Der Prediger: Hebräisch und Deutsch [Reprint 2022 ed.] 9783112650646


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INHALT
VORWORT
HISTORISCH-LITERARISCHE EINLEITUNG
1. Name und Person des Verfassers
2. Entstehungszeit und Entstehungsort
3. Die altorientalische und israelitische Weisheitsliteratur
4. Die Stellung Qoheleths innerhalb der israelitischen Weisheit
5. Aufbau und Stil des Buches
6. Die Sprache Qoheleths
7. Einflüsse fremder Literaturen auf Qoheleth
8. Die Beziehungen Qoheleths zur'biblischen Literatur
9. Das Verhältnis der Apokryphen zu Qoheleth
10. Der Qoheleth-Fund von Chirbet Qumrän
11. Die Kanonizität des Buches
12. Zum hebräischen Text
Der Prediger,hebräisch und deutsch
ERLÄUTERUNGEN ZUR ÜBERSETZUNG
EINFÜHRUNG IN DAS BUCH QOHELETH
LITERATUR
ABKÜRZUNGEN
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Der Prediger: Hebräisch und Deutsch [Reprint 2022 ed.]
 9783112650646

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SCHRIFTEN UND QUELLEN DER ALTEN WELT HERAUSGEGEBEN VON DER S E K T I O N FÜR

ALTERTUMSWISSENSCHAFT

BEI DER D E U T S C H E N A K A D E M I E DER

WISSENSCHAFTEN

ZU B E R L I N

B A N D 13

A K A D E M I E - V E R L A G 1963



B E R L I N

DER PREDIGER H E B R Ä I S C H UND

DEUTSCH

VON

RUDIKROEBER

A K A D E M I E - V E R L A G 1963



B E R L I N

Redaktor der Reihe: Johannes Irmscher Gutachter dieses Bandes: Hans Bardtke und Rudolf Meyer Redaktor dieses Bandes: Rose-Marie Seyberlich

Erschienen im Akademie-Verlag GmbH, Berlin W 8, Leipziger Straße 3—4 Copyright 196} by Akademie-Verlag GmbH Lizenznummer: 202 • 100/113/63 Gesamtherstellung: IV/2/14 • V E B Werkdruck Gräfenhainichen • 1826 Bestellnummer: 2066/13 • ES 7 M

INHALT Vorwort

VII

Historisch-literarische Einleitung 1. Name und Person des Verfassers 2. Entstehungszeit und Entstehungsort . . . .' 3. Die altorientalische und israelitische Weisheitsliteratur 4. Die Stellung Qoheleths innerhalb der israelitischen Weisheit 5. Aufbau und Stil des Buches 6. Die Sprache Qoheleths Ist Qoheleth eine Übersetzung ? Zeigt Qoheleth phonizischen Spracheinfluß ? 7. Einflüsse fremder Literaturen auf Qoheleth 8. Die Beziehungen Qoheleths zur'biblischen Literatur Beziehungen zu den Schriften außerhalb der Weisheitsliteratur Die Beziehung zu den Proverbien Die Beziehung zum Buch Hiob 9. Das Verhältnis der Apokryphen zu Qoheleth Qoheleth und Sirach Qoheleth und „Weisheit Salomos" 10. Der Qoheleth-Fund von Chirbet Qumrän 1 1 . Die Kanonizität des Buches 12. Zum hebräischen Text

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DerPrediger,hebräischunddeutsch

i 6 9 23 30 41 42 46 47 59 60 62 62 64 64 66 67 69 73 75

E r l ä u t e r u n g e n z u r Ü b e r s e t zu n g

114

E i n f ü h r u n g in das B u c h Q o h e l e t h

122

Literatur

159

Abkürzungen

.

162

VORWORT Diese zweisprachige kommentierte Ausgabe des Buches Qoheleth, des alttestamentlichen „Predigers", dient dem Zweck, einem möglichst weiten Leserkreis eines der wertvollsten Werke der Weisheitsliteratur des Alten Orients neu zugänglich zu machen. Der Zielsetzung der Reihe entsprechend nimmt die historisch-literarische Einleitung einen wesentlichen Raum ein. Die den beiden Texten und ihren Anmerkungen angefügte Einführung in den Inhalt der Schrift will dem Leser den Zugang zür geistigen Welt Qoheleths, seinem Wesen, seinen Anliegen und den oft eigenwilligen Wegen seines Denkens "erleichtern. Das Manuskript wurde im wesentlichen im Frühjahr 1959 abgeschlossen. Die durch technische Schwierigkeiten bedingte Verzögerung des Drucks bot die Gelegenheit, inzwischen zugänglich werdende Publikationen aufzunehmen und nach Möglichkeit zu berücksichtigen. Der Verfasser hat vielen freundlichen Helfern für manche Unterstützung während des Entstehens 'des Buches zu danken. Insbesondere aber gilt dieser Dank Herrn Prof. D. Hans Bardtke in Leipzig, ohne dessen vertrauensvolle Anregung und fördernde Beratung diese Arbeit nicht hätte zustande kommen können. Die wissenschaftliche Assistentin am Institut für griechisch-römische Altertumskunde der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Fräulein Rose-Marie Seyberlich, hat das Manuskript formal-redaktionell für den Satz vorbereitet und die Korrektur vollständig mitgelesen. Auch ihr sei an dieser Stelle für ihre sachkundige und sorgfältige Arbeit verbindlichst gedankt. Möge die alte Schrift des unbekannten Weisen, die durch die kluge Skepsis und tiefe Menschlichkeit ihres echten altjüdischen Glaubens und Denkens durch zwei Jahrtausende hindurch ihre Wirkung bewährte, auch auf diesem Wege weiterhin den Dienst tun, den sie selbst sich gesetzt hat: eine Wegweisung zu sein zur Lebensbewältigung und Lebenserfüllung. Leipzig, im Februar 1963

R. Kroeber

HISTORISCH-LITERARISCHE EINLEITUNG i. N A M E U N D P E R S O N DES

VERFASSERS

Als ein Buch echten altjüdischen Glaubens und Denkens, ein Zeugnis der Ehrfurcht, der Selbstbesinnung und Selbstbescheidung, zugleich aber seltsam fremd und den Frommen seit jeher etwas unheimlich, steht das Buch des „Predigers" itrrKanon des Alten Testaments. Die Wiedergabe des Verfassernamens mit dem Wort „Prediger" ist aus sprachlichen wie aus sachlichen Gründen ungenau. Kein Autor des Alten Testaments ist weniger zum Predigen geneigt als der Verfasser dieses kleinen Buches sehr persönlicher Betrachtungen und vorsichtiger Ratschläge. Der Name des „Predigers" wurde daher in der vorliegenden Ausgabe nur um der Tradition des deutschen Bibeltextes willen in der Übersetzung beibehalten. Im übrigen Text wird die Umschrift der hebräischen Selbstbezeichnung des Verfassers, Qoheleth, verwendet. Dieses Wort, mit dem sich der Verfasser selbst benennt, nbnp ist zweifelsfrei ein Aktivpartizip des Stammes "?np, bezeichnet also einen Versammelnden, d. h. einen Versammlungsleiter oder das führende Mitglied einer Versammlung 2 . Die Kai-Form anstelle des zu erwartenden Hiph'il ist dabei nicht störend. „Es ist bekannt, daß das Kai in Eigennamen häufig der Bedeutung nach das Hiph'il vertritt." 3 Die Namenbildung ist jedoch im biblischen Hebräisch einzigartig. Das an Unklarheiten so reiche Buch stellt uns vor die erste offene Frage mit der nicht ganz sicher erklärbaren Femininform des männlichen Eigennamens. Zwar finden sich parallele Bildungen im chronistischen Geschiehtswerk 4 und in der Sprache der Mischna 5 , doch bezeichnen sie hier wie dort ausschließlich Berufsgruppen, nie das männliche Individuum 6 . Der Versuch, Ziffern in eckigen

K l a m m e r n verweisen auf die gleiche N u m m e r des Literaturverzeich-

nisses S. 159®. 1

So I ; I . 2 . I z ; 12,9.10. Z w e i m a l mit Artikel: 7,27 (m. Konjektur); 12,8; an letzterer Stelle ein-

malig mit Pleneschreibung. 2

Dementsprechend ubersetzen hXX

3

Delitzsch [12] S. 212.

¿xx^tjaiaar^e,

Hieronymus concionator.

« Esr. 2,55 m S O n " , 3 a , N e h . 7 , 5 7 m S 1 0 _ , 1 3 dieSchreiber(schaft), Esr. 2,57 D , , 3 S n m 3 S " ' , 2 3 die (Gilde der) Gazellenfänger, als Geschlechternamen. Bauer [3] sieht hierin die Bezeichnung v o n Hofamtern, die irrig als Eigennamen aufgefaßt wurden. 5

L e v y [58] S. 36 verweist auf m m j ? * ?

r r o m n

Käufer (b. Bab. mez. 16 a), Delitzsch [12] S. 213 auf

die Keltertreter (Terumoth 111,4), m m © Ö n

die Feldmesser (Erub. I V , 1 1 ) u . a . , die

mit maskulinen Prädikatformen verbunden werden. D o c h bemerkt Kamenetzky [52] S. 225, daß diese Pluralformen im Singular die gewöhnlichen Formen nj?! 1 ?, 6

aufweisen.

Eine parallele Bildung unter Übertragung eines K o l l e k t i v u m s auf ein Individuum mit dem

Gebrauch

einer A m t s - b z w . Funktionsbezeichnung bietet auf

einer

Qoheleth

naheliegenden

2

Historisch-literarische

Einleitung

die Femininform damit zu erklären, daß der Verfasser als die personifizierte Weisheit (nasn) spräche 1 , hat mit Recht keinen Anklang gefunden. Man hat, trotz des zweimaligen Gebrauchs mit Artikel, in nVnj? ein als Personennamen verwendetes Appellativum zu sehen, das der Verfasser sich selbst zueignet, obwohl ihm mit völliger Sicherheit diese Selbstbezeichnung nur einmal (1,12) zugeschrieben werden kann. Die Formel nVnpKn) ")ÖX in 1,2 wie in der Parallelstelle 12,8 und dem ähnlichen Schlußsatz in 7,27 könnte wie die Überschrift auf einen Redaktor zurückgehen 2 , und 12,9.10 gehören zu dem sicher von fremder Hand angefügten Epilog 12,9-14. Die früheste Namenserklärung, die der jüdischen Tradition, sucht eine Lösung des Namenrätsels in Verbindung mit der von ihr als sicher angenommenen Autorschaft Salomos. Diese Meinung muß sehr bald nach der Abfassung entstanden sein, da nur sie dem Buch auch in dem völlig veränderten geistigen Milieu der Makkabäerzeit eine schützende Autorität zu wahren vermochte, die schließlich seine Aufnahme in den alttestamentlichen Kanon ermöglichte. Die Ursache für die Entstehung dieser Tradition, deren ersten Zeugen wir in dem „Herausgeber" zu sehen haben, der die Überschrift (1,1) verfaßte, ist in 1,12 zu suchen, wo der Autor in seiner Selbstvorstellung die Worte nbnp und zueinanderstellt. Die letztere Konsonantengruppe wird traditionell als melek (König) verstanden und so auch masoretisch vokalisiert. Dadurch lag es, sobald der Verfasser nicht mehr bekannt war, der damaligen Zeit nahe, in dem anerkannten Begründer der israelitischen Spruchweisheit3, dem vermeintlichen Urheber der Proverbien, den Verfasser auch dieses Buches der Weisheitslehre zu sehen. Damit aber war eine gedankliche Brücke zu 1. Kön. 8,1 geschlagen, wo berichtet wird, daß Salomo zur Einweihung des Tempels das Volk versammelte (Vnp''), und so fand man in dieser Gedankenverbindung die in der rabbinischen Tradition 4 übliche Erklärung des Namens als des „Versammelnden", die bisher unwiderlegt geblieben ist. „Eine andere volks- oder auch literargeschichtliche Rückbeziehung des Namens bietet die alttestamentliche Schrift nicht." 5 Es wird jedoch zu zeigen sein, daß der Name trotz sprachlicher Richtigkeit der Erklärung einer anderen Deutung bedarf. Daneben ist immer wieder der Gedanke aufgetaucht, daß man in nVilj? ein Rätselwort zu sehen habe, dessen Erklärung in einem Spiele der Buchstaben oder in einem Sprachstufe des Hebräischen der Begriff 'riÖÖiWD (Anklägerschaft), der in der Ordensregel von Qumrän (iQs 111,23; Ed. Bardtke, Leipzig 1954) und in der Damaskusschrift (Text A,20,2; Ed. Rost, Berlin 1933) als KollektivbegrifT erscheint, dagegen im Jubiläenbuch 17,16 u. ö. als Eigenname maitemä (Wurzel DÜ2>/]Ü©) = Satan/Belial. Für den Hinweis auf diese Parallele hat der Verf. Herrn Prof. D. Rud. Meyer, Jena zu danken. S. auch R. Meyer, Hebräisches Textbuch (Berlin 1959) S. 87, Anm. 22 und Beer-Meyer, Hebräische Grammatik II (Berlin 1955, § 94,2g.). 1 Kuhn [55] S. 3. 2 Barton, Podechard, Gordis. 3 1. Kön. 5,12. 4 Vgl. Midr. Koh. Rabbazu 1,1. 6 Delitzsch [12] S. 211.

Historisch-literarische

Einleitung

3

Zahlenwert zu suchen sei. Diese Vermutung äußerten in der Neuzeit Renan 1 und Volz 2 , die jedoch auf einen Lösungsversuch verzichteten. Eine solche Lösung nach dem Prinzip der Gematria (griech. geometria) versuchte in neuester Zeit F. Zimmermann 3 im Zusammenhang mit der Darlegung seiner Theorie einer aramäischen Urfassung des Buches Qoheleth 4 . In „Rückübersetzung" ins Aramäische setzt er für nVnp das determinierte, also substantivierte Aktivpartizip ntfJD (von BfaD versammeln) und stellt fest, daß es bei Addition der Zahlenwerte der Buchstaben die gleiche Summe 375 ergibt wie nö^tf (Salomo); 3 = 20, i = 50,tt?= 300, n = 5 und tf = 300, b = 30, ö = 40, n = 5. Diese Lösung sollte nach der Meinung Zimmermanns vom Leser gefunden werden und der psychologischen Festigung des Pseudonyms dienen. C. C. Torrey 5 hält dieses Rechenexempel für eine befriedigende Lösung (a satisfactory Solution) des Problems, verdeutlicht aber, in eigener Rechnung von nöVtf ausgehend, den Gang des vermeintlichen Zahlenrätsels, indem er den ersten und letzten Buchstaben unverändert läßt, für b und ü aber, ähnlich dem alttestamentlichen System des Atbasch6 einmal zurück- (3 statt und einmal vorwärtsgehend (3 statt ¡3), das angrenzende numerische Äquivalent setzt und so mit Umstellung ebenfalls Zimmermanns ntifaD erreicht. Torrey sieht in dieser Lösung einen entscheidenden Beweis für die Richtigkeit der Übersetzungstheorie. In Wirklichkeit sind diese Versuche zur Lösung des Namenproblems nicht tauglich. Zwar erscheinen Buchstaben als Zahlzeichen im Hebräischen nicht, wie H. L. Ginsberg schreibt7, erstmalig auf Münzen des ersten jüdischen Aufstandes (66—70 n. Chr.), sondern schon in makkabäisch-hasmonäischer Zeit 8 , doch schließt auch.dieser Termin die Verwendung dieser Schreibweise in dem etwa ein Jahrhundert älteren Buch Qoheleth aus. Als Anhänger der Übersetzungstheorie meint H. L. Ginsberg jedoch, daß die Form nVnp durch Übersetzung eines als Femininform mißverstandenen aramäischen (iOnVnp entstanden sei, ein Fehler, der sich durch den bekannten regellosen Wechsel von X und n im Altaramäischen erkläre. Auch diese These steht und fällt mit der Übersetzungstheorie. Es ist das Sicherste, von den Sippennamen in EsraNehemia, den ähnlichen Pluralbildungen in der Sprache der Mischna und der parallelen Doppelverwendung des Wortes natsfeö (s.S. 1, Anm. 6) ausgehend, den Namen n'rnp als einen vom Amt abgeleiteten, in der biblischen Literatur in dieser Form .einzigartigen Eigennamen zu betrachten und sich für seine Erklärung mit der durch diese Parallelen nahegelegten, wenn auch nicht sicher beweisbaren Lösung zu begnügen. 1 [76] S. 9 f f . 2 [87] S. 2 J 2 . 3 4

[94] S. 44. Näheres hierzu s. S. 4 3 ® .

5 [85] S. 1 5 6 . .

6

Die Verwendung im A T s. Jer. 2 5 , 2 6 ; 5 1 , 1 und mit Emendation (Apparat der B H 3 z . St.) 2 5 , 2 5 .

Eine sachliche Erläuterung bei Leipoldt/Morenz [57] S. 100, A n m . 59. 8

7

[30] S. 32.

S. Beer-Meyer, Hebräische Grammatik I (Berlin 1957), § 7,4 u. H . L . Allrick, T h e Lists of Seru-

babel ( B A S O R 1 3 6 / 1 9 5 4 ) S. 26.

Historisch-literarische Einleitung

4

Es bedarf heute keines ausführlichen Beweises mehr, daß Salomo nicht der Verfasser des Buches Qoheleth sein kann. Hierfür genügte schon vor etwa 90 Jahren der Sprachbeweis allein. „Wenn das Buch Koheleth altsalomonisch wäre, so gäbe es keine Geschichte der hebräischen Sprache." 1 Diese Autorschaft ist auch nirgends, vom Verfasser behauptet; der Name Salomos kommt im Buch nicht vor. Andererseits stützt aber der echte Text die in der fremden Überschrift ausgesprochene Tradition durch die Selbst- und Amtsbezeichnung des Verfassers als ^"jb in 1,12 und die, wenn auch leichte und inkonsequente, Beibehaltung einer „salomonischen" Rolle bis etwa zur Mitte des zweiten Kapitels. Mißt der Autor dieser Verkleidung wirklich Bedeutung zu? Die Art, in der er seine Fiktion behandelt, spricht nicht dafür. „Dieser Salomo macht kein Hehl daraus, daß er nicht Salomo ist." 2 Nicht einmal in den beiden ersten Kapiteln ist die Rolle folgerichtig durchgeführt. „Königliche Kostbarkeiten" (2,8) sind doch eine erwähnenswerte Besonderheit nur für einen Besitzer, der nicht König ist. Auch die wiederholte Wendung mehr als aller die vor mir Jerusalem waren ' (2,7.9) erscheint nicht zutreffend für den zweiten Mann einer Dynastie. In dem ^VöH in 2,12 liegt dann die letzte Anspielung auf die königliche Verkleidung, falls diese Stelle überhaupt noch zugerechnet werden darf. Danach verschwindet das Bild endgültig, so daß etwa fünf Sechstel des Buches von dieser Fiktion völlig frei sind. Die restlichen Kapitel zeigen Qoheleth als einen Mann in hoher Stellung, aber doch als den Untertanen des despotischen Königstums seiner Zeit, und zwar als einen sehr kritischen Untertanen, der über die Könige und ihr Regieren Wahrheiten aussagt, an deren Publikation einem Könige selbst nichts gelegen wäre. Es ist undenkbar, daß ein Autor vom geistigen Range Qoheleths eine ernst gemeinte literarische Form so nachlässig behandelt. In dieser Einsicht wurde mehrfach versucht, den Begriff in einem anderen Sinne zu deuten. Soll dieses Wort wirklich „König" bedeuten, oder ist eine andere Erklärung möglich, die einen besseren Sinnzusammenhang ergibt? Levy 3 hat unter Anführung talmudischer Zitate4 darauf verwiesen, daß melek als ein Ehrentitel der Rabbinen verwendet wurde, und meinte daher, daß der Titel auch hier nicht den König, sondern den Lehrer bezeichne. Diese Erklärung ist bedenklich. H. L. Ginsberg 5 bemerkt mit Recht, daß dieser halb scherzhafte Wortgebrauch der babylonischen Amoräer nicht zur Umdeutung berechtigt, sondern die Gefahr einer ana-, chronistischen Lösung in sich trägt. Er selbst leitet den Sinn des Wortes von der Grundbedeutung „besitzen" des Stammes TJ^a ab, die aber nicht im Hebräischen und Aramäischen, sondern in der semitischen Umwelt nur im Altsüdarabischen, im Äthiopischen6 und im modernen Arabisch7 nachweisbar ist, und übersetzt „Besitzer, 1 2

Delitzsch [12] S. 197. Hertzberg [44] S. 29.

3

[58] S. 34ff. '' B. Sanh. 102 b; b. Schabb. 156a; b. Ber. 64 a; b. Git. 62 a.

5

[30] S. 13 f. ® Siehe Köhler-Baumgartner, Lexikon. 7 Siehe Wehr, Arabisches Worterbuch zur Schriftsprache der Gegenwart, Leipzig 1952.

Historisch-literarischc

Einleitung

5

Grundeigentümer" (property-holder). Der Mangel dieser Erklärung liegt in der fehlenden sprachlichen Beziehung zum unmittelbaren Bereich Qoheleths und in der Unwahrscheinlichkeit, daß der Verfasser, der als Lehrer der Weisheit erscheint, sich so beziehungslos charakterisiert haben sollte. Weit interessanter und aussichtsreicher ist der Versuch von Albright 1 , der seine Deutung auf die sowohl im Hebräischen2 als auch im Biblisch-Aramäischen3 und im Phönizischen belegte Grundbedeutung „beraten" zurückführt, mit „Ratgeber" (counsellor) übersetzt und mölek oder malläk vokalisiert. Damit wird zwischen dem Amtstitel des Autors und dem Inhalt des Buches eine überzeugende Verbindung hergestellt4, die bei folgerichtiger Anwendung zur Lösung des ganzen Fragenkomplexes geeignet erscheint. Der erste Epilogist, der den Verfasser offenbar kannte, sagt uns, , , . . . daß Qoheleth ein Weiser war" (12,9), also ein Lehrer und politischer Ratgeber von hoher Bildung und einflußreicher Stellung, der durchaus „Ratsherr", Mitglied der Ratsversammlung „über Israel Jerusalem" (1,12) sein und als Angehöriger der Oberschicht auch über ein beträchtliches Vermögen verfügen konnte. Es erscheint sehr viel weniger wahrscheinlich, daß der Epilogist die Aussage in 1,12 übersehen oder einfach außer Acht gelassen haben sollte, als daß er sie verstanden hat. Auch auf den vom Amt abgeleiteten Namen Qoheleth fällt damit ein neues Licht. Es wäre also tatsächlich der Einberufende oder der Leiter einer Versammlung, aber nicht einer Versammlung von Lernenden, sondern der politischen Ratsversammlung. Ebenso klärt sich das viel umstrittene Perfekt der Formel „Ich, Qoheleth, war^TH über Israel..." (1,12). Man hat mit Recht darin einen Bruch der Fiktion der salomonischen Autorschaft gesehen, denn Salomo, der bis zu seinem Tode regierte, hätte so nicht schreiben dürfen. Es ist auch nicht nötig, den Satz als eine übernommene traditionelle Formel aus der ägyptischen literarischen Form der Königsrede anzusehen. Qoheleth konnte nach der Aufgabe seines Amts das Alterswerk, in dem er die Erfahrungen seines Lebens zusammenfaßte, sehr wohl mit den Worten einleiten: „Ich, Qoheleth, war Ratsherr über Israel zu Jerusalem." Aber es ist möglich, daß er die bekannte Wendung in den Dienst einer literarischen Fiktion gestellt hat. Denn was wird bei dieser Deutung aus dem unbestreitbaren Ansatz zur „Königsrede" in den ersten Kapiteln? Man muß an diese Frage wahrscheinlich mit etwas Humor herangehen. Stimmt man auch der Erklärung von Albright zu, so sollte doch nicht gefragt werden, ob melek oder mölek zu vokalisieren ist. Man darf'demVerfasser wohl zutrauen, daß er mit Vergnügen die Doppeldeutigkeit des Konsonantentextes benutzte, um bei wahrheitsgetreuer autobiographischer Aussage sein literarisches Spiel zu betreiben. Vielleicht liegt hier überhaupt der Ursprung der formalen Idee, und er hatte anfangs die Absicht, den Gedanken durch die ganze Schrift zu führen, hat ihn dann aber als untauglich aufgegeben, ohne die fertigen Partien abzuändern. 1 NS.15. 2 ^ V ö 1 ! Neh. 5,7. 3 melak (Baumgartner, König), nfle,k (Bauer-Leander) von milki (Dan. 4,24). 4 Zur Personalunion der Ämter des Weisen und des Ratgebers s. de Boer, The Counsellor in [90] S. 42 fr.

6

Historisch-literatische

Einleitung

Mit dieser zwar nicht beweisbaren, aber literargeschichtlich wie psychologisch hochwahrscheinlichen Erklärung löst sich der ganze Komplex der Namensfrage. Qoheleth, der Versammelnde, der Ratsherr zu Jerusalem beginnt sein kleines Werk der Lebensweisheit hinter der sprachlich reizvollen Maske des Konsonantentextes unter dem Bilde Salomos, des traditionellen Begründers der israelitischen Spruchweisheit. Die Masoreten, die melek punktierten, standen mit vollem Ernst in der Tradition der salomonischen Herkunft und waren gewiß weit davon entfernt, einen solchen spielerischen Doppelsinn in der heiligen Schrift zu ahnen. Dem heutigen Übersetzer, der diese Doppeldeutigkeit nicht in seine Sprache hinübernehmen kann, bleibt kaum eine andere Möglichkeit, als einseitig mit „König" zu übersetzen, wenn er nicht den Stilcharakter der Schrift und die mehr als 2000jährige Tradition ihres Inhalts erheblich stören will. Wir sehen also in dem Verfasser einen Weisheitslehrer, der als ein Angehöriger der herrschenden Schicht in führender Stellung am politischen Leben teilnahm, und dessen Werk, wie noch zu zeigen sein wird, in seiner Mischung von Weltoffenheit und Konservatismus, von Skepsis und Glauben, wie in seiner Ablehnung neuer religiöser Ideen und Strömungen die geistige Haltung jener Kreise widerspiegelt, die im folgenden Jahrhundert in der Partei der Sadduzäer ihren gesellschaftlich-politischen Zusammenschluß fanden. Mehr kann nicht gesagt werden. Alle bisherigen Versuche, den Verfasser zu ermitteln, sind nicht zureichend. Luthers für das 16. Jahrhundert erstaunliche Bemerkung1 „So hat er selbst (seil. Salomo) das Buch, den Prediger nicht geschrieben, sondern ist zur Zeit der Maccabäer von Sirach gemacht. . . . Dazu so ist's wie ein Talmud aus vielen Büchern zusammen gezogen, vielleicht aus der Liberey des Königes Ptolemäi Euergetis in Egypten" "ist weit überholt. Der Versuch von Levy 2 , im Zusammenhang der Entstehungsgeschichte des Sadduzäismus auf Grund rabbinischer Quellen einen der Schüler des Antigonus von Socho, Zadoq oder Boethos, als Autor nachzuweisen, ist zu schwach. Seine entscheidende Grundlage ist ein offensichtlich konstruierter Bericht in dem außerkanonischen Traktat Aboth de Rabbi Nathan 3 , einer Quelle, die sich auch in der Kanonfrage Zu Qoheleth als legendär erweist. Alle sonstigen Angaben der älteren Kommentatoren sind reine Spekulation. Der Verfasser des Buches Qoheleth ist unbekannt.

2. E N T S T E H U N G S Z E I T

UND

ENTSTEHUNGSORT

Das Buch Qoheleth gehört mit Sicherheit der Zeit nach dem babylonischen Exil an. Der sprachliche Befund 4 , der charakterisiert ist durch die vergleichsweise größte Zahl von Aramaismen in allen alttestamentlichen Schriften sowie durch zahlreiche 1

Tischreden W. A „ Bd. 1, S. 207, Nr. 475.

2

[58] S. 39ffVgl. Schürer [79] S. 409^ Siehe S. 41 f.

3 4

Historisch-literatische

Einleitung

7

nur ihm eigentümliche Begriffe, besonders Abstrakta, und der das Werk auf der Grenze zwischen dem klassischen Hebräisch und der Sprache der Mischna zeigt, zwingt zu einer Herabsetzung der Abfassungszeit in das 4. bis 3. Jahrhundert. Dem entspricht auch die politische und geistesgeschichtliche Situation des Verfassers unter der Diadochenherrschaft und im Wirkungsbereich des Hellenismus. Der terminus ante quem ist jedenfalls die Abfassungszeit des Sirach-Buches (190—180), dessen Verfasser das Buch Qoheleth gekannt und benutzt hat 1 . Andererseits muß, worauf schon Ed. Meyer 2 hinwies, die Entstehungszeit weit genug hinaufgerückt werden, um ausreichend Zeit für die Bildung der Tradition des salomonischen Ursprungs zu belassen, ohne die das Buch seine Geltung in der nationalistisch-religiösen Atmosphäre der Makkabäerzeit nicht hätte bewahren können. Trotz dieser aus textlichen wie aus kanongeschichtlichen Gründen allgemein als unabdingbar anerkannten Voraussetzungen meint I. L e v y 3 die Entstehung des Buches Qoheleth nicht vor der Zeit des Herodes erweisen zu können durch den Nachweis einer Abhängigkeit von der Vita Pythagorica des Porphyrius (232/33 — um 304 n. Ohr.), in deren griechischem Text (§19), bis auf die Schluß Wendung „unter der Sonne", die Sentenz aus Qoh. 1,9 sich in wörtlicher Entsprechung findet. Levy betrachtet die Qoheleth-Stelle als eine Übersetzung aus dieser griechischen Quelle. Seine zeitliche Ansetzung beruht auf der Annahme, daß das Werk des Porphyrius auf einer in hellenistischer oder zu Anfang der römischen Zeit zusammengestellten Sammlung von Pythagoras-Worten basiert, in Verbindung mit der Tatsache, daß, wie die Psalmen Salomos und Qumrän-Schriften zeigen, zu eben dieser Zeit eine Einwirkung des Neupythagoräismus auf die jüdische Literatur beginnt. Eine solche Herabsetzung der Entstehung des Buches Qoheleth mindestens in die zweite Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. erfordert zunächst den Nachweis, daß die textlich gut begründete Annahme der Priorität Qoheleths gegenüber dem Sirach-Buch irrig ist. Sie stellt weiterhin vor die Frage, wie dieses trotz seiner Aufnahme in den Kanon bis in die talmudische Zeit hinein vom rabbinischen Judentum beargwöhnte Werk bei einer so späten Entstehung, die außerdem die Legende seines salomonischen Ursprungs unmöglich machte, überhaupt zu kanonischer Geltung hätte kommen können. Vor allem aber scheint die Voraussetzung, daß Qoh. 1,9 eine Übersetzung der parallelen Sentenz aus der dem Werk des Porphyrius zugrunde liegenden Sammlung sei, keinesfalls gesichert. Die Priorität des neupythagoräischen Textes wäre nur verbürgt mit der Sicherheit seiner Herkunft aus der ursprünglichen pythagoräischen Lehre. Hierfür aber ist bei einer solchen Sammlung einzelner Aussprüche nach einem mehrere Jahrhunderte währenden Bruch der Tradition 4 keinerlei Garantie gegeben. Wir wissen nicht, welches historisch echte Material dem Neupythagoräismus überliefert war. Wir wissen aber (s. S. 66 f.), daß Qoheleth zur Zeit der Entstehung des 1 Siehe S. 64 ff. [62] S. 39, Anm. 1. 3 Riendenouveausouslesoleil(LaNouvelleClio 5/195}, S. 326®.). 4 Siehe Windisch, Artikel Neupythagoräer in R G G 2 , Bd. 4, Sp. 5 i6ff. 2

8

Historisch-literarische

Einleitung

Buches der „Weisheit Salomos" im ersten vorchristlichen Jahrhundert in den Kreisen des alexandrinischen Judentums bekannt war, beliebt oder berüchtigt, in jedem Fall mißverstanden, und daß, wie die Warnungen der „Weisheit" zeigen, und wie dies bei einer Aphorismensammlung nur natürlich ist, die Aufmerksamkeit einzelnen, besonders einprägsamen Sentenzen sich zuwandte. War aber der Verfasser schon in Palästina so unbekannt, daß bereits eine Generation nach ihm seinem Werk der salomonische Ursprung zugesprochen werden konnte, so wäre es nicht erstaunlich, daß etwa 150 Jahre nach seinem Tode einzelne seiner Worte in Alexandrien anonym umliefen und bei gegebener Affinität des gedanklichen Gehalts jeder beliebigen Tradition eingefügt werden konnten. So spricht nach aller historischen und literarischen Wahrscheinlichkeit nichts für eine Abhängigkeit Qoheleths von der Quelle des Porphyrius, wohl aber sehr viel dafür, daß Qoh. 1,9 in wenig veränderter Form die Ehre erfuhr, zu einem Lehrsatz des Pythagoras zu werden. Die PorphyriusStelle gibt also keine Veranlassung, die gut fundierte Annahme der Abfassung des Buches Qoheleth um die Mitte des 3. vorchristlichen Jahrhunderts zu ändern, zumal die paläographische Datierung des Qoheleth-Fragments von Chirbet Qumrän (s. S. 68) eine Entstehung des Werks erst in herodianischer Zeit ausschließt. Sie bietet vielmehr ein dankenswertes Beispiel dafür, welch große Vorsicht bei der so beliebten Auffindung außerhebräischer Quellen des Qoheleth geboten ist. Neben der Auswertung der sprachlichen und geschichtlich-literarischen Bezüge ist, besonders von den älteren Kommentatoren, vielfach der Versuch gemacht worden, in einzelnen Inhalten des Buches historische Anspielungen zu finden und hieraus Rückschlüsse auf die Abfassungszeit zu ziehen. Die Geschichten vom Thronwechsel (4,13 ff.) 1 , von der Belagerung der kleinen Stadt (9,13 ff.), vom machtlosen König (io,i6f.), von der gefährlichen Frau (7,26), die Aussagen über den Untertaneneid (8,2) und die Strenge des Heeresdienstes (8,8) sind unter Zuziehung der Schriften der Historiker des Altertums auf ihre Ergiebigkeit untersucht worden, nach Meinung der Autoren meist mit Erfolg. Tatsächlich hat sich keine dieser Deutungen als ausreichend erwiesen. Die neuere Wissenschaft hat fast alle diese Stoffe als typisches Traditionsgut der Weisheitsliteratur erkannt, das allerdings von Qoheleth in sehr eigenwilliger Weise verarbeitet wurde. Nach wie vor gilt das entschiedene Urteil von Ed. Meyer 2 : „Alle Versuche, Anspielungen auf Zeitereignisse zu finden, sind verfehlt." Als die unter allen Gesichtspunkten vertretbare Entstehungszeit wird heute das 3. Jahrhundert angesehen mit der Neigung, die Abfassung um 250—220 v. Chr. anzusetzen. Für die Bestimmung des Abfassungsortes ist man vor allem auf die sicheren Angaben des Verfassers über sein Wirken in Jerusalem ( 1 , 1 2 ; 2,7.9) u n d seine 1

Den neuesten Versuch, die Thronwechsel-Geschichte zur Datierung zu verwenden, bietet

K . D. Schunck, Drei Seleukiden im Buch Kohelet? (VT, Vol. IX/1959, S. 1 9 2 f r . ) mit dem zur Diskussion gestellten Ergebnis einer Niederschrift zwischen 2 0 2 und 2 0 0 v. Chr. 2

[62] S. 39-

Historisch-litetarische

Einleitung

9

Beziehung zum Tempel (4,17fr., vielleicht auch 8,10) angewiesen. Diese Angaben werden durch das dargelegte Verständnis des Namens und der Amtsbezeichnung gestützt. Auch die bei diesem intellektuellen Stadtmenschen spärlichen Hinweise auf die Landschaft, z. B. die Abhängigkeit der Saat und der Ernte vom Wind und vom Regen (11,4) und die Zisterne als Wasserstelle (12,6) weisen eher nach Palästina 1 (und damit nach Jerusalem) als etwa nach Ägypten, dessen Flußlandschaft nirgends erscheint. Die Anspielungen auf das Hofleben und die damit verbundenen Ratschläge (8,1 ff. 10,16f.) reichen in ihrer typischen Ausprägung als Allgemeingut der altorientalischen Weisheit nicht aus, um einen Aufenthalt des Verfassers am Hof der Ptolemäer in Alexandrien zu bedingen. Sehr beachtlich ist auch der Hinweis von Gordis 2 , daß das Fehlen eines griechischen Spracheinflusses es wenig wahrscheinlich macht, daß der Autor ein alexandrinischer Jude war. Der Abfassungsort wird fraglich nur durch die Erwägung, daß die sehr persönlich wirkende Schilderung in 8, 10 in Verbindung mit einem angemessenen Verständnis von 1 1 , 1 (vielleicht auch dem „leb, ..., war . . . " i n 1,12) darauf hindeuten könnte, daß der Autor im vorgerückten Alter zur Emigration gezwungen wurde. Dann allerdings wäre der Abfassungsort nicht Jerusalem, sondern der Wohnort des Exils, vielleicht, wie Albright 3 und Dahood 4 auf Grund ihrer sprachlichen Untersuchungen annehmen, ein Ort der phönizischen Küstenebene. Diese Möglichkeit bleibt offen, auch wenn man nicht, wie die beiden genannten Autoren, in Qoheleth a priori keinen Bürger Jerusalems, sondern einen einflußreichen Juden der phönizischen Stadtbevölkerung sieht. Die deutsche Literatur der Gegenwart zeigt uns, mit welch erstaunlicher Geschwindigkeit sich die Schriftsprache der Emigration in Vokabular, Phraseologie und Syntax der Sprache des Gastlandes, besonders bei verwandten Sprachen, anzupassen vermag. Aber diese Erwägungen sind nicht beweisend. Das Buch Qoheleth ist in seiner geistigen Substanz von Jerusalem geprägt, und so wird man, solange zwingende Gegenbeweise fehlen, auch Jerusalem als Abfassungsort anzusehen haben.

3. D I E A L T O R I E N T A L I S C H E

UND

ISRAELITISCHE

WEISHEITSLITERATUR Innerhalb des Alten Testaments hat das Buch Qoheleth seinen Platz unter den Kethubim, den (heiligen) „Schriften", die neben den Büchern des Gesetzes und denen der Propheten den dritten Teil des alttestamentlichen Kanons bilden. In besonderer Zuordnung nach dem gottesdientlichen Gebrauch der Synagoge gehört es zu den Megilloth, den fünf Schriftrollen, die an den hohen Festtagen verlesen werden: das Hohelied zu Passah, das Buch Ruth zum Wochenfest, die Klagelieder zum 9. Ab, dem Tag der Zerstörung Jerusalems, Qoheleth zum Laubhüttenfest und das Esther-Buch zum Purimfest. Seinem Inhalt nach wird es zur Weisheitsliteratur 1 Vgl. Hertzberg [45]. 4

2

2

[33] S. 67.

3

[1] S. 15.

f 1 1 ] S. 33. Zur Frage des phönizischen Spracheinflusses in Qoheleth s. S. 46.

Der Predig«

IO

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Einleitung

gerechnet, zu der außer ihm das Buch der „Sprüche", das Buch Hiob, einige Psalmen und die apokryphen Bücher des Jesus Sirach und der „Weisheit Salomos" gehören. Diese Weisheitslehre erscheint in gleichbleibenden Formen in allen Kulturländern des Vorderen Orients im Altertum. Ihre Schöpfer, die „Weisen", haben sich als ein eigener Stand der Ratgeber und der praktischen Pädagogen aus dem alten Stand der Schreiber entwickelt. Diese Schreiber des Alten Orients waren, wie noch das Beispiel Esras im 5. Jh. v. Chr. zeigt, keineswegs untergeordnete Hilfskräfte, sondern zum Teil hohe Staats- und Verwaltungsbeamte, die vertrauten Sekretäre und Ratgeber der Könige und Kleinfürsten. Sie standen auf der Höhe der Bildung ihrer Zeit, waren erfahren in Organisation und Wirtschaft, Heerwesen und Diplomatie und wirkten vor allem als die sprach- und schriftkundigen Vermittler des lebhaften internationalen Verkehrs der Staatskanzleien. So fiel ihnen schließlich auch die Aufgabe zu, ihr Wissen und ihre Erfahrung den Nachfolgern der Könige und dem für die Besetzung von Staatsämtern vorgesehenen Nachwuchs aus der Jugend der führenden Schicht ihres Landes zu vermitteln. Daher entwickelte sich diese Weisheitslehre nicht als eine Philosophie im Sinne eines begrifflichen und systematisierenden Denkens, sondern als eine praktische Lebenslehre, die, aus der Erfahrung erwachsen, Lebenskunde und Moral vermitteln will, um die Söhne der gehobenen Stände auf ihre Aufgaben vorzubereiten und sie vor Torheit und Schaden zu bewahren. Formal erscheint sie in ihrem ältesten Bereich, in Ägypten, als die Belehrung eines Vaters an seinen Sohn oder auch als Königsrede. Alle Eigentümlichkeiten dieser Weisheitsbücher finden wir schon in dem ältesten uns bekannten Werk, der „Lehre des Ptahhotep" 1 , einer Schrift des Alten Reichs (5. Dynastie, um 2400 v. Chr.), deren Autor sich als Vezier des Königs Issi bezeichnet und auch als historische Person nachweisbar ist. Sie enthält Weisungen für das dienstliche Verhalten, aber auch für die Lebensform und das Benehmen des gebildeten jungen Mannes, der seine Beamtenlaufbahn beginnt. Sie ermahnt zur Gewissenhaftigkeit, Zurückhaltung, Vorsicht im Umgang mit der Umgebung, besonders aber mit dem Vorgesetzten bzw. dem Auftraggeber, von dem das weitere Lebens- und Berufsschicksal abhängt. „Deine Nahrung hängt von seinem Kä ab, und dein Küchen wird dadurch bekleidet.'"1Das ausführlichste, wegen seines typischen Inhalts wichtigste Werk dieser Gattung ist die „Lehre des Amenemope" 3 , die uns in einem Papyrus etwa des 10. Jh. v. Chr.4 überliefert ist. Die Überschrift setzt unmißverständlich das Ziel 5 : „Es beginnt die Lehre im (?) heben, der Unterricht des Heils; jede Vorschrift, um unter die Räte %u kommen (?), die Bestimmungen für die Hofleute. Zu wissen, wie man eine Rede erwidere dem, der sie sagt (und ?) um Bericht erstatten dem, der einen sendet, um einen auf den Weg des 1 Text bei Erman [20] S. 86ff. Ebd., S. 94, Abs. 27. 3 Erste Veröffentlichung durch Budge in Egyptian Hieratic Papyri in the British Museum, Second Series, London 1923; Bericht von Erman in den Sitzungsberichten der Preußischen Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Klasse, 1924, S. 86ff. 4 Nach Erman a. a. O. 5 Text nach AOT 2 , S. 38. 2

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II

Lebens %u lenken und ihn auf Erden heil sein lassen. . . . Um einen aus dem Munde des anderen erretten (seil, vor übler Nachrede), indem er im Munde der Menschheit gepriesen werde." In 30 kurzen, knapp und bildhaft geprägten Kapiteln wird diese verheißene Lehre eines erfolgreichen, vor Schaden bewahrenden Lebensweges geboten. Nicht den Schwachen berauben; verletzendes Betragen nicht ebenso erwidern, Zurückhaltung in Wort und Umgang 1 . Der „Schweigende" ist das Idealbild eines Menschen von klugem, verständigem Benehmen. Sein Gegensatz ist der „Heiße", der undisziplinierte, unkluge Mensch, der sich nicht zu beherrschen weiß. Damit ist ein bleibendes Gegensatzpaar der Weisheitsliteratur gesetzt, das sich wörtlich auch in der israelitischen Weisheit wiederfindet in der Gegenüberstellung des „Kühl-Bedächtigen" 2 und des „Hitzigen" 3 wie verallgemeinert im Gegensatz des „Weisen" und des „Toren". Amenemope mahnt: „Nimm dir Zeit vor dem Gegner. Schlafe (dich aus?) vor dem Reden." ^ In Kapitel 4 werden die beiden konträren Typen mit Bäumen verglichen in Bildern, die überraschend an den i. Psalm erinnern. Zum Fleiß ohne Aufschub wird gemahnt: „Sage nicht, heute ist wie morgen. Wenn morgen kämmt und heute vorübergegangen ist, so ist die Flut ZU einer trockenen Stelle geworden." 5 Vor der Jagd nach Reichtum, besonders vor unrechtem Gewinn wird gewarnt: „Wirf dein Herz nicht nach Reichtümern. Mühe dich .nicht ab, nach mehr %u suchen, wenn dein Bedarf dir unversehrt ist. — Wenn man dir durch Raub Reichtümer bringt, so bleiben sie nicht einmal über Nacht bei dir."6 Eine entgegenkommende, wohlwollende Rede macht den Menschen beliebt. „Set%e die gute Rede auf das Land deiner Zunge, während die schlechte in deinem Leibe verborgen bleibt." 7 Besonders in der Erregung ist Vorsicht geboten. „ Wer redet, wenn das Herz verletzt ist, eilt mehr als der Wind. ... Er macht eine Antwort, die Prügel verdient." 8 Voreilige Sorge ist schädliche Torheit. „Gehe nicht schlafen, indem (du dich) vor morgen fürchtest. Tagt es, wie ist dann das Morgen? Der Mensch weiß nicht, wie es morgen sein wird." 9 Diese nüchternpraktische Begrenzung auf das Übersehbare, die ihren letzten Grund in der Einsicht in die mangelnde Durchschaubarkeit und die Schicksalhaftigkeit des Daseins hat, findet in der israelitischen Literatur im Buch Qoheleth ihren vollkommenen Ausdruck. — Ackergrenzen, Gewicht und Maß sind zu achten10. Sie stehen .unter dem besonderen Schutz der Götter 11 . Zur Wahrhaftigkeit vor Gericht wird gemahnt, aber mit einem bezeichnenden Hinweis auf die Erhaltung der eigenen Sicherheit und um der künftigen Glaubwürdigkeit willen 12 . Der Kranke und Behinderte verdient Schonung 13 , der Ältere Achtung 1 4 . Hilfsbereitschaft ist gegenüber allen geboten. „Hindere keinen Menschen, über den Strom yu setzen, wenn du in der Fähre Raum hast."15 Folgt der Hörende diesen Lehren, so kann bei ordentlicher fachlicher Leistung der



1

Kap. 2.

2

m V - l p Prov. 17,27; die traditionelle Formulierung spricht gegen das Qere z. St.

3

nan tf1« Prov. 15,18; man tf1« Prov. 22,24. vgl. v. Rad [74] s. 429.

4

Kap. 3.

8

5

Kap. 5.

9 Kap. 18.

6

Kap. 7.

10

7

Kap. 8.

« Kap. 16.

Kap. 9. Kap. 6, 16.

"

Kap. 19.

« Kap. 25. 14

Kap. 27.

15

Kap. 29.

12

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Erfolg nicht ausbleiben. „Ein Schreiber, der in seinem Amt geschickt ist, derfindetsieb würdig, ein Hof mann sein." l Diese früheste Weisheitsliteratur zeigt bereits den Aufbau, der der Gattung auch in späteren Zeiten und bei anderen Völkern eigentümlich bleibt, eine lockere Folge einzelner Lehrsprüche, die in ihrer Reihenfolge nicht zwingend wäre und nicht um systematische Vollständigkeit bemüht ist, aber doch in ihrer Gesamtheit eine literarische Einheit bildet. Die Frage nach dem echten religiösen Gehalt der Texte ist schwer zu beantworten. Die neuere ägyptologische Forschung hat das religiöse Fundament der Weisheitslehre betont (so auch Brunner [7]), aber die Prägung der Aussagen ist von einer konventionellen Formelhaftigkeit ohne spürbares Eigengewicht. Man sagt etwa, daß „der Gott" dieses oder jenes gibt oder versagt2, auch selbst eingreifend das Recht schützt3 und über gerechtem Maß und Gewicht wacht4, aber im Grunde vermag doch der kluge und anständige Mensch aus eigener Einsicht heraus seine Beziehungen so zu ordnen, daß der Erfolg als die Folge seines Tuns und Lassens fast verbürgt erscheint, der Mißerfolg aber als die Folge von Schuld oder Torheit, wobei eben die Schuld auch nichts anderes als Torheit ist. Mag auch im Alten Orient kein Lebensbereich und damit auch kein Bereich der Literatur ohne ursprüngliche Verbindung mit der Religion sein, so zeigt doch gerade die Weisheit, wo immer sie erscheint, diese Tendenz zur menschlichen Autonomie. Ein einziges. Buch der ägyptischen Weisheitslehre macht den Ansatz zur Entwicklung religiöser Gedanken, „Die Lehre für König Merikare" 5 . Das Ziel bleibt das rein praktische: Stellung, Ansehen, Besitz, mäßiger Lebensgenuß und Sicherheit. Vor allem Sicherheit. Diese ganze Weisheitslehre ist der Ausdruck einer typisch bürgerlichen Standesmoral, gerade in ihrem Sicherheitsbedürfnis. Die Beamtenschicht, deren Lebensziel und Lebensgefühl sie widerspiegelt, ist zwar eine Oberschicht des Staates, aber jedes einzelne ihrer Glieder ist in der altorientalischen Despotie mit ihrer Atmosphäre von Rechtsunsicherheit, Intrige und Korruption ständig gefährdet. So gilt weithin schon von der Weisheitslehre Ägyptens, was Smend6 von der israelitischen Weisheit sagt: „Überhaupt zeigt die Weisheit bei aller Zuversichtlichkeit des Auftretens im Grunde wenig Selbstgewißheit. Sie traut sich viel weniger, Glück zu schaffen, als Unglück zu verhüten. In erster Linie will sie Vorsicht sein." Eine formale wie inhaltliche Parallele hierzu bilden die uns bekannten babylonischen Weisheitssprüche7. Auch hier ist die empfohlene religiöse Praxis nicht eigentlich vom 1

Kap. 30. „Der Befehl des Gottes ist es, was geschieht." (Ptahhotep, 6. Spruch); „Wen der Gott liebt, der hört, aber nicht hört der, den der Gott haßt." (ebd., Schlußrede); „Ein guter Sohn, wie ihn der Gott gibt." (ebd.). 3 „Der Gott weiß ihm (seil, dem Gegner) zu antworten." (Araenemope Kap. 3). 4 „Der Pavian (die Personifikation des Gottes Thot) sitzt neben der Waage, und das (Scheffel-) Maß ist das Auge des Re." (Amenemope Kap. 16). 5 Text bei Erman S. 109®. 2

6

[82] S. 493. ? AOT 2 , S. 291 ff.

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Glauben her bestimmt, sondern das Mittel zum Zweck des Erfolges. „Beten, Fleheth Niederwerfen auf's Antlit^ sollst du morgens ihm (seil, dem Gott) darbringen, so wird deine Kraft gewaltig sein, und im Übermaß wirst du mit Gott Gelingen haben."1 Die Weisheit des Alten Orients ist jedoch in ihrem Inhalt nicht auf diese praktische Pädagogik beschränkt. In Ägypten wie in Mesopotamien finden sich Zeugnisse denkender Betrachtung über den Lauf der Welt, bricht die Frage nach der Gerechtigkeit des Schicksals auf angesichts des in seiner Ursache unerkennbaren, anscheinend wahllos treffenden Leidens, sieht sich der Mensch vor das dunkle Rätsel des Todes gestellt, sucht er, wo das oberflächliche Schema der Nützlichkeitsmoral durch die Lebenswirklichkeit erschüttert und zerschlagen wird, fragend und tastend einen neuen Weg. So entstehen, als eigene Schriften oder als Teile größerer Werke, literarische Aussagen über Leben und Tod, Welt und Sinn, die in zeitloser Unmittelbarkeit zu uns sprechen, sei es, daß sie resignierend darauf verzichten, Weg und Wert zu gewinnen, wie das ägyptische „Gespräch eines Lebensmüden mit seiner Seele" 2 und der sog. „Babylonische Koheleth" 3, oder daß sie das Leben trotz all seiner Dunkelheiten und seiner Vergänglichkeit tapfer bejahen und seine Gaben dankbar annehmen wie das ägyptische „Harfnerlied" 4 und das babylonische „Gespräch des Gilgamesch mit der Schenkin" 5 . Ist die rein pädagogische Weisheitslehre durch ihren Inhalt an die Form des Lehrspruchs gebunden, so kann sich die reflektierende unterschiedlicher, belebender Formen bedienen, z. B. des Monologs (Babylon. Koheleth), des Dialogs (ägypt. „Lebensmüder", babylon. „Pessimistisches Zwiegespräch" 6 , Gilgamesch) oder auch der Rahmenerzählung. Beide Formen der Weisheitslehre, die belehrende wie die reflektierende in ihrer Ergänzung und in ihrem Widerspruch zur ersteren, haben, aus gleichen Bedingungen entstanden, aber zugleich in wesentlicher Abwandlung durch, ihren religösen Gehalt, ihre Entsprechung in der Weisheitsliteratur Israels. Wie das kleine, spät entstandene und nur in einer geschichtlichen Atempause im Machtstreben Ägyptens und der mesopotamischen Reiche als selbständiger Staat existierende Israel-Juda allgemein in kultureller Abhängigkeit von den alten Großreichen am Nil und Euphrat stand, so ist auch seine literarische Abhängigkeit in der Weisheitsliteratur nachweisbar. Die biblischen Berichte wie die archäologischen Dokumenten- und Sachfunde in Ägypten, Babylonien, Assyrien und Palästina zeigen, wie lebhaft schon in der Epoche der bronzezeitlichen kanaanäischen Stadtstaaten und dann in der Königszeit der diplomatische, kommerzielle und kulturelle Verkehr 1

Ebd. Zeile 72—74. AOT 2 , S. 25ff.; Erman S. 1 2 2 f r . 3 [14]; identisch mit der „Klage eines Weisen über die Ungerechtigkeit der Welt" in AOT 2 , S. 287®. Das Zitat bei Gordis [33] S. 54 entstammt, wie leicht ersichtlich, nicht diesem Werk, sondern dem Gilgamesch-Epos; vgl. Anm. 5. 4 AOT 2 , S. 28, Erman S. 177t.; eine erweiterte Form aus dem Neuen Reich in einer thebanischen Grabinschrift bei Erman S. 3i4f. 5 Gilgamesch-Epos, altbabylon. Rezension C, Kol. III, Zeile 1—13. Text in AOT 2 , S. i86f. 6 Text in AOT 2 , S. 284®. 2

14

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zwischen den Reichen des Vorderen Orients war über den ganzen Fruchtbaren Halbmond hin, zwischen Ägypten und den Reichen der Hethiter und Mitanni, den phönizischen Küstenstädten, Assur und Babel. In ihm bildete das Gebiet Israels die fast immer umkämpfte Landbrücke zwischen den rivalisierenden Großmächten. An diesem Verkehr nahm das junge israelitische Reich als Tauschpartner und Handelsvermittler lebendigen Anteil und empfing auf seinen Wegen die materiellen und geistigen Vorbilder und Anregungen zur Schaffung einer eigenen Kultur. Der Staats- und Beamtenapparat entstand nach dem Muster Ägyptens 1 , das Recht nach babylonischem Vorbild, Bauleute 2 , Metallhandwerker 3 , Seeleute 4 und wahrscheinlich auch Schiffsbauer vermittelte Phönizien. Mit dem Handels- und Reiseverkehr aber kamen die geistigen Güter der Nachbarreiche ins Land, wurden von den sprachkundigen Schreibern vermittelt und trafen hier erstmalig auf eine aufnahmefähige Hof- und Beamtenschicht und damit auf einen Kulturboden, der eine eigenständige Weiterentwicklung erlaubte. Die Weisheitsdichtung in Israel ist, wie vereinzelte Zeugnisse zeigen, wesentlich älter als die salomonische Zeit. So der Rätselspruch des Simson 5 und die Pflanzenfabel des Jotham 6 , die nach aufgefundenem Vorbild 7 babylonischen Ursprungs ist. Ein direkter Einfluß babylonisch-assyrischer Weisheitsliteratur ist sonst nicht belegt, es sei denn, daß die nicht sicher beweisbare Annahme einer Anregung Qoheleths durch die dem aramäisch überlieferten, ursprünglich vielleicht babylonischen Achiqar-Roman 8 angefügte, gleichfalls aramäische Spruchsammlung zu Recht bestünde. Die Aufzählung in i. Kön. 5,iof. zeigt jedoch,, daß man in der frühen Königszeit die Weisheitslehre der umwohnenden Völker als eine ältere geistige Größe kannte und anerkannte. Ägypten ist wörtlich genannt. Die „Männer des Ostens" (D1j? _, 2a) sind sicher aramäische und arabische Nomadenstämme, Heman, Chalchol und Darda Edomiter. Daß man den Rätselspruch Südarabiens kannte, ist aus dem Bericht über den Besuch der Kö.nigin von Saba 9 bekannt. All 1 Vgl. Begrich, Söfer und Mazkit (ZAW N. F. 17, 1940/41, S. iff.). 2 4 1. Kön. 5,32. 1. Kon. 9,26ff. 3 5 1. Kön. 7,13. Ri. 14,14. 6 Ri. 9,7fr. 7 „Der Wettstreit der Dattelpalme mit der Tamariske" (AOT 2 , S. 294f.). 8 Der akkadische Ursprung des Achiqar ist umstritten. Brockelmann (Handbuch der Orientalistik, III/2—3, S. 138, 141) und Hempel ([41] S. 51) nehmen eint akkadische Originalschrift an. Ed. Meyer (Der Papyrusfund von Elephantine, Leipzig 1912) spricht zwar (S. 114) von einem „Erzeugnis der aramäischen Literatur", hält aber auch (S. 120, 126) eine Übersetzung bzw. Bearbeitung eines babylonischen Originals für möglich. Nach Meinung von F. Altheim und R. Stiehl (Die aramäische Sprache unter den Achaimeniden, I, Frankfurt/M. i960, 185) liegt ein aramäisches Original vor und ist die Annahme einer akkadischen Urschrift auszuschließen, — Nach dem sprachlichen Befund, insbesondere der präzisen Namenschreibung, dürfte sicher sein, daß der Elephantine-Text, ob Original, Bearbeitung oder Übersetzung, jedenfalls nicht in Ägypten sondern in Mesopotamien oder Syrien entstanden ist. Siehe auch S. 55, 58 f. 9 1. Kön. 10.

