wenn die Hauptsache vor ein formn speciale cauiae gehört. 3) A. G. O. a. a. £., SS- 111-113.

175

Prozeßfuhrend« Personen.

andere Partei als Kläger auftreten darf, nicht vor zwei Gerichten

zur Verhandlung und Entscheidung gezogen werden kann,

ent­

scheidet über die Zuständigkeit die Prävention«), d. i. die Hand­

lung der Partei und des Gerichts, wodurch Jene sich als Kläger, früher als die andere Partei und ein

Dieses sich als Gericht,

anderes konkurrirendes Gericht thätig zeigt. Partei besteht in der Anmeldung

Die Handlung der

oder Einreichung der Klage;

die des Gerichts in der richterlichen Verfügung, wodurch materiell über die Klage befunden wird, sei es, daß die Klage unvollständig

erkannt und zur Verbesserung gestellt wird, oder daß sie aus einem materiellen Rcchtsgrunde für unstatthaft erklärt, per decretum ab­

gewiesen, oder die Ladung des Verklagten verfügt wird, doch wird die Prävention erst durch die Insinuation der Ladung an den Be­ klagten oder bei Edictalcitationen durch die Ausgabe des öffent­

lichen Blatts vollendet. Welches von den konkurrirenden Gerichten diese Handlung, der Zeit nach zuerst, vollzogen hat, ist das für diese Sache allein zuständiges.

Träfen zwei Gerichte dabei auf

den nämlichen Zeitpunkt (Tag) zusammen, oder ließe sich das Zu­

vorkommen des Einen vor dem Andern nicht feststellen,

so wäre

eine Kollision vorhanden, welche durch eine Delegation der Sache zu beseitigen sein würde').

wenn

wegen Versäumniß

Die Wirkung der Prävention erlischt, des

Klägers

das

Verfahren

einge­

stellt wird.

Viertes Kapitel.

Prozeßsührende Personen. §. 75. Eintheilung. Man unterscheidet, wie bei den Gerichtspersonen, unter den

Streitenden Hauptpersonen und Nebenpersonen.

sind die Parteim selbst

Hauptpersonen

oder Diejenigen, welche für sich selbst

4) Sbcnda, $. 166; I, 50, J. 25. - A. L. R. II, 18, $$. 59,66. 5) A. ®. O. a. a. O. §. 166. — c. 19 X de foro comp. (II, 2); e. 20 X. de off. et potest jub. del. (1,29). 6) A. ®. O. $$. 131—133. Da- Loo-, welche- einige gemeinrechtliche Projtjsualiften entscheiden laffen wollen, ex arg. L. 14 D. de jnd. (V, 1), ist nach Preuß. R. unanwendbar.

175

Prozeßfuhrend« Personen.

andere Partei als Kläger auftreten darf, nicht vor zwei Gerichten

zur Verhandlung und Entscheidung gezogen werden kann,

ent­

scheidet über die Zuständigkeit die Prävention«), d. i. die Hand­

lung der Partei und des Gerichts, wodurch Jene sich als Kläger, früher als die andere Partei und ein

Dieses sich als Gericht,

anderes konkurrirendes Gericht thätig zeigt. Partei besteht in der Anmeldung

Die Handlung der

oder Einreichung der Klage;

die des Gerichts in der richterlichen Verfügung, wodurch materiell über die Klage befunden wird, sei es, daß die Klage unvollständig

erkannt und zur Verbesserung gestellt wird, oder daß sie aus einem materiellen Rcchtsgrunde für unstatthaft erklärt, per decretum ab­

gewiesen, oder die Ladung des Verklagten verfügt wird, doch wird die Prävention erst durch die Insinuation der Ladung an den Be­ klagten oder bei Edictalcitationen durch die Ausgabe des öffent­

lichen Blatts vollendet. Welches von den konkurrirenden Gerichten diese Handlung, der Zeit nach zuerst, vollzogen hat, ist das für diese Sache allein zuständiges.

Träfen zwei Gerichte dabei auf

den nämlichen Zeitpunkt (Tag) zusammen, oder ließe sich das Zu­

vorkommen des Einen vor dem Andern nicht feststellen,

so wäre

eine Kollision vorhanden, welche durch eine Delegation der Sache zu beseitigen sein würde').

wenn

wegen Versäumniß

Die Wirkung der Prävention erlischt, des

Klägers

das

Verfahren

einge­

stellt wird.

Viertes Kapitel.

Prozeßsührende Personen. §. 75. Eintheilung. Man unterscheidet, wie bei den Gerichtspersonen, unter den

Streitenden Hauptpersonen und Nebenpersonen.

sind die Parteim selbst

Hauptpersonen

oder Diejenigen, welche für sich selbst

4) Sbcnda, $. 166; I, 50, J. 25. - A. L. R. II, 18, $$. 59,66. 5) A. ®. O. a. a. O. §. 166. — c. 19 X de foro comp. (II, 2); e. 20 X. de off. et potest jub. del. (1,29). 6) A. ®. O. $$. 131—133. Da- Loo-, welche- einige gemeinrechtliche Projtjsualiften entscheiden laffen wollen, ex arg. L. 14 D. de jnd. (V, 1), ist nach Preuß. R. unanwendbar.

handeln, nämlich der Kläger (actor), der Beklagte (reus) und die Intervenienten. Andere, welche für die Parteien austreten, heißen Nebenpersonen und find theils solche, welche die Partei ver­ treten (Anwälte, procuratores, Mandatarien), theils solche, welche ihnen rathend zur Seite stehen (Rechttzbeistände, advocati, Für­ sprecher).

Erster Abschnitt. Hauptpersonen. §. 76.

L Älägrr und Beklagter. Zu jedem Prozesse gehören nothwendig wenigstens zwei ver­ schiedene Personen'), welche ein entgegengesetztes Interesse haben»). Davon machen die Aufgebotssachen keine Ausnahme, indem sie nicht eigentliche Prozesse, sondern im Gegentheil Beweismethoden find, um die Behauptung einer Partei, daß sie keinen Gegner habe und ein Rechtsstreit nicht denkbar sei, dem Richter gegenüber darzuthun, damit der Richter, der eigentlich als Gegner in Ver­ tretung einetz möglicher Weise vorhandenen Unbekannten handelt, die Hindernisse, die er dem Andern in der Verfügung über einen Gegenstand in den Weg legt, wegräume. Dieses Verfahren hängt mit der eigenthümlichen Stellung deS Richters nach den Preußi­ schen Rechtszuständen zusammen, wonach derselbe sich in vielen Fällen von AmtS wegen als Gegenpartei aufwerfen und Rechts­ handlungen versagen und bestreiten muß, ohne daß eine Privat­ partei dafür vorhanden istJ). Nicht zu verwechseln sind mit solchen Aufgebotssachen diejenigen Rechtssachen, in welchen Edictalcitationen erlassen werden, denn hier ist immer der öffentlich Vorgeladene, der zuweilen auch ein Unbekannter sein kann, die andere Partei. Die beiden einander gegenüberstehenden Parteien find der Kläger und der Beklagte. 1. Kläger (actor) ist derjenige, welcher die 1) L. 62, L. 4 ii. 11 D. de jud. (V, I). 2) Deßhalb hat der Prozeß «in Ende, wenn beide Theile In eine Lag« kommen, wo ihr» Interessen nicht mehr mit einander streiten. Unter der Set» au«setzung des widerstreitenden Interesse« ist die väterliche Gewalt kein Hinder­ niß an der Prozeßführung zwischen dem Vater und seinen Kindern, auch nach heutigem Sem. Rechte; und die in manchen Lehrbüchern (besonders alteren) de« »«meinen Deutschen Prozesse« verkommenden entaraengesetzteu Behauptungen entbthren der Begründung und stehen mit de« wirklichen Recht«leben in geradem Widerspruche.

3) Da« geschieht z B. in Hypothekensachen «egen de« Legalitätsprinzip«, Ei. m. preuß. Recht«»erfaffung. S. 101 ff.

Prozeßführende Personen.

Hauptpersonen.

177

Hülfe des Richters zuerst (dieß ist das Merkmal der Rolle des Klägers in formeller Beziehung)

anruft,

um —

(und

dieses

charakterisirt den Kläger in materieller Beziehung) zu dem Genusse eines ihm streitig gemachten oder doch vorenthaltenen Rechts zu

gelangen4), 5 6 also 7 8 9 um 10 11eine Veränderung des dermaligen thatsäch­

lichen Zustandes zu seinem Vortheile zu erwirken.

In manchen

Prozessen heißt der Kläger Provokant4), auch Implorant4). werden zu klagens,

Er kann nicht gezwungen

ausgenommen

a) wenn er durch Diffamation oder Berühmung Anlaß zur Pro­

vokation gegen sich gegeben hat4);

b) wenn er vermöge eines

Amts, z. E. als Vormund, als Kläger aufzutreten genöthigt ist;

c) wenn das rechtliche Interesse eines Dritten ihn zur Klage ver­ pflichtet4). 2. Beklagter >") (reus) ist Derjenige, über welchen der Kläger sich beklagt, und welcher den dermaligen Zustand un­ verändert beibehalten will.

Er kann in Folge seiner abwehrenden

Thätigkeit ein günstigeres Urtel nicht erlangen, als daß er in der Hauptsache von der Klage entbunden (der Kläger mit der Klage

abgewiesen) wird; nur in Ansehung des Kostenpunkts kann eine Verurtheilung des Klägers, treten4').

zum Vortheil des Beklagten, ein­

Von diesem Prozeßgrundsatz

scheinbare Ausnahmen.

der Kompensation.

gelten zwei jedoch nur

Die Erste kommt vor bei dem Einwande

Hier läßt es die Prozeßordnung, mit manchen

4) A. G. 0.1,1, §. 39 ; I, 4, §§. 1 ff. - L. 12 v. de except. (XLIV, 1). 5) A. G. O. Th. I, Tit. 24, §. 39, Tit. 43, 47, 48; Tit. 32, 33 und 38, SS. 14, 25, 33, 44; Tit. 39.

6) Im Tit. 38 a. a. O. u. Tit. 40, §§. 6,7. 7) A. G. O. I, 32, §. 1. — L. un. C. ut nemo invitus agere (III, 7). 8) A. G. O. a. a. O. Nr. I und II. — L. 5 C. de ingenuis (VII, 14); L. 28 D. de fidejuss. (XLVI, 1). 9) Beispicle: A. L. R. II, 8, §§. 1281 und 1895; I, 16, §§. 285-288; 1, 11, §. 434. — L. 30, §.3 D. de act. emti vend. (XIX, 1); L. 2, 8- 7 D. de lege Rhodia (XIV, 2); L. 8 i. f. D. de optione legata (XXXIII, 5). 10) B eklagter, nicht Verklagter muß es heißen, wie sich auch die Prozeß­ ordnung gleichförmig ausdrückt; denn Beklagter soll soviel heißen, als von der Klage umstrickt, befangen sein, weshalb cs auch in der gemeinrechtlichen Rechts­ sprache im Urtel angemessen heißt, daß der Beklagte von der Klage entbunden worden. Unpassend ist der Preußische Sprachgebrauch: daß der Kläger mit seiner Klage abgewiesen werde; denn der Klager ist ja mit seiner Klage gehört worden. Nur bei der Abweisung der Klage per decretum ist der Ausdruck paffend.

11) A. G. O. I, 23, SS- 1 u. 2. - L. 13, §. 6, L. 15 C. dejud. (III, 1); L. 3 C. de fruct. et lit. expensis (VII, 51). Die Regel reus excipiendo fit actor, bezieht sich auf die Beweislast und Beweisführung. L. 19,

v. de probat. (XXII, 3.) Loch, Civilprozeß. 2. Aufl.

12

andern Partikulargesetzen, zu, den Kläger zur Zahlung des Mehr­

betrags der Gegenforderung an den Beklagten zu verurtheilen, wenngleich die Gegenforderung von dem Beklagten bloß in seiner

Exception angebracht worden ist ’2).

nahme machen die judicia

Die andere scheinbare Aus­

duplicia,

deren Natur es mit sich

bringt, daß die Sache nicht in ihrer

dermaligen Lage bleiben,

folglich nicht mit einer Abweisung des Klägers endigen kann"),

daher jede der beiden Parteien in materieller Hinsicht Kläger und Beklagter zugleich, ist '*), wenn auch nur die Eine als Kläger in

formeller Beziehung auftritt").

damit Aehnlichkeit;

Der Fall der Wiederklage hat

die Unähnlichkeit liegt darin,

daß zwei ver­

schiedene Sachen willkürlich vereinigt sind und daß sich die Eigen­ schaft einer jeden Partei als Kläger und als Beklagter nur auf

Eine davon bezieht, weshalb ein solches Indizium auch mit der bloßen Abweisung

des

Einen und

des

Andern,

oder Beider,

endigen kann.

§- 77.

II. Streitgenofsenschaft (litis consortium). 1. Wenn mehrere Personen, welche nicht eine juristische Per­ son darstellen, oder auch mehrere juristische Personen, oder physische mit juristischen Personen gemeinschaftlich als Kläger oder als Be­

klagte auftreten, so nennt man dieses unter ihnen bestehende Ver­

hältniß Streitgenossenschaft (litis consortium) und die ein­ zelnen Mitberechtigten oder Mitverpflichtetcn heißen Litiskonsorten st. Das Verhältniß ist nicht Societät, sondern immer

zufällige Gemeinschaft,

selbst wenn unter ihnen sonst eine Gesell-

12) Tit. 19, §. 6. Die Praris verlangt aber immer einen bestimmten An­ trag, mit Recht. Vergl. unten Anm. 1 zu §. 132.

13) Wie z. B. bei dem interdictum uti possidetis. A. L. R. I, 7, §. 155. Vergl. §. 7 i. f. inst, de interdictis (IV, 15). Im preuß. Verfahren tritt die rechtliche Natur dieser Judicia in den Hintergrund, äußert sich aber darin, daß sie nicht mit einer Abweisung endigen können. 14) L. 10 D. fin. regund. (X, 1); L. 2, §. 3 D. fam. ercis. (X, 2); L. 37, §. 1 D. de oblig. (XLIV, 7). 1* 15) Alls dieses.formelle Merkmal bezieht sich L. 13 u. 14 D. de judiciis. (V, 1). Jeder kann als Kläger auftreten. Vergl. Proz.-O. Tit. 46, §.8. 1) A. G. O. I, 1, §.36; und I, 23, §.29. — Wildvogel, de consortibus litis. Jenae, 1609. — Marti n, von der rechtlichen Natur der Streltgenossenschaft und deren Einfluß auf den Prozeß; im Magazin für den gemeinen deutschen bürgerlichen Prozeß, Heidelberg, 1829, Abh. 1, 6 und 8. — "b"' Litiskonsorten; in den Nachforschungen, Th. II, Abh. 10,

Prozeßführende Personen.

Hauptpersonen.

179

schäft bestände; denn die gemeinschaftliche Prozeßführung ist kein

Geschäft, auf welches die Gesellschaft gerichtet ist.

Aber eben des­

wegen ist jede

auch wenn der

gemeinschaftliche

Prozeßführung,

Gegenstand nicht gemeinschaftlich ist, ein Litiskonsortium2).3 4II. 5 Hin­ sichtlich der Frage:

ob wegen

eines

Gegenstandes,

zu welchem

mehrere Mitberechtigte oder Mitverpflichtete sind, ein Einzelner als

Kläger auftreten oder beziehendlich als Beklagter belangt werden

dürfe, ist zu unterscheiden: theilbar.

ob der Gegenstand theilbar oder un-

Ist er theilbar, so kann Jeder für seinen Theil klagen

und beziehlich verklagt werden2), und wenn dennoch das Ganze

von Einem oder gegen Einen in Anspruch genommen wird,

so

tritt er dadurch in Ansehung der ihm nicht zustehenden Antheile als Stellvertreter der übrigen Theilhaber auf und muß sich als

solcher durch Auftrag ausweisen.

Ist aber der Gegenstand untheil-

bar, was in dieser Beziehung nur dann angenommen wird, wenn er Einenr nicht zu statten kommen kann, ohne zugleich den Uebrigen

zu Gute zu kommen oder umgekehrt von Allen geleistet werden muß, wenn er dem Kläger gewährt werden soll, wie z. B. Grundgerechtigkeiten eines tut Miteigentum von Mehreren befind­

lichen Grundstücks *), alsdann sollen die mehreren Mitberechtigten

gemeinschaftlich auftreten und die mehreren Mitverpflichteten ge­ meinschaftlich belangt werden, d. h. es kann die exceptio plurium litis consortium wirksam entgegengesetzt werden2). Wird jedoch der Einwand nicht gebraucht,

so ist der Kläger als Ge­

schäftsführer der Uebrigen anzusehen,

und der Richter darf ihn

2) Das ist gemeinrechtlich streitig, aber dabei ist der Prozeß nicht als ein Geschäft für sich betrachtet, was er doch ist. Aber deshalb sind die ProzeßGrundsätze, welche die Anhänger der Theorie von dem litis consortium daraus herlciten, noch nicht anzuerkenncn. In der Lehre find viele Meinungsverschieden­ heiten. — Hierher gehört noch die Schrift von Plank, die Mehrheit der Rechts­ streitigkeiten im Prozeßrechte. Göttingen, 1844. Dazu Wetzell in den krit. Jahrb. von Richter it. Jahrg. 1847, S. 120 ff. Ferner der Artikel: Streit­ genossenschaft von Heimbach, in Weiske's Rechtslerikon, Bd. VIII,

Seite 700 ff.

3) A. G. O. I, 5, §. 4, Nr. 8. - Schles. Arch. Bd. IV, S. 2. 4) So ist das „j. B. Grundgerechtigkeiten" im §. 4, Nr. 8 a. E. Tit. 5 der Prozeßordnung zu verstehen, sonst würde das Beispiel falsch sein, da, wenn Meh­ rere die Wegegcrcchtigkcit haben, sie Jedem ganz zustcht, ohne daß sie dadurch den übrigen Berechtigten zu Statten kommt.

5) A. G. O. a. a. O. Nr. 7 u. 8; und Tit. 9, §. 2. — Ist streitig, sowohl nach Gemeinem als nach Preuß. Rechte. Prozessualisch nothwendig ist die Ber­ einigung zur Prozeßführuug freilich nicht; in der Prvzcßführung de« Einzelnen liegt nicht eine Verfügung über das Ganze, sondern nur eine Verfügung über sein TheilnehmungSrecht.

180

Erstes Buch.

Allgemeine Lehren.

ex officio nicht zurückweisen •).

III. Wiewohl die gemeinschaft­

liche Prozeßführung, als ein besonderes Geschäft, zufällige Gemein­

schaft, also Litiskonsortium, begründet;

so sind doch in Ansehung

der Angriffs- und Vertheidigungsmittel, sowie des Beweises, die beiden Fälle zu unterscheiden, wo der streitige Gegenstand gemein­ schaftlich und ungetheilt ist oder nicht.

Ist er gemeinschaftlich und

ungetheilt, so kommen die von dem Einen gebrauchten Angriffs­

oder Vertheidigungsmittel auch den Uebrigen zu statten, wogegen die Verweigerung

eines Schiedseides

oder ein Geständniß des

Einen ebenso dem Ganzen nachtheilig toiri)*7).

IV. In jedem der

beiden Fälle hängt es von dem richterlichen Ermessen ab: ob er einen gemeinschaftlichen Prozeß zulassen oder die Ansprüche der

Einzelnen zu besonderen Prozessen verweisen will 8).

Dieß ist auch

der Stand der Frage im Gemeinen Rechte nach den neuesten For­

schungen.

HI. Theilnahme dritter Personen an einem Prozesse. 1.

Nach vorheriger Aufforderung.

§. 78. a) Litlsdenunciation.

A. G.O. I, 17, 88- 1—33. — A. L. R. I, 11, §8- 143-148. - Böle, über den Begriff der Litisdcnunciation nach der A. G. O. Th. I, Tit. 17, §§.1—34; in Ulrich's Archiv, Bd. VII, S. 99 ff. — GenSler, Ver­ wandtschaft der litisdenunciatio mit den Interventionen, nebst einigen Be­ merkungen über Begriff und Wirkung derselben; im Archiv f. civil. Praxis,

Bd. IV, S. 175 ff. — Duntze, Einiges über die Verbindlichkeit zur LitiSdenunciation, ebenda, Bd. X, S. 355 ff. — Glück, Comm. XX, S. 388 ff. — Aus der ältern Literatur: Stryck, de litisdenuntiatione, Halae, 1711. — Felz, de litisdenuntiatione, Argent. 1720. — Trendelen­ burg, de litisdenuntiatione actoris ejusque usu et applicatione in foro, Bützow, 1774.

Auch

ein Dritter kann als Partei,

aus

einem rechtlichen

Grunde, an einem Prozesse Theil nehmen, dazu aufgefordert oder

auch unaufgefordert.

1.

Die Aufforderung zur Theilnahme heißt

) Schics. Arch. Bd. IV, S. 2. 7) Ebenda, S. 31. Die gewöhnlichen Vorstellungen über das Verhältniß sind sehr verworren. Insbesondere unterscheidet man nicht scharf die beiden Fälle, welche dem Litiskonsortium zum Grunde liegen können. Auch der Kostenpunkt regelt sich darnach verschieden, da in dem zweiten Falle nicht alle Kosten gemein­ schaftlich sind. 8) A. G. O. I, 1, §. 37. Ebenda, §. 35, verb. mit der K. O. v. 7. Mai 1838 (Jahrb. Bd. LI, S. 374) und G. vom 21. Juli 1846, §. 32.

Prozeßfuhrende Personen.

Hauptpersonen.

181

Litisdenunciation (Streitankündigung, litis denuntiatio), und be­ steht in der Nachricht von dem schwebenden Prozesse zu dem Zwecke,

damit der Litisdenunciat an der Verhandlung der Sache Theil nehme und zu seinem eigenen Vortheile mit dem Denuncianten

vereint handle oder ihn wider den Gegner vertrete').

II. Zur

Litisdenunciation ist sowohl der Kläger als der Beklagte, bei allen'") dinglichen und persönlichen Klagen, verpflichtet, wenn er im Falle eines ungünstigen Ausganges des Prozesses von einem Dritten

Schadloshaltung fordern zu können

rechten Zeit,

Sie muß zur

vermeint^).

d. h. so zeitig geschehen,

daß der Denunciat noch

die ihm zuständigen Angriffs- oder Vertheidigungsmittel benutzen kann,

also in jeder Instanz so lange noch neue Thatsachen,

Be­

weismittel und Rechtseinwendungen angebracht werden dürfens, sonst gilt sie für nicht geschehen'').

In zweiter Instanz soll sie

spätestens sogleich bei Anmeldung der Appellation geschehen'), und es war deshalb Meinungsverschiedenheit darüber,

ob sie, wenn

eine bloße vorläufige Anmeldung, ohne vollständige Rechtfertigung, eingereicht worden war, noch mit dem Appellationsberichte einge­ bracht werden dürfe5*).6 1 * 3Dieser * Zweifel ist durch das veränderte

Verfahren erledigt, indem vor dem Gericht erster Instanz keine

Prozeßhandlungen mehr vor sich gehen, vielmehr auf die bei dem­ selben eingehende bloße Anzeige, daß man sich über das Erkennt­ niß beschwere,

die Akten an das

Appellationsgericht abgeschickt

werden, wo dann die Einführung und Rechtfertigung der Appella­ tion mit den weitern Verhandlungen erfolgt').

Die Litisdenun­

ciation ist nun also mit der Einführung und Rechtfertigung der

Appellation zugleich einzureichen.

In der Revisions-Instanz und

bei der Nichtigkeits-Beschwerde ist sie gar nicht mehr zulässig 1) A. G. O. §§. 2, 8. — L. 49 D. de judiciis (V, 1); L. 74, §.2 D. de evict. (XXI, 2); L. 21, 23 C. de evict. (VIII, 45). 1 a) Das R. R. kennt die Verpflichtung zur Litisdenunciation nur in den Fällen, wo (Sektion zu leiste» ist. In anderen Fällen halten die Neueren fie für bloß nützlich. Darauf beruht die gemeinrechtliche Gintheilung der Litisdcnunciation in nothwendige und freiwillige.

2) «. G. O. a. O. §§. 2, 3, 4 u. 8. Ueber die Folgen der Unterlaffmig s. §. 10 das., und Recht der Forderungen, §. 124.

3) A. G. O. §§. 14 und 17 a. a. O. — Vergl. L. 29, §. 2 D. de evict. (XXI, 2). 3 a) L. 53, §. 1 D. eodem; L. 8 C. eodem (VIII, 45). 4) A. G. O. §. 15 a. a. O.

5) Wegen §§. 21 u. 22, Tit. 14, Th. I, a. a. O. 6) SB. vom 21. Juli 1846, §§. 15,16, 30.

6 a) A. G. O, I, 17, §. 32.

Erstes Buch.

182

III.

Allgemeine Lehren.

Die Litisdenunciation muß den Grund,

nebst den Beweis­

mitteln darüber, für die Verbindlichkeit des Litisdenunciaten zur

Vertretung angeben7),8 9ohne 10 11Ausnahme 12 13 ausdrücklich und gericht­ lich geschehen»), und wird in erster Instanz entweder mündlich zu Protokoll erklärt oder durch einen Schriftsatz, der nicht nothwendig

von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein muß»), angebracht"); in zweiter Instanz ist die Form der Appellationsrechtfertigung an­

zuwenden.

Das Gericht hat eine Abschrift davon,

mit allen in

der Hauptsache bereits gepflogenen Verhandlungen und Beilagen, dem Litisdenunciaten zuzufertigen, mit der Aufforderung: sich zur

Vermeidung des Nachtheils,

daß er in

dem künftigen Regreß­

prozesse mit Allegaten in Beziehung auf diese Sache nicht gehört

werde, in einem dazu bestimmten Termine zu erklären:

1. ob er

das Fundament des ihm angekündigten Regresses für bekannt an­

nehme, und wenn der Litisdenunciant den Prozeß verlieren sollte,

ihm den Gegenstand desselben zu vertreten sich für schuldig erkenne; 2. ob er demselben in der Hauptsache beistehen wolle; 3. was er zu diesem Zwecke zur Vertheidigung desselben anzuführen habe'7).

Diese Verfügung wird dem Litisdenuncianten zur Insinuation zu­ gestellt").

Sind mehrere Autoren oder Erben vorhanden, so

muß Jedem besonders denunciirt werden.

Die Insinuation ge­

schieht wie bei der Ladung des Beklagten.

Der Richter darf, mit

Ausnahme des Falles,

wo die Denunciation so spät angebracht

wird, daß der Spruch durch eine Nebenverfügung ausgesetzt werden

müßte, die Zufertigung der Litisdenunciation

nicht versagen"),

denn ob die Denunciation wirksam geschehen oder nicht, das ist 7) Ebenda, §. 13. 8) 8 9 st. st. O. Darüber ist nach G. R. Meinungsstreit.

S. R. Recht

der Forderungen, §. 124, Note 9.

9) Die Litisdenunciation steht der Klage gleich; diese bedarf keiner Lega­ lisation.

10) §§. 13 und 9 st. st. O. 11) §8. 16, 21 u. 19 st. st. O. — Der privilegirte Gerichtsstand wird hier­ bei natürlich nicht berücksichtigt. L. 49 D. de judiciis (V, 1); L. 35, §. 2 D. de procurat. (III, 3). 12) 8 21 a. a. O. Von der richtigen Insinuation hängt Alles ab, wes­ halb Vorsicht dabei nöthig ist. Nach der heutigen Einrichtung werden die In­ sinuationen durch die Post nach auswärts besorgt.

13) Nur in Rücksicht auf den Zeitpunkt der Anbringung ist dem Richter ein Ermessen gestattet, weil die Hauptsache nicht darnach aufgehalten werden soll; nicht aber hinsichtlich der Gültigkeit des Grundes. Die Denunciation ist als bloße Thatsache zu behandeln, deren Begehung oder Unterlassung in dem Gut­ befinden des Denuncianten steht. §. 8, 14, 15, 17 a. a. O. Wegen Erstattung von dadurch verursachten unnöthigen Kosten s. u. Note 22.

Hauptpersonen.

Prozcßführcnde Personen.

183

in diesem Prozesse nicht auszumachen, weshalb auch über die Wir­

kung durch das Urtel in der Hauptsache gar keine Bestimmung zu treffen ist").

was er will.

IV. Der Litisdenunciat hat freie Wahl zu thun

Er kann sich erklären wie es ihm gefällt, er kann

auch ganz schweigen und ausbleiben.

In diesem Falle aber, sowie

wenn er die Theilnahme an dem Prozesse ausdrücklich

ablehnt,

präjudiciren ihm die gepflogenen Verhandlungen und das in der

Hauptsache ergangene Urtel14 15).16 17 Meldet sich der Litisdenunciat nach Versäumung des Termins zur Vertretung und entschuldigt

er die Verspätung mit wahrscheinlichen Gründen, so darf ihn der Richter noch bis zum Schluß der Verhandlungen, also noch in

der Audienz zur mündlichen Verhandlung der Sache, hören").

V. Nimmt der Litisdenunciat an dem Prozesse Theil, so stellt er mit dem Litisdenuncianten Eine Person vor, und muß den Prozeß

in der Lage übernehmen, findet;

wie er solchen bei der Einmischung

Beide müssen gemeinschaftlich handeln,

insbesondere kann

Keiner wider des Andern Willen, namentlich wenn Dieser andere

Beweismittel angiebt, Eide deferiren").

In diesem Falle heißt

es, der Litisdenunciat assistire (insteuere, assistere) dem Denun­

cianten 18).

Sind Beide einverstanden, daß der Litisdenunciat den

ganzen Prozeß übernehme und zu Ende führe, so muß der Gegner

sich solches zwar gefallen lassen, doch ist ihm gegenüber der Litis­ denunciat nur Prokurator des Litisdenuncianten, denn Dieser bleibt

Hauptperson und muß das Erkenntniß, in welchem er als Partei

zu nennen ist, gegen sich vollstrecken lassen.

Dieser Fall ist eine

bloße Vertheidigung, ein defendere des Denuncianten19).20 Nimmt

aber die andere Partei den Litisdenunciaten für ihren Gegner an und erklärt sie ausdrücklich, daß sie den Litisdenuncianten außer Anspruch lasse, so geschieht eine Delegation und der Litisdenunciant tritt aus aller Verbindlichkeit?«).

VI.

In dem Falle, wenn der

14) Schics. Archiv, Bd. V, S. 175. Dic dennoch getroffene Bestimmung wird nicht rechtskräftig, weil zwischen dem Denuncianten und Dcnunciaten in die­ sem Verfahren keine Verhandlung stattffndet. 15) §. 17 a. §§. 19, 20 u. 22 a. a. O. 16) §. 18 ebenda. Er kann unvorgeladcn in

der Audienz austreten und das Wort begehren, wie ein Intervenient. Wieweit auf da- Vorbringen zu achten, hängt von dem Befinden de- Gericht- ab.

17) Ebenda, §§. 24, 25. 18) L. 21, 23 C. de evictione (VIII, 45). 19) A. G. O. §. 29 a. a. O. - L. 21, §. 2 v. de evict (XXI, 2). 20) A. G. O. §. 30 a. a. O. — L. 1 C. ubi in rem actio (III, 19); L. 23 D. de solut. (XLVI, 3).

Erst»« Buch.

184 Litisdenunciat nicht sondern auch sich

Allgemein« Lehren.

allein den Grund des Regreffes

dem

anerkannt,

ergehenden Urtel im Voraus völlig und

ausdrücklich unterworfen hat, ohne daß gleichwohl der Litisdcnun-

ciant aus der Sache geschieden ist, darf der obsiegende Gegner die Exekution vollstrecken lassen gegen welchen von Beiden er will.

Wendet er sich damit an den

Lititzdenuncianten,

so darf dieser

seiner Seits die Exekution gegen den Litisdenunciaten sofort ver­

langen»').

Außer diesem Falle gehört die Regreßklage vor das

ordentliche Forum des Denunciaten, nach der Regel: actor sequi-

tur formn rei.

VII. Die Kosten der Litisdenunciation hat in

allen Fällen der Litisdenunciant vorzuschießen und beziehlich dem Litisdenunciaten, wenn dieser seine Vertretungsverbindlichkeit nicht anerkennt, vor der Hand zu ersetzen; er kann hierzu ohne Weiteres, auf den Antrag des Litisdenunciaten, durch Exekution angehalten werden, mit Vorbehalt der Rückerstattung, wenn künftig sein Re­

greßanspruch für gültig erkannt wird.

Das Gleiche gilt, wenn der

Litisdenunciat zwar der Aufforderung des Lititzdenuncianten ent­ spricht und ihm assistirt, aber doch seine Verbindlichkeit dazu leugnet. Erkennt der Denunciat die Vertretungsverbindlichkeit an, so hat

er gleichwohl diejenigen Kosten, welche wider seinen Willen von

dem Denuncianten verursacht worden sind, nicht zu erstatten. Wird

der Prozeß gewonnen, so muß der unbedingt in die Kosten verurtheilte Gegner auch die Kosten der Litisdenunciation ersetzen»»). §. 79. b) Adcitation. Mittermaier, Beiträge zu der Lehre von der Adcitation; im Archiv für civil. PrariS, Dd. III, S. 31 ff. — GenSler, über die Verwandtschaft der Adcitation rc., ebenda, Dd. IV, S. 175 ff. — Gaur, de adcitatione tertii ad litem. Tübing. 1759. — Ma* tin, im Magazin fitt den bür­ gerlichen Prozeß, Dd. I, Heft 3, Abh. VII. — Hagemann, pract. Erör­ terungen, VI, 35.

Adcitation ist eine richterliche arctatorische Ladung eines Dritten zur Theilnahme an einem Prozesse in der Eigenschaft als

Litiskonsorte.

Die Besugniß des Richters dazu ist nach Gemeinem

21) A. G. O. $. 33, a. a. O. — Daß die bloße Anerkennung des einen Regreß rechtfertigenden Grundes die Verbindlichkeit des Litisdenunciaten, den Gegenstand des verloren gehenden Prozesses unbedingt zu ersetzen, nicht begründet, erhellet auS $. 27 ebenda. 22) A. G. O. I, 23, $. 17. Dem zur Erstattung der Kosten verurtheilten Gegner bleibt jedoch unbenommen, in dem LiquidatlonSverfahren ($.92) den Einwand der fehlenden Nothwendigkeit und Nützlichkeit dieser Kosten (s. o. Note 13) zu machen. §. 27, Abs. 2 ebenda.

Proztßführkndk Person«».

Rechte streitig.

Hauptprrsoncn.

185

Das Preußische Recht befiehlt sie, wenn eine Partei

daraus anträgt, und gestattete sie früher dem Richter auch von

Amts

wegen,

wenn er dadurch mehr

Aufklärung

Diese Adcitation unterschied sich jedoch von der,

erwartete').

Seitens einer

Partei verlangten, wesentlich dadurch, daß der Adcitat des Richters nur als Zeuge pro insormatione vernommen und in den Prozeß selbst nicht verwickelt wurde; und ist im neuern Rechte mit dem

Grundsätze: daß der Richter die Wahrheit von Amts wegen zu

erforschen und alle dazu beittagende Mittel,

ohne Anttag einer

Partei, anzuwenden schuldig sei (Note 1), von selbst weggefallen. Mit der Verhandlungsmaxime verträgt sich diese Adcitatton von

Amts wegen nicht.

Bringt eine Partei die Adcitation eines Dritten

in Anttag, so geschieht das mittelst einer Litisdenunciation»), daher

auch die Prozeßordnung die Ausdrücke Adcitant und Adcitat als

gleichbedeutend mit Litisdenunciant und Litisdenunciat gebraucht«).

Die Adcitation im gemeinrechtlichen Sinne ist dem Preußischen

Prozesse nicht bekannt»); die auf Anttag einer Partei ergehende Beiladung eines Dritten ist nach Preußischem Rechte immer nur

monitorisch, nie arctatorisch.

2.

Ohne Aufforderung.

Intervention.

A. G. O. I, 18. — Jordan, Intervention im Civil-Prozeffe; in WeiSke'S RechtSlerikon, Bd. V, S. 641 ff. — Gesterding, die Lehre von der In­

tervention; in den Nachforschungen, Bd. V, S. 123 ff. — I. I. Fr. Lang, Die Interventionen nach den Grundsätze» des gemeinen deutschen CiM-ProzeffeS, Landshut, 1826. — GenSler, Interventionen im Civil-Prozeß, ein

Beitrag zur Lehre hiervon; im Archiv für eivil. PrariS, Bd. IV, S. 153 ff. — AuS der ältern Literatur: Hahn, de interventione,

— Mauritius, de jure interventionis, Kiel,

Heimat 1659.

1669. — CIaproth,

de interventione libcllus, Goetling. 1763. — Fresenius (pr. Mal-

bl ane) de interventione in judicio, et speciatiin de tertii appella-

tione atque effectu praeventionis circa eam.

Tübing. 1803.

1) Ebenda, I, 17, $ 5. 2) $. 6 a. a. O.

S$.

3) 7 u. 8 daselbst. 4) Auffallend ist die Diatribe des Revisors der Prozeßordnung zu I, 17, wo er darüber meditirt: ob in der That ein Unterschied stattfinde, »wischen der Adcitation und LitiSdenunciation. Er kommt gar nicht darauf, daß die LitiSdenunciaiion eine Prozeßhandlung der Partei, wie die Klage, ist, und die Ad­ citation die richterliche Verordnung. 5) Nach G. R. wird die Adcitation von dem Richter von Amts wegen er­ kannt, ohne LitiSdenunciation.

186

Allgemein« Lehren.

Erste- Buch.

§. 80. a) Acccssorischc Intervention.

Die

unaufgeforderte Theilnahme

Prozesse heißt Intervention,

eines

Dritten

an einem

und findet als Ausnahme von

der Regel, daß kein Dritter sich in die Rechtsstrcitigkeiten Anderer

zu mischen hat, nur in den zwei Fällen Statt, wenn der Dritte der einen Partei für den ihr entzogenen Gegenstand des Prozesses

würde aufkommen müssen, und wenn der Dritte an oder bei dem Gegenstände ein eigenes Theilnahmerecht oder sonst eine Berechti­

gung hat').

Das „zu haben glaubt" bezieht sich nicht auf die

Vorstellung oder Einbildung des Dritten, sondern auf die rechtliche

Grundlage seines Rechts oder Interesses:

dieselbe muß, als that­

sächlich richtig vorausgesetzt, einen ursächlichen Zusammenhang mit

dem behaupteten Rechte oder Interesse

haben;

die Intervention

muß mithin zurückgcwiesen werden, wenn der Dritte nicht That­

sachen behauptet,

aus welchen,

wenn sie wahr wären,

sein ver­

meintliches Recht oder Interesse rechtlich folgt1 2)3; 4er 5 muß sie auch wenigstens einigermaßen bescheinigen2).

Ueber die bestrittene Zu­

lassung des Intervenienten wird per decretum entschieden, gegen

welches die Beschwerde in dem gehörigen Jnftanzenzuge stattfindet; doch kann,

wenn auch darnach

der Intervenient hat zugelaffen

werden müssen, dessen Abweisung noch immer durch das Endurtel

ausgesprochen werden^). intervmircn.

Man kann accessorisch oder principaliter

Accessorisch heißt die Intervention

(interventio

accessoria), wenn der Intervenient mit einer Partei gemeinschaft­

liche Sache macht; Haupt- (Prinzipal-) Intervention (interventio

principalis) ist sie, wenn Jemand sein Recht gegen beide streitende Theile verfolgt2).

Eine s. g. gemischte Intervention kennt das

1) Diese beiden Fälle drückt die Prozeßordnung Tit. 18, §. 1 so aus: „wenn Jemand an eine Sache oder Befugniß, worüber zwei Parteien mit ein­ ander im Prozesse befangen sind, ein Recht oder ein Interesse dabei zu haben glaubt." Tas „Recht" bezieht sich auf den zweiten Fall, das „Interesse dabei" auf den ersten. — Vergl. L. 29 pr. D. de inoff. testam. (V, 2); L. 4, §§. 2

bis 4, L. 5, §. 1, L. 14 pr. D. de appell. (XLIX, 1); Nov. 112, c. 1. 2) Einen solchen Fall sehe man in den Entscheidungen deS Geheimen OberTribunalS, 93b. II, Nr. 30, in Verbindung mit in. Beurtheil, der ersten zehn Bande, S. 119.

3) A. G. O. I, 18, §. 9. — Intervenier ante omnia Interesse demonstrare debet. Gail, Obs. L. I, obs. 69, n. 3—5; obs.70. n. 23 u. m. A. 4) Darüber f. m. den Note 2 bezeichneten Rechtsfall. 5) A. G. O. §. 2 a. a. O.

Prozeßführmd« Pnsoncn.

Preußische Recht nicht •).

Hauptxrrsk»cn.

187

Die accessorische Intervention ist die

älteste und lange Zeit einzige Form der Einmischung eines Dritten in einen fremden Prozeß ’).

zu jeder Zeit und

Der accessorische Intervenient darf

in jeder Lage des Prozesses,

selbst

in

der

Appellations- und Revisions-Instanz, so lange es noch helfen kann,

d. i. so lange die Sache noch nicht spruchreif ist, interveniren, er

muß aber den Prozeß in der Lage nehmen, in welcher er sich als­ dann befindet86),97 10 und auch den Gerichtsstand anerkennens, ohne

jedoch verhindert zu sein, den Richter aus gesetzlichen Gründen zu perhorresciren.

Er tritt lediglich

in die Stellung

eines Litis-

denunciaten, welcher der Hauptpartei assistirt'°).

§. 81. b) Haupt- oder Prinzip al-Intervention.

Die Prinzipal-Intervention ist eine besondere Klage, worin der Intervenient als Kläger seinen angeblich bessern Anspruch auf den Gegenstand des Prozesses gegen beide in dem Hauptprozesse

streitende Parteien als Beklagte verfolgt').

Sie wird nach Preu­

ßischem Recht nicht in den Hauptprozeß gezogen, unterbricht mit­ hin auch nicht dessen Gang und hemmt nicht die Exekution des

in demselben ergehenden Urtels, vorbehaltlich eines Arrestschlages,

wenn dazu die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben finb8).

Nur

alsdann, wenn der Intervenient bei einer Präjudicialfrage, worüber die Hauptparteien streiten, interessirte, kann er, zur Vermeidung

einer Vervielfältigung der Prozesse, nach dem Ermessen des Ge­

richts, bei dem Hauptprozesse zugezogen werden, und sich derjenigen Partei anschließen, mit welcher seine Rechte und Behauptungen,

6) Die gemeinrechtlichen Prozessualisten streiten über das Dasein einer ge­ mischten Intervention. Martin, über die Frage: ob cs eine gemischte Inter­ vention gebe; im Magazin für den bürgcrl. Prozeß, Abh. 4; Mittermaier, im Arch. sür civil. PrariS, Bd. IV, S. 256 ff. 7) M. s. L. 4, 8. 4 D. de appellat. (XLIX, 1). 8) A. G. O. $8- 10 und 11 a. a. O. — c. 2 X ut lite pendente in 6 (H, 8). 9) 8 9 a. a. O. — L. 40 pr. D. de jud. (V, 1). 10) §. 10 a. a. O. Nach Gern. Rechte streitet man darüber: ob der In­ tervenient nicht ein wahrer Streitgenoffe (LitiSconsorte) sei, waS jedoch aus überzeugenden Gründen verneint werden muß. 1) A. G. O. 8- 3 a. a. O. DaS wird auch gemeinrechtlich angenommen. 2) SS* 4 u. 5 ebenda. Dadurch ist die gemeinrechtliche Controverse: ob der Hauptprozeß bis nach rechtskräftiger Entscheidung über den Anspruch deS Intervenienten ruhen müsse, entschieden. Die Bejahung soll auS L. 6, §. 1 D, de interrog. (XI, 1) zu entnehmen sein.

Erstes Bach.

188

Allgemeine Lehreu.

der Andern gegenüber, zusammentreffen, z. B. wenn ein Testaments­ erbe von einem vermeintlichen Jntestaterben belangt ist und ein dritter angeblich näherer Zntestaterbe auftritt, kann der Dritte in

Ansehung

der

Ungültigkeitserklärung

des Testaments mit der

Hauptpattei gegen den Testamentserben gemeinschaftliche Sache

machen *), wodurch Beide wahre Litiskonsorten werden. Der Punkt, über welchen diese unter sich uneins find, ist dann in einem be­ sondern Prozesse auszumachen, in welchem, wenn Mehrere inter-

veniren und Jeder aus eben demselben Grunde ein vorzügliches Recht gegen den Andern behauptet,

unter ihnen nach Art eines

Pttoritätsstreits verfahren und entschieden werden kann«).

Meldet

der Dritte sich nicht bei dem Hauptprozesse, so ist dies seinem Rechte unnachtheilig; das in dem Hauptprozesse ergehende Urtel

präjudieirt ihm nicht und er kann sein Recht noch nach rechts­ kräftiger Entscheidung geltend machen, wodurch er die Exekution in den von ihm in Anspruch

genommenen Gegenstand hindert,

wenn sein Klagegrund bescheinigt i(ls).

Aus dem Vorgetragenen

erhellet, daß das Preußische Recht die gemeinrechtliche Prinzipal-

Jnterventton nicht kennt; denn was hier so genannt wird, ist nichts anderes als eine separate Klage,

die auch später noch zu allen

Seiten angebracht werden kann; die Einmischung des Dtttten in dm Hauptprozeß aber ist eine Art subjektiver Klagekumulation.

XV. Fähigkeit zur Prozeßführung. §. 82. 1.

Grundsätze.

Diejenigen, welche ein eigenes Recht vor Gericht verfolgm

oder verthcidigm wollen,

müssen nicht nur die Befugniß zu ge-

3) $. 6 a. a. O. — Dieses vom Richter angeordnete Zusammenstehen deS Intervenienten mit der einen Hauptpartei kennt das Gem. Recht nicht. Die f. g. interventio anomal», wo die eine Hauptvartei den Anspruch deS Jutervenientm theilweise anerkennt und deshalb Beide als Streitgenoffen handeln, ist etwas anderes. DaS Zusammenstehen deS Intervenienten mit einer Hauptpartei gegen die Andere, im Sinne deS Preuß. Rechts, kann auch noch in der AppellatlonSinftanz geschehen, wogegen die gemeinrechtliche Prinzipalintervention, die dm Hauptprozeß fistirt und vorweg entschieden werden muß, nicht mehr in der zweitm Instanz angebracht werden kann.

4) Z. (5. wenn Mehrere gleichzeitig ein Retraktrecht auf ein Grundstück auSüben wollen. A. G. O. $• 6, Abs. 2 a. a. O. 5) A. G. O. I, 24, $. 77. - L. 15, $. 4 v. de re jud. (XLH 1). Struben, recht!. Ded. Th. V, Bd. 100, — Wernher, Obe. P. III, obe. 179; P. VII, obs. 176.

Prvjtßführtadt Pnsoam.

Hauptpnsoam.

189

richtlicher Rechtsverfolgung (personam standi1)2io 3 4judicio) 5 habens,

sondern auch über den Gegenstand des Rechtsstreits zu verfüge« berechtigt sein.

Zur Prozeßführung in eigener Sache ist mithin

persönliche Fähigkeit zu Rechtsgeschäften und facultatem dispo-

nendi erforderlich, worüber Nachweis geführt werden muß (legi— timatio personae) ’). Unterwürfigkeitsverhältnisse machen den Unter­

worfenen zur Rechtsverfolgung vor Gericht gegen den Machthaber nicht unfähig').

Die Fähigkeit wird nach den persönlichen Rech­

ten der Partei beurtheilt, was bei Ausländem wichtig ist»).

2.

Persönliche Fähigkeit.

§. 83. a) Unbedingt Unfähige.

Weder als Kläger noch

als

Beklagte

werden zugelaffen:

Wahn- und Blödfinnige, Taubstumme, Unmündige');

sie müssen

durch ihre natürlichm oder gerichtlich bestellten Vormünder ver­ treten werdens.

Verschollene

werden

in

den Angelegenheiten,

welche das zurückgelassene Vermögen betreffen, in der Person des

ihnm zur Verwaltung desselben bestellten Kurators als gegenwärtig und vertreten angesehen').

Sind diese Personen, wenn sie sich

zur Klage melden oder belangt werden, noch nicht bevormundet, so muß der angegangene Richter die Bevormundung veranlassen.

1) Der Gegensatz ist daS jus sedendi, sc. cum iudicibus residendi. L. 3 C. de off. div. jud. (I, 48); L. 1 C. de off. civil, judicum (1,45); L. 6, $. 6 C. de postul. (II, 6). 2) A. G. O. I, 1, $. 1. 3) Dapp, Versuch über die Lehre von der Legitimation zum Prozeß. Franks. 1789. — Gesterding, zur Lehre von der Legitimation im Prozeß, wieweit sich daS officium judicis in Hinsicht auf die Legitimation erstrecke re., in den Nachforschungen, Bd. I, Abh. V, S. 372 ff. Die Sachlegitimation (legitimatio ad causam) gehört zur Begründung deS materiellen KlagerechtS; sie wird von der Legitimation der Person (legitimatio personae) scharf unter­ schieden. Die Prozeßlegitimation (legitimatio ad processum) ist wieder ein Andere-; sie bezicht sich auf die handelnde (stellvertretende) Person. 4) A. G. O. § 2 a. a. O. 5) Ebenda, $.5, in Uebereinstimmung mit A. L. R. Eine Maßgabe enthält $. 6 der A. G. O. a. a. D.

Einl. $$.22—26.

1) Ebenda, $. 3. — Wegen Wahnsinniger: L. 4 pr. D. de in juavocando (II, 4); L. 9 D. de re jud. (XLII, I), L 40 und L. 124, $. 1 D. de reg. jur. (L, 17); wegen Jugend und Taubheit: L. 1, $.3 D. de postulando (III, 1).

2) A. G. O. a. a. O. $. 3. — L. 1, $. 2 D. de administrat. et peric. tut. (XXVI, 7).

3) A. G. O. $. 8 a. a. O. Uneigentlich wird dieser Kurator genannt. M. Pr. Privatrecht, $. 865.

Vormund

190

Erstes Buch.

Allgemeine Lehren.

Der Prozeß ruhet so lange bis solche erfolgt ist; ist aber Gefahr im Verzüge, so darf der Prozeßrichter der betroffenen Partei einen Interims-Kurator für diese Prozeßangelegenheit bestellen4).

einen

ausgetretenen

Militairpflichtigen

Konstskation des Vermögens

noch

jedoch,

Für

wenn

die

nicht ausgesprochen ist,

der

tritt

Fiskus auf3*).4 15 2 b) Bedingt Unfähige.

§• 84. aa) Personen in vormnndschaftlicher oder väterlicher Gewalt.

I.

Minderjährige und Verschwender haben die Befugniß, in

eigener Sache vor Gericht aufzutreten, wenn ihre Vormünder und

Kuratoren ihnen zur Seite stehen;

sie können aber auch, unbe­

schadet der Gültigkeit der Prozeßverhandlungen, ganz wegbleiben, indem die Vormünder und Kuratoren ohne sie und ohne Ein­ stimmung derselben den Prozeß für sic führen können').

Eine

Ausnahme machen die für großjährig Erklärten, nach Maßgabe ihres Patents2).

Haben dergleichen unfähige Personen noch keinen

Vormund oder Kurator zur Zeit der Anbringung der Sache, so wird wie bei unbedingt Unfähigen (§. 83) verfahren3).

II. Kinder

in väterlicher Gewalt werden in der Minderjährigkeit durch den Vater vertreten, und bei eintretender Kollision der Rechte durch

einen für diese Sache zu bestellenden Spezial-Kurator4).

Voll­

jährige in väterlicher Gewalt stehende Personen können in allen

ihren Angelegenheiten selbst vor Gericht auftretcn, ausgenommen in solchen, welche das nicht freie Vermögen betreffen, in welchen der Vater alle Mal bcitreten muß3);

der Vater ist auch befugt,

das großjährige Kind in dergleichen Rechtsstreitigkeiten

zu ver­

treten, wenn der Gegenstand nicht eine unbewegliche Sache, ein

Pertinenzstück davon, oder eine Gerechtigkeit ist.

In diesen Fällen

muß das Kind zugezogen werden und mit dem Vater überein-

4) A. G. O. §§. 9-12. — A. L. R. II, 18, §. 955. 5) Auh. z. A. G. O. §§. 267, 271. - R. vom 11. Dccbr. 1801 (Rab c VI, S. 685). 1) A. G. O. §. 4 a. a. O. K. O. v. 4. Juli 1832, Nr. 3. (®. S. S. 175.) — L. 40 D. de reg. jur. (L. 17). — L. 1, §. 2 D. de administrat. et periculo tut. (XXVI, 7); L. 1, 2 C. qui legitim, person. standi (III, 6); L. 11 C. qui dare tutores (V, 34). 2) A. G. O. §. 7 a. a. O. - L. 10 C. de appellat. (VII, 62). 3) A. G. O. a. a. O. §. 9. 4) A. L. R. II, 18, §8. 28-38, 970. 5) A. G. O. SS. 13 und 15 a. a. O.

Projeßfuhrmbt Personen.

stimmen.

Hauptpersonen.

191

Ist Meinungsverschiedenheit unter ihnen, so wird nach

den Anträgen des Kindes verfahren, und der Vater kann für sich

nur sein Interesse wegen seines Nießbrauchs verfolgen«).

Eine

singulaire Bestimmung giebt es in Betreff solcher Minderjährigen

und solcher unter väterlicher Gewalt stehenden Volljährigen, welche sich in dem

Verhältnisse der Dienstboten, Lehrlinge, Gesellen,

Handlungsdiener, Kunstgehülfen, Hand- und Fabrikarbeiter befinden

und deren Väter oder Vormünder an einem andern Orte wohnen, jedoch nur für die Fälle, wenn sie in Injurien-, Alimenten- (b. h. Schwängerungs-) und Entschädigungs-Prozessen, sowie in solchen

Rechtsstreitigkeiten, welche aus ihren Dienst-, Erwerbs- und Kon­

traktsverhältnissen entspringen,

an ihrem

Aufenthaltsorte klagen

Den Minderjährigen soll „ein Rechtsbeistand

oder belangt werden.

als Litiskurator" von dem Prozcßrichtcr zugcordnet werden,

was

wohl soviel heißen soll als: es soll ihnen ein bloßer Rechtsbeistand

zugeordnet werden, welcher ihnen als Litiskurator zur Seite ist; und

die

Volljährigen

haben ganz

selbstständig

den Prozeß zu

führen ’). — Der Fall des in Konkurs verfallenen Gemeinschuldners

darf nicht als eine Ausnahme von der Regel, daß jeder zur Ver­ fügung über sein Vermögen Berechtigte auch zur Prozeßführung

befähigt sei, angesehen werden; gehört mithin nicht hierher. Denn was das zur Konkursmasse gezogene Vermögen betrifft, so hat er

darüber

eben keine Disposition,

vielmehr

verfügen darüber die

Konkursgläubiger in ihrem eigenen Jnreresse, und auch den ein­ zelnen Gläubigern

gegenüber vertritt der Kurator oder Kontra-

diktor eigentlich nur die Gesammtheit der Gläubiger, nicht den

Cridar, daher auch das Klassifikationsurtcl gegen den Cridar nicht

rechtskräftig wird.

Und was das später erworbene neue Vermögen

betrifft, so ist der Cridar in der Verfügung darüber durch den ältern Konkurs gar nicht beschränkt.

§. 85. bb) Ehefrauen.

I. 1.

Ehefrauen

haben

die

Fähigkeit

zur

Rechtsverfolgung

unbedingt, wenn der Gegenstand ihr vertragsmäßig vorbe­

haltenes Vermögen betrifft, oder wenn der Ehemann ihr Gegner

ist'); 2. bedingt durch den Beitritt des Mannes in allen andern 6) «bknd, $. 14; A. L. R. II, 2, 8 171, und I, 21, §. 85. 7) ft. O. vom 4. 3«li 1832 (®. S. S. 175) ; ft. O. vorn 5. Dccbr. 1835 (G. S. S. 294). 1) A. G. O. $$. 16 u. 18 a. a. O. - Anh. dazu, 8- 3. - A. L. R. II, 1, 8 230.

Fällen.

so muß dessen Vormund

Ist der Mann bevormundet,

oder Kurator auftreten8).

Versagt der Mann oder dessen Rechts­

vertreter den Beitritt, so ist das Verhältniß der Frau dem einer in väterlicher Gewalt stehenden, und mit dem Vater in Wider­ spruch tretenden Person analog (§. 84, II): die Meinung der Frau, als Eigenthümerin, giebt den Ausschlag und die Frau kann auf ihre Kosten, unbeschadet der Nießbrauchsrechte des Mannes, den

Prozeß allein führen.

Der Gegner kann jedoch in diesem Falle

die Bestellung einer von dem Nießbrauche des Mannes unabhän­ gigen Kaution für die Kosten vorweg fordern$).

die Frau solche Kaution nicht bestellen,

Kann oder will

so hat sie sich an den

persönlichen Richter des Mannes zu wenden, welcher den Mann,

wenn er nicht offenbar erhebliche Gründe seiner Weigerung vor­ bringt, zur Kautionsbestellung

zwingen

muß«).

Ein förmlicher

Prozeß zwischen Frau und Mann findet dieserhalb nicht Statt, vielmehr verfährt der Richter so wie in dem Falle, wenn der Mann der Frau den Unterhalt versagt«).

II. Der Mann kann auch die

Frau, gleichwie der Vornmnd den Mündel und der Vater das in

seiner Gewalt

stehende Kind,

ausgenommen in Prozessen,

ohne deren Zuziehung

welche das gesetzlich

vertreten,

vorbehaltene

Vermögen, oder die zur Substanz des Eingebrachten gehörigen

Grundstücke und Gerechtigkeiten, oder auf den Namen der Frau, ihres Erblassers oder Geschenkgebers

geschriebene Kapitalien be­

treffen: in diesen Fällen müssen beide Eheleute zusammen handeln

und übereinstimmen«).

Will der Mann einen Prozeß über ge­

setzlich vorbehaltenes Vermögen führen und die Frau will nicht 2) A. G. O. a. a. O. §§. 16, 17. — A. L. R. a. a. O. §. 189. 3) A. G. O. §. 21 n. st. O. Der Beklagte ist danach berechtigt, die Ein­ lassung auf die Klage wegen mangelnder Kautionobcsteltung abzulehnen. Sol­ ches ist durch das Gesetz vom 21. Juli 1846, §. 5, lit. e nicht aufgehoben. S. uuten §. 175.

4) Das ist der praktische Ausgang der Vorschrift des §. 21: „so muß das Gericht den Mann über die Ursachen seiner Weigerung vernehmen, und wenn es dieselben nicht offenbar erheblich findet, denselben zum Beitrit und zur Beob­ achtung seiner Schuldigkeit, in Ausführung oder Vertheidigung der Gerechtsame seiner Ehefrau, anhaltcn." Der Mann, dessen Weigernngsgründe verworfen werden, kann entweder durch Beitritt das Hinderniß der Kautionsbcstellung be­ seitigen, oder wenn er sich dazu nicht verstehen will, wird er zur Beobachtung seiner Schuldigkeit ic. angehalten, d. i. er muß die Prozeßkostcn hcrgcben (A. L. R. II, 1, §. 187), und dafür dem Gegner der Frau Kaution bestellen, da­ mit die Frau ohne Beitritt des Mannes zur Verfolgung ihrer Gerechtsame zugelaffen werde.

5) A. L. R. II, 1, §. 712. 6) A. G. O. §. 19 a. a. O.

Prozk-fährnrd« Personen.

IAA

Hauptpersonen.

beistimmen, so kann daraus nichts werden; will er aber über die Substanz des Eingebrachten prozesfiren, so kann die mangelnde

Einwilligung der Frau in den Fällen, wo die Frau in die Ver­ würde willigen müssen,

äußerung oder Verpfändung

Dekret des Vormundschaftsgerichts ergänzt werdens.

die Eheleute in Gütergemeinschaft, Regel alle Prozesse ohne Zuziehung

durch ein III. Leben

so führt der Mann der Frau;

in der

eine Ausnahme

gilt in dieser Hinsicht, wenn der Gegenstand des Streits ein von

der Frau eingebrachtes Grundstück, oder eine solche Gerechtigkeit, oder ein auf den Namen der Frau, ihres Erblassers oder Geschenkgebcrs geschriebenes Kapital iste).

§• 86. ec) Moralische (juristische) Personen.

Juristische Personen sind

fingirte Personen und daher von

Natur handlungsunfähig, sie müssen immer durch physische Personen

vertreten werden.

I.

Manche

moralische

(juristische) Personen

können nur mit Genehmigung der ihnen vorgesetzten Behörde Pro­ zesse führen. Dergleichen sind z. E.: 1. Dorfgemeinen in Ansehung

der Prozesse, welche die Substanz des Gemeindevermögens betreffen.

Sie müssen sowohl zur Klage als zur Klagebeantwortung die Ge­ nehmigung der Gutsherrschaft beibringen, insofern nicht die Guttz­

herrschaft selbst der Gegner ist.

Folgewidrig ist jedoch bestimmt,

daß wenn die Gutsherrschaft die erbetene Genehmigung verweigert

oder verzögert, die dagegen nachgesuchte rechtliche Hülfe darin be­ stehen soll, daß die Gemeinde ohne Weiteres zugelassen und die Gutsherrschaft zur Wahrnehmung ihrer Gerechtsame bei der von der Gemeinde angestellten Klage adcitirt wird').

In allen Fällen

aber muß die Gemeinde selbst, durch einen ordentlichen Beschluß, ihren Willen zur Rechtsverfolgung autzsprechen und einen Syndikus oder Deputirte

bestellen;

niemals kann

die

Gutsherrschast auö

polizeilicher Vormundschaft für die Gemeinde klagen und den Pro­ zeß führen, auch nicht in Sachen, welche das polizeiliche Interesse

berühren r).

2. Kirchen.

Sie werden in Prozessm wegen ihretz

7) a. ®. O. §. 20 a. a. O. - A. L. R. II, I, §§. 239, 234 -238.

8) a. G. O. a. a. O. $. 23. — a. L. R. SS- 378, 379 a. a. O. 1) A. G. O. S- 34 a. a. O., u. Anhang dazu, $• 4 (§irc.-D. v. 19. Dec. 1799. Abschn. IV. — Die Inkonsequenz ist erst später, durch da- Circ.-R. vom 87. Octbr. 1809 „zur Vermeidung von Weitläuftigkeiten und Zeitverlust" hinzu­ gethan (Rabe, Bd. X, S. 168).

2) Tntsch. des Ober - Tribunals, Bd. VI, S. 109, Nr. 12. — FrederS dorf, Landpolizei, S. 373.

Koch, Civilprozeß. r. «ufl.

13

194

Allgemein« stehn».

Erste« Bach.

den Vorstchern vertreten und

Vermögens und BefitzthumS von

müssen zur Prozrßführung die Genehmigung der geistlichen Obern

erlangt haben, sonst gelten die Vorsteher auf ihre Gefahr für die

Partei»); unterlassen die Vorsteher klagend auszutreten, so ist darum der Patron, oder der Staat von Oberaufsicht wegen, doch nicht befugt, Prozesse wegen des Kirchen- und PfarrvermögenS für sich

allein zu führen, vielmehr steht nur den geistlichen Obern zu, der Kirche einen Vertreter von Amts wegen zu bestellen»), welches auch dann geschieht, wenn der Patron oder das Kirchenkollegium

selbst der Gegner der Kirche ist*).

3. Gesellschaften und Anstalten,

deren Vermögen die Rechte der Kirchengüter hat, alS: geistliche

Gesellschaften'), Schulen und Universitäten»), anstalten').

II.

In wiefern andere

Befugniß, Prozesse zu führen,

öffentliche Armen­

juristische Personen in der

eingeschränkt find, ist aus den sie

angehenden besondern Bestimmungen und aus ihren Statuten zu entnehmen.

Die Stadtgemeinen in den sechs östlichen Provinzen

bedürfen nicht mehr der Genehmigung der Landetzbehörde'). 3.

Verfügungsberechtigung.

§. 87. a)

Legitimation zur Sache.

Dethman n-Hollweg, über die Legitimation zur Sache;

in den Versuchen

über einzelne Theile der Theorie des Civil-Prozesses, S. 78 ff. — Sle-

vogl, de exceptione legitimationis ad causam, Jen. 1695. — Ludovici, de legitimatione ad causam, Hal. 1712. — Carrach, de vera Indole exceptiunis legitimationis ad causam, Halae, 1737. Legitimation im Allgemeinen heißt die Handlung, wodurch Jemand nachweist, daß er ein streitig gewordenes Recht vor Ge­ richt zu verfolgen fähig und berechtigt sei (§. 82).

die Legitimation auf die Dispositionsbefugniß

Bezieht sich

über den Gegen-

3) «. L. R. II, 11, SS. 650-657. 4) «brnba, $. 658. — Entsch. M Ober-Trib., 9b. IV, Nr. 15. — S. m. Beurtheilung, S. 237, und Schles. Arch. Bd. III, S. 532. 5) A. L. R $. 661 a. a. O. — Hoffacker, Legitimation rum Prozeß wegen Kirchenpfründcn und anderem Kirchenvermögen; in seinen Jahrbüchern, Bd. I, S. 283. — Auch die Art der Vertretung der Kirche zeigt, daß da« In­ stitut der Träger der fingirten Persönlichkeit ist, nicht aber — wie die Verfasser des A. L. R. voraussetzen — die s. g. Kirchgemeine; sonst müßten jedesmal Gemeinebeschlüffe gefaßt werden. Die Kirchgemeine aber hat keine Organe. 6) Ebenda, $$. 952-954.

7) Ebenda, II, 12, $. 19. 8) Ebenda, II, 19, $$. 42, 43.

9) Städteordnung, vom 30. Mai 1853, $. 50 (G. S. S. 261).

ProztK führend» $fctfoe«n.

Hauptpersonen.

195

stand, so heißt sie Legitimation zur Sache (legitimatio ad causam) und zwar active oder passive, je nachdem die Berech­ tigung zu dem Vorbringen (legitim, ad causam active), oder die Statthaftigkeit des Vorbringen- dem Andern gegenüber (legitim, ad causam passive) nachgewiesen wird. Beiderlei Legitimationen können also auf beiden Seiten vorkommm, wenn der Beklagte Recht-einwendungen macht. Die Legitimation zur Sache ist wesentlich nichts anderes, als der Nachweis deS Klagrechts in der Person des Klägers gegen die Person deß Beklagten, und beziehlich der Beweis des dem Beklagten gegen die Person de- Kläger­ zustehenden Rechtseinwande-. Die s. g. exceptio deficientis legi— timationis ad causam ist mithin eine verneinende Klagbeantwor­ tung und beziehentlich Replik, kann folglich nicht als eine prozeß­ hindernde Einrede behandelt werden. Das gilt auch dann, wenn das geltend gemachte Recht von einem Dritten, dem es ursprüng­ lich erworben war, auf die jetzt prozrsfirende Partei übergegangen, welches der Fall ist, auf den sich die Sachlegitimation und der Einwand des Mangels derselben eigentlich bezieht. Denn wenn z. E. Jemand als CessionariuS klagend auftritt und ihm die Cession bestritten wird, so verneint damit der Beklagte das Klagrecht des Klägers. Ebenso ist es, wenn der Kläger als Erbe austritt und der Gegner ihn daftir nicht anerkennt: der Klagegrund wird in soweit bestritten. Auch das ist keine Ausnahme, wenn Jemand als Miterbe die TheilungSklage anbringt und ihm sein Theilnahmerecht bestritten wird, denn in diesem Falle muß er den TheilungSanttag zurücknehmen oder ruhen lasten und zuvörderst sein Erbrecht mit der Erbschaftsklage durchsetzen'). Die neuern gemeinrechtlichen Prozessualisten sind hierin auch einig. Zur Zeit der Entstehung der A. G. O. waren jedoch andere Ansichten herr­ schend, woraus es sich erklärt, daß dieselbe die exceptio deficien­ tis legitimationis ad causam unter die exceptiones litis ingressum impedientes stellt und vorweg erörtert und entschieden wissen will8). Diese Bestimmung ist durch die neueste Prozeßgesetzgebung dahin abgeändert, daß wegen der mangelnden Legitimation zur Sache nicht die Einlassung auf die Klage abgelehnt werden kann, wohl aber wegen Mangels der Fähigkeit vor Gericht aufzutteten (exe. deficientis personae in judicio standi) ’). Die Legitimation 1) A. ®. O. I, 46, $$.3-6; I, 13, $ 43. 2) I, 10, $$. 79-81». 3) SB. vom 21. IM 1846, $. S, lit. d.

Erft«* Vach.

196

HDgdetmt Lchrn«.

jut Sache fällt nun sachgemäß mit dem Beweise deß Klagerechts

und beziehlich detz Rechtseinwandetz, d. h. mit der Beweisführung Über die Hauptsache zusammen.

Doch ist der Richter noch jetzt

von Amtö wegen auf die Legitimation zur Sache zu sehen ver­

pflichtet«), weil er überhaupt keine unvollständige Klage annehmen darf.

Der Beweis über die s. g. Legitimation zur Sache ist in

Ansehung der Vollständigkeit gar nicht verschieden von dem über

die Hauptsache, namentlich gelten vom Urkundenbeweise die allge­ meinen Regeln.

Will z. B. ein Cessionar klagen und bringt er

eine Privaturkunde über die Session bei,

so muß dieselbe dem

Gegner zur Recognition oder Diffession de credulitate vorgelegt

werden'). §. 88. b) Nenuung des Autor- (Nomination).

A. G. O. I, 17, 88. 34—41. — Mittermaier, im Archiv für civil. Praris, 93b. III, S. 399 ff. — Philippi, de auctoris nominal., Lips. 1683.

Nennung des Autors (Nomination) heißt das Leugnen der passiven Legitimation zur Sache, von Seiten des Beklagten, mit Angabe des wahren Gegners des Klägers');

sie ist mithin eine

verneinende Klagbeantwortung, in der Form einer exceptio de-

sicienlis legitimalionis ad causam passivae; doch ist zu unter­ scheiden: 1. Sie findet nur Statt bei Klagen auf Herausgabe einer in Gewahrsam des Beklagten befindlichen beweglichen oder

unbeweglichen Sache oder Gerechtigkeit (actiones in rem und in rem scriptae)2),

oder bei Handlungen, welche der Beklagte als

4) a. G. O. I, 5, $. 4, n. 6 und $. 11; I, 9, $$. 20, 21; J, 10, $. 81 a. — Entsch. des Ober-Tribunals, Bd. VII, S. 308, in Derbindnng mit n. Be­ urtheil. der ersten zehn Bande der Entsch., S. 512. 5) Kees D. quatenus sola chirographi possessione actor ad causam legitimetur, Lips. 1808. — Tritt ein solcher Cessionar erst nach rechtskräftig entschiedener Sache ans, so ist er als Prinripal-Jntervenient zu behandeln. Eine völlige Unkenntniß dcS Prozeßrechts beweist eS, auf daS ExekutionSgefuch eines Dritten, der sich durch eine Privatcesston zur Sache legitimirt, ohne Weiteres die Erekution zu vollstrecken. Ein solcher Fall ist mir so eben (1847) vor­ gekommen. DaS Gericht gab dem ErekutionSantrage keine Statt. Auf die da­ gegen bei dem OberlandeSgerichte zu Ratibor angebrachte Beschwerde befahl dasselbe, die Erekution sogleich, zu vollstrecken, ohne daß der Gegner auch nur davon Nachricht erhielt, geschweige ihm Gelegenheit zur Erklärung gegeben wurde, aus dem Grunde, weil man keine Fälschung vermuthen dürfe, daS aber nennt die Wiffenschaft einen tumultuarischen Prozeß.

1) «. G. O. 8- 34 a. a. O. 2) Ebenda. — L. 2 C. ubi in rem actio (III, 19); c. ult. X» it lite non contest. (II, 6).

Prozeßfuhrende Personen. Hauptpersonen.

197

Stellvertreter vollzogen t>at2*); niemals aber dann, wenn der Be­ klagte zwar die Sache für einen Andern in Gewahrsam hat oder

daS Recht für einen Andern ausübt, jedoch wegen seiner eigenen Handlung oder seines eigenen abgeleiteten Besitzrechts in Anspruch genommen wird3).

2. Die Nomination muß vor der vollständigen

Einlassung auf die Klage geschehen;

läßt sich der Beklagte auf

den Prozeß ein, oder in contumaciam verurtheilen, so wird er so behandelt wie der qui liti se obtulit4).5 6 3. Die angebrachte No­ mination muß den Autor nach Namen, Stand und Wohnort voll­ ständig bezeichnen, und Beweismittel für die Behauptungen an­ geben3).

Alsdann wird dieselbe dem Kläger zugefertigt, um sich

zu erklären: ob er die Sache gegen den Nominaten fortsetzen wolle oder nicht; und der Nominal wird bei Zufertigung der Nomination

mit einer gewissen bestimmten Frist aufgefordert, sich zu erklären:

ob er sich für den rechten Beklagten halte und mit dem Kläger einlassen wolle4).

4.

Will der Kläger sich nicht an den Nomi­

naten verweisen lassen, so muß der Prozeß zwischen ihm und dem

Nominanten seinen ordentlichen Fortgang haben, der Kläger muß seinen Klagegrund wie gewöhnlich beweisen7),8 und die Nomination

wird wie eine Prozeß hindern de Einrede behandelt, über welche vorweg erkannt werden kann4).

5. Wenn der Kläger zwar geneigt

wäre, sich an den Nominaten verweisen zu lassen, Dieser aber sich

nicht erklärt, oder Eigenthümer oder Prinzipal zu sein leugnet und sich aus die Sache einzulassen ausdrücklich weigert:

die Sache mit dem Nominanten fortgesetzt.

so wird

In diesem Falle kann

der Nominat die Vollstreckung des Urtels durch spätere Prinzipal-

Intervention (§. 81, Note 5) nicht hemmen, auch den Nominanten der Sache wegen nicht in Anspruch nehmen, welche Rechtsnachtheile

ihm

in der Ladung

(Aufforderung

zur Erklärung)

angedroht

2 a) Anm. 21 und 22 zu §. 34, Tit. 17 der Pr. O. (Th. II.) 3) A. G. O. §. 40 a. a. O. — Mevius, Decis. P. VI, dec. 375. — Mittermaier, a. a. O., S. 404 ff. 4) A. G. O. a. a. O. §§. 34 n. 35. — A. L. R. I, 7, §.166 und I, 15, S§. 12—14. — M. Pr. Privatrccht, §. 239, II, 1 und §. 171. — M. Besitz (2te Au-g.), S. 104. 5) A. ®. O. a. a. O. §. 34. — A. L. R. I, 7, §. 165.

6) A. G. O.

a. a. O. §§. 36 u. 38.

7) Ebenda, §§. 37 u. 41.

8) Ebenda, §§. 34, 41 und I, 10, §§. 60 ff. — S. unten §. 182. — Vgl. L. 80 D. de rei vind. (VI, 1); Nov. 18, c. 10.

Erstes Buch.

198

Wlgam« stsh««.

werden solle»*); doch kann die Unterlassung dieser Belehrung die

Recht« der Parteien nicht ändem.

6. Will der Kläger sich an den

Nominirten halten und Dieser sich mit ihm einlassen, so scheidet

der Nominant ganz aus, der Nominal tritt als Beklagter ein und die Sache nimmt, ohne neue Klage, ihren ordentlichen Verlauf in

dem Gerichtsstände des Nominalen, wenn nicht der dingliche Ge­

richtsstand begründet ist; die Sache wird dann an das zuständige Gericht abgegeben ").

7. Die Kosten des Nominations-Verfahrens

hat vor der Hand der Kläger zu tragen;

er kann aber Ersatz

fordern a) von dem Nominirten, wenn er über die Person des

wahren Beklagten im unverschuldeten Irrthume war; b) von dem Nominanten, wenn Dieser selbst ihn zu dem Irrthume verleitete*1 2•).3 4 In dem zweiten Falle hat der Nominirte keine Verbindlichkeit,

und die Forderung muß in einem Separatprozeffe gegen den auS-

grschirdmen Nominanten geltend gemacht werden. §. 89.

4.

I.

Wirkungen mangelnder Legitimation.

Die unbedingte Unfähigkeit zur gerichtlichen Rechts­

verfolgung, sowie die durck Zuziehung eineS Beistandes bedingte

Fähigkeit machen das Verfahrm, in welchem der Unfähige allein ausgetreten ist, nichtig').

Der Mangel der Fähigkeit vor Gericht

auhutreten kann als prozeßhindernde Einrede angebracht*), auch

später in jeder Lage des Prozesses eingewendet, und noch nach entschiedener Sache durch die Nullitätsklage geltend gemacht wer­ den*).

Die Nichtigkeit

wird durch

spätere

Genehmigung der

Handlungen Seitens des frühern Unfähigen nach erlangter Fähig­ keit, oder Seitens des gesetzlichen Vertreters des Unfähigen, ge­

hoben*).

Bei bedingt unfähigen moralischen Personen, welche

die Genehmigung einer Behörde zum Prozesse beizubrmgen baben,

9) A. G. D. $$. 37 und 39 a. a. D. — L. 2 C. ubi in rem act. (III 19); Nov. 69. 10) A. G. O. $. 38 a. a. D. Ist auch gemeinrechtlich unbestritten. 11) Ebenda, I, 23, $. 19. 1) A. G. O. I, 16, z. 2, Nr. 4. — B vom 21. Juli 1846, $. 5, lit. d. — L. 14, 24 C. de procurat. (II, 13); L. 4 C. si ad versus rem jud. (II, 27); L. 1 C. qui legit. per«. (Ul, 6); L. 9, 45, $. 2, L. 54 D. de re jud. (XL1I, 1). — L. 6 C. quomodo et quando judex (VII, 43). 2) D. von 21. Juli 1846, $. 5, lit. d. 3) A. G. O. I, 16, S. 2, Nr. 4. 4) Ebenda, a linea 4. - 91. L. R. I, 4, S$. 58 ff.

Prozeßfuhrende Personen.

Hauptpersonen.

199

besteht die Folge des Mangels nur darin, daß die prozeßführende

physische Person für Schäden und Kosten persönlich haftet, und die ergehende Entscheidung, nur insoweit sie der moralischen Per­ son Vortheilhaft ist, in Beziehung aus sie Wirkung hat2*).3 1 II. Der

Mangel der Legitimation zur Sache wirkt gar keine Nichtigkeit.

Wird er von dem Gegner gerügt und bewiesen, so wird die Klage zurückgewiesen, bleibt er ungerügt, so schadet das dem wahren Be­

rechtigten nicht, weil eine rechtskräftige Entscheidung nur zwischen

den Parteien Recht macht (§. 87).

V. Rechtsverhältnis der Streitenden. §. 90. 1.

Verbindlichkeiten überhaupt.

Der Prozeß begründet unter den Parteien die beiderseitige

Verbindlichkeit, den Rechtsstreit nur mit erlaubten Mitteln zu führen, namentlich die Wahrheit zu sagen, also nicht gegen besseres

Wissen die Wahrheit zu entstellen, zu verdunkeln oder abzuleugnen und zu verschweigen, oder deren Ausmittelung irgendwie zu ver­

hindern oder zu erschweren');

nicht leichtsinniger oder unbedacht­

samer Weise Ansprüche zu erheben oder gegründeten Ansprüchen grundlose Einwendungen entgegenzusetzen; nicht ohne Grund den Gegner aufzuhalten und zu ermüden zu suchen; nicht seinen Leiden­ schaften blindlings zu folgen2) und die Person des Gegners unge­

kränkt

zu

lassen2).

Die Verletzung

dieser Verbindlichkeit zieht

nicht allein gewisse Rechtsnachtheile und Strafen nach sich (§. 100), sondern hat auch die Entschädigung des Gegners wegen Interessen

und Kosten zur Folge.

Im Uebrigen hat jede Partei in dem

Gebrauche ihres Rechts und ihrer Rechtsmittel in den vorgeschrie­

benen Wegen

freie Willkür.

Nur darin tritt gegen beide Theile

Zwang ein, daß sie den einmal begonnenen Rechtsstreit auf irgend

eine Weise zu Ende bringen müssen, so daß also der Kläger, selbst wenn der Gegner damit einverstanden wäre4),

den Prozeß nicht

5) A. L. R. If, H, §§. 653, 656 und 657. — Vergl. L. 14 C. de procurat. (II, 13). 1) A. G. O. Einleitung §§. 13, 14; I, 10, §.2; I, 23, §. 51 a. E. Die gemeinrechtlichen Prozessualisten sind darüber nicht einerlei Meinung. 2) A. G. O. I, 1, §.39; I, 23, §.51. 3) A. L. R. II, 20, §§. 553, 554. — R. Pol. O. von 1577, Tit. 33. 4) Darin unterscheidet sich das Preußische Recht von dem Gemeinen und

200

flUfltmtint Lchrni.

Lrftt« Buch.

liegen lassen kann; der Richter hat ihn vielmehr in contumaciam fortzusetzen, oder, wenn der Gegner gleichfalls ausbleibt oder keine

Anträge macht, anzunehmen, daß der Kläger dem Prozesse entsage,

und demgemäß hat der Richter zu verordnen, daß der Kläger dem Beklagten alle bisherige Kosten erstatte,

daß die Akten zu repo-

niren und die Sache in der Prozeßliste zu löschen»). 2.

Auslage und Erstattung von Kosten. §. 91. a) Grundsätze.

Prozeßkosten heißen

verursacht.

alle Ausgaben,

welche ein Rechtsstreit

Man unterscheidet nothwendige und willkürliche.

Eine

andere Unterscheidung beruhet darauf, daß die Rechtspflege nicht

unentgeltlich ist, vielmehr für den Gerichtsherrn, zur Bestreitung der Jurisdictionslasten, eine gewisse Gebühr (Sportel) von den Parteien erhoben wird').

Was an dergleichen Gerichtssporteln

für die richterlichen Handlungen gezahlt wird, sind gerichtliche

Kosten,

was andere Personen zu erhalten haben,

gerichtliche,

das

wenngleich

sind

außer­

Gericht die Zahlung empfangen

hätte; im weitern Sinne versteht man jedoch unter den gericht­ lichen Kosten Alles

Stempelgefällen,

muß»).

I.

was

an die

Gerichtskasse an

Gebühren,

Porto- und andern Auslagen gezahlt werden

Allgemeiner

Kostenzahlung war:

Grundsatz des

ältern Rechts

über die

für jede Verfügung des Richters zahlt die

Kosten diejenige Partei, aus deren Ansuchen sie ergangen ist; haben beide Theile darauf angetragen, oder hat sie der Richter aus eigener

Bewegung erlassen,

so tragen beide Parteien die Kosten,

nicht,

französischen Prozeß. Nach älterem N. R. konnte der Kläger, selbst wider den Willen des Beklagten, den Prozeß nach Belieben ruhen lassen (L. 73, $. 1 D. de judiciis V, I) später durfte der Beklagte ihn zur Fortsetzung zwinge» (L. 13, $. 1 C de judiciis (III, 1): Not. 112, c. 3; c. 2, 4 X de dolo et contum. II, 14; St. G. O. von 1t)55, III, 43, $.4); aber ohne Parteiantrag that der Richter dazu nichts, weil dies mit der Natur der Privatrechte unver­ träglich schien. 5) A. G. O. Einleitung §. 20; I, 9, $. 42; I, 20, $$. 18 u. 19. - 93. vom 1. Juni 1833, $. 23. — Vergl. Overbeck, ist derjenige, der von einem angefangenen Prozesse Abstand nimmt, ohne Unterschied zum Kosten- und Schaden­ ersatz verpflichtet? in den Meditationen, Bd. XI, S, 285.

1) Al. L. R. I, 17, S$ 113, 114. - Ebenso nach G. R. L. 12 C. de Sroxen. (XII, 19); Not. 82, c. 7 pr.; c. 11, $.4 de rescript. in 6 (1,3). tach alldeutschem R. war es anders. Heffter, Institutionen des Prozesses, S. 269 ff., SS- 2,3.

2) A. G. O. I, 23, SS- 25 -27.

Prozeßsthrrnb« Personen.

Hauptpersonen.

201

wie es nach der allgemeinen Regel des Preußischen Rechts sein

sollte, gemeinschaftlich, sondern ausnahmsweise') zu gleichen Thei­ len, woraus denn von selbst folgte, daß wenn die eine Partei von

Kosten befreit hatte*),

war,

wogegen bei

die Unbefreiete für sie nicht

aufzukommen

eigentlichen Litiskonsorten hinsichtlich des

wegen Unvermögens oder Unerreichbarkeit Eines oder des Andern entstehenden Ausfalls die Uebrigen subsidiarisch hafteten').

Nach

diesem Grundsatz konnte das Gericht auch noch nach rechtskräftiger

Entscheidung des Prozesses die Gebühren einziehen, mochte über den Kostenpunkt erkannt worden sein wie wollte, selbst dann, wenn der Schuldner des Gerichts

keine Aussicht auf Wiedererstattung

hatte'), denn das Erkenntniß entscheidet nur zwischen den Parteien über die Verbindlichkeit zur Wiedererstattung der Kosten7). Dieses Recht ist durch die neuere Gesetzgebung über das GerichtSkostenwesen umgestaltet. Die Gerichtskosten in Civilprozessen werden in

der Regel erst bei Beendigung der Instanz angesetzt und denjenigm in Rechnung gestellt, welchen dieselben durch richterliche Entscheidung

zur Last gelegt sind, oder, wenn eine solche Entscheidung nicht er­

folgt, Denjenigen, welche die richterliche Thätigkeit für das kosten­

pflichtige Geschäft in Antrag gebracht haben, oder in deren Interesse

dasselbe von Amts wegen vollzogen worden ijt,e).

Grundsatz ist

also hiernach, daß das Erkenntniß über den Kostenpunkt auch für das Gericht bindend ist, und daß nicht mehr wie sonst der s. g. Extrahent (Antragsteller) der Hauptschuldner des Gerichts ist.

Da­

gegen ist das Gericht befugt, von demselben bei Einleitung des in 3) Ueber btu Grund dieser Ausnahme s. m. Privatrech«, $. 516, Nr. 3 und tag« Role 18. 4) «. ®. O. I, 23, $. 47 und $. 36, Nr. 1 und 2.

5) Sbnida, §. 28. — Echles. Archiv, Bd. IT, S. 569.

6) Vergl. R vom 25. Mai 1832 (Jur. Jeitschr. für 1832, Nr. 29). Da­ durch ist da« nicht juristisch gerechtfertigte N. vom 22. April 1831 (Jahrb. Bd. XXXVII, S. 346) beseitigt. — V. betr. die Anstellung der AreiS-Justizrathe, vom 30. Novbr. 1833, $. 7. Diese Bestimmung bezog sich aber nicht auf die Instruktion»- und Urtelsgebühren. A. G. O. Z. 47, verbunden mit $. 36, Nr. 2 a. a. O. Bergt, den Minist.-Erlaß »em 8. Scptbr. 1838 (Jahrb. Bd. LII, S. 209).

7) Der Richter sann stch jedoch gleichfalls darnach richten. Anhang zur A. ®. O. (I, 23, 8 1) $. 134. Wenn die beiden ganz verschiedenen Rechts­ verhältnisse der Parteien zum Richter und der Parteien zu einander unterschieden werden, so ist es unbegreiflich, wie so kuriose Fragen, z. B. ob Benestcialerben für die von ihnen verursachte» Proießkosten persönlich haften, gethan und so ver­ schrobene Ansichten zu Tage gebracht werde» können, al» man so häufig antrifft. Wenn man die neuen Versuche, Pauschquanta zu nehmen, auch auf di« Prozess« anwendet, so wird der Rechtspunkt wohl ins Gedränge kommen. 7 a) Ges. vom 10. Mai 1851, $. 10.

drflrt Buch.

202

Allgemeine Lrhrm.

Antrag gebrachtm Verfahrens einen im Kostentarif genau bestimm­ ten Kostenvorschuß zu forbern71), dessen Wiedereinziehung von dem Gegner, wenn und insofern diesem die Kosten endgültig zur Last

gelegt werden, Sache des Vorschußzahlers ist.

Falle

zahlt das Gericht zurück,

Nur in dem einen

wenn der zuletzt in die Kosten

verurtheilten Partei Gebührenfreiheit zusteht, insofern der Sieger

von diesem seinem Gegner Erstattung der vorausgezahlten Vor­ schüsse oder Jnstanzkosten zu fordern haben würde7 * '). *8*9* *II.

Ueber

die Verbindlichkeit der Parteien unter einander zur Kostenerstattung

sind die gemeinrechtlichen Prozessualisten7) de poena fernere litigantium

Kosten bezahlen.

uneinig.

sehr

darüber vorhandenen Gesetze7) find unbestimmt.

Die

Nach §. 1 Inst,

soll der improbus litigator die

Die Frage war also, wer dieser sei.

Nach L. 13,

§. 2 C. de judiciis sollen sie Dem auferlegt werden, der als Kontumax verurtheilt wird.

Darnach sollte also der improbus und

der contumax die Kosten erstatten.

Hieraus hatte sich der Ge-

richtögebrauch eingeschlichen, die Kosten, deren Erstattung man für

eine Strafe hielt, gewöhnlich zu kompensiren. Visitations-Abschied von 1712 verhindern,

Dieses wollte der

indem er nach dem

Vorschläge des Konzepts der R. K. O. von 1613, Th. III, Tit. 59, §. 2 verordnete, nicht ohne besondern Grund auf Kompensation

zu erkennen.

Nun wurde als Regel hingestellt, daß der unter­

liegende Theil die Kosten ttagen solle.

darüber:

Ein neuer Zweifel entstand

welches Unterliegen dazu erforderlich sei.

Man nahm

als Grundsatz an, daß der in erster Instanz Unterliegende in der 7b) Daff. G. $. 8 und Tarif §. 5; Min.-Jnstr. vom 10. Srptbr. 1851. 7 c) G. vom 10. Mai 1851, $.8, Nr. 5; Min.-Jnstr. vom 10. Septbr. 1851 zu $. 10 drs G. — Für dir Fälle, in welchen eine kontradiktorische Ent­ scheidung nicht erfolgt, oder da« Berfahren durch Entsagung »der Vergleich becndigt wird oder auf einen Eid erkannt wird, trifft der j. 10 de« ®. vom 10. Mai 1851 nähere Bestimmungen. 8) Weber, über die Projeßkosten, deren Vergütung und Kompensation, 5teAu«g., Hannover, 1811. — Kuuz, Lehre vom Ersatz und Kompensation der Kosten. Frei bearbeitet nach einer ähnliche» Abhandlung de« Herr» Dr. A. D. Weber. Wien, 1828. — Borst, über die Erstattung der Prozeßkoien. Nürnberg, 1812. — Hennemann, Beitrag zu der Rechtstheorie von Erstat­ tung der Prozeßkoften. Schwerin, 1789. — v. Schmidt genannt Phiseldeek, Beitrag zu der Lehre von den Prozeßkosten. Helmftädt, 1793. — Emmerich, Commentatio de litium expenei quoad causa« civiles. Goetting. 1790. — Derselbe, über die Prozeßkosten, deren Erstattung und Kompensation, 2 Th. Göttingen, 1790 u. 1792. 9) E« sind deren drei: $. 1 Inst, de poena fernere litig. (IV, 16); L 13 $. 2 C. de judiciia (III, 1); der $. 6 ib. spricht unbestimmt von gewöhnlichen Kosten, welche der Besiegte dem Sieger ersetzen soll; Visitation«-Abschied von 1712, r 82.

Prozeßführende Personen.

Hauptpersonen.

203

Regel die Kosten zu erstatten habe, und wenn in einer folgenden

Instanz reformatorisch erkannt würde, die Kompensation eintreten

müsse, es sei denn, daß das frühere Urtel dolose erschlichen worden. Schon in erster Instanz sollte, ausnahmsweise, auf Kompensation

der Kosten erkannt werden, wenn die Sache nach einem streitigen theoretischen Rechtssatze, oder auf Grund eines facti tertii, welches

der Unterliegende ohne Schuld ignoriren konnte, oder durch Ab­ leistung eines nothwendigen Eides entschieden würde'«).

Dies

ist die Grundlage des Preußischen Rechts, welches Folgendes be­ stimmt: 1. In erster Instanz wird in der Regel niemals auf Kom­

pensation der Kosten erkannt, sondern der in der Hauptsache unter­ liegende Theil zur Erstattung der Kosten an den Gegentheil ver-

urtheilt1').

2.

Auf Kompensation der Kosten wird ausnahms­

weise in erster Instanz erkannt: a) wenn der Kläger mehr gefordert

hat als ihm zuerkannt wird, oder wenn er zu früh geklagt hat,

oder wenn er die Leistung an einem andern Orte, als wo sie ihm zukommt, verlangt hat, doch mit Ausnahme des Falles, wo die Mehrforderung nur eine Kleinigkeit beträgt, welche nicht beachtet wird; hat aber die Mehrforderung auf den Kostenbetrag Einfluß,

so ist auf Kompensation in einem angemessenen Verhältnisse, nach richterlichem Ermessen, zu erkennen, welches auch zu beobachten ist,

wenn die Sache aus mehreren Punkten,

oder aus Forderungen

und Gegenforderungen besteht, und bei einigen derselben für den Kläger,

bei

anderen aber für den Beklagten

erkannt

wird").

10) Seyffart, de expensatione expensar. roter litigantes. Halae, 1726. — Reinhardt, de erroribus pragmaticorum in doctrina de compensat. expens. litis. Erf. 1731. 11) A. G. O. I, 23, §. 2. tations-Abschied.

Ist der gemeinrechtliche Satz nach dem Visi­

12) Ebenda, §. 3, Nr. 1 u. 2. — Kompensation bedeutet nicht, daß jeder Theil die Hälfte tragen soll, sondern daß kein Theil eine Forderung gegen den Andern auf Kostenerstattung hat. Es kommt also dann genau auf daS Ver­ hältniß eines jeden Theils zu dem Gerichte an, welches die Kosten von dem s. g. Grtrahcnten. d. h. demjenigen, auf dessen Antrag sie entstanden find, oder wenn sie für Handlungen auS eigener Bewegung ausgelaufen sind, von jedem Theile zur Hälfte einzieht. WaS auf solche Weise ein Jeder zu bezahlen hat, kann er auch nicht zum Theil von dem Andern erstattet verlangen. Wird hingegen auf Kompensation zu einem bestimmten Verhältnisse, z. B. zu V und % erkannt, so rechnet ein jeder Theil seine auf die vorhin angegebene Weise von ihm ein­ gezogenen Kosten zusammen, und der Andere hat ihm darauf den ihm zur Last gelegten Theil zu erstatten. Es kann auch einem Theile ein Pauschquantum als Ersatz auferlegt werden (Schles. Archiv, Bd. II, S. 559). AlSdann muß ihm dasjenige, was er mehr bezahlt hat, der Andere ersetzen. Wenn zu einem be­ stimmten Verhältnisse, nicht schlechthin, auf Kompensation erkannt ist, wird die Ausführung verwickelt und schwierig. Erfahrene Richter kommen dergleichen Der-

Erste- Buch.

204

Allgemeine Lehren.

b) Wenn Jemand aus der Thatsache eines Dritten, z. B. seines

Erblassers belangt wird und sich erst in diesem Prozesse von der

Richttgkeit der Angaben des Andern zu

überzeugen Gelegenheit

gehabt hat; oder wenn dem Kläger unter gleichen Umständen eine

auf Handlungen eines Dritten beruhende Einrede entgegengesetzt wird"),

c)

Wenn wegen unvollständigen Beweises auf einen

nothwendigen Eid erkannt und dieser abgeleistet wird,

wogegen

derjenige, der einen solchen Eid nicht leisten kann, die Kosten er­ setzen muß.

Dieses soll auch dann geschehen, d. h. die Kompen-

satton soll nicht ««treten:

aa) wenn der Schwörende ein Kauf­

mann ist, welcher die Richttgkeit seiner Handlungsbücher bestärkt,

oder bb) wenn die beschworene Thatsache dem Gegentheile aus

eigener Wissenschaft bekannt sein kann1 ♦), weil er dann dolose mit dem Zugeständnisse der Wahrheit zurückgehalten hätte.

3.

Der

obfiegmde Theil wird ausnahmsweise in den Kostenersatz verur-

theilt:

a) wenn der Beklagte sogleich in der Klagebeantwortung

soviel anerkannt hat, als dem Kläger später zuerkannt wird, der

Kläger aber sich damit nicht begnügen wollen; b) wenn der unter­ liegende Theil dem andern vor Gericht vergleichsweise so viel oder

noch mehr angeboten hat als ihm hinterdrein zuerkannt wird, und

damals schon die Sache in einer Lage war, daß man über den wahrscheinlichen Ausfall des Erkenntnisses, nach vernünftigen Grün­

den, nicht mehr zweifelhaft sein konnte: die durch die ferneren Berhandlungen

dem Offerenten ersetzt werden").

4.

in diesem Falle müssen

noch

entstehenden Kosten

Wird appellirt, so werden

Wickelungen dadurch zuvor, daß sie nach billigem Ermessen auf die Kompensation einer gewissen Art von Kosten, z. B. der außergerichtlichen, erlennen und die Uebrigen dem einen Theile allein auflegen. Vergl. $ 4 o. a. O. Die Kom­ pensation der GerichtSkoften ist nach Einführung der Pauschsätze nicht mehr aus­ führbar, weshalb die Gerichte in den Fällen, wo fit nach den bestehenden Rechts­ grundsätzen auf Kompensation erkennen müßten, statt derselben daS Verhältniß, in welchem die verschiedenen Parteien beizutragen haben, oder auch bestimmte Summen für jeden Theil, feftsetzen müssen. G. vom 10. Mai 1851, $.9. 13) A. G. O. a. a. O. $. 3, Nr. 3. — Gönner, Rechtsfälle und Aus­ arbeitungen, Bd. I, S. 275. 14) Ebenda, Nr. 4. Ueber den Einstuß des juramentum necessariuii auf die Kosten-Kompensation; in der Hannoverschen jurist. Zeitschrift für 1827, S. 171. — Man steht, daß im wesentlichen die gemeinrechtlich aufgestellten, vielfach streitigen, Sätze angenommen sind. Auch der Satz, daß Kompensatio» eintreten sollte, wenn eine im Allgemeinen streitige Rechtsfrage entschieden wor­ den, war anerkannt (Nr. 5 ebenda), ist aber mit der Voraussetzung: „wenn z, deren Entscheidung ein Konklusum der Gesetz-Kommission hat eingeholt werde» müssen", weggefallen.

15) Ebend, $.5, und I, 11, $. 14. — Mollenb ec, de Victore in expeneii condemnando. Giessae, 1705.

Prozeßfnhrmde Personen.

Hauptpersonm.

205

die Kosten nach folgenden Unterscheidungen kompensirt

oder er­

stattet: a) das erste Urtel wird durchgehends bestätigt

aa) ohne

neue Erörterung in Thatsachen: dann hat der Appellant die Kosten allemal zu

ersetzen;

bb)

auf Grund einer neuen Ermittelung,

welche der Appellat in Antrag gebracht hat: dann werden die Kosten der Appellationsinstanz «) kompensirt, wenn der Appellat ohne seine Schuld die neuen Umstände nicht schon in der ersten Instanz hat vorbringen können, ß) dem Appellaten allein auferlegt, wenn er die unterbliebene Beibringung in erster Instanz verschuldet hat.

b) Das erste Urtel wird durchgehends abgeändert: aa) ohne

neue Ermittelung: dann werden die Kosten beider Instanzen kom­ pensirt;

bb) auf Grund neuer Thatsachen oder Beweise,

a) die

der Appellant schon in erster Instanz vorzubringen vernachlässigt hat: dann muß er die Kosten der Appellationsinstanz tragen und

erstatten, und mit den Kosten der ersten Instanz wird es so ge­ halten wie geschehen sein müßte, wenn die neuen Umstände und

Beweise schon dem ersten Richter vorgelegen hätten; ß) der Appel­ lant ist an der Nachbringung

ohne Schuld: dann werden die

Kosten beider Instanzen kompensirt; /-) der Appellat hat die Bei­ bringung in erster Instanz geflissentlich verhindert: dann muß er

die Appellationskosten ersetzen, und über die Kosten der ersten In­ stanz wird so bestimmt, als wenn die neuen Ermittelungen schon damals Vorgelegen hätten, abgeändert.

c) Das erste Urtel wird nur theilweise

Dann tritt in allen so eben gedachten Fällen eine

verhältnißmäßige Bertheilung ein'*).

5. Wird revidirt und daS

vorige Urtel bestätigt, so hat der Revident dem Gegner die Revi­

sionskosten zu ersetzen; wird das Urtel ganz abgeändert, so werden die Kosten aller drei Instanzen kompensirt; wird es nur in einem

oder anderm Punkte abgeändert, so tritt Bertheilung der Kosten des ganzen Prozesses, nach den Grundsätzen unter 2, ein' ’). 6. In

wechselseitigen Appellations- und Revisions-Sachen gilt Kompen­ sation der sämmtlichen Prozeßkosten als Regel;

wird jedoch daS

vorige Urtel in Ansehung der einen Partei abgeändert und in An­

sehung der andern bestätigt, so muß die Letztere einen verhältnißmäßigen Theil der Kosten dieser Instanz ersetzen"). 7. Die 16) A. G O. I, 23, $$. 6—9. Doch wird auf eine Kleinigkeit obst auf rinnt Nebeupuukt, worin eint Abänderung erfolgt, auch in der AppellationsInstanz keine Rücksicht genommen. Geiger, merkwürdige Rechtsfall« und Ab­ handlungen, Bd. II, S. 35.

17) A. ®. O. a. a. O. $. 10. 18) Ebenda, $.11.

206

Erst«* Bach.

Bügeaitine Seiten.

durch eigene Schuld einer Partei oder in Folge eines ihre Person treffenden Zufalls verursachten Kosten werden ihr niemals ersetzt '•),

selbst wenn sie in der Sache obsiegt.

Dergleichen Kosten sind:

a) die Kosten versäumter Termine und die durch Prorogationen verursachten Kosten, die vielmehr umgekehrt dem Gegner erstattet

werden müssen80);

b) die Kosten

deS KontumacialverfahrenS,

welche gleichfalls dem andern Theile sogleich zu erstatten sind8');

c) die Kosten der Restitution gegen Kontumacialerkenntnisse, sofern

sie nicht zugleich

durch

einen Parteivortrag in der Hauptsache,

z. B. durch die beigefügte Klagebeantwortung entstehen, oder gegen

rechtskräftige Entscheidungen wegen neu ausgefundener Dokumente oder Zeugen88); d) die Kosten, welche durch eine nachträgliche

Verhandlung

einer Sache in erster Instanz

verursacht werden,

wenn wegen eines erst in der Revisionsinstanz angebrachten neuen

Umstandes die Sache in die erste Instanz zurückgewiesen wird; der Gegner muß wegen der ihm dadurch entstehenden Kosten schadlos

gehalten werden88);

e) die

Kosten

derjenigen

Jncidentpunkte,

welche ohne rechtlichen Grund veranlaßt worden sind, z. B. un-

nöthige Vergleichung der Handschriften, grundlose Verdächtigung eines Zeugen, wissentlich geschehene Produktion eines untauglichen

Zeugen und dadurch verursachte Erörterung, muß alle Mal der Schuldige tragen und beziehlich ersetzen80);

5) die Kosten einer

grundlosen Litisdenunciation (§. 78, Note 22). Kosten.

Welche Kosten dafür zu halten,

seinem Ermessen zu befinden. zeichnet:

8. Alle unnöthige

hat der Richter nach

Beispielsweise sind als solche be­

a) die Kosten für die Erörterung eines von dem Ge­

richte für unerheblich erachteten Umstandes; b) die Kosten für die

Vernehmung von mehr als drei Zeugen über dieselbe Thatsache, wenn diese schon von dreien bekundet wird;

c) die einem unbe-

19) 3u tiefen Fällen fehlt jeder Berpflichtnngsgrund zum Ersatz für die andere Partei; denn die Suecumbenz in der Hauptsache verpflichtet nur zxm Ersatz der auf die Sache nothwendig oder nützlich verwendeten Kosten. $. 27, Satz 2 a. a. O.

20) A. ®. O. I, 8, §. 21; I, 10, §. 13. — Bon der Kostenerstattung ver­ säumter Termine: in Haqemann und v. Bülow praktischen Erörterungen Bd. VII, S. 74.

21) A. G. O. I, 8, $. 10; I, 14, §. 71, Nr. 3; I, 23, $$. 23, Nr. 1 u. 2, und $. 24. — L. 15 C. de judiciis (111, 1). 22) A. G. O. I, 23, $§. 14 u. 23. 23) Ebenda, §. 12. 24) Ebenda, $. 23, Nr. 5. Dieß wird jetzt Alle« über'« Knie gebrochen; die Pauschsätze machen eine solche, von der Gerechtigkeit gebotene Unterscheidung nicht müglich.

Prozeßfihrendo Personen.

207

Hauptpersonen.

fugten Konsulenten gegebene Belohnung und die Gebühren für

die Reise- und

ein eingeholtetz Responsum oder Gutachten; d)

Zehrungskosten der Partei, wenn sie in Begleitung eines RechtS-

anwaltS erscheint; e) die Mehrkosten für Reisen eines ohne Noth

aus einem entlegnern Orte gewählten Rechtsanwalts; f) die Kosten für einen zweiten Rechtsbeistand ");

g) die

Gebühren

solcher

Rechtsverständigen, die nicht Rechtsanwälte find, soweit Jene die­ jenigen Kosten, welche die Partei würde haben liquidiren können,

übersteigen "); h) die Kosten eines Bevollmächtigten in Bagatellsachen, und in wenn sie den Prozeß persönlich betrieben hätte,

den vor dem Einzelrichter verhandelten Civilprozessen wegen Ehr­ verletzung oder leichter Mißhandlung, wenn nicht eine Verhinderung an der persönlichen Wahrnehmung des Termins nachgewiesen wird, doch mit derselben Maßgabe"); i) die Gebühren eines bei dem

kompetenten Gerichte nicht angestellten RechtSanwaltS für Fertigung

oder Legalifirung der Rechtsschriften, soweit dadurch eine Vermeh­ rung der Kosten entstanden ist").

Ein Rechtsanwalt kann in

seiner eigenen Sache nur die Hälfte der sonst zuläsfigm Gebühren liquidiren").

9. Litiskonsorten haften dem Gegner pro rata urtb,

wenn binnen 4 Wochen nach der Festsetzung Exekution gesucht wird, eventualiter in subsidium (Note 5).

§. 92. b) Liquidation-verfahren.

Um die Prozesse schnell zu beendigen, hatte man vorgeschrie­ ben, daß die Parteien bei dem Schlüsse jeder Instanz ihre Kosten specificiren und die Beläge dazu übergeben müßten;

daß darüber

der Gegner vernommen werden solle; daß der Richter dann bei Abfassung des Erkenntnisses die liquidirten Kosten nach Wahrheit

und Nothwendigkeit oder Nützlichkeit prüfen und die Festsetzung

25) Ebenda, $. 23, Nr. 3 und 4; $. 25, Nr. 5 und 9, lit. e, b, e, $. 27. ®. vom 12. Mai 1851, $. 8. 26) Anhang zur A. G. O. (1,23, $.25) $. 138. - R. eem 20. Octbr. 1801 (Rabr, 8t. VI, S. 650). — Eine An-nahmr gilt, wenn brr Fiskus ritte andere Juftizperson zum Anwalt bestellt. 9t. vom 27. März 1820 (Jahrb. Bd. XV, S. 30). 27) G. vom 12. Mai 1851, betreffend den Ansatz mit die Erhebung der Gebühren der Rechtsanwälte, $. 8; und Jnstr. vom 12. Septbr. 1851. ■ 28) B. vom 21. Jnli 1843, $.4 (G. S. S. 295); G. vom 12. Mai 1851, $. 8. 29) ®. vom 12. Mai 1851, $. 7. Gemeinrechtliche Prozeffualiiten wolle» den Advokaten schlechthin die larmäßigen Gebühren zubilliaen. Overbeck, Meditationen, Bd. X, S. 294; Kind, Rechtsgutachten, Bd. I, S. 144.

Erst«« Buch.

208

ÄHyeidne L«hr«u.

derselben dem Haupterkenntnisse bei müsse ’ °).

Da jedoch

dem Kostenpunkte beifügen

mit dem Schluffe der Sache die Kosten

noch kein Ende haben,

überdies auch das erste Erkenntniß noch

der möglichen Abänderung unterliegt*'),

so ist diese unpraktische

Vorschrift nicht zur Ausführung gekommen.

Das Liquidations­

verfahren beginnt nach rechtskräftiger Entscheidung der Hauptsache

und gehört zur Vollstreckung deß Urtels, kann also nicht in Form einer neuen Klage und in einem Separatprozesse oder vor einem andern Gerichte anhängig gemacht werden, auch findet kein förm­

liches Erkenntniß Statt.

Die Vorschrift, daß wenn eine Partei

die Kostenspecifikatton am Schluffe der Instanz nicht übergeben,

ihr deren Nachbringung innerhalb einer gewissen Frist auferlegt werden müsse und daß die Partei durch Versäumung dieser Frist

ihrer Kostenforderung verlustig werde»»), ist gleichfalls unprakttsch, kein Urtel macht eine solche Auflage.

Die Kostenspecifikation mit

Belägen kann, wenn das rechtskräftige Urtel keine präklusivische

Frist vorschreibt, so lange die Kostenforderung noch nicht verjährt ist»»), bei dem Gerichte erster Instanz zur Festsetzung eingereicht

norden.

Sie wird dem Gegner, mit einer Fristbestimmung, zur

Erklärung darüber (ad monendum) kommunicirt, unter der War­ nung, daß nach ftuchtlosem Ablaufe des Termins die Festsetzung

von Antts wegen,

nach

Lage der Akten,

erfolgen werde.

Die

Festsetzung geschieht nach Verlauf der Frist, die Erklärung mag eingekommen sein oder nicht,

nach den bestehenden Grundsätzen

(§. 91), durch ein bloßes Dekret, von welchem nur der Weg der

Beschwerde Statt hat»»).

Auf den weitern Antrag des Berech­

tigten wird dann, wie gewöhnlich, die Exekution vollstreckt»»).

30) A. G. O. SS- 20 und 27. — Vergl. die Gebühren - Tare für Justizkommiffarien, vorn 23. August 1815, SS- 5, 6. 31) Die Bestimmung deS Anh. zur A. G. O. (SS- 1 d. T.) $• 134, und das G. vom 10. Mai 1851, S- 10, wonach das erste und zweite Urtel in An­ sehung deS Kostenpunkts provisorisch vollstreckbar sein soll, bezieht sich nur auf daS Verhältniß der Parteien zu dem Gerichte. 32) A. G. O. a. a. O. $• 28. In allen den Fallen, wo appellirt wird, würde dadurch ein ganz vergebliches Verfahren provocirt werden. 33) Sie verjährt mit dem Ablaufe von 4 Jahren, vom letzten December desjenigen Jahres, in welchem das rechtskräftige Urtel instnuirt worden ist, an­ gerechnet. G. vom 31. März 1838, $. 2, Nr. 7 und $. 5 (G. S. S. 250). 34) «. G. O. a. a. O. §- 28. Vergl. 1,24, S- 22. 35) Ob die Erekution noch nach Ablauf eines Jahres nach rechtskräftiger Entscheidung der Sache, d. h. nach Erlöschung der erekutorischen Kraft deS Ur­ tels stattfinde, ist die Frage. Ich meine nein; eS muß auf Grund deS Festsetzungs­ dekrets neu geklagt werden.

Prsjkßführmd« P«rs»n«».

3.

Hauptperson»«.

209

Befreiung, und zwar a) von Gericht-gebühren.

§. 93. aa) Befreite Personen.

Von der Regel, daß Jedermann schuldig, die in seinen Pro­

zessen verursachten Gerichtsgebühren und Kosten nach Anweisung des Richters zu bezahlen,

sind

ausgenommen'):

1. der Fiskus

und alle öffentlichen Anstalten und Kassen, welche für Rechnung

des Staats verwaltet werden, oder diesen gleichgestellt find; 2. alle öffentliche Armen-, Kranken-, Arbeits- und Besserungs-Anstalten,

ferner Waisenhäuser und andere milde Stiftungen, in sofern solche

nicht einzelne Familien oder bestimmte Personen betreffen Meßfundationen), wie

(z. B.

oder in bloßen Studienstipendien bestehen,

so

endlich die Gemeinden in den die Verwaltung und Mittel

der Armenpflege betreffenden Angelegenheiten'); 3. alle öffentliche

Volksschulen;

4. alle öffentliche gelehrte Anstalten und Schulen,

Kirchen, Pfarreien, Kaplaneien, Vikarien, Küstereien, jedoch nur in soweit als die Einnahme derselben die etatsmäßige Außgabe,

einschließlich der Besoldung oder des statt dieser überlassenen Nieß­

brauchs, nicht übersteigen, und dieses durch ein Attest der vorge­ setzten Behörden oder Oberen bescheinigt wird.

Die Bestimmung

fügt bei, daß in soweit in Prozessen dieser Anstalten solche An­

sprüche,

welche lediglich das Interesse der Nutznießer betteffen,

zugleich mit verhandelt werden, die Pftündner die „auf ihren Theil verhältnißmäßig fallenden Kosten" zu tragen haben, wenn sie sich

nicht zum Armenrecht qualificiren. rückständige Einkünfte gedacht. schied des Ranges'),

5.

Wahrscheinlich ist dabei

an

Militairpersonen, ohne Unter­

rücksichtlich der von ihnen bei der Mobil-

1) G. vom 10. Mai 1851, $. 4. 2) Das Ob.-Tr. hat ausgesprochen, daß wenn zwei Kommunen darüber streiten, wem von ihnen die Verpflegung eines Armen obliegt, auf diesen „Privat­ streit" die Sportelfreiheit nicht anzuwenden sei. Pr. 1473, vom 3. August 1844. Ob dieser Satz auch jetzt noch aufrecht erhalten werden würde, steht dahin; er ist aber überhaupt rechtlich nicht begründet. Denn wenn die „ArmenfondS" in den Kommunen als personiflcirte Anstalten betrachtet werden: so giebt eS keinen „Privatstreit" der gedachten Art zwischen Gemeinen, sondern Tin ArmenfondS streitet mit dem Andern in Betreff der Armenpflege. Ts ist unzulasfig, die Ge­ meinen dabei vorruschieben, sonst hätte die ganze Bestimmung keinen Boden; denn jede Armenemrichtung ist Gemeine-Sache; jeder ArmenfondS ist Eigenthum der Kommune. 3) Min. Jnstr. vom 10. Sept. 1851 zu J. 4, Nr. 5. Koch, Etvilprozeß. 2. Aufl.

14

Erstes Buch. Allgemeine Lehren.

210

machung errichteten einseitigen und wechselseitigen Testamente, so wie deren Zurücknahme und Publikation;

auch sind die Todes­

erklärungen der im Kriege vermißten Militairpersonen kostenfrei.

6.

Diejenigen, welchen sonst vermöge besondern Privilegiums die

Sportelfreiheit bewilligt worden ist4).

7. Diejenigen, welche sich

vorschriftsmäßig zum Armenrechte qualisicirt haben, vermöge des

Grundsatzes, daß Niemand wegen Mangels an Mitteln zur Be­ zahlung von Kosten schütz- und rechtlos gelassen werden bars 5). §• 94. bb) ?l r m eure d) t.

A. G. O. I, 23, §§. 30-41. - L. 13, §. 9 C. de judiciis (III, 1). — Nov. 17, c. 3; Nov. 112, c. 3. — c. 11, §.4 i. f. X. de rescr. in 6 (I, 3). — K. G. O. von 1555, Th. I, Tit. 19, §. 5 und Tit. 41, §§. 1 u. 2; und Concept von 1613, Th. I, Tit. 31, §. 10; Tit. 55, §§. 1-4 u. Tit. 96. -

Linde, Bemerkungen über die Zweckmäßigkeit der in Deutschland geltenden Grundsätze über das Armenrecht im Prozesse; im Arch. für civil. Präcis, Bd. XVI, S. Öl ff.; und Desselben Abhandlung darüber in der Zeitschr. für Civilrecht und Prozeß, Bd. I, S. 57 ff. — Hagemann, vom Armen rechte; in den prakt. Erörterungen, Bd.

VIII, Abth. 1, Nr. XXII.

Armenrecht heißt die Sportelfreiheit, welche in dem faktischen Unvermögen zur Bezahlung der Kosten ihren Grund hat.

I. Um

dazu verstattet zu werden, ist der Beweis der Armuth, d. h. daß der Suchende weder an liegender und fahrender Habe, oder an

ausstehenden Forderungen so viel besitze, noch in seinem Amte oder

seiner Handtierung

soviel verdienen könne,

daß ihm, nach Be­

streitung des nothdürftigen Unterhalts für sich und die Seinigen, noch etwas zur Bezahlung von Prozeßkosten übrig bleibe'), forderlich.

er­

Dazu gehört 1. eine vollständige Angabe des Provo­

kanten über seine gewerblichen, häuslichen und Vermögensumstände,

namentlich: ob er verheirathet sei und Kinder habe; wieviel davon noch unerzogen und unversorgt; wieviel er ungefähr an Einkommen

4) In den, verschiedenen Unternehmungen bereits bewilligten Befreiungen ist durch die neue Sportelgesctzgebung nichts geändert. Cs ist aber dem FinanzMinister die Bcfugniß eingcräumt, in Uebereinstimmung mit dem Reffort-Minister, auch gewissen anderen gemeinnützigen Privatunternehmungcn Gebuhrenfreiheit provisorisch zu bewilligen. G. vom 10. Mai 1851, §. 4, Nr. 6.

5) A. G. O. HI, 2, §. 36. - I. R. A. §. 114 a. E. - B. A. v. 1713, 8- 60; R. K. G. O. I, 19, §. 5 (Gone. I, 31, §. 10).

1) A. G. O. a. a. O. §.31. — Ueber den Begriff der Armuth nach Gem. Rechte: R. K. G. O. von 1555, I, 78 u. Conc. I, 96. — I. R. A. §. 114.

— Leyser, Med. sp. 85, w. 3 et 4.

Prozeßführend« Personen.

habe und verdiene,

Hauptpersonen.

was er an Steuern entrichten

211 2. ein Attest

über diese Umstände des Provokanten, und daß er nicht im Stande

sei, neben seinem und seiner Familie Unterhalt, Koster, zu bezah­ len:

3. ein Verzeichniß seiner ausstehenden Forderungen, Grund­

stücke und Gerechtigkeiten unter Angabe des Werths.

Dieses ge­

nügt in der Regel, um nach Umständen eine völlige oder tbeilweise Kostenfreiheit oder eine Stundung zu bewilligen'). der Wahrheit der Umstände ein Zweifel,

Ist aber an

so kann die Kassen-Ver-

waltung den Manifestationseid fordern und besten Leistung durch das Gericht mittelst Personalarrestes erzwingen').

lassung zum Armenrechte bewirkt:

II.

Die Zu­

1. dem Provokanten werden

von der Zeit der Nachsnchung desselben

keine Kosten,

und auch

keine Advokaten-Gebühren, mehr abgefordert, die bereits Abgesor-

derten und noch Rückständigen werden erlassen, aber nicht zurückgegebcn').

2.

bereits Bezahlte

Das der einen Partei bewilligte

Armenrecht kommt der andern Partei nicht zu statten'), darf ihr

aber auch nicht lästig fallen •).

3. Unvermeidliche baute Auslagen,

z. B. Portogebühren ausländischer

Gerichte,

Jnsertionsgebühren

u. dgl., muß die arme Partei herbeischaffen, wenn jedoch von ihr nichts

zu

erlangen,

fallen

sie dem

Gerichtsherrn

zur

Last').

4. Litiskonsorten gewinnen durch das Armenrecht eines ihrer Ge­ nossen nicht, sie müssen den auf diesen treffenden Antheil mit be­

zahlen, doch soll, wenn die Personenzahl auf die Bestimmung der Gebühren Einfluß hat, der Antheil des Armen übergangen, und

2) 91. G. O. S 34 a. a. O. G. v. 10. Mai 1851, $. 5. — Ebenso »ach der R. K. ®. O. von 1555, Th. I, Tit. 41, $. 1 u. Seite. Th. I, Tit. 55, j. I; R. 91. von 1566, $. 105. — Deswegen kann der Arme doch angchallen werden, Nachzahlung zu leisten, wenn er in bessere Umstände kommt und unterdeß die Verjährung nicht eingetreteu ist. G. vom 10. Mai 1851, S 5. Der BersprechuugSeid (c aut io juratoria) dafür ist abgcschafft.

3) G. vom 10. Mai 1851, $. 5. Die Kostenschuld darf jedoch nicht uner­ heblich (unter 5 Thlr.) sein. Jnstr. vom 10. Septbr. 1851 zu g. 5 de- ge­ dachten Gesetze». Der Armeneid ist abgeschafft. 4) 8. ®. D. S- 35 a. a. O.; und III, 7, §$. 25, 44; Anh. zur A. ®. O. $. 141. 5) Ander» nach L. 6 C. de fruct. et litis expens. (VII, 51); L. 12, §. 4 C. de prox. sacror. scrin. (XII, 19). Man erörtert in neuerer Zeit dir Frage lebhaft. Sartoriu«, über die Wechselseitigkeit de» Svorteleredit» in Prozessen armer Parteien mit vermögende» Gegnern; im 9lrch. für civil. Prari», Bd. XVIII, S. 237.

6) 9>. G. O. $. 36 a. a. O.

Zu vergl. G. v. 10. Mai 1851, $.4 a. E.

7) Ebenda, Nr. 6 und Anh. dazu $. 141. G. vom 10. Mai 1851, tz. 6; Jnstr. vom 10. Septbr. 1851 zu 6. 6. — Hagema»», praktische Erörterungen, Bd. Vin, Abh. 22.

Testes Buch.

212 bei

Allgemeine Lehren.

theilbaren Objekten der Ansatz der Gebühren nur nach der,

nach Abrechnung des Antheils des Armen sich ergebenden, niedern

Kolonne der Sporteltare geschehen®).

bis zu bessern Vermögensumständen

5.

Die Kosten sind bloß

gestundet8).9 10 III. 11

Hat der

Arme einen frevelhaften Prozeß geführt und'ist er über den Un­ grund seiner Klage oder seines Widerspruchs vergeblich bedeutet

worden'"),

so soll er,

wenn ihm die Kosten zur Last fallen, in

dem Erkenntnisse zu einer Strafe von 24 Stunden bis 14 Tagen

Gefängniß verurtheilt werden1').

IV. Wer das Armenrecht, ohne

darauf Anspruch machen zu können, erschlichen hat, wird zur Zah­

lung sämmtlicher Kosten angehalten12).13 14 V. Wenn auch eine Partei das Armenrecht nicht gesucht oder erlangt hat, so werden dennoch

die auf ihre Rechnung ausgelaufenen Kosten,

wenn solche nicht

beigetrieben werden können, ohne die Partei außer Nahrungsstand

zu setzen, niedergeschlagen1 ’). ist kein

Personalarrest

Auch wegen der Advokatengebühren

als Exekutionsmittel zulässig").

Diese

Bestimmungen machen das Institut des Armenrechts in der Preu­ ßischen Rechtspflege entbehrlich und haben es auch völlig unprak­ tisch gemacht; denn da jede Partei auf Zuordnung eines Rechts­

assistenten

ex officio bei dem Richter antragen kann und jeder

Rechtsanwalt sich dem Auftrage unterziehen muh15), so ist in dem

Preußischen Verfahren kein Bedürfniß zur förmlichen Nachsuchung

8) A. G. O. $. 38 a. a. O. oben $. 91,1. 9) Erstreitet die arme Partei so weit er erforderlich, hergegeben nach R. K. G. £). I, 78 n. (Sone. 10) Eine solche Bedeutung ist

Folgt auö der Regel über Gemeinschaft.

S.

mehr als 50 Thaler, so soll der Ueberschuß, werden. A. G. O. §. 40 a. a. O. Ebenso I, 96 a. G. Vgl. o., Sinnt. 2. unpraktisch.

11) A. G. O. a. a. O. $. 37. — Ist auch gemeinrechtlich angenommen. S. Danz, Prozeß, §. 40, Note I; und Brinkmann, über daS muthwilliac Prozcssiren der Armen; in dessen wissensch. prakt. RechtSkunde, Bd. I, S. 173. — Auch andere Gesetzgebungen lassen Strafen cintreten. Ebenso die Verordn, über daS Armenrccht in den Rheinprovinzen, v. 16. Februar 1823, j. 8 (G. S. Seite 22). 12) A. G. O. a. a. O. §. 41. Vgl. das so eben alleg. Gesetz, §. 10. 13) Anhang zur A. G. O. (I, 23, §. 35) $. 140; R. vom 6. Mai 1809 (Rabe, Bd. IX, S. 48). — Niemand darf wegen Gerichtskosten außer Nahrungsstand gesetzt werden. R. vom 1. Novbr. 1814 und vom 20. Octbr. 1830 (Jahrb. Bd. IV, S. 200 und Bd. XXXVI, S. 316. Bei der Beitreibung von Gerichtskosten mnß dem Schuldner daS für ihn und seine Familie nothwendige Bettwerk, die nothwendige Kleidung derselben und ein Stück Milchvieh frcigelassen werden. K. O. vom 30. Novbr. 1825 (Jahrb. Bd. XXVI, S. 389). 14) R. vom 9. Octbr. 1816 und vom 27. Januar 1832 (Jahrb. Bd. VIII, S. 264; Bd. XXXIX, S. 165).

