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German Pages 200 Year 1997
HEINRICH STEMESEDER
Der politische Mythus des Antichristen
Der politische Mythus des Antichristen Eine prinzipielle Untersuchung zum Widerstandsrecht und Carl Schmitt
Von
Heinrich Stemeseder
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Stemeseder, Heinrich: Der politische Mythus des Antichristen : eine prinzipielle Untersuchung zum Widerstandsrecht und Carl Schmitt / von Heinrich Stemeseder. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 Zugl.: Innsbruck, Univ., Diss., 1997 ISBN 3-428-08850-6
Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Barbara Bloch, Innsbruck Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISBN 3-428-08850-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ
Inhaltsverzeichnis Α. Der Begriff: Widerstandsrecht
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I. Die geschichtliche Wiederkehr des Grundgedankens
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Π. Die Ebenen des Prinzips in der rechtsstaatlichen Demokratie
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1. Völkerrechtlich gebotener Widerstand - Widerstand von außen als Aktion der Rechtsstaatengemeinschaft 2. Verfassungsrechtliches Widerstandsrecht 3. Formen der „resistance" im Staat
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B. Ideengeschichte
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I. Leviathan: Die Staatsphilosophie des Thomas Hobbes
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Anthropologie - Naturzustand - Die Geburt des Tieres aus dem Meer - Zusammenhang von Schutz und Gehorsam - Thomas Hobbes und das Widerstandsrecht: Peter Cornelius Mayer-Tasch gegen Carl Schmitt Π. Der Antipode: John Locke
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Naturmensch und Eigentumsbildung - Sozialvertrag und Staat - Aus der Absolutheit des Eigentums erzeugt Locke sein Recht auf Revolution
C. Legitimität gegen Legitimation durch Verfahren
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I. Strategien im Kampf mit Weimar
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Die Rache der Wahrheit - Kritik an: Die Mehrheit entscheidet - Gegen die Gesetzgebung - Die Unpersönlichkeit der Norm - Der motorisierte Gesetzgeber, Gesetzesflut oder neue Unübersichtlichkeit? - Substanzielle Demokratie und die Gleichheit des Formulars - Volk und Öffentlichkeit gegen „parliament by discussion" - Romantische Demokraten und der unromantische Diktator - Verfassungsschutz - Widerstand im Rechtsstaat
Inhaltsverzeichnis
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Π. Total oder totalitär - Carl Schmitt unter der Herrschaft des „Widerchristen"... Die legale Revolution der Nationalsozialisten - Inhaltliche Struktur des NSStaates: progressistisch - strukturzerstörend - gleichmacherisch - Völkisches Widerstandsrecht - Beseitigung des nationalen Widerstandsrechtes durch Totalisierung des Staatswesens - Das endgültige Ende jeder natürlichen Totalität - Die Bürgerliche Totalisierung ging dem politischen Totalitarismus voraus Staatliche Einheit und das euphemistische Recht der Minderheit zum Exodus - Das nationale Menschenrecht ist Kriegsrecht - Der Führer „besitzt" das Recht - Totalisierung Carl Schmitts - Hitler und Weimar-Genf-Versailles Ethisierung der Feindschaft durch Propaganda - Die Nationalsozialistische Legitimität bricht die rechtsstaatliche Fassade des NS-Staates; Frage zur Legitimität: Was wollte das Volk? - Rechtstechnische Funktionalisten und „funktionalisierte" Techniker - Das positivierte NS-Naturrecht verliert - Totaler Feind - Totaler Staat - Totaler Krieg: Total Surrender Exkurs zur Lage der Geschichtswissenschaft ΙΠ. 1945 und die Gegenwart - Vom Scherbenhaufen zur Tagesordnung Homo homini Radbruch - Sieg des Rechtsstaates, Befriedung der Nachkriegswelt - Kriminalisierung des Angriffskrieges und diskriminierender Kriegsbegriff - Neuordnung und konkreter Großraum - Neue Verbindlichkeiten durch neue Verbindungen von Schutz und Gehorsam - Der „Megastaat" als konkreter Großraum ist ein sich verwaltender Wirtschaftsstaat; exemplarisch: die „nichts-als-Verkehrsfreiheiten" der Europäischen Union => Ende des Staatsrechtes - Das System: La légalité tué - Schmitts Affekt gegen die „Chance" Max Webers - Systempartizipationschancen bei Luhmann ersetzen die demokratische Substanz - Rechtsneutralisierung durch Verfahrenslegitimation - Der entgrenzte Begriffspluralismus der modernen Systemtheorie, eine Parabel auf den politischen Pluralismus im System selbst? - Die Formel des Systems lautet: Kapital-„Staat"-Bildung, sie verdrängt die Begriffe Volk und Gewalt der klassischen Elementenlehre und reduziert die Staatlichkeit zur unitären Verrechnungseinheit - Vorläufiges Ergebnis: Die Zukunft gehört den legalen Revolutionen
D. Die Substanz der Form I. Katholizismus Trinität und Elastizität - Die Idee - Repräsentanz - Der Papst als Kommissar Christi - Sprache und Zeichen - Der römische Mythus - Politische Farbenlehre - Antisemitismus oder Christentum als Judentum fürs Volk? Π. Dezisionismus Das Doppelgesicht der Dezision: Krisenbewältigungsmanagement und Expansion der Macht - Politische Mengenlehre - Die konkrete Ordnung - Ordnungsraum und „richtiges" Recht - Synthese zur Gegenwart
Inhaltsverzeichnis Ε. Die Theologie des Antichristen
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Theologen als Revolutionäre: Bakunin, Proudhon - Für Gott und Staat: Carl Schmitt, Donoso Cortes - Die romantische Dialektik Friedrich Nitzsches zeichnet das „schöne" Bild des Kommenden - Theologie crucis und Schluß: Gottvater, der ewige Raum - Zeit - Der Menschensohn und die Zeit des Gerichts Literatur Schriften von Carl Schmitt Literatur zum Thema und Quellen
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Namenverzeichnis
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Sachverzeichnis
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Α. Der Begriff: Widerstandsrecht Order and Disorder. Kosmos und Chaos. Das naturgegebene Chaos und unsere Idee davon, der Kosmos, sind mit dem Recht auf Widerstand eng verbunden. Für den Naturrechtler stand es noch als Tatsache fest, daß der einzelne und die kleineren Gemeinschaften Rechte von gleicher Ursprünglichkeit besitzen wie die staatliche Autorität selbst.1 Das Widerstandsrecht entsteht daher aus der Diskrepanz zwischen staatlichem Recht und überpositiver Gerechtigkeit. „Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht", lautet die stark simplifizierende Formel, die zur Rechtfertigung von zivilem Ungehorsam gerne verwendet wird. 2 In der wechselvollen Geschichte des Widerstandsrechtes hat es deshalb an Versuchen nicht gefehlt, legitimen Widerstand in eine positive Rechtsregel zu fassen. Die Schwierigkeit, dieses Anti-Recht juristisch zu domestizieren, liegt in der Eigenart des Rechtes, in seinem anarchen Charakter gegründet. Im Widerstandsrecht lebt die überkommene Vorstellung vom Menschen als Wert an sich, die humanitäre Gesinnung, die jeder Staatswerdung vorausgeht, an deren Stelle die Wertneutralität des Staates getreten ist. Aus diesem Grunde kann der Rechtsstaat vom Widerstandsrecht ausgehend definiert werden und umgekehrt. Rechtsstaat ist demnach nach Carl Schmitt „ein Gemeinwesen, das anstelle eines Widerstandsrechtes einen legalen Instanzenweg gibt." 3 Das geschichtlich überkommene, klassische Widerstandsrecht ist ein jus contra legem, ein individuelles oder kollektives Recht, dem gesetzten Recht zur Bewahrung höherwertiger Normen oder Prinzipien zu derogieren und für deren Durchsetzung notfalls mit Gewalt einzutreten. Ein solches exzeptionelles Recht, ein solches Recht der Ausnahme, beansprucht gegenüber der gesetzten Rechtsordnung einen höheren Geltungsgrund. Es kann logisch nicht zu-
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Messner, S. 796. Rhinow, S. 9; so zum Beispiel bei der Autobahnblockade Volders bei Innsbruck; nachzulesen bei Sickinger/Hussl. 2
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Vgl .Kröger, S. 5; Schmitt. Glossarium, Eintragung vom 18.11.47.