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15

dieses wandernde, in seiner einprägsamen Spruchform leicht überlieferbare Traditionsgut hat seinen Einfluß auf die israelitische Weisheitsliteratur ausgeübt, wenn auch die Quelle nur in Einzelfällen feststellbar ist. Nach der biblischen Tradition geht der Anfang der israelitischen Weisheit auf Salomo zurück, von dem berichtet wird, daß seine Weisheit „die Weisheit aller Männer des Ostens und aller Ägypter Weisheit übertraf"1 und daß er 3000 Sprüche dichtete2. Nach der überlieferten Inhaltsangabe3 hat es sich bei diesen Sprüchen aber nicht um praktisch-moralische Belehrungen gehandelt, sondern um naturkundliche Lehrsprüche. Von diesen Sprüchen ist uns nichts erhalten, es sei denn, daß eine Probe dieses Typs in den Zahlensprüchen edomitischen Ursprungs in Prov. 30,24—31 vorliegt4. Das älteste erhaltene Werk israelitischer Weisheitslehre sind die „Sprüche Salomos", die nach dreifacher Überschrift von Einzelabschnitten5 auf den königlichen Begründer der Weisheit zurückgeführt werden. In Wirklichkeit handelt es sich, wie die Zwischenüberschriften zeigen, um ein Sammelwerk aus ursprünglich sechs Einzelsammlungen6, die in ihrer Substanz aus dem 9—5. Jahrhundert stammen dürften. Ein Ursprung einzelner Sprüche aus der salomonischen Zeit ist nicht ausgeschlossen, eine literarische Überlieferung von daher aber sehr fraglich. Den ältesten Teil bildet die vierte Sammlung (Kap. 25—29), die nach der Überschrift in der Zeit des Königs Hiskia von Juda (ca. 715—687) zusammengestellt wurde; eine Angabe, die nicht angezweifelt zu werden braucht. Diese älteste Sammlung wie auch die zweite (10,1—22,16) zeigen überwiegend die einfachste Form des Weisheitsspruchs, die noch die mündliche Überlieferung erkennen läßt, den zweigliedrigen, im Parallelismus membrorum angelegten Vers, der eine einleuchtende, knappe'Aussage macht und die Folgerung dem Hörenden überläßt. Diese Belehrung kann sich des parabolischen Parallelismus bedienen, bei dem ein Bild die Lehre verdeutlicht: (Wie) goldene Äpfel auf silbernen Schalen ist ein Wort, geredet seiner Zeit. (25,11) Schwer ist der Stein, eine Last der Sand, aber Ärger über den Toren wiegt schwerer als beide.

(27,3)

Sie verwendet auch den antithetischen Parallelismus, bei dem der beigefügte Gegensatz die Absicht betont: Ein weiser Sohn macht dem Vater Freude, aber ein törichter Sohn ist seiner Mutter ein Kummer. Besser ein Geriebt Gemüse mit Liebe als ein gemästeter Ochse mit Haß. (15,17) 1

(10,1)

3 1. Kön. 5,10. 2 I. Kön. 5,1z. 1. Kön. 5,i3f. Vgl. A. Alt, Die Weisheit Salomos. In: ThLZ 76, 1951, Sp. 1 3 9 f r . 5 I,I ; 10,1; 25,1. 6 I: Kap. 1—9; II: Kap. 10,1—22,16; III: Kap. 22,17—24,34; IV: Kap. 25—29; V: Kap. 30; VI: Kap. 31. 4

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Die Sprüche stehen in den älteren Teilen unvermittelt nebeneinander, allenfalls in einer lockeren sachlichen Ordnung, wie wir dies aus der ägyptischen Weisheitslehre kennen. Erman 1 und Gressmann2 haben denn auch für einen Teil der dritten Sammlung eine in engem Anschluß übernommene, nur in den religiösen Aussagen angepaßte Quelle in der „Lehre des Amenemope" feststellen können. Diese Sammlung enthält, ihrem Vorbild entsprechend, aus zwei oder drei Versen bestehende Belehrungen ohne größere Zusammenschlüsse. Die Aussage ist also immer auf den einzelnen Spruch bzw. diese kleine Einheit beschränkt. Die Einsicht in diesen aphoristischen Charakter der israelitischen Weisheitsliteratur ist wichtig auch für das Verständnis des Buches Qoheleth. Nur im jüngsten Teil der Proverbien (Kap. 1—9) erweitert sich die Form zu größeren Spruchgefügen und Lehrgedichten unter bestimmten Themen. Das sog. „Lob der tüchtigen Hausfrau" (31,10—31), ein alphabetisches Gedicht, steht vereinzelt. Der Inhalt der Proverbien ist der ägyptischen Weisheitslehre so ähnlich, wie nach dem Vorbild und der gleichen Zielsetzung zu erwarten steht. Er umfaßt Ratschläge, Mahnungen und Warnungen für die zahlreichen Gebiete des täglichen Lebens, sogar in einer größeren Fülle als in Ägypten, denn die israelitische Weisheit ist in ihrem Gehalt weniger exklusiv, weniger nur Standeslehre der Hof- und Beamtenschicht, sondern breiter in ihrer Wirkung. Sie repräsentiert das Lebens- und Bildungsideal der gesamten besitzenden Oberschicht des Volkes, was sowohl mit dem weniger differenzierten gesellschaftlichen Aufbau in Israel-Juda zusammenhängen dürfte, als auch, wie 'bereits Hempel 3 und Zimmerli 4 vermuteten, mit der leichteren Zugänglichkeit der hebräischen Buchstabenschrift im Vergleich zur schwer erlernbaren Hieroglyphenschrift Ägyptens. Dem entspricht der Interessenkreis, der sich in den Sprüchen widerspiegelt. Der Besitz ist der vielgepriesene Wert, der allein ein lebenswertes Dasein verbürgt: Dem Reichen ist sein Vermögen eine feste Burg; den Bedürftigen ist ihre Armut ein Schrecken. (10,15) Dieser Besitz ist durch Sparsamkeit zu bewahren: Wer Lustbarkeit liebt, wird verarmen; wer Wein und Salböl liebt, wird nicht reich.

(21,17)

Er ist durch Fleiß zu erhalten und zu mehren. In einer Fülle von Sprüchen wird zur gewinnbringenden Arbeit gemahnt, meist in Verbindung mit einer drastischen Mahnung vor den Folgen der Faulheit: Gehe bin %ur Ameise, du Fauler; sieh' an ihr Tun, daß du klug werdest.

(6,6)

Wer sein Feld bestellt, wird satt am Brot; wer Nichtigem nachjagt, dem fehlt's am heben. 1

2

Siehe S. 10, Anm. 3.

ZAW 1924, S. ijzS.

3

[4i] S.55. « [92] S. 8.

(12,11)

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Schon Vernachlässigung der Geschäfte ist Zerstörung: Schon wer sich lässig %eigt in der Arbeit, der ist ein Bruder des Verderbers. (i$>9) Aber Korrektheit ist man dem Geschäftspartner schuldig. Maß und Gewicht müssen in Ordnung sein. Hier begegnen sich Gesetz und prophetische Mahnung 1 mit dem Vorbild Ägyptens: Waage und Waagschalen sind des Herrn, sein Werk sind alle Gewichtsteine. (16,11) Jedes ungerechte Einkommen ist vom Übel: Besser wenig mit Gerechtigkeit als große Gewinne mit Unrecht.

(16,8)

Der Arme hat Anspruch auf Hilfe. Wer kann wissen, wie bald er selbst Hilfe braucht? Wer sein Ohr verschließt vor dem Schreien des Armen, der wird nicht erhört, wenn er selber schreit. (21,1}) Aber die Bürgschaft, dieser Schrecken der Besitzenden, ist unter allen Umständen zu meiden: Ein Unverständiger ist, wer sich durch Handschlag verpflichtet, wer Bürgschaft leistet gegenüber einem Anderen. (17,18) Ist man aber in dieses Unheil geraten, so muß man sich um jeden Preis befreien: Geh' hin, laß' nicht nach und bestürme deinen Nächsten. Kette dich wie eine Gazelle vor dem Fänger, wie ein Vogel vor der Hand des Vogelstellers. (6,}b.$) So regelt man sein Leben in Friedfertigkeit: .Frevel liebt, wer Streit -liebt.

(17,19a),

ist bescheiden, zurückhaltend: Rühme dich nicht vor- dem König und stelle dich nicht an den Platz ¿er Großen. und verschwiegen: Mache deine Sache aus mit deinem Nächsten, aber ein Geheimnis eines Anderen verrate nicht.

(25,6)

(25,9),

angenehm und vorsichtig in der Rede: Von der Frucht seines Mundes wird der Mensch satt; vom Gewinn seiner Lippen muß er sich sättigen. (18,20) 1

Lev. 19,55 f.; Deut. 2;, 13ff.; Ez. 45,10; Mi. 6,11; Am. 8,4f.

i8

Histori'sch-literarische

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und pflegt mit Vorsicht Freundschaft: Es gibt Gefährten, mit denen man sich verdirbt, aber mancher Freund ist anhänglicher als ein Bruder.

(18,24),

aber ohne dem Anderen lästig zu fallen, wie man selbst nicht belästigt sein will: Betritt nur'selten das Haus deines Ncichsten, sonst kriegt er dich satt und wird dir feind.

(25,17)

Der eigene Hausstand ist ein bewahrender Segen; Hausein undverständiges Vermögen ist tLrbe der Väter, 'aber Weib kommt vom Herrn.

(ig, 14)

Exzesse meidet man selbstverständlich, wie die 'Trunkenheit: keiner, der in ihm taumelt, wird weise.

(20,1)

und die fremde Frau: Ein Weg %ur Unterwelt ist ihr Haus, der hinabfährt in die Kammern des Todes.

(7,27).

Man'ist für Unbescholtenheit, Ruhe und Sicherheit: Wer untadelig wandelt, der wandelt sicher, wer aber verkehrte Wege geht, der wird ertappt.

(10,9).

Man kann die vom Erfolgsgedanken und vom Sicherheitsbedürfnis bestimmte Lebensklugheit, die sich in diesen.Sentenzen ausspricht, eigentlich nur mit dem Wort „Weisheit" bezeichnen, weil sie sich traditionell selbst so nennt, und kann sie mit zahlreichen K'ommentatoren 1 nicht besser als mit dem Wort „bürgerlich" charakterisieren. Sie ist,- wie im ganzen Alten Orient, eine in ihrem Weltbild und ihren Zielen eng begrenzte, moralisierende Pädagogik, die eine allgemein richtige und darum bis heute zeitlos wirkende Lebenserfahrung vermittelt ohne Rücksicht auf die nationale oder sonstige persönliche Lage des Angesprochenen. Eben diese eingängige, aber auch allzu sehr vereinfachende Form der Belehrung ist die Ursache ihrer „welt"-weiten Verbreitung. Besonders auffällig wirkt die Geschichtslosigkeit ihres Welt- und Menschenbildes innerhalb der hebräischen Literatur, die sonst ganz vom historischen Werden erfüllt und getragen ist. Die gedankliche Prägung ist völlig individualistisch. Eine verantwortungsbewußte Anteilnahme an Volk, Staat und Glaubensgemeinschaft ist nirgends zu bemerken. Der Einzelne, sein Glück und seine Sicherheit, allenfalls noch die seiner Kinder, stehen allein im Brennpunkt des 1

„ D i e bürgerliche Moralität der C h o k m a " (Hempel [42] S. 2 1 3 ) !

im Grunde ein recht

bürgerliches Ideal." (Zimmerli [92] S. 9); „ . . . eine etwas spießbürgerliche Nützlichkeitsmoral". (Baumgartner [4] S. 5); «Cette sapience un peu bourgeoise . . .».(Humbert [47] S. 254).

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Interesses. Ganz unverkennbar ist die Herkunft dieser „Weisheit" aus den oberen Klassen der Regierenden und Besitzenden und die Ausprägung allein für ihre Lebensziele. Sie mahnt zur Wahrung der im Besitz begründeten Stellung und warnt vor den spezifischen Gefahren des Mißbrauchs und der Unmäßigkeit, die allein den Wohlhabenden bedrohen. In ihrer gesellschaftlichen Haltung ist sie durchaus konservativ. Die Welt ist für sie, von gewissen Gefahren und Mißhelligkeiten abgesehen, im Grunde in Ordnung, wie sie sich vorfindet. Zu sozialen Veränderungen hat sie weder Veranlassung noch Neigung. Wie verträgt sich dieses enge, rein diesseitig orientierte Weltbild mit dem Glauben Israels? 1 Es gehört zu seiner Geschichtslosigkeit und zu seinem mangelnden nationalen Interesse, daß jeder Bezug auf die großen historisch-religiösen Ereignisse fehlt, die das Selbstbewußtsein der Nation formten und auch in den schwersten Zeiten den Stolz und den Trost des Jahwe-Volkes bildeten. Die Befreiung aus Ägypten, der Durchzug durch das Meer, der Bundesschluß am Sinai, die Landnahme erscheinen nirgends. Die Patriarchengeschichten, wie überhaupt der Gedanke der Erwählung Israels unter den Völkern als „einKönigreich von 'Priestern und ein beiliges Volk" 2 scheinen vergessen zu sein. Andererseits genügt ein Blick in die Proverbien, um sich zu überzeugen, daß dem.religiösen Gedanken in der Weisheitslehre ein wesentlicher Raum gegeben ist. Zwar sind gerade die ältesten Partien fast völlig profan, aber in den übrigen Teilen spricht sich eine klare Bindung der Weisheit an den Glauben aus. Frömmigkeit erscheint als ein selbstverständlicher Bestandteil der Weisheit. Neben das Gegensatzpaar des Weisen und des Toren tritt synonym das des Frommen und des Gottlosen, neben Weisheit und Torheit Frömmigkeit und Gottlosigkeit. Diese Frömmigkeit aber ist gleichbedeutend mit dem Halten von Gesetz und Gebot: Wer das Wort verachtet, richtet sich zugrunde, wer aber die Gebote fürchtet, der bleibt bewahrt.

(i),i3),

wie auch die Frömmigkeit am Anfang der Weisheit steht, ja, mit ihr geradezu identisch ist und den Menschen zur Ehrfurcht zwingt: Die Furcht des Herrn ist des Wissens bester Teil; (nur) Toren verachten Weisheit und Zucht. (1,1) Denn Gott ist es, der die Weisheit gibt: Denn der Herr gibt Weisheit; aus seinem Munde kommen Wissen und Einsicht.

(2,6)

So könnte man zusammenfassend mit Fichtner 3 urteilen: „Die Religion ist für den israelitischen Weisen keinesfalls eine peripherische Größe, sondern Hauptstück der Weisheit, ihr Herz; ja, mehr als das: Weisheit ist Religion." 1 Die folgende Darlegung berücksichtigt nur die Weisheitsliteratur bis zu Qoheleth. Die späteren apokryphen Schriften bleiben außer Betracht. 2 Exod. 19,6. 3

[ i j ] S. 57-

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Aber diese Religion der Weisheit hat ihr eigenes Gepräge. Ihr Gottesbild ist abgeblaßt bis zur Unpersönlichkeit. Seine nationalen wie seine irrationalen Züge treten zurück. Die von den Propheten so gewaltig gelehrte Geschichtsmächtigkeit und Zielstrebigkeit Gottes in seinem Welthandeln verliert an Interesse gegenüber der Führung des Einzelnen und der Form seiner Gottesbeziehung. Eichrodt 1 hat in einer eingehenden Studie aufgezeigt, wie sich, vor allem in der nachexilischen Zeit, in Durchsetzung einer bewußt gestalteten priesterlichen Weltanschauung das Gesetz als eine vermittelnde Größe zwischen Gott und den Menschen legt und in unveränderlicher Gültigkeit die Beziehungen zwischen Gott und Mensch wie zwischen den Menschen nach dem göttlichen Willen ordnet. Damit entsteht „ein einsichtiges Schema der Welterklärung" 2 , aber zugleich wird ein Rationalisierungsprozeß angebahnt, in dessen Folge der göttliche Wille und Weg als erkennbar erscheinen und lehrbar und lernbar werden wie die praktischen Lebensregeln der Weisheitslehre. Selbstverständlich erscheint, dem Wesen der Proverbien entsprechend, diese den Beteiligten kaum bewußt werdende Tendenz nicht wörtlich und in literarischer Geschlossenheit, wie überhaupt der Weisheitsliteratur jedes Systematisieren ebenso fern liegt wie die Absicht, etwas Neues zu bieten. So gibt es, worauf v. Rad 3 nachdrücklich hingewiesen hat, Sentenzen wie Prov. 16,2.9; I 9> 21'>2 °» 2 4; 21,2.jof., die „sehr grundsätzlich und umfassend von der Grenze reden, die dem menschlichen Handeln und Gutdünken gesetzt ist" 4 . Aber diese einzelnen Aussagen, auch wenn man ihnen das volle Gewicht ihres Wortlauts zuspricht, bestimmen nicht die Tiefendimension des Gesamtbildes, und die Bücher Hiob und Qoheleth beweisen, ein jedes in seiner Art, daß die ernstesten Denker Israels zu ihrer Zeit in dieser Schulrichtung keinesfalls nur eine sachlich verständliche Beschränkung auf das Gebiet der praktischen Vernunft sahen, sondern im hohen Maße Irrtum und Gefahr für den Glauben wie für die Erkenntnis. Das ehrfürchtige Bewußtsein des Abstandes zwischen Gott und Mensch und der uneingeschränkten Autonomie der göttlichen Urteils- und Entscheidungsfreiheit geht praktisch verloren. Galling 5 konnte mit vollem Recht diese „Weisheit" eine theistische Aufklärung nennen. Wir stehen hier vor dem zeitlosen, von seiner jeweiligen Konfession unabhängigen Typ einer säkularisierten Religion, die ohne Bruch mit der Tradition bei voll erhaltenem Vokabular mit ehrlichem Glauben, bestem Gewissen und, soweit nicht die eigene Sicherheit in Frage steht, auch mit leidlichem Anstand praktiziert wird, immer aber in totaler Ahnungslosigkeit darüber, wie areligiös sie im Grunde ist und wie wenig sie in der Praxis von einer glaubenslosen Selbstverfügung des Menschen unterschieden werden kann. Der Mensch weiß — dieses Mal nach dem Wortlaut des Gesetzes — zuverlässig Gut und Böse voneinander zu scheiden und hat die Gewähr, daß Gott das Gute (d. h. den Guten) belohnt und das Böse (d. h. den Bösen) straft: Wenn schon dem Gerechten auf Erden vergolten wird, wieviel sicherer dann dem Frevler und Sünder. (Prov. 11,31) 1 [16]. 5 [26] S. 12.

2 Eichrodt [16] S. 62.

3 [74] S. 4 3 6 f r .

« v . Rad [74] ebd.

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Damit aber kehrt sich das Verhältnis um. War der Wille Gottes bisher aus der einzelnen Offenbarung im Gesetz oder Prophetenwort erkennbar, so wird er jetzt im Ganzen verfügbar. Das göttliche Wirken wird zur Folge des menschlichen Handelns. Gott ist nicht mehr der Bestimmende, sondern nur noch der Bestätigende in einem mit automatischer Sicherheit wirkenden Prozeß der Vergeltung nach dem Tun. Das Schicksal als der sichere Erfolg aus der Tat wird berechenbar als der Lohn in der Form aller erstrebenswerten irdischen Güter und ihrer Bewahrung oder aber in ihrer Versagung oder ihrem Entzug zur Strafe der Schuld. Hier zeigt sich noch einmal der bürgerliche Ursprung der Weisheitslehre samt ihrem rationalisierten Vergeltungsglauben. Ein solches Weltbild konnte nur von einer Schicht ausgehen und ertragen werden, die sich in ihrer Gesamtheit in relativer Sicherheit fühlte 1 . Hier aber kommt das ganze Welt- und Glaubensbild der Weisheit an seinen kritischen Punkt. Dem Grundsatz des schematisierten Vergeltungsglaubens, daß Gott das Gute belohnt und das Böse straft, droht die dogmatische Konsequenz der Umkehrung. Dann ist der Wohlhabende, Geachtete, der in Gesundheit ein langes Leben genießt, der Gerechte; der Arme, Kranke, sozial Verachtete aber muß zugleich der Schuldige sein. Diese naive, auf ihre Leistungen pochende Selbstgerechtigkeit, die von Gott und dem Menschen gleich wenig weiß, muß zerbrechen angesichts der Wirklichkeit des menschlichen Lebens, der schmerzlich lastenden Erfahrung eigenen und fremden unbegreiflichen Leidens. Der von den Propheten und der bitteren Erfahrung des babylonischen Exils geformte Glaubensernst Israels mußte sich auflehnen gegen dieses pseudoreligiöse, oberflächliche Schema, das in so gefährlicher Weise das Gebot verflachte und zugleich das Bild Gottes in seiner Heiligkeit und in seiner autonomen Gerechtigkeit zerstörte. Diese Opposition fand ihren Niederschlag in der Weisheitsliteratur selbst, die daher keine einheitliche Erscheinung darstellt, sondern so verschiedene Werke wie einerseits die Proverbien und den Sirach und andererseits das Buch Hiob und das Buch Qoheleth umfaßt. Das erschütterndste Dokument dieses Protestes ist das Buch Hiob, zugleich eines der gewaltigsten Literaturwerke aller Zeiten. Hier wird gleich anfangs die Echtheit des Glaubens der Weisheit mit ihrem Seitenblick nach der Vergeltung durch die überscharfe Hellsichtigkeit des Satans in Frage gestellt:

Ist Hiob etwa umsonst gottesfürcbtig?

(i>9)

Dann begegnen dem Leser die Freunde Hiobs als die typischen Vertreter der konventionellen Weisheitslehre. So sagt Eliphas von Theman, noch der Klügste und Besonnenste der Drei:

Bedenke, wer kam je schuldlos um, und wo gingen je Gerechte zugrunde? 1

(4,7)

Zur Frage der sozialen Struktur der Weisheit vgl. insb. Gordis [ 3 3 ] Kap. III. Eine weitere Arbeit

des gleichen Verfassers: The Social Background of Wisdom Literature (in: Hebrew Union College Annual 1944) war leider nicht erreichbar.

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In diesem einen Satz enthüllt der Dichter die ganze Blindheit des Systems. Gegen solche Gleichungen einer arithmetischen Theologie erhebt sich der leidenschaftliche Widerspruch des im letzten Ernst gläubigen und im sittlichen Bewußtsein seiner Schuldlosigkeit getroffenen Menschen, den im Untergang aller sachlichen und menschlichen Werte die Lehre, daß der Leidende der Schuldige sein müsse; also auch von Gott verworfen sei, durch den Verlust seines Gottesbildes und seiner Gottesbeziehung in die unheilbare Katastrophe zu treiben droht. Denn das ist die ungeheure Verschärfung des Problems in Israel gegenüber Ägypten oder Babylonien. Dort kann Unheil das Wirken eines der zahlreichen Götter sein; wer kann wissen, welches unter ihnen, und wodurch er verstimmt ist. Ein anderer Gott kann den Schaden heilen. Aber im absoluten Monotheismus Israels ist alles, was geschieht, im Großen wie im Kleinen, das Wirken des Einen Gottes, sei es Heil oder Unheil. Dieses Wissen ist den Menschen durch das Wirken der Propheten unauslöschlich eingeprägt. Verletzt er die Ordnungen, die er selbst setzt und fordert, so kann keine andere Macht helfen und heilen, dann ist nicht nur die Geltung der sittlichen Werte, sondern zugleich der ganze Bau der Religion gefährdet. Hier geht es nie um Einzelheiten, sondern immer um den ganzen Glauben. Das Problem der Theodizee bricht mit voller Schärfe auf und fordert eine Lösung, die freilich nicht aus dem Bereich des Rationalen und Berechenbaren heraus gegeben werden kann. Die gleiche Krise des Systems zeigt der 73. Psalm, wenn auch nicht mit der Tiefe und der dramatischen Wucht der Hiob-Gespräche. Wie dort der Psalmist nach Vorwegnahme seiner wiedergewonnenen Glaubensgewißheit (V. 1) darüber berichtet, daß „um ein Geringes seine Füße umgeknickt" wären (V. 2) als er „eiferte angesichts des Woblergebens der Gottlosen" (V. 3), „deren Halsschmuck der Hochmut ist, und die Gewalttat wie ein Gewand umhüllt" (V. 6), die Gottes spottend nicht achten: ,, Wie sollte es Gott wissen; wie wäre Kenntnis beim Höchsten?" (V. 11), und doch immer sorgenfrei leben und zu Ertrag und Geltung kommen (V. 12), diese Not der Theodizee ist seit der Zeit des nachexilischen Judentums das große Problem der Frömmigkeit geblieben samt ihrer zweifelnden und verzweifelten Folgerung: „So hielt ich vergeblich mein Her% rein und wusch meine Hände in Unschuld." (V. 13). Die Antworten, die diesen Revolutionären der Frömmigkeit zuteil werden, liegen beide in der gleichen Richtung. Gott offenbart sich ihnen als der unfaßbar Größere, in dessen Hand die Schöpfung wie der Weltlauf liegen. Bei Hiob ist es das Bild der Schöpfung in ihren wunderbaren, aber auch in ihren unverständlichen zerstörenden Kräften 1 , das den Menschen zu staunender Ehrfurcht zwingt, erschreckend und beglückend zugleich, weil der Gott, der diese Welt schuf, auch des Menschen Schöpfer und Erhalter ist und ihn teilhaben läßt an seinem Werk. Hier vergeht das richtende Reden über Gott im Erahnen seines Wesens: (Nur) vom Hörensagen kannte ich dich; nun aber hat mein Auge dich gesehen. (Hiob 42,}). 1 Vgl. Eichrodt [16] S. 6jfi.

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Auch dem Beter des 73. Psalms widerfährt die persönliche Offenbarung, die ihn den Weltlauf gleichsam mit den Augen Gottes sehen (V. 17 ff.) und ihn im Bewußtsein der Gottverbundenheit volles Genügen finden läßt: Wen habe ich im Himmel!; und bei dir habe ich kein Gefallen an der Erde.

(V. 25)

Lösungen im verstandesmäßigen Sinne sind das nicht, aber es ist die Überwindung der rationalistischen Religion der Weisheit, die Wiederherstellung eines echten Glaubens in der Wiederherstellung der Ehrfurcht.

4. D I E S T E L L U N G INNERHALB

DER

QOHELETHS

ISRAELITISCHEN

WEISHEIT

Die klassische Schultradition der Proverbien fand in einer durch die veränderten politischen, kulturellen und religiösen Verhältnisse bedingten Abwandlung ihre Fortsetzung im Buch des Jesus Sirach und der „Weisheit Salomos", um schließlich in das rabbinische Schrifttum einzumünden und dort eine durch die Geschichte des Judentums hindurch bis heute wirksame Ausprägung zu erhalten. Die literarischen Denkmäler ihrer Opposition, das Buch Hiob, der 73. Psalm, auch die wie eine Prophetenrede klingenden 1 ersten' Verse aus den „Worten Agurs, des Sohnes J a k e s " 2 wirken wie vereinzelte Felsen in diesem durch die Jahrtausende fließenden Strom. Zu ihnen gehört das Buch Qoheleth, das seinem Ursprung und Aufbau nach ein Buch der Weisheit ist, in seiner pädagogischen Zielsetzung ihr verwandt, aber in seinem Welt- und Gottesbild diametral entgegengesetzt. Wir sahen, daß sein Verfasser ein „Weiser" war, zugleich ein Mann 'des öffentlichen Lebens, gebildet, aufgeschlossen, welterfahren und von tiefer Menschenkenntnis, wie sie ein solches Leben dem klugen Betrachter und Mithandelnden zu vermitteln vermag. Wahrscheinlich entstammte er einer angesehenen Familie der gesellschaftlichen Oberschicht Jerusalems und erhielt die wissenschafdiche und religiöse Erziehung und die berufliche Vorbildung nach der Tradition seines Standes. Die Thora, die Schriften der Propheten, die Lehre der Weisheit und der Kult des Tempels mögen ihm gleich vertraut gewesen sein. Aber dieses Überlieferungsgut lebte in der für die Bildungsschicht religiös sehr gedämpften, mehr konventionellen als eigentlich frommen Atmosphäre des hellenistischen Zeitalters und seiner neuen Denk- und Lebensformen, die das geistige und religiöse Eigenleben des zu einer Provinz des Ptolemäerreichs herabgesunkenen jüdischen Landes von oben her durchdrangen, ja fast zu verdrängen drohten. Die seinem Lebenskreis eigentümliche Mischung von geistiger Aufgeschlossenheit und gesellschaftlichem wie religiösem Konservatismus ist für die gedankliche Stellung Qoheleths bestimmend geblieben. 1 2

Vgl. Jes. 40,12 ff. Prov. 30,1—4;

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24

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Wie uns der Epilogist 1 berichtet, war er ein Lehrer, dessen Unterricht wegen seines inhaltlichen Werts und seiner gefälligen Form Anerkennung fand. Seine politische Tätigkeit 2 mag weniger befriedigend gewesen sein. Leider gehört die Lebenszeit Qoheleths zu den historisch dunklen Jahrhunderten zwischen der Zeit Nehemias und der Makkabäerzeit, über die wir für die jüdische Geschichte fast keine Quellen haben. Groß werden die Möglichkeiten nicht gewesen sein in dem kleinen Lande, das, wie im Altertum zwischen Ägypten und den mesopotamischen Reichen, nun zwischen den Nachfolgestaaten des Alexanderreichs mehrfach den Besitzer wechselte. Das hoffnungslose Bild des politischen Lebens, das er in seinem Buch zeichnet, zeigt deutlich genug, daß hier für einen Menschen vom Charakter und dem geistigen Format Qoheleths keine Erfüllung zu finden war. Und vielleicht hat ihm diese Bindung auch noch das Schicksal der Emigration eingetragen. Von äußeren Störungen seines Lebens wissen wir nichts. Sein Stand und sein Lebensbild lassen vielmehr darauf schließen, daß ihm Not und Erniedrigung erspart geblieben sind, und daß er die in seinem Buch vielgepriesenen Güter und Freuden des Lebens genießen konnte und auch genossen hat. Spricht er, noch im Alter ehrlich bewegt, von Armut, Ungerechtigkeit, Bedrückung und Hilflosigkeit, so doch nicht aufbegehrend oder verzweifelnd als ein selbst Betroffener, sondern als ein Beobachter, der eine Unzulänglichkeit der Welt registriert. Ohne die Existenzmittel für eine weiträumige (zumindest innerlich weiträumige), äußerlich saubere und sorgenfreie Lebensform, die ihm Unabhängigkeit und geistige Freiheit ermöglicht, ist eine Erscheinung wie die Qoheleths nicht denkbar. Eine solche Sicherung, der „Schatten des Silbers" 3, ist der stillschweigende, unabdingbare Hintergrund seines Weltbildes. Dieser Mann faßt nun im Alter nach Beendigung seines öffentlichen Wirkens die Quintessenz seines Denkens und seiner Erfahrung in einem kleinen Buch, einer lockeren Sammlung von Reflexionen und Belehrungen zusammen. Es bedürfte nicht einmal der ergreifenden Mahnung, das Leben im Licht zu nutzen 4, und der so deutlich vom eigenen Erleben sprechenden Bilder des Alterns und Sterbens 5, um zu erkennen, daß hier ein Mensch zu uns redet, der mit dem baldigen Ende seines Lebens rechnen muß. Das ganze Buch zeigt die ruhige Überlegenheit eines von allen Bindungen, von Ehrgeiz und Menschenfurcht, von Haß und Begehren frei gewordenen Geistes, dem die Welt nichts mehr zu geben und nichts mehr zu nehmen hat. Seine Urteile sind von unbedingter Offenheit, aber sie haben die einseitige Schärfe dessen verloren, der ein eigenes Ziel verfolgt, und berücksichtigen die Vielseitigkeit der Möglichkeiten und die unerschöpfliche Vieldeutigkeit der Erscheinungen. Qoheleth gehört nicht — oder doch nicht mehr — zu den verzweifelt Ringenden, die, wie Hofmannsthal's Claudio 6 „an sieben vernagelte Pforten mit blutigen Fingern schlagen". Er protestiert nicht, kämpft nicht mehr mit Gott und den Menschen, sondern legt 1 2

ia,9f.

Der hypothetische Charakter der Annahme einer solchen Tätigkeit muß freilich trotz aller Indizien festgehalten werden. Eindeutig belegt ist nur die Lehrtätigkeit. 3 4 5 Qoh. 7,12. 11,7. 12,1—8. 6 „Der Tor und der Tod".

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Ginleitung

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Betrachtungen und Lebenserfahrungen vor mit einer reflektierenden Kühle, durch die nur selten noch eine Gefühlsregung hindurchbricht, die den Leser erkennen läßt, wieviel Not und Kampf, Enttäuschung und Selbstbescheidung der Erreichung dieses Ziels vorausgegangen sind. Zweifellos spielt hierbei auch die Struktur der Persönlichkeit eine Rolle, der psychologische Typ eines mehr intellektuell und kritisch als emotional veranlagten Menschen, auch im religiösen Typ. Das hat am deutlichsten Lauha 1 ausgesprochen. Aber es ist von entscheidender Wichtigkeit für das Verständnis des Buches Qoheleth, es als ein Alterswerk zu. begreifen. Man versteht und wertet Qoheleth falsch, wenn man nicht sieht, daß er zwar durch alle denkbaren Krisen eines Menschen hindurchgegangen ist, den die Lebenswirklichkeit aus der überlieferten Tradition seines Welt- und Glaubensbildes löste, aber daß er, im Gegensatz zur künstlerischen Vergegenwärtigung der Hiob-Gespräche, weit nach der Krise, rückblickend, berichtend und folgernd schreibt. Auch Qoheleth kommt von der Tradition der Weisheit her. Er ist, wie die zahlreichen Sprüche allgemein gültigen Inhalts in der klassischen Form des Parallelismus zeigen, wie die älteren Weisheitslehrer ein Sammelnder und Vermittelnder, wenn auch in einer seinen Zwecken angepaßten Weise und oft unter eigenwilliger Verwendung des übernommenen Gedankengutes2. Der Inhalt des Buches bestätigt auch hierin die Aussage des Epilogisten 3 . Es ist, wie erwähnt, nicht zweifelhaft, daß Qoheleth im traditionellen Judentum aufgewachsen ist, aber die Beobachtungen und Erfahrungen seines Lebens und Denkens haben ihn gezwungen, diesen Standpunkt zu revidieren und vielfach eine eigene Position zur Welt, zum Menschen und zum Glauben zu beziehen. Wie dies in seinem Ablauf geschah, vermögen wir aus dem Buch nicht völlig zu rekonstruieren, aber entscheidende Stufen sind durch verstreute Andeutungen einer geistigen Autobiographie gekennzeichnet. Der Lösungsprozeß mag am Erlebnis der negativen Seiten des Lebens begonnen haben, die immer wieder das optimistische Schema der Schultradition ad absurdum führen, und an deren Korrektur nur eine allzu entschlossene Dogmatik oder eine völlige Unbefangenheit des Gemüts vorbeizusehen vermögen. Gott schützt das Recht? „Und weiter sah ich unter der Sonne: An die Stätte des Rechts tritt das Unrecht / und an die Stelle des Gerechten der Frevler" 4. Er wehrt der Bedrückung? „Und weiterhin sah ich alle Bedrückung, die unter der Sonne geschieht / und siehe: Tränen der Bedrückten, die keinen Tröster haben und Gewalt (leiden) von der Hand ihrer Bedrücker / und niemand hat Mitleid" 5. 1 [56]. Man sollte diese Erkenntnis aber nicht benutzen, um den Frömmigkeitstyp Hiobs absolut zu setzen und von diesem Standpunkt aus Qoheleth abzuwerten, sondern gerade von daher den eigenständigen Wert seiner Aussage zu fassen suchen. 2 Die skizzenhafte Zusammenfassung dieses Kapitels findet weithin ihre Begründung in den Darlegungen über den Aufbau des Buches und in der Einführung in das Buch Qoheleth. Einige Wiederholungen werden hierbei unvermeidlich sein.

3

3

12,9-

4

5,I6.

s

4,1.

Der Prediger

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Jede Leistung und treue Arbeit empfängt ihren Lohn? „Ich wandte mich und sah unter der Sonne / daß nicht die Schnellen den häuf gewinnen / noch die Helden den Sieg im Kriege / noch die Weisen Brot / noch die Verständigen Reichtum / noch die Wissenden Gunst."1 Der Gerechte wird leben, der Gottlose aber zugrunde gehen? „Ein Gerechter kann umkommen hei seiner Gerechtigkeit / und ein Gottloser lange leben bei seiner Bosheit." 2 Gott zeigt Langmut, aber eines Tages ereilt den Frevler sein Geschick? „Sodann aber sah ich Frevler (in Uhren) %u Grabe getragen / aber Rechtschaffene vertrieben von der heiligen Stätte und vergessen in der Stadt" 3. Gottes gerechte Vergeltung steht außer Zweifel? „Da sind Gerechte, die trifft ein Geschick, als hätten sie das Werk der Gottlosen getan, und Gottlose, denen geschieht, als hätten sie das Werk der Gerechten getan." 4 Diese bestürzenden Erkenntnisse trafen nicht sofort den überlegenen Denker, dessen kühle Formulierungen wir heute lesen, sondern sie schufen zunächst eine tiefe Erschütterung, die noch in der Erinnerung des späten Berichts nachklingt. „Da haßte ich das heben" 5; „Da wandte ich mein Her% %ur Verzweiflung"6; „Da pries ich die Toten, die längst Verstorbenen, glücklicher als die hebenden" 7. Die Ausgangsposition, an der sich der „junge" Qoheleth befindet, ist sachlich genau die gleiche wie die des Hiob und des Sängers des 73. Psalms. Er könnte ihnen anfangs auch sehr gut in der Reaktion seines Glaubensgefühls nahegestanden haben. Die gedanklichen Fundamente seines Lebens sind erschüttert, die zentrale Grundüberzeugung der Religion der Weisheit, der Vergeltungsglaube, ist zerstört, das Gottesbild ist zutiefst fraglich geworden, ein Sinn des Lebens nicht mehr erkennbar. Der Unterschied der weiteren Entwicklung ist sowohl in der Lebenslage als auch in der geistigseelischen Struktur zu suchen, in der sich Qoheleth von diesen frommen, bis an die Grenze der Revolte gegen Gott aufbegehrenden Suchern unterscheidet. Ist es bei Hiob 8 die plötzlich hereinstürzende Not des in seiner Ursache unerkennbaren Unglücks in Verbindung mit der bedrängenden, Leben und Seele bedrohenden Gottesfrage, bei dem Psalmisten eine so tiefe Empörung über Glück und Triumph der Gottlosen, daß man ein persönliches Erleben annehmen darf, so steht bei Qoheleth die Weltbeobachtung, erschütternd in ihrem Ergebnis, aber nicht das Leben gefährdend. Wo die Schultradition sich gegen jede Wirklichkeit am System festklammert, die Emotion Hiobs und des Psalmendichters alle Schranken bricht, um zur Lösung zu kommen, da geht Qoheleth den Weg der beobachtenden Analyse. Diese Methode ist es, die dem Buch seine auffallende Sonderstellung innerhalb des alttestamentlichen Kanons gibt und es so fremdartig macht nicht nur gegenüber der traditionellen Weisheit, sondern auch gegenüber ihrer sonstigen Opposition. „Und ich richtete meinen Sinn ciarauf, mit Weisheit erforschen und \u ergründen alles, was unter dem Himmel geschieht."9 Das ist der im Alten Testament einzigartige Ansatz zu einer 1 2 7

8

9,11.

3

8,10.

5

2,17.

7,1 ?•

4

8,14.

6

2,20.

4,2.

Die Fabel der Erzählung darf hier vereinfachend als Realität genommen werden.

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Erkenntnis allein aus der Beobachtung, denkbar nur im geistigen Klima des Hellenismus, philosophisch in der Idee, aber ganz zielstrebig praktisch im Sinne der Weisheitslehre in der Durchführung, primär nicht auf ein Wissen, sondern auf die Lebensbewältigung und Lebenserfüllung gerichtet 1 . Wie auch sonst in der Weisheitslehre bleiben hierbei historische und nationale Bedingungen außer Betracht. Wo sie gedanklich zugrunde liegen, sind sie auf ihre typischen Züge reduziert. Den Weisen interessieren nur „die Welt" und „der Mensch" in großen Linien von zeitloser Gültigkeit. Diesem Versuch der gedanklichen Bewältigung des Lebens sind offenbar zwei Experimente vorausgegangen. Zunächst ein Versuch des unreflektierten Genießens; eine verständliche Reaktion auf die Spannungen der Krise, die aber bei einem Menschen vom Wesen Qoheleths scheitern mußte. „Vom Lachen mußte ich sagen: das ist sinnlos, und von der Freude: was bringt das ein?"2 Dem folgte ein Versuch, den Lebenssinn im Wirken und Besitzen zu gewinnen, aber mit einem für Qoheleth charakteristischen Vorbehalt von selbstbeobachtendem Mißtrauen 3 . Das Ergebnis dieses Selbstversuchs: die Arbeit an sich macht Freude, aber sie schafft keinen befriedigenden Wert. Das Ergebnis ist „nichtig und ein Haschen nach Wind"4. Es hat keinen Gehalt, der dazu berechtigte, die Frage nach dem Sinn des Lebens und Mühens positiv zu beantworten. So richtet sich das Interesse Qoheleths zunächst auf die Voraussetzungen. Wie und in welchem Maße ist Erkenntnis überhaupt erreichbar? Zweifellos nicht auf dem Wege der durch ihr offenbar falsches Weltbild diskreditierten Schultradition. Jede ungeprüfte Übernahme älteren Gedankenguts wird von Qoheleth verworfen. Seine Methode ist die Beobachtung, nur die Beobachtung, und als Resultat gilt ihm allein, was sich aus dieser kritischen Sicht und Sichtung der Erscheinungen ergibt. Aussagen, die davor nicht bestehen, sind falsch, wenn sie darüber hinausgehen, nichtig. Diese geistige Haltung ist Skepsis in ihrem strengen etymologischen Sinn, kluge Nüchternheit auf dem Boden eines unbestechlichen Schauens. Aber diese Methode ist doch auch ihrerseits eine Form der Weisheit, und so vollzieht sich ihre Entwicklung und Anwendung notgedrungen in einer ständigen Auseinandersetzung mit dem alten Weltbild. Das gibt dem Buch Qoheleth weithin einen polemischen Zug. Es kann der Eindruck entstehen, daß' die ganze Schrift überhaupt um dieser Auseinandersetzung willen geschrieben sei. Aber dieser Eindruck täuscht: Zwar ist die Kritik bewußt angesetzt als ein Mittel der Klärung, und vielleicht auch ein wenig aus der Freude an der geistigen Überlegenheit, wie sie gern als eine kleine, verzeihliche Schwäche kluger Menschen im Alter erscheint, aber sie ist doch ein Nebenprodukt, über dem die positiven Ziele, der Aufbau des eigenen Weltbildes und das pädagogische Anliegen, nicht vergessen werden dürfen. Was vermag menschliche Weisheit bestenfalls zu leisten zur Erkenntnis der Welt? Es ist bezeichnend für Qoheleth, daß er die Methode nicht radikal verwirft, weil sie 1

Es besteht keine Veranlassung, mit einigen Kommentatoren diese Denkrichtung als spezifisch jüdisch zu bezeichnen. Stimmte das, so wäre die ganze altorientalische Weisheitslehre jüdisch. 2 3 4 2,2. 2,5. 2,11 und passim. 3*

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sich als unvollkommen erwiesen hat, sondern sie auf ihre Möglichkeiten hin sichtet. Wertlos ist sie offenbar nicht. „Der Weise hat Augen im Kopf, aber der Tor wandelt im Dunkeln."1 „Denn im Schatten der Weisheit (ist man wie) im Schatten des Silbers.'"1 Es lohnt also, weise, d. h. klug und vorsichtig zu sein. Die Weisheit erweist sich aber schon als zu schwach, um sich gegen die Torheit durchzusetzen, besonders dann, wenn ihr Träger ohne Besitz und Ansehen ist. „Besser ist Weisheit als Stärke, aber die Weisheit des Armen wird verachtet, und seine Worte werden nicht gehört" 3. Aber das ist noch ein gleichsam äußerlicher Mangel der Weisheit. Entscheidend ist das Maß ihrer Fähigkeit, auf die problematischen Kernfragen des Lebens zu antworten. Was weiß sie von Wesen und Sinn der Welt? Was weiß sie von den Gesetzen des Ablaufs, von Ursache und Wirkung im Menschenleben? Was weiß sie von Gott? Die klassische Weisheit hatte zu diesen Fragen ihre festen Positionen. Zwar, die Frage nach dem Sinn des Lebens hat sie nicht gestellt. Ihre Lebensziele sind ihr diskussionslose Werte, und der Sinn des Lebens liegt für sie in ihnen beschlossen. Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist eine sehr unbürgerliche Frage. Das Leben aber gestaltet sich, auf den Menschen gesehen, nach dem weisen oder törichten ( = frommen oder gottlosen) Verhalten, auf Gott gesehen nach dem fraglos wirkenden Gesetz der Vergeltung. „Siehe, das haben wir erforscht; so ist es!" 4 Qoheleth wendet sich der prüfenden Betrachtung der Welt und damit zugleich der Kritik dieser Lehre zu. Was er sieht, ist eine unveränderte Erde, auf der die Generationen kommen und gehen, nicht anders, als Tag für Tag die Sonne ihre Bahn zieht, der Wind kreist, die Flüsse zum Meer laufen in einer ermüdenden Monotonie ohne Ziel5. „Esgibt nichts Neues unter der Sonne"6. Ein Sinn des Lebens ist dem Menschen nicht erkennbar. Er fragt weiter nach den Gesetzen des Geschehens, nach denen der Mensch sein Leben zu ordnen und zu sichern vermag, und stellt fest, daß auch sie dem Menschen verborgen sind. Es gibt kleine praktische Regeln der Klugheit, aus der Erfahrung abgeleitet und von einer gewissen Wahrscheinlichkeit des Nutzens in der Taktik des Lebenskampfes, aber die großen, bestimmenden Wendungen des Lebens, vor allem die eine große dunkle Wendung, der Tod, treffen den Menschen unberechenbar und unvorbereitet. Er ist einem undurchdringlichen Schicksal in jeder Minute seines Lebens schutzlos preisgegeben7. Und Qoheleth fragt nach Gott, nach seinem Wesen und Willen. Es ist ihm ein selbstverständlicher Glaubensinhalt, daß Gott der Schöpfer und Lenker der Welt ist. Er zweifelt nicht im geringsten daran, daß „alles Werk, das unter der Sonne geschieht" 8, letztlich das Werk Gottes ist, von ihm bewirkt oder doch zugelassen. Aber wenn er sich im Bereich der Erkenntnis der Gottesfrage zuwendet, so tut er es nicht als ein Frommer seines Volkes, der nach dem Bild der Väter „über dem Gesetz sinnt Tag und Nacht"9, um aus dem geoffenbarten Wort der Thora und der Propheten seine Belehrung und Weisung zu gewinnen, sondern er bleibt auch hier seiner Methode der 1 2 3

2,14. 7,12. 9,16.

4 5 6

Hiob 5,27a. 1,4—8. 1,9.

7 8 9

9,12. 1,14; 8,9. Jos. 1,8; Ps. 1,2.

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Beobachtung treu. Nicht aus der Überlieferung deutet er die Gegenwart, sondern er betrachtet forschend das Werk Gottes auf Erden, um auf dem Weg über Gottes Wirken zu einem Verständnis seines Wollens und Handelns zu kommen. Das Ergebnis ist die Erkenntnis einer völligen Gottesferne und der absoluten Unberechenbarkeit seines Willens. Sicher ist, daß jedem Ding, das auf Erden geschieht, seine Zeit des Werdens und des Vergehens gegeben ist, aber für den Menschen restlos unerkennbar im Gesetz ihres Ablaufs1. An dieser Determiniertheit allen Geschehens scheitert jede Vorberechnung. Hier mündet die Schicksalsfrage in die Gottesfrage ein. Geschieht dem Gerechten, wie nach menschlichem Urteil dem Gottlosen geschehen sollte2, verteilt Gott die Güter der Erde in völlig freier Entscheidung und nich't nach dem Maßstab ethischen Verdienstes 3, „ Wer will gerade machen, was er gekrümmt hat?" ' f , „Man kann nichts hinzutun und nichts wegnehmen''5. Gott handelt in völliger Autonomie mit unabänderlicher Wirkung 6 , so undurchschaubar auch im Bereich des menschlichen Lebens, daß im letzten Ergebnis das Geschick des Menschen und das des Viehs gleich sind 7. Mit dieser Feststellung der absoluten Transzendenz Gottes ist für Qoheleth, soweit das Gottes- und Weltbild in Frage steht, die Gottesfrage am Ende. Es ist nicht zu übersehen, daß dieser Gott Qoheleths in manchen Sentenzen das Aussehen einer unpersönlichen Schicksalsmacht annimmt. Daß er doch der Gott Israels bleibt, zeigt sich nur in den Aussagen über den kultischen Bereich und in der Überzeugung Qoheleths, daß er dem Menschen die Gabe der Freude zuteil werden läßt. Aber auch da bleibt er der ganz Andere und absolut Ferne. Diesen Gott kann man nicht befragen. Er hat es so gemacht, daß man ihn fürchte8, und ,4er Mensch kann nicht rechten mit Dem, der mächtiger ist als er"9. So geschieht das Seltsame, daß sich die Vertreter der entgegengesetzten Frömmigkeitstypen, Hiob und Qoheleth, im Ergebnis treffen: in der Zerstörung des übersteigerten Anspruchs der Weisheit und ihrer ehrfurchtslosen Religion der Verfügbarkeit, und darin in der Wiederherstellung eines Gottesbildes nach der Tradition des Mose und- der Propheten. Aber diese Begegnung kennzeichnet zugleich den Ort der Trennung. Qoheleth setzt genau an der Stelle ein, an der Hiob aufhört. Darum kommt bei ihm das Problem der Theodizee überhaupt nicht auf. Für ihn ist das Buch Hiob mit der Fülle seiner Reden durchaus überflüssig. „Es gibt viele Reden, die nur das Nichtige mehren; was bat der Mensch davon?" 10 Die Möglichkeit, daß hier eine versteckte Polemik gegen Hiob vorliegt11, ist nach der Sachlage durchaus gegeben. „Gott ist im Himmel, und du bist auf Erden."12 Hiob stürmt gegen diesen Himmel an. Auch er erreichte ihn nicht, käme ihm nicht der Himmel entgegen. So wird ihm zwar keine Lösung, aber ein Stillewerden in der Begegnung zuteil. Qoheleth bleibt „auf Erden". Er hat keine Begegnung. Sein Glaube, nicht weniger fest und tapfer, aber sehr viel kühler, bleibt Ehrfurcht in der 1

2 3

3.1—8-

8,14. 2,26.

5

6 7

}>I4-

3,14. 5,19fr.

9

10 11

12

6,10.

6,n.

Zimmerli [92) S. 26, Anm. 2. J.i.

30

Historisch-literarische

Einleitung

Beschränkung. Daß eine Hiob-Natur wie Luther diese Entscheidung nicht befriedigend fand, ist verständlich. „Das buch sol völliger sein; yhm ist zu viel abgebrochen. Es hatt wider stiffeln noch sporn. Es reit nur auf secken 1 gleich wie ich, do ich ein monch im kloster was." 2 Die erasmische Natur des distanziert reflektierenden Individualisten ist dem Reformator mißfällig. Was, bleibt bei diesem Welt- und Glaubensbild für das Leben übrig? Genug, um es lebenswert zu finden. Die Lebenslehre Qoheleths trägt zwar die Züge der Resignation, aber sie gleitet nicht ab in den Pessimismus, wie denn überhaupt sein sehr realistisches Wesen mit der Formel Optimismus—Pessimismus nicht faßbar wird. Er denkt nicht daran zu kapitulieren und wie der ägyptische „Lebensmüde" seine Seele zum Sterben aufzufordern. „Süß aber ist das Liebt, und wohl tut den Augen, die Sonne zu schauen." 3 Besonders der Lehrer Qoheleth wird nicht müde, die Jugend aufzufordern zu einem vollen Leben, solange es Zeit ist 4 . „Was immer deine Hand findet und deine Kraft vyt schaffen vermag, das tue" 5 . Keine Angst wegen der möglichen Hindernisse und Gefahren! „Wer auf den Wind achtet, der sät nicht, und wer nach den Wolken schaut, der erntet nicht."6 Die Freude aber, kein bleibender, sicherer Gewinn, doch ein möglicher Anteil, ist Lohn der Mühe. Gott selbst ist es, der dem Menschen die Freude gibt 7 und will, daß sie in Dankbarkeit genossen wird 8 . Dieser Sinn für die kleinen Freuden und die einfachen, natürlichen Gaben des täglichen Lebens, meist ausgedrückt in der Formel „daß der Mensch esse und trinke und es sich wohl sein lasse bei seiner Mühsal" 9 , ist in seiner Bindung an das fleißige Wirken und im Bewußtsein des göttlichen Gebers durchaus keine „kärgliche, physische Glückserfahrung", kein „kleinlicher Hedonismus", der „neben dem riesenhaften Gottesringen des Hiobbuches beinahe als Negation der wahren Werte wirkt" 1 0 . Es ist ein tief sympathisches, in der schonungslosen, kühlen Atmosphäre der Daseinsanalyse herzenswarm und versöhnlich wirkendes Bekenntnis Qoheleths zum einfachen menschlichen Sein. Der unerbittlichste, einsamste und schutzloseste Denker des Alten Testaments findet bei aller Wahrung seiner Wahrhaftigkeit doch schließlich ein bescheidenes und gefährdetes, aber ihn der Erde, den Menschen und Gott verbindendes Obdach im Wirken, in der Dankbarkeit und in der Freude.

5. A U F B A U U N D

STIL

DES

BUCHES

Zu den in der Geschichte der Exegese des Qoheleth-Buches am lebhaftesten diskutierten Problemen gehört die Frage nach dem Aufbau des Werks. Es ist dies bei Qoheleth ein Anliegen, das über die literarische Fragestellung weit hinausgeht. Bei diesem Buch, das nicht ein bestimmtes Thema durchführt, weder eine Biographie 1 = socken (Nr. 3242 b z. St.). 2

Tischreden, W . A . Bd. 3, S. 232 Nr. 3242a.

3

11,7.

4

5

6

H.4-

n,9f.