15) A. G. O. I, 3, §S. 14-20.

Proztßführtndt Personen. Hauptpersonen. und Zuerkennung deö Armenrechts,

213

wie es da der Fall ist,

wo

man das Institut der Assistenten nicht kennt"!.

§. 95. b) Von dem Kostenersa tze an die Gegenpartei.

Die Befreiung von Bezahlung der Gerichtskosten befreit nicht von der Verbindlichkeit, dem Gegner die ihm verursachten Kosten 1. Gegen die Armen finden dicserwegen die gewöhn­

zu erstatten.

lichen Exekutionsmittel, selbst der Personalarrest statt'). Fiskus hat dem Gegner alle Kosten zu erstatten,

2.

Der

mit Einschluß

der von ihm als Extrahenten zur Salarienkafse gezahlten Gebüh­ ren; wogegen die Verhandlungs- und Urtelsgebühren,

wenn der

Fiskus in die Kosten verurtheilt wird, außer Ansatz bleiben und beziehlich niedergeschlagen werdens. 3. Gegen die Militairpersonen

vom Portepee-Unteroffizier findet die Exekution wegen der dem Gegner zu erstattenden Kosten,

während

niemals in den Sold und in das Mobiliar,

der Militairdienstzeit,

am Garnisonortc befindliche

sondern nur in Grundstücke und Gerechtigkeiten, aus­

stehende Forderungen und öffentliche Papiere, in das vorhandene, den Betrag eines einmonatlichen Soldes übersteigende baare Geld, in goldene, silberne und andere Medaillen, Juwelen und Kleinodien

Statt').

4.

In Ansehung aller übrigen von den Gerichtskosten

Befreieten gilt wegen der Erstattung der dem Gegner verursachten

Kosten keine Einschränkung.

VT. Mittel gegen frevelhaftes Prozeffiren. §. 96. 1.

Kautionsbestellung'). a)

1.

Fälle

derselben.

Von den Sicherheitsleistungen,

welche nach Gemeinem

Rechte zur Verhütung frivolen Streitens und zur Sicherung des 16) Wie j. B. in dcn Rhcinprovinzcn, wo eint mittellose Partei nur auf Grund des Armenrechts ohne Bezahlung zu einem Rechtsanwalt und einem Gerichtsvollzieher gelangen kann. G. vom 16. Febr. 1823, §• 5. 1) A. G. O. I, 23, §. 39. — Auch Subhastation. (Jahrb. Bd. VIII, S. 34). 2) 91. G. O. I, 35, S§. 26—28.

R. vom 18. Mai 1816

G. v. 10. Mai 1851, §§. 10 u. 4 a. E.

3) B. vom 17. Febr. 1838, §.4 (G. S. S. 193). Dadurch ist die Be­ stimmung der A. G. O. I, 23, $. 45 aufgehoben. Wegen der Erekutionsgegenstände vergl. $. 155 des Anh. zur A. G. O. I, 24, §. 70; Jnstr. v. 10. Sep­ tember 1851 zu z. 4, Nr. 5 des G. v. 10. Mai 1851; und Mil.-StrafgerichtSordnung vom 3. April 1845, $. 273 (G. S. S. 372, 376).

♦) A. G. O. I, 21.

Buch.

214

Allgemeine Staren.

Gegners wegen seiner Kostenforderung vorkommen, kennt das Preu­ ßische Recht nur: 1. die Kaution wegen der Prozeßkosten (cautio pro expensis) ’)•

werden. A.

An der Regel kann sie jedem Kläger abgefordert

Ausgenommen sind gewisie Sachen und gewisse Personen.

Die ausgenommenen Sachen sind:

a) Klagen auf vorauszu­

zahlende Alimente, auf Besoldungen, Lohn oder Deputat; b) Ba­ gatellsachen; c) Wechselsachen; d) Klagen aus öffentlichen Urkunden

und aus Schuldscheinen in Wechselform, sowie aus rechtskräftigen

Erkenntnissen; c) Possessorien- und Spolien-Sachen; I) Eheschei­ dungssachen;

g) Merkantilsachen;

Richtigkeit der

h) Konkurssachen,

liquidirten Forderungen

kostspieligen Erörterung bedarf.

wenn die

keiner weitläuftigen und

B. Befreite Personen sind: a) der

Fiskus *); b) die im Lande mit Grundbesitz, welcher nicht über­ schuldet ist31),42 5Angesessenen, 6 sowie die Ehemänner solchergestalt an­

gesessener Frauen, wenn deren Grundstücke zum Eingebrachten ge­ hören; c) Magistrate und Stadtkommunen; d) Kirchen, Schulen, Hospitäler und andere milde Stiftrmgen; e) Personen, welche in

angesehenen Bedienungen stehenH, beträchtliche Präbcnden besitzen

oder sonst beträchtliche Einkünfte genießen, oder einen beträchtlichen Handel betreiben.

Hierüber entscheidet das Ermessen des Richters.

Die Befreiung eines Litiskonsorten kommt den Genossen nicht zu Statten.

Die befreiten Personen sind wegen künftiger Beitreibung

der dem Beklagten zu erstattenden Kosten dem Gerichtsstände der

Hauptsache unterworfen3». — Wenn die die Befteinng bedingen­

den Umstände

sich

im Laufe des

Prozesses

ändern,

nachträglich Kautionslcistung gefordert werden •). des Beklagten,

kann noch

2. Die Kaution

sich vor Gericht stellen (cautio de judicio sisti),

welche nur nach dem Interesse des Klägers,

daß er hier klage»

kann, abgemessen wird, und die Kaution dafür, dasjenige, was

erkannt werden wird, leisten zu wollen (cautio judicatum solvi s.

1) A. G. O. I, 21, §. 1 und I, 1, § 21. - Nov. 112, c. 2. — R. Ä. ®. D. von 1555, UI, 49, $. 8. — Einige Bemerkungen über die Kaution für die Gcrichtskvsten; in Heise's jnrist. Abh. Bd. I, Nr. 17. 2) Bcrgl. L. 1 §. 18 D. ut legatorum (XXXVI, 3). 3) A. G. O. 1, 21, §. 9 und I, 29, 8 10, Nr. 3. — Gemeinrechtlich wird behauptet: eS komme auf den Schntdcnjiistand nichts an. Glück, Commcntar, Bd. III, 8 248. Bergt. L. 15 D. qui satisdare cog. (II, 8). 4) Wird auf Grund der L. 7 C. de dignit. (XII, 1) auch gemcinrechlich bchauptet, doch daß eidliche Kaution verlangt wird. Leyser, Med. sp. 34. m.5. 5) A. ®. O. I, 21, SS- 2, 3. 6) 8- 9 a. a. O.

Prozeßsührcnde Persoacu.

Hauptpersonen.

215

de judicato solvendo), kommt nur in den beiden Fällen vor, wenn

ein Ausländer gepfändet worden ist (§. 63), und wenn die provi­ sorische Vollstreckung eines Urtels zulässig ist, aber auf Verlangen des Exequendus bis zur Rechtskraft ausgesetzt bleiben soll ’); außer­

dem sind diese Kautionen allgemein abgeschafft-").

3. Die Kau­

tion eines wiederholt anfangenden Klägers de lite prosequenda,

welche nach richterlichem Ermessen dann gefordert werden kann, wenn der Kläger,

nachdem er den Prozeß

liegen gelassen hat,

später als vier Wochen nach dein versäumten Termine zur Fort­

setzung des Prozesses wieder auftritt7 8).9 104.11 Die Kaution der Ge­ nehmigung wegen (c. ratam rem haberi s. de rato), welche solche Nebenpersonen, die ohne Vollmacht aufweisen zu können und ohne

die Vermuthung einer Vollmacht für sich zu haben, in dringenden Fällen (in andern Fällen geschieht es gar nicht) für die Partei zugelassen werden wollen, sofort, d. h. auf die von Amtswegen, ohne den Antrag der Gegenpartei abzuwarten, ergehende Auffor­ derung des Richters, leisten müssen").

II. In allen andern Fällen

muß der Gegner die Kautionsleistung fordern, und zwar sogleich zu Anfang des Rechtsstreits, der Kläger schon in der Klage und der Beklagte vor oder in der Klagebeantwortung oder, wenn der

Grund erst später eintritt, sobald die Veränderung der Umstände bekannt wird 1 °).

Ueber den Grund der Kautionsforderung wie

über den Betrag der Kaution bestimmt der Richter durch ein bloßes

Dekret, gegen welches nur die Beschwerde Statt findet1 *). §. 97. b) Folgen der unterbleibenden Kantionöleistung. Wird dem richterlichen Befehle nicht genügt, so ist die Folge

nach der Art der Kaution verschieden. Nebenperson die ihr

1. Leistet die auftretende

wegen Genehmigung abgeforderte Kaution

nicht (§. 96, Nr. 1,4), so wird sie nicht zugelassen.

2. Bestellt

der gepfändete Ausländer die Kaution (1, 2) nicht, so wird das

7) A. G. O. 1,14, 8-7; I, 28, §. 10. - A. L. 9t. I, 14, 88 456, 457. 7a) A. G. O. I, 21, 8- 14. 8) A. G. O. §. 14 und I, 20, $. 20 a. E. — c. 1 de dolo in 6 (II, 6). 9) A. G. O. I, 3, §. 26. — Wofür diese Kaution haftet, darüber siehe m. Privatrecht, §. 716, Nr. 6. 10) A. G. O. I, 21, §§. 4-6, 9. - V. vom 21. Juli 1846, §. S, lit. e. — L. 12, 13 C. de except. (VIII, 36). — c. 4 X. de except. (II. 25). — I. R. A. §. 38. — L. 8, §. 3, L. 10, §. 1 D. qui satisdare cog. (II, 8). 11) A. G. O. §8- 5-8 a. a. O.

Erstes Buch.

216 Pfand verkauft

Pfandgeldes (Note 7).

und

der

verbleibende

Allgemeine Lchre».

nach Bezahlung der Kosten

Ueberschnß

und des

ad depositum genommen

3. Die Kaution wegen der Kosten (I, 1) und wegen

Fortsetzung der Sache (I, 3) wird durch Exekution erzwungen,

und die Fortsetzung des Prozesses wird danach nicht aufgehalten. Hiervon gelten drei Ausnahmen: a) Wenn der Zwang ftuchtlos bleibt und auch der Kautionseid verweigert wird, so wird dem

Kläger das fernere rechtliche Gehör in der Hauptsache versagt und die Akten werden reponirt "); cs muß jedoch darüber auf Ver­ langen rechtlich erkannt werden:

ob der Beklagte schuldig

nicht, sich mit dem Kläger ferner einzulassen.

oder

2. Wenn der Klä­

ger ein Ausländer ist und der Grund der Klage nicht auf schrift­

lichen Urkunden oder sonstigen ohne großen Kostenaufwand ans der Nähe herbeizuschaffendcn Beweismitteln beruhet: so kann der

Beklagte die Einlassung auf die Hauptsache verweigern.

Das

Gleiche gilt in der Appellationsinstanz in allen Fällen, wenn der Ausländer gegen das wider ihn ausgefallene Erkenntniß appelliren

will,

b) Wenn

eine

Ehefrau

klagt (§. 85 u. §. 175).

ohne Beitritt

ihres Ehemannes

Die nicht erfolgte Kautionsbestellung

begründet eine prozeßhindcrnde Einrede, über welche zunächst ver­ handelt und erkannt werden muß").

Verschieden

von

der Kautionsleistung,

welche die Parteien

von einander zu fordern haben, ist der Vorschuß, welchen die Ge­ richte zu ihrer Sicherung wegen der Kosten von einem ausländi­

schen Kläger einzufordern berechtigt sind,

bevor sie die Ladung

des inländischen Beklagten verfügen, welches in allen gewöhnlichen

Fällen zulässig ist, wo die Beschleunigung der Sache nicht drin­

gend nothwendig erscheint").

Die Suspension der Rechtsmittel

eines Ausländers bis zur Einzahlung eines Kostenvorschusses ist

nach neuerem Rechte nicht zulässig"). 12) Ebenda, SS- IO und 12. Daß der Kläger zum Armenrecht verstattet worden, ändert seine Verbindlichkeit gegen den Beklagten gar nicht. Bergl. R. vom 13. April 1832 (Jahrb. Bd. XXXIX, S. 390).

13) «. G. O. $. 13 a. a. O- — B. vom 21. Juli 1846, $. 5, lit. e. S. u. SS- 175, 176 u. 182. 14) Anh. zur A. ®. O. (I, 23, $.47) $. 147. Wird da« Unvermögen der Partei nachgewiesen oder genießen diesseitige Staatsangehörige in dem frem­ den Staate dieselbe Vergünstigung, so ist von der Vorschußforderung abzustehen. ®. v. 10. Mai 1851, $. 8, Nr. 4; Jnstr. v. 10. Septbr. 1851. 15) ®. vom 10. Mai 1851, $. 8, Rr. 4: Worte: „und zwar in erster Instanz vor Einleitung derselben." Rach älterem Rechte behauptete der J. M. in einem R. vom 14. Oetbr. 1825 (Ergänz, z. A. ®. O. I, 23, $. 47, Nr. 3) di« Zulässigkeit der Suspension.

Prozeßführenbe Personen. Hauptperson«,.

217

§. 98. c) Art btt Btsttllung.

Die Kaution muh vornehmlich durch gerichtliche Niederlegrmg baarer Gelder,

oder im

Lande

cursirender öffentlicher Papiere,

dann auch durch annehmliche Bürgen und Pfänder bestellt wer­

den ' •).

Erst in Ermangelung aller dieser Mittel und nach frucht­

loser Exekution wird von Inländern, nicht aber von Ausländern,

eidliche Kaution durch Ableistung des Eides, daß der Kautionsbe­

steller, alles angewendeten Fleißes ungeachtet, die ihm auferlegte

Kaution durch Bürgen oder Pfänder nicht bestellen könne, und

daß er dem Gegentheile, falls er demselben die Kosten zu erstatten

verurtheilt werden sollte, dieselben nach seinem besten Vermögen redlich bezahlen wolle, angenommen'2).

§. 99. 2.

Gefährde-Eid.

A. G. O. I, 22, $$.37—45. — Tit. C. de jurejurendo propter calumniam dando (II, 59); Tit. X de juramento calumniae (II, 7); u. Tit de eod. in 6 (II, 4). — Goldschmidt, übet das juramentum calum­ niae und ihm verwandte Rebeneide; in seinen Abhandlungen au« dem Civil» Prozeß, S. 31 ff. — Gerstaecker, de jurejurendo calumniae »ecundum principia jur. rom., canonici et saxonici. Lipe. 1795.

I.

Der Eid gegen Gefährde (juramentum calumniae) hat

den Zweck, gegen Chikane zu sichern. sowohl

für

Im Röm. Recht kommt er

einzelne Prozeßhandlungen (juramentum calumniae

speciale) ') als auch bei Anfang des Prozesses für den ganzen Rechtsstreit (juram. calum. generale)2) vielfach vor.

Durch den

ersten wurde der Verdacht, daß man aus Chikane leugne oder ein

gewisses Mittel ergreife, abgelehnt, und durch den zweiten von der

Partei und deren Prokurator die Versicherung gegeben, daß man nicht calumniose klage oder streite, vielmehr überzeugt sei, eine ge16) A. ®. O. I, 21, $. 13. — Da« 9t. 9t. verlangt vornehmlich tüchtige Bürgschaft. L. 8, $$. 1, 2; L. 2, 7, 10, L. 6 D. qui tatiedare cqg. (II, 8); L. 234, < 2 D. de rerb. eign. (L, 16); L. 5 D. jud. eok. (XLVI, 7); L 3 D. de fldejuu. (XLVI, 1); L. 1 D. ei quis in jus vocatus (II, 5). In deren Ermangelung Deposttion. L. 7 D. de praet. stip. (XLVI, 5). 17) a. @. O. a. a. O. $$. 11 u. 13. — Bergt. $. 2 J. de satisdat. (IV, 11); Nov. 112, c. 2. 1) Gaius, IV, $. 172. — L. 44, $. 4 D. fern, ercisc. (X, 2). - L. 8, $. 5 D. qui aatisdare cog. (II, 8); L. 6, $. 2, L. 9, $. 3 D. de edendo (II, 13); L. 15 D. ad exhib. (X, 4); L. 1 C. h. t. u. v. A. - Nov. 73, c. 30; Nov. 90, c. 4; Nov. 124, c. 1. 2) L. 2 C. eod. — L. 14, $. 1 C. de judiciis (III, 1. - $. 1 J. de poena fernere litigant. (IV, 16).

218

Geste« Buch.

rechte Sache zu haben.

Das

allgemeine Lehren.

kanonische Recht

hat beide Eide

modificirt beibehalten; den speciellen Eid nennt es juramentum de malitia, welchen der Richter in jeder Lage des Prozesses einer

Partei abfordern

darf').

Die

Deutsche Reichsgesetzgebung hat

gleichfalls beide Eide ausgenommen').

II. Die Preußische Gesetz­

gebung hat den allgemeinen Eid abgeschafft, und der specielle Eid

ist ganz außer Gebrauch gekommen, weil ihn die Gegenpartei nicht abfordern darf; denn nur der Richter')

kann,

und zwar ganz

ebenso wie nach canonischem Rechte, in jeder Lage des Prozesses, sei es in erster oder zweiter Instanz, den Eid fordern, sobald ge­

gründeter Verdacht vorhanden, daß eine Partei mit der Wahrheit zurückhalte, oder daß sie auf entfernte Beweismittel ohne Noth

bestehe, oder daß sie bloß zum Verschleife der Sache Verlängerun­ gen der Fristen verlange und die Termine prorogire'); namentlich wenn eine Partei

einen

auf Reisen befindlichen Zeugen,

dessen

Rückkehr unbestimmt ist, oder auswärtige weit entfernte Zeugen

vorschlägt und einiger Verdacht vorhanden ist, daß es ohne Noth, zum Verschleif der Sache geschehe').

Von der Regel, daß die

Gegenpartei den Eid nicht fordern darf, gilt eine Ausnahme zu

Gunsten des Dritten, gegen welchen ein Editionsgesuch angebracht wird').

Daß der Gegenpartei

die Abforderung des Gefährde-

Eides versagt wird, ist eine positive Abänderung des Gemeinen

Rechts und

widerspricht dem

Prozeßrechts').

Der Eid

eigenen

wird der,

Prinzip des Preußischen der Chikanc

dem Richter

verdächtigen Partei durch eine Resolution, worin die Formel und

die Folgen für den Nichtschwörungsfall bestimmt werden, aufer­ legt ,0). Die Ableistung muß immer in eigener Person geschehen1 *)•

3) c. 2, §. 2 de juramento calumniae in 6 (II, 4). 4) R. Ä. G. O. von 1555, I, 65, u. 74 (Gent, von 1613, I, 87 ». 91). - 3. R. A. $S. 43, 50, 117, 118, 125; Dep.-A. von 1600, §. 145. 5) Mir ist noch kein Fall «orgekommen oder besannt geworden, wo der Richter ex officio den Gib gefordert hätte. 6) A. G. O. $$. 37—39 d. X. — c. 2 de juram. cal. in 6 (II, 4). —

3- R. A. SS. 41, 43. 7) «. ®. O. I, 10, SS. 174, 263; 1, 30, $. 26. 8) a. ®. O. I, 22, S. 39 und I, 10, s 102. 9) Sehr gut darüber: Dr. Abegg, über da« juramentum calnmniae apeciale; in bet jnrist. Wbchenschr. für 1840, S. 221. 10) I, 22, § 41. Gegen die Resolution, „bei welcher e« .schlechterdings sein Bewenben hat," wirb gleichwohl bie Beschwerde zulässig sein. 11) anbei« nach innen. Recht, welche« durch bie Reich-gischgebung aus­ genommen ist. c. 3 X. de juram. cal. (II, 7); c. 3 eod. in 6 (II, 4). —

Prozeßführtndc Persontn.

Hauptpcrsoncn.

219

Die Nichtleistung des Eides hat beit Verlust des von der Partei

gesuchten Vortheils zur Folge, eS wird mithin z. B. der von der

Partei selbst angegebene Thatumstand, über welchen sie mit ihrer Wissenschaft zurückhält, nicht berücksichtigt, und der von dem Ge­ gentheil angebrachte Umstand wird für richtig angenommen; die

vorgeschlagenen entfernten Beweismittel werden nicht beachtet und

die Prorogation wird verweigert"). §. 100. 3.

Strafen.

Das ftevelhafte Prozessiren ist mit verschiedenen Strafen und Rechtsnachtheilen bedroht.

I. Das ftevelhafte Leugnen, d. h. die

Behauptung von Thatsachen zur Begründung

einer Forderung

oder Einwendung, deren Unrichtigkeit dem Behauptenden bekannt ist, oder das Ableugnen einer vom Gegner angegebenen Thatsache wider die eigene Wissenschaft und Ueberzeugung des Leugnenden,

oder das vorsätzliche • Zurückhalten mit der Wissenschaft von der Bewandtniß eines Umstandes oder von den zur Aufklärung dessel­

ben vorhandenen Beweismitteln auf Beftagen des Richters'), soll folgende Strafen nach sich ziehen: 1. Wird eine von dem Gegner

zur Begründung eines Anspruchs oder Einwandes angeführte That­ sache,

welche vorsätzlich

abgeleugnet worden,

nachher bewiesen;

so wird der Leugner später und in den weitern Instanzen mit keinen Einwendungen gegen den Anspruch, z. E. mit der exceptio divisionis gegen die Bürgschaftsklage, wenn die Verbürgung ge­

leugnet worden ist2* ), 13 mehr gehört.

2. Wird der Einwand zu

gleicher Zeit eventualiter entgegengestellt und begründet befunden, so tritt eine Geldbuße bis auf 100 Thr. oder verhältnißmäßige Gefängnißstrafe ein2). 3. Hat Jemand einen Anspruch oder

Einwand wissentlich aus eine unwahre oder ungegründete That-

I. R. A. $. 43; R. St. ®. O. een 1555, I, 74 u. Genc. I, 91. Da« R. 91., L. 2, $. 5 C. de jurejur. propter calumniam (II, 59) war dadurch abgeändrrt werden. 12) A. G. L>. $. 42 a. a. O. — Alles dies geschieht in der Praris auch ohne Abforderung des Gefährde-WdeS; für diese Fälle ist er elfe an sich ent­ behrlich. Dagegen seilte er gestattet sein, um gegen frivele EideSdelatienrn we möglich zu sichern. Ab egg, a. a. O. 1) «. G. O. I, 1, $.39; I, 23, $. 51. 2) Ebenda, $. 52, Nr. 1. - «. L. R. I, II, $$. 743—745, 747. - L. 10, $. 1 D. de fidejues. (XLVI, I); L. 1, $. 15 D. si guadrup. paup. (IX, 1): L. 67, $. 3 D. pro socio (XVII, 2). 3) A. ®. O. a. a. O. $. 52, Nr. 2, Abs. 2.

Erst«- Buch.

220

Allgemeine Lehren.

fache gebaut, geht er des Reckts selbst verlustig, wenn auch das­ selbe aus einem andern Fundamente gültig wäre«).

Umstand oder auf ein Beweismittel,

worüber

4. Auf einen

eine Partei mit

ihrer Wissenschaft vorsätzlich zurückhält, wird zu ihrem Vortheile keine Rücksicht mehr in dem Prozesse genommen«).

5. Wer sonst

ftevelhaft leugnet oder die Ausmittelung der Wahrheit verhindert

oder erschwert, soll, außer dem Ersätze der Schäden und Kosten an den Gegner, in eine öffentliche Strafe bis auf 100 Thlr. zur Salarienkasse des Gerichts oder in verhältnißmäßige Gefängnißstrafe verurtheilt werden.

Diese Strafe kann

jedoch nur in

dem Urtel erster Instanz erkannt werden, und es findet gegen die­ sen Punkt nicht die ordentliche Appellation, sondern nur der Re­ kurs statt; macht sich eine Partei erst in einer weitern Instanz in dieser Weise strafbar, so muß der Fall dem Gerichte erster In­ stanz zur Untersuchung und Bestrafung angezeigt werdene). 6. Wer

sich des ftevelhaften Leugnens schuldig gemacht hat, soll in dem ergehenden Erkenntnisse für unfähig erklärt werden, in diesem Pro­

zesse und in allen

Andern

Vortheile zu leisten ’).

einen nothwendigen Eid zu seinem

II. Die Einlegung eines grundlosen ordent­

lichen Rechtsmittels (der Appellation oder Revision) wurde sonst mit der Auferlegung einer Succumbenzstrafe, welcher im Unver­

mögensfalle ein verhältnißmäßiger Arrest substituirt werden sollte«), bestraft').

Diese Succumbenzstrafen sind abgeschafft1 °).

4) Ebenda, Nr. 2.

Neu.

5) Ebenda, Nr. 3.

Neu.

6) Ebenda, Nr. 4 u. $. 54. — R. vorn 9. Septbr. 1840 (Just. Mm. Bl. ©. 304). Neu. 7) A. G. O. a. a. O. $. 52, Nr. 5. Reu. Die Strafen find nicht zcbräuchlich, weil die Richter, obwohl ihnen die Anwendung der Strafe sehr ein­ geschärft ist (ebenda, $$. 48, 53 und I, 10, $. 2), da« frivole Leugnen nicht ex officio rügen, wie es auch dem Berhältniffe des Richter« völlig angemeffe» ist. Da nun ein Organ für die Rüge fehlt, so geschieht dazu nicht«.

8) War nicht gebräuchlich. Bergl. R. vom 21. Februar 1832 (Jahrb. Bd. XXXIX, S. Io8); vom 4. Febr. 1835 (Jahrb. Bd. XLV, S. 225). 9) A. G. O. I, 23, $. 49. B. vom 14. Deebr. 1833, $. 18. Da« Gan. Recht, wonach da« Verfahre» bi« zur Erlegung der Succnmbtiizgelderaufgehilten wird, war schon lange abgeschafft. Projekt de« Cod. Frid. Th. In, Tit. 4, $. 33. — Ueber die gemeinrechtlichen Strafen der freventlichen Appellatien: R. Dep. A. von 1600 $. Und obwohl; I. R. A. §. Und nach dem allen. — Heineccii, de pecunia in casum, ai causa ceciderint, ab appellantibus alique remedio utentibus deponenda. Halse, 1736. — Neundorf, Vir­ such einer Prüfung der Rechtmäßigkeit der Suecumdenzgelder. Tübingen, 1804. — Götz, über die Rechtmäßigkeit der Suecnmbenzgelder; im Archiv für civil. Prari«, Bd. V, S. 121 ff. 10) G. vom 10. Mai 1851, $. 19, Abs. 3.

Proztßführendt Pnson««.

SRtbtnptrjcmtn.

221

zweiter Abschnitt. Nebenpersonen.

§. 101. Historische Einleitung. Das Römische und kanonische Recht, und nach ihm der ge­

meine Deutsche Prozeß, unterscheidet zwei wesentlich verschiedene

Arten von Nebenpersonen der streitenden Theile, welche nicht noth­ wendig Beide in einem Prozesse vorkommen müssen.

Die eine

Klasse hat den Beruf, vor Gericht die Rechtsgründe, welche für

die Sache der Partei streiten (nach der Art des Verfahrens münd­ lich oder schriftlich) vorzutragen und der Partei über die zu unter­

nehmenden zweckdienlichen Schritte und Prozeßhandlungen Rath zu geben.

Diese • Personen nannte man advocati *), patroni *), causarum patroni31),42 5causidici 67 *), und nennt sie noch jetzt Für­ sprecher, Advokaten3).

Die Personen der andern Art sind die­

jenigen, welche Namens der Partei eben diese Schritte thun und

die Prozeßhandlungen vollziehen, z. B. Eide deferiren und referiren, Anträge machen, Zeugen produciren u. s. w.; sie heißen procura-

tores •), Prokuratoren, Sachwalter, Anwälte.

Das ältere Röm.

Recht gestattete, folgerecht auch in Prozessen, in der Regel keine

Vertretung durch freie Personen3); nachdem aber später die Zu-

1) L. 1, $.11 D. de extraordinär, cognit. (L, 13): „Advocatos accipcre debemus omnes omnino, qui causis agendis quoquo Studio operantur: non tarnen qui pro tractatu non adfuturi causis accipere quid solent, Advocatorum numero erunt.“ — L. 31 D. de rec. qu. arb. (IV, 8); L. 9, §. 4 D. de off. Proc. et Leg. (I, 16): L 3, $. 9 D. de jure fisci (XLIX, 14). 2) L. 1, $.4 D. de postulando (III, 1). 3) L. 12 v. de pub. jud. (XLVIII, 1). 4) Cod. Theod. II, 10, c. 1 sq.; II, 11, c. 1 pr. $$. 1 sqq.; II, 32, c. 1, §. 15. 5) GanS, von dem Amte der Fürsprecher vor Gericht. 2te AuSg. Celle, 1827. — v. Kettenacker, Betrachtungen über die Mangel deS AdvokatenstandeS. Freiburg, 1818. — v. d. Raymer, über den Advokatcnstand. Cassel, 1819. — Wangemann genannt v. Wan gen stein, der Advokatenstand. Gott. 1811. — Lewer, über den Advokatenstand. Würzb. 1809. — v. Ramdohr, über die Organisation deS Advokatenstandes. Hannover, 1801.

6) Tit. D. de procuratoribus (III, 3); Tit. Inst, de iis per quos agere possumus (IV, 10). — Hoffmann, de origine et conditione procuratorum jure romano et canonico nec non eorum progressu in forii germ. Halae, 1716. 7) Tit. Inst, per quosagere poss. (IV, 10). — Gajus, IV, §§. 82sqq.

Erste- Buch.

222

Allgemeine Lehren/

läsfigkeit der fr eier Vertretung bei Rechtsgeschäften alö allgemeiner

Grundsatz angiencmmen worden war, Prozessen vertraten lassen8).

konnte man sich auch in

Dieser Grundsatz ist in das canonische

Recht8) und im dm gemeinen Deutschen Prozeß >°) übergegangen,

mit der Maßczabk, sönlich zu beftagin,

daß dem Richter gestattet sei, die Partei per­ wenn cs

ihm zweckmäßig

schiene").

Es

wurde aber schon früh Gebrauch, daß beiderlei Verrichtungen von Einer Person übernommen

wurden,

und die Reichsgesetzgebung

gebot, daß die Prokuratoren das Gesuch ihrer Partei,

auch zu

advociren, nicht abschlagen sollten, damit die Partei nicht genöthigt würde, einen besondern Advokaten zu bestellen"); der Unterschied zwischen beiderlei Funktionen fiel jedoch nicht weg.

Die älteste

Prozeß-Lrdnung, die Kammergerichtsordnung von unterscheidet ebenso das Prokuriren von dem Reden

einheimische

1516"),

(Advociren) und nennt die Advokaten auch „Redner," welche als Rechtsbeistände der persönlich anwesenden Parteien die Sache vor­ tragen und nach genommenen Conclusionen (Schlußanträgen) noch

eine besondere schriftliche Rechtsausführung14) dem Gerichte über­ geben mochten.

Aber die Person der Partei konnten sie nicht vor­

stellen, dafür waren besondere Prokuratoren angestellt.

Es ward

jedoch auch, nach dem Vorgänge der Reichsgesetzgebung, gestattet, den Advokaten mit der Stellvertretung zu beauftragen15).

Später

wurde den Advokaten die ausschließliche Prozeßleitung übertragen und den Parteien wurde untersagt, ihre Mandate auf die Proku­ ratoren zu richten1 •);

man stellte keine Prokuratoren mehr an,

und den noch Vorhandenen wurde bei Karrenstrafe, zu welcher sie

8) L. 17, §. *20 D. de iiyuriis (XLVII, 10). 9) c. I de judiciis in 6 (II, 1); c. 1 de procurat. in 6 (I, 19).

10) R. K. G. O. von 1555, I, 25 (Genc. von 1613, I, 38).

11) c. 1 de judiciis in 6 (II, 1).

Vergl. c. 14 X. eodem (II, 1).

12) R. D. A. von 1557, $. 48. — Gone, der St. G O. I, 31, $. 2. Die beiden Funktionen wurden aber genau unterschieden. St. G. O. von 1555, I, 19, $. 1 und Gone. I 21, $. 4. 13) C. C. M. Tom. II, Abthl. 1, Gol. 4 u. 6. 14) „Rechtliche Unterrichtung oder juris informationem mit notdürftigen Allegatcn." Ebenda, Gol. 11.

15) Ausgenommen ist der Grundsatz in die rev. KammergerichtSordn. vom 1. März 1709, Th. I, Tit. 16, $. 6.

16) Verordn, vom 16. April 1725, $. 26 (0. C. M. II, 1 Gol. 745). — Die Gesetzgebung hatte überhaupt eine feindliche Richtung gegen die Advokaten und Prokuratoren. Edikt wegen der Advokaten und Prokuratoren, v. 24. Marz 1723 (ebenda, Gol. 733).

Prozeßführende Personen.

Nebenversone n.

223

ohne Prozeß gebracht werden sollten, untersagt, sich in Justiz- und Prozeßsachen zu mischen und Bestellungen für die Parteien zu ver­

richten"). einigt.

Nun waren die Advokatur und die Prokuratur ver­

Aber die Advokaten sollten bald das Schicksal der Proku­

ratoren theilen.

Was im Zuschnitte der Prozeßordnung lag und

was eine allgemeine Erscheinung des Zeitalters war:

Unbeholfen­

heit im Ausdruck, Weitschweifigkeit17 18),19Pedanterie, 20 21 Langsamkeit des gerichtlichen Geschäftsganges, das Alles sollten die Advokaten ver­ antworten; man legte ihnen ganz allgemein zur Last, daß sie durch

Lügen, Ränke und Kniffe, durch allerlei erdenkliche Umzüge die

Prozesse unsterblich machten und die Parteien um ihr Vermögen brächten"); man strebte mit Wort und That nach Ausschließung der Advokaten von den Gerichten und nach persönlichem Erscheinen

und Sprechen der Parteien 20);

als

gemeinschädlich ganz

man schlug vor, die Advokaten

abzuschaffen2 ').

Diese Insinuationen

fanden bei dem Preußischen Gesetzgeber Eingang;

die Advokaten

wurden in Folge der bekannten Kabinets-Ordre vom 14. April 178022) abgeschafft und die Parteien sollten persönlich ihre Sache

dem Untersuchungsrichter vortragen.

Doch sollte ihnen ein Rath­

geber dabei nicht vorenthalten werden.

„Es ist Meine Meinung

hierbei nicht, daß den Parteien bei dergleichen gerichtlichen Hand­

lungen die Assistenz eines Rechts-Freundes versagt werde; vielmehr finde ich es nöthig, sowohl dem Kläger als Beklagten, auch schon

bei Untersuchung des Facti, seinen Advokaten zu dem Ende zu

accordiren, damit derselbe den Richter, welcher vielleicht aus Nach­

lässigkeit, Mangel der Penetration oder wohl gar aus Parteilich­ keit, der ihm obliegenden Untersuchung keine Satisfaction leisten

17) Patent vom 18. Mai 1748. - Projekt des Cod. Frid. Th. I, Tit. 17, 88. 1, 2. Doch wurde gestattet, daß die vorhandenen Prokuratoren, bis sie auSstürben, in den Schreibstuben der Advokaten beschäftigt werden konnten. §. 2 a. a. O. 18) Die Gesetze und richterlichen Verfügungen aus jener Zeit übertreffen oft noch die schlechtesten Advokatenschriftcn an Schwülstigkeit. 19) Boehmer, Jus ecclesiast. protest. I, 37, 8*4.— Leyser, Med. sp. 53, m. 1,2. — Ziegler, rabulistica, sive de artibus rabulariis; von Zungendreschern, c. IX. 20) Boehmer, 1. c. — Leyser, 1. c. — Hoffmann, de advocatis nec non causis, eos a foro removendi. Jenae, 1752. — Holter* mann, de nequitia advocatorum. Marb. 1712. 21) Cramer, Disquisitio an advocati in rebus publicis tolerandi sink, oder ob die Advokaten in der Republik zu dulden sind? Lips. 1736. 22) Abgedruckt vor dem Corp. jur. Frid. Auch in Rabe's Sammlung, Bd. I, Abth. 6, S. 439, u. N. C, C. Tom. VI, S, 1935.

224

Erstes Buch.

Allgemeine Lehren.

möchte, seiner Pflicht erinnern, ihn in allem controlliren, die Rechts­ gründe der Partei deduciren, und also für die Sicherheit seines Clienten auf alle Art Sorge tragen solle.

Damit aber diese neue

Art von Advokaten nicht wieder auf die alten Irrwege gerathen

möge;

so muß die Sache so eingerichtet werden, daß solche bei

dem Verzüge der Entscheidung und Vervielfältigung der Prozesse nicht interessiret sind, sondern einen ganz andern Gesichtspunkt zur

Beförderung ihres Glücks und ihres Interesse erhalten.

Die Re-

ferendarien müssen nämlich bei meiner neuen Einrichtung haupt­ sächlich bei den Untersuchungen der Sache in Facto gebraucht, und den Räthen dabei zu Hülfe gegeben werden.

Diejenigen

Referendarii, welche bei diesen Gelegenheiten die mehrste Geschick­

lichkeit und Penetration zeigen, werden zu fernerer Beförderung beibehalten;

und aus diesen sollen die Advokaten, oder wie man

sie füglicher nennen möchte, die Assistenzräthe; aus diesen aber in

der Folge die wirklichen Räthe der Landes-Collegiorum gewählt werden."

Dieser Ausspruch wurde vollzogen durch die neue Prozeß­

ordnung von 178123).

„Die bisherigen Advokaten, heißt e§23 24),25

sind aus den oben angeführten Gründen") gänzlich abgeschafft. Dagegen werden Assistenzräthe bestellt, deren Amt insofern als von

der Untersuchung des Facti die Rede, ein wirkliches richterliches

Amt ist.

Sie sind also

keineswegs Söldner und bloße Sach­

walter der Parteien, sondern Beistände und Gehülfen des Richters, 23) Corp. jur. Frid. Erstes Buch, von der Prozeß-Ordnung. Verlag der Königl. Akademie der Wissenschaften, 1781.

Berlin, im

24) Vorbericht, 9k. VII-X, S. XXV. 25) Diese sind die aufgewärmten allgemeinen Beschuldigungen. „Zwar hat cs bisher schon an Verordnungen nicht gefehlt, wodurch den Mißbräuchen der Advokaten in unrichtiger Einleitung, Verwirrung nnd Verlängerung der Prozesse gesteuert werden sollte; diese Verordnungen aber haben ihren Zweck nicht er­ reichen können, theils weil die Advokaten die ganze Sache von Anfang allein in Handen gehabt, und es also dem Richter, welcher blos nach den von ihnen auf­ genommenen Akten urtheilen mußte, in den allerwenigsten Fällen möglich ge­ wesen, dergleichen schlauen, in den Kunstgriffen der Chikane geübten Sachwaltern dergestalt nachzuspürcn, daß sie einer wissentlichen Übertretung der Vorschrift förmlich überführt und folglich mit der darauf geordneten Strafe belegt werden können; theils nnd vornehmlich aber, weil Gesetze, die den Advokaten ein auf­ richtiges Bestreben um die Ausmittelung der Wahrheit, uud um die Abkürzung der Prozesse zur Pflicht machen, und die dabei dennoch ihr, auf Verdunkelung des Facti, und daher entstehende Verlängerung der Rechtssachen wesentlich be­ ruhendes Interesse unverändert lassen, die moralische Unmöglichkeit ihrer Beob­ achtung selbst bei sich führen. Um daher diesem landverderblichen Uebel in seinen ersten Quellen abzuhclfcn u. s. w." Ebenda, S. XXI. — „Diesen Advo­ katen, sagt die gedachte K. O., ist sehr daran gelegen, daß die Prozesse verviel­ fältigt und in die Lange gezogen werden; denn davon dcpendirt ihr Verdienst und ihr ganzes Wohl." Ebenda, S. VI.

Prozeßführmd« Personen. Nebenpersonen.

225

deren Pflicht es wesentlich mit sich bringt, das Gericht in seinen

Bemühungen zur Ausmittelung der Wahrheit zu unterstützen; sich

zu diesem Endzweck mit ihm zu vereinigen, und alles was sie da­ von entdecken und in Erfahrung bringen, ohne den geringsten Vor­ behalt und ohne Rücksicht: welcher Partei solches zum Nutzen oder

Schaden gereiche, redlich und aufrichtig anzuzeigen.

Hiermit steht

in ungetrennter Verbindung der zweite Theil ihres Amts, vermöge

dessen sie, ebenso wie dem Rath eines Collegii gegen den Andern bisher obgelegen hat und noch ferner obliegt, schuldig sind, auf

das Betragen der zur Instruktion einer Sache deputirten, und aller übrigen daran Theil nehmenden Gerichtspersonen, ein wach­ sames Auge zu haben; mit strenger und ununterbrochener Auf­

merksamkeit dahin zu sehen, womit von denselben, bei ihren Opera­ tionen, nichts gegen die Vorschriften der Gesetze, zum Nachtheil der Wahrheit und zur Verkürzung eines oder des andem Theils,

cs sei welcher es wolle, geschehe und unterlassen werde;

solcherge­

stalt aber die Parteien gegen alles eigenmächtige und despotische Verfahren,

und

gegen alle

Amtes völlig zu sichern.

übrige Mißbräuche de8 richterlichen

Nur das einzige Geschäft haben sie mit

den bisherigen Advokaten gewissermaßen gemein, daß sie mit den Parteien über die bei der Instruktion vorkommende Angelegenheiten und beizuschaffende Beweismittel korrespondiren;

nach hinlänglich

entwickeltem Facto aber die daraus entspringenden Rechte der ihnen

besonders angewiesenen Partei herleiten oder vertheidigen sollen; doch muß auch dieß von ihnen geschehen, ohne sich strafbarer Ver­

suche zur anderweitigen Verdunkelung des Facti, oder rabulistischer

Verdrehung deS Gesetzes, schuldig zu machen." Daneben wurde sind in der Regel schuldig,

der Grundsatz gestellt: die Parteien

nach dem Gutbefinden des Richters, scheinen,

in Person vor ihm zu er­

ihm ihre Angelegenheiten, worüber der Prozeß schwebt,

deutlich, vollständig und der Wahrheit gemäß vorzutragen, und ihm auf seine Fragen überall bestimmte und positive Antwort und Auskunft, nach ihrer besten Wissenschaft zu ertheilen *•).

Jeder

Partei sollte nach der Auswahl des Richters ein Assistenzrath zu­

Da dergleichen Assistenzräthe jedoch nur bei den LandeS-Collegien, auf Staatskosten, angestellt waren, so fehlte eö

geordnet werden.

bei den Untergerichten an Rechtsbeiständen.

Bei den Gerichten

erster Klasse sollten die Assessoren den Parteien alß Assistenten bei-

26) Ebenda, S. XXIII. Nr. III. Koch, Ei»ilpr»jtß. 2. Aufl.

Erste« Buch.

226

Allgemeine kehren.

geordnet werden, und bei den Gerichten, welche keine Assessoren hatten, sollten die Richter selbst, von Amtswegen, die Obliegen­ heiten der Assistenzräthe beobachten27).28 29 30 31

Nach diesen Bestimmungen war der Zustand dieser: Das Prozeßführen

war eine Staatssache

geworden,

deren

Besorgung der Staatsbehörde und deren Agenten überlassen werden mußte; die Parteien hatten dabei die persönliche Leistung der Ver­ nehmlassung, je nach dem Gutbefinden des Agenten, Behufs Jn-

formationsertheilung, nicht etwa zur Vollziehung prozessualischer

Handlungen22).

Zweierlei lag darin.

Erstens war den Landes­

einwohnern und Allen, welche im Lande Recht suchten, der freie

Gebrauch ihres Privatrechts insofern entzogen, als sie gezwungen wurden, ihre Prozesse so wie es die vormundschaftlichen Staats­

agenten für gut finden, führen und betreiben zu lassen; denn auch Prozeßanttäge wurden von der Partei nicht erwartet2*).

Zwei­

tens war die Advokatur und Prokuratur ein Regale, ein Monopol

des Staats geworden, welches der Staat wesentlich von den nebenbei, gegen Entrichtung der tarifmäßigen Taxen

Richtern

(Jnstruktionsgebühren),

verwalten

ließ;

die

s. g. Assistenzräthc,

welche nur bei den Landeskollegien vorkommen, waren Gehülfen

der Richter dabei. Von nun an hatten die Rechtsbedürstigen Niemand, bei dem sie sich nach ihrer Wahl und Neigung Raths erholen konnten;

denn die gleichzeitig, unter der Benennung von Justizkommiffarien, bestellte Art von Commissionairen für die außergerichtliche Rechts­ angelegenheiten durften sich bei Strafe Prozeßsachen nicht befassen2*).

praktikabel.

mit dem Rathgeben in

Die ganze Einrichtung war un-

Es war noch kein Jahr vergangen, als schon die Vor­

schrift, daß die Parteien in Person erscheinen sollten um sich befragen zu lassen, wesentlich modificirt werden mußte2').

Später

27) Corp. jur. Frid. Th. II, Tit. 1, $$. 3 u. 41. Der Verfasser der Srgänznngen zur A. ®. O. I, 3, 2te Au«g„ S. 176 nennt die« die „Zurückführung de« Advokateustande« auf die höhere und wahre Bedeutung seine« Beruft." 28) Darin liegt der große Unterschied zwischen der Nothwendigkeit zum persönlichen Erscheinen nach altem Rechte und dem neuen Zwange; die Partei er­ scheint hiernach nicht al« Recht-suhjekt, sondern al« Mittel. 29) „Die Untersuchung de« facti soll von dem Richter unmittelbar und hauptsächlich besorgt werden; und dieser soll schuldig sowohl al« befugt sein, alle an sich erlaubte und der Sache gemäße Mittel zur Erforschung der Wahrheit anzuwenden." Ebenda, Th. I, S. XXIII, Nr. I. 30) Corp. jur. Frid. Th. III, Tit. 7, $$. 1-4, 13 , 24, 25, 27 , 28. Eine Ausnahme macht $. 29: Behuf« Informations-Einziehung. 31) Die E. SB. vom 19. März 1782 (N. C. C. Tom. VII, S. 890) gc-

Prozeß führende Personen. Nebenpersonen.

227

trat an deren Stelle der canonische Grundsatz: „Auf das Erscheinen

der Parteien in Person ist nur alsdann zu dringen, wenn es zur Ausmittelung der Wahrheit durchaus

erforderlich ist.

Sobald

dieser Hauptzweck nicht vereitelt wird, haben die Parteien die Be­

fugnis sich durch zulässige Bevollmächtigte vertreten zu lassen33 * *)." 34 * * *35* * * * * 32

Dadurch wurde indeß in Beziehung der Advokatur und Prokuratur

wesentlich nichts verändert.

Die revidirte Ausgabe der Prozeß­

ordnung, nämlich die Allgemeine Gerichtsordnung, hatte nun beide

Institute: die alte Assistenzschaft und die Vertretung durch einen aus der Zahl der bei dem Gerichte recipirten Justizkommissarien

frei gewählten Bevollmächtigten, nebeneinander, so jedoch, daß ein Assistent nur auf Verlangen, und zwar entweder aus der Zahl der Gerichtsassessoren, was jedoch ganz außer Gebrauch war und auch

nicht paßte, oder aus den Referendarien, die bei den Untergerichten

gewöhnlich fehlen, oder aus den Justizkommissarien, was das Ge­

bräuchliche war, der am persönlichen Erscheinen verhinderten Partei

zugeordnet werden sollte3 3).

Der Unterschied zwischen Beiden be­

steht bloß darin, daß der Letztere zu seiner Legitimation zum Pro­

Aber die Prokuratur war da­

zesse keiner Vollmacht bedarf"). durch,

der Theorie nach,

keinesweges

auf diese Vertreter über­

gegangen; denn sie sollten sich, statt der Parteien, ebenso wie diese selbst nur vernehmen lassen33).

Der Richter hatte also noch jetzt,

wie vorher, ohne prozessualische Handlungen der Partei oder deren stattete den Parteien in allen Fällen, wo ohne Assistcnzräthe verhandelt werden sollte, oder wo die Bestellung eines Assistenten nicht möglich war, einen Justizcommissarius für sich zu schicken; desgleichen gestattet sie die Einreichung von Deduktionen durch frei gewählte Konsulenten. Die Anweisung vom 21. Novbr. 1782 (ebenda, S. 1715) bestimmte eine Anzahl Fälle, wo von dem persönlichen Erscheinen dispensirt werden und Justizkommissarien als Mandatarien geschickt werden durften. Die C. V. vom 20. Septbr. 1783 (ebenda, S. 2395} hob die Assistenzräthe auf, setzte die Justizcommiffarien an deren Stelle und schrieb vor, daß auf persönliches Erscheinen nur dann gehalten werden sollte, wenn dies zum Fortgänge der Sache unerläßlich scheine. 32) Circ. V. vom 19. Decbr. 1799, Nr. V (N. C. C. Tom. X, S. 2713.) — Anh. zur A. G. O. 8 1

33) A. G. O. Th. I, Tit. 3, §. 14.

34) Ebenda, 8- 20. - K. O. vom 29. Mai 1835 (Jahrb. Bd. XI.V, Seite 430). 35) A. G. O. a. a. O. 8- 74. Daß damit der allerkläglichste und unregel­ mäßigste Prozeß, wie er nur erdacht werden könnte, gegeben war, fällt in die Augen. Der Stellvertreter konnte nichts weiter antworten, als was der ost unverständliche Brief des Machtgebers besagte. Auf die 'Hauptfragen gab er keine Antwort und einen präjudicirlichen Gang gab es nicht. Es mußte also ein neuer Befragungstermin angeseht werden, der eben so fruchtlos ausfiel. Und so bestand der ganze Prozeß aus einer Unzahl von Terminen, die kein Resultat

gaben.

Erst,- Buch.

228

Allgemeine traten.

Stellvertreter (Prokurator), alles ex officio zu besorgen, was zum Betriebe detz Prozesses dienlich und erforderlich war.

Bis hierher

war also Advokatur und Prokuratur, nach der Theorie, noch immer in den Handen detz Richters, die Parteien hatten nur die Befug-

niß, eine andere Person abzuordnen, die sich, statt ihrer, die In­

formation abfragen zu lassen hat.

Durch das neue Prozeßgesetz vom 21. Juli 1846 ist die An­

gelegenheit,

folgeweise,

in eine

neue Wandlung

getreten.

Die

Untersuchungsmaxime ist für den ordinairen und für den abgekürzten

Prozeß durch die

Verhandlungsmaxime

wieder

verdrängt,

der

Richter handelt nicht mehr für die Partei aus eigener Bewegung

und der Prozeß ist wieder in eine geregelte Bahn gewiesen.

steht es so:

Nun

Jede Partei kann nach eigenem Gefallen ihren Pro­

zeß in Person führen und auch selbst für sich vor Gericht sprechen; sie kann aber auch einen Stellvertreter nach ihrer Wahl unter den

Rechtsanwälten bestellen, oder sich von dem Richter bestellen lassen,

welcher Vertreter dann das Amt eines Prokurators und eines Advokaten in sich vereinigt; sie kann auch einen Rechtsfreund mit­

bringen und für sich vor Gericht sprechen lassen.

Führt eine Partei

persönlich ihren Rechtsstreit, so steht es in der Regel bei ihr, ob sie ihre Prozeßanträge und Schriftsätze durch einen Rechtsanwalt,

oder durch den Richter will fertigen lassen. In dem erstem Falle hat sie die Schriften selbst zu unterschreiben und, wo es nöthig,

von dem Rechtsanwalt mit unterschreiben (legalisiren) zu lassen; in dem

zweiten Falle hat sie sich vor dem Richter oder dessen

Deputirten in den dazu bestimmten Terminen einzufinden und ihre Vorträge zu Protokoll nehmen zu lassen'*).

Die Advokatur und

Prokuratur ist nun also nicht mehr ausschließlich in den Händen

des Richters, sondern in der Advokatur, soweit dieselbe sich mit Prozeßschriften und dabei zugleich mit Berathung der Partei über die Zweckmäßigkeit der Angriffs- und Vertheidigungsmittel sowie

der Anträge befassen muß"),

konkurriren

die Richter mit den

36) B. vom 21. Juli 1846, SS- 4 u. 7. 37) Selbstredend kann «in Bauer nicht wissen und vorschreiben, wie sein Recht verfolgt oder vertheidigt werden soll. Findet sich also eine solche Partei vor dem Richter ein, um mit ihrer Klage, Klagebeantwortung, Replik oder Duvlik vernommen zu werden, so muß der Richter mit ihm die Sache nothwendig besprechen und ihm Rathschläge geben, ganz ebenso wie ein Justizkoinmiffarius. Deshalb widerspricht sich die Gesetzgebung, indem sie tt für einen Nichtigkeit«grund, ohne nähere Bestimmung ertlärt, »wenn der Richter einer der streitende» Parteien ), dazu be­

rufen, in Prozessen, auf Verlangen einer Partei oder vom Richter dazu bestellt-), die Rechte der Partei schriftlich oder mündlich vor Partei einen Rechtsanwalt hat und die andere nicht; denn mit dieser muß der Richter nothwendig Rath pflegen, wenn er ihre Schriftsätze machen soll.

38) Sie wird noch von der Advokatur unterschieden. A. G. O. I, 3, §. 55. 39) Sehr verständig verordnet die Quartalsgerichtsordnung für die Alt­ mark von 1602: „Die Parte sollen sie (die Advokaten) auch selbst im Vortrage nicht hindern, noch ihr gewäsche mit unter mengen, sondern sich des redens gänzlich enthalten, sie worden dann gefraget, oder erforderte sonsten ihre notturfft, den Advokaten in facto etwas zu suggeriren. Welches doch ganz kurz und mit wenig Worten geschehen soll." C. C. M. Tom. II, Abthl. I, Eol. 87. nicht.

1) A. G. O. HI, 7, §. 1. — Anh. §. 462. — Staatsbeamte sind sie Hagemann, praktische Erörterungen, VI, 47; Mevius, Decis. III,

200, n. 2. 2) A. G. O. I, 3, §. 20 und DI, 3, §.21. — L. 9, §. 5 D. de off. procons. (I, 16); L. 1, §. 4 D. de postul. (in, 1).

230

Erst»- Buch.

Allgnnoine ichren.

Gericht auszuführen, d. h. die Advokatur auszuüben, und zugleich

die Partei bei Betreibung des Prozesses zu vertreten (Prokuratur); in nicht prozessualischen Angelegenheiten aber Rath zu geben und

Die Erfordernisse zur Befähigung

rechtlichen Beistand zu leisten *).

für dieses Amt sind eben dieselben,

vorgeschrieben sind (§. 52) ). Ob 8) A. ®. O. 1, 3, $. 25 — B. vom 1. Juni 1833, $. 26. — A. L. R. I, 13, SS. 119-122. - M. Privatrecht, $. 656, II, 1, b. 9) A. L. R. a. a. O. $• 122: I, 21, SS- 12, 434. — R. vom 24 Deebr. 1838 (Jahrb. Bd. L1I, S. 476).

10) Jede für den Fragefakl zulässige Person kann al« Anwalt beftellt wer­ den, also auch ein HauSoffiziant. Warum hierzu der Generalbevollmächtigte nur alsdann, wenn ihm die Befugniß dazu ausdrücklich beigelegt worden, befugt fei» soll, und warum er ohne dergleichen ausdrückliche Ermächtigung, einen HauSosfizianten zu beauftragen, sich nur einen Rechtsanwalt solle substituiren dürfen, wie der Minist.-Erlaß vom 16. Deebr. 1838 (I. M. BI. 1839, T. 39) als Grundsatz hinftellt, ist imerfindbar; nirgend wird dazu eine Specialvollmacht gefordert. 11) A. G. O. III, 7, $• 32; Anh. dazu, $. 465. — R. vom 19. Mär, 1798 l Rabe, Bd. V, ®. 79). — R. vom 25. Octbr. 1825 (Ergänzungen zur «. G. O. III, 7, Anh. S- 465, Nr. 2). - R. vom 26. April 1837 (Jahrb. Bd. XL1X, S. 458). 12) «. G. O. I, 3, $. 26. Oben, §. 107 a. E.

13) A. L. R. I, 13, $. 32. — c. 5, i. f. de procurat. in 6 (I, 19).

Prozeßführenbe Personen.

Nebenpersonen.

239

Jemand einen Anwalt bestellen oder persönlich den Prozeß führen wolle, hängt in der Regel von der eigenen freien Bestimmung ab1 2); nur als Ausnahme kommt es vor, daß die Partei genöthigt wird, einestheils in Person aufzutreten, sei es vermöge einer posi­

oder weil es der Richter in einem einzelnen

tiven Vorschrift3)

Falle befiehlt4); 5 6 anderntheils 7 einen Stellvertreter zu bestellen, wie namentlich von Stadt- und Dorfgemeinden und andern Kollegien

und Korporationen, welche aus mehr als drei Mitgliedern bestehen, Litiskonsorten sind nicht schuldig, einen Com-

geschehen muß4).

zu bestellen4). Bestellt eine Partei mehrere so gelten die allgemeinen Regeln von mehreren Bevoll­

mun-Mandatarius

Anwälte

mächtigten2).

§• HO. ß) Verschiedenheit der Vollmachten.

I. Die Verschiedenheit der Vollmacht nach dem Zwecke kennt das

Preußische Recht nicht;

man

unterscheidet

hiernach nicht

zwischen einem procurator in rem suam und einem pr. litis s. ad agendum; man kennt nur einen procurator litis; der procu­

rator in rem suam ist nach Preußischem Rechte eine Hauptperson mit eigenem Klagerechte.

II. Dagegen kommt die Verschiedenheit

nach dem Umfange der Vollmacht vor.

Darnach ist der Anwalt

entweder ein Generalbevollmächtigter (proc. omnium rerum), d. i. ein solcher, welcher zur Betreibung aller Rechtsangelegenheiten

des Prinzipals bestellt ist, und daher auch künftig erst entstehende Prozesse führen kann *); oder ein besonderer Bevollmächtigter, wenn ihm die Besorgung eines einzelnen bestimmten Prozesses oder eine

einzelne Handlung aufgetragen ist. Wer zur Führung eines Pro­ zesses überhaupt bestellt ist, ist auch zur Verhandlung der WiederÜage, wenn sie in Einem Prozesse mit der Klage stattfindet, legi-

1) A. L. N. a. a. O. §. 29. — L. 8 pr. D. de procurat (III, 3); L. 17, §. 20 D. de injur. (XLVII, 10). 2) S. o. §. 101 a. E. — c. 2 X. de procurat (1, 38). 3) Eine solche Ausnahme macht der EhescheidungSpr^zeß. 4) Anh zur A. G. O. (Ginl. §. 12) §. 1; I, 3, §. 13. — c. 1, i. f. de jud. in 6 (II, 1). 5) A. G. O. I, 3, 8» 11. - A. L. R. II, 6, 8-149. 6) Nach Gem. R. streitet man darüber. Vergl. aber wegen der Kosten A. G. O. I, 50, 8- 187. 7) M. Privatrecht, & 657, Nr. I, 5. 1) A. G. O. I, 3, 8- 32. — Vergl. L. 3 D. de procurat. (III, 3); c. 14 X. eod. (I. 38). — I. R. A. 8- 101.

thnirM) und darf alle Handlungen, zu welchen nicht eine Special­

vollmacht erfordert wird, vollziehen *), auch ordentliche und außer­

ordentliche Rechtsmittel, namentlich die Nichtigkeitsbeschwerde ein­ legen 42).53 6Die 7 8 9 Vollmacht zur Verhandlung einer Poffessorien-Sache

legitimirt nicht zur Führung des Petitorienprozesses s), schon weil

dieser ein besonderer Prozeß ist, aus welchem Grunde auch zur Vertretung einer Partei in dem von ihr im Wege der Exekution

extrahirten Subhaftationsprozesse eine neue Vollmacht beigebracht werden muß, daher schon der Antrag auf Einleitung der Sub-

hastation nicht mehr auf Grund der alten Vollmacht angebracht werden darf').

Die Exekution ist kein besonderer Prozeß, sondern

nur eine Instanz, folglich legitimirt dazu im Allgemeinen die für die Sache ertheilte Vollmacht.

Eine Vollmacht zur Vertretung

im Konkursprozeffe überhaupt legitimirt gegen den Kurator und gegen jeden Mitgläubiger') in Beziehung auf alle Forderungen,

wenn nicht eine bestimmte Forderung in der Vollmacht ausgedrückt ist; nicht aber zu Prozessen des Machtsgebers als Massengläubigers gegen die Konkursmasse (das corpus creditorum), weil solche nicht

zum Konkursprozesse gehören.

Daß die Prozeßvollmacht auch zur

Empfangnahme der von dem Gegner zu erstattenden Prozeßkosten

berechtigt'),

ist eine beibehaltene Folge des weggefallenen Röm.

Grundsatzes, daß durch die Litiskontestation das dominium litis auf den Anwalt 'überging •).

III. Konkurriren mehrere verschieden­

artig bevollmächtigte Anwälte, so schließt der besondere Anwalt

den Generalbevollmächtigten nur bei solchen Handlungen aus, zu

2) A. ®. O. a. a. O. $. 34. — «Bttgl. L. 56, 57, 62, 78, $. 1 D. de procurat. (UI, 3). 3) A. G. O. a. a. O. $. 51. — Diese Fälle find solche Handlungen, welche eine Veräußerung der Sache inyolviren. A. L. R. I, 13, $$. 99—109; u. m. Privatrecht, $• 65ö, Nr. II. 4) Decl. vom 6. April 1839, Art. 7. 5) A. G. O. I, 3, 8 35. 6) R. vom 25. April 1834 (Jahrb. Bd. XLIII, S. 480). 7) A. G. O. a. a. O. $. 33. 8) A. L. R. I, 13, §. 105. Dergl. R. vom 3. October 1834 (Jahrb. Bd. XLVI, S. 393).

9) L. 11 pr. D. de doli mali et metua except. (XLIV, 4); L. 22, 23 C. de procur. (II, 13); Gajus, IV, 88 97, 98. Daß die Anwaltschaft durch den Tod des Prinzipals nicht erlischt (A. L. R. I, 13, 8- 192) ist auch eine solche pofitiv beibehaltene Folge deS langst vergessenen Grundsatzes. Des­ gleichen, daß der Prokurator subftitniren darf. A. G. O. I, 3, 8 55. Vergl. L. 8, 11, 23 C. de procurat. (II, 13) verbunden mit L. 8, 8* 3 D. mandati (XVII, 1); — c. 1, 8 1 de procurat. in 6 (I, 19).

'Prozeßführende Personen.

Nebenpersonen.

241

welchen die Gesetze einen besonderen (Special-) Auftrag ausdrück­

lich fordern; außerdem ist Jeder zu handeln legitimirt, der beson­ ders Bevollmächtigte aber nur innerhalb der Grenzen seiner Voll­

macht");

Keiner jedoch kann die Handlung des Andern zurück­

nehmen. ■y) Form und Bestandtheile der Vollmacht.

§. Hl. a) Der gewöhnlichen Prozeßvollmacht.

I.

Zu Prozeßvollmachten

schriftliche Form

ohne

weitere

physischer Personen genügt die Beglaubigung

der Unterschrift;

Schreibens oder Lesens Unfähige haben die gerichtliche und nota­

rielle, und Blinde die gerichtliche Form anzuwenden >).

II.

Die

Bestandtheile einer Vollmacht sind theils wesentliche, ohne welche

die Urkunde null ist, theils nützliche, welche unbeschadet der Gültig­

keit des Auftrags und der auf Grund desselben vollzogenen Hand­

lungen fehlen können, aber nachgeholt werden sollen, um Zweifeln und Verdunkelungen zuvorzukommen.

A.

Die wesentlichen Er­

fordernisse sind vorhanden, wenn sie enthält:

1. die Bezeichnung

des Ausstellers; 2. die Bezeichnung des Bevollmächtigten; 3. die Bezeichnung der Sache, in welcher die Vollmacht gebraucht werden soll-).

Namm,

B. Eine vollständige Vollmacht muß enthalten'): 1. den

Stand und

Charakter des

Bevollmächtigten;

2. den

Namen, Stand und Charakter *) der Gegenpartei; 3. Gegenstand des Rechtsstreits oder des Auftrags; 4. den Auftrag, alles das­

jenige vorzunehmen, was die Gerichte von einem im Namen einer abwesenden Partei erscheinenden Bevollmächtigten zu fordern be­ rechtigt sind.

Sollen Handlungen vollzogen werden dürfen, wozu

Specialvollmacht (ausdrücklicher Auftrag) erfordert wird, so können diese gleichfalls ausgedrückt werden').

Soll der Anwalt befugt

sein, sich einen Substituten zu bestellen, so ist auch dies auszu­

drücken (clausula subslituendi), es kann statt dessen auch sogleich ein Stellvertreter für Verhinderungsfälle ernannt werden (clausula 10) L. 10 C. de procurat. (II, 13). — Clem. 2 de procurat. (1,10). — Vcrgl. I. R. A. §. 101. 1) A. ®. O. I, 3, 8.36. - A. L. R. I, 5, SS-109 ff., und SS-171 ff. 2) A. G. O. a. a. O. 8- 54. - Pl.-Beschl. des Ob.-Tr. vom 12. Novbr. 1838 (Sntsch. Bd. IV, S. 256). 3) A. G. O. S- 30 a. a. O. 4) Richtiger wäre e», Namen, Stand und Wohnort nennen zu lassen. 5) Dann ist aber die gerichtliche oder notarielle Form anzuwenden. A. L. R. I, 13, 8-115. Koch, Livilprozeß. 2. Aufl.

16

2*2

(Scftci Buch. Allgemeine 84«n.

substitutionis)c).

5. Ort und Datum der Ausstellung; 6. Unter­

schrift des Vor- und Zunamens des Ausstellers, mit Beifügung seines Charakters.

Besiegelung ist nicht nothwendig, auch nicht

die Benennung des Gerichts'), wo der Prozeß verhandelt wird, desgleichen nicht die Genehmigung des bereits Geschehenen.

§. 112. b) Der Syndikate.

Wenngleich eine Korporation oder Gemeine einen beständigen

Syndikus hat, so kann dieser doch nicht ohne besonders zu erthei­ lende Vollmacht (Syndikat) Prozesse für sie führen und es genügt

dazu nicht die Bestallung oder die Dienftürftruktion *).

1. Die Stadtgemeinen werden durch die Magisträte vertreten, und von

diesen wird eine gewöhnliche Prozeßvollmacht unter der Unterschrift

deS Vorsitzenden nebst einem andern Mitgliede und mit Beidrückung

des Magistratssiegels Kollegien

fertigen

ertheilt2).

Ausländische

die Urkunde nach

ihrem

Magistrate und Gebrauche aus3).

II. Dorfgemeinen *) können gültige Vollmachten nur gerichtlich er­

theilen.

Das darüber

aufgenommene Protokoll muß enthalten:

1. wieviel Mitglieder die Gemeine hat; 2. wieviel davon erschienen und wer sie sind; 3. welche Mitglieder ausgeblieben sind und was als Ursache davon für Jeden angegeben worden; 4. ob sämmtliche Anwesende einstimmig gewesen, oder wer von ihnen und warum

er widersprochen habe;

5. die nach dem gefaßten Beschlusse auf­

genommene Vollmacht. Sind nicht sämmtliche Mitglieder einge­ laden worden, so müssen die Ausgebliebenen noch nachträglich unter Bekanntmachung des Gegenstandes vorgeladen werden; er­ scheinen sie nicht, so bleibt der Beschluß nichtig; denn er ist von

Anfang nichtig, wenn nicht Alle eingeladcn sind; treten sie bei, so ist der Beschluß gültig und bindend geworden. Sind Alle ein;

6) A. ®. O. a. a. O. $$. 55,56. «Bergt. R. D. A. von 1600, §. 66. 3. R. 8. $. 100. 7) Die gedruckten, von dem Justizminister genehmigten und bestempelten For­ mulare geben auch da» Gericht an. R. vom 23. Juli 1838 (Jahrb. Bd. LII, Seite 172). 1) A. G. O. I, 3, $.39. Rach G. R. soll e« ander« fein. ®en«Icr, Commentar zu Martin, S. 138 ff. 2) Anh. zur A. G.O. §. 47. und I, 3, $ 44: St.O. vom 30. Mai 1853, $. 56, Nr. 8. 3) $. 44 a. a. O., Abs. 3. 4) Bei den Landgemeinen in der Provinz Westphalen gilt die Berwaltung«Berordnung de« (vormaligen) Königreich« Westphalen vom 11. Januar 1808 (Ges.-Düll. Th. I, S. 189 ff.), wonach (Tit. 3) der Bürgermeister allein die Vollmacht au«ftellt. Pr. de« Ob.-Tr. 889, vom 4. Juli 1840.

Prozeßführenbe Personen.

Nebenpersonen.

243

geladen gewesen, doch ohne Bekanntmachung des Gegenstandes, und sind zwei Drittel oder mehr erschienen, so können diese nach

der Mehrheit einen

gültigen Beschluß

sind weniger an­

fassen;

wesend, so muß eine neue Versammlung ausgeschrieben werden.

Ist in der Vorladung zugleich der Gegenstand der Beschlußnahme

angezeigt worden, was in dem Protokolle zu vermerken ist: so können die Erschienenen gültig beschließen. Daß dm Beschluß

und die Vollmacht enthaltende Protokoll wird ausgefertigt.

die Vollmacht in einem Formulare besonders vollzogen, darunter,

mit Bezugnahme auf das Protokoll,

Ist

so muß

hieraus attestirt

werden, was über die Erfordernisse zur Fassung eines gültigen Gemeindebeschlusses darin enthalten ist»).' Deßhalb ist eß zweck­

mäßiger, die Vollmacht selbst gleichfalls in das Protokoll zu schrei­ ben und das ganze Protokoll außzufertigm.

III. Domkapitel und

Kollegiatstifter ertheilen ihre Vollmachten durch eine von dem De­ chanten oder dem stellvertretenden Senior unterschriebene und mit

dem Stistßsiegel besiegelte Urkunde; Klostervollmachten werden von dem Klosterobem oder der Lberin, nebst zwei Konventualen voll­ zogen und mit dem Siegel deS Klosters bedruckt, wenn nicht die

Statuten ein Mehreres erfordern •).

IV. Kirchen, Schulen, Hos­

pitäler, Waisen- und Wittwenanstalten oder andere milde Stiftun­

gen werden durch ihre Vorsteher oder Administratoren vertretm,

welche auch die Vollmachten unterschreiben75).86 9V. Vollmachten von Gildm oder Gewerken werden von den Altmeistern unterschrieben

und mit dem Gewerkssiegel bedruckt, und von dem Beisitzer oder in dessen Ermangelung von einem Gerichte wird die Eigenschaft der

Unterschriebenen attestirt»).

VI.

Gewerkschaften werden in

allen Fällen, welche Beleihung und Bewahrung des EigenthumS

betreffen,

so wie in allen Aktiv- und Passiv-Prozessen,

Repräsentanten oder Grubenvorstand vertreten*). Namens

der Gewerkschaft die

durch den

Diese ertheilen

Prozeßvollmacht in gewöhnlicher

Form.

5) A. G. O. a. a. G. §$. 40-42. — Aich. $. 47, Ms. 2. — L. 8. N. 11, 6, SS- 54, 55. — R. vom 29. Juni 1801 (fflabe, Bd. VI, S. 538).

6) A. G. O. a. a. O. SS- 45, 46. 7) SS- 47, 48 a. a. £>. Bergt. A. 8. R. II, 11, SS- 658, 659. 8) $.49 ebenda. 9) ®. über Nt Verhältnisse der Miteiaenthümer 12. Mai 1851, $. 18, Nr. 15 (G. ®. ®. 265).

eine« Bergwerk», vom

Erste« Buch,

244

Allgemeine Lehren.

§- 113. b) Durch richterliche Verfügung.

Kann oder will eine abwesende Partei die Wahl eines An­

walts für sich nicht treffen,

so steht ihr frei,

daraus anzutragen, ihr einen solchen zuzuordnen.

bei dem Gerichte Der Richter hat

daraus aus der Zahl der Rechtsanwälte oder Reserendarien, oder

aus den sonst zugelassenen Personen (§. 108) einen Anwalt für die Partei zu ernennen.

wegen thun.

Solches kann der Richter auch von Amts

Das Dekret des Richters ist für den Anwalt die

Vollmacht*).

§. 114. e) Recht-verhältniß zwischen dem Constituenten und Anwälte.

I.

Das Rechtsverhältniß zwischen dem Constituenten und dem

Anwälte ist Vollmachtsaustrag, auch hinsichtlich der durch richter­

liche Verfügung bestellten Vertreter').

Alle Anwälte, wenn sie

auch nicht Rechtsanwälte sind, haben dieselben Obliegenheiten wie

diese*1 •); 2 3 4aber nicht die Befugniß zur Vollziehung von Advokatur­ geschäften, wenn sie nicht zum Richteramte befähigt sind (§. 102).

Sie haben aber, wenn sie nicht Gerichtsbeamte sind, statt deren die Salarienkasse die Hälfte des dem Rechtsanwälte bestimmten Satzes einzieht'), fordern ’).

eine Gebühr für ihre Bemühungen nicht zu

II. Zur Gegenpartei tritt der Anwalt in gar kein Ver­

hältniß; das dominium litis, welches nach Röm. Rechte durch die

Litiskontestation auf den Anwalt übergeht (§. 110, Note 9), bleibt

unverändert bei der Hauptpartei c.

Prozeßhandliingen.

269

des während der Dauer des Prozesses, verursacht worden sind: diese können nicht durch eine besondere Klage eingefordcrt werden,

sie sind durch ein, nach rechtskräftig entschiedener Hauptsache, bin­ nen vier Wochen

nach Insinuation des Urthcls

einzureichendes

Gesuch zu liquidiren und nach Einforderung der Erklärung des Gegners und summarischer Untersuchung, durch ein Decret, gegen welches nur die Beschwerde zulässig ist, festzusetzen').

Eine zweite

Ausnahme machen Schäden und Kosten, aus welche der Richter von Amts wegen erkennen soll: sie werden durch Uebergehung in dem Urtel für aberkannt erachtet'), was auch von allen Zinsen,

wenn sie ausdrücklich gefordert waren, gilt').

Gegen ein solches

Erkenntniß muß die Appellation und beziehentlich der Recurs ein­ gelegt werden, wenn der Richter nicht diese Accesfionen Vorbehal­

ten hat'). §• 128. d) Aufhebung der Klagen.

In wiefern die Klagen durch das Zusammentreffen mehrerer

Klagen (§. 164), durch den Tod der Parteien, durch richterliches Erkenntniß, durch Verjährung und Einreden aufgehoben werden,

ist im Civilrechte dargestellt**).

Der Untergang des Rechts des

Klägers, ohne Schuld des Beklagten, erledigt die Klage in An­

sehung der Hauptsachen gleichfalls")

2.

Einreden.

Die Schriften zu $. 125. — Zanger,

Tractat. de exceptionibus, ed.

Senkenberg, 1730. — Rivini, Specim. exceptionum forensium, edit. VII; cui accedit Henr. Hahnii Tract. de exceptionibus, Hal. et Lips. 1730. — C. W. Wehrn, theoretisch - praktischer Grundriß der Lehre von den gerichtlichen Einwendungen. Leipzig, 1790. — Die Lehre von den Einreden; in Mohl ic. krit. Zeitschrift für Recht-wissenschaft, Bd. II, S. 450. — Sinteni-, Abriß der Gesch. der Einreden; in v. Zu Rhein, Jahrb. de» gemeinen deutschen bürgerlichen Prozesse», Bd. I, Nr. VII. — Linde, Zeitschrift, Bd. VI, S. 447 ff.

3) A. 9. O. a. a. O. $$. 60, 61.

4) A. ®. O. I, 23, $. 62. — L. 3 C. de kniet, et litis expens. (VII, 51). 5) A. L. 8t. I, II, $$. 846, 848. — L. 13 C. de usuris (IV, 32); L. 3 C. de fruct. et lit. expeneis (VH, 51). 6) S euffert, im Archiv für civ. Prari«,j Bd. I, S. 232. Der Vor­ behalt enthält eine Verweisung ad separatem und hat einen proeeffualischea Grund. *) M. Preuß. Privatrecht, $$. 191 ff. • S»- einWt- S JÖS; und I, 16, $. 2. - L. 27, $. 1 D. de rei 7‘“d- (\1. Di L. 11, $.2, L. 14, §• 2, L. 27 v. de except. rei jud. (2LL1V, 2).

Erstes Buch.

270

Allgemeine Lehren.

§. 129. a)

Begriff.

I. Die ablehnende Antwort des Beklagten heißt heutzutage die Exceptionalien oder Exception. Man versteht darunter im All­ gemeinen das Vertheidigungsmittel des Beklagten und auch die

Handlung, wodurch er dasselbe dem Richter vorbringt.

Als Re­

gel gilt der Satz, daß der Richter auf Einwendungen, welche der

Beklagte nicht vorbringt, nicht Rücksicht nehmen darf, wenigstens nicht ohne vorher die Parteien zur Auslassung darüber veranlaßt

zu haben *). Zur richtigen Anwendung desselben ist aber zu unter­ scheiden zwischen den Mängeln in den Erfordernissen zur Be­

gründung einer Klage und den gegen eine wohlbegründete Klage möglichen

Einwendungen.

Auf die Mängel kann der Richter,

wenn sie bei der Annahme der Klage übersehen worden sind, in

jeder Lage des Prozesses zurückkommen, ohne erst von dem Be­ klagten darauf hingewiesen zu werden, er darf also eine unvollstän­ dige Klage noch durch Erkenntniß, selbst in einer höhern Instanz,

zurückweisen, ohne daß der Beklagte den Mangel gerügt oder der Richter die Parteien vorher darauf aufmerksam gemacht und deren

Vernehmlassung

veranlaßt hätte?).

auf eine an sich vollständige Klage.

Der Satz bezieht sich also

II.

Die abwehrende Ant­

wort des Beklagten kann vierfach verschieden sein: 1. verneinend, wenn der Beklagte die Thatsachen und die Rechtsregel leugnet;

2. theilweise verneinend

und theilweise bejahend, wenn er die

Thatsachen einräumt und nur die Rechtsregel leugnet; 3. bejahend, wmtt er sowohl die Thatsachen als die Rechtsregel einräumt, aber

behauptet, daß. das Recht durch später eingetretene Begebenheiten schon wieder aufgehoben sei; 4. bejahend in allen Beziehungen,

aber mit der Behauptung, daß dem Beklagten ein anderes selbst­ ständiges Recht zur Seite stehe, wodurch das Klagrecht unwirksam werde. — Die ersten drei Fälle sind wesentlich negative Litiscon-

testationen, indem das geltend gemachte Recht an sich bestritten wird. Der vierte Fall ist der einer Rechtseinwendung im eigent­ lichen Sinne (exceptio).

Im weitern Sinne rechnen Neuere auch

den dritten Fall unter die Exceptionell, indem sie z. E. von einer

exceptio solutionis, recensioris dominii etc. sprechen. Beide Fälle haben in der That auch mehrere Aehnlichkeiten, namentlich 1) A. G. O. I, 9, §. 11. 2) Pl.-Beschl. d. Ob.-Tr., v. 14. März 1842 (Entsch. Bd. VII, S. 308). — Dazu m. Beurtheilung der ersten zehn Bände Entscheidungen, S. 512.

Grfo rbernisse zur Herstellung der Bestandtheile ,c.

Prozeßhandlungen.

271

in der von dem Beklagten behaupteten spätern Geschichte und in

der damit verbundenen Beweislast'); aber das Unterscheidende liegt in den Folgerungen.

Im dritten Falle wird aus den neuen That-

umständen die Erlöschung des geltend gemachten Rechts hergeleitet;

im vierten Falle hingegen wird das Recht, streng genommen, als noch bestehend zugestanden, aber wegen des ihm entgegen gestellten selbstständigen Rechtsgrundes für unwirksam erklärt.

Indeß findet

sich diese Römisch-rechtliche Bkgriffsverschiedenheit der beiden letz­

ten Fälle im Preußischen Rechte,

in Folge der theilweise ganz

anders als nach R. R. wirkenden Rechtseinwendungen, nicht rein

wieder.

Die Römisch-rechtliche exceptio ist ursprünglich eine von

dem Prätor, aus Billigkeitsgründen, beliebte Hemmung des stren­

gen Rechts.

Der Beklagte mußte den Anspruch. des Klägers,

als nach strengem Rechte gültig, anerkennen, aber er stellte dem

Prätor vor, daß ihm, nach bewandten Umständen, materielles Un­ recht geschehe, wenn dem strengen Rechte sein Laus gelassen würde;

und er bat den Prätor, aus Billigkeit (ex aequitate) sein natür­ liches Recht dadurch zu schützen, daß er das strenge Recht des Klä­ gers ausnahmsweise nicht zur Wirksamkeit kommen lasse.

Bewil­

ligte der Prätor das Gesuch, so instruirte er darnach den Richter

in der Klagformel, indem er die vom Beklagten vorgetragenen Umstände, als eine Ausnahme von der Condemnation des Beklag­ ten (exceptio), beifügte'). Das Recht des Klägers wurde dadurch

in seiner Substanz nicht verändert, es traf nur auf ein faktisches

Hinderniß.

Später erkannte auch das Civilrecht Exceptionell an *),

welche nach Civilrecht wirkten, d. h. das Klagrecht ipso jure auf? hoben, und nachdem die Trennung des Verfahrens in jus und judicium aufgehört hatte, wurde die Ansicht allgemein, daß ein Klagrecht, welchem eine Exception entgegenstand, so gut wie ipso

jure eckffchen sei').

haften Grundsätze

Im Preuß. Rechte hat sie sich zum unzweifel­ entwickelt und

es

steht nun

der vierte Fall

dem Dritten auch in den Folgerungen völlig gleich.

Eigentliche

3) Knappe, Versuch einer Entwickelung des Begriffs der Erceptionen mit Rückßcht auf die Bcweislast. München, 1835. — S. «. §. 201. 4) Gajus, IV, §. 116. — Pr. J. de except (IV, 13). — L. 2 pr. D. eod. (XLIV, 1); L. 17 D. de eviction. (XXI, 2). — Vor dem Formel­ wesen gab es daher keine exceptiones. Gajus, 1. c. §. 108. 5) Gajus, 1. c. §. 118. — §. 7 J. de except. (IV, 13). Beispiele das 8. C. Maced. und das S. C. Vellejan. 6) L. 112, 66 D. de reg. jur. (L, 17). — L. 7, §. 14 i, f. D. quibus ex causis in pass. (XLII, 4).

Erstes Buch.

272

Allgemeine Lehren.

Rechteinwendungen sind hiernach zwar noch jetzt selbstständige, dem

an

sich

begründeten

Klagrechte

entgegenstehende

Rechtsgründe

(Note 1 u. 2), nicht mehr bloße Billigkeitsgründe, aber sie wir­ ken ohne Ausnahme civilrechtlich dergestalt, daß dadurch der Grund

des Anspruchs des Klägers aufgehoben wird. §. 130. b) Arten.

Die Exceptionen im weitern Sinne werden eingetheilt nach

ihren Wirkungen in exceptiones dilatoriae und e. peremtoriae. I. Die exceptiones dilatoriae (dilatorische, verzögerliche Einreden)

sind solche, welche bloß dem Judizium, d. i. der Art der Ver­ nicht dem Rechte des Klägers (merita causae) ent­ gegen gesetzt werden •). Sie bewirken die Abweisung des Klägers

handlung,

vor der Hand (zur Zeit), und fallen in sechs verschiedene Klassen.

1. Einwendungen gegen das Forum.

Diese sind:

a) exc. fori

non competentis1 2); b) exc. litis pendentis 3); c) exc. praeven­ tionis fori, eine Species der exc. litis pendentis; d) exc. pri­ mae instantiae, wenn eine Partei die erste Instanz übergeht und

vor dem Richter einer höher« Instanz sein Rechtsmittel anbringt; e) exc. judicis inhabilis vel suspecti (§§. 52 u. 53).

wendungen gegen die Person des Klägers.

2. Ein­

Dahin gehören a) die

exc. inhabililatis4)5 6b) die exc. deficientis legitimationis ad cau­

sam s). — Die sonst hierher gehörige exceptio spolii ist abge­ schafft •). 3. Einwendungen aus der Person des Beklagten selbst.

Diese find: a) exceptio inhabilitatis (Note 4); b) exc. deficien­ tis legitimationis ad causam passivae; c) exc. laudationis auc­

toris (§. 88); d) exc. plurium interessentium, welche nur dann

stattfindet, wenn Mehrere in einer wirklichen Gemeinschaft stehen (§. 77).

4. Einwendungen gegen die Person des Anwalts (Pro-

1) Fischer, Handbuch der dilatorischen Einwendungen. Wien, 1825. — Gesterding, von dem Begriffe der exceptiones dilatoriae und deren Ver­ schiedenheiten ; in den Nachforschungen, Bd. II, Abh. 5.

2) A. G. O. I, 5, §. 4, Nr. 1 und §. 11, lit. a: I, 9, SS- 20 und 21. — B. vom 21. Juli 1846, §. 5, lit. b. — S. o. §. 58. 3) A. G. O. I, 5, §. 4, Nr. 2; I, 9, §§. 20, 21; V. vom 21. Juli 1846, 8- 5, lit. c. 4) S. o. 8> 83 ff. — V. vom 21. Juli 1846, §. 5, lit. d. 5) S. o. §8 87 und 89. - A. G. O. I, 5, §. 4, Nr. 6, $. 11; I, 9, 88- 20 u. 21; 1, 10, $. 81, a. 6) Im Tntw. nun Ges.-B. Th. II, Tit. 4, 8-104 war ste vorgeschlagen der Satz ist aber gestrichen worden. M. Besttz, 2te AuSg. $. 286.

Erfordernisse zur Herstellung der Bestandtheile k.

Prozeßhandlungen.

273

kurators), welche sind: a) exc. inhabilitatis (§. 108); b) exc.

deficientis legitimationis ad processum, oder mandati insuffi-

cientis (§. 117).

5. Einwendungen gegen den modus procedehdi.

Solche sind: a) exc. termini nimis angusti, die jedoch durch Pro­ rogationen und Fristgesuche überflüssig wird?); b) exc. feriarum7 8),9

welche auf demselben Wege geltend gemacht wird; c) exc. loci non tuti, z. B. im Kriege oder bei Tumulten, und exc. non ho-

nesti, welche bei Lokalkommissionen vorkommen kann, wo biswei­ len eine anständige Gelegenheit zur Vornahme gerichtlicher Hand­

lungen fehlt; d) exc. libelli inepti; e) exc. cautionis (§§. 96, 97).

6. Einwendungen gegen das Geschäft selbst, aus welchem geklagt wird d).

Dergleichen sind: a) die exc. pacti de non petendo ad

certum tempus10); 11 b) 12 die exc. indulti; c) die exc. ordinis oder divisionis oder excussionis bei der Bürgschaftsklage * *); d) die exc. actionis praejudicialis ").

II. Die exceptiones peremtoriae sind solche, welche gegen das behauptete Recht des Klägers selbst

(merita causae) gerichtet sind und dessen Zerstörung bezwecken"-)

(daher zerstörliche Einreden).

Sie sind: 1. exceptiones litis

ingressum impedientes13), welche den Anfang des Prozesses oder die Wirkung des

angefangenen Prozesses

verhindern.

Sie sind

alle exceptiones jam finitae litis, d. h. daß der Rechtsstreit schon ftüher erledigt worden.

Dahin gehören a) die exceptio rei judi-

catae14); b) die exceptio transactionis und die exc. renuncia-

7) V. vom 21. JuU 1846, §. 2. 8) A. G. O. III, 1, 88-51-54; Anh. 8- 444; I, 8, $. 5; Anh. 8. 62. - R. vom 23. Juli 1814 (Jahrb. Bd. IV, S. 30). — R. vom 12. Mai 1834 (Jahrb. Bd. XL1II, S. 537). — R. vom 15. Decbr. 1840 (I. M. Bl. für 1840, S. 4). Die Erndtefericn find durch Reglements für jede Provinz be­ sonders bestimmt. 9) Weil diese Einreden auf die merita causae eingehen, und zum Theil peremtorisch find, nennt man sie auch gemischte. 8- 10 Inst, de except. (IV, 13). 10) L. 3 D. de except. (XLIV, 1). 11) A. G. O. I, 5, §. 4, Nr. 11. Nach Preuß. Rechte machen jedoch die Voraussetzungen dieser Erception die Klage unvollständig: denn e- gehört ad fundendam intentionem, den Eintritt des Bürgschaftsfalles zu behaupten. M. Privatrecht, 8-71712) A. G. O. I, 5, 8-29; I, 10, 88 60 ff.; I, 13, 8- 43. 12a) Ebenda, I, 9, 8- 5. 13) A. G. O. I, 10, 88- 79, 80. — Ueber die exceptiones litis finitae und deren Verhältniß zu den prozeßhjndernden Einreden; in Linde'ö Zeitschr. Bd. VII, S. 437. 14) M. Abhandlung über die exceptio rei judicatae und jurisjurandi; in HinschiuS jurist. Wochenschr. für 18o7, S. 1 ff.

Koch, Ctvilprozeß. 2. Aufl.

18

Erste« Buch.

274 lionis.

Allgemeine Lehren.

2. Exc. peremtoriae schlechthin, die entweder Juris, b. h.

von der Art, daß sie den Rechtsgrund des klägerischen Anspruchs

aufheben, oder facti, d. h. solche, welche das zum Grunde liegende

Faktum aufheben, sind.

Die exceptiones peremtoriae lassen sich

eintheilen: a) in solche, welche allen Geschäften gemein sind. Deren find drei Klassen; sie behaupten: aa) entweder, jus non esse na-

tum: es sei aus dem Geschäft dem Kläger kein Recht entstanden,

z. B. die exc. des indebiti promissi, exc. doli, simulationis, metus, erroris, non numeratae pecuniae, usurariae pravitatis,

der ungültigen Jntercession einer Frauensperson (S. C. Vellejani)

u. s. w.; bb) oder jus esse sublatum, wie z. E. die exc. solu­ tionis, dationis in solutum, compensationis, pacti de non pe­ tendo absoluti, praescriptionis, interitus rei in specie, novationis

et delegationis etc.; cc) oder jus esse impeditum, z. B. die exc. divisionis, die auch dilatorisch vorkommen kann, prioritatis, non

impleti solche,

contractus

oder

non

rite

impleti

contractus;

welche einzelnen Geschäften eigen sind").

b) in

Diese laufen

alle auf das Eine hinaus, daß dem Geschäfte ein Haupterforderniß fehle; sie sind allemal aus der Theorie zu entnehmen. §. 131. c)

I.

Grundsätze von den Einreden.

Eigentliche Rechtseinwendungen (§. 129, Nr. I)

dürfen

von dem Richter nur auf besonderes, in der Absicht sich damit zu vertheidigen geschehenes, Vorbringen der Thatumstände, aus welchen sie entspringen, beachtet und zur Erörterung gezogen wer­ den; dies muß denn aber auch geschehen, wenngleich der Beklagte

die Einrede als eine solche nicht bezeichnet hätte, und wenn es bei der Verhandlung unterblieben wäre, so soll der Spruchrichter, vor Abfassung des Erkenntnisses, auf die aus den vorgetragenen Thatumständen scheinbar hervorgehenden Rechtseinwendungen der-

vorheben und die Auslassung der Parteien darüber veranlassen'). Darauf beschränkt sich die Amtspflicht und Befugniß des Richters,

daher er in keinem Falle auf eine exceptio Juris, die nicht vorher von der berechtigten Partei hat geltend gemacht werden sollen und

welche nicht zur Verhandlung gezogen worden ist, seinen Ausspmch

15) Buchholz, über die meist unerwähnt gebliebene Eintheilung der Ein­ reden in generale* und »peciales; in dessen jurist. Abhandlungen, Miscelle 8.

1) A. G. O. Einleit. $. 17 und I, 9/.S-12.

Erfordernisse zur Herstellung der Bestandtheile k.

gründen bars2).

Prozeßhandlungen.

275

Aus diesem Grunde darf der Richter auch eine

Klage, welcher eine Rechtseinwendung entgegen zu stehen scheint,

nicht per dccretum zurückweisen,

vielmehr muß er es auf die

Antwort des Beklagten ankommen lassen, es sei denn, daß die

Klage, nach dem eigenen Vortrage des Klägers, ganz offenbar grundlos oder schon wieder erloschen wäre, in welchem Falle die Zurückweisung per decretum eintreten muß, bis der Kläger eine

besser begründete Klage einbringt3).

Insbesondere ist es aus pro­

zeßrechtlichen Gründen nicht rechtfertig, eine Klage per decretum deshalb zurückzuweisen, weil ihr die Verjährung entgegenzustehen

scheint, denn der Zeitverlauf allein begründet noch nicht den Ein­ wand der Verjährung, der Richter ist also ganz außer Stande,

denselben ohne stattgefundene Verhandlung zu übersehen; und selbst eine Verhandlung mit dem Kläger darüber einzuleiten und eine

Parteirolle zu übernehmen, ist nach den Maximen des neuesten

Preuß.

Prozeßrechts

unstatthaft*).

Nur solche

Einwendungen,

welche aus wesentlichen, eine Nichtigkeit des Verfahrens begrün­

denden Fehlern der Klage abgeleitet werden können, oder welche sonst die Rechtsbeständigkeit des Prozesses betreffen, muß der Rich­ ter von Amts wegen beachten3).

II. Wer einen Rechtseinwand

vorbringt, übernimmt damit die Parteirolle des Klägers und muß beweisen*).

111. Der Widerspruch mehrerer zum eventuellen Ge-

2) S. o. §. 129, Nr. I und die Note 2 daselbst. 3) A. G. O. I, 5, 8 12. 4) Die Meinungen darüber sind verschieden. M. s. die Erlasse M Justiz­ ministeriums vom 25. Mai 1841 und vom 16. Octbr. 1844 (I. R. Dl. für 4841, S. 190 und 307). Darnach soll der Kläger,, wenn ihm die Verjährung enigegenzustehen scheint, dessen in der Klage Erwähnung thun und den vollständigen Gegenbeweis antreten. Das ist schon an sich ein ganz grundloses Verlangen, weil — wie gesagt — der bloße Zeitablauf die Verjährung noch nicht aus­ macht, daher eS völlig genügt, wenn der Kläger erwähnt, daß der scheinbar begründete Einwand nicht gemacht werden könne und erwartet werde: ob er werde entgegengestellt werden. Da der Beklagte alle Erfordernisse behaupten und erweisen muß, so braucht der Klager nicht im Voraus einen Gegenbeweis anzu­ treten, von welchem er noch nicht weiß, auf welches Erforderniß er gerichtet werden soll. — S. auch Linde, Aufsatz in der Zeitschrift für Civilrecht und Prozeß, Bd. II, S. 192 ff. 5) S. o. §8. 82—89. — Gesterding, über die Berücksichtigung der Einreden von Amts wegen; in den Nachforschungen, Bd. II, Abhandlung 5. — v. Krüll, Kann der Richter Einreden, insbesondere die Einrede der Verjährung von Amts wegen suppliren? im Archiv für civil. Praxis, Bd. I, S. 402 ff. — Lotz, über die Einrede der Verjährung und ihre Beachtung von Amts wegen; ebenda, S. 412 ff.

6) A. G. O. Einleit. $. 16. — L. 19 D. de probat. (XXII, 3); L. 1 D. de except. (XLIV, 1). — Gesterding, über den Grundsatz: reus excipiendo fit actor; Nachforschungen, Bd. Iv, S. 193 ff. — Hagemann, prakt. Erörterungen, Bd. VI, Nr. 19, S. 121. Vergl. o. Anm. 11 zu tz. 76.

18*

Tiste« Buch.

276

Allgemeine Lehren.

brauch kumulirter Einreden schadet nicht') und aus dem Inhalte

einer eventuellen Einrede kann kein Zugeständniß des Klaggrundes entnommen werden, gemäß dem Satze: qui excipit non fatetur7 8).9 10

IV. Aus dem Rechte eines Dritten ist eine Einrede (exc. de jure tertii) aus denselben

Gründen,

welche der Zuständigkeit eines

fremden Klagrechts entgegenstehen (§. 126, Nr. 2, a), nicht statt­

haft, außer

wenn

die Verbindlichkeit

des Beklagten durch die

Rechtsgültigkeit der Verbindlichkeit eines Dritten bedingt ist, wie

z. E. die Verbindlichkeit eines Bürgen8).

V. Eine Einrede kann,

wenngleich sie an sich eine Klage begründen würde, niemals gleich­ zeitig als Klage und auch als Einrede geltend gemacht werden,

wegen der

entgegenstehenden

Litispendenz1 °).

Die Wiederklage

kann jedoch später- noch als exceptio compensationis gebraucht

werden.

§. 132. d) Wirkungen der Einreden.

Ein Einrede kann nur die Abweisung der Klage, niemals die Verurtheilung des Klagers zur Folge habens.

duplicia,

welche

jedesmal

durch

Die judicia

eine Verurtheilung entschieden

werden müssen, weil der Zustand einer streitigen Gemeinschaft nicht fortbestehen kann, machen keine Ausnahme, weil dabei jede Partei

7) L. ö, 8 D. de except. (XLIV, 1). — L. 43 pr. D. de reg. jur. (L, 17).

8) L. 9 D. de except. (XLIV. 1); L.9C. eod. (VIII, 36). — Reg. 63 de reg. jur. in 6 (V, 13). — Ueber den Satz ist Meinungsverschiedenheit. Krüll, Prüfung diese- Satzes, abstrahirt aus dem Umfange der Begriffe der Sache selbst; in deffcn Prüfung einzelner Theile deS bürgerl. Rechts, Bd. II, Abh. II. — Beitrage zur rechtlichen Erörterung des Satzes von Gesterding, in den Nachforschungen, I, (5. 357 ff.; Werner, im Ärch. für civil. PrariS, Bv. XI, S. 52 ff.; Sintenis, in Linde'S Zcitschr. für Civilrecht und Pro­ zeß, Bd. VI, S. 447 ff. — Spangenberg, ebenda, Bd. V, S. 33 und in Hage mann's (Ernst Spangenberg) prakt. Erörtcr., Bd. X, S. 163.

9) A. L. R. I, 14, §. 310. — L. 7, §. 1, L. 19 D. de except. (XLIV, 1) . — Henne, de exceptione ad jue tertii pertinente plane inutili. Erf. 1778. — Westphal, Exemplum exceptionis de jure tertii; in deffcn Rechtsgutachten, Nr. 615, S. 7.

10) Die Comptnsation macht davon, nach L. 8 D. de compens. (XVI, 2) , eine Ausnahme, indem hiernach auch eine bereits rechtshändige Forderung zur Abrechnung soll gebracht werden können; doch ist dabei die Liquidität vor­ ausgesetzt, in welchem Falle durch die Kompensation die eingeklagte Forderung untergeht und der darüber anhängige Prozeß nur noch wegen der Kosten fort? -usetzen ist.

1) Nicht entgegen ist A. G. £). I, 19, §. 6, denn eS wird ein ausdrück­ liches Petitum auf Verurtheilung deS Klägers wegen der übersteigenden (Summe der Gegenforderung vorausgesetzt; nur ein von der GrceptionSschrist verschiedenes Wiederklage-Libell wird für unnöthig erklärt. Dergl. L. 18, $. 4 D. commod. (XIII, 6); L.2 pr. $. 2 D. de except. (XLIV, 1); und o. $. 76 a. E.

Erfordernisse zur Herstellung der Bestandtheile rc.

Kläger und Beklagter zugleich ist.

Prozeßhandlungen.

277

Das die Einrede begründende

Recht muß, wenn es jene Wirkung haben soll, ein gegenwärtiges,

nicht ein zukünftiges sein, und sich just auf das verfolgte Klag­

recht beziehen^), es muß auch nicht durch eine Replik unwirksam gemacht werden können«).

§. 133. 3. Repliken und Dupliken. I. Replik (replicatio) heißt der Rechtsgrund, wodurch eine

Einrede (exceptio) von Seiten des Klägers als unwirksam dar­ gestellt wird, und auch das Vorbringen des Rechtsgrundes oder sonstiger Thatumstände, welche die Beseitigung der Einreden des

Beklagten bezwecken.

II. Duplik (duplicatio) ist der dem Beklag­

ten zur Seite stehende Rechtsgrund, wodurch die Replik des Klä­

gers aufgehoben wird, und auch die Prozeßhandlung des Beklag­

ten, mittelst welcher dieser Grund und die die Replik entkräftenden Thatumstände dem Richter vorgetragen werden«).

Auch die Re­

plikationen und die Duplikationen müssen alle zugleich vorgetragen oder doch bis zum Termin eingebracht werden; nach Ablauf des

Termins werden neue, auf Thatsachen, deren bisher noch nicht Erwähnung geschehen, beruhende Entgegnungen im Laufe der er­

sten Instanz nicht mehr zugelasscn52).3 4

§. 134.

4.

Aeußere Form der Parteihandlungen.

In Beziehung auf die äußere Form der Prozeßhandlungen

kommt es auf den Unterschied zwischen den Advokatur- und den Prokuraturgeschäften an (§. 102 und 108 und §. 114 a. E.), in­

dem gewisse Schriftsätze

nur

von solchen Personen,

welche die

Fähigkeit zur Advokatur haben, mit Erfolg verfaßt oder legalisirt

werden können.

I. Zur Advokatur sind befähigt: 1. die Rechts­

anwälte; 2. öffentliche Behörden, wozu auch städtische Deputatio­ nen und Kommissionen, welche zur Verwaltung einzelner Geschäfts -

2) L. 5 D. de dote praeleg. (XXXIII, 4); L. 4 C. de commodato (IV, 23); L. 5 C. in quibus causis pignus (VIII, 15). Die gemeinrecht­ lichen Ausnahmen der exc. spolii und gläubigers fallen nach Pr. Rechte weg.

der

des Retentionsrechts des Pfand­

3) Ueber die Entscheidungsgründe s. m. Privatrecht, §. 195. 4) Ebenda, §. 196. 5) V. vom 21. Juli 1846, §. 8. — Ueber den nothwendig gleichzeitigen Vortrag aller Repliken nach sächsischem Rechte, in Martin'«. Jahrbüchern, Bd. in, S. 212. Ist jetzt auch für das Pr. Recht belehrend.

Erst»« Buch.

278

HDgraidnc Lrhrni.

zweig« des Gemeinwesens aus Mitgliedern des Magistrats und der Bürgerschaft gebildet sind, gehören •); 3. Personen, welche zum

Richteramte befähigt sind1 2),3 4auch 5 6 7Referendarien *), nicht aber Aus­ kultatoren.

Diese Personen müssen jedoch aus einem rechtlichen

Grunde, sei es wegen eigenen Rechts, oder wegen ihres Verhält­ nisses zur Partei, oder durch richterliche Bestellung zu Assistenten

oder Beiständen (§§. 113, 116), zur Vollziehung von Handlungen in einer bestimmten Prozeßsache berufen sein«), und die Besugniß

der durch

richterliche Verfügung berufenen Personen

geht

nicht

über die Grenzen ihrer Berufung hinaus, so daß sie z. E. zu den Schriftsätzen einer andern Instanz, als für welche sie bestellt sind,

keine Berechtigung haben.

II. Die Befugniß zur Vollziehung von

Handlungen berechtigt nicht zu den Prokuraturgeschäften.

also die zur Verfassung

Wenn

oder Legalisirung von Schriftsätzen be­

fähigte Personen zur Vertretung der Partei nicht gesetzmäßig beauf­ tragt ist, so muß die Partei entweder selbst den Schriftsatz mit

unterschreiben, oder durch einen zulässigen Bevollmächtigten dem

Gerichte überreichen lassen.

Dieses ist besonders bei den für eine

höhere Instanz bestimmten Prozeßschriften zu beachten.

Verfaßt

ein bei dem Gerichte, bei welchem die Schrift eingcreicht werden

soll, nicht bestellter Rechtsanwalt solche, so muß er dieselbe, neben seiner Unterschrift, mit seinem Dienstsiegel bedrucken').

Der Rechts­

anwalt, welcher einen Schriftsatz legalisirt (unterzeichnet, ist für den Inhalt desselben ebenso verantwortlich, als wenn er der Ver­

fasser wäre«).

III. Die von

solchen

zur Advokatur befähigten

Personen zu verfassenden oder zu unterzeichnenden (legalisirenden)

Prozeßschriften sind: 1. die Klagebeantwortung ’); 2. die Replik 1) Pl.-Bschl. d.« Ob.-Tr. vom 27. Mai 1839 (Tatsch. IV, S. 273). D. vom 21. Juli 1846, $. 3. - B. vom 14. Drcbr. 1833, $. 11. Dtkl. vom 6. April 1839, Art. 7.

2)

3) a. ®. D. III, 4, $.34; Anhang $.455; Art. XV, Nr. 1.

G. vom 26. April 1851,

4) K. O. vom 4. April 1840 (G. S. S. 117). — Ueber die Unterzeich­ nung der Schriftsätze, insbesondere von Seiten der gerichtlich angeordnetcn Rechtsbeistände; im I. M. Bl. für 1847, S. 111.

5) G. vom 21. Juli 1843, $. 2 (®. S. S. 295). Die Unterlassung dieser Formalität hat jedoch nur eine Ordnungsstrafe, nicht die Nichtigkeit der Prozeß­ schrift zur Folge. 8- 3 ebenda. Nur für die Einführung-- und Rechtfertigungs­ schriften in dritter Instanz find ausschließlich die RechtSanwalte deS Ob.-Tr., die zur Prokuratur sich ebenfalls durch Vollmacht auSweifen müssen, berufen. V. vom 21. Juli 1846, 8- 23, lit. d. 6) V. vom 21. Juli 1846, %. 33.

7) Ebenda, 8 3. Erkenntniß.

Deshalb da- Restitution-gesuch gegen ein Kontumazial-

Erforberniff« zur Herstellung der Bestandtheile ic. und die Duplik ').

Prozeßhandlungen.

279

Diese drei Erklärungen können von Parteien,

welche nicht einen Rechtsanwalt zu ihrem Bevollmächtigten bestellt haben oder nicht durch einen zum Richteramte befähigten Offizial-

Anwalte vertreten werden, mündlich zu Protokolle gegeben oder in einem, von einem Rechtsanwälte unterschriebenen Schriftsätze

eingereicht werden.

Eine

solche Partei wird

persönlich zu einem Termine vorgeladen,

zu

diesem Zwecke

und es steht ihr frei,

ihre Erklärung in dem Termine von dem deputirten Richter und dessen Protokollführer zu Protokoll niederschreiben zu lassen, oder

vor Ablauf dieses Termines

den Schriftsatz einzureichen.

Ist

dagegen die Partei mit einem bevollmächtigten Rechtsanwälte oder mit einem qualistcirten Offizialanwalte versehen; so werden diese

zur Einreichung der Replik und Duplik binnen einer angemessen zu bestimmenden Frist aufgefordert').

3. Die Appellations-Ein­

führung und Rechtfertigung und deren Beantwortung; sie können nicht mündlich zu Protokoll gegeben werden").

4. Die Schrift­

sätze in der Revisions- und Nichtigkeits-Beschwerde-Instanz.

Zu

deren Anfertigung sind ausschließlich nur die bei dem Ober-Tribu­

nale angestellten Rechtsanwälte befugt, wenn nicht die Partei selbst

zur Anfertigung ihrer Schriftsätze befähigt ist (Nr. I, 3), in wel­ chem Falle es der Unterschrift eines Rechtsanwalts auch in dieser Instanz nicht bedarf").

5. Die Erklärungen der Parteien über

den erhobenen Kompetenzkonflikt (§. 31); sie können von jedem Rechtsanwälte unterzeichnet sein"'). — Schriftsätze dieser Arten,

welchen die vorgeschriebene Legalisation

fehlt,

angebracht erachtet und zurück gegeben").

werden

für nicht

Diese Form versteht

sich übrigens nur für denjenigen ordentlichen und abgekürzten Pro­

zeß, welcher nach den Vorschriften der Verordnung vom 21.,Juli

1846 zu verhandeln ist, so wie für den Ehetrennungs-Prozeß1 ’);

in dem Verfahren nach der Gerichtsordnung müssen die Erklä-

8) (Sbciiba, §. 7.

9) Ebenda, §. 7.

Sind die Parteien in dem Klagebeantwortung--Termine persönlich erschienen, so können sie ad protocollum sofort repliciren und duplicircn; Rechtsanwälte und qualificirte Lffizialassistenten aber dürfen nicht münd­ lich, sondern müssen immer schriftlich ihre Erklärungen einbringen. Vergl. §. 3 a. E. und oben S. 252.

10) Ebenda, §. 21. 11) Ebenda, §. 23, lit. d und §. 21. 11 a) G. vom 8. April 1847, §. 5 (G. S. S. 171). 12) V. vom 21. Juli 1846, §§. 3 u. 7. 13) V. vom 28. Juni 1844, §. 17.

280

Srstt« Buch.

Allgnnktn« kehrm.

rangen nothwendig mündlich zu Protokoll gegeben werden. IV. An­

dere sonst noch vorkommende Parteihandlungen sind an diese Form

nicht gebunden, namentlich nicht 1. die Klage, weil durch deren Unvollständigkeit nichts versäumt oder geschadet wird, indem die

unvollständige Klage als Klageanmeldung behandelt und der Klä­ ger zur Auftiahme der Klage vor einen Gerichtsdeputirten vorge­ laden wird '♦); 2. die mit der Klage auf gleicher Stufe stehenden

Adzitations-Gesuche, Litisdenunziationen, Interventionen, Rekonventionen u. s. w.*1 s).

Die Antworten des Gegners darauf tre­

ten in die Reihe der Klagebeantwortungen. Zweite Abtheilung.

Richterliche Thätigkeit. §. 135. Uebersicht.

Die richterliche Thätigkeit bei Untersuchung und Entscheidung deß Rechtsstreits, und Vollstreckung des Ausspruchs hat zur Folge,

daß das Gericht 1. mit den Parteien in Berührung tritt, sowohl durch die Prozeßleitung überhaupt als durch den Zwang gegen die Parteien, sich derselben zu fügen; 2. andere Gerichte um Hülfe

angehen muß, und 3. der Aufsicht und Berichtigung unterworfen ist.

Dies ist der Inhalt dieser Abtheilung.

L Thätigkeit des Richters in Beziehung auf die Parteien. §. 136.

A.

Allgemeine ®runbsdt>e.

Nach der Maxime der Allgemeinen Gerichtsordnung waren die Befugnisse (potcstas judicis) und die Pflichten (officium judicis) deß Richters') von ungleich größerer Ausdehnung als nach

14) A. G. O. I, 4, 88.13 ff. 15) Der §. 70 der V. vom 1. Juni 1833 hindert gar nicht, daß eine, mit einem RechtSanwalte versehene Partei dergleichen Schriften, welche zu den Prokuraturgeschäften gehören, selbst verfasse und einreiche, da, wo eS bloß auf Stell­ vertretung ankommt, der Prinzipal niemals durch seinen Beauftragten aus­ geschlossen wird. 1) Die Befugnisse und Pflichten des heutigen Richters sind zusammengesetzt auS denen der PrätorS und des Römischen Suber, deren mehrere zusammenge-

Srfo tbtmifft zur Hrrstrllung der Bestandtheile k.

der Maxime des neuen Prozeßrechts.

Prozcßhandlungm.

281

Die richterlicke Thätigkeit

beginnt mit dem Augenblicke der mündlichen oder schriftliche,» An­

meldung der Klage *), und beschränkt sich auch bei der weitesten Ausdehnung der Potestas doch auf das Streitverhältniß'».

Der

Zweck derselben ist die Ausmittelung der Wahrheit der bei dem Prozesse zum Grunde liegenden erheblichen Thatsachen aus dem

sichersten und zugleich nächsten ©ege4* ).25 36 Diesem Zwecke ist, nach

den Vorschriften der A. G. £>., die Rücksicht auf die privatrecht­ liche Natur des Streitverhältnisses und auf die daraus hervor­

gehende Berfügungsbefugniß der streitenden Theile untergeordnet,

und

die Grenzen der richterlichen

Befugniß

(potestas) in der

Wahl und Anwendung erlaubter Mittel werden lediglich durch

den Zweck bestimmt, wie denn auch entsprechend das officium ju-

dicis unaufgefordert zum Besten der Partei einschreiten und die Anträge der Parteien verbessern oder ergänzen darf4).

Mit der

Veränderung der Prozeßmaxime ist die Frage: in wiefern das of­

ficium judicis ohne einen bestimmten Antrag der Partei die Thä­

tigkeit des Richters veranlassen darf, wieder ins Ungewisse zurück­ gefallen; denn auch nach Gemeinem Rechte ist der Umfang deS

nobile officium judicis unbestimmt4).

Im Allgemeinen ist es,

um den Vorwürfen der Partei wegen unnöthig oder ungebeten

verursachter Kosten zu entgehen, rathsam, in zweifelhaften Fällen

nicht ohne bestimmten Antrag der Partei eiuzuschreiten. dem

einzelnen Falle

Zn je­

muß durch Auslegung der Intention der

Partei die Bestimmung für die Thätigkeit des Richters gefunden werden; sonst ist die Partei zu veranlassen, weitere Anträge zu

machen.

stellt find in Heffter, Institutionen deS Prozeßrechts, S. 278, $. 4. — de Tigerström, de judicibus apud Romanos. Tractatio historico-juridica. veröl. 1826. 2) Anders nach R. R., wonach der Richter erst mit der LitiSconteftation eintrat. Darauf beziehen fich L. 73 i. f. de procurat (III, 3); L. 25, $. 8; L. 31, §. 13 D. de aedil. cd. (XXI, 1). 3) A. G. O. Einlcit. $. 17; I, 9, $. 11, Abf. 2. - I, 13, $. 40. Dergl. L. 23, 61 D. de jud. (V, 1). 4) A. G. O. Einleit. $. 10. — L. 9 C. de jud. (UI, 1). 5) A. G. O. Einleit. S$. 17, 19; I, 5, $. 21; I, 19, §. 6. - Vgl. L. un. C. ut quae desunt advocatis partium judex suppleat (II, 11). 6) Puchta, über die Grenzen deS Richteramts, Nürnb. 1819, S. 82 ff.

§. 137.

B. 1.

Richterliche Thätigkeit.

Bei Einleitung der Sache.

Der Richter soll von Amts wegen darauf sehen, daß nicht

zwecklose Verhandlungen stattfinden.

I. Er muß deshalb, bevor

er die Klage für annehmbar erklärt und die Vorladung verordnet, prüfen: 1. ob der Anspruch sich zum gerichtlichen Verfahren eigne;

2. ob derselbe nach dem eigenen Vortrage nicht offenbar grundlos

oder durch einen eingeräumten Rechtseinwand schon wieder auf­

gehoben worden sei; 3. ob das Gericht kompetent sei; 4. ob ein anderes Gericht eine rechtmäßige Prävention ausgeübt habe; 5. ob

die Klage nicht zu ftüh angestellt worden sei.

Eine oder das Andere,

so

Findet sich das

muß der Richter eine solche Klage

ohne weiteres Verfahren zurückweisen.

nur die Beschwerde zulässig ’)

II.

Gegen diese Verfügung ist Er muß ferner von Amts

wegen 1. auf die Legitimation der Person des Klägers; 2. auf die Legitimation des Anwalts zum Prozeß; 3. auf die Vollstän­

digkeit des Vortrags in Ansehung der Erfordernisse zur Begrün­

dung des Anspruchs, namentlich auch in der Person des Klägers und des Beklagten (legitimatio ad causam), sehen. Hat der Klä­

ger die Klage mündlich zu Protokoll gegeben, so sind ihm die Anstände bekannt zu machen und die Sache bleibt auf sich beru­

hen bis sie gehoben

werden; hat ein Rechtsanwalt die Klage

schriftlich eingereicht, so wird er durch Ordnungsstrafen zur Ver­

vollständigung der Klage

angehalten *).

Die

von dem Kläger

selbst schriftlich eingereichten unvollständigen Klagen werden als

Klageanmeldungen angesehen, auf welche er zur mündlichen Ver­

nehmung vorgeladen wird. §. 138. 2.

Zur gütlichen Beilegung des Streits.

A. G. O. I, 11. — Odebrecht, zur Geschichte de» Sühneversuch«; in Hin­ schi u S juristischer Wochenschr. für 1841, S. 337 ff. — e. d. Becke, über Verminderung und Abkürzung der Prozesse durch Vergleich. München, 1812.

1) A. ®. O. I, 5, $. 12; I, 6, $. 7. — Bergl. A. L. R. I, 9, $. 556.— Ist schon in der Reumürkischen ^ammergericht- - Ordnung von 1561 verordnet (C. C. M. II, 1, p. 37 unten). 2) A. G. O. I, 5, Z. 11; I, 6, SS- 2-6, 8.

Erfordernisse zur Herstellung der Bestandtheile rc.

Prczeßhandlnngen.

283

— Puchta, Betrachtungen über das richterliche VermittelungSamt, wo und wie eS zweckmäßig anzuwenden fei; in den Beiträgen zur Gesetzgebung und PrariS des bürgerlichen RechtSversahrenS,

Bd. I,

S. 326.

maier, der gemeine deutsche bürgerliche Prozeß rc.,



Mitter-

I. Beitrag (2te Aust.)

S.129 ff.

Die Prozeßgesetzgebungen haben sich zu allen Zeiten') mit

Vorschriften über gütliche Beilegung von Rechtsstreitigkeiten befaßt; doch ist dadurch niemals ein entsprechender Erfolg erreicht worden.

Eine Hauptschwierigkeit liegt darin, die rechte Zeit und Gelegen­

heit zu treffen.

Die Deutsche Reichsgesetzgebung 1 2)3 4 schreibt 5 6 7 8 vor, es

solle die Güte in zweifelhaften Sachen vor der Litiscontestation

und dann in jeder Lage des Prozesses versucht werden. dasselbe verordnete schon die

älteste

Eben­

einheimische Gesetzgebung').

Die Kammergerichtsordnung von 1709, Tit. 23, §. 14 wollte,

daß nach gehörter Sache zwischen den Parteien entweder in Pleno, oder nach

Befinden durch Deputirte

die Güte versucht werde.

Gewöhnlich wurden einzelne Mitglieder zu Kommissarien an Ge­ richtsstelle, (statt der ftüher üblich gewordenen lästigen und kostspie­

ligen Lokalkommissionen)'), zur Vermittelung gütlicher Vergleiche ernannt'), woraus um das Jahr 1738 das bald wieder erloschene und fast ganz unbekannt gebliebene Institut der Friedensrichter ent­ stand').

Der Verlauf ist dieser: Die Allgemeine Justizordnung

vom 21. Juni 1713') bestimmte im §.29 gleichfalls den ersten

Termin zum Versuch der Güte und verbot, ohne vorherigen Ver­

gleichsversuch den Prozeß in leichten und klaren Sachen sowie in

allen andern Sachen, worin auf einen Vergleich zu hoffen, ein­ zuleiten.

Das Edikt von Abkürzung der Prozesse,

insonderheit

durch Versuch der Güte, vom 13. März 1717"), bestimmte im 1) Röm. R. L. 4, $. 1 D. de in ju« voc. (II, 4); Nov. 124, c. 4. — v. Almendingen in e. Grolmann» Magazin, I, 3, t.

Prozcßhanb-luugcn.

297

deß Tages, Monats und Jahres, wo und wann das Dekret er­ gangen ist"); b) die Unterzeichnung der verfügenden Behörde,

welche besteht a) in dem Kollektivnamen des Gerichts, ß) in der

Unterschrift des Vorsitzenden, welche leserlich geschrieben sein soll1 *). Den Ausfertigungen von Erkenntnissen und andern zum Gebrauch

im Publikum bestimmten offenen Urkunden wird auch noch das Gerichtssiegel > s) beigedruckt, und in Urtheils-Ausfertigungen wer­

den obenan die Worte gesetzt: „Im Namen des Königs""). c)

Bekanntmachung der Verfügungen.

A. G. O. I. 7. — Jnstr. vorn 24. Juli 1833, 8 10. — V. vorn 5 Mai 1838,

über die Einführung einet

gleichmäßigen

Verfahrens bei der Insinuation

gerichtlicher Erkenntnisse rc. (G. S. S. 273). — K O. vom 31. Marz 1842»

betreffend die Ausdehnung der postamtlichen Jnfinnationen; Circ.-Verfügung des Justizministerii v. 23. Mai 1842, und Circular-Verfügung des General-

PostmcisterS vom 13. Mai 1842, nebst Instruktion desselben (I. M. Bl. für 1842, S. 198 ff).

§. 142. et) Begriff und Arten.

I. Jede richterliche Verordnung tritt erst mit dem Zeitpunkte der erfolgten Bekanntmachung in Wirksamkeit').

Die Bekannt-

14. Decbr. 1833, 5, Nr. 9; St £). v. 19. Juli 1832, $. 8 (®. S. S. 192). — Ebenso nach R. R. L. 6 D. de appellat. ree. (XL1X, 5); L. 1 C. de relat. (VII, 61); L. 18, 19 C. de appell. (VII, 62); nach can. R.: c. 16, 18, 22 X. de sent. et re jud. (II, 27); c. 68 X de appellat. (II, 18); c. 13 X. de except. (II, 25); — nach Deutschen Ges.: K. G. O. von 1555, HI, 53, §§. 4 9; I. R. A. z. 60; BuudeSbeschluß, daS Austrägalverfahren bctr., vom August 1820. (Emminghaus, corp. jur. germ. II, S. 705). — Brink­ mann, über die richterlichen Urtheilsgründe, nach ihrer Nützlichkeit nnd Noth­ wendigkeit, sowie über ihre Auffindung, Entwicklung und Anordnung; nebst Be­ merkungen über den richterlichen Stil und Ton. Kiel, 1826.

13) In neuerer Zeit haben einige Gerichte, nach dem Beispiel dcS vorigen JustizminifterS, angefangen, Ort und Datum, uiib auch den Kollektivnamen des Gerichts ganz voran (vor dem Eingang) zu fetzen. Der Ort, wo dies steht, ist gleichgültig. 14) A. G. O. III, 2, $ 20. - GefchäftS-Regl. v. 3. August 1841, $. 13. — R. vom 14. Februar 1839 (I. M. Dl. S. 76) und R. vom 6. Marz 1841, a. E. (I. M. Bl. S. 118). 15) Die Form, die Größe und der Gebrauch der Siegel der König!. Ge­ richte ist sehr ausführlich vorgeschrieben in der Min.-Berf. vom 9. Novbr. 1839 (M. Dl. S. 275). 16) B. vom 2. Januar 1849, $. 33. Dies ist die Ausführung des Art. 86, Satz 2 der Verf.-Urk. vom 31. Januar 1850: „Die Urtheile werden im Namen des Königs ausgefertigt und vollstreckt". In Beziehung auf die Vollstreckung fehlt noch die organische Vorschrift; wenn der Art. 86 nur daS gemeint hätte, daß die Worte: „Im Namen des Königs" als Ueberschrift darüber geschrieben werden sollten, so müßten auch die ErekutionSbefehle, ErekutionSaufträge und die Auspfändungsprotokolle diese Ueberschrift erhalten. Die Sache ist eine Nach­ ahmung deS Französischen Rechts (Code de proc. Art. 146) und seyt ein ganz anders organisirteS Gerichtswesen, als daS Preußische, voraus. Vergl. meine» Entw. einer Civil-Prozeß-Ordn. für den Preuß. Staat (Berlin, 1848), 8 587.

Erste- Buch, allgemeine Lehren.

298

machung ist die Handlung, wodurch die Verfügung oder Bestim­

mung des Gerichts zur Kenntniß der betheiligten Person gebracht wird, oder welche als diejenige bezeichnet ist, bei deren gesetzmäßiger

Vollziehung angenommen wird, daß die Verfügung dem Betroffenen Wegen der Folgen der Bekanntmachung

zu wissen gethan worden.

ist dieser Akt sehr wichtig.

II. Es giebt drei Arten, von welchen

eine jede nur auf die dafür gesetzlich bezeichneten Fälle anwendbar ist: die Insinuation;

die öffentliche Bekanntmachung durch Aus­

hang und Einrückung in Zeitungen; die Publikation. ß) Insinuation. Ueber die Insinuation her Erkenntnisse; im Eentralblatt für 1839, Sp. 1046. — Ueber Insinuationen; in Wachsmuth ic. Annalen des Advokaten­

vereins ju Hannover, Heft

6 (Lilnebnrg, 1836), S. 196. §. 143.

st) Begriff und Erfordernisse.

Insinuation heißt die gerichtliche Zustellung einer richter­

lichen Verfügung an den Betheiligten.

Sie muß, um rechtliche

Wirkung zu haben, am gehörigen Orte, an die richtige Person,

zur gehörigen Zeit und von einer zuständigen Person geschehen, und glaubwürdig bescheinigt sein.

I. Die Einhändigung muß in

der gewöhnlichen Behausung des Adressaten, den Handelsleuten in ihren Kramläden oder Schreibstuben geschehen;

an jedem an­

dern Orte kann die Annahme zurückgewiesen werdens. II. Man

unterscheidet die Insinuation in faciem, ad domum unb ad aedes. In der Regel muß sie zu eigenen Händen des Betheiligten (in

faciem) bewirkt werden r').