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Α. Der Begriff: Widerstandsrecht
gleich ihr Bestandteil sein, weil keine Rechtsordnung ihre eigene Rechtswidrigkeit behaupten kann, ohne sich begrifflich selbst aufzuheben.4 Mit der Frage nach dem Geltungsgrund eines Rechtes auf Widerstand werden viele Problemkreise der Rechtsstaatlichkeit mitangerissen, wie die Frage der legitimen Herrschaft, der Demokratisierung, der strukturellen Gewalt, des staatlichen Gewaltmonopols, des Anspruchs des Staates auf Gesetzesgehorsam, der Schutzfunktion des Staates und die erste Frage des Rechts überhaupt, die Frage: „Was ist Gerechtigkeit?" Die Schlagwörter veranschaulichen das sprunghaft-expansive Wesen des in der Geschichte immer wiederkehrenden Prinzips. In Beziehung zu aktuellen Problemen des Rechtsstaates gesetzt, gewinnt das Widerstandsrecht die Qualität als Antithese. Die Thesis warnt vor der Berufung auf diese uralte Rechtsvorstellung mit Fingerzeig auf die „Versuchung des Absoluten",5 der drohenden „Tyrannei der Werte". 6 Die andere Seite, die absolute Negation dieses Rechtes, birgt die entmaterialisierte Funktionalität der staatlichen Autorität. Durch die Greuel des dritten Reiches wurde der eines jeden Wertes entleerte Funktionalismus des Staates immer mehr in Frage gestellt.7 Der Rechtsstaat beruht zwar auf der Idee des staatlichen Gewaltmonopols, anstelle des „bellum omnium contra omnes" und der mittelalterlichen Gewaltenmehrheit tritt die institutionalisierte Überwindung des Bürgerkrieges 8, die Lehren der Vergangenheit ließen aber die Erkenntnis reifen, daß die Staatsgewalt nicht ausschließlich auf ein „nur-formelles" Fundament gebettet sein dürfe. Die Staatsidee fuße nicht mehr auf dem Glauben an die unbeschränkte Herrschaft des Volkes oder dessen jeweils sich ergebender Mehrheit, sondern auch die Mehrheit sollte an Werte und Grundsätze gebunden sein, die nicht verfügbar sind und die dem „Volksentscheid" Grenzen setzten.9
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Vom Rechtsstaat aus definiert von Kröger, S. 5. Von Krockow: Die Versuchung des Absoluten. 6 Von Nicolai Hartmann entliehener Titel einer Veröffentlichung Carl Schmitts in der Festschrift fllr Ernst Forsthoff zu dessen 65. Geburtstag, 1967, S. 37-62. 7 Siehe exemplarisch: Rühters: Carl Schmitt im dritten Reich; S. 76ff; selbst Luhmann stimmt dem zu, allerdings nur im Vorwort zu seiner unter Juristen vieldiskutierten Schrift: Legitimation durch Verfahren, S. 1. 8 Nach Rhinow, S. 22. 9 Vgl. Rhinow, S. 26, zur schweizer Staatsidee. 5
I. Die geschichtliche Wiederkehr des Grundgedankens
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I. Die geschichtliche Wiederkehr des Grundgedankens Ob dem Volk oder auch den Einzelnen das Recht auf Widerstand gegen die ungerechte Herrschaft zusteht, ist ein uraltes Problem. Die Wurzeln dieser typisch abendländischen Rechtsvorstellung reichen, wie Pernthaler sagt, in mythologische Fernen zurück. 10 Bei Homer, am Beginn des griechischen Rechtsdenkens, hat das Recht zwei Namen: Dike (Gerechtigkeit) und Nomos (Recht). Dahinter steht das Bewußtsein von „zwei Rechten" (historisch vielleicht auch Mutter- und Vaterrecht), die miteinander in Einklang stehen.11 In der antiken Tragödie mußte Antigone zwischen dem Gesetz, der Machtordnung Kreons, und der sittlichen Norm der Gerechtigkeit wählen. Sie hielt den ungeschriebenen, festen Gesetzen der Götter die Treue. 12 Die Christen bis zur Zeit Konstantins des Großen hatten zwischen den kaiserlichen Verordnungen und den Geboten der Heiligen Schrift zu entscheiden,13 und seit dem frühen Mittelalter gehörte das aus der Verbindung von germanischem und christlichen Rechtsdenken geborene Prinzip des Widerstandsrechtes zu den Kristallisationspunkten der Staatsphilosophie.14 Im Christentum des Mittelalters gab es, basierend auf der heiligen Schrift, ein passives Widerstandsrecht gegen die Staatsgewalt, das im Widerstand durch „duldenden Gehorsam"15 selbst die Hingabe des eigenen Lebens vorsah. Als aktive geistliche Waffe galt das Gebet, von einem leiblichen Widerstandsrecht war zunächst nicht die Rede.16 Das germanische Staatsempfinden fußte auf der Überzeugung von der Gleichheit von Volk und Staat, und der Staat war nichts anderes als die Gesamtheit seiner Glieder. Das Staatsoberhaupt stand nicht neben oder über dem Staatsvolk, sondern jeder Freie hatte die Pflicht zur Mitwirkung am Staatsleben. Der Herrscher regierte nicht absolut als die Verkörperung des Staates schlechthin.17
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Pernthaler, S. 359. Nach Pernthaler, ebd. Tsatsos, S. 505. Tsatsos, ebd. Mayer-Tasch, S. 1. Spörl, S. 92; siehe auch Heyland, S. 5ff. Spörl, ebd. Spörl, ebd.