7

2,26; 3 , 1 3 ; ;,i8f.

9,io-

8

9,7ff-

9

2,24; 3,13; 5 , 1 7 ; 8,16; 10 Lauha [56] S. 188.

9,7®.

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31

ist. noch eine Erbauungsschrift, und sich ständig in dialektisch widersprüchlichen Aussagen bewegt, ist das Verständnis des Aufbaus zugleich eine wesentliche Voraussetzung für ein richtiges Erfassen des Inhalts. Dazu aber kommt ein sehr komplizierendes theologisches Problem. Das Buch Qoheleth ist der Kirche wie der Synagoge überliefert als ein Werk der heiligen Schrift, und zwar, wie man bis zur Zeit der Reformation und vereinzelt weit darüber hinaus annahm, als ein Werk Salomos. Es mußte also dem Glaubensbild des Alten Testaments einfügbar sein, ein Buch der gleichen Lehre, reibungslos mit der übrigen Bibel verkündbar für das rabbinische Judentum wie für die Gemeinde des Neuen Testaments. Hier machte nun Qoheleth peinliche Schwierigkeiten, die überwunden werden mußten in einer Auslegung, die den Autor vom Verdacht der Häresie entlastete. Da der Text unveränderlich gegeben war, konnte ein Teil der Aussagen unmöglich seine eigene Meinung wiedergeben. Die Lösung der Frage des Aufbaus wurde damit zu einem notwendigen Mittel der Apologie der Verfassers. Drei Möglichkeiten boten sich der Überlegung: Hat der Autor selbst fremde Meinungen in der Form des Dialogs oder des mehrstimmigen Gesprächs eingeführt? Ist der Text durch Umstellungen in Unordnung geraten; können Textlücken vorhanden sein? Liegen fremde Änderungen oder Einschübe vor, die den ursprünglichen Inhalt entstellen? Alle drei Wege wurden reichlich begangen. Durch 2000 Jahre der Kommentierung hindurch 1 waren der frommen Rücksicht, dem Scharfsinn und der Phantasie keine Schranken gesetzt. „ E s ist ein förmlicher exegetischer Walpurgisnachts-Traum." 2 Sicht und Methode des frühen Judentums finden ihre Darstellung im Kapitel zur Kanonfrage 3 . Die Kirchenväter 4 zweifelten nicht daran, daß sie das Buch eines einzigen Autors vor sich hatten, nahmen aber an, daß der Verfasser mehrere Personen verschiedener Geistes- und Glaubenshaltung eingeführt habe, um ihre verkehrten Ansichten zu widerlegen. Dies ist auch die Auffassung der jüdischen und christlichen Exegeten des Mittelalters. Den gleichen Gedanken hat J . G. Herder 5 vereinfacht zu der Annahme von Rede und Gegenrede von „zwei 'Seelen in einer Brust". Seine Darlegungen sind zugleich ein Beispiel dafür, wie schwer es für einen Exegeten ist, sich den Versuch einer eigenen Lösung des Rätsels zu versagen. Zunächst gibt er, von seinem außerordentlichen Einfühlungsvermögen für die orientalischen Literaturen sicher geleitet, eine Antwort, die noch heute trotz aller weiterführenden Erkenntnisse die im Grunde gültige ist 6 . „Man hat sich viel über den Plan dieses Buches bekümmert; am besten ist wohl, daß man ihn so frei annehme, als man kann, und dafür das Einzelne nutze. Daß Einheit im Ganzen sey, zeigt Anfang und Ende: da aber den Morgenländern eigentliche Deduktionen einer philosophischen Materie fremd sind, und weder dem König Salomo noch seiner Akademie an einer Disputation de vanitate rerum gelegen seyn 1 Eine ausführliche Darstellung bis 1908 bei Podechard [73]. 2 Graetz [37] Einl. S. 3. 3 S. 69®. 4

B

Hieronymus, Gregor von Nazianz, Gregor der Große.

[43] S. 1 3 5 f r .

6 E b d. S. 146.

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konnte: so besteht das meiste aus einzelnen Anmerkungen des Weltlaufs mit den Erfahrungen seines Lebens. Diese sind zusammengeschoben und mit den Allgemeinsätzen, was endlich das simpelste Resultat von Allem sey, leicht umfaßt und gebunden. — Mich dünkt, ein künstlicheres Gewebe darf man nicht suchen." Aber dann kann er dieses Suchen eben doch nicht lassen. „Wäre man indeß darauf begierig, so wundert mich's, daß man die zwiefache Stimme im Buch nicht bemerkt hat, da Ein Grübler Wahrheit sucht, und in dem Ton seines Ichs meistens damit, ,daß Alles eitel sey' endet; eine andere Stimme aber, im Ton des Du, ihn oft unterbricht, ihm das Verwegene seiner Untersuchungen vorhält und meistens damit endet, ,was zuletzt das Resultat des ganzen Lebens bleibe?' Es ist nicht völlig Frage und Antwort, Zweifel und Aufklärung, aber doch aus Einem und demselben Munde etwas das beiden gleichet und sich durch Abbrüche und Fortsetzungen unterscheidet. Man kann das Buch also gleichsam in zwei Kolumnen theilen, davon die eine dem ermatteten Sucher, die zweite dem warnenden Lehrer gehört. . . . Nochmals gesagt, ich gebe die Eintheilung nicht für einen Dialog zwischen Ich und Du aus; indessen ist der Unterschied doch merkwürdig, und läßt vielleicht.eine Zusammensetzung aus mehreren einzelnen Stücken vermuthen." Ein Nachklang dieser Idee findet sich noch bei Graetz 1 . „Zwei Gedankenströ-. mungen scheinen sich durch das Buch hindurchzuziehen: eine pessimistische oder asketische und eine eudämonistische." Einige spätere Kommentatoren, die die Theorie der wie immer vorgestellten Gesprächsform nicht annahmen, glaubten sich vor ein neues Problem gestellt. Ist das Buch, so folgerten sie, nicht vom Verfasser in einem solchen Wechsel der Meinungen angelegt, aber doch das Werk e i n e s Autors, so muß es einen durchgehenden Gedankengang aufweisen, der entweder aus der vorliegenden Form durch eine richtige Exegese erhoben werden kann, oder durch eine Bearbeitung des Textes sichtbar gemacht werden muß, sei dies die Wiederherstellung einer ursprünglichen Ordnung oder die Aussonderurig späterer Einschübe und Änderungen. Die gültige Formulierung dieser Ansicht stammt von Thilo 2 : „Entweder ist das uns vorliegende Buch das Werk e i n e s Verfassers, dann muß ein klarer Gedankenzusammenhang aufzuweisen sein, oder, wenn das nicht möglich ist, so muß die vermeintliche Unordnung anders zu erklären sein." Der Trugschluß ist offensichtlich. Ein Blick auf die Literatur der Neuzeit genügt, um zu sehen, daß ein Werk aphoristischen Charakters, das unzweifelhaft aus der Hand e i n e s Autors stammt, keinen durchgehenden Gedankengang zu haben braucht. Für die altorientalische Weisheitsliteratur des pädagogischen Typs, der Qoheleth zweifellos zugehört, ist aber der aphoristische Aufbau die Regel. Träger des Gedankens ist der Einzelvers oder der Sinnabschnitt, was selbstverständlich eine geistige Gesamtrichtung des Werks nicht ausschließt. Thilo hat versucht, die Einheitlichkeit des Buches durch den Nachweis des durchgehenden Gedankenganges zu erweisen. Seine Arbeit zeigt, daß es dabei nicht ohne 1

[37] S. 5 . [84] S. i. Diesen Fragenkomplex untersuchte unter Anführung der gleichen Stelle bereits Galling [28]. 2

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Binleitung

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Gewaltsamkeiten abgeht, die durch den falschen gedanklichen Ansatz erzwungen sind. Bickell 1 , der vierzig Jahre früher von der gleichen Forderung ausging, hat zur Lösung die seltsamste Theorie entwickelt, die sich in der Qoheleth-Literatur findet. Er nahm an, daß das Manuskript in Heftlagen von Blättern vorlag, die durch ein Versehen beim Binden verschoben wurden, und meinte, durch eine Neuordnung, verbunden mit der Bereinigung von wenigen späteren Zusätzen, ein gedanklich zusammenhängendes Buch herstellen zu können. Abgesehen von der subjektiven Beurteilung dieses Ergebnisses hat diese „Unfalltheorie" 2 auch sachlich keinen Anklang gefunden. Schon Siegfried 3 , der am gleichen Problem arbeitete, hat darauf verwiesen, daß L X X der Text bereits in der gleichen Form vorlag wie MT, und daß damals ein Ordnen der Blätter gewiß einfacher gewesen wäre als die Einfügung scharfsinniger Zusätze. Im übrigen ist sie schon durch die Überlegung widerlegt, daß der Urtext nicht in Kodexform sondern in einer Rolle vorgelegen haben muß 4. Der Fund von Qumrän gibt die Bestätigung. Bickells Theorie ist nur ihrer Seltsamkeit halber lebendig geblieben. Der Versuch, auf dem Wege der Neuordnung und Ergänzung zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen, erwies sich auch für andere Forscher als aussichtslos. Siegfried berichtet 5 : „Nachdem wir es auf die verschiedenartigsten Weisen versucht hatten, durch Umstellungen, Ergänzungen u. dergl. ein zusammenhängendes Ganzes zu construieren, kamen wir in dieser Beziehung zu dem Schluß Van *?3n." So suchte er einen neuen Weg. „Bei der Auslegung des Koheleth war mir die Hauptsache, darzutun, daß die Erklärung des Buches als eines einheitlichen ein Ding der Unmöglichkeit sei. Es hat zwar von Hause aus dem Ganzen eine einheitliche Schrift zugrunde gelegen, aber das überlieferte Buch zeigt viele an ihm tätig gewesene Hände. Es handelt sich dabei nicht wie z. B. im Pentateuch um verschiedene Quellen, sondern um Glossatoren, deren jeder nach seinem Standpunkt das Buch zurecht zu corrigieren versucht hat." 6 Aber Siegfried ging seinen Weg zu energisch und kam zu der Feststellung der folgenden Mitautoren: i. Q i : Ein Jude, der an seinem Glauben Schiffbruch erlitten hat und als ein Denker von eherner Konsequenz und Klarheit sich nicht scheut, die Dinge in dem harten und kalten Licht der Wirklichkeit zu zeigen, in dem er sie geschaut hat. (Die Grundschrift), 2. Q2: ein sadduzäischer Glossator mit epikuräischer Grundhaltung. 3. Q 3 : ein glossierender Chakam. 4. Q4: ein glossierender Chasid. 5. Q y : eine Gruppe im Einzelnen nicht bestimmbarer Glossatoren. 6. Ein Redaktor R 1. 7. ein Redaktor R 2. 8—9. 2 Epilogisten. Damit war die Methode übersteigert. Drei Autoren und sechs Redaktoren, wobei die Redaktionsgruppe Q 5 noch eine unbestimmte Zahl von Glossatoren umschließt, waren offenkundig zuviel für die zwölf schmalen Kapitel des Buchs. Auch Podechard, der neben zwei Epilogisten zwei Interpolatoren am Werk zu finden glaubte 7 , hatte gemeint, eine Grundschrift von wirklicher Einheitlichkeit herausMJ]-

2

Miller [64] S. 104. 3 [81] S. 4. 4 So schon Podechard [73] S. 168.

5 [81] S. 5. 6

Ebd.

1 [73] S. 186.

Historisch-literarische Einleitung

34

lösen zu können. Aber dieser methodische Versuch hat sich trotz einer gewissen Richtigkeit hinsichtlich des Epilogs und vereinzelter Nachträge und Änderungen als untauglich erwiesen. Es charakterisiert seine einseitig literarische Blickrichtung, daß niemand die historische UnWahrscheinlichkeit sah, die die kluge Nüchternheit von Gordis 1 als Gegengrund bietet: "None of these scholars seeks to explain why the book was deemed worthy of this effort to 'legitimatize' it, when it could so easily have been suppressed." Schon Jahrzehnte vor den Versuchen der Glossatorentheorie hat Delitzsch 2 die geistige Einheit des Werks in seiner aphoristischen Gestalt erspürt: „Das Buch, so zerbröckelt es bei oberflächlicher Betrachtung erscheint, ist doch aus einem Guße." Aber er fügte hinzu 3 : „Alle Versuche, in dem Ganzen nicht nur Einheit des Geistes, sondern auch genetischen Fortgang, alles beherrschenden Plan und organische Gliederung nachzuweisen mußten bisher und werden inskünftige scheitern." Damit ist die noch heute gültige Sicht des Aufbaus im Prinzip bestimmt. Es wird allgemein anerkannt, daß das Buch bis auf die Überschrift (1,1) und den Epilog bzw. die Epiloge (12,9—14) sowie vereinzelte Überarbeitungen aus der Hand eines Autors stammt. Die Grenzen der Arbeit des Verfassers sind durch die typische Eingangsformel (1,2) und die fast wörtlich gleiche Schlußformel (12,8) bestimmt. Außerdem beweisen die das Ganze umfassenden Dichtungen am Anfang und Ende, die Darstellung der Monotonie des Weltlaufs (1,3—9) unc ^ die Elegie vom Altern und Sterben mit ihrer einleitenden Aufforderung zur Freude (11,7—12,8) die bewußte Komposition, die bei aller Lockerheit des Aufbaus um eine künstlerische Gestaltung bemüht ist. Der Inhalt aber zeigt, daß selbst im Sinn einer geistig-seelischen Klärung des Autors nicht von einer durchgehenden Entwicklungslinie gesprochen werden darf, wie sie z. B. Volz 4 sieht: „Bedrängt und bekümmert vom eigenen Leben und von den Geschicken der Menschen will er sich entladen, sich verlieren, indem er sich schildert, sich befreien, indem er seine Kümmernisse ausspricht. So verstehen wir, warum die Stimmung im Fortschritt des Büchleins ruhiger und fröhlicher wird; die Lebensauffassung an positivem Mut gewinnt." Ähnlich sieht Budde 5 : „Nachdem er sein Herz ausgeschüttet, durfte und mußte auch der Prediger zu den Wirklichkeiten des Lebens zurückkehren." Aber der Text spricht gegen eine solche Sicht. Zwar überwiegt in den ersten Kapiteln die kritische Schilderung, in den letzten (außer Kap. 12) der praktische Ratschlag, aber die Begründungen dieser Ratschläge sind die Spiegelungen des gleichen Weltbildes, und der Schluß bestätigt den Anfang: D'Van Van 6. Die Stilformen Qoheleths zeigen ebenso seinen Zusammenhang mit der Weisheitsliteratur, wie sie einen Ausdruck seiner Sonderstellung bilden. In größeren Partien findet sich der einfache, wenig von der Eigenart des Verfassers zeugende Lehrspruch, als Einzelspruch häufig im antithetischen Parallelismus geordnet, teilweise in größeren Gefügen und stellenweise in einer losen systematischen Ordnung, wie wir dies aus den Proverbien kennen. So in 9,17—11,1 und bei den durch die ihnen S.71. [12] S. 209.

1 [53]

2

3 4

[12] s. 195. [87] S . 2 » f .

5 [8] S. 422. 6 Vgl. Galling [25] S. 279.

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Einleitung

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gemeinsame Formel „Besser . . . als . . ." (. . . p . . . 31ö) zusammengeschlossenen Sprüchen 7,1—8. Daneben stehen längere Ausführungen über spezielle Themen, darstellend wie die Betrachtung über die Determiniertheit allen Geschehens (3,1—9), über die Torheit sinnlosen Jagens nach Gewinn (4,4—8), den Wert der Kameradschaft (4,9—12), oder belehrend und ermahnend wie die Betrachtungen zu Opfer, Gebet und Gelübde (4,17—5,6) oder die Mahnungen zur Freude und zur Arbeit 14; 2)I

j;

4>4; 7 ) I 5 ;

g)I7.

4,1.7; 9,11.

» 2,12.

W [12] S. 209. 11

Graetz, Gerson, Renan, König, Levy, Podechard, Volz, Barton, Thilo, Driver, Gordis.

40

Historisch-literarische

Einleitung

bedarf jedoch erheblicher Opfer am masoretischen Text, um das Prinzip durchzuhalten. Das aber muß bei Qoheleth als besonders bedenklich angesehen werden. Besteht schon trotz aller fördernden Arbeiten der letzten Jahrzehnte noch eine starke Unklarheit über das Wesen der hebräischen Metrik, so ist diese Struktur bei der lockeren Sprachbehandlung Qoheleths eine ganz unsichere Größe, so daß Konjekturen aus metrischen Gründen auf keinen Fall angezeigt sein dürften. Der Zwang des metrischen Systems wirkt dabei unfehlbar auf Kosten des Inhalts. Diese Sicht ist auch für die Übersetzungsfrage von Bedeutung. Kann schon der Urtext bei angemessener Behandlung nicht in eine geschlossene poetische Form gebracht werden, so wird es um so mehr der Übersetzer tunlichst vermeiden, die zwangsläufig im Letzten inadäquate Wiedergabe in einer anderen Sprache durch einen metrischen Aufbau zu erschweren und dabei den möglichst nahen Ausdrucksgehalt durch den Zwang der Form zu beeinträchtigen. So haben viele Autoren, die eine gelegentliche metrische Struktur annehmen, doch durchgehend in Prosa übersetzt 1 . Die Entscheidung mag dabei nach der Zielsetzung der Ausgabe verschieden sein. Als ein zugleich künstlerisches und pädagogisches Ausdrucksmittel erscheinen vereinzelt Fälle von Assonanz in hübschen einprägsamen Wendungen. Sie treten vorwiegend in Partien auf, die die Form des Traditionsguts der Weisheit haben 2 , jedoch nicht ausschließlich 3 , so daß sie nicht als ein kritisches Merkmal übernommenen Spruchguts angesehen werden dürfen. Wir betrachten also das Buch Qoheleth als ein bis auf sehr wenige Nachträge aus der Hand e i n e s Verfassers stammendes Werk von aphoristischem Aufbau mit stilistischen Eigentümlichkeiten, die sich aus der geistigen Struktur des Autors erklären. Mutmaßlich bildet es die Zusammenfassung einzelner Aufzeichnungen, die der Verfasser selbst zusammenfügte und durch die poetischen Betrachtungen am Anfang und Ende umschloß. Daher fehlt ein durchgehender Gedankengang, sind auch die einzelnen Partien in Länge und Aufbau nicht aufeinander abgestimmt. Der Zusammenhang, soweit einzeln vorhanden, ist durch lockere gedankliche, psychologische und sprachliche Assoziationen hergestellt. Der Aufbau war dem Verfasser von der Tradition vorgegeben. Außerdem mag die typische, den Gedankengang in Episoden und Bilder auflösende Form des Alterswerks das ihre dazu beigetragen haben 4 . Die Einheit, die man trotzdem so stark spürt, liegt in der geistigen und charakterlichen Geschlossenheit des Werks, nicht in seinem Aufbau. 1

Delitzsch, Graetz, Renan, L e v y , Thilo u. a.

2

7,1.5—6; IO,II.

4

M a n vergleiche etwa bei T h . Fontane die straffe Geschlossenheit im A u f b a u der „ E f f i B r i e s t "

3

Z . B . auch in 9,5.

mit der lockeren Szenenführung in seinem letzten W e r k , dem „ S t e c h l i n " . E i n e biblische Parallele bietet das Johannesevangelium, in dessen psychologischer Untersuchung ( D a s Johannesevangelium als Alterswerk, Gütersloh 1 9 3 } ) G . Hoffmann einleitend allgemeingültige Z ü g e des literarischen Alterswerks wie die Aneinanderreihung lockerer Assoziationsketten, die B e v o r z u g u n g bestimmter W e n d u n g e n , die originelle Verarbeitung aufgenommenen Materials, Toleranz gegen W i d e r s p r ü c h lichkeiten und das wiederholende Umkreisen der gleichen Inhalte feststellte, die sich sämtlich auch bei Qoheleth aufzeigen lassen.

Historisch-literarische Einleitung 6. D I E S P R A C H E

41

QOHELETHS

Unter den Fragen der Qoheleth-Forschung der letzten Jahrzehnte ist die Natur seiner Sprache ein vorrangiges Problem. Daß er auch hierin eine Sonderstellung einnimmt, ist schon den Forschern des vorigen Jahrhunderts aufgefallen. Renan 1 schrieb : «La langue forme dans l'ensemble de la littérature hébraïque une sorte d'îlot à part» und ein moderner Forscher, Dahood 2 meint: "Linguistically, the book of Ecclesiastes . . . has always been an enigma". Man erkannte, daß seine Sprache nicht mehr die des klassischen Hebräisch ist, sondern abweichend in der Syntax und in einer sonst fremden Mischung eigenwilliger Wortprägungen. Als das auffälligste Sympton erwies sich der außerordentlich hohe Gehalt an Aramaismen, der, am Umfang gemessen, höher ist als in irgendeinem anderen Werk des Alten Testaments. Kautzsch hat in seiner Spezialuntersuchung3 29 Wörter mit insgesamt 69 Belegstellen gefunden bei einem Bestand von 122 Stämmen und 553 Belegstellen sicherer Aramaismen im gesamten masoretischen Text, also etwa 24% der Wörter bzw. Stämme und 1 2 , 5 % der Belegstellen bei einem Anteil des Buches Qoheleth am Umfang der M T von etwa 1 , 2 % . Dazu kommen als fremder Wortbestand zwei persische Lehnwörter, OTIS (2,5) und DinS (8,11), die allein genügen würden, um die Entstehung des Werks nach der Esra-Zeit sicherzustellen. Zu diesen sprach- und kulturgeschichtlich bedingten fremden Bestandteilen tritt als das eigenartigste Phänomen eine Reihe von Ausdrücken, die sich im Text des Alten Testaments nur bei Qoheleth finden, und zu denen Schlüsselworte seines Denkens wie p u r , msn, ]V5n, nV?30, mWin, p-IBb, fntfn gehören. Zweifellos bedient sich Qoheleth dieses Vokabulars, um seine eigenständigen Gedanken ausdrücken zu können, und es ist typisch für den konkreten, auf Gegenständlichkeit gerichteten Ausdruckscharakter des klassischen Hebräisch, daß diese notwendige Ergänzung vor allem Abstrakta umfaßt. Die Frage nach der Herkunft dieses Wortbestandes bedarf jedoch gegenüber den Annahmen der früheren Forschung einer neuen Sicht. Gewöhnlich sah man in ihm Neubildungen Qoheleths, die er als die ersten philosophischen Termini des Hebräischen schuf. Renan 4 schrieb: «Il a l'esprit philosophique, mais il n'a pas une langue philosophique à sa disposition.» Diese Theorie der persönlichen Neubildung ist zunächst bedenklich angesichts der zugleich mit einer besseren Kenntnis der Sprachgeschichte des Hebräischen gewachsenen Einsicht, daß trotz des beträchtlichen Umfanges des Alten Testaments die Quellenlage viel zu ungünstig ist, als daß eine solche Behauptung gerechtfertigt wäre. Es erweist sich hier als besonders bedauerlich, daß uns keinerlei profane Literatur der Spätzeit überliefert ist, es sei denn im Buch Qoheleth selbst. Der Versuch von Dahood (s. S. 46), dieses Sonderwortgut ausschließlich dem Bereich des Kaufmännischen zuzuweisen und daraus eine Zugehörigkeit Qoheleths zum Handelsstand zu folgern, geht gewiß zu weit. Er ist auch nicht erforderlich. Die Begriffe von Mühe und Ertrag, Berechnung und Erfolg, Besitz und Verlust, Geld (Gold und 1 [76] S. 16. 4

Dec Prediger

2 [11] S. jo.

3

[55] S. 102.

4 [76] S. 80.

42

Historisch-literarische

Einleitung

Silber), Maß und Wert sind so allgemein vertraut und so leicht auf die Gebiete des geistigen und geistlichen Lebens übertragbar, daß ihre gleichnishafte Verwendung im Alten Testament durchaus keine Eigentümlichkeit der Sprache Qoheleths darstellt. Auffallend häufig aber ist sie neben allen Teilen des Jesaja im Bereich der Weisheitsliteratur (Proverbien, Hiob), wo sie die gleiche Nähe des Denkens und der Sprache zum praktischen Leben zeigt. Das eindrucksvollste Beispiel überhaupt ist allerdings in seiner literarisch tradierten Form jünger als Qoheleth, wenn auch gewiß als volkstümliches Erzählungsgut älter: die geniale verbale Umdeutung der Nomina von Wert und Gewicht (pO^Sl Vpn NM S1Ö) in Daniel 5,26ff. Bisher ist aber wohl niemand auf den Gedanken gekommen, den Ursprung dieser Erzählung in Handelskreiseh zu suchen. Dagegen ist der bei Dahood enthaltene Hinweis auf die Sphäre der Alltagssprache sehr berechtigt. Fänden sich palästinische Urkunden des 3. Jahrhunderts mit einem Inhalt ähnlich dem der Papyri von Elephantine, so erschlösse sich wahrscheinlich auch ein besseres Verständnis für das Vokabular Qoheleths. Hierfür spricht, daß diese Hapaxlegomena dem Typ der aramaisierenden Wortbildungen zugehören, ihre Quelle also in der aramäischen Umgangssprache der Zeit vermutet werden darf. Das fragliche Vokabular ist auch nicht eigentlich philosophisch zu nennen, wie denn bekanntlich eine Philosophie im griechischen Sinne in Ägypten wie im Vorderen Orient des Altertums nie entstand, sondern nur die praktisch-gnomische Lehre der Weisheitsliteratur, die für ihre Zwecke einer besonderen Terminologie nicht bedurfte, dagegen schon von ihrem Inhalt her den Anschluß an die gehobene Umgangssprache ihrer Z?it zu suchen hatte. Da zudem der Verfasser des Buches Qoheleth im Gegensatz zum Sirach 1 nicht die Absicht hatte, eine „heilige Schrift" zu schreiben, und ihm deshalb die Tendenz zu einem archaisierenden Purismus der Sprache fernlag, darf wohl angenommen werden, daß er unbedenklich prägnante Begriffe der Alltagssprache in hebraisierter Form in sein Vokabular aufnahm. Syntaktisch auffällig ist das fast völlige Verschwinden des Waw consecutivum, das nur dreimal auftritt2. Dagegen erscheint eine starke Häufung der Partizipien und Partizipialkonstruktionen, gelegentlich in eigenartiger Verbindung mit einem nachgestellten Personalpronomen3. Auch hier war es Delitzsch, der zuerst diese Besonderheiten als durch ein Übergangsstadium der Sprache bedingt erkannte. „Sie hängt noch lose mit der alten Sprache zusammen, aber schon befindet sich jenes Hebräisch, das uns in der Mischna und der um sie sich gruppierenden Barajtha-Literatur entgegentritt, in vollem Werden." 4 Einige Forscher glaubten und glauben jedoch, für die auffallenden Erscheinungen der Sprache Qoheleths eine tiefer gehende Ursache finden zu können. IST Q O H E L E T H E I N E

ÜBERSETZUNG?

Die Abweichungen des Buchs vom klassischen Hebräisch erschienen so stark, daß der Gedanke auftauchte, dem Werk könne ein Urtext in einer anderen Sprache 1 2

50, 27fr. Vgl. Leipoldt/Morenz [57I S. 46. 3 1,17:4,1.7. I,J; 7,26; 8,12.

4

[12] S. 197.

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zugrunde liegen. D. S. Margoliouth, der als erster diesen Gedanken äußerte1, sprach noch sehr vorsichtig von einer Anpassung (adaptation) und hielt die Herkunft aus einem Werk indogermanischer Sprache für möglich. Ein Jahrzehnt später stellte Burkitt 2 die Frage genauer: "Is Ecclesiastes a translation?" Er betonte die Frageform: "The title of this note is phrased as a query, because the matter is not clear to my mind." 3 Ein Gefühl (a feeling), daß der Stil Qoheleths unbefriedigend und unzusammenhängend (unsatisfactory and disconcerting) sei, führte ihn zu der Hypothese einer Übersetzung als der Antwort, die am wenigsten Schwierigkeiten mache. Dem Buche fehle jede sprachliche Anmut (literary charm), der Stil sei inkorrekt und unnatürlich; er habe die Steifheit einer Übersetzung. Es sei unwahrscheinlich, daß sich ein so scharfer und sorgfältiger Denker eines so ungenügenden Ausdrucksmittels (vehicle) bedient habe. Sei es aber eine Übersetzung, dann selbstverständlich aus dem Aramäischen. Burkitt betonte jedoch, daß er keinen Beweis zu erbringen vermöchte. Mit dieser Arbeit Burkitts setzte sich Fernández in einem Artikel auseinander, dem er die gleiche fragende Überschrift gab: «Es Eclesiastes una versión?» 4 Nach Prüfung einiger Stellen, die Burkitt für seine These in Anspruch genommen hatte, kam er zu dem Ergebnis, daß zwar die Berücksichtigung aramäischen Einflusses in Einzelfällen zur Textklärung beizutragen vermag, eine Übersetzung des Gesamtwerks jedoch sehr wenig wahrscheinlich (muy poco verosímil) sei. Für wen sollte die Übersetzung gemacht sein? Für das Volk, das sehr wenig Hebräisch konnte, oder für die Gebildeten, die auch Aramäisch sprachen? Es gäbe Beispiele der Übersetzung einer schwierigen, weniger bekannten Sprache in eine leichtere, weitér verbreitete (Sirach, i. Makkabäer), aber kein Beispiel des Gegenteils. Sehr viel entschiedener als Burkitt nimmt zwanzig Jahre nach dieser ersten Kontroverse F. Zimmermann das Problem auf. Die Überschrift seiner Arbeit fragt nicht mehr, sondern stellt fest: "The Aramaic Provenance of Qoheleth" 5 . Die Vorfragen sind die gleichen wie bei Burkitt. Wie kommt es, daß der spätere Sirach leichtflüssig, fast klassisch (easy, free-running, nay almost classical) wirkt gegen die dekadente Plumpheit (awkwardness) und Dunkelheit des Stils bei Qoheleth? Die Person des Autors erkläre nicht alles. Ein Autor, wie er auch schreiben mag, sei in seiner Weise klar. Aber bei Qoheleth fehle stellenweise die Klarheit. (I,J; 2,16; 10,15). Die Übersetzungshypothese sei die Schlüsselmethode (the frame of reference), die die Lösung für viele Schwierigkeiten biete. Zum Beweis untersucht Zimmermann eine Reihe von Textstellen und hält die folgenden Ergebnisse für wichtig: Bei Qoheleth ist im Gebrauch des Status der Nomina die hebräische Grundregel ständig verletzt. Er führt diese Erscheinung auf den wechselweisen Gebrauch des status absolutus und des status determinatus im Aramäischen zurück, wodurch bei der Übersetzung so zahlreicher Substantiva Fehler unterlaufen. — Fehlübersetzungen, denen Zimmermann die größte Bedeutung zumißt, und die er durch eine Rekonstruktion des aramäischen Originals weithin korrigieren zu können meint. — Die Auflösung des 1 2 4*

Jewish Encyclopaedia V 3}, Art. Ecclesiastes. 4 [9]. 3 Ebd. S. 22. [22].

5 [ 9 4 ],

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„Kryptogramms" Qoheleth 1 . Er kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis, daß die Übersetzungshypothese zweifelsfrei angezeigt (unmistakeably indicated) sei, und jede Arbeit an Qoheleth sich der Wiederherstellung (reconstruction) des aramäischen Originals zuwenden müsse. Mit der These von Zimmermann setzte sich klar und temperamentvoll R. Gordis 2 auseinander. Er stellte zunächst fest, daß der Begriff eines dekadenten Hebräisch unwissenschaftlich sei und aufgegeben werden sollte. „Plumpheit", „fehlende Frische" und „Dunkelheit" seien subjektive Urteile. Grundsätzlich sei festzuhalten, daß ein schwieriger Text eher für ein Original spricht als für eine Übersetzung. In eingehender Prüfung der von Zimmermann angezogenen Beispiele kommt Gordis zu dem Schluß, daß das Ergebnis nicht nur negativ sei. Die Studien zum Gebrauch des Artikels böten einen positiven Beitrag, der : die Evidenz stützt, daß das Buch Qoheleth von einem Autor geschrieben wurde, der, wie alle seine Zeitgenossen, Aramäisch kannte und es wahrscheinlich als tägliche Umgangssprache benutzte und der die eng verwandten Sprachen als ein schöpferischer Schriftsteller unbekümmert handhabte. Ein Übersetzer wäre sorgfältiger verfahren. Alle Phänomene seien natürlich bei-einem nachexilischen jüdischen Autor, dessen Stil Züge des beginnenden mischnischen Hebräisch aufweist, und beweisen nur, daß das Buch des hebräischen Weisen Qoheleth im Original hebräisch geschrieben war. C. C. Torrey 3 bezeichnete Zimmermanns Arbeit als den ersten ernsthaften Versuch eines Beweises. Der Gedanke übersetzter Texte im Alten Testament sei schwer anzunehmen, aber nicht unmöglich, doch sei der Beweis bei so nahe verwandten Sprachen schwierig zu führen. Zimmermann habe seiner Sache durch zu weitgehende Behauptungen geschadet (. . . weakened his case . . . by overdoing the demonstration). Daher sei die Kritik von Gordis berechtigt, der Torrey im Detail weitgehend zustimmt. Im Ganzen aber hält er Zimmermanns Darlegungen für ausreichend und sucht durch weitere Beispiele zur Stützung beizutragen. Eine Menge bisher ungeklärter Formen und Konstruktionen werde als Resultat, der Übersetzung verständlich. Sollte das Buch als salomonische Schrift deklariert werden, so war die Übersetzung der gegebene Weg. Die Herkunft aus einem aramäischen Original könne als erwiesen gelten. Zimmermann selbst beantwortete die Arbeit von Gordis mit einem stark polemisch gehaltenen Artikel 4 mit der Zusammenfassung: "The translation hypothesis has been contradicted and denied, but it has not been answered and disproved." Im übrigen präzisierte er die schon in seiner ersten Arbeit geäußerte Vermutung, daß das hypothetische Original in einem ostaramäischen Dialekt geschrieben war, verwandt mit den Sprachen des babylonischen Talmud und der syrischen Literatur. Ein überzeugter Anhänger der Übersetzungstheorie ist auch H. L. Ginsberg, der im dritten Kapitel seiner „Studies in Koheleth" 5 , das die Überschrift „Koheleth wrote in Aramaic" trägt, diese Hypothese zu stützen sucht. 1 Siehe S. 3. 2

[36].

3

[85].

4

[95]-

5 [30],

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In einer weiteren Arbeit 1 nahm Gordis Stellung zu dem Artikel von Torrey. Er betonte, daß der hebräische Charakter des Buches nicht deutlich würde im Blick auf die klassische Sprache, sondern auf das Hebräisch der Mischna, das die treueste Quelle für den Stil Qoheleths bilde. Diese eigene Entwicklungsstufe der Literatursprache habe sicher Ähnlichkeiten mit dem Aramäischen in Vokabular und Syntax. Die Sprache Qoheleths bezeichne die Grenze zwischen klassischem und mischnischem Hebräisch. Dazu kommen Eigentümlichkeiten, die durch die Individualität des Verfassers bedingt sind. Gelegentlicher Aramaismus beruht auf der Vertrautheit des Verfassers mit der Sprache. Er gebraucht jedoch nicht wirklich aramäische Wörter, sondern deren hebräische oder hebraisierte Parallelen. Die meisten auffälligen Erscheinungen können ebenso gut oder besser ohne die Annahme eines aramäischen Originals erklärt werden. Einige bleiben gleich schwer mit oder ohne Annahme der Übersetzungstheorie. Die Hypothese ist unnötig und im wissenschaftlichen Sinn unbeweisbar. Diesen Standpunkt hat Gordis in seinem großen Werk über Qoheleth 2 beibehalten und verdeutlicht. Der Übersetzungshypothese begegnen ernsthafte Bedenken. Da die von Delitzsch gebotene und von Gordis erweiterte und gefestigte Erklärung unter Berücksichtigung der Doppelsprachigkeit Qoheleths die Besonderheiten seiner Sprache einschließlich der Aramaismen zu erklären vermag, wird man sich nicht leicht entschließen, eine Übersetzung anzunehmen. Auch fügt sich die etwas unbekümmerte Behandlung der Sprache sehr gut dem Bild des Alterswerks ein. Darüber hinaus hat Gordis 3 eine Reihe stilistischer und literarkritischer Einwände aufgezeigt. Wie erwähnt, erscheinen in Qoheleth vereinzelte Fälle von Assonanz. Diese würden bei einer Rückübersetzung ins Aramäische verschwinden. Man müßte sie also dem Übersetzer, nicht dem Autor zuschreiben, was wenig Wahrscheinlichkeit hätte. Weiter sprechen die rhythmische Struktur einiger Partien und die Verwendung sprichwörtlicher Wendungen für einen Originaltext. Sehr wesentlich ist auch, daß die literarische, am Wortbild nachweisbare Abhängigkeit des Sirach unerklärlich wird, es sei denn, daß schon zu seiner Zeit die Übersetzung den Urtext ersetzt haben müßte, was aber die Anhänger der Übersetzungshypothese selbst nicht annehmen. In gleicher Weise spricht für ein hebräisches Original die in der vorliegenden Arbeit nachgewiesene verbale Abhängigkeit Qoheleths vom Buch Hiob und die gleichfalls hier aufgewiesenen, zweifellos im Ursprung hebräischen abgewandelten Deuteronomium-Zitate in 3,14; 4,17; 5,1.64. Die Frage nach dem möglichen Zeitpunkt der vermeintlichen Übersetzung ist überhaupt von hoher Wichtigkeit. Vor der Makkabäerzeit gelten die Einwände von Fernández: warum und für wen sollte sie angefertigt sein? Hätte aber der Autor ernsthaft die Illusion einer salomonischen Schrift angestrebt, so hätte er hebräisch schreiben müssen. Ginsberg 5 meint: "For his translation only the Makkabean age enters into consideration". Aber das ist aus geschichtlichen Gründen offenbar zu 1 2

[35][33]-

3 4

Eine Zusammenfassung in [33] S. 399. Siehe S. 6zff. und die Einführung 2. St., S. 1 3 5 ® .

5

[30] S. 44.

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spät. Wie im Zusammenhang mit der Namensfrage bereits erörtert wurde, muß das Buch schon in dieser Zeit eine unerschütterliche Gültigkeit oder, mit dem vorsichtigen Ausdruck von Muilenburg 1 für seine Geltung in Qumrän, "a canonical status or something approaching it" gehabt haben, und zwar in Verbindung mit der Überzeugung von der salomonischen Autorschaft. Diese letztere aber setzt das längere Vorliegen eines hebräischen Textes voraus. Ein Rettungsversuch durch die Übersetzung erst in der Makkabäerzeit wäre zu spät gekommen. Der von Ginsberg 2 angezogene Vergleich mit dem Danielbuch bietet keine Parallele. Daniel entspricht dem Geist des Zeitalters; Qoheleth steht ihm entgegen. Die Übersetzungshypothese hat verständlicherweise trotz ihrer heftigen Diskussion in einem kleinen Kreis von Gelehrten keinen sehr breiten Widerhall gefunden. ZEIGT

QOHELETH

PHÖNIZISCHEN

SPRACHEINFLUSS?

Neben der Übersetzungshypothese steht ein Versuch, die sprachlichen Eigentümlichkeiten Qoheleths durch die Annahme eines phönizischen Spracheinflusses zu erklären. Sein Begründer ist Dahood 3 , der zu der Meinung kam, daß Qoheleth hebräisch schrieb, auch aramäischer Einfluß vorliegt, aber der Text in morphologischer, syntaktischer und lexikalischer Hinsicht starken phönizischen Einfluß zeigt. Nach Dahood war der Dialekt von Galiläa in der fraglichen Zeit stärker phönizisch als jerusalemisch. Außerdem nimmt er eine Auswanderung von Juden in die phönizischen Küstenstädte nach 587 v. Chr. an und damit die Entstehung eines jüdischen Kulturzentrums in diesem Gebiet. Diese Theorie wird von Dahood in der angeführten Arbeit in einer breiten sprachlichen Untersuchung begründet. Er nimmt an, daß Qoheleth nicht in Jerusalem, sondern in einer Stadt der Küstenebene lebte. Sein Versuch, dies durch den Nachweis einer kaufmännischen Umgebung auf dem Wege der Zusammenstellung eines bei Qoheleth gehäuft auftretenden Vokabulars von 29 Begriffen des Handels wahrscheinlich zu machen 4 , ist allerdings nicht überzeugend, da fast die Hälfte dieser Wörter nicht spezifisch kaufmännisch ist, sondern dem allgemeinen Wortgut zugerechnet werden kann. Albright 5 teilt den Standpunkt Dahoods, auch hinsichtlich des Entstehungsorts, und erklärt sich für überzeugt, daß diese Sicht sich durchsetzen wird. Auch C. H. Gordon 6 ist auf Grund ugaritischer Studien und einiger sprachlicher Parallelen zwischen Qoheleth und Werken der ugaritischen Literatur zur gleichen Theorie gekommen. Der These wird widersprochen von H. L. Ginsberg und R. Gordis 7 . Die Arbeit Dahoods zeigt, daß die Berücksichtigung der hier gebotenen Möglichkeiten für die künftige Qoheleth-Forschung bei vorsichtiger Handhabung in linguistischer Hinsicht von ernsthaftem Interesse sein könnte. 1

[66] S. 27.

3 [11].

2

[50] S. 44.

4

7

Von Gordis in [33] S. 402 und in einem Vortrag „ W a s Koheleth a Phoenician?" Von Ginsberg

Ebd., S. 221.

5 6

[ i ] S . 14. Ugaritic Literature, Roma 1949, S. 133.

in einem am gleichen Tage (30. 12. 1954) auf der Jahresversammlung der Society of Biblical Literature in New York gehaltenen Vortrag " T h e Romance of Koheleth the Canaanite". Die Texte waren leider nicht erreichbar.

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7. E I N F L Ü S S E F R E M D E R L I T Ë R A T U R E N A U F

47 QOHELETH

Die Sonderstellung Qoheleths, die Gesamtheit der Erscheinungen, die den „antibiblischen Typus" 1 des Buches ausmachen, haben schon seit dem Ende des 18. Jahrhunderts zu Versuchen geführt, die geistige Quelle seines Denkens in einer Beeinflussung durch fremde Literatur zu suchen. Das Interesse wandte sich in Ansehung seiner hellenistischen Umwelt zunächst der griechischen Literatur zu. Pfleiderer 2 vermutete einen Einfluß Heraklits. Levy 3 nahm eine Abhängigkeit von der kynischstoischen und der kyrenaischen Philosophie an, in deren wesentlichen Termini er die gedanklichen Urformen von Grundbegriffen Qoheleths wie n n niSH, tfötfn finn, l'ÎS, *?3n u. a. meinte nachweisen zu können. Ranston 4 untersuchte den gesamten Bereich der frühen griechischen Weisheitsliteratur, wobei er von dem Gedanken ausging, daß eine Beeinflussung Qoheleths eher durch die praktisch-gnomische als durch die systematisierend-abstrakte Philosophie zu erwarten sei. Als Ergebnis fand er, neben weniger sicheren Anklängen an Hesiod („Werke und Tage"; weniger die Theogonie) und Pseudo-Phokylides, auffallende Parallelen in den Sprüchen des Theognis von Megara, in denen er die Hauptquelle für die fremden Aphorismen Qoheleths sieht. Ranston rechnet dabei nicht mit einer eingehenden Belesenheit Qoheleths in griechischer Literatur, sondern hält eine Vermittlung durch den Umgang mit-hellenistischen Kreisen für ausreichend. Diesen Einfluß halten auch Hempel 5 und Vischer 6 für möglich. Delitzsch und Zapletal lehnten die Hypothese eines griechischen Einflusses ab; mit ihnen Renan: «Tout absolument s'explique par le développement logique de la pensée juive.» 7 Auch Galling möchte „dem Einfluß der geistigen Atmosphäre des hellenistischen Zeitalters auf Koheleth keinen sonderlich großen Raum zugestehen" 8 . Angesichts des mangelnden Nachweises einer literarischen Abhängigkeit sowie des Fehlens eines griechischen Spracheinflusses gestehen zahlreiche Forscher 9 zwar eine gedankliche und stimmungsmäßige Berührung mit dem hellenistischen Zeitgeist zu, lehnen aber den Gedanken der direkten Abhängigkeit ab. „Von einer Abhängigkeit kann keine Rede sein. . . . Und doch spürt man das Wehen griechischer L u f t . " 1 0 Die Meinung von Dillon der auf Grund einer Ashoka-Inschrift, die über Missionen an die Höfe von Antiochia und Alexandria berichtet 12 , in Qoheleth glaubte buddhistische Einflüsse annehmen zu dürfen, hat wohl nirgends Anklang gefunden. 1 Graetz [37] S. 1. Die Philosophie des Heraklit von Ephesus, Berlin 1886. 5 3 [58] S. i j f f . . [41] s. J J . 7 [76] S. 62.

2

6 8 [75][86] S. 54[27] s. 50. Wellhausen, Driver,Wildeboer, Smend, Ed. Meyer, Humbert, Staerk, Volz, Pfeiffer, Pedersen, Blieffert, Hertzberg, Gordis. 10 Ed. Meyer [62] S. 39. 11 Skeptics of the Old Testament, London 1895. 12 13. Felseninschrift. Text in: Corpus Inscriptionum Indicarum, Vol. I (Inscriptions of Asoka. Ed. by E . Hultzsch, Oxford 192;). 4

9

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Mit wachsender Kenntnis der Literaturen des Alten Orients verlagerte sich das Interesse der vergleichenden Untersuchung stärker auf diesen Bereich. Vorwiegend war es die ägyptische Literatur, die wichtigste Anregerin der israelitischen Weisheit, deren Prüfung nahelag. Humbert 1 untersuchte mit der Annahme einer literarischen Abhängigkeit die gesamte israelitische Weisheitsliteratur von den Proverbien bis zu den Apokryphen. Nach seiner Meinung liegt bei Qoheleth eine starke formale wie inhaltliche Beeinflussung vor, die Humbert sogar zur Annahme einer Vertrautheit des Autors mit der ägyptischen Sprache und Literatur kommen läßt. Einen Aufenthalt Qoheleths in Ägypten nimmt er als gewiß an 2 . Diese Meinung wurde von ihm mit einer Fülle von Parallelen aus der ägyptischen Weisheitsliteratur gestützt. Die erstaunlichen Übereinstimmungen fallen tatsächlich jedem Leser der ägyptischen Literatur auf, doch muß die Frage nach einer möglichen literarischen Abhängigkeit hier mit besonderer Vorsicht gestellt werden. Beziehungen formaler und begrifflicher Art, seltener inhaltliche Anregungen, sind vereinzelt sicher nachweisbar, manchmal wahrscheinlich, doch müssen ihr Gewicht und ihr mußmaßlicher Weg in jedem Fall geprüft werden. Am wenigsten wahrscheinlich erscheint (trotz Humberts Überzeugung), daß Qoheleth einen direkten Zugang zur ägyptischen Literatur gehabt habe. Es ist doch ein zu unwahrscheinliches Bild, sich den Ratsherrn über Israel zu Jerusalem im Zeitalter des Hellenismus über einem hieratischen oder demotischen Papyrus zu denken. Gerade die deutlichsten, ganz überzeugenden Bezugstellen erklären sich auch aus einer sekundären Abhängigkeit. Ist, wie in Kap. 3 dargelegt, nicht nur die Weisheitsliteratur, sondern die gesamte Literatur Israels von Ägypten her entscheidend beeinflußt, so ist zunächst nach den Ägyptizismen zu fragen, die Qoheleth bereits in der uns überlieferten hebräischen Literatur vorfand. Hierzu gehört zweifellos die von ihm (3,14) so geschickt abgewandelte „PtahhotepFormel", die sich bereits im Deut. 4,2; 13,1 und verkürzt in Jer. 26,2 findet3. Ein weiteres Beispiel bildet mit großer Wahrscheinlichkeit der mit dem Artikel präfigierte Gottesnamen OTtVxn („der Gott"), den jedoch Qoheleth schon in fast allen älteren Schriften des späteren Kanons vorfand und als den seinen Ansichten und Absichten gemäßesten wählte4. Nicht aus dem A T , aber wohl aus der gehobenen Umgangssprache der Zeit stammt das im Ursprung offensichtlich ägyptische IVO laVu? (12,5), das, wie an anderer Stelle aufgezeigt ist 5 , offenbar ein gemeinsamer fester Begriff des hebräisch-aramäisch-phönizischen Sprachbereichs war. Zahlreiche Stellen, die gern als Beispiele literarischer Abhängigkeit angeführt werden, erklären sich trotz ihrer großen Ähnlichkeiten zwanglos als Parallelen der gleichen Lebenserfahrung. Ihr häufigstes Beispiel ist die Mahnung zu Freude und Lebensgenuß in Qoh. 9,7—9 und 11,7—10 in ihrer Nähe zum ägyptischen „Harfnerlied" 6; 1 [48]. 3 vgl. S. 135. 2 Ebd. S. 124. « V g l . S. 130 f. 5 Siehe S. 156, Anm. 6. 6 Vgl. S. 13 und Anm. 4 das. Der Text hier nach Erman in: „Lyrik des Ostens" (München 1957), S. 10.

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Folge deinem Herze», solange du lebst, Leg Myrrhen auf dein Haupt und kleide dich in feines Linnen, Salbe dich mit den echten Wundern der Gottesdinge. Vermehre dein Gutes, laß dein Herz ermatten, Folge deinem Herfen und deinem Vergnügen, Verrichte deine Sachen auf Erden und quäle dein Herz nicht, Bis jener Tag des Wehgeschreis zu dir kommt. Aber ebenso könnte, wozu keinerlei Anhalt besteht, das Zwiegespräch des Gilgam'esch mit der Schenkin 1 als Quelle Qoheleths in Anspruch genommen werden:

Gilgamescb, wohin schweifst du? Das Leben, das du suchst, wirst du nicht finden. Als die Götter die Menschen schufen, Haben sie Tod bestimmt für die Menschheit, Das Leben häben sie in ihrer Hand behalten. Du, Gilgamescb, voll sei dein Bauch, Tag und Nacht vergnüge dich, Täglich, mach ein Freudenfest, Tag und Nacht tanze und springe! Gesäubert seien deine Kleider, Dein Kopf sei rein, im Wasser seiest du gewaschen ! Schau auf den Kleinen, der dich bei der Hand genommen hat. Die Gattin vergnüge sich in deiner Umarmung . . . Und so könnte schließlich eine weitere altorientalische Dichtung zugezogen werden, die in ihrer Warnung, im Versäumen des eigenen Lebens für einen Anderen zu arbeiten, Qoheleth (2,2of.; 4,8; 6,1—6.9) besonders nahe zu stehen scheint:

Du hast des Weins und der Speise u genug; Was schlägst du nicht täglich der Laute Saiten Um dabei heiter und fröhlich z« -fein Und längere Tage dir zu bereiten ? Und sitzest du so, bis der Tod dich entrafft, So wird in dein Haus ein Anderer schreiten. Dieses Gedicht aber entstammt leider dem Schi-king, dem altchinesischen „Kanonischen Buch der Lieder", das in der Zeit der Dschou-Dynastie (ca. 1050—700 v. Chr.) entstand 2. Der Ruf des Carpe diem angesichts der Vergänglichkeit klingt durch alle Zeiten und Völker hindurch. 1

Vgl. S. 1 } und Anm. 5 das. Der Text hier nach Landsberger in: S.15. , 2 Ubers, von v. Strauß in „Lyrik des Ostens", S. 246.

„Lyrik des

Ostens",



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So ist es auch nicht überraschend, daß sich zu Qoheleths ständiger Forderung, „daß der Mensch esse und trinke und es sieb wohl sein lasse bei seiner Mühsal", eine Parallele in den ägyptischen „Mahnworten" findet1: Sehet, es tut einem Manne wohl, wenn er seine Speise ißt: , Verzehre deine Habe in Freude und ohne dich zurückzuhalten; es tut einem Manne gut, seine Speise essen, die der Gott dem zuweist, den er belohnt." Warnend steht die gleiche Mahnung in dem späten demotischen Weisheitsbuch des Papyrus Insinger2 (4,8—9): Sei nicht geizig, um in der Lebenszeit, die du nicht kennst, reich zu sein- (Denn) der Gottlose verläßt seine Solche Einsicht bedarf so wenig des literarischen Vorbildes wie die Warnung vor Torheit in der Rede, wie sie sich in Qoh. 10,12—13 findet, und zu der Ägypten treffende Parallelen bietet: Der Mensch stürzt zusammen wegen seiner Zunge ( Weisheit des Anii) 3; (Denn) die Zunge des Dummen und Törichten ist sein Schwert, womit er sein Leben abschneidet. (Pap. Ins. 4,5). Auch Qoh. 7,26 und die nachstehende Feststellung des Pap. Insinger (7,11) können offenbar unabhängig voneinander erfahren werden: Es ergeht (auch) einem weisen Manne schlecht wegen einer Frau, die er liebt. Die dem A T sonst fremde grundsätzliche Kritik des Lebens, die sich bei Qoheleth findet, hat zwar ihr Gegenstück in der ägyptischen Literatur (Lebensmüder, Harfnerlied), aber ebenso in Babylonien (Gilgamesch, sog. Babylonischer Koheleth, Pessimistisches Zwiegespräch), qhne daß von gegenseitigen Beziehungen die Rede sein könnte. Die Mahnung zur Vorsicht beim Kult, Zurückhaltung beim Beten, relative Abwertung des Opfers, die sich in Qoh. 4,17 fr.findet,hat eine sehr nahe Parallele in der „Weisheit des Anii" 4 : 1

Text nach Erman [20] S. 142. Die begründende eingeführte Rede ist nach Erman ein Zitat aus einem unbekannten älteren Buch. 2 Volten, A., Das demotische Weisheitsbuch. Studien und Bearbeitung = Analecta Aegyptiaca Vol. 2, Kopenhagen 1941.— Lexa, F., Papyrus Insinger-, Tome I/II, Paris 1926. 3 Erman S. 298. 4 Erman S. 29 5 ff.

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Feiere das Fest deines Gottes... Gott %ürnt gegen den, der dagegen fehlt. . .. Die Wohnung Gottes, ihr Abscheu ist Geschrei. Bete du mit einem liebenden Herfen, dessen Worte alle verborgen bleiben. Dann tut er, was du brauchst, er erhört deine Worte und nimmt dein Opfer an. Trotz der großen Ähnlichkeit des Textes warnt vor der voreiligen Annahme einer Abhängigkeit die Überlegung, daß eine solche Einsicht bei einem gewissen Entwicklungsstand der Religion in allen Kulturbereichen eine Frage der Reife des Einzelnen ist, und daß der letzte Satz dem Gottesbild Qoheleths völlig widerspricht. Die „Weisheit des Anii" muß aber, wie auch die „Lehre des Ptahhotep" und der Papyrus Insinger, besonders beachtet werden. Noch einsichtiger ist diese Ursache des gleichen Erlebens bei den Klagen über politische Willkür und soziales Unrecht, sowie gegen die zeitgenössische Moral. Die Despotie mit all ihren üblen Begleiterscheinungen war von der Zeit des Alten Reichs in Ägypten bis zur Zeit Qoheleths mit Ausnahme der Frühzeit Israels die alleinige Staatsform in den Ländern des Alten Orients und ist es in einigen Ländern dieser •Gegend bis heute. Dabei mußte ein kluger Mensch die gleichen Beobachtungen machen in Ägypten wie in Babylonien und, bei den geringen äußeren Veränderungen, auch 1000 Jahre später in den Diadochenstaaten des zerfallenen Alexanderreichs. So wird man denn die nachstehenden Parallelen zu Qoh. 3,16; 4,1; 5,7 nicht als literarische Vorbilder zu betrachten haben: Das Recht ist herausgeworfen und die Sünde (sit%t) im Beratungssaal. (Die Klage des Cha-cheper-re-seneb)1; Wer Luft geben soll, nimmt den Atem . .. Wer den Gesetzen leiten sollte, befiehlt rauben .. . Eine Zuflucht für den Frechen sind die Räte, die eingesetzt sind, um die Lüge abzuwehren. (Die Klage des Bauern) 2. Wie der Erlebende dazu steht, wie er darauf reagiert, ist eine Frage seiner eigenen sozialen Stellung. Die Klage des in seiner Existenz vernichteten „Babylonischen Koheleth" sieht anders aus als die teilnehmende Beobachtung des hebräischen Weisen. Entscheidend is't bei diesen oft frappanten Ähnlichkeiten, und das gilt für •die Widerspiegelung aller Lebenserscheinungen und Lebenserfahrungen im literarischen Werk, nicht die im Einzelfall mögliche Wanderung und Übernahme von Bildern und Formen, sondern das gleiche Erleben im gleichen Milieu. Man kann völlig der Meinung von Gordis 3 zustimmen: "That thinking men in different cultures, possessing similar temperaments will develop parallel attitudes on the basic issues of life is so self-evident a truth, that it should have been a truism in Biblical •scholarship." Die Aufzeigung von Parallelen bedeutet also auch hier durchaus noch nicht den Nachweis literarischer Abhängigkeit. 1

Erman S. IJO.