Davon finden folgende Ausnahmen

statt: 1. Wird der Adressat in seiner Behausung nicht angetroffen, so darf die Verfügung seinen bei ihm

wohnenden Angehörigen

oder seinem Gesinde, doch nicht unerwachsenen Kindern oder frem­ den und unbekannten Personen, mum) ’).

zugestellt werden (ins. ad do­

Verwalter, Administratoren und Pächter ganzer Land­

güter und Miether, sowie der Hauswirth eines Hauses sind gleich­

falls Personen, welche zur Annahme solcher Verfügungen, die an

den Brotherrn, Verpächter und beziehlich Vermiether oder Miether

S

'^"Escheiduiigen des Ob.-Tr., Bd. VIII, S. 384. — M. Beurtheilung,

2) A. c.

Prozeßhandlmigen.

311

thümlichen Klage noch neben der Judikatsklage stehen bleibt, doch

ist die Letztere wegen der Einrede abgeurtheilter Sache (exceptio rci in Judicium deductae) unwirksam.

Das irrig freisprechcnde

Urtel tilgt jedoch das Rechtsverhältniß ipso jure, so daß weder

Klage noch Einrede davon übrig bleibt (Note 8 u. 9).

§. 148. C.

Verichtrorl.

Jedem ständigen Gerichte muß von dem Gerichtsherrn ein

öffentlich bekannt gemachter Ort, welcher zu den gerichtlichen Ver­ handlungen bestimmt ist, angewiesen sein. Man nennt ihn die ordentliche Gerichtsstelle'). Dort müssen in der Regel die Akten, Hypothekenbücher und Deposita aufbewahrt werden, weshalb er

mit den dazu erforderlichen Behältnissen, Schränken und sonstigen

Utensilien für den Gerichtsdienst versehen sein muß41).52 63 Eine Aus­ nahme war zu Gunsten der Privatgerichtsherrn gemacht, welchen

gestattet wurde, die Akten und Hypothekenbücher in der Wohnung detz Gerichtshalters aufbewahren zu lassen *), und in Ansehung der

Depofitorien, ohne Erbauung von neuen Depositalgewölben, nur gegen Einbruch sichernde, sowie in Beziehung auf die Gefängnisse solche Veranstaltungen zu treffen, daß ohne Nachtheil für die Ge­

sundheit die nöthige Sicherheit gewährt würbe4).

An der ordent­

lichen Gerichtsstelle werden in der Regel die Gerichtshandlungen gepflogen; für die Gültigkeit derselben ist etz jedoch gleichgültig4),

wo sie vor sich gehen.

Wer aber an einem andern Orte als an der

gewöhnlichen Stelle erscheinen soll, muß davon besonders in Kennt­ niß gesetzt werden-), wenn die Vorladung rechtlich wirken soll;

1) Daher die Redensart: Aushang an der gewöhnlichen oder ordentlichen GrrtchtSftelle. 2) «. L. R. H, 17, $. 104. - Hyp.-Ordn. Tit. I, $. 75. 3) Ä. O. vom 18. August 1841 (G. S. S. 352). 4) K. O. vom 16. Septbr. 1842 (G. S. S. 149). Wenn das Gut ü-er *1 verschuldet war, oder iur Sequestration oder Subhastation kam, sollte daDeposttorium an da- nächste landesherrliche Gericht abgelicfert werden. — Diese Ausnahme ist mit der Aushebung der PrivatgerichtSbarkeit selbstredend weggefallen; da jedoch die Wiederherstellung von einer gewissen Seite her angestrebt wird, so wäre eS nicht unmöglich, daß diese abgekommenen Bestimmungen wieder gültig würden.

5) A. L. R. I, 12, J. 73. — L. 4, g. 1 D. de inferrogaf. (XL 1). — Drrgl. jedoch L. 5 C. quomodo et quapdo judex (VII > 43); L. 6 C. de vent. et interloc. (VI1, 45). 6) A. ®. O. I, 3, 8.7z I, 10, gz. 219, 385, 386.

312

Teste- Buch.

Allgemeine Lehren.

beim bet Mangel bet gehötigcn Bekanntmachung Hinbett eines Theils bie Ungehorsamsbeschuldigung, andern Theils kann bet be­ stimmte Ott, wegen Unpäßlichkeit unb wegen Unsicherheit bet Pat­

tei en, Gtunb zu Einwenbungen unb zut Vetsagung bet Folge­ leistung geben’) (S. o. §. 130).

D.

Zeitbestimmungen. §. 149.

1.

Atten.

Die Ftisten in Ptozessen sinb entwebet butch bas Gesetz vorgeschtieben, ober werben von bem Richtet bestimmt. 1. Die ge­ setzlichen Fristen sinb: a) Nothfristen (Fatalien), wenn sie von selbst laufen unb unabänderliche Bedingung der Befugniß zur Vornahme einer Handlung sind'); b) peremtorische Fristen, wenn sie in Folge einer richterlichen Verfügung, wodurch eine Handlung geboten ober gestattet wirb, beginnen*1), 2 3ober 4 bisweilen vor ihrem Ablaufe auf Verlangen verlängert ober abgekürzt wer­ den dürfen’); c) dilatorische, welche noch nach bem Ablaufe burch den Richter verlängert werden können*). 2. Die richter­

lichen Zeitbestimmungen sind sowohl peremtorische als dilatorische, bald eigentliche Fristen, innerhalb welcher die Handlung jeden Tag vorgenommen werden kann, bald bestimmte Tage (Termine), an welchen solche vor sich gehen soll5).6 Die Dauer dieser Zeiträume

wirb nckch dem Ermessen des Richters bestimmt und auch verlän­ gert •). Die Parteien können die Fristen und Termine mit beider­ seitiger Einwilligung verlängern, ausgenommen die Fatalien, die

7) c. 11, $. 1 de reecript. in 6 (I, 3); CI. 2 de «ent. et re jud. (II, 11). 1) A. G. O. I, 14, SS. 21 ff.; I. 15, $. 5. — V. vom 5. M-i 1838, $. 5 (®. S. S. 273). - L. 1, SS- 5, 11-15; L. 2 pr. §$. 1, 3 D. quando appelland. (XLIX, 4); L. 3 D. de appell. reeip. (XLIX, 5). — L. 6, $■ 5 C. de appell. et consult. (VII, 62); L. 3 C. de temp. et separat, appell. (VII, 6a). — c. 2, 11, 15 X. de »ent. et re jud. (II, 27). — Ä. G O. von 1555, II, 29, S- 2; I. R. A. $ 121. 2) ®«spielt: A. L. R. I, 20, SS- 609 ff.; ®. vom 4. Mär, 1834, %. 5. 3) »«spielt: A. L. R. I, 9, S$. 424—427; A. ®. O. I, 24, $. 31. Bergt, c. 1 de restit. »pol. in 6 (II. 5). 4) A. G. O. I, 16, S. 19. - Krim. Ordn. $. 518. 5) B. vom 21. Juli 1846, SS- 2, 3, 7. 6) Menda, §. 2. — A. ®. O. I, 8, $• 2. Die Bestimmung der Länge und Kürze entspricht oft Wenig den Umständen, dabei ist aber nicht Willkür, sondern die Ueberladuiig der Richter die Ursache. 8» kommt vor, daß in ein­ fachen Bagatellsachen die Termine auf Monate hinau-geseht teerten muffen.

(Stfotbtrnifft zur Hrrstrllimg in Brstandthrilk:t.

Prezeßhandlungen.

313

von beten Willkür unabhängig find7), weil sie die öffentliche Ord­ nung betreffen, die dabei interesfirt, daß die einmal anhängigen

Rechtsstreite sich nicht verewigen. §. 150.

2.

I.

Berechnung und Verlängerung.

Bon allen Fristen, d. h. Zeiträumen, in welchen wäh­

rend der ganzen Dauer in jedem Augenblicke der Geschäftszeit die Handlung vorgenommen werden kann, gilt die Regel, daß sie von

dem Tage der Insinuation der richterlichen Verordnung zu laufen anfangen') Die Berechnung der Zeit ist die bürgerliche, indem nicht von Augenblick zu Augenblick gezählt, sondern der Tag als

ein untheilbarer Zeittheil genommen wird7).

Der erste Tag wird

nicht gezählt *), die Frist läuft mithin erst mit dem Ende des letz­

ten Tages ab*).

Die Festtage werden mitgezählt, auch der letzte

Tag, wenn er auf einen Festtag fällt7).

In solchem Falle ist

also der äußerste Zeitpunkt der letzte vorhergehende Geschäfttztag. Die Gerichtsferien') schaden der Gültigkeit einer vorgenommenen Handlung nicht7), aber die Befolgung einer Verfügung; worin eine Gerichtshandlung auf einen Tag der Ferien angesetzt wird,

7) D. vom 14. Dccbr. 1833, §. 21 a. E. — R. vom 9. März 1836 (Er­ gänz. zur A. G. O. I, S. 448). — Gemeinrechtlich ist die- kontrovers. 1) 93. vom 5. Mai 1838, $• 5 (G. S. S. 273). — Jnstr. vom 7. April 1839, Nr. 42.

2) Sntsch. des Ob.-Tr., 93b. VH, S. 144. 3) V. vom 5. Mai 1838, $. 9. Vorher stritt man darüber. Bericht des Ob.-Tr. vom 6. März 1835 (Mannkopf, A. G. O. II, S. 114). — M. Privatrecht, $. 221.

4) Unter der jüngsten (1847) TageSliteratur befindet sich eine „Tabelle zur Auffindung der Ablauf-fristen bei Anwendung und Einreichung des Rechtsmittels der Appellation, der Revifion und der Nichtigkeitsbeschwerde, desgleichen zur Einleaung des Rekurses, Frankfurt a. d. O. und Berlin (bei Trowitsch und Sohn) 1847-, welche von Anfang bis Ende unrichtig ist. Darin find für jeden Tag de- JahreS, an welchem eine Insinuation geschehen, die Tage angegeben, mit welchem die verschiedenen Fristen ablaufen sollen; die Angabe ist aber überall um einen Tag zu spät. 5) „Eine Verlängerung der Frist findet nicht statt." V. vom 14. Decbr. 1833, 8 21. — A. M. ist der Justizminifter Mähler nach einem Erlaß vom 19. Juni 1834 (Ergänz, zur A. G. O. a. a. O.) auf Grund deS A. L. R. I, 3, S$. 47, 48; welche Bestimmungen jedoch auf die Fatalien nicht paffen. M. s. daS im Eentralbl. 1841, S. 389 mitgetheilte Erkenntniß deS Ob.-Tr. Nach L 2 11 C. de feriis (HI, 11) wird gemeinrechtlich der letzte Tag, wenn er ein Feiertag, nicht gerechnet. Mevius, Dec. III, 276. 6) Gesterding, Bd. III, S. 57 ff.

von

den

GerichtSfeiertagen:

7) Anh. zur A. G. O. (ID, 1, $. 52) $. 444.

in

den

Nachforschungen,

314

Erste« Buch.

AUgemeiae Lehre«.

kann abgelehnt werden, außer wenn von einem schleunigen und dringenden Arreste, dessen Anlegung und Rechtfertigung nicht ohne

die höchste Gefahr ausgesetzt werden kann, Rede ist'). ferien

finden statt:

Gerichts­

1. an kirchlichen Sonn- und Festtagen');

2. an jedem der drei Feste Ostern, Pfingsten und Weihnachten auf 14 Tage; und 3. in der Erndte auf 4 Wochen1 °).

selben sollen keine Termine angesetzt werden,

Während der­

ausgenommen in

Wechsel-, Alimenten-, Arrest- und andern Sachen, wo Gefahr bei

dem Verzüge ist, sowie in den abgekürzten Prozessen, und auch wenn die Parteien nicht persönlich zu erscheinen haben"); doch

sind jeden Falls die Sonn- und Festtage fr« zu lassen, und es ist, wenn in einer Vorladung ein Termin auf einen Sonn- oder Fest­

tag angesetzt ist, darunter jederzeit der nächstfolgende Geschäftstag zu verstehen").

II.

Kann die Partei in der bestimmten Frist

oder in dem angcsetzten Termine die Handlung nicht vollziehen, so findet eine Fristverlängerung und beziehendlich Terminsverle­

gung (Prorogation) statt: 1. mit Einwilligung des Gegners ohne

Weiteres; 2. ohne sie, wenn der Antrag durch erhebliche Gründe (Ehehasten, impedimenta legitime) ”) unterstützt ist.

Ob auch

Bescheinigung beizubringen, hängt von dem Befinden des Rich­ ters ab"),

wo sie das Gesetz nicht besonders fordert").

Die

Bewilligung der Prorogation steht in dem Ermessen des Richters,

er kann sie verweigern, wenn auch von der Verlegung des ersten Termins im gewöhnlichen Prozesse Rede wäre").

Ein Hinder­

niß in der Person des zum Anwalt bestellten Rechtsanwalts darf 8) «uh. z. A. G. O. (I, 8, $. 5) $. 62. - R. ». 5. Mär» 1810 (Rabe, X, S. 294). — Brrql. L. 2, 3 D. de feriis (II, 12); L 5 C. eod. (III, 12); c. 5 X. eodem (II, 9). 9) A. G. O. I, 8, $. 5. Auch bet Sabbath bet Juden wird berücksichtigt. R. vom 9. Mai 1823 (tirgüni. zur A. G. O. I. 8, $. 5, Nr. 2) und R. »cm 30. Marz 1835 (Ebenda, 1, 28, zu g. 11 bet B. vom 1. Juni 1833, Rr. 111). 10) «. ®. O. III, 1, $. 51. - R. vom 23. Juli 1814 (Jahrb. Bd. IV, S. 30). Feriencrbunng de« I. M. Simon«, vom 16. April 1850 (I. M. Bl. Seite 129). 11) «. ®. D. -. a O. $. 53; I, 8, $.5; Anh. $. 62. - R. v. 12. Mai 1834 (Jahrb. Bd XLIII, S. 537). 12) « G. O. I, 8, $. 5. — R. vom 5. Mär, 1810 (Rabe, X 294). 13) L. 2-4 D. »i quis caution. (II, 11); L. 75 D. de iudiciie (V, 1); L. 60 D. de re jud. (XLII, 1). 14) B. vom 21. Juli 1846, $. 1. Dadurch ist bie «. ®. O. I, 8, $. 23 modifieiri. 15) B. vom 21. Juli 1816, $. 10. 16) Ebenda, $. 1, wodurch die Vorschrift der A. @. D. a. a. O. besei» tigt ist.

Erfordernisse zur Herstellung der Bestandtheile rc. nicht beachtet werden'»).

Die Prorogation findet auf einseitigen Der Antrag muß vor Ablauf des

Antrag nur einmal statt'»).

und

Termins

so

315

Prozeßhandlungen.

angebracht

zeitig

werden,

daß

die Personen,

welche sonst noch dazu geladen sind, von der Verlegung noch zu

rechter Zeit benachrichtigt werden können, sonst muß sie der Su­

chende schadlos halten").

Ein Termin ist abgelaufen, in dem

neuen Verfahren, wenn man sich nach dem Glockenschlage der be­ stimmten Stunde auf den Aufruf nicht meldet"'), in den nach

der A. G. O. noch zu verhandelnden Sachen, wenn man in ei­

nem Vormittagstcrmine bis um 12 Uhr und in einem Nachmittagstermine bis um 5 Uhr sich nicht meldet.

Wenn man in die­

sen letztgedachten Sachen zwar noch vor der Präklusionszeit, aber doch über eine Stunde später sich einfindet, muß man alle Mal

die daraus entstehenden Kosten tragen"'').

Ein erst nach Ablauf

der Zeit eingehendes Prorogationsgesnch findet bei peremtorischen Fristen

und

Terminen

keine

Berücksichtigung

mehr»");

es

ist

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nothwendig (§. 151 a. E.); Fristverlängerungen

laufen, wenn

vom Ende der ersten Frist an»').

kein Endtermin bestimmt

ist,

3. Von selbst (ipsojure) tritt

Fristverlängerung ein, wenn eine Partei im Laufe des Prozesses

stirbt").

E. Schmelzer,

Ungehorsam und dessen Folgen.

Contumacialprozeß dcr höchsten Reichsgerichte in einer mit den

Gesetzen verglichenen Darstellung der gegenwärtigen PrariS.

Götting. 1792.

17) A. G. O. I, 8, 30. — V. vom 21. Juli 1846, §. 10. - Der ver­ hinderte Rechtsanwalt muß für einen Substituten sorgen.

18) V. vom 21. Juli 1846, § 1, a. E. — Dadurch find die Vorschriften der A. G. O. 1, 8, 88- 24 ff. über fernere Prorogationen aufgehoben.

19) A. G. O. a. a. O. 8-21. 19 a) V. vom 1. Juni 1833, §§. 12 n. 21. — K. O. vom 18.Oetbr. 1837 (G. S. Stuck 19).

19b) A. G. O. I, 8, 8- 8. erwiesen.

Diese Bestimmung hat sich völlig unpraktisch

20) Ebenda, 8* 9; I, 32, 8- 28. — M. s. den von mir erzählten sonder­ baren Fall, in welchem daS Gericht diesen Satz, wegen Mangels einer Ver­ schuldung, nickt augewrndct hatte, in meiner Preußischen Rechtsverfaffunq, Erste Fortsetzung, S. 10 und ff. Anders bei nicht präklusivischen Fristen. A. G. O.

1, 14, 8« 43. 21) Arg A L.R. I 9, SS- 424, 425; A. G. O. I, 20, SS- 2 u. 3. Wernher, Obs. P. VIII, obs. 310. Die Meinungen darüber sind different. Entlge rechnen vom Tage der Bewilligung an. Von der Insinuation des VerlangerunaSdckretS lst mcht zu rechnen; dadurch würde der Suchende meistens eine längere Frist, als er selbst nachgesucht hat, erhalten.

22) A. L R I 9, 8. 386 - A. G. O. I, 20, SS- 2, 3. - L. 29 D. de re jud. (XLII, 1); L. b C. si pend. appellat. mors (VII, 66).

Erste- Buch.

316

Allgemeine Lehren.

— Steffen», de indole contamaciae in eausis exercendi» civilibui. Bruchstücke aus der Lehre von den Wir,

Heidelb. 1817. — GenSler,

kungen de- Ungehorsam- im bürgerlichen Prozesse; im Arch. s. civil. Praris, Bd. IV, S. 190. — Lauf, über den Ungehorsam in bürgerlichen Rechts­

streitigkeiten.

Würzburg, 1827. — Sinteni-,

teien im bürgerlichen Prozeß.

der Ungehorsam der Par­

Zerbst, 1828. — Prasse, de indole con-

tumaciae in eausis civilibus.

Lips.

1829. — Eisenlohr, über da-

Contumacialsystem im Civil - Prozesse; in Duttlinger, v. Weiler und

v. Ketten acker Archiv für Rechtspflege und Gesetzgebung im Großherzogthum Baden, Bd. II, S. 24 ff.

§. 151. 1.

Begriff und Bedingungen des Ungehorsams.

Wer eine arctatorische Verfügung ganz oder theilweise') un­ befolgt läßt, ist ungehorsam und heißt Ungehorsamer (contumax).

Der Ungehorsam (contumacia) setzt voraus:

1. die Verfügung

muß gesetzmäßig gewesen sein; 2. sie muß gehörig insinuirt wor­ den und die Insinuation muß bescheinigt sein (§. 143)*); 3. der

Richter muß nicht die Prorogation bewilligt haben; 4. die Frist

muß vollständig abgelaufen sein (§. 150, Nr. II); 5. der Gegner

mußte sonst die contumacia gerügt haben (accusatio contumaciae)31),42 5d. h. er mußte selbst erschienen sein und auf Contumacialverfahren angetragen haben; allein in dieser Hinsicht weicht das

neue Preuß. Prozeßrecht von dem sonstigen*) und von dem Ge­ meinen erheblich ab, indem die Strafe der unterbliebenen Klage­

beantwortung von dem Richter

ohne Antrag des Klägers und

selbst alsdann, wenn derselbe im Termine nicht erschienen ist, ver­ hängt wird, vorausgesetzt jedoch, daß die an ihn erlassene Verfü­ gung bloß monitorisch war»).

In Verfolg der weitern Verhand­

lung muß die Ungehorsamsbeschuldigung und der Antrag:

was

zum Nachtheil des Ungehorsamen geschehen soll, angebracht wer1) Wenn ein Borgcladener erscheint und nicht vollständig antwortet, wenn eine Partei sich schriftlich zu erklären hat und nicht vollständig sich läßt, so ist ebenfalls Ungehorsam vorhanden. A. G. O. Einleit., $. 14; §. 9. - V. v. 1. Juni 1833, 8- 25, a. E. - D. v. 21. Juli 1846, $$.

oder auSI, 8 4, 8,

2) A. G.O. Einleit. $. 15; I, 8, $. 15. 3) L. 13, 8 2 C. de jud. (III, 1); Nov. 112, c. 1. — Leyser, Medit. sp. 33, coroll. 1. — Morgenstern, de origine et ambitu regulae contumacia non accusata non nocet. Lips. 18x9. — Brand iS, über dcn Zeitpunkt, mit welchem die Nachtheile deS Ungehorsam- eintreten. Jena, 1834. Auch unter dem Titel: Abhandlung au- dem Civilprozeß, Bd. I.

4) Cod. Frid. Th. II, Tit. 5, $. 4, G. 76. — D. v. 1. Juni 1833, $. 12.

5) B. vom 21. Juli 1846, $. 4. - A. G. O. I, 8, SS- 9 und 10, verb. mit 1, 6, SS* 15 und 14, Nr. 5.

Orferbmiifft zur Herstellung der Bestandtheile ,c.

den*).

Prvjeßhanlimgeu.

317

6. Die Contumacia muß nicht purgirt worden sein, wel­

ches in den Fällen, wo der Eintritt der Strafen von der Unge­

horsams-Beschuldigung abhängt, so lange geschehen kann, als die Beschuldigung noch nicht erfolgt ist.

Der Grundsatz der Allgem.

Gerichtsordnung, daß die Folgen der Contumaz, selbst gegen den Antrag der andern Partei, bis zum Schluffe der Instanz noch ab­ gewendet werden konnten, nur daß eine Ordnungsstrafe gegen den

Ungehorsamen verhängt werden durfte6 7),8 9gilt 10 11 im12neuesten 13 14 Prozeß­ rechte nicht mehr*).

7. Die Verfügung muß vollständig enthal­

ten, was von der Partei gefordert wird •), und denjenigen Rechts­ nachtheil androhen'"), welcher den Ungehorsamen nach gesetzlicher Vorschrift") treffen soll. 8. Die Versäumniß muß imputabel

sein * *), was jedoch angenommen wird, wenn keine Entschuldigung

und Bescheinigung vor Abfassung des Contumacial- Erkenntnisses eingeht");

später findet nur

Wiedereinsetzung

in den vorigen

Stand statt").

2.

§. 152. Folgen des Ungehorsams.

I. Die Folgen des Ungehorsams bestehen in einem, den Un­ gehorsamen treffenden, Rechtsnachtheil, woraus dem Gegner oft Vortheil erwächst.

Gemeinrechtlich hat dieser Nachtheil die Natur

6) B. vom 1. Juni 1833, $. 24. — Rach der A. ®. O. I, 9, $$. 42, 43 mußte der Richter auch hierbei von Amts weaen verfahren, ohne Rücksicht auf den Antrag des Gegners. Zum Theil geschieht eS noch, nämlich wenn in dem Verhandlungstermine beide Theile ausbleiben. V. vom 1. Juni 1833, §. 49. 7) «. G. O. I, 9, $. 44; I, 10, $. 376.

Dergl. o. $. 120.

8) Äntfch. des Ob.-Tr., Dd. X, S. 472. Äin in erster Instanz deferirter (Üb, über welchen der Delat sich nicht erklärt hat, kann in dem Schluß-Ver­ handlungstermine in appellatorio nicht mehr acceptirt werden. Ang. von dem III. S. de- Ob.-Tr. am 27. März 1849 in Sachen Heinze c. Hecht, •tly^asl, 111, 48. Vergl. oben §. 120, Anm. 14.

9) Deshalb kann sich das Präjudiz nicht auf solche sachen beziehen, welche bis dahin, wo der Ungehorsam zur Sprache gebracht worden waren, vielmehr erst in Andere auSbleibt, vorkommen. D. vom 1. Juni 1833, $ quae »ent. »ine appell. (XLIX, 8).

Gegenstände und That­ sich äußert, noch nicht dem Termine, wo der 49. — L. 1, $. 3 D.

10) Dieselbe D. SS 8, 18, 49, und A. G. O. an allen Stellen, wo von Citationen in den verschiedenen Prozessen gehandelt wird. — Jnstr. v. 24. Juli 1833, SS. 23, 33. 11) Deshalb ist die Androhung oder Anwendung eines ander« Präjudizes Richtigkeit. D. vom 14. Deebr. 1833, 8 5, Nr. 2.

12) A. G. O. Cinleit. $$. 14 u. 15. — M. Preuß. RechtSverfaffung, Forts., S. 10 ff. Ohne Schuld kein Ungehorsam und keine Strafe!

13) «. G. O. I, 8, SS- 8 u. 10.

erste

S. o. $. 150, Note 20.

14) L. 7, $. 12; L. 8 D. de minor. (IV, 4); L. 15, $• 22 D. de damno ins. (XXXIX, 2). — Leyser, Med. »p. 33, m. 2.

Erstes Buch.

318

Allgemeine Lehren.

der Privatstrafe, daher darauf nur auf ausdrückliche Anklage des

Ungehorsams erkannt wird').

Die Prcuß. Prozeßgesetzgrbung be­

trachtet den Civilprozeß als eine Staatssache und folgeweise den

Ungehorsam als eine Nichtachtung obrigkeitlicher Befehle, daher der Richter in mehreren Fällen von Amts wegen die angedrohte

Strafe, auch wenn sie in einem Vortheile des Gegners besteht, anzuwenden hat (§. 151, Nr. 5)*).

macia ist doppelt.

II. Die Strafe der Contu-

1. Der s. g. allgemeine Nachtheil (poena

conlumaciae generalis) besteht in Bezahlung und Erstattung der Citations-, Termins- und Versäumungs-Kosten ’), welche auch aus

Nichbefolgung dilatorischer*) Verfügungen folgt.

2. Der be­

sondere Nachtheil (poena c. specialis) tritt nur nach peremtarischen Verfügungen ein und besteht im Allgemeinen darin,

daß die gebotene Handlung für geschehen oder für unterlassen an­ genommen wird, je nachdem es dem Ungehorsamen am nachthei­

ligsten ist*).

n. Thätigkeit deS Richt-rS in Beziehung auf andere Gerichte. §. 153. 1.

Gleichstehender (coordinirter).

Wenn in einem Rechtsverfahren der

Verfügung an eine Person zu

erlassen

leitende Richter eine

hat,

welche alS Partei

oder Dritter in den Prozeß gezogen wird, aber nicht unter seinem

Gerichtszwange steht, oder wenn eine Handlung in einem andern Gerichtsbezirke vollzogen werden soll, so muß er den ordentlichen persönlichen Richter derselben um Hülfe Rechtens angehen. geschieht mittelst Requisitionsschreibens (Compaßbriefe).

Dies

Der An-

1) L. 13, § 2 C. de jud. (III, 1). - I. R. A. $. 37. — Jt. ®. O. von 1555, III, 41, 8 1 — Ebenso nach altem Pr. R. S. o. 8-27, Periode 1748—1848, Abschnitt C, Verfahren.

2) S. o. S. 106. — Ueber die Ansichten, womit die Folge» des Ungehor­ sam- zusammenhangen, s. m. besonder- Mittermaier, ter deutsche gemeine bürgerliche Prozeß, Bd. II, S. 106 ff. — Martin, de indole contumaciae in caus. civil, contentiosi«.

Goett. 1802.

3) A. ®. O. I, 9, 8 44; I, 6, 8 18. — L. 13, 8 2 C. de jud. (III, 1). — c. 2, 5, 6 X. de dolo et contumacia (11, 14); e. 1 eodem in 6 (II, v). — R. Ä. ®. O. von 1555, III, 43, §. 3. 4) A. G. O. I, 35, 8- 47. 5) Ebenda, Sink. 8- 15 und I, 9, 8- 44. — B. vom 21. Juli 1846, 8 9. Diejenigen Vertheidigung-- und Bnvei-mittel, welche vorgebracht oder aufgelegt werden sollten, wie z. V. Urkunde», gehen der Kontumaz verlustig.

(hforbttnifft zur Herstellung brr Bestandtheil«

k.

Prozeßhanblnnge«.

319

laß dazu find nicht allein Jnfinuationen (§. 143), sondern auch

Zeugenvernehmungen oder Zeugengestellungen •), Exekutionen1 2)3 und Arrestschläge*), oder Bedürfniß um Auskunft über einen Gegen­ stand, oder Gmnd zu irgend einer Benachrichtigung.

Aber außer

dem Falle eines ordentlichen Rechtsverfahrens, wozu Kompetenz

des Gerichts gehört, ist ein Ersuchungsschreiben eines Gerichts an

ein Anderes, z. B. das auf Antrag eines Interessenten erlassene Ersuchen um Aufnahme eines Akts der fteiwilligen Gerichtsbar­

keit, etwa um Aufnahme eines Löschungskonsenses in einer Hypo­ thekensache oder um Aufnahme einer Beitrittserklärung zu einem Vertrage, keine Requisition, vielmehr nur eine Bestellung auf einen

Notariatsakt für den Extrahenten, der sich selbst darum bewerben

sollte 4).5 6 Der Styl und Ton der Requisition muß höflich und gefällig, ernst und würdig sein, ohne alle Curialien und Gegen­ dienstversicherungen, welche bei inländischen Gerichten keinen Sinn

haben, da bei allen Gerichten die nämliche Gerichtsgewalt die Ge­

rechtigkeit handhabt'); nur bei Requisitionen an auswärtige Ge­ richte giebt man das Versprechen bereitwilliger Erwiederung in

ähnlichen Fällen*) (assertio reciproci).

§. 154. 2.

Untergeordneter (subordinirter).

Nicht der Rang der Gerichte, sondern die Unterordnung des Einen unter das Andere macht die Subordination.

Ein subordi-

nirtes Gericht bedient sich bei Requisitionen an das Vorgesetzte

deS Berichtsstyls, welcher in Form der Bitte sich bewegt'); und

das Vorgesetzte gebraucht gegen das untergeordnete Gericht den s. g. Rescriptenstyl, dessen Charakter der befehlende Ton ist, doch werden die Wendungen, zur Erhaltung einer guten Stimmung

und zur Förderung deS Geschäftsganges, von verständigen Ober­

gerichten so genommen, daß, besonders bei größeren Untergerichts1) «. G. O. I, 10, SS 21« ff.; SS. 175ff.

2) (ibtnbe, I, 24, SS 27-29. — Anh. $. 151. 3) Ebenda, $. 101; I, 29, $. 44.

4) Diese Gattung von Requisitionen gehört gar nicht Justizverwaltung.

in da- Fach der

5) Andere Ansichten bei v. Bülow und Hagemann, prakt. Erörterungen, Bd. II, S. 306. 6) A. G. O. I, 7, $. 4. Auf dergleichen Zusic-eruna soll besonderKriminalsachen gehalten werden. Krim. Ordn., $. 96, Nr. z.

1) «. G. O. III, 8, t 14.

in

Buch.

320

Allgemeine -ehrm.

kollcgien, der geradezu befehlende Ton und der selbstgefällige Aus­

druck einer sich beigemessenen besondern Weisheit (die bisweilen

in'S Lächerliche

geht)

oder höher» Klugheit vermieden wird»).

DaS SubordinationSverhältniß hat überhaupt nur auf die MittheilungSform Einfluß, ändert aber nicht die Prozeßgesetze und Rechts­

grundsätze, daher z. E. ein Obergericht bei Urkunden-EditionSver-

fügungen gegen ein Untergericht keineswegs die gesetzlichen Erfor­ dernisse eines gehörig begründeten Editionsgesuchs übersehen oder die edirten Schriften nach Willkür zurückhalten darf (§§. 225, 226).

Zwischen Untergerichten und solchen Obergerichten, welche ihnen

nicht als höhere Stufeninstanz vorgesetzt sind, wird der Requifitionsstyl wechselseitig gebraucht»).

§. 155. 3.

Verpflichtung der Gerichte zur Hülfe Rechtens.

Bodschied, de litteria mutui compasau*.

Argent. 1776. — Hart-

leb tu, Erläuterung der nach reich-kammergerichtlichen Grundsätzen noch un­ erörterten Recht-materie von Requisitionen. Wetzlar, 1792. — Zwier*

lein, D. I, de literia requiaitorialibua ex uiu romanorum anliquiori et recentiori; Ej. D. II, de literis requiaitorialibua ex uau Gennanorum antiquiert et recentiori. Goett. 1785.

1.

Die inländischen Gerichte sind verbunden»), einander be­

reitwillig Hülse zu leisten und den Requisitionsschreiben einheimi­

scher Gerichte unweigerlich zu entsprechen, ohne sich eine Beurthei­ lung der Rechtmäßigkeit der Verfügung anzumaßen.

gegen von der Partei Einwendungen

gemacht,

Werden da­

so hat

sie das

requirirte Gericht damit an den requirirenden Richter zu verwei­ sen, inzwischen aber mit der Vollziehung vorzuschreiten *), wenn

2) Durch die Nichtachtung der persönlichen Würde wird bi-weilen viel geschadet; die heutigen Zustande leiden keine unverständigen Aeußerungen eine­ despotischen AufbrnstenS; eine ruhig gehaltene anständige und würdige Schreib­ art hat ganz andere Wirkungen, al- eine brutal befehlende, oft nicht paffende. Darüber f. in. meine Preuß. RechtSverfaffung, S. 18V und ff. — Zn meiner Freude ist das darüber von mir Gesagte nicht ohne gute Folgen geblieben. Die persönliche Würde muß in allen Zuständen geachtet werden. Die neueste Zeit, in der man wieder in großer Sicherheit lebt, hat in der Grobheit wieder einen Rückschritt gemacht. Ein mir vorgekommener, geistreich und originell sein wollender Emporkömmling hat eine neue Art von Styl an seine Unter­ gebenen erfunden: er apostrophirt sie immer, was sich oft komisch auSnimmt, indem die Apostrophirten ihn bisweilen wieder apostrophiren, woraus dann mit­ unter ein DiSciplinarverfahren gemacht wird. 3) Ist auch gemeinrechtliche PrariS. — GenSler, Anleitung zur gericht­ lichen PrariS, Dd. I, S. 222. 4) A. G. O. I, 7, $S. 9. u. 10; I, 24, $. 28. 5) A. G. O. I, 24, S- 28. - L. 6, 8 C. de exec. rei jud. (VH, 53).

(frforbnnifft zur Hrrftrlkmg der BrAaadthrilr it.

Prozrßhandlungru.

321

nicht die Einwendungen begründet erscheinen'); ist aber das requirirte Gericht dem requirirenden vorgesetzt, unb findet bei der

Vollziehung der Requifition Bedenkm, so darf es vor der Genüge­

leistung den zur Hebung des Bedenkens erforderlichen Aufschluß einforbem7).

Glaubt das requirirte Gericht, daß in seine Rechte

eingegriffen worden sei, so ist der Streit an das Obergericht und beziehendlich an daS Justizministerium oder Obertribunal zur Ent­

scheidung zu bringen').

Deputirte (§. 43) sind nicht zu Requi­

sitionen befugt, sondern müssen dem Kollegium daS Erforderniß

anzeigen'); wohl aber sind Kommissarien (§. 43) berechtigt, Re­

quisitionen zu erlassen").

Weigert sich ein inländisches Gericht

einer statthaften Requisition zu genügen, so wird es dazu durch

Befehle und Sttafen angehalten, muß auch der Partei für Schä­ den und Kosten gerecht werden").

disches Gericht die

II. Verweigert ein auslän­

Hülfe Rechtens (subsidium Juris), so muß

auf diplomatischem Wege den Anstand zu

den 1 *).

heben versucht wer­

Diesseitige Gerichte sollen den Auswärtigen alle Bereit­

willigkeit erweisen"),

wenn nicht hiesige Rechte

beeinträchtigt

werden"). §. 156.

in. ThLttgk-tt der Iustizkoll-gt-n. I.

Ist der Richter eine Personenmehrheit (Kollegium, §. 49),

so entstehen die richterlichen Verordnungen und Aussprüche durch

— c. 28, $. 3 X. de off. et polest, jud. deleg. (I, 29); c. 5 X. de appell. (II, 28); c. 5 X. de sent. et re jud. (II, 27). 6) Gesetzwidrigkeiten und Berschen sind immer bemerklich zu machen. — Ueber die Befuaniß eine- durch Eompaß oder HülfSschreiben requirirten Gerichts, wegen der demselben, in Betreff der Rechtmäßigkeit und Stattnahmigkeit der Requisition aufstoßenden Bedenklichkeiten, die nachgesuchte RechtShülfe von Amts wegen entweder vorerst oder ganz zu verweigern; in v. Bülow und Hagem a n n prakt. Erörter. Bd. IV, S. 24 ff.

7) A. G. O. I, 24, $. 29. 8) Ebenda, $. 28. — I, 2, $$. 131 ff. S. o. $. 43. 9) A. G. O. I, 10, SS-17, 217. 10) Ebenda, I, 35, $. 61. - B. vom 1. Juni 1833, $. 67.

11) A. G. O. I, 7, S$. 9, 10. 12) Ebenda, $• H- — Mit den Deutschen Bundesstaaten find mit weni­ gen Ausnahmen besondere Vcreinbarungeu, betreffend die Korrespondenz der beiderseitigen Gerichtsbehörden, getroffen. S. die Zusammenstellung in den Er^ällzimgen^. A. G. O. I, 7, $• H — v. Bülow u. Hagemann, Erörter.

13) A. G. O. I, 10, S 225 b. 14) Wie z. B. bei Requisitionen um Erekution, s. o. §. 147, Note 3; oder um Konkurseröffnung. I, 50, $. 671. Koch, Ttvilprozeß. 2. Aufl. 21

Erste- Buch.

322 Beschlüsse.

Allgemeine Lehre«.

Behufs Fassung der Beschlüsse müssen die Mitglieder

deS Kollegiums, wenn nicht schriftlich votirt wird, persönlich zu­ sammen kommen, um sich zu berathen und auSzusprechen: das

schriftliche Votum eines Abwesenden wird nicht gezählt'). Ob eine

Sache außerhalb der Sessionstage in einer außerordentlichen Zu­ sammenkunft berathen, oder zum schriftlichen Votiren unter den

einheimischen Mitgliedern befördert werden soll, hat, wenn nicht

wie bei Urteln das schriftliche Votiren an sich unstatthaft ist, aus­ schließlich der Vorsitzende zu bestimmen und anzuordnen 1 2).3 4 5In

der Versammlung trägt ein Mitglied (Decernent, Referent) den Inhalt der Akten mündlich oder schriftlich vor und fügt seinen Vorschlag über die zu treffende Bestimmung (Votum bei').

Hat

der Vorsitzende einen schriftlichen Vortrag angeordnet, so muß der Decernent oder Referent das Geschichtliche kurz und bündig auf­

schreiben, sein Gutachten beifügen (relativ cum voto), und den Aufsatz verlesen.

Für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des

Aktenauszugs haftet zwar zunächst der Vortragende, doch ist auch

der Vorsitzende subsidiarisch verhaftet, wenn er durch Anwendung

der ihm

vermöge

Versehen

hätte verhüten

seines Amts

oder

obliegenden Aufmerksamkeit daS

abwenden

können

und

sollen').

Zur Controlle dient die Correlation, die jedoch bei dem s. g. Mcmoralien-Vortrage, d. i. dem Vortrage der Gesuche und Anträge,

so wie bei dem Spruchvortrage in erster Instanz nicht üblich ist.

Man versteht darunter im Allgeineinen eine von einem zweiten stimmfähigen Vortragenden (einem Mitgliede oder einem Hülförichter)') ausgearbeitete Relation. Sie kommt nur in solchen 1) V. vom 14. Dccbr. 1833, §. 5, Nr. 4 und $. 24. — Jnstr. v. 7. April 1839, Nr. 45 u. 46. - V. v. 21. Juli 1846, $ 24. — Cramer, Obs. jur. univ. Tom. II, obs. 730. 2) A. G. D. III, 2, $. 19. Bisweilen setzen unerfahrene Mitglieder eines Kollean in guter Abstcht Sachen zum schriftlichen Votiren in Umlauf, so daß der Vorsitzende davon erst etwas erfährt, wenn sie bis zu ihm gelangen. 3) A. G. O. III, 3, §. 43. Gin schriftlicher Entwurf der Verfügung oder Entscheidung soll schon mitgebracht und zur Grundlage deS mündlichen Vortrags genommen werden. SS« 42, 53. 4) A. L. R. II, 10, SS« 130—132. So lange ihm nicht zur Pflicht ge­ macht worden ist und auch nicht gemacht werden kann, auS allen Akten ein Gorreferat zu liefern, ist die Vorschrift müßig. 5) Seitdem eS beliebt worden, die Richterstellen ^um Theil durch täglich wieder abberufbare Tagelöhner oder f. g. Diätaricn („HülfSarbeiter" ist der technische Ausdruck für sie, im Regl. vom 7. April 1839, Nr. 44, der ebenfalls an mechanische Dienstleistungen erinnert) verwalten zu lasse», find die ordent­ lichen Richter nicht mehr die allein stimmfähigen. — S. o. $. 37, Periode 1748—1848, Abschnitt B, die Richter. — Seit 1849 hat sich dieser Mißstand sehr vermindert, wenn noch nicht ganz verloren.

Erfordernisse zur Herstellung der Bestandtheile it.

Prozcßhandlungen,

323

Sachen, welche noch nach den Vorschriften der Allgemeinen Ge­ richtsordnung, oder bei Richterkollegien, bei welchen keine mündliche Verhandlung stattfindet, namentlich bei den Auseinandersetzungs­

behörden, verhandelt und entschieden werden, besonders in der zwei­ ten Instanz noch vor, und muß hier ein selbstständiger schriftlicher

Vortrag sein, bei dessen Ausarbeitung die Arbeit des ersten Refe­ renten weder gekannt noch weniger benutzt werden darf.

„Nur

die Folgeordnung des Vortrags in seiner Relation," d. h. die An­ ordnung des Stoffs, bei weitläuftigen Sachen, oder daß nur quoad

formal ia oder nur über einen Präjudicialpunkt referirt sei, darf der

erste Referent dem Zweiten eröffnen").

Die Methode, daß der

Correferent die Arbeit des Referenten benutzt, war in dem alten straftechtlichen Verfahren

üblich").

Nach beendigtem Vortrage

darf jeder Stimmfähige seine abweichende Meinung oder seine

besonderen Gründe vortragen, und nach hinlänglichem Austausch der Meinungen und Ansichten

wird der Beschluß (conclusum)

nach der Mehrheit der Stimmen,

die der Vorsitzende sammelt,

indem er nach dem Dienstalter vom Jüngsten aufwärts umftägt, gefaßt").

Bei Meinungsverschiedenheit ist absolute Mehrheit zur

Fassung eines gültigen Beschlusses erforderlich").

In Civilsachen

entscheidet bei Stimmengleichheit die Meinung des Vorsitzenden1 °).

Dem Vortragenden liegt die Fassung ob "), und der Vorsitzende

hat daraus zu sehen, daß die Fassung dem Konklusum entspreche").

6) V. vom 14. Dccbr. 1833, §. 23. - Jnstr. vom 7. April 1839, Nr. 44. Dadurch ist der §. 56 der A. G. O. III, 3 abgeLndcrt.. 7) Krim.-Ordn. §.501. Ueber den Vorzug der eineu Methode vor der andern s. m. die beiden sich widersprechenden Gutachten in den Jahrbüchern Bd. LXV, S. 300 ff. 8) A. G. O. I, 13, §. 31; III, 2, §. 16. 9) R. vom 29. Marz 1819 (Ergänz, z. A. G. O. I, 13, §.31, Nr. 4b), — Vergl. Struben, rechtliche Bedenken, Th. III, Bd. 71, §. 2. — In Be­ ziehung auf Summen: c. 1 de arbitris in 6 (I, 22). — L. 38, §. 1 D. de ?e jud. (XLII, 1).

10) A. G. O. III, 2, §. 17. Anders ehemals in Kriminalsachen, nach Kr.-Ordn. §. 506; jetzt kann der Fall der Stimmengleichheit nicht vorkommen. — Nach Gcm. N. giebt die Begünstigung mancher Sache den Ausschlag. Man spricht z. E. pro matrimonio, pro dote, pro libertate, pro testamento, contra fiacum, und endlich pro reo. L. 10 pr. D. de inoff. test. (V, 2); L. 39 D. de re jud. (XLII, 1); L. 10 D. de jure fisci (XLIX, 14). — c. 26 X. de sent. et re jud. (II, 27). S. auch v. Bülow und Hage­ mann prqkt. Erörter. II, 20, S. 240 ff. Daß der Vorsitzende kein Votum habe, entspricht der alten Deutschen Gerichtsverfassung. 11) A. G. O. HI, 3, §§. 42, 44; I, 13, §. 34. - Jnstr. vom 24. Juli 1833, $.41. 12) A. G. O. III, 2, §. 17. Jedes Mitglied ist befugt, darauf zu halten.

(Beste* Buch.

324

AllgkMkiut Lehrnl.

DaS Konklusum über eine Endentscheidung (Urtel) wird von allen daran Theil nehmmden Richtem unterschrieben' *), auch wird über

die Spruchfitzungen ein fortlaufendes Protokoll von einem ReferendariuS oder Sekretair geführt, welches bei jeder Sache die Namen der theilnehmenden Richter

und den Autzspruch vollständig ent­

halten und am Schlüsse einer jeden Sitzung von dem Vorsitzenden

und dem Protokollanten vollzogen werden muß").

Die Ausferti­

gungen werden von dem Vorsitzenden unterschrieben, von dem Ex­

pedienten, welcher für die Correctheit der Reinschrift haftet, con-

trafignirt und mit dem größer» Gerichttzsiegel besiegelt").

Der

Decernent ist daS Organ detz Kollegiums; er kann nie in seinem

Namen eine Verfügung erlassen und wenn auch, bei vorausgesetz­ ter Unzweifelhaftigkeit, das Dekret nicht vorgetragen wird, so ist eS doch immer datz Kollegium, welches durch ihn handelt, die Fas­

sung muß mithin impersonell und sein").

dem Verhältniß entsprechend

II. Man ist darüber verschiedener Meinung:

ob nur

über den verfügenden oder entscheidenden Bestandtheil (Urteltzfor-

mel), oder auch über die Entscheidungsgründe gestimmt werden

müsse"), das soll heißen: wie die Fragen bei der Abstimmung 13) R. v. 9. 3uiii 1834 (Jahrb. Bd. XLIII, S. 537). Justr. v. 24. Juli 1833, $. 41.

14) Jnftrukt. vorn 7. April 1839, Nr. 46. — St. O. vom 6. April 1839 (3. M. Bl. 1839, S. 142); und St. O. vom 1. August 1836 (&. S. S. 218). — Gärtner, das Sitzung-protokoll; in der junft. Wochenschrift für 1836, S. 841 ff. — Ist alte gemeinrechtliche Praxis. K. G. O. v. 1555, I, 28, $. 5. — R. A. vom 3. 1713, SS- 27, 28, 32 a. E, 34 a. (S.

15) Büreau-Regl. vom 3. August 1841, §. 13.

16) Es ist Unkunde, wenn der Decernent unter der Überschrift: „Dekret" in der ersten Person spricht. Nur in Direktorial- oder Präsidial - Verfügungen ist eS passend, weil der Vorsitzende für seine Person ein Imperium hat. 17) Darüber giebt eS eine Anzahl von Aufsätzen aus der neueren Zeit. M. s.: Ueber die Stimmensammluug in Spruchkollegien rc. in Kl ein'S Annal., Bd. XXIV, S. 94. — Ueber die Komputation der Stimmen bei Entscheidungen im Civilprozeffe; in der jnrist. Zeitung für 1832, Sp. 608; und Nachtrag dazu, Sp. 1121. — v. Schlieben, Grundlinien der Psephiftik, d. h. der Kunst, bei kollcaialischen Berathungen die Stimmen zu sammeln und auS denselben einen Beschluß darzustellen; ebendas, für 1834, Sp. 542, 561, 586. — Dorguth, Bemerkungen über die Art dcS AbstimmenS bei der UrtheilSfinduna, besonders über daS Votiren Hinsicht- der UrtheilSgründe; in der jurist. Wochenschrift für 1841, S. 153 ff.; und noch einige Worte über daS Abstimmen des votirenden Gerichts, S. 625. — Dcrselbe, der Begriff der Pluralität der Stimmen, ab­ strakt und dem Gesetz gegenüber; ebenda, S. 647. — König, über die UrtheilSfindung durch Stimmenmehrheit in (Zivilsachen; im Centralbl. für 1841, Sp. 630, 777, 927, 1095. — Waldeck, Beiträge zur Beantwortung der Frage: ob über den Tenor oder über die Gründe eines Urtels abzustimmen; in Ulrichs rc. Archiv, Bd. VII, S. 427. — Göschel, Universitaspersonarum sive corpus collegii: in: zerstreute Blätter aus den Hand- und HülfSakten eines Juristen, Bd. lf S. 232 ff.

Erfordernisse zur Herstellung der Bestandtheile rc.

Prozeßhandlun^en.

gestellt werden müssen, um einen richtigen Beschluß zu fassen.

325

ES

ist aber die Meinung, daß nur über daö DiSpositiv oder den in

der UrtelSformel auszusprechenden Satz abgestimmt werden dürfe,

entschieden falsch und unjuristisch: um zu einem Schlüsse zu kom­ men, muß über die angewendeten Angriffs- und Vertheidigungö-

mittel befunden, mithin muß sowohl über den Klagegrund (Fun­

dament), als über die von dem Gegner entgegengestellten Excep-

tionen, und zwar jedesmal besonders über die rechtliche Begründung (Zulässigkeit, Vollständigkeit) und über den Beweis, nach der Reihe, votirt werden, woraus dann das Ergebniß ohne logischen Wider­

spruch von selbst

folgt.

Die Art

der Abstimmung

ist in der

rechtlichen Natur der Rechtsmittel begründet, indem der Richter

keine Klage und keine Exception annimmt, wenn sie nicht recht­ lich zulässig (gegeben) ist, und sie, wenn er sie als statthaft ange­

nommen hat, doch abweisen muß, wenn die rechtlichen Erforder­ nisse nicht bewiesen sind oder der Klagegrund durch eine Exception

wieder gehoben ist").

Sowie nun der Einzelnrichter hierin mit

18) Man setze eine einfache DarlehnSklage. Der Beklagte leugnet erstlich ein wesentliches Erforderniß derselben, z. B. daß ihm die Summe in der Absicht, ihn zum Eigenthümer zu machen, gegeben worden sei, er bestreitet in dieser Hinsicht gänzlich, die von dem Klager behauptete Summe in gemünztem Gelde empfangen zu haben, und giebt bloß zur Aufklärung an, eine bestimmte Eisen­ bahnaktie, mit dem Beding, dieselbe Aktie nach davon gemachtem Gebrauche zurückzugcben, dazu erhalten zu haben, um sie als Pfand zu versetzen. DaS würde eln Commovat sein. Der Beklagte will aber hieraus nicht eine Vrception machen, vielmehr nur sein Leugnen erklären. Dann aber behauptet er eventuell Tilgung durch Zahlung; und noch weiter macht er den Einwand der Compensatio« und auch den der Verjährung. Bei der Abstimmung über diese Sache sind die Fragen so zu formuliren: 1. hat der Kläger bewiesen, die be­ hauptete Sumiyc Geldes dem Beklagten als Darlehn gegeben zu habend Wenn die Mehrheit dies verneint, so wäre noch, wenn der Kläger den Umstand für unerheblich und seine Klage schon durch die zugestandenen Thatsachen für recht­ lich begründet hielte, zu fragen: 2.' ist die DarlehnSklage dadurch begründet, daß der Beklagte eine bestimmte nur zur Verpfändung empfangene Aktie erhal­ ten hat? Wird die Klage für bewiesen oder für begründet erklärt, so ist weiter zu fragen: 3. hat der Beklagte die eventuell behauptete Zahlung bewiesen? dann: 4. ob die Erfordernisse der Compensatio» vorhanden und beziehlich be­ wiesen, und endlich: 5. ob die Verjährung begründet und bewiesen? AuS der Antwort der Gesammtheit auf jede Frage entwickelt sich von selbst der Schluß: ob der Kläger abzuweisen oder der Beklagte zu verurtheilen sei. DaS richtige Ergebniß muß vernünftigerweise auch der Gesammtwillc sein. ES kann kommen, daß die Mehrheit etwas Anderes will, als der richtig construirte Schluß mit sich bringt, daß z. B. in diesem Falle in einem Kollegium von drei Mitgliedern zwei den Beklagten verurtheilen wollen, weil der eine dieses, der andere jenes, in der Minorität, für richtig oder bewiesen hält, während nach dem Ergebniß der Abstimmung über die einzelnen Fragen der Kläger abgcwiesen werden muß. Und diesen Fall führen auch die Anhänger der andern Meinung als Beweis für deren Richtigkeit vor. Allein ein solcher Fall beweist nichts anderes, als daß die juristische Person unlogisch schließt oder sich widerspricht, was auch bei physischen

Arft«» Buch.

326

Allgcmciue Lehren.

sich klar und einig werden muß, so muß auch die Meinung einer

Personenmehrheit oder eines Kollegiums über jedes, das Ergebniß bestimmende, Motiv gefunden und festgestellt werden; der Gesammtwille aber ist alle Mal die Meinung der Mehrheit auch in der

Construktion des Schluffes.

IV. Verantwortlichkeit der Richter. §. 157. 1.

Wegen Pflichtverletzungen.

Pflichtverletzungen aus Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit in

der Amtsführung und Beaufsichtigung der Gerichtsbeamten •) machen den Richter strafbar und gegen die Partei zur Entschädigung ver­

bindlich^).

Das R. R. nennt die Klage „actio contra judicem,

qui litem suam facit“3*); 4 12 5 die 6 Reichsgesctzgebung heißt sie Syn­

dikatsklage3).

Die einheimische Gesetzgebung erkennt den Klage­

grund, ohne Nennung der Klage, gleichfalls an, indem sic zwischen

solchen Beschwerden gegen richterliche Handlungen oder Unterlas­ sungen, welche dem Beschwerdeführer vermeintlich zu nahe treten, und solchen, welche zugleich persönliche Anschuldigungen wegen ver­

letzter oder (grob) vernachlässigter Amtspflichten enthalten, unter­ scheidet.

Wegen der Erster» sollen die gewöhnlichen Rechtsmittel

gebraucht werden (Note 2),

cs steht mithin einer unterliegenden

Partei keine Klage auf Schadloshaltung wegen widergesetzlichen

Nichterspruchs aus

Versehen

oder

irriger Nechtsmeinung zu3);

wegen der Andern hingegen findet öffentliche Strafe und Verbind­ lichkeit zum Schadensersatz statt (Note 2 u. 4),

der Praxis anerkannt wird •).

was auch von

Daß der Anspruch auch durch grobe

Personen oft vorkommt, cfnie daß daraus etwas Besseres als Tciifunfcrtißfcit iii entnehmen wäre. S. auch das sich zutreffend auSdruckendc I. M. Resc. vom 1. Februar 1834 (Ergänz, zur Sl. G. O. I, 13, $.31, Nr. 4, lit. c, «, aa). Ferner: R. v. 31. März 1839 (I. M. Bl. für 1841, S. 23); u. v. 12. Decbr. 1840 (ebendas. S. 18).

1) Str.-G.-B. §. 314. — Strubcn, rechtliche Bedenken, Th. II, Bd. 85. — L. 6 D. de administrat. rer. (L. 8). 2) A. G. O. III, 1, SS. 12, 22, 23. - S. o. S. 104. 3) L. 15, §. 1 D. de jud. (V. 1);

L. 2 C. de poena jud. (VII, 49)*

4) R. 91. von 1532, S- 17; R. K G. O. v. 1555, III, 53, SS- 5, 6,10 — Reichshofr.-Ordn. Tit. 5, S 7. — I. R. 91. §. 157. 5) Entsch. des Ob.-Tr. Bd. III, Nr. 30, S. 253. — M. Beurtheilung der erster zehn Bände Entschcidunqen, S. 185. — S. u. Note 7. Nicht gerechtfertigt ist der Min.-Erlaß vom 13. März 1843 (3. M. Bl. S. 68). S. m. RechtsVerfassung, S. 47.

6) Entsch. a. a. O., a. E., und m. Beurtheilung, S. 187 a. E.

Grforberniffe zur Herstellung der Bestandtheile ic.

Prozcßhandlungen.

327

Fahrlässigkeit begründet werde, ist dadurch ausgesprochen, daß die Vernachlässigung der Amtspflicht, im Gegensatze vom bloßen Versehen, der Ungerechtigkeit (Arglist) i(t7).

an die Seite gestellt

Diese Klage ist wohl zu unterscheiden von den Regreßan­

sprüchen, welchen die Gerichtspersonen in nicht streitigen Sachen sich durch Versehen aussetzen und welche immer nur subsidiarisch

sind: die Syndikats klage richtet sich nach den

allgemeinen

Regeln von Entschädigungsklagen aus unerlaubten Handlungen, ist mithin nicht subsidiarisch und geht auch gegen die Erben, so

weit sie bereichert sind.

§. 158. 2.

I.

Wegen Versehen und Rechtsirrthümer.

Dieserhalb.sollen die ordentlichen Rechtsmittel gebraucht

werden (§. 157, Note 2).

Was in dieser Hinsicht in Preußen

üblich ist, kommt nirgend wo wieder vor.

Das Gemeine Recht

und auch das ältere Preuß. Prozeßrecht vor 1748 kannte nur die Beschwerde

wegen verzögerter

oder verweigerter Justiz7).

In

Preußen hat die Idee, daß die Gerichte nicht selbstständige Ge­ richtsstellen mit eigener ausschließlicher Jurisdiktion, vielmehr nur abhängige Stellen oder Comtoirs (Commanditen) des Provinzial-

Bezixkßgerichts seien **), in Beziehung auf Dekretalentscheidungen

7) A. G. O. a. a. O., §§. 22, 23; A. L. R. I, 3, §• 19. — L. 5, §. 4 D. de obl. et act. (XLIV, 7); L. 6 D. de extraord. cognit. (L. 13); Pr. J. de oblig. quae quasi ex maleficio (IV, 5). — L. 1, $. I D.simensor falsum modum (XI, 6). Manche wollen auch ein geringe- Versehen zur Verbindlichmachung für genügend halten; doch aber den au- diesem Grunde in Anspruch genommenen Theilnehmern einen Regreß gegen den Urheber gestatten. Martin, Lehrbuch deS Prozesses, §. 65; Linde, Lehrbuch deS CivilprozeffeS, g. 181. Die L. 1, $.1 D. si mensor falsum modum sagt jedoch ausdrücklich daS Gegentheil, weil man es sich gefallen lassen muß, wenn ein Richter angestellt ist, der nach dem Maße seines Verstandes und Wissens nicht besser zu handeln versteht.

1) K. G. O. v. 1555, II, 1, § 2 und I, 26. - R. A. v. 1566, §. 108; v. 1570, 8 78; D. A. v. 1600, §. 27; I. R. A. g. 163. — J. H. Boehmer, de origine, progressu atque indole querelae denegatae vel protractae justitiae, Halae, 1738, und in Dessen Exercitaf. ad Pandectas, Tom. VI, exerc. 103. — Borie, de causis devolutionis ad cam. imper. ob denegatam vel protractam justitiam. Wetzlar, 1783. la) Darin hat sich auch jetzt in der PrariS noch nichts geändert, wenn schon eS in der Theorie heißt, daß die Gerichte erster Instanz selbstständige Ge­ richte seien, welche die Justiz unabhängig nach den Gesetzen und Verordnungen zu verwalten haben. Herschsiichtige Obergerichte greifen immerfort in die AmtSfünktionen der Gerichte ein; oppomren diese, so folgt DiSciplinirung. (Sin ordent­ liches Mittel gegen solche Eingriffe giebt cS nicht. Einige Spccialfälle habe ich gesammelt.

). Mit Unrecht wollen Einige, nach Preuß. R., 8b) A. G. O. I, 5, $. 18. DaS rechte Maß zu halten laßt sich im Allge­ meinen nicht lehren; jeder geschickte Advokat weiß den Recht-punkt anzudeuten, ohne sich in gelehrte Abhandlungen iu verlieren. Leider nehmen, ungeachtet zu den Recht-ausführungen in den mündlichen Verhandlungen der weiteste Spielraum gelassen ist, die Schristsäbe, wenn nicht der meisten, so doch einer großen Zahl von Advokaten ost eine abschreckende Lange und Breite ein, indem sich die Ver­ fasser, mit Vernachlässigung deS Geschichtlichen, in unerquicklichen RechtSauSführungcn bewegen, so daß nicht selten der bloß gewöhnlichen Aufmerksamkeit die thatsächlichen Bestandtheile deS VortrageS verschwinden, ja selbst dem geübten Scharfsinn ungewiß ist, ob eine mitunterlaufende Aeußerung über Thatumstände eine selbstständige Behauptung sein soll oder nicht. ES kommt vor, daß da­ ganze Plaidoycr solcher Anwälte wörtlich nur in Berufung auf ihre schriftlichen Vorträge besteht. Diese Anwälte bedenken nicht, daß von ihren gewiß sehr unter­ richtenden Recht-weisungen die Richter nicht- erfahren, weil nicht auf Relationen an- den Akten, sondern auf die mündlichen Verhandlungen und Ausführungen erkannt wird. Sie vergraben mithin ihre Recht-auSsührungen fruchtlos, während solche, den Richtern in einer ansprechenden Weise mündlich vorgetragen, vielleicht gute Früchte getragen hätten. — In der Klage muß die Erzählung der That­ sachen, die den Kläger in einen bestimmten Recht-fall gebracht haben, den An­ fang machen und kurz aber deutlich und zusammenhängend sein; eS müssen nur diejenigen Umstände au- der Klageaefchichte zusammenhängend hervorgehoben wer­ den, welche erheblich find oder erheblich scheinen könnten, d. h. solche, welche alErfordernisse oder Voraussetzungen derjenigen Recht-regel, die dem Kläger nach seiner Meinung den geltend gemachten Anspruch sichert, gelten oder dafür ange­ sehen werden könnten. Denn freilich wird ein umsichtiger Kläger nicht außer Acht lassen, daß oft auch unerhebliche Umstände auf da- Urtheil eine- Richter- einwirken, dem cs an einer hinlänglich gründlichen Recht-kenntniß, oder an dem nöthigen Scharfblick fehlt, um deren Unerheblichkeit einzuschen. Aehnlich verhält eS sich mit_ der mündlichen Recht-ausführung, nach dem Gnmdsatze eine- berühm­ ten französischen Recht-gelehrten, daß man für die verschiedensten Köpfe und Mei­ nungen der Richter seine Recht-gründe haben müsse, da bei dem Einen diese-, bei dem Andern jene- Moment den AuSschlag giebt. Nur versteht sich, daß alle- und jede- Vorgebrachte juristisch, d. h. logisch und verständig sein muß. 9) Beispiele: L. 5 D. de probat. (XXII, 3); c, 44 X. de appell. (II, 28). 10) A. G. O. I, 5, $$. 14 u. 18. — Fritsch, de replica libello inserenda, Lipi. 1736.

11) Wernher, Observat. P. VI, obs. 326. — Danz, ordentlicher Prozeß, $. 63. Rathsam ist eS hinsichtlich der Einrede der Verjährung, wenn der dazu erforderliche Zeitraum verlaufen ist. Oben, $. 131, Note 4.

Verfahren in erster Instanz.

Vorbereitendes Verfahren.

ZZ7

hierher den Einwand der Verjährung ziehen, wenn nach dem Vor­

trage des Klägers die Verjährungszeit verlauten zu sein scheint.

Diese verlangen, daß der Kläger einen vollständigen Gegen­

beweis gegen die durch die Verjährung begründete Vermuthung:

daß die Verbindlichkeit in der Zwischenzeit auf die eine oder die andere Art gehoben worden, antrete, und dieser Gegenbeweis dar­

auf zu richten sei, daß der Beklagte, wenn er von dem Einwande der Verjährung Gebrauch machen sollte, sich unredlicher Weise und

gegen besseres Wissen von seiner noch fortdauernden Verbindlich­ keit, der Erfüllung derselben entziehen wolle12).13 14 Allein 15 die Ver­ jährung hat noch andere Voraussetzungen und Erfordernisse als

den Ablauf einer bestimmten Zeit, welche von mancherlei Thatum-

ständen abhängen und altioris indaginis sind, so daß aus dem Zeitverlaufe allein noch nicht zu entnehmen ist, der Beklagte werde

den Einwand der Verjährung wirklich machen können, oder auch nur wollen.

(S. o. §. 131, Note 4.)

II. Eine vollständige und bestimmte Angabe der Beweismittel

für jeden erheblichen Thatumstand. Wenn es Urkunden sind, sollen sie in Urschrift oder in Abschrift beigelegt; wenn die Urschriften

hinter dem Beklagten oder einem Dritten sind, soll zugleich das Editionsgesuch in dem Libell angebracht; wenn es Zeugen sollen

sie nach Namen, Stand, Charakter und Aufenthalt genau bezeich­ net werden").

Die Anticipation der Beweisantretung (§. 205),

welche nach Gemeinem Rechte zur Abkürzung des Verfahrens ge­ stattet'^) und nicht an die Klag- oder Exceptionsschrift gebunden ist"), ist absolut wesentlich; der Richter muß eine Klagschrift,

worin der Beweismittel nicht für jeden erheblichen Thatumstand

Erwähnung geschieht, als Klaganmeldung behandeln. wird das Beweisverfahren bedeutend abgekürzt und

wenn sich nicht das Beweisthema so verändert,

daß

Dadurch

vereinfacht, eine neue

Beweisantretung erlaubt sein muß.

12) I. Mm.-Mitthcil. v°m 16. Oktbr. 1841 (3. M. Bl. © 307). 13) A. G. O. I, 5, §. 17, Nr. 2. 14) I. R. A. §§. 35 u. 39. — Wiggers, de probatiohe anticipata. Rostock 1811. *— Mittermaier, Wirkungen der Beweisanticipation in Be­ ziehung auf BewciSlast und Bcweisthema; im Archiv für civil. PrariS, Bd. I, S. 120 ff. u. 181 ff. Die anticipirtc Beweisung ist nach R. und can. R. so­ gar die regelmäßige.

15) Linde, Abhandlungen auS dem Deutschen gemeinen Civilprozeß, Bd. II, S. 66, Ziffer 3. Koch, Civilprozeß.

2. Ausl.

22

SwdW Bach.

338 III.

Ordentliche Prozeß.

Einen deutlichen und bestimmten Antrag (petitum)").

Wenn die Sache in einem abgekürzten oder besondern Prozesse

verhandelt werden soll, so ist der Antrag doppelt, nämlich: welchem Verfahren die

Sache

1. in

eingeleitet werden soll (Prozeß­

gesuch)"), welcher auch in einem besonderen Gesuche, dem das Klaglibell beigelegt wird, angebracht werden kann, aber auch bei Sachen, für welche ein besonderes Verfahren bestimmt vorgeschrie­

ben ist, wie z. E. bei schleunigen Bausachen, von dem Richter

Amts halber supplirt wird,

weil die Prozeßart nicht von der

Willkür der Parteien abhängt *8); 2. der Hauptantrag (Sach­ gesuch), worin ausgedrückt ist, was der Kläger von dem Beklagten begehrt.

Dieser darf nicht auf den Ausspruch eines allgemeinen

Rechtssatzes gerichtet sein, z. B. daß der Beklagte für schuldig er­ kannt werde, seine Verbindlichkeit (künftig) zu erfüllen1 16 8‘17 ), sondern

muß auf eine ganz bestimmt bezeichnete fällige Leistung, Handlung

oder Unterlassung, oder Anerkennung eines Zustandes gehen; und

16) A. G. O. I, 5, 8- 17, Nr. 3. 17) I. R. A. $. 34. Die Wahl der Proreßart ist nicht unter allen Um­ ständen ausgeschlossen. Wenn eS z. B. dem Kläger Zweifelhaft ist, ob auf die ihm tu Gebote stehenden Urkunden ein Mandatsverfahren zu begründen fei, so brauet er eS nicht auf die in seinen Beutel greifende Belehrung deS Richters ankommen zu lassen, vielmehr kann er sogleich den Weg deS ordentlichen Pro­ zesses betreten. DaS Prinzip, auf welches stch der Pl. B. deS Ob. - Tr. vom 5. Septbr. 1842 (Anm. 18) gründet, daß nämlich die Prozeßart nicht von der Willkür der Parteien abhange, läßt sich nicht als ein unbedingte- und allgemeines begründen. AuS der Natur der Sache, d. h. hier deS Prozesse- und deS Ver­ hältnisse- der Streitenden zur Staatsgewalt ist es unnachwei-bar; eS könnte also nur ein positiv Gegebene- sein. Nun fehlt eS aber an einer solchen Satzung, im Preußischen wie im Gemeinen Rechte. Nach Gemeinem Rechte ist eS unbe­ stritten, daß der Kläger unter mehreren zulässigen Prozeßarten die Wahl hat und daß der Beklagte z. B., wenn der Kläger den Weg deS ordentlichen Pro­ zesse- genommen hat, nicht auf summarisches Verfahren antraaen kann, außer wenn da- Gesetz solche- aus Staatsrücksichten, ohne Rücksicht aus da- Bedürfniß deS Kläger-, angeordnet hat. AuS dem praktischen Gesichtspunkte die Sache be­ trachtet, ist auch nicht findbar, daß dem Gemeinen Wesen oder irgend einer ein­ zelnen Person auch nur ein Gedanke von Nachtheil dadurch erwachsen könnte, wenn z. B. ein Wechselinhaber im Wege deS ordentlichen Prozesse- seinen Wechsel einkasfirt. Ja eS ist sogar zum Rechtsschutz schlechterdings nothwendig, daß dem Klüger und nicht dem Richter die Wahl der Prozeßart. zustehe. Denn wenn das Letztere herrschender Grundsatz wäre, so müßte ja der Kläger, wenn er mit Recht den besonderen Prozeß nicht für zulässig hielte, und der Richter anderer Meinung wäre, erst einen Prozeß auf seine alleiniacn Kosten durchwachen, um zu der recht­ lichen Gewißheit zu gelangen, daß ihm der ordentliche Recht-weg frelstehe. DaS wäre keine Justiz mehr. — DaS Prozeßgesuch kann übrigen-, nach Preuß. Pro­ zeßrechte, ganz fehlen. Ander- nach Gemeinem Rechte und im rcichSkammergerichtlichen Verfahren. 18) Pl.-Beschl. des Ob.-Tr. vom 5. Septbr. 1842 (Tntsch. 49b. VIII, S. 202). — M. Beurtheil, der ersten zehn Bände, S. 550. 18a) Tin solche- Urtel würde nnvollstreckbar und deshalb nichtig sein.

Verfahren in erster Instanz.

Vorbereitende« Verfahren.

339

er muß dem vorgrtragenen Faktum und dem geltenden Rechte ent­

sprechen (schlüssig sein).

Dabei find folgende Regeln zu beachten:

a) es muß bestimmt und genau ausgedrückt fein, was geschehen

solle; bei

einem Genus

muß Menge und Art angegeben sein;

b) es muß nicht alternative begehrt werden, ausgenommen, wenn die Verbindlichkeit selbst eine alternative, d. h. von der Art ist,

daß der Beklagte unter gewissen Handlungen die Wahl hat, zu

c) es

muß keine pluspetitio (eigentlich

gethan werden.

Diese kann auf vierfache Weise

thun was er will1 •);

plurispetitio)

vorkommen: a) plus re oder summa, wenn der Kläger in quanto oder quali mehr als ihm zusteht begehrt; ß) plus tempore, wenn

er zu früh begehrt; 7-) plus loco, wenn die Leistung an einem andern Orte, als wo der Beklagte zu leisten schuldig ist, begehrt

wird.

In allen drei Fällen ist die Folge die, daß dem Kläger

nur daS, was ihm gebührt, zugesprochen und ein Theil der Kosten,

wenn solche durch die Pluspetition vermehrt worden find, aufer­ legt totrbt0); S) causa, wenn der Art und Weise nach mehr ge­

fordert wird, z. B. wenn der Kläger nur ein Genus, oder eine

Leistung nach der Wahl des Schuldners zu fordern hat und ein bestimmtes Individuum begehrt *’)•

Die Folge davon ist im

Gemeinen Prozesse die Abweisung „angebrachter Maßen".

Das

Preuß. unterscheidet diesen Fall nicht (Anmerk. 20), er ist daher

schlechthin wie eine plus petitio re zu behandeln. (§. 166, Note 3.) Die Abweisung „angebrachter Maßen" hat in der Preuß. Praxis eine andere Beziehung.

(§. 168, Note 6.)

d) Die Nebensachen,

Früchte, Abnutzungen, Schäden und Kosten müssen mit begehrt

werden;

wenn sie nicht bestimmt angegeben werden können, so

genügt die allgemeine Bitte um deren Zuerkennung; die Auß-

19) Ist zu unterscheiden von den alternaiiven Klagen. Man drückt da« so au«, daß beide Gegenstände prinzipaliter zwar in Obligation«, aber nur der Tine davon in solutione oder praeetatione, z. B. wen» der Schuldner, nach einem Vertrage oder Testamente, die Wahl unter mehreren Gegenständen hat. Boehmer, de libellis alternativ«, c. 1, $$. 1—15; in Exercit. ad Fand. Tom. II, p. 165 Beq.

20) «. G. O. I, 23, $. 3, Nr. 1. den drei Fällen nicht dieselben. — c. un. Auch gemeinrechtlich verurlheilt man den urtel« der Termin abgelaufen ist, wegen (V, 3).

— Rach G. R find die Folgen in X de pluspetitionibua (II, 11). Beklagten, wenn zur Zeit de« End­ L. 16 pr. D. de beredit petit.

21) $.33 J. de act. (IV, 6); L. 1, 2 C. de pluspetit. (III, 10).

Okdmtlichn Prozeß:

3»dM Buch.

340

Mittelung wird dann ad separatum verwiesen22); 23 Zinsen muß

der Richter ungefordert (von Amts wegen) berücksichtigen 22). b) Zufälliger.

§• 163. a) Gewöhnliche Fälle. Was nicht in jeder Klagschrift enthalten sein muß (§. 161),

sondern nur zur Begründung (Substantiirung) mancher Klagen gehört, ist zufällig.

Gewöhnliche Fälle dieser Art sind:

Editionsgesuche (§. 162, II.);

1. die

2. Adcitationsgesuche, wenn der

Kläger sein Recht von einem Dritten ableitet und an Diesen für dm Fall eines ungünstigen Ausganges des Prozesses Regreß zu nehmen

gedenkt (§. 79)');

3. Nachweis der Zuständigkeit des

Gerichts; 4. Gesuche um provisorische Verfügungen2) oder Regulirung eines Interimistikums. — Die in manchen Ländern noch übliche clausula salutaris ’), wodurch man bezweckt, der Richter möge Alles verbessern, was an der Schrift mangelhaft, ist nicht

gebräuchlich«). §. 164. ß) Klagenhäufung. Me isner, de concursu et cumulatione actionum,

Goetting. 1794. —

Mauritius Cohen, de actionum cumulatione. Goett. 1830. — Linde,

Beitrag zur Lehre von der Klagcnhäusung; und Prozeß, Dd. I, S. 316.

in der Zcitschr. für Eivilrecht

— Brunnemann, Tract. de concursu,

cumulatione et transmissione actionum.

Francos, ad Viadr. 1666, u.

Halae 1703.

I. Zu den Zufälligkeiten gehört auch die Verbindung mehrerer Klagen, Klagenhäufung (cumulatio actionum), d. h. Vortrag

mehrerer Klagen in

einem Libell; durch einen

nachgebrachten

Libell kann, nach Einleitung der Sache, die Klagenhäufung nicht

22) A. G. O. I, 23, $$• 63, 64. Gemeinrechtlich streitet man über die Nothwendigkeit des Antrages hinsichtlich der causa rei.

23) $. 58 a. a. O.

Dergl. A. L. R. I, 11, $$. 845-848.

1) Tin Beispiel: V. vom 4. Juli 1822, $. 4 (G. S. S. 178).

2) A. G. O. I, 31, $. 5. 3) Diese ist: desuper nobile domini judicis officium humillimo implorando, oder: hierüber das mildrichterliche Amt besten Fleißes anrufende. — Der ReichSabfch. von 1551, $.32 schreibt folgende Form vor: ..Hierüber be­ gehrend wir Recht und Gerechtigkeit nicht allein gebetener, sondern auch einer jeden andern rechtmäßige» Form, wie daS von Rechtswegen am kräftigsten ge­ schehen soll oder mag, mitzutheilen." DieS, meint man, habe den Effekt, daß nun der Richter Alles verbessern könne. Die Wirkung dieser Klausel ist streitig. Die richtige Meinung ist, daß die Klausel gauz überflüssig. 4) Sie soll jederzeit ipso jure in dem Libell begriffen sein und deshalb niemals mehr beigefügt werden. Cod. Frid. Th. III, Tit. 6, 3.

Verfahrn» in erster Instanz. Vorbereitende- Verfahren.

341

herbeigeführt werden.

Die Klagenhäusung setzt das Dasein meh­

rerer Klagen

(concursus actionum)*).

voraus

Darnach muß

beurtheilt werden, in wiefern die Kumulation zulässig sei. Zusammentreffen mehrerer Klagen heißt:

subjectivus,

wenn

eine

Das

1. concursus actionum

und dieselbe Klage mehreren Personen

oder gegen Mehrere aus einem und demselben Grunde zusteht. Zn diesem Falle treffen nicht mehrere Klagen, vielmehr nur meh­ rere Streitende zusammen.

Besteht unter

ihnen

eine Gemein­

schaft, so ist eine Streitgenossenschaft (Litiskonsortium, §. 77) vor­

handen , welcher Fall nicht hierher gehört, da Alle zusammen für eine einige Partei gelten.

Wenn sie über nicht unter einander

verbunden sind, wie auch der Fall ist, wenn Mehrere durch eine und dieselbe Handlung injuriirt oder an ihrem Vermögen beschä­

digt

so findet in der Regel

die Klagenhäufung nicht

Eine Ausnahme ist gestattet:

a) wenn Mehrere aktiv

werden,

statt').

oder passiv in einem Correalverhältnisse stehens; haben sie nicht

alle denselben Gerichtsstand, so kann die Gerichtsbarkeit prorogirt werden (§§.43, 68); b) wenn gleichartige, auf demselben recht­

lichen Verhältnisse beruhende Leistungen zu gleicher Zeit bei einem

und demselben Gerichte von mehreren Berechtigten gegen denselben Verpflichteten, oder umgekehrt, geltend gemacht werden ’); c) wenn mehrere Beschädigte aus einerlei unerlaubten Handlung gegen den­ selben Beklagten auftreten«). — Unzulässig ist die Klagenhäusung,

wenn die Ansprüche an Mehrere nicht aus einerlei Fundament

•) Thidaut, Grundzüge einer vollständigen Darstellung der Lehre »en der Konkurrenz der Eivilklagen; in den civil. Abhandlungen, S. 146 ff. — Schmidt, Comment, de concunu actionum. Jen. 1753. 1) A. @. O. I, 1, $. 35. — L. 6 D. de exceptione rei jnd. (XLIV, . — L. 1, $. 4 D. quod legator. (XLIII, 3). — Rach gemeinrechtlichen 2) Grundsätzen streitet man darüber. Müller, über die subjektive Klagenhäufuna; in Linde, Zeitschrift, Bd. I, €.308; Linde, ebenda, €.316 ff. — v. Bu­ low, Abhandlungen, Bd. I, €. HO ff. 2) «. G. O. a. a. O. $$. 36 u. 37. — Bergt. L. 52, $. 14 D. pro socio (XVII, 2). Rach 9t. R. gelten übrigen« hier ganz andere Grundsätze. Weil die Korrealobligation nicht« andere« al« eine subjektiv - alternative Obliga­ tion ist, so kann jeder Korrealgläubiger auf da« Ganze klagen, und wenn Einer die« gethan hat, kann Keiner der Uebrigen noch klagen: die Klage ist dann konfnmirt. L. 2, 16 D. de duobus reis (XLV, 2). 3) K. O. v. 7. Mai 1838 (nicht 1835, wie €. 50, Rote 1 gedruckt Ist), n. R. v. 19. Febr. 1836 (Jahrd. Bd. LI, €. 374). — Bester, vom 2V. Aua. 1825 (®. €. €.223). Die Kumulation wird hier ziigelaffe», um Vervielfäl­ tigung der Prozeffe zu verhindern. 4) R. vom 12. Aug. 1822 u. »cm 6. April 1829 (Ergänz, z. A. G. O I, 1, S$. 35-37).

Zweite« Buch. Ordentlicher Prozeß.

342 entspringen,

oder wenn,

im Falle des

nämlichen Fundaments,

Einer oder Anderer nur subsidiarisch verpflichtet ists).

2. Con-

cursus objectivus heißt er, wenn mehrere Klagen demselben Klä­

ger gegen denselben Beklagten zustehen.

Dieser kann sein: a) c.

eleclivus, d. i. der, wo mehrere Klagen auf verschiedene Gegen­ stände, aber doch aus demselben Rechtsverhältnisse in der Art, daß der Gebrauch der Einen die Andere aufhebt, dem Einen gegen

den Andern

zustehen **).

In diesem Falle findet keine Klagen­

häufung statt; vielmehr muh der Kläger eine davon wählen und

danach sein Petitum

einrichten,

b)

Conc. successivus,

wenn

mehrere Klagen wegen desselben Gegenstandes eine nach der an­ dern gebraucht werden können.

Diese dürfen zwar alle in Einem

Libelle, jedoch nur zur eventuellen Verhandlung und Entscheidung vorgetragen werden'),

c) Conc. alternativus, wo mehrere Kla­

gen auf denselben Gegenstand gehen. Werden diese kumulirt, was schon durch den Vortrag der verschiedenen, gewöhnlich auf den­

selben Thatumständen beruhenden Klaggründe geschieht, so wird nach der Natur der dem Kläger Vortheilhaftesten erkannt, wenn

er auch darum nicht besonders gebeten hätte,

d) Conc. cumu-

lativus, wo mehrere, auf demselben geschichtlichen Fundamente be­ ruhende Klagen auf verschiedene Gegenstände gehen, ohne daß die

Eine die Andere aufhebt. der Bedingung:

Diese können kumulirt werden unter

«) daß derselbe Richter für Alle kompetent sei,

und ß) daß sie Alle zu einerlei Prozeßart geeignet feien7).

Die

gemeinrechtliche Praxis macht noch die Bedingung, daß nicht zu

viele Klagen gehäuft werden, gewöhnlich will man nicht über Viere zulassen; das Preuß. Prozeßrecht schreibt jedoch in dieser Hinsicht

nur zur Verhütung einer Verwirrung des Prozesses eine Sonde-

mng der jeden Punkt angehenden Schriften

vor').

II.

Hat

5) Schr. W I. M. vom 11. Febr. 1837 (ebenda, Nr. 6). 5a) L. 28, §. 4 D. de jure jurando (XII, 2). 6) L. 13 C. de rei vind. (III, 32). — Ueber Kumulation einer präparatorischen mit einer Prinzipal-Klage s. Leyser, Med. ap. 36, m. 5. — Diese Kumulation ist im Preuß. Rechte so gewöhnlich, daß die meiste» Praktiker sich derselben nicht bewußt sind. So denkt z. 8. bei der Klage einer Frauens­ person gegen den Vater ihre« unehelichen Kinde», wegen Verwendungen für Ali­ mentation, schwerlich Einer daran, daß hier die vorbereitende actio de partu agnoscendo mit der Geschäst»besorgung»klage kumulirt ist. — Nach Gemeinem Recht« muß die Eine vor der Andern, in getrennten Prozeffeu angestcllt werde». 7) A. G. O. I, 5, $. 24. — L. 7, §. 1 D. de cond. furtiva (XIII, 1): L. 45, 46 v. pro socio (XVII, 2); L. 54, $. 3 D. de furtis (XLVII, 2): L. 15, S. 46 D. de injur. (XLVII, 10). 8) A. G. O. a. a. O. SS- 25, 26.

Verfahren in erster Instanz.

Vorbereitende- Verfahren.

343

Jemand aus verschiedenen Geschäften oder Handlungen an dieselbe Person mehrere Klagen, so findet die Kumulation derselben, unter den so eben gedachten Bedingungen, gleichfalls statt»),

obgleich

keine Konkurrenz vorhanden ist, wenn schon mehrere Klagen einen und denselben Gegenstand hätten'»).

§. 165. 3. I.

Form und Abfassung der Klagschrift.

Die Klage kann mündlich zu Protokoll gegeben oder in

einer von der Partei selbst verfaßten Eingabe vorgetragen werden. Hat eine Partei bereits vor Einreichung der Klage einen Rechts­

anwalt zu ihrem Bevollmächtigten bestellt, so muß dieser die Klage schriftlich einreichen').

Der Klagschrift müssen, sie mag von der

Partei selbst oder von einem Rechtsanwalt verfaßt sein, so viele Abschriften als Beklagte sind, zur Aushändigung an Diese, beige­ legt werden, was überhaupt von allen Schriftsätzen, die dem Gegen­ theile mitgetheilt werden müssen,

treten

wegen Nichtbefolgung

gilt2*).1 3 4 Gegen Rechtsanwälte

dieser Vorschrift Ordnungsstrafen

ein; gegen die Partei wird nicht in contumaciam verfahren ’).

Die fehlenden Abschriften werden sowohl in diesem Falle altz auch dann,

wenn die Partei selbst den Schriftsatz verfaßt und kein

Duplikat beigefügt hat, auf Kosten der Partei in der Gerichts­

kanzlei angefertigt, wofür die Schreibgebühren, in Bagatellsachen noch außer dem Pauschquantum, sofort eingezogen werden dürfen»). II.

In Ansehung der äußern Form der Klagschrift ist Folgendes

zu beachten: 1. Die Reinschrift des Textes ist auf halbgebrochenen

9) Ebenda, $. 24.

10) Z. E. wenn Jemand »in« Sache zu fordern hat, di« Demjenigen, dessen Erbe er geworden, leairt ist: hier kann der Erbe de- Schuldner« und Testator« mit beiden Jtloatn aus zweimalige Leistung belangt werden. L. 18 D. de obl. et »et. (XL1V, 7). 1) B. v. 1. Juni 1833, $. 70. Nach dem Cod. Frid. Th. III, Tit. 6, S. 16 mußte auch die Klageschrift von einem Advokaten unterschrieben sein oder sie wurde zurückgegeben. 2) Ebenda, a. V. Damit ist die reich-gesetzliche Vorschrift de« I. 9t. W. §. 34, welche da« ältere Preuß. Prozeßrecht (Cod. Frid. Th. III, Tit. 6, $. 18 u. Th. II, Tit. 3, 8 4) ebenfall« ausgenommen hatte, wiederhergestellt.

3) 9t. vom 30. Septbr. 1833 (Jahrb. Bd. XLIII, S. 426). 4) R. v. 8. Septbr. 1834 ad 3 (Jahrb. Bd. XLIV, S. 89). — R. ». 24. Novbr. 1835 (Ergänz. 1. A. ®. O. I, 28, zum §. 70 der V. v. 1. Juni 1833, Nr. III, 2). — R. v. 2. Juli 1637 (Jahrb. Bd. L, S. 96). — Die Zurückgabe de« Klagschreiben« an die Partei, wegen Mangel« de« Duplikat«, ist nicht vorschrift-mäßig.

Zweite- Buch.

344

Ordentlicher Prozeß.

Bogen, aus der rechten Hälfte zu schreiben, damit die linke Hälfte

2. Die Adresse, d. i.

für die gerichtliche Verftigung frei bleibe.

eine das Gericht, an welches die Schrift gerichtet ist, bezeichnende

Auffchrist, steht zweckmäßig obenan, durch die ganze Breite des

Bogens,

meistens

setzt man sie

ganz ans

unten

Ende

links.

3. Das Rubrum wird aus die linke Hälfte des gebrochenen Bo­

gens gesetzt.

Es muß enthalten:

a) die Bezeichnung der Schrift

mit ihrem Prozeßnamen, wobei es zweckmäßig ist, die Klage zu­

gleich mit dem Namen des Klagrechts zu bezeichnens;

Bezeichnung

der Parteien nach Namen,

Stand

b) die

und Wohnort

sämmtlicher Steitgenossen •), mit Beifügung der Eigenschaft, in welcher sie klagen oder verklagt werden ’), so wie mit Angabe des Prozeßprädikats 85)96; 10 7 c) die

dessen Werths8).

Soll

Angabe des

Streitgegenstandes und

eine besondere Dringlichkeit

der Sache

bemerklich gemacht werden, so geschieht dies unter dem Rubrum oder auch rechts zur Seite desselben mit den Worten:

im Verzüge" oder „Periculum in mora“>., daß der Beklagte den entsagenden Kläger mittelst des dazu nicht geeigneten Diffa­ mationsprozesses zur Fortsetzung des

Prozesses

nöthigen könne

(Note 4), dahin, daß, wenn der Beklagte sich die Renunciation nicht gefallen lassen will, die Sache weiter verhandelt und durch

richterlichen Ausspruch entschieden werden muß, im Falle der Klä­

ger nicht auch den Anspruch aufgiebt.

Die noch bestehende alte

Praxis ist jedoch entgegen und gegen die hier vertretene Meinung

durch einen Plenarbeschluß des Obertribunals dahin befestigt, daß wenn der Kläger im Laufe der ersten Instanz die Klage zurück­

nimmt, ohne zugleich dem Ansprüche selbst zu entsagen, der Be­

klagte die Entscheidung über Letzteren nicht durch den Antrag auf Fortsetzung der Sache verlangen kann, vielmehr nur die Befugniß hat, entweder in Gemäßheit des §. 2, Tit. §2 den Ungrund des

klägerischen Anspruchs (wenn es angeht) auszuführen, oder eine Diffamationsklage zu

erheben'').

Der zweite Weg führt,

wie

gesagt, nur bis zur Anstellung der Klage, ist also völlig unzurei­ chend, wenn der Kläger die angebrachte Klage ganz nach Willkürzurück­

nehmen kann; und der erstgenannte Weg ist meistens unausführ­

bar.

II. Das Klagschreiben hingegen kann verbessert werden")

Man unterscheidet Verbesserung(emenllatio) und Erläuterung

9) Auf diesem Grundsätze beruhete da- ältere Preuß. Prozeßrecht. Nicht darauf also ist Gewicht zu legen, daß der Kläger zu den Verhandlungsterminen vorgeladen, und von dem angesetzten bloßen Beantwortung-termine nur be­ nachrichtigt wird, denn die Benachrichtigung von dem Termine ist auch eine Vorladung, aber nur eine monitorische. Eine andere Vorladung erhielt der Kläger zum Beantwortung-termine auch nach dem ältern Rechte nicht und doch durfte der erschienene Beklagte gegen den au-gebliebenen Kläger auf Kontumacialverfabren dringen; aber dazu war, eben weil die Vorladung nur monitorisch gewesen war, erst noch die Ausbringung einer arktatorischen Vorladung zu einem andern präjudiciellen Termin, auf welchen auzutragen dem Beklagten freiftand, erforderlich. Cod. Frid. III, 18, $$. 1, 2. Da- müßte auch nach der neuesten Prozeßordnung zulässig sein, wenn beide Parteien gleichsteben sollen. Sa) Pr. 2308, vom 3. Mai 1852 (Gntsch. Dd. XXIII, S. 20).

10) Bayer, über die Aenderung deS KlaaelibellS, Land-Hut, 1820. — Fleck, de discrimine inter mutat. et emendat. libelli. Lips. 1790.

Zweite- Bach.

350

(declaratio libelli)*1 •).

Ordentlicher Prozeß.

Die Letztere ist zu allen Zeitm, biß zum

Schluffe der Verhandlungen,

zulässig; sie besteht in Erklärung

dunkler, undeutlicher oder mehrdeutiger Angaben mit oder ohne

Anführung näherer oder mehrerer Umstände. Hinsichtlich der Verbesserung ist

zu unterscheiden.

allen Zeiten berichtigt werden.

Bloße Irrthümer dürfen zu

Die Aenderung deß Antrags ist

gleichfalls noch bis zum Schluffe der Sache in erster Instanz zu­

lässig").

Dagegen ist es mit der Eventualmaxime unverträglich,

nach Beantwortung der Klage noch

solche neue Thatumstände,

welche die Klage besser begründen oder beweisen, und eine neue Beantwortung nothwendig machen, nachzubringm, insoweit nicht

die Klagebeantwortung selbst, zu ihrer Widerlegung in Thatsachen, neue Thatsachenbehauptungen erfordert").

Will ein Kläger seine

Klagschrist nachträglich verbessern, so muß es geschehen, ehe die

Antwort des Beklagten eingeht, damit Dieser unter Einem dar­ auf zu antworten vermag.

Nur die Eideszuschiebung ist später

noch zulässig").

n. Verfügung deS Richters auf die Klageschrift. §. 168.

1.

Präsentation und Prüfung des Klageschreibens.

1.

Das

eingereichte Klagschreiben

mit dem Präsentatum (§. 137)

versehen

Lauf der Extinctivverjährung unterbricht.

muß vor allen Dingen werden,

II.

weil es den

Das präsentirte

Klagschreiben ist, vor der Mittheilung an den Beklagten, nach Form und Inhalt sorgfältig zu prüfen und zu diesem Zwecke im

versammelten Kollegium von dem ernannten Decernenten vorzu­

tragen').

Ist der Libell untüchtig, so muß er verworfen werden,

mit folgenden Unterscheidungen.

1. Finden sich verbesserliche Män­

gel, die der Richter selbst heben kann, z. B. wenn deren Abhelfung bloß von dem Verfasser der Schrift (Deputirten, Assistenten

oder Rechtsanwalt) abhängt, so wird diesem die Klage zur Ver­ besserung oder Ergänzung mit einer Fristbestimmung, unter An­ 11) e. A X. äe dilat (II, 8). 12) A. G. O. I, 5, $$. 21, 22; I, 10, $. 5 a, und unkn, Note 6 zu §. 168 a. (8. 13) B. vom 1. Juni 1833, $. 14. — Jnstr. vom 24. JuU 1833, §. 29. 14) B. vom l. Juni 1833, $. 35. 1) «. ®. O. I, 6, S$. 1 u. 2. - Leyser, 8p. 457, m. 3. 4.

Verfahren in erster Instanz.

Vorbereitendes Verfahren.

351

drohung einer Ordnungsstrafe, zurückgegeben 2); kann dem Mangel

nur von dem Kläger selbst abgeholfen werden, z. B. wenn es dem

Kläger an der legitim« persona fehlt: so wird der Kläger, mit oder ohne Zurückgabe der Klage, beschieden, was er zu thun oder beizubringen habe, bevor die Klage angenommen werden könne ’).

2.

Kann die Klage nicht vollständig vorgetragen werden, ohne

daß der Autor des Klägers zur Information vernommen, oder eine im Besitze des Beklagten oder eines Dritten besindliche Ur­

kunde eingesehen worden; so ist vorläufig der Autor vorzuladen

und beziehendlich

das Editionsmandat

Dritten zu erlassen«).

an

den Beklagten oder

3. Ist der Fehler unheilbar, folgt z. B.

aus dem Faktum nicht das Petitum, oder ist kein Klaggrund an­

gegeben, oder ist der Vortrag unvollständig (unverständlich) oder

dunkel, oder fehlt die Sachlegitimation, oder ist eine erkennbare pluspetitio angebracht

oder eine unzulässige Klagenhäufung vor­

gebracht: so wird der Libell, aber nicht sofort die Klage, verwor­ fen.

4. Ergiebt sich aus dem Vortrage, daß dem Kläger gar kein

Recht, auch bei vorausgesetzter Richtigkeit der Thatsachen zusteht; so ist der Kläger, nach Bewandtniß der Sache, entweder unbe­

dingt 52),3 4oder bedingt bis zur Erfüllung der Bedingung6), zurück2) A. G. O. a. a. O. §§. 3-5. 3) Ebenda, §§. 3 u. 6. — I. R. A. §. 120.

4) Ebenda, §. 8 u. I, 5, §. 11, lit. ä u. e. — V. v. 1. Juni 1833, §. 17. — R. vom 20. März »iid 9. Mai 1835 (Ergänz, zu I, 5, §. 11). 5) A. G. O. I, 6, §. 7; 1, 5, §. 12. — I. R. A. §. 120. - c. 15 X. de jud. (II, 1); c. 3 X. de lib. oblat. (II, 3). 6) A. G. O. I, 6, §. 6; I, 5, §. 6. Die gemeinrechtliche Praris bedient stch zu de» Zurückweisungen stehender Formeln, welche den RcchtSgrund zugleich anSdrückcn, z. E. 1. im Falle der Inkompetenz: „die Klage findet althicr nicht statt"; 2. im Falle der Unschlüfstgkeit oder Unpäßlichkeit des rechtlichen Grundes: „die Klage findet in der angebrachtem Art — angcbrachlermaßen — nicht statt"; 3. im Falle der unrichtigen Wahl des rechtlichen KlaggrundcS auch noch: „die erhobene Klage findet nicht statt"; meisten» aber bedient man fich auch hier der Formel 2; 4. im Falle zu früh geklagt ist: „die Klage findet noch zur Zeit nicht statt"; 5. im Falle der gänzlichen Unzuläffigkeit: „die Klag« findet nicht statt". GcnSlcr, Anleitung zur gerichtlichen Praris, E. , §. 8) §. 49. - B. vom 26. Decbr. 1808, 8. 47 (Rabe, Bd. IX, S. 487). 13) Aich. §. 49, Pos. 2. — R. vom 28. Juli 1805. 14) R. vom 5. Mai 1828 (Jahrh. Bd. XXXI, S. 273).

15) N. vom 17. Septbr. 1835 (Jahrb. Bd. XLVI, S. HO). — R. vom 23. Marz 1839 (I. M.Bl. S. 122). - A. 8. R. II, §. 654. 16) 51. G. O. I, 7, §. 28. 17) Ebenda, §. 33 b.

Koch Civilprozeß. 2. Ylufl.

23

Zweite- Buch. Ordentlicher Prozeß.

354

von dem Tage der Insinuation der Klage angerechnet, zur Vor­ bereitung

seiner Einlassung frei bleiben;

doch kann der Richter

diese Frist in besonders schleunigen Fällen abkürzen, bei besonders

verwickelten Sachen oder aus andern in der Sache liegenden Grün­

den, z. B. wegen zeitraubender Herbeischaffung der Information oder Entfernung des Wohnorts

des Beklagten

vom Sitze des

Gerichts, verlängern, auch den Termin auf Antrag des Beklagten, ganz nach feinem Ermessen, doch nur ein Mal, verlegen').

Die

Bestimmung, daß die Prorogation des ersten Termins, wenn nur ein an sich erhebliches Hinderniß angezeigt worden, unbedingt be­

willigt werden müsse *), ist folgeweise aufgehoben, indem der Rich­

ter, nach Befinden, die Verlegung bewilligen oder versagen kann. I. Vorladung (Citation, citatio) heißt der Befehl des Richters,

eine Handlung

in judicio

nicht der Lrt,

sondern das

zu vollziehen.

Judieium heißt hier

intellektuelle Ding

im Verfahren.

1. Sie ist nach ihrer Art a) rcalis (Real-Ladung), welche in der Verhastnehmung und Vorführung des Geladenen besteht und in

Civil-Prozeßsachen an den Parteien im Rcchtsgange ’) nicht vor­

kommt; b) verbalis (Verbal-Ladung) und zwar entweder a) öf­ fentliche (Edietal-Ladung) (§. 145), oder ß) Privat-Ladung, welche

die Regel ist.

Diese kann wiederum ««) schriftlich (cit. scripta)

oder ßß) mündlich (c. nuncupativa) geschehen.

Die schriftliche

Ladung ist die vorgeschriebene; der Mangel dieser Form wirkt je­ doch keine Nichtigkeit, wenn die mündliche Vorladung befolgt ist.

2. Nach ihrer Wirkung ist die Ladung a) monitorisch, wenn sie

dem Vorgeladcnen nur die Befugniß giebt, zu erscheinen und einen Aet zu vollziehen oder vollziehen zu sehen, oder b) aretatoriscb, wenn sie eine Verbindlichkeit dazu auslegt.

Diese ist wieder «) di­

latorisch (c. dilatoria s. simplex), wenn sie im Falle des Unge­ horsams wiederholt wird, (c. peremloria s.

und ß) peremtorisch oder präjudieiell

praejudicialis),

auf welche

fen der Kontumaz eintreten (§. 140).

sofort die Stra­

Die dilatorischen Ladungen

1) V. vom 21. Juli 1846, 2. — Dic Fristbcstimmung gebührt nicht mehr wie sonst (A. G. O. I, 8, $• 1) dem Deputaten, sondern dem Vorsitzenden. D. v. 21. Juli 1846, $. 1 verbunden mit der Jnstr. vom 24. Juli 1833, $. 22. In der Präcis ist eS jedoch noch so wie vor diesem: der Deputirte setzt den Termin an, und bestimmt somit die Frist. Woraus dabei Rücksicht z« nehmen: A. G. O. I, 8, $. 2. DaS Erforderns der Bescheinigung, welches die V. vom l.Juni 1833, $. 11 vorschreibt, fällt weg. 2) A. G. O. a. a. O. $. 23. - S. o. §. 150. 3) Anders in der ErckutionSinstanz, wenn z. B. der ErequenduS den ManifestationSeid schwören soll.

Verfahren in rrster Instanz.

Dorbtrniendt- Srrfabrtn.

355

in Civilprozessen sind abgeschafft«), schon die erste Vorladung ist immer peremtorischs).

II. Die Vorladung des Beklagten ist als­

dann, wenn der Beklagte sonst keine gesetzlich genügende Gele­

genheit zur Vertheidigung hat, ein wesentlicher Bestandtheil des

Prozeffes (§. 159), deren Mangel Nichtigkeit zur Folge hat«), wenn auch der Beklagte zufällig im Gericht anwesend gewesen

wäre ’).

Die Nichtigkeit wird aber gedeckt, wenn der Beklagte sich

freiwillig einfindet und einläßt«). §. 170.

b) Erfordernisse.

Für jede Citation wird Folgendes erfordert: 1. Der vorladende

Richter muß kompetent sein; doch muß der Borgeladene, wenn die Inkompetenz nicht offenbar ist, erscheinen und die Inkompetenz

cxcipiren *)•

2. Die Vorladung muß Alles enthalten, was zu dem

Zwecke der Vorbereitung erforderlich ist, nämlich: a) den Namen

des ladenden RichterS; b) den Namen, Stand und Wohnort des oder der Vorgeladenen«); c) den Namen, Stand und Wohnort des Klägers oder Antragstellers •'), wenn nicht der Richter ex of­

ficio vorladet, was auszudrücken ist; d) die Ursache der Vorla­

dung durch Zufertigung einer vollständigen Abschrift der Klage und ihrer Beilagen«); e) die vorzunehmende Handlung4 5)6; 7f) 8 die 4) In den nun abgeschafften fiskalischen Untersuchungen waren sie noch üblich. A. G. O. I, 35, S$. 42, 43, 47.

5) D. vom 1. 3uni 1833, $$. 8, 12, 14. - D. vom 21. Juli 1846, $. 1. — A. ®. D. I, 6, $. 14, Rr. 5. — Nach Gem. R. werden drei Citationen er­ lassen, von denen die beiden ersten dilatorisch und die letzte peremtorisch. DaS altere Preuß. Prozeßrecht hatte noch zwei Ladungen, wovon die erste dilatorisch war. Cod. Frid. IM, 18, SS 4, 6. 6) «. G. O. I, 16, 8- 2, Rr. 6. - S. o. §. 159.

7) Clem. 2 de verb. eign. — c. 8 X. de majoritate (I, 33). 8) B. vom 14. Decbr. 1833, $. 6. Auch die Insinuation des KontumacialurtelS beseitigt die Richtigkeit; eS findet dann nur Restitution binnen 4 Wochen statt. A. G. O. I, 16, §. 2, Nr. 6. 1) A. G. D. I, 7, 8 49, Rr. 2. - D. vom 21. Juli 1846, $. 5, lit. b. — L. 20 D. de jurisd. (II, 1). — o. 7 X. de appell. (II, 28).

2) Erben müssen namentlich bezeichnet sein;

ebenso Streitgenoffen.

3) Gail, Observ. Lib. I, obe. 50. 4) A. G. O. I, 6, § 14. - Jnstr. vom 24. Juli 1833, 8 23, lit. a. I. R. A. S- 34; D. A. v. 1713, 8 48. — Der ReichShofrath ließ den wesent­ lichen Inhalt der Klagschrist in die Ladung rucken. Die alte einheimische Prarig war ebenso. S. o. S- 37, Erste Periode, Abschnitt: Verfahren.

5) A. G. O. a. a. O. Rr. 1. — Jnstr. vom 24. Juli 1833, $• 23, lit. b. — Auf andere als die bezeichnete Handluna erstreckt sich die Wirkung der La­ dung nicht. Meviui, Decis., P. IV, dec. 281, n. 5.

Zweites Buch.

356 Zeit derselben,

Ordentlicher Prozeß.

welche immer ein bestimmter Tag und eine be­

stimmte Stunde sein muß6); ist die Stunde nicht ausgedrückt, aber

doch die Tageszeit, so ist des Vormittags der Zeitpunkt um zwölf

Uhr und des Nachmittags der um fünf Uhr zu verstehen'); ist auch der Tagestheil im Allgemeinen nicht angegeben, so hat die

Ladung keine Wirkung; g) den Ort, wo, und den Namen des Richters, vor welchem die Handlung vorgenommen werden soll, wenn Beide nicht ohnehin bekannt sind'); sonst wirkt die Ladung

nicht').

3. Der Termin muß nicht auf einen Ferientag angesetzt

werden (§. 150).

4. Die Vorladung muß gehörig insinuirt wer­

den und die Insinuation glaubhaft bescheinigt sein (§. 143).

§. 171. c) Bestandtheile der schriftlichen Ladung.

Die Vorladung soll enthalten'): 1. Das Rubrum, und zwar:

a) die' Aufschrift: Vorladung des Beklagten zur Klagebeantwor­ tung; b) die genaue Bezeichnung des Prozesses mit Angabe des

Namens, Gewerbes, Charakters und Wohnorts der Parteien, des Streitgegenstandes

und

des

Aktenzeichens.

2.

Das Schwarze,

welches enthält: a) die Zufertigung der Klage und die Bestim­ mung des zur Klagebeantwortung anberaumten Termins, mit An­ gabe des Orts und des Gerichtsdeputirten; b) die Aufforderung,

in Person zu erscheinen und die Klage mündlich zu beantworten oder, statt dessen, schon vor oder in dem Termine eine schriftliche, jedoch von einem Rechtsanwälte unterzeichnete Klagebeantwortung

doppelt einzureichen 2* ); 13 die Beweismittel bestimmt anzugeben; die

Urkunden in Urschrift oder in Abschrift einzureichen; die erforder­ lichen Editionsgesuche anzubringen, mit dem Bedeuten, daß später neue auf Thatsachen beruhende Einreden nicht mehr berücksichtigt

werden würden'); c) die Belehrung, daß der Stellvertreter sich

6) A. G. O. a. a. O., und I, 8, §. 8. — Jnstr. a. a. O. lit. a. x7) A. G. O. I, 8, §. 8. — Gemeinrechtlich hält man die Angabe der Stunde für überstüsstg, weil sich die Zeit der Gerichtssitzung versteht; in der Preüß. Praris kennt man jedoch solche Zeiten in Beziehung auf die Termine vor einzelnen Deputirten nicht.

8) A. G. O. I, 6, §. 14, Nr. 1. (V 9) L. 5 C. quomodo et quando judex (VII, 43). — L. 59 D. de jud.

1) Jnstr. vom 24. Juli 1833, §. 23. 2) V. von; 21. Juli 1846, §. 3. 3) Jnstr. vom 24. Juli 1833, §. 23, lit. b.

Verfahren in erster Instanz.

Vorbereitendes Verfahren.

357

im Termine legitimiren müsse, wenn der Gegner es verlange *); d) die Androhung des Nachtheils, daß wenn die Klagbeantwor­

tung ausbleibe, in contumaciam die in der Klage vorgetragenen Thatsachen würden für zugestanden angenommen, und, was danach

Rechtens sei, würde erkannt werdens; e) die Benachrichtigung, daß eine Verlegung des Termins, ohne Zustimmung des Gegners,

nach Befinden der Umstände nur ein Mal zulässig fei6).

3. Den

Schluß, bestehend in Ort und Datum, Namen des Gerichts und Beglaubigung von Seiten des Kanzleivorstandes *). 4) Ebenda, lit. c. — A. G. O. 1, 16, §. 2, Nr. 5. Ist eine unnöthige Weitschweifigkeit; es fehlt bloß, daß man dem Vorgeladenen einen ganzen An­ druck deS Prozeßgesetzes schickte. 5) A. G. O. I, 6, §. 14, Nr. 5. - Jnstr. v. 24. Juli 1833, §. 23, lit. d. Dies ist wesentlich. 6) Jnstr. a. a. O. lit. c. — V. vom 21. Juli 1846, §. 2. — S.. §. 169, Note 1. — Ist ebenfalls unwesentlich. 7) V. vom 1. Juni 1833, §. 82. — Das gebräuchliche Formular folgt hier: Vorladung des Verklagten zur Klagebeantwortung in Sachen der Bauern Hans Kraft und Peter Schlag, zu Bösdorf, Kläger, wider den Gutsbefitzer N. daselbst, Verklagten wegen versagter Schastristgerechtigkeit. Aktenzeichen: Die von dem Klager unter dem ten gegen Sie angebrachte Klage wird Ihnen anliegend (Copia) nebst den darin angezogenen Beilagen in Abschrift mit der Aufforderung zugefertigt, den Kläger klaglos zu stellen*) oder in dem zur Beantwortung der Klage auf den ten um Uhr mittags vor dem Herrn OberlandeSgerichs-Affessor M. an hiefiger Gerichtsstelle anberaumten Termine zu erscheinen, die Klage voll­ ständig zu beantworten, die Beweismittel bestimmt anzugeben, die Urkunden im Original oder in getreuer**) Abschrift einzureichen und die etwa erforder­ lichen^ Editionsgesuche anzubringen. Später wird auf neue Einreden, welche auf Thatsachen beruhen, im Laufe dieser Instanz keine weitere Rückstcht genommen werden. Sie find jedoch befugt, statt in dem anberaumten Termine zu erscheinen, schon vor oder spätestens in dem Termine eine schriftliche Klagebeantwortung einzureichen. Diese muß aber von einem Rechtsanwälte unter­ zeichnet sein, widrigenfalls sie für nicht angebracht erachtet und sofort zurückgegeben wird***). *) Dieser Befehl ist nach heutigem Prozeßrechte Jnstr. vom 24. Juli 1833, §.23.

nicht mehr '

gesetzmäßig. 8 b

**) Ist überflüssig. ***) Diese Warnung ist nicht wesentlich; die Zurückgabe muß doch geschehen, wenn auch die Belehrung weggeblieben wäre. Man sollte aufhören mit der­ gleichen Belehrungen, um das Publikum nicht zu Beschwerden zu verleiten: ein richterlicher Befehl muß nur das Wesentliche, nicht Rathschläge und Belehrungen enthalten, damit man sich nicht auf deren Mangel bei Versäumungen berufen möge. Jeder, welcher Prozesse hat, muß sich nach den bekannten Prozeßgesetzen

Zwciteö Buch.

358

Ordentlicher Prozeß.

§. 172. d) Wirkung der Vorladung.

I.

Die Vorladung wird zugleich für eine Generalcitation-j-)

auf den ganzen Prozeß angesehen und hat darum zwei Haupt­

wirkungen in Beziehung auf die Parteien: 1. die der Prävention des Gerichtsstandes und der Parteirollen •), weshalb derselbe Rechts­

streit, weder klagend noch einwandsweise, vor einen andern Richter

gebracht werden darf''); denz)^,

2. die der Rechtshängigkeit (Litispen­

welche nach R. R.

erst durch die Litiskontestation ein;

trat’), was seinen Grund in der verschiedenen Art der Klagean­ bringung und Citation hat.

Die Rechtshängigkeit, d. i. der Zu-

Wcnn Sic nicht zur bestimmten Stunde erscheinen, oder sich nicht voll­ ständig ans die Klage erklären, oder endlich eine schriftliche Klagebeantwortung nicht zeitig cingehen sollte, so wird in contumaciam gegen Sie verfahren, die Thatsachen und die Urkunden, worüber Sie sich nicht erklärt haben, werden für zugestanden und anerkannt erachtet, und waS den Rechten nach daraus folgt, im Erkenntnisse gegen Sie ausgesprochen werden. N., den tcn u. s. w. Königliches Gericht**). Beglaubigt Hastig. An den Gutsbesitzer Herr N. zu Bösdorf.

f) Kommt her aus c. 5 X i. f. de in integrum, und c. 10 X dc dolo ct contumacia.

1) A. G. O. I, 7, S. 48, lit. a uiib I, 2, §. 166, S. o. $. 74. - c. 20 X. dc off. et potest. jud. del. (I, 29). — c. 19 X. de foro competente (II, 2). — §. ult. J. de poen. temere litigant. — L. 7 D. de jud. (V, 1). — L. ult. C. de in jus voc.

la) A. G.O. I, 5, $. 4, Nr. 2; I, 7, Z. 48, lit. a; I, 9, §§. 2, 12 und 20. — V. vom 21. Juli 1846, $. 5, lit. c.

2) A. G. O. I, 7, §. 48, lit. b. Dadurch ist der Meinungsstreit der gemein­ rechtlichen Prozessualisten für das Prcuß. Recht entschieden. Daß schon die Ein­ händigung der Ladung die Rechtshängigkeit wirke, behaupteten Mehrere auf Grund deS c. 19 X. de foro competente (II, 2) der Ul. 2 ut lite pendente (II, 5), und der R. H. O. Tit. 2, $. 8. 3) L. 15 D. ratam rem haberi (XLVI, 8). — L. 31 pr. D. de rcb. cred. — L 30 D. de jud. (V, 1). — L. 4 C. de jurisd. (III, 13). richten, und wcnn cr sic nicht kennt, bei einem Advokaten Raths erholen. UeberdicS paßt das gedruckte Formular nicht auf Parteien, welche zur Verfassung der Prozcßschriftcn befähigt find. Auch daS Präjudizium sollte nicht erst angedroht werden. *) Der Name deS Gerichts kann mit der Adresse auch den Anfang machen, z.E.: Das Königliche Stadtgericht zu Breslau An de» Gutsbesitzer Herrn N. zu Bösdorf.

Bcrfahrc» in cijift Instanz. Porbcrciie»dcs Bcisahnu, stand eines angefangenen,

ursacht:

359

noch nicht beendeten Prozcsies«),

ver­

3. Fortdauer der Kompetenz, wenn auch in der Person

des Beklagten solche Veränderungen des Zustandes, welche sonst

auf den Gerichtsstand Einfluß haben, eintreten *).

4.

Die Klage

und ihr unmittelbarer«) Gegenstand wird dadurch streitig (res litigiosa),

was zur Folge hat,

daß der Beklagte einseitig damit

keine für den Kläger wirksame Veränderungen, wodurch den« Gegner ein Nachtheil erwachsen könnte, vornehmen bars ’), widrigenfalls

dein

obsiegenden Kläger

vollständige Entschädigung

nach dem

Werthe zur Zeit der insinuirten Citation für Vernichtung, Ent­ ziehung oder Verschlimmerung der Sache geleistet werden muß«).

5. Der Beklagte wird in Verzug (in moram) •),

und in bösen

Glauben (malam ödem)1 °) versetzt. 6. Die Ersitzung (Acquisitiv-

Verjährung) wird unterbrochen, und zwar dergestalt, daß die Unter­

brechung bis auf den Tag der Klageanmeldung zurückdatirt wird"); die erlöschende Verjährung wird schon durch die Klageanmeldung

unterbrochen,

wenn der Kläger darauf die Klage binnen der von

dem Richter zu bestimmenden Frist wirklich einbringt").

Eine

4) Ueber de» Begriff der Litispendenz: Archiv für civil. Prari-, Bd. XII, (Seite 434. 5) A. G. D. I, 7, $. 48, lit. b. - L. 19 D. de jurisd. (II, I); L. 7, 30 D. de jud. (V, 1). — c. 20 X. de off. et pot. jud. (I, 29). 6) Nicht auch ein mittelbar betroffener Gegenstand, z. (8. bei der Klage auf Rescisston einet Kauft wegen enormer Verletzung nicht die verkaufte Sache. (Zutsch, des Ob.-Tr., Bd. IX, S. 426. 7) A. G. O. 1, 7, $. 48, lit. c. - L. 2, 4 C. de litigioeis (VIII, 37) ; Autb. litieiosa C. eod. — Nov. 112, c. 1; Godofred, Note 19 dazu. — c.5O C. 11, qu. 1. — Clem. 2 ut Ute pendente (II, 5). 8) A. G. O. a. a. O. — Vergl. I, 24, $. 9 und A. L. R. I, 15, $. 16. — Ueber das Nähere f. m. Uebergang der Forderungsrechte, Z. 20. 9) A. G. O. I, 7, $. 48, lit. d. - L. 82, $. 1 D. de verb. obl. (XLV, 1). Die Bestimmung des $. 48 d der A. G. D. a. a. O. bezweckt die Begrün­ dung von Verzugszinsen. Dieser Begründung bedurfte eS hier nicht, da nach den Grundsätzen deS G. R. „Prozeßzinsen" gefordert werden können, waS hatte beibehalten werden können, wodurch die Fiktion der Mora entbehrlich gewor­ den wäre. 10) A. L. R. I, 7, S. 222, verb. mit A. G. O. I, 16, $. 22. — L. 25, 8. 7, L. 20, § 11 und L. 36, 8. 4 D. de bered, petit. (V, 3). — L. 2 C. de fruct. et lit. expens. (VII, 51). 11) A. G. O. I, 7, §. 50; A. L. R. I, 9, 88 603-610. - M. Privatrecht, $. 154. — Die Zurückbeziehung auf die Klageanmeldung ist dem Pr. Recht eigenthümlich. L. 2 C. de annali exe. (VII, 40); L. 10 C. de praescr. longi temp. (VII, 33); L. 10 C. de acquir. posa. (VII, 32). 12) A. G. O. I, 9, $. 553. M. Privatrecht, 8- 158. Die Wechselver­ jährung macht eine Ausnahme. A. D. W. O. Art. 80, welcher den Grundsatz deS Gem. R. beibehalten hat. Denn nach R. R. unterbricht auch hier erst die LitiScoutestatiou L. ult. C. de praescr. 30 vel 40. ann. (VII, 39); L. 2. 3

360

Zweites Buch. Ordcnllichcr Prozeß.

als fehlerhaft verworfene Klageschrift wirkt als Klageanmeldung,

wenn daraus eine vollständige Klageschrift eingebracht wird. 7. Die

Klagen, welche sonst von dem Erben nicht angestellt, oder gegen

den Erben nicht geltend gemacht werden dürfen, Regel auf die Erben über"). aus der Vormundschaft")

und

gehen in der

Ausnahmen machen die Klagen die

fiskalischen

Ansprüche auf

Geldstrafen1 * 5*).16 * * 17 * 13 14 II. Diese Wirkungen der Ladung fallen weg: 1. Wenn der Vorgeladenc die Inkompetenz des vorladenden Richters bei dem­

selben, oder bei der vorgesetzten Instanz nachweiset ").

2. Wenn

in dem Termine zur mündlichen Verhandlung der Sache beide Theile nicht erscheinen1 ’), oder wenn der Kläger ausbleibt und der erschienene Beklagte nicht auf Kontumacialversahren, vielmehr

auf Reposition der Akten anträgt, oder auch gar keinen Antrag macht, wo die Akten gleichfalls reponirt werden, und wenn hier­

nächst der Kläger nicht innerhalb der bestimmten Frist den Prozeß wieder aufnimmt (reassumirt)18).

Ist der Termin bloß zur Klage­

beantwortung angesetzt, zu welchem der Kläger nicht peremtorisch

vorgeladen wird, so hebt das Ausbleiben des Klägers die Wir­ kungen der Ladung nicht auf, vielmehr muß das Gericht gegen

den ausbleibenden Beklagten, ohne Antrag des Klägers, und selbst alsdann, wenn derselbe nicht erschienen ist, das Kontumacialverfahren eintreten lassen").

C. de annali exc. (VII, 40); doch bat gemeinrechtlich auch schon die nach­ richtliche Mittheilung der Klage diese Wirkung, wenn nachher der Rechtsgang wirklich eröffnet wird; Viele wollen dann die Unterbrechung sogar bis auf die Anstellung der Klage zuruckbeziehen. Unterholz» er, Verjährungslehre, Bd. I, S. 441 ff. 8

13) A. G. O. a. a. O. §.51. - A. L. R. I, 9, §. 363. — §. 1 i. f. J. de perpet. et temporal, act. (IV, 12); L. 87, 139, 164 D. de reg. jur. (L. 17); L. un. C. ex dellet, defunct (IV, 17).

14) Die Erben haften zwar an sich aber für den Grad der Schuld des Erblassers erst nach Beantwortung der Klage. A. V. R II, 18, §. 294. 15) A. L. R. I, 9, §§. 363-365. 16) A. G. O. I, 7, §. 49, Nr. 2. - S. o. §. 54, Nr. 2. 17) V. vom 1. Juni 1833, §. 23; V. vom 21. Juli 1846, §. 13. — Ter­ minus circumductus. L. 73, §. 2 D. de jud. (V, 1); L. 45 D. de re jud. (XL1I, 1). 18) V. vom 1. Juni 1833, §. 24, verb. mit A. G. O. I, 7, §. 49, Ziff. 1. — L. 13, §. 2 Ö. de jud. (III, 1). — S. u. §. 287. V0-1? 2)' 3uli 1846, §. 2, Abs. 1. Stimmt mit den Bestimmungen der A. G. O. nberein, denn auch danach soll, wenn der Termin nur zur Klage­ beantwortung angesetzt worden, der Kläger davon bloß benachrichtigt werden, I, 6, §. 15, vergl. mit §. 17; I, 8, §§.9, 10.

Verfahre» in erster Instanz.

361

BnrbcreiiendeS Verfahren.

§. 173. 3. Vorladung des Klägers. Der Kläger wird von dem angesetzten Termine zur Klageber antwortung bloß benachrichtigt (monitorisch vorgeladen)'); ihm ist überlassen, auch seinerseits zu erscheinen, oder die weitere Verfügung des Richters nach abgehaltenem Termine abzuwarten2). Diese Benachrichtigung ist kein wesentlicher Bestandtheil des Prozesses3). Erscheint der Kläger, so wird die Sühne versucht (§. 138) und es kann auch die Replik vorgetragen werden; bleibt er aus, so wird gleichwohl gegen den ausgebliebenen Beklagten in contuma­ ciam verfahren 4), d. h. es wird gegen den Beklagten das That1) V. vom 21. Juli 1846, §. 4. — A. G. O. I, 6, §. 15. — Ebenso nach S. o. S. 70. , 2) Viele Gerichte, z. B. die im Bezirk des ehemaligen Oberlandesgerichts zu Ratibor, haben, auf Vorschrift, das nachstehende Formular in Gebrauch: Benachrichtigung für den Kläger in Sachen d Kläger wider d Verklagte wegen Aktenzeichen: Auf Ihre unter dem tcn angebrachte Klage ist Termin zur Klagebeantwortung auf den ten um Uhr mittags an hiesiger Gerichtsstellc anberaumt worden*). Es wird Ihnen überlassen, in diesem Termine auch Ihrer Seits zu erscheineu, um geeigneten Falls sofort auf die Klagebeantwortung sich erklären zu können, und den Versuch der Sühne zu gewärtigen. Wenn Sie aber auch nicht erscheinen, vielmehr die weitere Verfügung nach abgehaltenem Termine abwarten, wird dennoch auch ohne Ihren Antrag das Eontumacial-Verfahren gegen den Verklagten eintreten, wenn dieser im Termine nicht erscheinen, und von ihm auch nicht eine schriftliche Klagebeantwortung ein­ gereicht werden sollte. Zugleich wird Ihnen aufgegebcn, einen Kostenvorschuß von Thlrn. binnen 14 Tagen bei Vermeidung der ohne weitere Ankündigung zu verfügenden Erekution an unsere Salarien-Kasse auf das Conto Vol. Pag. einzusendeu. An d

G. R. und nach altem einheimischen Prozeßrecht.

3) Berger, Oeconomia jur. Lib. IV, Tit. 16, th. 2, n. 3: Hell­ feld, Jurisprud. for. §.234; Schilter, Exercit. ad Fand., exerc. VII, §. 9 u. v. A. — In Sachsen nannte man sic früher Gedenkzettel. 4) V- vom 21. Juli 1846, §. 4. Darin liegt eine erhebliche Neuerung; sonst mußte der Klager im summarischen Prozesse (V. v. 1. Juni 1833, §. 12),

*) Hier endet der wesentliche Bestandtheil. den Kostenvorschuß-Zahlungsbefehl, überflüssig.

WaS weiter folgt,

ist,

bis auf

Zweites Buch. Lrdcutlichcr Prozeß.

362

sachliche des Klagcvortrags für wahr angenommen «nd dasjenige

erkannt, was daraus rechtlich folgt, mithin kann der Kläger auch abgewiesen werden.

IH. Vertheidigung deS Beklagten. §. 174. 1,

Arten der Vertheidigungsmittel.