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Α. Der Begriff: Widerstandsrecht
Das Recht stand über dem Herrscher und band ihn in seiner Autorität. 18 Dieser Gedanke der Solidarität und der Verantwortung des Einzelnen für das Gesamtwohl ist im Germanischen wesentlich stärker und in anderer Weise ausgeprägt als im Römisch-Christlichen. Spörl weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß zuweilen sogar der neuzeitliche Begriff der Volkssouveränität für dieses altgermanische Staatsdenken gebraucht wurde. Aus dem germanischem Rechtsempfinden folgte konsequenterweise, daß die Untertanen weniger Gehorsam als vielmehr Treue schulden.19 Diese Treuepflicht war wechselseitig und galt mit dem Vorbehalt, daß auch der Herrscher seine Pflicht erfüllte. Brach der Herrscher das Recht, verlor er dadurch den Anspruch auf Gehorsam, wobei sich die Gefolgschaftspflicht sogar in eine Widerstandspflicht wandeln konnte.20 Im spätmittelalterlichen Staat fand dieses Schutz- und Treueverhältnis seine Ausgestaltung im vielfach verbrieften Widerstandsrecht der Stände.21 Mit der frühen Neuzeit ging der archaisch-heidnische Widerstandsgedanke endgültig im christlich-religiösen Motiv auf. Die Protestanten beriefen sich etwa im katholischen Frankreich auf das Widerstandsrecht, um ihre Religionsfreiheit zu sichern. 22 In diese Zeit fallen die Widerstandslehren der Monarchomachen. Als Monarchomachen, Fürstenbekämpfer bezeichnet man eine „Gruppe politischer Autoren, die die Rechte des Volkes gegenüber den absolutistischen Tendenzen ihrer Zeit zu wahren suchten und insbesondere für die Anerkennung eines Widerstandsrechtes gegen tyrannische Fürsten eintraten. Ihre Theorien fundierten im wesentlichen auf calvinistischem und naturrechtlichem Gedankengut".23 Der von Carl Schmitt mehr als geschätzte französische Staatsphilosoph Jean Bodin 24 schreibt im Vorwort zu seinen „Six livres de la republique" über die Monarchomachen: x
*Kern, S. 121ff. Kern, S. 152. 20 Spörl, S. 93. 21 Pernthaler, S. 359. 22 Pernthaler, S. 360. 23 Mayer-Tasch, S. 72, Der Name Monarchomachen wurde von William Barclay geprägt, der eine Polemik mit dem Titel„De regno et regali potestate adversus Buchanan, Brutum, Boucherium et religuos Monarchomachos libri sex" (1600) verfaßte; nach Mayer-Tasch, ebd. FN 45. 24 Carl Schmitt über Jean Bodin und Thomas Hobbes: „...die Gedanken und Formulierungen der beiden sind mir geläufig, wie die Denk- und Redeweise eines Bruders. Sie haben mein Denken wachgehalten und vorwärtsgetrieben, als der Positivismus meiner Jahrgänge mich bedrückte und ein blindes Sekuritätsbedürfnis mich lähmen wollte. Bei ihnen habe ich aktuellere Antworten auf völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Fragen meiner Zeit gefunden, als in den Kommentaren zur Bismarkschen oder zur Weimarer Verfassung oder in den Publikationen der Genfer Liga. Sie 19
I. Die geschichtliche Wiederkehr des Grundgedankens
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„Unter dem Deckmantel der Lastenbefreiung und im Namen der Freiheit des Volkes stacheln sie die Untertanen zur Rebellion gegen die Fürsten an. Dadurch öffnen sie der ungezügelten Anarchie Tür und Tor, was schlimmer ist als die härteste Tyrannei der Welt..."25 Gegen jede absolutistische Vernunft fielen die Lehren der Monarchomachen jedoch auch in England auf fruchtbaren Boden, denn England kann auf eine lange Widerstandstradition verweisen. Die erste geschriebene Verfassung Englands, die Magna Charta von 1215, konstituierte in Kapitel 61 die Einsetzung eines von 25 Baronen gewählten Widerstandsausschusses, der im Falle eines Rechtsbruches des