2

Erman S. 164®.

3

[33] S. 54.

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In einigen Fällen, in denen Sprüche der ägyptischen Weisheitsliteratur für mögliche Quellen Qoheleths gehalten wurden, ist diese Annahme aus inhaltlichen Gründen mit Sicherheit irrig. So wurde versucht, den Ursprung von Qoh. 10,5—7 in den Schilderungen der „Mahnworte" zu sehen, z. B . 1 : Es ist doch so: die Kinder der Räte sind auf die Straßen geworfen. Der Wissende sagt: ja, der Dumme sagt: nein; der, der es nicht weiß, dem scheint es schön. ... Sehet doch, es kommt dazu, daß das Land des Königtums beraubt wird durch wenige sinnlose Leute. Aber selbst wenn man mit Erman 2 die Frage stellen wollte, ob der Urteilslose der König ist, so bietet doch die Situation von Qoh. 10,5—7 keine Parallele zur verzweifelten Schilderung der revolutionären Wirren am Beginn der Ersten Zwischenzeit. Bei Qoheleth ist lediglich davon gesprochen, daß in einer verhängnisvollen „Art von Versehen" des Herrschers kenntnisreiche und charakterlich geeignete Männer in den Staatsgeschäften der „Torheit" gegenüber zurückgesetzt und damit zugleich gesellschaftlich degradiert werden. Von einem Umsturz ist nicht die Rede; die Sentenz steht als Mahnung für den Ratgeber, als der kollegiale Rat Qoheleths, sich in solchem Fall nicht vergeblich zu verbrauchen 3 . Eine in Qoheleth wirksam gewordene Anregung sah man auch vielfach im Gespräch des Menschen mit seinem Herzen bzw. seiner Seele, wie es sich im „Streit des Lebensmüden mit seiner Seele" findet und in der „Klage des Cha-cheper-re-seneb"4: Ach, wüßte ich doch etwas, was andere noch nicht wußten, was nicht {nur) wiederholt ist, damit ich es sagte, und mein Herz darauf antwortete. . . . Ich spreche dir, mein Herz, damit du mir antworman test; ein Herz, an wendet, schweigt nicht. Man hat diese Stellen mit der in Qoheleth mehrfach 5 erscheinenden Formel (•a1? n») "-aVa nx (Tl-im) v n n x in Verbindung gebracht. Der Inhalt ist aber bei den Ägyptern und bei Qoheleth völlig verschieden. Erman 6 sagt vom „Streit des Lebensmüden mit seiner Seele": „Das seltsame Buch beruht auf der Vorstellung, daß die Seele dem Menschen als ein selbständiges Wesen gegenüberstehe.".Eine ähnliche Vorstellung scheint bezüglich des „Herzens" auch den zitierten Stellen aus dem Chacheper-re-seneb zugrunde zu liegen. Ganz anders bei Qoheleth, der nicht mit seinem Herzen spricht, sondern nur 'sVa oder BS 7 , in seinem Herzen, d. h. zu bzw. 1

Texte nach Erman, S. i j o f f . Die Zitate aus dem ersten und zweiten Gedicht.

2

S. 139, A n m . 6.

3

Siehe auch die Einführung z. St. S. 1 5 2 .

5

1 , 1 6 ; 2 , 1 . 1 5 ; },I7-I8.

4

Texte nach Erman S. 149fr.

6

S. 122.

7

Auch dieses einmalige D S ( 1 , 1 6 ) heißt nicht „ m i t " im Sinne der Wechselseitigkeit, sondern

„ i m Inneren" wie Hiob 2 7 , 1 1 u. o. V g l . Konig, Worterbuch.

H i s t o r i s c h - l i t e r a r i s c h e E i n le i t u n g

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bei sich selbst, reflektierend. Die Vorstellung eines Dialogs fehlt, und damit entfällt die vermeintliche Parallele. Abwegig erscheint auch Humberts 1 Annahme eines analogen Gedankens («Une pensée analogue . . .») in Qoh. 3,1—8 und den bruchstückhaften Versen 2,1—2 aus dem Weisheitsbuch des Pap. Insinger: Um gutes Essen seiner Zeit und sein . . . Gutes Schlafen, wenn er- müde ist, dagegen . . . nicht. . . Abgesehen davon, daß, wie ein Vergleich der Übertragungen zeigt, die Einführung des bestimmenden Begriffs der Zeit eine Frage der Übersetzung ist, sprechen die Verse des Pap. Insinger offenbar vom rechten Maß menschlicher Lebensordnung, wörtlich nahe der Forderung in Qoh. 10,17, während die Reihe der Gegensatzpaare in Qoh. 3 mit ihrer Einleitung den Begriff der unberechenbaren Determination allen Geschehens umfaßt.. Die bisher aufgezeigten Beispiele bieten nur eine Auswahl aus der Fülle versuchter, aber fraglicher oder unmöglicher Bezüge. Es gibt jedoch einige Stellen"von so enger Parallele und typischem Inhalt, daß die Annahme einer Beziehung kaum abzuweisen ist. Dies gilt, wie bereits dargelegt 2 , von der „Königsrede" in der Selbstvorstellung in i , i 2 und der ihr folgenden Textgestaltung. Es ist unwahrscheinlich, daß diese hübsche Verwendung der Doppeldeutigkeit des Konsonantentextes in einem Weisheitsbuch ohne die Anregung des ägyptischen Vorbildes entstand. Eine beachtliche Parallele zu Qoh. 2,4fr. steht in der „Weisheit des Anii" 3 : Man hat dir ein Grundstück (?) gemacht.. .du hast Sykomoren innen hineingepflanzt. . . und du füllst deine Hand mit allen Blumen, die dein Auge erblickt. Bei ihnen allen (aber) wird man elend.. . Diese Feststellung eines ägyptischen Weisen, niedergelegt in einer Handschrift aus der Zeit des 19. Dynastie, daß aller Erfolg sich am Ende als „nichtig" erweist, und das Mühen als ein „Haschen nach Wind" kann als ein Ergebnis der gleichen Erfahrung allein erklärt werden, aber die Ähnlichkeit ist trotz des bescheideneren Bildes in der „Weisheit des Anii" so groß, daß man, auch unter Berücksichtigung der bereits aufgezeigten Parallele zu Qoh. 4 , 1 7 ® . , den Gedanken einer Anregung nicht abweisen kann. In der Einleitung zur „Lehre des Ptahhotep" 4 findet sich eine Darstellung des Alterns, die in der Schilderung der Syijiptome lebhaft an Qoh. 12 erinnert : Die Glieder werden leidend und das Alter tritt als Neues auf. Die Kraft ist dem Müden zugrunde gegangen. Der Mund schweigt und redet nicht. Die Augen sind kurzsichtig und die Ohren taub. . . . Das Herz 'st vergeßlich und erinnert 1 S. I i 5 f .

3

Text nach Erman, S. 197 ff.

2 S. 5 f .

4

Jüngere Fassung; Text nach Erman, S. 87.

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sieb nicht mehr an gestern. Der Knochen leidet am Alter und die Nase ist verstopft und atmet nicht. Man mag stehen oder sitzen, man befindet sich übel.. . Was das Alter dem Menschen antut, ist, daß es ihm schlecht in allem gebt. Ist auch das künstlerische Niveau des Gedichts bei Qoheleth mit seinem Übergang zu den Bildern des Sterbens weit höher und die Zielsetzung in beiden Fällen verschieden (bei Ptahhotep wird mit dem Alter die Heranbildung des Nachfolgersbegründet), so ist doch das Erscheinen einer solchen Schilderung in zwei Werken der Weisheitsliteratur erstaunlich, vielleicht in der internationalen Tradition begründet, und macht die Annahme einer Beziehung möglich, zumal sich bei Ptahhotep noch eine andere interessante Parallele findet. In der Schlußrede des Ptahhotep steht ein Satz, auf den S. Morenz 1 als auf einen Beleg für die Vorstellung einer „reinen Gnadenwahl von letzter Konsequenz" verweist 2 : Wen Gott liebt, das ist einer der hört; nicht hört der, den Gott haßt. Dieses Gegensatzpaar „Lieben—Hassen" als Verhaltensweisen Gottes und damit als Ausdruck der Totalität der Schicksalsfügung findet sich, wenn auch in vorsichtigster Formulierung, in Qoh. 9,1. Im A T steht es außer an dieser Stelle im gleichen Sinne nur noch in Mal. 1,2—3, hier aber im speziellen Bezug auf die Erwählung des Volkes Israel, nicht als allgemein gültig für das Schicksal des Einzelnen. Zwar erscheint es, substantivisch wie verbal und mit unterschiedlicher Schärfe der Bedeutung, noch mehrfach im Kanon 3 , aber immer nur in Bezug auf das menschliche Handeln gebraucht, und somit sonst nie als Gesamtumschreibung der Determination. Im einzigen weiteren Fall, in dem im A T (Deut. 1,27), und hier nur eingliedrig, der Begriff einer mrp niOfP als Ausdruck einer schicksalsformenden Willkür auftaucht, ist er als ein Wort der Rede des vertrauenslosen und undankbaren Volkes eingeführt, nur um durch den gesamten Kontext abgewiesen zu werden. Muß aber anerkannt werden, daß die ägyptische Sentenz eine Interpretation dieser Parallelstelle Qoh. 9,1 im Sinne eines Liebens und Hassens Gottes stützt, dann muß auch das eigentümliche Vokabular von Qoh. 2,26 4 und 7,26 mit seiner Distanzierung von der Vergeltungslehre 5 in die Betrachtung einbezogen werden; dann bilden der 1

Siegfried Morenz unter Mitarbeit v o n Dieter Müller, Untersuchungen zur Rolle des Schicksals

in der ägyptischen Literatur = Abhandlungen d. Sachs. Akad. d. Wiss. zu Leipzig, Phil.-hist. Klasse, Bd. 52, H. i (Berlin 1961) S. 8 f. 2

Zit. nach Morenz, ebd.

3

Ex. 20,5.6; Deut. J,9f.; Ri. 14,16; 2. Sam. 13,15; 19,7; A m . 5,15; Mi. 3,2; Ps. 97,10; 109,5;

Qoh. 3,8; Prov. 8,36; 2. Chron. 19,2. 4

Besonders nahe zu Qoh. 2,24—26 steht eine spezifisch erweiterte Grabinschrift des Petosiris,

eines Hohenpriesters des Thot zu Hermopolis (um 320 v . Chr.): „ G o t t ist es, der es (schlechte G e danken) in das Herz dessen gibt, den er haßt, um seine Güter einem Anderen, den er liebt, zu geben." (Zit. nach Morenz/Müller, a. a. O., S. 9).

5

Vgl. S. 131 f .

Historisch- literarische Einleitung

55

vis 1 ? aiötf DIU und der KOin das menschliche, von diesem autonomen Handeln Gottes getroffene Gegensatzpaar. Ist auch, wie an anderer Stelle 1 gezeigt wird, dieses Bewußtsein der göttlichen Autonomie der älteren Literatur Israels nicht fremd, so ist doch dieser prägnante Ausdruck in Gegensatzpaaren einzigartig, und die wörtliche Parallele fordert die Anerkennung einer Möglichkeit des ägyptischen Einflusses zumindest in der Formulierung Qoheleths. Damit würde hier wie in den zuvor gegebenen Beispielen eine Einwirkung der ägyptischen Literatur auf die israelitische Weisheitslehre bis in das hellenistische Zeitalter hinein wahrscheinlich. In welcher Form sie geschah, ist nicht nachweisbar. Wir wissen auch nicht, wie die Quelle aussah, durch die Amenemope in die Proverbien einging. Die Vorstellung, daß etwa noch Qoheleth ägyptische Texte in ihrer originalen Sprache und Schrift las, wurde schon eingangs als zu unwahrscheinlich abgewiesen. Am ehesten haben wir wohl mit der Vermittlung durch eine Übersetzungsliteratur in aramäischer Sprache zu rechnen, deren Existenz schon im 5. Jahrhundert vielleicht das umfangreiche Achiqar-Fragment von Elephantine mit der ihm angefügten Sammlung von Weisheitssprüchen, beweist, und für die Übernahme ägyptischer Literatur trotz ihres geringen Umfangs und unsicheren Inhalts mit Sicherheit sechs Fragmente einer Erzählung, mutmaßlich aus der gleichen Zeit 2 . Daß wir diese sicher zahlreichen Übersetzungen nur durch die ägyptischen Zufallsfunde kennen, erklärt sich aus den der Erhaltung des Papyrus zu ungünstigen klimatischen Bedingungen Palästinas und Syriens. Mit dem letzten Beispiel ist die Frage nach dem Verhältnis von Gott- und Schicksalsglauben bei Qoheleth und den Ägyptern als eines möglichen Kriteriums geistesund religionsgeschichtlicher Beziehungen gestellt. Sie ist von besonderer Bedeutung angesichts der vielfachen Behauptung, daß bei Qoheleth der Gottglaube Israels zu einer unpersönlichen Schicksalsvorstellung verblaßt sei. Ihrer Beantwortung kommt zugute, daß sie von ägyptologischer Seite durch die erwähnte Arbeit von S. Morenz und D. Müller erst kürzlich in die Aufmerksamkeit der vergleichenden Religionsforschung gestellt wurde. Die von den Autoren dieser Arbeit 3 vermißte Gesamtuntersuchung seitens der alttestamentlichen Wissenschaft kann im hiesigen Zusammenhang nicht geboten werden, doch sind bei Qoheleth Grundzüge von allgemeiner Gültigkeit erkennbar, die zugleich die vielseitige Erfahrung stützen, daß er auch bei äußerster Freiheit seiner Formulierungen den Boden des genuinen israelitischen Glaubens nicht verläßt. Qoheleth kennt so wenig wie das übrige A T die Vorstellung eines unpersönlichen oder eines personifizierten Schicksals als einer lebens- und todesbestimmenden Macht neben oder gar über dem Gott Israels. Es gibt daher im Text auch kein Wort, das mit „Schicksal" in diesem Sinne zu übersetzen wäre, s o n d e r n nur B e g r i f f e f ü r das e i n z e l n e s c h i c k s a l h a f t e E r e i g n i s . Hierfür steht im positiven Sinne 1 Siehe S. i}2. Texte bei Cowley, Aramaic Papyri of the Fifth Century (Oxford 1923), S. 177; 204. Zum Ursprung des Achiqai: vgl. S. 14, Anm. 8. 3 S. 1 J , Anm. 2. 2

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Historisch-literarische

Einleitung

des Lebenserfolges und der Freude pVn 1 , im negativen Sinne des „Schicksalsschlages" J71S 2 und in der Bedeutung des definitiven „Begegnisses", des Todesereignisses, mj?n 3 . D» und p t sind bei Qoheleth nur Zeit-, nicht Schicksalsbegriffe, wie aus der Wendung 3,1 hervorgeht, daß alles (bD) bzw. jedes Geschehen ( f ö n "73), also p"?n wie WS oder m p ö , seine bestimmte zeitliche Dauer (Dl?) bzw. seinen Zeitpunkt (JöT) habe 4 . Daß nach dem Glauben Qoheleths alle diese Ereignisse zu ihrer Zeit durch den Gott des Mose und der Propheten bewirkt werden, steht außer Zweifel, auch wo dies nicht ausdrücklich gesagt ist. Dabei liegt, wie in der Erläuterung des Textes zu zeigen sein wird, das Interesse Qoheleths stärker noch bei der Lehre von der göttlichen Autonomie als bei der von der Determination überhaupt. Schicksal ist ihm die Gesamtheit der göttlichen Fügungen. Somit steht hierin Qoheleth mit dem übrigen A T neben Ägypten gegen den griechischen Schicksalsbegriff8. Sein Primat der göttlichen Autonomie läßt ihn jedoch die in jedem Augenblick freie Entscheidungsmöglichkeit betonen, so daß sich ein Hinweis auf langfristig gültige Vorbestimmungen wie in der ägyptischen Literatur der Ersten Zwischenzeit und des Mittleren Reichs 6 allenfalls einmal findet. Aus einer textlich leider unklaren Stelle (6,10) könnte man die Aussage eines weitreichenden ( 1 3 3 ) Bestimmens (K1j?l) und Vorwissens (snui) herauslesen, doch wäre damit die Lehre von der göttlichen Freiheit nicht aufgehoben. Die Lehrer altorientalischer Weisheit sind keine Systematiker. Diese grundsätzlichen und wichtigen Parallelen geben jedoch offensichtlich keine Veranlassung, einen Einfluß der ägyptischen Literatur auf das Glaubensbild Qoheleths anzunehmen. Jeder Zug seiner Sicht von Fügung und Führung entspringt folgerichtig dem Glaubensdenken Israels, wobei lediglich die Geschichtslosigkeit der Weisheitsliteratur zu berücksichtigen ist. Wo an einzelnen Stellen ein Einfluß vermutbar wird, so betrifft er nicht den Gehalt, sondern nur Wendungen und Bilder; ein für Qoheleth typischer Bereich der Entlehnung, der sich auch in seinem Verhältnis zum Buch Hiob bestätigt. Inhaltlich ist dieses Material so vollständig in sein Glauben und Denken eingeschmolzen, daß es allenfalls klärend und bereichernd, aber niemals bestimmend wirkt. Eines der großen Probleme Qoheleths, die von ihm entschieden negativ beantwortete Frage der Vergeltung nach dem Tun, kann in diesen Vergleich nicht einbezogen werden, da sie in seiner Zeit offenbar durch beide Religionen hindurchgeht. 1

Näheres s. S. 127. Siehe ebd. 3 Siehe ebd. 4 So auch in der Zuordnung 371S1 TIS (9,11). Sehr charakteristisch für diese aus dem Bewußtsein einer ständigen gottlichen Fügung erwachsene punktuelle und sachliche, nie personhafte Schicksalsbetrachtung im A T ist die viel zitierte Stelle Ps. 51,16 (Luthertext) „Meine Zeit steht in deinen Händen", in der im M T der hier für den Sachgehalt stehende Zeitbegriff im Plural ( T i n S ) erscheint, also sinngemäß etwa mit „meine Lebensituationen" zu übersetzen wäre. 5 Vgl. Morenz/Müller, S. 35. 6 Ebd. S. 7 u. ö. 2

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Begründet sie, durch das Buch Hiob vorbereitet, in Israel Qoheleths Opposition gegen die Weisheit der Proverbien, so scheinen auch in Ägypten beide Auffassungen nebeneinander bestanden zu haben. E . Otto 1 schreibt von einer Glaubenssicht, die er aus den Biographien dieser Spätzeit erschließt: „Die gleichsam naturgesetzliche Folge von guter Tat und Lohn ist aufgehoben und in die Hände eines fallweise entscheidenden, persönlichen, willenbegabten Gottes gelegt, Seinem Willen und seiner Unerforschlichkeit können nur Glaube und Hoffnung seitens des Menschen entgegengestellt werden." E . Otto charakterisiert diese Frömmigkeit als die eines kleinen, soziologisch dem Tempeldienst nahestehenden Personenkreises, von dem er sagt: „Mit Geist und Kultur, reichem Wissen um die Vergangenheit und spürbarer Skepsis ausgestattet, führen sie eine späte, überreife Blüte herauf." 2 Das erinnert sehr an den Kreis des jerusalemischen Tempeladels der Ptolemäerzeit, in dem wir Qoheleth zu suchen haben, der, wie die schnelle und unwiderrufliche Aufnahme seines Buches zeigt, in seiner geistigen Haltung gewiß nicht so einsam war, wie man nach der Einzigartigkeit seines Buches im alttestamentlichen Kanon meinen könnte; nur daß dieser Kreis nicht in der Müdigkeit einer absterbenden Spätkultur resignierte, sondern in der historischen Kontinuität die Verantwortung des politischen Wirkens auf sich genommen hatte, und dieser Zug zur Aktivität sich der Skepsis bediente statt ihr zu erliegen. Aber der Glaube an die fast mechanistisch verstandene Vergeltung nach dem Tun war mit dieser überscharfen Sicht eines kleinen, geistig hochgespannten Kreises nicht etwa überwunden, sondern blieb in allen darunter liegenden Schichten der Volksreligion, und sicher auch in Gestalt mancher Mischformen, wirksam, historisch jedenfalls wirksamer als die ehrfürchtige Skepsis Qoheleths, die bis heute in der Praxis der Religionsgemeinschaften, die sein Buch als kanonisch annahmen, keinen rechten Ort gefunden hat. Ein solches Nebeneinander unterschiedlicher Stufen des Weltbildes wie der religiösen Erkenntnis zeigt auch das späte, wahrscheinlich ebenfalls der Ptolemäerzeit zugehörige Weisheitsbuch des Papyrus Insinger, das einerseits ganz klare Aussagen einer undurchschaubaren göttlichen Fügung enthält, andererseits in sehr zahlreichen Sprüchen die Überzeugung von einer Vergeltung nach dem Tun bewahrt und sogar in einer allen früheren Weisheitslehren fremden Verengung am Gott der Heimatstadt festhält (28,4), um das Begräbnis im heimatlichen Boden bangt (28,7), davor warnt, auch einen kleinen Gott nicht zu vernachlässigen — er könnte es übelnehmen! (24,6), und ermahnt, die geheimnisvolle Macht des Amuletts nicht zu mißachten (24,8; 31,22). Wir stehen hier also nicht vor dem Problem einer literarischen Wechselwirkung, sondern vor einem in beiden Bereichen erscheinenden religionssoziologischen Phänomen. Nur in aller Kürze sei darauf hingewiesen, daß eine gründliche Untersuchung der Beziehungen zwischen dem Papyrus Insinger und dem Buch Qoheleth sehr erwünscht wäre. Die sachlichen und bildhaften Berührungen beider Werke sind so außerordentlich zahlreich, daß mit einem literarischen Kontakt gerechnet werden 1

Ägypten. Der Weg des Pharaonenreiches. }. Aufl., Stuttgart 1958, S. 260ff. 2 ebd. S

Der Prediger

58

Historisch-literarische Einleitung

muß. Dabei sind jedoch die Aussagen zur gleichen Sache oft gegensätzlich oder doch im Akzent stark abweichend. Die höhere geistige Geschlossenheit und Originalität des Denkens und Formens liegen zweifellos bei Qoheleth, doch ist damit noch keinesfalls entschieden, daß auch die Priorität bei ihm liegen müßte. An einzelnen Stellen erscheint es eher so, daß er bereits eine Auseinandersetzung mit dem Pap. Insinger führt. Bei der derzeitigen Quellenlage wäre wohl eine solche Untersuchung eine Gemeinschaftsaufgabe für einen Kenner des Demotischen und einen Hebraisten, falls nicht ein interessierter Fachmann in der glücklichen Lage ist, beide Eigenschaften in sich zu vereinigen. Die im Zusammenhang mit der Frage einer aramäischen Übersetzungsliteratur erwähnte, dem Achiqar-Roman angefügte Spruchsammlung zeigt Parallelen zu Sentenzen Qoheleths, die bei der Wahrscheinlichkeit, daß ihm das im aramäischen Sprachbereich offenbar sehr beliebte Literaturwerk bekannt war, der Beachtung bedürfen. Im Fragment von Elephantine erscheint in Kol. VII, Z. 98 1 die Mahnung, sich vor gefährdender Rede zu bewahren, in Verbindung mit dem Bild vom Wort als einem Vogel, den man nicht zurückholen kann; eine Sentenz, die in Qoh. 10,20 ihre sachliche Parallele hat, nur daß er sich, als des Zeichens der äußersten Gefährdung des Redenden, des Märchenbildes vom Vogel bedient, der das Wort weiterträgt. In der gleichen Kolumne enthalten die Zeilen 100—108 Mahnungen zur Vorsicht gegenüber dem König mit Hinweisen auf seine Macht, die auch in Einzelheiten an die als fremde Rede eingeführten Mahnworte in Qoh. 8,2—4 erinnern. Auf Zeile 101 haben schon H. L. Ginsberg und v. d. Ploeg zur Klärung des zweifelhaften ""IN in 8,2 verwiesen 2. Vielleicht aber liegt mehr vor als eine sprachliche Parallele, nämlich eine literarische Reminiszenz, die neben dem in dieser Arbeit gebotenen Übersetzungsversuch „Ich (hörte) . . . " auch die Fassung „Ich (las) . . ." erlauben würde. Nur auf dem Achiqar-Text beruht die aus vielfältiger Erfahrung hervorgegangene und auf die Vergeltungsfrage zugeführte Sentenz Qoheleths gewiß nicht. In der an ihrem Ende schadhaften Zeile 142 (Kol. X) enthalten die AchiqarSprüche die Sentenz: „Mit einem, der höher steht als du, gehe nicht in einen Rechtsstreit." Ein allgemeines Mahnwort, dessen Aufnahme in Qoh. 6,10: „Der aber kann nicht rechten mit Dem, der mächtiger ist als er." aber für dessen Verwendung solcher Anregungen typisch wäre. Die Übertragung zwischenmenschlicher Beziehungen auf das Verhältnis zwischen Mensch und Gott bei einer Textentlehnung findet sich auch (hier umgekehrt) zwischen Qoh. 8,4 und Hiob9,i2 3 , und das Wechselspiel zwischen einem Nicht-Sollen und einem NichtKönnen zwischen Deut. 4,2; 13,1 und Qoh. 3,i4 4 . Diese Parallelen zeigen eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Bezuges, reichen aber offenbar bei der mangelnden sprachlichen Kongruenz und der sachlichen Allgemein1 2

Alle Stellenangaben nach Cowley. Siehe die Erläuterung zur Übersetzung d. St.

3 Siehe S. 64. 4 Siebe S. 135.

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gültigkeit ihrer Inhalte nicht aus, einen sicheren Nachweis der Beeinflussung Qoheleths durch die Achiqar-Sprüche zu führen. So ist auch hier, wie allgemein in seiner Beziehung zu den fremden Literaturen, vieles möglich, manches wahrscheinlich, nichts sicher. Der geistes- und literaturgeschichtlich so anregende Vergleich der Parallelen zwischen dem Qoheleth-Text und den anderen Werken der Weisheitsliteratur, besonders den ägyptischen Texten, wie er in älteren Arbeiten und auch auf den vorhergehenden Seiten versucht wurde, darf nicht zu einer Täuschung über den begrenzten Wert des Verfahrens führen. Zwar bleibt diese Methode des Vergleichs der erhaltenen Materialien die für die heutige Forschung einzig mögliche, aber es darf nicht die Illusion entstehen, als sei damit das Buch Qoheleth mit der ägyptischen Weisheitsliteratur verglichen, die, auf welchem Wege immer, Qoheleth zu seiner Zeit bekannt sein konnte und die vielleicht auf sein Werk eingewirkt haben kann. Es ist nicht die Selbstverständlichkeit zu vergessen, daß in Ägypten wie in Israel unendlich viel mehr verlorenging, als die Zufallsfunde der Grabungen ans Licht förderten oder als uns im alttestamentlichen Kanon tradiert wurde. Qoheleth kann ganz andere Werke dieser internationalen Weisheitslehre vor Augen oder im Gedächtnis gehabt haben als wir kennen, und selbst wo wir vielleicht mit Recht eine inhaltliche Entlehnung etwa aus der Lehre des Ptahhotep zu sehen meinen, können wir allenfalls vom Einfluß eines nachweislich schon im Alten Reich entstandenen ägyptischen Stoffes sprechen, aber Qoheleths Quelle kann bei der üblichen, beinahe pflichtgemäßen Tradierung der Lehren ein anderer Text gewesen sein als derjenige, der uns im Papyrus Prisse erhalten blieb. Dazu kommt die gerade in den letzten Jahren (z. B. für die Lehre des Amenemope) vielfach erörterte Möglichkeit der Einwirkung semitischen Weisheitsguts auf die ägyptische Literatur. Selbst wo also Einflüsse anzunehmen sind, kann bei diesem großen, Jahrtausende alten Beziehungsgefüge der ägyptisch-vorderasiatischen Weisheit der literarische Prozeß viel komplizierter sein, als daß wir bei unseren spärlichen und zufälligen Materialien je Aussicht hätten, ihn mit völliger Sicherheit zu erhellen. Höchstens kann ein deutliches Lokalkolorit geographischer oder kultureller Natur den Ursprungsbereich bestimmen. Nur mit dem Blick auf diesen wechselwirksamen Gesamtbereich, der räumlich und zeitlich fast die ganze Kulturgeschichte Ägyptens, Syrien-Palästinas und Mesopotamiens umfaßt, ist mit sehr behutsamer Zurückhaltung in den Folgerungen die vergleichende und Verbindungen aufspürende Erforschung der Weisheitsliteratur des Alten Orients erlaubt.

8. D I E B E Z I E H U N G E N ZUR BIBLISCHEN

QOHELETHS LITERATUR

Da Qoheleth im Judentum aufwuchs zu einer Zeit, als dieses bereits, auch solange der Tempel noch stand, in hohem Maß zur Buchreligion geworden war, sind Beziehungen seines Buches zu den Schriften des alttestamentlichen Kanons mit Sicherst

6o

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heit zu erwarten. Allerdings sind sie nicht immer deutlich. Dies bedeutet nicht, wie man gern annimmt, daß sich Qoheleth stark von den Glaubenstraditionen Israels gelöst habe. In den Kernfragen ist er sehr nahe geblieben. Die Ursache liegt vielmehr im aphoristischen Charakter seines Buches, der den Selbstverständlichkeiten keinen Raum gibt, als auch in der gedanklichen Eigenständigkeit, mit der der Verfasser die ihm problematischen Fragen behandelt. Von direkten Beziehungen zu anderen Büchern des Kanons kann deshalb nur dort gesprochen werden, wo Entlehnungen des Wortlauts oder eigenartiger Bilder nachweisbar sind, oder eine Auseinandersetzung des Autors mit einer älteren Schrift deutlich oder stark vermutbar wird. B E Z I E H U N G E N ZU D E N S C H R I F T E N A U S S E R H A L B DER WEISHEITSLITERATUR

Der Einfluß der Thora ist an mehreren Stellen erkennbar. Die Aussagen Qoheleths, daß der Mensch zum Staube zurückkehrt, von dem er genommen ist (3,20; 12,7) haben sicher ihren Ursprung in Gen. 3,19. Zur wahrscheinlichen Beziehung zwischen Gen. 22 und der Wahl des Gottesnamens OVI^Xn siehe S. 1 3 1 . Zur Variante der Ptahhotep-Deuteronomium-Formel „Du sollst zu diesem Wort nichts hinzutun und nichts von ihm wegnehmen" in Qoh. 3,14 siehe die Einführung zur Stelle S. 135. Die nachdrückliche Aufforderung, Gelübde zu halten (5,3fr.) hat ihr Gegenstück im Gesetz in Num. 30,2f. und in der vollständigeren Parallele in Deut. 23,21 ff., die Wendung ton rtMtf (5,5) ein wörtliches Vorbild in Num. 15,25!. Auch Qoh. 4,17b, 5,1 b"und 5,6 sind deuteronomischen Ursprungs. Siehe hierzu die Einführung zu den Stellen S. 139 f. Mit dieser Reihe abgewandelter DeuteronomiumZitate zeigt sich der pädagogisch-methodische Charakter dieser gewagten Varianten und wird zugleich die vielumstrittene Perikope 4,17—5, 6als in ihrem Grundgehalt durchgehend deuteronomisch erwiesen. Gerade hier im kultischen Bereich muß Qoheleths Zusammenhang mit der Tradition ganz ernst genommen werden trotz der Kühle des Ausdrucks. Qoh. 7,7 sagt wie Ex. 23,8 und Deut. 16,19, daß Bestechung den Menschen verdirbt. Eine Entlehnung ist durch den Anklang der Variante des Qumrän-Fragments in 7,7 ( m y statt MT Ex. 23,8 und Deut. 16,19 wahrscheinlicher geworden. Die Aussage in Qoh. 7,20, kein Mensch sei so gerecht, daß er nie fehlte, hat offenbar ihr kürzeres Vorbild in 1. Kön. 8,46. Die Darlegung in Gegensatzpaaren, die in Qoh. 3,1 ff. dem Ausdruck der Totalität des Geschehens dient, ist mehrfach in den prophetischen Schriften vorgebildet, und zwar in Parallele zu Qoh. 3,2.3 sechsmal bei Jeremia ( 1 , 1 0 ; 18,7.9; 24>6; 31,28; 42,10; 45,4) sowie in Ez. 36,36 und Mal. 1,4. In allen Jeremia-Stellen und bei Eze1 Vgl. S. 140.

Historisch-literarische Einleitung

61

chiel erscheinen im positiven Sinn die Verben HJ3 und 57Ö3 wie in Qoh. 3,2.3, bei Maleachi nur H13 zum alleinigen Gegenwort D1H. Die negativen Begriffe sind dagegen nicht identisch. Bei Qoheleths vielfach nachweisbarer Vorliebe für die Übernahme einprägsamer formelhafter Wendungen und deren Verwendung in einem veränderten Sinn darf trotz der verbalen Unvollständigkeit der Parallelen wohl Jeremia als der Anreger der formalen Gestaltung des Anfangs von Qoh. 3 angenommen werden. Inhaltlich ist dagegen das Gegensatzpaar a n s — KltP (Qoh. 3,8) im Sinn dieser Stelle (nicht aber in 9,1!; s. S. 54f.) zu allgemein und zu zahlreich belegt (s. S. 54, Anm. 3), als daß eine Quelle Qoheleths gesucht werden könnte. Die Betrachtung in Qoh. 8,1 ff. ist mit einer rhetorischen Frage in konventioneller Formel eingeleitet, die zwar keine wörtliche Entsprechung hat, sich aber mit gleichem Aufbau und stark anklingendem Vokabular in Jer. 9,11 und Hos. 14,10 findet. Diese formalen Parallelen erweisen die vielfach bestrittene Richtigkeit der Abgrenzung der Kapitel 7 und 8. Siehe hierzu S. 148, Anm. 2. ^sVön in Qoh. 5,5 weist nicht zwingend auf einen Zusammenhang mit Mal. 2,7. Bei Qoheleth kann der Tempelbote gemeint sein, der versprochene Gaben abholt. Möglich wäre dagegen eine bildhafte Reminiszenz (Mauer . . . Schlange) von Arnos 5,19 zu Qoh. 10,8. Sie scheint das ergänzende Mittelstück zu einer Entlehnung aus Prov. 26,27 zu bilden. Schwieriger zu beurteilen ist die Frage einer Beziehung Qoheleths zum 49. Psalm. Wörtliche Entsprechungen finden sich nicht, doch ist eine auffallende Häufung paralleler Gedanken und Bilder zu beobachten. Der Kehrreim des Psalms (V. 13.21) hat eine Entsprechung in Qoh. 3,19. Daß der Weise sterben muß wie der Tor (V. 11), ist eine der traurigsten „Nichtigkeiten" bei Qoheleth (2,15 f.). Ebenso beklagt er mit dem gleichen Psalmvers, daß man seinen Besitz einem Anderen zum Erbe überlassen muß (2,i8f.). Folgerichtig sagt der Psalm in V. 18 wie Qoh. 5,14b, daß dem Menschen im Tode nichts von seinem Besitz bleibt. Ps. 49,10 erinnert an Qoh. 6,3 im Verständnis der Masoreten. Liegt hier die Anregung zu der typisch umgeformten Wendung WITTN1? flTDp'DJl, in der allerdings die Emendation des M T (Ju statt l o ) im Zusammenhang des Textes trotzdem erforderlich bleibt? Und finden wir hier die Ursache der masoretischen Punktation? Sämtliche Parallelen sagen zu allgemeingültige Wahrheiten aus, als daß man von der einzelnen Stelle her eine Beziehung behaupten dürfte. Ihre Häufung, besonders die geschlossene Parallele Qoh. 2,15—18 zu Ps. 49,11 legen es jedoch nahe, eine Kenntnis des Psalms bei Qoheleth anzunehmen. Auffällig ist auch die Gleichsetzung des Menschen mit dem Vieh (Ps. 49,13.21; Qoh. 3,19), die außer an diesen Stellen im gleichen Sinne nur noch in Hiob 18,3 erscheint. Es wäre wohl verständlich, wenn unter den Psalmen gerade dieser Weisheitspsalm bei seiner Nähe zu Ps. 73 und zum Hiob Qoheleth besonders eindrücklich geworden wäre und zur Prägung seiner Gedanken beigetragen hätte. Die. Parallelen genügen, um die Schriftkenntnis und die innere Bindung Qoheleths in dem Maß aufzuzeigen, das von seinem Buch erwartet werden darf.

62

Historisch-literarische

DIE B E Z I E H U N G ZU DEN

Einleitung

PROVERBIEN

Inhaltliche Parallelen zwischen Qoheleth und den Proverbien sind häufig, aber ohne Interesse für die Frage der Beziehung, da sie in ihrer Allgemeingültigkeit auch aus gemeinsamem Traditionsgut stammen können. Einige wenige Fälle könnten auf einen Zusammenhang deuten: Prov. 1 , 1 9 und Qoh. 7 , 1 2 sprechen bei sonst unterschiedlichem Inhalt beide davon, daß der Reichtum nicht fähig ist, seinem Besitzer das Leben zu bewahren. Prov. :n¡?'' V'rsa I^SITN Qoheleth wendet die Aussage positiv hinsichtlich der Weisheit: t r r V s a rrrm nannn Prov. 1 3 , 2 2 b meint, daß der Reichtum des Sünders'dem Frommen zufallen werde. Qoh. 2,26 behauptet die Verteilung durch Gott unabhängig von ethischen Prinzipien. Hier wäre eine Polemik möglich, doch könnte sie sich auch gegen Hiob 27,17 richten. Qoh. 10,4 wirkt wie eine erweiterte Fassung von Prov. 16,14, wobei die „Brec h u n g " der Sentenz in 10,5—7. e i n typisches Beispiel dafür bietet, wie Qoheleth solches Gedankengut in seinem Sinne verarbeitet. Qoh. 7,8 b, ein Spruch aus der Reihe der Sentenzen in der klassischen Form, hat eine fast wörtliche, aber von Qoheleth inhaltlich rein psychologisch gewendete Entsprechung in Prov. 16,32: Prov. 16,32 Qoh. 7,8 b

T O M C B K TpN 310 : T S T3 1 ?» i r r n a Vtrtoi r m v r n j » n n - s p s mo

Der Grundgedanke der Sentenzen über die Gefährlichkeit der fremden Frau ist Allgemeingut der Weisheit, auch in Qoh. 7,26 und Prov. 22,14. Auffällig aber ist der gemeinsame Zusatz, daß der Zorn Gottes in diese Gefahr stürzen bzw. nur seine Hilfe davor bewahren kann: Prov. 2 2 , 1 4 b Qoh. 7,26b

iDtf-Vs 1 m r r di»t nina bVö dtiVsm •'iB1? 3 1 0 : r n id1?1 xoim 1

Die Möglichkeit eines Zusammenhanges zwischen Prov. 26,27 und, Qoh. 10,8 wurde bereits im vorigen Abschnitt erwähnt. E s läßt sich also als wahrscheinlich erweisen, daß Qoheleth die Proverbien kannte und gelegentlich auswertete. DIE BEZIEHUNG

ZUM BUCH

HIOB

Seit längerer Zeit wird vermutet, daß Qoheleth das Buch Hiob kannte, und daß sich in seinem Werk Spuren dieser literarischen Begegnung finden. Die Aufmerksamkeit richtete sich dabei, wie bereits erwähnt 1 , auf die Stelle 6 , i o f . , in deren A b weisung eines Redens und Rechtens mit Gott man, wahrscheinlich mit Recht, eine versteckte Polemik gegen das Hiobbuch in seiner Gesamtheit sah. E i n gleiches Ver1

Siehe S. 29.

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hältnis könnte zwischen Qoh. 2,26 und Hiob 27,i6f. vermutet werden. Das Hiobbuch behauptet als das Ende des Freylers: „ Wenn er auch Silber anhäuft wie Staub und Gewänder fertigt wie Lehm, so fertigt.er (sie), doch der Gerechte bekleidet sich (damit), und das Silber teilt der Schuldlose." Qoheleth konstatiert die Verteilung der Gaben wie die Zuweisung der Mühe durch Gott nach undurchschaubarer Wahl, unabhängig vom religiös-ethischen Verhalten des Menschen. „Denn dem Menschen, der ihm wohlgefällt, gibt er Weisheit,'Erkenntnisund Freude, dem Mißfälligen aber die Mühe des Sammdns und Erwerbens und das Gut dann dem, der ihm recht ist." Die Beziehung ist in diesem Fall allerdings nicht beweisbar, da, wie oben erwähnt, die Polemik sich auch gegen den parallelen Vers Prov. 13,22 richten könnte. Diese Versuche bleiben also in der Vermutung. Beweisend sind dagegen* die bisher nicht ausgewerteten Stellen, in denen eine literarische Abhängigkeit Qoheleths aus dem Wortlaut ersichtlich ist. In Kap. 6 berichtet Qoheleth von dem „Übel, das er sah unter der Sonne", daß einem Menschen alles Gut der Erde gegeben sei, Gott ihn aber nichts davon genießen lasse. Zur Aussage seiner Meinung über dieses Elend bedient er sich in bewußter oder unbewußter Erinnerung der Bilder aus der Klage Hiobs: Hiob 3

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5

Bei völlig verschiedenem Inhalt ist die Parallele der wesentlichen Begriffe und Bilder vollständig. Die wünschenswerte Ruhe: OTT (Hiob V. 13) = nni (4QQ0I1.: nnil; Qoh. V. 5); das ehrenvolle Begräbnis, breit geschildert bei Hiob (V. 13—15), bei Qoheleth zusammengefaßt in dem Begriff HTOp (V. 3 b); das im Vergleich drastische Wort "?B1 (Fehlgeburt), das außer diesen beiden Stellen nur noch einmal (Ps. 58,9) im Kanon erscheint, und wovon gesagt wird, daß sie das Licht nicht sah: n x 1 X V X 1 ? (Hiob V. 16), n X T X b tttottTB) (Qoh. V. 5) 1 . Diese Gleichheit 1

Die gemeinsame Verwendung von «7D2 haben einige Kommentatoren vermerkt. Die Parallele

v o n -I1X 1 X T X 1 ?

und

nxTxV tfatf" a)

rischen Beziehung zu verfolgen.

hat L e v y [58] gesehen, aber ohne die Frage der litera-

64

Historisch-literarische

Einleitung

beruht weder auf allgemeinen Formeln der Weisheitsliteratur, noch dürfte von einer zufälligen Ähnlichkeit des Ausdrucks gesprochen werden. In Qoheleth 8,4 steht eine Warnung, im Umgang mit dem allmächtigen König voreilig und unvorsichtig zu handeln. Bei ihrer Formulierung erinnert sich der Verfasser einer Aussage Hiobs über die der menschlichen Kritik unerreichbare göttliche Allmacht: urrtf 1 •>» finrr p :nfe»rrn» vVk JlöVtf ^ » " m ItfiO :nfe»rrn» V? i ö v

Hiob 9,12 Qoheleth 8,4

Auch hier dürfte die fast wörtliche Abhängigkeit nicht zu übersehen sein. In 5,12 ff. schildert Qoheleth die Armut eines Mannes, dessen Reichtum durch ein Unglück verlorenging. Der Mann ist am Ende seines Lebens wörtlich „arm wie Hiob". Man vergleiche: Hiob 1,2 i a

VM ]Ö3Ö "•n(K)S'» DI» aitfa m s i ]Ö3» KS" ItfiO :«nttb m V ? n t f 1 a n »

Qoheleth 5,14a

Der gleiche Tatbestand, das gleiche Bild in den gleichen Worten, aber ohne Hiob 1,21b1! Qoheleth übernimmt also Bilder und Wortprägungen, aber keinen Gedanken des Hiobbuches. In seiner Substanz ist ihm dieses Werk zur Zeit der Abfassung seines eigenen Buches offenbar fremd geworden. Die Kritik, sofern sie angenommen werden darf, ist nur beiläufig. Aber er muß einmal ein sehr aufmerksamer Leser des Hiob gewesen sein. Solche bildhaften Erinnerungen und gedanklichen Assoziationen wachsen einem Autor im hohen Alter schwerlich aus einer früheren flüchtigen Lektüre zu. Dürfen wir uns vorstellen, daß das Hiobbuch einmal in seiner geistigen Krisenzeit für ihn von Bedeutung war? Die Vermutung wäre unbeweisbar, aber unmöglich wäre sie nicht. Der Anstoß aus dem Glaubensdenken Israels ist auch für Qoheleth sehr viel wahrscheinlicher als alle spekulativen Bezüge auf die griechische Philosophie und die literarischen Vorbilder der vorderasiatischen Umwelt. 9. D A S V E R H Ä L T N I S

DER APOKRYPHEN

ZU

QOHELETH

QOHELETH UND SIRACH

Das Buch des Jesus Sirach wurde für älter gegenüber Qoheleth gehalten, bis die Auffindung eines Teiles des hebräischen Originals in der Kairoer Geniza 2 durch 1 Gordis [33] erwähnt die Parallele, hält aber den Gedankengehalt für zu allgemein, um eine Reminiszenz annehmen zu können. Der Wortlaut sollte jedoch überzeugen. 2 Die Geschichte dieses Fundes bei Kahle, The Cairo Geniza, 2. Aufl., Oxford 1959.

Historisch-literarische

Einleitung

65

S. Schechter1 den Nachweis der Priorität Qoheleths und der literarischen Abhängigkeit Sirachs ermöglichte2. Dieses Ergebnis findet heute allgemeine Anerkennung bis auf Pfeiffer 3 , der die Prioritätsfrage für unlösbar hält. Damit ist eines der wesentlichsten Indizien für die Abfassungszeit des Buches »Qoheleth gegeben. Die Untersuchung des Verhältnisses der beiden Schriften ergibt zahlreiche Parallelen, bei denen man neben Fällen, die für sich eine Entscheidung nicht erlauben würden, weit überwiegend den Eindruck einer Ursprünglichkeit Qoheleths gewinnt. Die nachstehenden Beispiele bieten nur einige Proben 4. Qoh. 3,11 Sir. 39,16

: w » a ns"» nfes ^an-nx a^aiD dVd Vx -fcsa : p O s c w s a i n s Vai

Alle Werke Gottes sind gut; all dein Gebilde befriedigt Qoh. 4,8 Sir. 14,4

seiner Zeit.

•'»Vi :nauja utorns nonai inx 1 ? PP" 1 wsj(a) sna n t » a s a i v inaiüai

Wer sieb das Nötige entzieht, sammelt für einen Anderen, und an seinem Gut freut sich ein Fremder. Qoh. 8,1 Sir. 13,25

v i s T u n m s naan VIS m :V2Q NM1 tfllN 3*?

Des Menseben Herz verändert sein Angesiebt. Qoh. 9,10

Sir. 14,16

patfm nfesa pN •o Vixtfa naam nsnf :natf i'rn nn« ntf« :jns?n tfpa1? Vixtfa px n

Denn in der Unterwelt ist keine Freude Qoh. 11,9 Sir. 14,11 Mein Sohn,...

suchen.

•j-rvnV'a Tina nafe :-[nmna -wa -p 1 ? • j a - w anrn "i1? fr dx "•» wenn dir (Gutes gegeben), ist, laß' es dir wohl geben.

1 The Wisdom of Ben Sita. Portions of the-book of Ecclesiasticus from Hebrew Manuscript in the Cairo Geniza Collection, Cambridge 1899. 2 Ausführliche Darlegungen bei Nöldeke [67], Levy [58], Hertzberg [44] Gordis [35]. 3 [69] S. 100. 4 Der hebräische Sirach-Text dieses Kapitels nach R. Smend, Die Weisheit des Jesus Sirach, Berlin 1906.

66

Histoiisch-literarische

Qoh. 12,7 Sir. 40,11

Einleitung

rrntzto p a n - 1 ? » nasn aizh taviVxn-VK aiitfn n n m 318?» pK» :nvi» *?s a n a a -itfsi »

,

Alles, was von der Erde ist, kehrt %ur Erde zurück, und was aus der Höhe ist, %ur Höhe. Im letzten Beispiel bildet die (äußerst fragliche) Möglichkeit eines späteren Einschubes bei Qoheleth kein Gegenargument, da, wie die folgende Gegenüberstellung zeigt,, auch der Epilog schon Sirach vorgelegen hat. Ein interessanter Beweis für das nach den historischen Erwägungen zu erwartende sehr frühe Entstehen des überlieferten Textes. \ Qoh. 12,13 Sir; 43,27

»Ötft IST H"® 1011 KV nVND TIS ¡•rsn sin IST f p i

Mehr als dieses wollen wir nicht sammeln; ist doch Er das Ende des Ganzen1. Das entscheidende Beispiel bietet, wie schon Nöldeke 2 bemerkt hat, die Parallele zwischen Qoh. 3,15 und Sir. 5,3: Qoh. 3,15 Sir. 5,3

:ij*nrjiK »pa 1 a ^ x m ' ra-'aTU tfp3Ö "O

Denn Jahwe sucht die gleichbleibenden Dinge. Levy 3 hat dargelegt, daß dieses Wort bei Sirach nicht schon eine Warnung des Weisen ist, sondern noch zur Rede des Leichtfertigen gehört. Die eigenständige Formulierung Qoheleths war also zur Zeit Sirachs bereits in entstellender Anwendung zur sprichwörtlichen Redensart geworden, gegen deren Frivolität sich die Mahnung des Verfassers richtet. Damit ist die Priorität Qoheleths eindeutig erwiesen. Die Stellung Sirachs zu Qoheleth ist zustimmend und frei von direkter Kritik, wenn auch die kühne Eigentümlichkeit Qoheleths öfter in frommer Wendung zum Stil der späteren Zeit abgebogen erscheint. QOHELETH

UND „WEISHEIT

SALOMOS"

Im Gegensatz zu der positiven Stellung des Sirach gilt vielen Kommentatoren4 das Buch der „Weisheit Salomos" als eine Schrift, die sich eine Ablehnung und Widerlegung Qoheleths ausdrücklich zum Ziel gesetzt hat. Tatsächlich finden sich besonders in Weisheit 2,1—10 zahlreiche, den „Gottlosen" in den Mund gelegte 1

Die Übersetzung ist unsicher. Vgl. Smend z. St.; der Text hat im Aufbau die gleiche Unklarheit wie die parallele Qoheleth-Stelle. 2 4

3 [67][58] S. 2 7 ff. Hempel, Levy, Pfeiffer, Ranston, Pedersen, Gordis; Leipoldt/Morenz[57] S. 44 mit Vorbehalt.

Historisch-litcrarische

Einleitung

67

Meinungen und Aussprüche, die wie eine direkte Polemik gegen Qoheleth wirken 1 . Daß das Leben kurz und der Tod unabwendbar ist (V. 1), im Tode der Körper zu Asche wird (V. 3), der Name vergessen wird, niemand der Toten gedenkt (V. 4), man also am besten tue, die Güter dieser Erde, Wein und Sälben zu genießen (V. 6), ist auch bei Qoheleth zu lesen. Aber mit diesen allgemeinen Betrachtungen sind die Parallelen auch zu Ende. Daß der Geist des Menschen im Tode vergeht wie flüchtige Luft (Weish. 2,3), steht nicht bei ihm, sondern daß der Geist zurückkehrt zu Gott, der ihn gab (12,7); auch nicht, daß wir durch Zufall wurden (Weish. 2,2). Völlig fern liegen natürlich Qoheleth die Folgerungen, daß man den gerechten Armen bedrücken, die Witwe nicht schonen, auf das Alter keine Rücksicht nehmen solle (V. 10), daß die Kraft der Maßstab der Gerechtigkeit sei (V. 11), daß man den Gerechten quälen solle, um zu sehen, wie weit seine Kraft geht, und ob Gott ihm hilft (Vv. 12—20), weil er lästig ist und anderen Wesens (V. i4f.). Es scheint also, selbst wenn man die ärgsten Zuspitzungen dieser Kapuzinerpredigt wegnimmt, im Alexandrien des 1. Jahrhunderts v. Chr. eine ethisch entwurzelte „Herrenschicht" gegeben zu haben, aber Schüler Qoheleths sind das nicht. Hertzberg 2 meint, die Auseinandersetzung zeige, daß er Schule machte und Schüler hatte. Aber Qoheleth ist zu sehr homo pro se, sein Buch ist viel zu stark in seinem Wesen und seiner Lebenslage begründet, als daß er eine Schule hätte bilden können. Erasmus von Rotterdam, auch Friedrich Nietzsche und Jacob Burckhardt sind hierin Parallelfälle. Wohl ist es wahrscheinlich, daß sein Buch, dessen Gedankenführung dem Verfasser der „Weisheit" widerstreben mußte, bald auch Alexandrien erreichte, und damit jeder dortige Leser herausnehmen konnte, was ihm faßbar war und seinem Charakter entsprach. Das ist aber keine geistige Nachfolge, sondern das Verfahren der törichten Erben, die sich selbst nicht gemüht haben 3 . Das Urteil von Delitzsch 4 , zu dem auch Fichtner 5 kam, dürfte die richtige Mitte treffen: „Nicht gerade eine Gegenschrift, aber doch . . . gegen eine einseitige extremistische Auffassung von Ansichten und Grundsätzen, wie sie Koheleth vorträgt, nicht ohne Bekanntschaft mit diesem Buche gerichtet. Es ist, als ob der Verfasser des Buches der Weisheit in c. 1—5 zeigen wollte, welcher Gefahr des Mißbrauchs im Sinne eines rein materialistischen Eudämonismus die im Buche Koheleth vorgetragene Lebensweisheit ausgesetzt ist."

10. D E R Q O H E L E T H - F U N D V O N

CHIRBET

QUMRÄN

Zu den für die Textgeschichte des Alten Testaments und die Zeitgeschichte der beiden letzten Jahrhunderte v. Chr. so bedeutenden Handschriftenfunden von Qumrän gehören auch Bruchstücke einer Qoheleth-Rolle, die in Höhle IV aufgefunden wurden und die gemeinsame Signatur 4QQoh erhielten6. 1

Für die nachfolgende Zusammenfassung wurde Fichtnet [24] zugezogen.

2 [44] S. 44. 6

3

Qoh. 2,18 f.

4

[ 1 2 ] S. 2 1 9 .

5 [24],

Die Darstellung folgt dem Bericht v o n Muilenburg [66] unter Verwendung des dieser Publi-

kation beigegebenen Fotos der Fragmente.