Der Beklagte kann zu seiner Vertheidigung 1. aus der Form

und Art des Angriffs Mittel herleiten (exceptiones dilatoriae,

verzögerliche Einreden),

oder 2. im Stoffe des Angriffsmittels

Vertheidigungsgründe finden (peremtorische Einreden), oder 3. aus dem, der Klage zum Grunde gelegten Geschäfte oder Umstande

seinerseits ein selbstständiges Recht geltend machen (Wiederklage). Die Vertheidigung kann auch aus allen diesen Mitteln zusammen­

gesetzt sein.

2.

Verzögerliche Einreden. §• 175.

a) Zweck und Zeit dcS Vorbringens. I.

Die verzögerliche« Einreden (§. 130) bezwecken die gänz­

liche oder vorläufige Ausschließung des Rechtsverfahrens und des­

halb die Befteiung des Beklagten

Klage selbst.

von

der Einlastung auf die

II. Sie müssen, bei Verlust derselben, vor der Be­

antwortung der Klage in der Hauptsache, und zwar, wenn deren Mehrere sind, alle gleichzeitig vorgebracht werden').

Jenes folgt

aus der Natur und dem Zwecke dieser Einreden als solcher Mittel,

wodurch das Verfahren abgelehnt werden soll, daher die in der unbedingten Einlassung auf die Klage selbst liegende stillschweigende

Anerkennung hinterdrein nicht mehr zurückgenommen werden kann,

wie nach altem Rechte überhaupt (s. o. §. 37, Erste Periode, Abschnitt Verfahren), den Ungehorsam accustrcn; die A. G. O. war davon abgegangen (I, 6, §. 15, verb. mit I, 8, §$. 9 u. 10); und daö neueste Prozeßrecht schließt sich hierin der A. G. O. allgemein wieder an. S. o. §. 151, Nr. 5. 1) Ist gemeinrechtlich ausdrücklich bestimmt im 3- R. A. SS- 37, 38, 40. - L. 13 C. de except. (VIII, 36). - L 13 C. de procurat. (II, 13); L. 40, 8.3 D. eod. (ill, 3); L. 50, §• 2, L. 52 pr. D. de jud. (V, 1) c. 20 X. de scntent. et re jud. (II, 27); c. 62 X. de appellat. (II, 28); c. 4 X. de except. (II, 25). Das Preuß. R. bestimmt nur die gleichzeitige Verbringung ausdrücklich (V. vom 21. Juli 1846, 8 5 a. G.); die Vorbringung vor der Einlassung auf die merita causae ist vorausgesetzt, ebenda, SS- 5, 6.

Verfahre» in erster Instanz.

Vorbereitende- Verfahren.

was auch autz der Eventualmaxime

folgt2).3

363

Die ordnungslose

Einmischung derartiger Einreden in die sachliche Klagebeantwor­ tung

ändert daran nichts,

vielmehr ist die Einlassung auf die

inerita causae von selbst nur eventuell zu nehmen.

Denn in der

Regel soll, wenngleich dilatorische oder prozeßhindernde Einreden

vorgebracht werden, dennoch zugleich die Klage in der Hauptsache bedingt (eventuell) beantwortet werdens.

Ausnahmsweise darf

es unterbleiben, wenn 1. eine der folgenden sechs Einreden ent­

gegengestellt und sofort bescheinigt wirb4): a) der Unzulässigkeit eines

gerichtlichen Verfahrens

über den Gegenstand der Klage

b) der Inkompetenz des Gerichts. Der Einwand der Unfähigkeit oder Verdächtigkeit des Richters (§§. 52, 53) berech­ (§. 25);

tigt zwar nicht zur Verweigerung der Einlassung, doch hat dies nur die Folge, daß wenn der Einwand unbegründet befunden wird, das Kontumacialverfahren eintritt; ist er begründet, so treten auch

dessen Wirkungen ein und der Beklagte ist nicht kontumax5).6 7 c) Der Rechtshängigkeit (§. 172, Nr. I, 1); d) der bctn Kläger

mangelnden Legitimation der Person (legitima persona), d. h. der

Fähigkeit, sowohl überhaupt als in dem Fragefalle vor Gericht aufzutreten (§§.82 ff.);

e) der nicht erfolgten Kautionsbestellung

Seitens des Klägers, wenn derselbe ein Ausländer ist (§§. 96, 97),

oder eine Ehefrau, deren Ehemann dm Beitritt versagt (§. 85), oder wenn der Kläger schon einmal dem Prozesse entsagt oder die Sache liegen gelassen und nicht rechtzeitig reassumirt hat (§. 287,

I); s) des noch nicht erfolgten Ablaufs der Ueberlegungsfrist, wenn der Beklagte als Erbe belangt worden4); und wenn 2. eine No­

mination angebracht wird (§. 88) ’). 2) B. vom 1. Juni 1833, §. 14. — Jnstrukt. vom 24. Juli 1833, §. 29; ®. vom 21. Juli 1846, §. 5 a. E. 3) I. R. A. §§. 37, 40. — R. A. v. 1570, §. 89. Darauf bezieht sich die gemeinrechtliche Formel der Sentenzen: „daß Beklagter-schuldig, sich auf die Klage einzulaffen," (welches die Verwerfung der Einrede bedeutet, worauf man fortfuhr:) „und weil er dieses auf solchen Fall bereits (oder nicht) gethan: so" ii. s. w. 4) V. vom 21. Juli 1846, §. 5. Dadurch ist der $. 14 der V. vom 1. Juni 1833 modificirt. Die Entstehungsgeschichte des $. 5 s. m. M. Bl. 1847, S. 5.

5) A. G. O. I, 9, §. 2 a. E. — S. o. §. 54, Note 8 u. 9. Der Bekla^te war dann zur Verweigerung der Einlassung berechtigt. R. vom 5. Juli 6) Ebenda, lit. f. — A. G. O. I, 20, §. 2. - S. o. Z. 150, Note 22. — Nach G. R. entbinden auch noch andere dilatorische Einreden von der even­ tuellen Einlassung, z. B. die exc. inepti libelli.

7) Daß auch eine unvollständige Klage von der Einlassung auf die Sache

Zweites Buch.

.364

Ordentlicher Prozeß.

§• 176. b) Verfahren über diese Einreden. Abh. über die §§. 5 u. 6 der Verordnung über das Verfahren in Eivilprozeffcn,

vom 21. Juli 1846 ; im Justiz-Min. Bl. für 1847, S. 3.

I.

Sind die der Einrede zum Grunde liegenden Thatum-

stände nicht gerichtskundig oder bescheinigt,

so

verfällt der Be­

klagte, welcher sich bloß aus solche Einreden beschränkt hat, ohne

Weiteres in die Strafe des Ungehorsams *).

II. Findet der Richter

den Einwand bescheinigt und begründet, so wird über denselben vorweg verhandelt und entschieden. Ist die Einrede begründet, so

wird der Kläger lediglich, oder zur Zeit, oder angebrachter­ maßen abgewicsen 2); ist der Antrag nicht begründet, so wird die

Einrede verworfen und der Beklagte hat in einem von dem Ge­ richte zu bestimmenden neuen Termine oder bis zu demselben die

Klage

anderweit vollständig zu beantwortens.

Es

ist streitig

geworden: ob diese Entscheidung in der Form eines zur Klasse der Dekrete gehörigen Resoluts, oder durch Erkenntniß (§. 140)

erfolgen muffe4).

Das Gesetz sagt, daß der Beklagte verlangen

könne, es solle darüber „erkannt" werdens; es muß also ein

Erkenntniß ergehen, gegen welches die ordentlichen Rechtsmittel stattfinden/ Der Hauptgrund6) für die gegentheilige Meinung soll in einer verständigen') Auslegung gefunden werden.

Wenn

nämlich, sagt man, die Bestimmung, daß durch Erkenntniß ent­ schieden werden solle, im §. 5 läge, so müßte sie sich auf alle sechs

Einreden beziehen.

Das wird allerdings auch behauptet.

Aber

damit, sagt die andere Meinung^ hätte die Verordnung, wenig-

cntbindc, sollte gleichfalls als Prozeßgrundsatz anerkannt sei», denn er macht stch vc» selbst geltend. Die Pflicht des Richters, die Klage zu prüfen, schützt nicht immer vor der Zufertigung unvollständiger Klagschriftcn.

1) V. v. 21. Juli 1846, §. 5, Worte: „ vermag der Verklagte eine solche Einrede, insofern es eines solchen Beweises überhaupt bedarf, sofort zu be­ scheinigen."

2) A. G. O. I, 10, §. 69. 3) Ebenda, §. 72. — V. vom 21. Juli 1846, §. 6. 4) Abh. in dem I. M. Bl. für 1847, a. a. O. 5) V. vom 21. Juli 1846, §§. 5 u. 6. 6) Was noch aus den s. g. Materialien werden will, beweiset nichts.

des Gesetzes dafür entnommen

7) Der Vers, der Note 4 gedachten Abhandlung, S. 6, erklärt damit vor­ weg jede Auslegung, die ei» anderes Ergebniß hat als die feinige, für unver­ ständig.

Verfahren in erster Instanz.

Vorbereitendes Verfahre»,

stens hinsichtlich der Einreden unter 4 und 5, eine Neuerung8) eingeführt, wozu nicht nur kein Bedürfniß gewesen wäre, sondern

welche man widersinnig nennen könne. Das ist nicht findbar.

Be­

dürfniß ist es schon so lange, wie die Allgemeine Gerichtsordnung in Anwendung ist, die in Form der Dekrete ergehenden richter­

lichen ^Verfügungen auf die bloße Direktion des Prozesses zu be­ schränken und über Streitfragen zwischen den Parteien durch eilt Urtel zu entscheiden.

Die Widersinnigkeit soll bei Ziffer 4 darin

liegen, daß die hier behauptete Meinung

zu der Sonderbarkeit

führe, daß, wenn der Kläger ein Ausländer sei, über die Ver­

pflichtung zur Kautionsleistung sowie über den Betrag der Kaution

und die Zulänglichkeit der bestellten Sicherheit durch Erkenntniß entschieden und folgeweise auch ein Erkenntniß zugelassen werden müßte, während, wenn der Kläger ein Inländer sei, diese Dinge

nach

wie vor nur durch

wären.

nicht appellable Dekrete zu erledigen

Die Sonderbarkeit ist nicht ersichtlich und in der Praxis

zeigt sie sich auch nicht; ich selbst habe mehrmals an solchen Er­

kenntnissen Theil genommen und die Sachen nahmen immer einen sehr natürlichen und wohlgeordneten Verlauf«').

Gegenstand des

Erkenntnisses sind keinesweges „diese Dinge", sondern lediglich die Frage: ob der Beklagte zur Zeit schuldig, sich auf die Klage ein­ zulassen.

Daß hierüber ebenso wie im Gemeinen Prozesse durch

ein Urtel zu entscheiden, ist ein Fortschritt.

Die Zulässigkeit der

ordentlichen Rechtsmittel gegen ein solches Urtel macht nicht mehr oder weniger Schwierigkeiten als die schon nach der Prozeßordnung zulässigen Zwischenurtel

über Präjudieialftagen; die Appellation

und die Revision haben nur Devolutivwirkung und hemmen mit­

hin das Verfahren nicht, wenn der erste Richter die Einrede ver­

wirft»).

Noch sonderbarer soll es sein, wenn künftig über jede

8) Nach der Prozeßordnung sollte freilich über diese beiden Einreden Dekretalentscheidung eintretcn (Tit. 21, §§. 5 u. 8); doch war damit die Vor­ schrift des Tit. 10, §. 79 nicht absolut ausgeschlossen, zumal im Falle des §. 13, Tit. 21, wenn cs sich darum hanoellc: ob dcr Beklagte sich auf die Klage cinzulasscn verbunden sein sollte, oder nicht, ein Falt, für welchen gerade der §. 79 Tit. 10 Bestimmung trifft. 8 a) In einer Sache war sogar zuerst die Form des Dekrets (Resoluts) angewendet worden; dieses wurde aber durch das Appellationsgericht auf einseitlge Beschwerde deS Beklagten, in dem dem Preuß. Prozesse eigenthümlichen Beschwerde-Verfahren, in welchem der erste Prozeßgrundsatz: audiatur et altera pars, feine Anerkennung findet, aufgehoben, ohne daß der Gegner davon eher etwas erfuhr als bis ein neuer Verhandlungstermin eingesetzt worden war. In diesem widersetzte er sich dem einseitigen Verfahren, und verlangte nochmalige Verhandlung und Entscheidung durch ein förmliches Urtel

9) A. G. O. I, 10, §§. 69—78 b.

Zweite- Buch. Ordentlicher Prozeß.

366 Berufung

auf eine nur sechswöchentliche

Deliberationsfrist erst

vollständige Verhandlung und Erkenntniß erfolgen sollte.

Es ist

nie sonderbar, wenn der Richter über eine Streitfrage unter den Parteien vor sich vollständig verhandeln läßt und dann darauf er­ kennt. Die Sonderbarkeit könnte nur darin gefunden werden, daß

zu der Zeit, wo der Ausspruch geschieht, die Deliberationsfrist schon

abgelaufen wäre.

Das hindert jedoch an sich nicht, die Einrede

für begründet zu erklären und davon die damit verbundenen Fol­

gen eintreten zu lassen.

Wäre die Zeit wirklich bereits verlaufen,

so würde der Richter seinen Ausspruch darnach schon einrichten ").

Uebrigens setzt das fteilich wohl den Fall voraus, wenn dergleichen Einwand, wodurch die Einlassung auf die Klage aufgehalten wer­

den soll, nicht durch eine vorläufige Verfügung sofort aufgeklärt und beseitigt werden kann und wo derselbe schon nach der A.G.O.

zur Instruktion

verwiesen werden muhte1 *).

Ist der Mangel

ganz klar und so unzweifelhaft, daß der Richter schon bei Prüfung

der Klage darauf von Amts wegen hätte Rücksicht nehmen müssen:

so ist die Vorschrift der A. G. O., daß der Richter das Erforder­ liche durch ein Dekret anordnen, z. B. sich für inkompetent er­

klären solle, wenn er nach den Vorlagen augenscheinlich nicht kom­ petent ist,

noch immer anwendbar.

Außerdem muß schon nach

der A. G. O. förmlich erkannt werden1 *).

III. Findet der Rich­

ter die Einrede zwar bescheinigt, aber nicht begründet, so ergeht auf die vorläufige Klagebeantwortung sogleich eine neue Ladung

zur Klagebeantwortung, und der Beklagte darf darauf, bei Strafe

deS Kontumacialverfahrens, keine neue dilatorische Einrede vor­ schützen; es steht ihm jedoch frei, die ohne Weiteres verworfene

Einrede in der vollständigen Klagebeantwortung zu wiederholen, um darüber mit verhandeln und erkennen zu lassen; die Einlassung auf die merita causae ist dann nur bedingt (eventuell); ohne eine

solche ausdrückliche Wiederholung oder Bezugnahme auf die vor­

läufige Klagebeantwortung wird auf diese nicht mehr Rücksicht genommen1 ’).

Der Kläger wird von der per decretum erfolgten

10) Er würde dann ru erkennen haben, daß die Einrede zwar für begründet, aber durch Verlauf der Zeit für erledigt zu erachten und der Kläger in die Kosten zu verurtheilen.

11) A.G.O. I, 9, SS- 20, 21. 12) Tit. f0, $.79. Ueber den bestrittenen Ginwand der Inkompetenz

muß immer durch Erkenntniß entschieden werden; findet der Richter den Einwand begründet, so erkennt er: daß der Kläger „ Hiergerichts ", oder „hierorts" abznweifen. 13) Verordn, vom 21. Juli 1846, $. 6.

Verfahrt» in erster Instanz. Vorbereitendes Verfahren.

367

Verwerfung der Einrede, unter abschriftlicher Mittheilung derselben, und von der neuen Vorladung des Beklagten in gleicher Weise wie bei der ersten Vorladung benachrichtigt.

3.

Einlassung auf die Klage.

A. G. O. I, 9 u. 10. — Gaji, Comment. III, g$. 180, 181. — Tit. 0. de litiscontestatione (III, 9). — Winkler, Discrimen inter litiscontestationem jure veteri et hodierno. Lips. 1751; et in opusc. minor. Vol. I, p. 293 sqq. — Goldschmidt, über LitiSkontestation und Ein­ reden. Franks, a. M. 1812. — Linde, über die gesetzlichen Folgen der nicht nach Vorschrift der Gesetze geschehenen Kriegsbefestigung; in den Abhandl. I, 1. — Keller, über LitiSkontestation und Urtheil nach klassischem Röm. Rechte. Zürich 1827; u. Mohl'S ic. kritisch. Zeitschr. Bd. V, ervei> kann.

Zweite- Buch.

480

Ordentlicher Prozeß.

Personenmehrheit ist und der Fall eintritt, wo ihr die Wahl der Schwörenden zusteht2), 3 4oder 5 6 7 8wenn er der Fiskus ist'), so sind

zugleich diejenigen Personen, welche zum Schwören bestimmt wer­ den, zu benennen.

Die Annahme muß unbedingt und ohne Ab­

änderung des behaupteten Satzes, worüber der Eid zugeschoben ist, geschehen;

nur wenn über Summen geschworen werden soll,

kann der Eid auf eine geringere Summe angenommen werden'),

II. Der Widerruf der Annahme findet in der Regel nicht Statt, der Delat muß entweder schwören oder sich pro jurare nolente

erklären und die Folgen

davon gefallen lasten').

sind: 1. wenn der Deferent einverstanden ist;

Ausnahmen

2. Wenn der De­

ferent das Gegentheil dessen, was beschworen werden soll, beschei­ nigt (§. 196); in diesem Falle steht es in der Wahl des Deka­

ten: ob er den Eid zurückschieben, oder ob er die von dem Geg­ ner angezeigten andern Beweismittel gestatten will.

Wählt er

das Zweite, so ist solches nicht als eine Gewissensvertretung durch

Beweis anzusehen,

es

treten daher auch nicht die nachtheiligen

Folgen einer mißlungenen Gewissens Vertretung (§. 251)

3. wenn er den Beweis des Gegentheils Deferenten 4.

übernimmt

(sein Gewissen

ein*);

der Behauptung des

mit Beweis

vertritt2);

wenn er vor der Ableistung stirbt und seine Erben den Eid zu

leisten haben würden').

2) A. G. O. «. a. O. §. 271. 3) B. vom 28. Juni 1844, §§. 2—4 (G. S. S. 251). 4) A. G. O. a. a. O. §§. 310, 311. Es ist eine in der PrariS oft wieder­ kehrende Erscheinung, daß der Delat dem Satze, worüber der Eid deferirt wird, Modifikationen oder Anhänge beifügt und dann erklärt: er wolle den ihm deferirten Eid dahin annchmen, daß u. s. w. Damit will er sich unbemerkt der Bewcislast für eine selbstständige Thatsache (Einrede) entziehen. Denn wenn die Modifikation die Voraussetzungen der Begründung des Anspruchs betrifft, so ist entweder der Eid, wie er deferirt worden, unerheblich, oder er kann unbedingt acceptirt werden.

5) Ebenda, §. 294. - L. 34, §. 6 D. h. t. 6) A. G. O. a. a. O. §. 294. — Der Grund davon ist die WillenSübereinftimmung beider Theile über eine andere Beweisführung: der Beweisführer will andere Beweismittel anwcndeu und der Produkt läßt es sich gefallen.

7) Eigentlich könnte hier der Deferent auf die präcise Ableistung des ein­ mal acceptirten Eides wohl bestehen und die A. G. O. I, 10, §. 2o5 bezicht sich auch nicht auf diesen Fall; doch gestattet die Praris die Aufnahme des Be­ weises. Gemeinrechtlich ist es kontrovers. Cocceji, Jus controv. XII, 2, gu. 26. — Str üben, rechtliche Bedenken, Bd. II, Bed. 2. — Wernher,

Obs., P. X, obs. 394. 8) A. G. O. a. a. O. §. 378.

Verfahren in erster Instanz.

BeweiSverfahren.

Beweismittel.

481

§. 250.

c) Zurückschiebnng des Eides.

Lauterbach, de relatione jurisjurandi.

Tubing. 1674.

1. Die Erklärung des Delaten, daß er den Eid zurückschiebe

(relatio juramenti), enthält die Einwilligung, daß der Deferent seine eigene Behauptung eidlich bezeugen möge. aus:

Dies setzt vor­

1. daß der Deferent zeugnißfähig sei, deshalb kann dem

FiskuS, wenn dessen Vertreter sich der Eidesdelation bedient hat, der Eid nicht zurückgeschoben werden'); 2 daß der Referent ver­

fügungsfähig sei, daher der Stellvertreter des Fiskus, ein Vor­

mund, oder ein Vorsteher einer Kirche, Schule oder andern milden Stiftung zur Zurückschiebung des Eides eine ausdrückliche Geneh­

migung der vorgesetzten Behörde beibringen muß 2).

Die unzu­

lässige Zurückschiebung hat Desertion des Eides zur Folge.

Der

Widerruf der Relation des Eides ist, ohne Unterschied, ob der Deferent schon acceptirt hatte oder nicht, unter denselben Voraus­

setzungen,

unter welchen die Delation widerrufen werden kann,

zulässig, der Referent selbst aber kann sich zur eigenen Ableistung

nicht mehr erbieten und muß einen andern Beweis antreten41),52 63er

kann auch den einmal widerrufenen Eid nicht von Neuem referi-

ren4).

II. Der Deferent muß sich über die Acceptation des ihm

referirten Eides sofort erklären, widrigenfalls er pro jurare no-

lente erachtet wird, wenn ihm der Referent keine Bedenkzeit be­ willigt °).

Er, der Deferent, muß auch, wenn er nicht beweis­

fällig werden will, schlechterdings schwören und kann ihn weder nochmals deferiren (wieder referiren), noch kann er sein Gewissen

durch Beweis vertreten").

Ob er aber von dieser Beweisführung

1) A. G. O. a. a. O. 8. 292, de act. rer. anaotar. (XXV, 2). 2) A. G. O. a. a. O. Nr. 2. ohne Autorisation referiren. R. S. 274). 3) Ebenda, §§.303, 301. —

Nr. 1. — L. 11, §§. 1-3, L. 12, 13 D. — c. 36 X. h. t. (II, 24). Gin Konkurskurator kann ausnahmsweise vom 5. Mai 1828 (Jahrb. Bd. XXXI,

Leyser, Med. sp. 139, cor. 2. — Diese Beweisführung ist nicht Gewiffeusvertretung durch Beweis, sondern Folge der durch Widerruf des Eides übernommenen Beweislast. Die Meinungen hierüber sind verschieden. 4) A. G. O. a. a. O. §. 302. - L. 11 C. h. t. (IV, 1). 5) Ebenda, §. 296. — Bopp, Folge der Unterlassung der Erklärung auf die Zurückschiebung deS Haupteides; in den Mittheilungen, Bd. IV, S. 117. 6) A. G. O. a. a. O. §. 296. - L. 12, §. 1 C. h. t. (IV, 1); L. 34 8- 7 D. eodem (XII, 1). - M. Aufsatz im Schles. Arch. Bd. I, S. 120. — Die Frage ist nicht ausgemacht. S. Pfeiffer, neue Sammlung bemerkenSwcrther Entscheidungen des Appellationsgerichts zu Kassel, Bd. IV, S. 168.

Koch, Civilprozeß. 2. Aufl.

31

Zweite- Buch.

482

Ordentlicher Prozeß.

überhaupt abgehen und einen ganz andern Beweis antreten könne, ist eine andere Frage.

Die Relation und

die darin enthaltene

Annahme der Anerbietung des eigenen Zeugnisses steht nicht ent­ gegen, da der Beweisführer nicht genöthigt werden kann, von der Erlaubniß deS Gegners Gebrauch zu machen. Allein da das Produktionsverfahren begonnen und bis zur Abnahme des Eides vorgeschritten ist, so braucht der Gegner eine ganz neue Beweis­ antretung für diese Instanz nach der Laune des Producenten sich

nicht gefallen zu lassen'). §. 251. d) Gcwissensvertretung.

Dr. Ab egg, über die GewiffenSvertretung durch Beweis.

Beitrag zur Erläu­ terung und Kritik deS §. 255, Tit. 10, Th. I der A. G. O. (Jur. W.

1840, S. 353). — Griebner, D. de probationum, quae jurisjurandi causa suscipiuntur, ambagibus recidendis, Vit 1716, et in Opuse. Tom. IV, nr, 9. — Boerner, D. de probatione pro exoneranda conscientia. Erf. 1731. — Goldschmidt, von dem Beweise durch Ge­ wiffenSvertretung, und in wiefern dieselbe in den Gesetzen begründet sei; in den Abhandlungen, Nr. VI, S. 70 ff. — Lueders, D. de origine et

fundamento probationis pro exoneranda conscientia.

Gött. 1827. —

Von der GewiffenSvertretung; in v. Bülow u. Hagemann'S prakt. Er­ örterungen, Bd. VII, S. 280 u. in Schlüter, jur. Zeitung, Jahrg. VI,

S. 145. Der Delat kann das ihm durch den Eidesantrag zugemu-

thete Zeugniß in eigener Sache ablehnen und auch das dadurch

zugleich eventuell angebotene Zeugniß des Deferenten verwerfen,

indem er selbst den Beweis der Unwahrhell des Beweissatzes über­ nimmt

und

antrllt.

Diese Beweisführung

nennt

man

Ge­

wissensvertretung durch Beweis (probatio pro exoneranda conscientia) *).

I.

Sie wird nach Pr. Äi. zugelassen, doch mit

Unterscheidung zweier Fälle.

1.

Wenn solche anderweitige Be­

weismittel vorgeschlagen werden, wodurch die Wahrheit sicherer

und zuverlässiger an den Tag gebracht werden kann, als durch die Eideszuschiebung, d. h. also, wenn ein Verhältniß vorhanden

ist, welches dem Delaten aus eigener Wissenschaft nicht bekannt

sein kann, und er also nur de ignorantia zu schwören hätte, ist

7) V. vom 1. Juni 1833, §. 35.

1) Der Ursprung ist streitig; manche wollen sie schon im R. R. finden (Quintil. instit. orat. V, 6), Andere halten sie für ein Erzeugniß der PrariS.« Bauer, de defensione conscientiae per probationem jure communi fundata. Lips. 1753, et in Opusc. T. I.

Verfahren in erster Instanz. Beweisverfahren. Beweismittel.

483

die anderweite Beweisführung unbeschränkt zugelassen; sie unter­ scheidet sich von einer andern Beweisführung nicht und wenn sie

zu keinem Resultate führt, kann noch auf den deferirten Eid zu­ rückgegangen und, wenn dies nur eventuell geschieht,

auch auf

einen nothwendigen Eid für den einen oder den andern Theil

erkannt werden «).

2.

Wenn jedoch ein solches Verhältniß fehlt,

wenn der Delat aus eigener Wissenschaft unterrichtet sein kann, und er, statt die Sache durch die Eidesleistung kurz zu erledigen, einen weitläuftigern

und

kostspieligern Beweis unternimmt,

so

wird derselbe zwar ebenfalls ausgenommen; allein der Delat muß

auf jeden Fall die Kosten dieser Beweisaufnehmung allein tragen, ohne Anspruch auf Ersatz an den unterliegenden Gegner zu ha­ ben; und wenn der Beweis nicht vollständig ausfällt, wird

der Delat weder zur Annahme oder Zurückschiebung des deferirten Eides, noch zu einem nothwendigen Eide gelassen*); er ist mithin

Die

beweisfällig.

eventuelle Zurückschiebung

für den Fall., daß

die Gewissensvertretung mißlingen sollte, ist nicht zulässig.

II. Der

Gegenbeweis ist dem Deserenten unverschränkt*), denn das Ver­

hältniß der Parteien in Beziehung auf die Beweislast hat sich umgekehrt$)

b) Beweisaufnahme. §. 252. ci) Verfügung des Richters auf die Erklärung der Parteien,

Ohne daß es eines besondern Parteiantrags bedarf, verfügt

der Richter,

unter Mittheilung der Erklärung an den Gegner,

die Vorladung der Parteien zur mündlichen Verhandlung, nach

deren Anhörung er entweder 1. die Ausnahme des angetretenen Beweises zur Gewissensvertretung

verordnet,

oder 2.

den Eid,

2) A. G. O. I, 10, §. 255 bis zu den Worten „verfahren werden," verb. mit 8- 266 n. §- 294 a. E. 3) Ebenda, 8 255 von den Worten: „Wenn jedoch," u. 8-287. — Die Meinungen der gemeinrechtlichen Rechtsgelehrten differiren. Faber, de eo, quod justum est si conscientiam probatione defensurua in probatione defecerit. Gött. 1775. — Bayer, Vorträge, S. 399. — Overbeck, Medit. Bd. X, S. 334. 4) Ist nach G. R. streitig. Overbeck, Med. Bd. XI, S. 77. —Linde, über das Prinzip zur Lösung der Frage: ob bei GewiffenSvertretungen eine Gegenbeweisführung auf Seite des Deferenten zuläfffg fei; in der Zeitschrift für Civilrecht und Prozeß, Bd. III, S. 1 ff. — A. M. Zu Rhein, Jahrb., Bd. I, Abh. 8, S. 198 ff. und Richter u. Schneider, krit. Jahrbücher, Bd. VII, S. 350. 5) Darum paßt die Regel: reprobatio reprobationis non dafür, hier nicht. Im Preuß. R. ist über die Zulässigkeit des Gegenbeweises bei der GewiffenSvertretung kein Streit.

484

Zweites Buch.

Ordentlicher Prozeß.

wenn er angenommen oder zurückgeschoben ist, so wie er wörtlich geleistet werden soll, mit Rücksicht auf die Sachlage und die Par­ tei, welche schwören soll, so wie aus die Art der Wissenschaft des

Schwörenden, normirt ’).

Die Eidesformel eröffnet er sogleich den

Parteien; diese müssen mit ihren Erinnerungen gegen die Fassung gehört werden, und wenn kein Einverständniß stattfindet, ist das Endurtel abzufassen, oder, wenn noch andere Beweise aufzuneh­ men sind, der Eid zum Endurtel auszusetzen, in welchem dann

bestimmt wird: wie geschworen werden soll1 2).3

Wird aber von

den Parteien gegen die Erheblichkeit und die Formel des Eides nichts erinnert, oder ist der durch den Eid auszumittelnde Um­

stand von der Beschaffenheit, daß das weitere Verfahren von des­ sen Erörterung abhängt: so verordnet der Richter die Abnahme

des Eides");

wenn die Partei am Orte des Gerichts oder in

der Nähe wohnt, in einem dazu besonders anzusetzenden, nach

dem Ermessen des Gerichts auf länger oder kürzer hinauszurücken­ den, Audienztermine 4),5 6wenn 7 8 aber die Partei, welche schwören soll, außerhalb wohnt, oder sonst nicht erscheinen kann, die Abnahme durch einen Kommissarius tn der Behausung, oder die Requisition des persönlichen Richters um Abnahme des Eides').

Wird der

Beschluß des Gerichts den anwesenden Parteien publicirt, so ver­

tritt solches zugleich die Stelle der Vorladung"); sonst wird die Partei, welche schwören soll, unter der Verwarnung, daß sie pro jurare nolente erachtet werden

würde ’),

und die Gegenpartei,

um schwören zu sehen, unter der Verwarnung, daß ihr im Falle

des Ausbleibens auf ihre Kosten dazu von Amts wegen ein Be­ vollmächtigter bestellt werden würde"), vorgeladen.

Das Unter;

1) A. G. O. I, 10, §. 304; Aich. §. 89. — Jnstr. vom 24. Juli 1833§. 40. - L. 34, §. 5, 8 D. h. t. (XII, 2). — c. 4 X. eod. (II, 24). 2) A. G. O. a. a. O. §§. 306-308.

3) Ebenda, §§. 305, 308. 4) V. vom 1. Juni 1833, §. 31, u. V. vom 21. Juli 1846, §. 12. 5) A. G. O. I, 10, §§. 370 - 373. - V. vom 1. Juni 1833, 8- 32. — Sergi. L. 12 pr. §. 5 C. h. t. (IV, 1). - Nov. 124, c. 1 i. f. 6) V. vom 1. Juni 1833, §. 27. 7) A. G. O. a. a. O. §. 375. Dieser Partei selbst muß die Ladung uv sinuirt werden; die Insinuation an den Bevollmächtigten ist »ngeuiigend. Pr. des Ob.-Tr. vom 11. Decbr. 1841 (Ulrich, Arch. Bd. VIII, tz. 551). 8) Ebenda, §. 374. — Anh. §. 93. Das Präjudiz ist nicht gerecht. Die ausbleibende Partei muß gelten lassen und glauben, was geschehe» ist, aber daß ihr, damit sie mehr Grund zu glauben habe, Kosten gemacht werden, ist nicht rechtfertig: sie verlangt gar keine Maßregeln zu ihrer mehreren Sicherheit, die ohnehin durch diese Assistenz auch nicht erreicht wird.

Verfahren in erster Instanz.

DewetSverfahren. Beweismittel.

485

bleiben der Benachrichtigung des Gegentheils oder der Bestellung eines mandatarius ad vivendum jurare ex officio Nichtigkeit der Eidesleistung*).

wirkt keine

Die Prorogation des Termins

ist aus erheblichen und bescheinigten Ursachen zulässig *1 °). 2345678

§. 253. b) Attsfübrung des Beweises.

I. Erscheint die Partei, welche schwören soll, in dem Schwörungstermine auf den Aufruf der Sache nicht, so wird sie, bei

richtiger und gehörig insinuirter Vorladung, als jurare nolens, in contumaciam für beweisiallig erachtet').

Die früher noch bis

zum Schluffe der Instanz zulässige Abwendung der Folgen der Kontumaz*) findet nach neuem Prozeßrechte nicht mehr statt*)-

dagegen kann binnen zehn Tagen nach dem versäumten Termine, es mag inzwischen bereits erkannt sein,

oder nicht, Restitution

nachgesucht werden*), ohne daß Hinderungsursachen angegeben zu

werden brauchen*).

Wird die Restitution bewilligt, so erfolgt die

Ladung zu einem neuen Schwörungstermine; wird dieser wieder versäumt, so wird eine weitere Restitution nicht gewährt*). H. Er­

klärt der Erschienene, daß er den Eid nicht schwören könne oder wolle, so findet gegen die Folgen, daß die Thatsache, nach Lage

der Sache, für erwiesen oder widerlegt angenommen wird, weder ein Widerruf der Erklärung, noch eine Restitution statt ’).

Ist

er zur Eidesleistung bereit, so muß er den Eid mit den vorge­ schriebenen Worten schwören ®); wer ihn nicht nach der vorgeschrie­

benen Norm, wenn auch wesentlich in demselben Sinne, ableistet,

9) Kirin'» Halltscht Rkchtssprücht, Bd. 111, S. 141 ff. — v. Bülow, Abhandlungen, Bd. II, S. 248. 10) A. G. O. a. a. 0. §. 375. 1) Ebenda, u. I, 13, $. 10, Nr. 8. - L. 34, $$. 6, 9; L. 38 D. h. t. 2) A. G. D. a. a. O. j. 376. In der folgenden Instanz können die Folgen des Ausbleibens auch jetzt noch durch Nachholung der Eidesleistung abgewendet werden; in diesem Punkte ist der §. 376 nicht avgeändert. Zu vergl. vaS Pr. des Ob.-Tr. 1693, vom 5. Februar 1846. 3) Entsch. des Ob.-Tr., Bd. X, S. 472. 4) V. vom 21. Juli 1846, $. 31 a. E. 5) Ebenda. Danach kommt derjenige, welcher den Termin versäumt, besser zu stehen, als wer vorher Prorogation nachsucht ($. 252 a. (S.).

6) L. 3 C. si saepius in integrum (II, 44); Paulus, sent. ree. I, 7, 8. 3. Dieser alte Rechtssatz ist nicht verändert. 7) A. G. O. a. a. O. $. 376. 8) Ebenda, SS. 304, 309 u. 314; Anh. 8- 89.

Zweite« Buch.

486

Ordentlicher Prozeß.

erklärt dadurch, daß er den Eid nicht leisten könne oder wolle'».

Davon gelten folgende Ausnahmen:

1. Soll durch den Eid eine

gewisse, dem Schwörenden zukommende Summe festgestellt werden, so darf eine mindere Summe, als in der Norm angegeben ist,

beschworen werden''), eine höhere niemals; soll aber eine gewisse

Summe schuldig zu sein, durch den Eid widerlegt werden, so muß

der Schwörende schwören, entweder daß er gar nichts, oder nicht mehr, als er nachgegeben habe, schuldig sei'").

2. Enthält der

Eid mehrere Thatumstände, welche zusammentreffen müssen, um

die rechtliche Folge, auf welche es ankommt, hervorzubringen: so kann der Schwörende den verneinenden Eid mit rechtlicher Wir­

kung auf eine einzige dieser Thatsachen richten"); der bejahende Eid muß aber alle Umstände enthalten. III. Soll eine Personen­ mehrheit einen Eid leisten, und wollen Einige schwören, Andere

nicht; so ist zu unterscheiden: ob der Gegenstand theilbar ist oder nicht, und ob Jeder über den auf ihn treffenden Theil verfügen

kann oder nicht.

1. Ist der Gegenstand theilbar, und kann Je­

der über seinen Antheil verfügen:

so muß Jeder,

welcher nicht

schwören will, sich die rechtlichen Folgen für seinen Theil gefallen lassen").

2. Ist eine

Korporation,

Gemeinschaft

vorhanden

oder

soll

eine

deren Mitglieder nicht über einzelne Antheile frei

verfügen können, schwören, so gilt Folgendes:

a) Wahre Litis-

konsorten müssen Alle schwören; wenn auch nur Einer den Eid verweigert und alle Andern wirklich geschworen hätten, so gilt der

Eid für nicht geschworen'-''),

b) Soll eine Korporation schwö-

9) Schics. Arch. Bd. VI, S. 343. ?a) Um dem EideSpflichtigen dazu die Befugniß vorzubehalten, bedient man sich in Parenthese der Formel: oder wieviel weniaer, welche man in die im Urtel vorgeschriebene EideSnorm mit aufnimmt, z. B. „daß der Kläger schuldig, iu prüfen: ob er u. s. w. einen Eid dahin leisten könne, daß er dem Beklagten 100 Thlr. (oder wieviel weniger) in Verwahrung gegeben habe." Im Schwurtermine muß nun die Partei, welche schwören will, über ihre Befugniß bedeutet und befragt werden: was für eine Summe sie beschwören wolle. Die von ihr genannte aeringere Summe wird in die EideSnorm an Stelle der 100 eingerücft «nd die Parenthese wird weggelaffen. 10) A. G. O. a. a. O. SS 310, 3!la. 11) Ebenda, 8.311b. 12) A. G. O. I, 10, 8. 273 a. E. u. SS- 274, 275. Die Sätze sind durch die PrariS gebildet; das G. R. hat darüber keine Bestimmung. 13) A. G. O. a. a. O. SS 269, 273; Tit. 17, $. 26. - Schles. Archiv, Bd. IV, S. 29. - Jur. Wochenschrift für 1843, Nr. 45 u. 46. — Die Wei^rnng des Eides von Einem gilt soviel wie ein ungünstiges Zeugniß in eigener Sache und hebt das entgegengesetzte Zeugniß der Uebrigen in eigener Sache auf, mithin ist nichts bewiesen.

Verfahren in erster Instanz.

Bewei«»erfahren

Beweismittel.

reit und Einer oder Einige der zur Eidesleistung

487

Abgeordneten

Mitglieder find dazu bereit, Einer oder Andere aber nickt: so ist

die Ursache davon zu untersuchen.

Versichern die sich Weigernden

an Eidesstatt, daß Gewissensskrupel die einzige Ursache, oder daß ihnen von der Thatsache, worüber geschworen werden soll, nichts

bekannt sei, so müssen an ihrer Stelle eben soviel andere Mit­

glieder ernannt oder ausgesucht werden.

Besteht aber die Ursache

ihrer Weigerung in Zweifelsgründen über die Richtigkeit des Um­ standes, worüber geschworen werden soll; so müssen den andern Mitgliedern,

werden.

welche schwören

wollen,

die Gründe vorgehalten

Wollen sie dennoch schwören, so muß darüber münd­

liche Verhandlung in der

öffentlichen Sitzung

stattfinden,

das Gericht hat, nach Anhörung der Parteien, zu befinden:

und ob

die Zweifelsgründe durch Ausnahme des etwa angedeuteten Be­ weises weiter verfolgt werden sollen,

oder ob

die Korporation

noch durch andere Mitglieder zum Eide zu lassen, oder ob sie für

beweisfällig zu achten sei. den Gründe,

Findet das Gericht keine überwiegen­

sich für eine dieser drei Alternativen zu bestimmen,

so kann es verordnen, daß sämmtliche Mitglieder der Korporation,

Mann für Mann, darüber vernommen werden: ob sie schwören wollen oder nicht; und alsdann ist nach der Mehrheit der Schwö­ renden oder Nichtschwörenden1 ■*) zu bestimmen: ob die Korporation

den Eid geleistet habe oder nicht1 s). §. 254. c) Erlassung und Verhinderung der Eite-leiftung.

I. Die Erlassung des Eides hat die Wirkung der Ableistung •). Zur gültigen Erlassung ist Selbstständigkeit und Verfügungsfähig­ keit der Partei erforderlich *); Vormünder, Vorsteher und fiskalische

14) Erst die wirkliche Ableistung kann die Entscheidung geben, nicht da­ bloße Erbieten. 15) A. G. O. a. a. O. $$. 276—278. Diese Bestimmungen stnd bloße Prozeßvorschristen, nicht Grundsätze de- materiellen Recht-. Pl.-Beschl. des Ob.-Tr. vom 27. Juni 1842 (Gntsch. Dd. X, Nr. XV). Wenn also da­ richterliche Ermessen die Vernehmung der Mitglieder Mann für Mann, und die Au-wahl Anderer zum Schwören für unnöthig hält, so ist da- keine Nichtigkeit, weil eben da- Ermessen entscheidet und die Vorschrift nicht wesentlich ist. Ueber da- G. R. s. m. v. Bulow n. Hagemann, Erörterungen, Bd. III, Abh. 21, S. 142 in der Note, u. S. 143; u. Linde, Abh. im Arch. für civil. Prari-, Bd. X, S. 43 ff. 1) Ebenda, I, 13, $. 10, Nr. 8. - L. 6. 9. 4. I v. h. t. (XII, 1). — Menken, de remusione juramenti. Viteb. 1718. 2) A. G. O. I, 10, $. 285. - L. 32 D. h. t.

Zweites Buch.

488

Ordentücher Prozeß.

Anwälte müssen eine ausdrückliche Genehmigung der vorgesetzten Behörde, und Bevollmächtigte eine Specialvollmacht dazu, in der­ selben Form, welche für die Prozeßvollmacht selbst in dieser Sache

erforderlich war, beibringen3).4

leistung

kann

in

Gegners liegen.

II. Die Verhinderung der Eides­

der Person des Acceptanten

oder in der des

Dabei kommen im Allgemeinen die Grundsätze

über Zufall und Verschuldung zur Anwendung.

Stirbt der Ac-

ceptant eines natürlichen Todes3“) oder durch Schuld des Geg­ ners vor der wirklichen Ableistung, nachdem er den zugeschobenen

oder zurückgeschobenen Eid unbedingt und ohne Vorbehalt, mit be­ stimmter Angabe der Thatsache,

über welche geschworen werden

sollte3*), angenommen hatte, so wird der Eid für geschworen an­

genommen^), wenn er auch nur eventuell zugeschoben war.

Unter­

bricht der Gegner die angefangene Eidesleistung, so muß, nach

allgemeinen Grundsätzen, über Dolus und Kulpa, die Handlung für gehörig vollzogen gelten5).6 7Tritt eine zurechenbare Handlung

des Acceptanten3), oder ein Zufall unter Umständen, wo der Eid noch nicht für geschworen angenommen werden kann,

hindernd

dazwischen: so muß dem Beweisführer, nach den Grundsätzen über

Verlust der Beweismittel,

noch eine andere Beweisführung ge­

stattet werdens.

3) A. G. O. a. a. O. - A. L. R. I, 13, $. 99; Anh. dazu, $. 44. 3a) Dem Todesfälle ist der Eintritt einer dauernden Geisteskrankheit gleich zustellen. 3b) Diese bestimmte Bezeichnuna des Gegenstandes ist wesentliches Erforderniß. Die Schriftsätze sind gewöhnlich in so allgemeinen Ausdrücken gehalten, daß man zweifelhaft sein kann: worüber denn eigentlich der Eid zugeschoben und angenommen sein soll. 4) A. G. O. a. a. O. $• 378. — Der durch die Praxis aufgebrachte Satz ist im G. R. streitig. Ueber die Frage: ob der deferirte oder von dem Richter anferlegte Eid für geleistet zu halten, wenn derjenige, welcher sich zur Ableistung bereit erklärt hat, vor der Ableistung stirbt, s. m.: v. Lindelof, im Arch. für civil. PrariS, Bd. IV, S. 423 ff.; v. Bulow u. H a g e m a n n, prakt. Er­ örterungen, Bd. III, S. 136 ff.; Danz, kritisches Archiv, Bd. V, S. 536; Overbeck, Meditationen, Bd. IV, S. 285. — Neuendorff, de morte

loco jurisjurandi. Bützov 1787. — Seyfried, num juramentum delatum in judiciis, acceptatumque, interveniente morte acceptantia pro praeatito haberi queat. Wirceb. 1798. 5) Ueber die Unterbrechung der EideSablage und deren Wirkung; in Elv erS allgemeiner jurist. Zeitschrift, II. Jahrg. S. 309 u. 311. — Brlnkmann, Abh.: ob dann der Eid für geleistet zu halten, wenn der Schwöret in der Ab­ leistung deS EidcS von dem gegnerischen Anwälte unterbrochen wird; in der wissenschaftlich praktischen RcchtSkunde (Sammlung von Erörterungen), Bd. I,

S. 222. — Leyser, Med. sp. 144. 6) Z. E. Selbstmord; verschuldeter Verlust der Selbstständigkeit. 7) A. G. O. I, 22, $. 7. Auch hierüber ist Meinungsverschiedenheit.

Verfahren in erster Instanz.

Beweitverfahre». Beweismittel.

489

§. 255.

Schlußverfahren.

5.

Hat der Schwörungstermin, wie es die Regel ist, an ordent­

licher Gerichtsstelle in der öffentlichen Audienz angestanden, so ist, nach Vollendung der Eideshandlung, den

Parteien

mündlicher

Schlußvortrag gestattet; ist der Termin vor einem Kommiffarius

oder in Folge Requisition vor einem auswärtigen Richter vor sich

gegangen:

so wird, nach Eingang des im Schwörungstermine

aufgenommenen, dem Gegner abschriftlich mitzutheilenden Proto­ kolls, ein Termin zur mündlichen Verhandlung und zur Entschei­ dung der Sache angesetzt, und die Parteien werden dazu unter der Verwarnung,

werden würde,

daß

gegen den Ausbleibenden

angenommen

er habe zur Unterstützung seiner Behauptungen

und Anträge nichts weiter anzuführen, in die öffentliche Gerichts­ sitzung vorgeladen*). ••) Nach Anhörung der Parteien faßt das Ge­

richt weiteren Beschluß über etwanige neue Anträge, oder erkennt

definitiv nach Maßgabe des geleisteten Eides").

C.

Nothwendiger Eid.

A. G- O. I, 22, $$. 2—7. — Grell, de jurejurando suppletorio, quod eine probatione decernitur. Viteb. 1751; et in dias. faec. X. — Bartholomaei, de juramento necessario. Ulm 1754

§. 256.

I. Grundsätze. Ist der Grund oder Ungrund einer streitigen Thatsache oder gewisser Umstände derselben

durch den ausgcnommenen Beweis

nicht vollständig bewiesen, so hat der Richter unaufgefordert der einen oder der andern Partei noch einen darüber abzuleistenden Eid aufjukgen •). Daher heißt der Eid ein nothwendiger (jur.

necessarium), im Gegensatz zu dem von der Willkür der Parteien abhängigen deferirten Eide (jur. voluntarium). Durch den noth­ wendigen Eid soll entweder der unvollständige Beweis Seitens

•) B. vom 1. Juni 1833, g. 34. ••) L. 11 pr. $. 1, L. 28, S- 5 v. h. t. (XU, 2). Durch dir Siketieb stnng steht noch nichts rechtskräftig fest; rS ist nur dir Wahrheit oder Unwahr­ heit eine# ThatnmstandeS bewiesen. 1) S. S. O. I, 22, $. 2. — L. 3 C. li. t. (IV, 1). - L. 1, 31 D. eodem (XU, 2). — c. 36, $. 1 X. b. t. (II, 24).

490

Zweite« Buch.

des Bewcisführers

Ordentlicher Prozeß.

ergänzt (Erfüllungseid, Ergänzungseid, jur.

suppletorium), oder von Seiten deß Gegners gänzlich beseitigt werden sReinigungseid, juram. purgatorium) **). Der Fall eines

nothwendigen Eides tritt ein, sowohl wenn mehrere aufgenommene Beweismittel sich widersprechen, als auch wenn die gebrauchten Beweismittel nicht völlig glaubwürdig sind oder die streitige That­ sache nicht in ihrem ganzen Umfange ausgemittelt worden ist2).

1. Ein nothwendiger Eid ist in allen Prozessen und bei allen Gegenständen zulässig,

wo die Gesetze nicht einen vollständigen

Beweis ausdrücklich fordern').

2. Unter welchen Umständen auf

den Erfüllungscid oder auf den Reinigungseid zu erkennen sei, ist

dem Ermessen des Richters überlassens, insofern nicht im Zweifel eine Rechtsbegünstigung

den Ausschlag giebt').

3. Wenn

eine

Partei für unfähig erklärt worden ist, einen nothwendigen Eid

zu schwören, oder wenn sie wegen Geistes- oder Körpergebrechen nicht schwören kann, oder eines Meineides überführt oder wegen begangener Verbrechen der bürgerlichen Ehre verlustig geworden

ist, muß der nothwendige Eid immer dem Gegentheile auferlegt werden; ein pardonirter Deserteur macht hierin eine Ausnahme'».

4. Derjenige, dem ein nothwendiger Eid aufcrlcgt ist, kann sein

Gewissen nur insofern mit Beweis vertreten, als er gegen datz Urtel appellirt und in der zweiten Instanz den Beweis vervoll­

ständigt').

5. Wenn die Partei, welcher ein nothwendiger Eid

zuerkannt ist, nur de ignoraiilia, die Gegenpartei aber über das

Gegentheil de veritate schwören kann, so steht Jener frei, dem

la) Wiesand, de vi et effectu jurisjurandi purgatorii. Viteb. 1796. 2) A. G. O. a. n. O. $. 3, u. I, 13, $.11. Da« suppletorium samt schon da« R. R., obre La« purgatorium bat da« satt. R. eingesührt. um die Gotte-urtheile zu verdrängen, unter dem Namen purgator. canonicum. 3) Ebenda, I, 13, $. 25 a. E. Beispiele sind: A. 8. R. I, 4, $. 50; I, 12, $.603; I, 14, $. 37; I, 16, $. 106; II, 8, $$. 1503, 1513; II, 11, $.868; II, 15, $.203. In diesen Fällen ist mithin der Bewei-führer, wenn ihm die Herstellnng eine« vollständigen Beweise« mißlingt, bcwcisfällig, wenn auch nur »och wenig an der Vollständigkeit de« erbrachten Beweise« fehlt.

4) A. G. O. 1, 13, $$. 23, 24-26. — Leyser, Med. sp. 141. -

Da« Ermessen wird durch bessere Glaubwürdigkeit, bessere Sachkenntnß k. geleitet. 5) Wie z. B. in Prozessen zwischen Judctt, die nicht Staat«bürger sind, und Ehristen >A. G. O. a. a. O. $. 24; u. Anb. $. 88). — L. 47 D. de obl.

et act. (XL1V, 7); L. 10 D. de jure fisci (XLIX, 14); L. 85, 125 0. de reg. jur. (L, 17). 6) A. G. O. I, 13, $$. 24 u. 25. 7) Ebenda, I, 22, $.5. - A. M. Overbeck, Medit. Bd. IX, S.210; Mevius, Dec. P. IV, dec. 296,

Verfahren in erf^er 3nßftn|.

VetneiSVerfahren. S3ftoci6mittcL

491

Gegner den Eid de veritate zuzuschieben 8 9>.10 11 6. 12 Auch ein noth­ wendiger Eid über Thatsachen, von welchen der Schwörende nicht aus eigener Wahrnehmung unterichtet sein kann, braucht nur de ignorantia geschworen zu werden; Erben sind immer berechtigt, einen Eid über Fakta des Erblassers de ignorantia zu leisten9).

7.

Ueber Erlassung und Verhinderung der Eidesleistung

gelten

dieselben Grundsätze wie bei dem zugeschobenen Eide (§. 254), doch muß, um bei eintretendem Tode den Eid für geschworen an­

zunehmen, derjenige, welcher schwören soll, nach ergangenem Er­

kenntnisse ausdrücklich erklärt haben, daß er den ihm darin aufer­ legten Eid leisten wolle; sonst müssen seine Erben ihn noch de ignorantia schwören'").

In diesem Falle aber kann der Gegen­

theil, gleichviel, ob derselbe noch die ursprüngliche Partei, oder nur deren Erbe (Rechtsnachfolger) ist'"'), verlangen, daß noch­

mals darüber erkannt werde: ob nicht nunmehr er selbst zur Ab­ leistung des entgegengesetzten Eides de veritate zu

lassen

sei.

Dieses Erkenntniß ist von dem Richter derjenigen Instanz abzu­

fassen, in welcher zuerst auf den Eid erkannt worden ist, und es findet dagegen nur dasjenige Rechtsmittel statt, welches gegen das

Haupturtel dieser Instanz zulässig war, d. h. dieses neue Urtel wird als ein Nachtrag des Urtels derjenigen Instanz, in welcher

zuerst auf den Eid erkannt worden, angesehen1 >).

Wäre also in

der Appellationsinstanz auf den Eid erkannt worden, so könnte

gegen das neue Erkenntniß nicht die Appellation, sondern nur die Revision oder Nichtigkeitsbeschwerde angebracht werden.

Entscheidung der Frage findet kein neues Verfahren

Behufs

statt,

viel­

mehr muß, nach Anhörung des mündlichen Vortrags der Parteien

in der öffentlichen Gerichtssitzung, den Akten gemäß erkannt wer­

den 1 *). 8) A. G. O. a. a. £>. $. 8. Macht die Partei hiervon Gebrauch, so muß ei» Berhandlunqätermi» anaesetzt werden, iit welchem der Gegner sich über die Annahme de« Eide- zu erkläre» hat. Nimmt er Len Eid ohne Umstände an, so wird ein weiterer Termin zur Eidesleistung angesetzt, und die Sache wird darauf durch eine PurifikationSresolution endgültig entschieden. Macht der Gegner aber Schwierigkeiten, bestreitet er namentlich die Zulässigkeit der Zuschirbnng, so muß wieder erkannt werden. 9) Ebenda, $.« u. T, 10, §$. 312, 313. 10) Ebenda, I, 10, $. 379. Ist gemeinrechtlich bestritten. 10a) Pr. de« Ob.-Tr. 1861c, vom 16. April 1847 (Entsch. Bd. XIV, S. 460). 11) A. G. O. J, 22, $. 7 a. E. Man hat de» Sinn dieser Brstimmu»g zweifelhaft gefunden. 12) Ebenda, $. 7.

Zweites Buch. Ordentlicher Prozeß.

492

§. 257.

II.

Auflegung und Wirkung.

Ein nothwendiger Eid

wird immer durch

ein Urtel,

nie

durch ein Dekret, aufgelegt, in welchem die Formel wörtlich vor­

geschrieben und zugleich die Wirkung, wenn der Eid geschworen

oder nicht geschworen wird,

bestimmt

festgesetzt werden muß«).

Die Fassung eines solchen Erkenntnisses ist dahin vorgeschrieben: daß die Partei schuldig sei, ernstlich zu prüfen, ob sie ohne Ver­

letzung ihres Gewissens und ohne sich der Gefahr auszusetzen, als

meineidig bestraft zu werden, einen Eid dahin, daß u. s. w., leisten sönne1 2).

Gegen das Erkenntniß kann sowohl die Partei, welche

schwören soll, deswegen,

daß ihr noch erst ein Eid

überhaupt

oder in der festgesetzten Norm auferlegt und nicht vielmehr der

Beweis ohne Eid für vollständig erachtet worden, als die Gegen­ partei deshalb, daß nicht sie zum Eide verstattet worden, appel-

Iiren3).4 5 Nach eingetretener Rechtskraft des Erkenntnisses setzt der Richter erster Instanz von Amts wegen«) den Schwörungstermin

in der öffentlichen Gerichtssitzung an, wenn nicht der Eid, nach den Umständen, durch

einen Kommissarius oder durch ein aus­

wärtiges Gericht abgenommen werden muß.

In dem Termine

wird der Eid entweder abgeleistet, oder er wird erlassen, oder er wird verweigert, oder der Schwurpflichtige bleibt aus: in jedem

Falle ergeht ein purificirender Ausspruch (Purifikationsresolution), wodurch vom Richter erster Instanz festgesetzt wird, was nunmehr als rechtskräftig entschieden anzusehen sei *).

Hat der Schwörungs­

termin in der öffentlichen Gerichtssitzung angestanden, so wird die Resolution auf der Stelle

abgefaßt und publicirt; hat er vor

einem Kommissarius angestanden, so wird die Resolution auf das

eingegangene Protokoll, ohne weiteres Verfahren (Note 5) erlassen

und den Parteien insinuirt.

Gegen Purifikations - Resolutionen,

1) A. * Mi

2) A. G. O. a. a. O. §. 56.

3) Ebenda, §§. 56 u. 57, u. I, 22, §§. 20-27. 4) Wie bei einer persönlichen Leistung. I, 24, $. 51.

Zweites Buch.

552

gelb wirb,

Ordentlicher Prozeß.

ad depositum genommen.

nach Abzug ber Kosten,

Gehören Pertinenzstücke, welche mit zu überliefern sinb, zu bem

Gmnbstücke, so muß barüber ein Verzeichniß ausgenommen werben. Pächter unb Dienstleute werben ihrer Pflichten gegen ben Aus­ gewiesenen entbunben unb bamit an ben neuen Besitzer gewiesen.

Bei Grundstücken von Wichtigkeit hat ber Richter persönlich ober

burch einen Kommissarius ben Exekutor zu birigiren5). bb) Zahl u il g einer Summ e.

§. 302. a) Nuspfändunq.

Soll eine Summe fungibler Sachen geleistet werben unb hat

ber Gläubiger als Gegenstanb bet Exekution das Mobiliare bes

Schulbners vorgeschlagen, so tritt bie Auspfänbung ein *).

I. In

bem Verfahren ist ein Unterschieb zwischen Militair- unb CivilPersonen.

1. Militair-Personen ohne Unterschieb2*)1 des Grabes

(§. 296) unb bereit Ehefrauen3), sowie Militair-Beamte bürfen

überhaupt nicht ohne Weiteres burch einen Exekutor ausgepfänbet

werben3'), unb bas an bem Orte ihrer Garnison befinbliche Mo­

biliare ist nicht Gegenstanb ber Exekution.

Nur ausstehende For­

derungen; öffentliche Gelbpapiere; bas ben Bedarf bis zur nächsten

Gehaltszahlung übersteigende4)5 baare Geld; goldene, silberne und andere Medaillen; Juwelen und Kleinodien sollen der Exekution

und Auspfändung unterworfen sein.

Der Schuldner soll vor allen

Dingen barüber: ob er dergleichen besitze, vernommen werden, und der Gläubiger kann die eidliche Bestärkung der Angabe verlangens).

Die Gegenstände dieser Art, welche der Schuldner im Besitz zu haben anzeigt, werden ihm, wenn er in einem Dienstlokale wohnt,

durch seine Dienstvorgesetzten abgenommen (§. 296).

Das Gleiche

gilt bei Exekutionen gegen die Ehefrauen in Ansehung des Ein5) A. G. O. a. a. O. §§. 58-61. — Oben, Anm. 7 zu §. 299. 1) Ebenda, §. 67. — L. 31 D. de re jud. (XL1I, 1). 2) K. O. vom 8. Novbr. 1831 (G. S. S. 250).

! 3j R. vom 4. Oktbr. 1841 (I. M. Bl. S. 327). — Aich. z. A. G. O.

3a) K. O. vom 4. Juni 1822 (G. S. S. 209).

4)

Sergi, o. §. 296.

K. O. vom 11. December 1831 (G. S. 1832, S. 2). 5) Anh. z. A. G. O. §. 155. — K. O. vom 14. Juni 1810 (Mathis, IX, S. 231); u. K. O. vom 26. April 1798 (N. C. C. Tom. X, S. 1633; Rabe, Bd. V, S. 116). — R. vom 26. Juni 1830 (Jahrb. Bd. XXXV, S. 272). — Ueber dieses Verfahren und dessen Rechtsnachtheile für die Staats­ angehörigen s. m. Preuß. Rechtsversaffung, S. 157, u. Schles. Arch. Bd. VI, S. 205.

TrekutionS-Instanz.

553

gebrachten, wegen des dem Manne zustehenden Nießbrauchs, doch nur wegen solcher Schulden, welche jünger als der Nießbrauch

sind, weil die Verheirathung den schon vorhandenen Gläubigern ihre Rechte nicht entziehen sann5").

2. Unter den Civil-Personen

werden wieder die Beamten von Andern unterschieden,

a) Einem

noch im Dienste oder auf Pension stehenden Civil-Beamten sollen

die zur Verwaltung seines Dienstes erforderlichen Bücher, das un­ entbehrliche Hausgeräth °), Betten, anständige Kleider und Wäsche für den Schuldner, dessen Frau und unerzogene Kinder^), sowie

das vorhandene baare Geld bis auf den Belauf derjenigen Summe, welche dem Betrage des gesetzlich freibleibenden Theiles des Dienst­ einkommens für die Zeit von der Exekution bis zur nächsten Ge­

haltszahlung gleichkommt8), nicht genommen werden. — Diese zu Gunsten der Militair-Personen und der Civil-Beamten gemach­

ten Ausnahmen fallen bei Schulden aus unerlaubten Handlungen

weg»),

b) Bei andern Schuldnern sind der Auspfändung nicht

unterworfen: das für den Schuldner, dessen Ehegatten und die

bei ihm lebenden Kinder nöthige Bettwerk"); die gewöhnlichen,

zum täglichen Gebrauche dienenden Kleidungsstücke und Leibwäsche des Schuldners und dessen Ehegatten1 •); das Werkzeug der Künst­ ler und Professionisten und das ihnen sonst zur Fortsetzung ihres Gewerbes Unentbehrliche"), vorausgesetzt, daß der Schuldner bei

Eingehung der Schuld dem Stande der Künstler und Professio­ nisten schon angehörte und zur Zeit der Exekution das Gewerbe

selbstständig betreibt13); bei Landwirthen das zum Betriebe der

Wirthschaft nöthige Geräthe, Vieh- und Feldinventarium, sowie das bis zur nächsten Ernte nöthige Saat-, Brot- und Futterge5a) Der hierüber entstehende Streit muß im ordentlichen Prozesse entschieden werden. Bis zum Austrage kann der Gläubiger die Beschlagnahme fordern. 6) Mit dessen Begriff (91. L. R. I, 2, §. 15) wird es jedoch nicht so genau genommen; die Willkür rechnet, nach dem Stande, auch Sopha's, Spiegel, Polsterstühle, Kommoden rc. zum Hausrath und ein ordentlicher Rechtsweg findet gegen dergleichen Dekrete nicht Statt. 7) Anh. z. A. G. O. §. 156. — V. vom 28. Febr. 1804, 8- 4. 8) K. O. vom 11. Decbr. 1831 (G. S. 1832, S. 2). 9) Anh. z. A. G. O. §. 157. — K. O. vom 28. Februar 1812 (Jahrb. Bd. I, S. 16). 10) V. vom 13. Oktober 1843 (G. S. S. 336). 11) A. G. O. I, 50, 88- 218, 315. - K. O. vom 13. December 1836 (G. S. 1837, S. 1). 12) A. G. O. I, 24, 8§. 71, 95. Veräußert der Schuldner Werkzeug, so wird mit der Abpfändung des noch Uebrigen vorgegangen. 8- 96 das. 13) V. I. vom 4. März 1834, 8- 14.

554

Zweites Buch.

Ordentlicher Prvzcß.

treibe14): 15 16 dergleichen 17 Werkzeuge, Geräthe und Jnventarienstücke sollen verzeichnet und deren Veräußerung soll dem Schuldner,

unter Androhung einer nachdrücklichen Strafe untersagt werden'5). Bei Einziehung von Kosten und Abgaben soll auch ein zum eige­ nen Lebensbedürfniß

des Schuldners

frei gelassen werden *°).

nöthiges Stück Milchvieh

II. Die Auspfändung geschieht durch den

mit einem schriftlichen Befehl"") zu versehenden Exekutor, bei

Abwesenheit des Schuldners unter Zuziehung einer Gerichtsperson und auf dem Lande unter Zuziehung des Schulzen und der Schöp­ pen, oder, wenn dergleichen Gerichtspersonen nicht bald zu haben

wären, zweier unbescholtener Männe als Zeugen, dadurch, daß so viele Effekten, als nach einem ungefähren Ueberschlage zur Deckung der beizutreibenden Summe und der Exekutionskosten er­

forderlich find, weggenommen,

ausgezeichnet, und in gerichtliche

Verwahrung gebracht werden"); das Verzeichniß muß von dem

14) Ebenda, §.71, 97—100. — quae res pignor. obl. (VIII, 17).

L. 7 it. 8, ii. Auth. Agricultores C.

15) Ebenda, §.71 a. E. — Str. G. B. §. 272. 16) K. O. vom 30. Novbr. 1825 (Iahrb. Bd. XXVI, S. 389). 16a) Muster.

I.

Befehl an den Exekutor.

In der ic. Sache erhalten Sic hierdurch den Auftrag, 1) die anliegende Verfügung dem N. N. schleunig zu instnuiren; 2) von dem Schuldner sich zweifelsfrei nachweisen zu lassen, daß er Rthlr. Sgr. Pf. an den Zimmcrmeister Holzhauer hier gezahlt und demselben die Kosten der heutigen Verfügung erstattet habe; in Entstehung dessen aber sofort die Pfändung in das Mobiliare des Schuldners nach Maß­ gabe Ihrer Dienstinstruktion zu vollstrecken, die gepfändeten Sachen in die Pfand­ kammer des Gerichts oder doch mindestens sofort aus dem Gewahrsam des Schuldners zu schaffen; 3) von dem Schuldner noch folgende Kosten und Gebühren einzuziehen: a. für die heut erlassenen Verfügungen Rthlr. Sgr. Pf. Diesen Betrag haben Sie, so wie b. wenn cs wirklich zur Erekution kommt, noch für Vollstreckung der Erekution Rthlr. Sgr. an die Salarienkaffe abzulicfern. Ueber Vollziehung dieses Auftrages wird binnen Tagen Wochen unter Beifügung der Quittung unfehlbar Bericht erwartet. N., den u. s. w. II. Benachrichtigung an den Erequendus, wie Nr. III. III. Nachricht an den ErekutionSsucher. (Scrib. die vorstehende Verfügung nochmals mit folgendem Zusatze:) Vorstehende Verfügung auf Ihr Erekutionsgesuch vom 6. d. M. wird Ihnen zur Kcnntnißnahme mitgetheilt. N., den u. s. w. 17) A. G. O. a. a. O. §§. 69—73. Sehr ost begnügen sich die Erekutoren damit, daß sie die Gegenstände bloß verzeichnen und in Gewahrsam des Schuld­ ners lassen, mit der Bedeutung, daß solche nicht veräußert werden dürften. Durch dieses ganz gesetzwidrige Verfahren wird natürlich nichts gewirkt, gewöhnlich sind

GrekutionS - Instanz.

555

Schuldner oder den zugezogenen Gerichtspersonen, oder Zeugen,

mit unterschrieben werden'»).

Durch Jnterventionsansprüche soll

sich der Exekutor von der Auspfändung nicht abhalten lassen; er

hat die Intervenienten an das Gericht zu verweisen und über den

Vorfall mit zu berichten").

den öffentlich verkauft.

III. Die abgepfändeten Effekten wer­

Beträgt der Werth nicht mehr als 50 Thlr.,

so soll der Exekutor selbst sofort nach verrichteter Auspfändung

zum Verkauf schreiten und dabei eine vereidete Gerichtsperson des

Orts, auf dem Lande Schulzen und Gerichte, zuziehen, von dem Kaufgelde die Kosten und

den Extrahenten bezahlen,

Ueberschuß dem Schuldner ausliefern-»).

und den

Uebcrsteigt die Summe

den Werth von 50 Thlr., so hat der Exekutor sofort, unter Ein­ reichung des Verzeichnisses, an das Gericht zu berichten, und das

Gericht läßt die abgepfändeten Sachen durch einen Kommissarius

Vorher

verauktioniren3').

müssen

die

Sachen

taxirt werden.

Der Auktionstermin ist den Interessenten besonders, und dem Pu­ blikum, wenn die Interessenten sich über die Modalitäten nicht

erklärt haben, nach der Ortsüblichkeit bekannt zu machen, wobei die Gegenstände nach den Gattungen zu bezeichnen sind; wesent­

lich nothwendig aber ist, wenn der Gegenstand über 50 Thlr. be­ trägt, einmalige Einrückung der Bekanntmachung in den Anzeiger des Regierungs-Amtsblattes.

In dem Termine werden die in

dem Verzeichnisse verzeichneten Stücke nach und nach ausgeboten und vorgezeigt; so lange darauf geboten wird, werden die Gebote ausgerufen, und zuletzt wird jedes Stück einzeln dem Meistbieten­ den zugeschlagen.

Der Kommissarius muß in seinem Protokolle

bei jedem Stücke den Namen des Käufers und die Summe des

Kaufgeldes vermerken.

Die Interessenten dürfen gegenwärtig sein

und auch einen zweiten Kommissarius zur Führung eines Neben­ protokolls bestellen lassen.

Sobald aus dem Verkaufe soviel, als

zur Tilgung der beizutreibenden Summe und der Kosten erforderbie Sachen, wenn sie endlich wirklich abgeholt werden sollen, nicht mehr vor­ handen. Mit dem Grekntionswesen sieht eS überhaupt kläglich auS. M. s. Pr. Rechtsverfassung, S. 68 ff. — Vergl. L. 10 D. qui potior, in pignor. (XX,

4); L.3 C. eod. (VIII, 18); L. 58 D. de re jud. (XLII, 1). - L. 1 C. si in causa jud. (VIII, 23). 18) Ebenda, §. 72.

Die Unterlassung hat keine Folge.

19) Ebenda, §§. 75-77.

20) Ebenda, §§. 78—80. Die PrariS ist aber anders; die abgepfändetcn Effekten werden in einer Pfandkammer aufgesammelt und erst, wenn es sich lohnt, verauctionirt. Die GrekutionSsucher müssen darnach oft Monate lang warten.

21) §S. 81-92 a. a. O.

556

Zweites Buch. Ordentlicher Prozeß.

lich, herausgebracht ist, muß die Auktion geschlossen ro erben22).23 24 25 26 27 28 29

Kaufgeld soll der Kommissarius nicht stunden; nur gegen baare Zahlung sollen die zugeschlagenen Stücke verabfolgt werden.

Was

bis zum Abschlüsse der Auktion gegen baare Bezahlung nicht ab­

geholt ist, wird auf Gefahr und Kosten der Ankäufer nochmals

ausgeboten, und der Ausfall wird auf Grund des Anktionsprotokolls, ohne weiteres Rechtsverfahren, sofort von dem ersten Ersteher

durch Exekution beigetrieben2 ’), wogegen ihm aber auch der Ueberschuß zufällt2«),

weil

der

anderweite Verkauf nicht den ersten

Kontrakt aushebt; denn die Bedingung der Zurücknahme und des nochmaligen Ausgebots ist keine lex commissoria, sonst wäre der Ersteher weiter nichts schuldig, sondern sie ist die derselben ähn­

liche kassatorische Klausel, welche zugleich zur Schadloshaltung ver­ pflichtet22).

Weil Alles auf authentischen Urkunden beruht, kann

ausnahmsweise sofort exekutivisch verfahren, und deshalb kann auch, wenn die Sache verabfolgt worden wäre, das Kaufgeld ohne Wei­

teres exekutivisch beigetrieben werden2«).

IV. Ist die Auspfändung

wegen Mangels an Gegenständen unanwendbar, so darf der Gläu­ biger den Manifestationseid fordern2'),

dessen Ableistung, nach

Beibringung eines Vermögensverzeichnisses, welches dem Gläubi­ ger vorerst vorgelegt werden muß2 *), durch persönliche Haft, ohne Rücksicht auf die Person2") und ohne weiteres Verfahren2"), er-

22) Ebenda, SS- 81—87. - G. vom 21. December 1849, $. 2 (®. S. S. 441). — Jnstr. für die AuktionS-Kommiffarien vom 6. Mai 1818 (Jahrb. Bd. XV, S. 86). — Darstellung des gesetzlichen Verfahrens bei Auktionen in den König!. Preuß. Staaten. Nebst Gcbübrentare und Formularen. 8. Berlin 1835. Diese Gebührentare gilt nicht mehr; seit 1845 gilt die Gebührcntare für die AuktionS-Kommiffarien vom 21. Juni 1845 (I. 9J1. Bl. S. 120). 23) A. G. O. a. a. O. §. 89 und I, 52, 62. — A. L. R. I, 11, 8. 346. 24) A. G. O. I, 52, $. 63. Darüber find verschiedene Meinungen; aber eS ist in dieser Hinsicht kein juristischer Unterschied zwischen Subhastationen und Auktionen, und daß der Ersteher für den Ausfall hastet, beweiset die Fortdauer des ersten Kontrakts (s. u. Z. 317, 1), durch dessen Aufhebung der Käufer be­ freit werden würde. 25) M. Privatrecht, §. 558, Note 43. 26) Der $.11 der Jnstr. v. O.'Mai 1818 ist also eine folgerechte Anwen­ dung der Bestimmung deS §. 89 a. T. der A. G. O. I, 24. Dergl. auch ein in den Ergänzungen dazu mitgetheilteö R. vom 5. Septbr. 1831. 27) V. vom 4. März 1834, j. 11, Abs. 3. — Langsdorf, de juramento manifeitationis creditoribus competente. Giess. 1784. 28) A. G. O. I, 22, $. 32. 29) Also auch gegen Beamte und Militairpersonen, weil eS eine execudo ad faciendum ist. R. vom 20. August 1835 (Jahrb. Bd. XLVI, S. 119); R. vom 12. Decbr. 1828 (Ergänz, zu I, 24, $. 143). Gegen Militairpersoren

Sttkution»-Instanz. zwungen wird.

557

Bleibt der Schuldner in dem zur Edition des

Vermögenöverzeichniffetz oder Ableistung des Eides angesetzten Ter­ mine aus, so kann er durch den Exekutor vorgeführt werden"). V.

Ist der Exequendus eine Korporation, so muß die Summe

durch Umlegung

einer Kommunal - Abgabe

aufgebracht werden,

wenn es an andern Mitteln fehlt; die Umlegung und Beitreibung der Beiträge wird durch die Aufsichtsbehörde, an welche Requisi­

tion ergeht, erzwungen"). §. 303. b)

Beschlug der Forderungen und Renten.

A. G. O. a. a. O. $$. 101 —105.



G. vom 4. Juli 1822, betreffend den

Verkauf ausstehender Forderungen und Kurs

habender

Schuldpapiere im

Wege der Exekution (G. S. S. 178). — G. vom 20. März 1854, $$. 17 und 18 (G. S. S. 115).

— Ueber die Grekution in die Forderungsrechte

des Vcrurtheiltcn; in Elvers allgemein, juristisch. Zeitschrift, Jahrg. III,

Mittcrmaier, die Beschlagnahme der Forderungen eines

S. 130 ff.



Schuldner»

als Mittel der Vollstreckung im Civilprozeffe;

im Archiv für

civil. Praris, Dd. XXIV, S. 389.

A.

Der Gläubiger kann zu jeder Zeit, gleich zu Anfang»)

oder auch erst im Laufe des Exekutionsverfahrens, als Gegenstand seiner Befriedigung auch die Rechte und Forderungen seines Schuld­ ners Vorschlägen und deshalb von dem zuerst gewählten Exekutions-

Gegenstande wieder abgehcn; doch muß er in diesem Falle das aus der frühern Exekution erlangte Vorrecht aufgeben und, wenn

ohne zureichende Gründe, worüber der Richter per decretum ent­

scheidet, eine andere Wahl getroffen worden ist, die Kosten der zuerst gewählten Exekution tragen-).

rungen

1.

Ausstehende Geldforde­

kann der Gläubiger entweder bloß zur Einziehung in

wird der Arrest durch die Dienstobern vollstreckt. (Jahrb. Bd. XXIII, S. 262).

K. O. vom 6. Juni 1823

30) A. G. O. I, 22, §. 29, Nr. 4 und $. 31. 31) R. vom 21. Novbr. 1831 (Ergänz, zu I, 24, §. 67, Nr. 3).

32) Anh. zur A. G. O. $. 153. - A. L. R. II, 6, $• 97. 1) A. G. O. I, 24, §. 101; B. vom 4 März 1834, $. 11. Anders nach L. 15, S$. 2, 8 D. de re jud. (XLII, 1); L. 2 C. quando fiscus (IV, 15). 2) D. vom 4. März 1834, $. 12.

2 a) Depofitalgelder find auch Gegenstand einer Gcldforderung ex con­ tractu depositi und kennen allerdings überwiesen werden. Die in einem Erlaß des JustizministcrS Mühler, v. 14. Novbr. 1836, ausgedrückte entgegengesetzte Meinung ist irrig; sie beruht darauf, daß daS Eigenthum an baarem Gelde nur durch Ucbergabe übertragen werden könne; eS handelt sich aber nicht um bestimmte vindicirbare Geldstücke, sondern um die Forderung einer Summe an die Dcpofitaricn; denn daS deponirte Geld ist mit anderm Gelde, Behufs Der-

Zweites Buch.

558

Ordentlicher Prozeß.

Beschlag nehmen lassen oder nach dem Nennwerth, ganz oder theilweise, in Zahlung annehmen.

Er hat in seinem Exekutionsgesuche

bestimmt anzugeben, welches von Beiden er verlangt, sonst er sich

die Kosten der Rückfrage und den Zeitverlust gefallen lassen muß. Die Beschlagnahme und Ueberweisung geschieht durch ein ausge­ fertigtes Dekret, welches dem Gläubiger zum Ausweise eingehän­

digt wird.

Die bloße Berechtigung zur Einklagung und Einzie­

hung hat die Bedeutung einer Anweisung, die Annahme in Zah­ lung aber die einer Session; der Gläubiger gebraucht daher die

Klage als eine mandirte aus der Person seines Schuldners, oder als actio utilis in seinem Namen3) und muß deshalb, um nichts

zu versäumen, seinen Schuldner zum Prozesse zuziehen *).

Von

Wallung in einer allgemeinen Kasse, vermischt, mithin nicht unterscheidbar und in den allermeisten Fällen überhaupt gar nicht mehr vorhanden. Anders ist es freilich bei deponirten versiegelten Beuteln. Dabei kommen dann die Regeln über Besitzübertragung durch Anweisung an den Inhaber zur Anwendung. A. L. R. I, 7, §. 66. Auf einen solchen Fall, wo das Gelddepositum bei dem Verwahrer in Natur vorhanden, ist der §. 18 des G. vom 20. März 1854 zu beziehen, welcher die Lücke der V. v. 4. Juli 1822 in dieser Hinsicht ausfüllen soll und lautet: „Soll die Erekution in Sachen oder Gelder (die Gelder wer­ den also hier den bestimmten, unterscheidbaren Sachen, welche sich vindiciren lassen, gleichgestellt), welche dem zu Ercquirenden eigenthümlich gehören, sich jedoch im Besitze oder in der Gewahrsam eines Dritten befinden, vollstreckt wer­ den , so ist auf Antrag des Erekutionssuchers der dritte Besitzer oder Inhaber anzuweisen, bei eigener Vertretung, die betreffenden Sachen oder Gelder dem zu Erequirenden nicht auszuantwvrten, sondern an das Gericht abzuliefern. — Ge­ nügt der dritte Besitzer oder Inhaber dieser Anweisung des Richters nicht, so kann der ErekutionSsucher zur Anstellung der Klage auf Ausantwortung der Sachen oder Gelder an das Gericht ermächtigt werden — Warum die Gel­ der nicht sofort an den Txekutionssucher, sondern zuvor an das Gericht gezahlt und hier um die Depositalgcbühren vermindert werden müssen, erfahren wir aus den Motiven nicht; man beruft sich bloß auf eine ähnliche Bestimmung für Fälle der in Rede stehenden Art im §. 31 der V. vom 30. Juni 1845, betr. die Bei­ treibung der Steuern in der Provinz Westphalen (G. S. S. 454). Dort ist jedoch von eigenthümlichen Geldern gar nicht, sondern nur von Forderungen und Sachen des Ercgucndus bei einem Dritten Rede, und dann ist die Bestim­ mung der hier im §. 18 gegebenen eben in dem Hauptpunkte ganz unähnlich, in­ dem der Steuererheber auf unmittelbare Zahlung au ihn selbst soll klagen können. Wenn es zur Klage auf Zurückgabe einer Summe Geldes aus einem Verwah­ rungs-Kontrakte kommt, so ist, da baares Geld nicht vindicirt werden kann, das Rechtsmittel kein anderes als die persönliche actio depositi directa auf eine bestimmte Geldsumme. Nun giebt es gar keinen innern oder turistischen Grund, welcher uns nöthigte, in diesem Falle die Geldsumme auf dem Umwege durch die Gerichtskasse und dadurch in einem verminderten Betrage, in die Hände des Gläubigers gehen zu lassen; nicht einmal ein Nützlichkeitsgrund ist findbar, wenn man von dem Nutzen der Gcrichtskaffe absieht.

3) L. 5 C. quando fiscus vel privatus (IV, 15). execut. rei jud. (VII, 53).



L. 5 C. de

4) G. vom 4. Juli 1822, §§. 1—7. Auch nach R. R. ist ein richterliches Dekret zur Uebertragung des Einziehungsrechts erforderlich. L. 1 C. de praet.

pign. (VIII, 22).

Srrfution« -Instanz.

der Ueberweisung

wird

559

der Dritte und der Exequendus,

bei einer Arrestanlegung, in Kenntniß gesetzt.

wie

Der Gläubiger hat

bei der Annahme einer Forderung in Zahlung die Wahl, ob er sie ganz oder nur theilweise, und ob er die rückständigen Zinsen

nur theilweise oder gar nicht übernehmen will; die Uebernahme

eineS Theils einer Forderung geschieht mit dem Vorzüge vor dem Ueberreste, dieß muß jedoch in dem Ueberweisungsdekrete, wovon in diesem Falle auch der Exequendus eine Ausfertigung erhält,

ausgedrückt werben5*), * sonst haben die Inhaber der verschiedenen

Theile gleiche Rechte.

Von dem vorhandenen Dokumente wird

in diesem Falle eine Abschrift (Zweigdokument) gefertigt5*), was 5) Ebenda, $$. 7 u. 8. Die nicht übernommenen Zinsen werden dem ExequenduS in der Ueberweisung vorbehalten. 5 a) Ebenda, $. 9. — Muster: 1. Ueberweisung. (Wird auf das Dokument 2 geschrieben.) Don der, dem DrechSlermeister Hollunder iu Blumengarten, nach der vorstehenden Urkunde vom 7. April 1843 an den Kaufmann Pfeifeahandel zu Ohlau zuftehenden Forderung von Sechshundert Thalern werden dem Holz­ händler Knubbe zu Kieferwald Fünfhundert Thaler, nebst Zinsen seit dem 1. Oktober d. I und allen Rechten, mit dem Vorzüge vor dem Reste, im Wege der Erekution eigenthümlich in Zahlung überwiesen. Neisse, den 8. Oktober 1847. Königl. FürstenthumS - Gericht. 2. Geglaubte Abschrift als Zweiginftrument. Nachstehende Abschrift: (hier folgt daS ganze Instrument) stimmt mit dem Original wörtlich überein, und ist als selbstständiges Antheils-Instrument über diejenigen fünfhundert Thaler nebst Zinsen seit dem 1. Oktober 1847 gefertigt! worden, welche nach der angehangenen UeberweisungSurkunde vom heutigen Tage dem Holzhändlcr Knubbe zu Kieserwald mit dem Vorzüge vor dem Ueberrest, eigenthümlich überwiesen worden find. DaS noch auf den Ueberrest gültige Original - Dokument verbleibt in den Handen deS DrechSlermeister- Hollunder zu Blumengarten. Neisse, den 8. Oktober 1847. Königl. FürstenthumS - Gericht. 3. Registratur. (Diese Registratur wird auf daS Original-Instrument gesetzt oder dock darauf angefangen.) Von vorstehendem Dokument ist eine beglaubigte Abschrift als sebstständigeS Antheils-Instrument über diejenigen fünfhundert Thaler nebst Zinsen seit dem 1. October 1847 gefertigt worden, welche, mit dem Vorzüge vor dem Ueberrest, dem Holzhändler Knubbe zu Kiefexwald durch die Verfügung vom heutigen Tage eigenthümlich überwiesen worden, und gilt dieses Original-Dokument nur noch über den dem DrechSlermeister Hollunder zu Blumengarten verbliebenen Ueberrest von Einhundert Thalern und über die Zinsen, soweit diese nicht mit überwiesen find. Neisse, den 8. Oktober 1847. Königl. FürstenthumS - Gericht. 4. Bekanntmachung. An den Kaufmann Hrn. Pfeifen stiel zu Oblan. In Sachen u. s. w. find durch die Verfügung vom heutigen Tage dem Kläger von denjenigen 600 Thlrn., welche Sie dem Beklagten nach dem In-

560

Zweites Buch.

Ordentlicher Prozeß.

auch bei einer theilweisen Assignation geschehen kann.

Das über

die Forderung vorhandene Dokument, sammt der Cessions-Versügungsb), wird dem Gläubiger ausgehändigt, der Exequendus kann zur Herausgabe desselben

werden ®).

durch

persönlichen Zwang genöthigt

Der Richter ertheilt die Ermächtigung zur Einziehung

(Anweisung) oder

die Überweisung

an Zahlungsstatt (Session)

auf die bloße Anzeige des Exekutionssuchers, ohne zu fragen, ob eine solche Forderung da sei oder nicht: das Ueberweisungsdekret

giebt selbstverständlich keine nicht vorhandene Rechte; die Kosten solcher vergeblicher Ueberweisungen

trägt der

Exekutionssucher,

wenn ihm ein auch nur mäßiges Versehen zur Last fällt; sonst

muß der Exequendus die Kosten erstatten ’).

II. Geldrenten, wenn

sie von dem berechtigten Hauptgute abgesondert werden können,

strument vom 7. April 1847 schuldig sind, 500 Thlr. nebst Zinsen seit dem 1. Oktober d. I., mit dem Vorzüge vor dem Reste, eigenthümlich überwiesen worden. Dies wird Ihnen mit dem Bedeuten bekannt gemacht: daß Sie sich mit Ihrem bisherigen Gläubiger wegen der überwiesenen 500 Thlr. in keine gültigen Verhandlungen über die Schuld einlassen können, und daß eine dieser Bekanntmachung entgegen geleistete Zahlung für nicht geschehen erachtet wer­ den wird. Neisse, den 8. Oktober 1847. Königl. Fürstenthums - Gericht.

5. Bekanntmachung an den Exequendus. Zn Sachen des u. s. w. wider Sie wird Ihnen bekannt gemacht, daß nach dem Anträge des Klagers demselben von denjenigen 600 Thlrn., welche Sie nach dem Instrumente vom 7. April 1843 an den Kaufmann Pfeifenstiel ui, Ohlau zu fordern haben, 500 Thlr. nebst den Zinsen seit dem 1. Oktober d. I. in Zahlung auf diejenigen 500 Thlr. nebst Zinsen seit dem l. Oktober d. I., welche er nach dem Judikate vom 8. August c. gegen Sie rechtskräftig erstritten hat, mit dem Vorzugsrechte durch die Verfügung von heute im Wege der Exe­ kution eigenthümlich überwiesen worden sind. Sie haben sich jeder Disposition über diese überwiesene Forderung bei Vermeidung der Strafen des Betruges zu enthalten. Das Duplikat der Ueberweisungs-Urkunde mit dem Original-Instrument, von welchem über den überwiesenen Betrag ein abgezweigtes Instrument gefertiget worden, folgt hierbei zurück. Neisse, den 8. Oktober 1847. Königl. Fürstenthums - Gericht.

Bekanntmachung an den Erekutionssucher. (Abschrift der vorstehenden Verfügung.) Abschrift dieser Verfügung erhalten Sie zur Nachricht mit der Auflage: die entstandenen Kosten mit Thlr. Sgr. Pf. binnen 8 Tagen zur Salarienkasse einzuzahlen, und dagegen die Ueberweisungs-Urkunde in Empfang zu nehmen. Neisse, den 8. Oktober 1847. Königl. Fürstenthums - Gericht. 6.

5 b) Diese braucht nicht mehr auf dem Dokument niedergeschrieben oder an­ gefangen zu werden. G. vom 24. Mai 1853, §. 9, Satz 2 (G. S. S. 523). 6) Ebenda, §. 7. - Hyp.-O. I, §. 237. - A. G. O. I, 24, §. 101 a. E. 7) G. vom 4. Juli 1822, §. 11.

561

Exekution--Instanz.

werden zu dem gesetzlichen oder vertragsmäßigen Satze, wofür sie

abgelöst werden dürfen, oder in Ermangelung einer solchen Be­ stimmung mit fünf Prozent zu Kapital geschlagen und überwiesen»).

III. Abgepfändete Geldpapiere, welche einen marktgängigen Kurs haben, kann der Exekutionssucher, nach seiner Wahl, entweder zu

dem Kurswerth der Berliner Börse, Provinzial- und Kommunal­ papiere nach dem Kurs der Provinzialbörse, gegen Herauszahlung

des etwanigen Ueberschusses,

in Zahlung nehmen, oder an der

Börse durch das Gericht verkaufen lassen»).

IV. Bedingte Geld­

forderungen oder solche, welche eine Gegenleistung des Gläubigers

voraussetzen, eignen sich nicht zur Ueberweisung an Zahlungsstatt,

weil deren Werth nicht voraus zu bestimmen ist; sie können aber zur Einziehung angewiesen werden, und der Exekutionssucher hat

sich dann dasjenige, was er daraus nach Abzug der Verwendung

auf die Gegenleistung erlangt, abzurechnen.

Die Forderung muß

jedoch nothwendig in ihrer Begründung schon vorhanden sein. Deshalb ist die so oft vorkommende Beschlagnahme von Gesellenund Tagelohn unwirksam, weil der Vertrag erst künftig geschlossen werden soll, was mit jedem Tage von Neuem geschieht; der Ar­

rest hat also keinen Gegenstand.

V.

In Ansehung anderer als

Geldforderungen ist die schwankende Praxis durch die Gesetzgebung

endlich geregelt.

Forderungen, deren Gegenstand andere fungible

Sachen sind als Geld, sowie Sachen, welche dem zu Exequirenden eigenthümlich gehören, jedoch im Besitze oder in der Gewahr­ sam eines Dritten sind, werden auf den Antrag des Exekutions­

suchers in Beschlag genommen, wodurch das prätorische Pfandrecht

begründet wird; und der Dritte wird angewiesen, die Sachen an das Gericht abzuliefern.

In die abgelieferten Sachen wird auf

den ferneren Antrag des Exekutionssuchers die Exekution in der

gewöhnlichen Art, d. h. durch öffentlichen Verkauf und Verwen­ dung des Erlöses zur Beftiedigung des Exekutionssuchers, voll­ Liefert der Dritte die Sachen nicht ab, so kann der Exe­ kutionssucher durch das Gericht ermächtigt werden, gegen Jenen

streckt.

auf Ausantwortung der Sachen an das Gericht zu klagen*°); er soll den zu Exequirenden zu dem Prozesse vorladen lassen").

8) §. 10 a. a. O.

Verkauf der Renten findet in keinem Falle statt.

9) 88-12 — 20 ebenda. und zu theuer.

Die vorgeschriebene Prozedur ist zu umständlich

10) G. vom 20. März 1854, $$. 17, 18 (G. S. S. 115).

11) Ebenda.

Die Vorschrift ist völlig überfiüsfig.

Koch, Civilprozeß. 2. Aufl.

Da die Klage eine

36

Zweite- Buch.

562

Ordentlicher Prozeß.

VI. Andere Rechte, z. B. Wohnungs- und Nutzungsrechte, find gleichfalls ein Gegenstand der Exekution1 * 2*).13 14 Wohnungsrechte wer­ den, insofern dadurch der Belastete nicht beeinträchtigt wird, durch Vermiethung und Verpachtung in's Geld gesetzt"); der Verkauf

ist nicht zulässig").

Die Exekution in den Antheil des Schuld­

ners an einer ungeteilten Erbschaft oder anderen Gemeinschaft

wird dadurch vermittelt, daß der Exekutionssucher ermächtigt wird, auf die

gerichtliche Erbsonderung

unter den Miterben

zu dem

Zwecke anzutragen, um hiernächst die Exekution in die, bei der Erbschaftstheilung

dem

Exequenden

zufallenden Vermögensstücke

vollstrecken zu lasten15).16 B. Der Exekutionssucher kann, statt die Anweisung oder Uebereignung nachzusuchen, auch bei einem bloßen Arreste stehen bleiben.

Auf den Antrag: Rechte oder Forderungen

in Beschlag zu nehmen, erläßt der Richter an den Dritten (Ver­

pflichteten) den Befehl:

vom Tage der Insinuation an, seinem

Gläubiger • 9 a) §. 17, Nr. 2, lit. b a. O. - Neue Konk.-O. §. 375,

566

Zweites Buch.

Ordentlicher Prozeß.

wen die Specialmasse ausgezahlt werden soll, vorgeladen1 *°).* * S. Die *******

Kosten dieses Specialverfahrens werden von dem Extrahenten oder von der in die Kosten verurtheilten Partei getragen; die Kosten

des Prioritätsverfahrens (für Einhebung, Verwaltung, Vertheilung und Auszahlung der Hebungen,

und Notirung der immittirten

Gläubiger) werden alljährlich aus der zu vertheilenden Masse vor­

weg genommen t').

III.

Einige Arten von Einkünften sind gar

kein Gegenstand der Exekution,

und wegen mancher Schulden

können die Einkünfte wieder zu einem größer« Theil als sonst

oder auch ganz in Beschlag genommen werden. stand der Exekution sind:

1. Nicht Gegen­

a) die aus der allgemeinen und aus

der Militair-Wittwenkasse den Wittwen oder Kindern zu zahlenden

Pensionen, ausgenommen wegen der Vorschüsse, welche Jemand zur Bezahlung des Pensionsrechts und der jährlichen Beiträge gemacht hat"); b) die nach dem Tode eines Beamten oder Pen-

fionairs geschehenen allgemeinen Gnadenbewilligungen13).

2. Das

ganze Einkommen kann in Beschlag genommen werden: a) wegen

Schulden aus unerlaubten Handlungen, ohne Rücksicht auf den Stand des Schuldners; b) wegen kurrenter öffentlicher Abgaben14);

und c) wegen Schulden jeder Art, wenn oder insoweit das Ein­ kommen in Privatbesoldung besteht15).

Bis zur Hälfte des gan­

zen Einkommens findet ein Abzug wegen solcher vom Tage der

Klageanmeldung an laufenden Alimente statt, welche aus einer

gesetzlichen Alimentations-Verbindlichkeit zu entrichten sindl6), was jedoch nicht auf den Sold der Unteroffiziere, Soldaten und Gens-

d'armen1 ’), und nicht auf Forderungen eines Dritten aus der be-

10) §. 20 a. a. O. — R. v. 2. Mai 1834 (Jahrb. Bd. XLIII, S. 491). - Steile Konk.-O. §. 374. 11) G. vom 10. Mai 1851, §. 10, Nr. 2; V. vom 4. März 1834, §. 18; Jnstr. vom 10. September 1851 zu §. 13 des Tarifs zum Kostengesetz vom 10. Mai 1851, a. E.

12) A.G. O. I, 24, z. 109. — K O. vom 1. April 1793 (N. C. C. Tom. XI, S. 1503; Rabe, Bd. II, S. 425). 13) K. O. v. 15. Novbr. 1819 (G. S. 1820, S. 45; Jahrb. Bd. XIV,

S. 211). — R. v. 28. Juli 1820 (Jahrb. Bd. XVI, S. 9). 14) Anh. z. A. G. O. §§. 169 u. 170. Alimente unehelicher Kinder be­ ruhen auf dem Status, nicht auf einer unerlaubten Handlung.

15) R. vom 15. Juni 1832 (Ergänz, zu §. 106 d. T.). 16) Anh. z. A. G. O. §. 168. — K. O. v. 10. August 1810 (Mathis, Bb. IX, S. 315; Rabe, Bd. X, S. 397); K. O. v. 23. Juli 1811 (G. S. S. 245). — K. O. v. 7. Juni 1835 (Jahrb. Bd. XLV, S. 438). 17) Anh. ». A. L. R. (II, 1, §. 1015) §. 83, Nr. 3; B. vom 30. Decbr. 1820, 88. 2 u. 9 (®. S. 1821, S. 1). - R. vom 2. Januar 1832 (Ergänz.

567

Erektion«-Instanz.

sorgten Verpflegung des Alimentarius zu beziehen ist18).

Kon-

kurrirt ein Alimentengläubiger mit Andern bei dem Abzugsverfah­ ren, so erhält er zuvörderst in der Reihe derselben seinen Theil,

und wegen des dann noch bleibenden Restes seiner Forderung kann er sich an die Einkünfte bis zur Hälfte halten18).

§. 305. d) Beschlag von Gutseinkünften-

Gutseinkünfte oder Erträgnisse sind nach neuem Rechte ein von dem Gläubiger willkürlich zu wählender Gegenstand der Exe­

kution '); der Exequendus aber kann nur unter einer Voraussetzung darauf verweisen, nämlich wenn der Gläubiger sich an das Grund­

stück halten will und der Schuldner nachweisen kann,

daß die

reinen Einkünfte, auch nach Abzug der Lasten und Hypotheken­ zinsen, hinreichen, die beizutreibende Forderung binnen Jahresftist

z« tilgen.

Er muß einen solchen Antrag und den Nachweis noch

vor Ablauf der vierwöchentlichen Zahlungsftist einbringen; der Nachweis kann bei städtischen Grundstücken durch ein Attest des Magistrats, bei Rittergütern durch ein Attest des Landraths, oder

wenn sie zum landschaftlichen Kreditverbande gehören, der Kredit­ direktion, und bei andern ländlichen Grundstücken durch ein Attest

der Orts-Polizeibehörde, d. h. der Gutsherrschast oder desjenigen, dem die Polizeiverwaltung zusteht (nicht der Dorfgerichte), geführt

werdens.

Gegenstand des Beschlags

können einzelne Rubriken

oder Erträgnisse und auch die ganzen Einkünfte sein; ob auch ein Pachtrecht der Exekution durch Sequestration unterworfen werden

könne, ist streitig8').

I. Werden einzelne Erzeugnisse, z. B. Raps

auf dem Felde, oder Wolle auf den Schafen, vorgeschlagen, so

muß der Exekutionssucher einen Aufseher, den er zu bezeichnen und zur Uebernahme des Auftrags zu bestimmen hat, bestellen lassen, z. A. ®. O., Anh. §. 168 ii. Mannkopf, A. G. O. II, S. 398) u. R. vom 30. Mär, 1835 (ebenda). 18) R. vom 10. August 1813 (Jahrh. Bd. II, S. 46). Da« liegt schon im Begriff der laufenden Alimente. 19) R. vom 13. März 1826 (Jahrb. Bd. XXVII, S. 79). 1) Durch den §. 11 der B. vom 4. März 1834 sind die entgegrnsiehenden §§. 110 u. 111 der A. G. O. I, 24 aufgehoben. 2) V. vom 4. März 1834, §. 24, und A. ®. O. a. a. O. $. 112. Eine gleiche Bestimmung enthält der Code civil, Art. 2212, mit der Abweichung, daß der Nachweis nur durch authentische Pachtbriefe geführt werden kann, was freilich zuverlässiger ist. 2a) Entsch. deS Ob,-Tr. Bd. VI, S. 210 ff. u. m. Benrth. S. 427.

568

Zweite« Buch, vrdeatücher Prozeß,

welcher die Aufsicht über die unabgesonderten Früchte zu führen

und die Absonderung und Verwerthung des Erzeugnisses zu be­

sorgen hat:

der Verkauf im unabgesonderten Zustande ist nicht

gebräuchlich*).

Für die Sicherheit dieses Geschäftsführers muß

der Exekutionssucher hasten, wenn er versäumt, Kaution bestellen zu lassen oder einen sichern Mann zu wählen. gen Kostenvorschuß muß er leisten.

Den nothwendi­

II. Der Beschlag der ganzen

Einkünfte kann auf zwiefach verschiedene Weise ausgeführt werden: durch

bloßen

Beschlag der

Einkünfte,

und

durch Immission.

I. Durch den bloßen Beschlag der Einkünfte wird in den Befitzund Wirthschastsverhältniffen des Schuldners nichts geändert*);

der Beschlag wird dadurch ausgeführt, daß, wenn das Grundstück verpachtet oder vermiethet ist, dem Pächter oder Miether aufgege­

ben wird, von dem Pacht- oder Miethtzgelde die zur Befriedigung des Gläubigers erforderliche Summe, in den festgesetzten Terminen, an ihn zu zahlen, und dieser muß sich bei ausbleibender Zahlung die

fällige Summe zur Einziehung anweisen oder in Zahlung überweisen

lassen*); wenn aber der Schuldner das Gut selbst bewirthschaftet, ein von dem Exekutionssucher

vorzuschlagender Auffeher bestellt

wird, der die Einkünfte erhebt und an den Gläubiger abliefert;

die Wirthschaftsbeamten und Gutsleute werden in diesem Falle, allenfalls nach dem Ermessen des Gerichts unter eidlicher Ver­

pflichtung, angewiesen, die eingehobenen oder zu entrichtenden Gel­ der nicht an den Schuldner, sondern an den bestellten Aufseher

abzusühren *). Treffen mehrere Exekutionssucher in diesem Gegen­ stände zusammen, oder ist das Grundstück, z. B. ein Haus, an

mehrere Personen theilweise verpachtet oder vermiethet, so muß ein

Administrator bestellt werden, welcher sich mit der Einhebung der Einkünfte und Auszahlung an die Exekutionssucher nach der An­ weisung des Gerichts befaßt.

Dieser ist, vermöge seines Amts,

auch zur gerichtlichen Einklagung des Pacht- und Miethszinses er­

mächtigt.

2. Die Immission entzieht dem Schuldner alle Bewirth-

schaftung und Disposition, und bringt den Exekutiontzsucher in dm Pfandbrfih7); die Ausbringung steht lediglich in der Willkür

3) Ander- nach btm Code civil, Art. 626—635. 4) «. ®. O. a. a. O. $. 115. 5) Ebenda, $. 113. — B. vom 4. Juli 1822 (®. S. S. 178). 6) A. ®. O. a. a. O. $. 114. 7) Ebenda, 116. Der Schuldner behält nur die Disposition, wich« mit bm Pfandrechte de- Gläubiger« verträglich ist.

Attkttoa«-Instanz. des Gläubigertz.

569

Sie besteht eigentlich in der Einführung '•) des

Exekutionssuchers zur eigenen Bewirthschaftung und Nutznießung des Grundstücks; in dieser Weise kann ste jedoch nur mit Einverständniß des Schuldners, und wenn zwischen ihm und dem Gläu­

biger ein Abkommen über die Dauer der Immission, die Art der Bewirthschaftung, die Remissionsfälle und sonstigen Bedingungen

unter Genehmigung des Gerichts, zu Stande kommt, ausgeführt werden, außerdem geschieht sie regelmäßig durch eine Sequestra­

tion*).

Zum Sequester kann der sich sonst dazu eignende Exeku­

tionssucher sich

selbst,

unter Uebernahme

aller Verbindlichkeiten,

eines andern Sequesters, bestellen lassen •); ist aber das Grundstück ein zum Kreditverbande gehöriges Rittergut, so wird die Seque­

stration

der zuständigen Kreditdirektion

oder Fürstenthumsland-

schaft, welche von dem Richter darum requirirt wird, überlassen'"). Bei anderen Grundstücken hat das Gericht die Sequestration un­ mittelbar zu veranstalten und zu beaufsichtigen; zur Führung der

Aufsicht wird bei Landgütern ein Gutskurator angestellt>».)

Der

von dem Exekutionssucher zu gestellende Sequester wird in Eid

und Pfiicht genommen und das zu sequestrirende Immobile wird ihm von einem gerichtlichen Kommissarius, nach einem Verzeich­ nisse der Pertinenzstücke mit Taxe, ordnungsmäßig übergeben").

Das Gericht hat den

eingesetzten Sequester mit Anweisung zu

versehen, welche Lasten und welche Hypothekenzinsen und in welcher Ordnung dieselben aus den Einkünften zu entrichten sind, zu welchem

Zwecke der Schuldner und die eingetragenen Gläubiger zu ver­ nehmen sind; der Extrahent hat dazu einen Hypothekenschein bei­

zubringen.

Die nach dieser Anweisung zu zahlenden Beträge, deren

sich der Sequester aus irgend einem Grunde nicht entledigen kann,

liefert er zum gerichtlichen Depositorium, wo für jeden nicht be7a) Auch nach neuestem R. R. durste sich der ErekntionSsucher nicht selbst in den Besitz setzen, sondern mußte durch den Ofsicial, in Folge deS Missions­ dekrets, in Gegenwart öffentlicher Personen eingesetzt werden. L. 3 C. de edicto (VI, 33). — Zachariae, Anecdota, ed. XII, p. 270. 8) Ebenda, $$. 117-120. - Privatrecht, $. 202. 9) A. G. O. a. a. O. $. 120. Ist nicht anzurathen. 10) Ebenda, $$. 128 ff. Dieses Institut fangt sehr sachgemäß gewöhnlich mit sehr bedeutenden Vorschüssen an; diese bewirken, wenn die Sequestration so ein Paar Jahre gedauert hat, daß die Hypotheken ausfallen; denn die Vor­ schüsse haben den Vorzug. 10a) Ebenda, $. 140. Ein eigenthümliches Institut; man weiß nicht, wessen Kurator er ist, denn eine Sache kann einen Kurator im Rechtsfinne nicht haben. 11) Ebenda, $$. 121-127.

Zwritc« Buch. Orbrntlichrr Prozeß.

570

friedigten Gläubiger eine eigene Specialmasse angelegt wird, ab ");

die ganze Einnahme wird also nicht mehr an das Gericht zur Distribution abgeliefert").

111. Die reinen Ueberschüffe zahlt der

Sequester, nach der Anweisung des Gerichts, an den Exekutions­ sucher oder, wenn deren Mehrere sind, an das gerichtliche Depo­ situm 1 12 4).15 13 In dem letztem Falle erfolgt die Verkeilung alljährlich

nach den oben (§. 304, Nr. II) angegebenen Grundsätzen. IV. Die

jährliche Rechnung hat der Sequester bei dem Gerichte und beziehlich bei der Kreditdirektion zu

legen

und nach Aushebung der

»Sequestration haben dieselben Behörden die Rückgabe des Grund­

stücks an den Schuldner durch einen Kommissarius, unter Zuzie­ hung von Sachverständigen, ordnungsmäßig zu bewirken 16). c) Beschlagnahme unbeweglicher Güler.

§. 306.

aa) Grundsatz e. I.

Die frühere Eigenchümlichkeit, daß wegen Prrsonalforde-

rungeu erst bei dem Mangel anderer Gegenstände und nachdem andere Exekutionsmittel

anzuwenden vergeblich versucht worden,

die Substanz der unbeweglichen Güter des Schuldners angegriffen werden durfte •), fällt unter der einen Ausnahme, wenn der Schuld­

ner die Möglichkeit der Tilgung der beizutreibenden Summe aus den Revenuen binnen Jahresfrist nachweiset (§. 305, Note 2), nach neuem Rechte weg2).

Der zum Zweck der Befriedigung des

Exekutionssuchers erforderliche Verkauf eines Grundstücks setzt ei­

gentlich den Besitz der Sache bei

dem verkaufenden Gläubiger

voraus, daher auch andere Rechte4) dem Verkaufe die Immission vorhergehen lassen.

Erst diese

wirkliche Beschlagnahme entzieht

12) Ebrnda, §. 136. — B. vom 4. März 1834, §• 25. — R. vom 2. Mai 1834 (Jahrb. 6b. XLIII, S. 492); vom 15. Mai 1835 tSahrb. $b. XLV,

S. 443). 13) Di« Brftimmung de« $. 506, Tit. 50 der Pr. O. kommt sonach nicht mehr zur Anwendung.

14) A. G. O. I, 24, $. 135. 15) Ebenda, §§. 137, 138. — Für Berlin und Umgebungen ist eine neue HauSadministrationS-Ordn. vom 1. Scptbr. 1840 vorhanden. 1) A. G. O. I, 24, z. 141. 3m Nöm. R. L 15, 2 D. de re jud. (XLII, 1). 2) V. vom 4. Mürz 1834, §.11. Ebenso nach Franz. R. Code civil,

Art. 2204 seq.; Code de procedure, Art. 673 seq. 3) L. 26 D. de pignorat. act. (XIII, 7); L. 3, $. 1 D. de rebui cor. qui eub tut. (XXVII, 9). — Code de procedure, Art. 675, 676. Ähein. Hubh. O. vom 1. August 1822, 8 5.

Exekutiv»»-Instanz. dem Schuldner

571

die Dispositionsbefugniß*),

Gläubiger die Möglichkeit des Verkaufs.

und verschafft dem

Der Akt der Beschlag­

nahme fällt nach Preuß. Rechte weg; der Richter verfügt, auf den

Antrag des Exekutionssuchers, nach Ablauf der im Zahlungsbe­ fehle, welcher die Subhastation androht, bestimmten vierwöchentli­ chen Frist, ohne Weiteres die Suhastation durch den Richter der Sache, den er darum requirirt4 5).6 7 Die Folgen und Wirkungen der Beschlagnahme werden durch Eintragung eines Vermerks in

das Hypothekenbuch: daß die Subhastation verfügt worden und spätere Dispositionen den bis dahin eingetragenen Gläubigern un­

nachtheilig sind"), hervorgebracht.

Die Fassung ist nicht zweckent­

sprechend, indem nicht bloß den bis dahin „eingetragenen" Gläu­

bigern, sondern auch dem uneingetragenen Exekutionssucher die spätern Verfügungen des Schuldners unnachtheilig sein müssen, so daß z. E. eine Post, welche der Schuldner erst nach Eintra­

gung des Vermerks eintragen läßt, der Forderung des uneinge­

tragenen Exekutionssuchers nicht vorgehen kann.

Diese Wirkung

tritt gegen einen Dritten erst vom Tage der Eintragung des Ver­

merks ein, wenn ihm nicht eine frühere Wissenschaft (Unredlichkeit) nachgewicsen werden kann'). — Von der Regel, daß die Immo­

bilien ein von dem Gläubiger willkürlich zu wählender Gegen­ stand der Exekution sind, gilt die Ausnahme, daß dieselben von

Rechtsanwalten und von den Gerichten wegen Kosten8),9 und von

dem Fiskus wegen Geldbußen für Zoll- und Steuer-Defraudatio­ nen eines Inländers8) nicht angegriffen werden dürfen. nach Ablauf der

besonders

II. Das,

im Zahlungsbefehle bestimmten Frist jedesmal

anzubringende,

Subhastationsgesuch

muß nicht allein

den Gegenstand der Exekution gehörig bezeichnen, sondern auch

4) Art. 688, 693 a. a. O. — Rhein. Subh. O., §. 9. 5) A. G. O. I, 52, §. 10. — R. vom 9. Dccbr. 1839 (Jahrb. Bd. LIV, S. 396). Der Richter der Sache hat weiter nichts zu prüfen als den Besitziitel: ist dieser nicht auf den Namen des ErequenduS eingetragen, so muß er die Subhastation bis zum Nachweise des Besitztitels ablehnen. 6) V. II vom 4. März 1834, §. 3. 7) A. L. R. I, 19, 88- 4-6. - Vergl. Rhein. Subh. O., $. 6. 8) R. vom 5. Marz 1832 (Jahrb. Bd. XXXIX, S. 161). Das Verbot findet aber keine Anwendung auf außergerichtliche Kosten, welche die eine Partei der Andern zu erstatten hat, R. v. 18. Mai 1816 (Jahrb. Bd. VIII, S. 34); sowie auf eingetragene Kosten, welche ein Dritter bei Erwerbung des belasteten Grundstücks übernimmt. 9) V. des Staatsministeriums vom 8. Oktober 1826 (G. S. S. 106) und vom 14. Oktober 1829 (G. S. S. 127). — Zollordn. vom 23. Januar 1838, 61.

572

Zweite« Buch.

den Nachweis

Ordentlicher Prozeß.

des Eigenthums

oder doch des Besitzthums des

Exequenden an dem Gegenstände enthalten"),

oder, wenn der

Besitzer ein Dritter ist, die Berechtigung zum Angriff auf dessen

Grundstück darlegen.

Daß der Besitztitel für den Schuldner noch

nicht eingetragen worden, hindert die Beschlagnahme nicht1'), eben so wenig der Umstand, daß das gegenständliche Grundstück ein von dem Hauptgute noch nicht abgeschriebenes Trennstück ist; der Ver­ merk wird in diesem Falle auf dem Folium des Hauptguts einge­

tragen 1 10 2).13 11 III. Der Verkauf geschieht durch gerichtliche Subhasta-

tion13); eine andere Verkaufsart ist nur mit Zustimmung des Schuldners zulässig. bb)

Snbhastation- versahren.

A. G. O. I, 52. — V., über den Subhastations - und Kaufgelder - BelegungsProzeß, vom 4. Marz 1834 (G. S. S. 39).



K. O. vom 12. August

1834 (G. S. S. 158) u. vom 3. October 1836 (), ausgenommen: 1. wenn der Extra­

hent

den

Vorschuß

nicht

aufbringen

kann,

die

Subhastation

augenscheinlich einen günstigen Erfolg für ihn haben würde, und der Zustand der Gerichtskaste den Verlag der baaren Auslagen

gestattet2* )1; und 2. wenn der Fiskus Extrahent ist3).

Dieser Vor­ schußpunkt veranlaßt bei den verschiedenen Gerichten ein ungleich­ förmiges Verfahren. Einige Gerichte erlassen, sogleich auf die Requi­

sition des Prozeßrichters, die einleitende Verfügung, welche darin

besteht, daß durch Dekret a) ausgesprochen wird, das Grundstück

werde sub hastam gestellt; b) der Hypothekenrichter um die Ein­ tragung des Vermerks darüber und um Herübergabe eines Hypo­

thekenscheins pro informatione requirirt4) und c) der Schuldner, so wie der Extrahent, davon benachrichtigt und hierbei der letztere

zur Einzahlung des Kostenvorschusses

unter der Drohung, daß

sonst die Akten würden bei Seite' gelegt wird.

werden,

Dieses Verfahren hat den Vortheil, daß

durch den

aufgefordert

der Extrahent

Vermerk bald gegen nachtheilige Dispositionen des

Schuldners gesichert wird; dagegen aber den Nachtheil, daß wenn

der Vorschuß nicht gezahlt wird, der Vermerk wieder gelöscht werden muß und die Kosten der Eintragung, Löschung, des Hy-

pothekenscheins und der Bekanntmachungen an den Schuldner und an den Extrahenten umsonst gemacht sind.

Andere Gerichte for-

*) Vergl. jedoch oben, Anm. 5 zu §. 306. 1) R vom 16. December 1831 (Jcchrb. Bd. XXXVIII, S. 340). Der Vorschuß richtet sich lediglich nach dem Bedürfniß, er ist durch ein positiv be­ stimmtes Marimnm nichi beschränkt. G. vom 9. Mai 1854, Art. 1 (G. S. S. 273). 2) R. vom 21. Juli 1837 (Jurist. Wochenschr. S. 591). 3) R. vom 25. März, 21. Oktober und 16. December 1831 (Jahrb. Bd. XXXVIII, S. 340, 356), u. vom 29. April 1835 (Jahrb. Bd. XLV, S. 486). 4) Führt der Richter der Sache, wie gewöhnlich, auch da» Hypothekenbuch, so wird eine Abschrift der Ginleitungsverfügung bei den Grundakten zur Ver­ fügung der Eintragung und Ausfertigung des Hypothekenscheins vorgelcgt.

574

Zweites Buch. Ordentlicher Prozeß.

dern auf die Requisition bloß den Vorschuß ein und thun vor

der Einzahlung nichts.

Dieses Verfahren hat den Vortheil der

die Sache auf sich beruhen

Kostenersparniß für den Fall, daß

bleibt, aber den Nachtheil, daß der Extrahent durch nachtheilige Verfügungen des Schuldners gefährdet werden kann.

Verfahrungsart verdient den Vorzug,

weil

Die erste

es den Extrahenten

möglichst schnell sichert und dieser sich über die dadurch entstande­

nen Kosten insofern nicht beschweren kann, Verlangen gewillfahrt worden ist.

als seinem eigenen

II. Das Verfahren hat hier­

nächst folgenden Verlauf: nach Eingang des Hypothekenscheins

wird die Taxe des Grundstücks verordnet'); nach Aufnahme der Taxe wird der Bietungstermin angesetzt und bekannt gemacht; nach dessen Abhaltung werden die Akten zur Abfassung des Zu­

schlagsbescheides vorgelegt, und nach dessen Publikation erfolgt die

Uebergabe und die Kausgelderbelegung.

§. 308. ß)

Aufnahme der Tare.

Die Abschätzung ist eine wesentliche Prozeßhandlung; deren gänzliche Veräbsäumung

macht das

Verfahren nichtig').

Die

Taxe bezweckt bloß die Information der Kauflustigen, um nach Anleitung derselben an Ort und Stelle sich näher zu erkundigen und zu unterrichten, weshalb durchaus keine Vertretung der Taxe,

d. h. keine Gewährleistung für die darin angegebene Größe und Beschaffenheit des Grundstücks stattfindet2* ).13 I. Die Aufnahme der

Taxe geschieht von adligen,

auch

nicht bepfandbrieften Gütern,

durch die Kreditdirektion, wenn in der Provinz ein Kreditsystem

besteht; sonst, so wie von andern Grundstücken, durch das Gericht'). In dem ersten Falle wird die Direktion des Landschafts - Kolle­

giums um die Abschätzung requirirt

und dabei werden ihr die

5) Das Ob.-Tr. hat in fccm Präjudiz 558 (Hoppe, §.91) ausgesprochen, daß durch diese Tarverfügung die Subhastation beginne. Doch ist in Wahrheit durch die Beschlagnahme des Grundstücks mittelst Eintragung der Protestation die Einleitung schon geschehen. 1) A. G. O. a. a. O. §. 11. - A. L. R. I, 11, §. 342, Nr. 1. 2) A. G. O. a. a. O. §. 12. - Reser, vom 17. Oktober 1836 (JahrbBd. XLVIII, S. 469). 3) A. G. O. a. a. O. §5. 14, 17; K. O. v. 1. Juli 1834 (G. S. S. 88). Der §. 396 des Anhangs ist dadurch aufgehoben Im Großherzogtbum Posen gelten noch besondere Bestimmungen. K. O. vom 19. Septbr. 1835 (G. S. S. 223) ; K. O. vom 8L Juli 4840 (G. S. S. 163) und vom 30. November 1840 (G. S. für 1841, S. 1).

ErekutionS - Instanz.

575

eingetragenen Realberechtigten bekannt gemacht, um solche zuzu­ ziehen ; dem Schuldner, dem Extrahenten und den Realberechtigten wird davon Seitens des Gerichts Nachricht gegeben.

Das Gericht

wartet nun den Eingang der Taxe, der sich oft über Jahr und Tag in die Länge zieht,

schätzung zu besorgen,

so

ab.

Hat das Gericht selbst die Ab­

richtet sich das Verfahren nach dem

Werthe und nach der Beschaffenheit des Grundstücks.

1. Ist das

Grundstück, sei es von welcher Art es wolle, nach dem Hypo­

thekenbuche oder andern unverdächtigen Angaben, nicht über öOOThlr.

werth, so bedarf es eines Richter-Kommissars nicht, vielmehr hat das Gericht zum Taxations-Kommissarius die Dorfgerichte oder einen der ein für alle Mal vereideten Taxatoren, bei städtischen

Grundstücken sachkundige Einwohner des Orts, zu ernennen, und in dem Auftragsschreiben anzugeben, wer bei der Abschätzung zu­ zuziehen sei. Ein solcher Kommissarius, wenn er schon allgemein

vereidet ist, wie die Dorfgerichte und ständige Taxatoren, können die Taxe schriftlich einreichen; sie muß aber die Versicherung der Richtigkeit an Eidesstatt enthalten.

Andere Taxatoren werden über

die Abschätzung zum Protokolle vernommen und dabei besonders

vereidet, wozu der Richter einen Termin ansetzt und die Taxatoren wie die Interessenten,

die

letztem monitorisch,

vorladet.

Eine

solche Taxe muß nur eine genaue Beschreibung des Grundstücks enthalten, ohne daß es einer ins Einzelne gehenden Veranschla­ gung bedarf; sie verliert an ihrer Gültigkeit nicht, wenn der da­

durch ermittelte Werth 500 Thlr. übersteigt").

2. Bei einfachen

Grundstücken von höherem Werthe wird ein Abschätzungstermin

vor einem Richter-Kommissar an Ort und Stelle angesetzt, wozu die Taxatoren in der Eigenschaft als Sachverständige 4 5)6 arctato-

risch,

und

die Interessenten

monitorisch")

vorgeladen werden.

3. Bei größern oder zusammengesetzten Grundstücken, deren Ab­

schätzung mancherlei Ermittelungen erfordert und sich nicht in einem Termine durch Vernehmung der Taxatoren bewerkstelligen läßt,

wird ein Kommissarius ernannt, und diesem die Abschätzung durch ein förmliches Auftragsschreiben (Kommissorium, Kommissoriale)

aufgetragen; derselbe hat auf Grund seiner Verhandlungen und 4) Gesetz vom 15. Juni 1846 (G. S. S. 131). — R. vom 14. Aprft 1841 (I. ®l. Bl. S. 152). 5) In dem ersten Falle haben sie zugleich die Eigenschaft eines GertchtsKommiffarS. 6) A. G. O. I, 52, $S. 22—24. - V. II. vom 4. Mürz 2834, §. 4.

Buch. Ordentlich« Prozeß.

576

Ermittelungen eine Taxe auszuarbeiten und solche mit seinen Kom-

missionsaktm dem Gerichte einzureichen').

II. Gegen die Taxe

darf der Besitzer, der Exttahent und jeder Kauflustige die nach

seiner Meinung vorgefallenen Fehler und Versehen dem Gerichte anzeigen, und das Gericht kann, nach seinem Ermessen, die nähere Untersuchung veranlassen; Erinnerungen, welche später als vier

Wochen vor dem Bietungstermine eingehen, werden nicht mehr näher geprüft, sondern nur in diesem Termine den Bietlustigen mitgetheilt •).

III. Weil die Taxe nur Anleitung geben soll, über

den Werth, Umfang und die Beschaffenheit des Grundstücks an Ort und Stelle nähere Erkundigung einzuziehen, so ist sie für die

aus dem Geschäfte entstehenden Rechte und Verbindlichkeiten der Kontrahenten gar nicht maßgebend; weder der Käufer kann für die Rubriken oder Anschläge Gewährleistung

fordern,

noch der

Verkäufer (bisherige Besitzer) kann übergangene wirkliche Pertinenz-

stücke dem Ersteher vorenthalten oder abfvrdern •): durch den Zu­ schlag wird der Adjudikatar Eigenthümer der Hauptsache mit allen

bei derselben noch vorhandenen genannten und ungenannten Pertinenzien; und Mängel der Taxe sind nicht Nichtigkeitsgründe. §. 309. y) Bestimmung und Bekanntmachung M Bietung«termin«.

I. Auf die eingegangene Taxe wird in allen Fällen nur ein >) Bietungstermin angesetzt und die Fristen werden, nach Maßgabe

des Taxwerths, bei Gegenständen über 5000 Thlr. auf sechs Mo­ nate, bei andern auf drei Monate bestimmt; der Termin muß

des Vormittags angesetzt und darf vor sechs Uhr' Abends nicht geschlossen werden*l), 2 3 sonst kitt Nichtigkeit ein»).

Das auszu-

7) Ueber da« Abschätzung-verfahren des Kommiffariu«: A. G. O. 1, 52, SS- 19—23; II, 6, z. 8 ff. — Muster verschiedener Taren s. m. in m. For­ mularbuche, 5. Aust., im Anhänge. — Die Taren vertheuern und verzögern da« Subhaftation-versahren uiwerhältnjßmLßig sehr. Daß e- auch ohne sie gut geht, beweiset da« franz, und rhein. Berfahre».

8) A. ®. O. I, 52, SS- 26, 27. - V. II. vom 4. März 1834, S- 5. 9) a. G. O. a. a. O. S- 12. - Anh. lzu 8 60) s 407. — Sntsch. de« Ob.-Tr., Bd. VI, S. 279. — M. Beurtheilung, S. 439. — Nur für mit veranschlagte aber gar nicht vorhandene Stücke und Gerechtigkeiten kann auch bei einer nolhwendiaen Subhastation der Käufer Gewährleistung für die Eristenz fordern. Pr. M Ob.-Tr. 583, vom 16. November 1838.