Königs die Staatsgewalt an sich zog. 26 Auch in Schottland fanden die monarchomachischen Lehren zu Beginn der Neuzeit weiten Nachhall.27 Aus dieser Widerstandspraxis entwickelte sich das Unterhaus und die englische Demokratie.28 Nachdem die amerikanischen Staaten ihre Unabhängigkeit von der englischen Krone erkämpft hatten, konstituierten sie die Menschenrechte und rechneten das Widerstandsrecht zu ihnen. Beispielsweise formulierte der Staat Massachusetts im Jahre 1775: „Widerstand ist weit davon entfernt, verbrecherisch zu sein. Er ist christliche und soziale Pflicht eines jeden." 29 Als Errungenschaft der französischen Revolution fand das Widerstandsrecht seine Verankerung in der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte als Recht auf „resistance".30 Mit Etablierung des Bürgertums als politisch bestimmende Macht im Staat begann sich der staatsrechtliche Positivismus immer mehr durchzusetzen31 und beseitigte schließlich den naturrechtlichen Staatsgedanken zur Gänze. stehen mir näher als alle Positivisten des jeweiligen status quo der jeweiligen Legalitätsfassaden..." und weiter über Jean Bodin: „Den entscheidenden Begriff des jus publicum Europaeum, den innen- und außenpolitisch souveränen Staat, hat er mit unvergleichlichem Erfolg herausgestellt. Er ist einer der Geburtshelfer des modernen Staates. Aber den modernen Leviathan, der in vier Gestalten erscheint, die vierfache Kombination von Gott und Tier und Mensch und Maschine, hat er noch nicht begriffen. Dafür war seine Verzweiflung noch nicht groß genug."; aus: Ex Captivitate Salus, S. 64ff 25 Bodin, Vorwort S. 7. 26 Mayer-Tasch, S. 63. 27 Mayer-Tasch, S. 74. 28 Bauer F., S. 488, differenzierter Mayer-Tasch, S. 64. 29 Nach Bauer F., ebd. 30 Bauer F., S. 489; Art. 2 der „déclaration des droits de Γ homme et du citoyen" lautet. „Le but de toute association politique est la conservation des droits naturels et imprescriptibles de Γ homme. Ces droits sont la liberté, la propriété, la sûreté et la résistance a l'oppression", siehe ebd. 31 Vgl. unten C.I. FN. 63.
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Α. Der Begriff: Widerstandsrecht
Pernthaler erachtet es als bezeichnend, „daß in der deutschen (österreichischen) Rechts- und Staatslehre des 19. und frühen 20. Jahrhunderts das Widerstandsrecht theoretisch unterging und im staatsrechtlichen Positivismus als überwunden galt" und führt weiter aus: „Das Bürgertum hatte sich in seinem Kampf um die Verfassung einen nationalen und imperialistischen Staat geschaffen, den es gegen Widerstand, politischen Wandel und Revolution absichern wollte. Eine Entartung oder ein Mißbrauch dieser rechtsstaatlich gesicherten und politisch eigenen Staatsgewalt schien außer aller Denkmöglichkeit der bürgerlichen Staatslehre."32
I L Die Ebenen des Prinzips in der rechtsstaatlichen Demokratie
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1. Völkerrechtlich gebotener Widerstand - Widerstand von außen als Aktion der Rechtsstaatengemeinschaft
Nach dem Zusammenbruch des wirtschaftsliberalen Gesellschaftssystems der Weimarer Republik und dem darauffolgenden Totalitarismus erführ der Widerstandsgedanke durch den Kampf der demokratischen Kräfte gegen die NS-Diktatur seine Revitalisierung. Durch das „Londoner Viermächteabkommen vom 8. August 1945 über die Bestrafung der Hauptkriegsverbrecher der europäischen Achsenmächte" und durch das „Statut des Interallierten Militärgerichtshofes" (des späteren Nürnberger Gerichtshofes), das einen integrierenden Bestandteil des Londoner Abkommens bildet, wurden neben Kriegsverbrechen auch „Verbrechen gegen die Menschlichkeit" (