Historisch-literarischeEinleitung

68

Der Umfang des aus vier Fragmenten bestehenden Fundes ist leider sehr gering. Das größte der Fragmente hat am oberen Rand eine Breite von 174 mm und 58 mm größter Höhe. Sein Text 2ieht sich über den Bereich von drei Kolumnen hin, so daß er eine Kolumne in voller Breite und Teile der ihr benachbarten umfaßt. Die erste Kolumne enthält einige Worte von 5,13—17, die Hauptkolumne größere Teile von 6,3—8 und die dritte fünf Worte von 7,7—9. Das zweite Fragment hat eine Fläche von durchschnittlich 98 mm zu 40 mm. Da es den unteren Rand der mittleren Kolumne des ersten Fragments enthält, kann in Verbindung beider Stücke die Linienzahl der Kolumne geschätzt und damit der ungefähre Gesamtumfang der Rolle bestimmt werden. Die Zeile ist etwa 1 1 cm lang bei durchschnittlich 3 5 Buchstabenräumen. Jede Kolumne hat etwa 20 Zeilen. Die -Breite des oberen Randes ist 15 mm, die des unteren Randes 10 mm. Die Höhe der gesamten Rolle betrug 15 cm. Von den beiden kleineren Fragmenten, die einen Umfang von 40 mal 30 bzw. 22 mal 20 mm haben, gehört das eine unmittelbar vor das zweite Fragment und enthält Text aus 7,1—2, das andere gehört zum unteren Teil der dritten Kolumne des ersten Fragments, steht also links seitlich des zweiten, und enthält Teile von 7,19—20. Die Rolle besteht aus hellem gegerbtem Leder, auf dem die Schrift in. schwarzer Tinte klar steht. Einige dunkle Stellen beeinträchtigen die Lesbarkeit. Das zweite Fragment hat in der dritten Zeile von unten eine größere Radierung; auch die erste Zeile der dritten Kolumne scheint radiert zu sein. Nach dem paläographischen Befund wird die Handschrift etwa Mitte des zweiten Jahrhunderts v. Chr. angesetzt. Damit sind alle späteren Ansetzungen der Abfassungszeit endgültig widerlegt, und die Annahme einer Abfassung im 3. Jahrhundert erfährt eine wesentliche Stütze. Orthographisch steht der Text zwischen den älteren Qumrän-Handschriften und der späteren Zeit. E r hat weniger Piene-Schreibung als 1 Q Jes a , aber mehr als M T . Trotz seines geringen Textumfanges zeigt das Fragment zahlreiche Abweichungen gegenüber M T . E s enthält 18 orthographische Abweichungen, von denen allerdings 1 1 auf den Unterschied zwischen Defektiv- und Piene-Schreibung entfallen, und 10 Textvarianten, unter denen einige bereits in Manuskripten bei Kennicott auftauchen, und zwei im Chajjim-Text der zweiten Bomberg'schen Rabbinerbibel (Venedig 1524/25) erscheinen. Alle Varianten mit Ausnahme der nur in der PieneSchreibung bestehenden sind in den kritischen Apparat der vorliegenden Ausgabe aufgenommen. Einige fragliche Textstellen erfahren eine wertvolle Klärung. In 7,6 wird trotz mangelnder Lesbarkeit dieser Stelle durch die Raumverteilung die als nicht sinnvoll empfundene und deshalb von manchen Kommentatoren gestrichene Formel Dil Van flt bestätigt. Im leider ebenfalls unleserlichen Übergang von 7,6 zu 7,7 zeigt das Fragment einen um etwa 20 Buchstabenräume größeren Raum als nach M T zu erwarten wäre. Damit wird die schon von Delitzsch 1 geäußerte Vermutung bestätigt, daß in M T die erste Zeile von 7,7 ausgefallen ist, der Vers also einer E r gänzung, etwa im Sinne von Prov. 16,8, bedarf. In 7,19 wird das von jeher fragliche i [ i 2 ] S.313.

Historisch-literarische

Einleitung

69

T5?n zu dem schon aus L X X vermuteten "iTVn korrigiert. Außerdem wird der Vers an seinem Platz bestätigt, so daß die mehrfach vorgeschlagene Umstellung hinter 7,11. bzw. 7,12 widerlegt ist 1 , es sei denn, man wolle schon 4QQ0I1 als korrekturbedürftig ansehen. Die in ihrer Position in 6,3 b umstrittenen Worte 1*7 njViVN1? miap'Dll sind leider im Fragment nicht enthalten. Sie müßten in der letzten Zeile der ersten Kolumne stehen. Jedenfalls stehen sie aber nicht an der Stelle zwischen 5 a und 5 b, an die die Korrektoren sie gern setzen möchten 1 . Die orthographische Variante in 6,8 (Verschmelzung zweier Worte unter Ausfall einer mater lectionis) stützt die Hypothese eines phönizischen Spracheinflusses. Dagegen spricht nichts für ein aramäisches Original, wie überhaupt der Beweis des Gebrauchs eines hebräischen Qoheleth in Qumrän in der Mitte des 2. Jahrhunderts die Unwahrscheinlichkeit der Übersetzungshypothese erhöht. Jede künftige Arbeit über Qoheleth wird die Aufschlüsse dieses glücklichen und wertvollen Fundes zu berücksichtigen haben.

11. D I E K A N O N I Z I T Ä T D E S

BUCHES

Die Geschichte des alttestamentlichen Kanons ist nicht im Einzelnen verfolgbar, sondern nur an bestimmten Etappen abzulesen. Sie beginnt mit der nachexilischen Zeit. Die Lesung des Gesetzes vor dem Volk, von der in Neh. 8—10 berichtet wird, begründete, welchen Umfang immer sie hatte, mit bleibender Gültigkeit die Autorität des Pentateuch. Neben ihn trat, im Bewußtsein der Gemeinde durch die synagogale Lesung gefestigt, die Sammlung der prophetischen Schriften. Die Kapitel 44—49 des Sirach zeigen, daß im 2. Jahrhundert v. Chr. neben dem Gesetz anerkannte Sammlungen der historischen und der prophetischen Bücher vorlagen 2 . Nach der Vorrede des Sirach-Enkels (nach 1 1 7 v. Chr.) bestand daneben eine dritte Gruppe, die den Kethubim entspricht. „So hat mein Großvater Jesus sich immer mehr an das Lesen des Gesetzes und der Propheten und der anderen Väterschriften begeben und in ihnen bedeutende Übung erworben." 3 Schriftsteller des Altertums berichten, daß für die Anerkennung eines Werkes als heilige Schrift eine bestimmte Mindestgrenze des Alters .gesetzt war, bis zu der man mit der Möglichkeit eines inspirierten Textes meinte rechnen zu dürfen. Nach Josephus 4 liegt diese Grenze in der Zeit des Artaxerxes (gest. 424 v. Chr.), nach einer späteren rabbinischen Quelle in der Zeit Alexanders des Großen (gest. 323 v. Chr.). Bis dahin haben die Propheten auf 1 2

Siehe auch S. 38 f .

Vgl. Bardtke, Die Handschriftenfunde am Toten Meer, Berlin 1952, S. 9ff. Zusammenfassende Darstellungen zum Kanonproblem bieten Rud. Meyer, Kanonisch und apokryph im Judentum, in: G. Kittel, Theologisches Worterbuch zum Neuen Testament, Bd. III, S. 973—987, Stuttgart 1938 und O. Eißfeldt [18] S. 691—707. 3 'Text nach Bardtke, ebd. 4 Contra Apionem I 8.

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Historisch-literarische

Einleitung

Grund von Inspiration geredet. Seitdem habe man auf die Weisen zu hören 1 . Wie groß die Unsicherheit noch in der apostolischen Zeit war, zeigt die Tatsache, daß auch später für apokryph erklärte Schriften im Neuen Testament wie Werke des Alten Testaments zitiert werden 2 . Der entscheidende Termin für die Bildung des Kanons ist die Synode von Jahne (um 90 n. Chr.), auf der nach der Zerstörung von Staat, Stadt und Tempel ein neuer geistiger Zusammenhalt des Judentums geschaffen wurde mit der Schrift als dem einzig verbliebenen Zentrum der Sammlung und Bewahrung. Die dortige Arbeit hatte wohl im Ganzen mehr den Charakter der Bestätigung als den der Neuentscheidung. Die späteren rabbinischen Texte in Mischna, Talmud und den Midraschim lassen aber erkennen, daß, wenn auch nicht mit Sicherheit bei der verbindlichen Festlegung des Kanons in Jabne, so doch bei einzelnen Lehrern und Schulen gegen einige Bücher Bedenken bestanden und um ihre Geltung Diskussionen geführt wurden. Solche Bedenken richteten sich gegen Teile des Buches Ezechiel 3 , gegen das Hohelied, beiläufig gegen die Proverbien 4 , vor allem aber gegen Qoheleth. Die Angriffe gehen nicht von der Frage der Abfassungszeit aus. Die salomonische Autorschaft wird nirgends in Zweifel gestellt. Es ist der Inhalt, der Mißtrauen erregt. Terminus technicus der Rabbinen für die kanonische Geltung einer Schrift ist, daß sie „die Hände verunreinigt", d. h., daß ohne nachfolgende rituelle Waschung geweihte Speisen nicht berührt werden dürfen 5 . „Alle heiligen Schriften verunreinigen die Hände." 6 Dieses Wort bedeutet selbstverständlich keine Abwertung, sondern: „Die Unreinheit der heiligen Schriften beruht auf ihrer Verehrung." 7 Der Begriff ist also mit der nicht näher definierten Vorstellung einer materiellen Heiligkeit der Schriftrollen verbunden 8 . Zur Zeit der abschließenden Redaktion des Mischna-Traktats Jadajim ist die Frage der Kanonizität Qoheleths wie des Hohenliedes entschieden. „Auch das Hohelied und Qoheleth verunreinigen die Hände." 9 Dieser Feststellung aber folgt ein Bericht über eine vorhergegangene Diskussion. „Rabbi Jehuda sagte, das Hohelied verunreinige die Hände, aber Qoheleth sei strittig. Rabbi Jose sagte, Qoheleth verunreinige die Hände nicht, aber das Hohelied sei strittig. Rabbi Simeon sagte, Qoheleth gehöre zu den Erleichterungen der Schule Schammais und den Erschwerungen der Schule Hilleis 10 . Rabbi Simon ben Asai' sagte: „Ich habe es als ?ine Tradition von den 72 Ältesten, daß seit dem Tage, an 1

Seder 'Olam Rabba 30: -JMN ÜH - ] l 7 ' W • • • tZhpH m i 3

D ^ i O J n ö D ' i C a J n VTI J X S

¡trösn n n 2

V g l . Bardtke a. a. O.

* Schabbath 30b.

3

Chagiga 1 3 a ; Schabbath 1 3 b .

5 Schiffer [78] S. 1.

6

jadajim i n

5:

ttr-rn rN p x a ü »

tfnpn

'ans

? Jadajim I V 6: : ] n N ö l D N T ! j r Q T I •'S 1 ? B H p n 8

Vd "3113

V g l . ' R. Meyer in: Kittel, Theologisches Worterbuch zum Neuen Testament, Bd. III, S. 983.

9 Jadajim III 5: : O T T I DN f i t o t J Ö nVnjTI t T T ^ n 10

IV

vom

Ttth

E s ist einer der Ausnahmefalle, in denen die sonst strengere Schule Schammais die geringere

kultische Forderung stellte, also auf die Erklärung der „Unreinheit" verzichtete. Eine Parallelstelle in Eduj. V 3.

Historisch-literarische

71

Einleitung

dem Eleasar ben Asarjah als Schulhaupt eingesetzt wurde, das Hohelied und Qoheleth die Hände verunreinigen." Rabbi Aqiba sprach: „Gott bewahre, kein Mensch in Israel hat (je) darüber gestritten, daß das Hohelied die Hände verunreinigt. Wiegt doch der ganze Weltlauf nicht den Tag auf, an dem Israel das Hohelied gegeben wurde. Sind alle Kethubim heilig, so ist das Hohelied hochheilig. Sollte man wirklich gestritten haben, so nur über Qoheleth." Rabbi Jochanan ben Jeschua, der Sohn des Schwiegervaters des Rabbi Aqiba, sagte: „Es ist, wie Ben-Asai gesagt hat: So stritten sie und so entschieden sie"." Dieser Text schweigt noch über die Gründe, die zu den Bedenken geführt haben. Eine der Begründungen findet sich in b. Megilla Fol. 7a: „Rabbi Simon ben Menasja sagte: „Das Buch Qoheleth verunreinigt die Hände nicht, weil es (nur) die persönliche Weisheit Salomos ist" 1 ." Hier wird also der Inspirationscharakter der Schrift bestritten. Über ein weiteres Bedenken berichtet b. Schabbath 30b: „Die Weisen wollten das Buch Qoheleth verbergen, weil seine Worte einander widersprechen." 2 Dieser Angriff richtete sich gegen 4,2 in seinem vermeintlichen Gegensatz zu 9,4 wie gegen 7,3 und 2,2b gegen 8,15 und 2,2a, wobei die letztere Zuziehung auf der Lesart nfhulläl (MT: m'höläl) beruht3. „Aber warum hat man es nicht verborgen? Weil sein Anfang und sein Ende göttliche Weisungen (wörtl.: Worte der Thora) sind." 4 Diese „Worte der Thora" am Anfang bietet überraschenderweise der Vers 1,3. In rabbinischer Deutung erfährt er eine Erweiterung des Sinns, die Qoheleth selbst schwerlich vermutet hätte. „Unter der Sonne hat man keinen (Gewinn), wohl aber vor der Sonne." 5 Dieses Beispiel zeigt wie auch der Midrasch Qoheleth Rabba, auf welche Weise das Judentum das Buch tragbar machte; nicht wie die christliche Exegese vom Aufbau her, sondern auf dem Wege der Ausdeutung und Umdeutung. Die „Worte der Thora" am Ende aber fanden die Rabbinen in 12,13, also einem warnenden Zusatz, der bestimmt nicht vom Verfasser stammt. Der schwerste Vorwurf ist der der Häresie, der sich jedoch erst in sehr späten Schriften findet. „Die Weisen wollten das Buch Qoheleth verbergen, weil sie Worte darin fanden, die der Häresie zuneigen."6 So hätte Salomo nicht sagen dürfen: ,, Freue dich, Jüngling, deiner Jugend, und dein Her% sei froh in deinen jungen Tagen. Wandle 1 J X 1 ? ! n n V t f bw

m a n n ® "IS» DTTI m

Xöua irx rfrmp

Eine Parallelstelle in Tosefta

Jadajim II. 2

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3

V g l . [78] S. 4 und [63] S. X V .

4

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3

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s o auch b. Megiiia 7 a.

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Schiffer [78] S. 106, A n m . 5, verweist auf die

bessere Parallele in Pesikta de Rab Kahana ( E d . B u b e r p . 68b): V a X 1*7 n V tP1 traten P

n^S?»1?

N1H

tfatfn

TWO

Diese dem Welt- und Glaubensbild Qoheleths völlig fremde Deutung

hat sich in der Geschichte der Exegese als außerordentlich haltbar erwiesen. Man kann sie noch bei Karl Barth finden (Der Christ in der Gesellschaft. Eine Tambacher Rede, Wurzburg 1920). 6 Pesikta de Rab Kahana V I I I ( E d . Buber; Text nach [78]): l V ? n p HBO TIM1? D , Ö D n 1 ® p 2 :mra

n s V n ' u a nntf o n m

in licsatf 'B1?

SO auch Midrasch Qoheleth Rabba zu 1,3 und

1 1 , 9 und Midrasch Wajjikra Rabba zu 2 3 , 1 0 (Parasche 28).

72

Historisch-literarische

Einleitung

wie dein Her% dich lenkt und deinen Augen gefällt" (11,9), wo doch Mose (Num. 15,39) gesagt hat: daß ihr nicht den Gelüsten eures Herzens und eurer Augen nachwandelt, die euch treulos machen." „Als sie aber den Schluß dieses Spruchs , Wisse aber, daß für all dieses Gott von dir Rechenschaft fordert' erwogen, sprachen sie zustimmend: ,Gut hat Salomo gesprochen'." Wieder also ist es die fromme Milderung eines Späteren, die den Ruf des Autors rettet. Im Gegensatz zu diesen Berichten, die nur davon sprechen, daß ein „Verbergen", d. h. ein Verbot des Lehrens und des Auslegens der Schrift, also ein Ausschluß aus dem synagogalen Gebrauch, erwogen wurde, steht die jeder realen Grundlage entbehrende Mitteilung in Aboth de Rabbi Nathan I, wonach sämtliche salomonische Schriften, (Proverbien, Hoheslied und Qoheleth) tatsächlich verborgen wurden, bis die Männer der Großen Synagoge kamen und sie durch eine Auslegung rehabilitierten Die augenfällige Unmöglichkeit dieses Textes bedarf keiner Erläuterung. Keine der in den rabbinischen Texten aufgeführten Diskussionen darf so verstanden werden, als habe es sich dabei um Gespräche gehandelt, in denen noch ernsthaft über die Kanonizität des Buches zu entscheiden war. Gemeinsam ist ihnen eine anachronistische Vorstellung über Amt und Befugnisse der rabbinischen Schulen und ihrer Leiter bzw. über den Sanhedrin und seinen Aufbau bis zur Zerstörung Jerusalems2. Die alleinige Autorität der Rabbinen ist ihnen so selbstverständlich, daß sie eine Entscheidung durch die Schulen auch für die frühere Zeit voraussetzen 3 , in der eine solche ausschließlich dem Sanhedrin zugestanden hätte, der, unbeschadet seiner Stellung als höchste geistliche Autorität, in erster Linie die oberste innenpolitische Instanz war, und zwar bis zuletzt ein aristokratischer Senat, nicht eine Versammlung von Schriftgelehrten, wenn er sich auch in seinen Entscheidungen zum Kultus seit der Zeit der Alexandra (76—67 v. Chr.) dem Druck der pharisäischen Forderungen nicht entziehen konnte. Daß ihm auch pharisäische Schriftgelehrte als Mitglieder angehörten, hat an dieser Struktur nichts geändert. Es ist aber auch über eine Entscheidung des Sanhedrin in der Frage des Kanons nichts bekannt. Solange der Tempel stand, existierte dieses Problem noch nicht. Der Kanon ist nicht durch Administration entstanden, sondern durch Tradition und Festigung der Geltung der Schriften im synagogalen Gebrauch. Neu ist in Jabne nicht die Sammlung, sondern nur die sichtende Normierung. An den Berichten mag soviel richtig sein, daß bei dieser Sichtung auch einige der bestätigten Werke in der Diskussion standen. Aber daß die Anerkennung für Qoheleth bereits prinzipiell vorlag, zeigt die Tatsache, daß in der Mischna das Buch mit denselben Einleitungsworten zitiert wird wie andere biblische Schriften4. Wenn die unverbindliche Diskussion 1 jrm n n a i K r n ontf r n d w n"?np t r T t f n Ttfi ^ t f » o n s i s r n natfma : a n i K utrpDi n V n a n n o » w l x a t f n » a m x itui t t » s i t r m n r i n ] » Schiffer ( [ 7 s ] s. 108) erwagt, ob die ganz unmögliche n'jTTin J 1 0 J 3 vielleicht aus einer falsch aufgelösten Abbreviatur n " 3 entstanden sein könnte, die die Bedeutung W n n , 3 hatte. Aber auch damit würde der Text nicht zu einer vertrauenswürdigen Quelle. 2

3 [79] S. 197; 202ff. Vgl. Schürer ebd. S. 323. < 2 T D T (Erub. 2 1 b ) ; "O 3 T Q (Baba bathra 4a); (Schabbath 31).

Historisch-literatische

Einleitung

75

über Qoheleth sich noch über einige Generationen hinziehen konnte, so nur, weil seine Autorität nicht wie die des Esther-Buches durch den gottesdienstlichen Gebrauch bestätigt war, wie überhaupt die Lesung anderer Hagiographen dem Talmud unbekannt ist 1 . Der Traktat Soferim (XIV, 3) erwähnt Hoheslied, Ruth und Klagelieder, aber nicht Qoheleth, doch ist seine Lesung gleich der der anderen Megilloth wahrscheinlich, wofür die Existenz der Midraschim zu allen fünf Festrollen spricht 2 . Die christliche Kirche hat Qoheleth mit dem alttestamentlichen Kanon diskussionslos übernommen. Die Tatsache, daß er wie das Hohelied, Esther und Esra-Nehemia im Neuen Testament nicht zitiert wird, erklärt sich mühelos aus der Natur der Bücher, ist also kein Zeichen mangelnder Anerkennung. Die traditionelle Überzeugung von der Urheberschaft Salomos, der Epilog und einige leichte Retuschen der Zeit unmittelbar nach der Abfassung haben, äußerlich gesehen, Qoheleth gerettet. Die unbestimmten und in ihrer Formelhaftigkeit bedenklichen rabbinischen Berichte sind im Grunde nur der Ausdruck des Unbehagens, das eine geistig engere Zeit diesem „am meisten ketzerischen Buch des 3. Jahrhunderts" 3 gegenüber empfand. Die Frage nach der inneren Berechtigung der Kanonizität kann nur der Text selbst dem Leser beantworten.

12. Z U M H E B R Ä I S C H E N

TEXT

Dem hebräischen Text liegt die von F. Horst besorgte Ausgabe in der Biblia Hebraica ed. Rudolf Kittel (Ed. Quinta, Stuttgart 1949) zugrunde und damit der Ben Ascher-Text des Codex B I9 Ä der Öffentlichen Bibliothek zu Leningrad. In Abweichung von dieser Vorlage wurde die Akzentuation auf wenige große Trenner beschränkt. Dies erschien im Interesse der Übersichtlichkeit des Schriftbildes erwünscht und auch aus Gründen der typographischen Vereinfachung geboten. Die weithin auf dem Prinzip einer metrischen Struktur beruhende Zeilenordnung von F. Horst wurde unter Berücksichtigung der Akzentuation nach Zweckmäßigkeit vereinfacht. Die vorgeschlagenen und in der Übersetzung berücksichtigten Emendationen erscheinen — wie üblich — nur im kritischen Apparat, in den auch die Varianten des Qoheleth-Fragments von Chirbet Qumrän eingefügt wurden, soweit sie nicht lediglich den Unterschied zwischen Defektiv- und Pleneschreibung betreffen. Streichungen werden bis auf die Fortlassung von zwei Präfixen (3,19; 5,9) nicht vorgeschlagen. Zwar werden hierdurch manche Zusätze — erkennbare oder mutmaßliche — der Zeit unmittelbar nach der Entstehung beibehalten, doch erschien dies weniger bedenklich als die Gefahr allzu vieler und vom Sinngehalt her meist nicht notwendiger Eingriffe in den durch mehr als zwei Jahrtausende mit einer so bewundernswerten Treue überlieferten Text, dessen tradierten (und nicht einen konstruierten) Inhalt zu vermitteln die Pflicht der Herausgebers und Übersetzers bleibt, auch wo er sich der Mittel der Textkritik bedient. Elbogen [19] S. I j i f . 6

Der Prediger

2

Elbogen ebd. S. 185.

3

Hempel [41] S. 191

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Historisch-literarische Einleitung

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= Biblia Hebraica, ed. Rud. Kittel (Ed. Quinta) einschließlich der dort verzeichneten Varianten der alten Übersetzungen Bickell Budde Chajjim-Text der Zweiten Bomberg'schen Rabbinerbibel, Venedig 1524/25 Delitzsch Driver Ehrlich Ewald Galling H. L. Ginsberg Gordis Graetz Hertzberg

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: Kethib : Köhler-Baumgartner, Lexicon = Kennicot, B., Vetus Testameritum Hebraicum cum variis lectionibus, Vol. III, Oxonii 1780 : lies : Levy : Handschriften) Podechard Qere De-Rossi, J . B., Variae lectiones Veteris Testamentae, Vol. III, Parmae 1786 : Thilo : Zapletal = Qoheleth-Fragment aus Höhle IV von Chirbet Qumrän

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Worte des Predigers, des Sohnes Davids, des Königs zu Jerusalem. Nichtigkeit* der Nichtigkeiten, spricht* der Prediger, Nichtigkeit der Nichtigkeiten, alles ist nichtig. Welchen Gewinn hat der Mensch von all seiner Mühe*, mit der er sich müht unter der Sonne? Ein Geschlecht kommt, ein Geschlecht geht, aber die Erde steht unverändert.* Und die Sonne geht auf, die Sonne geht unter und an ihren Ort keucht sie zurück, wo sie wiederum aufgeht. Der Wind weht nach Süden, kreist nach Norden, kreisend kreist der Wind und zu seinem Kreislauf kehrt er zurück. Alle Flüsse fließen in's Meer, aber das Meer w.ird nicht voll davon; an den Ort, zu dem die Flüsse gehen, dorthin gehen sie immer wieder. Alle Dinge sind ermüdend, kein Mensch kann es aussagen. Das Auge wird nicht satt cles Sehens, und das Ohr nicht voll des Hörens. Was gewesen ist? wird wieder sein, was geschah, wird wieder geschehen; es gibt nichts Neues unter der Sonne. Ist etwas, wovon man sagen wollte: „Siehe, dieses ist neu!", längst ist es gewesen in den Zeiten vor uns. Der Früheren* gedenkt man (nur) nicht, und auch die Späteren, die sein werden, sie werden nicht bleiben im Gedächtnis der Nachwelt. Ich, der Prediger, war König über Israel zu Jerusalem.

* Der Asteriskus verweist auf eine Erläuterung zur Übersetzung S. 1 1 4 ® .

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Und ich richtete meinen Sinn* darauf, mit Weisheit zu erforschen und zu ergründen alles, was unter dem Himmel geschieht; ein leidiges Geschäft, das Gott den Menschen gegeben hat, daß sie sich daran mühen. Ich sah alles Werk, das unter der Sonne geschieht, und siehe, alles war nichtig lind ein Haschen nach Wind. Krummes ist nicht gerade zu machen, iind Mangel ist nicht zu füllen. Ich sprach bei mir selbst: „Siehe, ich mehrte und sammelte Weisheit, mehr als alle, die vor mir* über Jerusalem waren, und mein Verstand erlangte viel Weisheit und Wissen.. So will ich meinen Sinn darauf richten, Weisheit und Wissen zu erkennen, Torheit* und Tollheit." Doch erfuhr ich: auch das ist ein nichtiges Streben; denn wo viel Weisheit ist, da ist viel Ärger, und wer (sein) Wissen inehrt, der mehrt (sein) Leid.

Ich sprach zu mir selbst: „So will ich es einmal mit der Freude versuchen; genieße denn das Gute." Aber siehe, auch das war nichtig. Vom Lachen mußte ich sagen: das ist sinnlos, und von der Freude: was bringt das ein? Ich erprobte, meinen Leib mit Wein zu laben und, während mein Verstand in Weisheit führend blieb, die Torheit zu ergreifen, bis ich erkennte, was den Menschen zu tun gut ist unter dem Himmel* in der begrenzten Zeit ihres Lebens. Ich erweiterte mein Wirken, baute mir Häuser, pflanzte mir Weinberge, schuf mir Gärten und Haine und bepflanzte sie mit allerlei Obstbäumen. Ich legte mir Wasserteiche an, Baumpflanzungen mit ihnen zu wässern. Ich erwarb Sklaven und Sklavinnen, auch im Hause Geborene besaß ich, hatte auch. viel Viehbesitz — Groß- und Kleinvieh -

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eine Zeit zu klagen / und eine Zeit zu tanzen; eine Zeit, Steine zu werfen / und eine Zeit, Steine zu sammeln; eine Zeit zu umarmen / und eine Zeit, einander zu meiden; eine Zeit zu suchen / und eine Zeit, verloren zu geben; eine Zeit zu bewahren / und eine Zeit wegzuwerfen; eine Zeit zu zerreißen / und eine Zeit zu nähen; eine Zeit zu schweigen / und eine Zeit zu reden; eine Zeit zu lieben / und eine Zeit zu hassen; eine Zeit des Krieges / und-eine Zeit des Friedens. Welchen Gewinn (also) hat der Schaffende davon, daß er sich abmüht? Ich sah die Aufgabe, die Gott den Menschen gegeben hat, daß sie sich daran mühen. Alles macht er schön zu seiner Zeit, auch (Sinn für) die Welt* hat er den Menschen ins Herz gegeben; nur eben, daß der Mensch das Werk Gottes nicht zu erkennen vermag von Anfang bis Ende. Ich erkannte, daß dem Menschen nichts gut ist, als sich zu freuen und es sich wohl sein zu lassen sein Leben lang. Daß aber ein Mensch essen und trinken und es sich wohl sein lassen kann bei all seiner Mühe, das ist (nur) Gottes Gabe. Ich erkannte, -daß alles, was Gott tut, unabänderlich* gilt. Man kann nichts hinzutun und nichts wegnehmen; Gott hat es so gemacht, daß man ihn fürchte. Was früher war, ist wieder da, und was kommen wird, war zuvor — Gott erstrebt immer das Gleiche.* Und weiter sah ich unter der Sonne: An die Stätte des Rechts tritt das Unrecht, und an die Stelle des Gerechten der Frevler. Ich dachte bei mir: Den Gerechten wie den Frevler wird Gott richten;

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denn jedes Ding hat dort* seine Zeit, und so auch ein jedes Tun. Ich dachte:-Um der Menschen willen, sie läuternd z'u prüfen, (fügt es) Gott (so); bis ich einsah, daß sie, die Menschen, (doch nur wie) Vieh sind.* Denn das Geschick des Menschen und das Geschick d'es Viehs — ein Geschick haben sie beide. Wie eines stirbt, sd stirbt auch das andere, und einen Atem haben sie beide, und einen Vorzug des Menschen vor dem Vieh gibt es nicht; so ist alles nichtig. Alles geht an einen Ort, alles ist vom Staube (genommen) und alles kehrt zum Staube zurück. Wer weiß denn, ob* des Menschen Geist aufwärts fährt zur Höhe, und der des Viehs abwärts zur Erde? Und ich sah, daß nichts gut ist, als daß der Mensch.sich freue bei seinem Werk; das eben ist sein Teil. Denn wer wollte ihn dazu bringen auf das zu schauen, was danach sein wird?

Und weiterhin sah ich alle Bedrückung, die unter der Sonne geschieht, und siehe: Tränen der Bedrückten, die keinen Tröster haben und Gewalt (leiden) von der Hand ihrer Bedrücker, und niemand hat Mitleid.* Da pries ich die Toten, die längst Verstorbenen glücklicher als die Lebenden, die ihr Dasein noch haben, und glücklicher als beide den Ungeborenen, der die Bosheit nicht sah, die unter der Sonne geschieht. Und ich sah an alle Mühe und Tüchtigkeit, daß sie zum Eifern wird* der Menschen gegeneinander; auch das ist nichtig und ein Haschen nach Wind.

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Reichtum, seinem Besitzer zum Unheil bewahrt. Geht nun der Reichtum durch einen- Unfall* zugrunde, und er hat einen Sohn, so bleibt dem* nichts in der Hand. Wie er ausging aus seiner Mutter Leib, nackt geht er wieder dahin wie er kam, und nichts trägt er für seine Mühe davon, das er mitnehmen könnte in seiner Hand. Und auch das ist ein böses Übel, daß ein jeder gehen muß wie' er kam. Welchen Gewinn hat er davon, daß er sich müht in den Wind? Auch ißt er sein Leben lang im Dunkeln und hat viel Ärger und Krankheit und Zorn. Siehe, was ich als gut erkannte: Daß es schön ist zu essen und zu trinken und es sich wohl sein zu lassen bei aller Mühe, mit der man sich müht unter der Sonne in den bemessenen Lebenstagen, die Gott dem Menschen gibt; denn das ist sein Teil. Wo immer Gott einem Menschen Reichtum und Schätze gibt und- ihn dann essen läßt und seinen Teil daran haben und sich freuen bei seiner Mühe, das ist ein Geschenk Gottes. Denn ein-solcher bedenkt nicht viel seine Lebenstage, weil Gott sich (ihm) kundtut in der Freude seines Herzens.

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Ein Übel sah ich unter der Sonne, das lastet schwer auf dem Menschen: (Da ist) ein Mensch, dem gibt Gott Schätze, Reichtum und Ehre; und nichts fehlt seiner Seele, was er wünschen könnte. Aber Gott läßt ihn nichts davon genießen, sondern ein Fremder genießt es; das ist nichtig und ein böses Leiden. Wenn ein Mensch hundert (Söhne) zeugte und viele Jahre lebte, wie lange auch immer, aber seine Seele sättigte sich nicht am Guten -

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Der

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selbst wenn er ein würdiges Begräbnis erhielte*, so wollte ich doch sagen: Glücklicher als er ist die Fehlgeburt. 4 Zwar in Nichtigkeit kommt sie und in's Dunkel geht sie, und mit Finsternis ist ihr Name bedeckt. Sie sah nicht die Sonne, kannte sie nicht — f (aber) wohler ist ihr als jenem.* 6 • Und wenn er auch zweimal tausend Jahre lebte und genösse nichts Gutes — geht nicht alles an einen Ort? 7 Alle Mühe des Menschen geschieht für seinen Mund, und doch wird die Begierde nicht gesättigt. 8 Was hat denn der Weise dem Toren voraus, was der wissende Zurückhaltende* dem, der dem Lebensglück nachläuft? 9 Besser das vor Augen Liegende (genießen) als mit Begierde nachlaufen. Auch das ist nichtig und ein Haschen nach Wind. 10 Was immer geschieht, längst ist sein Name genannt, und (Gott) bekannt, was ein Mensch sein wird*; der aber kann nicht rechten mit Dem, der mächtiger ist als er. 11 Denn es gibt viele Reden, die (nur) das Nichtige mehren; was hat der Mensch davon? 12 Wer weiß denn*, was dem Menschen gut ist in seinem Leben, den wenigen Tagen seines nichtigen Daseins, daß er sie schattig gestalte?* Wer verkündet denn dem Menschen, was danach sein wird unter der Sonne?

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3

Besser ist ein (guter) Name als' gutes ö l * , und der Tag des Todes als der Tag der Geburt. Besser zum Trauerhause gehen als zum Hause des Gelages. Denn dies ist das Ende aller Menschen, und der Lebende nehme das zu Herzen. Besser Kummer als Lachen; ist das Antlitz ernst, so ist das Herz recht.

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Der Prediger

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97

Das Herz der Weisen ist im Hause der Trauer, das Herz der Narren im Hause der Freude. Besser das Schelten des Weisen zu hören, als dem (Lob-)Lied der Toren zu lauschen.* Denn wie Dornengeprassel unter dem Kessel, so ist das Lachen des Narren. Und auch das ist nichtig.

*

Denn erpreßter Gewinn betört den Weisen, und Bestechung verdirbt das Herz. 8 Besser ist der Ausgang einer Sache als ihr Anfang; besser geduldig sein als hochmütig. 9 Übereile dich nicht, unmutig zu werden, denn der Unmut weilt in der Brust des Toren. 10 Sage nicht: „Wie kommt es, daß die früheren Tage besser waren als die jetzigen?" Denn nicht aus Weisheit fragtest du so. 11 Gut ist Weisheit wie* Besitz und ein Vorteil denen, die die Sonne schauen. 12 Denn im Schatten der Weisheit • (ist man wie) im Schatten des Silbers. Aber der Vorteil des Wissens ist: Die Weisheit erhält ihrem Besitzer das Leben. 13 • Betrachte das Werk Gottes. Wer kann gerade machen, was er gekrümmt hat? 14 Am Tage des Glücks laß' es dir wohl gehen und am Tage des Übels bedenke*: Auch diesen wie jenen hat Gott gemacht. Denn es wird dem Menschen danach nichts mehr zuteil.* 15 Beides* sah ich in meinen flüchtigen Tagen: Ein Gerechter kann umkommen bei seiner Gerechtigkeit, und ein Gottloser lange leben bei seiner Bosheit. 16 Sei nicht allzu gerecht und wolle nicht übermäßig weise sein; warum solltest du dich zugrunde richten? 17 Sei nicht allzu schlecht und sei kein Narr; warum solltest du vor deiner Zeit sterben? 18 Gut ist's, wenn du an dem einen festhältst und auch von dem anderen deine Hand nicht lässest; denn der Gottesfürchtige tut beidem Genüge.*

98

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Der Prediget

19

Die Weisheit hilft dem Weisen mehr als zehn Mächtige, die in der Stadt sind. 20 Kein Mensch ist so gerecht auf Erden, daß er (nur) recht täte und nie fehlte. 11 Achte auch nicht auf alle Worte, die geredet werden, daß du nicht hörst, wie dein Sklave dir fliicht. 22 Denn dein Herz wird wohl wissen, wie oft auch du anderen geflucht hast. 23 All daserforschte ich um der Weisheit willen, sagte mir: „Ich will Weisheit erlangen"; aber sie blieb mir fern. 24 Fern (blieb), was (fern) war, und tief, sehr tief; wer kann es ergründen? 2} Ich wandte mich, zu beobachten und zu forschen*, Weisheit zu suchen und ein klares Ergebnis, und ich erkannte*, daß Frevel Torheit ist, und Torheit Wahnsinn. 26 Und ich fand bitterer als den Tod solch ein Weib*, die ein Fanggarn ist, ein Netz ihr Herz, Fesseln ihre Hände. Wer Gott gefällt, der entgeht ihr, aber der Mißfällige fängt sich* darin. 27 Siehe dies fand ich, spricht der Prediger, eines zum anderen (fügend), einen Schluß zu gewinnen. 28 Was meine Seele noch suchte, aber ich fand's nicht: „Einen Mann fand ich unter tausend, aber eine Frau unter eben so vielen nicht." 29 Siehe, dieses nur fand ich: Gott hat die Menschen gerade gemacht; sie aber suchen viele krumme Wege.

8 Wer ist wie der Weise, und wer versteht die Deutung des Wortes: „Eines Menschen Weisheit erleuchtet sein Antlitz, und der Trotz seines Angesichts wird gewandelt." Ich (hörte)*: „Befolge des Königs Wort mit Rücksicht auf den vor Gott geleisteten Eid. Übereile dich nicht, von ihm zu gehen und stehe zu keiner bösen Sache, denn alles was er will, das tut er.

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Weil eben des Königs Wort Macht hat, und wer könnte ihm sagen: ,Was iust du?' Wer das Gebot bewahrt, erfährt nichts Böses, aber um Zeit und Gericht weiß das Herz des Weisen. Denn ein jedes Ding hat 'Zeit und Gericht, und die Bosheit des Menschen liegt schwer auf ihm. Denn er weiß nicht, was kommt, und wer zeigte ihm an, wie es geschieht? Kein Mensch hat Gewalt über den Wind, daß er .den Wind aufhalte, niemand hat Macht über den Tag des Todes, es gibt keine Entlassung im Kriege, und keine Bosheit läßt den los, der sie treibt." All das sah ich, als ich meinen Sinn richtete auf alles Werk, das unter der Sonne geschieht, zu der Zeit, in der der Mensch über Menschen Gewalt hat, ihnen zum Unheil. Sodann aber sah ich Frevler (in Ehren) zu Grabe getragen* und Rechtschaffene vertrieben von der heiligen Stätte* und vergessen in der Stadt. Auch das ist nichtig. Weil aber das Urteil über die böse. Tat nicht eilends vollstreckt wird, wächst den Menschen der Mut, Böses zu tun. „Mag auch der Sünder hundertfach freveln, er kann doch dabei lange leben."* Zwar weiß ich (man sagt): „Wohlergehen wird es denen, die Gott fürchten, die in Ehrfurcht stehen vor seinem Angesicht, und nicht dem Frevler; der wird nicht seine Tage verlängern wie der Schatten*, weil er nicht Ehrfurcht hat vor dem Angesicht Gottes." Es' gibt (aber) ein Nichtiges, das auf Erden geschieht: Da sind Gerechte, die trifft ein Geschick, als hätten sie das Werk der Gottlosen getan, und Gottlose, denen geschieh*-, als hätten sie das Werk der Gerechten getan. Da sagte ich (mir), daß auch das nichtig ist. Und ich lobte mir die Freude, denn nichts ist dem Menschen gut unter der Sonne, als daß er esse und trinke und sich freue; das begleite ihn ständig bei seiner Mühe in seinen Lebenstagen, die Gott ihm gibt unter der Sonne.,

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Der Prediger

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Indem ich so meinen Sinn darauf richtete, Weisheit zu erkennen und das Tun zu sehen, das auf Erden geschieht — denn Tag und Nacht sehen des Menschen Augen keinen Schlaf —, da sah ich an allem Werk Gottes, daß der Mensch nicht das Tun ergründen kann, das unter der Sonne geschieht. Wie immer auch der Mensch suchend sich müht, er findet es nicht. Und wenn gleich der Weise sagt, er wüßte es, er kann's nicht ergründen.

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Denn all dies habe ich denkend erwogen*, und mein Verstand sah in dem allem, daß die Gerechten und die Weisen und ihr Wirken in Gottes Hand sind. Weder Liebe noch Haß*, nichts wissen die Menschen; alles liegt vor ihnen. Alles kann allen geschehen. E i n Geschick trifft den Gerechten und den Gottlosen, den Guten und den Bösen, den Reinen und den Unreinen, den Opfernden und den nicht Opfernden. Wie dem Guten geschieht dem Sünder, dem Schwörenden wie dem, der den Eid fürchtet. Das ist das Schlimme bei allem, was unter der Sonne geschieht, daß ein Geschick alle trifft; daher auch ist der Menschen Herz voll Bosheit, und sind sie voller Tollheit ihr Leben lang, und danach — z-u den Toten. Wer aber noch zu den Lebenden gehört, hat Hoffnung, denn „ein lebender Hund ist besser als der tote Löwe." Die Lebenden wissen zwar, daß sie sterben werden, die Toten aber wissen gar nichts mehr, denn kein Lohn bleibt ihnen, und ihr Andenken wird vergessen. Daß man sie geliebt, gehaßt, beneidet hat*, ist längst vergangen, und kein Anteil bleibt ihnen für immer an allem, was unter der Sonne geschieht.

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Der Prediger

So iß denn mit Freuden dein Brot und trinke frohen Herzens deinen Wein, denn längst hat Gott dein Tun (so) gewollt. Allezeit seien deine Kleider weiß, und deinem Haupt fehle es nicht am ö l . Genieße dein Leben mit einer Frau*, die du liebst alle Tage deines flüchtigen Daseins, die Er* dir gibt unter der Sonne, all deine flüchtigen Tage, * denn dies ist dein Teil im Leben und Lohn der Mühe, mit der du dich mühst unter der Sonne. Was immer deine Hand findet und deine Kraft zu schaffen vermag, das tue; denn es ist kein Wirken noch Planen, nicht Erkenntnis noch Weisheit in der Unterwelt, in die du gehst. Ich wandte mich und sah* unter der Sonne, daß nicht die Schnellen den Lauf gewinnen, noch die Helden den Krieg, noch die Weisen Brot, noch die Verständigen Reichtum, noch die Wissenden Gunst, sondern Zeit und Geschick trifft sie alle, Denn so wenig kennt der Mensch seine Zeit wie die Fische, die sich im bösen Netz fangen, und die Vögel, die in die Schlinge geraten; wie sie werden die Menschen gefangen zur Zeit des Unheils, wenn es plötzlich über sie kommt, Auch solche "Weisheit sah ich unter der Sonne, und das* schien mir wichtig: (Da war) eine kleine Stadt, und wenige Männer in ihr. Und es zog vor sie ein großer König und schloß sie ein und baute gegen sie große Belagerungswälle. Es befand sich aber in ihr ein armer Weiser, der konnte die Stadt retten durch seine Weisheit, aber kein Mensch gedachte jenes Armen. Das sagte ich (mir): Besser ist Weisheit als Stärke; aber die Weisheit des Armen wird verächtet, und seine Worte werden nicht gehört. Worte der Weisen, die in Ruhe ertönen*," sind besser als das Geschrei eines Herrschers unter den Narren. „Weisheit ist besser als Kriegsgerät"; aber ein einziger Tor* verdirbt viel Gutes.

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Der Prediger

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20

Wehe dir, Land, dessen König ein Knecht ist, und dessen Fürsten schon am Morgen tafeln. Wohl dir, Land, dessen König ein Freier ist, und dessen Fürsten 2ur rechten Zeit essen, in Zucht und nicht als Trinker. Durch große Faulheit sinkt das .Gebälk zusammen, und durch Sinkenlassen der Hände trieft das Haus. Zum Vergnügen veranstaltet man Mahlzeiten, der Wein erfreut das Leben, und für Geld ist alles zu haben. Auch auf deinem Lager fluche keinem Könige, und in deinem Schlafgemach keinem Reichen, denn der Vogel unter dem Himmel trägt die Stimme weiter, und der Geflügelte berichtet ein Wort. 11

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Schicke dein Brot ü.ber das Wasser, so wirst du es nach vielen Tagen wiederfinden. Gib Teil(e) an sieben oder auch acht (Stellen), denn du weißt nicht, welches Unheil auf Erden geschehen wird. Wenn die Wolken sich füllen, so schütten sie Regen über die Erde, und wie ein Baum fällt — nach Süden oder nach Norden — wie der Baum fällt, so liegt er.* Wer (aber) auf den Wind achtet, der sät nicht, und wer nach den Wolken schaut, der erntet nicht. So wenig du weißt, wie der Odem kommt in die Gebeine im Leibe der Schwangeren, so wenig erkennst du das Werk Gottes, der alles schafft. Am Morgen säe deinen Samen, und bis zum Abend laß' deine Hand nicht ruhen, denn du weißt nicht, was gelingen wird, ob dieses oder jenes oder ob beides gut ist. Süß aber ist das Licht, und wohl tut den Augen, die Sonne zu schauen. Darum, wenn der Mensch viele Jahre lebt, so soll er sich ihrer aller freuen und der Tage der Finsternis gedenken, denn ihrer werden viele sein. Alles was kommt, ist nichtig. Freue dich, Jüngling, deiner Jugend und dein Herz sei froh in deinen jungen Tagen.

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Der Prediger

10

Wandle wie dein Herz dich lenkt und deinen Augen gefällt, aber wisse, daß für all dieses Gott von dir Rechenschaft fordert. Und halte Unmut fern deinem Herzen, und laß' 'das Übel deinem Leibe nicht nahen, denn die Jugend und das schwarze Haar sind bald vorüber.

12

x

Und gedenke deines Schöpfers* in deinen Jugendtagen, ehe noch die bösen Tage kommen, und die Jahre nahen, von denen du sagen wirst: „Sie gefallen, mir nicht." i Ehe noch die Sonne sich verdunkelt, und das Licht ünd der Mond und die Sterne, und nach dem Regen (immer neue) Wolken kommen. 3 Zur Zeit, da die Hüter des Hauses zittern, und die starken Männer sich krümmen, und die Müllerinnen feiern, denn ihrer sind wenige geworden, und trübe werden, die durch die Fenster schauen. 4 Die Türen nach der Straße schließen sich wie das Geräusch des' Mahlens abnimmt; bei'm Vogelruf steht man auf, und alle Klänge der Lieder sind gedämpft. -5 a Auch fürchtet man sich vor der Steigung, und Schrecknisse sind auf dem Wege, und hell blüht der Mandelbaum, und mühevoll schleppt sich die Heuschrecke, und die Kaper bricht auf. 6 Ehe noch die silberne Schnur zerreißt, und die goldene Schale zerbricht, der Krug an der Quelle zerschellt, und das Schöpfrad stürzt in den Brunnen* — 5 b denn der Mensch geht zu seinem ewigen Hause, und die Trauernden ziehen umher auf der Gasse.* 7 „Und der Staub kehrt zurück zur Erde wie er gewesen, und der Geist zu Gott, der ihn gab." 8 „Nichtigkeit der Nichtigkeiten", spricht der Prediger, . „Alles ist nichtig." 9 Darüber hinaus, daß der Prediger ein Weiser war, lehrte er das Volk Erkenntnis

III

112

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Der Prediger

10 11

12

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14

und erwog, prüfte und formte viele Sprüche. Der Prediger suchte, gut geprägte Worte zu finden, und was in Offenheit geschrieben steht, sind Worte der Wahrheit. Die Worte der Weisen sind wie Treibstachel, und wie eingelassene Nägel die Meister der Sammlungen*; von einem Hirten sind sie gegeben. Darüber hinaus, mein Sohn, laß' dich warnen! Es ist des vielen Büchermachens kein Ende, und vieles Studieren ermüdet den Leib. Den Schluß des Ganzen laßt uns hören*: Fürchte Gott und halte seine Gebote; denn das ist Sache eines jeden Menschen. Denn für jedes Tun fordert' Gott Rechenschaft; über alles Verborgene (ergeht sein Urteil), es sei gut oder böse.

"3

ERLÄUTERUNGEN ZUR ÜBERSETZUNG Die Übersetzung verzichtet aus den auf S. 59 f. dargelegten Gründen auf den Versuch einer Wiedergabe metrischer Struktur. Sie erstrebt eine freie, rhythmische Sprache in der Absicht, den Charakter der gesprochenen Sentenz zu wahren, und bemuht sich, bei größtmöglicher Genauigkeit des Ausdrucks das erreichbare Maß der Bildhaftigkeit und des geistigen Wesens des Originals in die deutsche Fassung hinuberzuretten. Dabei sollte möglichst ein wenig davon spürbar werden, daß das Buch Qoheleth bei all seinen hochinteressanten Inhalten und Problemen zugleich ein sprachliches Kunstwerk ist, das auch als solches gelesen sein will. Einer vollständigen Erschließung des Textes stehen große Schwierigkeiten entgegen. Es gibt hier, wie in fast allen altorientalischen Schriften, sprachlich unklare, sachlich zweifelhafte und auch ganz verderbteTextstellen. Eine sichere Korrektur oder Schließung von Lücken aus dem Zusammenhang heraus ist selten möglich bei der aphoristischen Struktur des Werks, dessen Autor sich oft mit Andeutungen von sprichwortartigem Charakter begnügt, die seinen Zeitgenossen wohl mühelos verständlich waren, uns aber oft verschlossen bleiben, wo wir nicht im glücklichen Einzelfall auch die Quelle kennen. Vielfach muß die Übersetzung einen exegetischen Versuch nach eigener Entscheidung wagen. Ist dies in jedem Fall unvermeidlich bei Übersetzungen aus dem klassischen Hebräisch, einer Sprache, deren konzentrierte Ausdrucksformen dem Leser sehr viel eigene Arbeit des Mitdenkens zur Erschließung des Sinngehalts überlassen, so gilt es im besonderen vom Buch des „Predigers". Dieses kleine Buch einer späten Sprachstufe mit seiner eigenwilligen Syntax und einer nur ihm eigentümlichen Begriffsbildung, seinem Offenlassen des Für und Wider und mancher gewiß beabsichtigten Mehrdeutigkeit'hat schon den Rabbinen des mischnischen und des talmudischen Zeitalters zu schaffen gemacht und findet bis heute mit jeder weiteren Übersetzung und jedem Kommentar eine neue Fassung und Deutung. Einige besonders wichtig erscheinende Hinweise sind in den nachstehenden Erlauterungen gegeben, deren Umfang von der Zielsetzung der Arbeit her beschränkt werden mußte. Darüber hinaus werden alle übrigen Partien des Buches auch zur Begründung des Textes beitragen. Zur Verdeutlichung eingefügte Worte oder Wendungen sind in Klammern gesetzt.

i . « ' r a n , dessen vielschichtiger Bedeutungsgehalt nicht in jedem Fall differenziert werden kann' ist in der Regel mit „nichtig" übersetzt. Ausnahmen bilden die Fälle in 9,9 und n , i o , wo offenbar gerade nicht die Nichtigkeit, sondern die Flüchtigkeit des Daseins betont ist. — Der Bedeutungswandel des Wortes „eitel" erscheint doch zu groß und zu stark gefestigt, als daß eine neue Übertragung an dieser traditionellen Wiedergabe festhalten sollte. Es dürfte eher bedenklich sein, mit der Übersetzung gerade dieses Schlüsselbegriffs einen sprachlichen Archaismus hineinzutragen, dessen Verwendung Qoheleth geistig und stilistisch ferner liegt

Erlä.uterungenzur

Übersetzung

115

als jedem anderen Autor des AT. — Zum Präsens der Übersetzung vgl. die Reihe der Perfekta in Ps. 1,1 mit dem Sinn der bleibenden Gültigkeit, nicht des Tempus. Selbst bei späterer Einf ü g u n g der Worte ' p I S N darf an diesem Sinn festgehalten werden. S. auch Brockelmann, Hebräische Syntax (Neukirchen 1956), § 4 i c und Beer-Meyer, Hebräische Grammatik, Bd. II (Berlin 1955), § 101b. Mit Rücksicht auf den sonstigen alttestamentl. Sprachgebrauch und auf die Stellen in Qoh., in denen der Begriff eindeutig die mühevolle Arbeit bezeichnet, ist gegen H. L. Ginsberg, der den Begriff auf das Ergebnis bezieht (earning, gain), am üblichen Verständnis (schwere Arbeit, Abmühen) festgehalten. Die Möglichkeit der Doppelbedeutung wie im Deutschen (Tätigkeit; Ergebnis der Tätigkeit) bleibt dabei erhalten.

3

aVis1?

ist hier wie in 3,14 zweifelsfrei ein Qualitätsbegriff. „Ewigkeit" ist nicht gemeint. Siehe 4 auch die Erl. zu 3,11. Galling [27] und Thilo [84] beziehen und O T i n N auf „Zeiten", nicht auf „Ge- 11 schlechter". Das ist möglich, ändert aber bei der Sachgeladenheit des hebräischen Zeitbegriffs nicht den Sinn. Der Oberbegriff „Ereignisse" ist in beiden Übersetzungen enthalten. Wörtl.: mein Herz. Das Wort bezeichnet bei Qoh. weit seltener den Sitz des Gefühls als das 13 Organ des Verstandes und ist dann auch entsprechend übertragen (Sinn, Verstand). Es erscheint jedoch auch im ersteren Sinn und in Fällen, in denen sowohl der Verstand als auch das Gefühl beteiligt erscheinen. TDann ist wörtlich übersetzt. Der subjektive Charakter der Entscheidung ist dabei unvermeidlich. Außerdem erscheint der Begriff in der indifferenten Formel ' 1 8 T H O N Ca"? 0 » ) - a V a „Ich sprach zu mir selbst (dachte bei mir)".

dürfte hier, wie in 2,7.9 seiner möglichen Doppelbedeutung: „(zeitlich) vor mir" 16 und „(räumlich) vor mir" = „(zeitlich) mit mir" ein Bestandteil des "^Vfi-Spiels der ersten beiden^ Kapitel sein. Die einmalige Form

ist synonym dem sonst üblichen fll'pDO (2,3.12.13; 7,25; 10,1).

17

Die Wendung O ' t t t f n 111111 ist biblisch zu gut belegt (1^ Stellen), als daß eine schematische 2,3 Angleichung an (PÖltfil Dlin berechtigt wäre. Vgl. Gordis [33]. Wörtl.: Kostbarkeiten von Königen und den Ländern (oder: Provinzen). — Zur aufsteigenden Klimax in Form der Verbindung von Sing, und Plur. s. Konig [54] S. 163.

8

Die Stellung von 12b vor 12a mit Siegfried, Budde, Galling, Vischer, H. L. Ginsberg. 12b gibt 12 eine Begründung f ü r V. 11, und 12a schließt sinnvoll an V. 13fr. an. — Die Konjekturen sind Notlosungen; die Ubersetzung ist daher im Wortlaut zweifelhaft. Ehrlich [15] erklärt die Textstelle für „heillos verderbt". Manche Kommentatoren verstehen die Stelle als einen klagenden Ausruf: „Ach, es stirbt der 16 W e i s e . . . " . Psychologisch wahrscheinlicher ist die vorwurfsvolle Frage wie in Gen. 26,9; Ri. 16,15 (s. Köhler-Baumgartner, Lexicon). Graetz [37] verweist auf die „causale Nuance" von als Modalinterrogation in 1. Sam. 16,2. Das gebotene Verständnis schon bei M. Mendelssohn, in neuerer Zeit bei Levy [58] und Gordis [33]. Die Wörter des Stammes "ItPD haben bei Qoh. die Grundbedeutung des richtigen, sachdien- 21 liehen Seins oder Handelns mit unterschiedlicher Bedeutungsnuance. So steht das Verb in 11,6 mit dem Akzent der Erfolgsaussicht, in 10,10 bei unsicherem Text mit dem der Rechtzeitigkeit. Qas Nomen JVWa bezeichnet hier und in 4,4 das fachliche Können, in 5,10 dessen

116

E r l ä u t e r u n g e n zur

Übersetzung

Ergebnis, den Arbeitserfolg. Der Stamm erscheint sonst noch in Esth. 8,; und (fraglich) in Ps. 68,7. 26

Zur Übersetzung s. S. 131 und Anm. 2 ebd.