1) Die frühere Vorschrift von drei Terminen ist aufgehoben. 4. März 1834, $.8.

B. II, vom

2) A. ®. O. a. a. O. S. 37. — $. 10 der Verordn. II.

3) Ist streitig; vergl. Bericht de« Ober-Tribunal« vom 16. März 1839

Erekutions-Instanz.

577

fertigende Dekret (Subhastationspatent) soll nur enthalten: 1. die

Bezeichnung des zum Verkaufe bestimmten Gegenstandes;

2. die

Angabe des Taxwerths und die Anzeige: wo die Taxe, der neueste

Hypothekenschein und die besonderen Kaufsbedingungen eingesehen werden können;

3. die Zeit und den Ort der Licitation; 4. in

dem Falle, wenn das Hypothekenbuch des zum Verkaufe gestellten

Grundstücks noch nicht regulirt, oder der Besitztitel für den Schuld­ ner noch nicht eingetragen worden, die Vorladung der unbekann­ ten Realprätendenten, und in dem Falle, wenn der Aufenthalt einer der

von dem Bietungstermine besonders

setzenden Interessenten (II) unbekannt ist,

in Kenntniß

zu

die namentliche Vor­

ladung dieses Interessenten; die Bedingungen werden nicht mit aufgezählt, brauchen also nicht mehr wie früher*) schon vor An­

setzung des Termins von dem Extrahenten angezeigt zu werden5). Außerdem muß 5. das Subhastationspatent allemal die Bekannt­

machung enthalten, daß die Gläubiger, welche wegen einer aus

dem Hypothekenbuch

nicht

ersichtlichen Realforderung

Kaufgeldern Befriedigung suchen,

sich

aus

den

mit ihrem Anspruch bei

II. Die Bekanntmachung des Subhastationstermins erfolgt: 1. bei Gegenständen über 5000 Thlr.

dem Gericht zu melden habend").

an Werth a) durch Aushang an der Gerichtsstelle; b) durch sechs­

malige, von Monat zu Monat zu wiederholende Einrückung in den Anzeiger des Regierungs-Amtsblattes; c) durch gleiche Ein(3. M. Bl. S. 188) und R. vom 3. Juli 1843 (I. M. Bl. S. 175). Ob.-Tr. 641, vom 16. März 1839.

Pr. de«

4) A. G. O. a. a. O. 8- 28. 5) V. II. vom 4. März 1834, §. 6. — Muster. „Nothwendiger Verkauf." „ObcrlandcSgericht zu 91. — Da« Rittergut 91., im Kreise 91. (daS Haus unter den Linden Nr. — Der dem 91. gehörige Garte» vor dem x Thore. — Das Ackergut des 91. in der städtischen Feldflur X. — Die aus HauS, Garten und 12 Ackerfläche» bestehende Besitzung des 91. in der Gemeinde 91.), abgeschätzt auf ... Thlr., zufolge der nebst Hyvothekcnschcin und Bedingungen in der Re­ gistratur cinzuschcndcn Tare, soll am 1. Decbr. 1848, Vormittags 11 Uhr, an ordentlicher Gcrichtsstcllc subhastirt werde». Alle unbekannte Äealprätendente» werden Aufgeboten, sich, bei Vermeidung der Präklusion, spätestens in diesem Termine zu melden. Die dem Aufenthalte nach unbekannten Gläubiger, der 91. 91. und der 91. 91., werden hierzu öffentlich vorgeladen, und denjenigen Gläubigern, welche wegen einer aus dem Hypothekenbuchc nicht ersichtlichen Real­ forderung aus den Kaufgeldern Befriedigung suchen, wird bekannt gemacht, daff sie sich mit ihrem Anspruch bei dem Gericht zu melden haben." R. v. 19. März 1835 (Jahrb. Bd. XLV, 'S. 208). Beim Verkauf eines KompleruS von Grund­ stücken soll nur der summarische Tarwerth, ohne Angabe der Größe jeder ein­ zelne» Parzele, angezeigt werden. R. vom 3. Novbr. 1837. — In Beziehung auf Wandeläcker s. m. das R. vom 17. März 1841 (I. M. Bl. S. 146).

5 a) Entwurf der Cönc.-O. $• 379. diese Bekanntmachung erforderlich.

Koch, Civilprozeß. 2. Stuft.

Auch ohne gesetzliche Vorschrift ist

Zweite« Buch. Ordentlicher Prozeß.

578

rückung in eine inländische Zeitung; 2. bei Gegenständen von ge­ ringerem, aber über 500 THIr. betragendem Werthe a) durch Aus­

hang an der Gcrichtsstelle; b) durch dreimalige, von Monat zu

Monat

wiederkehrende Einrückung

in

den Anzeiger der Amts­

blätter'); 3. bei Gegenständen von mehr als 50 Thlr. bis zum

Taxwerthe von 500 Thaler a) durch Aushang an der Gerichts­ stelle'); b) durch Aushang an der sonst zu öffentlichen Bekannt­ machungen bestimmten') Stelle in der Lrtsgemeinde, in welcher das Grundstück liegt;

c) durch einmalige Einrückung in den An­

zeiger des Amtsblattes;

4. bei Gegenständen bis zu 50 Thaler

durch die beiden Aushänge 3, a u. b, mit Weglassung jeder Ein­ rückung').

Die Einrückungen werden durch ein von den Redak­

tionen einzusendendes Exemplar der Nummern des Blatts, worin daS Patent steht, bescheinigt"), und der Aushang wird lediglich

durch den Bericht des Gerichsboten über die erfolgte Anheftung bewiesen1 ’).

Durch Willkür der Interessenten können weder die

Fristen verkürzt, noch die vorgeschriebenen Bekanntmachungen ver­

ändert werden, sonst ist die Subhastation keine nothwendige, sondern eine freiwillige.

Besondere Benachrichtigung von dem

Bietungstermine müssen erhalten: der Extrahent der Subhastation und diejenigen,

welche im Laufe derselben als Exekutionssuchcr

noch hinzugetreten find; der Schuldner; die aus dem Hypotheken­

buche ersichtlichen, sowie die von dem Hypothekenbuch führenden Richter etwa noch nachträglich angezcigtcn Realinteresscnten und Vorkaufsberechtigten; die Kassen und Anstalten, welchen das Grund­

stück zu Abgaben und Leistungen verpflichtet ist, — und zwar durch bloße Uebersendung einer Abschrift des Subhastationspatents ohne Begleitschreiben, an auswärts Wohnende mit der Post; die In­ sinuation an diese wird durch Nachweis der Aufgabe auf die Post

6) B. II, vom 4. März 1834, §. 8. — Ä. O. vom 12. August 1834 (®. S. S. 158) u. v. 3. Oktober 1836 (®. S. S. 304). — ®. v. 21. Dccbr. 1849. $$.1-3 (®. S. S. 441). 7) Di« Uebrrtrttung ist «in Richtigkritsgnmd. (3- M. Bl. S. 83).

R. vom 1. März 1842

8) Im Zweifel b«stimmt die Negierung die Stelle. R. vom 18. Februar 1839 (3. M. Bl. S. 90) u. Jt. O. vom 8. Februar 1840 (®. S. S 32). 9) D. vom 2. Dccbr. 1837, $$. 1, 2 u. 4 (G. S. S. 239). 10) A. G. O. a. a. O. $. 39. 11) V. v. 2. Dccbr. 1837, $. 4. Die Einbringung des angchestet gelesenen Eremplar« zii den Akten ist als« nicht erforderlich. Dadurch sind die Schoicrigkeiten und Weiterungen, wen» der Au-Hang verloren gegangen, beseitigt.

Erektion- - Instanz.

579

bescheinigt'3); die ihrem Aufenthalte nach Unbekannten werden in

13).14 15 16 17 dem Subhastations-Patente namentlich vorgeladen (Nr. I, 4)12 III. Verletzung wesentlicher Prozeßvorschriften (Nichtigkeitsgründe)

sind: 1. wenn eine der vorgeschriebenen Arten der Bekanntmachung ganz unterblieben ist"), nicht also wenn die eine Art nicht ge­

hörig ausgeführt, z. E. das Subhastationspatent nicht durch die ganze Frist ausgehängt gewesen, vielmehr später angeheftet oder

ftüher abgenommen worden ist, oder wenn die Einrückung nicht so oft als vorgeschrieben wiederholt worden, oder nicht in den

vorgeschriebenen Zwischenräumen geschehen, oder zwischen der ersten

Einrückung und dem Termine nicht die gesetzliche Frist freigeblieben

ist"); vorausgesetzt, daß der letztere Mangel sich nicht auch bei

dm andern Arten der Bekanntmachung findet,

sonst würde ein

anderer Nichtigkeitsgrund (2) gegeben sein; 2. wenn der Bietungs­ termin nach einer kürzeren als der gesetzlich vorgeschriebenen Frist angesetzt worden"), wenn also keine einzige Art der Bekannt­ machung so früh geschehen ist, daß bis zum Termine die gesetzliche

Frist freibleibt; 3. wenn ohne Einwilligung sämmtlicher Inter­

essenten der Bietungstermin nicht vollständig abgewartet wird1 ’); 4. wenn eine derjenigen Personen, welche zur Wahrnehmung ihrer Gerechtsame von dem Bietungstermine benachrichtigt werden müssen,

12) B. II vom 4. März 1834, §§. 9 u. 4. 13) Würde der Aufenthalt erst nach Erlassung des Subhastations-Patent« unbekannt, so müßte ein Nachtrag dazu durch die noch übrigen Arten der Be­ kanntmachung veröffentlicht werden. Es kommt vor, daß die Vorladung zur Tare dem Adressaten zugcht, wogegen die Abschrift de- Subhastation« - Patent« al« unbestellbar zurückkommt. 14) A. L. R. 1, 11, §. 348, Nr. 2. Z. B. der Aushang in der Ortsgenieilide wird nicht «»geheftet, sonder» im Kretscham auf den Tisch gelegt. 15) Anh. z. A. L. R., §. 15. - Anh. z. A. G. O. (I, 52, §. 31) §. 400. — R. vom 1. Dccbr. 1800 (Rabe, Bd. VI, S. 367 ff); R. vom 12. Januar 1801 (Rabe, Bd. VI, S. 406 ff.); R. vom 4. Juni 1811 (Rabe, Bd. X, 5. 531). — R. vom 27. Januar 1800 (Rabe, Bd. VI, S. 12). — Vergl. A. G. O. I, 7, $$. 47a u. 47b, und Anh. §. 61. Die hier vorgeschricbene Wiederholung der Einrückung in demjenigen Blatte, bei welchem um mehr als 14 Tage an der vorgeschricbene» Frist gefehlt worden, und die Hinaussetzung des Termins auf so lange, als bei der ersten Bekanntmachung an der Zeit ge­ fehlt worden, ist auf Snbhastationen nicht anwendbar, weil daraus zwei pcrcmtorischc Termine eutstchen würden, von welchen der letzte mangelhaft bekannt wäre. Das R. v. 13. Novbr. 1818 (Jahrb. XU, S. 261), welches eine solche Hinaussctzung de« Termins verschreibt, paßt nicht; sollte die Hinaussetzung ein­ trete», so müßte der verlängerte Termin durch alle »orgeschriebeiie Arten der Bekanntmachung veröffeutlicht werden. — Das A. L. R. I, II, §. 348, Nr. 15, ist durch de» Anh. §. 15 abgcäudcrt. 16) A. L. R. I, 11, §.348, Nr. 3. 17) Ebenda, Nr. 4.

S. jedoch oben Note 3.

Zweite« Buch.

580

Ordentlicher Prozeß.

von dem Gerichte keine Mittheilung erhalten

hat");

5. wenn

nach sechs Uhr ein neuer Bieter zugelassen wird (§. 310); 6. wenn

der Richter ohne Parteiantrag einen Bieter, der nicht Kaution be­ stellt, zurückweiset (§. 310, Note 5). d) Licitation.

§. 310. aa) Verfahren im Bietungstermine.

I. Der Bietungstermin wird bei Kollegien von einem dazu deputirten Richter-Kommissar abgehalten.

Der Licitationsaktus

geht öffentlich vor sich und hat seinen Verlauf, wenn auch keiner

der besonders benachrichtigten Interessenten erscheint*l). Zum Bieten selbst ist der ganze Terminstag bestimmt und der Deputirte darf keine anderen Geschäfte vornehmen; vor 6 Uhr Abends darf der

Termin nicht geschlossen, es dürfen aber nach 6 Uhr solche Per­ sonen, welche bis dahin noch kein Gebot gethan haben, wenngleich sie anwesend waren, zum Bieten nicht mehr zugelassen werden,

wenn nicht sämmtliche Interessenten, mit Einschluß der Bieter, darin willigen2); die nicht bewilligte Zulassung ist ein Nichtigkeits­ grund 3).

Unter den um sechs Uhr vorhandenen Bietern wird die

Licitation so lange fortgesetzt, bis das Meistgebot ermittelt ist, d. h.

kein Uebergebot auf den Aufruf mehr erfolgt4).5

Wer mitbieten

will, muß auf Verlangen auch nur Eines der Interessenten3) für 18) A. G. O. I, 16, §. 2, Nr. 6, und V. vom 14. December 1833, §. 5, Nr. 1. 1) A. G. O. I, 52, §. 35.

2) Ebenda, §. 37. — V. II vom 4. März 1834, §. 10. Der Begriff eines „neuen Bieters" ist streitig. Ein Senat des Ob.-Tr. hat in einem, in der Jur. Wochenschrift von 1837, S. 483, mitgetheilten Urtel vom 9. September 1836 ausgesprochen, daß darunter eine Person zu verstehen, welche sich erst nach sechs Uhr Abends einfindct, um an dem Kaufgeschäfte Theil zu nehmen. Dagegen ist das Plenum des Ob.-Tr. nach seiner, in Folge der Justizministerial - Ver­ fügung vom 3. Juli 1843 (I. M. Bl. S. 175) der schon früher von mehreren Schriftstellern geäußerten Meinung, daß neue Bieter alle Diejenigen seien, welche bis zu dem peremtorischen Termine noch kein Gebot gethan haben. 3) Es ist Verletzung einer wesentlichen Prozeßvorschrist, nach 8-5, Nr. 3, der V. vom 14. Decbr. 1833 (G. S. S. 302), und zugleich auch Verletzung eines Rechtsgrundsatzes, wenn einem gesetzlich ausgeschlossenen Bieter der Zuschlag ertheilt wird. S. u. §. 364, Note 42.

4) A. G. O. a. a. O. 8- 37. — V. vom 4. Marz 1834, 8- 10. vom 7. Mai 1834, Nr. II, 1 (Jahrb. Bd. XI.HI, S. 491).



R.

5) Der Richter hat sich von Amts wegen gar nicht darum zu bekümmern; es ist Nichtigkeit, wenn er ohne Parteiantrag einen Bieter zurückweiset, weil der­ selbe nicht sofort Kaution bestellt. Entsch. des Ob.-Tr. Bd. IV, S. 193; m. Beurtheil. S. 240.

Trekution«. Instanz.

581

sein noch bevorstehendes, nicht aber noch nachträglich für das schon

gethane und ohne Kautionsforderung zugelassene Gebot, Schäden

und Kosten Kaution zum Betrage des zehnten Theils der Taxe sofort bestellen'). Dies geschieht durch sofortige Niederlegung der gesetzlich zulässigen Mittel, welche für das Gebot, allen Nachtheil

und die Kosten haften.

Diese Mittel sind: a) baares Geld; b) in­

ländische öffentliche Geldpapierc,

welche gehörig in Kurs gesetzt

sein müssen'), nach dem Kurswerthe; c) solche Forderungen eines Gläubigers, welche innerhalb des Taxwerths auf dem ausgebotenen

Immobile eingetragen stehen; es müssen aber die darüber sprechen­

den Urkunden in dem Bietungstermine selbst niedergelegt werden; ein Nachbringen derselben nach dem Schluffe des Termins ist un­

statthaft"). II. Der Gang der Handlung im Termine ist folgen­ der: Der Deputirte beginnt mit Prüftmg der Förmlichkeiten und

regulirt dann die Kaufsbedingungen, welche nur von dem Extra­ henten und den Adhärenten gemacht werden können; andere Gläu­ biger und der Schuldner sind dazu nicht befugt'). Nach Beendi­ gung dieses Geschäfts ergeht der Auftuf an die Kauflustige»» in

und vor dem Gerichtszimmer zum Bieten. Doch finden sich solche

selten des Vormittags ein und auch die Jnteressente»» erscheinen oft erst am Nachmittage").

Um 12 Uhr unterbricht der De-

putirtc den Termin und bestellt die Erschienenen auf den Nach­

mittag um 4 oder 4 % Uhr wieder; die eigentlichen Bieter pflegen aber erst gegen 5 Uhr zu erscheinen und das Bieten wird erst

gegen 6 Uhr lebhaft.

Der Deputirte hat den Bietlustigen

die

besonderen Bedingungen zu eröffnen, mit Jedem, auf Antrag eines Interessenten, den Kautionspunkt zu berichtigen und jedes Gebot

eines zugelassenen Bieters, mit dessen etwanigen eigenen Bedin-

6) V. II v. 4. Marz 1834, $. 11. Pr. W Ob.-Tr. 1102, v. 15. Januar 1842; Pr. 1265, vom 3. Februar 1843; Pr. vom 29. September 1851 (3 M.-Bl. S. 387). 7) Wird rin an der JnkurSsetzung vorhaiidciier Mangel gerügt, dessenunge­ achtet aber der Zuschlag ertheilt, so tritt Nichtigkeit ein, wegen Mangels an Konsens. Pr. de« Ob.-Tr. 791, vom 11. Januar 1840. 8) 93. II vom 4. März 1834, §. 11, Abs. 2. — Pl.-Beschl. de« Ob.-Tr. vom 9. Mai 1842 (Siüfdj. Bd. VIII, Nr. XVIII); in. Beurtheil. S. 552. 9) 81. G. O. I, 52, 8- 28. Nur etwanigc besondere Bedingungen« sink fkstzusktzen; c« ist überstüsfig, die allgemeinen, sich von sebst verstehendem Be­ dingungen in« Protokoll zu setze». 10) E- ist damit wie früher mit dem ersten und zweiten BietungStermine. Di« Abänderung dieses Mißstandes steht in AuSstchr. Der ganze Tag ist er­ fahrungsmäßig nicht nöthig zum Termine.

Ordentlicher Prozeß.

Zweite« Buch.

582

gütigen, im Protokolle

zu vermerken'').

Die Erklärung eines

Bieters, daß er abstehe, ist nicht erforderlich.

Zuletzt werden die

Interessenten mit ihren Erklärungen über den Zuschlag vernommen;

auf Diejenigen, welche sich nicht erklären"), auf Vorbehalte und unbestimmte Erklärungen, auf Erklärungen, welche erst nach dem

Schlüsse des Termins nach (i Uhr eingehen, und auf die ausge-

oder

bliebenen

nicht mehr anwesenden Interessenten wird keine

Rücksicht genommen 111 3)14 12 ; wovon 15 auch Bevormundete, Kirchen und

der Fiskus keine Ausnahme machen").

Ein Vorkaufsbercchtigter

muß, wenn dem Zuschläge keine Hindernisse entgegen stehen, sich

gleichfalls noch in dem Bietungstermine erklären:

ob er in die

Stelle des Meistbietenden Eintreten wolle, widrigenfalls er nicht beachtet wird, auch später sein Vorkaufsrecht nicht mehr ausüben Von Kautionsbestellung ist er nicht befreit, wenn ein

darf").

Interessent

solche

verlangt.

III.

Meldet sich aus das mit der

Subhastation verbundene Aufgebot ein Realprätendent, so wird er als Intervenient behandelt.

§- 311. bb) Fortsetzung ter Subbastation.

1.

Auf den Widerspruch auch nur eines Interessenten gegen

den Zuschlag findet nach dessen Anträge die Fortsetzung der Sub­ hastation in folgenden Fällen statt: 1. wenn das subhastirte Grund­

stück ein adliges Gut ist und das Gebot nicht zwei Drittel der Taxe beträgt •);

2. wenn ein Kreditsystem bei der Sache inter-

essirt und durch das Gebot mit seinen Forderungen an Kapital,

Zinsen, Vorschüssen und Kosten nicht gedeckt sein würdet); 3. wenn

der Widersprecher für das Gebot, so wie für den aus der Ver­

zögerung des Zuschlags entstehenden Nachtheil und für die Kosten

11) A. G. O. a. a. O. §. 40.' (Sin Sitilirrn findet natürlich nur bci meh­ reren Bietern statt; ist nur ein Kauflustiger verhandel', so ist und bleibt dessen Gebot das Mcistgebot. 12) Erk. de« Ob.-Tr. vom 19. Februar 1836 (Jur. Wochenschrift 1838, S. 493). 13) A. G. O. a. a. O. §.41. — V. II. vom 4 März 1834, §. 1L 14) 9t. vom 24. Novbr. 1834 (Jahrb. Bd XI-IV, S. 415). 15) «. 8. R. I, 20, §§. 615, 616. 1) SL G. O. a. a. O. §. 47, Nr. 1. 2) Ebenda, Nr. 3. — Vrrgl. die Posener Kredit-Ordn, vom 15. Deebr. 1821, §. 273 (®. S. für 1822, S. 218).

Exekution--Instanz.

583

zu hasten verspricht») und, Falls er nicht der Fiskus ist»'), für diese Verbindlichkeit mit eben den Mitteln»), womit Bietlustige

Kaution bestellen müssen (§. 310, Nr. 1), Kaution im Betrage eines Zehntels des letzten Gebots sofort niederlegt, auch zugleich

auf die Ansetzung eines neuen Bietungstermins anträgt53)64; 74. 8 wenn alle anwesenden Interessenten einwilligen

In dem letzten Falle

und in den beiden ersten Fällen braucht 'dieser Antrag nicht so­

gleich bei Erhebung des Widerspruchs angebracht zu werden ’), da­

zu hat der Extrahent so lange Zeit, als sein Titel noch exekuto-

risch ist»).

II. Der neue Bietungstermin kann nach der Willkür

der im ersten Termine erschienenen Interessenten bestimmt und be­

kannt gemacht werden; in Ermangelung einer Vereinigung wird er bei Gegenständen über 5000 Thlr. an Werth auf zwei Monate, bei anderen auf einen Monat hinausgerückt und durch Aushang an der Gerichtsstelle, sowie bei jenen durch zweimalige Einrückung von Monat zu Monat, bei diesen durch einmalige Einrückung in

die für die Bekanntmachung des ersten Termins vorgeschriebenen

Blätter (§. 309, II) veröffentlicht.

Von den Interessenten werden

nur die in dem ersten Termine Erschienenen und der Meistbietend­

gebliebene,

ein Jeder besonders, durch Zusendung einer Abschrift

des Proklama benachrichtigt9)10 ; der Letztere ist, wenn er nicht eine

an sein

besondere Verbindlichkeit ausdrücklich übernommen hat,

Gebot

nicht

gebunden'").

Bloße Fortsetzung der Subhastation

3) Ohne Uebernahme dieser Verbindlichkeit ist die Kaution-bestellung und der Widerspruch gegen de» Zuschlag nichtig. Entsch. des Ob.-Tr., Bo. X, Nr. 38; in. Beurtheilung, S. 728. 3 a) §. 53.

Dieser ist frei von

der Kaution-verbindlichkeit.

A. G. O. a. a. O.

4) Aber die Forderungen eines Gläubiger- muffen innerhalb Gebots stehen. V. U. vom 4. März 1834, §. 13, Abs. 2.

5) A. G. O. a. a. O. §. 47, II, §. 13. 6) A. G. O. a. a. O. §. 47, wird hierbei nicht beachtet, weil Recht hat. 7) A. G. O. a. a. O. §. 47,

Nr. 2;

de- letzten

§.51, Nr. 2 und §. 52.

— B.

Nr. 1 und §. 51, Nr. 1. Der Meischietende er au» Mangel de- Konsense- noch kein Nr. 3 u. §. 56.

8) Vergl. R. vom 5. April 1839 (I. M. Bl. S. 130).

9) V. II. vom 4. März 1834, §. 14. — R. vom 14. März 1837 (Jahrb. Bd. XL1X, S. 217). 10) Früher waren darüber verschiedene Meinungen; der §. 14 a. a. O. schlichtet den Streit, aber mit ungenauem, selbst unrichtigem Ausdrucke, indem er bestimmt: „Dieser wird durch die Ansetzung de« neuen Termin« von der Verbindlichkeit für das von ihm abgegebene Gebot frei." Nicht die An­ setzung des neuen Termin- ist der befreiende Akt, den» sie kann in de« Fällen 1, 2 u. 4 lange Zeit ans sich beruhen, sondern die Nichtannahme de- Anerbic-

Zweite« Buch.

584

Ordentlicher Prozeß.

in Beziehung auf die Fristbestimmung und Bekanntmachung ist

es in allen Fällen, wo der erste Termin wirklich abgewartet wor­ den ist, obgleich Niemand ein Gebot gethan hat, nicht aber als­ dann, wenn derselbe aufgehoben oder von dem Richter oder sämmt­ lichen Interessenten versäumt (circumducirt) worden ist; in diesem Falle muß wieder ein erster Termin mit der dafür vorgeschriebenen

Frist und Bekanntmachungsart angesetzt und bekannt gemacht wer­

den. III. Der Widerspruch eines Interessenten gegen den Zuschlag wird nur Einmal berücksichtigt, wenn nicht der Widersprecher den

Gläubigern dasjenige, was sie durch das Gebot erhalten würden,

sofort zu zahlen im Stande ist1 *).

§. 312. S)

Zuschlag.

Der Zuschlag geschieht mittelst eines von dem Gerichte abzufassenden Urtels (Adjudikationsbescheides).

die Natur eines Erkenntnisses darüber:

Der Ausspruch hat

daß das Verkaufsgeschäft

wirklich zur Vollendung gekommen; doch findet dagegen kein or­

dentliches Rechtsmittel,

vielmehr

nur die Nichtigkeitsbeschwerde

oder in Bagatellsachen der Rekurs statt *).

I. Die Abfassung ge­

schieht in geheimer Sitzung des Gerichts, aus den Vortrag eines

Referenten.

Nach Abhaltung des Bietungstermins werden, wenn

nicht die Fortsetzung der Subhastation zu verfügen oder ein wei­

terer Antrag abzuwarten ist, die Akten sofort zum Spruch vorge­ legt r); die etwa bestellte Kaution geht vorher, Behufs einstweiliger Aufbewahrung, in das Asservatorium3).

kennenden Gerichts geht

Die Prüfung des er­

auf die Förmlichkeiten des Verfahrens

tens (Gebots), nach den Regeln über Eingehung der Verträge. Man hat bei der Wahl des Ausdrucks nur an den dritten Fall gedacht, wo schon im Bietungs­ termine der Antrag auf Ansetzung eines neuen Termins angebracht werden muß und die nächste Verfügung des Richters nothwendig entweder die Spruchvor­ legung (Verwerfung des Widerspruchs), oder die Ansetzung eines neuen Termines anordnet. Darauf paßt der Ausdruck vollkommen; denn da es sich erst durch diese Verfügung entscheidet: ob das Gebot für angenommen gilt oder nicht, so kann auch erst die Ansetzung des neuen Termines eine bestimmte Ausschlagung zu erkennen geben.

11) A. G. O. a. a. O. §. 54. 1) Ebenda, §. 60. — V. vom 14. December 1833, §. 7 (G. S. S. 302). — Deklaration vom 6. April 1839, Art. 2, und Jnstrukt. vom 7. April 1839, Nr. 21, 32, 38.

2) A. G. O. a. a. O. §§. 42, 58. 3) Eine Anstalt der neuern Zeit, neben dem Depositorium, weil die Depositaleinrichtung zu den Geldgeschäften, wozu man die Gerichte gebraucht, nicht ausreicht.

ErekutionS-Instanz.

585

und auf die Erfordernisse des Rechtsgeschäfts. In letzterer Hin­ sicht ist besonders auf das Dasein des Konsenses und der Vor­ aussetzungen, unter welchen der Konsens der Kontrahenten anzu­ nehmen ist, zu sehen. Sind alle Interessenten am Schlüsse des Bietungstermins über den Zuschlag einverstanden, so ist die Sache zweifellos, denn mit der Vollziehung des Protokolls hat das Kaufgeschäft seine Vollendung erhalten, der Ersteher hat nun ein vollkommenes Rechts auf die Uebergabe der Sache (den Zuschlag) und es ist nicht zulässig, einseitig von dem Vertrage wieder abzu­ gehen und die Subhastation wieder aufzuheben, selbst wenn der Exekutionssucher noch vor dem Zuschläge befriedigt würdet, weil der Zuschlag eben nur die Stelle der Uebergabe (Erwerbungsart) vertritt, der Vertrag (Titel) aber schon perfekt ist, und eine Wieder­ einlösung nicht stattfindet«). Fehlt es hingegen an der Einmüthigkeit«"), so ist der Einwand des oder der Widersprechenden entweder gegen die Person des Erstehers, oder gegen den Betrag des Gebots, oder gegen die von dem Meistbietenden vorgeschlage­ nen Zahlungs- oder sonstigen Bedingungen gerichtet. 1. Die Er­ innerungen gegen die Person und namentlich gegen die Zahlungs4) Der §. 38 der A. G. O. a. a. O. bestimmt zwar: „der Meistbietende erlangt inzwischen hierdurch kein vollkommenes Recht auf den Zuschlag," und diese Bestimmung hat viel Streit veranlaßt, neuerdings auch den: ob sie noch gelte. Allein so wenig an der Gültigkeit zu zweifeln ist, so wenig kann sie, richtig verstanden, zu zweifelhaften Rechtsfragen führen. Das „hierdurch" be­ zieht sich ganz allein auf das Bieten. Dadurch erhalt der Letztbietende aller­ dings noch kein vollkommenes Recht, vielmehr müssen die Interessenten von der andern Seite erst noch das Gebot annehmen, ehe etwas Vollkommenes daraus wird, und die A. G. O. sagt paffend weiter: „vielmehr hängt es noch immer — von den Gläubigern ab, entweder in den Zuschlag zu willigen, oder auf Ver­ längerung der Subhastation anzutragen." So ist cs auch heute noch: willigen die Gläubiger in den Zuschlag, so ist das Geschäft vollendet und unwiderruflich, willigen sie nicht, so hat der Anbieter kein Recht. Rach dem heutigen Ver­ fahren ist nur die Herbeischaffung der Erklärung wirksamer geregelt: nur die Anwesenden werden zur Erklärung aufgefordert und sie sollen sich noch im Ter­ mine erklären. Wenn sie nun einstimmig erklären, daß sie sich die Sache über­ legen wollten, so ist ganz der Fall des §.38 vorhanden. Der Meistbietende hat keine andere Bcfugniß als von seinem nicht sogleich acceptirten Gebot abzu­ gehen, wenn er die vorbchaltene Erklärung der Gläubiger nicht abwarten will. Vergl. Entsch. des Ober-Trib., Bd. I, Nr. 26 und Bd. II, S. 10; in. Beur­ theilung, S. 55 u. 87. 5) Darüber ist viel für und wider geschrieben. Das Beste enthält der Be­ richt des Juftizministers an den König, vom 9. März 1838 (Jur. Wochenschrift 1838, S. 536). 6) A. G. O. a. a. O. §. 60. 6 a) Ein solcher Mangel ist vorhanden, wenn der Meistbietende sein Recht ohne Zuziehung der Subhaftations - Interessenten cedirt hat, auf einen solchen Eessionar hat der Richter keine Rücksicht zu nehmen. Erkenntniß des Ob. -Tr. vom 5. Januar 1839 (Schles. Arch. Bd. IV, S. 511).

586

Zweite« Buch.

Ordentlicher Prozeß.

oder Besitzfähigkeit des Bieters') müssen schon in dem Bietungs­ termine berücksichtigt und erledigt worden sein»), sonst müßte, wenn

sie begründet wären, der Zuschlag nicht ertheilt, sondern auf Fort­ setzung des Verfahrens resolvirt werden.

Der Extrahent ist als

solcher kein unzulässiger Ersteher»), weil, wenn auch keine Mitex­

trahenten sind, der Schuldner durch den Richter als Verkäufer

erscheint. vorhin

2. Einwmdungen gegen das Gebot sind nur unter den

(§. 311)

gedachten

Voraussetzungen

beachtungswerth.

3. Geht der Widerspruch gegen die von dein Bieter gemachten Bedingungen, oder ist darüber Meinungsverschiedenheit: wer von

mehreren Bietern als Bestbietender'") anzusehen und deshalb als

Käufer anzunehmen sei, so entscheidet die Mehrheit der Stimmen der im Bietungstermine beim Schluffe der Licitation anwesenden

Realgläubiger; die Mehrheit wird nach den eingetragenen Sum­

men berechnet; welche zwar gedeckt sind aber noch nicht bezahlt werden sollen, denn insofern ein Gläubiger jedenfalls aus dem An­ geld« sogleich bezahlt

wird

oder

insofern er jedenfalls ausfällt,

hat er bei der Wahl kein Interesse, mithin auch keine Stimme1 *). Will der Bieter nicht in Pausch und Bogen kaufen, sondern sich

Vertretung der Taxe ausbedingen, oder will er nicht wenigstens Ein Drittel des Gebots baar, oder in Pfandbriefen"), oder in

unstreitigen, vollkommen sichern und einziehbaren Aktivinstrumenten vor oder bei der Naturalübergabe erlegen; so entscheidet nicht die Stimmenmehrheit,

sondern

zigen Realgläubigers1 ’).

der Widerspruch

selbst

eines

ein­

Findet das erkennende Gericht die Förm­

lichkeiten beobachtet und die Voraussetzungen, unter welchen der Konsens beider Theile anzunehmen, gegeben;

so erkennt es, daß

dem Meistbietenden, beziehlich dem für den Bestbietenden anzuneh­ menden Bieter, das Grundstück zuzuschlagen.

Das Adjudikations-

7) Z. E. wenn ein Soldat oder Unteroffizier ohne Konsens des Regiments­ chef« anstritt.

8) A. G. O. a. a. O. §§. 42, 44. - V. II. vom 4. März 1834, §. 11.

9) A. G. O. a. a. O. §. 45. — L. 16 D. de rebus auct. jud. poss. (XLII, 5). 10) Das der Summe nach höchste Gebot ist, wegen der gemachten eigenen Bedingungen, nicht immer das beste. 11) A. G. O. a. a. O. §. 57. - R. v. 7. Juni 1819 (Jahrb. Bd. XIII S. 273).

12) Darunter find wohl, in die Sprache der Jetztzeit überseht, öffentliche, KurShabende, Geldpapiere zu verstehen. 13) A. G. O. a. a. O. Der Ertrahent, wenn er nicht zugleich Realgläu­ biger ist, wird hier nicht brachtet.

587

Erektion»-Instanz,

urtel muß die Summe, wofür der Zuschlag geschieht,

und die

Kaufsbedingungen enthalten"); die Bedingungen, unter welchen die Bietlustigen zum Bieten zugelassen worden, gehören nicht in

den Adjudikationsbescheid, meistens nicht einmal in das Protokoll. Ist mit der Subhastation zugleich, ein Aufgebot der Realpräten­ denten verbunden worden (§. 309, 1,4), so muß der Adjudika­

tionsbescheid zugleich die Präklusion der sich nicht Gemeldeten aus­ sprechen, und gegen diesen Theil des Urtels findet die Wiederein­

setzung in den vorigen Stand statt14 15). III. Der Adjudikationsbescheid wird dem Adjudikatar,

dem Extrahenten

und den Adhärenten,

dem Schuldner, den Intervenienten und den im Bietungstermine erschienenen Realgläubigern publizirt16)17und 18 19 demnächst wird ihnen, mit Ausnahme

derjenigen Gläubiger, welche unzweifelhaft voll­

ständig beftiedigt werden, eine Ausfertigung insinuirt1 ’); hinsicht­

lich der dem Aufenthalte nach unbekannten Interessenten, sowie der präkludirten unbekannten Realprätendenten, ist eine Ausferti­

gung durch 14 Tage an der Gerichtsstelle auszuhängen •8). IV. Eine

Klage.auf Widerruf des Zuschlags") findet nicht mehr statt, da­

gegen steht die Nichtigkeitsbeschwerde, beziehungsweise der Rekurs, gegen den Adjudikationsbescheid zu:

1. dem Bieter, welcher den

Zuschlag für sich verlangt hat und behauptet, daß ihm und nicht dem Adjudikatar das Grundstück hätte zugeschlagen werden müssen;

2. dem Adjudikatar, wenn er behauptet, daß ihm der Zuschlag nicht oder unter andern, als den im Adjudikationserkenntnisse auf­

genommenen Bedingungen hätte ertheilt werden sollen;

3. jedem

dritten Subhastationsinteressenten, nämlich jedem Realprätendenten,

sei es, daß er auf besondere Vorladung oder auf ein Aufgebot er­

schienen

ist, oder sich von selbst als Intervenient gemeldet hat,

oder auch als unbekannt präkludirt"") worden ist;

ferner dem

14) A. G. O. a. a. O. §. 59. 15) V. II. vom 4. März 1834, §. 15. — A. G. O. I, 51, §. 106. 16) A. G. O. I, 52, §.61. — Instruktion vom 7. April 1839, Nr. 42. R. vom 2. Mai 1838, Nr. 2 (Jahrb. XLIII, S. 500). 17) V. vom 5. Mai 1838, §. 1 (G. S. S. 273). - R. vom 30. März 1834 (Jahrb. Bd. XLIII, S. 137). 18) §. 3, lit. b u. c der angef. V. — DaS altere M. R. v. 30. Januar 1835 (Jahrb. Bd. XLV, S. 214), welches das Gegentheil wollte, ist nicht mehr maßgebend. 19) A. L. R. I, 11, §§. 350 ff. 19a) Ist keine Ediktalcitation ergangen, so steht den auS dem Hypotheken­ buche nicht ersichtlichen Realprätendenten, welche sich nicht vor der Adjudikatoria itttervenitndo gemeldet und ihren Widerspruch gehörig substantiirt haben, die

Zweite« Such.

588

Ordentlicher Prozeß.

Extrahenten und den Adbärenten der Subhastation, dem Schuld­

ner und denjenigen Realglmbigern, welche beeinträchtigt futb20 * *),21 22 d. h. hier, welche einen Ausfall erleiden2 ')•

V.

Die Kosten des

Zuschlagsbescheides und cller aus Grund derselben zu

erlassende

Verfügungen trägt der Adjudikatar, die übrigen Subhastationskosten werden

den Kausgcldern vorweg bezahlt und fallen

aus

also auf den letzten Perzivienten, wenn nicht anderes verabredet ist").

§• 313. ») Ausführung des ZufchlagSbcscheideS.

Der Adjudikatar muß in den Besitz des zugeschlagenen Grund­

stückes gesetzt werden und dagegen das Kaufgeld zahlen. Zu wel­

cher Zeit die Uebergabe geleistet werden soll, hängt von der Ver­ abredung ab,

belegung

sie

muß entweder vor oder nach der Kaufgelder­

geschehen,

weil die Letztere

gehörig ausführbar ist.

nur an der Gerichtsstelle

Mit der Kaufgelderbelegung ist zugleich

eine Vertheilung und eine Befriedigung'ber Gläubiger verbunden,

und hinsichtlich der Antheile unbekannter oder nicht gehörig legitimirter Gläubiger kann noch ein weiteres Verfahren, Aufgebot nöthig werden.

ein Exekutionsverfahren

selbst ein

Bei ausbleibender Zahlung aber tritt ein.

Die Nichtigkeitsbeschwerde hemmt

die Vollstreckung des Adjudikationsbescheides nicht*)

§• 314. .232).

A. G. O. $. 401;

590

Zweites Buch.

Ordentlicher Prozeß.

Umstand nichts, daß dem Käufer Frist bewilligt worden tft85),96 7 weil jedenfalls die Kaufgelder den Gläubigern anzuweisen sind; oder daß die Nichtigkeitsbeschwerde eingelegt'); oder daß auf Re-

subhastation angetragen worden?).

Der Käufer ist zur Einzah­

lung der Kaufgelder ad depositum schon vor dem Termine nur dann berechtigt,

wenn eine mora accipiendi

eintritt').

I. In

dem Termine zahlt der Käufer das Kaufgeld, nachdem der Be­ trag mit Zinsen festgestellt worden, auf,

soweit er solches nicht

durch Uebernahme von ihm gestundeten Hypothekenposten verrech­

nen kann; die Interessenten machen daran ihre Ansprüche; sind sie einig, so empfangen sie ihre Befriedigung; sind sie nicht einig, so macht der Deputirte einen Theilungsplan, vermerkt bei jeder

Post, wer deren Richtigkeit oder Vorrecht bestreitet, berechnet die

Beträge, welche auf die angebrachten Forderungen, soweit sie un­ bestritten sind,

gezahlt werden können,

und vernimmt bei jeder

Post die Interessenten, ob sie in die Auszahlung willigen; un­ streitige Posten werden, gegen Auslieferung der Instrumente, be­ richtigt, die streitigen aber, wenn nicht zwischen den Betheiligten

ein anderes Interimistikum vereinbart wird, zur gerichtlichen As-

servation eingeliefert, von wo sie, ein jeder Betrag zu einer be­ sonderen Speciglmasse, ad depositum genommen werden').

Auf

5) R. vom 14. März 1837 (Jahrb. Bd. XLIX, S. 215). 6) R. vom 30. Januar 1835 a. E. (Jahrb. Bd. XLV, S. 213).

7) R. vom 14. Marr 1837 (Jahrb. Bd. XLIX, S. 215). Die Resubhastation ist eine neue Sache, welche ganz für sich verhandelt wird. Anh. zur A. G. O. §. 408,

8) Unrcchtfertig ist der Ausspruch in dem Min.-Erlaß vom 2. Mai 1834, II, 3, daß der Käufer die Befnguiß habe, die Kaufgelder schon vor dem Ter­ mine ad depositum cinzuzahlen, weil er dadurch nur einer judikcrtmäßigen Verbindlichkeit genüge. Woher soll der letzte Perzipient dazu kommen, sich den unzulänglichen Gegenstand seines Unterpfandrechts mehr als nöthig, entziehen, nämlich'durch die bedeutenden Depositalgelder verzehren zu lassen! Und wie sollen alle die Interessenten dazu kommen, die Folgen und Gefahr der Deposition sich aufbürden zu lassen, während sie bereit sind, Zahlung zu empfangen! Warum sollen sie ohne irgend welche Zögerung von ihrer Seite Altes verlieren, wenn in der Zwischenzeit das Depositorium zufällig untergeht!

9) V. II. vom 4. März 1834, §.17. Das Verfahren ist unpraktisch, weil der Deputirte bei einer großen und verwickelten Sache in der Terminszeit nicht durchkommen und auch in dem Gewirre nicht immer auf dem Fleck sein kann. Es ist eine Nachahmung des französischen Kaufgelder-Vertheilungsverfahrens, Code de pvocedure, Art. 656 ff., aber wieder mit Weglassung der die Aus­ führung ermöglichenden und sichernden Modalitäten. Deshalb ist in den nur einigermaßen in Anspruch nehmenden Sachen die Kaufgelderbelegungsverhandlung sehr selten genügend. — Um diesem Mangel abzuhelfen, will man dem Gerichte in verwickelten Sachen freistellen, schon vor dem Termine einen^ vorläufigen Theilungsplan anfertigen zu lassen, welcher bei der Verhandlung im Termine zum

ErekutionS-Instanz.

591

den producirten Instrumenten vermerkt der Deputirte die Tilgung

oder den Ausfall der Post"').

Zn Beziehung auf die streitigen

Posten müssen die Betheiligten mit ihrm Ansprüchen und Wider­ sprüchen,

sowie

nommen werden,

mit den Gründen derselben so vollständig ver­

daß sie darauf zur öffentlichen Gerichtssitzung

Behufs mündlicher Verhandlung und Entscheidung des Streits

und darüber:

an wen die Specralmasse ausgezahlt werden soll,

vorgeladen werden können; ist die Verhandlung darin unvollstän­ dig, so müssen die Betheiligten zur Ergänzung auf einen neuen

Termin vorgeladen werden1').

Die Praxis hat sich so gestaltet,

daß der Gläubiger seinen Anspruch im Termine näher begründet,

falls er sich nicht lediglich auf das Hypothekenbuch stützt. Ab­ schriften dieses Passus aus dem Protokolle wird als neue Sache vorgelcgt und dient als Klageschrift. antwortung

ordentlichen Prozesses

aussprechen,

Darauf wird die Klagebe­

eingefordert und sodann nach den Vorschriften des an wen

weiter verfahren.

Das Erkenntniß

muß

der streitige Kaufgelderbetrag auszuzahlea

oder wie er etwa anders zu vertheilen sei. Diese Specialverhand­

lungen sind bloße Zncidentpunkte des Subhastationsverfahrens und gehören deshalb nothwendig zur Kompetenz des Subhastations-

richters'").



Das Anfechtungs-

oder Widerspruchsrecht des

Schuldners ist unbestritten; dagegen ist die Befugniß der einzelnen

Gläubiger: die Richtigkeit, das Hypothekcnrecht und daS Vorrecht anderer Forderungen zu bestreiten, bezweifelt worden und die Praxihat den Grundsatz festgestellt, daß jedem Realgläubiger, insofern

durch die Theilnahme der einzelnen Forderungen an der Masse, oder durch die Ausübung eines Vorrechts, seiner Befriedigung Ab­ bruch geschieht, auch bei dem Kaufgelderbelegungsverfahren fvei-

steht, ebensowohl die Richtigkeit als die Rechtsgültigkeit einer vor­ stehenden Hypothek anzufechten"). — Zahlt der Adjudikatar die

Kaufgelder gar nicht oder nicht vollständig, oder bleibt er aus, so wird der Betrag der rückständig verbleibenden Kausgelder mit Grunde zu legen. Giitto. der Gone -O. §.386. Damit ist nicht viel geholfen; dergleichen Projekte führen zu Stückwerk. 10) R. vom 7. Januar 1839 (3. M. Bl. S. 35). 11) SR. vom 18. Oktober 1841; Schles. Arch. Bd. IV, S. 473 ff. Zn verql. m. Abh. im Schles. Arch. Bd. IV, S. 464 ff. Die Grundsätze erkennt auch daS R vom 15. Juni 1839 an (I. M. Bl. S. 239). 1 la) M. s, unten Anm. 2 zu §. 316. 12) Pl.-Bcschl. (Pr. 1606) deS Ob.-Tr. v. 29. September 1845 (Tntsch. Bd. XI, S. 47).

592

Zweites Buch.

Ordentlicher Prozeß.

Zuziehung der Realgläubiger festgestellt und jedem Betheiligten wird sein Theil-davon angewiesen, worüber ihm ein HypothekenJnstrument ausgefertigt wird, indem der Kaufgelderrückstand, zu

5 Prozent verzinslich, gegen Löschung der alten nicht ausdrücklich übernommenen Hypotheken,

auf den Namen der angewiesenen

Gläubiger eingetragen wird13).

Die Kosten dieses Termins, der

Ausfertigungen und Eintragungen trägt der Käufer, die der Lö­ schung des Subhastationsvermerks und der alten Hypotheken die

Äaufgelbermafle I4).

II. Ueber den Hergang ist ein vollständiges

Protokoll is) aufzunehmen,

welches

einmal für den Adjudikatar

13) V. II, vom 4. März 1834, §. 19. 14) R. vom 26. Mai 1823 (Jahrb. Bd. XXI, S. 298). Es gehört zu den Verbindlichkeiten des Verkäufers, dem Käufer ein reines Hypothekcnfolium zu schaffen. A. L. R. I, 11, §. 124. Ueber die ausgefallenen und aus den eingezahltcn Kaufgeldern bezahlten Hypotheken kann der Adjudikatar nicht ver­ fügen, sie müssen von Amts wegen gelöscht werden, wofür der Subhastationsrichter zu sorgen hat. Vergl. R. v. 9. Decbr. 1815 (Jahrb. Bd. VI, S. 209); R. vom 3. Januar 1839 (Jahrb. Bd. LIII, S. 185) u. vom 7. Januar 1839, No. I, 4 (I. M. Bl. S. 35). 15) Muster. Der Fall ist: ein Rittergut ist für 36,000 Thlr. erstanden; der Käufer soll das Kaufgeld, soweit cs die Pfandbriefe übersteigt, im Kaufgelderbelegungs-Termine baar bezahlen, kann aber nur 5000 Thlr. zahlen, das Kaufgeld ist zur Befriedigung sämmtlicher Gläubiger nicht hinlänglich; über einige Posten entsteht Streit. Neisse, den 18. Oktober 1847.

In der Subhaftations-Sache betreffend das Rittergut Langenhof steht heute Termin zur Belegung der Kaufgelder an. In demselben erschienen: I. Der Adjudikatar, Herr N. N. II. Von den Gläubigern: 1. der Kommerzicnrath Herr Quacklich von hier, 2. der Banquier Herr Saul Profit aus N., 3. der Rentier Herr Prozent aus N., 4. der Altsitzer Sorgenfrei aus N., 5. u. s. w. III. Der Schuldner, Herr Lustig, jetzt hier, sämmtlich nach Namen, Stand und Wohnort bekannt.

I. Der Adjudikatar soll nach dem Adjudikations-Erkenntnisse zahlen und vom Tage der Publikation desselben, d. i. den 1. Sep­ tember d. I. an, mit 5 Prozent verzinsen. Die Zinsen betragen bis heute ..................................................................................................

36000 Thlr.

200

-

36200 Thlr. es sind daher zu belegen Darauf I. übernimmt er die auf Langenhof stehenden . 10200 Thlr. landschaftliche Pfandbriefe nach dem Nennwerthe, mit den Zinsen von heute an; 2. zahlt er die Summa von . ....................... 5000 auf den Gerichtstisch hin, mit der Erklärung, daß er mehr nicht zahlen könne, mithin 3. bleibt er rückständig 21000 verzinslich zu fünf Prozent von heute an. Dies erkennen alle anwesende Interessenten für richtig an. An Kommunkosten gehen ab................................................................ . 300 Thlr. Die zu verteilende Masse beträgt daher . 23000 Thlr.

ErekutionS-Instanz.

593

und einmal, in Verbindung mit einer Ausfertigung des Adjudi­ kationsbescheides, als Instrument über den einzutragenden Kauf­ gelderrückstand, ausgefertigt wird; diese zweite Ausfertigung wird

1.

II. An diese Kaufgclder werden folgende Ansprüche gemacht: Die Landschaft, vertreten durch ihren Syndikus Herrn Just.Rath Rechthaber, welcher durch die von ihm zu den Akten eingereichte Vollmacht von dem Kollegium für legitimirt an­ genommen worden ist, fordert: a) Sequestrationsvorschuß b) Zinsen davon seit dem 18. Oktober v. I. zu 5 Prozent c) Zinsen von 10200 Thlrn. Pfandbriefen, seit dem 24. Juni d. I. bis heute, zu 4 XX Prozent

4000 Hhlr. 200

-

200

-

Zusammen Die Forderung wird von allen Anwesenden zu­ gestanden.

4400 Thlr.

2. Der Banquier Herr Saul Profit fordert:

a) Kapital aus der Darlehnsverschreibung vom 6. Decbr. 1817, eingetr. R. III, No. 4 . . b) Zinsen zu 5 Prozent seit dem 6. December v. I. bis heute................................... c) Kosten der Ausklagung laut Festsetzungsdekrets vom 8. Juli v. 1................................................

10000 Thlr. 440

-

260

-

Zusammen womit er unmittelbar hinter der Landschaft befriedigt zu wer­ den begehrt. Gegen diese Forderung erhebt der Rentier Pro­ zent Widerspruch, behauptend, daß der Liquidant dem Dar­ lehnsnehmer nur 90 Prozent, also 1000 Thlr. weniger als er jetzt fordere, gegeben habe. Darüber werde der Schuldner Lustig, der Negotiant Feinohr zu N. Zeugniß geben. Er ist ver Meinung, daß der Liquidant nicht allein das zu wenig gegebene Kapital, sondern auch die davon seit 20 Jahren erhobenen 5 Prozent Zinsen, sich abziehen lassen müsse; er erkennt sonach das Liquidat nur auf 8700 Thlr. an und verlangt die bestrittenen 2000 Thlr. für sich in Zahlung auf seine zuletzt zur Hebung kommende Forderung.

3.

10700 Thlr.

Der Kommerzienrath Herr Quacklich fordert:

a) Kapital aus dem Kaufkontrakte v. 18. Oktbr. 1817, eingetragen Ruhr. III, No. 5. . . b) zweijährige Zinsen seit dem 18. Oktober 1845, zu 5 Prozent......................................... c) Grekutionskosten, laut Festsetzungsdekrets vom 6. August v. I., welches übergeben wird .

8000 Thlr. 800

-

50

-

Zusammen

8850

in der Reihe gleich hinter dem vorigen Liqui­ danten. Dieses Liquidat wird von allen Seiten anerkannt. 4. Der Altsitzer Sorgenfrei fordert: a) aus der Schuldverschreibung des Kommerzienraths Quacklich, Vorbesitzers von Langenhof, v. 18. Oktober 1816, eingetragen

Koch, Civilprozeß. 2. Aufl.

38

-

594

Zweites Buch.

Ordentlicher Prozeß.

zu den Hypochekenakten zum Vortrag gegeben; hier wird der Adjudikatar zur Berichtigung seines Besitztitels angehalten, bei der

Eintragung des Besitztitels wird gleichzeitig die Löschung der alten

Ruhr. 111, No. 6,

an Kapital aus einem Lieserungsgeschäfte............................................... b) einjährige Zinsen, seit dem 18. Oktbr. v. I. zu 5 Prozent.....................................................

500 Thlr. 25

-

Znsammen................................................................. zur Bezahlung unmittelbar hinter dem vorigen Liquidanten. Diese Forderung bestreitet der Rentier Prozent gänzlich, weil der Titel von dem Vorbesttzer deS verpfändeten Guts herrühre, und die Eintragung erst den 1. Angust 1818, also zn einer Zeit geschehen sei, wo ein Dritter, der jetzige Subhastat, sich im Besttze des Guts befunden habe, welcher in solche Eintragung nicht gewilliget. Er verlangt den ans dieses Liquidat treffenden Kaufgelder-Theil für sich auf seine For­ derung. 5. Der Rentier Prozent verlangt vor dem vorigen Liquidanten: a) an Kapital auS der DarlchnS- und HypothekVerschreibung vom 8. November 1845, ein­ getragen Ruhr. III, No. 7 .............................. 10000 Thlr. b) Zinsen seit dem 8. Novbr. 1846, zu 6 Proz. 1000 -

Zusammen................................................................. Sonst trat als Liquidant Niemand auf.

525 Thlr.

11000 Thlr.

III. Die Vertheilung und Anweisung der Kaufgelder ist folgende: 1. Der Salarien-Kassen-Rendant nimmt mit Zustimmung aller Anwesenden den Kostenvorschuß mit................................................ baar in Empfang und quittirt darüber. 2. Der Landschafts-Syndikus Justiz-Rath Rechthaber empfängt ebenfalls mit Einwilligung der Interessenten die liquidirten . schr. Viertausend Vierhundert Thlr. baar u. qnittirt darüber. 3. Dem Banqnier Saul Profit werden auf seine liquidirte Forderung von.................................................................................. gegen Herausgabe des Instruments darüber, a) die von den baar eingezahlten 5000 Thaler noch übrigen...................................................... 300 Thlr. gezahlt, worüber er quittirt; b) von den rückständigen Kaufgeldern die Summa von...................................................................... 8400 schr. Achttausend Vierhundert Thalern, nebst Zinsen von heute an unbedingt u. die übrigen 2000 -

schr. Zweitausend Thaler mit gleichen Zinsen als eine, zwischen ihm und dem Rentier Pro­ zent streitige Post, beide Summen zu gleichen Rechten und mit dem Vorzüge vor den übri­ gen Gläubigern, angewiesen, womit die liqui­ dirten ....................................................................... berichtigt sind.

Auf dem producirten Dokumente wird folgender Vermerk gemacht: Die aus dem vorstehenden Dokumente hervorgehende Hy­ pothekenforderung von Zehntausend Thalern nebst den liquidirten Zinsen und Kosten im Betrage von Sieben­ hundert Thlrn. ist in dem heutigen Kaufgelderbelegungö-

300

4400

10700

10700

Erektion--Instanz.

595

nicht übernommenen Hypotheken und die Eintragung des Kauft gelderrückstandes bewirkt, und demnächst wird von dem Hypotheken-

Jnstrumente für jeden auf das eingetragene Kaufgeld angewiesenen

Termine, theils baar theils durch Anweisung auf die rückftändiaen Kaufgelder für das verpfändete Gut, gänzlich bezahlt worden. Neisse, den 18. Oktober 1847. N. KommiffariuS des König!. FürsteuthumS-GerichtS, von dem KommiffariuS unterschrieben und mit dem Gerichts­ siegel besiegelt, das Dokument selbst aber durchschnitten. 8850 Thlr. 4. Dem Kommerzienrath Ouacklich werde».......................... schr. Achttausend Achthundert und Fünfzig Thaler nebst Zin­ sen von heute au, mit dem Vorrecht vor dem Reste, von den rückständigen Kaufgeldern angewiesen. Er bekennt sich da­ durch wegen seiner liquidirten Forderung an Kapital, Zinsen und Kosten vollständig befriedigt und übergiebt sein HypothekenJustrument. Diese- wird durchschnitten und mit folgendem Vermerke, welcher von dem KommiffariuS unterschrieben und mit dem GerichtSfiegel bedruckt worden, versehen: (Hier folgt wörtlich daS Attest wie vorhin). 5. Zur Tilgung der strittigen Forderung des Altsitzer Sorgen­ 525 frei werden .................................... schr. Fünfhundert Fünf und Zwanzig Thlr., nebst den Zinsen von heute, mit dem Vorzug vor dem Reste, von den rückstän­ digen Kaufgeldern, als eine, zwischen dem Altsitzer Sor­ genfrei und dem Rentier Prozent streitige Post mit der Bestimmung angewiesen, daß dieselbe» demjenigen gebühren, welchem sie rechtskräftig zuerkannt werden. Das über das Liquidat lautende, hierbei übergebene Hypo­ theken-Instrument wird durchschnitten und auf demselben Fol­ gendes vermerkt: (Folgen die Worte des Vermerks wie vorhin). Der Vermerk ist von dem KommiffariuS unterschrieben und mit dem GerichtSfiegel bedruckt. 11000 6. Dem Rentier Prozent werden auf sein Liquidat von . . angewiesen: 1225 a) der Rest der Kaufgelder mit schreibe Eintausend Zweihundert und Fünf und Zwanzig Thaler, nebst ö Prozent Zinsen von heute an: b) dasjenige, was von den an die Salarien-Kaffe gezahlten 300 Thalern nach Berichtigung sämmtlicher Kosten noch übrig bleiben möchte; c) dasjenige, was derselbe von den, dem Banquier Saul Profit streitig gemachten Zweitausend Thlrn. nebst Zinsen erstreiten wird; d) dasjenige, waS er von den, dem Altfitzer Sorgenfrei gemachten Fünfhundert Fünf und Zwanzig Thlrn. en wird. Mit demjenigen, waS hierdurch nicht gedeckt wird, fällt er auS. Auf dem produeirten Hypotheken-Instrumente über dieses Llqnidat wird Folgendes vermerkt: Auf die, bei der Belegung der Kaufgelder für das subhastirte Gut Langenhof, a»S diesem Instrumente liquidirten 10000 Thlr. Kapital und.............................................. 1000 Zinsen, zusammen

»

11000

-

Zweites Buch.

596

Ordentlicher Prozeß.

Gläubiger eine Theil-Obligation abgezweigt; die ausgefertigten

Hypotheken - Instrumente werden dem Subhastationsrichter

oder

zu den Subhastationsakten übersendet, wo die Aushändigung an

die Gläubiger oder, bezüglich auf die Ausgebliebenen, die Annahme

ad depositum verfügt ttnrb16). theilungsgrundsätze sind:

III. Die vorgeschriebenen Ver-

Reichen die Kaufgelder zu, so erhalten

die Rcalgläubiger sämmtliche Zinsenrückstände und der Extrahent,

wenn er nicht zugleich Realgläubiger ist, wird erst aus dem Ueberreste befriedigt;

was alsdann noch bleibt erhält der Schuldner;

reichen sie nicht zu,

Kapitals nur:

so

erhält jeder Gläubiger am Orte seines

1. die seit dem letztverflossenen 1. Juli vor der

verfügten Subhastation laufenden Zinsen;

den beiden früheren Jahren.

2. die Rückstände aus

Den im Kaufgelderbelegungstermine

ausbleibenden Gläubigern wird vorläufig nicht mehr

als dieses

angewiesen, wenn auch die Kaufgelder weiter reichen").

Denn

sind in Zahlung angewiesen: a) der Rest u. s. w. wie oben. Soweit die Forderung hierdurch nicht gedeckt wird, ist sie ausgefallen, und das Hypothekenrecht dafür ist gänzlich erloschen. Der Vermerk wird von dem Kommissarius unterschrieben und mit dem Gerichtssiegel bedruckt, der Hypothekenschein wird durchschnitten und sodann das Dokument dem Prozent zurück­ gegeben.

Hierdurch ist das ganze Kaufgeld von »ertheilt.

.

.

.

.......................

23000 Thlr.

IV. Von dem Kaufgclder - Rückstände der Ein und Zwanzig Taufend Thaler, verzinslich zu 5 Prozent von. heute an, sollen in der hier folgenden Ordnung eingetragen werden: 1. Für den Banquier Saul Profit zu N., Achttausend Vier­ hundert Thaler schr 8400 Thlr. und zu gleichen Rechten als eine, zwischen ihm und dem Rentier Prozent zu N. streitige Post Zweitausend Thlr. s. 2000 2. Für den Kommerzicnrath Quacklich Hierselbst, Achttausend Achthundert und Fünfzig Thlr. schr............................................... 8850 3. Für den Altsitzer Sorgenfrei zu N. und dem Rentier Prozent zu N. als ein zwischen Beiden streitige Post, Fünf­ hundert Fünf und Zwanzig Thlr. schr 525 4. Für den Rentier Prozent zu N. Zwölfhundert Fünf und Zwanrig Thlr. schr............................... 1225 Herr Profit hat das darüber aus.gefertigte Original - Hypotheken - Instru­ ment und die Uebrigen haben Theil-Obligationen zu erhalten. Hiermit ist das Geschäft vollendet. Dieses Protokoll wird laut vorgelesen und von allen An­ wesenden, wie folgt unterschrieben. (Folgen die Unterschriften.) 16) V. Bd. XLIV, R. vom 28. 17) B.

II. v. 4. März 1834, §. 19. — R. v. 18. Oktbr. 1834 (Jahrb. S. 410). R. vom 7. Januar 1839. II, 4 (I. M. Bl. S. 35): Februar 1836 (Jahrb. Bd. XLVII, S, 371). II. vom 4. März 1834, §. 18.

Exekution--Instanz.

597

man kann nicht aus Kosten und Zinsen Rücksicht nehmen, welche nicht gefordert werden und folglich nicht bekannt sind.

§. 316. ec) Ausschüttung der Specialmassen. Verordnung über das Aufgebot von Specialmaffen nach erfolgter Subhastation, vom 21 Oktober 1838 (G. S. S. 498).

Specialmassen aus Antheilen von Kaufgeldern entstehen da­ durch, daß entweder bei der Vertheilung Streit über Ansprüche

entsteht, oder ein Liquidant sich nicht durch Vorlegung des an­ geblich verlorenen oder vernichteten Hypotheken - Dokuments zur Empfangnahme des

hierauf angewiesenen Kaufgelderbetrags zu

legitimiren vermag, oder sich Niemand mit Ansprüchen auf eine bestimmte zur Hebung

gelangende Forderung

I. Die aus der ersten Veranlassung

gemeldet

hat').

entstehenden Specialmassen

werden durch Entscheidung des Streits zur Ausschüttung gebracht. Das Gericht hat nicht noch zu warten, bis der Liquidant oder der Widersprecher als Kläger auftritt, was gleichwohl Jedem un­

benommen ist; der Zweifel also, wer von Beiden als Kläger auf­ treten

müsse,

ist ohne Gegenstand: der Richter ist schon ange­

gangen und der Streit ist schon vor ihn gebracht,

er muß ihn

also auch entscheiden; die Frage berührt mithin bloß die Thätig­ keit des Richters, er hat die Sache in der geeigneten, sich nach dem Gegenstände bestimmenden Prozeßart zur Entscheidung zu

bringen r). II. In Beziehung auf die aus einem andern Anlaß entstandenen Specialmassen ist folgendes Verfahren vorgeschrieben: 1.

Den

unbekannten Interessenten

wird

ein Kurator

bestellt.

2. Dann wird ein Termin angesetzt, nm zu erörtern: ob die Post etwa schon getilgt worden; was für Mittel vorhanden sind, das

fehlende Dokument und dm Inhaber desselben, oder diejenigen zu erforschen, denen Rechte an der Forderung zustehen.

Dazu wer-

1) Ebenda, §. 17. — V. vom 21. Oktober 1838, §. 1.

2) S. o. §. 315, Tert zu Note 11 u. 12. — Wie der Richter dies an. greifen und welche Aktenstücke er fich machen will, ist zwar gleichgültig; dem Büreaudienste und zur Uebersicht Ist es aber zweckdienlich, sich Ertrakte au- dem KausgeldcrbelegungS-Prolokolle von den die streitigen Posten betreffenden Stellen al» neue Prozeßfächen verlegen zu lasse» und darauf nach Maßgabe der Voll­ ständigkeit der Erklärungen das Erforderliche zu verfugen. Ist die Liquidation ohne Angabe des Grunde- und ohne Beweisantretung, so ist sie wie eine Klage­ anmeldung zu behandeln; ist sie vollständig und der Widerspruch ist nicht näher begründet, so ist rin BeantwvrtungStermin anzusetzen, wenn nicht die Sache im abgekürzten Prozesse zu verhandeln sei» möchte; ist Anspruch und Widerspruch substantnrt, so werden die Parteien zum Audienztermine vorgeladen.

Zweite- Buch.

598

Ordentlicher Prozeß.

den vorgeladen: a) der Kurator unter Androhung einer Ordnungs­ strafe und der Zurlastlegung der Kosten eines

neuen Termins;

b) der aus dem Hypothekenbuche hervorgehende letzte Gläubiger

oder Pfandinhaber oder deren Rechtsnachfolger, wenn deren Auf­ enthalt bekannt ist; c) diejenigen, welche, wenn die Post wegfiele,

den darauf angewiesenen Theil der Kaufgelder zu empfangen haben würden, also der vorige Gutseigenthümer und die theilweise und ganz ausgefallenen Hypothekengläubiger und beziehlich der Extra­

hent der Subhastation, alle unter der Warnung, daß angenommen werden würde, sie hätten über den Gegenstand der Erörterung

3.

nichts anzuführen.

Der Kurator hat die angegebenen Mittel

anzuwenden und beit Erfolg dem Richter anzuzeigen.

4. Wird

das Instrument herbeigeschafft oder der Inhaber ausgemittelt, so

regelt sich das weitere Verfahren nach den Umständen');

bleiben

die Nachforschungen erfolglos, so hat der Kurator das Aufgebot

der Specialmasse in Antrag zu bringen und dabei pflichtmäßig«) zu versichern, daß er sich nach bestem Wissen und mit sorgfältiger Benutzung

der von

den

Jntereffenten ihm

etwa angedeuteten

Mittel bemüht habe, das fehlende Hypotheken-Dokument und dessen

Inhaber, oder diejenigen zu erforschen, denen Rechte an der For­ derung zustehen.

5.

Darauf wird das Aufgebot verordnet und

ein Termin zur Anmeldung der Ansprüche angesetzt,

wozu alle

diejenigen Personen, welche als Eigenthümer, Erben, Cessionarien,

Pfandinhaber, oder sonst Berechtigte, Ansprüche an die Special­

masse oder an den angewiesenen Kaufgelder-Rückstand zu haben vermeinen, mit gehöriger Bezeichnung«')

der Forderung, unter

Androhung der Präklusion öffentlich vorgeladen werden; die Frist­ bestimmung und die Bekanntmachung geschieht nach den Vorschrif­ ten über die Ansetzung und Bekanntmachung des Licitations-Ter-

mins, mit Rücksicht auf den Betrag der Specialmasse.

Die vor­

hin bezeichneten Interessenten werden durch Zusendung einer Ab­ schrift der Vorladung besonders von dem Termine in Kenntniß 3) Wenn die Specialmaffe bloß durch das Ausbleiben dcS Gläubigers ent­ standen ist, so wird das ganze Verfahren meistens unnöthig gewesen sein, man wäre vielleicht kürzer zum Ziel gekommen, wenn man den Gläubiger sogleich und allein vorgeladen hatte. 4) Das Wort „pflichtmäßig" muß er gebrauchen, weil eS den Diligenzeid ersehen soll. 4a) Zur gehörigen Bezeichnung gehört die Benennung deS aus dem Hypo­ thekenbuch ersichtlichen ursprünglichen Gläubigers und des letzten Inhabers, so­ wie deS Schuldners, Angabe des Betrages der Forderung, das Datum des Schuldinstruments und die Benennung des verhafteten Grundstücks.

8rtfutton4 -Instanz.

gefetzt.

6.

599

Meldet sich biS zum Abläufe des Termins Niemand,

so bedarf es keines EideS; meldet sich aber der eingetragene Gläu­

biger oder dessen Rechtsnachfolger und kann das Dokument nicht

beschaffen, so muß er schwören: „daß er dasselbe nicht selbst besitze, daß ihm kein Anderer bekannt sei, der es besitze, noch ein Ort,

an dem es sich befinden

möge,

und daß er dasselbe auch nicht

zur Gefährdung fremder Rechte abhanden gebracht habe,"

oder,

wenn er die erfolgte Vemichtung des Dokuments behauptet: „daß

das Dokument (in der von ihm anzugebenden An) vernichtet worden." Nach Abhaltung des Termins werden die Akten zur Abfassung des Präklusions-Erkenntnisses vorgelegt, von dem ab­

gefaßten

Erkenntnisse

wird

eine Ausfertigung

den Interessenten

infinrrirt') und eine Ausfertigung durch 14 Tage an der Gerichts­ stelle ausgehängt.

7.

Nach Eintritt der Rechtskraft des Präklu­

sions-Erkenntnisses werden die Interessenten, und wer sich sonst

bei dem Aufgebote gemeldet hat, in einem dazu angesetzten Ter­

mine mit ihren Ansprüchen vernommen und in Entstehung güt­

licher Bereinigung werden sie dann in die öffentliche Gerichtssitzung

zu einem Audienztermine vorgeladen, wonächst das Gericht darüber erkennt: an wen die Specialmasse auSzuzahlen oder wem der betroffene Kaufgelder-Rückstand zu überweisen sei').

Die Ueberwei-

sung geschieht mittelst Dekrets, wovon eine Ausfertigung dem, zu einer Specialmasse angenommenen Hypotheken-Dokumente, über

den streitigen Kaufgeldertheil,

angehängt wird.

8.

Ein gleiches

Verfahren tritt auch in Beziehung auf subinscribirte Rechte ein, wenn der subinscribirte Berechtigte im Kaufgelderbelegungßtermine

auSgeblieben, oder unbekannt, oder daS für ihn ausgefertigte Do­

kument nicht herbeizuschaffen ist.

Das Aufgebot erfolgt auf An­

trag des Hauptgläubigers zu dem Zwecke, um festzustellen, ob der Hauptgläubiger allein, oder mit wessen Zuziehung, die Special­

masse zu erheben befugt sei.

ES werden außer ihin auch nur die

etwa sonst auf die Post inscribirten Berechtigten und der Kurator

vorgeladm, und der Hauptgläubiger hat zu schwören: daß ihm 5) Die im 8- 9 brr B. »em 21. Oktober 1838 »orgeschriebene Pubsikation fäKt weg. Jnstr. ». 7. April 1839, Rr. 42. Rach dem Sntwurf der Co nt. O. 8 403 ff. wird em Audienztermin angesetzt, wo di« öiMltiftuug vor sich geht, die Präklusion an«gesprochen und Wat soust Rechten« erkannt wir d. 6) B. vom 21. Oktbr. 1838, gg. 1—10. Beryl, die vor. Anm. 5. Di« neue Vorschrift ist unpraktisch, weil in dem Audienztermin kein« Prozeßschrist, in welcher der Anspruch begründet wird, ordnung-mäßig aufgemcwmen werden sann.

Zweite« Bnch.

600

Ordentlicher Prozeß.

nicht bekannt- sei, daß noch irgend Jemand aus dem eingetragenen Vermerke ein Recht zustehe, er auch nichts verschwiegen habe, was

zur Ermittelung eines solchen Berechtigten führen könne7).

9. Die

Gerichtskosten deS Ausgebotsverfahrens und die Gebührnisse des

Kurators werden in allen Fällen aus der Specialmasse genommen. §. 317. . G. D. I, 52, $. 62. Eigentlich ist dieser Zahlung-befehl nicht mehr erforderlich, da durch di« angesetzten Kaukelderzahlung-termine bereit« alle« ge­

schehen ist, wa« der Käufer in dieser Hinsicht verlangen kann. Man vergl. »der die Prozedur: R. vom 2. August 1839 (I. M. Bl. S. 285); Äntsch. de« Ob.-Tr., Bd. XVH, S. 498 ff.).

GrekntionS - Instanz.

auf den weitern Antrag des Gläubigers,

601 die anderweite Sub-

hastation, in welcher alle Förmlichkeiten des Subhastationsverfahrens beobachtet werden,

nur daß keine neue Taxe ausgenommen,

vielmehr die vorige Taxe zum Grunde gelegt wird«).

Der vorige

Kontrakt wird dadurch nicht aufgehoben, der Adjudikatar bleibt Eigenthümer bis zur anderweiten Adjudikation, er hat deshalb den

Ausfall und die Kosten zu tragen und erhält auch den heraus­ kommenden Ueberschuß°).

Der Ausfall und die Kosten können

auf Grund des vorigen Adjudikationsbescheides sofort durch Exe­ kution beigetrieben werden °), wenngleich seit der Publikation dessel­ ben unterdeß über ein Jahr vergangen wäre, nur muß seit der

letzten Verfügung das Verfahren nicht über ein Jahr geruht haben. II. Sucht ein Gläubiger wegen des ihm angewiesenen Kaufgelder­

antheils die Exekution in das andere Vermögen des Käufers nach, so verfährt der Richter ganz wie bei Vollstreckung eines rechts­

kräftigen, auf Zahlung einer Geldsumme lautenden Erkenntnisses. III.

Die Berechtigung zu Exekutionsanträgen auf Grund des

Adjudikationsbescheides überhaupt wird erst durch die richterliche

Anweisung auf die Kaufgelder bei oder in Folge der Vertheilung derselben erlangt'). f) Erekution gegen die Person.

§. 318. ct) Zwangsarbeit.

In Ermangelung jedes andern Gegenstandes der Befriedigung

kann der Gläubiger den Schuldner anhalten lassen, durch Arbeiten,

welche dessen Kenntnissen,

Kräften und Stande gemäß sind, die

Schuld nach und nach abzuführen'). biger verschaffen.

Die Arbeit muß der Gläu­

Dieses Mittel ist jedoch bei den heutigen Zu­

ständen unanwendbar, weil das Zwangsmittel, wodurch ein wider­

williger Schuldner zum Arbeiten angehalten werden könnte, fehlt. Hat der Schuldner guten Willen, so muß ihm der Gläubiger von

dem Verdienste soviel lassen oder geben, als er nach dem Gut4) Ebenda, u. Aich. §. 408. 5) A. G. O. a. a. O. §■ 63. Er wird vollständig wie ein Subhastat be­ handelt und verdient nicht die Nachstcht eines unglücklichen Schuldners, der seinem langjährigen Besitz den Rücken zuwcnden muß. 6) V. II. vom 4. März 1834, §. 20. 7) Schics. Arch. Bd. II, S. 377 ff. M. s. auch das in den Ergänzungen zu I, 52, §§. 62—64, Nr. 3 mitgetheiltc R. de« I. M. vom 25. Juli 1834. 1) A. G. O. I, 24, $. 142. S. o. §. 300, Note 8.

Zweites Buch.

602

Ordentlicher Prozeß.

achten von Standesgenossen zum nothdürftigen Unterhalte für sich und die ©einigen gebraucht2).

Will der Schuldner nicht arbeiten

ober ist der Abfall so gering, daß der Gläubiger davon binnen drei Jahren nicht vollständig befriedigt werden kann, so steht dem

Gläubiger frei, ihn zum Personalarrest bringen zu lassen2).

Das

Mittel des Abverdienens ist, weil erfolglos, ganz ungebräuchlich.

Dem Gläubiger wird der Schuldner zur Arbeit nicht überwiesen. §. 319. y5*) Personalarrest.

Das wegen anderer als Wechselschulden erst ganz zuletzt zur Anwendung kommende Mittel ist die persönliche Haft; durch Anweisung Schuldners

nicht

nicht

sofort

abgewendet

sie kann

einziehbarer Aktivforderungen des werden').

I.

Befreit von dem

Schuldarreste sind: 1. Grundbesitzer, wenn sie nachweisen können, daß die Grundstücke für die Forderung des Exekutionssuchers nach der Bestimmung des §. 17, Tit. 47 der Pr. O. genügende Sicher­

heit gewähren2).

2.

Alle im Dienste stehende unmittelbare und

mittelbare Staatsbeamte2) und Militairpersonen, nicht aber die auf Pension oder Wartegeld stehenden Civilbeamten2) und Offi­

ziere2), doch sind die mit Pension zur Disposition gestellten, so wie die auf Jnaktivitätsgehalt gesetzten Offiziere den aktiven

Offizieren gleichgestellt2), 5 und beurlaubte Landwehr-Offiziere ge­

nießen, so lange sie nicht zum Dienste einberufen sind, keine Be-

fteiung7).8

3, Wer zur Güterabtretung verstattet worden ist2).

2) §. 142 Verb, mit §. 95 a. a. O. 3) B. I. vom 4. März 1834, §. 14, Ais. 2. 1) Darüber: R. vom 18. Juli 1840 (I. M. Bl. S. 258). - Vcrgl. R. vom 9. Septbr. 1823 (Jahrb. Bd. XXII, S. 83). 2) G. vom 20. März 1854, §. 19 (G. S. S. 115). Die Behauptung muß al« Einwand in der Exekutionsinstanz, gemäß §. 36, Tit. 24 der Pr. O. (§. 322) vorgebracht werden. 3) Anh. z. A. G. O. §. 174. — C. V. vom 28. Februar 1806, §§. 5—7 (Rabe, VIII, S. 484). — K. O. vom 19. Jan. 1833 (G. S. S. 4). 4) K. O. vom 29. März 1823 (®. S. S. 39).

5) K. O. vom 6. Oktober 1823 (G. S. S. 167); Ä. O. vom 27. Januar 1826 (G. S. S. 14). 6) K. O. vom 4. Mai 1837 (G. S. S. 98). — R. vom 5. Decbr. 1823 (Jahrb. Bd. XXII, S. 176). 7) R. vom 3. December 1824 (Ergänzungen zn §. 174 des Anh., Nr. 1, lit. d). 8) A. G. O. I, 48, SS. 3 u. 32.

Erekutions - Instanz.

603

4. Wer gegen den Exekutiontzsucher zur Kompetenz berechtigt ist"). 5. Die Erben des Schuldners"').

II. Der Gläubiger muß dem

Schuldner, welcher sich nicht selbst Unterhalt verschaffen kann, im

Schuldarreste nothdürftige Alimente reichen und dazu dem Ge­ fangenwärter den erforderlichen Vorschuß geben, widrigenfalls der

Schuldner des Arrestes sofort entlasten wird'«). der Schuldner seinen Unterhalt verdienen,

Soll und kann

so ist es Sache des

Gläubigers, ihm im Gefängnisse Gelegenheit und Mittel zur ge­ eigneten Arbeit zu verschaffen1 *).

Wird der Gefangene krank, so

soll er, auch gegen den Antrag des Gläubigers, der Haft sofort entlassen

werden").

III.

Die persönliche Haft, mag

einem Gläubiger oder von Mehreren ausgehen,

sie von

soll überhaupt

nur Ein Jahr lang, gleichviel ob sie ohne oder mit Unterbrechung vollstreckt worden, dauern.

Verlangt dann ein Gläubiger Verlän­

gerung des Arrestes, so muß er nachweisen: entweder daß Wahr­ scheinlichkeit vorhanden, durch die Fortdauer des Arrestes zur Be-

ftiedigung zu gelangen;

oder daß der Schuldner durch einen un­

moralischen Lebenswandel sein Zahlungsunvermögen sich zugezogen habe.

Hierüber sind beide Theile in einem anzusetzenden Termine

zu hören, und die Beweise sind auszunehmen, nächstdem aber ist durch ein Dekret, gegen welches nur der Rekurs (die Beschwerde)

stattfindet, zu bestimmen: ob die Haft fortdauern solle oder nicht1 ’).

Wird die Entlassung verordnet, so muß der Schuldner, auf Ver­ langen des Gläubigers, noch schwören: daß er den Gläubiger, so­

bald es ihm nur möglich sein werde, befriedigen wolle"). Wegen neuer Schulden kann die Einsperrung wieder eintreten, wenn auch

9) Das R. vom 20. August 1806 (Rabe, Bd. VIII, S. 654) beruht auf einem Rechtsirrthum, und ebenso das in den Ergänzungen zu I, 24, §. 142, lit. b mitgetheilte R. vom 23. Fcbr. 1827. Befreiung vom Schuldarrest ist die ursprünglichste und mindeste Wirkung des beneficii competentiae. Recht der Ford. §. 42, u. Privatrecht, §. 488. — S. auch unten §. 454, lit. A. 9a) Weil die Einsetzung oder Verpfändung der Pcrso» oder Freiheit nicht vererblich ist. A. L. R. I, 11, §. 360; A. D. W. O. Art. 2, Nr. 1. 10) A. G. O. I, 24, §. 143. Ein Mui.-R. vom 22. Fcbr. 1822 (Jahrb. Bd. XIX, S. 176) bestimmt die Alimente auf 5 Sgr. täglich.

11) Anh. §. 175. — R. vom 6. Mai 1805 (Rabe, VIII, S. 289); R. vom 12. Scptbr. 1812 (Jahrb. Bd. I, S. 252). 12) R. vom 31. Oktober 1831 (Jahrb. Bd. XXXVIII, S. 336). — R. vom 5. Juni 1840 (I. M. Bl. S. 215). Die Aerzte sollen aber ihre Atteste gehörig motivircn. 13) A. G. O. §. 146 a. a. O. — K. O. vom 5. Juli 1832 (G. S. S. 176). — R. vom 7. August 1837 (Jahrb. Bd. L, S. 118).

14) A. G. O. §. 146 a. E.

Zweite- Buch.

604

Ordentlicher Prozeß.

der Schuldner schon einmal ein Jahr lang fruchtlos verhaftet ge­ wesen ist15).

Wegen Wechselschulden kann der Schuldner

fünf

Jahre lang in Haft gehalten werden; im Uebrigen gelten hierbei dieselben Grundsätze wie bei dem Personalarrest

wegen anderer

Schulden, hinsichtlich der Berechnung, der Fortdauer und der Er­

neuerung wegen neuer Wechselschulden; doch gilt bei Wechselschulden das Besondere, daß neben der Exekution gegen die Person gleich­

zeitig die Exekution in das Vermögen des Schuldners zulässig ist*1 •).

§. 320. cc) Persönliche Leistungen.

Soll eine persönliche Leistung (Handlung) erzwungen werden, so hat der Berechtigte die Wahl zwischen drei Mitteln: er kann

persönlichen Zwang

gegen den Verpflichteten auf Leistung der

Handlung anwenden, oder die Handlung auf dessen Kosten durch

einen Dritten verrichten lassen, oder sein Interesse fordern; von der getroffenen Wahl kann er wieder abgehen.

Auf das Exeku­

tionsgesuch wird dem Verpflichteten die Leistung binnen einer zu

bestimmenden Frist von wenigstens 8 Tagen und höchstens 4 Wochen anbefohlen, wobei ihm die dem Berechtigten zustehenden Befug­

nisse bekannt gemacht werden; zu insinuiren').

I.

das Mandat ist vorschriftsmäßig

Der persönliche Zwang besteht in Personal­

arrest und ist auch gegen Beamte2)* und Militairpersonen2) an­ wendbar; er ist aber überhaupt nur zulässig, wenn die persönliche

Leistung von dem Willen des Verpflichteten abhängt 4).

II. Ver­

langt der Berechtigte die Leistung durch einen Dritten, so wird dazu eine geeignete Person angenommen und die erforderlichen 15) K. O. vom 5. Juli 1832 a. (5. 16) Gesetz vom 11. Mai 1839 (G. S. S. 173). Dadurch sind die Vor­ schriften der A. G. O. I, 24, §. 147 u. I, 27, §. 46, wonach der Wechselarrest nur in Folge der Verstattung zur cessio bonorum aufgehoben werden konnte, dagegen aber nicht beide ErekutionSmittcl angewendet werden durften, abge­ ändert. 1) V. I. vom 4. Marz 1834, §. 9. — G. vom 20. März 1854, §. 15 (G. S. S. 115). 2) R. vom 20. August 1835 (Jahrb. Bd. XLVI, S. 119). 28. Febr. 1836 (Ergänzungen zu I, 24, §§. 49—52, Nr. 5). § 17? N

— R. vom

4°m 12' December 1828 (Ergänzungen zu I, 24, §. 142);

Anh.

4) V. I. vom 4. März 1834, §. 11, Abs. 4 ; A. G. O. a. a. O. §. 52. — Ueber diese Wahrheit sind eine Anzahl Rescripte des I. M. ergangen. Statt Aller s. m. das R. vom 1. Mai 1840 (I. M. Bl. 1840, S. 171). - In diesem Punkte ist eine bedeutende Abweichung von dem R. R., welches einen solchen persönlichen Zwang nicht kennt.

ErekutionS - Instanz.

Kosten,

605

welche der Richter nach einem ungefähren Ueberfchlage

vorläufig bestimmt,

werden von dem

Verpflichteten,

nach

den

Grundsätzen über die Exekution wegen Zahlung einer Summe ). Diese

Bestimmung findet sich in der ältesten einheimischen Prozeßgesetz­ gebung wieder 11 l2)13und 14 15 ist 16 beibehalten 17 18 worden, so lange das Prozeß­

verfahren Interlokute kannte13).

Dadurch, daß der auf der Unter­

suchungsmaxime beruhende Carmersche Prozeß die Interlokute

aufhob, find nicht alle Zwischenurtel beseitigt, vielmehr kann und muß über Präjudicial-Fragen und gewisse Einreden vor Abfassung

des Endurtels noch jetzt erkannt werden und gegen diese Zwischen­ urtel findet die Appellation statt").

Dagegen ist gegen Dekrete,

welche

die Prozeßhandlungen vor­

den Prozeßgang regeln und

schreiben, namentlich gegen das Beweis-Resolut1 s), keine Appella­ tion, sondern nur die Beschwerde zulässig, welche keine Suspensiv­

kraft hat1 •). haft").

Die Vorzüglichkeit dieses Rekurssystems ist zweifel­

3. Ueber das beneficium novorum haben, vor Einfüh­

rung einer allgemeinen

Gerichts- und Prozeßordnung, in den

verschiedenen Landestheilen nicht gleiche Grundsätze gegolten. Wäh­

rend in der Mark Brandenburg die gemeinrechtliche Praxis, welche das beneficium begünstigte,

Vorbild war18),

wurde in andern

11) K. G. O. von 1555, II, 28, §. 6 u. II, 29, §. 2 u. 3; Concept II, 31, §. 14 u. II, 32, §§. 2 u. 3. — Not. Ordn, von 1512, IV, §. 1. 12) K. G. Reformat. von 1540: „Jmmaffcn von keinem Bey-Urtheil, eS habe denn wirkliche Kraft eines End-Urtheils, soll appclliret werden." Mül­ ler, Practica civilis Marchica, resol. 38, Nr. 15 u. Scheplitz, Cons. I, 217, §. 7. — Prenß. Landrecht, P. I, Bd. I, Tit. 44, Art. 3, §. 1. „Von einem Beyurtel gebührt sich nicht zu appclliren, noch zu aggravircn, sic wäre denn solcher Art und Wirkung, daß sie auch die Endurthcil und definitivem auf ihr trüge, und einem Endnrthcil gleich wäre, oder sonst eine solche Be­ schwerde und Gravamen inne hielt, dem hernach durch die Appellation von dem Endurtheil nicht mehr abgeholfen, noch wiederbracht und erholt werden möchte." 13) Cod. Frid. Th^ II, Tit. 18, §. 12 u. Tit. 20, §. 12; Th. III, Tit. 4,

8.32 u. Tit. 39, §. 3, Nr. 13. 14) A. G. O. I, 10, 88- 69 ff.; §. 81b. - B. vom 21. Juli 1846, 8- 5. — S. o. 8-176. Auch wenn bloß über de» Grund der Forderung erkannt wird, ist das Urtel auch weiter nichts al» ein Zwischenurtel.

15) A. G. O. a. a. O. 8 57. 16) B. vom 21. Juli 1846, §. 36. — S. o. 8 158. 17) M. Rechtsverfaffung, S. 9, u. o. §. 158. — Bergl. auch Bandel, Gutachten über die schickliche Vereinigung der Baierischen und Preuß. Prozeß­ ordnung, S. 30. 18) Auffallend ist es, daß ein brandenburgischer Schriftsteller, Schep­ litz, Consuetud. I, p. 115, Nr. 28, die Ansicht annimmt, daß die Appella­ tion nur das Unrecht »der den Irrthum des Richter» in der Recht-anwendung zu verbessern bezwecke, nicht aber die eigenen Versäumniffe der Partei in dem Gebrauche der Recht-gründe oder in der Beweisführung nachzuholen, wozu viel­ mehr die Supplikation diene. Danach hätte da- beneficium novorum ganz ausgeschlossen sein müssen. Doch scheint diese Ansicht niemals in die Gerichts­ präri- Eingang gefunden zu haben.

620

Zweites Buch.

Ordentlicher Prozeß.

Gegenden, nach dem Beispiele anderer Partikulargesetzgebungen1»), das beneficium als mit der Eventualmaxime und den damit in Verbindung stehenden peremtorischen Fristen unverträglich, abge­ schafft oder beschränkt24).

Eine Beschränkung enthielt auch die

erste allgemeine Prozeßordnung von 1748, indem sie in summariissimo das beneficium non dcducta deducendi für die zweite

Instanz versagte 2I) und überhaupt in der dritten oder RevisionsInstanz etwas Neues vorzubringen verbot22).

Die letztere Be­

schränkung (in summariissimo ist jetzt die Appellation ganz un­

zulässig) besteht im Wesentlichen noch heute: in der zweiten Instanz

ist das beneficium novorum in der größten Ausdehnung und nur mit der Maßgabe, daß kein anderes Klagefundament dargestellt

oder geltend gemacht werden darf, zugestanden22), in der dritten Instanz ist es sehr beschränkt und in den Fällen, wo es zugelassen ist, bewirkt es, daß der Richter dritter Instanz, wenn er die Nova erheblich findet, das Urtel der ftühern Instanzen aufhebt und die

Sache in diejenige Instanz, wo das Novum zuerst hätte berück­

sichtigt werden sollen, remittirt24).

Dagegen ist der durch Reichs­

gesetzgebung eingeführte Appellationseid schon lange ganz abge­

schafft24'). 4. Die dem Röm. Rechte unbekannte22) Beschränkung der Appellation nach Sachen und Summen ist mit der Zeit24)

19) Z. B. die Sächsische (Constit. XXI, p. 1; Kori, sächs. Prozeß, S. 291); u. die Baiersche (Cod. jud. bav. c. 15, §. 9).

bürgerl.

20) Z. B. in dem Lande Preußen. Landr. P. I, Bd. I, Art. 7, §. 3. „Jmgleichcn soll in der Appellations-Instanz von einem oder andern Theil, wenn dasselbe in der untern Instanz seine richtige Zeit zur Beibringung seiner Nothdurft gehabt, nichts neues oder mehreres verstattet, noch angenommen, noch der Schalt zu fernerem Libelliren auSgegeben werden; sondern der Richter bloß auf die eingekommenen Akta justifiziren; cd wäre denn, daß das Hofgericht aus erheblichen Ursachen, welche allewege specifice erprimiret werden sollen, ein anderes fände."

21) Cod. Frid. Th. IV, Tit. 3, §. 5 a. G. 22) — „weil supponirt wird, daß der Advokat die Sache in denen beiden vorigen Instanzen seiner Pflicht nach völlig werde instruirt haben." Th. III, Tit. 40, §. 6, u. Tit. 18, §.11.

23) A. G. O. Einleitung, §. 58; I, 14, §§. 11, 19, 49 ff. Anh. §. 123. Ist die Zurückhaltung der Nova bis zur zweiten Instanz nicht entschuldigt, so trägt der Appellant die Kosten der Appellations - Instanz, wenngleich er ein obfieglicheS Urtel erlangt. §. 60 a. a. O. u. I, 23, §. 7.

24) A. G. O. I, 15, §§. 8 ff. G. v. 20. März 1854, §. 3 (G. S. S. 115). Diese ReScisfion und Remission ist neu >»nd eigenthümlich.

24a) Cod. Frid. Th. III, Tit. 16, §. 4. - I. R. A. §. 118. 25) L. 20, 36 C. de appellat. (VII, 62). 26) Scheplitz, consuetud. Brand. L. 1, P. 2, p. 121 seqq. weiß davon noch nichts. Vergl. Müller, Practica, res. 32, n. 1—3. In Preu-

621

Instanz der Rechtsmittel.

gleichfalls in die einheimische Gesetzgebung ausgenommen worden.

Die Bestimmungen darüber haben ost schränkungen

gewechselt und die Be­

haben immer mehr zugenommen.

5.

(Appellation und Revision)

zweimaligen Berufung

Außer der

gab cs eine

Zeit lang kein Rechtsmittel; die erste allgemeine Prozeßordnung schaffte die bis dahin gebräuchliche Restitution gegen Kontumazial-

erkenntnisse ab2 ’),

und

weiteres Remedium,

gestattete über die drei Instanzen kein

auch nicht unter dem Prätext einer unheil­

baren Nullität: die dritte Sentenz, wenn sie auch zwei gleich­ lautende Urtel resormirte, sollte schlechterdings pro judicato gehal­ ten und es sollte nicht weiter gefragt werden, ob recht oder unrecht

geurtheilt worden2«):

eine Anordnung, welche dem durch Land­

tagsrezesse vertragsmäßig zugesicherten Rechte2") widersprach.

Die

Carmersche Prozeßordnung gestattete wieder die Ausführung der

Nullität eines nach dem Zeitablaufe rechtskräftigen Erkenntnisses aus

gewissen

Fällen2«).

Gründen,

und

auch

Diese Bestimmungen

die Restitution

sind in die

in gewissen

zweite Abfassung

derselben unverändert übertragen2') und die jüngste Gesetzgebung hat das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und Restitutions­

klage weiter entwickelt22).

§. 326.

II. Begriff und Arten der Rechtsmittel. I. Rechtsmittel im weitesten Sinne sind alle Mittel, durch ßen verbatet das Landrecht, P. I, B. I, Tit. 44, Art. 3, §. 6, „auch hinführo von ganz geringen Sachen," nämlich unter 30 Fl. xoln. (ä 5 Sgr.) zu appelliren. Die erste allgemeine Prozeßordnung von 1748, Th. 111, Tit. 39, §. 3 zählt eine große Anzahl nicht appellabler Sachen auf, darunter auch wenn die Sache nur 10 Thlr. oder weniger werth ist. Ueber die Ober-Appellation in Preußen: Landrecht P. I, B. 1, Tit. 53, Art. 4—8.

27) Cod. Frid. Th. III, Tit. 39, §. 3, Nr. 2. 28) Ebenda, Th. 11, Tit. 7, §. 8 u. Th. III, Tit. 40, §. 9. Die Prozeß­ ordnung für das Königreich Preußen kannte gleichfalls keine Nullitätsbeschwerde, sondern außer der Appellation a» das Ober-Äppcllationsgericht nur die Provo­ kation an den Landcsherrn um Aktenrcvifion. Landrecht a. a. O. Tit. 54.

29) Landtags-Rezeß v. 23 Juli 1653, §.20: „den gravatis aber wollen wir nicht alleine da» beneficium appellationis, sondern auch nullitatis gncdigst concediren" — „daferne Jemand sententiam ex capite nullitatis impugnircn wollte" u. s. w. — Ueber die Praxis: Müller, Practica, resol. 44, Nr. 15 et 16; Scheplitz, Consuetud. Brand. P. I, p. 116. 30) Corpus Juris Frid. Th. I, Tit. 16, §§. 2 u. 12 ff. 31) A. G. O. Th. I, Tit. 16. 32) B. vom 14. Deebr. 1833 (®. S. S. 302); Deklaration v. 6. April 1839 (G. S. S. 126).

622

Zweites Buch.

Ordentlicher Prozeß.

welche das Recht verwirklicht werden soll (§. 1); im engern Sinne versteht man darunter die Mittel,

welche eine Partei in einem

Verfahren anwendet, um eine sich selbst zugezogene oder ihr durch eine Handlung der Behörde als solcher zugefügte Rechtsverletzung

aufzuheben; im engsten Sinne sind es die Mittel, durch welche in einem Prozesse die aus einer Handlung des Richters folgende Rechtsverletzung abgewendet oder wieder gut gemacht werden soll. II. Je nach der Verschiedenheit der richterlichen Handlung, durch

welche eine Partei verletzt werden kann,

müssen auch die Arten

der Rechtsmittel dagegen verschieden sein.

Die beschwerende Hand­

lung verletzt entweder durch ihren Inhalt, oder durch ihre Form das Recht einer Partei.

Durch den Inhalt geschieht eS, wenn

einer Partei mit Unrecht eine Verpflichtung gegen die Andere auf­

gelegt oder Etwas zu- oder abgesprochen wird; durch die Form der Handlung geschieht es,

wenn die Handlung nicht nach der

Vorschrift vollführt ist und deswegen Nachtheile für eine Partei herbeiführen kann. Bei der ersten Art von Verletzungen muß das

Rechtsmittel von der Art sein, daß es gegen den Gegner gerichtet ist; bei der zweiten Art geht die Beschwerde gegen den Richter. In jenem Falle giebt das Gemeine Recht immer ein eigentliches

Rechtsmittel (remedium contra sententias); nicht so das Preuß.

Recht: dieses kennt solche Rechtsmittel nur gegen solche Entschei­

dungen (Decisiv-Dekrete), welche durch förmliche Urtel oder durch

solche Resolutionen, die zur Gattung der Urtel gehören (§. 140, II), getroffen werden; bei jeder andern Entscheidung sind einfache, gegen das Gericht gerichtete, Beschwerden nicht, allein hinreichend,

sondern auch nur zulässig*).

Von diesen und von den Nachthei-

*) Durch die Versagung eines eigentlichen Rechtsmittels gegen derartige Entscheidungen werden viele Rechtsverletzungen zugefügt. Eine oft wiederkehrende Verletzung wird durch die GrckutionSverfüaung begangen, besonders wenn es sich utft Beitreibung einer Summe handelt. Gewöhnlich ist in dem Urtel der Zah­ lungsort nicht bestimmt, die ErekutionSverfügung bestehlt aber in der Regel die kostenfreie Absendung an den GrekutionSsucher. Sehr oft ist dazu der Schuldner nicht verpflichtet; in sehr vielen Fällen muß der Gläubiger die Zah­ lung an dem Wohnorte des Schuldners empfangen. Erhebt auch der ÄrequenduS gegen eine solche Auflage Widerspruch, so kann er doch entweder gar keine oder keine rechtzeitige Hülfe erlangen; denn ehe noch darauf Bescheid von dem Gerichte ergehen kann, hat der Erekutor, wenn er fich nach der Vorschrift richtet, die unrechtmäßige Exekution schon vollstreckt: da» Verfahren ist in solchen Fällen tumultuarisch. In einer Sache war der Beklagte verurtheilt worden, dem Kläger einige Tausend Quart Milch zu geben. Diffe Forderung hatte fich ein Gläubiger des Kläger» im Wege der Erekution überweisen lassen und eS sollte, auf dessen Antrag, die Milch von dem ErequenduS beigetrieben und durch den ErekutionS - Kommissarin- in der nächsten Stadt verkauft werden. Der

Instanz der Rechtsmittel.

623

len, die daraus entstehen, daß sie wider die Natur des Rechtsver­

hältnisses gegen eine unrechte Person gerichtet werden, ist schon vorhin (§. 158) Rede gewesen.

Auf demselben Wege werden die

Beschwerden über die Art und Weise der richterlichen Handlung gehoben.

Die gebräuchlichen Arten der eigentlichen Rechtsmittel

sind: 1. die Appellation mit den beiden Specien,a) der Appella­

tion und b) der Revision; Specien:

a) dem Rekurse,

2. die Nichtigkeitsbeschwerde mit drei

b) der Nichtigkeitsbeschwerde,

c) der

Nullitätsklage; 3. die Restitution (restitutio in integrum) mit den

drei Specien: a) der Restitution gegen Kontumazialbescheide und Präklusionsurtel und b) der Restitutionsklage wegen neu aufge­

fundener Beweismittel,

c) Die dritte Species, die Restitutions­

klage ex capite minorennitatis ist für die Fälle, wo gegen ein verabsäumtes Fatale zur Einlegung der Appellation, der Revision,

des Rekurses und

der Nichtigkeitsbeschwerde in einem Prozesse

Restitution gesucht und erlangt werden konnte, abgeschafft und nur

noch in den Fällen, wo die Verletzung in etwas Anderem als in

Verabsäumung eines Fatale ihren Grund hat, namentlich wegen

anderer gesetzmäßiger oder vom Richter bestimmter Prozeßftisten, z. E. der Einführungs- und Rechtfertigungsfrist, oder der Beant­ wortungsfrist, unverändert geblieben**).

ErequenduS behauptete, es sei kein Grund zu erekutivischen Maßregeln, die Milch habe schon seit der Verurtheilung täglich in Empfang genommen werden können, und er bot sie auch dem Erekutions - KommissariuS an. Womit sollte Dieser eine so große Menge Milch in Empfang nehmen und wegschaffen? Er ersuchte das Gericht: den ErekutionSsucher anzuweisen, die erforderlichen Gefäße herbei­ zuschaffen. Darauf erging der wunderbare Bescheid, daß dazu der ErequenduS angehalten werden solle, wiewohl dieser dazu gar nicht schuldig, noch weniger dazu verurtheilt war. Der Gegenstand war von Belang; eS war dazu eine große Anzahl Fässer, die entweder neu oder so gründlich gereinigt sein mußten, daß die Milch nicht verderben konnte, erforderlich. Auch diese Sache nahm einen tumultuarischen Gang. S. o. S. 322, Note *. **) Deklaration vom 6. April 1839, Art. 13, Verb, mit §. 174, Tit. 14, Th. I des A. L. R.; Pr. des Ober-Tr. 2138, vom 28. August 1849. — Ob die Aushebung sich auch auf die kurze Frist von 10 Tagen zur Nachsuchung der Restitution gegen PräklufionS- und Kontumazialbescheide beziehe, ist streitig. Gründe für die Verneinung find, daß nur der Appellation, der Revifion, deS Rekurses und der Nichtigkeitsbeschwerde im Art. 13 gedacht werde und daß der angegebene Aufhebungsgrund, nämlich Verdoppelung der bis dahin üblichen Frist zur Einlegung dieser Rechtsmittel auf die restitutio in integrum gegen Kon­ tumazialbescheide nicht paffe, indem die 10 tägige ReftitutionSftift unverändert geblieben sei. M. s. jedoch Schles. Archiv, 23b. VI, S. 289 ff. Das Ob.-Tr. hat durch Pl.-Beschl. vom 19. Mai 1851 angenommen, daß durch Art. 13 die Restitutionsklage ex capite minorennitatis gegen einen durch Versäumung de­ in z§. 69 ff. Tit. 14 der Pr. O. gewährten Restitution-gesuchs rechtskräftig ge­ wordenen Kontumazialbescheid nicht aufgehoben ist. (I. M. Bl. S. 342).

Zweite- Buch. Ordentlicher Prozeß.

624

§. 327.

IH. Eintheilung der Rechtsmittel. I.

Nach der Kompetenz des Gerichts,

welche durch Ein­

legung eines Rechtsmittels begründet wird, theilt man die Rechts­ mittel in devolutive und in nicht devolutive.

Die devo­

lutiven Rechtsmittel enthalten die Anrufung eines Hähern Rich­

ters und bringen dadurch die ganze Sache vor sein Forum, was man die Devolutivkraft (effectus devolutivus) nennt. ein nicht devolutives

Rechtsmittel

Durch

wird die Thätigkeit des

vorigen Richters zur nochmaligen Prüfung und Entscheidung der

Sache angerufen.

II. Die Einlegung eines eigentlichen Rechts­

mittels macht die Entscheidung zweifelhaft und sollte daher deren

Vollstreckung in allen Fällen hindern, oder, wie man es nennt, die Exekution der Verfügung suspendiren. als Regel anerkannt').

Dies wird auch

Eine Zuwiderhandlung gegen die Wir­

kung der Suspensivkraft (effectus suspensivus) heißt in der Sprache des Gemeinen Rechts?) und der ältern Gesetzgebung5)

ein Attentat, auch Innovation, wofür dem Richter harte Stra­ fen angedroht sind.

Die heutige Prozeßgesetzgebung schweigt dar­

über, deshalb kommen die allgemeinen Grundsätze über Amtsver­

gehen zur Anwendung, und wenn der Richter^) oder die Partei gegen

den auf Anrufen der beschwerten Partei erlassenen Auf-

Hebungs- oder Einhaltsbefehl (mandatum attentatorum Inhibito­ rium , cassatorium) des Oberrichters Einwendungen macht, wird

das dadurch veranlaßte Jncidentverfahren durch Dekret entschieden. Von der Regel der Suspensivkraft gelten viele auf Billigkeit und

Nützlichkeit beruhende Ausnahmen, in welchen jedoch ein nur pro­ visorischer Zustand eintritt5).

Die provisorische Vollstreckbarkeit

sollte in der Klage gebeten und in der Entscheidung selbst ausge­ sprochen werden, nachdem die besonderen Prozeßarten, in welchen

1) A. G. O. I, 14, 5; I, 15, §. 1; und I, 16, §. 10. 2) L. un. pr. D. nihil innovari (XLIX, 7); L. 3 C. de appellat. (VII, 62); Nov. 134, c. 3 i. f. — Lancellot, de attentatis et innovatis lite et appellatione pendente. Francos. 1681. — R. K. G. O. von 1555, in, 31, §. 12. — I. R. A. §. 59. 3) Sehr ausführlich Pr. Landr. P. I, B. 1, Art. 46. — Kürzer Cod. Frid. Th. III, Tit. 4, z. 30. 4) Der Richter selbst konnte appelliren. c. 54 X. de testibus (II, 28). 5) A. G. O. I, 14, 88 6-9; I, 15, §. 1.

Instanz der Rechtsmittel.

625

dem Rechtsmittel die Suspensivkraft allgemein versagt war (Exe­ kutivprozeß und Wechselprozeß), untergegangen sind, dennoch aber die Vollstreckung in den Fällen, wo sie ftüher stattfand, gestattet

ist •). was

Denn ohnedieß wird der Besiegte insoweit ungehört exekutirt,

früher nicht vorkommen

konnte, indem er Einwendungen

gegen die Prozeßart vorbringen durfte, welche, wenn sie erheblich und begründet waren, die Abweisung der Klage in diesem Ver­ fahren zur Folge hatten.

Doch nimmt hierauf die Praxis nicht

Rücksicht; der Widerspruch hat das ungeregelte Beschwerdeverfah­ ren zur Folge.

Nach dieser Verschiedenheit der Wirkung eines

beschwerenden

Rechtsmittels hinsichtlich der Vollstreckbarkeit des

Erkenntnisses

sind die Rechtsmittel entweder suspensive

nicht suspensive.

oder

III. Nach einer weitern Eintheilung unter­

scheidet man ordentliche und außerordentliche Rechtsmittel.

Diese Eintheilung hat keinen praktischen Werth.

Gemeinrechtliche

Prozessualisten nennen ordentliche Rechtsmittel diejenigen, welche

vor Ablauf der den Eintritt der Rechtskraft einer Entscheidung bedingenden Zeit eingelegt werden und Suspensivkraft haben, wo­

hin denn die Appellation und Revision und die Beschwerde wegen

heilbarer Nichtigkeiten gerechnet werden; außerordentliche hin­

gegen solche, welche eine außerordentliche Verletzung voraussetzen, die ihren Grund in einer unheilbaren Nichtigkeit oder in Verhält­

nissen, welche eine nochmalige Prüfung und daher die Wiederauf­ hebung eines selbst den Akten entsprechenden Urtels rechtfertigen,

haben,

also die Beschwerde

wegen unheilbarer Nichtigkeit und

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, welche weder durch die der Zeit nach eingetretene Rechtskraft ausgeschlossen werden, noch

Suspensivkraft

haben').

selbe Eintheilung auf.

Einheimische Schriftsteller

führen die­

Ordentliche Rechtsmittel sollen dieje­

nigen sein, welche in den Rechtsstreitigkeiten über erhebliche Gegen­

stände allgemein zulässig und wohin namentlich zu rechnen seien:

a) die Restitution gegen Kontumazialbescheide und Präklusions­

urtel, b) die Appellation, c) die Revision; außerordentliche

6) V. vom 1. Juni 1833, §. 40; V. vom 21. Juli 1846, §. 1.

7) So unterscheidet und theilt ein z. B. Linde, Lehrbuch deö gemeinen deutschen Civilprozesses, §. 379; doch find die Meinungen über daS Einthctlunasprinzip und über die Kennzeichen der ordentlichen und der außerordentlichen Rechtsmittel verschieden. Andere, z. B. Mehlen, über die Appellation rc. §. 6, und Reinhardt, Handbuch des gemeinen deutschen ordentlichen Prozesses, II, SS* 232, 233, 362 und A. verstehen unter den ordentlichen Rechtsmitteln andere als Linde und A.

Koch, Civilprozcß. 2. Ausl.

40

626

Zweites Buch. Ordentlicher Prozeß.

hingegen sollen solche fein, welche da eintreten, wo jedes ordent­

liche aus einem in der Sache selbst liegenden Grunde ausgeschlossen sei und welche keinesweges die ordentlichen bloß ersetzten, sondern

vielmehr lediglich die Bestimmung hätten, gegen wirkliche Rechts­ verletzungen Schutz zu gewähren und ein Mittel zur Abhülfe noch da zu bieten, wo sonst die beeinträchtigte Partei eine unheilbare Kränkung erfahren würde.

Nach diesen Kennzeichen sollen als

außerordentliche Rechtsmittel gelten: a) der Rekurs, b) die

Nichtigkeitsbeschwerde, c) die Restitution wegen neu aufgefundener Beweismittel,

d) die

Nullitätsklage8).9 10Diese

Kennzeichen der

außerordentlichen Rechtsmittel sind jedoch keinesweges blos den so

eben genannten eigen, sie lasten sich auch bei den als ordentliche

bezeichneten Rechtsmitteln

antreffen8).

Der Rekurs

ist das in

allen Sachen einer gewissen Prozeßart, nämlich int Bagatellpro­

zesse, gebräuchliche Rechtsmittel. Gleichwohl soll der Rekurs zu den außerordentlichen Rechtsmitteln zu rechnen sein"). Der Mangel der Suspensivkraft ist gleichfalls

kein Kennzeichen der

außerordentlichen Rechtsmittel, denn auch die Appellation hat in

vielen Fällen diesen Mangel und das Ersorderniß eines rechts­ kräftigen Erkenntnisses bei der Nichtigkeitsbeschwerde und dem Re­

kurse ist nur nominell.

Aber eine Voraussetzung giebt es, welche

nur einigen Rechtsmitteln eigenthümlich ist, d. i. eine Entscheidung,

welche dem Zeitablaufe nach, oder weil eine höhere Instanz

fehlt, rechtskräftig ist.

Findet man das außerordentliche darin, daß

ein Rechtsmittel noch nach Eintritt der äußern Bedingungen der Rechtskraft (Ablauf der Frist oder Mangel einer weitern Instanz) gegen eine Entscheidung zulässig ist und daß dasselbe nicht durch Anrufung eines Stufengerichts, also nicht im gewöhnlichen Jn-

stanzenzuge in demselben Prozesse, gebraucht werden kann, was allerdings außerordentlich ist: so giebt es im Preuß. Rechte keine andern außerordentlichen Rechtsmittel als: a) die Nullitäts-

8) So charakterißrt und theilt ein: Höppe (Geh. Ober-Tribunals-Rath) die Rechtsmittel der Revision und der Nichtigkeitsbeschwerde des Preuß. Pro­ zesses (Berlin 1847), S. 10. Die Restitutionsklage ex capite minorennitatis übergeht derselbe stillschweigend. 9) Gegen wirkliche Rechtsverletzungen Schutz zu gewähren ist auch die Bestimmung der s. g. ordentlichen Rechtsmittel; desgleichen sollen diese gleich­ falls em Mittel zur Abhülfe bieten, wo sonst die beeinträchtigte Partei eine un­ heilbare Kränkung erfahren würde. Darin ist also zwischen beiden Gattungen fern unterscheidendes Kennzeichen.

10) Höppe a. a. O.

Instanz bet Rechtsmittel.

Allgem. Grunds, bei den eigentlichen RechtSmitt.

627

klaget); b) die Restitutionsklage ex capite minorennitatis*2);

und c) die Restitutionsklage wegen neu aufgefundener Beweise1 ’)•

Alle übrigen Rechtsmittel sind ordentliche: sie sind an ein Fatale gebunden und können nur im geordneten Jnstanzenzuge in eben­

demselben Prozesse angewendet werden; aber Zwei derselben, nämlich der Rekurs und die Nichtigkeitsbeschwerde, sind subsidia­ rische Rechtsmittel oder solche, welche im Falle des Mangels der zur Appellation und beziehlich Revision erforderlichen Summe oder

Beschaffenheit der Sache eine nochmalige Prüfung des Richter­ spruchs bei einem höhern Richter vermitteln; sie sind also wirk­ liche Surrogate des gewöhnlichen") Rechtsmittels, von welchem

daß bei der Prüfung nur auf die

sie sich darin unterscheiden,

Rechtsfindung und Rechtsanwendung nach Lage der Akten gese­

hen wird und das beneficiurn novorum unbedingt ausgeschlos­ sen ist.

Erste« Abschuitt. Allgemeine

Grundsätze

bei

den eigentlichen Rechts­

mitteln.

I. Gemeinsame Erfordernisse. 1. Richterliche Entscheidung.

§. 328.

a) Erfordernisse derselben znm Gebrauch eines Rechtsmittels. Jedes eigentliche Rechtmittel setzt 1. eine schon vorhandene

richterliche Verfügung voraus;

gegen

ein künftiges Urtel findet

keine Berufung (s. g. blindes Rechtsmittel) statt'), d. h. es ist

keiner Partei gestattet, deshalb, weil sie ein ungünstiges Urtel er­ warten zu müssen glaubt, durch Berufung die Sache an einen höhern Richter zu bringen, oder gegen ein noch nicht publicirtes

Urtel für den Fall, daß es ihr ungünstig sein sollte, im Voraus 11) A. G. O. I, 16, §. 2. So lange noch ein anderes Mittel oder eine weitere Instanz zulässig ist, findet die Nullitätsklage nicht Statt. §.11 a. a. O. 12) Ebenda, §. 12 ff.

13) Ebenda, §. 17 ff. 14) In diesem Sinne nennt die V. v. 14. December 1833, §. 4 die Ap­ pellation und Revision ordentliche Rechtsmittel im Gegensatze zur Nichtig­ keitsbeschwerde.

1) C. 2, 18 X de appellat. (II, 28); dem. 3 eod. (II, 12). 40*

3e»dttf Bach.

628

Ordentlicher Prozeß.

mit rechlicher Wirkung zu appelliren1 •). 23

2. Die richterliche Ver­

fügung muß eine entscheidende, ein Urtel sein, oder zur Gattung der Urtel gehören').

3. Die Entscheidung muß bedingt oder un­

bedingt in dem sogenannten Tenor (verbis decisivis) ein Recht zu- oder absprechen, eine Verbindlichkeit auflegen oder einen An­

spruch abweisen; gegen Aussprüche, welche in den Entscheidungs­

gründen vorkommen, findet kein Rechtsmittel statt, weil sie nicht rechtskräftig werden'), selbst wenn sie im Tenor vorkommen oder sonst mit den entscheidenden Worten vermischt fbib4).5 6 Uebergehun-

gen begründen in der Regel kein eigentliches Rechtsmittel, eine Ausnahme macht die Uebergehung von Zinsen, Prozehschäden und

Kosten, welche für Aberkennung gilt (§. 140 a. E). Auch gegen die Verweisung

ad separatem

die

ist

Appellation zulässig').

4. Die Entscheidung muß deutlich und bestimmt sein'), auch in dem beschwerenden Punkte nicht in bloßen Schreibfehlern beruhen.

§. 329. b) Mittel gegen unvollständige und dunkle Entscheidungen.

Ist nicht über alle Anträge der Parteien erkannt, oder ist die Entscheidung unbestimmt, dunkel oder fehlerhaft in Ausdrücken:

so ist der Fall eines eigentlichen Rechtsmittes nicht vorhanden, vielmehr hat der Richter auf Verlangen einer Partei in dem ersten

Falle eine Ergänzung und in dem andern Falle eine Erklärung (Deklaration)

seines

Erkenntnisses

zu liefern (§. 140 a.

E.).

I. Verlangt eine Partei die Ergänzung des Erkenntnisses, so hat

er den mündlich zu Protokoll oder in einer formlosen, von der Partei ohne Legalisirung eines Rechtsanwalts zu unterzeichnenden,

Eingabe anzubringenden, Antrag zu prüfen, und wenn er ihn

begründet findet, die Parteien in die öffentliche Gerichtssitzung zu

la) Auch im Subh. S. ist eine vor Publ. des Erk. geschehene Anmeldung des Rechtsmittel« nicht zu berücksichtigen. Präj. 1935, v. 12. Novbr. 47, auch ang. e. III S. am 49 in der Sache Holz c. Pinnow IH, 49. 2) A. @. O. Einleitung, §. 56.

3) Ebenda, 1, 13 $. 38. Doch aber muß daraus Sinn und Bedeutung des Tenor« bestimmt werden, wenn dieser dunkel ist. Pr. des Ob.-Tr. 2080, vom 16. Oktober 1848. 4) Wie z. B. in der Entscheidung „daß das Testament al« ein nicht gerichtlich es für nichtig zu erklären". — Mevius, Decis. P. III, dec. 308, n. 5. — Boehmer, Respons. Tom. II, P. 1, resp. 454, n. 4; re«p. 646, n. 53; P. 2, re«p. 859. 5) A. @. O. I, 14, S. 2; Pr. de« Ob.-Tr. 1613, v. 15. Septbr. 1845.

6) A. ®. O. I, 13, $. 42; I, 14, $. 1.

Instanz der Rechtsmittel. Allgem. Grunds, bei den eigentlichen RechtSmitt.

629

einem Audienztermine, Behufs mündlicher Verhandlung und Ent­

scheidung des übergangenen Punktes, vorzuladen.

Dafür müssen

die Kosten außer Ansatz bleiben und hinsichtlich der außergericht­ lichen Kosten gilt die schon getroffene Entscheidung, unbeschadet der Rechte des betroffenen Theils gegen den Richter.

Wenngleich

dieses Nachtragsurtel als ein Bestandtheil des ersten unvollständi­

gen Urtels anzusehen ist, so muß die Partei doch in Ansehung

der in diesem schon entschiedenen Punkte rechtzeitig das geeignete Rechtsmittel einlegen'); sie kann damit nicht bis zur Ergänzung

warten, es wäre denn, daß der beschwerende Punkt selbst der Er­ gänzung bedürfte.

II. Scheint in dem Urtel irgend ein Irrthum

in Worten, Namen oder Zahlen vorgefallen, oder Etwas darin dunkel und zweideutig ausgedrückt zu sein, so muß eine Deklara­

tion desselben nachgesucht werden.

1. Ist es ein Urtel erster In­

stanz, so muß die Partei, welche die Deklaration nachsuchen will, mündlich zu Protokoll oder in einer formlosen Schrift den be­ merkten

Anstand

mit Bescheidenheit

anzeigen.

Eine

besondere

Frist ist dafür nicht vorgeschrieben1 2), die Bitte um Erklärung muß jedoch so zeitig eingereicht werden, daß darüber nicht das Fatale

abläuft, vielmehr noch Zeit zur Einlegung der Appellation übrig ist, da nach einer Meinung das Deklarationsgesuch den Eintritt der Rechtskraft nicht hindert.

Das Gesuch wird bei Kollegien

unter den Memoralien, im Beisein des

Urtelsfassers,

von dem

Decernenten vorgetragen und nach befundener Richtigkeit der An­ zeige wird der vorgefallene Irrthum durch eine Registratur, welche sowohl auf dem Originale als auf den einzufordernden Ausferti­

gungen des Erkenntnisses vermerkt und gehörig vollzogen wird,

abgeändert.

Ist die Deklaration eines dunkeln oder mehrdeutigen

Ausdrucks erforderlich, so geschieht solche durch eine, beiden Theilen

zu insinuirende,

schriftliche Resolution; wird das Gesuch unstatt­

haft befunden, so wird der Antragsteller durch eine den Anwesen-

1) In diesem Falle muß, wen» später auch gegen den ergänzten Punkt Rechtsmittel gebraucht werden, entweder Verlängerung der Einführung«- und Rechtfertigungsfrist nachgesucht und erlangt werden (V. vom 21. Juli 1846, §. 17), oder das Verfahren muß sich, spalten bi« dahin, wo der höhere Richter dasselbe wieder vereinigt, was am füglichsten dadurch geschieht, daß die zweite Einführung«- und Rechtfertigungsschrift abgewartet wird, ehe auf die Erste Ver­ fügung ergeht. 2) Nach altem Rechte sollt« die Deklaration intra decendium nachge­ sucht werden. Scheplitz, L. 1, P. 2, Tit. 8, §. 2. - Cod. Frid. III,

Tit. 38, §. 1.

Zweite- Buch.

630

Ordentlicher Prozeß.

den bloß vorzuzeigende Resolution befdnebeit$).

2. Mit der De­

klaration eines Appellationserkenntnisses, gegen welches die Revision

zulässig ist, wird es ebenso gehalten«).

3. Deklarationsgesuche

gegen Revisionserkenntnisse und gegen nicht revisible Appellations­

erkenntnisse müssen innerhalb vier Wochen nach Behändigung des Urtels bei dem Gerichte, welches in der ersten Instanz instruirt oder erkannt hat»), mündlich oder schriftlich angebracht werden;

die Legalisirung des Schriftsatzes ist nicht erforderlich.

Das Ge­

richt erster Instanz muß das Deklarationsgesuch mit dem angeb­

lich dunklen Erkenntnisse sorgfältig vergleichen und wenn es das

Gesuch offenbar unstatthaft (notorie frivolum,) oder auf Vereite­ lung oder Verdrehung des Erkenntnisses abzielend (eversionem

sententiae inferens) findet, den Imploranten unter Bescheidung

über den Ungrund

seines Antrages

per

decretum

abweisen»).

Findet aber das Gericht die Sache irgend zweifelhaft, so hat es

die Parteien oder deren Bevollmächtigte, den Jmploraten unter Zufertigung einer Abschrift des Gesuchs, zu einem kurzen Termine vorzuladen, über das Deklarationsgesuch näher zum Protokoll zu vernehmen und die Akten mit diesein Protokolle und den von den

Parteien einzufordernden Urtelsausfertigungen, zur Entscheidung über die nachgesuchte Deklaration anderweitig einzusenden ’).

Blei­

ben die Parteien aus, so sind die Akten wie sie liegen einzusenden,

welches den Parteien in der Vorladung anzudrohen ist; bleibt nur der eine Theil aus, so wird die Auslastung des Erschienenen

mitgesandt.

Die eingekommenen Akten werden nicht,

wie ehe­

mals»), wieder zum Spruch vorgelegt, sondern die Sache wird

im Spruchkollegium als Memorialienvortrag behandelt und nach be­ fundener Richtigkeit der Angabe die Deklaration durch eine Reso­

lution ertheilt, und diese auf den Urtelsexemplaren ausgefertigt; entgegengesetzten Falls wird das Gesuch durch eine bloße Resolution

zurückgewiesen •).

III. Mit dem Deklarationsgesuche kann zugleich

3) A. G. O. I, 14, §. 1.

4) Ebenda, §. 67. 5) Ebenda, I, 15, §. 26; V. v. 21. Juli 1846, §§. 15, 30. 6) A. G. O. a. a. O. §."27. - Vcrgl. Cod. Frid. a. a. O. §. 4. 7) A. G. O. a. a. O. §. 28. Diese- auf der Marime der A. G. O. beruhende Verfahren paßt nicht zu dem heutigen Prozeßrechte: e- sollte da- Deklarationsgesuch dem Gegentheil zur Beantwortung binnen einer bestimmten Frist zugefertigt werden, wie vor der A. G. O. geschah. Cod. Frid. a. a. O. §. 7. 8) Cod. Frid. a. a. O. 9) Hoppe, die Rechtsmittel, §. 72 a. G.