3,2 m V ? : läßt sich auch, wenn das Geborene mehr als die Gebärerin in Betracht kommt, im Sinne des Geborenwerdens sagen" (Delitzsch). Die Gegenüberstellung zu n w 1 ? bestimmt den Sinn. Luther und, ihm folgend, Galling, lassen in ihren Übersetzungen das standig wiederholte „eine Zeit" als eine unnötige und unschöne Belastung fort. Die vorliegende Fassung sieht in dieser Wiederholung eine bewußt einprägende, pädagogisch wohl überlegte Form: jedes, ausnahmslos jedes Ding hat seine besondere Zeit. 11

14 15 17

Die Darlegung des Übersetzungsproblems dieses Verses, insbesondere seines Schlüsselworts, des vielumstrittenen o V s n , erforderte einen eigenen Exkurs. Die weitaus meisten Übersetzer betrachten das defektive 0*7» als eine synonyme Nebenform von Graetz, Bickell, Budde, Blieffert, Dahood leiten vom Stamm d V » „verborgen sein" ab und übersetzen „ U n wissenheit; Dunkelheit; das Verborgene" mit einem entsprechenden Textverständnis. Kamenetzky, BH, H. L. Ginsberg ändern in Wo die Bedeutung 'ölam belassen bleibt, wird verschieden übersetzt. Die alten Übersetzungen, Luther und zahlreiche Neuere übersetzen „Welt; Weltsinn; Liebe zur Welt"; „Sinn für die denkende Beschäftigung mit der Welt" (König [54] S. 28). Delitzsch übersetzt „Ewigkeit", Zimmerli [92] S. 32 „Drang nach Ewigkeit", Pfeiffer [69] S. 107 "(the contempt of) eternity". Galling [27] sieht in einen „reinen Zeitbegriff" und übersetzt „Zeitenablauf", Thilo [84] „Zeitlauf", aber mit einem Verständnis wie König. Siegfried und Menge wählen „Zukunft". Zur Entscheidung ist die Begriffsuntersuchung von Jenni [49] zu berücksichtigen. Die Übersetzung „Ewigkeit" erscheint nicht annehmbar. Sie trägt einen spätjüdischen bzw. neutestamentlichen Begriff hinein, der das Verständnis verbaut, es sei denn, daß das Wort im populären Sinn langer Dauer verstanden würde. Bis auf einzelne Aussagen der Apokalyptik ist „ E w i g keit" kein alttestamentlicher Begriff. Dem A T fehlt die Vorstellung einer zweiten Welt des zeitlosen Seins und damit die Möglichkeit, den Begriff der Ewigkeit als Korrelat des Zeitbegriffs zu bilden. (Vgl. Schmidt-Japing in R G G 2 , Artikel Ewigkeit II). Andererseits erscheint Gallings „reiner Zeitbegriff" für einen althebräischen Text zu abstrakt. D V y n als Gegenstand des menschlichen Begehrens müßte als Zeitbegriff und als Qualitätsbegriff (vgl. Jenni) zusammengefaßt werden im Sinne des Zusammenhangs der Erscheinungen, von Wesen und Sinn im Sein, Ursache und Wirkung im Ablauf. Irgendwie kommt es notgedrungen in der gebotenen Kürze der Übersetzung auf den Begriff „Welt" in einem dynamischen Sinn heraus. Die Übersetzung schließt sich daher dem Verständnis von König und Gordis an, das auch den Vorzug hat, Textänderungen überflüssig zuzumachen. Vgl. die Erl. 1,4. Völlige Sicherheit über das Verständnis der Stelle ist nicht zu gewinnen. Wörtl.: „ . . . sucht das Verfolgte" (Kohler-B.: das Entschwundene). „Der Schluß des Verses bleibt dunkel" (Graetz).

Die mehrfach vorgeschlagene Emendation Dfr statt Dtf mit stilistisch fraglichem Bezug des Verbs auf das entfernte ist nicht erforderlich. Überdies bleibt der Sinn dadurch unverändert. Vgl. Delitzsch [12] z. St. 18 Die Übersetzung betrachtet m m " ? , Levy [58] folgend, als einen an die finite Verbform "THON anschließenden Inf. constr. der eine gleich bezogene Aussage fortsetzt. Zur Konstruktion vgl. Qoh. 2,3 (tnirtn . . . v n n ) ; 7,25 ( n s n V i . . . T I S D ) . Für den gesamten Vers

Er läuterungen zur Übersetzung

117

gilt das Urteil von Budde: „Der Text bleibt sehr unsicher". Dil 1 ? n n n ist mit possessivem Verständnis („sie für sich" u. ä.) nicht sinnvoll. Wahrscheinlicher ist bei der doppelten Rückweisung durch das Personalpronomen und die Präposition mit Pronominalsuffix (s. Brockelmann, Hebr. .Syntax § 107E) die Absicht einer Betonung, womit zugleich (s. ebd. § 107 i) die Zuordnung zu einer Kategorie ausgesagt werden kann. Daher darf die Übersetzung in sachlicher Wiedergabe das Nomen D I K i l wiederholen und so auch sprachlich unmittelbar die Parallele von V. 19 einleiten. Das eindringliche Wortspiel a n 1 ? n n n n s r o nnty, in dem der Gleichklang den Gedanken der Gleichsetzung aufnimmt, entzieht sich der Wiedergabe in einer anderen Sprache. Die Änderung des Artikels in D interrogativum wird heute trotz des Widerspruchs von Ehrlich [15] und Graetz [37] allgemein anerkannt. Auch Delitzsch bestätigt sprachlich die Emendation, versucht aber, exegetisch einen Zweifel Qoheleths zu retten.'

21

Der Text ist lexikalisch wie grammatisch unsicher. Ist die unterschiedliche Bedeutung des zwei- 4,1 maligen D'pttfSn durch den Kontext deutlich, so ist die Richtigkeit des doppelten DIUD fraglich. König [54] S. 1 2 vermutet auch hier eine beabsichtigte Mehrdeutigkeit, doch ist deren Sinn nicht zu erkennen. Emendiert man aber, so wohl am besten ohne Änderung des Konsonantentextes mit Driver [13] in das assimilierte Part. Hithp. wie Ez. 5,13. Dies ist für den Text auch sachlich besser als das vorgeschlagene QpU3 (BH), wovon Qoh. sicher nur neue Ungerechtigkeit und Gewalttat erwartet hätte. Arbeit ist nicht nur Rivalität für Qoh. Vgl. Hertzberg [44] z. St. Siehe auch die Erl. zu 2,21.

4

Wörtl.: keinen Zweiten. Morenz [65] vermutet einen ägyptischen Ursprung der Wendung.

8

Wörtl.: kein Zweiter. Vgl. die vorhergehende Anm.

10

Das unbenannte Subjekt ist mit der Verbalform "IDpTP = inDplV gegeben. I f l S n ist Akk.Objekt. Vgl. Delitzsch [12], Levy [58].

12

a m e n steht für B , _ n O X n . „Die jüngere Sprache liebt diese Elision des X " (Delitzsch).

14

Wörtl.: dem Zweiten. Vielleicht wie 4,8.10 einfach: der Andere.

15

Wörtl.: dein Fleisch. Die Wendung steht als bildhafter Ausdruck pars pro toto der Person. Jede 5,5 exegetische Bezugnahme im Sinne der paulinischen Theologie wäre verfehlt. - Ob "qsVö wie in Mal. 2,7 den Priester meint oder einen mit der Abholung der gelobten Gaben beauftragten Tempelboten, der dann dem Pries'ter den abweisenden Bescheid bringt, ist sachlich belanglos. Die Bedeutung „ E n g e l " entfallt naturlich bei Qoh. Die Übersetzung ist der Versuch einer Wiedergabe des Sinns nach dem Zusammenhang. Der Text ist unklar. Im ersten Teil scheint ein Verb zu fehlen. Im zweiten bedarf das 'D einer freien Übersetzung.

6

Wörtl.: Entziehung, Raub.

7

Der Text ist unklar; keiner der zahlreichen Lösungsversuche kann beweisend sein. Delitzsch übersetzt ohne Emendation: „Eines Landes Vorzug aber besteht allewege in einem dem Ackerbau ergebenen Konig." Galling [27] liest: melek l'&ar üVöbed, womit die Aussage zum Wünschtraum wird. Gordis [33] wählt: "The advantage of land is paramount; even a king is subject to the soil", und behandelt damit V. 8 unabhängig von V. 7. Zum vorliegenden Text vgl. die Einführung S. 142 und Budde [8].

8

118

E r l ä u t e r u n g e n zur Ü b e r s e t z ung

9 Die wörtliche Übersetzung von ^OD empfiehlt sich wegen ihrer größeren Bildhaftigkeit gegenüber der sachlich ebenso richtigen Verallgemeinerung „ G e l d " . 13/14

S i l j ' l S = Unfall schließt alle Möglichkeiten der Ursache des Verlustes ein. In wörtlicher Wiedergabe wäre bei dem gegebenen Zusammenhang auch die Übersetzung „schlechtes Geschäft" möglich. Vgl. die übertragene parallele Verwendung in 1,12. — Nach dem Text ist nicht sicher zu entscheiden, ob sich I T ' 3 auf den Vater oder den Sohn bezieht. V. 14 bezieht sich jedenfalls auf den Vater, da von der Arbeit des Sohnes nicht gesprochen wird. Die Sache bleibt in beiden Fällen die gleiche: der sorgende Vater muß die Armut des Sohnes erleben.

6,} Die Übersetzung im Anschluß an Gordis [33]. Siehe die textkritische Note z. St. Zur Belassung am Ort gegen die Umstellungsvorschläge vgl. S. 39; 69. 5 Wörtl.: „Mehr Ruhe hat dieser als diese." Die Übersetzung nicht nur „mit Verallgemeinerung des Begriffs der Ruhe" (Delitzsch), sondern zur Verdeutlichung des drastischen Kontrastes. 8 ^SJ = „der Zurückhaltende" in der Parallele zu 0 3 1 1 . Diese übertragene Bedeutung ist in der älteren Sprache vorgebildet in der Wendung B>D3iI~riit ¡1327 = fasten (Lev. 16,29.31; 23,27.32; Num. 29,7; Jes. 58,3.5; erweitert in Ps. 35,13). „Der Arme" gibt keinen Sinn. Es geht nicht um eine Tugend aus der Not, sondern um ein Verhalten aus der Einsicht. 10

Der Text ist unsicher und unbequem. Nimmt man, BH folgend, DTK unter Versetzung des Athnach in den zweiten Teil, so fehlt es im ersten. Daher durfte man am besten M T unverändert lassen, die Akzentbindung von DTK an S1H berücksichtigen und das Letztere als Demonstrativum mit der Bedeutung „ein jeder" verstehen. Diese Verdeutlichung entspräche sinngemäß der Konstruktion von 3,1—8. DTK ist dann wegen seines unmittelbaren Zusammenhangs als Subjekt des zweiten Satzes nicht wiederholt.

12

„Der Satz mit "lltfN . . ., der Bedeutung nach nicht verschieden von "O, verhält sich begründend zu dem mit "'S beginnenden" (Delitzsch). — Es ist erstaunlich, daß das bereits von Graetz [37] und Levy [58] vorgeschlagene und von Letzterem begründete finale Verständnis des Satzes in den Übersetzungen der letzten Jahrzehnte hinter der Auffassung als Relativsatz völlig zurückgetreten ist. Der Schatten ist im A T nicht nur das Symbol von Dunkelheit und Flüchtigkeit, sondern auch des Schutzes (Gen. 19,8; Jes. 30,2; Ps. 9 1 , 1 ; 121,5). Die Bedeutung des Begriffs ist bei Qoh. auch an den weiteren zwei Belegstellen (7,12; 8,13) positiv, worin ihm Sir. 14,27 folgt. Die Wahl der Lesart oder *?S3 (vgl. BH) ist, da beide Varianten je nach der Auffassung zum gleichen Ergebnis führen, weniger wichtig gegenüber der Einsicht in die grundsätzlich finale Tendenz, die aus der Frage STOTID 5 n V ~ , ö resultiert. Auf dieses Wissen mit dem Erfolg der Lebensbewältigung käme es an I Das Verständnis von DfoSPl als Relativsatz und damit auch nur als Illustration zu D 1 1 ! ! wie i V a n 1 S 0 D nimmt der Sentenz zuviel von ihrer Zielstrebigkeit.

7,1

Das Wortspiel Dtf — ist lautlich im Deutschen bei korrekter Übersetzung nicht nachahmbar. Graetz [37] übersetzte interpretierend: „Besser gut Gerücht als gute Gerüche."

5/6 Die Übersetzung muß sich leider mit der einfachen Wiedergabe der Begriffe begnügen. Die klingende Fülle der von V. 5 zu V. 6 übergreifenden Assonanzen und die Doppeldeutigkeit von "V0 werden nur im Urtext faßbar. 7 11

Siehe die Einführung S. 145. Zu 057 in der Bedeutung „so gut wie" vgl. Köhler-Baumgartner, Lexicon. Im gleichen Sinne in Qoh. 2,16. Emendationen sind daher unnötig, zumal sich die Gleichstellung in V . 1 2 a wiederholt, und dann erst in V. 1 2 b die Hervorhebung der Weisheit angeschlossen wird.

E r l ä u t e r u n g e n zur

Übersetzung

Wörtl.: siehe — Wörtl.: weil der Mensch danach nichts mehr

119 findet.

Wörtl.: All das . . .

14 15

Man kann übersetzen: „. . . entgeht beidem" oder tut beidem Genüge" (in beiden Fällen 18 mit dem Verständnis von wie in V. 15). Die zweite Fassung liegt der späten Sprache näher. Vgl. Gordis [33]. ist nicht mit übersetzt. Zu S T 1 = beobachten s. Köhler-Baumgartner, Lexicon. — 25 Zur Konstruktion vgl. 3,18 und die Erl. zur Übersetzung dieser Stelle. Man tut Qoh. und den Frauen zugleich Unrecht, wenn man verallgemeinernd „das Weib" übersetzt. XVTHtfN ntZ'Xn r i x ist betont demonstrativ und damit auswählend. Könnte Qoh. wirklich gemeint haben, daß jede Bindung an eine Frau, einschließlich der Ehe, den Mann als zu den „Mißfälligen" gehörig charakterisiert? Seine Empfehlung in 9,9 sieht anders aus. — Der Niph^nD1?1 kann reflexiv oder passiv verstanden werden. Das isolierte 'IN hat seit jeher Schwierigkeiten gemacht. Vielleicht ist es doch ursprünglich und gehört zur beabsichtigten Unklarheit der Stelle. Im übrigen ist es für das Gesamtverständnis der Sentenz nicht wichtig, ob man es mit den alten Übersetzungen übergeht oder mit Ginsberg [30] und v. d. Ploeg [71] ein aramaisierendes vermutet, wie es sich im Achiqar von Elephantine (V. 101; bei Cowley, Aramaic Papyri of the Fifth Century, S. 215) findet. Man darf nur nicht im Sinne einer eigenen Rede Qoheleths emendieren wie Delitzsch mit der Ergänzung Tl*ViX, wofür er auf 2,1; 3,17.18 verweist. An diesen Stellen steht aber " a 1 ? ! "UX THON, die Formel des reflektierenden Erwägens, die hier keinen Sinn gäbe. Das gleiche Mißverständnis schafft die Emendation "M (Gerson, Zapletal). i n S n t t h : der Hithpa'el hier wie öfter in der späten Sprache (vgl. Brockelmann, Hebr. Syntax § 39d) in passivischer Bedeutung. Es liegt nahe, in diesen Formen Entlehnungen aus dem Aramäischen oder syntaktische Aramaismen, eine Kontamination des Hithpa'el mit dem gewöhnlich passiven aramäischen Hithpe'el zu sehen. Die Lesart 17132"!ttf1! der alten Übersetzungen ist also sprachlich nicht erforderlich. Sie wird jedoch verstandlich als ein Korrekturversuch von Übersetzern, deren Umgangssprache nicht das Aramäische war. — Vielleicht hat der Schluß von 10a einen Ausfall. Das Verständnis wird dadurch kaum erschwert. Zahlreiche neuere Versuche (Burkitt, Ginsberg, Hertzberg, Humbert u. a.), durch Änderung von D , 1 3 p in D 1 3Tp einen Anschluß an tthlp Dlpö ( = der Tempel) zu schaffen und den Text vom Kult her zu verstehen (etwa: Frevler, sich nahen zum priesterlichen Dienst und eintreten in den Tempel . . .), befriedigen nicht, weil sie die wesentliche Gegenaussage zu V. 2—9 beseitigen: das Ausbleiben der Vergeltung zu Lebzeiten des Frevlers und damit nach der Überzeugung Qoheleths überhaupt. — Galling [27] denkt nach ägyptischer Parallele (Ipuwer) an das Herausgeworfenwerden der Leichen Gerechter und Bestattung der Frevler in den geraubten Grabern. Aber schon Delitzsch [12] bemerkt, daß ' p DIpQ nie „Begräbnisplatz" heißt. Die Begräbnisstätte ist in Israel nicht heilig, sondern unrein. Die Annahme eines Euphemismus für XÖB DIpÖ (Gordis [33] z. St.) hat keine Stütze. Die Berufung auf Deut. 22,9 durch Feigin (nach Gordis a. a. O.) beruht auf einer Fehlinterpretation, da das Verb tt^Tp dort nicht eigentlich ein Verunreinigen bezeichnet, sondern ein Handeln, das zum Verfallen des Besitzes an das Heiligtum führt. Es können nach aller Wahrscheinlichkeit nur Jerusalem oder (vgl. Exod. 29, 31; Lev. 6, 9. 19. 20; 7, 6; 10, 13; 16, 24; 24, 9) der Tempel gemeint sein. Die auch hier gültige Grundbedeutung von IplNQ ist zunächst wie in 7,15 (dort deutlich im Gegensatz zu 1 3 N ) : Der Frevler kann lange leben. Aber schon einige der alten Übersetzungen (s. BH) haben im Sinne der dahinterstehenden zweiten Bedeutung: „Es wird ihm Langmut zu-

26

8,2

10

12

120

Erläu terungen zur

Übersetzung

teil" übertragen. Ebenso M. Mendelssohn, Siegfried, Levy, Gordis und mit der Emendation "ipiHHBI Graetz und Hertzberg. i)

Das Verständnis dieser Stelle mit Zapletal [91], Levy [58] und Pedersen [68] S. 324.

1/2 Die Ubersetzung ist ein Versuch, unter Berücksichtigung von Akzentuation und Versteilung möglichst nahe am M T zu bleiben. VsV "ItPiO VDn macht zu stark den Eindruck einer festen Wendung, als daß man es beseitigen dürfte.— „Weder Liebe noch Haß": die wörtliche Ubersetzung. Gordis [55] übersetzt, seiner berechtigten Auffassung nach, exegesierend: "Men can be certain of neither God's love nor his hate". Aber so etwas spricht Qoh. nicht gern aus. In solchen Fällen sichert er seinen Worten lieber die Vielfalt der Bedeutungsmöglichkeiten. 6 Auch die aktive Fassung („Ihr Lieben, Hassen . . .) ist grammatisch möglich, aber das Passiv schließt besser an V. 5 an. 9

Es gibt keine Möglichkeit, darüber hinwegzusehen, daß iWN ohne Artikel steht, aber auch keine Veranlassung, durch die Übersetzung „. . . mit der Frau . . ." den Ruf Qoheleths wahren zu wollen unter einem Gesichtspunkt, der seiner Zeit fremd war. — Das fehlende Subjekt zu •qV-jni steht in 7 b. Vgl. Delitzsch [12] z. St. Die präsentische Übersetzung von |D3 ist durch den Text gefordert.

1

Zum Inf. abs. in Fortsetzung einer finiten Verbalförm s. König, Hist.-comp. Syntax, § 218 und vgl. Qoh. 8,9.

3

k t i n V n n ist nicht auf TlttSn zu beziehen. Die Weisheit ist in der nachfolgenden Erzählung durchaus nicht groß. KTI ist dementsprechend neutrisch und als eigenständiges Subjekt zu verstehen.

5

Das Verständnis des Perfekts als Potentialis (mit Kuhn, Volz, Hertzberg, Blieffert, H. L. Ginsberg) ist durch den Schluß von V. 16 und den Sinn der ganzen Sentenz erforderlich. Zu diesem Gebrauch des Perfekts verweist Ginsberg [31] S. 57aufGen. 31,42; 43,10; Num. 22,33 ; Ri. 14.18; Esther 7,4.

7

D'SJÖltfl nicht wie in V. 16 „gehört werden", sondern tolerativer Niph'al: sich hören lassen = ertönen; das akustische Gegenstück zum Niph'al von 71K1 als Terminus technicus für „erscheinen". Nur so wird der Gegensatz deutlich, den der Vers aussagen will: die ruhige gehaltvolle Rede des Weisen gegenüber dem leeren Geschrei des Toren.

8

XÜW kann hier im Zusammenhang der Gegenüberstellung von Weisheit und Torheit, vielleicht in sprichwörtlicher Wendung, weder den Sünder noch den Mißfalligen bezeichnen. Es ist einfach der Tor gemeint, der verkehrt handelt. Vgl. Gordis [33] z. St.

0,1 HIÖ , D13T: nicht „tote Fliegen", sondern dem Tode verfallene. Vgl. 1. Sam. 16,26; n i Ö " p 2. Sam. 12,5; n m n n '•23 Ps. 79,11; 102,21. — Eine Emendation des M T ist nicht erforderlich. Vgl. Driver [13], Konig [54], S. 214. Letzterer mit Hinweis auf die verbindungslose Fügung zweier Verben zu einem Kompositum in Gen. 18,6; Hos. 9,9; Ps. 6,11 b . 3 Die Übersetzung mit Vulgata, Midrasch Qoh. Rabba, Luther, Wildeboer, Levy, Gordis. Für eine allgemeine Aussagen über den Narren („man sagt") wäre wohl in der späten Sprache das Verb in der 3. pers. pl. zu erwarten. Vgl. Brockelmann, Hebräische Syntax, § 36 c, d. o

„Dieser Spruch ist der schwierigsten einer im Buch Koheleth, sprachlich der schwierigste" (Delitzsch). Graetz [37] vermutet in ihm das Trümmerstück einer Versgruppe. Die Übersetzung muß sich mit dem Versuch einer Herstellung des Sinns begnügen. Emendationsversuche an den letzten drei Worten kommen über eine reine Willensentscheidung nicht hinaus. Immerhin läßt der Konsonantentext trotz der Vokalisation und ihrer Stützung durch die Masora (BH 3 )

E r l ä u t e r u n g e n zur

Übersetzung

121

die Möglichkeit des Inf. constr. Hiph'il offen. Zum Verständnis des Verbs s. die E r l . zu 2,21. Die mit der Kopula eingeführte Irrealis ist durch den örtlichen Zusammenhang und die Gesamtaussage des Buchs bedingt. W ö r t l . : „Die Lippen des Narren verschlingen ihn."

12

Die Unordnung im Anfang des Verses wird auch durch die Emendation mit L X X und Targum

15

(s. B H ) nicht beseitigt, es sei denn, daß man mit König, Wörterbuch *?D57 hier als Femininum betrachtet. Der weitergehende Emendationsvorschlag H S V

V ) 8 V'ODH (Ehrlich, Budde,

Galling) laßt den Sinngehalt unverändert. SIH'' ist entweder eine Mischform aus KID und n V P (Gordis [3}] als Alternativvorschlag) 11,5 oder Futurform von Hin mit aramaisierender Endung (Delitzsch, Hitzig, König). Die Partizipialform des Verbs in Qoh. 2,22. "SplCTD ist unbequem, aber durch die alten Übersetzungen und zahlreiche Handschriften mit 1 2 , 1 der Form "!|103 gut bestätigt. Delitzsch sieht in M T einen Majestätsplural, Gordis eine orthographische Form der vormischnischen Sprache. Der Änderungsvorschlag ^"113 (Bickell, Budde, Levy, Galling, Zimmerli) bleibt zu beachten. Die Umstellung von 5 b (mit Volz u. Galling), um die Reihe der Sinnbilder vollständig vor die

5

letzte auflösende Aussage zu stellen. Wortl.: Das Schöpfrad zerbricht zum Brunnen hin.

6

Der Text ist fraglich, aber für Emendationen besteht kein sicherer Anhaltspunkt. Wildeboer [88] 11 und Driver [ 1 3 ] trennen die Zeilen hinter D,S71t32, womit der schwierige Vergleich der JTIDDN mit eingelassenen Nägeln beseitigt würde. Doch bleibt offen, was

bedeutet. Mit

Rücksicht auf den Vergleich entschließen sich die meisten Kommentatoren, hierin die gesammelten Sprüche zu sehen, also eine Paralle zu D'TDSn ' I S T ; (Volz, Hertzberg: „Glieder der Sammlungen", hierin wohl König, Hist.-comp. Syntax, § 306 g folgend, der aber die Übersetzung in seinem Wörterbuch korrigiert hat). M. Mendelssohn [61] interpretiert: „Meister der Sammlungen", Wildeboer [88] „die Sammler" mit dem Kommentar „Die Herren der gesammelten Sprüche =

die W e i s e n " ;

beide

also =

Person,

D1D0X =

Spruchsammlungen.

auch Köhler-Baumgartner, Lexicon. König (Wörterbuch), Graetz [37], Dahood [ n ]

So

nach

phönizischer Parallele: die Versammlungen der Männer; Driver [13] übersetzt: " T h e y are the rulers of assemblies", aber mit Bezug auf die Sprüche. Eine wörtliche Parallele steht in b. Sanh. 12a: m a t o s

,l

7S?3. Hier bezeichnet der Begriff eindeutig die Männer, die

zu einer Beratung zusammentreten (Goldschmidt:

Männer des Kollegiums). Dem entspricht

die Exegese der Qoh.-Stelle in b. Chag. Fol. 3 b. *?573 in der Bedeutung „Glied einer Sammlung" ist weder biblisch noch spater belegbar. Es bezeichnet immer eine Person, den Herrn, Besitzer, Teilhaber, Bürger, Ausübenden eines Amts, auch den beherrschenden Kenner einer Sache. In Qoh. bezeichnet das Wort fünfmal (5,10.12; 7 , 1 2 ; 10,11.20) den Besitzer, einmal (8,8) den Ausübenden. Das macht die Übernahme der Bedeutung aus b. Sanh.

12a

bedenklich. Die Übersetzung versteht daher den Text mit Mendelssohn, Wildeboer, KöhlerBaumgartner. IDiPO ( 1 S 0 1 9 , m ö t o O , m D D D ) bezeichnet immer den Nagel, nirgends den Zeltpflock. Hier steht es wohl in Parallele zu

als die eingelassene Eisenspitze des Treib-

stachels. Vgl. Gordis [33] z. St. mit einem überzeugenden Zitat aus dem Mischna-Kommentar des Maimonides. Das Verständnis von SÖSfa als Pausalform des Kohort. 1. Plur. mit Hertzberg [44] — Die UmStellung von * 1 3 1 (mit Budde, BH, Hertzberg) ist eine Verlegenheitslosung. Rowley [77] S. 89 vermutet den Ausfall einiger Worte im Text. 9

Der Prediger

13

E I N F Ü H R U N G IN D A S BUCH Q O H E L E T H x. K A P I T E L Nach der von einer späteren Hand hinzugefügten Überschrift, in der sich die Überzeugung von der salomonischen Urheberschaft ausspricht, setzt der Text mit einem Gedicht ein, in dem der Verfasser sein Weltbild vorlegt als das Fundament und den bleibenden Hintergrund aller nachfolgenden Betrachtungen. So ist dieses Textstück, wie jedes Vorwort, für den Autor Programm und abschließende Zusammenfassung zugleich, für den Leser aber eine einleitende Wegweisung in das Wesen und die Absicht des Buches. „Nichtigkeit der Nichtigheiten" ist eine superlativische Wendung wie das antike „König der Könige" oder der Buchtitel T© (das Hohelied), bezeichnet also die äußerste, vollkommene Nichtigkeit. Dieser Begriff des Nichtigen (*72n) wie der des entsprechenden Adjektivs umfaßt die Inhalte des Vergänglichen, Zwecklosen, Wertlosen, Täuschenden, Unzuverlässigen, Unbeständigen. Aber es ist wichtig festzuhalten, daß dieses Wort nicht „sinnlos" bedeutet in Bezug auf die Gesamtheit der Welt. „Sinnlos" heißt "73H nur dort, wo ein verkehrtes Tun oder eine törichte Haltung des Menschen kritisch aufgezeigt werden1. Qoheleths Aussage geht auf die Beobachtungen und Erfahrungen seines Lebens zurück. Eine Kritik der Welt im Sinne einer Negierung von Schöpfung und Weltlauf liegen außerhalb seiner Absicht. Qoheleth sagt in voller Überzeugung „Gott", und wer „Gott" sagt, sagt „Sinn" zumindest insofern, als er diesen Sinn bei Gott für gegeben hält. Der Gottglaube und die Aussage der Nichtigkeit stehen also nicht im Widerspruch zueinander. Die Meinung Qoheleths ist vielmehr, daß ein Sinn der Welt aus ihr selbst heraus dem Menschen nicht erkennbar wird; und ein anderes Erkenntnisverfahren als das der Beobachtung ist ihm fremd. Der Ausgang all seiner Betrachtungen ist die Unfähigkeit des Menschen, einen letzten Sinn, ein wegweisendes Ziel des Lebens und damit einen Festpunkt der Lebensführung zu erkennen. „ Welchen Gewinn hat der Mensch von all seiner Mühe, mit der er sich müht unter der Sonne?" Die Frage ist überschattet von der vorangegangenen Feststellung der Nichtigkeit aller Dinge und allen Geschehens. „Gewinn" (p"VP)2, einer der von Qoheleth in die biblische Sprache eingeführten, im AT sonst nicht vorkommenden Begriffe, bezeichnet wörtlich ein „Bleibendes", einen Ertrag, den der Mensch als die Frucht 1 2

Zu Wesen und Aufbau der „Nichtigkeitsaussagen" vgl. Zimmerli [92] S. 13 ff.

iomal 1,3; 3.11.13 (2mal); 3,9; 5,8.15; 7,12; 10,10.11. Vielleicht entstammt das Wort der Handelssprache und bezeichnet den Nettogewinn (Gordis [33]; Dahood [11]).

E i n f ü h r u n g in das B u c h Q o h e l e t h

123

seines „Mühens" (17J3S?)1 in der Hand behält. Aber wie sollte hier „unter der Sonne" 2, in dieser Welt der Vergänglichkeit, der Zwecklosigkeit und Wertlosigkeit ein Gewinn möglich sein? Es ist deutlich spürbar und durch den Inhalt des Buches bestätigt, daß eine resignierende Antwort schon im Ton der Frage mitschwingt. Und doch ist sie nicht rein rhetorisch, sondern echt gemeint. Wir sahen, daß die Sichtung des Lebens auf seine Werte hin und die Führung zu ihnen seit jeher das Anliegen der orientalischen Weisheit gewesen ist. Qoheleth geht hierin nur tiefer als seine Vorgänger. Haben diese nach dem erfolgreichsten und sichersten Weg zu den von ihnen unbezweifelten, allgemein anerkannten Lebenswerten gefragt, so stellt er zunächst die sachliche Möglichkeit der Auffindung eines „Gewinns" im Menschenleben zur Diskussion. Aber das Suchen, der brennende Wunsch nach einem p i n ' , wird auch von ihm nicht begründet. Das Verlangen nach Lebensglück ist diesem erfahrenen Beobachter mit der Tatsache der menschlichen Existenz gesetzt. So versucht er, mit viel Skepsis und großer Zurückhaltung seinem Amt als Weisheitslehrer gerecht zu werden. Was ihn zum Schreiben bewegt, ist nicht die Frage nach Welterkenntnis und Lebenssinn, die er so vielfach als unbeantwortbar und damit als sinnlos kennzeichnet. Nicht am Wissen liegt ihm, sondern am Weg. Es ist die pädagogische Hilfsbereitschaft im vollen Bewußtsein des Ungenügens auch des Weisesten, jener „pessimistische Humanismus" den Thomas Mann 3 als einen Grundzug Schopenhauers rühmt. Mit dieser Einleitung hat Qoheleth die Aufgabe wie die Grenzen seiner Betrachtungen gekennzeichnet. V. 4—11 klären nun in der zusammenfassenden Vorwegnahme des Welt- und Geschichtsbildes die Voraussetzungen, unter denen der Mensch den Weg geht, auf dem er seinen „Gewinn" sucht. Es ist das Weltbild einer zwar innerlich nicht unbeteiligten, aber unbestechlichen, sehr distanzierten Beobachtung ohne hineingetragene Ideale und Zielsetzungen, ohne religiösen Aufschwung, unpathetisch und illusionslos. Vor allem aber ein Weltbild ohne die Absicht eines „Weltbildes" im Sinne philosophischer Erkenntnis oder theologischer Konzeption. Die gedrängte Vollständigkeit des Überblicks und die Bilder vom Kreisen des Windes, dem Kreislauf von Sonne und Wasser haben vielfach 4 dazu geführt, in diesen Versen die Darlegung eines Weltbildes nach dem Grundschema der altorientalischen oder 1 Vgl. die Erl. zur Übers, der Stelle. traían n n n 27mal in Qoh., sonst nicht im AT; jedoch keine Neubildung, sondern eine aufgenommene Wendung, die sich auch im Phónizischen (IPQtP 211111 Tabnit-Inschrift Zeile 7—8, Eschmunazar-Inschrift, Zeile 12, Texte bei Lidzbarski, Handbuch d. nordsemitischen Epigraphik, S. 417, Tafel IV, 1. u. 2) findet. Die Formel ist also höchstwahrscheinlich nicht griechischen Ursprungs (vgl. Gordis [33] S. 358, Anm. VI/3), zumal sie auch in babylonischer Sprache in einer elamischen Inschrift aus der Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. erscheint (I. Lévy, Rien de nouveau sous le soleil, in: La Nouvelle Clio 5, 1953» S. 326fF.; Dahood [11] S. 203). Allenfalls kann sie Qoh. bei griechischer Herkunft über das Phonizische erreicht haben. Synonym stehen Q^ÖB^H n n n (1,1 J ; 2,3 ; 3,1) und f l l i n VS (5,1; 8,14.16; aber nicht synonym 10,7; 11,3; 12.7). 3 „Schopenhauer" in: Adel des Geistes (Berlin 1956), S. 335. 4 Vischer [86] S. 56; v. Rad [74] S. 453f.; Thilo; Zapletal. 2



124

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Qoheleth

stoischen Zyklentheorie zu sehen. Damit wird der Text überfordert und sein Verständnis unnötig kompliziert. Die Bilder des Naturgeschehens (V. 5—7) sind in die wertend-sichtende großlinige Darstellung des menschlichen Seins und Vergehens (V. 4; 8 ff.) eingebaut. So werden sie über ihren eigentlichen Inhalt hinaus zum Sinnbild und Gleichnis der menschlichen Existenz. Im Naturgeschehen wie in der Menschheitsgeschichte findet Qoheleth die gleiche ermüdende Monotonie eines rastlosen, mühevollen Geschehens ohne Zweck und Ziel. Das ist kein Weltbild, in dem sich ein Wissen ausspricht, sondern ein Bild der Welt, mit dem die Folgerung eines zwangsläufigen Nichtwissens begründet wird. Wie fremd steht diese- Schau im Kanon des A T ! Hier ist keine Schöpfungsgeschichte, nur eine beziehungslose Schilderung des Naturablaufs, wie er sich vorfindet, ganz ohne die gottbezogene Sicht der Genesis und ohne den hymnischen Aufschwung der Psalmen. Die Sinnfrage, vom Menschen her gestellt, bestimmt Blick und Denkrichtung. Die zentrale Aussage der Unerkennbarkeit eines Sinns prägt auch die sprachliche Formung. Die lautmalenden Wiederholungen vermitteln mit großer künstlerischer Kraft den Eindruck der Monotonie. Die Fülle der hebräischen zeitlosen Partizipien als Ausdruck der gleichbleibenden Handlung in V. 4—7 betont den Sinngehalt. Das Erlebnis dieser Welt ist nicht mehr beglückend, nicht einmal mehr belastend und erregend, sondern nur noch ermüdend (V. 8). Hier ist nichts, das Geist und Sinne zu befriedigen vermöchte. Fast unmerklich geht die Betrachtung der Natur in das parallele Bild der Geschichte über, wobei „Geschichte" als die zur jeweiligen konkreten Situation beziehungslose Lebensbetrachtung der Weisheitslehre zu verstehen ist. Auch hier finden wir, als ein Spiegelbild der hoffnungslosen politischen und geistigen Stagnation im Palästina der Ptolemäerzeit, die Überzeugung von der prinzipiellen Unveränderlichkeit des Geschehens. Gewiß, es gibt die kleinen, meist unerfreulichen Geschehnisse, neue Herren, neue Sitten, ein verändertes Vokabular, aber im Grunde ist es doch immer dasselbe Spiel mit den gleichen Schauspielern auf der gleichen Bühne. „Es gibt nichts Neues unter der Sonne" Geschieht etwas, das wirklich neu erscheint, so kann ein solcher Irrtum nur in einer mangelnden Kenntnis der Vergangenheit begründet sein, wie auch Leben und Wirken der Gegenwärtigen und der Kommenden im Gedächtnis der Menschen vergehen werden, womit der letztmögliche Wert allen Mühens endgültig dahingeht (V. 10—11). Was steht in dieser Welt zu erwarten? «Le présent est mauvais, le passé ne valait pas mieux, l'avenir ne sera pas préférable.»1 Daß erst mit V . 12 der eigentliche Inhalt des Buches beginnt, hat schon die rabbinische Auslegung gesehen2, aber nur mit der Feststellung begründet: „ E s ist in dieser Beziehung mit der Schrift nicht so genau zu nehmen." 3 Auch König 4 nahm Anstoß an der Anordnung: „Das unchronologische Vorausnehmen oder Nachbringen ganzer selbständiger Aussagen beeinträchtigt die Klarheit der Darstellung." Beide Beanstandungen verkennen den überlegten Aufbau des ersten Kapitels. Zu nVnp und vgl. den Abschnitt „Name und Person des Verfassers." Nach der * Renan [76] S. 17. 2 siehe Midrasch Qoh. Rabba z. St. 4 ebd., Text nach Wünsche [6}]. [54] S. 140.

3

E i n f ü h r u n g in d a s Buch

Qoheleth

125

kurzen Selbstvorstellung (V. 12) berichtet Qoheleth, wieder wie bei der Schilderung des Weltbildes in zusammenfassender Einleitung, über den Ansatz seines Denkens und über seine Erfahrung auf dem Wege des Strebens nach Erkenntnis. Dieser Ausgangspunkt, daß er seinen Sinn darauf richtete, „mit Weisheit erforschen und ergründen alles, was unter der Sonne geschieht", gibt dem Buch seine Sonderstellung nicht nur in der israelitischen Weisheit, sondern in der gesamten ihr verwandten altorientalischen Literatur. Zweck und Ziel bleiben dieselben wie in der Tradition, aber an die Stelle der unbefangenen Übernahme des Gegebenen und vor jede Aussage tritt eine kritische Bestandsaufnahme der Wirklichkeit, zu der sich der Verfasser mit äußerster Konsequenz allein des Mittels der Beobachtung bedient. Alle überlieferten Lehren über die Welt, den Menschen und Gott läßt er zurück, wenn er forschend der Welt gegenübertritt mit der gespannten Wachsamkeit eines Spähers, der ein fremdes, mutmaßlich feindliches Land zu erkunden hat (Tin1?! V. 13)1. Mit einer kühlen illusionsfeindlichen Nüchternheit stellt er sich der Wirklichkeit und mit der redlichen Bereitschaft, alle echten Erfahrungen, auch wenn sie die Grenze des menschlich Tragbaren erreichen, ohne Milderung und Fluchtversuche aufzunehmen. Die Frage nach dem Weg, nach dem „Gewinn" im weitesten Sinne, treibt auch ihn zum Forschen, aber seine klare Skepsis erlaubt ihm nicht, sie anders zu beantworten als vom Boden der Erfahrung her. Dieser Trieb des Forschens erscheint ihm als eine dem Menschen von Gott gesetzte Aufgabe, aber seine Erfahrung erkennt sie als ein „leidiges Geschäft". Das liegt zunächst am Gegenstand der Betrachtung. „ Alles Werk, das unter der Sonne geschieht", alle Dinge, Zustände, Geschehnisse erscheinen der prüfenden Betrachtung im Letzten als „nichtig und ein Haschen nach Wind" 2. Dem Denkenden wie dem Handelnden kann kein fester Wert bleiben. Dann aber ist die Mühe des Denkens auch praktisch vergeblich. Das Ungenügen der Welt ist wesenhaft, durch Erkenntnis nicht zu bessern. „Krummes ist nicht gerade machen, und Mangel ist nicht füllen" (V. 15). Qoheleth ist mit den besten Voraussetzungen und mit ganzem Ernst an seine gewählte Aufgabe gegangen, Sinn und Unsinn zu sichten und zu trennen

s elbst

1 Vgl. Delitzsch [12] z. St. 11157*1 7mal in Qoh. (1,14; 2,11.17.26; 4,4.6; 6,9), sonst nicht im hebräischen Text des AT. Wohl identisch mit dem gleichlautenden aramäischen Stat. constr. in Esra 5,17; 7,18 mit der Bedeutung „Wille, Wunsch, Streben, Gedanke", (aram. HS"! = hebr. r"122"l).Vgl. Kohler-Baumgartner, Lexicon. Darlegungen bei Kautzsch [53] S. 8 i f . und Dahood [11] S. 203. Das lutherische „Haschen nach Wind" ist also keine wortliche Übersetzung sondern eine bildhafte Wiedergabe, die durch die Doppelbedeutung von 01*1 (Wind—Geist) möglich wird. So ergibt sich die wörtliche Bedeutung „Wollen (Streben) des Geistes" mit der sinngemäßen Ergänzung: leeres Streben ohne reales Ziel, Ein-Bildung im eigentlichen Sinne des Wortes als das Hineintragen eines Wertes, der den Dingen in Wirklichkeit nicht eignet. Am deutlichsten wird der Sinn in der Formel m*l 11157*11 VSil (1,14; 2,11.17). Ist das Objekt *73}1, so ist das Erstreben 111*1 D l S n ; die verkehrte Spiegelung im Bewußtsein des Betrachtenden mit der Folge des sinnlosen Verlangens. Gersons Übersetzung „Illusion" wäre die einfachste, aber stilistisch ungeeignete Wiedergabe, während der Luthertext das Wortspiel "(leeres) Streben des Geistes — Erstreben des Windes" erhalt und so den Sinn in bildhafter Eindringlichkeit aussagt. 2

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Qoheleth

(V. 16—17), aber das einzige Ergebnis ist eine Erschwerung seines Lebens. Nicht nur die Einsicht in die Wirklichkeit wird zur Last, sondern das Denkenmüssen zerstört die Unbefangenheit und schafft eine schmerzliche Wandlung des Lebensgefühls 1 , die die Stellung des Durchschauenden zur Welt unabänderlich bestimmt. Fast wie eine Warnung, dem Weg des Autors zu folgen, stehen die letzten Verse am Schluß des einleitenden Kapitels.

2. K A P I T E L Nun läßt Qoheleth den Leser teilnehmen an seinem eigenen Erfahrungsweg durch den Bericht zweier Versuche, die er unternahm, dem Leben einen Wert abzugewinnen. Die erste, offenbar schnell scheiternde Unternehmung (V. 1—2) war die eines unreflektierten Genießens. Hier war kein Gewinn zu erlangen, nicht einmal eine bescheidene Freude, sondern nur „Vergnügen". Der zweite Versuch war weit klüger angelegt. In einer glücklichen Kombination machte er sein Dasein zum sorgsam überwachten Experiment der Erkenntnis, wodurch es ihm gelang, erfolgreiches Schaffen, überlegten Genuß und kritische Beobachtung zu verbinden, ohne über der Reflexion das Leben selbst zu verlieren (V. 3). Der große, sichtlich „salomonisch" geschilderte Aufwand umfaßt allen denkbaren Reichtum der Zeit. Haine (V. 5), also Parks nach ausländischem Vorbild (D , 0"ns: eines der persischen Lehnwörter) sind ein außerordentlicher Aufwand in einem wenig fruchtbaren Lande, das jeden Fußbreit tragfähigen Bodens nutzt, und Teiche (V. 6) zu ihrer Bewässerung der äußerste Luxus im wasserarmen Gebiet2. Der Leser könnte selbst an Stelle des Autors zusammenfassend bestätigen, daß er seinen Augen nichts versagte (V. 10). Der Erfolg fällt ihm überreich zu, aber auch seine Weisheit verbleibt ihm (V. 9). Es ist, als klänge gerade in dieser knappen Feststellung eine besondere Befriedigung mit. Er hielt sein lebenskritisches Experiment durch, ohne sich überwältigen zu lassen, weder vom Besitz noch vom Genuß, noch vom eigenen Enthusiasmus des Planens und Schaffens. Darauf darf ein Mann von der geistigen Bewußtheit Qoheleths schon einmal stolz sein. Wie aber stellt sich ihm das Ergebnis dar? Zunächst nicht negativ. „Mein Her% hatte Freude an meiner Mähe; das war mein Teil an all meiner Mühe." Im Planen, Wirken, Gewinnen und Besitzen hat er im einzelnen Freude erlebt. Hier ist eine Quelle möglichen menschlichen Glücks. Liegt in ihr der gesuchte Gewinn? Für die meisten Menschen so gewiß wie für die landläufige israelitische Weisheit. Aber nicht nur, daß dem Anspruchsvolleren die Erfüllung nicht hält, was 1

3 1 1 Ö Ö (Leid) bezeichnet sonst das körperliche Leiden (Schläge); vgl. Jes. ; 3,3 f. Galling [27] und Zimmerli [92] S. 23 Anm. 4 verweisen darauf, daß Qoh. hier mutmaßlich eine vorgefundene Sentenz umdeutend aufnimmt und damit die „ärgerliche Schülerweisheit" (Galling) wiederholt: „ W e r Wissen häuft, häuft Schlage". Der Sinn: die Schule der Lebenserkenntnis ist nicht billiger als die der Jugend. 2 Vgl. Hertzberg [44] z. St.

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die Erwartung versprach. Qoheleths Frage zielte tiefer. Er fragte nach einem bleibenden Gewinn, in dem der Sinn des Lebens beschlossen sein könnte. Daraufhin prüft er seine Werke, „und siehe, alles war nichtig und ein Haschen nach Wind; es gibt keinen Gewinn unter der Sonne" (V. 11). In diesem entscheidenden Sinne gibt es für ihn keinen JVKV und kann (nach dem „königlichen" Experiment Qoheleths?) auf dem Wege des Wirkens nur das uralte und ewig neue Spiel des Mühens für die Vergänglichkeit und für die Enttäuschung wiederholt werden. Dies Letztere meint wohl die sprichwortartige Wendung in V. 12 b. Nun wird deutlich, daß schon der vorhergehende Vers eine für den gesamten Inhalt des Buches entscheidende Einschränkung enthält. Die menschliche Möglichkeit erschöpft sich im Erlangen eines gelegentlichen Anteils (j?1?!!)1 an Freude auf dem Wege eines mit Umsicht und Vorsicht geführten Lebens, unsicher in seinem Erscheinen, vergänglich und gefährdet, aber doch der einzige Ertrag und Ausgleich für alle Mühe unter der Sonne. Entweder entschließt sich der Mensch, den Sinn für diese kleinen natürlichen Freuden am Lebensweg zu entwickeln, oder er wird in seiner Armut verzweifeln; mit Qoheleths drastischem Wort: „Glücklicher als er ist die Fehlgeburt.'"1 Dies ist der Erkenntnisertrag des großen Experiments. Darum ist es so ausführlich berichtet. Ein „Sinn des Lebens" wird damit nicht gesetzt, und darum geht auch der Vorwurf des Hedonismus fehl. Vor allem ist noch nicht über die Vorbedingungen gesprochen, das Gottesbild und die undurchsichtige Vorbestimmung allen Geschehens. Es wäre auch leicht, unter dem Gesichtspunkt des heutigen Verständnisses von Arbeitsethos und sozialer Verantwortung eine weltanschauliche Kritik zu üben, aber hoffentlich ist nicht nötig zu sagen, daß eine solche anachronistische Beanstandung einem Mann der Gesellschaftsformen des Alten Orients aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. schwerlich gerecht würde. Das Experiment des Wirkens und Genießens ist ohne befriedigendes Ergebnis ausgegangen. Die Weisheit bringt Leiden, der Erfolg läßt leer. Die Frage nach der Wertmöglichkeit verdichtet sich. Gibt es überhaupt einen Vorzug aus Weisheit und Wirken? Ist die Torheit wirklich schlechter daran? Qoheleth wendet sich den Voraussetzungen zu und unternimmt es, „ Weisheit und Wissen %u erkennen, Torheit und Tollheit" (1,17). Er ist trotz seiner unbefriedigenden Erfahrungen nüchtern genug, den Vorzug zu sehen, den die Weisheit in ihrer Form der praktischen Klugheit zu bieten hat. Sie verhindert Unüberlegtheit, mangelnde Vorsicht, Trägheit, Übermaß, nutzloses Grübeln und sorgt dafür, daß der Mensch sein ohnehin fragwürdiges Schicksal nicht noch durch eigene Fehler verschlechtert. Das Sprichwort hat Recht: „Der Weise hat Augen im Kopf, aber der Tor wandelt im Dunkeln." Die Weisheit ist gut für die zahllosen Anforderungen und Gefahren im Kleinkrieg des Alltags. Aber wieder denkt Qoheleth weiter als die Anderen, wieder zielt seine Frage auf den sinnerfüllenden Gewinn, auf das Ergebnis der Schlußbilanz des Daseins. Aber er trifft auf keine wertaussagende Endzahl, sondern stößt auf das Ende. Zum ersten Mal erscheint in V. 14 die „gebrochene" Sentenz als das Stilmerkmal des Bruchs der 1

f ? T \ in 2,10.21; 5,22; 5,17.18; 9,6.9; 11,2.

2

6,3.

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Selbstsicherheit. In Qoheleths Blickfeld tritt das eine Geschick 1 , das alle trifft: der Tod. Von nun an wird er als unübersehbare und bestimmende Größe im Hintergrund aller Betrachtungen bleiben als die Grenze, die alle Sicherheit aufhebt, jeden Sinn negiert und jedes Ziel illusorisch macht. Damit werden nicht nur Vorteil und Erfolg der Weisheit letztlich in Frage gestellt, sondern das Streben nach Weisheit als ein eigener Wert überhaupt. „ Wo%u bin ich dann so weise gewordenl" (V. 15). Hier spricht kein Selbstlob, sondern eher eine bitter ironische Selbstkritik. An dieser Stelle liegt das Erlebnis, das in 1,18 ausgesagt ist: die Weisheit nützt nichts, sie mehrt nur das Leid. Man spürt die Erregung dieser ganz persönlich bezogenen Erkenntnis noch im Klang des späten Berichts. Das Wissen geht im Tode unter, nachdem es in einem kurzen Leben seinen begrenzten Dienst getan hat, das Werk überdauert nicht lange, und das Ende ist das Vergessensein auch für den Weisen. Und hier bricht, das einzige Mal im Buch neben der tief berechtigten Erregung über die soziale Ungerechtigkeit (4,1—3), eine ganz irrationale Empörung durch. „Aber wie kann der Weise sterben wie der Tor?" Arm und reich, hoch und niedrig, das sind bisweilen störende, aber für das Selbstbewußtsein des Weisen erträgliche Stufenordnungen des Lebens. Dem Reichtum stellt er den Besitz seines Wissens entgegen, dem Mächtigen fühlt er sich mindestens ebenbürtig als Herrscher im Bereich des Geistes. Aber daß es eine unentrinnbare Schicksalsmacht gibt, die den Unterschied zwischen dem Weisen und dem Toren nivelliert und damit die ganze Weisheit ad absurdum führt, läßt ihn an Sinn und Gerechtigkeit verzweifeln. Ein interessanter Beitrag zur Psychologie des Intellektualisten. Nirgends findet die Frage nach dem Sinn des Mühens eine Antwort. Er weiß zwar, es ist üblich zu sagen, daß man nicht für sich allein, sondern für die Nachwelt arbeitet, für das Kind, einen sonstigen Verwandten, irgendeinen Erben. Verbürgt das einen Wert, der die Mühe lohnt? Wer weiß denn, wie der Erbe über den Besitz verfügen wird, mehrend oder verschwendend, weise oder töricht, gerecht oder ungerecht, zum Heil oder zum Unheil für sich und die Anderen? So ist auch dieser Versuch der Sinngebung höchst zweifelhaft, in Qoheleths Terminologie „nichtig" (V. 18— 21) 2 . Und immer wieder die Frage: Was hat denn der Mensch über die bloße mühevolle und gefährdete Existenz hinaus von seinem Leben?; die Kernfrage des Buches, rhetorisch und tief echt zugleich. Nun erscheint als Antwort erstmalig das Ergebnis des großen Experiments, die Erfahrung der kleinen Freude am Lebensweg. „Nichts ist dem Menschen gut, als daß er esse und trinke und es sich wohl sein lasse bei seiner Mühsal" 1

m p Ö wörtl. „Eegegnis" (2,14.15; 3,19; 9,2.3) steht nie als allgemeiner Schicksalsbegriff, sondern „iirirer in malam partcm" (Galling) und bezeichnet ausschließlich das Todesschicksal. In gleicher Bedeutung stehen „ e i n Ort" (3,20; 6,6), „danach" (7,14; 9,3 ; weniger deutlich 3,22; 10,14), und mit räumlichem Ausdruck „Unterwelt" (VlKtf 9 ,10) und „ewiges Haus" (12,7). Keinesfalls heißt es „Zufall". Der Tod ist für Qoh. „zufallig" nur im Sinne menschlicher Unberechenbarkeit. Seinem Glaubensbild nach ist er Fügung wie sonst auch im A T . Fraglich sind das Wann und das Warum, nicht das Woher. 2 Die Folgerung der Ehelosigkeit bzw. Kinderlosigkeit Qoheleths geht zu weit. Das Problem 3 des Erben ist Traditionsgut der Weisheit. Vgl. Galling [25] S. 279. Vgl. S. 30.

3

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Das ist Resignation und Bejahung zugleich. Das Suchen nach dem „Gewinn" liegt hinter ihm. Die prinzipielle Frage, ob das Leben gut oder schlecht sei, bleibt offen. Man muß sich damit begnügen, daß es ein wenig Freude hat für alle Mühe unter der Sonne; kein großes bleibendes Glückskapital, das irgendwann erworben wird oder plötzlich zufällt, sondern etwas Kleingeld der Freude, das täglich dasein kann (nicht dasein muß !) und gesehen und genutzt sein will. Zweifellos befindet sich der Weise mit dieser Selbstbescheidung „auf einer Rückzugslinie, die er zu halten sucht" 1 , einem Weg der Mitte, weder heroisch noch nihilistisch, (wobei der mögliche Zusammenfall dieser Extreme der Gegenwart nur allzu bekannt ist). Aber ihre Tiefe, ihren alttestamentlichen Gehalt, der sie weit über den Entschluß zu einer heiteren Resignation heraushebt und sie dem Geist und Glauben Israels in einer ganz eigenen Weise anschließt, bekommt diese Lebenssicht erst durch die Einschränkung, durch den radikalen Bruch, den auch sie noch erfährt. Auch die Erlangung des bescheidenen „Teils" steht nicht im menschlichen Belieben und Wirken. „Doch auch das, so sab ich, kommt (nur) aus der Hand Gottes" (V. 24). In der Form der gebrochenen Sentenz wird mit beiläufiger Selbstverständlichkeit nach der formelhaft-konventionellen Erwähnung in 1,15 die entscheidende, alles bestimmende Größe in Qoheleths Welt- und Lebensbild wörtlich eingeführt. Daß Gott ist und wirkt, steht ihm außerhalb jeder Diskussion. «On peut le trouver sceptique, matérialiste, fataliste, pessimiste surtout, ce que sûrement il n'est pas, c'est athée. Nier Dieu, pour lui ce serait nier le monde, ce serait la folie même.» 2 Er zweifelt nicht im mindesten daran, daß „alles Werk, das unter der Sonne geschieht", seine Möglichkeit und Ursache im göttlichen Wirken hat, in der Geschichte wie im Einzelleben, daß Gutes und Böses, Gewähren und Nehmen, Leben und Tod allein von ihm kommen 3 . Diesen unerschütterlichen Glauben teilt Qoheleth mit dem gesamten Alten Testament. Es ist vielleicht der größte Triumph der tiefen Gottbezogenheit Israels, daß dieser mit sich selbst erbarmungslose Analytiker, dessen Skepsis weder Wert noch Sinn noch Gerechtigkeit sah, Welt und Menschenleben ohne göttliche Leitung nicht zu denken vermochte und im Bewußtsein dieser Bindung vor dem Nihilismus bewahrt blieb. Denn diese Bindung an das nur aus der Anschauung der Welt gewonnene Gottesbild läßt ihn hilflos und trostlos. Hertzberg 4 meint: „ E s ist kein Zweifel, das Buch Qoheleth ist geschrieben mit Gen. 1—4 vor den Augen seines Verfassers; die Lebensanschauung Qoheleths ist an der Schöpfungsgeschichte gebildet." Vielleicht könnte man verdeutlichend sagen: nur an der Schöpfungsgeschichte, und auch das schon unter Verzicht auf die Aussage der Sinngebung. Darüber hinaus bleibt aus dem Kanon nur das in der prophetischen wie in der priesterlichen Tradition geprägte Bewußtsein der Transzendenz und Absolut1

Zimmerli [92] S. }7ff.

3

2

Das braucht in diesem kleinen Buch v o n aphoristischer Struktur, das eine vollständige Theologie

Renan [76] S. 20.

weder beabsichtigt noch folgernd erlaubt, nicht in jedem Einzelfall gesagt zu werden. Jede Isolierung, etwa daß v o m Tode rein sakular geredet würde, weil er sonst im A T Fügung sei, hier aber nur m p ö , Begegnis (Blieffert [6] S. 15), geht am Verständnis vorbei. 4

[44]

S.41.

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E i n f ü h r u n g in das Buch Q o h e l e t h

heit Gottes lebendig 1 , aber ohne das dort wirksame Korrelat der Verbindung des Volkes wie des Ein2elnen mit s e i n e m Gott. Die übrige Überlieferung in Geschichte und Prophetie wie die Gebets Verbundenheit als Erfahrungsweg sind ausgeschlossen 2 . So entsteht ein Gottesbild aus der Betrachtung des götdichen Wirkens im Weltlauf allein, von der menschlichen Erfahrung her bestimmt. Der theologische Einwand, daß umgekehrt die Welt von Gott her betrachtet werden müsse, nützt nichts. Qoheleth würde fragen, wie der Mensch das machen solle. Ihm ist Gott der allmächtige Schöpfer und Lenker, aber in einer unüberbrückbaren Ferne, undurchschaubar in seinem Willen und Tun und absolut autonom in seinem Handeln, jeder Definition und ethischen Wertung entzogen. Dem entspricht der Gottesname, den er aus den zahlreichen Möglichkeiten wählt, die ihm die israelitische Tradition bietet, die kühlste und distanzierendste Form: DTlVsn 3 . Man hat die besondere Entscheidung Qoheleths darin sehen wollen, daß er diese Gottesbezeichnung statt des Jahwenamens wählte. E s ist aber nicht gut möglich, mit Hempel 4 zu folgern: „Die Vermeidung des Jahwenamens für die Gottheit erlaubt vielleicht, dem Verfasser selbst ein Empfinden dafür zuzuschreiben, daß seine Frömmigkeit unisraelitisch ist." Man weiß, daß zu der Zeit, als Qoheleth schrieb, OTl^S seit etwa 500 Jahren eine legitime israelitische Gottesbezeichnung war, und ein Blick in die Konkordanz lehrt, daß sie im ganzen alttestamentlichen Kanon verwendet ist, wie auch DTI^KH in fast allen Schriften erscheint 5 . Sicher hat Qoheleth die jüngere geläuterte Form dem älteren national gefärbten und mit Anthropomorphismen belasteten Begriff vorgezogen, den Majestätsplural dem Eigennamen, aber das Wesentliche liegt doch zweifellos in der Wahl der Form mit 1 Vgl. Eichrodt [17] I, S. 2i9f. Immer noch ist nur vom Bereich der Erkenntnis gesprochen. Zum besonderen Bereich des Kultischen s. die Ausfuhrungen zu 4,17®. 3 Nicht D'ilVS, wie allgemein zu lesen ist. Selten werden beide Namensformen registriert, und dann nur kommentarlos. o t i V s h erscheint jomal: 2,24.26; 3,11.14 (2mal). 15.17.18; 4,17; 5,1.5.6.17.18.19; 6,2 (2mal); 7,13.14.26.29; 8,15.17; 9,1.7; 11,5.9; I2 »7- I 3- 1 4- Wo DVlVS steht (8mal) tritt es immer in stereotypen Wendungen auf: ' S 1,13 ; 3,10; ' S T\T)H 3,13 ; 5,18 5,3; 's s t 7 , 1 8 ; 's ns?iatf 8,2;'s •,iaI7» 8 ,13. Hier setzen sich offenbar feste Wendungen der religiösen Umgangssprache durch. Wird jedoch ein solcher Ausdruck durch das Dazwischentreten eines Pronomens gestört oder durch Prafigierung gelockert, so tritt in jedem Fall das für Qoh. typische DTI^Sn an die Stelle der artikellosen Form: ' S i l V?~]ni 5,18; 'SH 11?"'|rV 6,2; ' S i l S T 1 ? 8,12. Ein Kriterium für die Echtheit einzelner Textstellen bietet die prafigierte Form keinesfalls, da sie auch im Epilog erscheint. In ihr einen direkten Agyptizismus zu sehen (Humbert [48] S. I23f.) ist unnötig, da sie schon in wesentlich alteren Teilen des hebräischen Kanons erscheint, Qoh. sie also im eigenen Literaturbereich vorfand. Gegen Humberts besonderen Hinweis auf Amenemope als die wahrscheinliche Quelle spricht auch, daß die Form a-'nVsn gerade in den Proverbien nicht auftritt. Ob bei ihrem Entstehen ursprünglich ein ägyptisches Vorbild mitwirkte, ist hier nicht zu untersuchen. 4 [42] S. 21, Im gleichen Sinn Pedersen [68] S. 341, Humbert [47] S. 271, Blieffert [6] S. 5. 5 Fehlt in Lev., Prov., Ruth, Klagelieder, Esther. Vorkommen bei den Propheten nur in Jes., Jer., Ez., Jona. 2

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Qoheleth

dem präfigierten Artikel. Man muß spüren, wie bei ihm der Ausdruck „der G o t t " das Bewußtsein der Distanz betont. Es ist übrigens sehr wahrscheinlich, daß Qoheleth seine Wahl nicht beziehungslos zur Tradition traf, sondern geleitet, richtiger wohl: ergriffen von der eindrucksvollsten, schrecklichsten Erzählung vom fernen, unverständlichen Gott, die der Kanon enthält, der Geschichte v o m Opfergang Abrahams in Gen. 22. In dieser Erzählung erscheint zwar im ursprünglichen Teil (bis V . 14) einmal in der Rede Abrahams (V. 8) der Name D'H^N, wohl als der in der Umgangssprache übliche, auch die feste Wendung D V l ' i S ' K T (V. 12; wie Qoh. 7,18) und der Jahwe-Name in i r r r IJxVö (V. II) und in der Namengebung des Orts. W o aber der Erzähler als Berichterstatter dieses dunklen, unbegreiflichen Vorkommnisses spricht, verwendet er ausschließlich die Bezeichnung DTl'rxn (V. 1; 3 : 9 ) , die also schon seit alters her mit dem Tremendum des fernen Gottes verbunden sein konnte. Daß wir bei Qoheleth in gleicher Weise einerseits die inhaltsschwere Verwendung des präfigierten Gottesnamens finden, und andererseits den gewohnheitsmäßigen Gebrauch der artikellosen Bezeichnung, ist gewiß kein Zufall. Mit einem besonders erregenden Beispiel dieser Distanz führt Qoheleth sein Gottesbild ein. Seine Darlegung umschließt zugleich eine sprengende Kritik an einem der best tradierten, populärsten Glaubenssätze seines Volkes und im besonderen der Weisheitslehre. Er sieht (V. 24—25), daß das Erlangen von Lebensgewinn welcher A r t immer nicht durch das Wirken des Menschen verbürgt wird, sondern nur aus der Hand Gottes kommt. Das ist nicht neu in Israel. Aber Qoheleth erschüttert den Glaubensoptimismus seiner Zeit, indem er Ernst macht mit einer Beobachtung 1 , die doch alle täglich mit ihm machen können, der Unabhängigkeit des menschlichen Schicksals v o m ethischen Verhalten des Einzelnen. Gott verteilt oder versagt Gaben nach seinem Urteil, aber das hierbei erscheinende Gegensatzpaar sind nicht der Fromme und der Sünder oder der Gerechte und der Ungerechte, sondern einer, der ihm gefällt, und ein anderer, der seinen Willen und damit sein Wohlwollen irgendwie, in einer dem Menschen nicht erkennbaren Weise verfehlt 2 . Mit dieser Folgerung 1

7,15; 8,14; 9,11 ff.

2

höte' (2,26; 7,26) wie das synonyme höte (mit Übergang zur Analogie Tl',X? 8,12; 9,2.18) meint

in Qoh. nicht einheitlich den „Sünder" im Sinne des gegen ein Gebot Verstoßenden. Dieser in etymologischer Sicht übertragene Sinn durfte noch vorliegen im schematischen Gegensatzpaar in 9,2 und in der zitierten sprichwörtlichen Wendung in 8,12. In den übrigen Fallen führt Qoh. das W o r t auf seine ursprüngliche Bedeutung des Verfehlens eines Ziels, des Vorbeischießens (Ri. 20,16) zurück. Auch er uberträgt den Sinn auf das menschliche Verhalten, aber unter Ausschluß eines Werturteils. Der Tor in 9,18 „verfehlt", das Rechte zu tun, weil ihm die ausreichende Weisheit versagt ist. Dummheit wirkt in der Welt Schaden, vielleicht mehr als die Sunde, aber eine Sünde ist sie nicht. So ist auch der Mensch, dem Weisheit, Freude und Behutung versagt bleiben (2,26; 7,26) für die Begrenztheit menschlichen Urteils nicht zwingend ein Schuldiger, sondern einer, der Gott „verfehlt". So übersetzen Graetz [37] „der Unglückliche", Smend (mit Bickell) „der Mißfallige"; ebenso Galling [27; 25] unter Verweis auf den Wortgebrauch im Fall des schuldlosen Mißfalligwerdens in 1. K o n . 1,21; H. L. Ginsberg [32] „displeasing" unter Ausdehnung auf 9,2.18 „with the sense of error and without any moral connotation". Gordis [35] behalt „sinner" bei, interpretiert aber im obigen Sinn.

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Qoheleth

aus der Beobachtung wird nicht den Geboten widersprochen. Die Grundsätze der Sittlichkeit werden nicht in Frage gestellt. Wesentlich ist allein die daran aufgezeigte Tatsache der absoluten Autonomie Gottes und seiner Entscheidung unabhängig von allen menschlichen Gesichtspunkten ethischer oder rechtlicher Art. Nach ehrlicher Erfahrung ist es nichts mit der Garantie der zwei Wege unter Segen oder Fluch je nach Glauben und Tun (Deut. 28; 30) wie mit der Vergeltungslehre der Weisheit. Auch das ist nicht neu. Das Buch Hiob wie der 73. Psalm legen Zeugnis davon ab, wie Israel auch außerhalb des Buches Qoheleth mit diesem Problem gerungen hat, um die Bindung in Glauben und Vertrauen zu halten. Neu und erschreckend wirkt, daß Qoheleth dieses Ergebnis diskussionslos akzeptiert. Mit der Einsicht in die göttliche Ferne und Autonomie wird mit letzter Konsequenz Ernst gemacht. Jede Kritik entfällt. Qoheleth sagt nicht, daß Gott gerecht sei, aber auch nicht das Gegenteil. Er hat klare Urteile über menschliche Gemeinheit und Dummheit, aber nie ein Urteil über Gott. Nie ist der Gottesname mit einem Adjektiv verbunden. Er weicht der praktischen Folgerung aus seinem Gottesbild, der im Erkenntnisbereich vollständigen Beziehungslosigkeit des Menschen zu Gott hin, nicht aus. Gott wirkt alles im Menschenleben, aber der Mensch ist das blinde Objekt dieses Geschehens. Der Qoheleth, den wir kennenlernen, steht hinter dem Warum. Man kann nur ahnen, was der Weg bis hierher den gläubigen Denker gekostet hat. Das Problem der Theodizee bricht überhaupt nicht auf. Er macht keinen Versuch, das Bild einer gerechten Weltordnung zu retten. Aber der Grund hierfür ist nicht der Abfall in einen glaubenslosen Pessimismus, sondern eine eigene Haltung aus Einsicht und Ehrfurcht. Denn dieser ferne Gott, so fern, daß sein Bild im Einzelfall von dem einer blinden Schicksalsmacht kaum zu unterscheiden ist, bleibt ihm der personhafte Gott Israels. Und ist dieses Bild des in seinem Handeln am Menschen nur Verborgenen wirklich ganz neu? Schon der Jahwist (Ex. 33,19) hat es Gott selbst als die Quintessenz seines Wesens (Dtf) aussprechen lassen: „ W e m ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich." Die Nachfolgezeit hat die Ferne nicht ertragen 1 . Wenige einsame Denker 2 haben die ehrfürchtige Distanz bewahrt in Zeiten, in denen der Glaube zur Verfügbarkeit Gottes verflachte. Der skeptische Ernst Qoheleths, von den besten Überlieferungen geleitet, hat durch eine vorurteilsfreie Schau den Blick frei bekommen für eine Wirklichkeit, die von der Tradition meist mehr verbaut als bewahrt wird. Man sollte mit der Behauptung, daß Qoheleth sich vom Glauben seiner Väter gelöst habe, sehr vorsichtig sein. 3. K A P I T E L Qoheleth leitet nun den Gedanken über zu einer grundsätzlichen Darlegung seiner Sicht der Stellung des Menschen in seinem Weltlauf und gegenüber seinem Schicksal. Widerspruch gegen das unterschiedliche Wortverstandnis erhob v. d. Ploeg [71] unter Verweis auf 8,12 a uf Grund eines anderen Verständnisses dieser Stelle. 1

Jer. 23,23 ; E z . 18.

2

Jes. 40,i2ff.; Prov. 30,1 ff.

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Qoheleth

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In eindringlicher Bildhaftigkeit wird in vierzehn Gegensatzpaaren 1 die gesamte Wirklichkeit des menschlichen Daseins umfaßt ( V . 2—8). D i e Reihe beginnt mit dem A n f a n g s - und Endpunkt, zwischen die das Leben gespannt ist, und endet mit den großen geschichtlichen Bedingungen, die seinen L a u f so entscheidend zu bestimmen vermögen, K r i e g und Frieden. Zwischen den Lebenspolen aber liegen alles W i r k e n und Zerstören, Gesundheit und Krankheit, Begegnen und Trennen, Liebe und Haß, Fest und Trauer, Freude und L e i d 2 . Diese Gegensätze heben einander nicht auf, sondern bilden mit ihrem Nacheinander und in ihrer Gesamtheit die gelebte Wirklichkeit unseres Seins 3 . Jedes dieser Geschehnisse aber, so sagt Qoheleth ( V . 1), hat „seine Stunde", seinen bestimmten Zeitpunkt, und „jedes Ding"1*, Erscheinung wie Ereignis, die ihm gesetzte Zeit des Werdens, Wirkens und V e r gehens. E s ist nicht mehr nötig, ausdrücklich zu sagen: die ihm v o n G o t t

ge-

setzte Zeit. W a s aber ist damit „ g e s e t z t " ? Jedenfalls kein allgemein und unverbrüchlich geltendes Naturgesetz, an dessen Funktion auf G r u n d einer A b f o l g e v o n Ursache und W i r k u n g in allen Fällen G o t t selbst gebunden sei, und das lediglich dem Menschen unerkennbar wäre, vielleicht nur noch nicht erkennbar ist. Der G e danke des Gesetzes stünde für Qoheleth im Widerspruch zu seiner Überzeugung v o n der uneingeschränkten göttlichen Autonomie. O b im Weltlauf, v o n G o t t her gesehen, etwas wie Planmäßigkeit und zielstrebige Ordnung sei, ist für ihn w e g e n der 1 Zum Gegensatzpaar als Ausdruck der Totalität im Hebräischen s. König, Historisch-comparative Syntax der hebräischen Sprache (Lehrgebäude . . . II 2, Leipzig 1897) §§ 91—9} ; Pedersen [68] S. 352; Boccaccio, I termini contrari come espressioni della totalità in ebraico (Biblica 33, 1952, S. 1 7 J f f . ) . 2 Die Aussagen über die Zeiten der Gemütsbewegung (V. 4) dürfen nicht übersteigert werden 2um Verständnis einer Determiniertheit auch der Regungen des Seelenlebens unter Aufhebung der Willensfreiheit. Gemeint ist in der bildhaften Kürzung die Abfolge von Ereignissen, die zu diesen Emotionen fuhren. — Die Bedeutung von V. 5 a ist umstritten. Man kann das Steinewerfen und Steinesammeln auf die Behandlung des Ackerbodens beziehen, den man mit Bewerfen zerstört (2. Kòn. 3,25), mit Auflesen verbessert. Levy, der dieser Stelle eine Untersuchung widmete ([58] Anhang), Gordis [33] und Pedersen [68] S, 351 interpretieren mit dem Midrasch Qoh. Rabba den Text im Sinne einer Hindeutung auf die geschlechtliche Beziehung. Im Midrasch dürfte hierbei das Wortspiel — D'ISN mitwirken. Vgl. Wunsche [63] z. St. Die bisher einsichtigste Lösung bietet der neueste Vorschlag von Galling (Das Rätsel der Zeit im Urteil Kohelets, Z T h K 58, 1961, H. 1 , S. 1 ff.), der in Auswertung einer Untersuchung von Eißfeldt zu I. Sam. 25,29 (Der Beutel der Lebendigen, B S A W . Phil.-hist. Klasse, Bd. 105, H. 6. Berlin i960) in den Steinen Rechen- bzw. Zählsteine sieht und daraus das Gegensatzpaar Kauf - Verkauf ableitet, womit aber nach Eißfeldts Darlegung der Verwendung der Steine allgemein zur Viehzählung eher das Gegensatzpaar •des Ergebnisses aller wirtschaftlichen Tätigkeit (Gewinn - Verlust) ausgedrückt zu sein scheint. — „Zerreißen" und „Nähen" könnten auf den Brauch zurückgehen, bei einem Sterbefall das Kleid zu zerreißen. Das Gegensatzpaar stünde dann sachlich-bildhaft für „Trauer undTröstung" (Levy, Gordis). 3 Vgl. Pedersen [68], 4 f D n ist kernfester Begriff. Es kann die Erscheinung wie den Vorgang, die „Sache" im statischen •wie im dynamischen Sinn bezeichnen. Aber für Qoh. ist mit Ginsberg [32] S. 140 daran festzuhalten, daß es nie „Vorsatz, Absicht, Zweck" (Ginsberg: purpose) bedeutet.

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prinzipiellen Unerkennbarkeit von „unten" her eine müßige Frage. Seine Aussage, die im Vorhergehenden (2,24 fr.) noch auf den Einzelfall beschränkt war,* zielt vielmehr dahin, daß, wie die Erteilung oder Versagung an Lebenserfolg, jede e i n z e l n e Erscheinung des Weltgeschehens im großen wie im kleinsten in Zeit und Ablauf von Gott her bestimmt ist. An dieser ausnahmslosen Determiniertheit scheitert jede Votsichr und Vorberechnung, wird die Weisheit zur Torheit 1 . Auch hier steht der Weise Qoheleth dem Ernst des Gottes- und Menschenbildes der Propheten 2 weit näher als dem Weisheitsoptimismus seines eigenen Berufsstandes. „Welchen Gervinn (also) hat der Schaffende davon, daß er sich abmüht?" (V. 9). Um dieses Nachsatzes willen steht die Darlegung. Wieder geht es nicht um ein Weltbild um des Wissens willen, sondern um eine Bestandsaufnahme zum Zweck der praktischen Folgerung. Wie der Mensch sich mit einem kleinen gewährten „Teil" begnügen muß statt eines selbst erworbenen großen „Gewinns", so muß er sich auf eine kleinräumige, immer fragliche Lebensführung der Bescheidung und der Vorsicht beschränken an Stelle eines weitgreifenden Plans der Beherrschung von Welt und Schicksal. Aber immer bleibt Qoheleth auf dem Boden einer lebensbejahenden Praxis, ohne einem resignierenden Fatalismus zu verfallen. Seine Einsicht ist kein System mit übersteigerten logischen Konsequenzen 3 . Er erlebt täglich seine Fähigkeit, im kleinen zu handeln, lebt nach Erfahrung und auf die größte Wahrscheinlichkeit hin, ohne die prinzipielle Unsicherheit zu vergessen. Was sonst? "This is a contradiction to which all determinists are exposed." 4 In den Versen 10—15 wird in einzelnen Sentenzen der Gedanke der Determination mit seiner praktischen Konsequenz verfolgt. Über diese thematische Zusammengehörigkeit hinaus darf ein gedanklicher Zusammenhang nicht gesucht werden. Man sieht das aphoristische Sammelwerk. V. 10—11 verdeutlichen den früheren Ausspruch vom „leidigen Geschäft", das Gott dem Menschen gegeben hat (1,13). Zu dem Gedanken, daß jedes Ding seine Zeit und seinen Ort hat, tritt die Feststellung, daß Gott alles „schön" mache zu dieser seiner Zeit, eine Aussage, die wohl bewußt an das „gut" und „sehr gut" im Schöpfungsbericht (Gen. 1) erinnert. Die, wer wollte es leugnen, schöne Welt zieht Geist und Herz der Menschen an; so hat Gott den Menschen geschaffen. Woher sonst hätte er diesen Drang, die Welt nicht nur zu genießen, sondern auch sie zu erkennen in ihrem Wesen und Sinn, sich ihrer zu bemächtigen durch das Verständnis ihrer Erscheinungen und ihres Ablaufs, und so Selbstgewißheit, Sicherheit und Freude zu gewinnen? Dieser Trieb, zu erkennen, „was die Welt im Innersten zusammenhält", um die Erkenntnis für sein Leben zu nutzen, kommt im Menschen 1

Man kann daher nicht falscher exegisieren als mit der Mahnung, daß nun, da jedes D i n g seine

Zeit habe, der Mensch auch darauf achten müsse, alles zu dieser seiner Zeit zu tun. 2

Jes. 40, 15 ff.; Jer. 18,5 f.

3

Eine solche Ubersteigerung ist z. B. der Satz, mit dem Zapletal [ 9 1 ] S. 82 den Gedanken der

Determination bei Qoh. bestreitet: „Indes gibt man einem, der absolut determiniert ist, keine Ratschläge." 4

Gordis [ 3 3 ] S. 55.

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nicht nur Ruhe. Aber dem brennenden Wunsch bleibt die Erfüllung versagt. Das Ziel ist vor Augen, der Bogen des Erkenntnis willens gespannt, „nur eben der Pfeil des Geistes zerbricht. Im Bruch der Sentenz zerbricht die Hoffnung des Menschen, das „Werk Gottes" zu erkennen, von dem er immer nur Bruchstücke sieht, eben weil es das Werk Gottes ist, autonom in jeder Einzelheit seines Ablaufs, „von Anfang bis Ende". Wer wollte hier noch reden von einer gottgesetzten Statthalterschaft des Menschen 1 ? Wer wollte bebauen ohne Plan und Ziel, bewahren ohne Kenntnis des Sinns? Qoheleth erkennt wie Faust, daß wir nichts wissen können, aber das Herz verbrennt ihm diese Erkenntnis nicht mehr. In seinem resignierenden „Nur eben...", man ist versucht zu sagen: in der gelassenen Handbewegung, die dieses begleitet, liegt sein ganzes Wesen. V. 12—13 nehmen fast wörtlich den Gedanken von 2,24 auf. Die Sentenz gehört als ihre praktische Konsequenz zu den Sprüchen über die Verborgenheit des Schicksals. V. 14—15 ergänzen den Gedanken der Unerkennbarkeit durch die mit der Einsicht in den göttlichen Ursprung gesetzte Folgerung der Unabwendbarkeit und Unabänderlichkeit. „Der Sinn ist nicht, daß man nichts hinzu und davon thun soll, sondern daß es unmöglich geschehen kann." 2 Hier nimmt Qoheleth eine wiederholte Wendung des Deuteronomiums 3 und damit eine uralte, schon in der Lehre des Ptahhotep (s. S. 10) erscheinende Formel der antiken Weisheitsliteratur4 in eigenständiger Verarbeitung auf. Sagt der alte Text, daß man zu den S a t z u n g e n Gottes nichts hinzu tun und nichts von ihnen wegnehmen s o l l e , so variiert Qoheleth, daß man von seinen S e t z u n g e n nichts wegnehmen und zu ihnen nichts hinzutun kann. Seinen Zeitgenossen, die wie er den Thoratext gegenwärtig hatten, wird diese Sentenz dadurch sehr eindrücklich geworden sein. Aber nicht nur durch die kluge Wendung, sondern mehr noch durch die klare Härte, mit der wiederum die Beziehungslosigkeit und Preisgegebenheit des Menschen ausgesagt wird. Von der für die Religion Israels weithin bestimmenden Schwingung zwischen Abstand und Verbundenheit, Furcht und Vertrauen 5 sind in der Sicht Qoheleths nur die Distanz und eine Gottesfurcht im sehr ursprünglichen Sinn und von erlebter Echtheit übrig geblieben. „Der Gott, der dem Qoheleth gegenübersteht, ist der verborgene Gott, nur der verborgene." 6 Er treibt den immer gleichen Weltlauf (1,9) nach unabänderlichem Willen 7 . Gilt diese Unsicherheit auch für den Bereich der sittlichen Werte, für die Folgen eines Lebens nach der gottgebotenen Ordnung wie für den Bruch des ethischen Rechts? Die Frage ist, wie ihre berichtende Einführung (V. 16) zeigt, ebenfalls von 1 3

Gen. 1,27.

2 Delitzsch [12].

4 , 2 ; 1 3 . 1 . In beiden Fallen erscheinen die bestimmenden Verben

und S i l , 1 3 , 1 ist wörtlich

gleich bis auf die typische Variante des p K statt X 1 ?. 4

Z u dieser Ptahhotep-Formel mit dem vollständigen Wortlaut: „ N i m m kein W o r t w e g und

f ü g e keines hinzu und setze auch keines an die Stelle eines anderen" (Text nach Erman [20]) s. Leipoldt/Morenz [ 5 7 ] S. ;6ff. Eine weitere Untersuchung

bietet W .

Herrmann, Z u

Kohelet

3,14

(Wiss. Ztschr. d. Karl-Marx-Universität, Gesellsch.-u. sprachwiss. Reihe 1 9 5 3 / 5 4 , H . 2/3, S. ißjff. '

5

V g l . Hempel [42] S. 3, Galling [26] S. 370.

7

6

Der Schluß von V . 15 ist unklar. V g l . die E r l . zur Übersetzung.

Galling [ 2 7 ] S . 62.

i?6

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Qoheleth

der Beobachtung her gestellt. Früher einmal hat sie sich Qoheleth von der Überzeugung von der Vergeltung nach dem Tun und vom Gedanken der göttlichen Prüfung her verneinend beantwortet. „Ich dachte bei mir . .." (V. 17); d. h., er dachte zunächst überhaupt nicht, sondern blieb in den Bahnen der traditionellen Frömmigkeitsüberzeugungen. Aber diese Sicht hielt seinem Wirklichkeitssinn nicht stand. Wo ist denn die Aufrechterhaltung und Wiederherstellung von Recht und Gerechtigkeit in der Vergeltung nach der Tat? Gelegentlich mag einen Rechtsbrecher die Folge seiner Tat erreichen, aber das Bild des Lebens wird durch solche Einzelfälle nicht bestimmt. Fehlt aber eine gerechte, ethisch bezogene Ordnung, so hat das Menschenleben nicht nur keinen sachlichen, sondern auch keinen sittlichen Sinn; dann ist das Leben des Menschen von dem des Viehs nicht verschieden. Dann sind beide nur ziellos lebende Geschöpfe, die im gleichen Tode enden, der den endgültigen Schlußstrich zieht (V.20: „Alles ist vom Staube genommen / und alles kehrt %um Staube zurück"; die genaue Entsprechung des Fluchworts an Adam in Gen. 3,19), wenn Gott ihnen die Kraft (rrn) wieder nimmt, die das Leben bedingt. Denn den Gedanken einer wie immer gedachten Existenz über den Tod hinaus und die damit verbundene Möglichkeit eines gerechten Ausgleichs in Lohn und Gericht in einer jenseitigen Welt lehnt Qoheleth entschieden ab. Aber er hat ihn offenbar in irgendeiner Form als eine noch junge Glaubensidee seiner Zeit,wohl aus iranischem Einfluß stammend, gekannt. „Wer •weiß denn, ob des Menschen Geist aufwärts fährt %ur Höhe und der des Viehs abwärts %ur Erde?" (V. 21). Der Vers ist von besonderer Wichtigkeit als die einzige eindeutige Textstelle im A T , die die Existenz dieses Gedankens schon in dieser Epoche, wenn auch in einer uns sonst nicht überlieferten Form, bezeugt. Hier kündigen sich die Glaubensinhalte einer neuen Frömmigkeitsrichtung an, die im folgenden Jahrhundert in der makkabäischen Zeit historische Deutlichkeit gewinnt: die des pharisäischen Schriftgelehrtentums wie der Apokalyptik mit den Vorstellungen eines künftigen Lebens, der Auferstehung der Toten und eines jenseitigen Gerichts, die sämtlich dem A T fremd sind. In Qoheleth erscheint ihr erster literarischer Gegner, ein Vertreter der auch religiös konservativen, gegen Neuerungen und Überschwang skeptisch-kühlen Geistesaristokratie des Landes aus dem Beamten- und Priesteradel, ein Mann der Gesellschaftsschicht, die später im Sadduzäismus ihren Zusammenschluß finden wird. Qoheleth ist zu sehr Individualist, als daß er dem Parteischema glatt einzu- fügen wäre, aber seine Zugehörigkeit zu den künftigen Sadduzäern ist unbestreitbar. Seinem Wesen nach führt er keinen Kampf gegen die neuen Ideen. Die rhetorische, leicht ironische Frage: „Wer weiß denn, . . . " lehnt das nicht Wißbare als belanglos ab. Was also bleibt dem Menschen in dieser Welt der Unerkennbarkeit, der Unabwendbarkeit, des Unrechts und des Todes? Daß er sich freue an „seinem Teil"! Wer könnte, wer dürfte ihn veranlassen, auf das zu sehen, was danach sein wird, sei es die ungewisse menschliche Zukunft, oder gar die Zeit nach seinem Leben, und darüber das wenige Gute zu versäumen, das ihm gewährt ist? Die Verse 19—22 gehören durch ihre Vertonung von Johannes Brahms 1 zu den bekanntesten Partien des 1

„Vier ernste Gesänge" (op. 121).

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Qoheleth

137

Buches, aber die Komposition steht in ihrer Stimmungsgeladenheit den Klagepartien des Hiob näher als den kühl-folgernden Darlegungen Qoheleths. 4.

KAPITEL

In erregter Bitterkeit nehmen V . 1—3 erneut den Gedanken des sozialen Unrechts auf. Wie tief muß diesen Liebenden des Lebens die hilflose N o t der Armen und Entrechteten bewegen, daß er die Toten glücklich preist, die dieses Dasein hinter sich haben, und mehr noch den Ungeborenen, der es nie sah. Die Verse zeigen, wie wenig Qoheleths skeptische Distanz gleichzusetzen ist mit Gleichgültigkeit gegen den Weltlauf und gegen seine Umwelt. Das soziale Unrecht gehört zu seinen alten, aber nicht zu seinen bewältigten Erfahrungen. 1 Mit allen alttestamentlichen Autoren teilt er die hohe Empfindlichkeit für Recht und Unrecht, nur eben nicht die Überzeugung vom notwendigen schließlichen Sieg des Rechts. Man darf aber von ihm auch nicht den fordernden Mahnruf der Propheten erwarten. Während diese in ein Israel hineinsprachen, das in der eigenen Formung seines politischen und sozialen Geschicks selbstverantwordich war, kennt Qoheleth nur noch die Fremdherrschaft mit ihrer Korruption der Beamtenschaft in der Hauptstadt einer fernen Provinz; eine ausweglose Lage seit Jahrhunderten, in der der persönliche Protest die einzige Möglichkeit bleibt. Zwei anschließende Sprüche (V. 4—6, 7—8) reden von Notwendigkeit, Sinn und Grenze der Arbeit. Daß dem Menschen die mühevolle Arbeit (VöS) als Notwendigkeit gesetzt ist, steht außer Zweifel. Aber die Arbeit zum Selbstzweck und zum eifersüchtigen Wettstreit um Gewinn und Ehre zu machen, ist für Qoheleth offenbare Torheit. Wie sich der Faule schädigt, der schließlich hungern muß, so schädigt sich der Arbeitswütige und Habgierige, der mehr zusammenrafft als er braucht und darüber das Leben versäumt, dessen einzig möglichen Gewinn der Weise nicht im Erwerb, sondern in dessen rechtem Gebrauch sieht. In V . 6 faßt Qoheleth seine Mahnung zu den Extremen zusammen in einer anscheinend sprichwörtlichen Wendung, der er sein typisches Wort von „Haschen nach Wind" angehängt hat. 2 Seine Konsequenz ist die Warnung vor beiden Fehlern. Eine Handvoll Arbeit und eine Handvoll Ruhe; Wirken und Sinn des Wirkens müssen beide zu ihrem Recht kommen. In der Warnung vor den Extremen, die immer wieder auftaucht, stimmt Qoheleth mit der gesamten Weisheitsliteratur überein. 1

Der Inf. abs. Pi'el mit nachfolgendem Personalpronomen ist mit hoher Wahrscheinlichkeit

ein Beispiel des Einflusses der phönizischen Syntax auf die Sprache Qoheleths (s. Dahood [ 1 1 ] S. 49f.). Im Hebräischen entsteht hierdurch eine zeitlich indifferente Form. R. Meyer (Beer-Meyer, Hebräische Grammatik § 103, Abs. 6) zieht es vor, hierin in Abweichung von der masoretischen Vokalisation ein neutral gebrauchtes Perfekt 3. masc. sing, zu sehen, das durch das nachfolgende pronominale Subjekt spezifiziert wird. In beiden Fällen ist die Emendation VMlStth trotz der Parallele 8,15 unnötig. 2

r r n n w i l ist als ausdrückliche Betonung des Sinnverlustes durch die verkehrte Lebens-

führung zu wichtig, als daß man es aus äußerlichen Gründen streichen dürfte. 10 Der Prediger

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Qoheleth

Der Mann des zweiten Beispiels ist nicht klüger als der Habgierige und der Faule des Gegensatzpaars. Eines Tages wird er sterben, ohne zu wissen, für wen er sich geplagt hat und, schlimmer, ohne sein Leben genossen zu haben. Das ist für Qoheleth eine ärgerliche Torheit, vor der er seine Leser gern bewahrt sähe. V . 9—12 loben, vielleicht in einem lockeren psychologischen Zusammenhang zum vorhergehenden Bild des einsam sich Mühenden, das freundschaftliche Miteinander. Solidarität bietet gewisse wünschenswerte Möglichkeiten gegen die Unfälle des Schicksals. Der Weise denkt hier rein praktisch. Sein Lob der Freundschaft sieht sehr anders aus als wir es aus der europäischen Literatur gewohnt sind. Der Rat scheint hier in bewußter Begrenzung zu stehen. Ohne Zusammenhang mit dem Vorhergehenden schließt sich eine Betrachtung an etwa mit dem Thema: „Was haben Herrschende wie Beherrschte von einem Regierungswechsel zu erwarten?" Qoheleth bedient sich hierzu eines Standesmärchens der Schultradition 1 . Ein alter, unbeliebter, versagender König wird durch einen jungen Nachfolger ersetzt, der aus dem Volk kommt, direkt aus dem Gefängnis zum Thron gelangt. Allgemeiner Jubel empfängt ihn. V o n ihm darf das Volk Besserung seiner Not erwarten. Die Erzählung berichtete nun sicher abschließend, daß er weise, erfolgreich und von den Menschen geliebt regierte bis in ein hohes Alter. Qoheleth kennt die Welt besser. Mit einem Satz (V. 16 b) wendet er die Erzählung in die Desillusion. In der Wirklichkeit verläuft solch eine Entwicklung ganz anders. Sei es, daß der König doch nicht die Hoffnungen des Volkes erfüllte, das Amt den Mann verdarb, statt daß der Mann das Amt formte, oder daß mit den Jahren im unvermeidlichen Alltag die Begeisterung der Menge in Mißmut umschlug, die Späteren hatten keine Freude an ihm; und er an ihnen gewiß auch nicht. Im Staat blieb alles, wie es war. Die Hoffnung auf solche Veränderungen ist eben so nichtig wie der politische Ruhm, der sich über kurz oder lang als Illusion erweist. Die Anknüpfung der Erzählung an ein bestimmtes historisches Ereignis aus der Zeit Qoheleths muß nicht gesucht werden 2 . Mit V . 17 beginnt eine zusammenhängende Reihe von Ermahnungen, die sich über den Kapitelschluß hinweg bis 5,6 erstreckt. Einmalig im Buch und überraschend in seinem Zusammenhang, aber gerade dadurch von schwerwiegender Bedeutung für das Gesamtbild sind diese ernsten Forderungen zum rechten Verhalten im Kultus, in der Ausübung von Opfer, Gebet und Gelübde. Der^Stil des Buches ändert sich. A n die Stelle des offenen oder eingekleideten klugen Ratschlages tritt die fordernde Belehrung; zum ersten Mal erscheint die autoritative DuAnrede. „Bewahre deine Füße, wenn du %um Hause Gottes gehst." Die Einführung läßt erkennen, wie selbstverständlich es für Qoheleth ist, daß man zum Tempel geht, der auch für ihn ein Ort der besonderen Begegnung mit dem fernen Gott ist. Daran aber liegt ihm, daß dieses „Nahen" im Bewußtsein der zu fürchtenden Heiligkeit und des mensch1

V g l . Galling [25] S. 281 ff. Hertzberg [44] verweist auf die Parallelen in der Josephsgeschichte.

2 Siehe S. 8.

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Qoheleth

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liehen Abstandes geschieht1. Die ganze Reihe der Mahnungen steht unter dem Generalthema der Ehrfurcht. Der Kult in seiner traditionellen Form wird nicht in Frage gestellt. Qoheleth verwirft das Opfer ebenso wenig wie die aus dem gleichen Motiv des Protestes gegen das Verständnis des Opfers als Leistung stammende Opferfeindlichkeit der Propheten. Die Warnung vor dem verkehrten Opfer, dem Darbringen der Gabe ohne innerste Erkenntnis des realen Verhältnisses zwischen Gott und Mensch, setzt die Anerkennung des echten Opfers voraus. Man spürt freilich, daß die äußere Opfergabe Qoheleth nicht so wichtig ist. Gottesfurcht ist ihm der wahre Gottesdienst. So könnte die Gabe wohl auch unterbleiben. Aber nicht das Hören! Die Stelle wird meist mit 1. Sam. 1 j,22 in Parallele gesetzt, was für den Grundgedanken des Verhältnisses von Glaube und Opfer auch gewiß richtig ist. Der literarische Bezug ist jedoch im Deut. 5 zu suchen, wo V. 23 (2o)ff. von der Gefahr des Nahens sprechen, und in der Bitte des Volkes an Mose in V. 27 (24) die gleiche Zuordnung von 3 1 p und »Öttf in bezug auf den Empfang der göttlichen Weisung an heiliger Stätte erscheint: irnVs mrr "IÖN1 "itfirVs n« »ötfl nnx 3 1 p Der Tempel ist also für Qoheleth ein „furchtbarer Ort" (Gen. 28,17) w i e der Berg des Bundesschlusses. So wird sicher, daß hier die Doppelbedeutung von 373$ (Hören — Gehorchen) mitschwingt. Von Gebot und Weisung durch die Thora ist zwar im Buch nicht gesprochen, aber das ist kein Gegenbeweis. Ein für die Mitlebenden geschriebenes kleines Buch dieser Struktur konnte darauf verzichten, die Selbstverständlichkeiten der Zeit ausdrücklich auszusprechen. Die Bindung Qoheleths an die Glaubenstradition ist bei aller Eigenwilligkeit seines Denkens im Bereich der Erkenntnis deutlich genug. Die Auslegung kann nur die Aufgabe haben, die im letzten vor der Überlieferung Israels keineswegs widersprüchliche Zweiseitigkeit seines Glaubensbildes mit der Gottesferne und dennoch der Möglichkeit von Schriftbindung und Kultus festzuhalten. Jedes systematisierende und modernisierende Auseinanderreißen in einen traditionellen Glauben und eine säkularisierte Weltanschauung vergißt Raum und Zeit des Buches, dessen Spannungen sich jedem Lösungsversuch mit dem Entweder—Oder der Logik entziehen.

5.

KAPITEL

V. 1—2 warnen vor dem übereilten und geschwätzig-breiten Reden vor Gott. „Reden vor Gott" ist Gebet. Die negative Formulierung erklärt sich aus dem Primat der Distanz. „Gott ist im Himmel, und du bist auf Erden." Auch diese Wendung ist ein „TreibStachel" (Qoh. 12,11) wie die Ptahhotep-Deuteronomium-Variante in 3,14. Sie ent1 Die Stelle läßt erkennen, wie überlegt der Gottesname verwendet ist. Belanglose Wendungen der religiösen Gebrauchssprache laßt Qoh. durchgehen (vgl. S. 130, Anm. 3), hier aber, wo es ihm auf die Betonung der ehrfürchtigen Distanz ankommt, ersetzt er eine der gewiß geläufigsten Wendungen, das traditionelle ffirP J V 3 , durch das eigenwillige D ' n V x n r r i .

10*

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stammt gleichfalls dem Deuteronomium. Ihr dortiger Text (4,39 und in der gleichfalls deuteronomistischen Parallele Jos. 2,11) lautet jedoch: „Denn Jahwe, Er ist der (alleinige) Gott (DTlVNn) im Himmel droben und unten auf Erden." Ein solches Wagnis der variierenden Verwendung einer mosaischen Bekenntnisformel, das des Verständnisses der Leser gewiß sein durfte, erreichte mit Sicherheit sein pädagogisches Ziel des Herausreißens aus einer beruhigenden Gewohnheit. Diese knappste Formel des Qoheleth'schen Gottesbildes bleibt ihm auch im Bereich des Gebets gültig. Daß aber Qoheleth, fast überraschend und dabei mit solcher Dringlichkeit, vom Gebet redet, beweist seine Be2iehung zur Sache und die Bedeutung, die er ihr beimißt. So ernst mahnt niemand, der im Gebet nur eine traditionelle Formel ohne praktische Bedeutung sieht. Qoheleth hat jedenfalls nicht mit einem Teil seiner Exegeten gemeint, daß die Überzeugung von der Determination die Realität des Gebets ausschließt, wenn Träumerei und törichtes Gerede dabei unterbleiben im festgehaltenen Bewußtsein des Abstandes. V. 3—5 handeln in der gleichen Weise von der Gefahr der Voreiligkeit und Ehrfurch tslosigkeit bei Gelübde und Erfüllung. Die Mahnung hat eine vollständige, in den wesentlichen Begriffen wörtliche Entsprechung in Deut. 23,22-24. Auch die Formulierung „ ... es sei ein Verseben (in Übereilung) gewesen" hat im Urtext ein wörtliches Vorbild im Gesetz K Ist dort die Rede vom Opfer für ein Versehen, so betont Qoheleth, daß der Bruch eines Versprechens an Gott kein Versehen ist, sondern — hier, nur an dieser Stelle könnte der Begriff bei ihm Gültigkeit haben — eine Sünde, der die Strafe folgen könnte. In dem besonderen Ernst der Mahnungen zum Kultus wird in der Bezogenheit seiner Aussagen auf das Gesetz mit der Warnung vor dem möglichen Zugriff des zürnenden Gottes nicht nur eine lebendige Zugehörigkeit Qoheleths zum Glaubens seines Volkes unbestreitbar deutlich, sondern mehr noch als im Weltbild, auch eine Wirkungskraft des Tremendum, von der die praktische Weisheit neben ihm kaum noch eine Ahnung erkennen läßt2. So stellt folgerichtig der abschließende V. 6 allen Erscheinungen eines unklaren und ungesammelten geistigen und geistlichen Lebens die Alternativforderung gegenüber: „Du aber fürchte Gott." Auch dieser Vers hat seinen Ursprung im Deuteronomium (13,2—6). Aus der Mahnung der Thora, nicht der Versuchung durch falsche Propheten und Visionäre (wörtlich: Traum-Träumer) zu erliegen, ist zwar im Weisheitsbuch aus dem Traumgesicht die Träumerei geworden, und aus der geoffenbarten Weisung der psychologisch-seelsorgerliche Ratschlag; jedes Zeitalter hat seine eigenen Gefährdungen und seine eigenen Wege der Bewahrung. Aber der Grundgedanke der einsichtig-nüchternen Ehrfurcht ist auch bei dem Weisen der gleiche geblieben, und so auch zu Recht mit der gleichen Terminologie zum Ausdruck gekommen. Qoheleths Mahnungen zum Bereich des Kultus sind von entscheidender Wichtigkeit für die Stellung seines Buches im AT. Der Text und seine biblischen Beziehungen zeigen eindeutig, daß Qoheleth sich in seinem Denken viel weniger von der Tradi1 «in "O Num. 15,25. Vgl. Delitzsch [12] z. St. 2 Es ist beachtlich daß in V. } b die Nennung des Gottesnamens überhaupt vermieden wird.

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Qoheleth

tion entfernt hat als die Exegese im allgemeinen wahrhaben will, wenn man sich entschließt, unter Tradition mehr zu verstehen als die wesentlich von Geschichte und Gewohnheit bestimmte und dem Durchschnittsbedarf ihrer Glieder und ihrer Amtsträger angepaßte Praxis der Kultgemeinde. Sein Gottesbild und das ihm parallele Weltbild bedeuten vielmehr einen Rückgriff auf einen ursprünglichen Ernst der Religion, der seiner Zeit abhanden gekommen war. Bei aller Kühle seiner Aussagen ist er im Grunde frömmer als die Frommen um ihn und nach ihm in seiner unerbittlichen Lehre von der göttlichen Distanz, die er für alle Zeiten einem verfügenden Wissen und Besitzen gegenübergestellt hat, sei es orthodox oder pietistisch, systematisierend oder sentimental. Auch der Vorwurf des Deismus, der bei Betrachtung einzelner Stellen leicht aus der typischen Einseitigkeit der aphoristischen Aussage entsteht, wenn man nicht auf das Ganze sieht, hat keine Stütze im Text. Gott ist für Qoheleth, mit Pascals Mémorial 1 zu sprechen : «Dieu d'Abraham, Dieu d'Isaac, Dieu de Jacob, non des philosophes et — des — savants», der personhafte, geschichtsund schicksalsmächtige Gott Israels. Hier will Qoheleth kein Weiser sein. Manche Züge treten bei dem Mann der Spätzeit zurück. Die religiös bestimmte Nationalgeschichte wie die Heilsgeschichte werden in seinem Buch nicht erkennbar. Er weiß sich zu fern vom brennenden Dornbusch, als daß er behauptete, noch die Stimme zu hören, aber er sieht ein Brennen und hat die Schuhe von seinen Füßen getan. Eben deshalb geschieht das Entscheidende: die Ehrfurcht als das Zentrum des Glaubens steht neu. Sie sieht hinter der „Weisheit" anders aus als davor. Der Weg des weltbetrachtenden Denkens wandelt die Aussage. Qoheleths Mangel an Theologie ist eine unmittelbare Folge dieser neuen Ehrfurcht. „Man könnte deshalb das Buch Koheleth eher das Hohelied der Gottesfurcht nennen, als wie mit H. Heine das Hohelied der Skepsis." 2 Die wachsende Einsicht, daß der Inhalt des Buches Qoheleth nicht rationalisierende Verflachung ist, sondern ihr bewußter Gegensatz, gehört zu den wichtigsten Fortschritten in seiner Exegese. Die Entwicklung wird am deutlichsten an zwei Überschriften. Noch 1921 überschrieb Ed. Meyer 3 ein Kapitel „Die Aufklärung. Qoheleth". Im Jahre 19J2 gab Galling einem Qoheleth-Vortrag 4 den Titel: „Die Krise der Aufklärung in Israel". Vielleicht ist es berechtigt, in diesem Zusammenhang an die Frage der Kanonizität zu erinnern. Worum es in Jabne ging, ist wohl nie gültiger ausgesprochen worden als in den Worten, die Lion Feuchtwanger 5 den führenden Mann dieses Kreises, Jochanan ben Sakkai, zu Josephus sagen läßt: „Wir geben den Tempel preis. Wir wollen setzen an Stelle des sichtbaren Gotteshauses ein unsichtbares, wir wollen umgeben den wehenden Atem Gottes mit Mauern aus Worten an Stelle der Mauern aus Granit." Hier, noch unter dem Eindruck der. totalen Vernichtung von Staat und Tempel, wurde das Buch Qoheleth anerkannt, als es darum ging, das wenige Wesentliche zu sammeln, um die Substanz von Leben und Glauben zu erhalten. „Einen philosophischen Qoheleth hätte man nicht bear1

Pensées, Edition critique par Z . Tourneur.(Paris 1938) Bd. II, S. 8.

2 Delitzsch [12] S. 188. 5

3

[62].

Der jüdische Krieg (Rudolstadt, o. J.), S. 235.

4 [26].

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beitet, sondern vernichtet."1 Die vermeintliche Urheberschaft Salomos und spätere Einschöbe haben gewiß erheblich dazu beigetragen, aber man darf es doch den Rabbinen, diesen besten Lesern aller Zeiten, wohl zutrauen, daß sie hier mehr sahen als Tradition und daß ihre eigentliche Entscheidung lautete: Das Buch Qoheleth wahrt die Substanz. Noch einmal nehmen die Verse 7—8 den Gedanken von 4,1 ff. auf, dieses Mal nach außen hin mit weniger Beteiligung, in einer in der Konsequenz resignierenden, aber in der Kritik eher noch schärferen Form. Die Ironie, mit der die Ausbeutung und Ungerechtigkeit mit diskussionsloser Selbstverständlichkeit auf die Beamtenhierarchie zurückgeführt werden, die für Recht und Wohlfahrt verantwortlich wäre, ist vernichtend. Aber revolutionäre Ideen liegen Qoheleth fern. Es entspricht seinem eigenen Wesen wie dem seines ganzen Standes, auch die schlechteste Ordnung einem totalen Umbruch vorzuziehen, in dessen Verlauf die Lebensform der Oberschicht erheblich gestört würde. Das komplizierte Leben eines Kulturlandes bedarf der Regelung. Er hat die Hoffnung aufgegeben, daß die Regierung besser werden könnte als sie ist (4,13 ff.), und zieht sie auch noch in dieser Form dem Umsturz vor 1 . Es ist interessant nachzulesen, wie diese Haltung, die trotz aller politischen und humanen Einsichten in ihrem skeptischen Konservativismus das Unrecht, wenn auch widerwillig, duldet, der des alten Goethe, z. B. in den Gesprächen mit Eckermann und in den Maximen aus dem Nachlaß, entspricht. Diese durch Zeit und Geschichte kaum beeinträchtigte, weil in Persönlichkeit und Lebenslage begründete Parallele stützt das Textverständnis und verdeutlicht das Qoheleth-Bild. In V. 9—19 folgt eine Reihe von Sprüchen über den zweifelhaften Wert des Besitzes und die Gefahr eines krampfhaften Erwerbens und Bewahrens. Ein Lob der Armut liegt dabei dem Weisen fern. Es geht auch hier um die Wahrung des möglichen „Teils", nicht um den Verzicht. Wer allzu viel erwerben will, dem mehren sich die Kosten, und ihm selbst bleiben nur Arbeit und Unruhe (V. 9—11). Wer nur bewahrt, kann alles durch einen Schicksalsschlag verlieren und mit seinem Sohn in der Armut enden. Mit den Worten des Hiob-Gebets3 wird sein Schicksals geschildert (V. 14). Und ist das nicht schließlich das Schicksal aller Menschen und das Ende allen Strebens? Wieder ragt die Grenzwand des Todes auf. Wo bleibt dann der Sinn der ganzen Mühe eines Lebens voller Entbehrung, Ärger und Krankheit? Diesem vergeblichen Weg mit seiner Ungesichertheit, Angst und Freudlosigkeit stellt Qoheleth seine Einsicht in der bekannten Wendung entgegen (V.17). Aber hier erhält die Formel eine Erweiterung, die einen anderen Qoheleth zeigt als den sachlichen Denker, der sonst dem Leser begegnet. Es erscheint eine tief gefühlte Lebens- und Gottesbeziehung. Gott, der dem Menschen seine Lebenstage gibt (V. 17), gibt ihm auch die Lebensgüter und die Freude an ihnen. In dieser Gabe des Guten tut sich für Qoheleth Gott kund in der Herzensfreude des Menschen und schenkt ihm Ent1 Sellin-Rost [80] S. 171. V. 8 ist im Urtext unsicher. Vgl. die Erl. zur Übersetzung.

2

3

Hiob 1,21; vgl. S. 64.

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lastung vom Druck seines ungewissen Schicksals. Dieses Zufriedenwerden ist nicht nur Resignation. Die Selbstbescheidung wird zur Selbstbefreiung. Wir sehen einen Schritt von hoher geistiger und geistlicher Bedeutung: das Einfachwerden des Weisen in der Dankbarkeit. Matthias Claudius mag hier Manches gelernt haben* ohne daß deshalb Qoheleth ein Matthias Claudius wäre. 6. K A P I T E L Schloß das vorhergehende Kapitel mit dem Lobpreis der gottgeschenkten Freude, so beginnt das neue (V. i—6) mit der Darstellung eines Lebens, das aus unerklärlichen Gründen nach dem Willen Gottes seinen „Teil" verfehlt. Da ist einem Menschen alles gegeben, aber es fehlt ihm die Fähigkeit, daran Freude zu haben. Die Ursache beim Menschen, etwa Krankheit oder Charakteranlage, ist nicht genannt. Genug, daß nicht er seine Güter genießt, sondern ein Fremder. Auch dies bleibt offen, wer dieser Fremde sein könnte. Wesentlich ist allein, daß es ein Anderer ist als er selbst. Dieses eben ist das „böse beiden", in der Fülle den bescheidenen Lebenswert der Freude nicht zu erlangen. Mag ein Leben auch alle äußeren Gaben nach der orientalischen Idealvorstellung umschließen, zahlreiche Söhne, Reichtum, viele Lebensjahre, mag es, wie zu einer ironischen Vervollständigung1, mit einem prunkvollen Begräbnis abgeschlossen werden, so war es doch ein Unglück, wenn ihm die „Freude des Herfens" fehlte. Dann ist die Fehlgeburt besser daran, die zwar nie die Welt sah und die namenlos verschwindet, aber doch nicht durch das Leben ging mit dem Leiden, es nicht ergreifen zu können. Einmal endet auch das längste Leben im Tode. Nichts ist für Qoheleth nichtiger, als in die Dunkelheit zu gehen, ohne sich am Dasein unter der Sonne gefreut zu haben. Darum warnen V. 7—9 vor der fast unüberwindlichen Torheit, über immer neuen Wünschen die Erfüllung zu verlieren. Worin besteht denn Weisheit? In der Erkenntnis ist sie fraglich und vor dem Tode machtlos. Aber die Einsicht kann sie geben, daß der Augenblick der Erfüllung nicht vergehen darf über dem wirklichkeitsblinden Laufen nach einem imaginären „Lebensglück". Das Glück ist immernur der unsichere,flüchtige„Teil", der aufgenommen werden will, wie er sich darbietet. Alles Andere ist Illusion und Verlust, also „nichtig". Mit der gleichen Warnung nehmen V. 10—12 den Gedanken der Determination aus Kap. 3 auf. Jedes Schicksal ist von Gott her bestimmt. Der Begriff des Namens bedeutet hier, wie immer im AT, nichts Äußerliches, sondern das Wesen der Person oder Sache, und das „Kennen" Gottes ist kein beziehungsloses Wissen, sondern ein bestimmendes Wirken2. Gott aber ist „im Himmel", jeder Begreifbarkeit und erst recht jeder Kritik entrückt. Grübeln und Reden über ihn, seinen Willen und sein „U7erk unter der Sonne" ist nutzlos3. Wer weiß denn4 ein Rezept zur Bewältigung des 1 Vgl. Gordis [}}] z. St. Qttf fcOp und 8*T\ beide im Niph'al zur Vermeidung des Gottesnamens wiederum bei einer Aussage der Distanz, sind synonyme Ausdrücke für die Schicksalsbestimmung. 3 Zur hier möglicherweise versteckten Polemik gegen das Buch Hiob s. S. 29. 4 Die Abweisung in der Form der rhetorischen Frage erinnert an die gleiche Wendung in 3,21. 2

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menschlichen Schicksals, das Sicherheit und Glück verbürgt? Das allein wäre keine Rede, die nur das Nichtige mehrt. Wer hätte das Recht, dem Menschen vom Sinn des Lebens nach seinem Leben, für eine ihm unbekannte Zukunft zu reden, an der er keinen Anteil haben wird? Auch diese lastenden oder leeren Spekulationen über die großen Zusammenhänge, deren Erkenntnis durch die Setzung von Zeit und Stunde für ein jedes Ding dem Menschen entzogen bleibt, ist ein Weg, auf dem man das Leben versäumt. Die Folgerung Qoheleths braucht nicht mehr ausdrücklich hinzugesetzt zu werden. 7. K A P I T E L Am Anfang dieses Kapitels erscheint erstmalig eine Reihe konventioneller Weisheitssprüche, die in ihrem Grundbestand nichts von der Eigenart Qoheleths zeigen, sich aber durch typische Zusätze seines eigenen Denkens als von ihm selbst gesammelt erweisen. Die Sprüche haben zum Teil die klassische Form des Parallelismus membrorum und zeigen öfter die zugleich künstlerische und pädagogische Verwendung von Paronomasie und Assonanz. V. 1—8 sind durch die ihnen fast allen gemeinsame Einleitungsformel „Besser... als . . . " ( . . . p . . . 31tJ) zusammengefaßt, die ursprünglich wohl siebenmal erschien1. V. 1—6 könnte man zusammenschauen unter dem Grundgedanken einer Mahnung zur Bereitschaft, sich der Wirklichkeit des Lebens, besonders aber seines Endes, ohne Ausweichversuche zu stellen. In V. 1 wird, wie nach dem Textzusammenhang zu schließen ist, das bei der Bestattung verwendete Salböl gemeint sein, so daß die Sentenz die Bedeutung hätte: „Besser ein guter Ruf als ein kostbares Begräbnis." Der Rest des Verses liegt der Meinung Qoheleths sonst fern. V. 2 führt vor die Wirklichkeit des Todes. Schon die ursprüngliche Sentenz sagt, daß man besser daran tut, ihr ins Auge zu sehen als in den Rausch zu entfliehen. Die Erweiterung, die man wohl Qoheleth zuschreiben darf („Dem dies ..."), verdeutlicht den Sinn. Ebenso im fremden Text mit eigener Erläuterung verläuft V. 3. Das Leben des Einsichtigen ist unvermeidlich auf einen Grundton des Ernstes gestimmt. V. 4 steht fremd im Text. Er wirkt wie eine schwache Wiederholung von V. 2 und unterbricht die Kette der „Besser.. .als.. ."-Sprüche. Die mehrfach geäußerte Annahme einer späteren Ergänzung von fremder Hand dürfte berechtigt sein, doch muß es sich um einen sehr frühen Einschub handeln, da der Vers bereits im Qoheleth-Fragment von Qumrän erscheint. V. 5—6 vervollständigen einander durch ihre schöne Bildhaftigkeit und sind sprachlich durch eine Reihe übergreifender Assonanzen verbunden. Die abschließende Formel „Und auch das ist nichtig" hat keinen unmittelbar einsichtigen Bezug, darf aber mit Rücksicht auf den Textfund von Qumrän nicht gestrichen werden 2 . * Delitzsch [12] S. 193 vermutet hier eine lockere sprachliche Anknüpfung an das S W i l Ö in 6,12. Ob dieser Bezug durch die Annahme einer sachlichen Verknüpfung erweitert werden darf, wonach anstelle des nicht erreichbaren zureichenden Vissens eine Reihe von Lehren des relativ 2 Wißbaren gegeben wird, ist fraglich. Vgl. S. 68.