Instanz der Rechtsmittel. Allgem. Grunds, bei den eigentlichen RechtSmitt.

631

die eventuelle Einwendung des etwa zulässigen Rechtsmittels ver­ bunden werden >°), um jedenfalls vor dem Eintritte der Rechts­

kraft durch Ablauf des Fatale gesichert zu sein.

Gegen die De­

klaration ist die Nichtigkeitsbeschwerde in sofern zulässig, als sie

gegen

das

deklarirte

selbst

Urtel

stattgefunden

haben

würde,

wenn dieses die Worte der Deklaration enthielte"). §. 330. 2.

Bestimmte Beschwerden.

Sowenig der Richter erster Instanz von Amtswegen und ohne

Klage einen Prozeß einleiten kann, gleichwenig kann ein höherer Richter ohne Anrufung eines Betheiligten das Verfahren Behufs Prüfung einer richterlichen Entscheidung zum Zwecke einer Abän­ derung einleiten').

Deshalb muß die sich verletzt haltende Partei

ausdrücklich erklären, warum oder inwiefern sie sich durch die Ent­

scheidung für verletzt hält.

Soweit sie dies durch bestimmte Be­

schwerden vor Ablauf der angeordneten Frist nicht thut, tritt die

angegriffene Entscheidung in Rechtskraft2*)1 3 und 4 kann in Exekution gesetzt werden2).

Nicht erforderlich aber ist die Bezeichnung des

Weges, auf welchem die beschwerte Partei die wiederholte Prüftrng durch einen höhern Richter einleiten wolle, vielmehr genügt zu dieser

Einleitung

die

an

keine

Form

gebundene

Anmeldung

(§. 334); es ist auch gleichgültig, mit welchem Namen sie dabei

das Rechtsmittel bezeichnet'').

Auf diese Anzeige wird das Ver­

fahren durch die Thätigkeit des Richters erster Instanz eröffnet. In dem neuen Verfahren

wird der sich für beschwert haltende

Theil als Kläger behandelt5); beschweren sich beide Theile, so hat

jeder die Eigenschaft eines Klägers und Beklagten zugleich.

§. 331. 3.

Befugniß zur Beschwerdeführung.

Die Befugniß zur Einlegung eines Rechtsmittels steht nicht

10) tzergl. Cod. Frid. a. a. O. §. 6. Die neuere Gesetzgebung hebt die­ se» unstreitigen Satz des frühern Rechts nicht auf. 11) Pr. des Ob.-Tr. 313, v. 4. August 1837. 1) A. G. O. Einl. §. 56; I, 14, §§. 2, 28. 2) V. v. 21. Juli 1846, §. 17. — L. 17 D. de appellat. (XLIX, 1). 3) A. G. O. I, 14, §. 10. — Müller, Practica March, resol. 41, n. 12. 4) V. v. 21. Juli 1846, §. 16; G. v. 20. Marz 1854, §. 7. (G. S. S. 45.) Anders nach gemeinem Prozesse. 5) L. 29 v. de judiciis (V, 1); L. 3, §. 3 D. de appell. (XLIX, 1).

632

Buch. Ordentlich« Prozeß.

allein den in erster Instanz

als

streitende Theile aufgetretenen

Personen, sondern auch jedem Dritten zu, welcher eine justa causa

dazu hat'), d. h. ein Interesse, welches entweder darin bemhet,

daß das ungünstige Urtel die Rechte deS Dritten, wenn auch nur thatsächlich, verletzen oder dessen Lage erschweren würde»), oder

darin zu finden ist, daß der Dritte wegen des nachtheiligen Aus­ ganges des Prozesses der beschwerten Partei verhaftet ist *).

Daß

der Dritte an den Verhandlungen der ersten Instanz nicht Theil

genommen hat und auch in dem Urtel in irgend einer prozessuali­ schen Eigenschaft nicht genannt wird, hindert ihn nicht an dem

Gebrauche des Rechtsmittels, nur muß er die Sache in der Lage nehmen, worin sie sich befindet, und er muß sein Interesse dar­ legen und einigermaßen bescheinigen»).

Meinungsverschiedenheit

ist unter den gemeinrechtlichen Prozessualisten darüber: von wo daS Fatale für den Dritten zu laufen anfange, indem Einige den

Tag der Publikation, Andere den Tag der erlangten Wissenschaft zum Anfangspunkt nehmen»).

Danach läßt sich im Preuß. Pro­

zesse die Frage nicht beantworten, weil nur der Tag der Zustel­ lung des Erkenntnisses an die Partei den Lauf des Fatale anhebt,

und dritten Personen das Erkenntniß nicht insinuirt wird.

Das

Fatale muß aber auch für den selbstständig appellirenden Ditten von dem Tage anfangen, von welchem es für die Partei läuft,

in deren Stelle er auftritt; denn in Civilprozessen kann es nicht

vorkommen, daß ein Dritter ausschließlich sein Sonderrecht gegen

beide Theile geltend macht »), er kann immer nur sich an die eine 1) «. ®. O. I, 14, z 15. - L. 6, pr.; L. 4, $$. 2, 3. D. eodem. — Linde über die Intervention in der Instanz der Rechtsmittel; in der Zeitschrift str Eivilrecht und Prozeß, Dd. V, S. 417 ff.

2) Deshalb können z. B. einzelne Konkursgläubiger,- wenn der Kontradiktor die Appellation gegen eine Post unterläßt, selbstständig appellireu. A. G. O. I, 50, $. 172. Desgleichen Legatarien gegen Urtel, welche in Prozessen zwischen dem Erben und Dritten wegen Ansprüche an die Masse ergangen find, A. L. R. I, 12, S-M; u. Bürgen, ebenda I, 14, 8. 315. - Der/ L. 4 $. 3, L. 5 pr. D. eodem. — C. 17 X. de sent. (II, 27).

3) Wie bei der EvictionSleistung. A. G. O. I, 17, $. 32; I, 18, $. 10. — L. 63, $. 1 u. 2 D. de evict. (XXI, 2); L. 50, $. 1 D. de fegatis I. 4) 91. G.O. I, 18, SS. 9, 10. — Gail, Obs. L. 1, obs. 70, n. 4 et 15. — Müller, Practica March, resol. 41, n. 17. seqq.

5) Für die zweite Meinung erklärt fich der Brandenburgische Praktiker Müller, 1. c. n. 19 u. 20; der Cod. Frid. Th. III, Tit. 4, $. 22 hat aber dir erstere angenommen. 6) Deshalb kann z. B. der Cesfionar eines Meistbietenden, wenn die SubhaftattonS-Jntereffenten die Cesfion nicht genehmigen, die Nichtigkeitsbeschwerde darüber, daß dem Cedenten und nicht ihm der Zuschlag ertheilt worden, nicht einlege». Präjud. dS Ob.-Tr., Nr. 1013, vom 21. Ma? 1841.

Instanz der Rechtsmittel.

Sllgem. Grunds, bet dm eigmtlichen Recht-mitt.

633

Partei anschließen oder deren Rolle übernehmen (accessorisch inter-

veniren).

Hat ein Litisdenunciat schon an den Verhandlungen

erster Instanz Theil genommen und ist ihm deshalb das erste

Urtel insinuirt worden, so läuft für ihn das Fatale zur selbststän­ digen Einlegung des Rechtsmittels (von der Adhäsion ist nicht

die Rede) von dem Tage der ihm geschehenen Insinuation und die Frist bestimmt sich nach der Person des Litisdenuncianten *), wenn diesem die längere Frist zukommt; sonst aber, wenn er selbst zu den Privilegirten gehört, wie z. B. der Fiskus, kommt ihm die ihm gebührende Frist zu statten, wenn auch die Hauptpartei nur die

gewöhnliche Frist hat7 8).9 Die Praxis hat den Satz angenommen,

daß, wenn Litisdenunciation oder Adcitation stattgefunden hat, der

Litisdenunciat oder Adcitat nur alsdann gegen ein, in der Haupt­

sache ergangenes Urtheil

ein

weiteres Rechtsmittel selbstständig

einwenden könne, wenn er dem Litisdenuncianten oder Adcitantrn Beistand geleistet hat; auch nur alsdann in zweiter Instanz noch

zugelaffen werden könne, wenn der Rechtsstreit zwischen den Haupt­

parteien noch fortdauert*). §.

4.

332.

Beobachtung der Förmlichkeiten.

Für jedes Rechtsmittel sind gewisse Förmlichkeiten und Fristen vorgeschrieben, wovon bei den einzelnen Rechtsmitteln das Nähere zu finden.

Die Beobachtung derselben ist Bedingung der Zulas­

sung oder Wirksamkeit der Beschwerdeführung bei allen Rechts­ mitteln.

n. Verfahren. A. Lin Allgemeinen. §.

1.

333.

Einleitung.

DaS heutige Prozeßrecht ist dem Gemeinen Prozesse wieder

darin näher gebracht, daß sich gewisse Perioden und in jeder Pe7) PrLj. 890 vom 10. Juli 1840. 8) War zweifelhaft und 1842 festgestellt. 9) Pr. des Ob.-Tr. 1077, 18. December 1849 (Eutsch. $. 32 a. E. Ist zweifelhaft.

ist durch Pl. D. Cßr. 1221) vom 5. December vom 29. November 1841 und Erk. des Ob.-Tr. vom Bd. XIX^. 436). Bergl. A. G. O. 1, 17, S. o. Anm. 2.

634

Zweit« Buch.

Ordentlicher Prozeß.

riode bestimmte Handlungen in dem Verfahren der Rechtsmittel unterscheiden lassen').

DaS Verfahren der Rechtsmittel ist dem

in erster Instanz analog.

Der Klageanmeldung und der Klage­

schrift entspricht die Einlegung des Rechtsmittels (interpositio

remedii) und die Rechtfertigung (justificatio).

Weil bei den

devolutiven Rechtsmitteln das Stufengericht thättg werden muß, so kommt noch eine dritte Parteihandlung, die Einführung

(introductio remedii) vor, d. i. die förmliche Anrufung des hö­ her» Richteramts.

Diese Handlungen zusammen sind in der In­

stanz der Rechtsmittel eben das, was in erster Instanz das Jnformationsverfahren von der Klageanmeldung bis zur Einreichung einer vollständigen Klageschrift.

Gleichwie nicht auf jede Klage

unbedingt das Verfahren eröffnet wird, solches vielmehr von der Prüfung und dabei befundenen Zulässigkeit der Klage abhängig

ist, so prüft auch der höhere Richter die Rechtfertigung des Rechts­ mittels und beschließt entweder die Zurückweisung per decretum,

oder die Zulassung").

Mit der Zulassung beginnt das weitere

Verfahren, welches ordentlicherweise mit einem nach der Instanz

benannten Erkenntnisse über die Abänderung oder die Aufrechterhaltung des vorigen Urtels, und mit der Remission der Akten

endet.

Die in beiden Perioden vorkommenden Handlungen wer­

den zum Theil vor dem beschwerenden Richter (judex ad quo), zum Theil vor dem angerufenen Richter (judex a quem) voll­

zogen. §. 334.

2.

Anmeldung des Rechtsmittels und Verfügung

darauf.

I. Die Anmeldung oder Einwendung eines Rechtsmittels be­ steht in der bei dem ersten Richter abzugebenden Erklärung, daß

der Anmeldende sich über die ergangene Entscheidung beschwere; ein Anttag ist nicht erforderlich *).

Enthält sie mehr, giebt sie

z. B. bestimmte Beschwerden an, so hindert dies die Angabe noch anderer in der Rechtfertigungsschrift nicht''). Sie kann mündlich (viva voce), oder schriftlich geschehen, darf aber nicht mit der ♦) Nach der A. G. O. I, 14, §.21 fiel Anmeldung, Einführung und Recht­ fertigung in einen Akt zusammen. ♦♦) V. v. 21. Juli 1846, §. 20.

1) V. v. 21. Juli 1846, §. 16.

la) Präj. des Ob.-Tr.. Nr. 1850 (PI. Beschl.) vom 15. März 1847 (Entscheid. XIV, 455).

Instanz der Rechtsmittel. Allgem. Grunds, bei den eigentliche» Rechtsmitt. Rechtfertigung kumulirt

hat gewechselt.

werden").

635

Der modus interponendi

Im ältesten Rechte ist der gemeinrechtliche Ge­

brauch, daß mündlich ad acta sogleich nach Publikation des Urtels (stante pede, unverwandten Fußes) ?), später aber mittelst einer

dem Richter zu

behändigenden Schrift (schedula appellationis

libelli appellatorii) appellirt werden mußte, üblich, wogegen die

reichsgesetzlich gestattete Befugnis, die Appellation auch vor Notar

und Zeugen einzulegen'), nur wenn nicht copia judicis vorhan­

den, was von Obergerichten niemals angenommen wurde, zuge­ lassen war4* ).25 36 7Die 8 erste

Appellation viva

voce

allgemeine Prozeßordnung et stante pede in judicio,

coram notario et testibus

sowie die

ab und schrieb die schriftliche Ein­ sah es für eine

legung vor'). Die Carmer'sche Prozeßordnung genügende

schaffte die

Appellationsanmeldung

an,

sobald

eine

Partei

auf

irgend eine Art zu erkennen gab, daß sie sich bei dem Urtel nicht

beruhigen

wolle4).

Das

heutige Recht

mündliche oder schriftliche Erklärung.

gestattet

eine formlose

Mündlich kann sie vor dem

Richter oder dessen Aktuarius (Supplikantenvernehmer) nach der

Insinuation des Urtels zu Protokoll gegeben, aber nicht unmittel­ bar nach der Publikation des Urtels in der öffentlichen Gerichts­

sitzung

(viva voce et stante

pede)

mit Erfolg

ausgesprochen

werden'), weil die mündliche Rede dazu nicht genügt, vielmehr ein schriftlicher Akt (Protokoll) darüber erforderlich, zu dessen Auf­

nahme das erkennende Gericht nicht bestimmt ist; schriftlich kann sie in einer von der Partei ohne Zuziehung eines Rechtsanwalts

unterschriebenen Eingabe eingereicht werden4).

Wer nicht schreiben

kann, muß sich mündlich zu Protokoll erklären.

II. Die Verfügung

des Richters auf die Anmeldung ist nach den Prozeßarten ver-

lb) Pr. 1947 (Plenarbeschluß) desselben vom 6. December 1847 (I. M. Bl. 1848, Nr. 3). 2) L. 2, L. 5, §. 5 D. de appellat. (XLIX, 1); L. 6, §. 5, L. 12 C. eod. (VH, 62). 3) K. G. O. v. 1555, Th. III, Tit. 29, §. 5; Notar. Ordn. Tit II, §. 1. — Kuenhold, deusu appellat. coram notario et testibusfacta. Lips. 1721. 4) Müller, Practica civ. Marchica, res. 36. — Pr. Landr. P. 1, B. 1. Art. 44, §. 6. 5) Cod. Frid. Th. III, Tit. 4, §. 20. 6) A. G. O. I, 14, §. 28. 7) Das kommt öfter vor, wenn die unterliegende Partei leidenschaftlich ist. 8) V. v. 21. Juli 1846, §. 16. Die geeignete Anmeldung noch vor der Insinuation der Ausfertigung ist wirksam; die Fristen laufen aber erst von der Insinuation an. Pr. 1935, oben in der Anm. la zu §. 328.

3»ritrt Buch. OrdentUcher Prozeß.

636

schieden, worüber weiterhin das Nähere: in jedem Falle aber sen­ det er die Akten unaufgefordert ein*), s. g. Compulsoriales giebt eS mithin in der Regel nicht, außer wenn das Untergericht säumig ist (§. 336), oder das Rechtsmittel zurückgewiesen hat (§. 339 a. E). 3.

Einführung und Rechtfertigung. §. 335.

a) Begriff, Erfordernisse, Form und Abfassung.

I. Einführung eines Rechtsmittels heißt die Anzeige der Partei an den höhern Richter, daß und warum sie ein Rechts­ mittel eingelegt habe. Andere Merkmale gehören nicht zum Be­ griffe; daß sie rechtzeitig und bei dem zuständigen Oberrichter ein­ gereicht werde, sind Erfordernisse. Gemeinrechtlich ist sie eine be­ sondere Parteihandlung und geht der Rechtfertigung voran, weil die Einführungsfrist zur zweckmäßigen Vorbereitung für die Rechtferttgung gewöhnlich zu kurz ist, die Rechtfertigungsfrist von dem Richter bestimmt wird und diese Fristbestimmung erst erfolgt, wenn der Oberrichter das Rechtsmittel zuläßt. Deshalb muß die Ein­ führungsschrift das zur Prüfung der Zulässigkeit Erforderliche ent­ halten, namentlich den Nachweis der Beschwerde, weshalb die Beschwerde anzugeben und das Urtel beizulegen war *); sowie den Nachweis der rechtzeitigen Einlegung des Rechtsmittels und der rechtzeitigen Einführung, weshalb die Verfügung des ersten Richters auf die Einlegung, durch welche die Einlegung gestattet und zu­

gleich die Einführungsftist bestimmt wird (Apostel, apostoli, literae dimissoriae)*1),2 3beizufügen ist; und die Bitte aussprechen, das Rechtsmittel für gehörig angebracht (für devolvirt, an das ange­ rufene Gericht erwachsen) zu erkennen und eine Rechtfertigungsftist zu bestimmen. Das Alles ist nach Preuß. Rechte nicht erfor­ derlich, weil die Prüfung der Zulässigkeit bis nach Eingang der Rechtfertigungsschrift ausgesetzt bleibt und die Frist zur Einführung und Rechtfertigung des Rechtsmittels durch das Gesetz bestimmt ist*). Darum ist die Einführung von der Rechtferttgung nicht getrennt **). Zwar wäre es keine Nichtigkeit, wenn eine besondere 9) @6ent«, $. 16, Abs. 2. 1) L. 18, 19 C. de appellat. (VII, 62). 2) Tit. D. de libelli« dimissorii« qui apostoli dicuntur (XLIX, 6); L. 24, 32, $. 2 C. de appellat. (VII, 62)1 Nov. 126, c. 3. 3) B. ». 21. IM 1846, $. 17. 3a) Auch nach Otmrintm Recht ist die Verbindung der Rechtfertigung mit der Einführung nicht verboten.

Instanz der Rechtsmittel.

Allgem. Grunds, bei den eigentlichen Rechtsmitt.

637

Einführungsschrift, d. h. die Anzeige, daß und warum gegen die ergangene, näher zu bezeichnende Entscheidung ein Rechtsmittel

eingewendet worden sei,

an den Oberrichter voran-

und die

Rechtfertigungsschrift nach geschickt würde, wenn die letztere nur innerhalb der Frist einginge,

zwecklos«).

aber diese Spaltung wäre völlig

II. Die Rechtfertigung besteht in der Darlegung

der thatsächlichen und rechtlichen Gründe, aus welchen die ange­

griffene Entscheidung in den als beschwerend bezeichneten Punkten dem wahren Rechte nicht entspräche, und warum sie, so wie am

Schluffe gebeten wird, abzuändern sei.

Es ist erlaubt, statt der

Ausführung bloß auf die Akten der vorigen Instanz Bezug zu nehmens.

III. Die Einführung und Rechtfertigung muß durch

einen besonderen, von der Anmeldung verschiedenen (§. 334, Note 1b),

und bei dem Oberrichter einzureichenden Schriftsatz (libellus gravaminum), welcher von der Partei oder ihrem Bevollmächtigten

unterschrieben und, wenn sie keine öffentliche Behörde oder eine

zum Richteramte befähigte Person ist, von einem Rechtsanwälte

mit unterzeichnet sein muß, geschehen«).

Wer nicht schreiben kann,

muß sie durch einen gehörig Bevollmächtigten unterzeichnen lassen, sonst ist die Schrift einer nicht von der Partei unterschriebenen

gleich zu achten, folglich als nicht von der Partei ausgegangenen anzusehen.

Daß die Kreuze einer nicht schreibfähigen Person von

dem Rechtsanwälte ohne Vollmacht mit Erfolg attestirt werden könnten, sagt keine Vorschrift und die Konsequenz von der Schrift­

lichkeit und Legitimation verbietet es; der Rechtsanwalt als solcher

ist bloß für die Gesetzmäßigkeit der Schrift hinsichtlich ihrer Er­

fordernisse verantwortlich, kann aber nicht die Parteihandlung ohne Vollmacht gültig

vollziehen«').

Ist der

legitimirte Mandatar,

welcher die Schrift für die Partei unterschrieben und eingereicht hat, der Untergerichts-Rechtsanwalt, so schadet dieses der Wirk­ samkeit nicht, es ist nicht nothwendig,

daß der Mandatar ein

4) Der Advokat würde für die besondere Einführungsschrift nicht einmal daS Gchreiberlohn zu fordern berechtigt sein, wenn er nicht auf ausdrückliches Verlangen der Partei gehandelt hätte.

5) A. G. O. I, 14, §. 45. - I. R. A. §§. 65, 75.

6) V. v. 21. Juli 1846, §§. 17, 20, 21 u. 23.

6a) Die PrariS hat jedoch nachgeaebcn, daß die Vollmacht noch nach Ab­ lauf der Präklustvfrist, ohne daß das Rechtsmittel für defekt und unzulässig er­ achtet würde, cingereicht werden kann. Pr. des Ob.-Tr. 2300, v. 13. Juli 1851. Inkonsequent.

638

Zweite« Buch.

Ordentücher Prozeß.

Obergerichts-Rechtsanwalt sei').

Wesentlicher Bestandtheil dieses

Schriftsatzes ist bloß die Angabe der Beschwerdepunkte, die zur Einführung nothwendig

ist,

ohne

diese Angabe würde das

Rechtsmittel wirkungslos fein7 8); 9 10eine 11 Bezugnahme auf die An­

meldung wegen der Beschwerdepunkte würde das Erforderniß nicht

ersetzen.

Alles Uebrige ist blos nützlich.

Von wem der Schrift­

satz an den Oberrichter gelangt, ist gleichgülttg, wenn dieser ihn

nur innerhalb der Frist erhält8); es schadet mithin nicht, wenn die Partei denselben an den Unterrichter abgiebt und dieser ihn

wirklich einsendet, was er zu thun fteilich nicht verpflichtet ist. Der Unterrichter ist, wenn er den Schriftsatz zurückgiebt und dar­ über die Frist abläuft, dafür nicht verantwortlich.

IV. Bei der

Abfassung der Schrift sind die Regeln über Abfassung des Klagelibells (§. 165) anzuwenden.

Der Vorttag folgt der Ordnung

der einzelnen Beschwerden und beginnt mit dem Sachstande (Sta­ tus causae), welcher kurz und bündig, aber doch vollständig und

besonders aktcn- und wahrheitsgemäß, ohne Verdrehung der That­

sachen 1 °), sein muß, und, nach Beschaffenheit der Sache, für jede Beschwerde besonders erforderlich sein kann.

Liegt der Grund des

beschwerenden Punktes der Entscheidung in einer vermeintlich un­

richtigen Auffassung der Thatsachen, so ist die Ausführung sogleich am gehörigen Orte des historischen Theils auf eine richtige Dar­

stellung des Thatsächlichen zu richten.

Sowohl hierbei als bei

der Würdigung und Widerlegung der vermeintlich irrigen Rechts­

ansichten und Recktsanwendungen des vorigen Richters darf die Bescheidenheit nicht verletzt werden8').

Den Schluß macht der

7) M. f. teil Bescheid M Ob.-Tr. in Sommer u. Böl« Arch. XIH, S. KM, und I. M. Bl. 1847, S. 168.

8) V. v. 21. Juli 1846, $. 18. Auch ein Nachtrag mit Angabe noch nicht erwähnter Beschwerdepunkte ist innerhalb der Frist zulässig. Pr. M Ob.-Tr. 2068a, »cm 3. Septbr. 1848. 9) Deshalb schadet es auch nicht, wenn der Unterrichte» den Schriftsatz in die eingesendeten Akten eingeheftet hat; der Zweck ist erreicht, wenn innerhalb der Frist dem Oberrichter die Prozepschrift zuqeht. Für die Rechtsmittel in schleunigen Sachen ist dieser modus procedendi sogar vorgeschrieben (8 27 a. a. £).), folglich kann er nicht wesentliche Prozeßvorschriften verletzen oder wi­ der die rechtliche Natur des Prozesses verstoßen. (2. A.) Ist auch von dem Ob.Tr. durch PI. Beschl. (Pr. 1947) v. 6. December 1847 angenommen.

10) A. G. O. I, 12, 8 17. S< ist eine» Dieners der Gerechtigkeit un­ würdig, zu solchen Mitteln zu greifen, und doch trifft man nur zu oft auf Schrift­ sätze, in welchen der Advokat vorstchtiglich bald ein oder anderes Wort in der Geschichte wegläßt, bald zusetzt oder in einer andern Ordnung folgen läßt, wo­ durch dann ein ganz anderer Sinn hineingelegt wird. 11) Ebenda, 8- 18. - L. 8 D. de appellat. (XLIX, 1); L. 42 D. de «jur. (XLVII, 10).

Instanz der Rechtsmittel.

Allgem. Grunds, bei beit eigentlichen RechtSmitt.

639

Antrag auf Abänderung (Reformirung) der beschwerenden Ent­ scheidung; ein Prozeßgesuch, d. h. die Bitte: das Remedium für

zulässig zu erachten, dem Gegner die Beantwortung aufzugeben

u. s. w., braucht nicht beigefügt oder angehängt zu werden.

Nach­

träge sind biS zum Ablaufe der Frist zulässig'2*); 3 1 4 später dürfen bisher nicht vorgekommene Thatsachen zur Begründung des Rechts­

mittels nicht vorgebracht werden. §. 336. b) Verfügung des Oberrichters.

Nach dem Eingänge der Einführungs- und Rechtfertigungs­ schrift und der Akten oder, wenn erstere ausbleibt, nach Ablauf der Frist fängt die oberrichtliche Thätigkeit an.

Ist die Schrift

eingegangen und fehlen die Akten noch, so ergeht vorerst ein Ein­

sendungsbefehl; bleibt die Einführungs- und Rechtfertigungsschrift aus, so tritt mit Ablauf der Frist der Verlust des Rechtsmittels

von selbst ein').

Liegen der Schriftsatz und die Akten vor, so

prüft der Oberrichter die Förmlichkeiten und die Erheblichkeit der

Beschwerden, und beschließt über die Zulassung des Rechtsmittels 2). Das Dekret kann nur entweder das Rechtsmittel zurückweisen oder die Einleitung des Verfahrens verordnen, in keinem Falle kann

es,

ohne vorheriges Gehör des Gegners,

dessen Nachtheile abhelfen.

den Beschwerden zu

Gegen die abweisende Verfügung ist

nur dann, wenn noch in einer höheren Instanz ein ordentliches oder außerordentliches') Rechtsmittel in der Hauptsache zulässig

ist, Beschwerdeführung bei diesem höheren Richter, also in Sachen,

wo nur die Nichtigkeitsbeschwerde stattfindet (wie in Possessorienund Subhastationssachen), unmittelbar bei dem Ober-Tribunale,

statthaft ^); gegen die das Verfahren einleitende Verfügung kann

keine Beschwerde geführt werden. c) Wirkung bet Zulassung bcs Rechtsmitiels.

§. 337. ü) Hinsichtlich der Litiskonsorten.

Mehrere Teilnehmer an einem Prozesse können, wenn sie 12) V. v. 21. Juli 1846, §. 18.

93 er gl. Anm. 8.

1) Ebenda, §. 17. Die Akten werden dann mit Angabe des Grundes remittirt. 2) Ebenda, §§. 20, 23. 3) Darunter wird die Nichtigkeitsbeschwerde im §. 35 a. a. O. verstanden, wiewohl ihr ausschließliche Kennzeichen eines außerordentlichen Rechtsmittels ab­ gehen. S. o. §. 327, III.

4) §§. 34 ii. 35 a. a. O. — Nach G. R. finden gegen abweisende Dekrete eigentliche Rechtsmittel statt.

gwttt« Buch. Ordmtüch« Prozeß.

640

zusammen verurtheilt worden, entweder gemeinschaftlich oder ein jeder für sich Rechtsmittel gebrauchen"). Die Einlegung deß Rechts­

mittels eines Theilnehmers suspendirt die Rechtskraft des UrtelS gegen diejenigen, welche sich beruhigen, in der Regel nicht, doch

mit zwei Ausnahmen: 1. Wenn die Sache untheilbar ist, so kommt

das abändemde Urtheil unbedingt Allen zu statten; 2. wenn alle Theilnehmer gleiche Rechte haben, der Gegenstand und die Rechtferttgungsgründe für alle einerlei sind und die sich beschwerende

Person nicht etwa ganz besondere, auf sie allein sich beziehende Argumente für sich vorbringt,

so kommt das Rechtsmittel den

übrigen Theilnehmern in sofern zu gute, daß ihnen freisteht, dem­ selben auch noch, nachdem bereits das Urtel darauf ergangen, beizuttrten (zu adhäriren), wenngleich die Sache theilbar wäre oder die gravaminirende Partei ausdrücklich erklärte, daß sie das Rechts­

mittel bloß für ihre Person

und

in ihrem Interesse einwende.

Die Suspensivwirkung tritt also für Alle ein und wer von den übrigen Theilnehmern demnächst seinen Beitritt erklärt, wofür keine

präklusive Frist nach Abfassung des Erkenntnisses vorgeschrieben ist, der kann sich die Vortheile desselben zu nutze machen, wird

aber auch in Ansehung der Kosten des Rechtsmittels so bettachtet, als wenn er von Anfang mit gravaminirt hätte").

Ein solcher

Beitritt soll jedoch dem Remedirenden niemals Nachtheil brin­

gen""). §. 338. b) Hinsichtlich de» Gegner».

Ueber die Gemeinschaft der Rechtsmittel hat die Gesetzgebung

gewechselt.

Unter solcher Gemeinschaft versteht man bekanntlich

den Zustand,

in welchem die Rechtskraft eines,

von der einen

Partei angefochtenen Urtels durch die Einlegung des Rechtsmittels •) A. G. O. I, 14, 13. — V. v. 21. Juli 1843, $. 10. — Cod. Frid. III, 4, $. 24. - Pr. Landr. P. I. B. 1, Tit. 44, Art. 1, $$. 1, 2.

*') A. G. O. a. a. O. §. 14a. — Cod. Frid. 1. c. — B. v. 21. Juli 1843, §. 10. — Müller, Practica March, resol. 41, n. 13—15. — L. 1, 2 C. si iinus ex plur. (VII, 68); L. 1 C. de divers» reecr. (I, 23); L. 10, $. 4 D. de appellat. (XLIX, 1). Bei AuSeinandersetzungSsachen, welche vor die General-Kommissionen und landwirthschaftlichen RegierungS-Abtheilungen gehören, gilt dieser Grundsatz in allen Fällen, wenn auch jeder Einzelne der LitiSkonsorten ein selbstständiges Recht verfolgt. Pr. des Ob.-Tr. 2462, vom 7. Juni 1853 (Entsch. Bd. XXVI, S. 94). •*•). Z. B. wenn in einem Prioritätsstreite eine bessere Klaffe erstritten worden wäre und die Masse nicht für Alle hinreichte, so würde der Remcdirende seinen Antheil vorzüglich vor den Beitretenden zu erhallen haben. A. G. O. a. a. O. §. 14b. - Cod. Frid. 1. c., p. 92. — S. u. §. 467.

Instanz dtr Rechtsmittel.

Allgem. Grunds, bei den eigentlichen RechtSniitr.

641

nicht allein zum Vortheile der angreifenden Partei, sondern zugleich auch zum Besten des Gegners suspendirt wird, so daß dem Gegner

die rechtliche Möglichkeit gegeben ist, noch nach-dem Ablaufe des Fatale, wo ihm eine selbstständige Berufung nicht mehr gestattet

sein würde, dem eingelegten Rechtsmittel zu dem Zwecke beizutre­ ten, um eine dem Imploranten nachtheiligere Entscheidung, als

die war, worüber er sich beschwert hat (reformatio in pejus), zu erwirken.

Dieser Beitritt heißt in der Rechtssprache des gemeinen

Prozesses Adhäsion').

Vor Justinian war das s. g. bene-

ficium commune nicht bekannt, die für den Imploranten ungün­ stigste und für den Gegner günstigste Entscheidung konnte stets

nur Bestätigung des vorigen Urtels sein.

Justinian*) schrieb

die Gemeinschaft vor, mit der Bestimmung, daß sogar in Ab­ wesenheit des Appellaten

der Richter dessen Rechte

auch ohne

Adhäsion, von Amts wegen, wahrnehmen und das Urtel nach Lage der Sache zum Nachtheil des Appellanten abändern sollte ’). Die gemeinrechtliche Praxis hat das Mittel der Adhäsion ausge­ bildet, aber auf die Punkte beschränkt, über welche Beschwerde ge­

führt worden.

Wenige Partikulargesetzgebungen haben die Adhä­

sion weiter beschränkt oder gar abgeschasst*). Die ältere einheimische

Gerichtspraxis schloß sich ganz an das Gemeine Recht an*). erste allgemeine Prozeßordnung

schlechtweg auf').

Die

hob das beneficium commune

Die Carmer'sche Prozeßordnung änderte diese

Bestimmung dahin ab, daß die Appellation in der Regel kein

bencticium commune sein solle, es wäre denn, daß durch die

auf Antrag des Appellanten erfolgte neue Untersuchung zugleich ein dem Gegner vortheilhafter Umstand ausgemittelt worden, oder 1) Hoch, Entwickelung der Lehre von der accefforischen Appellation-adhäsion im Civil- und Kriminal - Prozesse. Rothenburg, 1821. — Jordan, von der Adhäsion; iuWeiSke, RechtSlerikon, I, S. 116 ff. und die dort Note 1 ange­ gebene Literatur.

2) L. 39 pr. C. de appellat. (VII, 62). 3) Ueber die Abänderung zum Nachtheile (in pejus); Mittermaier im Archiv für civil. PrariS, Bd. VII, S. 36 ff. ; v. d. Na hm er, Entscheidungen, Bd. II, S. 11 ii. 24 ff.

4) Mittermaier, gemeiner deutscher bürgerlicher Prozeß, Beitrag IIT, S. 64. Der Code de proc. Art. 443 gestattet den „appel incident“ unbe­ schrankt ; die PrariS aber beschränkt ihn auf die mit den Beschwerden der Haupt­ appellation zusammenhängenden Punkte.

5) Müller, Practica resol. 41, Nr. 2—12. 6) „Die Appellation soll kein beneficium commune fein, und deö actoris Appellation niemalen dem reo, nee contra, zu statten kommen." Cod. Frid. Th. III, Tit. 4, §. 25.

Koch, Eivilprozeß. 2. Aufl.

41

Zweites Buch.

642

Ordentlicher Prozeß.

daß der erste Richter das Gesetz unrichtig angewendet hätte und aus den zu Gunsten des Appellanten angenommenen Grundsätzen,

bei eben demselben Punkte, gewisse Folgerungen zum Besten des

Appellaten entsprängen: in beiden Fällen sollte nach Lage der Sache erkannt werden').

In der A. G. O. ist das wieder geändert:

die Appellation soll zwischen den prozessirenden Parteien keine ge­ meinschaftliche Rechtswohlthat sein und derjenige, welcher sich bei dem Erkenntnisse beruhigt, auf die von seinem Gegner dagegen eingewandte Appellation eine Abänderung zu seinem Vortheile nie­

mals hoffen.

Doch ist in einem Falle die Nachholung der anfäng­

lich unterlassenen Appellation erlaubt,

nämlich wenn durch eine

von dem Appellanten veranlaßte neue Instruktion der geschichtliche Klagegrund sich anders oder vollständiger und zwar zu Gunsten des Appellaten entwickelt hat: alsdann steht dem Letztem frei, noch

vor dem Schlüsse der Sache in zweiter Instanz darauf anzutragen das frühere Urtel, der nunmehrigen Lage der Sache gemäß, zu seinem Vortheile abzuändern *).

B.

Sn nicht schleunigen Sachen.

§. 339. 1. Verfahren vor dem Richter erster Instanz.

I. Wer gegen ein Urtel erster oder zweiter Instanz ein Rechts­ mittel einlegen will, muß dies bei dem Gerichte erster Instanz

rechtzeitig und ausdrücklich erklären (Einwendung, interpositio). 1. Als Gericht erster Instanz gilt sowohl dasjenige, welches in

erster Instanz die Sache instruirt (den Prozeß geleitet), als auch dasjenige, welches aus irgend einem Grunde das Erkenntniß ab­ gefaßt hat').

Die Anmeldung kann, nach Wahl, bei diesem oder

jenem geschehen,

wenn auch

die Akten sich bei dem gewählten

Gerichte nicht befinden sollten; in diesem Falle befördert dieses Gericht die Anmeldung an das Andere zur rechtlichen Verfügung 7) Corp. jur. Frid. Th. I, Tit. 14, §§. 11, 12. 8) A. G. O. I, 14 §§. 11, 12. Der Fall kommt so gut wie gar nicht vor. Auch dem von Siewert, Materialien, H. VIII, S. 258 erzählten Rechts­ falle fehlen die Voraussetzungen. 1) V. v. 21. Juli 1846, §§. 15, 30. Nach der heutigen Gerichtseinrich­ tung kommt der Fall nicht oft vor, daß ein anderes Gericht erkennt. In General-KommisfionSsachen muß die Anmeldung bei der Gen.-Kommission, nicht bei dem Special-KommiffariuS eingereicht werden. Pr. v. 15. December 1853 lSntsch. Bd. XXVI, S. 355).

Instanz der Rechtsmittel. Allgem. Grunds, bei den eigentlichen RechtSmitt.

643

und es kommt auf das Präsentatum bei diesem andern Gerichte nichts, vielmehr Alles auf das bei dem gewählten Gerichte an.

Wird die Anmeldung bei dem Obergerichte eingereicht, so ist da­

mit der Lauf der Frist nicht unterbrochen, vielmehr ist schlechter­ dings nothwendig, daß die Anmeldung noch vor Ablauf der Frist bei dem Unterrichter eingeht2).3 4 52.

Die Frist zur Einlegung be­

trägt für alle dem Jnstanzenzuge folgenden Rechtsmittel in nicht

schleunigen Sachen sechs Wochen oder zwei und vierzig Tage2), vom Tage der Insinuation des Erkenntnisses an die Partei6),7 diesen

Tag nicht mitgezählts), an gerechnet, wenn auch die Behändigung in einer Ferienzeit geschehen ist2) oder der letzte Tag auf einen Sonn- oder Festtag fällt6*).

Ist die Insinuation eines Urtels­

exemplars unterblieben, so fängt der Lauf der Frist nicht an, wenn­

gleich die Partei erklärt, daß unt> an welchem Tage sie von dem

beschwerenden Urtel Kenntniß erhalten und daß sie selbst eine Aus­

fertigung nicht verlangt habe ’); wohl aber vertritt ihre Erklärung vor Gericht bei oder nach der Publikation: „daß sie die Zustellung einer Ausfertigung nicht verlange," die Insinuation8).

Ausnahmen

von der Regel, daß der Partei selbst ein Urtelsexemplar insinuirt werden muß, gelten: a) bei der Stellvertretung aus einer recht­

lichen Nothwendigkeit (§. 116); b) wenn der Stellvertreter in der Prozeßvollmacht oder in

einer besondern Vollmacht,

die keiner

Beglaubigung bedarf, zur Empfangnahme des Erkenntnisses aus­

drücklich beauftragt ist6*): in beiden Fällen kann die Insinuation an den Stellvertreter geschehen; c) wenn die Partei sich im Aus­ lande an einem Orte befindet, wohin rekommandirte Zusendungen 2) Gewöhnlich sendet der Oberrichter ex nobili officio die bei ihm ein­ gegangene Anmeldung dem Unterrichtcr zu, doch ist er dazu nicht verpflichtet, vielmehr kann er sie auch zurückgcben, nur darf er sie nicht liegen lassen. 3) V. v. 14. December 1833, §§. 21, 22. — V. v. 5. Mai 1838, §. 7. AeltereS Recht: A. G. O. I, 14, §. 21; L. 5, §. 4 D. de appellat. (XLIX, 1) L. 1, §§. 6 seqq. D. quando appell. (XLIX, 4); Nov. 23, c. 2: c. 15 X. de appell. (II, 28); K. G. O. v. 1555, II, 29, §. 2. 4) A. G. O. Einleit. §. 57. - V. v. 5. Mai 1838, §§. 1, 5. — B. v. 1. Juni 1833, §. 37. 5) V. v. 5. Mai 1838, §. 9. 6) Präj. des Ob.-Tr. Nr. 1113 v. 11. März 1842. — Ueber die Berech­ nung s. o. §. 150. 6a) Präjudiz Nr. 883, v. 13. Juni 1840. 7) Präjudiz Nr. 614, lit. a, v. I. 1839 (Tag «. Monat fehlt). 8) V. v. 5. Mai 1838, §. 3, lit. e.

8a) Ein Offizialmandatar gehört nicht dazu. 1847 (Entsch. Bd. XIII, S. 531).

Präjud. 1837, v. 19. Febr.

Zweite« Buch. Ordentlicher Prozeß.

644

durch die Post nicht stattfinden: wo der Partei von Amts wegen ein Mandatar bestellt wird, welcher das Erkenntniß in Empfang zu nehmen und die Sache gleich einem Kurator zu besorgen hat

(§. 143, II, 5); d) wenn der Aufenthaltsort der Partei unbekannt ist, wo ein Exemplar 14 Tage lang ausgehängt wird •).

Für die

dem Jnstanzenzuge nicht folgenden Rechtsmittel, als: die Restitu­

tion gegen Kontumazialbescheide und Präklusionserkenntnisse, die Nullitäts-

und

Restitutionsklagen,

gelten besondere

Fristen^).

Die Frist ist eine Nothfrist (fatale interponendi), gegen deren Versäumniß, die den Eintritt der Rechtskraft ipso jure zur Folge

hat, ohne Rücksicht auf die Person keine Restitution stattfindet1 °).

Dagegen ist für den inländischen Fiskus"), für die Land- und Stadtgemeinden, privilegirten Korporationen") und unter Vor­

mundschaft stehenden Personen"), so wie für diejenigen, welchen die Rechte der Minderjährigen zustehen, die sechswöchentliche Frist verdoppelt").

Eine Verlängerung der Frist findet in keinem Falle

weder durch Uebereinkunft der Parteien,

noch durch richterliche

9) V. 5. Mai 1838, §. 3, b, c, §§. 4, 6. - S. o. §. 143. 9a) Ebenda, §. 7 a. E. 10) V. v. 14. Decbr. 1833, §. 22; Deklarat. v. 6. April 1839, Art. 13. 11) Art. 13 a. a. O. — Pl.-Bcschl. (Pr. 1221) des Ob.-Tr. v. 5. Decbr. 1842; Pr. 1446 v. 24. Mai 1844. 12) Dazu gehöre» auch die unter landräthlicher Aufsicht stehenden öffent­ lichen Kreissparkasscn (Pr. 1470, v. 29. Juli 1849), und Kirchengemeinden als solche, nicht aber die Eingepfarrten bei Klagen unter sich oder gegen den Pfar­ rer, die Kirchcnvorstcher oder de» Patron (Pr. 1525, v. 15. Januar 1845), auch nicht die s. g. Schuldgemeindcn oder Schuldverbände im Sinne der §§. 34 ff. Tit. 12, Th. 1'1 des A. L. R. (Pr. 1276, v. 30. März 1843); wohl aber die Judengcmeindcn (Pr. 2206, v. 10. März 1850 (Entsch. Bd. XIX, S. 483). 13) Dazu sind auch uneheliche Kinder, welche in der Person ihres mütter­ lichen Großvaters einen natürlichen Vormund habe», zu zählen (Pr. 1207): folgerecht also auch geisteskranke Ehefrauen, deren gcschlichcr Vormund der Mann ist (A. L. R. II, 18, §. 40), und minderjährige, aus der väterlichen Gewalt ge­ gangene Töchter, für welche der Vater von selbst Vormund bleibt (A. L. R. II, 2, §.229); nicht aber unter väterlicher Gewalt stehende eheliche, »och minder­ jährige Kinder (Pr. 1151, v. 11. Juni 1842); und auch nicht Nachlaßmaffen, welchen ein Kurator bestellt ist (Pr. 1599, v. 1. August 1845); folgerecht auch nicht Konkursmassen. — Wird der Pflegebefohlene schon innerhalb der ersten sechs Wochen rechtlich selbstständig, so läuft die AnmcldungSfrist schon mit sechs Wochen, vom Tage der erlangten Großjährigkeit gerechnet, ab. Pr. des Ob.Tr. Nr. 1886, v. 28. Juni 1847 (Entsch. Bd. LlV, S. 468). Stirbt der Vormund vor Anmeldung der Appellation im Laufe der zwölfwöchentlichen Frist, so ruht der Fortlauf bis zu dem Tage, an welchem ei» anderer Vormund an Stelle de« Verstorbenen angestellt worden ist. Präj. deS Ob.-Tr. 2486, vom 28. November 1853 (Entsch. Bd. XXVI, S. 368). 14) Deklar. v. 6. April 1839, Art. 13. — V. v. 14. Decbr. 1833, §. 21.

Instanz der Rechtsmittel.

Verfügung, statt*8).

Allgem. Grunds, bei den eigentlichen Rechtsmitt.

3.

645

Die Anmeldung muß die ausdrückliche

Erklärung enthalten, daß der Anmeldende sich über das Erkennt­

niß beschwere: ein Antrag oder Prozeßgesuch ist nicht nothwen­ dig*8).

II. Das Gericht erster Instanz hat nur zu prüfen, ob

die Anmeldung rechtzeitig erfolgt und das Rechtsmittel dem Gegen­

stände nach zulässig ist, wobei auf den Namen, womit die Partei

das Rechtsmittel bezeichnet hat,

nicht zu sehen,

da irgend ein

Rechsmittel gegen jedes Erkenntniß erster oder zweiter Instanz

stattfindet.

Findet das Gericht Beides, so sendet es sogleich die

Akten an das Gericht höherer Instanz und benachrichtigt davon

die Parteien •7), den Gegner unter abschriftlicher Mittheilung der Anmeldungsschrift; ist das Eine oder daS Andere nicht der Fall, so weiset es die Anmeldung per decrelum zurück.

Dadurch wird

die Verfolgung des Rechtsmittels nicht gehindert; der Anmeldende kann die Einführnngs- und Rechtfertigungsschrift bei dem höher»

Richter einreichen, worauf dieser die Akten einfordern und über die Zulässigkeit befinden wird *8); er kann aber auch besondere Be­ schwerde über die Zurückweisung, binnen sechs Wochen vom Tage der Behändigung an gerechnet, bei dem höher» Richter führen * ’).

§. 340. 2.

Verfahren vor dem

höher»

Richter

(judex

ad quem). Binnen vier Wochen nach Ablauf der Anmeldungsftist muß

die Einführungs- und Rechtfertigungsschrift (§. 335), bei Verlust

des Rechtsmittels und ohne daß es einer besondern Aufforderung dazu bedarf, bei dem höhern Richter eingereicht werden*). Diese Frist kann der höhere Richter auf Verlangen angemessen verlän­ gern, doch nur aus Hinderungsgründen, welche in der Sache selbst 15) V. v. 14. Dccbr. 1833, §. 21, Abs. II n. Art. 13 der Deklarat. — S. o. §. 150. - K. G. O. v. 1555, II, 29, §. 2; I. R. A. §. 121. 16) V. v. 21. Juli 1846, §. 16. 17) Ebenda, Absatz 2. Selbst ein unzulässiges Restitutionsgesuch gegen ein Kontumazial-Urtel ist als Appellations-Anmeldung anzufehe». Pr. des Ob.Tr. 1984, v. 11. Februar 1848. 18) Vergl. L. 5 pr. §. 1, D. de appell. recip. (XLIX, 5). 19) V v. 21. Juli 1846, §• 34. Durch diese Beschwerde sollte jedoch der Lauf der Einführungs- nnd RcchtfertignngSfrist (§. 340) nicht aufgehalten wer­ den, weil die nnterrichterlichc Zurückweisung die Rechtfertigung nicht hindert.

') V. v. 21. Juli 1846, §. 17. In Beziehung auf den Einsender s. o. 335, Nr. III. — Auch »ach R. R. bedurfte cS keiner richterlichen Fristbe­ stimmung nnd Auffordernng. Paulus ree. sent. V, 34, §. 1.

Swcitt# Buch.

646

Ordentlich« Prozeß.

liegen, nicht aber auf Grund der Einwilligung des Gegners"). Von der Verlängerung muß dem Gegner Nachricht gegeben wer­ Wird die nachgesuchte Verlängerung abgeschlagen und ver­

den.

läuft darüber die Frist, so ist das Rechtsmittel verloren (befert).

Gegen die abweisende Verfügung ist die Beschwerdeführung bei

dem dritten Stufengerichte gestattet'").

Geht die Schrift in der

gesetzlichen oder verlängerten Frist nicht ein, so wird das Rechts­

mittel durch eine bloße Verfügung für befert erklärt und die Akten

werden remittirt.

Mit der Präsentation der Einführungs- und

Rechtfertigungsschrift bei dem höher» Richter wird die Sache in

der höher» Instanz anhängig und der angerufene Richter beginnt seine Thätigkeit (§. 333). §. 341.

C.

Än schleunigen Sachen.

I. AlS schleunige Sachen werden bezeichnet'): 1. der Wechsel­

prozeß»);

2. die Arrestsachen, welche nicht mit der Hauptsache

zugleich verhandelt werden»); 3. die eigentlichen Merkantilsachen»):

4. die Bausachen, wenn von einem schon wirklich angefangenen Baue die Rede ist, dessen Fortsetzung oder Kässirung von dem

Ausfälle des Prozesses abhängt5); Vorfluthssachen •) werden nicht zu den schleunigen Sachen in dem hier gemeinten Sinne gerech­

net»);

5. die Subhastationssachen in der Nichtigkeitsbeschwerde­

oder Rekurs-Instanz»').

II. In diesen Sachen muß die Anmel­

dung und auch die Rechtfertigung deS Rechtsmittels binnen drei

Tagen (mit Ausnahme der Restitution, die auch in diesen Sachen ihre eigene Frist unverändert behält), und zwar bei dem Gerichte, welches in erster Instanz instruirt oder erkairnt hat, angebracht

werden, entweder

mündlich zu Protokoll,

oder schriftlich durch

") V. v. 21. Juli 1846, $. 17; Pr. M Ob.-Tr. 2034, v. 12. Juli 1848 "•) Abend«, §§.34, 35; Pl.-Beschl. v. 21. Juni 1847 (Autsch. XIV, 466); @. v. 26. April 1851, Ari. XIII, Rr. 1 (®. ®. S. 186). 1) B. v. 21. Juli 1846, §. 27. 2) Sollt« heißen: di« Wechselsachen; denn tiittn cigrntn W«chselproz«ß flifbt es nicht m«hr. 3) A. G. O. I, 29, SS. 63-73. 4) Abend«, I, 30, §$. 9-47. 5) Abend«, I, 42, §§. 34-42. 6) «kitt v. 15. Norbr. 1811, $. 5. 7) Pr. de« Ob.-Tr. Nr. 1377, v. 9. Decbr. 1843. 7a) ®. v. 20. Mär, 1854, §$. 13, 14 (®. S. S. 115).

Instanz der RrchlSmttlkl.

Allgcm. Grunds. 6ti den eigentlichen Recht-mitt.

einen von einem Rechtsanwalt legalisirten Schriftsatz8). Anmeldung in

einer besondern Schrift

647

Wird die

ohne Unterschrift

eines

Rechtsanwalts eingereicht, so ist sie nicht ungültig und das Rechts­

mittel ist gewahrt, wenn die Rechtfertigung in der vorgeschriebenen

Form, binnen der dreitägigen Frist, bei dem Gerichte erster Instanz eingeht; desert aber würde es sein, wenn die Rechtfertigung, wenn

auch innerhalb der Frist, bei dem Gerichte der höher» Instanz ein­ gereicht worden wäre und von dort nicht mehr vor Ablauf der

Frist an das Unterzeucht gelangte.

Das Gericht erster Instanz

prüft nicht, sondern schickt die Akten sofort nach Eingang der Rechtfertigung an den höher« Richter und setzt die Parteien gleich­

zeitig davon

in Kenntniß,

Rechtfertigung (*).

den Gegner

unter Mittheilung der

II. Der höhere Richter, wenn er das Rechts­

mittel zulässig findet, fordert nicht schriftliche Beantwortung ein, sondern setzt einen möglichst kurzen Termin zur mündlichen Ent­

gegnung und zur weitern Verhandlung der Sache vor dem Spruch­ kollegium in der öffentlichen Gerichtssitzung an, und ladet dazu die Parteien vor.

Es darf noch vor diesem s. g. „mündlichen"

Termine eine formlose, d. h. eine nicht nothwendig von einem Rechtsanwalt zu unterschreibende, schriftliche Beantwortung ein­

gereicht werden.

Die Nachtheile detz Ausbleibens sind nach Ver­

schiedenheit der Fälle folgende:

Bleiben beide Theile aus und ist

auch keine schriftliche Beantwortung eingegangen, so wird nach

Lage der Akten erkannt, wobei die in der Rechtfertigung behaup­

teten Thatsachen, soweit dieselben überhaupt noch zulässig waren, für zugestanden angenommen werden; ist aber vor dem Termine eine Beantwortung eingegangen, so werden die Thatsachen, in so­

weit ihnen widersprochen worden ist, für nicht angebracht erachtet. Erscheint der Beschwerdeführer und der Gegner nicht, so werden, wenn dieser die Rechtfertigung nicht schon schriftlich beantwortet

hat, die Thatsachen, wie in jenem Falle, für wahr angenommen, wenn aber eine schriftliche Beantwortung eingereicht ist, nur die

von dem Ausgebliebenen angeführten Thatsachen für nicht ange­ bracht, sowie die von ihm vorzulegenden Urkunden für nicht bei­ gebracht und die von dem Erschienenen beigebrachten Urkunden für rekognoseirt angesehen.

Meldet sich der Beschwerdeführer nicht,

8) V. v. 21. Juli 1846, $. 27, 21. Diesen Schriftsatz kann ein jeder Rechtsanwalt legalifiren, auch bei dem Rechtsmittel der Revision oder der Nich­ tigkeitsbeschwerde. $. 27 a. qu. 6; c. 16, 21 pr.; 42, 43 pr. X. de off. jud. delegati (I, 29). 7) V. vom 14. Decbr. 1833, §. 24. Die gojrm schreibt die Jnstr. vom 7. April 1833, Nr. 45 vor. Die Vorschrift bezieht ich seit 1849 auch auf die Urtel deS Ob.-Tr. V. vom 2. Januar 1849, §. 33. Koch, CivU-Prozrß. 2. Aufl. 44

Zweites Buch.

690 theilnehmenden

Richter

Ordentlicher Prozeß.

genannt sein

namentlich

sollen,

geführt

In erster Instanz müssen bei einem kollegialisch for-

werden b).

mirten Gerichte wenigstens drei, in zweiter Instanz bei allen Ge­

richten wenigstens fünf Richter Theil genommen haben, sonst tritt Nichtigkeit ein»). es nicht,

Haben mehr Richter Theil genommen, so schadet

deshalb ist es auch gleichgültig,

wenn in einer Sache,

welche ein einzelner Kommissarius hatte entscheiden können, ein Kollegium erkannt hat, nur darf kein unzulässiger Richter unter

der größern Anzahl sein,

sonst tritt Nichtigkeit ein,

Stimme den Ausschlag gegeben haben

kann'°).

weil dessen

2. Wenn der

Grundsatz, daß Niemand in eigener Sache Richter sein kann, ver­ letzt worden ist1 *), folglich wenn ein an der Entscheidung Theil

nehmender Richter bei dein Rechtsstreite selbst persönlich betheiligt ist, d. h. bei dem Ausgange der Sache Vortheil oder Nachtheil

unmittelbar oder mittelbar (durch seine Frau) erwarten kann, oder wenn er mit einer Partei bis zum vierten Grade einschließlich ver­ wandt

oder

verschwägert

ist l2 8 j. 913 1014 3. 1115Wenn

das Verbot verletzt

worden ist, daß man nicht Richter in Sachen sein dürfe, in welchen

man früher als Rathgeber oder als Zeuge gedient hat"). Fall wird

jedoch

von

dem

Verbote

nicht

betroffen,

wenn

Der der

Richter zugleich der Vormundschaftsrichter einer bei der Sache be-

theiligten Partei ist'«).

4. Wenn

der Grundsatz verletzt worden

ist, daß in zweiter Instanz ein anderer Richter als in erster Instanz thätig sein muß'»). Deshalb ist es Nichtigkeit, wenn der Richter

8) Jnstr. vom 7. April 1839, Nr. 46: K. O. vom 6. April 1839 (Just. M. Bl. S. 142). 9) V. vom 14. Decbr. 1833, §. 5, Nr. 4.

10) Jnstr. vom 7. April 1839, Nr. 14. 11) L. 10 D. de jurisd. (II, 1); L. 17 D. de judiciis (V, 1); L. 1 C. ne quis in sua causa (III, 5). 12) V. vom 14. Decbr. 1833, §. 5, Nr. 5. — Vcrgl. L. 10 D. de jurisd. (II, 1).

13) V. vom 14. Decbr. 1833, §. 5, Nr. 6. — L. 14 pr. C. de assessoribus (I, 51); L. 6 pr. C. de postulando (II, 6). Es ist keine Nichtigkeit, wenn der Appellationsrichter solchen, zur Begründung der Appellationsbeschwerdcn, gegen das Urtel erster Instanz, vorgetragenen Nichtigkeitsgrund nicht berückstchtigt oder als unerheblich verworfen hat. Pr. 1353, vom 4. Oktober 1843. Denn Appellationsrichter vernichtet kein Urtel, sondern erkennt nur in der Sache selbst.

14) S. o. Note 4 u. Pr. 488, vom 9. Juni 1838. 15) A. G. O. Einleitung, §§. 56, 58. Dieser Fall ist im G. R. nicht bezelchnet, weil er in der Praxis selten oder gar nicht vorkam, während er bei den Preuß. Gerichten sich täglich wiederholen kann und früher sich sehr ost zu-

Instanz d. Rechtsmittel. Die einzelnen Rechtsm. Die Nichtigkeitsbeschwerde.

691

in einer frühem Instanz bereits als Richter miterkannt hat'*). Die bloße Mitvollziehung des Urtels zweiter Instanz durch einen

Richter, der an der Entscheidung in erster Instanz Theil genommen hat, ist keine Nichtigkeit, daher ist der Beweis, daß die Mitvoll­ ziehung ohne wirkliche Theilnahme an der Entscheidung geschehen,

zulässig17).

5. Wenn der Grund der richterlichen Inkompetenz

darin liegt, daß die Bestellung des Richters von Seiten einer Be­

hörde geschehen ist, welche in der fraglichen Sache keine Ueber-

weisungs- oder Delegations-Befugniß hatte.

Daher war vor 1849

z. B. ein Adjudikationsbescheid, welchen ein Kreis-Justizrath im Auftrage seines vorgesetzten Oberlandesgerichts abgefaßt hatte, nich­ tig i»);

und ebenso würde ein

Ehescheidungsurtel nichtig

sein,

welches im Auftrage des zuständigen Ehegerichts von einem andem

Gerichte abgefaßt worden wäre.

Steht dem Richter eines dieser

als Ausnahmen ausgehobcnen Verhältnisse, welche seine Inkompe­

tenz begründen, entgegen, so muß er von selbst sich der Entschei­

dung oder der Theilnahme daran enthalten und den Grund an­

geben 1 *).

Die richterlichen Verfügungen, welche die Ausmittelung

der thatsächlichen Voraussetzungen der Inkompetenz bezwecken, unter­

liegen nicht der Nichtigkeit, weil jeder Richter über den Grund seiner Rekusation zunächst selbst zu befinden hat.

Ist er über den

Rechtspunkt in Betreff seiner Kompetenz zweifelhaft,

so hat er

zur Erledigung des Zweifels oder zur nähern Bestimmung über

die Rrffortverhältnisse an das nächste Jnstanzgericht zu berichten"). Der RichtigkeitSrichter hat hinsichtlich der behaupteten Jnkompe-

getragen hat, am öftesten in Folge von Versetzungen der ObergerichtSmitglieder auS dem einen Senat in den Andern, so daß ein Mitglied eines zweiten Senats das Erkenntniß, was es in erster Instanz bei dem ersten Senat verfaßt batte, oft in appellatorio bestätigte. Verschieden hiervon ist der Fall der L. 14, 42, 55, 62 de re jud. (XLU, 1).

16) V. v. 14. Decbr. 1833,

5, Nr. 7. Vergl. Einl. zur Pr. O. $. 62.

17) Pr. 421, vom 27. Januar 1838. Dort ist von der Mitvollziehung durch einen bloßen Irrthum Rede. Auf den Irrthum kommt jedoch da­ bei nichts an, die Mitvollziehung kann auch mit Bewußtsein der mangelnden Theilnahme geschehen sein, ohne daß dadurch daS> Urtel nichtig wird.

18) Pr. 1451, v. 27. April 1844 (QiitfA. des Ob.-Tr., Sb. X, Nr. 37). DaS Prinzip ist auch hier nicht ausgesprochen, gleichwie in den Fällen 1 bis 4 nur Folgesätze in der V. vom 14. Decbr. 1833 ausgedrückt sind. Ueber das Prinzip zu a: L. 32, §. 7 D. de receptis (IV, 8): L. 2 C. de pedaneie judicibus (III, 3). 19) Dell, vom 6. April 1839, Art. 17. Pr. 2267, vom 13. Januar 1851 (Sntsch. Bd. XX, S. 541). 20) Jnstr. vom 7. April 1839, Nr. 16.

Zwtile- Buch. OrdenUichrr Prozkß.

692

lenz eine freie, von ten thatsächlichen Voraussetzungen des Rich­ ters, dessen Urtheil angegriffen wird, unabhängige Beurtheilung' *),

während

er

sonst von

ten

vorausgesetzten

Thatsachen

auszu­

gehen hat. c)

Nichligkkiten in den wtstntliche» Bcstaiidtheiltii dk-

ProzksseS.

8. 362. a) Nichligkeitcn wcgm Mäugcl im Prozeßverfahren.

Als Nichtigkeiten wegen Mangels

im prozessualischen Ver­

fahren oder, wie es auögedrückt ist, wegen Verletzung wesentlicher Prozeßvorschriften sind anerkannt:

I. wenn daö Urtel ohne recht­

liches Gehör der beschwerten Partei abgefaßt worden ist'), worunter verstanden wird: a) wenn der beschwerten Partei derjenige Vortrag

des Gegners, woraus sich der beschwerende Ausspruch gründet, vor Abfassung des Urtels, durch den Richter in diesem oder einem an­ dern Prozesse') gar nicht, oder nicht so zeitig bekannt gemacht worden ist, daß sie sich darüber hat erklären können 2 * ‘13), 4 sei es auch,

daß dieser nicht bekannt gemachte Vortrag bloß in einem Rechts­

einwande bestehe'); b) wenn der Vortrag gar nicht in den Akten vorkommt, d. h. bloß in mündlicher Erklärung besteht, oder in an-

dem, nicht vorgelegten Verhandlungen und Akten enthalten ist: c) wenn der Richter sein Urtheil aus Thatsachen oder Erklärungen

gegründet, welche er aus seiner Privatkenntniß entnommen hat; doch sind darunter nicht unbedingt auch notorische Umstände und

geschichtliche Ereignisse gemeint').

2. Wenn in der Sache keine

21) Pr. 15)9, vom 20. December 1844. 1) V. vom 14. Decbr. 1833, (XLIX, 1); L. 50, §. 1 D. de (XLII, 1); L. 7 C. de sentent. res judicata non nocet (VII, (VH, 57).

$• 5, Nr. 1. — L. 14, §. 1 D. de appell. legatis I; L. 47, 54 pr. D. de re jud. et interlocut. (VII, 45); Tit C. quibus 56); L. 5 C. comminationee cpistolas

2) Die Mittheilung durch den Gegner gilt nicht dafür. Dd. V, S. 394.

Schles. Archiv,

2 a) V. vom 14. Decbr. 1833, a. a. O.

3) Dekl. vom 6. April 1839, Art. 3, Nr. 1. 4) Jnstr. vom 7. April 1839, Nr. 12. Wenn aber hier gesagt wird, daß diese (notorische) Thatsachen nach §. 56, Tit. 10, Th. I. der A. G. O. keines Beweises bedürfen und die Parteien darüber nicht erst gehört zu werden branchen, so ist das nicht genau richtig. S. o. $. 210. Wenn das anainge, könnte jedes Urtel auf Privatkenntniß gegründet und mit der Phrase: „eS ist notorisch," gerechtfertigt werden. Sollte dies aber durch die Instruktion a. a. O. nicht

Instanz b. Rechtsmittel. Die einzelnen RechtSm. Die Nichtigkeitsbeschwerde.

gehörige Vorladung dein Beschwerten insinuirt worden ist5).

693

Ist die

Ladung rechtzeitig in die Hände des Geladenen gekommen, so ist es

gleichgültig, durch wen sie ihm zugestellt worden ist; auch hört der Mangel der Ladung aus, Nichtigkeit zu sein, wenn das ergangene

Kontumazialcrkenntniß

der

Partei

selbst

insinuirt worden ist6).

Eine gehörige Ladung ist cs nicht, wenn in Fällen, wo die Gesetze ein besonderes Präjudiz ausdrücklich androhen, gegen den

Vorgeladenen ein anderes Präjudiz zur Anwendung gebracht und

darauf der beschwerende Inhalt des Erkenntnisses gegründet worden ist, daher tritt Nichtigkeit ein7); wohl aber ist die Ladung für eine gehörige anzusehen, wenn darin der gesetzliche Rechtsnachtheil des

Ungehorsams gar nicht angcdroht ist, oder wenn ein zwar anderes als das gesetzlich vorgeschriebcne, mithin ein unrichtiges Präjudiz angedroht, gleichwohl aber in dem hicrnächst abgcfaßtcn Urtel das

richtige Präjudiz, obschon es nicht ausdrücklich angedroht worden, verwirklicht oder auögcfiihrt worden ist8).

Präklusivternlin überschritten und

3. Wenn ein gesetzlicher

diese Ueberschreitung von dem

erkennenden Richter zugelassen worden ist, mithin auch, wenn das

Fatale zur Anmeldung eines Rechtsmittels überschritten und das verspätete Rechtsmittel gegen das bereits rechtskräftige Erkenntniß noch zugelassen worden ist6).

4. Wenn eine, von einer Partei

gesagt sein sollen, wie zu vermuthen ist, so ist damit zugegeben, daß sich darüber: ob etwas notorisch fei oder nicht, streiten läßt, daß das Ja oder Nein nicht bloß von dem Wissen oder Nichtwissen des Richters abhangt und daß folglich

die Parteien darüber gehört werden müssen. 5) A. G. O. I, 16, 8- 2, Nr. 6 u. V. vom 14. Decbr. 1833, §. 5, Nr. 1.

— c. 8 X. de majori täte (I, 33); Clem. 2 de sentent. (II, 11).

Auch

gegen eine Purifikationsresolution findet die Nichtigkeitsbeschwerde Statt, wenn der Partei, welche schwören soll, die Vorladung gar nicht insinuirt worden ist. Pr. 1078, vom 11. December 1841.

6) Dann muß das Rechtsmittel der Restitutio» oder der Appellation ge­ braucht werden, A. G. O. I, 16, §. 2, Nr. 5, sonst wird die Anerkennung M UrtelS angenommen und folglich die Sentenz rechtskräftig. 7) V. vom 14. Decbr. 1833, §. 5, Nr. 2.

8) Pr. 768, vom 13. Decbr. 1839. Der Grund ist, weil bei Jedem das Recht als bekannt vorausgesetzt wird und daher anznnehmen ist, daß er sich den Recht-nachtheil, welcher aus der Richtbcfvlgung der Ladung den Rechten nach wirklich für ihn folgt, gefallen lasse. Durch die Anwendung de« gesetzlichen RechtSnachthcils geschieht ihm kein Unrecht, wohl aber durch die Anwendung eine« für deir Fall nicht vorgeschricbencn, also unrichtigen Präjudizes, dessen Androhung schon eine Rechtsverletzung war, mithin kein Rechtfcrtigungsgrund der Anwendung werden kann.

9) 1837.

G. R.

V. vom 14. Decbr. 1833, 8 5, Nr. 3. Pr. 332, vom 18. September Wird in diesem Falle da- rechtskräftige Urtel abgeändert, so tritt nach eine zweite Nichtigkeit ein. L. 9 C. de sentent. (VII, 45); L. 1 C.

Zweites Buch.

694

Ordentlicher Prozeß.

ausgehende, gültige Rekusation des Richters, also ein gesetzlich be­

gründetes Perhorreöcenzgesuch nicht beachtet wird'").

5. Wenn

ohne mündliche Bcrhandlung daS Erkenntniß in geheimer Sitzung abgefaßt worden ist*1'). 2

6. Wenn ein rechtzeitig angebrachtes ge­

setzlich zulässiges Rechtsmittel zurückgewiesen oder ein unstatthaftes

Rechtsmittel zugelaffen worden ist1 -).

§. 363. ß) Nichtigkeiten wegen Mängel in Form und Inhalt deS Urtels.

I.

erkannt,

Aus der fehlerhaften Form werden Nichtigkeiten nicht an­

insofern nämlich,

als es sich um den Gebrauch eines

förmlichen Rechtsmittels dagegeir handelt.

Denn ein bloß münd­

liches, auch nicht einmal zu Protokoll redigirtes Urtel ist zwar

allerdings nichtig, aber es ist so sehr Nichts, daß davon weiter keine Kenntniß genommen wird.

Der Mangel einer bestimmten

Verurtheilung oder Abweisung dient gleichfalls nicht zur Begrün­

dung eines Rechtsmittels, vielmehr ist ein solches nichtssagendes Urtel entweder von selbst ohne rechtlicbc Folge,

so daß nochmals

geklagt werden muß, oder eS muß auf Verlangen deklarirt und nach den Umständen ergänzt werden').

II. In dem Inhalte deS

UrtelS sind folgende Fehler als heilbare Nichtigkeiten anerkannt: 1. wenn der Richter gar

keine Entfcheidungsgründe angegeben,

oder der AppellationSrichtcr sich lediglich auf die Gründe des ersten Urtheils bezogen hat 2).

Wirb über mehrere Punkte erkannt, so

sentent. rescindi (VII, 50); L. 1 C. quando provocare non est necesse (VII, 64); L. 6 D. de exceptione rei jud. (aLIV, 2).

10) Dekl. vom 6. April 1839, Art. 3, Nr. 3. - L. 12, 16, 18, C. de judiciis (III. 5); Nov. 53, c. 3 (Sine solche Rekusation macht den Richter inkompetent. S. o. §. 361, Note 1. 11) V. vom 21. Juli 1846, §. 11. Dieser NichtigkeitSgrund ist noch nicht ausdrücklich anerkannt, aber in dem neuesten Prozeßrecht begründet. 12) Dekl. vom 6. April 1839, Art. 3, Nr. 2. Bei der Prüfung dieses Nichtigkeitsgrundes tritt sowohl in Ansehung deS SachverhältniffeS als der gesetz­ lichen Vorschriften eine völlig freie Beurtheilung deS NichtigkeitSrichterS ein. Pl.-Beschl. (Pr. 1337) vom 9. Oktober 1843 (Gntsch. Bd. IX, S. 153); Pl.-Beschl. (Pr. 1946) vom 6. December 1847 (Gntsch. Bd. XV, S. 66). 1) Daher ist ein, auf einen Gid erkennendes Urtel, welches für den Fall der Nichtleistunb die rechtlichen Folgen nicht auSdrückt, nicht, wie nach L. 11 C. de sententiis (VII, 45), nichtig, sondern nur unvollständig und muß nach­ träglich ergänzt werden. V. vom 14. Decbr. 1833, $. 5, Nr. 10 d.

2) V. vom 14. Decbr. 1833, g. 5, Nr. 9. Die Formel: „aus den vom ersten Richter angeführten, nicht widerlegten Gründen," war sonst eine sehr be­ liebte und gebräuchliche Rechtfertigung bestätigender Urtel.

Instanz d. Rechtsmittel. Di« eiiijelnen RechlSm. Die RichtigkeiiSbeschwerLc.

müssen für (eben derselben Gründe gegeben werden').

ßgz

Tie Gründe

sind der Erkenntnißformel, in einem abgesonderten Abschnitte, un­

mittelbar anzuhängen.

Sie müssen,

in erster Instanz, eine ge­

drängte schriftliche Darstellung der Thatsache und eine vollständige

Ausführung der Gründe, daS will sagen eine Angabe deS RechtSsatzes und dessen Anwendung auf das Sachverhältniß oder Geschäft, enthalten, damit erhelle, welche Thatsachen der Richter seiner Ent­

scheidung zum Grunde gelegt, wiesen,

waS er für erwiesen oder uner­

für erheblich oder unerheblich angenommen,

Rechtsgrundsätze er darauf angewendet hat'').

und welche

Die Vernachlässi­

gung dieser Vorschrift ist keine Nichtigkeit, wenn nur überhaupt ein Grund angegeben ist53), 64 7aber 8 das Ober-Tribunal, welches bei seiner Entscheidung über eine Nichtigkeitsbeschwerde das im ange­

fochtenen Erkenntnisse sestgestellte oder vielmehr vorausgesetzte Sachverhältniß zum Grunde legen soll'), Vorschriften

durch

Verweise

und

hat Verstöße gegen diese

Ordnungsstrafen,

welche

den

UrtelSfaffer und subsidiarisch den Leiter oder Oberaufseher treffen sollen, zu rügen').

2. Wenn nach den von dem Richter angege­

benen Gründen wider den klaren Inhalt der Akten erkannt wordm ist *).

Dieser Fall tritt ein: a) Wenn eine in den Prozeßschriften

3) Pr. 453, vom 23. März 1838. 4) A. G. O. I, 13, $. 7; I, 14, K. 67. In ist eine neue Darstellung nur in soweit erforderlich auf daS Erkenntniß erster Instanz festgestellt werden AppellationSrichter seiner Entscheidung zum Grunde 1854, $. 1 (G. S. S. 115).

den AppellationSerkenntniffen als nicht durch Bezuanahme kann, welche Thatsachen der gelegt hat. G. v. 20. März

5) ES ist z. E. eine Entscheidung ohne Angabe eines Grundes, wenn in einem AdjndikationSbefcheide nur der eingeleiteten Subhastation und deS erfolgten BcstgeboteS erwähnt wird, ohne daß durch „da" oder „weil" angedeutet wird, daß ein Grund angegeben werden soll. M. s. den Fall in Ullrichs Arch., Dd. VII, S. 130.

6) V. vom 14. Decbr. 1833, $. 16. 7) Jnstr. vom 7. April 1839, Nr. 17.

8) V. vom 14. Decbr. 1833, $. 5, Nr. 10. Dies ist der gemeinrechtliche NullitätSgrund deS offenbaren, im Urtel ausgedrückten Irrthums, wegen L. 1 §. 1 D. quae sententia sine appell. (XL1X, 8); c. 40 X. de »ent. excommunicat. (V, 39). Vcrgl. Duranti, L. II, part. 3, cap. de sententia, §. Item est nulla ratione manifeste iniquitatis, puta si contineat in se expressum errorem. — Diese Nichtigkeit entsteht aus dem Mangel deS recht­ lichen GehörS; denn dieser Mangel ist vorhanden, mag der Richter den Inhalt eines ParteivortragS oder einer BeweiShandlung ganz unberückstchtigt lassen (Fall a und b), oder etwas als vorgebracht annehmen, was nicht vorgebracht worden ist (Fall c und e). Kein NichtigkeitSgrund hingegen ist es, wenn der Richter durch fehlerhafte Auslegung einer Partei- oder BeweiShandlung zur An­ nahme eines unrichtigen Inhalts gelangt, insofern unbestimmte Fassung dazu die Möglichkeit gegeben hat.

Zweites Buch.

696

Ordentlicher Prozeß.

enthaltene oder zum Protokoll erklärte und mit Angabe der Be­

weismittel unterstützte Thatsache, welche eine entgegengesetzte Ent­

scheidung begründen würde, in den Urtheilsgründen gar nicht er­ wähnt ist9), 10 11 gleichviel, 12 * 14 15 welche Partei die übergangene Thatsache

vorgebracht hat, wenn nur die Uebergehung von dem Beschwerten gerügt wird").

Die

Erheblichkeit

der

übergangenen Thatsache

beurtheilt der NichligkeitSrichter nach seiner Rechtsansicht, so daß,

wenn sie danach unerheblich ist,

keine Nichtigkeit vorhanden ist,

obgleich die Thatsache nach der Auffassung des Verhältnisses Sei­

tens des Richters, dessen Urtel angefochten wird, erheblich erscheint und also nach dessen Standpunkte nicht hätte übergangen werden

dürfen").

Eine Uebergehung

ist es nicht, aber

Thatsache nicht weiter gewürdigt,

doch

wenn

die erhebliche

in der Geschichts­

Dagegen gilt es für Ueber­

erzählung erwähnt worden ist'9). gehung einer erheblichen Thatsache,

b) wenn der in Bezug auf

eine solche aufgenommene oder vorgeschlagene Beweis, welcher eine entgegengesetzte Entscheidung begründet haben würde oder könnte,

in den Urtelsgründen gar nicht erwähnt ist, oder wenn die in der §. 10,

Prozeßordnung Tit. 13,

Nr. 1—9 bezeichneten Beweis­

mittel zur Herstellung eines vollständigen Beweises für ungenügend erklärt und die Gründe hiervon nicht angegeben worden sind").

Das

bloße Unterbleiben

der Beweisaufnahme über eine an sich

erhebliche Thatsache, wenn der Richter das Gegentheil bereits für erwiesen angenommen hat, und diese Annahme von dem Beschwer­

ten nicht in gesetzlicher Weise und mit Erfolg (durch Beschwerdefuhrung) angefochten ist, ist keine Nichtigkeit").

Wird die Be­

schwerde aus einem der beiden Gründe a und b für begründet er­

achtet, und findet sich dann bei der Beurtheilung der Hauptsache und Prüfung der Beweise jene Thatsache nicht erwiesen, so wird

die Beschwerde nicht verworfen, sondern die angefochtene Entschei­ dung auftecht erhalten'9),

c) Wenn der aus einer bestimmten

9) V. vom 14. Decbr. 1833, a. a. O. lit. a. Die Stelle, wo die Erwäh­ nung geschieht, ist gleichgültig. 10) Pr. des Ob.-Lr., Nr. 643, vom 15. April 1839. 11) Jnstr. vom 7. April 1839, Nr. 18. - Pr. 585, bei Höppe, S. 73. 12) Pr. des Ob.-Tr. 300, vom 29. Juli 1837, n. Pl.-Bcschl. v. 5. Juni 1838 (Guts». Bd. III, S. 310).

13) Dell, vom 6. April 1839, Art. 3, Nr. 4 u. 5. — Jnstr. vom 7. April 1839, Nr. 19, a linea 3. 14) Pr. des Ob.-Tr. 291, vom 30. Juni 1837.

15)

Pr. 886, vom 4. Juli 1840.

Instanz d. Rechtsmittel. Die einzelnen RechtSm. Die Nichtigkeitsbeschwerde.

Parteierklärung

entnommene Entscheidungsgrund

697

dein wörtlichen

Inhalte dieser Erklärung entgegen ist, oder wenn eine Thatsache,

im Falle

eine Beweisaufnahme stattfand,

gegen den wörtlichen

Inhalt der beigebrachten oder aufgenommenen Beweismittel fest­ gestellt worden ist, welcher Fall auch dann vorhanden, wenn die

Entscheidung von

einem nothwendigen Eide

worden und eine der Thatsachen,

nach

abhängig

gemacht

die Berstattung

welchen

zum Eide bewilligt worden, gegen den wörtlichen Inhalt der Be­

weismittel festgestellt worden ist"),

d) Wenn zur Begründung

der Richtigkeit einer erheblichen Thatsache den beigebrachten oder

aufgenommenen

Beweismitteln,

welchen

nach

den

Gesetzen

die

Beweiskraft völlig mangelt, dennoch Beweiskraft beigelegt worden

ist, gleichviel, ob der Mangel der Beweiskraft ein absoluter, wie

z. E. bei einem unbeeidigten Zeugen"), oder ein relativer Mangel in Beziehung auf solche Punkte, zu deren Gunsten dem Beweis­ mittel die Beweiskraft fehlt"),

e) Wenn das Urtel über das

Begehren der Partei hinausreicht, wo es in den Gesetzen nicht ausdrücklich gestattet ist").

Zn Generalkommissionssachen, wenn

eS sich von Entscheidungen in demjenigen Verfahren handelt, wel­ ches in den §§. 162 ff. der Verordnung vom 30. Juni 1817

vorgeschrieben ist, gilt dieser Nichtigkeit-grund nichts«).

Hat der

Appellationsrichter nach dem Anträge deS Appellanten mchr zuer­

kannt,

als der Appellant in dem Klageantrage begehrt hat,

so

wird dies nicht für eine Verletzung der fraglichen Rechtsregel an­ gesehen, weil sie zwischen den Anttägen in erster und zweiter Jn-

16) V. »cm 14. Dtkbr. 1833, §. 5, Nr. 10b. — Pr. 360, v. 11. Rcvbr. 1837. Hierher gehört auch der tu L. 1, §. 1 D. quae sententia sine appellat. (XLIX, 8) erwähnte Fall, wenn der Richter erwägt, daß weil der Beklagte auS diesem Grunde 50 und auS jenem Grunde 25 schulde, er mithin 100 schuldig sei. Diese Feststellung der Summe ist dem wörtlichen Inhalte deS Be­ weismittels entgegen. 17) Pr. deS Ob.-Tr. 190b, vom 18. Marz 1837. Doch ist eS keine Nichtigkeit, wenn der Richter auS der Aussage eines nur pro informatione vernommenen Zeugen einen Unterstützungsgrund für den der einen Partei aufer­ legten nothwendigen Äid entnommen hat. Pr. 671, vom 6. Mai 1839. Auch das ist keine Nichtigkeit, wenn der AuSfaae eines Zeugen, die nur Urtheile ent­

hält, Beweiskraft beigelegt worden ist. 1840 (Tntfch. Bd. V, S. 212).

Pl. - Befchl.

(Pr. 846)

vom 27. April

18) V. vom 14. Deebr. 1833, §. 5, lit. c. — Znstr. vom 7. April 1839, Nr. 19. 19) Dieselbe V. a. a. O. lit. d. Die AuSnahmefälle enthält die A. G. O. I, 23, $. 58. Ultra petitum non datur. L. 18 D. communi dividundo (X, 3).

20) K. O. vom 15. März 1834, nach Höppe, S. 77.

698

Zweites Buch. Ordentlicher Prozeß.

stanz nicht unterscheidet21); wohl aber tritt eine solche Verletzung

und daher Richtigkeit auch bei Präklusions-Erkenntnissen in Sachen betreffend das Aufgebot gewisser Interessenten ein, wenn die Prä­

klusion weiter geht, als der Ertrahent begehrt hat22).23 24 Wenn 25 26das Urtel nicht über alle Streitpunkte erkennt, so ist dies nicht, wie

nach Gemeinem Rechte22), eine Richtigkeit, sondern der Richter

ist auf Verlangen einer der Parteien nur ein nachträgliches Ergänzungsurtel zu geben verbunden2 4); er muß zu diesem Zwecke

eine neue Audienz und Entscheidung

Behufs mündlicher

bewilligen

und

dazu

Verhandlung der Sache die Parteien

kostenfrei

vorladen. §. 364.

Fortsetzung. 3.

Nichtigkeit contra jus in thesi.

Wenn das angefochtene Urtel einen Rechtssatz verletzt, er

möge auf einer ausdrücklicher

Vorschrift des

Gesetzes

beruhen,

oder aus dem Sinne und dem Zusammenhänge der Gesetze her­

vorgehen, oder wenn dasselbe einen solchen Grundsatz in Fällen, wofür er nicht bestimmt ist, anwcndet22). Es kommt nicht darauf

an, ob die materiellen Gesetze, deren Verletzung die Nichtigkeit be­ gründet, sich in dem Allgeineincn Landrcchte oder in andern, das materielle Recht vornehmlich bestimmenden Gesetzen,

oder in der

Allgemeinen Gerichtsordnung und den, das Prozeßverfahren re­

gelnden Gesetzbüchern vorfindcn22).

DicS ist die Richtigkeit con­

tra jus in thesi des G. R., welche mehr als alle übrigen Nich­ tigkeiten die Rechtskraft der Urtel unsicher gemacht hat.

Da die

Rechtsfindung bei jedem Urtel durch Reflerion des Richters ge­ schieht und dabei in den allermeisten Fällen die individuelle Auffassungswcisc und Ansicht entscheidet, indem die Gesetze nicht für

alle möglichen Fälle eine erschöpfende Bestimmung enthalten können; so entstehen von selbst

zweifelhafter

eine Menge

oder streitiger

Rechtssätze, von welchen sich durchaus nicht behaupten läßt, daß

21) Pr. 524, vom 22. September 1838. 22) Pr. 1195, vom 24. September 1842.

23) c. 22 X. de rescriptis (I, 3); c. 32 X. de officio judicis delegati (I, 29). 24) B. vom 14. Decbr. 1833, §. 5, Nr. 10 d. 25) Ebenda, §. 4, Nr. 1 u. §. 27. - A. G. O. I, 16, §. 2, Nr. 2.

26) Jnstr. vom 7. April 1839, Nr. 10.

Jttstauz d. Rechtsmittel. Die einzelnen Rechtem. Die Nichtigkeitsbeschwerde.

699

sie contra jus in thesi sind. Auch ändern sich die Rechtsansichtm

in Folge selbst,

so

der nothwendigen Fortbildung

des

RechtS

ganz von

daß viele Ansichten jetzt als völlig ausgemacht und

zweifellos gelten, deren Gegentheil noch vor wenigen Jahren als feststehende unzweifelhafte RcchtSwahrheiten gelehrt und beim Recht­ sprechen angewendet wurden2 ’).

Soll die Annahme eines solchen

Satzes eine Nichtigkeit sein, so lassen sich die Nichtigkeiten contra jus in thesi zuletzt auf Nichtigkeit gegen die derzeitige, bis jetzt

vielleicht noch unbekannte RechtSmeinung des NichtigkcitSrichters, die er vielleicht daö nächste Mal schon wieder ändert, zurücksühren.

Neuere Gesetzgebungen haben deshalb versucht, diesen RullitätSgrund durch die Bestimmung zu beschränken, daß ein Urtel nur dann alS nichtig angefochten werden könne, wenn eS gegen klare

Rechtsbestimmungen verstoße.

Diesen Gesetzgebungen hatte sich

die einheimische angeschlossen2»).

Doch war damit nichts

ge­

wonnen; was dem Einen klar vorkommt, ist dem Andern, vielleicht

nicht ohne Grund, sehr unklar. zwei Wege waren:

Man überzeugte sich, daß nur

entweder die Nichtigkeit contra jus in thesi

ganz fallen zu lassen und nur die Appellation zu gestatten, oder

die Rechtsansicht deS Nichtigkeitsrichters als den wirklich wahren Rechtssatz, gegen welchm geurtheilt worden, gelten zu lassen. Die neuere Gesetzgebung hatte mancherlei Aufgaben zu lösen, worun­ ter die Aufgabe nicht die geringste war: ein Verfahren zu schaffm,

welches die überhand genommene Schreiberei auf ein zu bewäl­ tigendes Maaß zurückfihre und die große Menge der in die dritte

Instanz gehenden Sachen soweit vermindere, daß sie von dem ober­ sten Gerichtshöfe, ohne zu große Vermehrung der Ausgaben, erledigt

werden könnten2').

Diese Aufgabe löste man dadurch, daß man

eine Menge Rechtssachen von der Revision ausschloß, „dagegen"

27) Jeder praktisch« Jurist weiß aus der Erfahrung, wie viele Recht-sätze diesen Gang genommen Haven. Ein- der auffallendsten Beispiele giebt da- Institut der Laudkmien, besonder- in Schlesien, indem noch vor kaum fünfzehn Jahren gewisse Arten von hergebrachte» Hebungen so au-gemacht für Laudemien galten und angesehen wnrden, daß kein Richter dabei irgend ein Bedenken hatte, wäh­ rend jjtzt diese Meinung für so gewiß grundirrig gehalten wird, daß man di« Condictio» des damal- au- vermeintlichem Irrthum Gezahlten für begründet halten will und in vielen Fallen auch dafür gehalten und den Empfänger zur Rückzahlung verurtheilt hat. 28) A. G. O. I, 16, $. 2, Nr. 2; I, 26, $. 18. 29) Der Zustand war so, daß, ungeachtet «ine Menge von Revision-sachen nicht an da- Ob.-Tr. gingen, doch ost Jahre lang auf da- Revision-urtel ge­ wartet werden mußte.

Iwrit»- Buch. Ortkntlichkr Prozeß.

700

aber ein Rechtsmittel ter Nichtigkeitsbeschwerde gestattete, nicht bloß wegen Verletzung wesentlicher Prozeßvorschristen (Bestandtheilen deS

Prozesses), sondern auch, wenn gegen einen Rechtssatz geurtheilr worden, er möge aus einer ausdrücklichen Vorschrift eines Gesetzes beruhen, oder aus dein Sinne und Zusammenhänge der Gesetze

bervorgehen; oder wenn das Urtel einen solchen Rechtösatz in Fällen,

wofür er nicht bestimmt ist, anwendet3 ”).

Darnach ist in der That

die jedesmalige Rechtsansicht des Ober-Tri'bunalS über einen zweifel­ haften Rechtssatz die Probe der Wahrheit,

welche dem Wechsel

unterworfen ist, wie denn auch die nun zwei Teeennien alte Nichtig-

keitsbeschwerde-Praris eine große Zahl von dergleichen Widersprüchen aufzuwkisen hat, tic in den Plenarbeschlüssen ihre Auslösung finden

sollen3').

Bei aller Unbeschränktheit des Obcr-TribunalS in der

Beurtheilung der Nullität contra jus in thcsi ist aber doch der Unterschied, welchen das G. R. zwischen einem Richtcrspruch contra

jus in tbesi und den Fällen sehr bestimmt macht, wo der Richter

den RechtSsatz und dessen Anwendbarkeit nicht verkennt, jedoch mit Unrecht dafür hält, daß ter Partei das begehrte Reckt gleichwohl

zustehe oder nicht zustehe (contra jus litigatoris scntentiam ferre)3 302),31

nicht aufgehoben.

Der gemeinrechtliche Unterfcbied zwischen sen-

tcntia nulla und sentenlia injusta s. iniqua besteht also noch: eine Sentenz letzterer Art ist mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht

angreifbar, und daher ist das in dem angefochtenen Erkenntnisse als feststehend angenommene Sachverhältniß, wenn die Nichtigkeit

nicht in Fehlern des Verfahrens liegt, der freien Beurtheilung deS

Nichtigkeitsrichterö entzogen33).

Ganz passend nennt die Preußische

30) B. vom 14. Dttbr. 1833, 88- 1—4. 31) Dadurch ist dcm Ob. - Tr. gesetzgebende Gewalt beigelegt und die wissenschaftliche Fortbildung des Rechts, sowie die Entwickelung eines bessern Geistes der Rechtspflege, wenn nicht völlig gehemmt, doch sehr erschwert. S. auch Mi ttermaier a. a. O., S. 101, u. Bornemann, Beitrage zur Ver­ besserung deS Appellation--Verfahrens, S. 71. Ueber die Einrichtung wegen der Präjudizien f. m. Beurtheilung der ersten zehn Bände Entscheidungen deS Ob.-Tr., Einleitung. 32) c. 41, §§. 5, 6, C. 2, qu. 6; c. 13 X. de sententia et re jud. (II, 27). Vergl. L. 27 D. de re jud. (XLII, 1). 33) V. vom 14. Dccbr. 1833, $. 16. Die Iniquität, im Gegensatze zur Nullität, liegt meistens in einer fehlerhaften Beurtheilung deS Beweises oder in irriger Auffassung deS SachverhältnisseS; während die Nullität contra jus in tbesi in fehlerhafter Auffassung eines RcchtSbegriffS, oder in Verwechselung von RechtSbegriffcn und Auwcndnng eines falschen oder nicht pertinenten RechtSfatzeS auf daS als feststehend angenommene Sachverhältniß, oder in Nichtbeach­ tung eines Rechtssatzes besteht. Solches demonstrirt zum Theil schon die Justrukt. vom 7. April 1839, §. 9, in ihrem Lehrtone durch Beispiele.

Instanz d. Rechtsmittel. Die einzelnen Rechtsm. Die Nichtigkeitsbeschwerde.

701

Gesetzgebung diesen Nichngkeitsfall Nichtigkeit wegen Verletzung eines Rechtsgrundsatzes (33), doch muß nicht vergessen werden,

baß damit eben nur die gemeinrechtliche Nullität contra jus in thesi gemeint ist, und sich hüten, etwas anderes als eben nur dieses in der Unterscheidung zwischen Verletzungen einte Rechtsgrundsatzes

und Verletzungen einer wesentlichen Prozeßvorschrift zu suchen. Die Strebungen nach ter Feststellung der linterscheidenden Kennzeichen

der Prozeßvorschriften und der Rechtsgrundsätzc zu dem Zwecke, um zu ermessen:

ob eine Nichtigkeit wegen Verletzung eines Rechts­

grundsatzes vorhanden oder nicht vorhanden sei, ist unfruchtbar

und der Fortbildung des Instituts in einem wissenschaftlichen Geiste

zuwider; das Vollendetste, was auf diesem Wege zu erreichen steht, ist ein zahlloses Register von Fällen, wo man eine Rechtsverletzung

oder keine Rechtsverletzung angenommen hat.

Es ist aber nicht

undenkbar, daß eine, in einem Fehler in wesentlichen Bestandtheilen, des Prozesses sich gründende Nichtigkeit in anderer Beziehung zu­

gleich oder auch eine Nichtigkeit contra jus in thesi sein kann'^). Das auf diesem Abwege bisher Geleistete ist etwa Folgendes: 1. zu

den Prozeßvorschristen und nicht zu deit Rechtssätzen werden auch

gerechnet die Vorschriften von den Rechtsmitteln und deren Zu­ lassung, sowie die Regeln deö Beweises einer bestrittenen Thatsache

Prozeßvorschristen sind; die Frage aber: ob das einer Klage zum Grunde liegende Dokument, wegen Mangels in der Form ungültig,

oder ob die Vorschrift über eine rechtliche Vermuthung (praesumtio

Juris) verletzt, oder auf Fälle, wofür sie nicht bestimmt ist, an­ gewendet worden sei, berührt einen Grundsatz des materiellen Rechts"). 2. Wenn der Beweis einer Thatsache, wofür rechtliche

34) DaS Ob.-Tr. hat j. (8. selbst angenommen, daß wenn in einem noth­ wendige» Subhastation-verfahre» die Jntereffenten zu dem Bietung-termine gar nicht oder nicht gehörig vorgeladen sind und dennoch die Adjudikation erfolgt, die Verletzung eine« Recht-grundsatzes und auch die einer wesentliche» Prozeß­ vorschrift begangen sei (Jur. Wochenschrift 1842, S. 296). Da- ist auch voll­ kommen richtig. Die Richtigkeit contra jus in thesi besteht hier darin, daß der Richter ein Gebot ohne Annahme für diifti perfekte» Kontrakt, also eine einseitige Erklärung für einen Vertrag hält; er irrt also im Recht-begriff von Verträgen und Kaufkontrakten. Einen andern Fall s. u. Rote 42. 35) Jnstr. vom 7. April 1839, Rr. 11. Da- Alle- ist willkürliche An­ nahme. Der Satz: daß in gewissen Sachen die Berufung oder die Nichtigkeits­ beschwerde statthaft sei, hat nicht weniger Berechtigung, ein materieller Rechts­ satz zu fdii, al- der, daß in gewissen Fälle» eine Klage »der keine Klag« statt­ finde. Ej» Appellation-urtel, welche- eine verspätete oder an fich unzulässige Appellation für annehmbar erklärt (die Förmlichkeiten für beobachtet annimmt), und da- rechtskräftige Urtel abändcrt, ist nichtig wegen Verletzung des mate­ riellen Recht-grundsätze-: daß ein« res judicata unabänderliche- Recht zwischen

Zweites Buch. Ordentlicher Prozeß.

702

Vermuthungen streiten, gefordert wird, so ist dies eine Verletzung von Rechtsgrundsätzen3 6). 3. Desgleichen sind die Vorschriften der

88. 273, 293 a. E. u. 88. 274—278, Tit. 10, Th. I. der A. G. O.,

den Beweis durch den Eid betreffend, Rechtsgrundsätze3 ’), wogegen die Vorschriften, wonach zu beurtheilen, ob der Eid de veritate oder de ignorantia abzulcistcn ist, Prozeßvorschriften, und zwar solche, deren Verletzung eine Nichtigkeit nicht begründet, sind33).

4. Desgleichen ist es Verletzung eines Rcchtsgrundsatzeö, wenn ein Judikat gegen Andere als gegen diejenigen, gegen welche es ergan­ gen, angcwcndet wird33).

5. Desgleichen wenn in possessorio

summarissimo wider die Vorschrift der §8. 3, 16, Tit. 31, Th. I. der A. A. O., der Besitzstand nicht nach dem faktischen jüngsten

Besitze, sondern nach Eigenschaften und Handlungen, welche das

Besitzrccht betreffen, fcstgcstellt worben40).

6. Desgleichen ist die

Vorschrift, daß keine Subhastation ohne Tarc cingelcitct werden soll, ein Rechtsgrundsatz4'); sowie 7. die Vorschrift, daß bei noth­

wendigen Subhastationen neue Bieter nach 6 Uhr Abends nicht angenommen werden dürfen43); und 8. die Vorschriften über die

allgemeinen auch bei gerichtlichen Verkäufen Anwendung findenden

Grundsätze von Kaufgeschäften und die besondern Erfordernisse der Subhastation43).

Diese Kasuistik ist entbehrlich, wenn der Begriff

der Nichtigkeit contra jus in thesi festgehalten und erwogen wird,

daß aus den Bestandtheilen des prozessualischen Verfahrens nur bestimmte Fehler als Nichtigkeiten anerkannt und daß diese Nich-

tigkeitsfälle nicht etwa bloß Beispiele sind.

trn Partei«« grüntet. Dir Regel: res judicata pro veritate accipitur, ist keine Prozcßvorschrift. I» Ansehung der Bcwcisregeln hat das Ob.-Tr. schon manche Ausnahme gemacht. 36) Pr. 640, bei Höppe, S. 62, lit. a. 37) Pr. 382, vom 9. December 1837. 38) Pr. 398, vom 15. December 1837. - Schles. Arch. Bd. IV, S. 520.

39) Pr. des Ob.-Tr. 170, vom 10. März 1837. 40) Pr. 190 a, vom 18. März 1837.

41) Pr. 330, bei Höppe, S. 62, lit. e. Man sollte diese Borschrift eher für eine Prozcßvorschrift halten, da die Taration ein wesentlicher Bestandtheil des Subhastationsprozcjscs ist. 42) V. II. vom 4. März 1834. §. 10. — Erk. des Ob.-Tr. v. I. 1836, ebenda, lit, f. — Die Verletzung dieser Vorschrift ist aber auch zugleich Ver­ letzung einer wesentlichen Prozeßvorschrift. S. o. §. 310, Note 3.

43) Jnstr. vom 7. April 1839, Nr. 21.

Instanz b. Rechtsmittel. Die einzelnen Rechtsm. Die Nichtigkeitsbeschwerde.

703

8. 365. 3.

Heilung der Nichtigkeiten.

Anfangs war der aus dem R. R. herkommende Grundsatz,

daß die wegen mangelnder Kompetenz nichtigen Gerichtshandlungen durch stillschweigende prorogatio

fori rückwärts

gültig werden,

wenn die beeinträchtigte Partei nicht die exceptio fori macht'), auf alle in Fehlern der wesentlichen Prozcßhandlungen sich grün­

denden Nichtigkeiten angewcndet: cS sollte die verletzte Partei der Nichtigkeitsbeschwerde wegen Verletzung wesentlicher Prozeßvorschristen verlustig

gehen,

wenn sie diese Verletzung,

obwohl

davon

unterrichtet, dennoch in der zunächst stattgefundenen Prozeßverhand­ lung nicht gerügt hattet). Diese Bestimmung ist folgeweise durch

das jüngste Prozcßgcsctz abgeschafft, indem die Nichtigkeitsbeschwerde hinsichtlich der Anmeldung, Einführung und Rechtfertigung, der

Revision völlig gleichgestellt worden ist31). 42 5 Es bleibt daher nur der eine Fall stillschweigender Entsagung übrig, wo der Beein­

trächtigte die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels unbenutzt vor­

über gehen läßt.

Diese stillschweigende Entsagung hat mit der

ausdrücklichen Billigung'') die gleiche Wirkung, daß der Beein­ trächtigte später die Nichtigkeit auch nicht mehr als Erception rügen kanns).

8. 366.

4. I.

Behandlung der Nichtigkeiten.

Ist in der Sache gegen das beschwerende Urtel die Appel­

lation oder die Revision zulässig, so können und müssen die Nichtig­ keitsgründe zugleich zur Rechtfertigung dieses Rechtsmittels gebraucht

werden').

Wenn aber keines dieser wegen Iniquität dcS Urtels

gegebenen Rechtsmittel mehr stattfindet, so müssen die Nichtigkeiten

1) A. G. O. I, 2, 8. 160. — L. 13 C. de except. (VIII, 36); L. I, 2 pr. §. 1 D. de judiciis (V, 1). 2) V. vom 14. Decbr. 1833, §. 6. Dadurch waren eine Menge Zweifel über den Begriff von ProzeßVerhandlung und Proreßschrift entstanden. Jnstr. vom 7. April 1839, Nr. 20. 3) V. vom 21. Juli 1846, §§. 15, 16, 18, 23.

4) L. 3 C. quomodo et quando judex (VII, 43). 5) Die ältern gemeinrechtlichen Praktiker lehrten, daß die Einrede der Nul­ lität, gleich den übrigen Erceptionen, unverjährbar sei. 1) Dekl. vom 6. April 1839, Art. 3, Nr. 2. - Pr. 805, vom 10. Febr. 1840; Pr. 1410, vom 9. Februar 1844; Pr. 1416, vom 22. Januar 1844.

durch die eigentliche Nichtigkeitsbeschwerde gerügt werden, welche als Rechtsmittel gegen den Prozeßgegner, nicht gegen den Richter gerichtet ist. 1. Der Beschwerdeführer muß beeinträchtigt sein2) und heißt Implorant, der Gegner Jmplorat3).4 2. Die Beschwerde­ schrist muß enthalten: a) die Angabe der Beschwerdepunkte, b) eine bestimmte Bezeichnung derjenigen Nichtigkeit, wegen welcher das Urtel angefochten wird. Besteht die Nichtigkeit darin, daß eine iil den Prozeßschriftcn enthaltene oder zum Protokolle erklärte und mit Angabe der Bewcisitiittcl unterstützte Thatsache, welche eine entgegengesetzte Entscheidung begründen würde, in den Urtclsgründen gar nicht erwähnt ist (§. 363, II, 2, a); oder darin, daß ein aufgenominener oder vorgcschlagener Beweis über eine solche That­ sache in den Gründen übcrgcgangcn ist (ib. b); oder darin, daß der aus einer bestimmten Erklärung der Partei entnommene Ent­ scheidungsgrund dem wörtlichen Inhalte dieser Erklärung entgegen ist; oder daß eine Thatsache, im Falle eine Beweisaufnahme statt­ fand, gegen den wörtlichen Inhalt der beigebrachten oder aufgenommencn Beweismittel fcstgestellt worden (§. 364, II, c): so muß die betroffene Verhandlung oder Prozeßschrift genau bezeichnet werden; die Angabe der Stelle in den Akten ist nicht nrehr erfor­ derlich^). Wird eine Nichtigkeit contra jus in thesi behauptet, so ist die gesetzliche Vorschrift, oder der RechtSgrundsatz, wogegen gefehlt worden, bestimmt anzugebcn5). Doch gehört dazu nicht die Bezeichnung der Gesetzstellc, vielmehr genügt die bloße Angabe des bestimmten Rechtssatzes oder der Gesctzesvorschrift6). c) Ein bestimmter Antrag : was und wie erkannt werden soll, ist nützlich, aber nicht mehr nothwendig, weil schon aus der Aufzählung der Beschwerdepunkte und aus den Anträgen in der vorigen Instanz 2) Bloß zur Aufrcchthaltiuig des Rechtsprinzips steht keiner nicht beeiiiträchtigtcn Privatpartei oder Behörde die Nichtigkeitsbeschwerde zu. V. von»

14. Dccbr. 1833, §. 4. 3) Die A. G. O. I, 16, §. 10, nennt sie auch Alle ganten und Allegaten.

4) V. vom 14. Decbr. 1833, §.11, Abs. 2, aufgehoben durch Art. 6 der Dell, vom 6. April 1839, wogegen der Art. 8 neue Bestimmung trifft.

5) V. vom 21. Juli 1846, §. 23, lit. a. - Dckl. §. 8. — Ebenso nach der K. G. O. von 1555, III, 34, §.4 u. Coiic. HI, 40, §.4: „Und sollen die Prokuratorcs die Ursache» der Nullität specistee auszudrücke» und zu be­ stimmen schuldig sein." 6) Jnstr. vom 7. April 1839, Nr. 27, Abs. 2. Vorher hatte das Tribunal die Angabe der Ziffer »der Stelle des verletzten Gesetzes verlangt und viele Be­ schwerden zurüekgcwicsen, welche diese Allcgativn nicht enthielte».

Instanz b. Rechtsmittel. Die einzelnen RechtSm. Die Nichtigkeitsbeschwerde.

705

die Absicht des Imploranten erhellet, daher genügt der Antrag auf Vernichtung des angefochtenen Erkenntnisses und auf Entscheidung der Hauptsache nach Maßgabe der früheren Anträge und der an­ gebrachten Beschwerden^). 3. Die Nichtigkeitsbeschwerde muß alle Mal durch einen Schriftsatz angebracht werden, welcher durch einen bei dein Ober-Tribunale airgestellten Rechtsanwalt nicht etwa bloß unterschrieben, sondern verfaßt und unterschrieben sein muß«). II. Als Jmplvrat ist derjenige anzuschcn und zuzuziehcn, welcher durch die begehrte Vernichtung des angefochtenen Urtels einen Nachtheil erleiden würde. Im Subhastationsprozesse läßt sich dies nur in jcdein einzelnen Falle, mit Rücksicht auf die Person des­ jenigen, der das Adjudikationsurtel angrcift, und nach Maßgabe seiner Anträge bestimmen’). III. Der Devolutiveffekt der Nichtigkeitsbeschwerde versteht sich von selbst. Suspensiveffekt soll dieselbe zwar grundsätzlich nicht haben, dennoch wird das Fort­ schreiten des ersten Richters in der Sache in folgenden Fällen suspendirt: 1. die Vollstreckung des Urtels wird ausgesetzt, wenn durch die Erekution ein unersätzlicher Schaden entstände und der Verurtheilte die streitige Sache oder Summe in gerichtlichen Ge­ wahrsam giebt oder für andere Verpflichtungen eine von dem Richter sestzusetzende Kaution bestellt. Wird die Beschwerde ver­ worfen, so ist der Tag der Insinuation des angefochtenen Erkennt7) Jnstr. vom 7. April 1839, Nr. 27, Abs. 3. Der §. 11 der B. vom 14. Decbr. 1833 verlangte einen bestimmte» Antrag, ist aber durch §. 6 der Dekl. vom 6. April 1839 aufgehoben. Eine große Menge von Nichtigkeits­ beschwerden scheiterte an den formellen Ecken und Klippen der gedachten Ver­

ordnung. 8) V. vom 21. Juli 1846, §. 23, lit. d. - Rcglem. deS Ob.-Tr., §. 42. — Pl.-Bcschl. vom 2. April 1849, oben in der Anm. 10 zu §. 355.

9) Jnstrnkt. vom 7. April 1839, Nr. 32. Dort werden zur Erläuterung einige Beispiele vorgcfnhrt, die nicht alle richtig stnd. „Ist die Einlegung dieses Rechtsmittels z. B., heißt eS, von dem Schuldner erfolgt, indem derselbe be­ hauptet, daß die Subhastation unstatthaft gewesen, so sind bei der Aufrechter­ haltung des Zuschlagscrkcnntniffes sowohl die Realgläubiger, deren Fordeningen da» Mcistgebot deckt, als auch der Adjudikatar interesstrl; beide müssen also zur Beantwortung der Nichtigkeitsbeschwerde aufgefordert werden." Das entspricht dem Rechtsverhältnisse. Weiter. „Wird die Nichtigkeitsbeschwerde von einem Bieter, welcher weder zu den Gläubigern gehört, noch Besitzer des Guts, noch Adjudikatar ist, eingelegt, weil der Zuschlag an ihn und nicht an den Adjudi­ katar hätte geschehen solle», so kommt in der Regel nur das Interesse des Adjudikatars in Frage, da er hier allein bei dem Bestehen de» Zuschlagscrkcnntnisscs bcthciligt ist." Das entspricht nicht dem Rechtsverhältnisse, nach welchem die Vcrtaufsintcrcffenten allerdings ein Hauptinteresse dabei haben, daß ihnen nicht ein Käufer aufgezwungen werde, mit dem sie nicht kontrahirt haben und nicht kontrahirr» mögen.

Koch, Civitprozeß. L. Anst.

45

nisses der Tag der Rechtskraft desselben'"). Eine Ausnahme von der Besugniß zur gerichtlichen Deposition oder Kautionsleistung machen laufende Alimente oder Erkenntnisse, welche sonst nach den Vorschriften der Prozeßordnung provisorisch vollstreckbar sind, und die erkannte Aufhebung eines Arrestes1'). 2. Die Abnahme eines in dem Urtel auferlegten nothwendigen, nicht aber eines deferirten oder referirten Eides darf nicht vor Zurückweisung der ein­ gelegten Nichtigkeitsbeschwerde, mithin niemals früher als nach Ablauf der für die Einlegung der Nichtigkeitsbeschwerde bestimmten gesetzlichen Frist erfolgen'"). — Außer diesen Fällen behält das Verfahren des Richters erster Instanz seinen ungestörten Fortgang, und damit dies bei Versendung der Akten an den Nichtigkeits­ richter möglich bleibe, sollen mit den Verhandlungen über die Voll­ ziehung des angefochtenen Erkenntnisses besondere Aktenhefte an­ gelegt und Abschriften der ergangenen Urtheile zu denselben zurück­ behalten werden13). §. 367.

5. Verfahren. Wegen Anmeldung, Einführung und Rechtfertigung der Nichtig­ keitsbeschwerde, sowie wegen Einsendung und Remisston der Akten gilt das Gleiche, was bei der Revision (§§. 454, 355) ’). Auch das Verfahren ist dasselbe, wie in der Revisionsinstanz (§. 356, 1357). Das Urtel entscheidet nicht, wie nach Gemeinem Rechte, nur über die Nichtigkeit, sondern, wenn das angefochtene Urtel 10) V. vom 14. Decbr. 1833, §. 10. — R. vom 20. Oktbr. 1840 (Sufi. M. Bl. S. 341). — R. vom 6. Januar 1841 (I. M. Bl. S. 43). - Clem. 1 de sentent. (II, 11). 11) Dell. vom 6. April 1839, Art. 5.

12) Ebenda, Abs. 2. — Pr. 1262, v. 21. Januar 1843, beiHöppe, §. 98.

13) Jnstr. vom 7. April 1839, Nr. 26. Es versteht fich, daß auch ein in dem angegriffenen Urtel wegen AuSmittelung einer Summe vorbehaltenes Separatverfahren, der Nichtigkeitsbeschwerde ungeachtet, sogleich eingeleitet (Nr. 26 das.) und ein adjudicirtes Grundstück übergeben werden'muß und nicht gericht­ lich verwaltet werden darf; aber der hierfür, a. a. O. Nr. 25, angegebene Grund: „weil mit dem Tage der Publikation des AdjudikationSerkenntniffes Gefahr und Nutzungen auf den Adjudikatar von selbst übergehen, daS Erkenntniß also durch die Publikation schon vollstreckt werde," ist nicht zutreffend, denn diese Wirkung tritt nur ein, wenn daS Urtel nicht nichtig ist, worüber eben erst entschieden werden soll. 1) Früher sollte der Einsendungsbericht auch noch erwähnen, was etwa wegen Vollstreckung des angefochtenen Erkenntniffcs bereits geschehen. Jnstrukt. vom 7. April 1839, Nr. 34. Dies wird nach der neuesten Vorschrift nicht mehr verlangt. §. 354, Note 4.

Instanz d. Rechtsmittel. Die einzelnen Rechtsm. Die Nichtigkeitsbeschwerde.

707

vernichtet wird, zugleich auch in der Hauptsache,

falls

neue Erörterung von Thatsachen nothwendig ist.

I. Die Entschei­

darf sich

dung

aber nur

die angegebenen Beschwerdcpunkte

auf

und auf die specifice gerügten Nichtigkeiten erstrecken, dem angefochtenen

in

Erkenntnisse

Sachverhältniß lediglich zum

nicht eine

als

feststehend

wobei das

angenommene

Grunde gelegt wird2). 3

Wird also

die Nichtigkeit auf die Verletzung eines Rechtsgrundsatzes gegründet

(nullitas contra jus in thesi) und ein Rechtssatz als verletzt be­ der

zeichnet,

in der That nicht verletzt worden ist, während das

Urtel in der That einen Rcchtssatz, aber einen ganz anderen, ver­ letzt,

oder

beruht das Urtel auf mehrern von einander unabhän­

gigen wesentlichen Entscheidungsgründm, und wird von diesen nur einer oder der andere verworfen,

in Absicht der übrigen oder auch

nur eines einzigen aber ist entweder kein Angriff erfolgt oder keine Nichtigkeit vorhanden:

so

darf

das

Erkenntniß

nicht vernichtet,

sondern die Beschwerde muß als unbegründet zurückgewiesen wer­ den^).

Eine freie Beurtheilung des Sach- und Rechtsverhältnisses

aber tritt ein:

a) wenn das Sachverhältniß selbst Gegenstand der

Beschwerde ist und

die Nichtigkeit in die aktenwidrige Auffassung

desselben gegründet wird4); * 6 b) wenn die Nichtigkeit darin bestehen

soll,

daß

ein rechtzeitig angebrachtes gesetzlich zulässiges

Rechts­

mittel zurückgewiesen, oder ein gesetzlich unstatthaftes Rechtsmittel zugelassen worden'); c) wenn die Nichtigkeit in den Verhältnissen

des Richters ihren Grund hat, worüber die Akten nichts enthalten'); in diesem Falle sind nach der Natur der Sache auch neue That-

sachxn zulässig, welche der Nichtigkeitsrichter erörtern lassen und

seiner Entscheidung

zum

Grunde legen muß7).

Der Ausspruch

2) V. vom 14. Decbr. 1833, §. 16. 3) Jnftr. vom 7. April 1839, Nr. 8. — Plenar-Beschlüsse vom 17. Decbr. 1838 und 2. Septbr. 1839, bei Höppe, §. 112. 4) V. vom 14. Decbr. 1833, §. 16, u. §. 5, Nr. 10 a u. b. — Jnstrukt. Nr. 18; Pr. 585, bei Hoppe, S. 73. — Dell. vom 6. April 1839, Art. 3, Nr. 4 u. 5. m *>) Dekl., Art. 3, Nr. 2. - Pl.-Beschl. (Pr. 1337), vom 9. Oktober 1843 (Entsch. Bd. IX, S. 153). — Die Vernichtung muß allemal erfolgen, wenn ein bei freier Beurtheilung der Sache für zulässig zu erachtendes rechtzeitig an­ gebrachtes Rechtsmittel aus irgend einem Grunde zurückgewiesen, oder umgekehrt Ä einem Grunde unzulässiges Rechtsmittel zügelnsten worden ist. Pl. - Beschl. (Pr. 1946), vom 6. Decbr. 1847 (I. M. Bl. 1848, S. 23 und Entsch. Bd. XV, S. 66). 6) Pr. 1519, vom 20. December 1844. 7) V. vom 14. Decbr. 1833, §. 17.

708

Zweite« Buch. OrdwtÜchrr Prozeß.

veS Nichtigkeitsrichters lautet entweder auf Bemichtung des ange­ fochtenen UrtelS, oder auf Auftechthaltung desselben, oder auf Zurückweisung der Beschwerde. 1. Wird die Beschwerde gegründet befunden und das angefochtene Urtel nicht noch durch einen andern unangefochtenen selbstständigen Gmnd gerechtfertigt: so vernichtet daS Gericht dasselbe, kompensirt die Kosten des RichtigkeitSvrrfahrenS, und erkennt in der Sache selbst, sowie über die Kosten drS ftühern Verfahrens, anderweit definitiv, oder verweiset, wenn in Folge der ausgesprochenen Bemichtung eine neue Ausmittelung nothwendig wird, die Sache zu dieser Ermittelung und zur noch­ maligen Entscheidung in diejenige Instanz zurück, in welcher die noch zu ermittelnden Umstände zuerst vorgebracht worben find ^). In Ansehung des Kostenpunktes wird daS vorige Urtel immer vemichtet, wenn in der Sache selbst auch nur ein Theil desselben angegriffen und vernichtet worden ist»). Ist eS zweifelhaft, was auf daS angefochtene und vernichtete Urtel bereits geleistet ist, so ist dem Richter erster Instanz die Ermittelung desselben überlassen. War der Gegenstand des Rechtsstreites eine Sache, so kommen die Grundsätze über eine res litigiosa zur Anwendung; daher kann auch nach Vernichtung eines AdjudikationSerkmntniffeS daS subhastirte Grundstück nicht nur von dem Adjudikatar, sondem auch von jedem dritten Rechtsnachfolger desselben, ohne vorgängigen Prozeß») zurückgefordert werdm, dmn die Nichtigkeitsbeschwerde, heißt eS, suSpendirt die Rechtskraft'") des angefochtenen Erkennt­ nisse- und daS inzwischen veräußerte Grundstück ist als ein, währmd der Rechtshängigkeit veräußertes anzusehen"). Dadurch, daß nach auSgesprochmer Bemichtung der Richtigkeitsrichter ander­ weitig in der Sache selbst erkennt, verliert der Implorant keine

7 a) §. 17 a. a. O.; ®. vom 9. Mai 1854 (®. ®. S. 274); Pl.-Btschl. »em 3. Juli 1854 (I. M. Bl. S. 318). 8) Pr. 974, vom 21. Januar 1841. 9) DaS möchte freilich manche Bedenken haben, wegen der Wirkungen der bona fides. Eigenthümer ist der Dritte freilich nicht geworden, sowenig wie der Adjudikatar selbst (s. o. §.368, Note 13), aber daraus folgt nicht, daß er tumultuarisch ermittirt werden darf.

10) Also hat die Nichtigkeitsbeschwerde unbedingte SuSpenstvkrast?! 11) So lehrt nämlich die Jnstr. vom 7. April 1839, Nr. 39, doch ist da­ bei viel zu bedenken und zu bedingen.

Instanz d. Rechtsmittel. Die einzelnen NechtSm. Die Nichtigkeitsbeschwerde.

709

Instanz, denn der Nichtigkeitsrichter tritt durch diese Entscheidung

an die Stelle deS vorigen Richters 12).

Auch in Subhastations-

sachen tritt derselbe an die Stelle des Richters, welcher das Adjudikationserkcnntniß abzufassen hat, und erkennt entweder anderweit definitiv oder, was die Regel sein wird, resolvirt auf Fortsetzung des Subhastationsverfahrens "),

von Neuem zu erkennen hat.

wonächst dann der erste Richter

Die Vernichtung eines Erkenntnisses

darf niemals weiter gehen, als es mit Erfolg angegriffen worden

ist, eö mag das Erkenntniß den angegriffenen Theil besonders aus­

gedrückt haben, oder der Tenor des angefochtenen Erkenntnisses ein geschlossenes Ganze bilden"). Daraus, daß das Obertribunal nach ausgesprochener Vernichtung eines Urtels in die Stelle des

vorigen Richters tritt, um von Neuem in der Sache selbst zu er­ kennen, folgt von selbst, daß er als Appellationsrichter auch die

Förmlichkeiten, wie gewöhnlich, zu prüfen hat und das unzulässige oder zu spät eingelegte Rechtsmittel der Appellation pro non devoluto erachten muß1 12 5).16 13 14 Die Entscheidung in der Sache selbst

kann, da die Nichtigkeitsbeschwerde kein beneficium commune ist, nie nachtheiligcr (in pejus) für den Imploranten ausfallen, alö

das vernichtete Erkenntniß1 e). Wird in Folge der ausgesprochenen

Vernichtung die Sache zum Behuf einer neuen Ausmittelung in

12) Jnstrukt. Nr. 37. Nur, wird beigesügt, da- nochmalige Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde verliert der Implorant, die- ist aber nur ein außer­ ordentliches Rechtsmittel (und doch hat e- SuSpenstvkraft? Note 10), welchegegen Entscheidungen de- Ob.-Tr. niemals stattsindet. Der Verlust ist freilich ein Hauptverlust, weil c- keine Bürgschaft giebt, daß der Richter letzter Instanz nicht auch Nichtigkeiten begehen kann; di« vielen widersprechenden Entscheidungen und die Plenarbeschlüsse beweisen die- auch (s. die folg. Note 14); und dann ist der hinzugcfügte Trostgrund in Beziehung auf unheilbare Nichtigkeiten nicht richtig, indem die Nichtigkeitsklage nicht bloß auf Urtel der ersten und zweiten Instanz beschränkt ist. 13) Jnstr. Nr. 38. — Pr. 1594 b, vom 19. Juli 1845. 14) So hat da- Plenum des Ob.-Tr. durch Beschluß vom 20. November 1846 (Entsch. Bd. XIV, S. 153 ff., auch I. M. Bl. 1847, S. 82) befunden, daher e- da- entgegengesetzte Pr. 1548 (bei Höppe, §. 113), welche- au-ge­ sprochen hatte, daß wofern der Tenor de- angefochtenen Urtel- ein geschloffeneGanze bilde, da- ganze Urtel vernichtet werden müsse, verworfen hat. DiesePräjudiz verletzte offenbar da- Gesetz der wirkenden Ursache, welche- nicht bloß von der Reich-gesetzgebung (K. G. O. von 1521, Tit. 21, §. 1 a. E.) geachtet, sondern auch in der Prcuß. A. G. O. I, 16, §§. 8 u. 9 anerkannt worden ist.

15) Pr. 1200 b, vom 15. Oktober 1842.

16) Pl.-Beschl. vom 30. April 1838 (Entsch. Bd. III, S. 284), u. Jnstr. vom 7. April 1839, Nr. 36.

eine untere Instanz zurückgewiesen, so hat der betroffene Richter sowohl bei dem Verfahren, als bei der anderweitigen Entscheidung, sich nach den, dmch das Nichtigkeitserkenntniß festgestellten oder ausgesprochenen Grundsätzen und Norinen zu achten1 ’). 2. Wird die Nichtigkeitsbeschwerde zwar gegründet, daS angefochtene Er­ kenntniß selbst aber aus andern Gründen gerechtfertigt befunden und deshalb aufrecht erhalten, so werden die Kosten des Nichtig­ keitsverfahrens kompensirt. Die Formel des in diesem Falle abzu­ fassenden Urtels ist: „daß, wenn auch die Nichtigkeitsbeschwerde für begründet zu erachten, dennoch in der Sache selbst das ange­ fochtene Erkenntniß seinem ganzen Inhalte nach (oder dahin, daß u. s. w.) aufrecht zu erhalten, die Kosten des Nichtigkeitsverfahrenö aber zu kompensiren"17 18).19 3. Wird die Nichtigkeitsbeschwerde un­ gegründet oder unerwiesen befunden, so ist zu erkennen, daß die­ selbe zurückzuweisen und der Implorant in die Kosten des Nichtig­ keitsverfahrens zu verurtheilenII. Die zurückgewiesene Nichtig­ keitsbeschwerde wird nicht mehr bestraft, da die ehemalige, nur gegen Zahlungsfähige gerichtet gewesene Succumbenzstrafe endlich aufgehoben ist20). III. Gegen die Entscheidungen des Obertribunals findet, abweichend von dem Grundsätze des G. 9t.21), wegen heil­ barer Nichtigkeiten keine Nichtigkeitsbeschwerde statt22).

B.

Der Rekurs.

A. G. O. I, 26, §. 18. — K. O. vom 8. August 1832 (G. S. S. 199). — G. vom 20. März 1854, §§. 5-12 (®. S. S. 115). - Ciala (Obcr-

landesgerichts - Rath), über das Verfahre» in Rekurssachen (Jur. Wochen­ schrift für 1845, S. 309 ff.).

17) Dekl. vom 6. April 1839, Art. 14. §. 3 (G. S. S. 115).

Vcrgl. G. vom 20. März 1854,

18) Ebenda, u. Jnstr. vom 7. April 1839, Nr. 35. Niederschlagung des Antheils des Jmploratcii findet nicht mehr statt. G. vom 9. Mai 1854, Art. 2 (G. S. S. 274).

19) V. vom 14. Decbr. 1833, §. 18. Zu den Kosten, welche der Implo­ rant tragen oder vielmehr erstatten muß, gehören natürlich auch die Mandatarien­ gebühren des Jmploraten. Jnstr. Nr. 41. Vergl. Nr. 38.