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Qoheleth

V . 7 ist in der überlieferten Form unvollständig. Schon Delitzsch 1 hat vermutet, daß der erste Halbvers ausgefallen ist und der Rest einer Ergänzung bedarf, die mutmaßlich mit „Besser . . . als . . . " anfing und ungefähr wie Prov. 16,8 lauten könnte: Besser wenig mit Gerechtigkeit als große Gewinne mit Unrecht. Das Qoheleth-Fragment von Qumrän hat den Ausfall bestätigt, leider aber nicht den Text geliefert 2 . Man muß daher den Wortlaut offen lassen, darf aber den Gedanken im Sinne von Delitzsch ergänzen und im erhaltenen Rest einen Zusatz Qoheleths zu einer überlieferten Sentenz sehen. V. 8 meint wohl, daß eine jede Sache in ihrem Wert und ihrem Ablauf erst am Ende erkennbar wird. Daher: lieber abwarten als sich vorzeitig rühmen. V. 9 sagt die allgemeine Wahrheit aus, daß es töricht ist, sich an den unvermeidlichen Ärgerlichkeiten und Widrigkeiten durch eine zu starke innere Beteiligung zu verbrauchen. Qoheleth wendet diese Einsicht in V. 10 auf einen unsterblichen Spezialfall an: die Schwarz-Weiß-Malerei im Vergleich der Gegenwart mit der „guten alten Zeit". Sie war nicht gut, sondern in ihrer Weise weder besser noch schlechter. „Es gibt nichts Neues unter der Sonne." V. n—12 bieten, was bei Qoheleth selten geschieht, ein Lob der Weisheit. Die Verschmelzung von traditionellem Spruchgut und eigener Gestaltung 3 beweist die kritisch-formende Sammeltätigkeit des Autors. „Gut ist Weisheit wie Besitz•" Die Weisheitsschule hätte gesagt, daß sie besser sei4. Qoheleth ist wie immer der Nüchternere. Der „Schatten des Silbers" ist, wie die ugaritischen Funde zeigen 5 , ein altes Bild der semitischen Umwelt, das Qoheleth im Sinne des schützenden Schattens aufnimmt; und gewiß mit der innersten Überzeugung. Wie wichtig ist für einen Menschen seines Wesens diese Abschirmung, die ihm Freiheit gibt und Distanz erlaubt6. Aber, fügt Qoheleth hinzu, die Weisheit kann auch ihren Besitzer vor schwersten Schaden bewahren, das Geld allein nicht. Die Einschränkung hierzu steht am Ende des 9. Kapitels. Immer wieder umkreist Qoheleth belehrend und mahnend die gleichen großen Probleme. In V. 13—14 wiederholt sich, nun in größerer Deutlichkeit, das Wort von 1 , 1 5 ; der Mensch kann Krummes nicht gerade machen. Daß dieses „Krumme", der „Tag des Übels" aus der gleichen Hand kommt wie das Gute (2,24; 5,18f.), ist ihm so' selbstverständlich, wie es schon den Propheten war7. Das Weltbild und der 1 [ 1 2 ] 2. St. 3

2 V g l . S. 68.

Die Verwendung v o n U V gehört der Sprache Qoheleths ebenso an wie die Wendung „die Sonne

schauen" (ttfötfn H i O 6 , 5 ; 1 1 , 7 ) . 4

V g l . Prov. 1 6 , 1 6 und die Zitate in Qoh. 9 , 1 6 . 1 8 .

5

Baal und ' A n a t 5 1 : II: 27. S. Gordon, Ugaritic Literature (Roma 1949), S. 28 und 1 5 5 .

6

Vielleicht hat J . G . Herder [ 4 } ] S. 145 nicht ganz Unrecht mit dem Hinweis, daß die soziale

Lage auch zur Abgrenzung des Leserkreises beiträgt: „ L e u t e im Gefängnis lesen den Hiob, Leute im Kabinet den Prediger am Abend ihrer Ta^je." 7

A m . 5,6; Jes. 45,7.

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Qoheleth

Gedanke der Determination führen gemeinsam zur Mahnung der Geduld und des Carpe diem. Mit V. 15 setzt eine aus Betrachtungen und Ermahnungen gemischte Spruchfolge ein, die wohl die exegetisch umstrittenste, jedenfalls aber die im Sinne der Rechtgläubigkeit gefährlichste Partie des Buches ist. Sie läßt Dogmatik und Logik in gleicher Weise unbefriedigt und kann nur aus dem gesamten Welt- und Gottesbild Qoheleths in Verbindung mit seiner praktischen Zielsetzung, der Hilfe zur Lebensführung, verstanden werden. Daß das Schicksal eines Menschen unabhängig ist von dessen ethischer Qualität, steht schon in 2,26. Die harte, aber sachlich unbestreitbare Präzisierung, in der das Bild der frommen Sicht gerade umgekehrt wird 1 , muß als beobachtete Wirklichkeit akzeptiert werden. Was bleibt praktisch dem Menschen übrig, der zugeben muß, daß ihm, entgegen der Lehre von der Vergeltung nach der Tat, auch hier „das Werk Gottes" und damit ein gesetzmäßiger Ablauf seines Schicksals unbekannt sind und bleiben? Er richtet sich nach seiner Welterfahrung so zweckmäßig ein, wie ihm möglich ist, handelt von Fall zu Fall ohne übersteigerte Prinzipien so klug und anständig wie er vermag. Eine Kapitulation in der Passivität ist unmöglich. Der Mensch kann bei aller Einsicht in die Grenzen nicht seinen Willen aufgeben, durch sein Tun und Lassen an seinem Geschick zu wirken. Die Alternative heißt auf dem Boden dieser Erfahrung zwangsläufig nicht „gerecht oder gottlos", sondern „weise oder töricht". Die Undurchschaubarkeit des göttlichen Handelns in seiner Beziehung zur Ethik hebt dabei die Gebote der einfachen Sittlichkeit nicht auf, so wenig die Grenzen der Weisheit ihren Gebrauch im möglichen Maß hindern. Aber der gefährlichste Feind des „Teils" am Leben ist, vom menschlichen Handeln her gesehen, das Extrem. Es gibt ein Streben nach Reinheit und Heiligkeit, das in Verkennung seiner Grenzen blasphemisch und heuchlerisch wird, eine Weisheit, die logisch ist bis zur Torheit, eine Ethik, die in übersteigerter Konsequenz in der Unmenschlichkeit endet; sie alle aber sind lebenszerstörend. Qoheleth erkennt die Gefahr des Radikalismus für sein Ziel, das Leben jetzt und hier, das ihm keine Bewährungsfrist ist, sondern die Sache selbst. So ist ihm die goldene Mittelstraße des Bemühens um Klugheit und Menschlichkeit der einzige Weg, der nicht ins Verderben führt (V. 16—17) u nd damit zugleich eine Lebenshaltung, die dem rechten Verständnis von Gottesfurcht entspricht. (V. 18). „«Furcht Gottes» bedeutet nicht: sich vor Gott fürchten, sondern: erschauernd seiner Unbegreiflichkeit inne werden." 2 Nur das Handeln im Wissen um die Begrenzung bleibt in der Ehrfurcht, und diese Ehrfurcht wiederum bewahrt vor den Extremen, die das gottgegebene Leben zerstören 3 .

1 Man könnte mit Graetz [ 3 7 ] und Humbert [ 4 7 ] lesen: „durch seine Gerechtigkeit" und „durch seine Bosheit". 2

M . Buber, Kampf um Israel (Reden und Schriften, I 9 3 j ) ; z i t . nach „ E i n s i c h t e n " (Insel-Bücherei

N r . 573 o. O . u. J.), S. 1 2 . 3

D e r überflüssig erscheinende V . 19 wirkt ungeschickt im Text, muß aber wegen seiner Bestäti-

g u n g im Qumrän-Fund an seiner Stelle belassen werden. V g l . S. 69.

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D a ß jeder Mensch fehlbar ist (V. 20), will gewiß keine theologische Aussage der allgemeinen Sündhaftigkeit machen, sondern ist einfach das nüchtern-anständige und zugleich mahnende Eingeständnis eines erfahrenen Menschen. Die Stelle ist inhaltlich von ihrem kürzeren Vorbild in 1. K ö n . 8,46 so weit entfernt wie v o m Römerbrief, aber ebenso wenig ein Freibrief zur Nachlässigkeit wie die Verse 16 u n d 17. Aus diesem Bewußtsein der eigenen Fehlbarkeit erwächst die Nachsicht gegen fremdes Vergehen, w o f ü r V. 21—22 ein schönes Beispiel der damaligen Zeit bieten. Dieses Buch ist wirklich gefährlich. Entweder langte der Leser seiner Zeit mit i h m bei einer neuen Glaubens- und Lebenstiefe von unauflöslicher Spannung an, die durchgehalten werden mußte, oder er fiel in die nihilistische Weltschau und Lebenspraxis, vor denen Kap. 2 der „Weisheit" warnt. Aber eben hierin erweist sich die Echtheit der Sicht. Viel Wissen hat der Weise gesammelt, manche Einsicht gewonnen, aber die eine Welt und Sinn ergründende Weisheit, u m derentwillen er forschte, blieb ihm versagt (V. 23). Vor ihrer Frage steht er wie am Anfang, nur daß inzwischen die Einsicht in die Unergründlichkeit ihrer Tiefe hinzugekommen ist (V. 24). Die gedankliche Verbindung zu dem schwierigen V. 2 5 1 und dessen Überleitung zu V. 26 kann nur -versucht werden. Das Verständnis ist erschwert durch den schlechten Textzustand von V. 25 a und die hier unsichere Bedeutung der Grundbegriffe. Vielleicht darf man f o l g e r n : Die Grenze menschlicher Erkenntnisfähigkeit in den großen-Welt- und Schicksalsfragen ist klar geworden. Aber leider sind der Weisheit auch praktisch nach der E r f a h r u n g noch weit engere Grenzen gezogen, eben durch die Torheit, den unausrottbaren D r a n g zum verkehrten Handeln auch in erkennbaren Dingen, das s o entscheidend das Bild der Welt bestimmt. Ist diese Grenze überwindbar P Was ist eigentlich diese Torheit? Das ist die Frage, deren Beantwortung noch zur Vervollständigung des Welt- und Menschenbildes fehlt. Qoheleth erkennt, „ d a ß Frevel Torheit ist und Torheit Wahnsinn." Versteht man unter Frevel (17Eh) hier ein schöpfungs-widriges und dem Gesetz der Sittlichkeit widersprechendes Handeln, so ist dessen gedankliche Voraussetzung Torheit (*7DD) in jedem Einzelfall. Die Torheit in ihrer •Gesamterscheinung (nV?DO)2 aber charakterisiert Qoheleth als Wahnsinn, Raserei •(mWin), also als einen Zustand, in dem der Mensch keine Selbstverfügung besitzt. Als das typische Beispiel hierfür erinnert er (V. 26) an die Fesselung eines Mannes durch eine gefährliche, aber geschickte Frau. Die Terminologie verweist auf 2,26, wo die Ursache dieser Hilfslosigkeit zu erfahren ist. Gott gibt dem ihm Wohlgefälligen die Weisheit und damit die Bewahrung, dem Mißfälligen versagt er •die Einsicht (wie der Straußenhenne in Hiob 39,17) und läßt ihn in sein Unglück xennen. Und das gilt im Prinzip. Torheit ist ein Mangel an Gabe der Weisheit, deter1

Ein gedanklicher Zusammenhang muß wohl angenommen werden. Gordis [33] verweist auf und in V. 2 5 als substantivische Entsprechungen zu S E h n und "730 - n n in V. 17. und verhalten sich zueinander wie die einzelne konkrete Handlung zum Abstraktum. Insgesamt vgl. Delitzsch [12] z. St.

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Qoheleth

miniert wie diese auch, und somit eine der im Ganzen unüberwindlichen Gegebenheiten des menschlichen Lebens. Damit spricht Qoheleth eine besonders für den Weisen bittere Erkenntnis aus. Niemand ist völlig weise, niemand immer. Daß die Weisheit an der Unergründlichkeit Gottes ihr Ende findet, muß ertragen werden, daß sie an der Grenze des Todes scheitert, ist bitter, aber ,,bitterer als der Tod" ist „solch ein Weib", ist die Tatsache, daß es auch dem Weisen geschehen kann, schon an der Raffinesse einer zweifelhaften Frau zuschanden zu werden, wenn er gerade in diesem Fall nicht weise ist. Die Annahme einer autobiographischen Aussage geht über den Text hinaus. Die Beobachtung wird auch damals schon möglich gewesen sein. V. 27 zieht den Schlußstrich einer Zwischenbilanz. V. 28—29 bringen einen rückgreifenden Nachtrag. Unter Verwendung eines Sprichworts zieht Qoheleth das Fazit seiner Erfahrung mit den Menschen, mit Mann und Frau. Die Einleitung mit ihrem eigentümlich persönlichen Ausdruck innerer Beteiligung und die doppeldeutige Negation legen die Deutung nahe: Er fand nicht einmal, was das Sprichwort als möglich zuläßt, auch nicht einen Mann, wie er sein sollte. Es ist da kein Unterschied zwischen Mann und Frau. Alle Menschen, die doch „gerade" sein könnten, suchen krumme Wege 1 und erweisen sich damit selbst als verkrümmt in ihrem Wesen. Der Denker Qoheleth muß, vielleicht nicht ohne Mitschuld, ein innerlich sehr einsamer Mensch gewesen sein. 8.

KAPITEL

Der Anfang leitet eine Betrachtung mit dem Ziel eines politischen Ratschlages, ein, die sich jedoch im gedanklichen Spannbogen Qoheleths zum Sonderfall eines seiner großen Themen ausweitet: der Untersuchung des Lehrsatzes von der Vergeltung nach der Tat 2 . Die Einführung ist vorsichtig und, wohl mit Rücksicht auf die innerpolitische Situation, von einer wahrscheinlich beabsichtigten Undurchsichtigkeit, die später zu vielen unterschiedlichen Versuchen der Auslegung geführt hat. Auch hier erschließt nur der ganze Zusammenhang, der bis V. 15 läuft, den Sinn. Der Schlüssel des Verständnisses liegt in der Entscheidung, welche Teile die Meinung Qoheleths wiedergeben, und welche Partien er als fremde Rede zur Verdeutlichung und Widerlegung eingeführt hat. Diese Auswahl muß davon ausgehen, daß Qoheleth gerade hier die Annahme einer unfehlbaren, mit Gesetzlichkeit wirkenden Vergeltung nach dem Tun ablehnt. Unter diesem Gesichtspunkt sind V. 2—8 1

E i n Widerspruch zu V . 25—26 liegt nicht hierin. Die Determination hebt bei Qoh. die E n t -

scheidungsfahigkeit und -pflicht im Einzelnen nicht auf. 2

Die mehrfach vorgeschlagene Zuziehung von V . 1 als ironischer Schluß zu 7,26 oder an das-

Ende von Kap. 7 ist nicht zwingend und nimmt Kap. 8 den wertvollen Anfang. Man kann daher, der Kapiteleinteilung folgend, wie Delitzsch [ 1 2 ] V . 1 a als „gewissermaßen prologisch zum Folgenden", nicht „epilogisch zum Vorausgegangenen" verstehen, zumal die literarischen Vorbilder der einleitenden rhetorischen Frage in Jer. 9 , 1 1 und Hos. 1 4 , 1 0 ebenfalls den Charakter v o n Einleitungsformeln zu einer Belehrung haben.

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und 12b—13 als eine Darlegung fremder Ansichten verstanden, 12a jedoch als ein Sprichwort, das der Meinung des Autors nicht entgegensteht1. Das in V. 1 zitierte Sprichwort redet ursprünglich einfach davon, daß der Geist eines Menschen sein Gesicht prägt, eine gedankliche Tiefe, die den Charakter formt, auch den Ausdruck mildert. Die verborgene politische Wendung Qoheleths heißt: Wer klug ist, verhält sich so, daß sein innerer Widerstand nicht erkennbar wird. In dieser Vorsicht gegenüber dem despotischen Regenten ist er mit der gesamten altorientalischen Weisheit einig, auch mit der israelitischen, aber mit einem Vorbehalt, den er an der Argumentation der Anderen deutlich werden läßt. Bis V. 4 einschließlich besteht Einmütigkeit. Dann aber setzt die übliche Weisheit hinzu: Sei geduldig, eines Tages ereilt den Despoten sein Gericht (V. 6). Auch er vermag nicht, den Ablauf der Ereignisse vorauszusehen und jeder Gefahr vorzubeugen (V. 7). Mit der Unabwendbarkeit der Naturgewalt, der Sicherheit des Todes, der unerbittlichen Strenge des Militärrechts ereilt ihn die Folge seiner Taten (V. 8) 2 . Das ist eine klassische Formulierung für den Gedanken der gesetzmäßigen Vergeltung und deshalb mit Sicherheit nicht die Meinung Qohelehts, der sich an die Beobachtung hält. Gewiß, auch das kann geschehen, daß einen Schuldigen sein Geschick erreicht (V. 9), aber — der Bruch folgt sofort (V. 10) — es kann auch geschehen, daß Frevler in Ehren zu Grabe getragen werden und damit jede Hoffnung auf ein Gericht illusorisch wird. Das ist der Gedanke von 7,15 in seiner Anwendung auf den praktischen Fall. Qoheleth sagt: „Ich sah . . ." Darf man mehr annehmen? Liegt hier die Hindeutung auf ein eigenes Exilsschicksal 3 ? Der Beweis ist nicht zu erbringen. Die Beobachtung des Ausbleibens der Vergeltung führt zum Sinn des Ganzen. Wer versteht den Spruch aus V. 1 a vollständig? Die Weisheit sagt: Sei vorsichtig, bis das gerechte Geschick des Frevlers für dich handelt. Qoheleth sagt: Sei noch vorsichtiger, auch und vor allem mit deinen Erwartungen. Die Hoffnung auf eine Belohnung deiner Geduld könnte bitter enttäuscht werden. Der Gedankengang, der vom politischen Ratschlag zur Erörterung des Vergeltungsgedankens überging, weitet sich mit V. 11 zu einer sehr rationalen Betrachtung über die Unausrottbarkeit des Bösen in der Welt. Der offenbare Mangel an Vergeltung läßt keine ausreichende Hemmung aufkommen. Das Sprichwort (V. 12a) spricht die allgemeine Meinung aus. Aber in ihm liegt eine gefährliche Doppeldeutigkeit, die im Deutschen nur mit zwei verschiedenen Übersetzungen faßbar wäre. Der Text kann meinen: „Der Sünder kann dabei lange leben"; er kann aber auch heißen: „ E r hat Einen, der ihm langmütig ist" 4 . Haarscharf läuft das Sprichwort an der Behauptung entlang, daß Gott für die Bosheit der Welt verantwortlich sei; eine Grenzstellung, die Qoheleth nicht fern liegt, nur daß er prinzipiell in diesem Bereich jede Aussage verweigert. Zwar weiß er, es gibt auch eine gegen1

Für den Sprichwortcharakter von V. 12a spricht der konventionelle Gebrauch von NÖfl (entgegen 2,26; 7,26). Vgl. Levy [58]; Gordis [33; 34]. 2 Delitzsch [12] verweist auf die zahlenspruchartige Gliederung des Verses. 3 4 Vgl. S. 9. Vgl. die Erl. zur Übersetzung der Stelle. 11 Der Prediget

IJO

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teilige Behauptung der traditionellen Frömmigkeit (V. 12 b— 13), die aber durch die Lebenserfahrung offensichdich widerlegt wird, also nichtig ist (V. 14). Was dem Menschen allein bleibt, ist die gottgegebene Freude in aller Lebensbedrängnis (V. 15), denn die Erkenntnis von Sinn und Ziel des Daseins bleibt bei aller Mühe auch dem Weisen verschlossen (V. 16—17).

9. K A P I T E L Das einleitende „Denn" schafft einen gedanklichen Übergang von Kap. 8, das mit der Betonung der Unmöglichkeit wirklicher Weisheit schloß. Noch einmal nimmt Qoheleth diesen Gedanken im Zusammenhang mit der Schicksalsfrage und der Unabhängigkeit der göttlichen Fügung vom menschlichen Tun auf. Nicht nur, daß auch der Weise Welt und Sinn nicht zu ergründen vermag (8,17), auch das überlegteste Tun kann nichts daran ändern, daß er „in der Hand Gottes" ist; ein Wort, das bei Qoheleth gar nichts Tröstliches hat, sondern nur das schutzlose Preisgegebensein an ein unberechenbares Schicksal besagt. Die Darlegung der Determination von 3,1 ff. erscheint in neuer Form. Auch der Weise weiß „weder Liebe noch Haß". Wieder stehen wir vor einem zwiegesichtigen Wort, dessen Deutung Qoheleth seinem Leser überläßt. Die Annahme, daß hiermit eine Determiniertheit auch des Gefühls ausgesagt werden solle 1 , erscheint sehr weitgehend. Wahrscheinlicher wäre die Verwendung des Gegensatzpaares als Ausdruck der Totalität des Nichtwissens2, als bildhafte Vorbereitung des nachfolgenden „nichts". Aber das Wort kann hintergründiger sein. Es kann auch besagen, daß der Mensch von Gottes Liebe oder Haß, ihm selbst wie Anderen gegenüber nichts zu wissen vermag3. Diese Auffassung ist auch, wie bereits (S. 54f.) aufgezeigt, durch die literarische Tradition gut gestützt, da sich die Wendung von Gottes Lieben und Hassen mehrfach in der Weisheitsliteratur Ägyptens findet. Wo wäre auch ein Festpunkt der Bemessung, wenn alle Menschen ein Geschick trifft, das Todesschicksal, an dem schon in der Erkenntnis von 2,14 die Weisheit scheiterte. In einer Reihe von Gegensatzpaaren der Menschen wird diese Ausnahmslos)gkeit eingeprägt wie in 3,1 ff., hier mit dem Schwergewicht der Bedeutungslosigkeit des menschlichen Verhaltens. Gerechtigkeit, Güte, kultische Reinheit, Opfer, das überängstliche Scheuen des Eides enden nicht anders als ihre Gegensätze. Diese Textstelle ist religionsgeschichtlich wichtig als der einzige Beleg dafür, daß es auch zur Zeit Qoheleths schon Juden gab, die nicht opferten und den Eid ablehnten. Sie beweist, daß diese Besonderheiten, die Philo von Alexandrien und Flavius Josephus 4 von den Essenern berichten, im Judentum schon längst vor der Gründung dieser Gemeinschaft vorgebildet waren. 1

Delitzsch, Hitzig, Pedersen [68] S. 358; vgl. S. 13} Anm. 2 und die exegetische Einschränkung 2 3 bei Delitzsch. Vgl. S. 133, Anm. 1. So M. Mendelsohn, Levy, Gordis. 4 Philo, „Jeder Ernsthafte ist ein Freier". Ed. v. Cohn u. Reiter (Vol. VI, Berlin 1915), §§ 75,84. Flavius Josephus, „Jüdische Altertümer" XV 10,4 (Ed. Niese, Bd. III, § 371); XVIII 1,5 (Ed. Niese, Bd. IX, § 19); „Jüdischer Krieg" II 8,6 (Ed. Niese, Bd. VI, § 135). Sämtliche Texte in neuester

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Folgerichtig erscheint in V. 3 noch einmal die Konsequenz von 8,11. Die offenbare Gleichheit der Schicksale ist von einer demoralisierenden Wirkung. Keine Vergeltung nach der Tat — und der Tod für Alle, das ist ein Boden, auf dem die Ethik nur in Ausnahmefällen gedeiht. Freilich, wer lebt, der hofft, denn auch das elendeste Leben zieht der Mensch, mit dem alten Sprichwort (V. 4), dem Tode vor. Aber die einzige gewisse „Hoffnung" für die Lebenden ist doch nur der Tod, und mit ihm schwindet nicht nur das Dasein, sondern schließlich auch Gedenken und Dank der Nachkommen (V.j—6). So schließt sich, ausführlicher und mahnender als zuvor, die Aufforderung zur Freude unter der Sonne an (V. 7—9). Zu ihr aber tritt die nicht weniger dringliche Mahnung zum tatkräftigen Wirken, das so wenig versäumt werden darf wie die Freude, und das selbst zur Freude werden kann, denn auch dieses tätige Sein steht unter der ständigen Drohung des Endes im Tode. Der volkstümliche Begriff der Unterwelt (^lXtf) ist dem Weltbild Qoheleths so wenig einfügbar, wie diese ursprünglich babylonische Vorstellung dem israelitischen Glauben überhaupt eingefügt wurde. Er ist zweifellos bei Qoheleth frei von mythischen Vorstellungen und lediglich noch eine allegorische Bezeichnung des Todes Mit V . 11 folgt eine Betrachtung darüber, daß auch die besten Qualitäten des Menschen, sei es körperliche Fähigkeit, Tapferkeit, Wissen oder Einsicht keinen Lebenserfolg verbürgen, sondern jedes Tun mit dem vernichtenden Schicksalsschlag rechnen muß. Diese Unfähigkeit des Menschen, kommendes Unheil zu erkennen und der Katastrophe vorzubeugen, ist die Grenze, an der der Wert der Weisheit fragwürdig wird bis zur Aufhebung (V. 12). Fraglich aber ist die Weisheit nicht nur vor der Schicksalsfrage, sondern schon im Beziehungsbereich der Menschen untereinander. Dies demonstriert Qoheleth unter Verwendung eines Erzählungsstoffes der Schultradition, der er in gleicher Weise handhabt wie die Erzählung vom Thronwechsel (4,13 ff.). Eine kleine, schwach verteidigte Stadt wird von einem weit überlegenen Feinde belagert. In ihr lebt ein armer Weiser, der einen Weg der Rettung weiß. Der Rest mit der Schilderung von Ruhm und Dankbarkeit braucht nicht erzählt zu werden. Eine richtige Fibelgeschichte für Gutgläubige. Qoheleth ist nicht gutgläubig. Mit dem Schluß von V. 1 j biegt er den Bericht nach seiner Erfahrung um. Gäbe es wirklich in solcher Lage einen Weisen, der Rettung wüßte, er wäre aber arm und ohne soziales Ansehen, so würde er einfach nicht gehört. Mag Weisheit auch besser sein als Stärke, so ist sie doch in der Regel unfähig, sich gegen Arroganz und Torheit durchzusetzen. Sie erweist sich als zu schwach, ihrer geistigen Überlegenheit die Wirkensmöglichkeit zu verschaffen, wo ihr nicht äußere Mittel zu Hilfe kommen. Auch hier ist also nicht nach einem bestimmten historischen Ereignis zu suchen. Der Vorgang ist für Qoheleth — in seiner Sicht — wichtig, weil er typisch ist für diese immer wieder bestätigte Schwäche der Weisheit. Dieser Betrachtung schließt Qoheleth zwei Sentenzen des gleichen Sinnzusammenhangs an. Der überlegene Wert der Weisheit ist unbestreitbar (V. 17, 18 a), aber ein deutscher Fassung bei H. Bardtke, Die Handschriftenfunde am Toten Meer, II. Band, „Die Sekte von Qumrän" (Berlin 1958), S. 305, 306, 322, 325, 328. 11»

* So schon Blieffert [6] S. 68.

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Qoheleth

Einziger, dessen Torheit mehr Durchsetzungskraft hat, kann ihr Wirken zuschanden machen (V. 18b). Diese letzte Sentenz ist in ihrer einfachen Feststellung ein antikes Gegenstück zu „Wanderers Gemütsruhe" 1 , nur daß hier die Torheit „das Mächtige" ist, über das zu klagen nicht lohnt. Es ist nicht sicher zu entscheiden, ob Qoheleth in V. 18 zwei einander widersprechende Sprichwörter gegenüberstellt, oder ob er ein Sprichwort durch einen Zusatz aus der eigenen Erfahrung korrigiert.

10.

KAPITEL

Die lose Abfolge einzelner Weisheitssprüche wird, teils mit einem lockeren Zusammenhang durch gedankliche Assoziationen, bis zum Schluß dieses Kapitels fortgesetzt2. Sie enthält jedoch nicht nur gesammeltes Material. Die Verbindung von V. 4 mit V. 5 wie auch V . 14 zeigen den Gedankengang und Stil Qoheleths. In den Versen 1—15 verfolgt der Weise im Anschluß an Kap. 9 weiter das Verhältnis zwischen Weisheit und Torheit, weisem und törichtem Verhalten. V. 1 ist ein bildhaftes Gegenstück zu 9,18. So belanglos die Torheit auch sein mag, zum Verderben des Guten reicht sie immer aus. In dem anschließenden Vergleich des Weisen und des Toren stehen „rechts" und „links" wie im Deutschen sprichwörtlich für „richtig" und „verkehrt". Daß der Narr jeden anderen für dumm hält, ist auch eine alte Lebenserfahrung. In V. 5—7 verbindet Qoheleth den Gedanken des politischen Ratschlages aus 8,2fr. mit dem der Machtlosigkeit der Weisheit aus 9,14fr. Wieder leitet die fremde Meinung (V. 4) die Sentenz ein, um die Gelegenheit zur Korrektur zu. schaffen. Die Folgerung bleibt dem Leser überlassen: Das geduldige, pflichtgetreue Ausharren des Weisen um der Sache willen, auch in einer schwierigen, für ihn selbst gefährlichen Lage, ist vergeblich, wenn der König es vorzieht, sich auf die Torheit und Niedrigkeit zu stützen. Die resignierende Ironie, mit der diese „ A r t von Verseben" registriert wird, zeigt das eigene Erlebnis, wie es V. 7 bestätigt. Für die Annahme des Gedankens einer radikalen revolutionären Umschichtung gibt der Text keinen Anhalt. Die sprichwörtlichen Wendungen von V. 8—9, sicher gesammeltes Traditionsgut 3 , können hier für Qoheleth nur von Interesse sein, wenn er (mit einem lockeren Anschluß an die vorhergehenden Verse?) mit ihnen sagen will, daß auch jedes sinnvolle Handeln bis hin zur handwerklichen Arbeit in der prinzipiellen unaufhebbaren Unsicherheit und Gefährlichkeit steht, die dem Menschenleben eigentümlich ist. „Wer Anderen eine Grube g r ä b t , . . . " steht nicht im Text und paßte auch nicht zu den weiteren Bildern. Vers 10—11 schließen eine Betrachtung darüber an, welchen Vorteil eine rechtzeitige Anwendung der Weisheit böte. Die Gefahr (V. 8-9) und die Vorsorge (V. 10) stehen in der gleichen Unbestimmtheit, und (V. 1 1 ) Weisheit, die zu spät kommt — ist Torheit. Die Sentenz ist im Einzelnen umstritten durch den schlechten Textzustand von V. 10. 1

Goethe, West-Östlicher Divan, „Buch des Unmuts". 2 Vgl. Eißfeldt [18] S. 553; Galling [28] S. 360.

3

Vgl. S. 61.

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Qoheleth

Die anschließende Spruchfolge über den Toren steht unter dem Thema seiner verkehrten Rede. Vielleicht liegt ihre Anregung im vorhergehenden Wort vom Beschwörer, dem „Herrn der Zunge", der der Narr eben nicht ist 1 . Aber zwischen den konventionellen Sprüchen (V. 12—13; 1 5) steht ein echter Spruch Qoheleths: „Der Mensch weiß nicht, was sein wird" (V. 14), der Schicksalsgedanke in der Form von 6, uff.— Mit V. 16—20 geht der Gedanke in den politischen Bereich zurück. Ist auch der Inhalt von V. 16—19 konventionelles Gut der Weisheit, V. 18 und 19 von Sprichwörtern geprägt, so muß doch eine praktische Beziehung angenommen werden. Zu diesem verfallenden, führungslosen Staatsgebilde gehört das Denunziantentum, vor dem V. 20 warnt. Nicht einmal in den innersten Räumen seines eigenen Hauses ist der Mensch bei solchen Zuständen vor der Bespitzelung sicher. Das dichterische Schlußbild will dem Ratschlag nichts von seinem Ernst nehmen.

Ii.

KAPITEL

Auf die Auslegung von V. 1—2 ist viel Mühe verwendet "worden. Die ältere Exegese verstand sie im Sinne einer Aufforderung zur Wohltätigkeit, die nie vergeblich sei. Dieses Verständnis spiegelt sich auch in bekannten Dichtungen des 18. und 19. Jahrhunderts wider. So in Voltaires «Précis de l'Ecclésiaste en vers» 2 : Répande^ vos bienfaits avec magnificence, Même aux moins vertueux ne les refuse£ pas. Ne vous informe% pas de leur reconnaissance — Il est grand, il est beau de faire des ingrats. Bekannt ist' Goethes Verwendung im „Buch der Sprüche" des West-Östlichen Diwans 3 : Was willst du untersuchen Wohin die Milde fließt ? Ins Wasser wirf deine Kuchen, Wer weiß, wer sie genießt. Nach Beutler wäre die Herkunft aus Qoheleth zweifelhaft 4 : „Vorbild war ein orientalisches Sprichwort, das Goethe im ,Buch des Kabus' 5 ( 1 8 1 1 , S. J 4 4 ) gelesen hatte : ,Tue Gutes, wirf das Brot ins Wasser, wenn's der Fisch nicht weiß, so weiß es doch der Schöpfer', und das sich auch im Prediger Salomonis Kap. 11, V. 1 findet . . .". Aber obwohl Goethe selbst 1 den „bedeutenden Einfluß" der Ausgabe von 1 Delitzsch [12]. 2 Ed. Beuchot (Paris 1828®.), Bd. 12, S. 2i8ff. 3

Nach der Ausgabe von E . Beutler (Slg. Dieterich Nr. 125 ; Leipzig 194}) S. 60.

4

a. a. O. S. 521'.

5

Zu diesem persischen Werk des 1 1 . Jh. s. H. H. Schaeder, Der Osten im West-Östlichen Divan,

in: Beutler a. a. O., S. 833.

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Qoheleth

Diez auf seine Studien bezeugt, darf man an dem von Beutler angenommenen Ursprung des Spruches im „Diwan" zweifeln angesichts der tiefen lebenslangen Vertrautheit des Dichters mit dem Buch Qoheleth, wie sie sich im ersten Satz der „Noten und Abhandlungen" ausspricht2: „Alles hat seine Zeit! — Ein Spruch, dessen Bedeutung man bei längerem heben immer mehr anerkennen lernt; diesem nach gibt es eine Zeit %u schweigen, eine andere %u sprechen . . .". Wenn Goethe, der dem Alten Testament und seiner Sprache von Kindheit an verbunden war, eine so bedeutende Arbeit seiner Spätzeit, in die er wiederum eine Darstellung der hebräischen Literatur aufnahm, mit einem Qoheleth-Zitat einleitet, so bedarf er nicht einer anderen, aus dem Persischen über das Türkische ins Deutsche übersetzten Schrift, um eine Qoheleth-Stelle zu paraphrasieren. Das Beispiel der Aufnahme dieses Spruches durch die beiden Dichter wie auch die persische Sentenz machen aber darauf aufmerksam, daß das Buch Qoheleth neben seiner Geschichte innerhalb der Theologien noch durch die Jahrhunderte und durch die Kulturen im Orient und Okzident hindurch eine gleichsam unterirdische philosophisch-pädagogische Wirkung ganz im Sinne der Weisheitsliteratur gehabt hat; ein Phänomen, das eine eigene Untersuchung erforderte. Die Kommentatoren der Neuzeit3 wählten in der Mehrzahl den Bezug auf den Überseehandel und sahen eine Aufforderung, das Vermögen zwar zu wagen, aber es vorsichtig zu verteilen, damit nicht alles durch ein einziges Wagnis zugrunde gehen kann. Hertzberg4 sieht in den Sprüchen eine neue Aufnahme des Gedankens von der Unberechenbarkeit des Geschehens. Treffender erscheint die von Levy 5 vorgeschlagene Auslegung unter der Annahme eines Zusammenhangs mit 10,20. Der Warnung vor der Denunziation folgt die Mahnung, vor deren Folgen wie überhaupt in der rechtsunsicheren Lage das Vermögen jenseits der Grenzen verteilt in Sicherheit zu bringen. Diese Aufforderung, sich für jeden Notfall durch rechtzeitige Kapitalflucht den „Schatten des Silbers" zu sichern, fügt sich dem Bild ausgezeichnet ein. Man braucht dabei nicht mit Levy eine bestimmte historische Situation anzunehmen. V. 3—6 sind eine Mahnung zum unablässigen Wirken ohne Rücksicht auf die Möglichkeit von Mißerfolgen. Es gibt zwar Störungen und Verhängnisse, die der Mensch so wenig zu beeinflussen vermag wie Naturereignisse (V. 3), aber wer darauf achtet, kommt weder zum Tun noch zum Ertrag (V. 4). Der Lauf des Schicksals bleibt geheimnisvoll wie das Werden des Kindes im Mutterleibe (V. 5). Der Mensch aber tue nach Kräften das Seinige, um sein Werk zum guten Ende zu führen. „Qoheleth bestätigt die merkwürdige Regel, daß der Determinismus den Menschen gewöhnlich nicht lähmt, sondern ihn vielmehr zu großer Kraftentwicklung antreibt" 6 . Mit V. 7 setzt das Ende des .Buches ein7. Das Letzte, das Qoheleth den Menschen, vor allem der Jugend zu sagen hat, ist eine Mahnung zur Freude am Leben und am Licht, solange es Zeit ist. Welch dankbar Liebender des Daseins ist dieser große 1

Noten und Abhandlungen zum besseren Verständnis des West-Östlichen Divans: in: Beutler

a. a. O., S. 286.

2 Bei Beutler a. a. O., S. 149.

3

Delitzsch, Renan, Budde, Volz, Gordis.

4

[44] z. St.; mit ihm Galling [28] S. 369.

6 7

5

[58].

Smend [82] S. 501. Z u r Interpolation in V . 9 vgl. S. } 8 ; 1 5 7 f .

E i n f ü h r u n g in das

Buch'Qoheleth

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Lebenskritiker gewesen! „Unter der Sonne", das ist diese Welt der Mühe, der Vergänglichkeit, der Gefährdung, des Unrechts und der Torheit, schwer zu ertragen, aber schwerer noch zu verlassen, wenn die große Finsternisi näherkommt. Dann werden alle Bedrängnisse belanglos vor dem einen, das allein wiegt: „Süß aber ist das Ucbt". Darum soll der Mensch sich aller Jahre freuen, auch der lastenden. Die Gegenwart allein, wie sie auch sei, ist sein Teil. So bewegend mahnt nur ein Mensch, der selbst schon im Schatten steht. Hier klingt für uns Heutige das schwer gewonnene Goethe'sche Fazit „Wie es auch sei, das Leben, es ist gut" zusammen mit der dankbarbangen Erkenntnis von Qoheleths spätem, unglücklichem Bruder, von Stefan Zweig1: Denn erst an des Bechers Neigen wird der Grund, der goldne, klar.

12.

KAPITEL

Über die ungeschickte Kapiteltrennung hinweg setzt sich die Aufforderung zu Leben und Freude fort. Immer dringlicher wird die Mahnung, keinen Tag ungenutzt zu versäumen. Mit dem dreifachen „Ehe noch . .." (V. 1, 2, 6) drängt der Blick auf das Alter und das Ende zur Nutzung der Zeit, denn es ist kein Wirken und keine Freude mehr in den Jahren, von denen man sagen muß: „Siegefallen mir nicht", weil in ihnen das Leben trübe wird, und hinter jeder Unerfreulichkeit nichts anderes als eine neue Plage zu erwarten ist (V. 2). Wie dieser zweifelhafte Lebensrest dann aussieht, zeigen die Bilder des Alters und schließlich des Sterbens, die, zunächst mit Vergleichen aus dem altorientalischen Hauswesen, in V . 3 einsetzen. Arme und Hände beginnen unsicher zu werden, die Beine werden schwach, die Zähne fallen aus, die Augen trüben sich (V. 3). Die Bedeutung der übrigen Bilder ist teilweise undeutlich. Der Anfang von V . 4 meint möglicherweise das Schlechterwerden des Gehörs mit der hierdurch bedingten wachsenden Beziehungslosigkeit zur Umwelt, die Fortsetzung wahrscheinlich den verkürzten Schlaf des Alters 2 , und der Schluß redet vielleicht noch einmal vom Abnehmen des Gehörs, oder er spricht von der Rücksicht, die die Umgebung der Empfindlichkeit des Greises gegen Störungen entgegenbringt 3 . Die Furcht vor Müdigkeit und Atemnot bei Steigungen wie die 1

„Letztes Gedicht"; zit. nach Ztschr. „ M ä r z " 2, 1947, S. 51.

2

So die rabbinische Auslegung, Wildeboer [88], Gordis [}}]. Vielleicht auch die höhere Tonlage

der Greisenstimme (Hertzberg, Galling). Der Text ist zur sicheren Entscheidung nicht deutlich genug. 3

T t f n m i a , einmalig im A T , hat die sehr beachtliche Parallele bnt hll im Ugaritischen. Vgl. bei

Gordon, Ugaritic Literature, die Texte von „ T h e Wedding of Nikkal and the M o o n " 77:6ff. und „Legend of Aqhat" II: 27fr.; dazu 'Gordons Anm. 1, S. 56. Der dort mythische Begriff ist bei Qoh. rein allegorisch, bietet aber eine wesentliche Stütze für die Theorie eines phonizischen sprachlichliterarischen Einflusses.

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i;6

durch den Mangel an Gesicht und Gehör bedingt Schreckhaftigkeit auf der Straße (V. 5 a) bedürfen keiner Erklärung. Der blühende Mandelbaum ist vielfach und wohl verläßlich als eine Allegorie des Weiß Werdens der Haare gedeutet worden 1 , das widersprüchliche Bild von der mühsam sich schleppenden Heuschrecke als das Steifwerden des ehemals spannkräftigen Hüftgelenks mit seiner Folge des schweren schleppenden Ganges 2 . Nicht beweisbar, aber sehr wahrscheinlich ist auch, daß mit dem Aufbrechen 3 der Kaper, die als Aphrodisiakum galt 4 , auf das Versagen der sexuellen Kraft angespielt wird. Diese Bedeutung abzulehnen mit dem Argument, daß die Tatsache nach den vorher geschilderten Alterserscheinungen selbstverständlich, die Aussage daher nicht zu erwarten sei (Hertzberg), ist wohl nicht ausreichend. Es scheint vielmehr, daß Qoheleth diesen Mangel mit der dezenten Betonung eines last not least hier ebenso an das Ende des Katalogs der Verluste gestellt hat wie die offene Hervorhebung der 0"TXFI "W nillSIl in 2,8 an das Ende des Katalogs der Fteuden. In den schönen Bildern des Sterbens ( V . 6) im Einzelnen zugeordnete Symbole (etwa für Herz, K o p f , Atmung) zu suchen, ist ganz überflüssig 5 . „Der Mensch gebt seinem ewigen Hause."6 „Die Trauernden" sind wohl die berufsmäßigen Klagemänner, und V . 7 könnte ein Zitat aus ihrem Liede sein 7 . Der Text dieses Verses bietet trotz aller gegenteiligen exegetischen Versuche keine Möglichkeit, die Aussage eine? Glaubens an ein künftiges Leben darin zu finden. Er besagt (wie Hiob 34,14^; Ps. 104,29; 146,4) nichts anderes, als daß Gott die dem Geschöpf verliehene Lebenskraft mit dem Tode wieder zurücknimmt. Der Gedanke einer persönlichen Unsterb1 Es dürfte wahrscheinlicher sein, daß sich auch mit den nicht sicher deutbaren Bildern in V. 5 a die Darstellung der negativen Alterserscheinungen fortsetzt, als daß eine nicht allegorische Schilderung des Frühlings eingebaut wäre, zu der der Leser den Kontrast der Unfähigkeit des Greises zu Leben und Freude hinzuzudenken hätte (so Hertzberg, Galling). Eben deshalb muß (mit Galling [27] z. St.) V . 5 b hinter V. 6 gestellt werden, um die Kette der Allegorien nicht zu unterbrechen. 2 Delitzsch, Wildeboer, Nowack, Humbert [47] S. 275. 3 "IDH „übt Brechung aus" = versagt (Wildeboer [88]). Vgl. Delitzsch [12] und Gordis [33] z. St. 4 Humbert [47] S. 275. 5 Delitzsch [12] hat ein überreiches Material aus der rabbinischen Literatur und den späteren Kommentaren zusammengetragen. 6 Morenz [65] S. 199 sieht im Begriff „Ewiges Haus" für das Grab eine „besonders eindrucksvolle" Entlehnung aus dem Ägyptischen; ebenso Humbert [48]. Der ägyptische Ursprung der Wendung ist wohl unbestreitbar, aber eine direkte Entlehnung Qoheleths unwahrscheinlich. Der Ausdruck ist, wie phönizisch-punische und palmyrenische Grabinschriften zeigen (üVs? r i 3 ; HÖ1?» D3; s. Lidzbarski, Hdb. d. nordsemit. Epigraphik, S. 146, 235,426,476), Allgemeingut der semitischen Umwelt gewesen. Sein Gebrauch verweist, da er sonst im AT fehlt, eher auf Qoheleths Verbindung zum nordsemitischen Sprachbereich im Sinne der Theorie von Dahood, Albright und Gordon. Den in Judaa üblichen Gebrauch der Wendung (lifi'iS? 1V3 "ijVn in der allgemeinen Bedeutung „sterben" noch in den ersten nachchristlichem Jahrhunderten erweisen zwei aramäische Heiratsurkunden aus dem Wädi Murabba'ät. Die Texte und nähere Angaben bei H. Bardtke, Die Handschriftenfunde in der Wüste Juda (Berlin 1962) S. 84fr. 7

Levy [58].

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lichkeit, einer Fortdauer der Individualität in irgendeiner Form ist nicht gegeben 1 . Der Tod, die ständige dunkle Drohung im Hintergrunde des Lebens, bedeutet das absolute Ende alles Seins. Was waren nun, wozu waren nun alle Mühe und alle Freude, alles Streben, Hoffen und Verzweifeln unter der Sonne? „'Nichtigkeit der Nichtigkeiten', spricht der Prediger, ' Alles ist nichtig." Die gleichen Worte, die am Eingang des Buches stehen, kennzeichnen als Schlußformel das Ende des von Qoheleth selbst stammenden Textes. Während die Ausleger des 19. Jahrhunderts noch zum Teil annahmen, daß die Verse 9—14 von Qoheleth selbst verfaßt seien, besteht heute kein Zweifel darüber, daß wir in ihnen eine spätere Anfügung zu sehen haben. Der Übergang zum Bericht über Qoheleth kennzeichnet einen fremden Text 2 . Dagegen ist umstritten, ob wir das Schlußwort nur eines Verfassers vor uns haben 3 oder zwei 4 oder drei 5 Epilogisten beteiligt sind. Der Text legt es nahe, zwei Epilogisten anzunehmen, deren erster V. 9—11 schrieb. Es war zweifellos ein Mann, der Qoheleth kannte, vielleicht ein ehemaliger Schüler 6 , der uns in dankbarer Würdigung seinen Lehrer als einen Weisen vorstellt, der sowohl Traditionsgut sichtete, ordnete und formte, als auch seinen Hörern eigene Erkenntnisse in Offenheit und Wahrhaftigkeit mit dem Bemühen um einen ansprechenden Ausdruck vermittelte. Dem Bericht über den einzelnen Lehrer schließt er ein allgemeines Lob der Weisheitssprüche und der Weisheitslehrer an (V. 11). Der Text dieses Verses ist undeutlich 7 . Die Weisheitssprüche wie die Weisen selbst werden gepriesen als die antreibenden Kräfte zu einem vertieften Wissen und einem rechten Weg. Sie sind die Treibstachel bzw. die eingelassenen Spitzen im Treibstachel des e i n e n Hirten, von dem die Weisheit wie die Weisen gegeben sind. An diesen nur zustimmenden und dankbaren Epilogisten schließt sich ein zweiter an, der sich zwar der überlieferten Schrift gegenüber mit vorsichtiger Höflichkeit äußert, dem man aber ein tiefes, beunruhigendes Mißbehagen anmerkt. Auch er ist ein Lehrer („mein Sohn"), aber von einem ganz anderen geistigen Typ als Qoheleth. Mit den gleichen Anfangsworten wie der erste Epilogist warnt er seinen Schüler vor den vielen Büchern, die nur ermüden. Seine besorgte Ängstlichkeit meint wohl: verwirren. Das Buch Qoheleth ist nicht mehr zu beseitigen, aber „darüber hinaus" nun nichts weiter! Die Gebote genügen 8 . Etwas anderes kann (lies: darf) auch Qoheleth nicht gemeint haben. „Den Schluß des Ganzen laßt uns hören" Hier redet wirklich ein Prediger 9. Noch einmal erscheint die Lehre von der sicheren Vergeltung nach der Tat, wie sie mit der gleichen 1

Der Spruch steht daher auch nicht im Widerspruch zu 3,2of. Damit entfallt die Berechtigung, ihn als späteren Einschub zu streichen. 2 Zum Einschub der Worte nVlTIpn "1ÖK, nicht der ganzen Formel, in V. 8 vgl. S. 2. 3 Gordis [33]. 4 Podechard [73], Galling [26; 27], v. Rad [74] S. 453. 5 6 7 Hertzberg [44]. So auch Galling [27]. Siehe die Erl. zur Ubersetzung. 8 Fichtner [23] S. 90 macht darauf aufmerksam, daß schon der nomistische Gebrauch des Begriffs VTHSÖ den späteren Einschub beweist. 9 Die Annahme einer Einfügung dieser Formel zum Zweck der synagogalen Lesung ist äußerst fraglich, da die gottesdienstliche Lesung des Buches erst für eine sehr späte Zeit bezeugt ist. Vgl. S. 7 3.

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Formel 1 dieser erschrockene Mann einer späteren Zeit, der es an innerer Freiheit fehlte, auch in 11,9 mildernd eingebaut hat. Wie verständnislos dieser Nachtrag dem Buch gegenübersteht, ist deutlich, aber es kann nicht zweifelhaft sein, daß er seine Aufnahme in den Kanon erleichtert hat. Die Nachwelt darf dankbar sein auch für jede Unzulänglichkeit und jeden Irrtum, die dazu beigetragen haben, den kostbaren Text zu bewahren, der noch uns das Gespräch mit Qoheleth dem Denker, dem Lebensweisen und dem Glaubenden schenkt. 1

ÜDB7S3 IPSri; vgl. S. }8. Diese Wendung findet sich schon in Hiob 14,;.

LITERATUR Die im nachstehenden Verzeichnis numerierten Titel standen zur Bearbeitung zur Verfügung. Die nicht numerierten Nachtrage wurden dem Verf. nach Manuskriptabschluß, zum Teil erst wählend der Korrekturarbeit zuganglich. Auf die Aufnahme lediglich bibliographisch erfaßbarer Arbeiten der neueren Literatur wie auch älterer nur1 noch theologiegeschichtlich interessierender Werke wurde verzichtet. 1 . Albright, F. W . : Some Canaanite-Phoenician Sources of the Hebrew Wisdom, in: [90] S. i f f . 2. Barton, G . A . : The B o o k of Ecdesiastes, Edinburgh 1908. 3. Bauer, H . : Die hebräischen Eigennamen als sprachliche Erkenntnisquelle, in: Z A W N . F. 7, 1 9 3 0 , S. 7 3 f f .

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ABKÜRZUNGEN A l t t e s t a m e n t l i c h e B ü c h e r und A p o k r y p h e n Gen. Exod. Lev. Num. Deut.

= = = = =

Jos. Ri. i.-Säni. i. Kön. Jes. Jer.

= = = = = -

Genesis Exodus Leviticus Numeri Deuteronomium Josua Richter i. Samuel I. Könige Jesaja Jeremia

(1. Buch (2. Buch (3. Buch (4. Buch

Mose) Mose) Mose) Mose)

Ez. Hos. Am. Mal. Ps.

— Ezechiel = Hosea - Amos = Maleachi = Psalmen

Prov. Qoh. Dan. Esr. Neh. Sir.

= = = = = =

(5. Buch Mose) Proverbien (Sprüche) Qoheleth (Prediger) Daniel Esra Nehemia Jesús Sirach

T r a k t a t e des b a b y l o n i s c h e n (b.) T a l m u d s Bab. mez. Ber. Chag. Erub. AOT2 AT ATD BASOR BH BSAW

= Baba mezia = Berakhoth = Chagiga = Erubin-

Git. Jad. Sanh. Schabb.

= -= =

Gittin Jadajim Sanhédrin Schabbath

Greßmann, H. : Altorientalische Texte zum A T , 2. Aufl. Berlin 1926 Altes Testament Das Alte Testament Deutsch (Neues Göttinger Bibelwerk) Bulletin of the American Schools for Oriental Research Biblia Hebraica, ed. R. Kittel, 15. Aufl. Stuttgart 1949 Berichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig

Literatur JBL JQR JThSt KAT LXX MT RB RGG2 RHPhR RThPh ThLZ ThR VT WA ZAW ZDPV ZThK 4QQoh

Journal of Biblical Literature Jewish Quarterly Review Journal of Theological Studies Kommentar zum Alten Testament Septuaginta Masoretischer Text des A T Revue Biblique Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 2. Aufl., Tübingen 1927—51 Revue d'Histoire et de Philosophie religieuses Revue de Théologie et de Philosophie Theologische Literaturzeitung Theologische Rundschau Vetus Testamentum Weimarer Ausgabe der Werke Martin Luthers Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Zeitschrift des Deutschen Palästinavereins Zeitschrift für Theologie und Kirche Qoheleth-Fragment aus der Höhle IV von Chirbet Qumrän

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