20) G. vom 10. Mai 1851, §. 19, Abs. 3 (®. S. S. 632). 21) Die deutschen Oberappellationsgcrichte halten den Grundsatz fest, daß Nichtigkeitsbeschwerde» gegen ihre Urtheile abgcholfe» werden müsse. Hcrqnel, die Nichtigkeitsklage, §§. 62 ff., u. Nachtrag dazu in Linde re., Zeitschrift für Civilrecht und Prozeß, Bd. XVII, S. 307 ff.

Instanz d. NrchrSuiitiel. Die einzelnen RcchiSm. Die Nichtigkeitsbeschwerde.

71 j

8- 368.

1.

Begriff unt Fälle der Zulässigkeit.

I. Ter Rekurs ist wesentlich die Nichtigkeitsbeschwerde in einer

besonderen Form, bestimmt zur Abhülfe von einer Partei durch

den Auöspruch deS Unterrichters zugefügten Beschwerden, mittelst Anrufung an den ordentlichen Richter zweiter Instanz in Fällen, wo daö Rechtsinittel der Appellation ausgeschlossen ist; in Ansehung des Devolutiv- und des Suspensiveffekts, sowie hinsichtlich

der Frist zur Einlegung'), gelten die Grundsätze über die Nichtig­

keitsbeschwerde; er ist auch nicht gegen den Richter, sondern gegen

den Prozeßgegner gerichtet.

II. Er findet statt, sowohl gegen Er­

kenntnisse erster Instanz, als gegen Agnitions- und Purifikations-

Rcsolutioncn1 2)3: 4 51.6 wenn 7 der Werth des Streitgegenstandes über­

haupt oder des

Beschwerdepunkts

erreicht (Bagatellsache)');

nicht

die

Appellationssumme

2. wenn die Beschwerde lediglich die

Entscheidung über den Kostenpunkt betrifft, ohne Unterschied, ob

über die Festsetzung deS Kostenbetrages oder über die Festsetzung

der Verbindlichkeit zur Tragung und Erstattung der Kosten Be­ schwerde erhoben wird«); 3. wenn bei Erekutionen auf Unterlassung wegen Uebertretung auf eine Strafe oder auch auf Zurücknahme der Erekution erkannt worden ists). Gegen ein Appellationserkennt­

niß ist,

wenn

der Werth des Beschwerdegegenstandes nicht die

Appellationssumme erreicht, oder die Partei nur durch die Ent­ scheidung über den Kostenpunkt beschwert zu sein behauptet, der

Rekurs nicht zulässig«).

Dagegen findet der Rekurs gegen Kontu-

mazial-Entscheidungen in Bagatellsachen, wenn daS Rechtsmittel der Restitution versäumt ist, allerdings noch statt2), so lange daS

Fatale noch nicht abgelaufen ist. 1) B. vom 5. Mai 1838, SS- 5 u. 7 (G. S. S. 273); B. vom 21. Juli 1846, SS- 15, 30; B. v. 21. Juli 1843, $. 3; ®. v. 20. Marz 1854, 8 12.

2) Dekl. vom 6. April 1839, Art. 1, Nr. 2. 3) St. O. vom 23. Novbr. 1839 (G. S. S. 336); Dell, vom 6. April 1839 a. a. O.; Jnstr. vom 7. April 1839, Nr. 22; V. vom 2. Januar 1849, S. 20, Abs. 2. 4) Drkl. vom 6. April 1839, Art. 1, Nr. 3. Dadurch ist dir Bestimmung der A. ®. O. I, 14, $. 2, Nr. 2 abgrandert. 5) V. I. vom 4. Marz 1834, §. 10. - Pr. des Ob. - Tr. 1401, vom 13. Januar 1844. 6) Dell, vom g. T., Art. 1, Nr. 3, Abs. 2. — Sergi. Pr. 1269, vom 11. März 1843, und Pr. 1348, vom 10. Oktober 1843. 7) Da« R. vom 26. Oktober 1839 (I. M. Bl. S. 354) verneint tf, doch

7 12

Awkitt- Buch. Orrentlichtr Prozeß. 8. 369. 2. Beschwerdegründt.

Der Rekurs, als eine Species der Nullikätsqucrel'), kann

folgerecht nur auf Mängel gegründet werden, welche als Nichtig­ keiten anerkannt sind (8. 364), soweit diese überhaupt in dem Vcrfahren erster Znstanz Vorkommen können-).

Diese sind: I. die in

dm Verhältnissen deS Richters vorgekommenen Mängel, nämlich:

1. wmn ein Gericht in der Sache alS Kollegium hätte erkennen sollen (8. 368, II, 2 u. 3), und nur ein einzelner KommissariuS

mtschieden hat; 2. wenn der Richter bei dem Rechtsstreite persön­ lich brtheiligt, oder mit einer Partei bis zum vierten Grade ein­

schließlich verwandt oder verschwägert ist; 3. wenn derselbe einer der streitenden Parteien in der Sache Rath gegeben hat, oder darin

al» Zeuge aufgetreten ist, z. B. alS Einzelrichter sein Zeugniß in

die Akten geschrieben und darauf bei der Entscheidung Rücksicht gmommen hat; 4. wenn er inkompetent ist und eine gültige Rekusa-

tion nicht beachtet hat'); II. von den Nichtigkeiten in den wesent­

lichen Bestandtheilen deS Verfahrens: 1. wenn der Rekurrent nicht gehört oder nicht gehörig vorgeladen worden ist; 2. wenn gegen ihn ein unrichtiges Präjudiz zur Anwendung gebracht und darauf

die beschwerende Entscheidung gegründet worden ist; 3. wenn ein gesetzlicher Präklufivtermin überschritten, z. B. auf den erst nach

Ablauf der in dem bedingten Zahlsungsmandate bestimmten Frist erhobmen Widerspruch in Bagatellsachen Rücksicht genommen worden ist«). III. Die Nichtigkeiten wegen Fehler im Inhalte des UrtclS, nämlich: 1. wenn der Richter gar keine Entschcidungsgründe ge-

ohne rechtlichen Grund. Der Fall der Kontumazialentscheiduna steht hinsichtlich der Zulässigkeit deS Rekurses dem Falle ganz gleich, wo der Beklagte die That­ sachen zugestanden, aber nicht den Anspruch (deS jus) anerkannt hat. Das Princip ist auch in der A. G. O. I, 14, $. 78 ausgesprochen. 1) Dafür erkennt sie auch das R. vom 9. Novbr. 1832 (Jahrb. Bd. XL, S. 433) und das R. vom 29. Juni 1836 (Jahrb. Bd. XLVII, S. 556) an. 2) Dergleichen Gründe bezeichnet auch der §. 18, Tit. 26 der Pr.-Ordn. nur. S. unten die Note 7. 3) Der $. 18 a. a. O. deutet aus diese Nichtigkeiten (93. vom 14. Decbr. 1833, $. 5, Nr. 4, 5, 6, 7, 8) nicht besonders hin, sie fallen aber auch unter die „wesentlichen Mängel bei der Instruktion" im weitern Sinne. 4) S. o. $. 362. Auf diese Nichtigkeiten weiset der §. 18, Tit. 26 der Pr.-O. mit den Worten hin: „wenn wesentliche Mängel bei der Instruktiv:! vorgefallen find." WaS wesentliche Mängel find, sagt die 93. vom 14. Decbr. 1833, 8 5. DaS G. vom 20. Marz 1854, $. 6, Nr. 1 sagt cS nun auch aus­ drücklich.

Instanz d. Rechtsmittel. Die einzelnen RechtSm. Die Nichtigkeitsbeschwerde.

71Z

geben hat; 2. wenn eine in den Akten enthaltene erhebliche That­ sache übergangen, d. h. in den Urtelsgründen gar nicht erwähnt ist; 3. wenn der in Bezug auf eine erhebliche Thatsache aufge­ nommene oder vorgeschlagene Beweis übergangen ist; 4. wenn die gesetzlich als genügend bezeichneten Beweismittel ohne Angabe von Gründen für ungenügend erklärt worden sind; 5. wenn der auS einer Parteierklärung entnommene Entscheidungsgrund dem wört­ lichen Inhalte dieser Erklärung entgegen ist, oder wenn eine That­ sache, worüber Beweis ausgenommen worden, gegen den wörtlichen Inhalt der Beweismittel festgestellt worden ist; 6. wenn zur Be­ gründung der Richtigkeit einer erheblichen Thatsache dm Beweis­ mitteln, welche nach den Gesehen gar keine Beweiskraft haben, dennoch Beweiskraft beigelegt worden ist; 7. wenn über den An­ trag des Gegners hinaus erkannt worden ist, ohne daß eS in dem Falle die Gesetze gestatten *); 8. wenn daS Urtel einm Rechtssatz verletzt (contra jus in thesi ist), er möge auf einer ausdrücklichen Vorschrift des Gesetzes beruhen, oder aus dem Sinne und dem Zusammenhänge der Gesetze hervorgehen, oder wenn dasselbe einen solchen Grundsatz in Fällen, wofür er nicht bestimmt ist, in An­ wendung bringt •). — AuS andern Gründen aus ein Rekursgesuch 5) S. o. $. 363. Diese Febler bezeichnet der z. 18, Tit. 26 a. a. O. mit den Worten: „wenn offenbar erhebliche Thatsachen übergangen find — gegen die klare Lage der Sache gesprochen ist." Deutlicher nun das G. v. 20. März 1854 a. a. D. 6) Dekl. vom 6. April 1839, Art. 1, Nr. 2. Ebenso wie bei Her Nichtig­ keitsbeschwerde ($. 364). Dies bestimmt nun das G. vom 20. März 1854, $. 6, Nr. 2 ausdrücklich. Daß dieser Nichtigkeitsgrund in seiner Ausdehnung auch bei dem Rekurse gelten soll, ist zwar folgerichtig, schadet aber der Rechtssicherheit mehr, als wenn gar kein Rechtsmittel gegen Urtel in Bagatellsachen wegen Derlehnng eines klaren Gesetzes ftattfände, wenn die Entscheidung über die Rekurse nicht in andere Hande gelegt werden kann (f. o. $. 358, Rote 23, 24), waS nicht möglich ist. Deshalb wird die Absicht, „zu verhüten, daß nicht offenbar ungerechte Entscheidungen in Kraft bleiben" (I. M. Bl. 1841, S. 218), durch Zulassung dieses NichtigkeitSgrundeS in seiner ganzen Ausdehnung gewiß nicht erreicht, zumal man überdies (vor dem G. vom 20. März 1854) noch dagegen Bedenken gefunden hat, eS ausdrücklich auSzusprechen, daß der Rekurs nur auS denselben Gründen, aus welchen die Nichtigkeitsbeschwerde zulässig, gestattet wer­ den solle. Das geäußerte Bedenken führt aber auf etwas Anderes. Die An­ fechtung eines Erkenntnisses vermittelst der Nichtigkeitsbeschwerde (sagte man nach dem Ertrakt im I. M. Bl. a. a. O.) besonders dann, wenn eS sich um Ver­ letzung wesentlicher Prozeßvorschriften handele, erfordere eine genaue, mit aründlicher GesetzeSkenntniß auSgearbeitete Specifikation der Beschwerden, welche bei den fraglichen, nur geringfügige Objekte betreffenden Rekursen nicht verlangt wer­ den könne. Andererseits fei auch dem Richter nicht zuzumuthen, von Amts wegen die Akten auf das Genaueste durchzugehen, um zu erforschen: ob nicht etwa eine wesentliche Prozeßvorschrift verletzt worden. — DaS aber betrifft bloß die Form der Deschwerdeschrift und berührt die RekurSgründe gar nicht, so

Zweit« Buch.

714

Ordentlicher Prozeß.

daS Urtel erster Instanz ändern, ist rechtswidrig.

Insbesondere

dürfen keine neue Thatsachen und Beweise zugelassen werden, außer wenn die Beschwerde in den Berhältnissen des RichteS gegrün­

det wird. 8- 370.

3. Verfahren. Ter Beschwerdeführer heißt Rekurrent, der Gegner Rekurse.

Der Rekurs kann in einer formlosen Schrift oder mündlich zu Protokoll angebracht werden; dies muß aber innerhalb der Appel-

lationSftist bei dem Gerichte erster Instanz, nicht mehr bei dem

nächsten Stufengericht, zu dessen Ressort die Sache gehört, ge­ schehen'); die bloße Anmeldung, d. h. die Anzeige, daß man den Rekurs noch einlegen wolle, genügt nicht-). Der weitere Verlauf

der Sache ist dieser:

1. Tas Rekursgesuch, auf dessen Form und

Inhalt oder Benennung nicht gesehen wird, wird von dem Ge­ richte erster Instanz mit den Akten an den Richter zweiter Instanz

eingereicht ’).

2. Bei dem Obrrgericht wird das Rekursgesuch, wie

ein Memoriale,

durch

den ernannten

Decernenten vorgetrageir.

Findet daS Gericht den Rekurs unzulässig oder ungegründct, so

wird er durch eine erpcdirte Verfügung in Form eines brieflichen

Bescheides zurückgcwicsen, und dieses dem Gerichte erster Instanz durch Mittheilung einer Abschrift der Resolution, unter Rücksen­ dung der Akten bekannt gemacht; ist er zulässig und begründet, so wird dem, Gegentheile die Rekursschrifl in Abschrift zugefertigt, mit der Aufforderung, seine Gegenerklärung binnen 14 (in schleunigen

Sachen [3]) Tagen präklusivischer Frist bei dem RckurSgerichte ab-

daß also daran nickt- geändert oder abgenemmen ist. — Da- Verfahren ist durch da- ®. vorn 20. März 1854 sachgemäßer geregelt. 1) V. vorn 21. Juli 1843, S- 3 (®. S. S. 294). Dadurch ist die Dell. Vom 6. April 1839, Art. 1, Nr. 2, die V. vorn 5. Mai 1838, $ 10, und die Vorschrift der St. O. vom 8. August 1832, Nr. 2, wonach der Rekurs immer bei dem Gerichte zweiter Instanz angebracht werden sollte, abgeändert. Auch da- R. vom 7. August 1841 (3. M. Bl. S. 279) gilt nicht mehr. Da- G. vom 20. März 1854, §. 7 spricht deutlich.

2) R. vom 3. Mai 1843 (I. M. Bl. 140).

3) G. vom 29. März 1854, S- 8. Hiernach soll da- Gericht erster Instanz vor der Einsendung prüfe»: ob die Anmeldung rechtzeitig erfolgt und da- RcchtSmittfl dem Gegenstände nach zulässtg sei. Diese- Geschäft ist zwecklos und unznlömmlich. Denn wenn der Rekurrent mit dem erstinstanzlichen Richter über die Zurückweisung nicht einverstanden ist, so muß doch jedenfalls der Stufen­ richter, als der allein zuständige, befinden und über die Zuläsfigkeit de- Rechts­ mittel- entscheiden. Vor dem G. vom 20. März 1854 sollt« die Einreichung

Instanz t. Recht-miiiel. Die einzelnen Rechtsm. Die Nichtigkeitsbeschwerde.

715

zugiben, und dabei wird zugleich ein Termin zur Entscheidung über

den Rekurs bestimmt, welcher beiden Theilen mit dem Eröffnen,

baß ihnen fteistehe, in dem Termine persönlich oder durch einen legitiinirten Vertreter zu erscheinen und das Wort zu nehmen (dies

ist

der Fortschritt)

gleichfall formlos.

bekannt gemacht^). Gegen

Die Beantwortung

ist

die zurückweisende Verfügung findet

kein weiteres Rechtsmittel, mithin kein weiterer Rekurs statt, indem nach heutigem Prozeßrechte die Beschwerden über Zurückweisung

eines Rechtsinittels nicht mehr an die Aufsichtsbehörde gehen und

eine zweite Rekursinstanz, an welche die Beschwerde gehen müßtes), nicht gegeben ist.

3. Findet der Rekursrichtcr noch die Ermittelung

von bisher übergangenen Thatsachen oder die Aufnahme eines schon vor Abfassung deS Urtels angetretenen Beweises nothwendig, so

sendet er die Akten mit der erforderlichen Anweisung an das Ge­ richt erster Instanz zurück, oder verordnet auch, nach Befinden, die Beweisaufnahme in dein Verhandlungstermin selbst.

In

dem

erstem Falle soll, was sachgemäß ist, die Mittheilung der Rekurs­ beschwerde an den Gegentheil zur Gegenauöführung bis nach statt­ gefundener Beweisaufnahme oder Ergänzung der Verhandlungen

ausgesetzt bleiben können und es wird bei Anberaumung deS Ter­ mins beiden Theilen Abschrift der nachttäglich stattgefundenen Ver­ handlungen zugefertigt.

Lage der Akten erkannt •).

GegenauSführung,

Bleiben die Parteien aus, so wird nach

4. Nach Eingang oder Präklusion der

beziehendlich

nach

Eingang

der geschlossenen

Akten, wird vor einer GerichtSabtheilung von fünf Mitgliedern, in öffentlicher Sitzung und in Gegenwart der Parteien oder deren mittel- cinks motieirten, über da- Sach- und Recht-verhältniß sich erstreckenden Bericht- geschehen. Ä. O. vom 8. April 1832, $. 3, lit. b; R. vom 15. April 1841 und vom 14. Juni 1841 (I. M. Bl. S. 153 u. 206). Dieser dem Unter­ richter lästige und dem Rekur-richter nicht helfende Bericht sollte wegfallen, wenn gegen ein Erkenntniß de- I. Senat- eine- Obergericht- (bei welchem nach da­ maliger Gericht-verfassung die erste Instanz in s. g. erimieten Sachen war) Rekur- eingelegt wurde. R. vom 14. September 1842 (3. M. Bl. 1842, S. 307). Damit war anerkannt, daß der Bericht unnüthig. Wanim also der ohnehin überladene Richter für Bagatellsachen bei den Untergerichten noch zu solchen Erereitien gezwungen werden mußte, ließ sich nicht ergründen. Da- ®. vom 20. März 1854 beseitigt die-.

4) St. O. vom 8. August 1832, Nr. 3, lit. a und b; G. vom 20. März 1854, $$. 8 u. 10.

5) B. vom 21. Juli 1846, $. 34. V. vom 2. Januar 1849, $. 35. E« ist damit, wie mit der Nichtigkeitsbeschwerde. Da- R. vom 26. Januar 1833, welche- in den Ergänzungen der A. G. D. I, 26, $. 18, sub I, 1 abgedruckr ist, und den «eitern Rekur- an den I. M. gestattet, gilt sonach nicht mehr. 6) G. vom 20. März 1854, §§. 8 u. 9.

Settreter, wenn sie erschienen sind, von einem Referenten Votttag gehaltm; die Parteim werden gehört und der hiernächst von der Gericht-abtheilung abgefaßte Bescheid in derselben öffentlichen Sitzung verkündet7).8 Der Rekursbescheid wird in Form eineResolut-, worin nach Art eine- Urtel- der di-positive Theil von den Gründen geschieden ist, abgefaßt, für jede Partei mit der Ueberschrift: „Im Namen de- König-", au-gesertigt und die für die Parteim bestimmten Ausfertigungen werden, mit einem Akten» eremplar, bei Remission der Akten, dem Untergerichte zur In­ sinuation zugesendet'). Die Formel der abändemden Entschei­ dung lautet, daß da- Erkenntniß (oder die Entscheidung de- zu bezeichnenden Gericht- aufzuheben und in der Sache u. s. w. 5. Der Kostenpunkt wird gleichfalls nach Analogie der Bestimmungm über die Kosten in Nichtigkeitsbeschwerdesachen festgesetzt. Demzufolge werden, im Falle der Aufhebung de- angefochtmen Erkenntnisse-, die Kosten de- Rekursverfahrens jedem Theile zur Hälfte auferlegt, die außergerichtlichen kompenstrt, und in der Sache selbst, so wie über die Kosten der ersten Instanz wird anderweit erkannt; wird die Beschwerde sofort, ohne Einforderung der Gegenerklärung der andern Partei, abgewiesen, oder wird sie nach eingeforderter Beantwortung durch ein förmliche- Resolut verworfen, so wird der Rekurrent auch in die Kostm de- RekurSverfahrm- verurtheilt'). H. Dl- Nullitätsklage.

8. 371. 1. Fälle der Zulässigkeit. Die Nullitätsklage ist da- Rechtsmittel, durch welche- gegen eine verletzende Entscheidung wegen unheilbarer Nichtigkeit Hülfe gesucht wird, wmn die Entscheidung der Zeit nach bereit- rechts­ kräftig geworben ist oder an sich kein andere- Rechtsmittel mehr 7) B. vom 2. Januar 1849, $.34; G. vom 26. April 1851, Art. XII; ®. vom 20. März 1854, $. 10. 8) Eirc. 9t. v. 23. Srptbr. 1843 (I. M. Bl. S. 243). G. v. 20. Mär, 1854, $. 11 a. 6. *9) 91. vom 18. Februar 1837 (Jahrb. Bd. XLIX, S. 239); R. vom 6. 3alt 1839 (I. 9t. Bl. S. 251); 9t. vom 23. Srptbr. 1843 (I. M. Bl. S. 234). ®. »em 20. März 1854, Z. 11; G. vorn 10. Rai 1851, Art. 2 (®. 6. «. 273).

Instanz d. Rtchtlmitkl. Die einjtlntn Rtchl-m. Die Nichtigkeit-beschwerde.

717

zuläßt. Sir ist durch das Dasein der Appellationssumme nicht bedingt') und kann daher sowohl gegen Entscheidungen im Ba­ gatellprozesse, als auch gegen die auf den Rekurs ergehenden Be­ scheide, sowie gegen Revisions- und NichtigkeitSerkenntnisse, sogar wiederholt gegen die in dem NullitätSprozesse selbst ergehende Ent­ scheidung gebraucht werden, findet aber in keinein Falle gegen AdjudikationSbescheide statt »). Sie wird erst durch die ordentliche Verjährung ausgeschlossen»), kann jedoch nicht in der Form einer Erception gegen die Vollziehung des Erkenntnisses geltend gemacht werden»). 8. 372.

2.

Fälle unheilbarer Nichtigkeit.

Als unheilbare Richtigkeiten sind anerkannt: 1. Die Mängel in den Verhältnissen des Richters: a) wenn die als Richter aufgettetene Person mit gar keiner Gerichtsbarkeit versehen ist; b) wenn sie zwar Gerichtsbarkeit hat, aber zur Justizverwaltung bei dem betroffenen Gerichte nicht vorschriftsmäßig bestellt und vereidet ist, und in dem Fragefalle den Prozeß entweder instruirt oder entschie­ den hat'), welcher Fall auch eingetreten sein würde, wenn ein entlassener ehemaliger Richter sich in solcher Weise ringemischt hätte. 2. Die beiden Mängel in den Verhältnissen der Parteien a) wenn Jemand, der ohne Vormund, oder Kurator, oder Bei­ stand vor Gericht zu handeln nicht fähig ist, ohne einen gehörig bestellten Vonnund, Kurator oder Beistand zugelaffen und auf Grund der mit ihm gepflogenen Verhandlungen die Sache ent­ schieden worden ist»), oder wenn zwar ein gehörig bestellter Vor-

1) Auch die gemeinrechtliche PrariS bindet sich nicht an die AppellationSsumme. Linde, im Archiv für civil. PrariS, Bd. XI, S. 228 u. v. A. — Der Theorie nach ist eS anders. R. A. von 1570, $. 69. — D. A. von 1600, $. 14. 2) Sntsch. des Ob.-Tr., Bd. II, Nr. 23. — M. Beurth. S. 101.

3) A. ®. O. I, 16, $. 10. — R. A. von 1654, §. 122. — Die kürzeren Verjährungen finden also in keinem Falle Anwendung, wenn auch der in der Hauptsache verfolgte Anspruch in kürzerer Zeit verjähren würde. 4) A. G. O. a. a. O. rechten. "



Anders nach G. R. und manchen Territorial­

1) A. G. O. a. a. O. $• 2, Nr. 3. Der Fall b würde bei der frühern Verfassung z. B. eingetreten sein, wenn ein PrivataerichtSherr ohne vorschrifts­ mäßige Bestellung und Vereidigung für sein Gericht als Gerichtsverwalter ge­ handelt hätte, wenngleich ihm die Befähigung zum Richtcramte nicht abginge.

2) Ebenda, Nr. 4. - L. 9, 45, §. 2 D. de re jud. (XLII, 1). - L. 1

718

Zweites Buch.

Ordentlicher Prozeß.

mund zugezogen worden, dieser aber die obcrvormundschaftliche Geneh­

migung in den Fällen, wo solche nach den Gesetzen erfordert wird, nicht bei- oder nachbringen kann '); b) wenn eine Partei im Pro­

zesse durch einen andern vertreten worden ist, welcher entweder gar nicht bevollmächtigt gewesen, oder eine falsche, von dem angeblichen Prinzipal nicht ausgestellte, oder eine nichtige und unkräftige Voll­ macht beigcbracht hat, und wenn in solchem Falle nicht der ver­

tretenen Partei selbst das Urtel insinuirt worden ist4). — Beide

Nichtigkeiten werden durch Genehinigung der Verhandlllngen von Seiten des gewesenen Pflegebefohlenen zu einer Zeit, wo er ver­

fügungsfähig ist, und beziehlich von Seiten des Prinzipals geheilt °), denn der römischrechtliche Grundsatz, daß die Genehmigung ein

Geschäft rückwärts gültig macht, ist in das Preußische Recht aus­ genommen ®).

3. Von den Mängeln des prozessualischen Verfah­

rens gilt keiner für eine unheilbare Nichtigkeit, und von dm Fehlem in dem Inhalte des Urtels ist als unheilbare Nichtigkeit der einzige

anerkannt: wmn das Urtel ex falsa causa gegeben ist, d. h. lediglich oder hauptsächlich auf falsche Urkunden oder falsche Zeugenaussagen gegründet ist').

Unter falschen Zeugen werden nicht solche, welche

bloß die Unwahrheit ausgesagt haben, sondern solche, welche aus einer eigennützigen oder selbstsüchtigen Ursache zur wissentlichen Ab­

legung eines falschen Zeugnisses vermocht worden sind, verstanden''); und falsche Urkunden in dem hier gemeinten Sinne sind nicht allein unechte und verfälschte, sondern auch verwechselte,

oder solche,

welche einen ganz andern als den Gegenstand des nach ihnen cnt-

fchiedmm Prozesses betreffen.

Falsche und unrichtige Karten und

C. qui legitimem personam (III, 6). — L. 6 C. quomodo et quando judex (VII, 43). 3) A. G. O. a. a. O. Abs. 2. - A. L. R. II, 18, §§. 501-504. 4) A. G. O. a. a. O. Nr. 5. — L. 10, 24 C. de procurat. (II, 13); L. 1 C. quibus res judicata non nocet (VII, 56). — Pl. - Beschl. vom 12. März 1638 (Entsch. Bd. III, S. 248). 5) A. G. O. a. a. O. Nr. 4, Abs. 4, u. Nr. 5, Abs. 3. — A. L. R. I, 4, 88- 58 ff. 6) Anwendungen sind: A. L. R. I, 5, §. 188; I, 18, §. 204. — Privat­ recht, §. 133. 7) A. G. O. a. a. O. Nr. 1. — c. 9 X. de test. (II, 20); c. 6 de exception. (II, 25); c. 22 X. de sentent. (II, 27); c. 2 X. de crimine falsi (V, 20). 7 a) Aber auch untergeschobene oder vorsätzlich wahrhcitswidrige Gutachten von Sachverständigen muffen als falsche Zeugenaussagen in diesem Sinne an­ gesehen werden.

Instanz d. Rechtsmittel. Die einzelnen RechtSm. Die Nichtigkeitsbeschwerde.

719

Vermessungsregister sind zwar gleichfalls falsche Urkunden in dem

fraglichen Sinne, begründen jedoch keine Nichtigkeit mehr, wenn sie in dem Prozesse den Parteien an Ort und Stelle vorgclegt und von ihnen ausdrücklich für richtig anerkannt worden sind"). Urkunden, welche wegen mangelhafter Form das darin beurkundete Rechtsgeschäft ungültig machen, sind gar keine falsche8 9).10— 11 Urkunde

ist übrigens hier alles, was im Prozesse zum Urkundenbcweise ge­

braucht werden kann (§. 213).

Beruht die Entscheidung noch auf

andern Beweisen, so ist keine Nichtigkeit vorhanden; ist auf Grund einer falschen Urkunde oder Zeugenaussage auf einen nothwendigen

Eid für den Beweisführcr erkannt, so beruht das Erkenntniß eben

auch auf einem falschen Grunde und inltß vernichtet werden, wenn­

gleich der Eid geleistet worden wäre"). — Geineinrechtlich hängt es von der Willkür des Imploranten ab, ob er die unheilbare Nichtigkeit innerhalb der Appellationsfrist, principalitcr und inci-

denter, im Appellationsverfahren, oder später mit der Nullitätsklage

ausführen will; die letztere ist nur ein noch übriges Rechtsmittel, wenn die gewöhnlichen Rechtsmittel durch Ablauf der dafür bestimm­ ten Fristen schon ausgeschlossen sind.

Die Preußische Gesetzgebung

ist hiervon abgegangen, indem ausgesprochen worden ist, daß die

unheilbaren Nichtigkeiten zur Begründung einer Nichtigkeitsbeschwerde

nicht dienlich seien, sondern daß cs dieserhalb bei der früheren Nul­

litätsklage sein Bewenden behalte1').

8. 373. 3.

Verfahren.

Unheilbare Nichtigkeiten erfordern also, außer dem Falle, wenn

ein noch nicht der Zeit nach in die Rechtskraft übergegangencs

Erkenntniß, gegen welches die Appellation oder Revision zulässig ist, als nichtig angefochten wird, in welchem Falle die Nichtigkeit

mittelst des ordentlichen Rechtsmittels deducirt werden muß •), — zu ihrer Abhülfe immer eine besondere Klage, einen neuen selbst-

8) A. G. O. a. a. O. 9) Erk. des Ob.-Tr. vom 19. April 1817 (Entsch. Bd. XIV, S. 423).

10) Darüber sind die Meinungen different. 11) V. vom 14. Dccbr. 1833, §.28. — Pl.-Beschl. vom 12. März 1838 (Entsch. Bd. III, S. 249). — Bergt, das von einer andern Ansicht ausgehende R. vom 28. Oktober 1835 (Jahrb. Bd. XLVI, S. 508). 1) A. G. O. a. a. O. §. 11.

Zweite- Buch. Ordentlicher Prozeß.

720

ständigen Prozeß *) und ein eigenes Urtel über die Nichtigkeitsklage. Das Verfahren ist der ordentliche Prozeß, ausgenommen wenn der

Gegenstand nicht die Appellationssumme erreicht, in welchem Falle der Bagatell-Prozeß angewendet wird').

Gegenstand der Prozeß­

verhandlungen und des Erkenntnisses ist nicht der Gegenstand des alS nichtig angefochtenen Prozesses oder Urtels, sondem lediglich

die behauptete Nichtigkeit, also die Frage:

ob und in wiefem die

angefochtene richterliche Entscheidung und das ihr zum Grunde

liegende Verfahren zu vernichten sei oder nicht.

1. Die Klage wird

wie jede andere mündlich zu Protokoll gegeben oder schriftlich ein­

gereicht; sie muß die Nichtigkeit nach ihren thatsächlichen Voraus­ setzungen und Umständen bestimmt angeben, die Beweisantretung und einen auf Vernichtung deS Urtels und beziehlich des ganzen

oder theilweisen Verfahrens gerichteten Antrag enthalten.

2. Die

Klage wird mit AuSnahine des Falles, wo die Nichtigkeit in dem Mangel der Gerichtsbarkeit oder der Richterqualität ihren Grund hat,

bei demjenigen Gerichte, vor welches die Verhandlung des

angefochtenen Prozesses gehört hat'), angebracht; in dem genannten

Ausnahmefalle hat das AppellationSgericht ein Gericht erster Instanz zu bestiinmen5).

3. Die nach gemeinem Rechte streitige Frage, ob

Neues zur Begründung der Nullitätsklage beigebracht werden könne, vereinfacht sich im Preuß. Rechte durch die geringe Anzahl von unheilbaren Nichtigkeiten, und beantwortet sich nach der Natur einer

jeden derselben von selbst').

4. DaS Urtel enthält niemals einen

Ausspruch in Beziehung auf die Hauptsache, sondern wenn die Nullitätsklage unbegründet ist oder nicht bewiesen worden, so weiset eS den Imploranten ab; entgegengesetzten Falls vernichtet eS das

Urtel und daS Verfahren in soweit, als es von der Nichtigkeits­

ursache ergriffen worden ist und verordnet zugleich, daß und in

wieweit daS vorige Verfahren zu wiederholen.

Gegen beiderlei

Erkenntnisse finden diejenigen aber auch nur diejenigen Rechtsmittel

2) Daher müssen die Sachwalter jedenfall- eine neue Vollmacht beibringen. 3) Ebenda, §. 4. 4) Ebenda, $.3. Also bei dem Gerichte, vor welche- die Instruktion geHSrt hat, nicht bei demjenigcn, welche« etwa auf Grund einer Substitution bloß erkannt hat. 5) §. 7 ebenda, »erb. mit $. 17 der D. vom 2. Januar 1849. Gemein­ rechtlich ist man über die Kompetenz überhaupt nicht einig. 6) E« versteht sich z. 6., daß wenn Nichtigkeit wegen falscher Beweise be­ hauptet wird, die Darlegung der Zeugenbestechung oder die Fälschung al- etwas Reue- muß dürfen behauptet «erden.

Instanz der Rechtsmittel.

statt,

Die einzelnen Rechtsmittel. Die Restitution.

721

welche in der Hauptsache selbst zulässig waren oder sein

würben7), 8 9 und zwar mit den ihnen eigenen Wirkungen, so daß, wenn ein Rechtsmittel mit Suspensiveffekt stattfindet, die Wieder­ aufnahme der Verhandlungen in der Hauptsache bis zur rechts­

kräftigen Entscheidung auSgesetzt bleibt.

5. Die Nullitätsklage

selbst hat in der Regel nicht Suspensiveffekt.

Ausnahmen sind:

a) wenn solche Umstände vorhanden sind, welche einen Arrest be­

gründen und der Implorant deponirt oder Sicherheit leistet; b) wenn

die Nichtigkeit in dem gänzlichen Mangel einer Vollmacht für den ausgetretenen angeblichen Bevollmächtigten bestehen soll und sich in

den Elften wirklich keine Vollmacht oder wenigstens Bescheinigung deS^vorgegebenen Auftrags findet; doch beschränken sich diese Aus­

nahmen nur auf die Erekution aus dem angefochtenen Urtel«). G. Wird die Nullitätsklage als unbegründet zurückgewiesen und ist

der Implorant, wie cs vorgeschrieben, gleich bei seinem Anmelden mit der Strafbestimmung zu seiner Warnung bekannt gemacht, so wird er in 50—300 Thlr. Geldbuße oder verhältnißmäßigrs Ge­ fängniß verurtheilt').

Viertes Kapitel. Restitution.

Die

§. 374.

X. Begriff und Arten. Die Restitution,

Wiedereinsetzung

in den vorigen

Stand, heißt das prozessualische Rechtsmittel gegen an sich gültige

Verfügungen und Entscheidungen, welche einer Partei wegen ihrer

eigenen Versäumnisse oder Versehen nachtheilig find.

zwei Fällen angewendet:

ES wird in

1. wenn die Versäunmiß noch keine in

Rechtskraft übergegangene Entscheidung zur Folge gehabt hat, aber doch

nach dem Laufe

des Verfahrens zur Folge

haben wird;

7) 91. ®. O. a. a. O. 88- 5, 6, 8, 9. — Erkenntnisse M Ob. - Tr. »em 6. März 1837 (Jur. Wochenschr. 1840, 6. 685) und »em 7. Januar 1840 (Ulrich ic. Archiv, Bd. VII, S. 271).

8) A. G. O. a. a. O. §. 10. 9) Ebenda, § 29. Die Warnung unterbleibt gewöhnlich, weil cs an der Gelegenheit fehlt; denn man meldet sie nicht immer persönlich an.

Jtoi), ElrUxrozeß. 2. Aust.

46

Zweite« Buch. Ordentlicher Prozeß.

722

2. wenn bereits rechtskräftig erkannt und deshalb die Rescission eines rechtskräftigen llrtcls zur Abwendung des Nachtheils noth­ wendig ist (restitutio contra rem judicatam).

Das Rechtsmittel

ist in allen Fallen nur einmal zulässig*) und durch keinen bestimm­ ten Werth deS Gegenstandes bedingt**).

Restitution gegen noch nicht rechtskräftige Entscheidungen.

II.

8. 375.

1.

Fälle der Zulässigkeit.

Die Restitution gegen Versäumnisse oder Versehen bei nock fehlender rechtkrästiger Entscheidung findet statt:

1. wenn gegen

einen ausgebliebenen Beklagten ein Kontumazialbescheid abgefaßt

worden ist (§. 152);

2. wenn wegen Ausbleibens des Schwur­

pflichtigen in dem Terinine zur Ableistung eineS rechtskräftig er­

kannten Eides die Purifikationsresolution in contumaciam abgefaßt worden ist; 3. wenn ein deserirter oder referirter Eid wegen Ver­

säumung deS Termins nicht abgeleistet ist;

4. wenn ein Erkennt

niß, welches auf Verhandlungen mit einem nicht bestellten oder

falschen

Bevollmächtigten ergangen,

der Partei

selbst insinuirt

worden ist.

8. 376. 2.

Restitution gegen Kontumazialerkenntnisse.

Diese Anwendung

der Restitution

kennt daS G. R. nicht,

weil Kontuinazialerkenntniffe als Endurtheilc im gemeinen Prozesse

nicht vorkommen. Dagegen wird die Restitution gegen Versäum­ nisse und Versehen der Partei im Laufe des Verfahrens gebraucht (ex clausula

generali),

und

dieser Gebrauch wurde,

als die

v. Carmer'sche Prozeßordnung gemacht wurde, beibehalten, aber

nach den Eigenthümlichkeiten dieses Prozesses so modificirt, daß sie eine Restitution gegen daS Kontumazialcrkenntniß zu sein scheint

und auch so genannt wird *); doch ist der eigentliche Gegenstand der Restitution noch

immer das Versehen oder Versäuinniß der

*) V. vom 28. März 1840, §. 5 a.«.- S. o. $. 253, Rote 6. •*) A. G. O. I, 14, $. 73. 1) Corpus juri* Frid. Th. UI, Tit. 14, Abschnitt 3.

Instanz bet Rechtsmittel. Die einzelnen Rechtsmittel. Die Restitution.

Partei,

723

daher z. B. einerseits die Restitution gegen ein Kontu-

mazialcrkenntniß nicht anwendbar ist, wenn der Beschwerte nicht wegen der eingetretencn Folgen seiner Versäumniß, sondern wegen

der aus den für zugcstanden angenommenen Thatsachen hergeleitetcn rechtlichen Folgen Beschwerde führt2)3; andererseits aber die

Restitution auch schon vor Abfassung des KontumazialerkenntniffcS

eintreten müßte, wenn das Gesuch noch vorher angebracht würde8), was jedoch erst in Ansehung eines Falles,

nämlich wenn ein

Schwurpflichtigcr den Tcrinin zur Ableistung eines deferirten oder referirten Eides versäumt hat, von der neuesten Gesetzgebung an­

erkannt ist4).

Eine Zeit lang hatte man diese Restitution ganz

abgeschafft5),6 man führte sic aber nach einigen Jahren wieder ein,

weil aus der Aufhebung Anlaß genommen war, die Parteien öfters zu übereilen, welches sodann willkürliche Wiederaufhebungen der Kontumazialerkenntnisse zur Folge gehabt hatte4). Ausnahmsweise

ist sie aber in Wechselsachcn, Arrestsachen, welche besonders ver­

handelt

werden,

geschlossen4').

im Merkantilprozeß

und in Bausachen

aus­

Im Possessorien-Prozeß ist sie auf unabwendbare

Naturhindernisse beschränkt4'').

1. Das Restitutionsgesuch muß

innerhalb zehn Tagen, von der Zustellung des Kontumazialerkenntnisses angerechnet, bei dem Gerichte erster Instanz angebracht werden7);

in Bagatellsachen wegen vertretbarer Sachen, wo nur ein bedingtes Zahlungsmandat auf die Klage ergeht, beginnt die zehntägige Frist mit dem Zeitpunkte, in welchem das Mandat die Wirkung eines

Kontumazialerkenntnisses angenommen hat, also mit dem Ablaufe

der in dem Mandate bestimmten Frist zur Erhebung des Wider­ spruchs4).

Ist innerhalb dieser Frist Widerspruch erhoben und

2) In diesem Falle ist nut die Appellation ober bet Rekuts zu gebrauchen. A. G. O. I, 14, §. 78. — S. o. §. 369, Note 7. 3) Die Praxis kommt dieserhalb mit bet Theorie bisweilen in Konflikt. M. s. z. E. den in m. Rechtsverf., erste Fortsetzung, S. 10 ff. erzählten Fall. 4) V. vom 21. Juli 1846, §. 31, Abs. 3. 5) V. v. 30. Decbr. 1798, Absch». 11 (Rabe, Bd. V, S. 274). „Dies nut znr Verzögerung bet Rechtspflege Anlaß gebende und vielfältig, besondervon bösen Schuldnern gemißbrauchte remedium restitutionis in integrum wider Kontumazialerkenntnisse soll — nicht statt haben." 6) Cire. vom 11. Januar 1805 (Rabe, Bd. VIII, S. 233). 6a) V. vom 21. Juli 1846, §.27.

6 b) Anh. z. A. G. O. S> 114. 7) A. G. O. I, 14, §. 70; V. vom 5. Mai 1838, §. 5. 8) V. vom 21. Juli 1846, §.31, Abs. 2.

724

Zweite« Buch.

Ordentlicher Prozeß.

daraus Termin zur vollständigen Klagebeantwortung und zur münd­ lichen Verhandlung der Sache angrseyk worden, und bleibt in diesem

der Beklagte aus, so ist das nun ergehende Urtel kein Kontumazialerkenmniß in dem hier gemeinten Sinne, vielmehr gilt es für ein

aus kontradiktorisches Verfahren ergangenes Urtel'), gegen welches

die Restitution nicht anwendbar ist9*); 10 11denn der Beklagte hat wirklich widersprochen, in sofern also die Klage bestritten, und er ist nur die Begründung seines Widerspruchs schuldig geblieben.

2. Zur Begründung des RestitutionSgesuchS ist nicht mehr, wie sonst, die Angabe und Bescheinigung erheblicher Ursachen, durch

welche die Folgeleistung verhindert worden, oder doch die Angabe der Bescheinigungsmittel darüber, erforderlich, vielmehr genügt cs,

die Klage zugleich mündlich zu Protokoll, oder schriftlich zu beant­ worten"), nur muß die Beantwortungsschrift, mithin das ganze Restitutionsgesuch, außer dem Falle einer Bagatellsache, von einem Rechtsanwalt legalisirt sein, wenn nicht der Beklagte eine zum

Richteramte befähigte Person oder eine öffentliche Behörde ist. 3. Der Restituirte muß dem Gegner die durch die Vcrsäumniß verursachten Kosten sogleich ersehen, und der Gegner kann sofortige

Beitreibung verlangen").

Findet der Richter daS Restitutions­

gesuch begründet, so setzt er einen Termin zur Beantwortung der Klage an und eS erfolgt die weitere Verhandlung der Sacke. In dem hierauf ergehenden Urtel hebt der Richter sein Kontumazialerkenntniß zum Vortheil des Beklagten wieder auf und erkennt sodann in der Sache selbst waS Rechtens12)13 ; zum Nachtheil des Klägers bewendet es bei dem Kontumazialbescheide").

9) Deshalb muß auch bas ganze Gebühren-Pauschqnantum pasfire».

9 a) DieS war kontrovers uud in einige» GcrichtSbttirken bestand eine e»tgtgenstehendt PrariS, ungeachtet der Sah sich aus einer Vergleichung der 23 u. 24 der V. vom I. Juni 1833 mit dem §. 9 der B. vom 21. Juli 1849 er­ gab, und dem Widerspruch die rechtliche Natur einer negativen LitiSkontestation nicht abgcsprochcn werden konnte. Diese abwegige PrariS ist durch den §. 4 de« G. vom 28. März 1854 (®. S. S. 115) beseitigt. 10) A. G. O. I, 14, $$. 71, 74, 75. — V. v. d. g. T., $. 31, Abs. 1.

11) A. ®. O. a. «. O. §. 71, Nr. 3; $. 72. Von Amts wegen kann der Richter hier keine Erekution verfügen, wie es nach der Fassung deS §. 71, Nr. 3 scheinen könnte. 12) A. G. O. «. a. O. §§. 75, 76.

13) Ebenda, $. 79. - R. v. 8. Decbr. 1834 (Ergänz, zu I, 14, $. 79).

Instanz btt Rechtsmittel. Die einzelnen Rechtsmilicl. D>e Restituticn.

725

§. 377.

3.

Restitution gegen Purifikations-Resolutionen.

Dadurch, daß man in Folge des v. Earmer'schen Prozeß­

verfahrens den eigentlichen Gegenstand der Restitution aus den

Augen verloren hatte,

war eS gekommen,

daß man außer dem

Falle eines s. g. Kontumazialerkenntniffes keine Abhülfe gegen die nachtheiligen Folgen einer vielleicht ganz unverschuldeten Versäum-

niß finden konnte. Besonders empfindlich zeigte sich dieser Mißstand

bei versäumter Eidesleistung.

Die Gesetzgebung hat hierin wieder

positiv nachhelfen müssen, was sonst nicht nöthig gewesm wäre. ES findet nun die Restitution auch gegen Purifikations-Resolutionen statt, welche wegen Ausbleibens in dem Tcrinine zur Ableistung

eines

rechtskräftig

worden sind ■).

erkannten

Eides

in contumaciam abgefaßt

1. DaS Restitutionsgesuch kann nur innerhalb

zehn Tagen, von der Zustellung der Purifikations - Resolution an­ gerechnet, bei dem Richter erster Instanz, formlos angebracht werden.

Zur Begründung ist jetzt weiter nichts erforderlich, als daS Erbieten zur Ableistung des Eides *).

2. Der Richter setzt darauf einen neum

Termin zur Eidesleistung an, und ladet dazu beide Theile, den

Gegner unter Mittheilung des RestitutionSgesuchs, vor; eine Ver­

legung dieses Termins findet nur

in dem

einzigen Falle statt,

wenn klar erhellet, daß Naturbegebenheiten, oder andere unabwend­ bare Zufälle

machens.

das

Erscheinen

des Schwurpflichtigen

unmöglich

3. Wird in dem Termine der Eid geleistet, so spricht

daS Gericht in einer neuen Resolution die Aufhebung der Kon-

lumazial-Resolution aus und setzt die Folgen der Eidesleistung nach

den Bestimmungen

des UrtelS fest;

bleibt der Schwurpflichtige

abermals auö, oder schwört er gar nicht oder nicht nach der Vor­

schrift des UrtelS «); so ergeht ein Bescheid, wodurch daS Resti­

tutionsgesuch zurückgewiesen und die Aufrechterhaltung der in con­ tumaciam ergangenen Purifikations-Resolution ausgesprochen wird;

die Kosten des früheren SchwurterininS und ter Kontumazial-Pu«

rifikationS-Resolution trägt in jedem Falle der Implorant').

1) 2) 3) 4) 5)

V. vom 28. Mär, 1840, $. 1 (®. S. S. 102). Mtnda, SS- 2 u. 6, vtrb. mit B. vom 21. Juli 1846, $. 31. SB. vom 28. Mär, 1840, $. 3, vtrb. mit A. G. O. I, 27, $. 16. Schlts. Archiv, SBb. VI, S. 343. V. vom 28. Mär, 1840, §§. 4 u. 5.

Zweites Buch.

726

Ordentlicher Prozeß.

8. 378. 4.

Restitution gegen Versäumung eines anderen

Schwurtermins. Eine weitere positive Nachhülfe bezicht sich auf die versäumte Ableistung eines deferirten oder rcfcrirtcn Eides.

Hierbei zeigt es

sich deutlich, daß nicht die richterliche Entscheidung, sondern das

Versehen oder Versäumniß der Partei Gegenstand der Restitution ist; denn die Restitution findet nach dein versäumten Teruüne statt,

es mag inzwischen erkannt sein oder nicht f). binnen zehn Tagen werden*).

nach

dem

Das Gesuch muß

versäumten Termine

angebracht

Ist dann noch nicht erkannt oder das Erkenntniß noch

nicht publizirt, so geschieht weiter nichts, als die Ansetzung eines neuen Termins; ist aber das Erkenntniß bereits publizirt und wird der Eid geleistet, so muß von neuem was nun Rechtens erkannt und in diesem Urtel das vorige Erkenntniß ausgehoben werden.

Erscheint der Implorant wieder nicht oder schwört er nicht, so

verbleibt eö bei dem vorhandenen Erkenntnisse und das Restitutions­

gesuch wird zurückgewiesen.

§. 379. 5.

Restitution gegen ein Urtel wegen Mangels der

Prozeßlegitimation. Dieser Fall ist abnorm und gehört eigentlich nicht hierher, sondern zu den Fällen unheilbarer Nichtigkeit.

Wenn nämlich ein

t) Diese Bestimmung des §. 31 der V. vom 21. Juli 1846 ist durchaus verständig und sachgemäß'. Die Justiz-Kommission der Zweiten Kammer hat bei der Berathung des G. vom 20. Marz 1854 (G. S. S. 115) gemeint, daß die Bestimmung darin zu weit gehe, daß sie die Restitution auch dann gestattet,

wenn bereits erkannt ist. Man habe sich offenbar (?) die Folgen dieser letzteren Bestimmüng nicht recht klar gemacht. Denn da hier nicht von dem Rechtsmittel der Restitution gegen ein Kontumacial-Erkenntniß die Rede sei, sondern ein Er­ kenntniß auf Grund kontradiktorischer Verhandlung vorliege, so ließen sich die Formen der Restitution aus dem Abschn. 3, des 14. Titels der Prozeßordnung auf den gedachten Fall gar nicht anwenden; es bleibe daher völlig dahin ge­ stellt, auf welche Weise die Sache verhandelt werden solle, wenn die Restitution erst nach abgefaßtem Erkenntnisse nachgesucht werde, und es werde daher auch die letztere Bestimmung aufzuheben empfohlen. Das Bedenken ist völlig grund­ los, das Verfahren macht keine Schwierigkeit; und die Aufhebung der fraglichen Bestimmung würde das Rechtsmittel illusorisch machen. Denn in 99 Fällen unter 100 wird in dem Termin zur Eidesleistung auch erkannt, folglich würde der auSgeLliebene Eidespflichtige fast nie restituirt werden können. *) V. vom 21. Juli 1846, §. 31, Abs. 3.

Instanz der Rechtsmittel. Die einzelnen Rechtsmittel. Die Restitntio».

727

Erkenntniß, welches auf Verhandlungen mit einem nicht bestellten oder falschen Bevollmächtigten ergangen,

der Partei selbst gehörig

inflnuirt worden ist, so soll ihr nicht die Nullitätsklage zustehen, vielmehr soll ihr, wenn sie nicht appelliren oder revidiren will, nur

freistehen, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand anzutragen.

Das Gesuch muß binnen vier Wochen nach der Insinuation des

nichtigen Urtels bei demselben Richter angebracht werden und hat zur Begründung

kein anderes Erforderniß als die Anzeige des

Legitimationsmangels**).

Hier

ist

weder

ein Versehen

oder

Versäumniß der Partei, noch eine an sich gültige richterliche Ent­ scheidung, wogegen restituirt werden soll; die Abhülfe hätte auch

mittelst Berufung auf den Oberrichter dadurch geschehen können, daß

dieser das Urtel vernichtet und die Sache zur nochmaligen

Verhandlung und Entscheidung zurückgewiesen hätte, wie in dem

Falle der Nichtigkeit wegen Inkompetenz***).

III.

Restitution gegen rechtskräftige Ent­ scheidungen.

A. G. O. Th. I, Tit. 16, §§. 12—29. — Mittermaier, gemeinte deutscher bürgerlicher Prozeß, Beitr. III, S. 69 ff. — Zimmern, de judicio, quod vocant, rescindente ac rescissorio. Jenae 1826. — Ge» sler, Restitutionen in dem Gange des Civilprozesses, insbesondere gegen eröffnete, dem Ablaufe der Zeit nach rechtskräftige richterliche Entscheidniigen; im Archiv für civil. Präcis, Bd. IV, S. 112 ff. — Moritz, über das Rechts­

mittel der Wiedereinsetzung in den vorige» Stand gegen richterliche Urtheile. Landshut 1818. — Hurlebusch, über das Rechtsmittel der Wiederein­ setzung in den vorigen Stand; in den Beiträgen, S. 127 ff. — Riedesel zu Eisenbach, Vorträge an den vollen Rath des ReichS-KammergerichtS über

einige

wichtige Materien

des kammergerichtlichen Prozesses

(Jena,

1791), Nr. II. — Eisenhardt, processus instantiae restitutionis in integrum ad versus quorumque judienm sententias et decreta.

Halae 1780.

§. 380. 1.

Fälle der Zulässigkeit.

Von der Römischen Rechtsregel, daß gegen rechtskräftige Ent­

scheidungen keine Restitution stattfindet >), galten mehrere AuSnah-

**) A. G. O. I, 16, §. 2, Nr. 5, Abs. 4. •♦•) Ebenda, Nr. 3 ». §. 7. 1) L. 35, 36 p. de re jud. (XLII, 1); L. 4 C. eod. (VII, 32); L. 11 C. de rebus cred. (IV, 1).

Zweite« Buch. Ordentlicher Prozeß.

728

men, unter andern namentlich bei Entscheidungen gegen Minder­

jähriges und gegen den Fiskus») binnen einer gewissen Frist immer,

und später noch auS besondern Gründen, z. B. wenn Bettug vor­ gefallen war«) und wenn der Fiskus

nova auffand52).63 74 Ten

Minderjährigen sind im kanonischen Rechte die Kirchen und andre frommt Stiftungen gleichgestellt •) und der gemeinrechtliche Gerichts­

gebrauch erkannte daS Auffinden von neuen Thatsachen und Be­ weismitteln für einen selbstständigen RestitutionSgrund an ’).

RestitutionSfälle sind in das Preußische Recht übergegangen.

Diese ES

soll nämlich gegen ein in die Rechtskraft gettetenes Urtel resti­ tutio in integrum gesucht werden können:

1. wenn Jemand in

einem, während seiner Minderjährigkeit, durch seinen Vorinund oder Kurator, oder unter dessen Beistände, geführten Prozesse vcr

kürzt zu sein behauptet, in welcher Hinsicht der FiskuS, die Kir­

chen und milden Stiftungen und überhaupt Alle, welche die Rechte der Minorennen haben, den Minderjährigen gleichstehen (restitutio

ex capite minorennitatis);

2. wenn eine Partei angicbt, daß sie

nach ergangenem Judikate neue Bewcisinittel gefunden habe, deren

sie in dem vorigen Prozesse sich zu bedienen, ohne ihre Schuld verhindert worden (restitutio ex noviter reperlis)8); 9 10und zwar

auS dem ersten Grunde binnen vier'), aus dem zweiten Grunde binnen

zehn Jahren

nach

der

Zustellung

deö

angefochtenen

UrtelS'«).

2) L. 9 pr.» 29, l, L. 42 D. de minoribus (IV, 4)'; L. 1—3, 5 C si adversus rem judicetam (II, 27).

3) L. 1 C. de officio ejus, qui vicem (I, 50); L. 4 C. quibus ex cauais majores (II, 54); L. 3 C. de jure reipubl. (XI, 29).

4) L. un. C. de aentent. adversus fiscum retract. (X, 9).

5) L. 35 D. de re judicata (XLII, 1). 6) c. 1—3, 7 X. de in integrum reetitutione (I, 41).

7) Pl.-Beschl. de» Reich-kammergericht» vom 7. Juli 1669 u. vom 7. Juli 1671 (in der Sammlung der Gemeinbescheide, Wetzlar 1717, S. 91 u. 97 ff.). — Riedes«! zu Eiseiibach, a. a. O., §. 21 ff. 8) A. G. D. I, 16, $$. 12, 14.

9) Wend», $. 13. — Bier Jahre waren nach R. R. L. 7 C. de tempor. in integrum restitut. (II, 53), die gewöhnliche Restitution-frist. 10)i«. ®. O. a. a. O. $$. 19 u. 27. — Für diesen Fall ist keine desondere Bestimmung im ®. R. Da« c. 6 X. de except, (II, 25) spricht ton 20 Jahren bei der Rrttaktatio wegen falscher Urkunden.

s. 381.

2. Restitutio ex capite minorennitatis. I. Aus diesem Grunde kommt daS Rechtsmittel zu Statten: 1. folgenden Personen: a) allen aus einem gesetzmäßigen Grunde Bevormundeten, wozu minderjährige, unter väterlicher Gewalt stehende eheliche Kinder, wenn als deren alleiniger Vertreter vor Gericht ihr Vater angenommen und zugelassen worden ist, in dieser Hinsicht nicht gehören'), ebenso wenig die Konkursmassen und die nach den Vorschriften des A. L. R. I, 9 §. 471 unter Kura gesetzten Rachlaßmassen'), wohl aber uneheliche Kinder, welche durch ihren mütterlichen Großvater vor Gericht vertreten worden sind'), sowie minderjährige Töchter, welche durch ihre Verheirathung aus der väterlichen Gewalt gegangen sind und bis zu ihrer Volljährigkeit unter der Vormundschaft ihres VaterS bleiben*), wenn sie von diesem allein vor Gericht vertreten worden sind; und geisteskranke, unter der natürlichen Vormundschaft ihrer Ehemänner stehende Eheftauen5); b) dem Fiskus; c) den Kirchen und mildm Stiftungen; d) überhaupt Allen, welchen in den Gesetzen die Rechte der Minderjährigen beigelegt sind"); 2. gegen Entscheidungen, wodurch dem Vertretenen ein erheblicher Nachtheil (eine Rechtsver­ letzung) deshalb widerfahren ist, weit der Vertreter versäumt oder versehen hat, die zur Verfolgung oder Wahrnehmung der Rechte des Pflegebefohlenen dienlichen Rechtsgründe oder BewySmittel zu gebrauchen; nicht aber deshalb, weil er die Fristen zur Einlegung und Rechtfertigung des Rechtsmittels, der Appellation, der Re­ vision, des Rekurses und der Nichtigkeitsbeschwerde versäumt hat, indem die Rechtswohlthat der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen diese verabsäumte Frist abgeschafft ist'). Un-

1) Pr. des Ob. - Tr., Nr. 1151, vom 11. Juni 1842. Bergt. Erl. de« Ob.-Tr. vom 26. Februar 1838 (Ulrich, Arch. Sb. V, S. 324).

2) Bergt. Pr. 1599, vom 1. Juni 1845, welche« diesen Massen auch die doppelte Appellation«frist abspricht. 3) Pr. 1207, vom 14. Februar 1842 und Erk. vom 16. Januar 1352 (Entsch. Sb. xxn, S. 442). 4) A. L. R. II, 2, $. 229. 5) Ebenda, II, 18, $$. 39, 40.

6) A. ®. O. a. a. O. $$. 13, 14. — ®. o. Z 380, Rote 6. 7) Ebenda, $$. 13, 15, 16: A. 8. R. I, 14, $. 174, verb. mit der De­ klaration vom 6. April 1839, Art. 13. — Pr. 2138, vom 28. August 1848. Die Restitution gegen die Versäumung der lOtägigen Frist zur Restitution gegen

Zweites Buch. Ordentlicher Prozeß.

730

betroffen hiervon ist ein Fall der unheilbaren Nichtigkeiten, der hier einzureihen ist.

Ist nämlich der Richter nicht kompetent gewesen

und hat auch keine Prorogation auf ihn stattgefunden, so müßte das Urtel nichtig sein.

In diesem Falle ist aber unterschieden: ob

die Parteien bloße Privatpersonen sind, oder ob der FiskuS zu den Hauptpartcien gehört.

In dem ersten Falle soll eS bei dem Ur­

theil verbleiben, wenn cs die beschwerte Partei dem Zcitablaufe

nach hat rechtskräftig werden lassen.

Ist aber der Fiskus Partei,

und die Sache noch nicht durch alle zulässigen Instanzen entschieden, so soll ihm frcistehcn, innerhalb vier Jahren, nach der Insinuation

des letzten Urtels, sich noch auf den kompetenten Richter der etwa noch übrigen Instanz zu berufen, d. h. cs steht ihin, nach Bewandtniß der Sache, das Rcchtöinittcl der Appellation oder der

Revision vier Jahre lang,

nach Insinuation

des

beschwerenden

Urtels offen, wenn ein inkompetenter Richter, auf den nicht aus­ drücklich oder stillschweigend prorogirt worden ist oder hat proro-

girt werden können, offene. Dieser Fall steht nicht gleich der bloßen Versäumung der Appellations- oder Revisionsfrist, vielmehr

ist hier ein nichtiges Urtel vorhanden, gegen welches eigentlich die

Nullitätsklage stattfindcn müßte, welche aber mit einer Restitution

vertauscht worden ist, um den für die Sache noch übrigen höheren

Richter erkennen zu lassen^),

daher auch dieses Beneficium bei

Einführung der Nichtigkeitsbeschwerde vorbehalten ist1 °). such

um Annullirung

wird bei dem Ministerium,

Das Ge­

welchem der

Richter, der daö angeblich nichtige Urtel gesprochen hat, unterge­

ordnet ist, angebracht. Dieses Ministerium nimmt, wenn eS das Gesuch nicht ganz unbegründet findet, mit demjenigen, zu dessen Ressort die Sache nach der Behauptung des Imploranten gehören

soll, darüber Rücksprache. Ist das Gesuch unzulässig, so wird der Implorant durch ein Ministerialrcscript abgewiescn; ist cs zulässig, so wird das angeblich inkompetente Gericht angewiesen, die Akten

an die kompetente Behörde auszuliefern.

Bei dieser wird die Sache

ein Kontumacialurtel (§§. 69 ff. Tit. 14 der Pr. O.) ist nicht aufgehoben. Pl.Beschl. lPr. 2290), vom 19. Mai 1851 sEntsch. Bd. XXI, S. 407). 8) A. G. O. I, 16, 8 2, Nr. 3 und 8- 7. 9) Dadurch ist die Nullitätsklage wesentlich nicht verändert. „Da — der Fiskus allein es ist, welcher unter gewiffen Umständen auf die Annullirung eines rechtskräftigen Urtels, wegen vermeintlicher Inkompetenz des er­ kennenden Richters antragen kann, so" u. f. w. 10) B. vom 14. Dccbr. 1833, 8- 28. Ist ganz unpraktisch.

Instanz der Rechtsmittel. Die einzelnen Rechtsmittel. Die Restitution.

731

in der noch übrigen Instanz, sowohl in der Hauptsache, als in Ansehung deS angeblichen NichtigkeitsgmndeS, verhandelt und entschiedm"). II. Das Rechtsmittel setzt voraus, 1. daß weder in Ansehung der Zuziehung deS Vormundes, noch in Rückstcht der obervormundschaftlichen Mitwirkung etwas versehen sei, weil sonst Nichtigkeit eintteten würde; 2. daß dem Imploranten im Prozesse durch die angefochtene Entscheidung ein Nachtheil zugefügt wor­ den 11 l2), 13 14 d. h. daß die beschwerende Verfügung nach der Lage der Sache nicht gerechtfertigt sein würde, wenn das Versäumte oder Versehene gehörig vorgebracht oder gebraucht worden wäre, eS muß inithin so erheblich sein, daß es eine günstige Entscheidung würd« haben bewirken können. III. DaS Gesuch kann sowohl von dem Pflegebefohlenen selbst, wenn er inzwischen selbstständig geworden, als von dein gesetzlichen Stellvertreter, ingleichen von den Erben deS Verletzten, in der Regel immer nur bei dem Richter derjmigen Instanz, in welcher die Läston vorgefallen ist, angebracht werden1»). Findet der Richter die Restitution begründet, so hebt er das ange­ fochtene Urtel in so weit, als eS den Imploranten nach Maßgabe der beigebrachten Restitutionsgründe verletzt, auf und erkennt nochmals über die bettoffenen Punkte; in allen übrigen damit nicht verbundenen Punkten bleibt daS vorige Urtel unverändert"). 3. Restitutio ex capite noviter repertorum.

8. 382. a) Begründung durch neugefundene Dokumente.

Böle, über das Rechtsmittel der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wegen neu ausgefundener Urkunden, mit besonderer Beziehung auf den summarischen Prozeß; in Ulrich' S Archiv, Bd. I, G. 75 ff.

Tie Restitution kann durch neu aufgefundene Urkunden be­ gründet werden, sei eS, daß die neuen Dokumente nur ein schon in fcem Vorprozesse vorgekommenes erhebliches, aber unerwiefeneS 11) A. G. O. a. a. O. j. 7. Der Falt kann jetzt, nachdem die Reffortverhältniffe viel bestimmter, als zur Zeit der Abfassung der A.G. O. regulirt find, nur höchst selten vorkommen, und verdient deshalb nicht länger beibehaltcn zu werden. 12) A. G. O. a. a. O. $$. 13, 15. 13) Ebenda, $.13 a. G. u. $. 15. — Eine Ausnahme macht der so eben erwähnte Fall der Restitution deS Fiskus, Rote 11. 14) Ebenda, $. 16, u. die Anm. 22 dazu.

Faktum betrefftn, ober ganz neue Behauptungen in Beziehung auf baS unerwiesene Klagefundament ober zur Begründung einer wah ren Erception beweisen sollen’). Ist das ftagliche Faktum in dem Vorprozeffe durch einen von dem Gegner geleisteten Eid de veritate formell bewiesen worden, so findet keine Restitution statt, vielmehr kann möglicher Weise nur Schadensersatz wegen verlorenen Prozesses auf Grund eines Meineides gefordert werben1).2 3Zur 4 Begründung des Restitutionsgesuchs genügt aber nicht die bloße Neuheit des Beweismittels, vielmehr muß noch die Bedingung hinzutreten, daß der Jmpettant nicht aus eigener Schuld mit dem Beweismittel zurückgehalten habe. Das Dokument muß daher erst nach rechtskräftiger Entscheidung entdeckt worden sein, und der Implorant soll schwören, daß er vorher von dieser Urkunde nichts gewußt habe, oder, wenn ihm deren Dasein an sich bekannt ge­ wesen, daß er selbige, alles angewandten Fleißes ungeachtet, im vorigen Prozesse nicht habe herbeischaffen können1). Ueber diese» Eid kann man zwei verschiedene Ansichten haben: man kann ihn als eine Art des Kalumnieneides betrachten, oder auch für den Beweis eines die Zulässigkeit der Restitution bedingenden Umstan­ des. Die erste Ansicht führt zuletzt nur auf die Strafen des chi kaneusen ProzessirenS; die zweite auf Zurückweisung deö Gesuchs, wenn der Eid nicht geleistet oder wenn daS Gegentheil von dem, waS beschworen werden soll, ermittelt wird. Die gemeinrechtliche Praxis ging von der ersten Ansicht auS1) und darin ist die Preußische Gesetzgebung nachgefolgt. Wenn also auch der Eid nicht geleistet wird, oder wenn auSgemittelt worden ist, daß der Implorant mit diesen Urkunden im vorigen Prozesse geflissentlich und vorsätzlich zurückgehalten habe: so soll er, wenn eine andere ihm vortheilhaftere Entscheidung aus dem Beigebrachten folgt, dennoch 1) A. G. O. a. a. O. $. 23. 2) Ebenda, $. 24. Bergt. I, 10, §. 144. — L. ult. C. de jurejurando (II, 59). — C. C. C. Art. 107. — Leyser, Med. sp. 567, m. 11 seq. Darüber: ob der Kriminalprozeß vorausgehen müsse, find die Meinungen »trschieden.

3) A. ®. O. a. a. O. $. 17, Nr. 3. Muß also der Befitz der Urkunden einaeräumt werden, so find fi« in keinem Falle zur Begründung der Restitution, «unemoria zusammen­ getragen.

Dann wird ein Terinin zur Abnahme der Rechnung

vor einem Abnahmc-Koininissarius angesetzt, zu welchem der Vor­ mund unter abschriftlicher Zufertigung des Revisionsprotokolls vor­

zuladen ist, um die Monita zu beantworten. Darauf setzt daVormundschaftögericht durch eine, wie gewöhnlich zu insinuirende, Resolution fest: welche Monita für erledigt zu erachten seien, oder

bei welchen dem Vormunde eine Vertretung, und auf wie hoch, zur Last falle.

Erklärt der Vormund, daß er sich dabei nicht be­

ruhige und daß er die gezogenen Defekte nicht anerkenne; so müssen

die Desecte bei dem ordentlichen Civilgerichte eingeklagt werden,

6) A. G. O. a. a. O. $$. 13-20. 7) Ebenda, $$• 21—25. Auch di« Revision muß nach dem Prinzip de« $. 1 der V. vorn 14. Dccenzber 1833 staltfindrn, da di« Vormundschaft «iii Familirn-Verhaltniß ist.

wobei nach den Regeln des ordentlichen Prozesses zu verfahren ist. Zur Führung dieses Prozesses wird dem Pflegling, nach Befinden, ein Kurator ad lites bestellt, oder auch der etwa vorhandene Neben­ vormund, oder ein mit der Sache bekannter Verwandter von dem Vormundschaftskollegium beauftragt8).

VI. Das Verfahren in Ehesachen. A. G. O. I, 40. — V. über das Verfahren in Ehesachen, vom 28. Juni 1844 (G. S. S. 184). — Amtliche Darstellung der in den Preuß. Gesetzen über die Ehescheidung unternommenen Reform. Berlin 1844. — JonaS, die Verordnung über das Verfahren in Ehesachen, vom 28. Juni 1844; in der jurist. Wochenschrift für 1845, S. 17 ff.

8. 413. Geschichtliches.

Die geistliche Gerichtsbarkeit, vor welche die Ehesachen nach kanonischem Rechte gehören, ging in den, in Folge der Refor­ mation, aus der Jurisdiktion der katholischen Kirche ausgcschiedenen protestantischen Gemeinden auf das im Jahre 1552 errichtete Konsistorium über (S. 64). Als bei der allgemeinen Justizreform vom Jahre 1748 auch das Konsistorium als Gericht aufgehoben wurde, übertrug man dessen Gerichtsbarkeit auf die neu errichteten Landesjustizkollegicn (S. 81), insoweit nicht einzelnen Sonder­ gerichten nach Provinzialgcsetzen oder Privilegien Konsistorialrcchte beigclcgt waren. Diesen Zustand seht die A. G. O. voraus'). Um jedoch bei der, in Folge des durch die A. G. O. eingcführten Untersuchungsverfahrens, überhand genommenen Schreiberei den Landesjustizkollegicn eine Erleichterung zu verschaffen, überwies man im Jahre 1803 die Sponsalicn- und Ehesachen in erster In­ stanz den ordentlichen Gerichten, vor welchen der Ehemann seinen persönlichen Gerichtsstand hattet). Seitdem waren auch Einzeln­ richter in Ehesachen kompetent. Man hat dies später so ausgelegt, daß durch diese Aenderung nicht der ordentliche Gerichtsstand dem speziellen Ehegerichtsstandc habe substituirt werden sollen, woraus die Unzulässigkeit der freiwilligen Prorogation des Gerichtsstandes ß) Ebenda, §§. 26, 27. 1) Th. 1, Tit. 2, §. 128; Tit. 40, §. 1.

in Ehescheidungssachen gefolgert worden ist, um den vorgekommenen Mißbräuchen entgegen zu wirsen3);4 doch konnte dadurch die ge­ meinschädliche Wirkung jener Aenderung des Gerichtsstandes nicht beseitigt werden. Dies geschah erst durch die Wiederaufhebung der dem persönlichen Richter des Ehemannes überwiesenen Gerichts­ barkeit in den Ehesachen und durch die Errichtung besonderer Ehe­ gerichte für die Prozesse, welche die Scheidung, Ungültigkeit oder Nichtigkeit einer Ehe zum Gegenstände haben, im Jahre 1844. Die Gerichtsbarkeit in diesen Prozessen stand hiernach in soweit, als sie nicht den katholisch-geistlichen Gerichten verfassungsmäßig gebührte, den Obergerichten als damaligen ordentlichen Landes­ gerichten zu, und die Appellation ging nicht mehr an ein Kolle­ gium, welches an einem andern Orte seinen Sitz hatte, vielmehr war für diese Appellationen auch in denjenigen Ober-Landesgcrichten, in welchen ein zweiter Senat nicht bestand, ein solcher eingerichtet. In erster Instanz mußten in jeder Gerichtssitzung wenigstens fünf, in zweiter wenigstens sieben Mitglieder, mit Einschluß des Vor­ sitzenden, anwesend sein, und bei allen Verhandlungen mußte ein verpflichteter Protokollführer zugezogcn werden. Außerdem mußte bei jedenr Ehegericht erster Instanz ein Staatsanwalt bestellt sein, (§. 56 a), welcher in den vorgenannten Prozessen zu den vorkommenden Verhandlungen von Amts wegen zuzuziehen war, und welchem oblag, in diesen Prozessen durch alle Instanzen das öffentliche Interesse wahrzunchmcn; nichtige Ehen anzufechten; die Bestellung eines Kurators der Kinder bei dem Vormundschafts­ gerichte zu beantragen, wenn nach seinem Ermessen Rechte oder Interessen derselben in dem Eheprozesse wahrzunehmcn sind, und selbst solche Rechte und Interessen einstweilen bis zur Anstellung des Kurators wahrzunehmen; alle Erklärungen und Anträge, welche sich auf die Aufrechthaltung der Ehe beziehen, zu machen, doch konnte er kein Rechtsmittel cinUgcn '•). Diesen weltlichen Ehcgerichten war ein besonderes Verfahren vorgeschricben, wogegen in dem Verfahren der katholisch-geistlichen Gerichte nichts geändert worden war, so daß es zwei Ehescheidungsprozeßarten gab. Bei der Gerichtsorganisation von 1849 ist abermals eine Aenderung in den Ehegerichten eingetreten. Die bis dahin als die ordentlichen königl. Landesgerichte, im Gegensatze zu den Sondergcrichten 3) K. O. vom 25. gebt. 1833 (G. S. S. 24); R. vom 17. Oktbr. 1835 (Jur. Wochenschrift für 1835, S. 423). 4) V. vom 28. Juni 1844, §§. 1—9.

Koch, Ctvil-Vrozeß. 2. Anfl.

Die außerordentliche» Prozeßakten.

Drittes Buch.

786

(Untergerichten) bestandenen Oberlandcsgerichten sind sammt allen

Sondergerichten und der geistlichen Gerichtsbarkeit in allen welt­ lichen Angelegenheiten., namentlich in Prozessen über die bürger­

liche Trennung, Ungültigkeit oder Nichtigkeit einer Ehe, sind auf­ gehoben und es sind gleichförmige königliche Landesgerichte, unter

dem Namen von Stadt- und Krcisgcrichten (Gerichte erster In­

stanz), und Appellationsgerichte errichtet 5).

In Folge dessen sind

die Prozesse, welche die Scheidung, Ungültigkeit oder Nichtigkeit einer Ehe betreffen, wieder auf die ordentlichen persönlichen Ge­

richte übcrgegangen;

für die Sitzungsverhandlungen in erster In­

stanz sollen drei und in zweiter Instanz fünf Richter genügen;

die Geschäfte der Staatsanwaltschaft in diesen Prozessen hat der bei dem kompetenten Gerichte anwalt wahrzunehmen 6).

Strafsachen

für

bestellte Staats­

Im Uebrigcn ist das Verfahren unver­

ändert geblieben; die Oeffentlichkeit ist bei allen Streitigkeiten in

Ehesachen ausgeschlossen ’).

A. verfahren vor den Weltlichen Ehegerichten. Im Allgemeinen.

A.

§. 414. 1.

Dem

gerichtlichen

Sühncvcrsuch.

Verfahren

über

eine

Ehescheidungsklage

(nicht aber im Falle der Ungültigkcitö- oder Nichtigkeitsklage) muß

der Sühneversuch vor dem Geistlichen, bei Juden vor einem Rab­

biner'), vorausgehen,

wenn der Beklagte nicht ediktaliter vorzu­

laden oder aus sonstigen möglich ist2*). 1 3

Gründen

der

Sühneversuch nicht un­

Wer auf Ehescheidung klagen will, muß dies sei­

nem Seelsorger,

und bei gemischten

Ehen auch

des andern Theils, persönlich melden2).

dem Seelsorger

Der Geistliche hat die

5) V. vom 2. Januar 1849, §§. 1 u. 18 ff. 6) Dieselbe Verordnung, §. 12. 7) G. vom 26. April 1851, Art. XI. (G. S. S. 184). 1) V. vom 28. Juni 1844, §, 14. 2) Ebenda, §. 15. — Gutachten des Ob. - Tr. vom 19. Oktober 1847 (3. M. Bl. 1848, S. 2). Auch die Beschaffenheit dcS Ehescheidungsgrundes (A. L. 9t. II, 1, §§. 704—707) kann den Sühncvcrsuch ausschließen. 3) Die schriftlichen Anzeige» entsprechen der Absicht des Gesetzes nicht nnd Rechtsanwälte sollen nicht ihre Dienste dazu hergeben. R. vom 23. Novbr. 1846 (I. M. Bl. S. 203).

uneinigen Eheleute und beziehlich den zu seiner Konfession gehörigen Ehegatten vor sich zu bescheiden, um die Aussöhnung zu versuchen. Bleibt der Versuch fruchtlos, so hat der Geistliche solches auf Verlangen zu fltteftirm4). Eine Frist, binnen welcher der Sühne­ versuch nach der Anmeldung vorgenommen werden müßte, ist dem Geistlichen nicht oorgcschrieben; aber das Attest muß ertheilt wer­ den, wenn seit der ersten Anzeige an den Geistlichen vier Monate vergangen sind, ohne daß die versuchte Aussöhnung zu Stande gekommen ist5).6 7Findet 8 sich am bestimmten Tage der Kläger nicht ein, so gilt die Anzeige für zurückgenommcn; bleibt der beklagte Theil aus, so kann er durch seinen persönlichen Richter mittelst Straft oder Zwangsgcstellung angehalten werden, sich einzufinden°), wozu der Geistliche einen neuen Termin anzusetzcn und den Richter zu rcquiriren hat. Bei gemischten Ehen ist jeder Theil nur vor sei­ nem Geistlichen zu erscheinen verbunden, und jeder Geistliche hat ein besonderes Attest über den mißlungenen Sühneversuch auf Ver­ langen des klagenden Theils auszustellcn Verweigert ein römischkatholischer Geistlicher den Sühneversuch, weil er die Ehe nicht als kirchlich gültig anerkennt, so genügt das von ihm hierüber zu er­ theilende Attests. 2.

Erste Instanz. 8. 415.

a) Erstes Verfahren.

I. Die Klage auf Scheidung, Ungültigkeit oder Nichtigkeit der Ehe muß den Schcidungsgrund vortragen, die Beweisantre­ tung enthalten und im Falle der Scheidungsklage den vergeblichen Sühneversuch durch das Attest des Geistlichen oder die Beschei4) V. vom 28. Juni 1844, §. 10.

5) Ebenda, §. 13. 6) Ebenda, §.11. 7) Ebenda, §. 12. Die Atteste sind stempclpflichtig; der Ertrahent muß den erforderlichen Stempel herbeischaffen. Gebühren hat der Geistliche nicht zu fordern. K. O. vom 11. Scptbr. 1846 (I. M. Bl. S. 178).

8) §. 72 a. a. O. Die katholischen Geistlichen verweigern aber auch das Attest, weil sic nach den Grundsätzen ihrer Kirche die weltlichen Gerichte für inkompetent halten und deshalb ihre Mitwirkung verweigern müßten. Sie haben Recht; der weltliche Gesetzgeber hat in seiner Verordnung über Kräfte verfügt, über die er keine Gewalt hat; er muß sich davon unabhängig halten. Das will man jetzt auf dem Wege der Praxis crreicheu, indem der I. M. Simons den Gerichten die analoge Anwendung des §. 72 empfohlen hat, den 30. Okto­ ber 1851.

788

Drittes Buch.

Die außerordentlichen Prozeßakten.

nigung, daß derselbe seine Mitwirkung verweigere, Nachweisen, oder die Umnöglichkeit des vorgängigen geistlichen Sühneversuchs unter

Zusammenbringung beider Gatten oder überhaupt darlegen; ohne diesen Nachweis wird die Klage auch als bloße Anmeldung nicht

angenommen *).

Sie kann mündlich zu Protokoll oder in einer

Schrift, die von einem Rechtsanwälte verfaßt sein muß, wenn der Kläger nicht zuin Richteramte befähigt ist, angebracht werden. Wird

die Klage angenommen, so ergeht die Ladung zur Beantwortung

derselben an den Beklagten, unter Zufertigung einer Abschrift, auf einen

bestimmten Termin vor einem

GerichtSdeputirten.

Der

Staatsanwalt und der Kläger werden davon benachrichtigt, der

erste unter Mittheilung einer Abschrift von der Klage. Die Klage­ beantwortung kann vor oder in diesem Termine schriftlich, in der für die Klage vorgeschriebenen Form, eingereicht werden.

Wird

eine annehmbare Wicderklage angebracht, so ergeht, wie auf die

Klage, Verfügung wegen Beantwortung derselben1 2).

II.

Nach

Eingang der Beantwortung oder fruchtlosem Verlaufe des Termins werden die persönlichen Erklärungen der Parteien eingeholt.

Ist

nach den Umständen zu erwarten, daß die Parteien freiwillig in

Person erscheinen werden, oder beschließt das Kollegium, dieselben auch wider ihren Willen zum persönlichen Erscheinen anzuhalten,

so ergeht an dieselben und an den Staatsanwalt sofort Ladung vor das Kollegium auf einen bestimmten Termin, in welchem vor dem Kollegium bei verschlossenen Thüren verhandelt wird. Zwang

zum persönlichen Erscheinen findet statt, wenn das Ehegericht sol­

ches zur Erforschung der Wahrheit für erforderlich erachtet, oder begründete Hoffnung hat, daß dadurch die Aussöhnung der Par­

teien werde bewirkt werden, und auch in diesen Fällen nur dann, wenn nicht Krankheit, Armuth, Entfernung, Dienstverhältnisse oder andere ähnliche Hindernisse entgegcnstchen. Ist nur der eine Theil persönlich zu erscheinen verhindert, so kann der andere Theil auch allein dazu angehalten werden.

In soweit die Person der Par­

teien nicht vor das Kollegium gebracht werden kann, ist deren Ver­ nehmung durch einen Kommiffarius oder durch ein anderes, Gericht

zu bewerkstelligen. In diesem Falle ergeht die Ladung zur Ver­ handlung vor dem Kollegium erst nach Eingang der Erklärungen

1) Ebenda, 10. — Das vorhin (§. 414, Note 2) angegebene Gutachten des Ober-Tribunals.

2) Ebenda, §§.16—18. Zur Begründung der Wiederklage bedarf eS keines nochmaligen vorgängigen Sühneversuchs vor dem Geistlichen.

Die besondern Prozeßakten.

Der Ehetrennungsprozeß.

789

und wenn dieselben vollständig befunden worden sind »).

Die Ver­

nehmung ist besonders auf die Ursachen des ehelichen Unftiedens

und darauf: wodurch derselbe möglicherweise wieder beseitigt werden könnte, sowie auf solche Umstände zu richten, aus welchen auf das Dasein einer unheilbaren Zerrissenheit des ehelichen Bandes und

auf die Wirklichkeit des angegebenen Scheidungsgrundes geschlossen werden kann, um zu der Ueberzeugung zu gelangen, daß nicht

Leichtsinn, Uebereilung oder Erdichtung des eingeräumten Scheidungs­

III. Die Verhandlung vor dem Kollegium

grundes vorhanden sei.

beginnt mit dem Vortrage des wesentlichen Akten-Inhalts durch

ein Mitglied des Gerichts, worauf die Parteien oder deren Stell­ vertreter und der Staatsanwalt nach einander zu hören sind.

Der

wesentliche Inhalt der Vorträge und Anträge, sowie diejenigen Er­ klärungen, deren Aufzeichnung von Seiten einer Partei oder des

Staatsanwalts besonders verlangt wird, werden im Audienz-Pro­

tokolle ausgezeichnet.

Der Vorsitzende leitet und schließt die Ver­

handlungen und das

Gericht hat sofort zu erkennen, wenn die

Sache spruchreif ist, sonst aber das zur Fortsetzung derselben Er­

forderliche zu beschließen; es darf aber auch,

nach Befinden, die

Entscheidung zu einer weitern Berathung aussetzen §).

Daö Er­

kenntniß oder der Beschluß ist in der Regel sogleich bekannt zu

machens.

Eine Ausnahme machen Ehescheidungsklagen, welche

nicht auf Ehebruch,

auf bösliche Vcrlassung, auf Raserei oder

Wahnsinn, auf grobe, mit harter und schmählicher Zuchthausstrafe bestrafte Verbrechen, oder aus Trachtung nach dem Leben des Klä­ gers gegründet werden; die Publikation des Erkenntnisses, falls der Ausspruch auf Scheidung ausfällt, soll dann auf ein Jahr, vom

Abschlüsse der Sache an, ausgesetzt werden, es sei beim, daß der

Richter findet, daß keine Hoffnung zur Aussöhnung vorhanden«).

IV. Wird die Publikation des Erkenntnisses ausgesetzt, so kann

den Eheleuten auf Verlangen eines Theils erlaubt werden, in der Zwischenzeit von einander getrennt zu leben.

Wie es inzwischen

mit dem Unterhalte der Ehefrau, mit Erziehung oder Verpflegung

3) §§. 19—25 a. a. O. Dir Zweckmäßigkeit de» persönlichen Erscheinen­ hat lediglich da- Gericht, nicht der Staatsanwalt, der nut seine Anträge zu nehmen hat, zu ermessen. Vergl. de» Besch, de- Ob.-Tr. im I. M. Bl. 1852, S. 64. 4) §§. 25—30 a. a. O. In diesem Falle muß sofort ein Eröffnungstermin bestimmt und bekannt gemacht werde».

5) §. 30 a. a. O.

Vergl. die vor. Anm.

6) Ebenda, §§. 30, 70.

der Kinder, mit Sicherung des Vermögens zu halten sei, hat das Gericht, nach Ermessen, ohne förmlichen Prozeß durch eine Re­ solution festzusetzen ’). Nach Ablauf der bestimmten Frist muß von Amts wegen die Sache wieder ausgenommen, vor Allem die Sühne nochmals versucht, und erst, wenn auch dieser Versuch ftuchtlos ist, das Erkenntniß publizirt werden»). Ob der Sühneversuch durch den Geistlichen, oder vor dem Kollegium, oder durch Kommissarien mit oder ohne Zuziehung eines Geistlichen angestellt werden soll, hat das Gericht zu bestimmen»). V. Wird nach dem Schluß der ersten Verhandlung vor dem Kollegium die Fortsetzung derselben beschlossen, so können die Parteien in jeder Lage des Prozesses zum persönlichen Erscheinen, soweit solches an sich gefordert werden darf, angehalten werden; sie sind jedoch berechtigt, sowohl vor dem Kollegium, wie vor einem KommissariuS, sich der Hülfe eines Rechtsbeistandes zu bedienen. Im Falle des Ungehorsams des kla­ genden Theils, oder wenn der Kläger ausdrücklich auf Sistirung des Prozesses anträgt, bleibt die Sache aus sich beruhen, wenn nicht die Anträge des beklagten Theiles die Fortsetzung nöthig machen, oder der Kläger die Wiederaufnahme des Prozesses binnen der ge­ setzlichen Frist nachsucht (den Prozeß reasssnnirt)1 °). b) Beweis verfahren.

8. 416. a) Besondere Grundsätze über den Beweis.

Wird der Beklagte ediktaliter vorgeladen, so kommen die ge­ wöhnlichen Beweiöregeln zur Anwendung *); sonst aber gelten in Beziehung auf die Thatsachen, welche zur Feststellung des Klagegrundes dienen sotten2), folgende besondere Grundsätze. I. Das Zugeständniß des beklagten Theils, mag es in dem Prozesse oder vorher erklärt sein, ist kein zulängliches Beweismittel, vielmehr müssen dem Richter noch andere Beweisgründe verschafft werden, 7) A. G. O. I, 40, §. 46. mittel zulässig. 8) Ebenda, §.71. §§. 827-830.

-

Gegen dieses Interimistikum ist kein Rechts­

A. G. O. I, 40, §. 45, 50.

- A. L. R. II, 1,

9) V. vom 28. Juni 1844, §. 38.

10) V. vom 28. Juni 1844, §§. 32-34. - S. o. §. 287. 1) Ebenda, §.46.

geln.

2) In Ansehung anderer Thatsachen verbleibt eö bei den allgemeinen Re­ 47 a. a. O.

um von der formellen Wahrheit der eingestandenen Thatsache Ueber­ zeugung zu gewinnen»). Deshalb kann die Folge der Kontumaz des beklagten Theils nicht die Annahme eines stillschweigenden Geständnisses, vielmehr nur die einer bestreitenden Klagebeantwor­ tung und einer Nichtanerkennung der produzirten Urkunden fein34).5 6 7 II. Der nothwendige Eid ist mir als Wahrheitseid (de veritate) ein zulässiges Beweismittel und die Eideszuschiebung ist gleichfalls keine genügende Beweisantretung, vielmehr müssen noch andere Beweisgründe vorgelegt werden, nach deren Gewichtigkeit der Richter über den angetragenen Eid wie über einen nothwendigen zu er­ kennen hat; jede Partei kann in der Klage oder Antwort oder im Laufe des Prozesses Anträge auf einen von ihr oder dem Gegner zu leistenden Eid zur Führung des Beweises machen, der Richter aber ist daran nicht gebunden»). III. Der Richter kann die per­ sönliche Gestellung des Beklagten vor dem Kollegium oder dessen Kommissarius, Behufs dessen Vernehmung über den Hergang der Sache«), verordnen. Zwar giebt es kein Mittel, eine Antwort zu erzwingen, und die gemeinrechtliche Folge, daß die vorgelegten Fragen, welche der Ponat nicht beantwortet, für zugestanden an­ genommen werden ’), findet hier keine Anwendung, weil eben durch Zugeständniß des Beklagten die Thatsachen nicht unstreitig werden; doch kann schon die festgestellte Widerspenstigkeit allein unter Um­ ständen dem Richter einen Beweisgrund geben. 8. 417. ß) Beweisaufnahme.

Die Beweisaufnahme geschieht in der Regel vor dem ver­ sammelten Ehegerichte, weshalb die Zeugen, wenn die Sache hin­ länglich vorbereitet ist, zugleich zu dem Termine zur Verhandlung der Sache vorzuladen sind. Der Staatsanwalt ist dabei zuzuziehen und die Bevollmächtigten der Parteien dürfen gleichfalls zugegen 3) §. 40 a. a. O. Der Satz ist eigentlich keine Ausnahme, vielmehr ganz regelrecht, indem nicht der beklagte Ehegatte allein die Gegenpartei ist, vielmehr auch das Gemeinwesen, vertreten durch den Staatsanwalt, Partei nimmt. Des­ halb wird die Thatsache durch das Gestandniß des Ehegatten allein noch nicht unstreitig. S. o. 8.212, Nr. H, 11. Note 8. 4) Verordn. §. 44. 5) Ebenda, SS- 41-43. — M. Privatrecht, §. 762, Note 28.

6) §. 45 a. a. O. 7) K. G. O. von 1555, III, 15, §. 7. - I. R. A. S- 49 a. E. - S. o. 8.191, II. u. III.

Dritte- Buch.

792

Die außerordentlichen Prozeßakten.

fein; das Gericht kann sogar, wenn cs kein Bedenken dabei findet, den Parteien selbst gestatten, den Zengenverhören persönlich beizu­ wohnen.

sondern

Ist die Beweisaufnahme vor dem Kollegium, aus be­

Gründen,

z. B. wegen

Entfernung

der Zeugen,

nach

richterlichem Befinden nicht ausführbar, so wird der Beweis, wie gewöhnlich,

durch Kommissarien

oder

durch

Requisition

ausge­

nommen 8). 9

8. 418. y) Haupt - und Schlußvcrfahren.

Nach aufgenommenem Beweise

wird ein Termin zur Ver­

handlung darüber und zum Schlußverfahren vor dem Kollegium

angesetzt und dazu beide Theile oder deren Stellvertreter, sowie der Staatsanwalt,

unter Zufertigung einer Abschrift der Beweisver­ ES steht aber dem Ehegerichte auch frei,

handlungen vorgeladen.

vorher nochmals, und überhaupt so oft eö solche angemessen findet,

gerichtliche Sühneversuche vor sich selbst, wen» der Fall so ist, daß auf persönliches Erscheinen

gehalten

oder durch einen KommissariuS,

Richter der Parteien, vorzunehmen •).

werden

kann

(§. 415, II),

besonders durch den persönlichen

mit oder ohne Zuziehung von

Geistlichen

Bleiben sie erfolglos, so wird in der Sache selbst

weiter verfahren wie bei der ersten Verhandlung vor dem Kolle­

gium (§. 415, III). 8. 419. 3.

Zweite Instanz.

Die Appellation muß auch im Eheprozeß in der gesetzlichen Frist bei dem Gerichte erster Instanz angemeldet werden. versendet daraus nicht, wie im gewöhnlichen Prozesse,

Dieses

die Akten

sogleich, sondern setzt einen Termin zur Rechtfertigung der Appella­ tion, und wenn diese erfolgt ist, zur Beantwortung

der Recht­

fertigung vor einem Deputirten an; beide, die Rechtfertigung und

deren Beantwortung, dürfen auch schriftlich, wenn sie von einem RechtSanwalt oder von einer zum Richteramte befähigten Partei 8) Verordn. 88- 35-37. 9) 8- 38 a. a. O. Dirs« officicllrn Sühnrversucht sind ganz unnütz, weil immer vergeblich. Da» menschliche Gemüth widerstrebt dem ofstciellen und offiriösen; e- erfordert eine gelegentliche rein freundschaftliche Einwirkung. Dazu darf kein Termin von Gericht- wegen «»gesetzt werde». Wer dieß erfunden hat, hat da- menschliche Gemüth nicht gekannt. Darum gelinge» auch die officiellen Sühneversuche vor dem Geistliche» so selten.

Di» besendcrn Prezeßarte». Dcr Tbetrennung«prejeß.

793

verfaßt sind, vor oder in tcn Terminen eingereicht werden.

Von

beiden Prozeßschriften erhält der Gegner und der StaatSanwalt

Abschrift.

Erst jetzt sendet daS Gericht erster Instanz die Akten

an das AppeUationSgericht.

Dieses kann, nach Befinden, entweder

die Akten sofort zum Spruch vorlegen lassen und die Sache auf

den schriftlichen Vortrag zweier Referenten entscheiden; oder einen Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Kollegium ansetzen

und nächftdem, oder auch vorher, die etwa nöthige neue Beweis­ aufnahme veranlassen; oder die Verhandlungen erster Instanz vor sich wiederholen lassen.

Es hat in Ansehung des Zwanges zum

persönlichen Erscheinen der Parteien und der Sühneversuche die­ selben. Befugnisse wie daS Gericht erster Instanz*). 8. 420. 4.

Dritte Instanz.

In dritter Instanz kommen hinsichtlich der Formen des Ver­

fahrens und der Fristen lediglich die allgemeinen Prozeßvorschriften

zur Anwendung.

Der Staatsanwalt hat seine Anträge und Er­

klärungen schriftlich einzureichen**). §. 421. 5. I.

Gemeinsame

Grundsätze für alle Instanzen.

Tie Prozeßregel, daß nach der Klagebeantwortung im fer­

nern Lause der Instanz neue Thatsachen, und in den weitern In­ stanzen neue Klagegründe nicht vorgebracht werden dürfen, findet int Eheprozesse keine Anwendung; wenn vor Abfassung des Er­

kenntnisses erster Instanz von dem Kläger noch neue Scheidungs­ ursachen angeführt werden und das Ehegericht findet den Klage­ antrag durch die bisherigen Verhandlungen nicht hinlänglich be­ gründet,

so

muß,

zur

Vermeidung

Prozesse, der neue Grund,

einer

Vervielfältigung

der

nach fruchtlosem hieraus gerichtetem

SühnSversuche, noch erörtert und darüber zugleich mit erkannt wer­

den').

DaS Gleiche muß geschehen, wenn der Beklagte, um sich

') 88. 48-51 a. a. O. - V. »em 21. Juli 1846, 8 29. fahren paßt nicht mehr.

Da« Ver­

*•) 8- 52 ebenda. - V. vom 21. Juli 1846, §. 29. 1) A. G. O. I, 40, 8. 49. — Pr. bet Ob.-Tr. 400, v. 2. Januar 183fe Pr. 1184, vom 5. Septbr. 1842; Pr. 1352, »em 30. Okteber 1843.

Drittes Buch.

791

Tie außerordentlichen Prozeßakten.

gegen Auferlegung der Schuld und deren Folgen zu schützen, noch

vor dem Schluffe ter Instanz, oder in der folgenden Instanz neue, erst wässrend des Prozesses gegebene Scheitungsursachen vorbringt,

weil er später, nach der Scheidung, messt mehr zu seinem Rechte

gelangen könnte,

wie das in

Vermögensverhältnissen mit einer

neuen Klage zu ermöglichen ist2).3

II.

In dem Erkenntnisse, wel­

ches eine Scheidung ausspricht, muß zugleich ausgesprochen werden: ob einem Theile und welchem ein Uebergewicht der Schuld zur Last zu legen und was derselbe an den andern Theil als Ehe­

scheidungsstrafe zu entrichten habe ’).

III. Bis zur Rechtskraft des

Ehescheidnngsurtels kann die Klage zurückgenommen werden. Durch

solche Zurücknahme verlieren die auf die Klage ergangenen Urtheile

in allen Bestimmungen ihre rechtliche Wirkung, und die That­ sachen, aus welchen geklagt worden, dienen nicht zum zweiten Male

als selbstständiger Scheidungsgrund4).5

Ein Vorbehalt kann diese,

das öffentliche Interesse mit angehende, Bestimmung nicht unwirk­ sam machen.

IV. Bei Prozessen, wodurch nichtige Ehen von Amts

wegen durch den Staatsanwalt angegriffen werden, gelten diesel­

ben Prozeßvorschriften wie in Ehescheidungsprozessen; doch mit den Maßgaben, die daraus folgen, daß der Staatsanwalt Kläger und

die angegriffenen Eheleute Beklagte sind.

Der Staatsanwalt hat

in diesen Prozessen nur eine sechswöchentliche AppellationSfrist *).

8. 422. 6. Interimistikum.

I. Die Regulirung eines Interimistikums findet hauptsächlich statt: 1. wegen des Aufenthalts der Parteien,

besonders wenn

über Sävitien geklagt worden; 2. wegen der der Eheftau von dem

Manne zu reichenden Alimente; 3. wegen Sicherstellung des Ver-

2) Entsch. des Ob.-Tr., Bd. VI, Nr. 36. — M. Beurtheil, der erste» zehn Bände Entsch. S. 448. 3) 51. G. O. a. a. O. $. 51. — Aich. §. 293. — 2st dieß unterblieben, so kann auch der Beklagte, obgleich er sich bei der Scheidung beruhigt, doch deshalb, weil nicht der obsiegende Kläger für den schuldigen Theil erklärt und in die Scheidung-strafe verurtheilt worden ist, appelliren. Pr. des Ob.-Tr. 1471, vom 2. August 1844. 4) B. vom 28. Juni 1844, $. 53. Das war schon vorher nach allge­ meinen Prozeßgrundsätzen Praris. 5) Ebenda, §. 54. Eine Privatperson hat kein Recht, auf die Nichtiakeits«llärung einer Ehe anzutragen oder zu interveniren. Bergt. Erk. des Ob.-Tr. Vorn 8. Februar 1836 (Entsch. Bd. I, S. 37).

Die besondern Prozeßakten. Der EhctrcnnungSprozeß.

795

mögens; 4. wegen Erziehung der Kinder; sie darf mit der Haupt­ sache nicht vermischt werden'). II. Zur Regulirung des Jnterimistikuinö ist nur das Gericht erster Instanz befugt; bei dem Ver­ fahren finden die gewöhnlichen Prozeßregcln Anwendung1 2).3 4III. Die Regulirung kann schon nachgesucht werden, sobald dein Geistlichen die Anzeige von der beabsichtigten Scheidungsklage zum Zwecke des Sühnevcrsuchs gemacht worden ist; der Geistliche hat hierüber auf Verlangen ein Attest zu ertheilen, welches dem Ehegerichte mit dem Anträge vorgelcgt wird '). In diesem Falle muß das Gesuch eine vollständige geschichtliche Darstellung unter Angabe von Beweis­ mitteln über die erheblichen Thatsachen enthalten, damit das Ehe­ gericht zu beurtheilen vermag: ob ein zur Regulirung eines Interi­ mistikums geeigneter Fall vorhanden und die Instruktion zu ver­ ordnen sei. Wird in Folge dessen das Interimistikum vor Anstel­ lung der Klage festgesetzt, so hat das Ehegericht zugleich die Frist zu bestiinmcn, mit deren Ablauf das Interimistikum feine Kraft ver­ liert, wenn die Klage unterdessen nicht eingebracht wird; dasselbe erlöscht auch von selbst, wenn die eingestellte Klage durch ein De­ kret zurückgcwicsen und die dagegen erhobene Beschwerde unbe­ gründet befunden wird«). IV. Die Festsetzung des Interimistikums, oder Zurückweisung des Antrags, geschieht durch ein Dekret, gegen welches kein Rechtsmittel, auch nicht der Rekurs stattfindet 5).6 7 Der zurückgewiesene Antrag kann auf Grund neuer Thatsachen wiederholt werdens. V. Bei dem festgesetzten Interimistikum ver­ bleibt es bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Prozesses, wenn auch das Erkenntniß erster oder zweiter Instanz die Ehescheidungs­ klage zurückwciscn sollte^). 1) A. G. O. I, 40, §. 53. Die Fälle sind nur Beispiele. 2) V. vom 28. Juni 1844, §. 57; A. G. O. a. a. O. §. 56. 3) §. 55 der Verordnung. 4) Ebenda, §§. 58, 59. 5) Ebenda, §. 60. — A. G. O. I, 40, §. 56 a. E. Dadurch ist der Zweifel: ob die Festsetzung des Interimistikums auf dagegen erhobene Beschwerde von dem Obergerichte abgeändert werde» dürfe, erledigt. 6) R. vom 8. August 1842 (I. M. Bl. S. 295). 7) Anh. z. A. G. O. (I, 40, §. 56) §. 294.

Di« außerordentlichen Prozeßakten.

Drillt- Buch.

796

Besonderes Verfahren bei der Scheidung wegen böslicher

D.

Verlassung.

§. 423. 1.

Wenn der beklagte Theil erreichbar ist.

1. Wenn ein Ehegatte gegen

den Andern wegen böslicher

Verlassung auf Scheidung zu klagen beabsichtigt, und der Aufent­

halt deS entwichenen Theiles bekannt und nicht dergestalt außer­ halb Landes ist, daß keine richterliche Verfügung an ihn ergehen

kann: so muß

er sich zunächst an den persönlichen Richter mit

dem Anträge wenden, die Herstellung des ehelichen Lebens zu be­

wirken').

DaS Gericht hat darauf den kompetenten Geistlichen,

oder, wenn ein Ehegatte abwesend ist, einen andern Geistlichen zu requiriren,

binnen

einer

dafür

zu

stellung des ehelichen Lebens zu versuchen. fmchtlos, oder

die Her­

bestiinmenden Frist

Bleibt dieser Versuch

ist er, weil der Abwesende im Auslande ist und

der auswärtige Geistliche auf die Requisition nicht eingehen will,

nicht zu bewerkstelligen; so hat das persönliche Gericht dem angeb­

lich abtrünnigen Theile die Herstellung deS ehelichen Zusammen­ lebens binnen einer bestimmten Frist anzubefehlen *).

dem

klagenden

Theile

Nachricht

gegeben.

II.

Nach

Davon wird

fruchtlosem

Verlaufe der Frist hat der klagende Theil sich bei seinem Geist­

lichen zu melden und den geistlichen Sühncversuch veranstalten zu lassen.

Erst wenn dieser Versuch fruchtlos bleibt, kann die Schei­

dungsklage bei dem Ehegerichte angestellt werden').

Tie Regu

lirung des JnterimistikuinS kann schon in Antrag gebracht werden,

sobald der Richter um Verfügung

zur Herstellung deS ehelichen

Lebens angegangen ist4 1). 2 3 III. DaS Ehegericht darf, wenn dem nächst wirklich auf Scheidung geklagt wird, den SchcidungSgrund,

nämlich die bööliche Verlassung, durch die Nichtbefolgung deS ge­

richtlichen Befehls (2) allein noch

nicht für bewiesen annehmen;

vielmehr soll eS noch, unter Mitwirkung deö Staatsanwalts, auö

den Umständen,

und

aus

den

nach Befinden

zu

erfordernden

1) B. vom 28. Juni 1844, $. 61. — A. L. R. II, 1, §. 688. 2) Verordn. $$■ 62, 63. Dadurch haben die $$• 683—685 de- A. L. R. a. a. O. ihre nähere Bestimmung erhalten. 3) Verordn. SS- 64, 65. 4) Ebenda, §. 66. Da- Verfahren ist $. 422.

hier dasselbe wie im Falle de-

Di« besondern Prozeßarten. Der Ehetrennungsprozeß.

797

Erklärungen der Parieren zu ermitteln suchen: ob in ter That bööliche Verladung vorhanden ist, ober ob sie nicht blos vorge­

geben wird«). §. 424. 2. Wenn der beklagte Theil nicht erreichbar ist.

Ist der Aufenthalt deS angeblich abtrünnigen Theils unbe­ kannt oder dergestalt außerhalb Landes gelegen, daß keine richter­

liche Verfügung an ihn ergehen kann; so findet ohne weitere Vor­ bereitung die Scheidungsklage bei dem Ehegerichle statt').

Begründung

der

Klage

ist

erforderlich:

entweder

daß

F. Zur solche

Umstände der Entfernung bescheinigt werden, die eine dringende Vermuthung des Vorsatzes, den klagenden Theil zu verlassen, be­ gründen, und daß seit der Wahrnehmung der Entweichung ein

Jahr verlaufen ist, ohne daß der zurückgelassene Ehegatte, der von ihm angewendeten und bestimmt anzugebenden Mühe ungeachtet,

den Aufenthalt hat erforschen können; oder daß über die eigent­

lichen Gründe der ersten Entfernung zwar nichts bestimmtes ange­ geben und mit hinlänglicher Wahrscheinlichkeit ausgemittclt werden kann, daß aber seit der Entfernung schon zwei Jahre verlaufen

sind, ohne daß die Nachforschungen Erfolg gehabt habens; oder daß der Eirtwichene wegen eines begangenen Verbrechens, welches

mit Zuchthaus- oder Festungsstrafe zu ahnden ist, die Flucht er­ griffen hat, oder als Soldat desertirt ist, und daß der zurückge­

lassene Ehegatte an diesem Verbrechen feinen Theil genommen hat -').

Der klagende Theil muß sich über die von ihm angewendele Mühe zur

Erforschung

deö Aufenthalts

zum

Diligenzeide

II. Findet das Ehegericht die Klage statthaft,

erbieten4).

so erläßt es an

den Abwesenden eine Ediktalcitation (§. 145) mit einem Termine nach

drei Monaten s)

oder,

wenn

der Aufenthalt

bekannt ist,

5) $. 67 a. a. O. In ben mcijlcn Fällen wird dadurch wenigstens die Gemüthsart und das sonstige Leben der Parteien bekannter, was vielleicht einen Rückschluß aus die Abstcht derselien gestattet oder erleichtert. Die Simulation dieses Scheidnngsgrundes kommt öfter vor. 1) $. 68 a. a. O. - A. 8. R. II, 1, $. 688. 2) A. L. R. a. a. O. $$. 689—691, 693. Ist di« Entfernung aus er­ heblichen und erlaubten Gründen geschehen, so kann nur auf Todeserklärung nach Verlauf von 10 Jahre» «»getragen werden. §. 692 ebenda. 3) A. G. O. I, 40, SS- 63, 64. — Anh. §. 295. - Anh. j. «. L. R. (II, 1, $. 690) 8- 80. 4) A. G. O. a. a. O. $. 59. 5) Ebenda, § 60, u. Tit. 7, 88-15 u. 42 ff.

einem nach Maßgabe der Entfernung noch weiter hinaus anzu­ beraumenden Termine (§. 399), und fordert ihn darin zur Rück­ kehr auf, unter der Androhung und zwar in den beiden ersten Klagefällen: daß er der böslichen Vcrlassung für geständig er­ achtet, demzufolge seine Ehe mit dem klagenden Theile getrennt und gc als allein schuldiger Theil in die gesetzliche Ehescheidungs­ strafe verurtheilt werden würde °); und im dritten Klagefalle: daß er des angeschuldigtcn Verbrechens in Beziehung auf die Ehe­ scheidungsklage werde für geständig erachtet werden ’). III. Meldet sich der Vorgeladcne vor oder in dem Termine nicht, so hat der klagende Theil zu schwören: daß er seit der in der Klage ange­ gebenen Zeit, so wenig vor als nach Erlassung der Citation, von dem Aufenthalte des Vorgcladencn Nachricht erhalten habe«). Ist der Aufenthalt bekannt, aber nicht erreichbar, so ist zu schwören: daß der Kläger weder vor noch nach erlassener Citation Nachricht von dem Beklagten erhalten habe°). Wenn der Eid geleistet worden ist, werden die Akten zuin Spruch vorgelegt und das Er­ kenntniß wird auf den Vortrag eines Referenten in geheimer Sitzung abgefaßt, dem klagenden Theile ad domum und dem Beklagten durch Aushang insinnirt1 °). IV. Kehrt der beklagte Theil auf die öffentliche Vorladung zurück und meldet sich, bevor die Ehe rechtskräftig geschieden ist, bei dem Ehcgerichte, so tritt das gewöhnliche Eheschcidungsvcrfahrcn (§§. 415—422) ein, nachdem zuvor der richterliche Befehl, das eheliche Zusammenleben binnen einer bestimmten Frist herzustellcn, an den beklagten Theil erlassen worden, diese Frist fruchtlos verstrichen und die geistliche Sühne erfolglos versucht worden ist1 >). 6) Vergl. das R. vom 4. Mai 1795 (Rabe, Bd. III, S. 53).

7) Anh. z. A. G. O. (I, 40, §. 64) §. 295. — K. O. vom 30. August 1810 (Rabe, Bd. X, S. 410). 8) A. G. O. a. a.O. §.61. 9) R. vom 4 Mai 1795 a. E. (Rabe, Bd. III, S. 53).

10) A. G. O. a. a. O. §. 62. Gegen dieses Erkenntniß hat der zurück­ kehrende Beklagte, wenn er erst nach Ablauf der Appcllatiousfrist zurückgekehrt ist, kein Rechtsmittel, wenn sich nicht wegen unheilbarer Nichtigkeit die Nullitäts­ klage begründen läßt; er muß mithin die EhescheidnngSstrafe erlegen, wenngleich er, hätte er geantwortet, durch den Einwand des Ehebruchs dcS klagenden Theils die Alleinschuld von sich abgclehnt haben würde: die Bestimmung wegen der Schuld und wegen der Ehcschcidungsstrafe ist von der Ehetrcnnung schlechthin untrennbar, cs giebt kein selbstständige» Klagcrecht wegen dieser Gegenstände nach rechtskräftiger Scheidung. H) V. vom 28. Juni 1844, §. 69.

Die besonder» Prozeßakten.

Der EbetrennungSprozeß.

799

§§. 425—427. B.

Verfahren vor -en geistlichen Gerichten.

vr. Löwenberg, Uebersicht der Verfassung der katholischen geistlichen Gerichts­ barkeit in den verschiedenen Landestheilen der Preußischen Monarchie^ in Hinschins jurist. Wochenschrift, Jahrg. 1835, S. 137 ff.

I. Die in einigen Landestheilen vor 1849 bestandenen katho­

lisch-geistlichen Gerichte hatten eine ungleiche Kompetenz und Ein­ richtung,

waren aber gewöhnlich die Ehcgerichte für rein katho­

lische Ehen, bald mit ausschließlicher, bald nur mit konkurrirender Gerichtsbarkeit in Ehesachen, mit verschiedener Ausdehnung. Wäh­

rend z. E. in der Provinz Posen die Kognition der geistlichen Gerichte in Ehesachen sich nur auf die Entscheidung der Fragen,

welche die Fortsetzung oder Annullirung der Ehe, oder die Schei­

dung von Tisch und Bette in perpetuum oder ad tempus be­ treffen, einschränkte'), erkannte das sürstbischöfliche Gcncral-Vika-

riat-Amt zu Breslau auch zugleich über die Strafen der Ehe­

scheidung und

über andere effectus civiles der Nichtigkeit oder

Trennung 'der Ehe?),

wogegen

die erzbischöfliche Kognition zu

Prag in der Grafschaft Glatz sich wieder nur auf gcne Fragen

beschränkte und die in dieser Beziehung erlassenen Erkenntnisse noch

der Bestätigung des Obcrlandcsgerichts zu Breslau bedurften"). Wenn aber auch in Ehesachen, wo beide Theile katholisch waren,

die Einleitung und Entscheidung des Ehc-Separations-Prozesses dem geistlichen Gerichte zustand,

so gehörte doch die vorläufige

Verhandlung wegen des Sühne-Versuches, und die Rcgulirung

eines Interimistikums vor den ordentlichen persönlichen Richter der Parteien^). II. Bei der Instruktion und Verhandlung des Pro­ zesses sollte überall, wo nicht die singulare Verfassung der geist­ lichen Gerichte, wie z. E. wegen der Zulässigkeit der Rechtsmittel

und wegen des Jnstanzenzuges"), eine Ausnahme begründen, nach

den einheiinischen Prozcßvorschriften verfahren werden"). Da durch 1) Konstitution vom 25. August 1796, §. 4 (Rabe, Bb. XIII, S. 314).

2) Schles. Arch. Bd. III, S. 57. 3) Ebenda, S. 44. — Hinschins, jurist. Wochenschrift, Jahrgang 1835, S. 348. 4) A. G. O. a. a. O. §. 24. — I. M. Reser, vom 19. October 1838, I 4642 (Schles. Arch. Bd. III, S. 57, Note 13). 5) I. M. Reser, vom 20. Mai 1838, I, 1576 (Schles. Archiv a. a.O S. 59, Note 15).

80o

Dritte- Buch.

Die außerordentlichen Prozeßakten,

die Verordnung vom 28. Juni 1844 über das Verfahren vor den weltlichen Ehegerichtm in der Gerichtsbarkeit und dem Verfahren der katholisch-geistlichen Gerichte nichts geändert worden war'), so fand in denjenigen Ehesachen, welche vor ein solches Gericht gebracht wurden, dasjenige Verfahren statt, welches die Allge­ meine Prozeßordnung im Titel 40 vorschreibt. Nachdem aber die geistliche Gerichtsbarkeit in weltlichen Angelegenheiten, namentlich in Ehestreitigkeiten aufgehoben worden ist (§. 413 a. E.), gehört dieses Verfahren den Rechtsalterthümern an. Tenn wenngleich die bischöflichen Konsistorien nach wie vor die Ehesachen der Katholiken vor sich zu ziehen bemüht sind; so haben ihre Aussprüche doch gar keine bürgerliche Wirkung. VIL Erbfonderuugen und Auseinandersetzungen. A. G. O. I, 46.

§. 428. Verschiedenartigkeit der Fälle.

DaS Auseinandersetzungsvcrfahren ist zusammengesetzt aus Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit und Prozeßhandlungen; eS bezieht sich aus ein Begriffsganzes, woran mehrere Personen Theil nehmen. Der Grund der Theilnahme ist aber entweder das Rechtsverhältniß der Geineinschaft unter den Theilnehmern, oder das bloße faktische Verhältniß der Vermischung von Sachen ver­ schiedener Eigenthümer. Beide Fälle sind zu unterscheiden. Tie Gemeinschaft ist entweder eine ungetheilte Erbschaft, oder ein ge meinschaftliches Eigenthum, oder eine Societät. Diese Fälle er­ fordern eine Theilung. — Ter Hauptsall der Vermischung von Sachen verschiedener Eigenthümer tritt ein mit dem Tode eines Lehns- oder Fideikommißbcsitzers, wenn der Lehns- oder Fidei kommißsolgcr und die Allodialerbcn verschiedene Personen sind; er erfordert eine Absonderung. 6) Die Konstitution vom 25. Aug. 1796 schreibt im %. 8 vor: „In Sponsalien und Ehesachen werden die geistlichen Gerichte auf die allen übrigen Ge­ richten in Unsern Landen vorgeschricbene Allgemeine Prozeßordnung »erwiesen; da die Form de- Prozesse» mit Religion-lehren und GlaubcnSmcinungen nicht« zu thun hat, übrigens aber Wir, als Höchster Landesherr, befugt und schuldig sind, darauf zu sehen, daß alle» Unsern Unterthanen, ohne Unterschied de« Stande« und Religion, in allen ihren RcchtSangelegenheiten ein vollständige«

regelmäßige« Gehör, mit Ausschluß aller tumulluarischcu Willkühr gestattet werde." — Im Ermlande wird dasselbe auf Grund de« R. de« Ministerium« an den Fürstbischof vorn 15. December 1799 angenommen.

7) B. vom 28. Juni 1844, §. 73.'

Di« besondern Prozeßakten.

Theilung-verfahren.

801

A. Theilungsveefahren.

§. 429. 1.

Gemeinsame Grundsätze.

Jede Theilungsklage setzt ein unbestrittenes Theilnahmerecht

aller Prätendenten voraus.

Der Streit über das Recht der Theil­

nahme muß vorab im Wege deS ordentlichen Prozesses entschieden

und kann nicht im Theilungs-Persahren ausgemacht werden'). Während dieses Streits können auf Antrag sachdienliche Verfü­

gungen getroffen werden, wodurch die Verdunkelung oder Verbrin­ gung deS streitigen Gegenstandes abgewcndct oder der Anspruch auf

den Fall einer dem Prätendenten günstigen Entscheidung gesichert

wird '). Diese Verfügungen haben die rechtliche Natur eines Arrestschlages. Sind die ThcilnehmungSrechte unstreitig oder aus­

gemacht und findet keine außergerichtliche Theilung statt, so steht einem jeden Theilnehmer frei, auf gerichtliche Auseinandersetzung

anzutragen'). Ueber die Zulässigkeit der Theilung findet in der Regel kein besonderer Rechtsstreit statt, vielmehr wird, des Wider­ spruches deS einen oder des andern Theilnehmers ungeachtet, in

dein vorgeschriebenen Wege des TheilungSverfahrcns vorgeschritten. Eine Ausnahme tritt ein, wenn der Widersprechende behauptet, daß ausdrückliche Gesetze, Verträge oder rechtsgültige Verordnungen eines Dritten entgegen stehen*); in diesem Falle muß zuvor im

Wege des ordentlichen Prozesses ausgeinacht werden: ob der Gegen­ stand zu theilen oder nicht zu theilen sei').

§. 430. 2. Erbthciluug.

I. Tic Provokation auf gerichtliche Erbthcilung muß bei dem Zu ihrer Vollständigkeit ist

Erbschaftsgerichte angebracht werden.

1) A. ®. O. I, 46, SS- 3 unk S. - M. Privatrrcht, SS- 670, 671, II, 1 und $. 877, II. 2) A. G. O. a. a. O. 88- 3, 29, 30 a. . 866. - Schw. L. R. 94.

— Sachs. L. R. I, 70.

Die besondern Prozeßartea.

Der Konkur-prvjeß.

§35

sönliche vor, bereit Verhältniß zu einander nicht bekannt ist, ver­ muthlich war die Personalerekution nur subsidiarisch.

Es heißt,

daß der Schuldner dem Gläubiger überantwortet (zur Hand und Halfter übergeben) wird, wenn er weder zahlen noch Bürgen stel­

len kann.

Dann soll der Gläubiger ihn halten wie ein Gesinde,

er kann ihn aber fesseln, um die Flucht zu hindern2); 3 4er5 kann ihn auch gegen den Eid, daß er, der Schuldner, bezahlen wolle, sobald

er etwas über feine Nothdurft gewinne’), loslassen.

Auf andere

Gläubiger wurde dabei nicht Rücksicht genommen, ein Jeder suchte

für sich so rasch wie möglich dahin zu gelangen. Aufnahme deS

R. R. im

15. und

II. Seit der

16. Jahrhunderte

wurde

daS Schuldverfahren in einen wirklichen Konkursprozeß verwan­

delt, indem man dem Corpus Juris und dem Spanischen Ver­ fahren folgte.

Quelle für dieses Verfahren sind die Stadt- und

Landrechte. Von den Schriftstellern gehören vornehmlich die Prak­ tiker hierher.

Schon im 15. Jahrhunderte hatte man die Grund­

sätze deS R. R. über die Hypotheken und über die Rangordnung angenommen*); von dem eigentlichen Konkursverfahren ist jedoch erst später Rede.

Im Verlaufe des 15. und 16. Jahrhunderts

ist das Verfahren gegen einen insolventen Schuldner ein dreifaches. 1. Durch die gewöhnliche Erekution

in sein Vermögen.

Diese

ist Pfändung, verschmolzen mit der missio in possessionem. Daher findet jetzt bei einer Verpfandung von Grundstücken eine

Immission statt. Run konnte ein Partikularkonkurs vorkommen, indem Einige auftraten und zuerst bestiedigt sein wollten. Die Gläubiger konnten dabei um eine Edictalladung anhalten, um sicher zu sein, das Erhaltene zu behalten. Dadurch wurde ein allgemeiner Konkurs sämmtlicher Gläubiger veranlaßt ’), doch blieb diese Einleitungsart im 16. und 17. Jahrhunderte noch ungewöhn­

lich. Das weitere Erekutionsverfahren bestand in einer öffentlichen Vergantung.

Reben dieser Vermögenserekution

Personalerekution eintreten. liches Gefängniß geworfen.

konnte auch die

Der Schuldner wurde in ein öffent­ Bald wurde diese «Strenge auf den

2) «Stimm, a. a. O. S. 614. - Sachs. L. R. III, 39. - Schw. L. R. 133. — Beern. Etat. 120. — Rig. R. tri Oeltich«, S. 141. - Lut. R. I, 3. DjeS erinnert an das alte R. R. nach den XII T. 3) Vergl. c. 3 X. de eolutione (III, 23). — Vcrgl. A. G. O. I, 24, $. 146 o. Ä. 4) Nürnberger Reformation v. 1479; Wormser Reformation v. 1498. 5) Kommt schon vor in der Frankfurter Reformation v. 1578.

Die außerordentlichen Prozeßakten.

Dritte- Buch.

836

Fall des leichtsinnigen oder böslichen BankeruttS beschränkt •).

Der

durch Unglücksfälle zahlungsunfähig gewordene Schuldner hat 2.

ein Verfahren mit cessio bonorum, und hieraus besonders ent­

wickelte sich das Verfahren in Deutschland.

ben: Der Schuldner bittet

sainmenberufung seiner Gläubiger.

alle Gläubiger,

Es wird so beschrie­

seinen persönlichen

Richter

um Zu-

Darauf ergeht eine Ladung an

an die Unbekannten

per

edictales.

Mit den

Erschienenen wird ausgemacht: ob die Cession als zulässig anzu­ nehmen sei.

den ManifestationScid

Tann muß der Schuldner

leisten, sein Vermögen wird mit Sequester belegt und es wird ein

curator bonorum bestellt.

Jetzt folgt die Verhandlung über die

Gültigkeit und die Priorität der Forderungen; der Richter spricht

darauf seine Sentenz und das Vermögen wird »ertheilt, wobei der

Schuldner noch etwas behält.

3. Ist der Schuldner geflüchtet, so

kann Arrest auf die Güter und die Person des Schuldners gelegt

werden').

Ter Richter des Wohnorts

desselben ist von Amts

wegen dazu und zur Einleitung drS KonkursprozesseS verpflichtet *);

der Arrest kommt auch denjenigen Gläubigern zu Gute, die spä­

ter noch zur rechten Zeit nachkommen.

Hierauf ergeht die Edictal-

ladung an alle Gläubiger und der weitere Verlauf ist wie in dem

vorigen Falle.

ihn fest.

Wird man des Schuldners habhaft, so setzt man

III. Im 17. Jahrhunderte gerieth das Schuldvcrfah-

ren in Teutschland während des 30jährigen Krieges in große Verwirrung. Dadurch entstanden neue Einrichtungen, auS wel­ chen sich der heutige gemeine Deutsche Konkursprozeß entwickelte ’). Quelle desselben sind nicht allein alle Deutsche, sondern auch aus­

ländische Schriftsteller.

Zwei Hauptpunkte haben

sich geändert.

1. Ter Richter hat die Obliegenheit, in dem Konkursprozesse ex

officio zu handeln, daS Ganze zu beaufsichtigen und zu leiten, um das Verfahren zu beschleunigen und das Beste Aller wahrzu­ nehmen;

2. die verschiedenen

Gegenstände

der Verhandlungen

werben mehr getrennt, namentlich die Feststellung der Aktivmasse, der Passivmassc und der Priorität. Früher geschah die Liquidirung mit dem Schuldner oder dem curator bonorum, jetzt bestellt man

6) Reichspol. Ordn. v. 1577, XXIII, $. 3. — Reichet. Schl. v. 1668. — Würtembelg'scheS und Baier schcS L. R. 7) RcichSpol. Ordn. XXIII, $$. 2, 3. 8) Hamburger Sladtrccht; Nürnberger Reformation. 9) 3« der Bäurischen Gerichtsordnung von 1616 ist schon ein vollständig entwickeltes System de- KviikurSprozcffcS.

Di« btfonbtnt Prvjkßarikii.

D«r Konkursprozcß.

837

hierzu einen besondern curator litis, Konttadiktor oder actor com­ munis; der Schuldner tritt gar nicht mehr als Beklagter auf, son­

dern der Konttadiktor vertritt ihn; der curator bonorum hat eS nur mit der Aktivmasse zu thun und die Priorität wird wie ein Prozeß der Gläubiger unter sich behandelt, wobei der Schuldner,

also auch der Konttadiktor, kein rechtliches Interesse hat, mithin keinen Vorzug einräumen kann, weshalb er sich auch nicht über

den geforderten Platz zu erklären hat.

Der neue oder heutige gemeine Deutsche KonkurSprozeß hat

folgende Gestalt: I. Die Einleitung kann geschehen: 1. von Seiten deS Schuld­ ners durch die Erklärung: er cedire bonis; ist er durch Unglücks­

fälle insolvent geworden,

so

hat

er dieses beneficium und ist

vom Gefängniß frei; er muß, wenn er darauf Anspruch macht,

die Unglücksfälle angeben und beweisen; der Richter hat deshalb die Gläubiger darüber zu vernehmen, und, wenn Einer oder Einige eö nicht bewilligen wollen, darüber verhandeln zu lassen und zu erkennen: ob ihm das beneficium zu verstatten; 2. von Seiten

der Gläubiger und

3. von Seiten des Richters ex officio (im

balle der Entweichung des Schuldners) durch ein Dekret, welches dem Schuldner die Disposition entzieht und auf die Gläubiger

überträgt.

In dem dritten Falle kann persönliche Haft hinzutte-

tcn, die jedoch nur als Strafe deS betrüglichen oder leichtsinnigen

Bankerutts, oder als Vorsichtsmaßregel angewendet wird.

II. Es

folgt die Ladung aller Gläubiger, die der Unbekannten per edictales; wer sich von ihnen in dem bestimmten Termine nicht meldet,

wird ausgeschlossen; Vindikanten und Faustpfandgläubiger sind von der Einlassung in den Konkurs nicht befreiet; die Letztem müssen

ihre Pfänder mit Vorbehalt ihres Recht» zur Masse einliefern. Gleichzeitig III. erfolgt die Beschlagnahme des ganzen Vermögens,

welches unter Aufsicht des Richters von deut curator bonorum verkauft wird.

IV. DaS Liquidationsverfahren wird verhandelt in

der Form von einzelnen Klagen gegen den Konttadiktor, der den Schuldner vertritt, und alle Prozesse, bei welchem Gerichte sie auch hängen, inüffen an das Konkursgericht abgegeben werden.

Wenn

das Verfahren bis zu einem gewissen Punkte gediehen ist, jo folgt V. das PrioritätSurtel, welches 1. die Liquidität und 2. die Prio­

rität der Forderungen bestimmt;

dann VI, die Anfechtung

des

Dritte Buch.

838

Dir außerordentlichen Prozeßakten.

UrtelS in beiderlei Beziehungen.

Ist

dieselbe erledigt oder da-

Urtel rechtskräftig und die Aktivmasse flüsfig gemacht, so ergeht

VII. der DistributionSbescheid auf Vertheilung der Masse unter die einzelnen Gläubiger. Hieraus erhellet, daß der heutige Konkursprozeß nur wenige und unzusammenhängende Theile deS R. R. enthält; wo dieses

nicht ausreicht, inuß daS Gewohnheitsrecht oder die fortbildende PrariS ergänzen.

D.

Der Preussische Lonkursprozes).

Der Preußische Konkuröprozcß schloß sich an dm gemein­

rechtlichen unmittelbar an, und ist ihm in der Gestalt, welche ihm

die Allgemeine Gerichtsordnung gab'"), int Allgemeinen gleich, mit Ausnahme der EinleitungSarten. durch

eine Erklämng des

Die Eröffnung kann nicht

Gemeinschuldnerö,

sondern in allen

Fällttt nur durch ein Dekret deS Richters geschehen und die Jnsol-

venzerklärung oder die Provokation des Schuldners aus die Recht-Wohlthat der cessio bonorum überhebt den Richter nur der Unter­ suchung und Feststellung der Jnsufficienz.

Eine andere Abweichung

liegt darin, daß in dem Preußischen Verfahren der Einfluß deS Richters noch größer ist, indem der Verkauf der Güter unmittelbar

von dem Richter geschieht und der Erlös sowie die ausstehenden Aktivforderungen zu>n Depositorium des Gerichts eingezogen und

die Gelder dort bis zur Vertheilung verwaltet werden; auch die Vertheilung und Zahlung besorgt der Richter selbst.

Verordnung

vom

28. December

1840") wurde

Durch die

die erhebliche

Aenderung eingeführt, daß die Pfand- und Hypothekengläubiger

auö der Reihe der Konkursgläubiger ausgeschieden sind und ihre dringlichen Ansprüche durch besondere Klagen gegen den Kurator der Konkursmasse zu verfolgen haben, doch müssen sie ihre Pfänder

an das Konkursgericht abliefern,

welches unter Zuziehung deS

Kurators, die Veräußemng derselben und daraus die Befriedigung der Pfandgläubiger bewirkt; der Ueberschuß verbleibt der Konkurs­ masse; den Ausfall müssen die Betroffenen, alö Personalgläubiger,

10) Ueber da« ältere Recht s. di« Hypotheken- und Konkur-ordnung vom 19. Januar 1723, des. abgedruckt bei Nicolai, Berlin 1723. Sie beschäftigt sich vorzug-weise mit der Priorität-ordnung in fünf Klassen und ist hinfichtlich de- Berfayrea- unvollständig. 11) ®. S. 1841, S. 4 ff.

Di« bffcnbtru Prvjcßarteii. wenn

sie einen persönlichen

D«r Konkursprejkß.

Anspruch

an

839

den Geineinschuldner

haben, bei der Konkursmasse verfolgen. — Tiefes gemeinrechtliche System ist aufgegeben; die neue Konkursordnung hat das Franzö­

sische System im Wesentlichen ausgenommen und darnach ein eigen­ thümliches Konkursverfahren zusammengestellt.

Es wird zwischen

Kaufleuten und Nichtkaufleuten zwar unterschieden, aber nicht — wie im Franz. R. — in Betreff der Zulässigkeit deS allgemeinen

Konkurses,

sondern nur in untergeordneten Dingen beim Ver­

fahren; die Beitteibung und Verwaltung der Aktivmaffe soll nicht mehr durch das Gericht geschehen, sondern mehr den Gläubigern

selbst, unter Aufsicht eines Kommissars deS Gerichts, überlassen Bei der Feststellung der Passivmasse ist das Verfahren

bleiben. abgekürzt:

die Präklusion und das KlassifikationS-Erkenntniß, so

wie das DistributionSurtel fallen weg; es wird ein allgemeiner

Liquidation-- und Prüfungstermin angesetzt; die in denselben nicht

anerkannten Forderungen

müssen

in Specialprozessen

festgestellt

werden; die Vertheilung der flüssig gemachten Masse erfolgt nach

und nach, so oft ein dazu geeigneter Geldvorrath zusammengebracht ist.

Hypotheken- und Pfandgläubiger konkurriren nur wegen ihreS

AuSfalles, wenn

sie deshalb einen persönlichen Anspruch an den

Geineinschuldner haben: sonst werden sie aus den Gegenständen

ihres UnterpfandrechtS ganz abgesondert befriedigt, ohne zu deren Auslieferung zur Konkursmasse verpflichtet zu sein.

Darstellung deS KonkursprozesseS selbst. Die Darstellung soll in zwei Abschnitte fallen und handeln:

I.

von

den

rechtlichen Grundsätzen deS Konkurses, wobei drei

Punkte zu unterscheiden: 1. der Anfang deS Konkurses, 2. dessen

Wirkung, 3. dessen Ende; II. von dem Verfahren selbst.

Dritte- Buch.

840

Die außerordentlichen Prozeßakten.

Erster Abschnitt. den

Don

rechtlichen

Grundsätzen.

Erstes Kapitel.

Entstehung des förmlichen Konkurses oder Anfang des Konkursprozesses. §. 455. 1.

Bedingungen der Möglichkeit.

Tie Voraussetzungen der Möglichkeit eines formellen Kon­ kurses sind: I. Insolvenz des Vermögens eines Schuldners, d. t.

der Dermögcnszustand einer Person, in welchem die Summe der Schulden

das gesummte Vermögen übersteigt').

schuldner (Cridarius,

Fröner,

Der Gemein­

debitor communis)1 2)3 kann

1. ein Lebender oter ein Verstorbener.

sein:

Wenn er verstorben und

kein Erbe Vorhäuten ist oder die Berufenen die Erbschaft aus­

schlagen,

so muß der Konkurs auf den Namen

des Erblassers

auSbrrchen; hat ein Erbe unbedingt angetreten, so giebt er dem

Verfahren seinen Namen2').

Ein in ter Mitte stehender Fall ist,

wenn der Erbe cum beneficio invcnlarii angetreten hat, und die

Gläubiger mit Rücksicht auf ihre Vorzugsrechte auS dem Nachlasse

bezahlen will: hier tritt das besondere Verfahren des erbschaftlichcn Liquidationsprozesses (s. u. XII.) ein.

oder juristische Person.

Ferner 2. eine physische

In dem zweiten Falle versteht sich, daß

nur das Vermögen der personisicirten Anstalt oder der Korporation,

nicht daS Privatvermögcn der einzelnen Mitglieder zur Masse ge­ hört').

Anters ist es mit Gesellschaften, welche keine juristische

1) A. G. O. a. a. O. §§. 2, 3. Konk.-Lrdn. §.322. Dic Vermögen-Unzulänglichkeit wird auch bei dem kaufmännischen Vermögen vorausgesetzt, die Zahlungseinstellung ist nur ein Erkennungszeichen. Ueber die Feststellung dieses Zustandes s. u. §. 477.

2) Nicht „Konkurstser," ein Ausdruck, der, wie Schuldenmacher, KonkurSmacher im Deutschen, im Lateinischen nur in der niedern oder scherzhaften Schrelbart, z. (5. von PlautuS, gebraucht wird. Dic römisch-technische Bezeichnung ist debitor aere alieno obaeratus. 2a) Konk.-O. S. 324. 3) A. L. R. II, 6, §§. 94, 95, 103. — L. 7, §. 1 D, quod cujuscun-

Di« besondern Prozeßakten.

Der Konkursprozeß.

841

Person verstellen, namentlich auch mit Handelsgesellschaften«). Ferner 3. eine Privatperson oder eine öffentliche Person.

In Be­

ziehung auf öffentlich bedienstete Personen bestand die positive Be­ schränkung, daß über das Vermögen eines im Dienste stehenden Offiziers, der außer seinem Solde ein anderweitiges der Beschlag­ nahme unterworfenes Eigenthum nicht besitzt, der Konkurs nicht

eröffnet werden fcatf5*).6 * * 4Dieses Privilegium ist in Beziehung auf Alle,

deren Vermögen nur in Besoldungen und andere an die

Person des Gemeinschuldners Regel gemacht 5‘).

gebundene

Einkünfte

besteht, zur

II. Die Person, auf deren Namen soll «Kon­

kurs eröffnet werden können, muß vermögensfähig fein.

Daher

können Mönche und Ordensleute •), so wie Personen, deren ganzes gegenwärtiges und zukünftiges Vermögen konficirt ist«'), nicht in

Konkurs verfallen, abgesehen von dem Falle der Ueberfchuldung zu der Zeit, wo sie von ihrein Vermögen gänzlich getrennt werden. Gegen Kinder unter väterlicher Gewalt ist unzweifelhaft der Konkurs

rechtlich möglich.

Die ältesten Grundsätze des R. R. waren, daß

Kinder in väterlicher Gewalt nichts erwerben, wohl aber Schulden

kontrahiren und in judicio als Beklagte auftreten konnten7),8 9und 10 auch als Selbstschuldner condemnirt wurden").

Aber Erekution

konnte nicht stattfinden, außer wenn ein castrense peculium vor­

handen war«), oder wenn der Verurtheilte ein peculium concessum hatte, in welchem Falle eine actio judicati als actio de peculio gegen den Vater gegeben wurde'").

In beiden Fällen

que universitatis nomine (III, 4). Auch Wen» die juristische Person durch die Insolvenz oder sonst ihr Ende erreicht hat, kann Konkurs über ihr Vermögen, wie über den Nachlaß eine- Verstorbenen, eröffnet werden. Dergl. Konk.-Ordu. $. 281, Nr. 2, «. $. 282.

4) A. 8. R. II, 8, S- 682; I, 17, $$. 307 ff. - A. ®. O. I, 50, $. 291; Konk.-O. $. 281.

5) K. O. vom 25. Oktober 1825 und R. vom 22. April und 14. Novbr. 1825 (Jahrb. Bd. XXV, S. 261 und Bd. XXVI, S. 393). — Ueber den Nachtbeil dieser Ausnahme für andere Staatsangehörige s. m. Schics. Arch.VI, S. 205 ff. 5 a) Ko»t.-O. 8. 339, Abs. 2.

6) A. 8. R. II, 11, §§. 1199 ff. 6 a) Dies ist nicht mehr möglich, so lange die Verfassung in diesem Punkte nicht wieder aufgehoben worden ist. 7) L. 39 D. de oblig. et act. (XLIV, 7). — L. 57 D. de judicii* (V, 1). — L. 45 D. de peculio (XV, 1). 8) L. 10, 8 2 D. de fidejusa. (XLVI, 1). - L. 34, 35 v. de noxal. act. (IX, 4).

9) L. 7 D. de castrenii peculio (XLIX, 17). 10) L. 3, 8- 11 D. de pecul. (XV, I); L. 35 D. de nox. act. (IX, 4),

842

Dritte- Buch. Die außerordentlichen Prozeßakten,

konnte eS also damals schon zu einer Art von Konkurs kominen

und zwar zu einem Partikularkonkurse.

Bei dem caslrense pe-

culium sand eine missio in possessionem und bonorum venditio statt; bei dem peculium profectitium aber

trat diese Maßregel

mochte wohl der Vater die Gläubiger

wohl nie ein, vielmehr

daraus willkürlich befriedigen"); auch die persönliche Erekution

wurde wohl nie gegen das HauSkind verfügt, wenigstens schweigen

darüber die Nachrichten.

Im Justinian'schen Rechte haben sich

diese Grundsätze geändert.

VermögenSerwerbe (peculium reguläre

fähig

adventitium). können

die

Der filius familias ist danach zum und

der

Vater

hat

den

Nießbrauch

Gegen dieses peculium adventitium

Gläubiger

kein ErekutionSrecht

gehabt

haben, weil das Kind ohne den Vater nicht darüber verfügen konnte"). Anders ist es hinsichtlich deS peculium adventitium irreguläre, welches dem Kinde zur fteien Verfügung stand und nach den Grundsätzen deS peculium caslrense zu beurtheilen ist1 11 3).14 12 15 16

Die Erekution und der Konkursprozeß gegen ein HauSkind war also nur in den Fällen, wo eS Vermögen hatte, rechtlich möglich.

War die väterliche Gewalt durch Arrogation entstanden, so verhielt eS sich anders.

DaS Vermögen ging per Universitäten) auf den

Adrogator über und die Schulden erloschen ipso jure, der Adrogirte

war also liberirt.

Aber eS fand eine restitutio in integrum statt

und die Gläubiger hatten eine actio utilis gegen den Adrogirte».

Doch dieser hatte kein Vermögen mehr, und der Prätor half nun

dadurch, daß, wenn der Adrogator ihn nicht vertreten wollte, der Prätor eine missio in possessionem in bona deS AdrogatorS, soweit er dieselben durch die Adrogation erhalten hatte, gab").

Nach den Sabinianern soll das Verhältniß alS ein fingirtcS pe­ culium concessum angesehen, und die actio de peculio gegen den Adrogator zugelassen werden").

Justinian

hat

dies

dahin

abgeändert, daß der Adrogirte die Proprietät behält und der Adro­

gator nur den UsuSfmktuS erwirbt"); nach dem Pandektenrechte soll nun aber doch eine missio in possessionem in dieses Ver-

11) $$.3—5 J. quod cum eo qui in aliena potestate (IV, 7). 12) L. 8, $. 5 C. de bonia quae liberis (VI, 61). 13) L. 7 C. qui bonia cedere (VII, 71). 14) Gajua III, $.84; IV, $.38. 15) L. 42 D. de peculio (XV, 1). — L. 7 D. de peculio legato (XXXIII, 8). 16) $. 2 J. de acquisit. per adrogationem (HI, 11).

Die btfcnbmi Prozeß arten.

Der Konknrsprozeß.

S43

mögen stattfinden, weil die Schulden älter sind als der Nießbrauch, oder weil der Nießbrauch sich nur von dem überschießenden reinen Vermögen versteht. — Diese Grundsätze deS R. R. finden auch

im Preuß. Rechte ihre Anwendung, so daß daS freie Vermögen der Kinder unter väterlicher Gewalt unbedingt der Erekution und dem Konkurse unterworfen ist, nur insoweit,

wogegen daS unfreie Vermögen

als nicht der väterliche Nießbrauch

entgegensteht,

Gegenstand solcher erekutorischen Maßregeln sein kann. müssen mehrere Gläubiger

ihre Forderungen

zu

III. Es

gleicher Zeit

geltend machen (andringen)17), 18 d. 19 20 h. 21 nicht, es müsse der Antrag

auf Konkurseröffnung

von allen

oder mehreren Gläubigern ge­

macht werden, vielmehr wird daS Lleichzeitige Andringen mehrerer Gläubiger mit ErekutionSanträgen gemeint; unter dieser Voraus­ setzung genügt der Antrag eines einzigen Gläubigers auf Beschlag­

nahme deS

Ganzen (Konkurseröffnung)").

IV. Die Beschlag­

nahme muß das gesammte Vermögen deS Schuldners treffen (17). Geht der Beschlag nur aus einzelne Gegenstände,

und kommen

mehrere Gläubiger, welche daraus im Wege der Erekution befriedigt sein wollen, zusammen, so wird bloß unter ihnen verfahren

und die Priorität regulirt; eine Edictalcitation und eine Präklusion findet nicht statt, weshalb auch nachträglich bis zum dritten Tage

vor dem zur Termine,

Erklärung

über

den TheilungSplan anberaumten

noch neue ErekutionSsucher dazu kommen können").

Gläubiger ohne erekutorischen Titel und ohne richterliche Immissions­ verfügung können hierbei nicht konkurriren; die Verfolgung ding­ licher Rechte aber ist durch die erekutivische Beschlagnahme nicht

ausgeschlossen *°).

V. ES muß noch einiges Vermögen wirklich

vorhanden sein: wo nichts mehr ist, läßt sich kein Konkursprozeß

denken").

17) A. ®. O. a. a. O $. 2. Beim kaufmännischen Konkurse tritt dieseTrforderniß wegen des Offizialverfahren» nicht in jedem Falle deutlich hervor. 18) 9t. vom 18. November 1803 (9t. A. III, S. 147; Rabe, Bd. VII, S. 522). — A. G. O. a. a. D. $.4; Konk.-O. $. 324.

19) a. G. O. I, 51, $. 51; a»h. $. 380; Konk.-O. $. 371. Ueber da» Verfahren bei Gehalt»- oder Penston-abzügen s. o. §. 304. Dazu ist al» jetzt geltende- Gesetz der Abschn. 2, Tit. 5 der Konk. - O. vom 8. Mai 1855 (welche bei dem Drucke bt» $. 304 diese« Buche» noch nicht erschienen war) nachjutragen. Die wesentlichen Grundsätze sind unverändert geblieben. 20) Pl.-B»schl. de» Ob.-Tr. vom 25. August 1846 (Z. M. Bl. für 1847, S. 54 und «ntsch. Bd. XIII, S. 111). — Konk.-O. $$. 361, 372.

21) Ist nun auch in der neuen Konk.-O., $$. 339 u. 306, ausgesprochen.

Dritte Buch.

844

Dir außrrordratlichrn Prozrßartni.

8. 456. 2.

Anfang oder Eröffnung des KonkurSprozesseS selbst.

I.

Die Eröffnung des KonkurSprozesscS geschieht in allen

Fällen nur durch richterliche Verfügung, niemals, wie nach G. R.,

auch

durch Erklärung des Schuldners oder durch cessio bono­

rum, was den Sinn hat, daß die Gläubiger in den allgemeinen

Pfandbesitz

deS Vermögens

ihres Schuldners nicht mehr durch

diesen, sondern nur durch den Richter (missio in possessionem)

kommen können.

Die richterliche Verordnung auf Konkurseröff­

nung (decretum de aperiundo concursu) kann nur von dem

persönlichen

Richter

deS

Gemeinschuldners*)

erlassen

werden:

1. auf Antrag eines Gläubigers oder Legatars'), nicht aber auf

den Antrag des Schuldners.

Nach der ältern gemeinen PrariS

wurde in diesem Falle nur ein Partikularkonkurs eröffnet, indeß bildete sich daraus, daß die sich gemeldeten Gläubiger auf Adci-

tation der Uebrigcn und Edictalcitation der Unbekannten antragcn konnten (§. 354, C, II), die Allgemeinheit des Konkurses.

Auf

den eingehenden Antrag untersucht der Richter zunächst die In­ solvenz und wenn ihm diese unklar ist, verfügt er die Verhand­ lung der Sache (§. 477).

2.

Von Amts wegen (ex officio),

zum Besten sämmtlicher Gläubiger.

DaS beruhet auf der An­

sicht, daß der Richter daS Beste solcher Gläubiger, welche von dem

Zustande deS Schuldners und von dem Andringen Einzelner,

die

zum Nachtheil der Uebrigen sich zu befriedigen suchen, muthmaß-

lich nichts wissen, wahrnehmen soll.

Solche Wahrnehmung deS

Besten sämmtlicher Gläubiger geschieht nur in dem Falle,

wenn

ein Handelsmann, Schiffsrhedcr, Fabrikbesitzer, >oder eine ErwerbS-

Aktirngescllschaft ihre Zahlungen eingestellt hat^).

II. Wegen der

mit der Konkurseröffnung verbundenen Wirkungen ist die Bestim­

mung deS Zeitpunkts wichtig.

Bei den Römern war eS der Augen­

blick der cessio bonorum und beziehlich die Zeit, wo der Prätor

*) A. G. O. I, 50, $$. 25, 26. Wegen Posen: V. vom 16. Juni 1834 (G. S. S. 75) und Konk.-O. §§. 115 u. 320. 1) A. G. O. I, 50, z. 481. — A. L. R. I, 9, $$. 426, 429; I, 12, SS- 290, 297; I, 17, 88 127, 130, 147. — Entsch. deS Ob.-Tr. Bd. VI, Seite 114. 2) Konk.-O. 88 118/ 321; G. vom 9. November 1843, 8- 26 (G. SG. 345).

Di« btsondern Projcßartcn. Der Konknrsprozkß.

845

die missio in possessionem aussprach; und da beide Handlungen mündlich und öffentlich vollzogen wurden,

Zeitpunkt derselben keine Ungewißheit sein. schriftlichen und geheimen Justizpflcge.

so

konnte über den

Anders ist es bei der

Daraus ist denn eine große

Meinungsverschiedenheit über den Anfangspunkt unter den gemein­ rechtlichen Praktikern und Theoretikern entstanden, welche von der

Preuß. Gesetzgebung dahin entschieden ist, daß die Zeit des er­

öffneten Konkurses auf die Mittagsstunde desjenigen Tages zu bestimmen, an welchem das Urtel, wodurch die Konkurseröffnung verfügt wird, verfaßt worden ist, wenn nicht die Stunde der Ab­ fassung daraus zu ersehen ist;

denn in diesem Falle gilt solche

für den Zeitpunkt der Konkurseröffnung *).

Das ist dem Grund­

satz des R. R. im Wesentlichen entsprechend und hat in der Aus­

Uebrigens ist es kein wesentliches

führung keine Schwierigkeit.

Erforderniß, daß das richterliche Eröffnungsdekret sich des Aus­ drucks, daß der Konkurs eröffnet werde, bediene; es genügt, wenn es in der Absicht,

den Konkurs zu eröffnen,

erlassen und z. E.

die Beschlagnahme des gestimmten Vermögens zum Besten sämmt­

licher Gläubiger verordnet oder in ähnlicher Art die Absicht, Kon­

kurs zu eröffnen, zu erkennen gegeben ist; sie wird aber dadurch zu erkennen gegeben, daß Anstalten verfügt werden, wodurch die

Wirkungen des formellen Konkurses verwirklicht werden.

8. 457. 3.

Abwendung des Konkurses.

Der drohende Konkurs kann abgewendet werden entweder durch Befriedigung der andringenden Gläubiger, oder aus andere Weise.

I. Die Gcnügclcistung kann geschehen: a. durch Zahlung

oder Angabe an Zahlungsstatt; b. bei einem nicht kaufmännischen

Konkurse durch Nachweis der Zahlungsfähigkeit und Anweisung von Erckutionsgegenständen für die andringcnden Gläubiger; c. durch

Dazwischenkunft eines Dritten

oder

außergerichtlichen

Vergleich.

II. Die andern Weisen sind: 1. Beschränkung der Gläubiger durch

Accord.

In den meisten Fällen werden die Gläubiger durch ihren

eigenen Vortheil geneigt gemacht, diesen Weg einzuschlagen, indem sie durch den Konkurs doch nicht beftiedigt werden und überdies

durch die Kosten noch einen größern Verlust erleiden würden, da«

3) A. G. O. I, 50, §§. 22-24. - Konk.-O. §§. 121, 328.

846

Dritte« Buch.

Die außerordentlichen Prozeßarien.

neben aber noch den Gemeinschuldner erhaltm.

Hierzu ist die

Einwilligung eines jeden Gläubiger- erforderlich ($. 445).

Das

R. R. macht hierin eine Ausnahme in dem Falle, wenn der Erbe einer insolventen Erbschaft nur unter der Bedingung antretm will,

daß

die Gläubiger einen Theil erlassen und dadurch die Zuläng­

lichkeit Herstellen.

In solchem Falle tritt der Prätor inS Mittel

und befiehlt durch ein Dekret den Nachlaß nach der Mehrheit der

Gläubiger.

AIS Grund davon wird der eigene Vortheil der Gläu­

biger angegeben; näher liegt aber wohl die Pietät gegen den Ver­

storbenen, aus welcher man den Ausbruch des Konkurses aus dessen In Folge der prätorischen Anordnung

Namen verhüten wollte').

wurden nun sämmtliche Gläubiger zusammenberufen, welche einen

Beschluß nach der Mehrheit fassen mußten.

Die Mehrheit wurde

nach der Größe der Forderungen; wenn diese für und wider gleich

waren, nach der Personenzahl; wenn auch diese auf beiden Seiten gleich war,

nach

der Dignität bestimmt;

„ humanior sententia.“

und endlich entschied

Die Bestimmung galt nur für die chiro-

grapharischen Gläubiger ohne privilegium exigendi. Die Wirkung

des Beschlusses für den theilweisen Erlaß war die eines gewöhn­ lichen pacti de non petendo.

Ob die Gläubiger den Rest künftig

einmal fordern konnten, hing von der Uebereinkunft ab; war dies nicht ausbedungen, so galt der Rest für erlassen').

Der Bürge

wurde befreit, wenn der Gläubiger eingewilligt oder die bestimmte

Quote angenommen hatte;

sonst konnte er sich an den Bürgen

halten ebenso wie ein Pfandgläubiger an sein Pfand').

Tic Deut­

schen Praktiker dehnten diese Ausnahme auf alle Fälle aus und

die ältere Preußische PrariS hatte sich hierin der Gemeinen ange­ schlossen«); daö heutige Recht aber kennt auch jenen Ausnahme­

fall nicht, nur als Mittel zur Abkürzung deS bereits eröffneten Konkurses ist der Zwangsvergleich (Akkord) ausgenommen5).

2.

Stundung

oder Nachlaß in Rücksicht der Zeit.

Justinian

verordnete, daß, wenn ein insolventer Gläubiger Stundung be­ gehre und die Zeitforderung nicht über 5 Jahre gehe, wiederum 1) L. 23 D. quae in fraudem creditorum (XLII, 8). 2) L. 7, $S. 17-19, L. 8-10 pr. D. de pacti« (II, 14). — L. 54, $. 1 D. de manumissis testamentie (XL, 4). Wegen der Rachsorderung de- Reste- ist große Meinungsverschiedenheit, welche di« Preuß. Gesetzgebung in der A. G. D. I, 49, §. 13 im entgegengesetzten Sinne entschieden hat. 3) L. 58, S. 1 v. mandati (XVII, 1). 4) R. vom 3. December 1786 (N. C. C. de 1786, Nr. 67). 5) A. G. O. I, 49, SS. 5, 6. - K»nk.-O. SS-181 ff. - Oben, $$. 445 ff.

Di« bcfonbrrn Pr»z«ßart«n. Dcr ^toakur-proz«ß. die Mehrheit der Gläubiger

mit Einschluß

847

der Pfandgläubiger

bestimmen solle: ob die Frist zu bewilligen oder zu versagen fei').

Tie Wirkung war die eines pactum de non petendo temporale;

die Mora wurde purgirt.

Diese Verordnung ist in daö Gemeine

und Preuß. Recht nicht übergegangen.

3. Erlangung eines Mo­

ratoriums; doch ist daS Generalmoratorium abgeschafft *).

Zweites Kapitel.

Wirkungen des Konkursprozesses. 1.

Für den Gemeinschuldner.

8. 458.

a) Hinsichtlich seiner Person. Der Konkursprozeß ist dem Gemeinschuldner an Freiheit und Ehre nachthcilig.

I. Persönliche Schuldhaft tritt ein nach Ermessen

des Gerichts; sie muß aber verfügt werden: 1. wenn der Gemein­

schuldner der Flucht verdächtig ist; 2. wenn er schon zur Zeit der

Konkurseröffnung sich in Schuldhaft befindet; und außerdem ist sie in der Rsgel, also wenn keine Ausnahmen eintreten, anzuordnen.

3. wenn Wechselklagen gegen ihn angestellt

sind oder Wechsel­

proteste gegen ihn erhoben werden'); 5. wenn er den Vorschriften

über die Verpflichtung zur Anzeige der Zahlungseinstellung, sowie zur Uebergabe der Handelsbücher

hat-).

und der Bilanz nicht genügt

Die Haft dauert so lange, als daS Gericht solche zur

Förderung oder Sicherstellung der Verhandlungen im Konkurse für

nöthig erachtet; bevor jedoch der EntlaffungSbeschluß auSgeführt wird, ist davon jederzeit die Staatsanwaltschaft zu benachrichtigen; und diese Schuldhaft hindert nicht die Verhängung der Unter­

suchungshaft').

II. In Bezug auf die bürgerliche Ehre wirkt die

Konkurseröffnung folgende Zurücksetzungen und Nachtheile für den

Gemeinschuldner:

1. er entbehrt der vollen Glaubwürdigkeit als

6) L. 8 C. qui bonis cedere posaunt (VII, 71). 7) Konk.-O. S$. 421-433. 1) Konk.-O. $. 138. Die Au-nahmen bezeichnet da- Gesetz nicht. 2) S- 138 a. a. O. Die- bezieht sich nur auf Kaufleute. Haftkoften find Kommunkosten. Motive S. 97. 3) Ebenda, SS-138, 140.

Dritte- Buch.

848

Dir außerordentlichen Prozeßarten.

Beweiszeuge, wenn er nicht durch Unglücksfälle in Vermögenverfall gerathen ist4)5; 6 72.8 9er10 verliert 11 das Stadtbürgerrecht und soll die Befähigung, dasselbe wieder zu erwerben, erst dann erlangen kön­

nen, wenn er die Befriedigung seiner Gläubiger nachwcifts); 3. er

wird von der Mitgliedschaft einer Innung, oder von dem Stimm­ recht und der Verwaltung in einer solchen, sowie von der Befug-

niß, Lehrlinge zu halten, ausgeschlossen'); 4. er verliert das Recht zur Theilnahme an der Wahl der Mitglieder des Gewcrberaths

und der Gcwcrbegcrichte ’); 5. er darf als Kaufmann, Schiffs­

rheder oder Fabrikcnbesitzer bis zur Rchabilitirung nicht auf der Börse erscheinen; er darf nicht Mitglied einer kaufmännischen Kor­ poration,

eines Handelsgerichts')

oder

einer Handelskammer')

sein, und er darf weder als Mäkler, noch als Verwalter im Kon­ kurse oder als Vertreter einer Partei in Handelssachen zugclassen

werden1 °); 6. er verliert die Fähigkeit zur Ausübung der Rechte

der Standschaft, der Polizcigewalt und des Patronats 1 >),

§. 459. b) Hinsichtlich feines Vermögens.

I. Nach R. R. gab die Ucbertragung der Verfügungsbefug-

niß über das Vermögen des Schuldners an die Gläubiger (missio in possessionem) keine rechtliche, sondern nur eine thatsächliche

Sicherheit vermöge der custodia, wodurch sie den Schuldner aus­ schlossen; rechtlich aber war er an der Disposition nicht gehindert.

DaS s. g. pignus praetorium des ältern R. R. schützte die Gläu­

biger gleichfalls nicht gegen nachthcilige Verfügungen des Schuld­

ners, außer soweit ter Besitz jeden Andern an der Verfügung zu 4) Proz.-Ordn. Tit. 10, §. 233, Nr. 2. Die Thatsache: cb ter Kontur« durch Unglücksfällc herbeigeführt ist, wird durch dcn Beschluß dr« Gericht« dar­ über: ob drr Grmrinschiildncr cutschuldbar sri, festgestrllt. Konk. -O. §• 280, Absatz 3. 5) Städtc-O. »em 30. Mai 1853, §. 7. 6) Gcw.-O. von, 17. Januar 1845, §§.103, 107, 117, 119, 127. 7) V. »cm 9. Februar 1849, § 7 (@. S. S. 93) und V. von dcms. Tage $. 6 (G. S. S. 110). 8) ®. »cm 3. April 1847, §. 13 (G. S. S. 182). 9) V. »cm 17. Februar 1848, §§. 11 u. 13 (®. S. S. 63). 10) Kout. O. § 310. Vcrgl. wegen der Ausschließung al« Vcrtrctcr einer Partei in Handelssache» da« G. vom 3. April 1847, §. 32 (G. S. S. 182). Verschiedene Statuten der Kaufmannschaften enthalte» ähnliche Bestimmungen. Bergl. Anm. 97 zu §. 310 der Konk.-O.

11) ®. v. 23. Juli 1847, §. 2, Nr. 2 u. §. 13, Nr. 2 (®. S. S. 279); G. vom 8. Mai 1837 (@. S. S. 99).

Die besondern Prozeßarten.

Der Konkursprozeß.

hindern vermochte, denn es war nur ein sakrischer, von dem Prä­ tor geschützter Zustand, kein dingliches Recht'); erst seit Justinian nahm eS einen dinglichen Charakter an-).

Ebenso entstand durch

die cessio bonorum nur ein der missio in possessionem ähnliches Verhältniß (§. 454, A).

Indeß hatten die Gläubiger an der

actio Pauliana und an dem interdictum fraudatorium, deren Ver­

hältniß zu einander nicht bekannt ist, Rechtsmittel zur Abwendung der nachtheiligen Folgen der Disposition, indem durch dieselben die nach der missio in possessionem oder cessio bonorum unter­

nommenen Veräußerungen des Schuldners, Seitens der dadurch benachtheiligten Gläubiger, revocirt werden konnten').

Rach der

heutigen Theorie des G. R. ist es ein entschiedener Grundsatz, daß der Schuldner mit der Konkurseröffnung das VersügungSrccht über

sein Vermögen rechtlich verliert, daß seine Verfügungen über das­

selbe null sind, und daß man den Gläubigern eine Nullitätsklage, welche vortheilhafter als die actio Pauliana ist, beilegt.

Preuß. Gesetzgebung

schließt sich daran an.

1.

II. Die Der Gemein­

schuldner verliert durch die Konkurseröffnung alle Bcfugniß, über sein gegenwärtiges und nach neuem Rechte sogar über sein während der Dauer des Konkurses erworbenes Vermögen zu verfügen; alle

und jede Verfügungen, welche sich derselbe nachher noch erlaubt, sind gänzlich null und ohne rechtliche Wirkung; das VerwaltungS-

und VerfügungSrecht

geht auf die Gesammtheit der Gläubiger

über, und die Gläubigerschaft kann durch den Verwalter die der Masse erst nach der Konkurseröffnung durch dergleichen nichtige Verfügungen entzogene Gegenstände, vermöge des ihr beigclegten allgemeinen

Pfandrechts auf den ganzen Vermögensinbegriff, mittelst der Pfand­

klage von jedem Besitzer zurückfordern').

2. Was schon vor Er­

öffnung deS Konkurses, aber erst bei schon vorhandener oder durch

die Veräußerung rinttetender Unzulänglichkeit deS Vermögens be­ trüg l ich oder freigebig veräußert worden, konnten nach älterem Rechte nur diejenigen Gläubiger, welche dadurch Nachtheil erleiden,

d. h. solche, welche aus der Masse nicht völlig befriedigt werden, nach den Grundsätzen der actio Pauliana, Behufs ihrer Befrie-

1) L. 6, 7j L. 10, §. 16 D. quae in fraudem creditor. (XLII, 8). 2) L. 2 C. de praetor, pignore (VIII, 22). 3) Ueber die Voraussetzungen und (Srforbmiiffc dieser^ Klage: m. Privat­ recht, $. 589; und Recht der Forderungen, Bd. II, S. 753 ff.

4) A. G. O. I, 50, S$. 33—35. - Konk.-O. SS- L 4, 5. Koch, Etvilprozeß.

2. Aufl.

54

Driite- Buch. Dir außerordentlichen Prozeßarte».

850

digung von dem Besitzer abfordern»); nach neuem Rechte ist dazu nur die Gläubigerschaft durch den Verwalter der Masse befugt').

2.

Für die Gläubiger. §. 460.

a) Allgemeine Grundsätze.

Durch die Konkurseröffnung treten die Konkursgläubiger in

Ansehung des auf sie, Behufs Verwaltung und Vertheilung, über­ gegangenen

Vermögens

des

Schuldners in

eine Gemeinschaft.

I. Theilnehmer an dieser Gemeinschaft sind nur die eigentlichen Konkursgläubiger, als welche alle diejenigen Gläubiger angesehen werden, welche eine gültige, vor Eröffnung des Konkurses ent­ standene, auf Geld oder Geldeswerth gerichtete Forderung an den

Gemeinschuldncr haben und solche in dem Konkurse geltend machen.

Zur Gültigkeit der Forderung in diesem Sinne wird nur verlangt, daß sie rechtlich gelte; ob auch faktisch, d. h. ob bei der Aufhebung

der Gemeinschaft auf sie Etwas fallen werde, kommt in dieser Beziehung nicht in Betracht'); sie muß aber vollständig gültig,

d. h. klagbar sein.

Hiervon wird eine Ausnahme hinsichtlich der

Obligationen sub conditione und in diem gemacht.

Nach R. N.

war es damit so, daß ein solcher Gläubiger zwar aus missio in possessionem, doch nicht auf bonorum venditio antragen konnte;

wenn aber andere Gläubiger mit fälligen Obligationen dazu kamen

und die b. venditio ausbrachten, so wurden Jene mit befriedigt 2).

Nach heutigem G. R. befolgt man dieselben Grundsätze, weil der Konkurs zunächst nur eine Administration zur Sicherheit der Gläu­ biger, aber noch keine Zahlung bewirkt. Kommt eS später zur Zahlung, so erhalten die Gläubiger sub die ihre Befriedigung nach

Abzug des Jnterusuriums,

und

die Gläubiger sub conditione

werden zwar gleichfalls locirt, wenn jedoch bei der Ausführung der Vertheilung (Zahlung) die conditio noch nicht erfüllt ist, so er­

halten die folgenden oder gleichstehenden Gläubiger ihre Bcfric5) A. G. D. I, 50, SS. 4-2, 48, 55, 59. — Pl.-Bcschl. de» Ob.-Tr. vom 12. Juni 1843 (Sntsch. Br. IX, S. 186). — M. Privatrecht, 8- 559. 6) Kottk.«V- 88- 99 ff. Damit sind die frühern Legitimation-zweifet beseitigt 1) A. G. O. a. a. O. $$. 33, 60, 63. — Jtoiif.-D. § 2. 2) L. 6 pr., L. 7, §. 14 D. quibu« ex causi* in possess. (XLII, 4); L. 4 pr. D. de separat. (XLII, 6). Di« L. 14, $. 2 D. quibus ex causis in possess. und L. 50 pr. D. de peculio (XV, 1) scheinen zu widerspreche»; der Widerspruch ist jedoch nur auf die bonorum venditio zu beziehen,

Di« btfonttrn Projkßartrn.

Der Zkonkm-prvjcK.

851

digung sub cautione restituendi für drn Fall des Eintritts jener Bedingung. Im Preuß. Rechte gelten dieselben Grundsätze mit Modifikationen.

Es werden auch Gläubiger mit einer Forderung

in diem oder sub conditione für Theilnehmer an der Gemeinschaft angesehen, aber bei der Vertheilung verbleibt das auf ein debitum

sub conditione

treffende Prrzipienduin

in der Vtasse bis zum

Eintritt der ungewissen Zeit oder der Bedingung und die davon

auskommenden Zinsen fließen zur Konkursmasse; ein debitum sub conditione resolutiva wird gegen Sicherheitsleistung ohne Anstand

berichtigt, und ein debitum in diem wird nach neuem Recht, so wie nach R. R. unter Abzug deS Znterusuriumö ausgezahlt').

Schon fällige Zinsen haben das Recht gewöhnlicher Forderungen in Hinsicht der Berechtigung zur Theilnahme; aber in Ansehung

der Laufenden herrschte unter den ältern geineinen Praktikern die

Meinung,

daß deren Lauf durch den Konkurs gehemmt werde.

Zureichende Gründe sind dafür nicht vorhanden, indeß hat die ein­ heimische Gesetzgebung diese Meinung schon früh bestätigt').

Bei

Verttagszinsen wird der Satz in der gemeinen Praris nicht mehr

ex mora,

behauptet; hinsichlich

der usurae

streitet man darüber.

Rach Pr. R. wird nicht unterschieden; der

legales,

besonders

Zinsenlauf wird von allen Forderungen, welche im Konkurse gel­

tend gemacht werden, durch die Konkurseröffnung gehemmt, doch nur mit der Wirkung, daß sie nicht an der Stelle des Kapitals,

sondern erst aus dem für den Gemeinschuldner übrig bleibenden

Ueberschuß der Masse zur Berichtigung kommen'); die Forderung ist mithin eine rechtlich geltende, aber nicht berechtigt zur Theil­

nahme.

II. Ausgeschlossen sind

sonach von

der

Gemeinschaft:

1. Diejenigen, welche ein dingliche- Recht, keine Obligation ver­

folgen (Vindikanten)'); nur dann müssen und können sie sich ein­ lassen, wenn daS Recht auf Geld reducirt werden muß, z. B. im Falle des Unterganges des Gegenstandes').

Diejenigen, welche

zwar Anspruch auf eine bestimmte Sache, aber doch auS einem

3) A. G. O. a. a. O. SS- 155, 555 — 657. — «. L. R. I, 14, $$. 395, 396. — K°nt..O. S. 96, Nr. 2; §. 231, Ab,. 2; $. 249. 4) Brand. LandtagSrczcß vom 26. Juli 1653, Art. 33. 5) A. G. O. a. a. O. SS- 150—152, 477 b, 489, 503, 512. — DeN. vom 20. Januar 1820 (®. S. S. 34). - Kmit.-O. S- 12. 6) A. G. O. a. a. O. SS- 331, 333, 334, 354, 355, 272 ff. - Konk.-O. §§. 22 und 30. 7) A. G. O. $. 331; Konk.-O. 23,

852

Die außerordentlichen Prozeßakten.

Drittes Buch.

obligatorischen Rechte machen, sind wirkliche Konkursgläubiger»). Die Pfand- und Hypothekengläubiger gehören hiernach, wenn sie

ihr Forderungsrecht nicht gegen die Person des Geincinschuldners bei der Konkursmasse verfolgen, sondern nur ihr dingliches Recht geltend machen wollen,

nicht zu den Konkursgläubigern.

Die

gemeinrechtliche Praris inachte jedoch mit ihnen eine Ausnahme und nöthigte sie, sich in den Konkurs cinzulasscn.

Die Veran­

lassung dazu war eine äußere; sie lag in der Bequemlichkeit des Verfahrens, indem cineöthcils mehrere Gläubiger ein Recht an der nämlichen Sache haben konnten, so daß unter ihnen doch ein Prioritätsverfahren eintreten mußte, und andernthcils der Ucber-

schuß aus dem Erlös der Pfandstücke an die Gemeinmassc zu zah­ len war.

Deshalb hatte man sie lieber ganz in den Konkurs

hineingezogen, und es trat innerhalb desselben unter ihnen ein be­

sonderes Verfahren ein; doch war ihnen solches insofern nachthei-

lig, als dadurch die Exekution verzögert und Kosten verursacht

wurden. Ebendieselben Grundsätze galten ehemals auch in dem Preuß. Konkurse»); nach heutigem Rechte aber nehmen die Pfandund Hypothekengläubiger als solche nicht mehr Theil an der Ge­ meinschaft; sie verfolgen ihr dingliches Recht für sich und besonders gegen den Verwalter,

und die Befriedigung derselben aus den

Gegenständen ihrer Rechte gehört zu denjenigen Geschäften des Verwalters, welche sich auf die Feststellung der Aktivmasse beziehen, denn die Pfand- und Hypothekengläubiger gehören nunmehr zu

den Separatisten1 °).

2. Die s. g. Massegläubiger, das sind Alle,

welche nach Eröffnung des Konkurses njit der Masse kontrahirt

haben1 *) oder in Beziehung auf welche die Gläubigcrschaft den

Gemeinschuldncr passiv repräsentirt (§. 471).

III. Das aus der

Gemeinschaft entstehende Verhältniß der Gläubiger hat drei ver­ schiedene Beziehungen:

1. den Gläubigern ist das Vermögen des

Gemeinschuldners zur Verwaltung, Verwerthung und Vcrtheilung übergeben").

Dadurch wird

ihr Verhältniß

als Inhaber der

8) A. G. O. §§. 296 ff.; K°nk.-O. §. 2, Satz 3. 9) A. G. O. a. a. O. §§. 377-384, 387 ff.

10) V. vom 28. December 1840 (G. S. für 1841, S. 4 ff. - Kouk.-O. 88- 31 jf., 147. 1«) A. G.O. a. a. O. §. 269. — Konk.-O. §§. 40 ff. 12) Daß das Gericht für ffe auftritt und Alles an ffch nimmt, ist eine Folge der Staatsvormundschaft, welche im Preuß. Rechte und Verfahre» vor­ herrscht, wodurch aber die Natur der Rechtsverhältnisse an sich nicht geändert wird. Das neue Recht hat darin nichts geändert. Vergl. über die Bestimmung der Masse den §. 2 der Konk.-O.

Die besondern Prozeßakten. Der KonkurSprozrß. Masse begnmdct.

853

2. Die Gläubiger sink Gläubiger des Gemein­

schuldners und machen ihr Recht gegen ihn gerichtlich geltend, d. h. sie sind Liquidanten.

3. Unter einander stehen sie wegen der

großem oder geringern Theilnahine bei der künftigen Vertheilung

in Konkurrenz;

Jeder ist durch das Recht deS Andern in Aus­

übung seines RechtS beschränkt.

Daraus entsteht das Prioritäts­

verfahren.

b) Verhältniß der Glaubiger als Inhaber der Masse. 8- 461. aa) 3 ni Allgemeinen.

Die Bestimmung der Rechte und Pflichten der Gläubiger­ schaft als Inhaber eines

fremden Vermögens hängt von

dein

Rechte ab, welches die Gläubiger an dem Vermögen des Schuld­ ners haben.

Aelterc Schriftsteller haben hier eine successio per Doch sind die Gläubiger gar

Universitäten) zu finden geglaubt.

keine Sueccssorcn dcö Schuldners, sondern nur Administratoren

eines fremden Vermögens, womit das Recht, sich auS dem Ver­

kaufe zu befriedigen, verbunden ist.

Dies ist das alte

pignus

Das Recht der Adniinistration

praetorium im weitesten Sinn.

uild deS Verkaufs haben sie aber nur unter Aufsicht deS Richters'). Die Gläubiger sind also Repräsentanten deS Schuldners, jedoch üben sie dessen Rechte nur zu ihrem Vortheile, um sich daraus

bezahlt zu machen, auS, sic sind folglich procuratores in rem

suam. mit

Die Repräsentation deö Schuldners ist jedoch nur aktiv,

Ausnahme

deS

Verhältnisses

zu

den

einzelnen Konkurs­

gläubigern 2). §. 462. bb) Umfang ter flftivrtrf'tc.

I. Zur Gcmeinmasse und zu den Aktivrechten, in welchen die Gläubiger den Schuldner repräsentiren, gehören alle schon vor Eröffnung des Konkurses oder während der Dauer desselben er­

worbenen Rechte und Sachen,

mit Einschluß der Besoldungen,

Pensionen, Präbenden und andern jährlichen Hebungen, soweit sie

überhaupt Gegenstand der Erckution sein können (§. 304), wenn-

1) 51. G. O. a. a. L. 88 63, 77, 83, 84, 92, 234 - 237. — Konk.-O. 88 129 ff., 215, 222. 2) L. 5 D. de curatore bonis dando (XL1I, 7).

Drittes Buch.

854

Die außerordentlicher Prozeßakten.

gleich sie erst nach der Konkurseröffnung fällig werben9); nament­ lich gehören auch dazu solche Hypothenforderungcn, welche der

Gemeinschuldner bis zur Konkurseröffnung durch Zahlung

oder

auf sonstige Weise erworben hat und nicht hat löschen lassen«). Ausgenommen sind, nach der Deutschen Praris, welcher sich die Preuß. Gesetzgebung angeschlossen hat, die gewöhnliche Kleidung,

Hauögeräth und andere Sachen, welche dem Gcmcinschuldner und

dessen Familie zum persönlichen Gebrauch Auch bereits angefallene,

unentbehrlich

sind9).

obgleich noch nicht definitiv erworbene

Rechte gehören zur Masse, namentlich Erbschaften,

welchen

der

Gemcinschuldner wider den Willen der Gläubiger nicht entsagen kann9).

kaufe,

II. Das Eigenthum behält der Schuldner bis zum Ver­

die Gläubiger haben nur die Gewahrsam ’),

oder jetzt

richtiger den Pfandbesitz, daher ist für den Schuldner keine neue

Erwerbung nöthig, wenn vor dem Verkaufe der Konkurs wieder aufgehoben wird.

Durch die Fortdauer der Eigenthumörechte des

Gemeinschuldners verlieren die Gläubiger nichts, denn sie üben alle seine Rechte in dessen Namen aus: sic vindiciren, nutzen, ver­ pachten, vermiethen und verkaufen als Repräsentanten des Schuld­

ners9), machen sich mithin für ihre Person nicht verbindlich und

leisten auch nicht weiter, als das Empfangene reicht, Gewähr9).

Beschränkungen in

der Veräußerung zum Besten

des Gemein­

schuldners binden die Gläubiger nicht"); solche aber, welche zum Vortheile Dritter bestehen, hindern auch die jüngcrn Gläubiger, wie

z. E. bei Lehen, Fideikommissen, Wicdcrkaufsrechten u. bergt.; solche 3) A. G. O. a. a. O. §§. 33, 524. — Konk.-O. §§. 1 u. 339. 4) M. Recht der Forderungen, Bd. III, S. 1015. Auch angenommen von dem Ob.-Tr. durch Pl.-Bcschl. vom 9. Januar 1846 (I. M. Bl. S. 43). 5) A. G. O. a. a. O. §§. 218, 315. - Konk.-O. §. 143, Nr. 1. 6) A. G. O. §. 41; Konk.-O. §. 1. Nach G. R. ist cS hinsichtlich der Erbschaften anders, wegen deS abweichenden Prinzips über die Erwerbung. 7) L. 3, §. 23 D. de acquir. vcl omitt. poss. (XLI, 1). — L. 6, 8 C. de bonis auct. jud. poss. (VII, 72); L. 4 C. qui bonis cedere (VII, 71). 8) A. G. O. a. a. O. §§. 33, 34, 63, 194, 242 ff.; Konk.-O. §§. 152, 157, 221. — L. 8, §§. 1—3 D. de bonis auct. jud. poss. (XLII, 5). — Auch die Schriften des Schuldners stehen ihnen zur Benutzung offen. A. G. O. a. a.O. §§. 196, 199, 206. Konk.-O. §. 143, Nr. 2 und 3, und §. 153. Vergl. L. 15 pr., §. 1 D. eod. 9) A. G. O. a. a. O. §§. 260 ff.; I, 52, §. 12 a. E. verb. mit A. L. R. I, 11, §. 344; Konk. - O. §. 23. — Bcrgl. L. 10 D. de distract. pignor. (XX. 5); L. 38, 50, 74, §. 1 D. de evict. (XXI, 2); L. 13 C. eod. (VIII, 45). 10) A. L. R. II, 18, §. 551. — A. G. O. I, 24, §. 12. — L. 3, §. 1 D. de rebus eorum qui sub tutela (XXVII, 9).

Die besondern Prozeßakten.

§55

Der Konkiirsprozeß.

Güter können sie nur auf die Lebenszeit des Schuldners oder so lange sonst dessen Recht dauert, nutzen 1').

gationen betrifft,

III. Was die Obli­

rcpräsentiren die Gläubiger den Schuldner

so

nur in allen Aktivobligationen, mithin können sie Zahlungen an­

nehmen und gültig liberiren"); hinsichtlich der Passivobligationen repräscntiren sie ihn in der Regel nicht.

Eine Ausnahme gilt in

Ansehung 1. der dinglichen Lasten, z. B. der aus dem Vermögen

hastenden Abgaben, welche von den Gläubigern als Inhabern der Masse zu berichtigen sind, insofern sie erst nach der Konkurseröff­

nung fällig werden"); 2. der fortgchenden persönlichen Leistungen,

zu welchen der Gemcinschuldner als Inhaber eines gewissen Grund­

stücks verpflichtet ist, insofern die Gläubiger die Gewahrsam nicht aufgeben wollen oder dürfen (s. unten Nr. VI).

Schulden wird treten"), darf.

da

der

Gemcinschuldner

von

dem

Hinsichtlich der Verwalter

ver­

er bei dem Verfahren nicht alö Partei auftreten

IV. Die Klagerechte können die Gläubiger als Repräsen­

tanten deS Schuldners nur in dem Umfange und mit den Befug­ nissen ausüben, wie der Schuldner selbst zur Zeit der Konkurs­

eröffnung dieselben geltend zu machen berechtigt gewesen sein würde; sie repräscntiren ihn mithin auch passiv, wenn sie aktiv auftreten,

wie ein bonorum curator15).

Daher müssen sie auch alle Ein­

reden, welche gegen ihn stattgefundcn haben würden, gegen sich

gelten lassen.

Darauf beruhet die Entscheidung mehrerer Fragen,

besonders 1. wegen des Kompensationseinwandes, welcher zulässig

ist, wenn die Gegenforderung vor der Konkurseröffnung entstan­ den, wenn auch noch nicht fällig war, doch müssen in diesem Falle

der Masse die Zinsen bis zum Verfalltage vergütet werden"); unzulässig aber ist er,

wenn die Gegenforderung erst nach der

Konkurseröffnung, sei

es aus einem neuen Geschäfte mit dem

Gemcinschuldner oder durch Ccssion,

erworben,

oder

wenn

die

I I) A. G. O. a. rb. Bd. IV, S. II u. Bd. XI, S. 20). 10) Konk.-O. §§. 177, 236, 84, Nr. 2. Vcrgl. Code de commerce, Art. 533. Koch, (Livilprozeß. 2. Aufl. 55

Drillt« Buch.

866

Partei verstellt 1'),

tritt

Dir außerordnülichm Prozeßakten.

aber

ein

interestirender

Gläubiger

als

Jntervenient auf, so ist der Gläubigerschast daS Geständniß un-

nachtheilig ").

2. DaS außergerichtliche, vor Ausbruch des Kon-

kurses abgelegte Geständniß deS GemeinschuldnerS muß folgerecht nach denselben Grundsätzen beurtheilt werden; sowenig dasselbe oder

ein anderes Anerkenntniß des Schuldners außer dem Falle des Konkurses in Jnterventionsprozeffen dem Intervenienten entgegen­

steht, gleichwenig

kann es den widersprechenden Gläubigern im

Konkurse entgegenstehen, denn eS ist hier wie dort die Handlung

eines sie nicht verpflichtenden Dritten").

Doch trifft man hier

wieder auf Inkonsequenz, indem die Meinung

herrscht, daß die

früheren Anerkenntnisse und Geständnisse des Schuldners den ein­ zelnen intervenirenden Gläubigern präjudicire"). Nach der Natur

deS Rechtsverhältnisses kann die Aussage des GemeinschuldnerS in

allen Fällen nur in der Forin eines Zeugnisses in Betracht kom­ men"). In wiefern eS als solches beweiskräftig sei, ist in jedem

einzelnen Falle, mit Rücksicht auf die Umstände, meinen Regeln zu beurtheilen.

nach den allge­

Die neue Konkursordnung schließt

sich diesem Rechtsprinzip an, jedoch nur in Beziehung auf den Ehegatten

deS

GemeinschuldnerS").

II.

Der

Eid

kann

als

Schiedseid in der Regel weder dem Gemeinschuldner noch einem einzelnen Gläubiger, sondern nur dein Verwalter zugeschoben wer­

den und dieser kann ihn annehmen und de ignorantia ableisten, oder

auch,

Beziehung

ohne

besondere

Autorisation,

zurückschieben1 ’).

In

auf den nothwendigen Eid gilt hinsichtlich der Per­

sonen, welchen derselbe auferlegt werden darf, daö Gleiche.

Eine

11) A. G. O. a. a. O. §. 125. (Sr ist aber der Gläubigerschaft dafür, daß er nicht ohne gehörige Prüfung und ohne hinlänglichen Grund Etwas ciiirdume, verantwortlich. §§. 63, 72 ebenda.

12) Ebenda, §§. 126-128. Konk.-O. §§. 172, 173 u. 237. DaS folgt auS dem Verhältnisse deS Intervenienten; doch muß, um nicht inkonsequent zu werden, der Intervenient als Einzelner für fich in Betracht kommen; denn wollte man der Gläubigerschast eine solche Unyfcuiitailjeit zuschreiben, so würde man mit dem Grundsätze, daß man durch die Handlungen deS gesetzlichen Stellver^ treterS verbindlich wird (I, 10, §. 87), in Widerspruch treten. 13) Anerkannt aber beschränkt ist der Grundsatz im A. L. R. II, 1, $. 260. 14) Entsch. deS Ob. - Tr., Dd. IX, Nr. 35, I.

Dagegen aber m. Beur­

theilung, S. 668. — Schles. Archiv, Bd. VI, S. 512.

15) A. G. O. I, 10, $. 280. 16) Konk.-O. z 103, Nr. 5.

Dergl. Anm. 17 zu ?. 8 daselbst.

17) A. G. O. I, 10, $S. 281-283. auf den Verwalter nicht Anwendung.

Der $. 292, Nr. 2 a. a. O. findet

Dic brfontcrn Prozeßatteu.

Der KoakurSprozeß.

867

Ausnahme tritt ein, wenn einzelne Gläubiger al- Gegner de» -iquidanten auftteten18).

8. 467. d) Verhältniß der Gläubiger als Konkurrenten.

I. DaS Vermögen reicht zur Befriedigung sämmtlicher Gläu­ biger nicht hin, dies ist die Bedingung des Konkurses. entsteht eine Kollision der Rechte.

Dadurch

Die Beschränkung deS einen

Rechts durch das Andere soll nicht vom Zufall abhangen, sondern nach gewissen Regeln geschehen.

Daraus entsteht daS Verhältniß,

in welchem die Gläubiger zu befriedigen sind.

Dieses Verhältniß

ihrer Befriedigung ist nicht ein solches, in welchem Alle gleiche

Rechte haben,

sonst

müßten Alle zugleich nach Verhältniß deS

BettageS ihrer Forderungen (tributim) befriedigt werden; vielmehr ist es ein solches, in welchem nach einer gewissen Ungleichheit der Rechte Einer dem Andern vorgehen kann.

Darauf beruhet die

Rangordnung (Priorität). Der Zweck der Konkurrenz ist die Aus« Mittelung und Feststellung dieser Priorität.

Daraus folgt, daß

einzelne Gläubiger ihre Beftiedigung während

des

Laufe» deS

Prioritätsverfahrens nur in dem Falle, wenn alle Bevorrechtete

und alle Gleichberechtigte vollständige Befriedigung unzweifelhaft

erhalten, fordern können').

II. Die Rangordnung gehört nicht

zu den Wirkungen des KonkurSprozeffeS, sondern geht dem Kon­

kurse schon voraus und gehört deshalb in daS materielle Rechts. III. Wenn über die Rangordnung unter den Gläubigern Streit entsteht, so sind bloß die dabei betheiligten einzelnen Gläubiger die

Parteien; der Gcmeinschuldner und die Gesammtheit der Gläu­

biger, mithin auch der Verwalter, interessiren dabei nicht, der Schuldner muß Alle bezahlen und ihm müssen Alle gleich nahe sein.

Ein eigentliches Prioritätsverfahren unter den Gläubigern

wird nach Gem. R. erst durch das KlassifikationSurtel eröffnet,

welches den Entwurf der Rangordnung enthält. Im Verfahren erster Instanz tritt also die Konkurrenz in den Hintergrund, die Liquidanten stoßen auf Niemand, mit dem sie über einen Vorrang streiten könnten, ein Jeder fordert nur einen bestimmten Platz,

ohne Beziehung auf Andere, und hierüber ist die Gesammtheit der

18) Konk.-O. $. 237, Sah 2 u. $. 238. 1) A. ®. O. a. a. O. 8- 548. Äonf.-D. $. 240. 2) Darüber m. Privatrecht, $$. 495 ff. — Recht der Forderungen, §. 49 ff.

868

Dritte- Buch.

Die außerordentlichen Prozcßartc».

Gläubiger und der Schuldner, folglich auch der Verwalter, mit

ihm zu streiten eigentlich nicht berechtigt.

Die Preußische Gesetz­

gebung hat sich jedoch hierin der herrschenden Meinung in der

Deutschen Prariö angeschlossen, wonach der Verwalter sich auch um die Priorität bekümmern soll ').

Allein damit war im alten

Verfahren doch noch immer nicht eine wahre Partei gegeben, die

Erklärungen des Verwalters konnten weder ein nicht vorhandenes Vorrecht cinräumen, noch ein wirklich vorhandenes entziehen, es

blieb daher hauptsächlich dem Officium des Richters überlassen, die Rangordnung nach seinem Ermessen zu bestimmen. Erst nach­

dem dies geschehen, trat das Streitvcrfahrcn unter den Gläubigern über den Vorzug in's Leben, die Appellationsinstanz war mithin

die Instanz des Prioritätsverfahrcns, in welchem die Nachgesetzten

interveniendo gegen die Vorgesetzten oder Gleichgestellten auftraten, und wobei der Verwalter weder beachtet noch zugelassen würbe3 4). Diejenigen Mitgläubiger, welche ein gleiches Interesse hatten, ver­ banden sich zu einem Litiskonsortium, und wenn auch nur Einer

von ihnen ihre gleichen Rechte verfolgte und durchsetzte, so kam das obsiegliche Urtel dennoch allen Uebrigen zu statten, wenn sie

nachträglich dem Rechtsmittel noch beitratcn, was dann die Folge hatte, daß sie auch zu den Kosten beitragen mußten5).6 7Nach dem neuen Verfahren steht eS anders. Die Rangordnung wird in dem Prüfungstcrmin protokollarisch regulirt, und zwar nach den An­

sprüchen der Liquidantcn, wenn diese den etwanigcn Vorstellungen des Kommissars bei grundlosen Ansprüchen nicht Gehör geben.

Bei jeder einzelnen Forderung wird vermerkt: ob und in wie weit

die Richtigkeit und das Vorrecht derselben unstreitig ist, oder ob,

durch wen und aus welcheir Gründen die Richtigkeit oder das Vorrecht der Forderung

bestritten worden ist4).

Zwischen den

hierdurch scstgestellten Parteien wird wegen einer jeden streitig ge­

bliebenen Forderung in einem besonderen Prozesse, im gewöhnlichen Verfahren, verhandelt und entschieden').

3) 4) 5) 6) befugt. 7)

R. G. O. a. sl. O. §§. 72, 126. - Konk.-O. 8 172. A. G O. a. a.O. §§. 177, 178. Ebenda, §§. 179-181. — S. o. 8- 337. Kant. -O. 8- 175. Der Verwalter ist auch da- Vorrecht zu bestreiten 8 172 a. a.O. §§. 227 ff. o. a. O.

Di« besondern Prvj«ßart«n.

3.

Der KcnkurSpro;cß.

869

Für Einzelne und für Dritte.

§. 468. a) DaS Allgemeine. Nicht allein

in Beziehung

auf den Schuldner

und

dessen

Gläubiger in ihrem Verhältnisse als Gesammtheit und unter sich,

sondern auch in Ansehung einzelner, zu dieser Gemeinschaft nicht gehöriger, Gläubiger, sowie in Ansehung manches Dritter äußert

die Eröffnung des Konkursprozesses ihre Wirkungen, und cs wer­ den dadurch besondere Verhältnisse der Betroffenen zur Masse der Gläubigcrschaft hervorgcbracht.

Diese Verhältnisse sind daS der vor

entstandenem Konkurse von dem Gcmeinschuldncr besonders bedachten einzelnen Gläubiger, und das dritter Personen, unter welchen zwei

Klassen von Personen begriffen werden, nämlich die Vindikanten

und die Masscgläubiger.

§. 469. b) Verhältniß einzelner gratificirter Gläubiger zur Masse. Franke, über die Zulässigkeit der actio Pauiiana, bei Zahlungen, Psandbe-

stellungcn, Hingabe an Zahlung-statt; im Archiv für civil. Peari-, Bd. XVI, Nr. V. ii. X. — LatpeyreS, über Anfechtungen von Zahlungen mit der actio Pauiiana, ebenda, Bd. XXI, S. 35 ff.

Die gemeinrechtlichen Streitigkeiten und Zweisel in Beziehung

auf die Widerruflichkeit oder Beständigkeit der Begünstigungen ein­ zelner

Gläubiger durch Zahlungen,

SichcrhcitSbcstcllungen und

Angabe an Zahlungsstatt von Seiten des Schuldners zu einer

Zeit, wo sein Vermögen schon unzureichend war, sind zum Theil entschieden, in der neuen Konkursordnung jedoch anders als in

ter A. G. O., über die zweistlhaftesten Fragen fehlt jedoch eine

Folgende Sätze sind Gegenstand der 1. Vor Eröffnung deS KonkurSprozesses kann nach

ausdrückliche Entscheidung.

Verordnung:

altem R. der insolvente Schuldner einem Gläubiger gültig zahlen,

Sachen an Zahlungsstatt geben und abtreten, und Sicherheit durch

Pfandbcstcllung oder Eintragung leisten oder die schon geleistete Sicherheit verinehren, ohne Unterschied, ob der Gläubiger die In­

solvenz des Schuldners gekannt hat, oder nicht'), und ohne Rück-

1) A. ®. O. a. a. O. §. 44. — L. 6, §. 6; L. 24 verba: quid ergo D. quae in fraudem creditorum (XLII, 8).

ficht darauf: ob der Gemeinschuldner dm Gläubiger vor Andem hat begünstigen wollens. Rach nmem Rechte gilt da- Gegentheil. Wußte der begünstigte Gläubiger bei der Befriedigung oder Be­ günstigung, daß der Gemeinschuldner bereit- die Zahlungen einge­ stellt oder die Unzulänglichkeit seines Vermögen- bei dem Gerichte angezeigt, oder daß ein Gläubiger bereit- auf Konkurseröffnung angetragen hatte; so findet die Zurückforderung statt. Da- Gleiche gilt von Rechtshandlungen de- Gemeinschuldner-, welche seit den gedachten Zeitpunkten oder innerhalb der nächstvorhergegangenen zehn Tage vorgenommen worden find, wenn fie eines der folgenden Rechtsgeschäfte zum Gegenstände haben: a) die Bestellung von Pfand oder Hypothek zur Sicherung von Verbindlichkeiten, die bereit- vor der Sicherstellung entstanden sind, ohne daß dabei die­ selbe ausbedungen worden ist; b) die Berichtigung einer noch nicht fälligen (betagten oder bedingten) Schuld durch welches Mittel immer; c) die Zahlung einer völligen Schuld durch andere Mittel als baareS Geld oder Handelspapiere (Angabe an Zahlungs­ statt)»). 2. Der vorher schon angebrachte Antrag auf Konkurs­ eröffnung allein entzieht nach altem Rechte noch nicht die Befugniß in dieser Art zu verfügen; ist aber in Folge dessen vorläufig der offene Arrest erlassen worden, so ist die Wissenschaft deS Gläubi­ gers davon der Gültigkeit der Verfügung hinderlich und der Gläu­ biger, welcher der Wissenschaft überführt wird oder dieselbe nicht eidlich ablehnen kann, muß das Empfangene an die Masse heraus geben»). Rach neuem Rechte hingegen findet die Rückforderung statt, wenn der Gläubiger bei seiner Beftiedigung wußte, daß der Gemeinschuldner bereits die Zahlungen eingestellt, oder daß er be­ reits die Unzulänglichkeit seines Vermögens bei dem Gerichte an­ gezeigt, oder daß ein Gläubiger desselben auf die Konkurseröffnung angetragen hatte»). 3. Hat ein befriedigter Gläubiger mehr er­ halten, al- er wirklich zu fordern hatte, so ist daS Mehr der Rück­ forderung nach den Regeln der Paulianischen Klage unter»

2) Di« s. g. ®ratififation).

Das Verfahren ist folgendes: Sobald ein hinlänglicher

Geldvorrath vorhanden ist, können auf einzelne bevorzugte Forde­ rungen, wenn deren Betrag und Vorrecht feststcht und die Masse

auf alle übrigen

angemeldctcn Forderungen,

welche besser oder

gleichberechtigt sind, zulänglich bleibt, von dem Kommissar, nach Anhörung des Verwalters, ohne Weiteres verfügt werden2).

Für

die übrigen Fälle aber hat der Verwalter einen, sämmtliche Gläu-

1) Konk.-O. §§. 241, 245. 2) Ebenda, §§. 230, 236. Mehrere Gläubiger, welche als Streitgenoffcn auftretcn, haben einen gemeinschaftlichen Vertreter zur Prozeßführung zn bestellen; die Vertretung durch besondere Bevollmächtigte geschieht sonst auf Kosten des Gläubigers. §. 238.

1) Konk.-O. §. 239. 2) Ebenda, §. 240. Die auf die noch nicht feststehenden Forderungen fallen­ den Beträge bleibe» natürlich in der Masse zurück.

892

Dritte- Buch.

Di« außerordentlich«» Pro;eßarten.

biger umfassenden, Theilungsplan zu verfassen.

Dieser soll ent­

halten : t. die Feststellung des vorhandenen verfügbaren Bestände-, auf die Deckung der Kommunkosten und der sonstigen Masseschulden Rücksicht zu nehmen; 2. die Darstellung sämmtlicher wobei

Forderungen der Konkursgläubiger einzeln, in ihren Beträgen, nach

Klassen, wobei diejenigen Posten, über deren Richtigkeit oder Vor­ recht noch gestritten wird, vorläufig so zu behandeln sind, als wenn der geforderte höchste Betrag und das Vorrecht endgültig festgestellt

wäre, nur ist gleich anfangs bei einer solchen Post zu vermerken ’),

daß sie streitig; 3. die Angabe der Beträge,

welche von der zu

vertheilenden Masse auf jede einzelne Forderung fallen3 4); 5 6 4. bei einer wiederholten Vertheilung auch die Angabe, wieviel auf die

einzelnen Forderungerr bereits berichtigt ist, für welche Forderungen die Antheile zurückbehalten sind, und welche angelegte Spezial­ maffen inzwischen

Weises.

bereits

erledigt worden sind

und auf welche

II. Der Theilungsplan wird im Büreau des Gerichts

zur Einsicht ausgelegt; dies wird öffentlich bekannt gemacht, mit der Aufforderung an die Gläubiger, ihre Erinnerungen gegen den

Plan in einer bestimmten Frist dem Gerichte anzuzeigen und in einem bestimmten Termine vor dem Kommissar zur Verhandlung

darüber, sowie zur Ausführung der Vertheilung zu erscheinen; die

im Gerichtöbezirke wohnhaften oder durch Bevollmächtigte vertre­ tenen Gläubiger erhalten auch besondere Abschrift dieser Auffor­ derung, doch ist dies kein wesentliches Erforderniß; der Verwalter

wird besonders vorgeladen und erhält Abschrift der Erinnerungen

noch vor dem Termin4).

III. In dem Termine verhandelt der

Kominissar über die eingegangenen Einwendungen nach der Reihen­

folge der einzelnen Posten.

Soweit keine Einwendungen erhoben

worden sind, oder die eingebrachten Einwendungen gütlich beige­

legt oder von Niemand aufrecht erhalten werden, erfolgt die so­ fortige Auszahlung der in dem Plane berechneten Antheile; dir

3) Der Vermerk kann zur bessern Uebersicht auch in eine letzte Kolonne des VcrtheilungSplanS, welche die Uebcrschrift »Bemerkungen" enthält, gesetzt werden. 4) Konk.-O. Z. 241. Di( Aufstellung dieses Plans geschieht am besten in tabellarischer Form. 5) Ebenda, $. 253. 6) Ebenda, Z. 242. ES versteht sich, daß der Termin eine angemessene Zeit nach Ablauf der Einwendung-frist angesetzt werden muß, um dem Verwalter Zeit zur Vorbcitung auf die Einwendungen zu lassen, wobei zu berücksichtigen ist, daß die Durchsicht der Einreden und die Vorbereitung nicht da- einzige Ge­ schäft, vielleicht nur ein zufälliges Nebengeschäft de- Verwalter- ist.

Die besondern Projeßarteu. Der Konkur-prozeß.

893

Antheile derjenigen Posten, ;u welchen sich kein Empfangsberechtigter meldet, sowie die Antheile in Beziehung, aus welche die rechtzeitig

cingegangenen Einwendungen unausgeglichen bleiben, werden zu be­ sonderen Spezialmassen genommen und über die von dem Kom­

missar scstgestelltcn Streitpunkte wird zwischen den gleichfalls fest­

gestellten Parteien in besonderen Prozessen verhandelt und

ent­

schieden und daö ergehende Erkenntniß hat zugleich auszusprechen, an wen die Spezialmasse auSgczahlt werden soll, oder daß dieselbe anderweit zu vcrthcilen ’). IV. Bei der Aufmachung der Schluß-

vertheilung hat der Verwalter zugleich seine Rechnung über seine ganze Geschäftsführung zu legen.

Die Rechnung wird gleichfalls

im Büreau deS Gerichts zur Einsicht aufgelegt und

im Termin

zur Ausführung der Schlußvcrtheilung vor dem Kominiffar, vor

der Gläubigerschaft und dein Gcmeinschuldner abgenominen, wozu der Vcrwaltungsrath, der Gemeinschuldner und die Gläubiger oder

die von denselben etwa ernannten Rechnungsbevollmächtigten vor­

Mit der Erledigung des Rechnungsabnahme­

geladen werden').

geschäfts und der Vollziehung der Schlußvertheilung, wozu auch »roch die Vertheilung der etwa sestgestellten Forderungen an den

Verwalter aus zurückfallende,

der zur

Geschäftsführung, Deckung

sowie

die

künftig

noch

bedingter Forderungen vorbehaltene

Summe gehört, ist der Konkurs beendet und der Verwalter seines AintS

entlassen,

welches

das

Gericht

machenden Beschluß auszusprechen hat'). schein

durch

einen

bekannt zu

Später noch zum Vor­

kommende VermögenSgegenstände werden nachträglich ver-

theilt >°).

7) Ebenda, SS- 243 — 245. Auch die auf noch streitige Posten treffenden Antheile werden al« Epezialmassen zurückbehalten. $. 342. 8) Ebenda, $. 279. Gezogene Defekte werden in demselben Konkursverfahren festgestellt und die sich darau« ergebenden Forderungen an den Verwalter noch »ertheilt. 9) Ebenda, $. 277. Da wegen ter Wiederherstellung der Verfügungs­ berechtigung über da« neu erworbene Vermögen der Zeitpunkt der KonkurSbeendigung wichtig ist, so muß derselbe in dem Beschlusse au-gesprochen werden; ist die« unterblieben, so wird die Mittagstunde de« Tage«, an welchem der Beschluß gefaßt ist, a>« der Beentigmig-punkt anzunehmen sein, nach Analogie der Vor­ schrift über die Zeit der Eröffnung. 10) Ebenda, $. 278.

894

Drittes Buch.

Die außerordentlichen Prozeßartcn.

B. Das abgekürzte Verfahren. §. 484.

1. Fälle der Zulässigkeit.

Die neue Konkursordnung geht gleichfalls, wie das bisher bestandene Recht, davon aus, daß umfangreiche und verwickelte Vermögens- und Schuldverhältnisse eine umständlichere Behandlung erfordern als Fälle von geringerer Erheblichkeit und Verwickelung, und daß das Verfahren, welches Verhältnisse der ersteren Art zu berücksichtigen hat, für Fälle der letzteren Art nicht überall passe. Die A. G. O. bezeichnete vier Fälle für das abgekürzte Verfah­ ren') und zweierlei Verfahrungsweisen1 2). Davon geht die neue Gesetzgebung ab; der maßgebende Gesichtspunkt ist ihr, daß da, wo das gewöhnliche Erekutionsverfahren als ausreichend nicht zu erachten ist, das wirkliche Konkursverfahren eintreten muß und nur zu erwägen bleibt, inwiefern letzteres für die unwichtigeren Fälle einer Vereinfachung fähig3).4 Die Beurtheilung aber, welche Fälle dafür zu erachten, ist int Wesentlichen dem Ermessen des Gerichts überlassen und es ist nur die Grenze gezogen, daß daö abgekürzte Verfahren unbedenklich anzuwenden ist, wenn die Gcmeinmassc die Summe von 1000 Thalern nicht übersteigt^). 8. 485.

2. Verfahren. DaS abgekürzte Verfahren ist das ordentliche mit folgenden 1) Ein abgekürztes Verfahren fand statt: 1. wenn die Aktivmasse so un­ bedeutend, daß selbige durch die Kosten eines förmlichen Konkursverfahrens entzogen werden würde; 2. wenn zwar auch Grundstücke zur Masse gehörten, aber über zwei Drittel des Werths verschuldet waren, so daß wenig oder gar kein Ueberschuß für die Gcmeinmasse zu erwarten; 3. wenn sämmtliche bekannte Gläubiger darüber, daß die Konkurseröffnung unterbleiben solle, unter stch einig waren, und zugleich der Gemeinschuldncr entweder zu den Bewohnern des platten Landes gehörte und gar nicht oder mit einer Stelle von höchstens 300 Thlr. am Werthe angesessen war, auch kein Gewerbe, wozu auswärtiger Kredit erforderlich ist, betrieben hatte; oder zu den kleinern städtischen Besitzern, deren Possession nicht über 500 Thlr. werth war, oder zn den gemeinen Hand­ werkern gehörte, auch in beiden Fällen kein solches Gewerbe, welches auswärtiges Kredit erfordert, getrieben hatte; 4. wenn das Konkursgericht ein Eiuzelnrichter und die Aktivmasse, nach einem ungefähren Uebcrschlage, die Summe von 200 Thlr. nicht überstieg. A. G. O. §. 5, §§. 361 ff. u. Anh. §. 315. 2) A. G. O. §§. 5-7; Anh. §§. 315, 316 u. A. G. O. §§. 632 ff. 3) Motive, S. 127.

4) Konk.-O. §. 297. Mit der Berechnung dabei ist cö nicht so ängstlich zu nehmen, cs kommt nur auf einen ungefähren Ueberschlag an.

Die besondern Prozeßakten. Der Konkur-prozeß.

895

Abänderungen: 1. die Bekanntmachungen werden nur einmal in die öffentlichen Blätter eingerückt, wenn nicht besondere Gründe für eine Wiederholung vorhanden sind; 2. der mit der Siegelung beauf­

tragte Beamte kann statt der Siegelung sofort zur Inventur schrei­

ten, wenn diese nicht über Einen Tag dauert und Bcrwalter wie Tarator zur Stelle sind; 3. die Gläubiger sind, statt daß sic zur

Erklärung über die Beibehaltung des einstweiligen Berwalters im

ordentlichen Verfahren berufen werden, in dem ersten Termine so­ gleich über die Wahl deS definitiven Verwalters zu vernehmen;

4. der definitive Verwalter wird sofort nach Abhaltung des Ter­ mins von dem Gerichte ernannt;

ein Vcrwaltungsrath wird nicht

bestellt; 5. werden von dein Gemeinschuldner annehmbar scheinende Akkordvorschlägc gemacht, so wird das Akkordverfahren eingeleitet

und die Flüssigmachung der Masse ausgesetzt; andernfalls wird so­ gleich mit der Verwerthung und Einhebung der Masse vorgegan­

gen; 6. die Anineldungsfrist darf nicht unter drei und nicht über

6 Wochen betragen; 7. bei dein Vcrtheilungsvcrfahren kann die besondere Frist zur Anbringung von Einwendungen gegen den Ver-

theilungsplan wegfallen; in solchem Falle sind die Einwendungen in dem Verhandlungs - und Ausführungstermine vorzubringen und

zu erörtern').

XU. Der erbfchaftliche Liquidationsprozeß. A. G. O. I, 51, §§. 53—98. — Fratr. Becmannorum, Consilia et Decisa, P. I, resp. IX. 8- 486. 1.

Begriff und Geschichte.

I. Der erbschastliche Liquidationsprozeß war nach der A. G. O. das Gcsammwerfahren des Beneficialerben und der Gläubiger einer

insolventen Erbschaft zum Zweck der Befriedigung der Gläubiger *).

Nach neuem Rechte ist er ein bloßes Aufgebots- und Präklusions­ verfahren lediglich zu dem Zweck, dem Beneficialerben eine Ueber­

sicht über die Nachlaßschulden zu verschaffen und dadurch in den Stand zu setzen, die Gläubiger in der gesetzlichen Ordnung zu befticdigen und sich gegen Verantwortlichkeit zu sichern.

5) Äonf.-D. §§. 299-305. 1) A. G. O. 1, 51, §. 53.

II. In dem

896

Dritte« Buch.

Die außerordentlichen Prozeßarten.

Falle, wtlchtr in der Mitte zwischen den beiden Fällen, einerseits

wo der Konkurs über das Vermögen eines Verstorbenen auS Man­ gel eines Erben auf den Namen deS Erblassers auSbricht, und an­

dererseits wo der unbedingte Erbe dem Krcditversahren seinen Namen

giebt, steht, nämlich wenn der Erbe cum beneficio inventarii an­

getreten hat (§. 455,1), war der Erbe nach R. R. besugt, die Gläubiger auS der Erbschaft in der Reihe zu befriedigen, wie sie

sich meldeten; wer nach Aufräumung der Masse kam, hatte daS Nachsehen, wenn er nicht ein Vorrecht hatte, vermöge welches er

die schon bezahlten, nicht bevorzugten Gläubiger in Anspruch neh­ men sonnte2).3 4 In Deutschland kam dieser Grundsätz dadurch außer

Anwendung, daß eine Ediktalladung der unbekannten Gläubiger

und eine Präklusion der Nichtcrschicncnen üblich wurde2).

Die

Preuß. Gesetzgebung hat diesen GcrichtSgebrauch weiter entwickelt und einerseits den Bcneficialerben, bei eigener Haftung, verpflichtet,

die Gläubiger nach der Ordnung ihrer Vorrechte auS der Erbschaft zu befriedigen, andererseits aber ihm auch die Befugniß gegeben,

auf die öffentliche Vorladung der Gläubiger

mit der rechtlichen

Wirkung, daß die Auöblcibcnden ihrer Vorrechte verlustig gehen und sich mit dem, was nach Befriedigung ter sich meldenden Gläu­

biger übrig bleibt, begnügen müssen, anzutragenH.

2.

Grundsätze. §. 487.

a) Voraussetzungen des Verfahre n s. Sie bestehen in dem Vorhandensein der Vcrlassenschast eineö

verschuldeten Erblassers, toozu sich ein Erbe gemeldet hat, welcher die Erbschaft nicht ohne Vorbehalt der Wohlthat deö Inventariums annehmen will').

Daß die Unzulänglichkeit der Aktivmaffe zur Bezahlung der Gläubiger klar sei, ist nicht erforderlich; ist sic aber

aus dem Inventarium klar oder verzichtet der Erbe binnen zwei Monaten nach der Beendigung des Verfahrens auf die Rechts­

wohlthat deS Inventars nicht, so kann von den Gläubigern auf

Konkurseröffnung angetragen werden2).

Bricht der Konkurs auS,

2) L. 22, §§. 4—9 C. de jure deliberandi (VI, 30). 3) Mynsinger, Obs. Cent. II, 57. — Gail, Pract. Obs. I, obs. 57, n. 7. — S. u. §. 495. 4) A. G. O. a. a. O. §§. 57, 58, 85. - A. L. R. I, 9, §. 452. 1) ». G. O. a. o. O. 88 55-57. - K«nk..-O. §. 342. 2) A. G. O. 8- 68. — K°»k.-O. 8- 345, Satz 3 ». 3.357.

Die besondern Prozeßarten. Der erbschastliche Liquidationsprozeß. so muß der Erbe die Erbschaft nach

897

dem Inventarium an die

Gläubiger ausliefern und über die seit der Besitznahme derselben geführte Verwaltung, wobei er für ein grobeS und mäßiges Ver­

sehen haftet, Rechnung legen').

8- 488.

b) Eröffnung des Prozesses. Tic Eröffnung des erbschaftlichen Liquidationsprozesses kann

nur auf den Antrag eines Bcneficialerben geschehen; von mehreren Miterben kann jeder Einzelne darauf antragcn und der Gegenstand

des Verfahrens ist auch in diesem Falle nicht etwa die Quote des Provokanten, sondern die ganze Erbschaft').

Sind die Erben un­

bekannt, so ist auch der eingestellte Verlassenschaftskurator zu dem Anträge befugt').

Ter Anttag ist nur dann zulässig, wenn er

innerhalb Eines Jahres

nach

dein Ableben des Erblassers an­

gebracht *), und wenn innerhalb der gesetzlichen Frist ein gerichtliches

Inventarium, oder ein außergerichtliches Nachlaß- und Schulden-Verzeichniß, welches der Erbe auf Verlangen der Gläubiger eidlich zu

bestärken hat, eingebracht worden ist').

Ist solches nicht bereits

geschehen, so muß der Erbe gleichzeitig mit dem Anträge auf Er­ öffnung des Liquitationsversahrens

dieses Verzeichniß übergeben

oder die gerichtliche Inventur, die Jeder von mehreren Erben ver­

langen kann, nachsuchcn").

Darüber, ob das erbschastlichc Liqui-

dationSvcrfahrcn zu eröffnen oder der Antrag zurückzuweisen sei, wird durch Dekret entschieden ’), gegen welches nur die Beschwerde

3) 91. G. O. §§. 64, 65, 66. - Konk.-O. z. 360, Satz 2. 4) R. vein 8. Februar 1840 u. vorn 17. Marz 1840 (I. M. Bl. S. 59

u. 123). — Kons. O. 8 342. 5) B. I. vom 4. März 1834, §. 2; R. vom 11. Juni 1836 (Iahrb. Bd. XLVII, S. 563). - Konk.-O. §. 361. 6) Konk.-O. 8- 343. Tiefe Beschränkung führt die neue Konk.-O. im Interesse der Gläubiger ein; sonst war die Befugniß deS Erben, den Antrag anzubringen, der Zeit nach unbeschränkt. 7) A G. O. Tit. 51, §. 61. — A. L. R. I, 9, §. 427. - R. v. 9. April 1819 (Iahrb. Bd. XIII, S. 263). — Ueber die Beschaffenheit und Form des Inventariums f. m. den Pl.-Beschl. deS Ob.-Tr. vom 28. Febr. 1845 (Entsch. Bd. X, S. 373), ii. dazu m. Benrth. der ersten zehn Bände Entsch., S. 704. — Ein Interesse, die eidliche Bestärkung deS Inventars Seitens des Erben zu z fordern, tritt nach heutigem Verfahren nur in einzelnen Fällen, nämlich alsdann hervor, wenn der Erbe einen andringenden Gläubiger entgegensetzt, daß der Nach­ laß erschöpft sei. 8) Konk.-O. 8- 344. 9) R. vom 18. Mai 1816 u. v. 8. Mai 1835 (Iahrb. Bd. VII, S. 128. u. Bd. NLV, L. 441). Koch, Eivilprozeß. 2. Aufl. 57

898

Dritte- Buch. Die außerordentlichen Projeßarten.

statlfintct; diese Entscheidung ist aber den Gläubigern an ihren

Rechten unnachtheilig, indem, wenn auch das erbschaftliche LiquidationSvcrfahrcn eröffnet wirb,

deshalb doch jeder Gläubiger un­

gehindert ist, im Wege Rechtens auszuführen, daß dem Erben die Rechtöwohlthat des Inventars nicht zu statten komme. c) Wirkung desselben. 8. 4S9. aa) Für den Erben.

Turch die Eröffnung deS erbschaftlichen Liquidationsprozesses werden die Erekutionen in den Nachlaß oder wider den Erben we­

gen persönlicher Forderungen bis zur Beendigung des Verfahrens gehindert') und diejenigen, welche bereits im Gange sind, werden

dergestalt gehemmt, daß sie auf dem Punkte, bis wohin sic ge­

schritten sind, stehen bleiben, in sofern daraus der Erekutionssucher einen Vortheil erlangt hat-).

Tie Fortführung der bereits an­

hängigen Prozesse und die Einleitung neuer Klagen, sowie die An­

legung von Arresten

geschlossen ’).

auf Nachlaß - Gegenstände ist nicht aus­

Der Erbe bleibt im Besitze und in der Verwaltung

der Erbschaft; es steht ihm nicht frei, sich der Verwaltung zu

entledigen und den Nachlaß an die Gläubiger zur Verwaltung,

Verwerthung und Vertheilung abzutretcn^).

Mehrere Erben, welche

auf das erbschaftliche Liquidationsverfahrcn antragen, haben einen

gemeinschaftlichen Bevollmächtigten in dem Bezirk des Gerichts zu bestellen und bei dem Gerichte zu legitimiren, widrigenfalls die

Zustellungen an sie Einem von ihnen gültig geschehen könnens. — Nach Eintritt der Rechtskraft des PräklusionS- Erkenntnisses

kann einer von drei Fällen cintrcten: 1. der Erbe erklärt sich nun­ mehr ausdrücklich für Erben ohne Vorbehalt;

2.

derselbe erklärt

sich bereit, die sämmtlichen angemclbeten Forderungen, soweit sie richtig sind, zu bezahlen; 3. er erklärt sich gar nicht.

In dem

ersten Falle haben die präkludirten Gläubiger keinen Nachtheil von

1) St. G. O. a. a. O. z. 61; B. I. vom 4. Mar, 1834, $. 2; Ko»k.-O. 8 345.

2) R. vorn 14. Januar 1836 (Jahrb. Bd. XLVII, S. 329). 3) Konk..-O. §. 345, Satz 2. 4) (Sbciita, §. 345. Hicriu liegt eine erheblich« Abänderung de- bisher bestandenen Recht«. A. G. O. a. a. O. $$. 73—75. 5) Kont..O. §. 346.

Dir besondern Prozeßarien.

Drr rrbschaftliche Liquidation-prozeß.

tzgg

der Präklusion; in dem zweiten Falle haftet er den angemeldeten

Gläubigern persönlich,

gegenüber den Präkludirten, welche den

Angemeldeten nachstehen, behält er die Rechtswohlthat des In­ ventariums, mit der Begünstigung, daß die präkludirten Gläubiger das Vorhandensein eines Ueberschusses nach Beftiedigung der An­

gemeldeten beweisen müssen; in dein dritten Falle, wenn der Erbe, oder unter mehreren Erben auch nur Einer von ihnen binnen zwei

Monaten seit dem Tage der öffentlichen Bekanntinachung über die

Beendigung des Verfahrens sich nicht erklärt hat, kann jeder Gläu­

biger oder Legatar auf dir Konkurseröffnung antragen, ohne daß es der besondern Nachweisung der Unzulänglichkeit des Nachlasses

bedarf»). bb) F ü r die Gläubiger.

8. 490. a) Allgemeine Grundsatz?.

Jeder wird als Erbschaftsgläubiger angesehen, welcher eine

gültige, vor dem Tode des Erblassers entstandene, auf Geld oder

GeldeSwerth gerichtete Forderung oder ein Legat zu fordern hat; ist eine Forderung erst nach dem Tode des Erblassers entstanden, so gehört der Gläubiger nicht zu den Erbschaftsgläubigern, viel­

mehr ist er ein Gläubiger entweder des Erben, oder ein Gläubiger

der Masse; aus den Zeitpunkt der Eröffnung des erbschastlichen Liquidationsverfahrens kommt in dieser Beziehung nichts an. Der

Erbe hat die als Verwalter kontrahirten Schulden aus der Masse vorweg zu bezahlen und in Rechnung zu bringen; dieö gilt ins­

besondere auch von den Kosten des Verfahrens'). auch

die später eintretende Konkurseröffnung über

nichts;

Darin ändert

den Nachlaß

denn die Konkursgläubiger können nicht andere als die

Nachlaßgläubiger sein, wenn über die Erbschaft und nicht über daVermögen des Erben der Konkurs ausbricht; und daß die von der

bisherigen Verwaltung kontrahirten Schulden und Lasten vorweg

bezahlt werden müssen, folgt auS den Grundsätzen über Verwaltung fremden Eigenthums: der Verwalter (der Erbe) ist nur schul­

dig,

den Bestand der Masse nach Abzug der Kosten und AuS-

6) gen erst 1) (Jahrb.

Ebenda, §§. 356 «. 357. Die jetzige Fassung haben diese Bestimmun­ von den Kammer-Kommissionen erhalten. Konk.-O. $. 358. Wegen Prozeßkosten s. R. vom 16. März 1835 Bd. XLV, S. 182).

Drittes Buch.

900

Die außerordentliche» Prozeßakten.

lagen an die nunmehrigen Konkursgläubiger

auszuliefern, und

diese haben kein Recht zu verhindern, daß die in der Zeit zwischen

dem Tode des Genreinschuldners und der Konkurseröffnung ge­

machten Verwendungen vorweg entnommen und rechnungsmäßig

nachgewiesen werden2).3 4 Hat der Erbe einen wirklichen Erbschafts­ gläubiger, im Gegensatze eines Massegläubigers und Vindikanten,

befriedigt, so darf er dafür nichts in Rechnung bringen, er ist nur befugt, in dessen Stelle zu treten und zu liquidiren ’).

§. 491. ß) Verhältnisse der Gläubiger.

Die Gläubiger treten nicht, wie die Konkursgläubiger, in

eine Gemeinschaft, sondern nur in das Verhältniß der Liquidanten. Dieses ist dem der Liquidanten im Konkurse ähnlich:

Jeder tritt

als Einzelner für sich auf, und Alle, mit Ausnahme der Hypo­ thekar- und Pfandgläubigcr, die ihr Realrecht im gewöhnlichen

Wege geltend machen und sich an die ihnen verhafteten Gegen­

stände halten, sind verpflichtet, ihre Forderungen zu liquidiren, widrigenfalls sie sich wegen ihrer Befriedigung nur an dasjenige - halten können, waö nach vollständiger Befriedigung aller rechtzeitig

angemeldeten Forderungen von der Nachlaßmassc, mit Ausschluß

aller seit dem Tode des Erblassers gezogenen Nutzungen, übrig bleibt^). 8. 492. d) Ende dcS Verfahrens.

Die Beendigung des crbschaftlichen Liquidationsverfahrens hat nur zwei Gründe: 1. die Durchführung des Verfahrens, welches mit Eintritt der Rechtskraft des Präklusionserkenntnisses geschlossen

ist5); 2. die Willkür des Erben, indein er seinen Antrag auf Er­ öffnung des Verfahrens zu allen Zeiten wieder zurücknehmen kann.

Die Folge davon ist, daß daö ordentliche Erekutionsverfahren seinen Fortgang nehmen kann und daß der Erbe, wenn dadurch den be­ vorzugten Gläubigern die Mittel zu ihrer Befriedigung entzogen S) Konk.-O. §. 360, Satz 2. 3) Vcrgl. A. G. O. Tit. 51, §. 89, Nr. 4. 4) Konk.-O. §§. 349, 359. — Vcrgl. A. G. O. a. a. O. §§. 85, 86. — Fr. Es. a Pufendorf, Observat Juris univ., Tom. III, obs. 86, §. 4. 5) Konk.-O. §. 355.

Di« befcnbern Prozeßarten. Der erbschastliche 8i.iuibaficn»»rojtg.

901

werben, tiefen Gläubigern persönlich hast«Die schon ausgrbrachien Arreste werden durch die Einstellung des Verfahrens selbst­

verständlich nicht ausgehoben. 8. 493.

3.

Form des Verfahrens.

DaS ganze Verfahren besteht aus einer Aufforderung an die Gläubiger, sich zu melden; aus einem Audienz-Termine zum Vor­

trage der eingegangenen Meldungen und aus einem Präklusions­

erkenntnisse.

I. Die Aufforderung an die sämmtlichen Erbschafts­

gläubiger und Legatare, ihre Ansprüche,

dieselben mögen bereits

rechtshängig fein oder nicht, bis zu einem gewissen Tage, den das Gericht nach feinem Ermessen bestimmt, doch nicht unter drei Wochen und nicht über sechs Monate, schriftlich oder zu Protokoll anzu­

melden, unter Androhung deS vorhin (§. 491) erwähnten Nach­ theils ').

Tiefe Aufforderung muß bloß öffentlich bekannt gemacht

werden durch eine oder mehrere Anzeigen in öffentlichen Blättern nach dem Ermessen des Gerichts, sowie durch Anschlag an der

Gerichtsstelle und andern geeigneten Orten.

Attßerdem soll, ohne

daß dies ein Essentiale des Verfahrens ist, eine Abschrift der Auf­

forderung der Steuererhebungsstelle, letzten Wohnorte

des Erblassers,

dem Gemeindevorstande am

jedem

im

Schuldenverzeichniß

oder Inventar aufgeführten Erbschaftsgläubiger und jedent Erben

übersendet werden*). Die Anmeldung der Forderungen muß, heißt eS, Namen, Wohnort und Stand des Gläubigers, sowie

den Rechtsgrund und den Betrag der Forderung und die Beilage

6) A G. O. a. a. O. §§. 77—79, verb. mit §. 2 dcr ©ererbn. I. vem 4. März 1834. 1) JtonL.-D. §§.347, 348. Die Verwarninig ist wrscntlich bie alte. 2) Ebenda, §. 349. Bon der öffentlichen Bekanntmachung statt der Insi­ nuation macht die neue Koiiknrsordnung auf Kosten der Prioatrechtc einen zu ausgedehnten, das Bedürfniß übersteigenden Gebrauch. Wie soll ich, als Gläu­ biger irgend eines Menschen, zu der Vervstichtung kommen, alle möglichen Leit­ blätter zu lesen, um mir ja nicht mein Gläubigerrecht zu verlieren? — ich sage alle möglichen Zeitschriften, denn die Auswahl ist dem Ermessen des Gericht« überlassen; kein Blatt ist in dieser Hinsicht ein nothwendiges. Man schüttet das Kind mit dem Bade aus, um nut Geschäfts - Etleichlenmg, Abkür­ zung zu schaffen; diese Art der Vorladung ist eine wahre Reaktion, welche wieder einen Gegenschlag bewirken wird. Wenn man glaubt, dadurch dem persönlichen Kredit unter die Arme zu greifen, so täuscht man sich gründlich. Jeder Kapitalist kaust sich lieber da» allerschlechteste Papier, als daß er, wenn et als Privat­ gläubiger gleichsam so Über Bord geworfen werden soll, einem Menschen per­ sönlichen Kredit giebt.

Drittes Buch.

902

Die außerordentlichen Prozeßakten.

oder Angabe der Beweismittel für die Richtigkeit der Forderung

enthalten, also wie eine Klageschrift beschaffen sein; es ist jedoch im

kein Rcchtsnachtheil

Falle

der

Nichtbcfolgung

angedroht ").

Von den cingegangcnen Anmeldungen erhält der Erbe Abschrift,

die den schriftlichen Anmeldungen schon bcilicgen sott3 4).5 6 II. In der öffentlichen Sitzung wird ein Verzeichnis der angemeldeten Forderungen vorgetragen; die erschienenen Bctheiligten werden mit ihren Bemerkungen und Anträgen gehört;

eine Sachverhandlung

über die angemeldeten Forderungen findet nicht statt; das Gericht prüft die Förmlichkeiten, verordnet die Nachholung

oder Wieder­

holung des Versäuinten oder Mangelhaften, oder saßt das Er­

kenntniß ab, wenn die Förmlichkeiten beobachtet worden ftnbs). III. Das Erkenntniß muß ein doppeltes Namensverzeichniß ent­

halten:

1) die Namen derjenigen Gläubiger und Legatare, welche

sich innerhalb der bestimmten Frist gemeldet haben, und welchen

ihre Rechte wegen der angemeldeten, nach Rechtsgrund und Betrag

zu bezeichnenden Forderungen Vorbehalten werden; 2) die Namen

und Legatare,

derjenigen bekannten Gläubiger

rechtzeitig gemeldet haben und

welche sich nicht

ihren Ansprüchen an

welche mit

den Nachlaß in Gemäßheit der der Auffordemng beigefügten Ver­ warnung (§. 491)

ausgeschlossen

werden").

Dieses Erkenntniß

wird zwei Mal ausgefertigt, die eine Ausfertigung wird dem Erben

insinuirt,

die Andere an der.Gcrichtsstelle

hängt und den

namentlich

14 Tage lang ausge­

ausgeschlossenen Gläubigern

werden

Ertrakte des Erkenntnisses, insoweit dasselbe Jeden betrifft, gehörig insinuirt.

Diesen Präkludirten steht

gegen das Erkenntniß nur

das Rechtsmittel der Restitution binnen zehn Tagen nach der In-

3) Konk.-O. §. 350. Die Anmeldungen sollen deshalb so, tote vorgeschrie­ ben ist, beschaffen sein, um den Erben in den Stand zu setzen, die Richtigkeit der Ansprüche zu prüfen, toeil dies für seine tocitcren Entschließungen von Wichtig­ keit sei. Man sieht hiervon gar keinen praktischen Nutzen; toenn der Erbe nicht anerkennt oder nicht zahlt, so muß der Gläubiger doch klagen, wie sehr auch der Erbe von der Richtigkeit der Forderung überzeugt sein mag.

4) Ebenda, §§. 350, 351. Die Vorschrift wegen der beizufügenden Ab­ schrift ist erst von den Kommissionen der Kammern hinzugethan; sie paßt aber nur für Rechtsanwälte, nicht für die Parteien, welche selbst ihre Anmeldung schreiben und keine Geschäftskenntniß haben, und wird mehr Umstände verursachen als die Gerichtskaffe durch die bezweckte Ersparung des Schreiblohns (worauf eS dabei doch nur abgesehen ist) Nutzen verschaffen. 5) Konk.-O. §. 352.

6) Ebenda, §.352. Die namentliche Präklusion der Ausgebliebenen in der bisher stattgefundcnen Weise ist erst von den Kommissionen der Kammern sehr zweckmäßig vorgeschlagen worden.

Die öffentlichen Aufgebote n. Ediktalladnngeii.

Dir brs. Prozeßakten.

903

stnuation zu'). — Die Beendigung des Verfahrens, welche mit der Rechtskraft des Präklusions-Erkenntnisses eintritt, wird öffent­

lich bekannt gemacht»).

Xm.

Die öffentlichen Aufgebote und Gdiktalladungen.

A. G. O. I, 51, §§.99—181. — Haase, »der Gdiktalladungen und Ediktal-

prozeffe außerhalb des Konkurses, mit Hinsicht auf partikuläre-, vorzüglich

Sächsische- und Preußische- Recht.

1817.

— Ribler, über die

Gdiktalcitationen in Gegenständen des Civilrcchtö,

nebst erläuternden Zu­

sätzen.

Leipzig

Straubingen 1817. — Spcek »cr, über die öffentliche Civilpräju-

dieialladung von unbekannte» Bctheiligtc», außer dem

allgemeinen Konkurse.

München 1812. Einleitung.

§. 494. 1.

Begriff und Zweck des Verfahrens.

Das öffentliche Aufgebot ist eine Aufforderung an unbekannte

Personen, mit ihren Ansprüchen,

welche sic an einen gewissen

Gegenstand, oder an eine gewisse Person, zu haben vermeinen,

binnen einer bestimmten Frist, bei Verlust ihres Rechts, hervor­

zutreten.

Dadurch wird die Abkürzung der Verjährung bezweckt.

Eine solche Aufforderung verstößt

also

wider

den

allgemeinen

Grundsatz, daß Niemand gezwungen werden könne, seine Ansprüche anzumelden oder geltend zu machen, und ist mithin, als eine Aus­

nahme von der Regel, nicht zulässig, ohne daß eine ausdrückliche

gesetzliche Vorschrift die Aufforderung mit jener Wirkung gestattet'). §. 495.

2. Die Lehre von der

Geschichtliches. öffentlichen Aufforderung

unbekannter

Prätendenten und Interessenten ist von der Praris aufgebracht. 7) Konk.-O. §§. 353, 354. Nach dem Entwurf sollte nur die Nichtigkeits­ beschwerde, Restitution gar nicht, stattfinden, zu welcher Rechtsänderung jedes Bedürfniß fehlte. 8) Ebenda, §. 355.

Hat keinen praktischen Zweck.

1) A. G- O- a. a. O- 8- 98 a. E.

Drittes Buch.

904

Die außerordcutlichen Prozeßakten.

DaS R. R., auf welches man sich berief, weiß davon nichts2), dagegen findet die Lehre der Glossatorcn und kirchlichen Praktiker3)4 5 6 7 8

im kanonischen Rechte eine Stühe.

Das kirchliche Aufgebot der

Verlobten vor der Trauung ist eine wirkliche öffentliche Vorladung

llnbekanntcr Interessenten in dem hetitigen Sinne und mit der Wirkung immerwährender Ausschließung«), und gleiche Bedeutung hat die vorgeschriebcne crida generalis bei einer streitigen Wahl«).

Davon machten die Praktiker auch auf andere Fälle Anwendung,

z. E. auf unbekannte Erben; auf unbekannte Realprätendenten bei Erwerbung von Grundstücken zur Sicherung gegen Entwährungs­ ansprüche«); auf unbekannte Societätsgläubiger bei Aufhebung einer

Handlungögesellschaft; aus unbekannte Dcpositalinteressentcn u. s.w.; doch wollte man die Wirkung der Präklusion vor Ablauf der Ver­

jährungsfrist nicht zugestehen, wenigstens stritt man über die Zu­

lässigkeit der Ausschließung ’). gebung,

sich

der

Darin hat nun die Prcuß. Gesetz­

Gemeinen Praxis

anschließend,

Bestimmung

getroffen. Die nachgelassenen Ediktalcitationen cum effectu praeclusionis werden alle „auf den Legem si contendat" gegründet'').

8. 496. 3.

Arten.

Die Aufgebote werden nach dem Gegenstände in zwei Klassen geschieden, nämlich: in Aufgebote liegender Gründe, oder einzelner darauf eingetragener Forderungen«); uird in öffentliche Aufforde­ rungen unbekannter Interessenten, zu Erklärungen oder Ausübung

2) Es sind vornehmlich die beiden Stellen L. 6 C. de remiss. pignoris (VIII, 26) und L. 5 C. de bonis vacantibus (X, 10). Beide enthalten jedoch davon nichts, insbesondere läßt die Letztere es völlig unbestimmt: wann und wodurch reclamandi copiam in Beziehung auf die vom FiSkuS als vakant in Besitz genommenen Güter gegeben werde, und welche Folge die unterlassene Reklamation haben soll. Von der ersten Stelle hindert der Mangel ihres Zu­ sammenhangs das Verständniß.

3) Durantis Speculum, Lib. II, tit. de citatione, §. sequitur. 4) C. 6 X. qui matrimonium accusare possunt (IV, 18); C. 27 X. de sponsalibus et matrimoniis (IV, 1). 5) C. 47 de electione 6 (I, 6). 6) Gail, Pract. Obs. Lib. I, obs. 57, n. 9. 7) Hommel, Rhaps. quaest. for. Tom. I, obs. 106, pag. 165 seq. — v. Trützschler, Lehre von der Präklusion, S. 140 ff. — Gail, 1. c.

7a) Suarez, Vorträge ad Tit. 8, §, 537, Th. II. A. L. R. (Jahrb. Bd. XLI, S. 154). - A. G. O. I, 32, §. 35. 8) A. G. O. I, 51, Abschnitt 3, §§. 99 ff.

Die 8es. Prozeßarten.

Die öffentliche» Aufgebote u. Ediktalladnngen.

905

gewisser Befugnisse»). Der Einthcilungsgrund ist jedoch kein sach­ licher, auch hat die Gesetzgebung selbst daran nicht fcstgehaltcn, indem z. E. das Aufgebot verloren gegangener Wechsel in der ersten Klasse vorkomnrt, während die Aufforderung unbekannter Agnaten oder Gcsammthänder in der zweiten Klasse steht, obwohl das Recht selbst, welches Jemand als Gesammthänder an ein Lehn zu haben behauptet, dabei die Hauptsache und die Grundlage der von ihm abzugcbendcn Erklärung ist. Auch die Unterscheidung zwischen dem Rechtsverhältnisse einer Sache oder eines Rechts, auf welches sich die im ersten Abschnitte aufgezähltcn Aufgebote zu beziehen hätten, und dein persönlichen Rechtsverhältnisse des Ertrahentcn zu den Vorgeladcnen, welches bei den Vorladungen der zweiten Kategorie fcstzustcllcn der Zweck sein soll'«), hat keine Realität; denn cs ist ein sachlicher Unterschied zwischen dem Falle aus der ersten Klasse, wo die Aufforderung ergeht, daß sich Jeder melden solle, der ein Recht auf einen verlorenen Wcchsclbrief zu haben vermeine, und dem Falle der zweiten Klasse, wo die öffent­ liche Aufforderung an diejenigen ergeht, welche eine bestimmte Erb­ schaft für sich in Anspruch nehmen zu können vermeinen möchten, nicht findbar. Die öffentlichen Aufforderungen aus beiden Ab­ schnitten haben alle den gemeinsamen Zweck, diejenigen, welche einen Anspruch in Beziehung auf einen gewissen Gegenstand oder ein gewisses Rechtsvcrhältniß an den Ertrahenten haben möchten, ent­ weder auszumitteln, um die Sache mit ihnen auszumachcn; oder noch vor dem Abläufe der Verjährungsfrist ganz oder in gewisser Art auszuschließcn. Bei der hier folgenden Aufzählung der ein­ zelnen Fälle ist jedoch, der Uebersicht wegen, die nominelle Ab­ theilung beibchaltcn. 9) Ebenda, Abschnitt 4, §§. 145 ff. 10) Grävcll, Kommentar zur G. O. Bd. VI, Nachträge S. 182.

Dritte- Buch.

906

Die außerordentlichen Prozeßakten.

Erster Abschnitt. Von Aufgeboten liegender Gründe, oder einzelner dar­

auf eingetragener Forderungen, oder guf den Inhaber

lautender Instrumente.

8. 497. Aufgebot der Grundstücke gegen unbekannte

1.

Realprätendenten. Wenn der Besitzer eines titulo Singular! erworbenen Grund­

stücks

unbekannte Eigenthums- oder andere dingliche Ansprüche

kennen lernen will'), so steht ihin, nicht etwa auch seinem Autor, frei,

daö Grundstück

gegen

unbekannte Prätendenten aufbicten,

d. h. jeden Unbekannten, welcher dergleichen Ansprüche zu haben

vermeint, öffentlich auffordern zu lassen, dainit bis zu einem Prä­ klusivtermine, bei Strafe der Präklusion und des ewigen Still­ schweigens^), hervorzutretcn.

Der Antrag muß bei dem Richter

der Sache angebracht und mit einem Hypothekenschcine oder doch

mit einem Verzeichnisse der bekannten Realprätendentcn versehen

sein; der Antragsteller ist verpflichtet, sich nach den uneingetragencn Prätendenten zu erkundigen und den Erfolg gewissenhaft anzu­

geben').

Darauf erläßt der Richter eine Ediktalcitation an alle

unbekannte Prätendenten zu einen, bestimmten Termine, mit der gedachten Warnung; der Termin wird mit denselben Fristen wie im alten Konkurse angesetzt und auch ebenso bekannt gemacht; die

Bekannten werden davon benachrichtigt-').

In dem Termine wer­

den Diejenigen, welche sich melden, mit ihren bestimmt anzugeben­ den, jetzt nicht weiter zu bescheinigenden, Ansprüchen zu Protokoll

vernommen; meldet sich Niemand, so wird solches registrirt; dem­

nächst werden die Akten zum Spruche vorgelegt und

auf den

1) A. G. O. a. a. O. §§. 100, 103 a, 109. — Hypotheken - Ordnung II,

88. 95 ff. 2) A. G. O. a. a. O. §. 102.

3) Ebenda, §. 101. Auf unbekannte uncingctragene Grundgerechtigkeite», Servituten erstreckt sich da- nicht. Pr. des Ob.-Tr. 1866, vom 5. Mai 1847. 4) Ebenda, §§. 102, 103b. Darnach wird der Termin bei einem Gegen­ stände von mehr al- 1000 Tblr. auf drei Monate, bei Gegenständen von über 200—1000 Thlr. auf neun Wochen, bei Gegenständen von nur 200 Tblr. oder weniger auf sechs Woche» hinauSgesrht. Die Bekanntmachung geschieht durch AuShanh an der Gerichtsstelle und durch Einrückung in das Amtsblatt, und zwar bei Gegenständen von über 1000 Thlr. durch sechsmalige, bei geringeren Massen durch dreimalige. A. G. O. Th. I, Tit. 50, §§. 107 ff.

Die bcf. Prozkßartkii.

Vorttag

Die öffentlichen Aufgebote u. Ebiktalladunge»,

des Referenten

in

gebeimer Sitzung

wird,

wenn

907

die

Förmlichkeiten in Ordnung sind, erkannt: daß die auSgebliebenen

Realprätendentcn

mit

ihren

etwanigen Realansprüchm

auf das

Grundstück zu präkludiren, und ihnen deshalb ein ewiges Still­

schweigen aufzuerlegen;

den

(aus

dem

Hypothekenscheine

oder

der Anzeige des Antragstellers) bekannten aber, sowie denjenigen,

welche sich im Termine gemeldet haben, in Ansehting ihrer bestimmt

angegebenen Ansprüche (welche Alle namentlich zu bezeichnen sind) ihre Rechte vorzubehaltens).

Das

Urtel

wird

durch Aushang

publizirt'). Gegen dasselbe findet das Rechtsmittel der Restitution statt’); die Appellation ist nicht unbedingt ausgeschlossen'); die

Nichtigkeitsbeschwerde ist ausgeschlossen (§. 359).

Die Kosten deS

Aufgebots soll der Antragsteller von seinem Autor erstattet ver­ langen können'). 8. 498. 2.

Aufgebot eingetragener Hypothekenrechte.

Verlorene Hypothekendokumente über Domainenabgaben und Jnventarienkapitalien brauchen nicht aufgeboten zu werden'). In

Beziehung auf andere eingettagrne Hypothekenrechte können fünf

Fälle vorkommen: 1. Der Gutsbesitzer behauptet die Tilgung, kann aber weder eine beglaubte Quittung des unstreitigen letzten Inha­ bers vorlegen, noch diesen Inhaber oder dessen Erben ermitteln,

ohne Unterschied: ob das Instrument vorhanden ist oder gleich­ falls fehlt'').

2. Der Gutsbesitzer behauptet die Tilgung und

bringt darüber eine Bescheinigung bei (§. 269, Tit. II der Hyp.-O.);

der Inhaber der Post ist zwar auch bekannt, jedoch als solcher nicht legitimirt, d. h. er kann seinen Erwerbstitel gar nicht oder nicht in der vorgeschriebenen Form nachweisen''').

3. Der In­

haber der eingetragenen und getilgten Post ist bekannt und hat 5) Sbmba, 85-104, 105. 6) B. vom 5. M-i 1838, $. 3, lit. c. (G. S. S. 273). 7) A. G. O. a. a. O. §. 106. 8) Die Fassung deS $. 106 könnte die Zulässigkeit zweifelhaft machen. M. s. jedoch den Pl.-Deschl. deS Ob.-Tr. vom 5. Marz 1849, in der Anm. 30 b zu $. 106, Tit. 51 der Pr. O. 9) «. S. O. a. a. O. $. 108. 1) Jt. D. vom 3. Juli 1843 (G. S. S. 292).

la) Ebenda, 8 HO. - Anh. §. 383. 1 b) G. vom 29. Mai 1853, %. 42 (G. S. S. 521).

Drittes Buch.

908

Die außerordentlichen Prozeßarten,

auch Quittung geleistet oder will sie leisten, aber das Instrument

soll nicht herbeizuschaffcn fein2).3 aber

das

4. Die Post ist noch ungetilgt,

darüber ausgcfertigte Hypotheken-Instrument fehlt2).

5. Die Post ist noch nicht getilgt, soll aber zur Löschung gebracht

werden und der Inhaber ist unbekannt oder nicht legitimirt.

In

diesen Fällen findet, wenn das Recht ein übertragbares (cessibel)

ist4), 5 6 ein Aufgebot statt.

I. In dem Falle, wenn die Post ge­

tilgt und der Inhaber unbekannt sein soll, kann der 'Gutsbesitzer das Aufgebot mit bei dem Richter der Sache nachsuchcn.

Zur

Begründung des Antrags ist die gewissenhafte Angabe erforderlich,

daß ihm der eingetragene letzte Inhaber der Post, oder dessen Er­

ben oder Ccssionarien, ihrem Dasein oder ihrem Aufenthalte nach unbekannt sind, sowie, daß und auf welche Weise er sich bemüht

habe, dieselben zu erforschen; er muß die angewendcten Bemühungen, soviel möglich, bescheinigen und sich zur eidlichen Bestärkung seiner Angaben erbieten2).

Daraus wird, ohne Unterschied der Summe,

ein Termin nach drei Monaten angcsctzt, wozu der aus dem Hypo­ thekenbuche ersichtliche letzte Inhaber, dessen Erben, Ccssionarien,

oder die sonst in seine Rechte getreten sind, unter genauer Bezeich­

nung der Post nach Betrag, Datum des Instruments und der Eintragung, sowie nach Namen des Schuldners und des Guts,

durch Ediktalcitation vorgcladcn,

mit der Warnung:

daß sie im

Falle des Ausbleibens mit ihren Realansprüchen an das Grund­ stück wegen dieser Forderung würden präkludirt, und ihnen des­ halb ein ewiges Stillschweigen würde auferlegt werden2).

Die

Bekanntmachung geschieht wie bei der Ediktalcitation im gewöhn­

lichen Prozesse (§. 145).

Der Antragsteller wird besonders vor­

geladen, unter Androhung der Aktenreposition im Falle des Aus­ bleibens.

Meldet sich Jemand, so muß er sich legitimiren, und

cs ist dann Sache des Gutsbesitzers, ihn zur Herausgabe des Instruments

und zur Quittungölcistung

rechtlich

zu

zwingen.

Meldet sich Niemand, so hat der Ertrahent zu schwören: daß er

die von ihm angezeigten Bemühungen, um den Aufenthalt des

2) Ä. O. vom 3. Juli 1843, §. 115. 3) Hyp.-Ordn. II, S. 283. — Anl>. z. A. G. O. §. 384.

4) A. G. O. a. a. O. §§. 115, 119. - Hyp.-Ordn. a. a. O. §§. 273, 274, 277. 5) A. G. O. a. a. D. §. 111. 6) Ebenda, §§. 112, 114, 102. — R. vom 12. Septbr. 1796 (Rabe, Bd. III, S. 530).

Die bks. Prcjrßarten.

Die »ffentlichm Mu [geböte u. (gbiltaUatmigen.

909

Inhabers der (zu bezeichnenden) Post, dessen Erben, Cessionarien, oder die sonst in seine Rechte getreten sind, zu entdecken, wirklich angewendet; dennoch aber weder vor, noch nadi erlassener Citation

davon Nachricht erhalten haber).

Tic angewendeten Bcinühungen

müssen natürlich von der Art sein, daß sie dem Richter von dem

Ernste des Provokanten Ueberzeugung geben.

Schwört der Pro­

vokant nicht, so werden die Akten bei Seite gelegt; leistet er den Eid, so gehen die Akten zum Spruche und es wird der Warnung gemäß erkannt.

II. In dem zweiten Falle wird ebenso wie in

dem vorigen verfahren,

mit

solgenden Veränderungen:

1. der

Grundbesitzer hat ein Vcrzeichniß der ihm bekannten angeblichen

Rechtsnachfolger des legitimirten letzten Inhabers der Post vorzu­ legen und dabei zu versichern, daß außer diesen keine andere ihm

bekannte Rechtsnachsolger vorhanden

sind;

2. zu dem Termine

werden die angczeigten angeblichen Rechtsnachfolger besonders, und die der Person oder dem Aufenthalte nach unbekannten durch Ediktal-

citation vorgeladen; 3. die Ediktalvorladung erhält die Warnung,

daß die Ausbleibenden mit ihren Ansprüchen auf die Post würden präkludirt, und dieselbe im Hypothekcnbuche würde gelöscht werden. 4. Die Löschung nach eingetrctener Rechtskraft des Präklusionsurtels und nach Beseitigung deS etwanigen Widerspruchs der im Termin

erschienenen Interessenten, so wie nach Ertheilung der Einwilligung

der angezeigten angeblichen Rechtsnachfolger erfolgt, der Beibringung des Instruments btbatf7*). 8

ohne daß eS

III. In dem Falle,

wo der Gläubiger bekannt ist und quittirt,

kann gleichfalls nur

der Gutsbesitzer auf das Aufgebot antragen.

Zur Substantiirung

der Provokation ist die Beibringung einer aus den Hypotheken­

akten entnommenen beglaubten Abschrift deS Dokuments,

oder,

die Angabe des Datums, der kontrahirendcn Personen und deö wesentlichen In­

wenn keine Abschrift beigcbracht werden kann,

halts des Instruments, sowie die Beibringung der Quittung und des Mortisikationsschcins, oder der Erklärung des letzten Inhabers,

daß er Beides ertheilen wolle, und das Erbieten desselben zur Ableistung des Manifestationseides, erforderlich •); einer Eideslei­ stung des Provokanten bedarf es nicht.

Hierin liegt eine pro-

7) A. G. O. a. a.O. 114; I, 7, 8 16. 7 a) G. »cm 29. Mai 1853, $. 42 (G. S. S. 52). Pr. de« Ob.-Tr., »cm 17. Ncvcmbcr 1854 (Entsch. Bd. XXIX, S. 241). 8) A. , EivilproztK. S. Aufl.

59

Dritte Buch.

930

Di» «ußcrord»ntlich»n Pr»j«ßartni.

$. 512. 2.

Verfahren.

Das Verfahren ist ganz dasselbe wir bei der nothwendigen

Subhastation Schulden halber, nur mit der Abweichung, daß die eingetragenen Gläubiger und Realberechtigte nicht zugezogen wer­

den«), und daß daher das Verfahren mit der Publikation dcö

AdjudikationSbescheideS endet.

Haften auf dem Antheile deS Pro-

vokaten Schulden und Realrechtr, so wird in Ansehung der In­

haber dieser Schulden und Rechte über den auf den ihnen ver­ hafteten Antheil fallenden Theil der Kaufgelder weiter verfahren,

wie bei der Vergantung').

B.

Freiwillige Subhastation.

«. ®. O. I, 52, SS. 66-74. - V. »om 6. April 1839 (®. S. S. 125). 3nstr. vom 20. Mai 1839 (3 M. Bl. S. 190).

9. 513.

1. I.

Grundsätze.

Zu freiwilligen Subhastationen ist nur der Richter der

Sache kompetent'); sie ist nur in Beziehung auf solche Gegen­ stände zulässig, welche Gegenstände einer nothwendigen Sub­ hastation sein können'). Die Fälle einer sreiwilligen Subhastation

sind:

1. wenn Miterben oder andere Miteigenthümer sich ausein

andersetzen wollen und einstimmig daraus antragen; 2. wenn Güter der Pflegebefohlenen und solcher Personen, welchen die Rechte der 4) Ebenda, g. 1 a. E.

3) Ebenda, g. 2 a. E. Dazu Ist hier als Quelle nachzutraaen der Ab­ schnitt 3, Tit. 3 der erst nach dem Druck der gg. 307 ff. dieses Buchs erschie­ nenen neuen Konkursordnung vom 8. Mai 1855 (G. S.